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German Pages [355] Year 2013
STADT UND GESELLSCHAFT Studien zum Rheinischen Städteatlas Herausgegeben vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte Redaktion Margret Wensky Band 5
Bonn im 18. Jahrhundert Die Bevölkerung einer geistlichen Residenzstadt
von Christian Schlöder
2014 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung des Landschaftsverbands Rheinland.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Stadtansicht Bonn von Nordwesten, von F. B. Werner und I. Ringlin, um 1700. Vor- und Nachsatz: Bonn von Südosten und aus der Vogelschau, Kupferstich von Matthäus Merian, 1646.
© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Dajana Napiralla, Halle Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-22246-8
Inhalt
Vorwort des Verfassers .............................................................................................. IX
1.
EINLEITUNG ...........................................................................................................1
1.1 Arbeitsvorhaben ....................................................................................................1 1.2 Forschungsstand ....................................................................................................8 1.3 Quellen ................................................................................................................12 1.3.1 Kirchenbücher ............................................................................................12 1.3.2 Weitere Quellen ..........................................................................................15
2.
HISTORISCH-DEMOGRAPHISCHE RAHMENBEDINGUNGEN ....................................18
2.1 2.2 2.3 2.4
Geographische Lage und Klima ..........................................................................18 Abriss der politischen Stadtgeschichte ................................................................20 Wirtschaftliche Entwicklung ...............................................................................25 Bevölkerungsgröße ..............................................................................................29 2.4.1 Bevölkerungsschätzungen ..........................................................................29 2.4.2 Volkszählungen ..........................................................................................34 2.4.3 Hochrechnung der Taufen ..........................................................................38 2.5 Siedlungsentwicklung und Bebauung..................................................................41 2.5.1 Neuanlagen von Vororten, Stadtvierteln und Straßen ................................42 2.5.2 Entwicklung der Häuserzahl .......................................................................49
3.
DIE STÄDTISCHE SOZIALSTRUKTUR .....................................................................52
3.1 Entwicklung einzelner Berufsgruppen ................................................................52 3.2 Die sozioökonomische Entwicklung der Bürgerschaft (1758-1795) ...................60 3.3 Zwei sozialtopographische Momentaufnahmen: 1758 und 1795 ........................68
VI
Inhalt
4.
HOF UND STADT...................................................................................................76
4.1 Der kurkölnische Hof in der Stadt .......................................................................76 4.1.1 Zusammensetzung und Größe des Hofstaates ............................................83 4.1.2 Hofangehörige als Einwohner Bonns .........................................................92 4.2 Das Verhältnis der Stadt zur Landesherrschaft ...................................................96 4.2.1 Das Verhältnis zwischen Bürgern und eximierten Einwohnern .................97 4.2.2 Eingriffe der Landesherrschaft in die städtische Verwaltung ...................101 4.3 Aufbruch in eine neue Zeit – Die Aufklärung in Bonn .....................................106 4.3.1 Aufklärung in Bonn ..................................................................................108 4.3.2 Die Verbreitung aufgeklärten Gedankengutes..........................................115
5.
DIE BEVÖLKERUNGSBEWEGUNG .......................................................................121
5.1 Natalität .............................................................................................................121 5.1.1 Anzahl der Geburten pro Ehe ...................................................................125 5.1.2 Monatliche Verteilung ..............................................................................128 5.1.3 Illegitimität und Findelkinder ...................................................................133 5.2 Nuptialität ..........................................................................................................140 5.2.1 Monatliche Verteilung ..............................................................................142 5.2.2 Zivilstand der Ehepartner .........................................................................144 5.2.3 Heiratsalter und Fertilität ..........................................................................147 5.3 Mortalität ...........................................................................................................157 5.3.1 Monatliche Verteilung ..............................................................................159 5.3.2 Erwachsenensterblichkeit und Lebenserwartung......................................162 5.3.3 Kindersterblichkeit ...................................................................................165 5.3.4 Säuglingssterblichkeit...............................................................................172 5.3.4.1 Biometrische Analyse ............................................................................180 5.3.4.2 Monatliche Verteilung ...........................................................................185 5.3.4.3 Sozioökonomische Analyse ...................................................................188 5.3.4.4 Ursachen und Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit .........................191 5.4 Räumliche Bevölkerungsbewegung ..................................................................194 5.4.1 Die Zuwanderung .....................................................................................196 5.4.2 Herkunftsorte der auswärtigen Neubürger................................................204 5.4.3 Berufe der auswärtigen Neubürger ...........................................................209 5.5 Bilanz der Bevölkerungsbewegung ...................................................................213
6.
ANALYSE DER EINWOHNERSCHAFT IM QUERSCHNITT.......................................220
6.1 6.2 6.3 6.4
Die Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahr 1720 .....................................222 Die Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahr 1790 .....................................226 Die Zusammensetzung der Bevölkerung um 1800 ............................................234 Ergebnis der Vergleiche ....................................................................................238
Inhalt
7.
VII
DEMOGRAPHISCHE KRISEN ................................................................................240
7.1 Definition und Typen von demographischen Krisen .........................................240 7.2 Krisenjahre in Bonn ...........................................................................................246 7.3 Versorgungskrisen in Bonn ...............................................................................256 7.3.1 Getreidepreise und generatives Verhalten ................................................257 7.3.2 Die Krisen 1739/40 und 1770-1772 im Vergleich....................................261
8.
ZUSAMMENFASSUNG .........................................................................................271
Anhang ......................................................................................................................280 Abkürzungen und Siglen ...........................................................................................299 Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen ..............................................................301 Quellen- und Literaturverzeichnis.............................................................................304 Ungedruckte Quellen .........................................................................................304 Gedruckte Quellen .............................................................................................307 Literatur .............................................................................................................310 Orts- und Personenregister ........................................................................................332
Vorwort des Verfassers
Das vorliegende Buch entstand als Dissertation an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn und wurde für den Druck geringfügig überarbeitet. Mein Interesse an der Geschichte Bonns wurde geweckt, als ich in einem Seminar erfuhr, dass über die Bevölkerungsentwicklung dieser doch recht bedeutenden Residenzstadt nur wenig bekannt ist. Trotz der dürftigen Quellenlage wagte ich eine historischdemographische Untersuchung. Die Einbeziehung verschiedener Untersuchungsgegenstände und die Analyse sowohl mit quantitativen und als auch klassischen qualitativen Methoden haben der Arbeit zum erwünschten Erfolg verholfen. Dennoch konnte auch ich nur an der Oberfläche „kratzen“. Es warten noch zahlreiche Aspekte der Lebensweise der vormodernen Bonner Bevölkerung auf ihre Entdeckung. Auch wenn die Arbeit als klassische geisteswissenschaftliche „Einzelkämpferleistung“ entstanden ist, haben dennoch viele Menschen zum erfolgreichen Gelingen beigetragen, bei denen ich mich bedanken möchte. Mein Doktorvater Prof. Dr. Maximilian Lanzinner hat mich zu dieser Dissertation ermuntert und mir die Rahmenbedingungen zum erfolgreichen Gelingen bereitgestellt. Die Mitarbeit im „Quandt-Team“ von Prof. Dr. Joachim Scholtyseck gab mir den notwendigen finanziellen Freiraum und bot mir zudem interessante Abwechslung. Prof. Dr. Günther Schulz hat sich als Zweitgutachter über das übliche Maß hinaus mit meiner Arbeit befasst und zahlreiche Verbesserungsvorschläge eingebracht. Ottmar Prothmann, ehemaliger Archivar im Bonner Stadtarchiv, hat mir umfangreiche Quellenabschriften überlassen, ebenso Willi Pauli, der mir stets freundschaftlich mit Rat und Tat zur Seite stand. Dr. Markus Küpker gab mir wichtige inhaltliche Hinweise. Das Bonner Stadtarchiv war mir über mehrere Monate fast eine zweite Heimat. Die Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter hat mir die Arbeit sehr erleichtert. Ohne die Zurverfügungstellung der Fotoanlage für die professionelle Digitalisierung der Quellen hätte die Erhebung der Daten wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen. Prof. Dr. Margret Wensky vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte hat nicht nur meine Arbeit in die Reihe „Stadt und Gesellschaft. Studien zum rheinischen Städteatlas“ aufgenommen, sondern auch viele Ratschläge gegeben, die das Buch sprachlich und inhaltlich verbessert haben. Danke auch an Dipl.-Ing. (FH) Esther Weiss, die mich hervorragend bei der Gestaltung der beiden Karten unterstützt hat. Großer Dank gebührt unserer „Mensarunde“. Die Gespräche auf der Treppe des akademischen Kunstmuseums in Bonn waren ebenso wichtig für das Gelingen der Arbeit wie das Korrekturlesen des Manuskriptes. Genannt seien Janusch Carl, Felix Hartmann, Christina Schmücker, Günter Kölzer, Mareike Duday, Patrick Bormann und Nina Schnutz. Bei Dajana Napiralla möchte ich mich für die gute und schnelle Schlusskorrektur bedanken. Prof. Dr. Steger und seine Mitarbeiter am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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Vorwort des Verfassers
haben mich auf verschiedene Art und Weise in der Endphase der Entstehung dieses Buches unterstützt. Entscheidenden Anteil am Gelingen dieser Arbeit haben meine Mutter und mein Großvater, weil sie meinen akademischen Werdegang begrüßt und stets aktiv gefördert haben. Mein ganz besonderer Dank gilt meiner Lebensgefährtin Meggy Wittek, die mir nicht nur eine unverzichtbare emotionale Stütze war, sondern mir auch besonders in der „heißen Phase“ tatkräftig geholfen hat.
Christian Schlöder
Halle, im September 2013
1. Einleitung
1.1 Arbeitsvorhaben „Es gibt etwas in dem Gesamteindruck von Bonn, das einem die Stadt besonders angenehm macht, und müßte ich an irgendeinem Orte längs des Rheins, den ich besucht habe, wohnen, würde ich vielleicht dieser Stadt den Vorzug geben.“1
Dieses zeitgenössische Bild von Bonn am Ende der kurfürstlichen Zeit rühmt Bonn als angenehmen Wohnort – doch Bonn war weit mehr als das. Die Stadt erlangte bereits im 18. Jahrhundert als Haupt- und Residenzstadt des Kurfürstentums Köln über die Reichsgrenzen hinaus Bedeutung. Der kurfürstliche Hof unter dem Wittelsbacher Joseph Clemens (Regierungszeit: 1688-1723) und insbesondere unter seinem Neffen Clemens August (Regierungszeit: 1723-1761) war einer der prächtigsten und bedeutendsten Mitteleuropas. Architektonische Zeugen dieser Epoche sind beispielsweise die Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl, UNESCO-Welterbestätten, und das Residenzschloss zu Bonn, das heutige Universitätshauptgebäude. Diese glanzvolle Epoche endete mit dem Tod Clemens Augusts, denn unter den beiden Nachfolgern auf dem kurfürstlichen Thron, Maximilian (Max) Friedrich von KönigseggRothenfels (Regierungszeit: 1761-1784) und Maximilian (Max) Franz von Österreich (Regierungszeit: 1784-1801), änderte sich die kurfürstliche Politik grundlegend: Statt pompöser Bauten und glanzvoller Feste stand eine moderne Staatsführung im Geiste der Aufklärung auf der politischen Agenda, die in erster Linie auf die Mehrung des Volkswohls und Wohlstands des Staates abzielte. Gegenstand dieser Studie ist die Bevölkerung der geistlichen Residenzstadt Bonn. Im Fokus steht dabei die Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung und der generativen Struktur, d. h. die Vernetzung der Komponenten Natalität, Nuptialität und Mortalität, die in einem engen Wechselverhältnis mit der kulturellen und ökologischen Umwelt der Bevölkerung stehen.2 Sowohl die generative Struktur als auch die Bevölkerungsentwicklung wurden in weitaus größerem Maße von sozialen und wirtschaftlichen Strukturen als von politischen Entwicklungen beeinflusst. Deshalb werden diese Bereiche ausführlich untersucht und im Zusammenhang mit der demographi1
2
Cogan, Thomas, The Rhine or a Journey from Utrecht to Francfurt, chiefly by the banks of the Rhine and the Passage down the river from Mentz to Bonn, Bd. 2, London 1794, S. 11, zitiert nach STADER, Bonn und der Rhein, S. 124. An dieser Stelle werden drei grundlegende Begriffe definiert: Die Bevölkerungsentwicklung beschreibt die Veränderung der Größe einer Population, also das Verhältnis zwischen Geburten und Sterbefällen über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Die generative Struktur bezeichnet die Summe des generativen Verhaltens der Population inklusive der Mortalität. Als generatives Verhalten wird das demographisch relevante Verhalten der Menschen im Hinblick auf die Fortpflanzung verstanden. Diese Definitionen sind angelehnt an MACKENROTH, Bevölkerungslehre, S. 110.
2
Einleitung
schen Entwicklung analysiert. Eine derartige Verknüpfung von sozioökonomischen und demographischen Informationen verspricht zahlreiche Erkenntnisgewinne.3 Daneben werden weitere Lebensbereiche untersucht, die Aufschlüsse über die Bevölkerungsentwicklung und die generative Struktur erwarten lassen. Darunter fallen insbesondere demographisch relevante Verhaltensweisen, wie der Umgang mit Krankheiten und die Pflege von Säuglingen. Erziehung, Körperpflege, Ernährung usw. können durch geistige Strömungen beeinflusst werden, weshalb der Untersuchung dieser Bewegungen – insbesondere der Aufklärung – viel Raum gewährt wird. Die Analyse der generativen Struktur erfolgt anhand der in den Kirchenbüchern verzeichneten Vitalereignisse: Geburten, Heiraten und Sterbefälle. Zwei Methoden hat die Historische Demographie entwickelt, die kurz erläutert werden sollen: 1. Die aggregative Methode – auch numerische oder nicht-namentliche Methode genannt – umfasst die monatsweise Auszählung der Vitalereignisse; dies ermöglicht die Untersuchung saisonaler Schwankungen oder Häufigkeiten von Geburten, Hochzeiten und Sterbefällen. Diese Methode bietet den Vorteil, dass sie relativ unkompliziert und für alle Pfarreien durchgeführt werden kann, aus denen die Register überliefert sind. 2. Die zweite Methode ist weitaus komplexer und aufwendiger, weil die Vitalereignisse einzelnen Familien zugeordnet werden müssen. Die sogenannte Familienrekonstitution ermöglicht jedoch die Analyse von aussagekräftigen demographischen Parametern wie z. B. der ehelichen Fruchtbarkeit, dem Heiratsalter oder der Lebenserwartung, die für das Verständnis der generativen Struktur unerlässlich sind. Um zu validen und reliablen Ergebnissen zu gelangen, müssen sämtliche Vitalereignisse der Eltern und die Geburtsdaten aller Kinder zweifelsfrei zu identifizieren sein. Damit genügend solcher Kernfamilien vollständig rekonstituiert werden können, sollte der Untersuchungszeitraum daher mindestens 100 Jahre betragen.4 Frühneuzeitliche Städte, vor allem Residenz- und Handelsstädte, stellten „in einem sehr viel höheren Grad als ländliche Gebiete […] spezifische Entitäten dar, deren Repräsentativität für die heterogene Menge der Städte grundsätzlich gering war“5. Somit sollte das Ziel der Forschung sein, für jede größere oder bedeutendere Stadt in der Frühen Neuzeit historisch-demographische Untersuchungen durchzuführen, um mehr über die generative Struktur städtischer Gesellschaften, nicht zuletzt durch den Vergleich untereinander, in Erfahrung zu bringen. Es ist jedoch nicht zweckmäßig, durch Analysen von Kirchenbüchern „Fallstudie an Fallstudie zu reihen und so Steinchen um Steinchen ein Mosaik zu gestalten“6, ohne diesen Untersuchungen neue Fragestellungen zugrunde zu legen, die das Verständnis generativer Strukturen von Städten erweitern. In den wenigen einschlägigen Monographien wurden lediglich die
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SAITO, Historical Demography, S. 551. WRIGLEY, Family reconstitution, bes. S. 102-104. GEHRMANN, Bevölkerungsgeschichte Norddeutschlands, S. 245. PFISTER, Bevölkerungsgeschichte der Frühen Neuzeit, S. 72.
Arbeitsvorhaben
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Unterschiede im generativen Verhalten der drei christlichen Konfessionen – Katholiken, Lutheraner und Reformierte – umfassend untersucht.7 Doch daneben beeinflussten auch andere Faktoren die Bevölkerungsentwicklung, wie etwa die sozioökonomische Zusammensetzung der Bevölkerung. Dies konnte auf direktem Wege geschehen – wenn sozioökonomische Faktoren das generative Verhalten unmittelbar beeinflussten – oder auf eher indirekte Weise, wenn sozioökonomische Faktoren sich z. B. auf die Migration auswirkten. Verschiedene Stadttypen, wie Handels-, Messe-, Hafen-, Universitäts-, Grenz-, Festungs-, Bergarbeiter- oder Fabrikarbeiter-, Ackerbürgerstädte usw. zeichneten sich durch die ihnen jeweils eigenen sozioökonomischen Verhältnisse aus; dies gilt insbesondere für die das 18. Jahrhundert kennzeichnenden Residenzstädte. Residenzstädte bildeten im 17./18. Jahrhundert Mittelpunkte der Territorien, an denen die politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen sowie kulturellen Eliten des Landes zusammenkamen.8 Eine solche starke Verdichtung findet sich nur selten in heutigen Hauptstädten. In vielen geistlichen Staaten verließen die Bischöfe ihre Kathedralstadt – entgegen einem Beschluss auf dem Konzil zu Trient9 – und wählten eine in der Regel kleinere Residenzstadt.10 Damit versuchten sie, sich vom Einfluss des mächtigen Domkapitels zu lösen und dem Herrschafts-, aber auch Lebensstil weltlicher Fürsten nachzueifern. Die Spannungslage zwischen der geistlichen, dynastischen und machtpolitisch orientierten Repräsentation und Herrschaft kennzeichnete die geistlichen Residenzstädte, die eine Eigentümlichkeit des Heiligen Römischen Reiches sind. In dieser Studie soll der Einfluss des in Bonn ansässigen kurkölnischen Hofes und der Landesregierung auf die generative Struktur untersucht werden. Die Bevölkerungsentwicklung, die sozioökonomische sowie generative Struktur werden dabei im Vergleich mit anderen Städten – vornehmlich geistlichen Residenzen – betrachtet. Damit soll einerseits die gesamte Bevölkerung Bonns berücksichtigt werden, andererseits sollen die Ähnlichkeiten der geistlichen Residenzstädte untereinander bzw. die Unterschiede zu anderen Stadttypen herausgestellt werden. Die Auswirkungen von Veränderungen am Hof auf die generative Struktur einer Residenzstadt werden in dieser Untersuchung erstmals untersucht. Der kurkölnische Hof war der wichtigste wirtschaftliche Faktor in der Stadt. Deshalb werden die Veränderungen am Hof zum einen in ihren Auswirkungen auf die sozioökonomischen Strukturen untersucht und zum anderen mit dem generativen Verhalten in Zusammenhang gebracht. Schlechtere wirtschaftliche Verhältnisse führten in vielen Gesellschaften dazu, dass Ehen später geschlossen wurden. Daraus resultierte eine Abnahme der Fertilität.11 Deshalb wird dem Heiratsalter in dieser Untersuchung eine besondere Bedeutung beigemessen. 7 8 9 10 11
ZSCHUNKE, Konfession und Alltag; HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert. HARTMANN, Monarch, Hofgesellschaft und höfische Ökonomie, S. 73. JÜRGENSMEIER, Geistliche Leitung oder nur Fürsten?, S. 22. PRESS, Bischöfe, Bischofsstädte und Bischofsresidenzen, S. 19. OGILVIE, State Corporatism and Proto-Industry, S. 242.
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Einleitung
Möglicherweise wurden auch höfische kulturelle Praktiken unter der Bevölkerung Bonns verbreitet, was wiederum zu einem Wandel des generativen Verhaltens geführt haben könnte. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts griff die Landesregierung zunehmend aufgeklärtes Gedankengut auf und zahlreiche staatliche Reformen wurden im Lichte dieser neuen Geisteshaltung begonnen. Gerade Angehörige des Hofes stellten in den geistlichen Residenzstädten die wichtigsten Vertreter der Aufklärung dar, die auch jenseits ihrer Staatstätigkeit mannigfach versuchten, das Verhalten des Volkes im Sinne der Ideale der Aufklärung zu beeinflussen. Bereits Rödel hat in seiner umfangreichen Studie zu Mainz angemerkt, dass „die Elemente des Wandels von außen an die Mainzer Bürgerschaft herangetragen [wurden], daß diese aber kaum auf das Angebot von Innovationen reagierte. Es ist noch zu untersuchen, ob diese Sachlage auf den historisch-demographischen Bereich zutrifft.“12
In der vorliegenden Arbeit werden die „Elemente des Wandels“ und ihre Auswirkungen auf das generative Verhalten der Bevölkerung Bonns untersucht; damit soll die von Rödel festgestellte Forschungslücke geschlossen werden. Dabei ist es methodisch schwierig, Kausalbeziehungen zwischen objektiv messbaren Veränderungen einzelner demographischer Parameter und Änderungen im Verhalten bzw. in den Einstellungen der Bevölkerung herzustellen. Zu diesem Zweck werden nicht nur obrigkeitliche Maßnahmen, wie beispielsweise die Einrichtung von Hebammenschulen, auf ihre demographischen Auswirkungen hin untersucht – in diesem Fall eine angenommene niedrigere Sterblichkeit in den ersten sieben Lebenstagen –, sondern auch die von den Vertretern der Aufklärung propagierten Verhaltensweisen. Diese beinhalteten u. a. die Erziehung und Pflege von Kindern, Krankheitsprophylaxe und Behandlungsformen, Ratschläge zur Steigerung des Wohlstandes, ja sogar für das Führen einer Ehe. Hat die Bevölkerung diese Ratschläge angenommen, die häufig den althergebrachten, konfessionell geprägten Verhaltensweisen entgegenstanden? Hat sich dadurch das generative Verhalten verändert? Falls ja, welche Auswirkungen hatte dies auf die Bevölkerungsentwicklung? Besonders gut kann dies anhand der Säuglingssterblichkeit untersucht werden, denn gerade die hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit wurde rege diskutiert und es wurden zahlreiche Vorschläge zur besseren Versorgung der Kinder verbreitet. Aufgrund dieser Fragestellungen wurden die Kirchenbücher nicht nur aggregativ, sondern sowohl das Heiratsalter als auch die Säuglingssterblichkeit wurden namentlich ausgewertet. Eine Familienrekonstitution kam wegen der hohen Fluktuation der Bevölkerung aufgrund von Migration und der schlechten Qualität der Bonner Kirchenbücher nicht in Frage: Wegen in der Regel fehlenden Informationen zu Beruf und Herkunft der registrierten Personen sowie dem hohen Anteil an Zugewanderten ist es nicht möglich, sowohl die Geburts-, Heirats- und Sterbeeinträge der Eltern als auch die Geburtseinträge aller Kinder für eine angemessene Stichprobe für mehrere Dekaden im 18. Jahrhundert zu erheben und auf dieser Basis mögliche Veränderungen im Verlauf des Jahrhunderts festzustellen. Daher wurden nur die für die Fragestellungen entscheidenden demographischen Parameter namentlich erhoben. Dieses Vorgehen 12
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 339.
Arbeitsvorhaben
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zeichnet sich nicht nur durch eine höhere Effizienz aus, sondern es ermöglicht auch die Erhebung von weitaus mehr Daten zum Heiratsalter und zur Säuglingssterblichkeit als die Methode der Familienrekonstitution. Mit der vorliegenden Arbeit wird die Reihe der historisch-demographischen Monographien zu Residenzstädten um eine Untersuchung der Stadt Bonn erweitert. Solche Untersuchungen liegen für zahlreiche deutschsprachige Städte vor, mit gleichwohl unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Neben den anderen rheinischen geistlichen Residenzstädten – Trier, Koblenz und Mainz13 – wurden auch zahlreiche weitere Städte im Rahmen von eigenständigen Monographien umfangreich untersucht; genannt seien hier nur die herausragenden Studien zu Berlin, Duisburg, Oppenheim und Gießen.14 Durch den Vergleich mit anderen geistlichen sowie mit weltlichen Residenz-, aber auch mit Ackerbürger-, Universitäts- oder Handelsstädten soll zweierlei geleistet werden: Zum einen soll der Typus der geistlichen Residenzstadt, aber zum anderen auch die Besonderheit Bonns herausgearbeitet werden, nämlich der radikale Umschwung am kurkölnischen Hof nach dem Tod Clemens Augusts und seine Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung und die generative Struktur. Dabei dienen die Vergleiche mit anderen Studien auch dazu, gleiche demographische Einflussfaktoren (Parameter) herauszuarbeiten – z. B. das durchschnittliche Heiratsalter – und auf deren Auswirkungen auf abhängige Variablen – in diesem Fall die Fertilität – zu schließen. Weitere abhängige Variablen müssen dabei jedoch zweifelsfrei als Einflussfaktoren ausgeschlossen werden können, damit durch den Vergleich ein unbekannter demographischer Parameter bestimmt werden kann. Dies stellt eine methodische Innovation dar, die mit der vorliegenden Arbeit auf den Prüfstand gestellt werden soll.15 Die zeitliche Eingrenzung der Untersuchung orientiert sich zum einen an der Bonner Ereignisgeschichte und zum anderen an der Verfügbarkeit und Qualität der wichtigsten Quellengattung, also der Kirchenbücher. Das Ende des Untersuchungszeitraumes ergibt sich sowohl aus den Quellen als auch aus der politischen Geschichte: 1798 endete nicht nur die kurfürstliche Zeit, sondern damit einhergehend änderte sich auch die Quellenlage, da ab Sommer 1798 die lateinisch geführten Kirchenbücher zugunsten französischsprachiger Zivilstandsregister aufgegeben wurden. Dennoch wurden vereinzelt auch Quellen berücksichtigt, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden, wenn diese auch Aufschlüsse über die generative Struktur im 18. Jahrhundert boten. Den Beginn des Untersuchungszeitraumes festzulegen, war dagegen die wesentlich schwierigere Entscheidung. Aus der Stadtgeschichte ergeben sich drei einschneidende Jahre: 1688 erfolgte der Regierungsantritt Joseph Clemens’, 1689 die große 13 14 15
KOHL, Familie und soziale Schichtung; FRANÇOIS, Population et société à Coblence; RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung. SCHULTZ, Berlin 1650-1800; ZSCHUNKE, Konfession und Alltag; IMHOF, Historische Demographie als Sozialgeschichte. In der angelsächsischen Forschung wurden ebenfalls Methoden entwickelt, um mittelbar über Vergleiche auf die Fruchtbarkeit einer Population zu schließen. OGILVIE, State Corporatism and Proto-Industry, S. 259.
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Einleitung
Belagerung und Bombardierung Bonns, und im Jahr 1715 kehrte der Kurfürst aus dem Exil zurück, die Festung Bonn wurde aufgegeben und die barocke Entfaltung der Residenz begann. Weil die Sterberegister aus der weitaus größten Bonner Pfarrei St. Remigius erst ab 1718 vorliegen und die Heiratsregister erst ab 1716 vollständig sind, spräche die Quellenlage für das Jahr 1718 als Ausgangspunkt der Untersuchung. Die Erhebung der Sterbefälle beginnt daher auch erst mit dem Jahr 1718 und die der Heiraten mit dem Jahr 1716. Dennoch wurden die Taufen seit dem Regierungsantritt Joseph Clemens’ 1688 erhoben und ausgewertet. Anhand der Entwicklung der Geburten kann die Bevölkerungsentwicklung in den turbulenten ersten Regierungsjahren des Kurfürsten im Verbund mit anderen Quellen beschrieben werden, wodurch die nachfolgende Bevölkerungsentwicklung besser eingeordnet werden kann. Dennoch konzentriert sich diese Studie auf die Untersuchung der generativen Struktur und der sozioökonomischen Lage der Bevölkerung nach der Rückkehr Joseph Clemens’ 1715 bis zur Okkupation Bonns durch Frankreich im Jahr 1794. Die Studie ist wie folgt gegliedert: Im einleitenden Kapitel wird neben dem Forschungsstand zur Stadtgeschichte auch der zur Historischen Demographie reflektiert, insbesondere im Hinblick auf internationale Bezüge und die Etablierung neuer Methoden. Außerdem werden die wichtigsten Quellen vorgestellt und erläutert. Im zweiten Kapitel werden die Rahmenbedingungen beschrieben, unter denen die Bevölkerung Bonns lebte. Nach Abrissen der geographischen und klimatischen Bedingungen, der politischen Stadtgeschichte und der wirtschaftlichen Lage wird die Entwicklung der Bevölkerungsgröße, d. h. der Einwohnerzahl, und der Siedlung im Verlauf des 18. Jahrhunderts untersucht. Darüber hinaus wird der Zusammenhang zwischen Bevölkerungszunahme bzw. -abnahme und der Anlage von neuen Straßen bzw. Häusern erörtert. Das dritte Kapitel ist der Beschreibung der Sozialstruktur Bonns gewidmet. Nach einer Analyse der Entwicklung einzelner großer Berufsgruppen im Verlauf des Jahrhunderts konzentriert sich die Untersuchung auf die Bürgerschaft der Stadt. Anhand verschiedener Steuerlisten wird die Entwicklung der Bürgerschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts umfassend erörtert, insbesondere im Hinblick auf Vermögen, Wohnlage und Beruf. In diesem Zusammenhang wird eine Sozialtopographie Bonns erstellt, außerdem sowohl die soziale als auch die räumliche Mobilität untersucht. Das Verhältnis und die Zusammenhänge zwischen Stadtbevölkerung und der in Bonn ansässigen Landesherrschaft werden in Kapitel 4 analysiert. Der kurfürstliche Hof wird als Teil der städtischen Gesellschaft betrachtet. Es soll erörtert werden, ob die Entwicklung der Größe und Zusammensetzung des kurfürstlichen Hofes mit der der Bevölkerung korrelierte. Daher ist auch bedeutsam, welche der am Hof anwesenden und beschäftigten Personen überhaupt in Bonn selbst wohnten und welche Stellung sie in der Stadt innehatten. Das Verhältnis zwischen der Bürgerschaft und den Hofangehörigen sowie den Soldaten ermöglicht Einblicke in die Einstellung der Bonner Bevölkerung gegenüber dem in der Stadt ansässigen Hof. Außerdem werden die
Arbeitsvorhaben
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landesherrlichen Eingriffe in die Stadtverwaltung aufgeführt. Hat die Bevölkerung von diesen Eingriffen profitiert oder wurde sie lediglich in der kommunalen Autonomie beschnitten? Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Bevölkerungsbewegung. Die aggregative Analyse der Geburten, Heiraten und Sterbefälle nach dem klassischen Kanon der Historischen Demographie bildet die methodische Grundlage. Die Ergebnisse werden mit denen der anderen Studien zu geistlichen Residenzstädten verglichen; daneben werden in der Forschung strittige Erklärungen für einzelne wiederkehrende Muster in den generativen Strukturen verschiedener Populationen aufgegriffen und diskutiert. Darauf aufbauend werden einzelne demographische Parameter, die besondere Aufschlüsse über die generative Struktur Bonns versprechen, auch namentlich analysiert, dazu zählen das Heiratsalter und die Säuglingssterblichkeit. Das Heiratsalter stellte die „Stellschraube“ für die Fruchtbarkeit einer Population dar. Die Säuglingssterblichkeit wird besonders umfassend behandelt, weil sie die Höhe der Gesamtmortalität entscheidend bedingte und sich in ihrer Höhe der Einfluss sozioökonomischer Faktoren deutlich zeigt. Dabei werden verschiedene Methoden angewandt und neben den Kirchenbüchern weitere Quellen genutzt. Abschließend wird die räumliche Bevölkerungsbewegung exemplarisch anhand der Zuwanderung von Bürgern untersucht. Neben der Entwicklung der Neubürgeraufnahmen im 18. Jahrhundert werden die Herkunftsregionen und die Berufe der Zuwanderer untersucht. Die Bilanz der Bevölkerungsbewegung soll aufzeigen, in welchem Maße die Reproduktion der alteingesessenen Bevölkerung einerseits und die Migration andererseits zur Bevölkerungszunahme bis ca. 1761 und zur anschließenden Abnahme beigetragen haben. In Kapitel 6 wird die Bevölkerung zu drei Zeitpunkten anhand von Einwohnerzählungen untersucht. Diese Momentaufnahmen ergänzen die Analyse der Bevölkerungsbewegung, weil sich mit ihrer Hilfe u. a. der Ledigenanteil, die Größe der Haushalte und die Anzahl der Kinder pro Familie bestimmt lassen. Leider liegen Einwohnerzählungen der gesamten oder eines großen Teils der Stadt nur von 1720, 1790 und 1800 vor. Die Entwicklung zwischen 1720 und 1790 kann demnach nur unzureichend abgebildet werden. Im siebten Kapitel werden die demographischen Krisenjahre im Untersuchungszeitraum bestimmt und die Ursachen der einzelnen Krisenjahre erörtert. Neben Infektionskrankheiten traten dabei auch hohe Getreidepreise als Ursachen in Erscheinung. Zwei Teuerungskrisen, nämlich 1739/40 und 1770-1772, werden gesondert behandelt, denn sie waren europaweit die schwerwiegendsten Teuerungskrisen im 18. Jahrhundert und eignen sich daher besonders für Vergleiche. Dabei wird das Krisenmanagement von Stadt und Landesherrn untersucht. Vergleiche mit anderen Städten, insbesondere den geistlichen Residenzstädten, werden in jedem Kapitel gezogen. Denn erst der Vergleich lässt Konturen des Einzelfalles erkennen und ermöglicht es, den demographischen Typus einer geistlichen Residenzstadt zu charakterisieren.
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Einleitung
1.2 Forschungsstand „Es bedürfte mehrjähriger Forschungsarbeit, um eine modernen Ansprüchen genügende demographische Analyse zu geben.“16
Dieses Urteil im Standardwerk zur Geschichte Bonns in der kurfürstlichen Zeit hat seine Gültigkeit nicht verloren, denn auch in den vergangenen 22 Jahren nach dessen Erscheinen sind keine Monographien zur Bevölkerung Bonns in kurfürstlicher Zeit erschienen. Außer einer Analyse der altersspezifischen Sterblichkeit am Ende der kurfürstlichen Zeit17 wurden seit Ennens18 Arbeiten keine weiteren vorgelegt. Es soll vermieden werden, den schon von vielen Historikern dargestellten Abriss der (deutschen) Forschungsgeschichte der Historischen Demographie erneut zu skizzieren.19 Die Beiträge in Aufsätzen oder einleitenden Kapiteln von Monographien orientieren sich meist stark an den wegweisenden Ausführungen Imhofs.20 Deshalb wird im Folgenden lediglich der „klassische“ Abriss der Forschungsgeschichte in Teilen hinterfragt und um die Entwicklungen der letzten Jahre, insbesondere Städte betreffend, ergänzt. In der Regel beginnt jeder der genannten Abrisse der Forschungsgeschichte mit den Arbeiten Rollers zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der eine erste Familienrekonstitution erstellte,21 gefolgt von den häufig rassenpolitisch motivierten Untersuchungen verschiedener Anthropologen während der 1920er und 1930er Jahre, die als „deutsche Vorläufer“ der in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg von Henry entwickelten Historischen Demographie betrachtet werden. Doch schon Ende des 19. Jahrhunderts hat Bücher eine bevölkerungs- und sozialgeschichtliche Arbeit22 vorgelegt, deren Niveau erst wieder in den 1970er Jahren erreicht wurde. Zwar konnte er für die Analyse des spätmittelalterlichen Frankfurt keine Kirchenbücher verwenden, aber er hat neben Bestandsdaten, wie Zunft- und Bürgerverzeichnissen sowie Häuserlisten, auch Bewegungsdaten, nämlich Bürgerbücher, mit statistischen Methoden ausgewertet.23 Den Anschluss an die französische und angelsächsische Forschung, der vielleicht in den 1970er und 1980er Jahren kurzzeitig hergestellt war, hat die deutsche Forschung erneut verpasst.24 Seit den späten 1980er Jahren hat das Interesse an der Histo16 17 18
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ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 243. HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit. Eine Vitalstatistik der Hauptpfarrei St. Remigius wurde bereits erstellt – allerdings nicht monatsweise und ohne eine Analyse. HÖROLDT, Bonn als kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 582-585. Auf drei exemplarische Abrisse sei verwiesen: SOKOLL/GEHRMANN, Historische Demographie und quantitative Methoden, S. 154-161; PFISTER, Bevölkerungsgeschichte der Frühen Neuzeit; RESPONDEK, Perspektiven historisch-demographischer Familienforschung, S. 9-12. IMHOF, Historische Demographie in Deutschland; IMHOF, Einführung in die Historische Demographie, S. 12-35. ROLLER, Die Einwohnerschaft der Stadt Durlach. BÜCHER, Die Bevölkerung von Frankfurt am Main. Ebd., S. 51-53. SOKOLL, Historische Demographie und Historische Sozialwissenschaft, S. 406.
Forschungsstand
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rischen Demographie in Deutschland insgesamt wieder abgenommen. Zwar entstehen regelmäßig Monographien zu einzelnen Regionen oder Städten, jedoch werden darin meist nur unzureichend Themen der aktuellen angelsächsischen und französischen Forschung aufgegriffen. So steht eine umfassende Bevölkerungsgeschichte, wie sie seit langem für England, Frankreich und Italien vorliegt, bis heute für Deutschland aus.25 Vielversprechende sozialgeschichtliche26 oder die Analyse von Bevölkerungen in speziellen Naturräumen betreffende Ansätze27 wurden leider nicht weiter verfolgt, stattdessen wiederholen sich häufig Themen und Fragestellungen, die in den 1970er Jahren aktuell waren: Konfessionelle Einflüsse, Land-Stadt-Unterschiede oder reine Familienrekonstitutionen. Es fehlt in Deutschland auch nach wie vor ein institutioneller Rahmen, wie er in England mit der „Cambridge Group for the History of Population and Social Structure“, in Frankreich mit der Fachzeitschrift „Annales de Démographie Historique“, in Schweden mit dem „Centrum för befolkningsstudier“ und in den USA mit dem „Population Studies Center“ gegeben ist.28 Der in der deutschen Geschichtswissenschaft häufig erhobene Vorwurf gegenüber der Historischen Demographie gilt der „Zahlenhuberei“ und der mangelhaften Berücksichtigung von kulturellen Aspekten29 bzw. der fehlenden sinnvollen Verbindung von Quantifizierbarem mit Textmaterial.30 Die Kritik an der Historischen Demographie kumuliert in polemischen Äußerungen: In der Historischen Demographie sei das „Menschliche verloren gegangen“, der Mensch sei zum „Strichcode“ verkommen, die „menschliche Wirklichkeit“ sei verschwunden und das Leben bestehe aus mehr als nur „Ökonomie, Politik und Gesellschaft“.31 Diese Kritik stieß bereits in den 1980er Jahren auf Unverständnis unter den Historiker-Demographen. Imhof, der Begründer der Historischen Demographie in Deutschland, wies auf den „Problemkomplex ‚Kultur – Sozialgefüge’“32 frühzeitig hin und betonte die „mentalitätsgeschichtlichen Einbindungen von ursprünglich historisch-demographischen Befunden“33. Gerade die Interdisziplinarität zeichnet die Historische Demographie aus. Es birgt jedoch hohe Risiken, Bezüge zu Medizin, Klimaforschung, Ökonomie und Religion herzustellen sowie Kausalzusammenhänge zwischen generativem Verhalten und kulturellen Einflüssen zu postulieren. Insbesondere für ländliche Räume fehlen hierfür geeignete Quellen in repräsentativer Zahl. Dagegen bieten Untersuchungen von Städten, in
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PFISTER, Bevölkerungsgeschichte der Frühen Neuzeit, S. 71. Eine solche, lang erwartete „Population History of Germany” ist in Vorbereitung. PFISTER, The Population History of Germany. Beispielsweise KOHL, Familie und soziale Schichtung. NORDEN, Eine Bevölkerung in der Krise. Weitere Informationen zu diesen Institutionen, online: ; ; http://www.ddb.umu.se/cbs/; , [1. April 2011]. EHMER, Heiratsverhalten und sozioökonomische Strukturen. SIEGLERSCHMIDT, Bevölkerungsgeschichte, S. 262. ULBRICHT, Mikrogeschichte, S. 9 f. IMHOF, Demographische Aspekte, S. 66. Ebd., S. 81.
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Einleitung
denen die Schriftlichkeit viel weiter verbreitet war, deutlich mehr Möglichkeiten.34 Hier schließt sich der Kreis: Weitere Studien zu Städten könnten Erkenntnisse über den Einfluss von kulturellen Faktoren auf die generative Struktur liefern. Die historisch-demographische Erforschung von Städten birgt jedoch hohe methodische Hürden, bietet aber auch aufgrund einer differenzierteren Sozialstruktur als auf dem Land sowie den Einflüssen von Universitäten, Handel und Residenzen viele Möglichkeiten, die generative Struktur in ihrer Wechselwirkung mit diesen Institutionen zu untersuchen. Daher behandeln die meisten Monographien von Städten die generative Struktur nur als einen nebengeordneten Aspekt,35 weshalb sie häufig nicht zu aktuellen Fragestellungen der Historischen Demographie vordringen und daher auch selten innovativ sind. Der Mangel an genuin historisch-demographischen Städtestudien resultiert in erster Linie aus dem hohen Aufwand, der mit solchen Forschungen einhergeht. Die Erfassung und namentliche Verknüpfung der Kirchenbucheinträge einer gesamten Stadt geht über die Möglichkeiten eines einzelnen Forschers weit hinaus. Bardet benötigte für seine Familienrekonstitution der Großstadt Rouen 17 Jahre, Rödel für die Rekonstitution der Mainzer Familien etwa neun Jahre, obwohl beiden sogar ein Team zur Verfügung stand!36 Hier gilt es, zukünftig verstärkt Vorarbeiten zu nutzen. Zahlreiche genealogische Vereine erfassen mit zum Teil hoher fachlicher Kompetenz Kirchenbücher von frühneuzeitlichen Städten; dies kann für vielfältige sozialgeschichtliche Fragestellungen von Nutzen sein.37 Imhof betont daher, dass „eigentlich jede Studie einer europäischen Stadt im Zeitalter des Barock willkommen“ sei.38 Selbst grundlegende Elemente der generativen Struktur von Städten werden nach wie vor kontrovers diskutiert. Beispielsweise ist immer noch strittig, inwiefern frühneuzeitliche Städte auf Zuwanderung angewiesen waren oder ob sie in der Lage waren, sich selbst zu reproduzieren. Ebenfalls besteht großer Forschungsbedarf bei Fragen zur Mortalität, etwa ob die höhere Bevölkerungsdichte in Städten tatsächlich zu einer höheren Säuglingssterblichkeit im Vergleich mit Dörfern führte, oder zur Frage, warum die saisonale Verteilung der Geburten in allen Städten einem ähnlichen Muster unterlag.39 Vor allem ist unzureichend erforscht, ob und wie typische städtische Einrichtungen – beispielsweise eine Residenz oder eine Universität – und davon ausgehende sozioökonomische, kulturelle
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Ulrich Pfister hat beispielsweise schon in den 1980er Jahren die Geburtenplanung einer vorindustriellen Population, d. h. einen zentralen Aspekt der Forschung zur Fertilität, umfassend und sämtliche Lebensbereiche einschließend untersucht. PFISTER, Die Anfänge von Geburtenbeschränkung. SIEGLERSCHMIDT, Bevölkerungsgeschichte, S. 267. Die Angabe zu Rouen findet sich bei IMHOF, Demographische Aspekte, S. 57. Einer dieser Vereine, FaZiT, hat unter Federführung von IT-Experten ein eigenes Computerprogramm entwickelt und versucht, die Kirchenbücher zahlreicher Städte des Ruhrgebietes vollständig zu erfassen, online: , [27. März 2011]. IMHOF, Demographische Aspekte, S. 59. Ebd., bes. S. 68-84.
Forschungsstand
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oder intellektuelle Impulse – wie die Aufklärung – sich auf die generative Struktur der Stadtbevölkerung auswirkten.40 Für die Residenzstädte der anderen geistlicher Kurfürstentümer – Trier, Koblenz und Mainz – liegen historisch-demographische Studien vor.41 Die Untersuchung der Residenzstadt Mainz, in der insgesamt 280 vollständige Familien aus dem 17. und 18. Jahrhundert rekonstituiert wurden, ist die aufwendigste Arbeit, auch wenn der Autor es versäumte, die demographischen Ergebnisse mit sozioökonomischen Daten zu verbinden.42 Insofern bleibt der Erkenntnisgewinn auf die unmittelbaren Ergebnisse der umfangreichen Familienrekonstitution beschränkt. Die Studien zu Trier und Koblenz bieten aggregative Analysen der Pfarrregister, die zu Trier darüber hinaus die Analyse einer Familienrekonstitution auf der Grundlage von Familienbüchern. In beiden Untersuchungen verbinden die Autoren die demographischen Daten mit sozioökonomischen, um den Einfluss von Vermögens- bzw. Bildungsunterschieden auf das generative Verhalten zu bestimmen. In allen drei Studien werden die Residenzfunktion sowie kulturelle Entwicklungen, wie die für das 18. Jahrhundert so bedeutende Aufklärung, zwar berücksichtigt, aber es wurde nicht systematisch untersucht, welche Auswirkungen sie auf das generative Verhalten hatten. Außerdem fehlen Vergleiche der geistlichen Städte untereinander, wie sie François für die Untersuchung der städtischen Unterschichten im Rheinland in einem Aufsatz unternommen hat,43 weil die jüngeren der drei Monographien, nämlich die zu Mainz und Trier, ungefähr zeitgleich erschienen sind. Weitere nennenswerte historisch-demographische Monographien von Städten liegen zu Karlsruhe und Berlin vor, die den Vergleich mit weltlichen Residenzstädten ermöglichen.44 An Studien zu kleineren Städten, die sich durch ihre Trikonfessionalität auszeichneten, sollen diejenigen zu Oppenheim, Alzey und Duisburg angeführt werden.45 Diese Arbeiten glänzen vor allem durch ihre methodische Innovativität, weil in ihnen zahlreiche sozioökonomische Daten mit demographischen verknüpft werden. Es sei auch auf die beiden Studien zu den Schweizer Städten Genf und Luzern verwiesen,46 weil diese Arbeiten insbesondere in methodischer Hinsicht Vorbild für die vorliegende Arbeit sind und einzelne demographische Parameter auch miteinander verglichen werden.47
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VENTZKE, Hofkultur und aufklärerische Reformen, S. 10. In der Reihenfolge der Nennung: KOHL, Familie und soziale Schichtung; FRANÇOIS, Population et société à Coblence; RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung. FRIEDRICHS, German cities, S. 79. FRANÇOIS, Unterschichten und Armut. MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert. ZSCHUNKE, Konfession und Alltag; HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert. PERRENOUD, La Population de Genève; BURRI, Die Bevölkerung Luzerns. An dieser Stelle wird darauf verzichtet, auf weitere Monographien zu Städten zu verweisen, die für Vergleiche einzelner demographischer Parameter herangezogen werden.
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Einleitung
1.3 Quellen 1.3.1 Kirchenbücher Die Analyse der natürlichen Bevölkerungsbewegung basiert auf den Eintragungen der Vitalereignisse in den Kirchenbüchern. Diese amtlichen Register dienten der Beurkundung von Taufen, Trauungen und Sterbefällen. Die Sorgfalt, mit der diese Register geführt wurden, hing in erster Linie von dem jeweiligen Pfarrer ab. Weil in der vorliegenden Untersuchung mehrere und von unterschiedlichen Personen geschriebene Kirchenbücher ausgewertet werden, ist nicht auszuschließen, dass Fehler, die durch mangelhafte Eintragung des Pfarrers entstanden sind, mit in die Untersuchung eingeflossen sind.48 Allerdings betrifft dies in noch viel stärkerem Maße Familienrekonstitutionen. Bei der anonymen Zählung vitalstatistischer Ereignisse sind die Fehlerquellen deutlich geringer und weniger schwerwiegend, weil die Fallzahlen in der Regel deutlich höher sind. Bei der namentlichen Auswertung des Heiratsalters und der Säuglingssterblichkeit liegt die Anzahl der Datensätze so hoch, dass Verzerrungen aufgrund von fehlerhaften Eintragungen ebenfalls ausgeschlossen werden können. Einzelne Fehlerquellen dieser nicht unproblematischen Quellengattung werden am Anfang der jeweiligen Kapitel zur Natalität, Nuptialität und Mortalität detaillierter erörtert. Neben den Kirchenbüchern von St. Remigius und St. Gangolf wurden für die vorliegende Untersuchung auch die gedruckten Verkartungen der Kirchenbücher aus den beiden kleinsten Bonner Pfarreien, St. Martin und St. Petrus in Dietkirchen, ausgewertet.49 Die Kirchenbucheinträge der Hauptpfarrei St. Remigius wurden in eine Datenbank aufgenommen, während die Vitalereignisse der Pfarrei St. Gangolf nur monatlich ausgezählt wurden. Die aggregative Analyse der Vitalstatistik beruht daher auf den Eintragungen in den Registern aller vier Stadtpfarreien, während weitergehende Erhebungen bzw. namentliche Auswertungen in der Regel auf die Hauptpfarrei St. Remigius beschränkt bleiben, der mehr als zwei Drittel der Stadtbevölkerung angehörten.50 Für die Jahre vor 1718 sind die Sterbefälle nur in den Registern von St. Martin und St. Petrus vorhanden, allerdings sehr lückenhaft. Der Pfarrer von St. Gangolf legte erst zum 1. Januar 1731 ein Sterberegister an, nachdem der Kurfürst in einer
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RESPONDEK, Perspektiven historisch-demographischer Familienforschung, S. 13 f. PAULI, Familienbuch St. Martin; StAB, KB 1/11, FEY, Bonn-Dietkirchen. An dieser Stelle sei recht herzlich dem Verfasser der Kirchenbuchverkartungen, Herrn Wilhelm Pauli, gedankt, der nicht nur die den beiden Werken zugrunde liegende DBase Datenbank, sondern auch seine Vorarbeiten für ein Familienbuch der Pfarrei St. Remigius, die die Kirchenbucheinträge bis 1743 umfassen, zur Verfügung stellte. Die Repräsentativität der Ergebnisse ist daher gewährleistet. Eine Verkartung der deutlich kleineren Pfarrei St. Gangolf erfolgte nur deshalb nicht, weil sie zeitgleich mit der Erstellung dieser Studie von der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde durchgeführt wurde. Diese Verkartung konnte jedoch nicht mehr genutzt werden, weil sie erst 2012 abgeschlossen wurde.
Quellen
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1730 erlassenen Begräbnisordnung51 eine umfassende und präzisere Führung der Register gefordert hatte. Auch in den nachfolgenden Jahren ergingen mehrere Verordnungen der Kurfürsten an die Pfarrer im Erzbistum, die Kirchenbücher sorgfältiger zu führen.52 Anhand der Bonner Kirchenbücher lässt sich jedoch feststellen, dass die Pfarrer sich allenfalls für kurze Zeit an die Anweisungen hielten und nach wenigen Monaten wieder in alte Verhaltensweisen zurückfielen. Erst unter dem Kurfürst Max Franz wurde die Führung der Kirchenbücher signifikant verbessert. Die Kirchenbücher von St. Remigius und St. Gangolf53 führen die Kindersterbefälle und die der Erwachsenen gesondert auf, sodass sehr leicht eine Auswertung der Kindersterblichkeit durchgeführt werden konnte, obwohl Altersangaben zu den Verstorbenen in der Regel in den Registern nicht vermerkt wurden. Leider fehlen die Kindersterbefälle der Hauptpfarrei St. Remigius zwischen 1743 und 1749. Die Eintragungen der Eheschließungen setzen in St. Gangolf erst im April 1715 ein, auch weisen die Heiratsregister aus St. Remigius zahlreiche Lücken auf. Deshalb wurden die Heiraten erst ab 1716 berücksichtigt. Ab ca. 1760 wurde in St. Remigius ein separates Militärregister für die Angehörigen der Garnison geführt. Diese Vitalereignisse sind, wenn nicht anders vermerkt, den Registern der Hauptpfarrei hinzuaddiert worden. Vor 1760 gehörten die Soldaten zwar verschiedenen Pfarreien an, der weitaus größte Teil war aber der Pfarrei St. Remigius unterstellt. Insgesamt fließen 39.362 Einträge aus den Taufregistern (1788-1798), 8.041 aus den Heiratsregistern (1716-1798) und 27.742 aus den Sterberegistern (1718-1798) in die Vitalstatistik ein, also insgesamt 75.145 Vitalereignisse. Ungefähr 65 % der Taufen entfallen auf St. Remigius, ca. 18 % auf St. Gangolf, ca. 9 % auf die Pfarrei in Dietkirchen und rund 8 % auf St. Martin. Weder im 17.54 noch im 18. Jahrhundert war St. Gangolf – wie die Zahlen belegen – „die kleinste der vier Bonner Pfarreien“.55 Die im dritten Band der Bonner Stadtgeschichte publizierte Vitalstatistik der Pfarrei St. Remigius56 diente in erster Linie dazu, die in der vorliegenden Untersuchung mithilfe der Datenbank ausgezählten Werte zu kontrollieren und so methodische Fehler auszuschließen. Die Ergebnisse weichen nur im Promillebereich voneinander ab. Wie aus Karte 1 im Anhang hervorgeht, lagen nur die Kirchspiele der beiden größeren Pfarreien ausschließlich innerhalb der Stadtmauern Bonns.57 St. Martin war in erster Linie die Pfarrei von Poppelsdorf und St. Petrus die von Dietkirchen. Außer51 52 53
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StAB, II c 68, Sammlung Churkölnischer Ordnungen, Erneuerte Begräbnisordnung vom 12. August 1730. DOHM, Materialien für die Statistik, Bd. 3, S. 548 f. In St. Gangolf wurden die Kindersterbefälle erst ab 1739 separat geführt, aber in den vorangegangenen Jahren wurde bei jedem Sterbefall vermerkt, ob es sich um ein Kind oder einen Erwachsenen handelte. Zwischen 1650 und 1686 sind im KB von St. Martin weniger Taufen als in dem von St. Gangolf verzeichnet. StAB, Ku 2/13; PAULI, Familienbuch St. Martin. ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 41. HÖROLDT, Bonn als kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 582-585. Die zugrunde liegende Karte ist der Grundriss Bonns von Matthäus Merian von 1646. StAB, Karten, Ba 061-5; die Angaben zu den Pfarrsprengeln sind entnommen aus: MAAßEN, Pfarreien des Dekanats Bonn.
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Einleitung
dem gehörten der Ort Dransdorf, der vor der Stadt gelegene Jesuitenhof sowie der Bönnerbach und der Wichelshof zum Pfarrbezirk von St. Petrus. Da Poppelsdorf und Dietkirchen nach der Schleifung der Festung 1716 mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Strukturen funktional Vororte Bonns bildeten, werden die außerhalb der Stadtmauern lebenden, aber zu einer Bonner Stadtpfarrei gehörenden Personen in die Untersuchung eingeschlossen. Lediglich für die Bestimmung der Bevölkerungsgröße wird der Versuch unternommen, die außerhalb der Stadtmauern lebenden Menschen herauszurechnen, damit Schätzungen zur Bevölkerungsgröße besser miteinander verglichen werden können. So wurden etwa die Mitglieder des Pfarrsprengels von Kessenich bis Mitte des 17. Jahrhunderts ebenfalls in den Kirchenbüchern von St. Martin geführt,58 sodass Vergleiche zwischen der Anzahl der Vitalereignisse zu Beginn und am Ende des 17. Jahrhunderts für dieses Kirchspiel nicht durchführbar sind. Außerdem geben Häuserlisten und andere Quellen zur Bevölkerungsgröße den Bestand innerhalb der Stadtmauern wieder. Die Taufregister enthalten regelmäßig das Taufdatum, den Namen des Täuflings, die Namen der Eltern und der Taufpaten sowie die Kennzeichnung von illegitim Geborenen. In dem Taufregister der Pfarrei St. Gangolf wurde zusätzlich noch der Geburtstag eingetragen. Diese Eintragungen der Geburtstage wie auch die Ergebnisse anderer Arbeiten bestätigen, dass der Abstand zwischen Geburt und Taufe bei Katholiken meist weniger als drei Tage betrug.59 Deshalb können beide Ereignisse in historisch-demographischen Arbeiten gleichgesetzt werden, ohne dadurch die Ergebnisse zu verfälschen. Totgeburten wurden nicht registriert, sondern lediglich im Sterberegister als Nottaufe verzeichnet. Wenn nicht anders vermerkt, wurden in dieser Untersuchung die Totgeburten den Geburten zugerechnet.60 Da in vielen zum Vergleich herangezogenen Arbeiten mit den Totgeburten anders verfahren wurde, wird an den entsprechenden Stellen darauf explizit verwiesen, damit die Vergleichbarkeit mit anderen Untersuchungen gewährleistet bleibt. Die Eheregister bieten mehr Informationen, da teilweise die Herkunftsorte von zugewanderten Ehepartnern und der Beruf des Mannes hinzugefügt wurden. Allerdings beschränken sich die Angaben zum Beruf auf besonders angesehene, wie Offiziere oder Beamte am kurfürstlichen Hof. Die Angaben zu Handwerkern beschränken sich auf den Zusatz „Meister“, weshalb nicht einmal auf die Zunft geschlossen werden kann. Regelmäßig sind hingegen Witwen und Witwer unter den Ehepartnern gekennzeichnet. Die Sterberegister geben leider in der Regel keine Auskunft über das Alter der Verstorbenen.61 Lediglich in den Registern der Pfarrei St. Gangolf wurde bereits seit 58 59 60 61
BRAUBACH, Aus den Kirchenbüchern von St. Martin, S. 50. Bei Lutheranern und Calvinisten blieb der Abstand unter einer Woche. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 24. Dieses Verfahren wird ausführlich in Kapitel 5.1 erläutert. Eine Ausnahme bilden die ersten Eintragungen im Sterberegister von St. Gangolf bis September 1731. Neben dem Alter wurde sogar die Höhe des Sterbegeldes, die Lage des Grabes, der Herkunftsort und der Beruf des Vaters der verstorbenen Kinder, teilweise auch die Todesursache angegeben. StAB, KB 2/16, S. 41-46.
Quellen
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den 1780er Jahren das Alter der verstorbenen Person regelmäßig verzeichnet, in den anderen Kirchspielen erfolgte dies später. Bei durch Unfälle verursachten Sterbefällen, etwa im Rhein ertrunkenen Personen, wurde die Todesursache vermerkt. Sonst sind Angaben zu den Todesursachen äußerst spärlich; sie wurden jedoch gegen Ende des Jahrhunderts generell häufiger angegeben.
1.3.2 Weitere Quellen Neben den Kirchenbüchern wurden eine Reihe weiterer Quellen herangezogen. Das Gros der weiteren quantitativen Quellen diente dazu, den Hofstaat und die Sozialstruktur Bonns zu analysieren. Als Grundlage der quantitativen Analysen wurden informationsreiche Steuerlisten, Grundsteuerverzeichnisse und eine Liste der in der Stadt lebenden Hofbediensteten ebenso genutzt wie Hofkalender, Besoldungslisten, Rechnungen des Hofbauamtes, Stadtrechnungen, Marktpreisreihen und Zählungen der Bedürftigen. Nicht-quantitative Quellen wurden nicht nur für die Analyse der Verbreitung und Wirkung aufklärerischen Gedankenguts, sondern auch dazu genutzt, die Einflussfaktoren auf das generative Verhalten zu bestimmen. An nicht-quantitativen Quellen wurden insbesondere zeitgenössische Reisebeschreibungen, weltliche und kirchliche Chroniken, landesherrliche Verordnungen sowie ausgewählte städtische und kurfürstliche Akten62 zu Themen wie der Errichtung von Vororten oder der Durchführung von Bevölkerungszählungen verwandt. Allerdings sind die städtischen Aktenbestände recht dünn. Diese schlechte amtliche Quellenüberlieferung des Magistrats ist nicht nur den hohen Verlusten durch Wasserschäden während des Zweiten Weltkrieges geschuldet, sondern lag auch am großen Einfluss der Landesherrschaft, die viele städtische Angelegenheiten ohne den Magistrat regelte. Dies ist kennzeichnend für viele Residenzstädte, insbesondere katholische.63 Dennoch bieten die umfangreichen Bonner Ratsprotokolle, die zumindest in zeitgenössischen Abschriften für fast das ganze Jahrhundert überliefert sind, tiefe Einblicke in die städtische Verwaltung. An dieser Stelle soll darauf verzichtet werden, sämtliche Quellen en détail zu beschreiben. Dies erfolgt zu Beginn der Kapitel oder Abschnitte, in denen sie zur Klärung bestimmter Fragen herangezogen werden. Wichtige Quellen, die häufiger, aber jeweils unter verschiedenen Aspekten genutzt bzw. ausgewertet werden, sollen jedoch hier kurz vorgestellt werden. Die Listen der Pfarrgenossen von 1720 aus den drei kleineren Bonner Stadtpfarreien werden nicht nur zur Bestimmung der Einwohnergröße genutzt, sondern auch als Momentaufnahme der Bevölkerung mit Angaben zu demographischen Kennziffern wie Haushaltsgröße, Ledigenanteil oder Kinderzahl. Sie wurden als eine der wenigen in dieser Untersuchung verwendeten Quellen bisher noch nicht von der Stadtgeschichtsforschung entdeckt. Leider fehlt die Aufstellung der Mitglieder der 62
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Allerdings konnten im Rahmen dieser Studie die Landtags-, Hofkammer- und Hofratsprotokolle nicht vollständig durchgesehen werden. Die Quellenrecherche beschränkte sich auf die Durchsicht der einschlägigen Register. GÖTZ, Provinzialisierung als Verbürgerlichung?, S. 334.
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Pfarrei St. Remigius – sie wurde vom Pfarrer nicht durchgeführt. Außerdem unterscheidet sich die Qualität der drei überlieferten Listen teilweise erheblich. Das „Verzechnüß deren pfarrgenoßen auß der pfaar Dietkirchen“ listet die in Bonn lebenden getrennt von den außerhalb der Stadtmauer wohnenden Pfarrmitglieder auf; diese wohnten in Dransdorf, auf dem Bonner Berg, in St. Isidor und auf dem Wichelshof. Die kurfürstlichen Hatschiere und Trabanten werden gesondert ausgewiesen. Neben dem Namen des Haushaltsvorstandes werden die Anzahl der Söhne, Töchter, Knechte und Mägde angegeben. Ehefrauen sowie andere im Haushalt lebende Personen werden ohne Namen genannt. Berufsangaben liegen nur für in kurfürstlichen Diensten tätige Personen sowie für Geistliche vor.64 Das „Registrum aller pfarrgenossenen beyderley geschlechts der pfarr St. Gangolphi binnen Bonn“ ist nach den Straßen sortiert, in denen die Pfarrmitglieder wohnten. Neben den Haushaltsvorständen werden auch die Ehefrauen genannt, wenn auch nur mit Vornamen. Söhne, Töchter, Knechte und Mägde sowie sonstige im Haushalt lebende Personen werden ohne Namen angegeben.65 Die ausführlichste Liste ist die der „Inwöhner der pfarr ad St. Martinum, binnen Bonn“, die alle Pfarrgenossen, auch die Kinder und Dienstboten, mit Namen nennt. Vereinzelt enthält diese Liste sogar Altersangaben der Kinder. Hier sind nicht die Haushalte zusammengestellt, wie in den anderen beiden Listen, sondern die in einem Haus lebenden Personen. Dabei werden sogar verwandtschaftliche Beziehungen der einzelnen Bewohner untereinander genannt.66 In der Liste sind nur die innerhalb Bonns wohnenden Pfarrmitglieder aufgeführt. Die Zustandstabellen von 1790 bilden die erste vollständige Volkszählung Bonns überhaupt. 67 Es werden alle Haushaltsvorstände mit Namen und ausübendem Gewerbe, also dem Beruf, genannt. Es fehlen jedoch Angaben zum Alter und zur Wohnstraße sowie die Namen der im Haushalt lebenden Personen. Kinder unter neun Jahren und über neun Jahren sowie Mägde und Knechte wurden jedoch separat erhoben. Zwar wurde diese Quelle schon mehrfach von Historikern genutzt, aber es werden in dieser Untersuchung nicht nur neue Fragen an sie gestellt, sondern durch die Erstellung einer Datenbank auch neue Auswertungsmöglichkeiten genutzt. Die Ratsprotokolle wurden im Hinblick auf mehrere Themen ausgewertet. Sie bilden die mit Abstand informativste Quelle zur städtischen Politik im 18. Jahrhundert, gerade auch weil sehr viel amtlicher Schriftverkehr untergegangen ist. Die Protokolle wurden vom Stadtschreiber nach jeder Ratssitzung erstellt. Gewöhnlich fanden zwei Ratssitzungen pro Woche statt, es wurden jedoch in dringenden Fällen zusätzlich außerordentliche Sitzungen einberufen. Zu Beginn des Jahres wurden die neuen Ratsherren und Bürgermeister vorgestellt, am Ende des Jahres wurde eine Bilanz der städ64 65 66
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LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 672, fol. 7-8. LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 672, fol. 9-16. LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 672, fol. 20-25. Eine ähnliche Liste vom 31. September 1720, und daher vermutlich eine Abschrift, enthält weniger Informationen: AEK, Christianitäten IV, Decanatus Burensis Generalia Nr. 9, Status animarum intra Bonnam in Parochia St. Martini sub districtu Immunitatis. StAB, Ku 34/2.
Quellen
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tischen Finanzen gezogen. Die kurfürstlichen Verordnungen sowie sämtliche Anordnungen und Maßnahmen des Rates wurden in die Protokolle aufgenommen. Des Weiteren wurden die Aufnahmen von Neubürgern festgehalten, Streitigkeiten zwischen Bürgern untereinander oder mit städtischen bzw. staatlichen Institutionen offengelegt sowie die Propositionen der Zwölfter, der Vertreter der Bonner Zünfte, vorgestellt. Außerdem finden sich regelmäßig Angaben zu den aktuellen Getreidepreisen am Bonner Markt und zu außergewöhnlichen Ereignissen wie beispielsweise Grundsteinlegungen oder Besuchen von Staatsgästen. Sämtliche städtische Rechtsgeschäfte, wie Vermietungen oder Hausverkäufe, wurden ebenfalls protokolliert. Diese umfangreichen Protokolle, die für das gesamte Jahrhundert mehrere Zehntausend Seiten umfassen, konnten allerdings nur stichprobenartig für einzelne kurze Zeiträume untersucht werden, z. B. während demographischer Krisen oder Regierungswechsel. Außerdem wurden die zeitgenössischen Register zu den Protokollen nach einschlägigen Stichwörtern durchgesehen.
2. Historisch-demographische Rahmenbedingungen
2.1 Geographische Lage und Klima Die Stadt Bonn liegt am Übergang vom Rheinischen Schiefergebirge zur Niederrheinischen Bucht. Südwestlich der Stadt erhebt sich die Nordeifel, reich an weichen Gesteinen wie Ton oder Sand, südöstlich auf der rechtsrheinischen Seite das Siebengebirge, das bis zur Errichtung des ersten deutschen Naturschutzgebietes 1922 die zum Bauen benötigten Gesteine bereitstellte.1 Der Rhein bildete während des gesamten Untersuchungszeitraumes die östliche Grenze des Stadtgebietes, das zu Lande Ende des 17. Jahrhunderts immer noch durch den „Mauergürtel des 13. Jahrhunderts, der ca. 44 ha einschließt“2, begrenzt war. Erst nachdem die Festung Bonn 1716 endgültig aufgegeben worden war, begann der Ausbau zu einer Barockresidenz und im Zuge dessen befreite sich die Stadt aus der Begrenzung der mittelalterlichen Mauern und frühneuzeitlichen Wehranlagen. Dennoch entstand im 18. Jahrhundert kein Vorort außerhalb des Mauerrings. Es liegen zwar schon Beschreibungen des Klimas aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts vor, aber diese weichen zum Teil so stark von heutigen Messungen ab, dass es sinnvoller scheint, die heutige klimatische Lage zu betrachten als auf die zeitgenössischen Angaben zurückzugreifen. Beispielsweise gab es angeblich zwischen 1790 und 1794 durchschnittlich nur 87 Regentage pro Jahr,3 heute werden mehr als 200 pro Jahr gemessen. Es kann ausgeschlossen werden, dass sich die Zahl der Regentage derart stark erhöht hat, vielmehr haben sich entweder die Kriterien für die Bewertung eines Tages als Regentag geändert oder die zeitgenössischen Messungen sind schlichtweg falsch. Das Klima im Bonner Raum ist durch die Umrahmung von Mittelgebirgen etwas wärmer als in den umliegenden Regionen. Durch diese thermische Begünstigung von ca. 1-2° Celsius im Jahresdurchschnitt4 und die längere Sonnenscheindauer an den westexponierten Hängen ist der Weinanbau trotz der nördlichen Breitenlage möglich.5 „Bonn galt von Alters her als Weinstadt“6, obgleich schon im 18. Jahrhundert die Bedeutung des Weinanbaus kontinuierlich abnahm. Trotzdem prägten die Weinreben nicht nur weiterhin die Landschaft, sondern blieben ein nicht zu unterschätzender 1 2 3 4 5 6
LAUX/ZEPP, Bonn und seine Region, S. 11. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 80. Der Mauerring ist in der Karte 1 im Anhang deutlich erkennbar. MASSON, Mémoire statistique, S. 26. Die Daten aus den 1970er Jahren beinhalten auch schon die moderne innerstädtische Überwärmung, weshalb für das 18. Jahrhundert ungefähr ein halbes ° Celsius abgezogen werden muss. Bonn hat „10 % mehr Sonnenschein als Hamburg, Aachen oder Essen“. BARNERS, Zwischen Rheinstrom und Waldgebirge, S. 4. MÜLLER-HENGSTENBERG, Wirtsordnungen, S. 82.
Geographische Lage und Klima
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wirtschaftlicher Faktor. Die Tallage der Stadt begründet auch die ungewöhnlich hohe Zahl an windstillen Tagen. Diese sind „in Bonn fast doppelt so häufig wie in Köln und Aachen, dreimal so häufig wie in vielen Städten des Ruhrgebietes und sogar fünfmal so häufig wie in Hamburg“7. Die geringe Ventilation unterstützt das feuchtwarme Klima und steigert das Schwüleempfinden beim Menschen.8 Dieses den menschlichen Organismus in den Sommermonaten belastende Klima hat in vorindustrieller Zeit das Auftreten und Ausbreiten von Infektionskrankheiten begünstigt.9 Demgegenüber sind die außergewöhnlich milden Winter – zu Beginn des 20. Jahrhunderts die wärmsten im Deutschen Reich10 – förderlich für die Gesundheit der Einwohner. Die Böden im Bonner Raum sind äußerst verschiedenartig. Grob eingeteilt ergibt sich folgendes Bild: Die lehmigen Sandböden auf der Mittelterrassenebene östlich des Rheins sind ebenso wie die im Norden Bonns liegenden, mit Flugsand bedeckten Böden in den Niederterrassenebenen nur bedingt für den Ackerbau geeignet,11 während „die lößbedeckten Mittelterrassen westlich des Rheins bevorzugte Agrarstandorte“12 waren. In einer Reisebeschreibung aus dem 18. Jahrhundert wurde das Umland Bonns als sehr guter Agrarstandort gerühmt: „Das Erdreich um Bonn ist edel, von der besten Gattung, der Boden trägt ergiebigst, was man will.“13 Allerdings standen nicht alle diese Flächen dem Ackerbau zur Verfügung, da die nahe gelegenen Hochebenen der Ville und des Kottenforstes die beliebtesten Jagdreviere der Kurfürsten bildeten. Die Auen an Rhein und Sieg, auch die benachbarten Ortschaften Beuel, VilichRheindorf und Schwarz-Rheindorf, wurden im 18. Jahrhundert häufig von Hochwassern heimgesucht.14 Darum wurde die Auenlandschaft nur grünlandwirtschaftlich genutzt. Dieser Naturraum bietet verschiedenen Mückenarten einen idealen Lebensraum, auch solchen, die Infektionskrankheiten übertragen können. Schon in der Frühen Neuzeit wurden auf den nur unzureichend für den Getreideanbau geeigneten Flächen Gemüse und Obst angebaut. Die wenigen Frosttage und die hohe Sonnenscheindauer in Bonn tragen zum Erfolg dieser Kulturen bei.15 Deshalb ist im Bonner Raum der Anteil von Gartenland an der gesamten Nutzfläche bis heute
7 8 9 10 11 12 13 14 15
KLAUS, Aspekte des Bonner Stadtklimas, S. 63. BARNERS, Zwischen Rheinstrom und Waldgebirge, S. 4. WALTER/SCHOEFIELD, Famine, disease and crisis mortality, S. 55. PHILIPPSON, Die Stadt Bonn, S. 36. BARNERS, Rheinstrom und Waldgebirge, S. 4. LAUX/ZEPP, Bonn und seine Region, S. 13. LANG, Reise auf dem Rhein, S. 40. DIETZ, Die Veränderungen des Rheinlaufs, S. 360. BÖHM, Gartenbau und Landwirtschaft, S. 227.
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Historisch-demographische Rahmenbedingungen
relativ groß.16 Im 18. Jahrhundert wurden bevorzugt Hülsenfrüchte angebaut, vor allem die für das Rheinland typischen dicken Bohnen.17
2.2 Abriss der politischen Stadtgeschichte Schon seit dem Ende des 13. Jahrhunderts residierten die Kölner Erzbischöfe und Kurfürsten mit Vorliebe in der noch jungen Stadt, aber erst 1597 wurde Bonn offiziell Haupt- und Residenzstadt des Kurfürstentums Köln.18 Bonn war zuvor eine politisch und wirtschaftlich unbedeutende Stadt, die im Schatten Kölns stand. Durch die Ansiedlung des Hofes und der Zentralbehörden erfuhr sie eine starke Aufwertung. Der kurfürstliche Hof prägte bis zum Beginn der französischen Zeit maßgeblich das Stadtbild. Die Grundzüge der städtischen Verfassung waren auch noch im 18. Jahrhundert weitgehend mittelalterlichen Strukturen unterworfen. Nach der am 15. Dezember 1698 erneuerten Polizeiordnung, die bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit galt, bestand der Stadtrat, das zentrale Organ der kommunalen Selbstverwaltung, aus 15 Mitgliedern. Diese kamen regelmäßig dienstagsmorgens zu einer Sitzung zusammen, häufig zusätzlich auch außerordentlich an anderen Wochentagen.19 Aus ihrem Kreis wurden am Silvesterabend zwei Ratsbürgermeister gewählt, die neben zwei Schöffenbürgermeistern die Amtsgeschäfte führten. Somit wurde die Spitze der städtischen Verwaltung jedes Jahr ausgetauscht, wobei viele Ratsbürgermeister mehrmals das Amt bekleideten.20 Neben den beiden Schöffenbürgermeistern kamen auch drei Mitglieder des Stadtrates vom Hohen Weltlichen Gericht zu Bonn, die weiteren zwölf wurden aus der gesamten Bürgerschaft gewählt. Dem Stadtrat gehörten nicht nur Ratsherren aus alteingesessenen Patriziergeschlechtern an, sondern auch jüngst zugewanderte und wohlhabende Bürger, wie aus Italien eingewanderte Kaufleute.21 Die Zwölfter, die zwölf Vertreter der Zünfte oder Gaffeln,22 nahmen die Interessen der Bonner Zünfte wahr, von denen es 1698 elf, später bis zu 19 gab. Den Zünften, die in Bonn als Ämter bezeichnet wurden, stand ein Meister vor, der im Zwölfter die Belange der Zünfte gegenüber dem Stadtrat vertrat. Die Zwölfter hatten jedoch nur gerin16
17 18
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Von der Dollen errechnete für das Jahr 1704 einen Anteil der Obst-, Gemüse- und Weingärten am gesamten Nutzland von 27,5 % im Bonner Bann; im Laufe des 18. Jahrhunderts ging der Anteil im Vergleich zum Ackerland allerdings zurück. DOLLEN, Vorortbildung und Residenzfunktion, S. 75 und S. 149. LANG, Reise auf dem Rhein, S. 40. Am 18. März 1244 wurde Bonn zur Stadt erhoben und 1286 wurde die Ratsverfassung institutionalisiert, d. h. das Recht der Bürger auf Selbstverwaltung. ENNEN/HÖROLDT, Vom Römerkastell zur Bundeshauptstadt, S. 52-55. StAB, II c 37, Vollständige Sammlung, Bd. 2, Erneuerte Polizeiordnung von 1698, S. 309. Dies geht aus der Zusammenstellung bei HERBORN/VOGEL, Die Namenslisten der Bonner Bürgermeister, S. 551-556, hervor. Dies geht aus der Liste der Ratsherren im 18. Jahrhundert hervor. Ebd., S. 558-567. Ursprünglich vertraten die Zwölfter die gesamte Gemeinde. Hauptaufgabe war die Kontrolle der Finanzpolitik des Stadtrats. ENNEN/HÖROLDT, Vom Römerkastell zur Bundeshauptstadt, S. 101.
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gen Einfluss: Im Wesentlichen beschränkte sich ihre Mitwirkung auf Beschwerden und Anträge. Lediglich die Revision der städtischen Jahresrechnung oblag neben dem kurfürstlichen Amtmann auch den Zwölftern.23 Das wichtigste Amt war das des Stadtschreibers, der im Unterschied zu den Ratsherren und Zwölftern seine gesamte Arbeitszeit im Rathaus verbrachte und für die praktisch anfallende Arbeit, wie das Erstellen der Ratsprotokolle, zuständig war.24 Im Folgenden wird die politische Geschichte Bonns chronologisch vom 17. Jahrhundert bis zur französischen Zeit kurz dargestellt. Der Wittelsbacher Kurfürst Ferdinand (Regierungszeit: 1612-1650), der als Koadjutor und Kurfürst über 50 Jahre großen Einfluss auf die Stadt nahm, verhinderte als energischer Verfechter des Katholizismus die Etablierung anderer Glaubensrichtungen in Bonn.25 Trotz seiner resoluten Haltung gegenüber Abweichlern war er bei der Bonner Bevölkerung sehr beliebt. Nicht zuletzt deshalb, weil er während des Dreißigjährigen Krieges die Stadt mit Geschick und Verstand vor größeren Schäden durch Kampfhandlungen bewahrte, obwohl er selbst ein fanatischer Katholik war. Außerdem verliehen seine Bauten und Renaissancegärten der Stadt ein wenig Glanz, erst übertroffen von den unter Clemens August errichteten barocken Bauten und Anlagen. Ferdinands Neffe und Nachfolger Max Heinrich (Regierungszeit: 1650-1688), von Braubach treffend als „Einsiedler von Pantaleon“26 bezeichnet, war als Kurfürst und Erzbischof nur wenig geeignet. Obwohl er die Leitung des Kurfürstentums den Brüdern Franz Egon und Wilhelm Egon Fürstenberg überließ, zwei machtbesessenen und eigensüchtigen Ministern, setzte sich der Aufstieg Bonns unvermindert fort. Zahlreiche Bauten und Gartenanlagen wurden in der Stadt errichtet. Die Jesuiten wurden durch die ihnen übertragene Führung des Gymnasiums gestärkt, auch andere geistliche Institutionen wurden gefördert. Die bürgerlichen Häuser mussten ebenfalls neuen Ansprüchen genügen: So wurde etwa befohlen, auf unbebauten privaten Grundstücken Häuser zu errichten und „die Häuser so mit Aborten auszustatten, dass alle Unsauberkeit in der Stadt vermieden werde“27. Wilhelm Egon von Fürstenberg, ein Bewunderer des französischen Königs Ludwig XIV., unterstützte dessen Hegemonialpolitik, um von ihm protegiert zu werden und somit seine eigenen Chancen zu erhöhen, zukünftig den kurfürstlichen Thron besteigen zu können. So führte er das Kurfürstentum in eine langjährige Auseinandersetzung mit den seit dem Edikt von Nantes (13. April 1598) immer zahlreicher werdenden Gegnern des französischen Königs. Die kurkölnische Residenzstadt und bedeutende Festung am Rhein wurde anders als im Dreißigjährigen Krieg diesmal nicht von den Kämpfen verschont – im Gegenteil: Bonn stand im Zentrum dieses europäischen Konfliktes zwischen den Niederlanden und Frankreich. Während die Belagerung 1673 durch die frühe Aufgabe der französischen Besatzungstruppen am 12. November – bereits zwei Tage nach Beginn der Angriffe – für 23 24 25 26 27
HAUPTMANN, Die alte Verfassung, S. 42. StAB, II c 37, Vollständige Sammlung, Bd. 2, Erneuerte Polizeiordnung von 1698, S. 315. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 93. BRAUBACH, Kurköln, S. 1. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 157.
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die Stadt selbst recht glimpflich ausging,28 schien die Belagerung und Beschießung während des Pfälzischen Krieges 1689 gleichbedeutend mit dem Ende der Stadt Bonn zu sein. Schon Ende April 1689 hatte die in Bonn stationierte Hauptmacht der Franzosen begonnen, die umliegenden Burgen und Dörfer zu überfallen, um Proviant zu beschaffen und den Gegnern, zu denen seit März auch die Reichsstadt Köln zählte, „verbrannte Erde“ zu hinterlassen. Als dann am 24. Juli der Beschuss Bonns begann, stand schon bald die gesamte Stadt in Flammen, die bis nach Köln und Siegburg zu sehen waren.29 Nach einer zeitgenössischen Beschreibung war Bonn „in einen erbärmlichen Stein-Hauffen verwandelt“30 worden. Nur wenige Gebäude in der Stadt überstanden die Beschießung und anschließende Belagerung, sodass dem jungen Kurfürsten Joseph Clemens (Regierungszeit: 16881723) und den Bonner Bürgern ein mühsamer Wiederaufbau bevorstand. Doch als sich Joseph Clemens, für den ebenfalls Ludwig XIV. „das erhabene und verführerische Vorbild“31 darstellte, 1701 mit dem vormaligen Feind Frankreich verbündete, erlebte die immer noch im Aufbau befindliche Stadt weitere kriegerische und damit schlechte Jahre. Bonn wurde auch Schauplatz im Spanischen Erbfolgekrieg. Kaiser Leopold I. forderte Joseph Clemens auf, das Bündnis mit Frankreich aufzugeben. Als dieser dem nicht Folge leistete, drohte der Kaiser in mehreren Mandaten den kurfürstlichen Beamten und Soldaten, die dem abtrünnigen Kurfürsten weiterhin folgten, mit der kaiserlichen Acht und der Aberkennung ihrer Güter. Daraufhin wandten sich zahlreiche Beamte und Militärs von ihrem Kurfürsten ab.32 Zudem stieß die aggressive Politik Joseph Clemens’ auch auf großen Widerstand unter der Bonner Bevölkerung. Als dann im Oktober 1702 französische Truppen das durch Epidemien und die Folgen der kaiserlichen Mandate schwindende kurkölnische Heer in Bonn verstärkten, glaubten die Bürger, die „Katastrophe von 1689“33 werde sich wiederholen. Deshalb flüchteten viele Bürger aus Bonn, obwohl die kurfürstlichen Behörden alles daran setzten, ein durch Auswanderung bedingtes Ausbluten der Stadt zu verhindern. Der Rat und die Zwölfter blieben wohl auch nur deshalb in der Stadt, weil die kurfürstlichen Behörden sie dazu zwangen.34 Im Mai 1703 – Joseph Clemens war schon im vergangenen Jahr ins französische Exil geflohen – kapitulierten die Belagerten. Obwohl die Stadt nur wenige kriegsbedingte Schäden zu verzeichnen hatte, blieben die Jahre bis 1715 für die Bonner Bevölkerung Krisenjahre. Dies lag zum einen 28
29 30 31 32 33 34
Schlechter erging es dem Umland Bonns, da die Besatzer ein Festungsglacis schaffen wollten und im Zuge dessen beispielsweise das Stift Dietkirchen vollständig zerstörten. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 162. Ebd., S. 173 f. StAB, I e 48, Die Ertz-Bischofflich Chur-Furstliche Residenz-Stadt Bonn, S. 26. BRAUBACH, Die vier letzten Kurfürsten, S. 11. ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 188. Ebd., S. 190. Die dominante Stellung der kurfürstlichen Behörden nach dem Bündniswechsel Joseph Clemens’ zeigt Ennen auf: „Nachdem der Bruch zwischen Kurfürst und Ständen vollzogen war, wurden in Bonn nur die Befehle des Kurfürsten, nicht die der Stadt ebenfalls zukommenden Gegenbefehle veröffentlicht.“ Ebd., S. 187.
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an den durch die überwiegend holländischen Besatzer verursachten Einquartierungslasten und zum anderen an der Tatsache, dass die „hiesige arme Statt von ihren vermoegensten Einwohnern leider entbloßet vnnd fast alleß commercium darniederlieget“35. Nach der kurzen Herrschaft des Domkapitels, das vornehmlich versuchte, zwischen den verschiedenen Fronten in der Stadt – Besatzer, Bürger, Zünfte, Bürgermeister und Stadtrat – zu vermitteln, kehrte Joseph Clemens am 25. Februar 1715 feierlich nach Bonn zurück und zwang die holländischen Besatzer ohne Blutvergießen zum Abzug. Trotz der von den Niederländern durchgeführten Ausbesserungsarbeiten an der Festung während ihrer Besatzungszeit wurde 1717 ihre Schleifung beschlossen und bis 1718 durchgeführt. 36 Während der Regierungszeit Clemens Augusts von 1723 bis 1761 prosperierte das Leben in der Stadt. „In der großen Politik hat dieser Fürst am Rhein wahrhaftig keine gute Figur gemacht“37, aber sein großes Interesse an den schönen Künsten und der Architektur war für die Stadt Bonn ein Glücksfall. Denn durch seine Bauleidenschaft konnten die bis heute das Stadtbild prägenden Bauten errichtet oder umfassend erweitert werden: Das Residenzschloss, das heutige Koblenzer Tor, der Hofgarten, die Poppelsdorfer Allee, das Rathaus sowie das Poppelsdorfer Schloss verliehen der Stadt barocken Glanz. Außerdem gelang es ihm, Kriege zu vermeiden und sehr viele Subsidiengelder zu erhalten, obwohl er Bündnisse ständig wechselte und als launenhafte, schwache Persönlichkeit häufig „ganz untergeordneten und unfähigen Personen“38 vertraute. Mithilfe finanzieller Zuwendungen der europäischen Großmächte, die dadurch vergeblich versuchten, Kurköln dauerhaft an sich zu binden, konnte Clemens August seine Bauvorhaben und das pompöse Hofleben verwirklichen. Davon profitierten nicht zuletzt auch die Stadt Bonn und ihre Einwohner. Unter ihm wurden Straßen gepflastert, Abwasserkanäle gelegt und Straßenbeleuchtungen installiert.39 Zwar residierte der Kurfürst ebenso häufig in Brühl wie in Bonn,40 aber die in Bonn ansässigen Zentralbehörden beschnitten massiv die bürgerliche Selbstverwaltung der Stadt, zumal ihre Macht unter dem an Politik und Verwaltung desinteressierten Herrscher wuchs. Dabei profitierte die kurfürstliche Regierung von dem grundlegenden innerstädtischen Konflikt um den städtischen Haushalt zwischen dem herrschenden Magistrat und den Zwölftern. Die Zwölfter forderten beispielsweise sogar den Kurfürsten dazu auf, zu ihren Gunsten und entgegen den Absichten des Magistrats in die städtische Politik einzugreifen.41 Ziel dieser Eingriffe war es in erster Linie, der Stadt Bonn die städtische Akzise – eine Umsatzsteuer, die zugleich die mit Abstand bedeutendste städtische Einnahmequelle darstellte – zu entziehen und so den immensen Geldbedarf für Hofhaltung und kostspielige Bauten zu befriedigen. 35 36 37 38 39 40 41
Ratsprotokoll vom 8. Juni 1705, zitiert aus: ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 197. ADERS, Bonn als Festung, S. 119. BRAUBACH, Kurfürst Clemens August, S. 21. BOGE, Clemens August und seine Zeit, S. 219. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 230 f. BRAUBACH, Versuch eines Itineras, S. 64-75. OHM, Sozialpolitik in der Residenzstadt Bonn, S. 200.
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Zwischen 1740 und 1753 konnte tatsächlich die Hofkammer die städtische Akzise verbuchen, aber mithilfe der Landstände und des Domkapitels gelang es der Stadt, ihr Recht auf die Akzise wieder geltend zu machen.42 Der Tod Clemens Augusts 1761 markiert das Ende der Blütezeit des barocken Hoflebens und stellte nicht nur für Kurköln, sondern auch für die Stadt Bonn einen tiefen Einschnitt dar.43 Sein Nachfolger Max Friedrich, dessen Charakter Braubach als „merkwürdig nebelhaft, unbestimmt“44 beschreibt, war nur dem Titel nach der Fürstbischof von Köln,45 denn er überließ die Regierungsgeschäfte weitgehend dem Minister Kaspar Anton von Belderbusch, der sich schon unter Clemens August als Finanzexperte einen Namen gemacht hatte.46 Ihm oblag die schwierige Aufgabe, die Finanzen zu konsolidieren. Hierzu setzte er massive Einsparungen am Hof durch. Er versteigerte das Inventar Clemens Augusts und kürzte die enormen Ausgaben des Hofstaates. Noch stärker als die Hofbeamten Clemens Augusts schaltete er sich in die städtische Selbstverwaltung ein, um auch die städtischen Finanzen in Ordnung zu bringen. Wegen seines strikten Sparkurses wurde sein Tod 1784 von den Bonnern geradezu bejubelt. Auch wenn seine Politik unpopulär war und in seine Zeit als „Lenker“ des Kurfürstentums viele Krisen fielen – wie die Getreideteuerung 1770-1772, der Schlossbrand 1777 und das „Jahrtausendhochwasser“ 1784 –, muss seine persönliche Leistung herausgestellt werden: Seine finanziellen Maßnahmen und die resoluten Eingriffe in die Verwaltung waren längst überfällig. Er etablierte die Vorgängereinrichtung der Universität, die Maxische Akademie, und förderte gezielt Ansiedlungen von Manufakturen, denen allerdings in der Regel wenig Erfolg beschieden war. Er legte in vielerlei Hinsicht den Grundstein für die populäreren Reformen unter dem letzten Kölner Kurfürsten.47 Mit Max Franz bestieg 1784 ein „gläubiger Jünger der Aufklärung“48 den kurkölnischen Thron, der als engagierter Herrscher Verwaltung und Politik selbst in die Hand nahm. Aber seine tief greifenden und fortschrittlichen Reformen, die seiner Zeit zum Teil weit voraus waren, brauchten Zeit. Diese Zeit blieb ihm nicht vergönnt. Denn schon nach zehnjähriger Regierungszeit zwang ihn der Revolutionskrieg im Oktober 1794 zur Flucht aus seiner Residenzstadt. Trotzdem zeigten viele seiner Reformen in der Stadt Bonn Wirkung: Er förderte durch zahlreiche Privilegien die Ansiedlung von Manufakturen, organisierte die Zentralbehörden und das Justizwesen neu, setzte sich massiv für die Gründung der ersten Bonner Universität ein und verbesserte im gesamten Erzstift das Schulwesen, indem er es direkt den Zentralbehörden unterstellte und den Schulzwang einführte. Folter und Todesstrafe wurden an eine kurfürstliche Genehmigung gebunden, was de facto einer Abschaffung dieser grau-
42 43 44 45 46 47 48
ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 272. BRAUBACH, Eine Jugendfreundin Beethovens, S. 21. BRAUBACH, Die vier letzten Kurfürsten, S. 79. HEGEL, Das Erzbistum Köln, S. 63. Ausführlich zur Person von Belderbuschs: HINSEN, Kaspar Anton von Belderbusch. BRAUBACH, Kurköln, S. 343-346. Ebd., S. 401.
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samen Sanktionen gleichkam.49 Anders als in den anderen rheinischen Kurfürstentümern waren die Auswirkungen der französischen Revolution in Kurköln nur wenig spürbar. Dies lag zum einen an der Weigerung des Kurfürsten, französische Emigranten in der Stadt Bonn aufzunehmen, zum anderen wohl an seiner großen Popularität bei den Bürgern.50 Nach der Okkupation Bonns durch Frankreich wurde die ehemalige Residenzstadt zunächst Sitz der Bezirksverwaltung des alten Erzstifts. Die Besatzer zerstörten Kirchen, lösten Klöster auf, und viele Bonner, besonders wohlhabende Hofangehörige, verließen die Stadt. Die Wirtschaft lag am Boden und zahlreiche Bürger gerieten in Existenznot.51 Vier Jahre nach der Flucht des Kurfürsten wurde die Stadt Bonn als Munizipalität und Hauptort des Arrondissements Bonn in das neu errichtete Rheinund Mosel-Departement mit dem Verwaltungssitz in Koblenz eingegliedert. Damit war die ehemalige Residenzstadt Kurkölns zu einer unbedeutenden Unterpräfektur eines französischen Departements herabgestuft worden.
2.3 Wirtschaftliche Entwicklung Die wirtschaftliche Entwicklung beeinflusste wesentlich stärker als die politischen Verhältnisse die generative Struktur, weshalb keine Untersuchung zur Bevölkerungsgeschichte einer Region oder einer Stadt auf eine sorgfältige Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung verzichten kann. Da die generative Struktur wiederum entscheidend soziale und wirtschaftliche Verhältnisse mitbestimmte, veranlasst diese Wechselwirkung viele Historiker dazu, umfassende, die Sozialgeschichte gleichermaßen wie die Demographie untersuchende Studien anzustellen.52 Im Folgenden soll die Bonner Wirtschaftsentwicklung im 18. Jahrhundert in Grundzügen dargestellt werden. Für die Untersuchung wichtige Wirtschaftssektoren werden in Kapitel 3 ausführlicher behandelt. Bonns Nähe zu Köln, eine bedeutende Handelsmetropole in Mitteleuropa, verhinderte in der Residenzstadt die dauerhafte Etablierung eines auf den Export hin ausgerichteten Gewerbes. Bonn gehörte zum unmittelbaren Umland Kölns und war auf Lieferungen aus der Reichsstadt angewiesen, angefangen von Getreide über Textilien bis hin zu Luxusgütern aus den Niederlanden.53 Auch die durch das aufwendige Hofleben unter Clemens August gesteigerte Nachfrage führte keineswegs dazu, dass der sich in Bonn herausbildende Kaufmannsstand „immer mehr in Konkurrenz zum Handelsplatz Köln trat“54. Die Bonner Kaufleute, auch die jüdischen Hoffaktoren, die den kurfürstlichen Hof mit Gütern versorgten, schafften es nicht, außerhalb des Dunst49 50 51 52 53 54
BRAUBACH, Kurköln, S. 404-408. NEU, Heimatchronik der Stadt Bonn, S. 115 f. ENNEN, Bonn unter französischer Herrschaft, bes. S. 11. Neuere Arbeiten, die diesem Anspruch gerecht werden: KRIEDTE, Taufgesinnte und großes Kapital; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert; WITZEL, Hersfeld 1525-1576. SCHURMANN, Der Handel in den Rheinlanden, S. 45. WINKLER, Studien zu Versorgung des kurkölnischen Hofes, S. 285.
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kreises der Residenz nennenswerte Märkte zu gewinnen. Demgegenüber profitierten die Händler in der benachbarten Reichsstadt von dem größeren Bonner Markt, da zum einen viele Güter direkt in Köln beschafft wurden und zum anderen die Reichsstadt an jedem Handel zwischen Bonn und rheinabwärts gelegenen Regionen zusätzlich Geld verdiente, weil der Kölner Stapel die Rheinschifffahrt dominierte. Die „große Fahrt“ von Köln nach Mainz besorgten die Kölner Schiffer, während die Mittelrheinstrecke von Mainzer Schiffern befahren wurde. Bonn unterhielt lediglich Marktschiffe, die regelmäßig Waren und Personen zwischen Köln und Bonn beförderten.55 Der Anbau von roten Weinreben bildete das Rückgrat der Landwirtschaft, aber seit Ende des 17. Jahrhunderts nahm die Bedeutung des Weinanbaus sukzessive ab. Während im 17. Jahrhundert noch fast jeder zweite Bonner auf häufig kleinen Flächen Getreide oder Wein anbaute,56 waren es im 18. Jahrhundert nur noch wenige. Auf den zahlreichen freien Flächen, die erst im 18. Jahrhundert bebaut wurden, hatten sich im 17. Jahrhundert noch Wein- oder Gemüsegärten befunden. Bonn entwickelte sich von einer Ackerbürgerstadt57 zu einer modernen Residenz- und Verwaltungsstadt. Der Weinanbau im Bonner Bann und der Handel auf dem Bonner Markt bildeten jedoch auch noch im 18. Jahrhundert einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. Außerdem bauten weiterhin viele Einwohner in kleinen Gärten hinter dem Haus bevorzugt Gemüse an – eine typische Nebenerwerbsquelle in frühneuzeitlichen Städten.58 Dies reichte aber kaum zur vollständigen Deckung des Eigenbedarfs, geschweige denn zum regelmäßigen Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten. Zwar blieb die Landwirtschaft wirtschaftlich und insbesondere hinsichtlich der Zahl der Hauptbeschäftigten deutlich hinter dem Handwerk zurück, weshalb neben Getreide und Vieh aus verschiedenen Regionen selbst Weine vom Mittel- und Oberrhein importiert werden mussten.59 Jedoch bildete der Handel mit landwirtschaftlichen Gütern auch noch im 18. Jahrhundert das Rückgrat der städtischen Wirtschaft. Während des gesamten Untersuchungszeitraumes war die städtische Umsatzsteuer, die Akzise, die Haupteinnahmequelle der Stadt. Ungefähr 60-80 % der Gesamteinnahmen entfielen während des Untersuchungszeitraumes durchschnittlich auf diese Steuer: 1687 verzeichnete die Stadt 6.494 Florin (fl.) Einnahmen, davon stammten allein 5.223 fl. aus dieser Umsatzsteuer.60 1731 nahm die Stadt 6.928 fl. ein, davon 5.932 fl. durch die Akzise,61 und 1774 entfielen immerhin noch 3.070 Reichstaler (Rtlr.) von insgesamt 4.737 Rtlr. Einnahmen auf diese Steuer.62 Obwohl der Anteil der Akzise am Ende des 17. Jahrhunderts noch wesentlich größer war als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, blieb diese Umsatzsteuer bis zum Ende der kurfürstli55 56 57 58 59 60 61 62
ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 220. StAB, KU 77/1, Teil 1, „Revidirte Capitations Roll“. Ackerbürgerstädte wiesen eine geringe soziale Differenzierung auf, weil der Großteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig war. ROUSSEAUX, Die frühneuzeitliche Stadt, S. 25. GERTEIS, Die deutschen Städte, S. 126. KUSKE, Die Bonner Schiffahrt, S. 1. StAB, Ku 62/2, Stadtrechnung 1687, fol. 2v und fol. 5v. StAB, Ku 63/2, Stadtrechnung 1731, fol. 2v und fol. 19v. StAB, Ku 64/3, Stadtrechnung 1774, S. 21 und S. 25.
Wirtschaftliche Entwicklung
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chen Zeit der größte Posten bei den Einnahmen. Die Wein- und Bierakzise bildete den mit Abstand größten Einzelposten.63 Davon profitierten neben den Weinhändlern auch die zahlreichen Weinbauern und Bierbrauer, die zu den wohlhabendsten Bürgern der Stadt gehörten. In Trier bildete die Wein- und Bierakzise ebenfalls die wichtigste Einnahmequelle, denn die gesamten Einnahmen setzten sich im 18. Jahrhundert durchschnittlich zu ca. 40 % aus der Wein- und Bierakzise zusammen.64 Anders verhielt es sich dagegen in Mainz, wo insbesondere durch das gewinnbringende Stapelrecht andere indirekte Steuern die städtischen Finanzen dominierten: Die Wein- und Bierakzise brachte der Stadt um das Jahr 1785 bei Gesamteinnahmen von 243.000 fl. lediglich ca. 15.000 fl. ein.65 Insofern unterschied sich das bevölkerungsreichere Mainz hinsichtlich der fiskalischen Struktur deutlich von Trier und Bonn. Ausgedrückt in moderner Terminologie übernahm Mainz wie Köln die Funktion eines Oberzentrums, während Bonn und Trier wirtschaftlich eher Mittelzentren waren, in denen der Weinhandel eine herausragende Stellung einnahm. Das Gewerbe war – wie andernorts auch – in Zünften, in Bonn Ämter genannt, organisiert. Selbst der aufgeklärte Kurfürst Max Franz konnte diese seit dem Mittelalter bestehenden Strukturen nicht gänzlich aufbrechen, wenngleich die Zünfte immer mehr öffentlich-rechtliche Befugnisse an den Stadtrat oder die kurfürstlichen Zentralbehörden abtreten mussten. Dennoch blieben die Zünfte bis zum Ende des Kurfürstentums bestehen, sodass unter Max Franz nicht sämtliche Privilegien und Selbstbestimmungsrechte der Zünfte aufgehoben wurden.66 Die Bonner Gewerbeprodukte wurden meist in der Stadt oder in der nächsten Umgebung von den Produzenten selbst oder von auswärtigen Kaufleuten abgesetzt.67 Die Qualität der Produkte ließ oft zu wünschen übrig und führte zu vielen Klagen der Bürger vor dem Stadtrat. Selbst das Brot und das Bier waren so schlecht, dass die Bürger lieber auf auswärtige Erzeugnisse zurückgriffen, obwohl der Rat diese mit einer höheren Akzise belegte.68 Daher entschloss sich der Stadtrat 1769 dazu, einen erfahrenen Braumeister aus Frankfurt nach Bonn zu holen, um die Qualität des Bonner Bieres zu verbessern.69 Gemäß der Zunftordnung waren zu Beginn des 18. Jahrhunderts nur zwölf Zünfte in der Stadt vertreten. Doch durch die steigenden Ansprüche der stetig wachsenden Residenz bis zum Tode Clemens Augusts erfolgte eine gewisse Spezialisierung und qualitative Verbesserung der handwerklichen Produkte, sodass „in Bonn im 18. Jahrhundert teils durch Abspaltung von umfassenderen Zünften, teils für neue Gewerbe63
64 65 66 67 68 69
1687 nahm die Stadt 3.462 Rtlr. durch die Wein- und Bierakzise ein, bei insgesamt 5.223 Rtlr. Akzisen und Gesamteinnahmen in Höhe von 6.494 Rtlr. StAB, Ku 62/2, Stadtrechnung 1687, fol. 2v und fol. 5v. ZIWES, Die Rentmeistereirechnungen, S. 421. HOHRATH, Die „städtischen“ und „staatlichen“ Kassen, S. 264. HERKENDELL, Die industrielle Entwicklung der Stadt Bonn, S. 3. AUGEL, Italienische Einwanderung, S. 137. BECKER/HERBORN, Von der Nahrung, S. 113-118. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Auszug aus dem Ratsprotokoll vom 19. Dezember 1769, S. 38.
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zweige acht neue Zünfte entstanden“70. Die Differenzierung der Gewerbe nahm also zu, wenngleich das Bonner Gewerbe nach wie vor keinen guten Ruf genoss. Noch stärker als die Gewerbetreibenden konnten sich Kaufleute im kurfürstlichen Bonn des 18. Jahrhunderts wirtschaftlich entfalten. Motor dieses aufstrebenden Standes waren die nach der großen Belagerung 1689 eingewanderten Italiener,71 die nicht nur rasch zu Wohlstand kamen, sondern sich auch schnell in die gehobene Stadtgesellschaft integrierten. Trotz der Konkurrenz der am Hof beschäftigten Handwerker und jüdischen Hoffaktoren72 partizipierten sowohl das Bonner Handwerk als auch der Handel am Wirtschaftswachstum, denn mit dem Ausbau der kurfürstlichen Residenz und der steigenden Bedeutung des Hoflebens, insbesondere unter Clemens August, waren auch immer mehr Adelige und die bei den Zentralbehörden beschäftigten Beamten zu versorgen.73 Daher florierte in erster Linie der Absatz von Luxusgütern, die insbesondere von Hofangehörigen nachgefragt wurden. Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geförderte Ansiedlung von Manufakturen blieb wirtschaftlich erfolglos. Diese Betriebe waren in der Regel sehr klein und „meist auf den Luxusbedarf der Residenzstadt zugeschnitten“74, sodass ihr Erfolg ebenfalls stark von der Nachfrage des Hofes und der dort Beschäftigten abhing. Die Erzeugnisse – Glas, Seife, Porzellan und Tücher – mussten sogar teilweise durch protektionistische Maßnahmen subventioniert werden, indem z. B. der Kurfürst die Einfuhr entsprechender Konkurrenzprodukte verbot,75 damit sie überhaupt abgesetzt werden konnten. Es gelang nicht, konkurrenzfähige Manufakturen zu etablieren, weil die Ansiedlungen meistens ohne eine langfristige Planung der Produktion erfolgten. Die Wirtschaftspolitik der Kurfürsten – mit Ausnahme von Max Franz – kann insgesamt als konzeptlos bezeichnet werden. Das einzige Kontinuum bildete die ausschließliche Orientierung auf den Konsum.76 Dies kennzeichnete geistliche Staaten, in denen in der Regel neben der Landwirtschaft nur das Kunsthandwerk konkurrenzfähig war.77 Wie dieser kurze Abriss gezeigt hat, konnte Bonn eine auf den Konsum hin orientierte Wirtschaft etablieren, die stark auf die Residenz zugeschnitten war. Das vom Hof angeregte rasante Wirtschaftswachstum wurde daher unter den Nachfolgern Clemens Augusts im Zuge der Verkleinerung des Hofes merklich gebremst, bevor dann die Flucht des Kurfürsten Max Franz 1794 die Stadt auch wirtschaftlich in pro70 71
72 73 74 75
76 77
ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 269. Die Zahl der eingewanderten Italiener sollte aber nicht überschätzt werden. In Bonn selbst wanderten zwischen 13 und 22 Personen ein, hinzukommen noch drei bis vier eingewanderte Italiener in Beuel und Brühl. AUGEL, Italienische Einwanderung, S. 117. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 260 f. ENNEN, Wirtschaftsleben und Sozialstruktur Bonns, S. 131. DOLLEN, Vorortbildung und Residenzfunktion, S. 53. Gemäß einem kurfürstlichen Erlass von 1771 durfte beispielsweise keine auswärtige Seife eingeführt werden. SCOTTI, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1. Abt., 2. Teil, Nr. 658, S. 909. SCHNURMANN, Die Wirtschaft Kurkölns im 18. Jahrhundert, S. 105 f. HERSCHE, Intendierte Rückständigkeit, S. 139-141.
Bevölkerungsgröße
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vinzielle Verhältnisse zurückwarf. Insbesondere die Produktion von Exportwaren blieb bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit unbedeutend. Nach Wehlers ökonomischer Klassifizierung frühneuzeitlicher Städte zählte Bonn eindeutig zum Typ 4, „Residenzstadt als Konsumschwerpunkt.“78
2.4 Bevölkerungsgröße Die Bestimmung der Gesamteinwohnerzahl einer Stadt ist eine ebenso schwierige wie notwendige Voraussetzung für weitere historisch-demographische Analysen. Die Kenntnis der Bevölkerungsgröße ist für die umfassende Auswertung der Vitalstatistik unerlässlich. Zudem ist die Entwicklung der Einwohnerzahl über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg bedeutsam, damit der Einfluss von Veränderungen am Hof auf die Bevölkerungsgröße bewertet werden kann. Im Folgenden werden sämtliche verfügbaren Quellen zur Einwohnerzahl Bonns im 18. Jahrhundert ausgewertet und diskutiert. Zwischen 1620 bis 1790 liegen in der Literatur zahlreiche Bevölkerungsschätzungen für Bonn anhand von Teilzählungen vor, wie der Anzahl der Häuser oder der Kommunikanten. Außerdem enthalten zeitgenössische Reisebeschreibungen und geographische Abhandlungen häufig Angaben zur Einwohnerzahl Bonns. Diese Schätzungen werden in Kapitel 2.4.1 kritisch überprüft, auch anhand einer weiteren Quelle, den Verzeichnissen der Pfarrgenossen aus den drei kleineren Bonner Pfarreien von 1720.79 In Kapitel 2.4.2 werden zunächst die Gründe für das Scheitern der Volkszählung von 1759 erörtert, bevor die in der Literatur übernommene Einwohnerzahl aus der zeitgenössischen Aggregation der Volkszählung von 1790 an der Quelle überprüft wird. Außerdem werden die französischen Volkszählungen bis 1815 analysiert. In Kapitel 2.4.3 wird die Bevölkerungsgröße in Zehnjahresschritten anhand der Anzahl der Taufen geschätzt und mit den zeitgenössischen Bevölkerungsschätzungen bzw. -zählungen abgeglichen.
2.4.1 Bevölkerungsschätzungen Die früheste Schätzung der Einwohnerzahl Bonns lässt sich für das Jahr 1620 vornehmen. Aus diesem Jahr liegt ein Heberegister vor, in dem alle in Bonn befindlichen Häuser aufgeführt sind. Leider sind alle noch älteren Lagerbücher verschollen.80 Dietz hat die aufgelisteten Häuser gezählt und kommt zu dem Ergebnis, dass insgesamt ca. 700 Häuser in Bonn standen.81 Er hat neben den 487 steuerpflichtigen Häusern die nicht besteuerten Häuser der Stiftsstadt und die in 15 Posten zusammengefassten Häuser hinzuaddiert. Das Lagerbuch führt aber nicht nur Wohnhäuser auf, sondern alle „Gebäulichkeiten […] und sonstigen Grundstücke, (Gärten, Weingärten, Haus78 79 80 81
WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, S. 181. LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 672. Vgl. auch Kapitel 1.3.2. PICK, Ein altes Lagerbuch, S. 1 f. Allerdings fehlt eine Begründung dieser Annahme. DIETZ, Herkunft der Bonner Bevölkerung, S. 83.
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plätze) welche jährlichst mit einer bestimmten Geldabgabe, ‚Geschoß’ genannt, an die gleichnamige Stadtkasse verpflichtet waren“82. Doch müssen die zum Haushalt des Hofes gehörigen Personen und die anderen in der Stadt lebenden Geistlichen hinzugezählt werden. Diese Quelle hat neben Dietz, der für das Jahr 1620 4.500 Einwohner in Bonn annimmt,83 auch Ennen für eine Bestimmung der Bevölkerungsgröße genutzt. Sie hat eine Behausungsziffer von 5 gewählt, 100 Hofangehörige sowie 100 Geistliche hinzuaddiert und deshalb eine Einwohnerzahl von 3.700 angenommen. Von der Dollen setzt die Behausungsziffer mit 7 an und errechnet für das Jahr 1667, für das ebenfalls ein Häuserverzeichnis vorliegt, 4.340 Einwohner in 620 Häusern innerhalb der Stadtmauern.84 Die Wahl der Behausungsziffer ist generell problematisch, da die gewählte Ziffer niemals den tatsächlichen Realitäten entsprechen kann und immer eine mehr oder weniger grobe Schätzung darstellt. Für mitteleuropäische Städte im 17. Jahrhundert von der Größe Bonns wird allgemein ein Multiplikator zwischen 4 und ca. 5,5 angenommen.85 Warum von der Dollen, der sich eingehend mit der Literatur zur Behausungsziffer auseinandergesetzt hat, eine Behausungsziffer von 7 annimmt, ist unverständlich. Er geht von einer rein städtischen Bevölkerung aus, weil er eine Behausungsziffer von 4-5 ablehnt, die Mols für Städte vorschlägt, in denen sich ein eher ländliches Leben abspielt. Aber im 17. Jahrhundert war Bonn keineswegs rein städtisch. Ganze Stadtteile innerhalb des mittelalterlichen Mauerrings waren kaum bebaut und ein erheblicher Teil der Fläche wurde landwirtschaftlich genutzt. Dieser Flächenanteil war auch im Vergleich zu anderen frühneuzeitlichen Städten, in denen die Landwirtschaft in der Regel eine nicht unerhebliche Rolle spielte, sehr hoch.86 Deshalb ist Ennen zu folgen, wonach im 17. Jahrhundert knapp unter 4.000 Menschen in Bonn lebten. Nach der Rückkehr Joseph Clemens’ nach Bonn im Jahr 1715 setzte ein starkes Bevölkerungswachstum ein. Aus dem Jahr 1720 sind aus den drei kleineren Bonner Pfarreien – St. Gangolf, St. Martin und St. Petrus in Dietkirchen – vollständige Verzeichnisse ihrer Gemeindemitglieder überliefert.87 Der Kurfürst selbst hat den vier Pfarrern Bonns in einem Schreiben vom 5. Januar 1720 aufgetragen, von „Hauß von Hauß alte und junge beyderley geschlechts“88 zu registrieren. Leider hat Heribert Bauch, Pfarrer von St. Remigius, der vom Kurfürsten aufgefordert worden war, ebenfalls eine Liste aller seiner Pfarrgenossen zu erstellen, nur eine Übersicht über die 82 83 84 85 86
87 88
PICK, Ein altes Lagerbuch, S. 1. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 244. DOLLEN, Vorortbildung und Residenzfunktion, S. 158. MOLS, Introduction a la Démographie Historique, Bd. 2, S. 115-121. ENNEN, Die kurkölnische Residenz Bonn, S. 80. Auch der Kupferstich von Merian aus dem Jahr 1646, eine Darstellung Bonns aus der Vogelperspektive, zeigt deutlich die vielen landwirtschaftlich genutzten Flächen innerhalb des Mauerrings, besonders im Norden und Nordosten der Stadt (Vgl. Karte 1 im Anhang). LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 672. LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 672, fol. 12r.
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verstorbenen Erwachsenen und die Anzahl der verstorbenen Kinder sowie der Getauften im Jahr 1719 abgeliefert.89 Dennoch ermöglichen diese Verzeichnisse, die bisher der Stadtgeschichtsforschung unbekannt waren, neue Berechnungen der Einwohnerzahl Bonns am Anfang des 18. Jahrhunderts. Die Pfarrei St. Petrus in Dietkirchen zählte 540 Mitglieder, wovon exakt 400 innerhalb der Stadtmauern in 110 Haushalten lebten.90 Insgesamt 350 Personen, die ebenfalls innerhalb der Mauern Bonns wohnten, gehörten der Pfarrei St. Martin an.91 Die reine Stadtpfarrei St. Gangolf zählte im Januar 1720 1.307 Mitglieder.92 Zwischen 1715 und 1725 wurde etwa ein Fünftel der Bonner in St. Gangolf getauft, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass auch ca. 20 % der innerhalb der Mauern lebenden Bonner der Pfarrei St. Gangolf angehörten. Dieser Annahme folgend lebten im Jahr 1720 6.535 Menschen in Bonn. Für das Jahr 1732 liegen Kommunikantenzahlen93 vor, die von der Dollen herangezogen hat, um die Gesamtbevölkerung Bonns zu schätzen. Er hat 6.600 Einwohner errechnet. Da diese Bevölkerungsschätzung in der Literatur häufig rezipiert wurde und oftmals die einzige Angabe zur Bevölkerungsgröße Bonns vor 1790 darstellt, soll seine Schätzung im Folgenden überprüft werden. Zunächst ergab eine Überprüfung der Quelle,94 dass die Angabe der Kommunikantenzahl von St. Martin fehlt. Des Weiteren ist die Angabe der Kommunikantenzahl von St. Remigius mit „tria millia communicantes“ auffallend rund; daher ist anzunehmen, dass es sich dabei nur um eine vage Schätzung des Pfarrers handelt. Lediglich die präzise Angabe der Kommunikantenzahl der Pfarrei St. Gangolf mit 1.082 scheint auf einer verlässlichen Zählung zu beruhen. Die Kommunikanten der Pfarrei in Dietkirchen fehlen nicht nur in der Quelle, sondern auch in von der Dollens Berechnung, weshalb seine Schätzung in jedem Fall zu niedrig angesetzt ist, wie er selbst angemerkt hat.95 Auch im Vergleich zu der für 1720 errechneten Einwohnerzahl von 6.535 anhand des Verzeichnisses der Pfarrgenossen der Pfarrei St. Gangolf scheint diese Schätzung zu niedrig zu sein, denn zwischen 1720 und 1732 nahm die Bevölkerung stark zu.96 Aufgrund dieser Einwände wird für die Überprüfung seiner Bevölkerungsschätzung nur die Kommunikantenzahl von St. Gangolf verwandt. Fraglich bleibt aber der zu wählende Reduktionsfaktor97, denn von der Dollen hat, dem Standardwerk von 89
90 91 92 93 94 95 96 97
Stattdessen hat er sich in seinem Antwortschreiben über das nach der Bombardierung von 1689 nur unzureichend wiederhergestellte Pfarrhaus von St. Remigius beschwert. LAV NRW R, Kurköln VIII fol. 19r. LAV NRW R, Kurköln VIII, fol. 7-8. LAV NRW R, Kurköln VIII, fol. 20-25. LAV NRW R, Kurköln VIII, fol. 9-16. FLINK, Rheinischer Städteatlas, S. 12. Die Angabe der Quelle fehlt. AEK, Bc 14, Descriptio pastoratum archidioecesis Coloniensis 1730, S. 230-231. DOLLEN, Vorortbildung und Residenzfunktion, S. 159. Vgl. Kapitel 5.1. Die Höhe dieses Faktors gibt den Anteil der Kommunikanten an der Gesamtbevölkerung wieder.
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Mols98 folgend, mit einem Reduktionsfaktor von 67,5 % operiert, ohne dabei auf die Bonner Verhältnisse näher einzugehen. Der Anteil der Kommunikanten an der Gesamtbevölkerung kann für Bonn erstmals für 1827 exakt bestimmt werden. In sämtlichen Pfarreien betrug der Anteil der Kommunikanten entweder 75 oder 76 %,99 wobei berücksichtigt werden muss, dass die soziale Schichtung der Pfarreien und die generative Struktur sicherlich nicht vergleichbar sind. Gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts zog es viele Rentner in die Stadt am Rhein. Auf der anderen Seite verringerte sich der Anteil der Geistlichen infolge der Säkularisation und der Anteil an Adeligen und Beamten aufgrund des Verlustes der Residenzfunktion.100 Der Anteil der Kommunikanten 1827 markiert deshalb wohl auch nur eine Obergrenze. Weitere Schlussfolgerungen sind aus diesem Vergleich nicht möglich. In der Pfarrei Dietkirchen waren 1827 von den 400 in Bonn lebenden Pfarrgenossen 159 Kinder. Demnach betrug der Anteil der erwachsenen Pfarrmitglieder 60,25 %. In der Pfarrei St. Gangolf waren von insgesamt 1.356 Pfarrmitgliedern 514 Kinder. Somit lag der Anteil der Erwachsenen bei 62,1 %. Fraglich bleibt allerdings, ob auch tatsächlich alle als Kinder verzeichneten Pfarrmitglieder keine Kommunion empfingen und somit der Anteil der Erwachsenen mit dem Anteil der Kommunikanten identisch ist. Nach der Agenda Coloniensis von 1720, den Ritualien des Erzbistums Köln, empfingen die Kinder zwischen dem zehnten und dem zwölften Lebensjahr die Erstkommunion.101 Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass manche der als Kinder verzeichneten Pfarrmitglieder bereits Kommunikanten waren. Lehre und Gesindedienst – Mägde und Knechte sind separat verzeichnet – begannen häufig erst mit 13 oder 14 Jahren. Außerdem sind in der Liste der Pfarrgenossen aus St. Martin von 1720 auch 17-Jährige als im Haushalt der Eltern lebende Kinder aufgeführt. Deshalb kann der Anteil der Erwachsenen nicht als Reduktionsfaktor dienen – er muss größer als 62 % gewählt werden. Daher kann der gewählte Reduktionsfaktor von der Dollens in Höhe von 67,5 % nicht korrigiert werden, sondern er wird durch die dargestellten Überlegungen sogar eher bestätigt. Auf der Grundlage dieses Reduktionsfaktors gehörten 1732 1.603 Menschen der Pfarrei St. Gangolf an. Da ca. 20 % der Taufen in Bonn auf St. Gangolf entfielen, haben demnach ungefähr 8.015 Personen in Bonn gewohnt! Bei dieser vergleichsweise einfachen Rechnung, der keine groben Schätzungen der Kommunikantenzahlen zugrunde liegen, ist allenfalls der Reduktionsfaktor weiterhin unsicher. Aber selbst wenn er mit 70 % angesetzt werden würde, wäre die Bevölkerungsgröße immer noch deutlich größer als bisher angenommen. Bonns Bevölkerungsgröße wurde gegen Ende der kurfürstlichen Zeit in der zeitgenössischen statistischen Literatur sowie in diversen Reisebeschreibungen geschätzt. Gleich in mehreren Werken wird dabei eine Einwohnerzahl von 11.000 bis 12.000 98 99 100 101
MOLS, Introduction a la Démographie Historique, Bd. 1, S. 232-235. AEK, Generalvikariatsakten, Dekanatsakten Bonn I 16, fol. 118r. HÖROLDT, Bonn im Vormärz, S. 123-126. HEGEL, Das Erzbistum Köln, S. 277.
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angegeben.102 Die Reisebeschreibungen beziehen ihre Informationen aus den aufgeklärten statistischen Beschreibungen der Politischen Arithmetik, die seit den 1780er Jahren auch für Kurköln vorliegen. Nach Durchsicht der verfügbaren statistischen Beschreibungen scheint Johann Peter Eichhoffs „Historisch-geographische Beschreibung des Erzstifts Köln“ von 1783 die wohl erste Bevölkerungsschätzung Bonns zu enthalten, die in nachfolgenden Veröffentlichungen in der Regel übernommen und teilweise leicht modifiziert wurde.103 Johann Peter Eichhoff, einer der wichtigsten Vertreter der Aufklärung in Bonn, war jedoch nicht der Verfasser der „Historischgeographischen Beschreibung des Erzstifts Köln“, sondern Caspar Anton von Mastiaux, kurfürstlicher Hofkammerrat und ein enger Freund Eichhoffs.104 Er gibt darin eine Einwohnerzahl von 11.000 an, doch wie aus einer anderen Publikation Eichhoffs hervorgeht,105 waren ungefähr 800 Soldaten der Garnison davon ausgenommen, ebenso wie 270 Geistliche und etwa 300 Juden, sodass nach Addition dieser Bevölkerungsgruppen Bonns Einwohnerschaft Anfang der 1780er Jahre weit mehr als 12.000 Personen umfasste. Aus dem Wortlaut des Textes „Die ganze Summe der Einwohner soll inzwischen nur an 11000 kommen“106, lässt sich zudem rein sprachlich schließen, dass die Stadt in vorherigen Jahren volkreicher gewesen war. Dieser Hinweis ist ein klares Indiz dafür, dass die Einwohnerzahl in der Mitte des 18. Jahrhunderts deutlich größer war als in den letzten beiden Jahrzehnten der kurfürstlichen Zeit. Somit lebten vor 1780 mehr als 12.000 Menschen in Bonn. Dies wird in Kapitel 2.4.3 anhand der Taufen überprüft. Ennen hält eine Bevölkerungszahl von mehr als 12.000 für überhöht,107 weil sie von einem kontinuierlichen Bevölkerungswachstum bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit ausgeht und demnach die höchste Einwohnerzahl im Jahre 1790 mit 10.135 Einwohnern vermutet. Wohl auch deshalb hat sie die überraschend präzise Angabe zur Bevölkerungsgröße Bonns aus dem Rheinischen Städtebuch mit 12.644 Einwohnern
102
103 104 105
106 107
Die Schätzungen stammen überwiegend aus den 1780er Jahren: Gercken gibt 11.000 Einwohner an. GERCKEN, Reise durch Schwaben, S. 328. Lang schätzt die Bevölkerung auf 11.000 bis 12.000 Einwohner. LANG, Reise auf dem Rhein, S. 22. Klebe spricht von „ehemals 12.000 Einwohnern“. KLEBE, Reise auf dem Rhein, S. 508. Büsching gibt 11.000 Einwohner für Bonn an, hält diese Zahl aber selbst für zu hoch. BÜSCHING, Erdbeschreibung, S. 607. Im Politischen Journal von Juni 1784 wird die Bevölkerungsgröße Bonns ebenfalls mit 12.000 angegeben. Politisches Journal von Juni 1784, „Statistische Beschreibung des Churfürstenthums Cöln, und der Bistümer Münster und Lüttich“, S. 561. EICHHOFF, Historisch-Geographische Beschreibung, S. 75. GUTZMER, Johann Peter Eichhoff, S. 241. SCHÖNEBECK, Mahlerische Reise am Niederrhein, S. 39. Im Vorwort des dritten Bandes räumt Schönebeck ein, den ersten Band nicht geschrieben zu haben. Da Johann Peter Eichhoff und Schönebeck eng befreundet und seit März 1785 verschwägert waren, zudem beide häufig zusammen arbeiteten und publizierten, kann Johann Peter Eichhoff als Verfasser dieses Kapitels im ersten Band angenommen werden. GUTZMER, Johann Peter Eichhoff, S. 242. EICHHOFF, Historisch-Geographische Beschreibung, S. 75. ENNEN, Bonn unter französischer Herrschaft, S. 36, Anm. 39.
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im Jahr 1784108 in keiner ihrer Publikationen auch nur erwähnt. Wahrscheinlich konnte sie diese Angabe nicht verifizieren, weil eine Quellenangabe fehlt und es daher fraglich bleibt, woher der Autor des Städtebuches diese Information hat. Möglicherweise hat er die Angabe zur Einwohnerzahl einer älteren Dissertation entnommen, in der eine „Aufstellung aus den achtziger Jahren“109 zitiert wird, nach der ebenfalls 12.644 Einwohner in Bonn lebten. Allerdings wird keine exakte Jahreszahl genannt. Leider gelang es nicht, die zitierte Quelle in den Beständen des Landesarchivs NRW in Düsseldorf aufzufinden und somit diese Angabe zu verifizieren.110 Dennoch bleibt festzuhalten, dass diese überraschend präzise Einwohnerzahl im Vergleich zu der glaubhaften Schätzung in der „Historisch-geographischen Beschreibung des Erzstifts Köln“ sehr gut ins Bild passt. Im „Politischen Journal“ vom 6. Juni 1784 wird berichtet, dass für das Erzstift noch keine allgemeine Bevölkerungsliste erschienen sei.111 Demnach müsste die im Städtebuch aufgeführte Aufstellung des Personenstandes der Stadt Bonn entweder nach dem 6. Juni 1784 erfolgt sein oder eine solche Aufstellung blieb allein eine städtische Angelegenheit, die nicht im Rahmen einer flächendeckenden Erfassung des Personenstandes im Erzstift durchgeführt wurde. Letztere Annahme erscheint aber angesichts des regen Interesses des Kurfürsten an der Bevölkerungsgröße seiner Residenzstadt eher unwahrscheinlich.
2.4.2 Volkszählungen Für die Mitte des 18. Jahrhunderts fehlen nicht nur Bevölkerungszählungen, sondern auch Teilzählungen, anhand derer die Bevölkerungsgröße bestimmt werden könnte. Clemens August befahl aber dem Rat der Stadt Bonn in einem Reskript vom 6. August 1759, „innerhalb vier wochen Zeit alle in hiesiger Statt befindliche eingesessenen männ. und weiblichen geschlechts ohne unterscheid, ob sie arm oder reich seyen, und von welcher Condition oder ansehen sie auch seyn mögen, mit ausschluß jedoch deren Kinder, so bey ihren Eltern nicht alß dienstbotten wohnen auf beygelegt gewesenen formulare zur Cfurstl. Hoffraths Cantzley einzuschicken.“112
Bürgermeister Fabri schickte zwar am 7. September einen Bericht an die kurfürstliche Regierung; sein Inhalt ist jedoch nicht überliefert. Aber dabei kann es sich nicht um das geforderte Verzeichnis gehandelt haben, denn am 15. September 1759 wurde der Rat erneut in einem Reskript aufgefordert, alle Bürger und sonstige der städtischen 108 109 110
111 112
KEYSER, Rheinisches Städtebuch, S. 71. FRIEDRICHS, Verfassung und Verwaltung der Stadt Bonn, S. 11. Friedrichs verweist auf den Bestand „Kurköln. Stadt Bonn Nr. 2“ (Ebd.). Tatsächlich ist in älteren Findbüchern dieser Bestand aufgeführt. Dennoch blieb die zitierte Aufstellung des Personenstandes trotz Durchsicht aller Akten dieses Bestandes unauffindbar. Politisches Journal vom Juni 1784, „Statistische Beschreibung des Churfürstenthums Cöln, und der Bistümer Münster und Lüttich“, S. 561. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 4. September 1759, S. 380.
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Gerichtsbarkeit unterworfenen Einwohner aufzunehmen. Darüber hinaus wurde dem Stadtrat mitgeteilt, der Hofrat selbst übernähme die Aufzeichnung von Hofstaat, Klerus und Militär.113 In den Ratsprotokollen wird mehrmals davon berichtet, dass mit der „Einrichtung der Tabellen continuirt“ worden sei, zuletzt am 11. November 1759.114 Eine solche Einwohnerliste ist aber nicht überliefert. Möglicherweise konnte sie nicht fertig gestellt werden. Für diese Annahme sprechen zwei in den Ratsprotokollen vermerkte Fälle, in denen sich Einwohner weigerten, den mit der Erstellung des Einwohnerverzeichnisses beauftragten Personen Auskünfte über ihren Haushalt zu geben. Der Schreinermeister Schlegel sperrte sich dagegen, die Anzahl der in seinem Haushalt lebenden Personen preiszugeben. Er wurde daraufhin vor den Rat zitiert, wo eine Entschuldigung erfolgte und daher eine Bestrafung unterblieb.115 In einem weiteren Fall verweigerte der Schustermeister Niehl Auskünfte über seinen Haushalt mit der Begründung, er sei zu viel gefragt worden. Er wurde ebenfalls vor den Rat bestellt und dabei von jeglicher Schuld freigesprochen, weil er tatsächlich zu viel gefragt worden war, nämlich nach dem Lohn seiner Gesellen.116 Diese beiden Fälle zeigen, dass es wohl schwieriger war als vom Hofrat angenommen, die Angaben für ein Einwohnerverzeichnis zusammenzutragen. Wie der Fall des Schustermeisters Niehl zeigt, gaben die Bürger wohl insbesondere nur ungern finanzielle Informationen über ihren Haushalt preis. Sicherlich befürchteten die Bonner weitere Abgaben, denn die Steuerlast war infolge des Siebenjährigen Krieges und den damit einhergehenden Einquartierungslasten für die in Bonn stationierten Truppen ohnehin größer als gewöhnlich. Im April 1758 wurden vier münstersche Infanterieregimenter, 40 Artilleristen und eine Grenadierkompanie in Bonn einquartiert.117 Im Herbst 1758 wurde den Pferdebesitzern der Stadt befohlen, regelmäßig ihre Pferde und Karren für den Transport von Mehlsäcken der französischen Armee zur Verfügung zu stellen.118 Außerdem wurde seit 1758 eine Abgabe zur Bestreitung der Fourageleistungen für die französische Armee erhoben, gestaffelt nach dem Vermögen der Stadtbewohner.119 Vor diesem Hintergrund sind die heftigen Reaktionen der genannten Handwerksmeister gut nachvollziehbar. Die erste vollständige Volkszählung Bonns datiert erst aus dem Jahr 1790. Bereits 1786 hatte der Kurfürst den Magistrat der Stadt nach der Anzahl der Häuser, Bürger und Einwohner gefragt, in der Annahme, der Stadtrat verfüge über solche Zahlen. Da 113 114 115 116 117 118
119
StAB, Ku 25/19, Reskript an Bürgermeister und Rat vom 15. September 1759. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 11. November 1759, S. 411. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 11. September 1759, S. 385 f. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 11. September 1759, S. 397 f. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 4. April 1758, S. 41. StAB, Ku 99/7, Teil 1. Daneben wird in den Ratsprotokollen von weiteren Abgaben berichtet, z. B. mussten die Bonner Bürger 1.000 Ballen Stroh für die französische Armee bereitstellen. Außerdem litt die Bevölkerung unter häufigen Diebstählen und Zerstörungen von Früchten durch Soldaten. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokolle vom 21. November 1758, S. 194 und vom 31. März 1759, S. 268. StAB, Ku 99/6, „Status subreparititiones fourage gelder intra muros“.
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dies offensichtlich nicht der Fall war, wurde dem Magistrat in einem Schreiben vom 24. Januar 1787 befohlen, die Zwölfter zu beauftragen, jährlich eine Liste über die Einwohnerschaft und Häuser Bonns anzufertigen. Doch der Magistrat zweifelte wohl an der Durchführbarkeit dieses Vorhabens und ließ keine entsprechende Volks- und Häuserzählung durchführen.120 Max Franz forderte die Ämter seines Territoriums auf, sogenannte „Tabellen“ über die im Land befindlichen Früchte und den „Zustand der Untertanen“ anzufertigen. Die Erstellung der Bonner Zustandstabellen verzögerte sich mehrere Monate, da sich sowohl die adeligen als auch die geistlichen Einwohner weigerten, Angaben über ihren Viehbestand und ihr Personal preiszugeben.121 Erst am 6. Mai 1790 konnte der Stadtrat dem Hofrat die vollständigen Zustandstabellen zuschicken.122 Nach der zeitgenössischen Rechnung, die in der Literatur ungeprüft übernommen wurde, lebten 10.135 Menschen in Bonn. Dabei wurde aber versäumt, die im Haushalt lebenden Personen zu erfassen, die nicht der Kategorie „Magd“ oder „Knecht“ angehörten. Nach Addition dieser Personenkreise, zu denen neben Studenten meist Geschwister der Hausväter oder -mütter zählten, lebten 10.274 Personen in Bonn. Die in den Kasernen lebenden Soldaten wurden in den Zustandstabellen überhaupt nicht erfasst, weshalb nochmals etwa 800 Soldaten hinzugerechnet werden müssen.123 Somit ergibt sich eine Einwohnerzahl inklusive der Garnison von ca. 11.000. Am 11. November 1796 betrug die Einwohnerzahl nur noch 8.550,124 sodass zwei Jahre nach der Flucht des Kurfürsten knapp 2.000 Zivilisten weniger in der Stadt lebten. Dieser Rückgang ist nicht allein einer Sterblichkeitskrise geschuldet – die Differenz zwischen Geburten und Sterbefällen betrug zwischen 1790 und 1796 nur minus 47 –, sondern in erster Linie einer Auswanderungswelle. Somit hatten tatsächlich annähernd 2.000 Menschen Bonn verlassen.125 Verschiedene Quellen deuten darauf hin, dass nicht nur die Angehörigen des Hofes und der kurfürstlichen Landesverwaltung die Stadt verlassen hatten, sondern dass sich unter den Auswanderern gerade auch reiche Kaufmanns- und adelige Familien befanden. Da sich gleichzeitig die Zahl der Bedürftigen und Bettler um ein Vielfaches erhöhte, kann konstatiert werden, dass Bonn nicht nur politisch zu einer „bedeutungslosen Unterpräfektur“126 herabgesunken war, sondern auch wirtschaftlich starke Einbußen erlitten hatte. Insofern hatte der Verlust der Residenzfunktion auch weitreichende sozioökonomische Konsequenzen, die über eine Bevölkerungsabnahme hinausgingen, deren Auswirkungen 120 121 122 123
124 125 126
StAB, Ku 25/19, Anordnung vom 24. Januar 1787. StAB, Ku 58/4, Ratsprotokoll vom 12. Januar 1790, S. 13; Ratsprotokoll vom 27. April 1790, S. 112. StAB, Ku 34/2, Korrespondenz zwischen Hofrat und Stadtrat. Nach der verlässlichen Angabe Eichhoffs lagen „an die 900 Mann“ in der Garnison zu Bonn. EICHHOFF, Historisch-Geographische Beschreibung, S. 76. In einer anderen Publikation werden 800 Soldaten als Besatzung der Garnison angegeben. SCHÖNEBECK, Mahlerische Reise am Niederrhein, S. 39. StAB, Fr 29/2. Vgl. Kapitel 5.5. ENNEN, Bonn unter französischer Herrschaft, S. 11.
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aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind. Es wird im Folgenden lediglich ein Überblick über die Bevölkerungsentwicklung in der französischen Zeit gegeben, um Entwicklungen im Verlauf des 18. Jahrhunderts durch einen direkten Vergleich besser einordnen zu können. Eine erste grobe Bevölkerungsschätzung der französischen Besatzungsbehörden vom 16. November 1796 ergab, dass ca. 8.550 Einwohner in etwa 1.000 Häusern wohnten.127 Nach der präzisen Bevölkerungszählung vom 20. Mai 1798 lebten nur noch 7.986 Menschen in der Stadt.128 Am 24. Juni 1798 wurden 8.178 Einwohner in einer Aufstellung verzeichnet,129 im Jahre 1800 lebten 8.833 Menschen130 in Bonn. In den folgenden Jahren sank die Einwohnerzahl erneut: 1806 auf 8.390131 und 1808 auf 8.219 Einwohner.132 Ennens Angabe zur Bevölkerungsgröße Bonns liegt mit 9.026 für das Jahr 1808133 deutlich höher. Sie hat jedoch die Einwohnerzahl der gesamten „Communes Bonn“134 zitiert, zu der neben Bonn auch Dransdorf und Rheindorf gehörten. Dies ist insofern unverständlich, weil sie in derselben Publikation an gleicher Stelle eine Einwohnerzahl von „weniger als 8000 im Jahr 1798“ angibt, obwohl diese Angabe sich nur auf Bonn selbst – „Bonn Ville“ – bezieht. Die Einwohnerzahl der gesamten „Communes Bonn“, also Dransdorf und Rheindorf eingeschlossen, lag im Jahr 1798 bei 8.665.135 Somit ist auch ihre Interpretation der Bevölkerungsentwicklung während der französischen Herrschaft fragwürdig. Nach der Eingliederung Bonns in den französischen Staat im Jahr 1798 setzte kein Bevölkerungswachstum ein. Vielmehr konnte der Bevölkerungsverlust nach der Flucht des Kurfürsten bis zum Ende der französischen Herrschaft 1815 nicht ausgeglichen werden, auch nicht durch zahlreiche Bemühungen, Industrie und Handel in Bonn anzusiedeln. Denn 1815 lebten nur 9.311 Menschen – allerdings ohne Berücksichtigung der Soldaten – in Bonn.136 1816, schon unter preußischer Verwaltung, lag die Einwohnerzahl mit 10.021137 immer noch niedriger als 1790. Zu Beginn der preußischen Zeit sank die Bevölkerung sogar auf 9.926 Einwohner.138 Erst nach Gründung der Universität im Jahre 1818
127 128 129 130 131 132 133
134 135 136 137 138
StAB, Fr 29/2. Ebd. Ebd. MASSON, Mémoire statistique, S. 36. LHAK, 256, Nr. 199, „Receusement an 1 Jenvier 1806“, S. 20. MASSON, Annuaire statistique, S. 91. ENNEN, Bonn unter französischer Herrschaft, S. 49. Höroldt hat in seiner Untersuchung zur Sozialstruktur Bonns zwischen 1790 und 1858 die korrekte Einwohnerzahl für 1798 zugrunde gelegt. HÖROLDT, Sozialstruktur der Stadt Bonn, S. 286. StAB, Fr 53/37, fol. 167. StAB, Fr 29/2. ERNSTS, Medicinische Topographie, S. 261. WILLEMSEN, Die Rheinprovinz unter Preußen, S. 153. Restorff gibt für 1716 eine Einwohnerzahl von 10.046 an. RESTORFF, Topographisch-Statistische Beschreibung, S. 256. Ebd., S. 259.
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setzte ein kontinuierliches Bevölkerungswachstum ein, das sich aber erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts beschleunigte.139
2.4.3 Hochrechnung der Taufen Wie gezeigt, liegen keine Angaben zur Bevölkerungsgröße Bonns aus der Mitte des 18. Jahrhunderts vor. Doch die Vitalstatistik der vier Stadtpfarreien, nach der sowohl die Taufen als auch die Sterbefälle in der Mitte des Jahrhunderts am höchsten lagen,140 lässt nur den Schluss zu, dass die Einwohnerzahl Bonns in den 1750er Jahren ihren Zenit im 18. Jahrhundert erreicht hatte und nicht erst 1790. Die Hochrechnung der Taufen bietet die Möglichkeit, die Entwicklung der Bevölkerungsgröße in den Jahren zwischen den Bevölkerungsschätzungen zu bestimmen. Ennen hat für das Jahr 1653 alle Taufen der vier Bonner Stadtpfarreien gezählt und angenommen, dass auf 28 Einwohner eine Geburt kommt. Sie hat bei 137 gezählten Taufen eine Einwohnerzahl von 3.836 innerhalb der Mauern errechnet.141 Dies ist aus zwei Gründen problematisch: Zum einen hat sie dabei nicht bedacht, dass zwei der vier Pfarreien keine reinen Stadtpfarreien waren, weshalb ihr Ergebnis nicht die Gesamtbevölkerung innerhalb der Stadtmauern widerspiegelt, und zum anderen hat sie das Verhältnis von einer Geburt zu 28 lebenden Bewohnern gewählt, ohne diese Wahl zu begründen. Dies wird nachfolgend überprüft. Die Methode, mithilfe der Vitalstatistik auf die Gesamteinwohnerzahl zu schließen, ist grundsätzlich umstritten, weil sie viele Fehlerquellen birgt. Zunächst einmal muss die Zahl der Getauften nicht zwangsläufig mit allen in der Stadt Geborenen identisch sein und zudem müssen Veränderungen durch Migration, die auch schon in der Frühen Neuzeit in Städten ein Massenphänomen waren, unberücksichtigt bleiben. Trotzdem soll sie angewandt werden, um zumindest für einige ausgewählte Jahre während des Untersuchungszeitraumes eine ungefähre Bevölkerungsgröße zu bestimmen. In der Literatur findet man Verhältnisse von Geburten zu Lebenden für Städte im 18. Jahrhundert zwischen 1:24,7 und 1:31,6.142 Letztlich muss aber für jede Stadt anhand der ersten zuverlässigen Volkszählung ein eigener Multiplikator errechnet werden. Doch selbst dann kann nicht von „annähernd exakte[n] Ergebnisse[n]“143 ausgegangen werden. Im Jahr 1790, dem Jahr der ersten vollständigen Volkszählung, sind 420 Taufen in allen vier Bonner Pfarreien verzeichnet. Davon entfallen 95 Taufen auf die Pfarreien St. Martin und St. Petrus in Dietkirchen, die allerdings keine reinen Stadtpfarreien waren. Nach dem Seelenregister von 1720 wohnten 74 % der Pfarrmitglieder von St.
139
140 141 142 143
1823 lebten 12.259 Menschen in Bonn, Studenten und Militär eingeschlossen. KÖRSCHNER, Medizinische Topographie des Kreises Bonn, S. 113. Im Dezember 1843 betrug die Einwohnerzahl 16.136. Statistisches aus dem Jahr 1743, S. 40. Vgl. Kapitel 5.5. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 86. POHL, Wirtschaftsgeschichte Kölns, S. 24. Ebd., S. 23.
Bevölkerungsgröße
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Petrus innerhalb Bonns.144 1794/95 hatte Poppelsdorf 719 Einwohner,145 und da in jenen Jahren im Durchschnitt 41 Täuflinge in St. Martin verzeichnet wurden, entfällt bei Multiplikation der Täuflinge mit einer Zahl zwischen 27 und 30 ungefähr ein Drittel dieser Pfarrei auf Bonn selbst. Somit muss die Gesamtzahl der Taufen um insgesamt 44 Taufen oder 10 % verringert werden, die bei den Hochrechnungen der Taufen einzelner ausgewählter Jahre abgezogen werden, damit die tatsächlich innerhalb Bonns wohnenden Einwohner erfasst werden. Ein Vergleich mit der Summe der Taufen in den beiden Jahren vor und nach 1790 ergibt, dass 420 Taufen deutlich über dem Durchschnitt dieser fünf Jahre liegen. Wählt man den Mittelwert der Taufen dieser fünf Jahre – nämlich 397,4 – minus 10 % als Grundlage für die dargestellte Berechnung, so beträgt das Verhältnis zwischen Geburten und lebenden Einwohnern 29 – ähnlich wie Ennen für das 17. Jahrhundert angenommen hat. Natürlich wird dieses Verhältnis nicht während des gesamten Zeitraumes konstant gewesen sein. Die Methode sollte daher lediglich als Versuch zur Annäherung an die unbekannte Bevölkerungsgröße verstanden werden. Legt man dieses Verhältnis zwischen Geburten und lebenden Einwohnern für die innerhalb Bonns lebenden Pfarrmitglieder zugrunde, kann für jedes Jahr die Einwohnerzahl anhand der Taufen ermittelt werden. In Tabelle 1 ist die Bevölkerungsgröße in Zehnjahresschritten dargestellt. Die angegebene Zahl der Taufen pro Jahr geben Mittelwerte wieder: Diese wurden aus den Werten der jeweils zwei vorhergehenden Jahre, des genannten Jahres und der zwei nachfolgenden Jahre errechnet. Tabelle 1: Hochrechnung der Bevölkerungsgröße im 18. Jahrhundert anhand der Taufen Jahr 1690 1700 1710 1720 1730 1740 1750 1760 1770 1780 1790 1797
Taufen exklusive Totgeburten minus 10 % 159 235 207 318 313 372 461 426 314 319 356 298
Bevölkerungsgröße 4.699 6.930 6.107 9.372 9.239 10.965 13.594 12.558 9.265 9.398 10.487 8.788
Die Schätzungen der Bevölkerungsgröße sind insgesamt vage, und zwar aus folgendem Grund: Der Anteil der Kinder war in der ersten Hälfte des Jahrhunderts im Ver144 145
LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 672, fol. 7-8. DOLLEN, Bonn-Poppelsdorf, S. 196.
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hältnis zur Bevölkerungsgröße hoch, weil viele – vor allem junge – Menschen an den prächtigen Wittelsbacher Hof gezogen wurden. Zwischen 1760 und 1780 war der Anteil an Kindern dagegen niedriger, da sich in diesem Zeitraum die Einwohnerzahl durch Abwanderung verringerte. Somit sind diese Ergebnisse der Bevölkerungsgröße anhand der Taufen zwischen 1720 und 1740 eher höher und zwischen 1770 und 1780 eher niedriger als die tatsächliche Bevölkerungsgröße. Dies bestätigt auch ein Vergleich dieser Ergebnisse mit den Teilzählungen von 1720 und 1732 sowie mit den zeitgenössischen Bevölkerungsschätzungen aus den 1780er Jahren. Dennoch zeigt die Entwicklung der Taufzahlen, dass die Bevölkerungszahl in der Mitte und nicht am Ende des Jahrhunderts am größten war. In den 1750er Jahren lebten mehr als 13.000 Menschen in Bonn! Es konnte gezeigt werden, dass Bonns Einwohnerzahl keineswegs stetig anstieg, sondern nach einer rasanten Zunahme bis zur Mitte des Jahrhunderts, als die Einwohnerzahl mit ca. 13.500 ihr Maximum erreichte, ab 1760 abnahm. Erst unter Max Franz nahm die Bevölkerung wieder leicht zu, bis sie nach der französischen Okkupation innerhalb kürzester Zeit um etwa 2.000 Einwohner abnahm. Zum Vergleich die Einwohnerzahlen einiger anderer Städte in der Region: Mainz hatte 1792 ca. 25.000 Einwohner,146 in Trier wurden 1802 8.829 Personen gezählt,147 in Koblenz waren um 1790 ca. 8.400 Einwohner registriert148, in Karlsruhe lebten 1794 10.259 Menschen,149 in Duisburg waren 1793 3.782 Menschen150 ansässig und die Einwohnerzahl Düsseldorfs betrug 1792 etwa 20.000 Einwohner.151 Köln blieb Ende des 18. Jahrhunderts mit 38.957 Einwohnern zuzüglich 1.317 „Fremde[r]“ im Jahr 1798152 die größte Stadt im Rheinland. Somit waren die beiden geistlichen Residenzstädte Trier und Koblenz am Ende des 18. Jahrhunderts ungefähr so groß wie Bonn. Alle rheinischen Residenzstädte konnten ein rasantes Bevölkerungswachstum im Verlauf des 18. Jahrhunderts verzeichnen. Die Einwohnerschaft von Koblenz hatte sich mehr als verdoppelt, denn 1702 lebten dort ca. 4.280 Menschen.153 Trier, das sich mit Koblenz die Hauptstadtfunktion im Kurfürstentum Trier teilte, hatte seine Einwohnerzahl ebenfalls ungefähr verdoppelt.154 Die badische Stadt Karlsruhe – eine typische barocke „Reißbrettstadt“ – konnte sich sogar innerhalb eines Jahrhunderts zu einer Großstadt entwickeln. Im Unterschied zu Bonn nahm die Einwohnerzahl in den hier zum Vergleich herangezogenen Residenzstädten kontinuierlich und ohne nennenswerte Einbrüche über das gesamte 18. Jahrhundert hinweg zu.
146 147 148 149 150 151 152 153 154
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 122. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 24. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 24. MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 25. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 54. HENNING, Düsseldorf und seine Wirtschaft, S. 129. FELDENKIRCHEN, Der Handel der Stadt Köln, S. 30. HEIMES, Sozialstruktur und soziale Mobilität, S. 64. Um 1700 lebten ca. 3.000 Menschen in Trier. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 65.
Siedlungsentwicklung und Bebauung
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2.5 Siedlungsentwicklung und Bebauung In diesem Kapitel wird überprüft, ob sich die massive Bevölkerungszunahme zwischen 1715 und 1761, aber auch die Abnahme nach 1761 im Straßen- und Hausbau niederschlugen. Warum wurde kein Vorort angelegt? Wie lässt es sich erklären, dass die gesamte Bevölkerung innerhalb der 44 Hektar des mittelalterlichen Mauerrings Platz fand? Die Entwicklung der Siedlung wird anhand von Stadtplänen, Angaben zu Straßen- und Hausbauten sowie zur Häuserzahl analysiert. Neben dem Stadtplan von Matthäus Merian von 1646 (Karte 1 im Anhang) – abgedruckt in zahlreichen Publikationen – ist ein weiterer Stadtplan von 1773 (Karte 2 im Anhang) überliefert. Ein einfacher visueller Vergleich dieser beiden Pläne soll zeigen, wie trotz fehlender Ausdehnung des Stadtgebietes der Wohnraum innerhalb der Stadt vergrößert werden konnte. Auf dem Plan von Merian sind zahlreiche freie Flächen erkennbar, die – mit Strichen oder kleinen Kreisen versehen – wohl Weiden und Gärten anzeigen. Insbesondere im gesamten nördlichen Teil der Stadt sind zahlreiche Flächen unbebaut, aber auch die großen Flächen hinter den am Rande der Straße eng nebeneinander stehenden Häusern sind weitgehend unbebaut; sie wurden wohl ebenfalls in der Regel als Gärten genutzt.155 Die meisten Häuser scheinen nur zweistöckig und sehr klein gewesen zu sein. 1660 standen 513 Häuser in Bonn. Bei einer Fläche von 44 Hektar gab es somit ca. zwölf Bürgerhäuser pro Hektar. Die meisten erzstiftischen Städte waren wesentlich dichter bebaut. In Andernach und Neuss standen beispielsweise 20 bzw. 23 Häuser pro Hektar, nur Jülich war mit etwa sieben Häusern pro Hektar noch lockerer bebaut als Bonn.156 Bonn war deshalb insgesamt eher dünn besiedelt; Mitte des 17. Jahrhunderts hatte die Stadt ja auch nur knapp 4.000 Einwohner. Ein weiterer Stadtplan, der Bonn bei der Bombardierung von 1689 zeigt, ähnelt stark dem Merian-Plan von 1646. Die zahlreichen freien Flächen im Norden der Stadt finden sich auch in dieser Darstellung der Beschießung Bonns wieder.157 Deshalb kann angenommen werden, dass Merians Plan, der wesentlich detaillierter ist als der Plan von 1689 und zudem keine Szenen der Belagerung und Beschießung enthält, die Bebauung Bonns zu Beginn der Regierungszeit Joseph Clemens’ gut wiedergibt. Auf dem Stadtplan von 1773 sind die Häuser Bonns aufgezeichnet und von eins bis 1.004 durchnummeriert. In dieser Hinsicht war die kurfürstliche Residenz durchaus fortschrittlich, denn die Verwendung von Hausnummern kam erst in den 1760er Jahren in Frankreich auf.158 Es standen aber nicht nur 1.004 Häuser in Bonn, sondern einige mehr, da zueinander gehörende Gebäude oder kleinere Nebengebäude als Bruch zur Hausnummer des Hauptgebäudes hinzugefügt wurden.159 Außerdem sind 155 156 157 158 159
PHILIPPSON, Die Stadt Bonn, S. 26 f. FLINK, Die rheinischen Städte des Erzstifts, S. 156-158. Der Plan „Beschießung der Stadt Bonn im Jahre 1689“ ist abgedruckt im Anhang bei ZIMMERMANN, Heimatkunde der Stadt Bonn. BEHRISCH, „Politische Zahlen“, S. 558. Demnach gehören zur Nummer 2, der Kirche des Schlosses, auch die Nummern 2 ½ und 2 ¼, kleinere Nebengebäude der Kirche.
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einige Häuser, die überwiegend in der Judengasse und am Rhein standen, nicht nummeriert worden, wenngleich sie in ähnlicher Detailtreue wie die nummerierten im Plan eingezeichnet sind. Die Breite der Hausfronten ist dem Original wohl gut nachempfunden, schließlich orientierte sich die Steuererhebung an der Breite der Hausfront bzw. der Anzahl der Fenster. Die Anzahl der Stockwerke ist ähnlich gut erkennbar wie auf dem merianschen Plan. Das dazugehörige Register160 führt die Vorstände der Häuser auf, sodass eine Sozialtopographie der Stadt auf dieser Grundlage erstellt werden kann. Dietz hat diese Quelle für seine Topographie der Stadt Bonn161 genutzt, dabei aber keine Auswertung vorgenommen. Im Vergleich zu 1646 bzw. 1689 war Bonn 1773 wesentlich dichter bebaut. Insbesondere im Nordosten der Stadt, zwischen der heutigen Römerstraße, der Theaterstraße, der Berliner Freiheit und dem Rhein, entstanden zahlreiche neue Häuser. Neben den adeligen Stadtpalais in der Risselstraße, der heutigen Berliner Freiheit, und den angrenzenden Straßen sind insbesondere in der kleinen und großen Neustraße, der Heisterbacherhofstraße und der Josephstraße neu erbaute mehrgeschossige Häuser zu erkennen. Nach der weitgehenden Zerstörung Bonns 1689 wurde die Stadt innerhalb des mittelalterlichen Mauerrings wieder aufgebaut. Dabei wurden die Häuser aber durchweg ein Stockwerk höher gebaut – die Mietskasernen im Nordosten der Stadt sogar um zwei Stockwerke. Außerdem wurden viele der auf dem merianschen Plan erkennbaren großen freien Flächen hinter den Häusern, die zuvor wohl in der Regel als Gärten genutzt wurden, mit kleineren Häusern bebaut.162 Der Stadtplan von 1773 zeigt aber auch, dass sich Bonn nicht über den mittelalterlichen Mauerring hinaus hatte ausdehnen können. Dennoch gab es in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gleich mehrere Versuche, eine Vorstadt oder Neustadt außerhalb der Stadtmauern zu errichten.
2.5.1 Neuanlagen von Vororten, Stadtvierteln und Straßen Joseph Clemens plante, eine Vorstadt zur „Vermehrung und Zierde“163 seiner Residenzstadt südlich der Schlosskapelle zu errichten. Nach einem Mandat vom 20. Mai 1723 sollten zunächst 25 Häuser an sechs neuen Straßen rund um den Heiligen Michaelis Platz errichtet werden. Die Verschenkung der Bauplätze war allerdings an bestimmte Bedingungen geknüpft: So musste der Bauplatz innerhalb von zwei Monaten eingeebnet werden und für die zur Straße hin liegenden Teile der neu zu errichtenden Häuser war die Verwendung von Steinwerk vorgesehen. Diese Vorschriften dienten nicht etwa dem Brandschutz, sondern dem Ziel, das Erscheinungsbild und die Repräsentativität der Stadt an barocke Ideale anzupassen. Die am zentralen Michaelis Platz liegenden Häuser, sieben an der Zahl, mussten sogar „nach der von Ihro Churfürstl. Durchl. vorschreibenden Weise allerdings gleichförmig“164 erbaut werden. 160 161 162 163 164
StAB, Ku 34/1. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn. DIETZ, Stadtraum und Stadtbild, S. 21. LAV NRW R, Kurköln II, Nr. 1743, Mandat vom 20. Mai 1723. Ebd.
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Nach einer Liste vom 15. September 1723 waren bereits 41 Grundstücke – deutlich mehr als die im Mandat vom 20. Mai vorgesehenen 25 Häuser – an ausgewählte Personen vergeben worden. Diese Grundstücke waren Angehörigen des Hofes vorbehalten: Neben zahlreichen Hofräten, Geheimen Räten, Hofkammerräten sowie Offizieren sind u. a. auch ein Gerichtsschreiber, ein „Kabinettsbott“, ein „Nachgänger“, ein Hofapotheker, ein geheimer Sekretär, ein Hofkutscher und eine verwitwete Gräfin aufgeführt.165 Der Tod Joseph Clemens’ am 12. November 1723 verhinderte aber die Verwirklichung dieser Pläne, die schon recht weit gediehen waren. Joseph Clemens hatte noch weitere Pläne, neue Vorstädte zu errichten,166 aber lediglich innerhalb der Stadtmauern konnten einige seiner Vorhaben realisiert werden. Auch Clemens August fasste eine Erweiterung seiner Residenzstadt nach den Plänen von Joseph Clemens ins Auge. Diesem Projekt maß er eine ebenso große Bedeutung bei wie sein Vorgänger, wie die Zusammensetzung der von ihm eigens für dieses Projekt eingesetzten Baukommission zeigt. Neben dem Leiter dieses Ausschusses, Staatsminister Graf von Hohenzollern, gehörten der Regierungsrat und Kammerpräsident Freiherr von Wallbott zu Bornheim, drei Hof- und Kammerräte sowie der Hofbaumeister Michael Leveilly der Kommission an. Die Baukommission wurde angewiesen, die Pläne Joseph Clemens’ gemäß dem Protokoll vom 6. September 1723 zu prüfen und ein Gutachten über die geplante Errichtung der Neustadt zu erstellen.167 Doch auch während der Regierungszeit Clemens Augusts wurde keine „Neustadt“ angelegt. Allerdings entwickelte sich gerade Poppelsdorf, das stadtnächste Dorf, mit seinen engen sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Bonn zu einer zumindest funktionellen Vorstadt. Die Pfarrei St. Martin betreute sowohl Mitglieder in der Stadt Bonn als auch in Poppelsdorf. Das Dorf lag zudem an der Straße Richtung Kottenforst, dem bevorzugten Jagdrevier der Kurfürsten, sodass sich dort viele Jäger und Förster niederließen. Neben den geographischen Gründen lässt sich die Entwicklung hin zu einem „Vorstadium der Vorortbildung“168 sowohl auf den direkten als auch indirekten Einfluss des kurfürstlichen Hofes zurückführen. Das Poppelsdorfer Schloss, während des 16. Jahrhunderts sogar bevorzugte Residenz der Kölner Kurfürsten, wurde nach dem Neubau zu Schloss Clemensruhe Mitte der 1740er Jahre ein favorisierter Rückzugsort Clemens Augusts. Zwar sollten die Amtsgeschäfte weiterhin von Bonn aus getätigt werden und auch das Gros der Bediensteten kehrte am Abend zurück nach Bonn,169 aber dennoch führte die zeitweise, aber regelmäßige Präsenz des Kurfürsten zu einer Belebung des Ortes. 1746 konnte beispielsweise die Sternenburg an den französischen Gesandten Abbé Aunillon verkauft werden, der dieses Anwesen in ein Rokokoschlösschen umbauen ließ. 1765
165 166 167 168 169
LAV NRW R, Kurköln II, Nr. 1743, „Lista oder außtheilung der platzen…“; vgl. auch DOLLEN, Vorortbildung und Residenzfunktion, S. 62 f. VOGEL, Chorographia Bonnensis, 6. Fortsetzung, S. 163. LAV NRW R, Kurköln II, Nr. 1743, Urkunde vom 17. November 1738. DOLLEN, Vorortbildung und Residenzfunktion, S. 73. KALNEIN, Das kurfürstliche Schloß Clemensruhe, S. 37.
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wurde versucht, das Anwesen zu versteigern, doch erst 1767 fand sich ein Käufer.170 Dies ist bezeichnend, denn nach dem Tod Clemens Augusts und der damit geringer werdenden Bedeutung von Schloss Clemensruhe war ein Sitz fern von der Residenzstadt und damit vom neuen Kurfürsten Max Friedrich unattraktiv. Diesen Bedeutungsverlust Poppelsdorfs hat bereits ein Zeitgenosse eindrücklich analysiert: „Dieses Dorf hat viele hübsche Häuser, die ohne Zweifel unter der vorigen Regierung, wo der Hof sich vielfältig da aufhielt, theils von Personen, die zu jenem gehörten oder davon lebten, theils vom Fürsten selbst erbaut und nachher verschenkt worden sind. Nun wurden, nachdem sich die Sachen änderten, viele dieser Häuser leer, und die anderen vielen im Preise und in der Miethe. Das war, wie mir däucht, der Reiz, womit das Dorf theils Menschen aus der Stadt, theils Fremde, zu Anlegung von Fabriken zu sich herzog. Bey jener Veränderung wurde zugleich eine Menge von Händen, besonders unter die geringen Volksklassen, die sich bisher mit Beylaufen, Handreichen und dergleichen Nichtsbedeutsamkeiten am Hoflager beschäftigt hatten, dienstlose müßig, und waren daher gegen jeden Preis in Arbeit zu haben: Noch ein Reiz für Unternehmer!“171
Tatsächlich haben sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gleich mehrere Manufakturen in Poppelsdorf angesiedelt. Diese dienten allerdings nicht ausschließlich der Arbeitsbeschaffung, sondern ihre Entstehung hatte unterschiedliche Gründe: Nicht zuletzt die Raumknappheit innerhalb der Stadtmauern dürfte Poppelsdorf als Standort für Betriebe begünstigt haben. Daneben bot der nahe gelegene Wald die für viele Manufakturen erforderlichen Rohstoffe wie Holz und Erde. Bereits 1755 wurde auf Initiative Clemens Augusts eine Porzellanmanufaktur, die spätere Poppelsdorfer Fayence Manufaktur, mit kurkölnischen Mitteln auf der Katzenburg errichtet, einem Anwesen in der Nähe des Poppesdorfer Schlosses.172 Clemens August beabsichtigte damit, sich von auswärtigen Porzellanimporten, vorwiegend von Meißener Porzellan, unabhängig zu machen und seine für barocke Fürsten typische Porzellansammlung durch eigene Stücke zu ergänzen. Allerdings gelang es nicht, Porzellan herzustellen – trotz der Anwerbung von auswärtigen „ArcanumExperten“. Schließlich entschlossen sich die neuen Eigentümer der Manufaktur 1758, nachdem diese bereits 1757 in private Hände übergegangen war, statt weißem Hartporzellan Fayence herzustellen, d. h. grobe und aus porösen Scherben bestehende Keramik. Der Betrieb konnte aber auch nach der Umstellung nicht profitabel produzieren.173 Darüber hinaus wurden in Poppelsdorf bis 1784 noch eine Ziegelbäckerei, eine Flanellmanufaktur und eine Savonnerie-Werkstatt errichtet. 1784 wurde das 1774 in den Bonner Kasernen eingerichtete Arbeitshaus zur Herstellung von Tuchen für das Militär in das Poppelsdorfer Schloss verlegt. Bis zur Verlegung war das 1780 privatisierte Unternehmen trotz einer sechsmonatigen finanziellen Unterstützung durch die Hofkammer nicht rentabel. Nach dem Wegzug aus Bonn und aus einer Zweigstelle in 170 171 172 173
DOLLEN, Vorortbildung und Residenzfunktion, S. 127 f. SCHÖNEBECK, Mahlerische Reise, S. 33. WEISSER, Die Poppelsdorfer Faience-Fabrik, S. 38 und S. 43 f. Ebd., S. 48-50.
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Röttgen sowie unter der neuen Leitung von Stadtrat Bertram arbeitete das Unternehmen profitabel, sodass Ende der 1780er Jahre zeitweise mehr als 400 Personen dort beschäftigt waren.174 Die Manufakturgründungen in Poppelsdorf sind demnach eng mit der Entwicklung der Residenz verbunden: War die Porzellanmanufaktur noch ein beispielhafter Ausdruck der Sammelleidenschaft von Kunstgegenständen barocker Fürsten, so stellte die Tuchmanufaktur ein klassisches Instrument aufgeklärter Fürsten dar, um den Wohlstand und das Glück seiner Untertanen zu mehren. In jedem Fall dürften die durch die Fürsten initiierten Manufakturen die Bevölkerungsentwicklung und struktur Poppeldorfs maßgeblich beeinflusst haben. An diesem Beispiel des „funktionalen Vorortes“ Poppelsdorf lässt sich exemplarisch der Einfluss der Entwicklungen am Hof auf die Bevölkerungsgröße und -zusammensetzung erkennen. Innerhalb der Stadtmauern wurden im 18. Jahrhundert viele neue Straßen und Häuser errichtet. Insbesondere im Nordosten der Stadt entstand durch zahlreiche Grundstücksankäufe geradezu ein neuer Stadtteil,175 und zwar vorwiegend aus Grundstücken, die bis dato in geistlichem Besitz waren und dabei größtenteils als Gärten genutzt wurden. Eine kurze chronologische Darstellung der Siedlungsentwicklung Bonns soll aufzeigen, wie und vor allem wann innerhalb der Stadtmauern dringend benötigter Wohnraum geschaffen wurde. Unmittelbar nach Grundsteinlegung des neuen Schlosses ließ Joseph Clemens die Fürstenstraße – zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch Hofstraße genannt – ausgehend vom Mittelbau des Schlosses bis zur Remigiusstraße hin anlegen, in der vorwiegend Hofbeamte angesiedelt wurden. Für die Errichtung neuer Häuser an dieser Straße gab es gesonderte Vorschriften. Gewiß versuchte Joseph Clemens damit sicherzustellen, dass die Straße, die zum Haupteingang seiner Residenz führte, mit repräsentativen Häusern gesäumt wurde.176 Die Kölnstraße, die Verbindung zwischen Kölntor und Bonngasse, war bis ins 18. Jahrhundert hinein weniger dicht bebaut. Erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurden insbesondere zwischen Maar- und Stiftsgasse viele neue Häuserzeilen errichtet.177 In der Maargasse selbst wurden ebenfalls viele neue Häuser gebaut. Ebenso entstanden zahlreiche neue Gebäude an der Straße zwischen Sterntor und Kölntor. Diese Straße wurde 1646 noch „Am Wall“ genannt; nach Errichtung der Kasernen in den 1740er Jahren hieß sie „Längs den Kasernen“. Ebenso wurde die Südseite der Hospitalsgasse, der heutigen Friedrichstraße, im Verlauf des 18. Jahrhunderts dicht bebaut. Diese Wohnraumvermehrung fand sukzessive im Verlauf des 18. Jahrhunderts statt und wurde nicht durch den Hof geplant oder gesteuert wie etwa die Anlage der Fürstenstraße oder der Risselstraße. Wie aus den Berufsangaben der Hausvorsteher
174 175 176 177
DOLLEN, Vorortbildung und Residenzfunktion, S. 107-110. ENNEN, Geschichte der Stadt Bonn, S. 268. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 334. Ebd., S. 401.
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aus dem Register zum Stadtplan von 1773 hervorgeht,178 lebten in diesen neuen Häusern vorwiegend Handwerker. Hofbedienstete waren kaum vertreten, adelige oder hohe Hofbeamte fehlten ganz. Der Grund für diese rege Bautätigkeit dürfte jedenfalls in der starken Bevölkerungszunahme nach der Rückkehr Joseph Clemens’ im Jahr 1715 zu finden sein, die nicht nur auf die zunehmende Zahl von direkt am Hof beschäftigten Personen zurückzuführen ist. Ob die neu errichteten Gebäude im Wesentlichen zwischen 1715 und 1761 errichtet wurden – wie aufgrund der Bevölkerungsentwicklung vermutet –, kann jedoch nicht geklärt werden. Im Nordosten der Stadt wurden nicht nur viele neue Häuser gebaut, sondern auch zahlreiche neue Straßen angelegt, deren Entstehungszeitpunkte bekannt sind. Insbesondere Joseph Clemens engagierte sich konkret in der Stadtplanung; barocke Vorstellungen über das Aussehen der Häuser oder die parallele Anordnung der Straßen behielt er dabei stets im Blick. 1710 kaufte Joseph Clemens das Haus „Zum Wasserfaß“ und das dazugehörige große Gartengelände an der ehemaligen Löltgenstrasse.179 Auf diesem Gelände ließ er eine breite und repräsentative Straße errichten, die er nach seinem französischen Exil Ryssel (Lille) Risselstraße nannte. Diese Straße wurde aber vom Volksmund bald nach dem ersten Hausbauer, dem Hofkurier Viereck, Vierecksplatz genannt. Ähnlich wie bei seinem Stadterweiterungsprojekt „Josefstadt“ wurden auch hier die neu entstandenen Bauplätze an Hofbeamte verteilt und die Errichtung der Häuser an strikte Vorschriften gebunden, die gewährleisten sollten, dass diese Straßen die Residenzstadt auch angemessen repräsentierten. Die Häuser mussten drei Stockwerke hoch und die Hausfronten aus Back- oder Haustein errichtet sein. Zumindest die Vorderfront musste innerhalb eines Jahres erbaut sein, andernfalls fiel der Bauplatz an den Kurfürsten zurück. Zum Dank blieben die Hausbauer zehn Jahre von Steuern und Abgaben befreit.180 In den nachfolgenden Jahren entstanden in der Straße zahlreiche sehr große Adelssitze, die sich deutlich von den kleineren Bürgerhäusern abhoben. Nichtadelige Hofbeamte und -bedienstete siedelten sich – entgegen den ursprünglichen Plänen – allerdings kaum dort an. Im Jahr 1715 befahl Joseph Clemens der Bonner Judenschaft, einen „sichereren, bequämen platz zur formirung einer bestendiger Juden gassen zu erkauffen undt selbige mit tauglichen häusern undt gebewen vordersahmbst zu versehen“181. Die Bonner Juden legten auf einem Weingarten, dem an der Liliengasse gelegenen Predigerhof, die neue Judengasse an. Sie erhielten das Grundstück jedoch nicht geschenkt, sondern lediglich einen Kredit, damit sie es bezahlen konnten. Das Grundstück hatte Joseph Clemens bereits 1710 an die Gräfin Anna Rebecca Fugger verschenkt, die es 178
179
180 181
StAB, Ku 34/1. Dietz hat die Einträge dieses Registers abgeschrieben und in seiner Topographie der Stadt Bonn alphabetisch nach Straßennamen aufgeführt. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn. Diese Straße ist auf Merians Plan von 1646 verzeichnet. An der Südseite steht nur das Haus zum Wasserfaß. Der große Garten südlich und westlich des Hauses ist gut erkennbar (Vgl. Karte 1 im Anhang). DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 2, S. 670. Zitiert nach HAUPTMANN, Die Entstehung der Judengasse, S.13.
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wiederum 1712 an den kurfürstlichen Hofschatzmeister Michael von Jung veräußerte.182 Der Kurfürst befahl zudem, in der Gasse 16 Häuser, eine Synagoge und ein Rabbinerhaus zu errichten.183 1733 standen jedoch bereits 19 Häuser in der Gasse, also drei mehr als ursprünglich gestattet.184 1748 verkaufte das Kloster Heisterbach im äußersten Norden der Stadt – in der Nähe der Windmühle – 20 Bauplätze, weil sich der Weinanbau dort nicht mehr lohnte. 1749 wurden nochmals sieben Grundstücke als Bauland versteigert und es entstand die Straße „An der Windmühle“, die auch „Kleine Neustraße“ genannt wurde. Clemens August hatte einige dieser Grundstücke erworben, denn in den nachfolgenden Jahren verschenkte er dort Bauland an Hofbedienstete.185 Parallel zu der „Kleinen Neustraße“ wurde zur gleichen Zeit die so genannte „Große Neustraße“ angelegt, nachdem bereits Joseph Clemens 1701 das Gelände vom Kloster Heisterbach erworben hatte.186 Den vorläufigen Abschluss der Gestaltung des neuen Stadtviertels im Nordosten der Stadt bildete der Ankauf von Hofland des Deutschen Ordens, auf dem nach 1756 die Kommanderiestraße entstand. Auch dieses Land wurde zuvor überwiegend zum Weinanbau genutzt. 1758 lagen bereits 14 Häuser an der Straße.187 Somit setzte sich die Kontinuität in der Siedlungspolitik zumindest in der Gestaltung des nordöstlichen Teils der Stadt fort. Die Stadterweiterungspläne Joseph Clemens’ konnten dagegen unter Clemens August nicht fortgeführt werden. Neben den Neuanlagen von Straßen wurden auch die bestehenden Straßen im Nordosten der Stadt dichter bebaut. An der Nordseite der seit 1701 nach dem Kurfürsten benannten Josephstraße entstanden einige zum Teil viergeschossige Häuser; diese sind auf dem Stadtplan von 1773 östlich und westlich der mit einem Bogen überspannten Einfahrt zu der neu angelegten Kommanderiestraße zu erkennen. In diesen prachtvollen Gebäuden mit den Nummern 789 bis 796 befanden sich drei „Boutiquen“, u. a. die eines Weinhändlers. Daneben wohnten dort ein Maurermeister, ein Schustermeister, ein Ratsverwandter und ein Hofrat.188 In der Schwabengasse und in der Liliengasse wurden ebenfalls zahlreiche neue Häuser errichtet. Dabei entstanden in der Liliengasse mehrere stattliche Häuser, die zusammen mit den an der benachbarten Risselstraße gelegenen prunkvollen Häusern eine Art „Villenviertel“ bildeten. Die Rheinseite der Welschnonnenstraße wurde ebenfalls im Verlauf des 18. Jahrhunderts dichter bebaut189 und bildete die westliche Grenze des neuen Stadtviertels im Nordosten der Stadt. Wohl nicht zuletzt aufgrund der Initiative der Wittelsbacher Kurfürsten siedelten sich in den neu entstandenen Straßen und Häusern vorwiegend Hofbedienstete, Ade182 183 184 185 186 187 188 189
HAUPTMANN, Die Entstehung der Judengasse, S. 13. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 373. BEMMELEN, Die neue Judengasse in Bonn, S. 203. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 2, S. 710. Ebd., S. 507. DIETZ, Stadtraum und Stadtbild, S. 23; DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 2, S. 412. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 368. Ebd., S. 676.
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Historisch-demographische Rahmenbedingungen
lige, städtische Würdenträger, reichere Handwerksmeister sowie Kaufleute an. Die beiden letzten Wittelsbacher Kurfürsten, insbesondere Joseph Clemens, waren also maßgeblich an der baulichen Gestaltung Bonns beteiligt.190 Die ärmsten Bevölkerungsgruppen, darunter sehr viele Witwen, lebten seit dem Mittelalter in so genannten Bogenhäusern, d. h. kleinen Behausungen in den Bögen der Stadtmauer. Gewöhnlich gestattete der Stadtrat, diese Häuser „auf eigene Kosten und Gefahr“ gegen einen jährlichen Zins zu errichten und zu unterhalten. Außerdem fiel das Gebäude nach dem Tod des Hausbauers zurück an die Stadt.191 Bereits bestehende Bogenhäuser wurden zeitlich befristet vermietet, wobei häufig ein namhafter Bürge haften musste.192 Stadtbedienstete wohnten mietfrei in den Bögen. Trotz dieser doch strengen Auflagen und der fehlenden Möglichkeit, das selbst erbaute Haus zu vererben, blieben sie für zahlreiche Personen die einzige Möglichkeit, in Bonn ein Zuhause zu finden. Die Bewohner der Bogenhäuser wurden im 18. Jahrhundert drei Mal gezählt, da die Zahl der Bogenhäuser seit dem Wiederaufbau Bonns nach 1689 stark zugenommen hatte: 1718 gab es 84 Bogenhäuser, 1752 waren es 106 und 1780 wurden 107 dieser Behausungen registriert.193 Die Vermietung der Bogenhäuser wurde in den Ratsprotokollen festgehalten, genauso wie die Berichte des Bogenkommissars, der nicht nur für das Eintreiben der Miete verantwortlich war, sondern auch für den baulichen Zustand der Bögen. Die meisten dieser Behausungen standen an der nördlichen Stadtmauer und am Rhein, wo sie häufig von Hochwasser bedroht waren: Zahlreiche Bogenhäuser wurden während des Jahrtausendhochwassers im Winter 1784 zerstört. Die direkt am Rheinufer gelegenen Häuser wurden sogar alljährlich vom Hochwasser heimgesucht, wie ein Schiffermeister aus der Rheinpforte beklagte.194 Joan Koep musste das Bogenhaus Nr. 19 an der Gierpforte verlassen, das fortan unbewohnt bleiben sollte, damit der Pfortenschreiber der Rheinporte bei Hochwasser dorthin ausweichen konnte.195 Somit ist davon auszugehen, dass die am Rhein gelegenen Häuser regelmäßig repariert werden mussten und daher unbeliebt waren. 1782 verfügte von Belderbusch, die Bogenhäuser zu verkaufen – sicherlich, weil die Kosten der Instandsetzung leer stehender Bögen den Stadtsäckel zu sehr belasteten. Bis 1783 waren bereits 44 verkauft.196
190
191 192 193 194 195 196
Der Kunsthistoriker Hansmann hat in einem Zeitungsartikel anlässlich der 2.000 Jahr Feier Bonns im Jahr 1989 Gegenteiliges behauptet. HANSMANN, Bonn als barocke Residenzstadt, S. 65. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 30. August 1748, S. 373. Beispielsweise haftete für den Mieter Godfried Ludwig der Hoffischlieferant Klein. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 5. November 1743, S. 129. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 41-51. StAB, Ku 55/3, Ratsprotokoll vom 21. Mai 1771, S. 313. StAB, Ku 55/3, Ratsprotokoll vom 29. Mai 1770, S. 93. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 42.
Siedlungsentwicklung und Bebauung
49
2.5.2 Entwicklung der Häuserzahl Die stadtgeschichtliche Forschung hat sich bei der Beschreibung der Einwohnerentwicklung häufig an den überlieferten Angaben zur Anzahl der Häuser orientiert. Nach der Zusammenstellung von Dietz gab es vor der Bombardierung Bonns 1689 ca. 500550 Häuser in der Stadt, 1763 800 Häuser, 1773 ca. 1.000 Häuser plus 107 Bogenhäuser und 1788 1.125 Häuser.197 Nach der von Dietz falsch zitierten Quelle wurde am 23. September 1762 – und nicht 1763 – in den Ratsprotokollen vermerkt, dass „800 und wenige 80 städtische Häuser“ in Bonn standen.198 Der Terminus „städtische Häuser“ verweist nicht etwa auf alle Gebäude innerhalb der Stadtmauern, sondern stellt vielmehr eine rechtliche Abgrenzung dar. Diese Häuserzählung wurde nämlich durchgeführt, damit die abgabenpflichtigen Hausvorstände zu Fourageleistungen für die französische Armee bestimmt werden konnten.199 Daher wurden auch nur die Häuser gezählt, die für Abgaben herangezogen werden sollten. Die genannte Häuserliste von 1762 ist sogar vollständig überliefert; danach gab es 873 Häuser in Bonn. In einer Aufstellung aus demselben Jahr, auf das sich die Angaben in den Ratsprotokollen zweifelsfrei stützen, wurden 922 Häuser innerhalb der Residenzstadt gezählt.200 Dabei wurden die Häuser nach ihrer Größe in vier Klassen eingeteilt. 33 Häuser zählten zur ersten Klasse – große Höfe mit Ställen und Gärten –, 93 zur zweiten Klasse; letztere verfügten entweder über einen Hof mit Stallung oder über einen Garten. 463 Häuser gehörten zur dritten Klasse – schöne Stadthäuser ohne Garten und Hof –, 333 zur vierten Klasse. Unter den 126 Höfen der ersten und zweiten Klasse könnten auch Häuser mit Nebenhäusern gewesen sein, in denen ebenfalls Familien lebten. Auch auf dem Stadtplan von 1773 (Karte 2 im Anhang) wurden Neben- und Hinterhäuser durch einen Bruch dargestellt.201 Doch wie erklärt sich die Differenz zwischen 922 und 873? 49 Hauseigentümer waren vollständig von der Abgabe für die französische Armee befreit und wurden deshalb bei der Aufstellung nicht berücksichtigt. Außerdem fehlen die geistlichen Häuser in beiden Aufstellungen. Daher kann angenommen werden, dass 1762 deutlich mehr als 922 Häuser, in denen eigenständige Haushalte lebten, innerhalb der Stadtmauern zu finden waren. Unter den französischen Besatzungsbehörden wurde 1795 eine „Häuserliste und Classeneinteilung“ erstellt, die ähnlich wie die Häuserliste von 1762 vier Klassen – je nach Größe des Hauses – vorsah.202 Die alten Hausnummern aus kurkölnischer Zeit wurden ebenfalls übernommen. Danach waren 1.156 Häuser nummeriert, jedoch nur 907 in eine der vier Klassen eingeteilt – nur 51 mehr als 1762. Die Klasseneinteilung 197 198 199
200 201 202
DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 243. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, S. 34. Der Hofrat wies den Bürgermeister Fabri an, die genaue Zahl der Häuser zu erfassen, deren Bewohner zu Fourageleistungen verpflichtet waren. StAB, Ku 55/1, Ratsprotokoll vom 8. Januar 1762, S. 9 f. StAB, Ku 99/7, Teil 2, „Ohngeferlicher Status deren in der Residentz Statt sich befindlicher Haußer“. StAB, Karten, Ba 080 und das dazugehörige Register Ku 34/1. StAB, Fr 38/28, „Häuserliste und Classeneinteilung“.
50
Historisch-demographische Rahmenbedingungen
wurde jedoch nach anderen Kriterien als 1762 vorgenommen, denn die Anzahl der Häuser in den einzelnen Klassen unterschied sich sehr stark von 1762. Zur ersten Klasse, den „größten“ Häusern, zählten 1795 nur 38 Gebäude, darunter die großen Palais der Adeligen und hohen Hofbediensteten am Vierecksplatz. Die zweite Klasse umfasste 223 „große“ Häuser, die dritte Klasse 500 „mittelgroße“ Häuser und zu den „kleinsten“ Häusern – der vierten Klasse – gehörten 197 Häuser.203 Bei einigen dieser Häuser wurde der Besitzer durchgestrichen – möglicherweise hatten diese Bonn bereits verlassen. 64 Häuser von Geistlichen, vor allem von Pastoren, Vikaren und Kanonikern, die überwiegend am Münster- und am Martinsplatz standen, wurden separat und ohne Einteilung in eine Klasse aufgeführt. Die restlichen nicht einer Klasse zugewiesenen 134 Häuser waren überwiegend unbewohnt, wie in der Quelle ausdrücklich betont wird. Nur einige wenige städtische Häuser – nach dem Grundsteuerverzeichnis aus demselben Jahr waren es 33 – wurden ebenfalls keiner Klasse zugeordnet.204 Demnach standen 1795 mindestens 101 Häuser leer. Somit zählte Bonn bereits 1762 etwa 1.000 Häuser, darunter mindestens 922 private Häuser und ca. 64 geistliche Häuser. Die Zahl der Häuser hat also zwischen 1762 und 1795 nicht oder – wenn überhaupt – nur geringfügig zugenommen. Dies korrespondiert mit der getroffenen Feststellung, dass nach 1756 keine neuen Straßenzüge mehr errichtet wurden. Der Vergleich der recht exakten Stadtpläne von 1773 und 1812205 bestätigt ebenfalls, dass die Zahl der Häuser sogar bis zum Ende der französischen Zeit nicht zugenommen hatte. Obwohl auf dem Stadtplan von 1812 insgesamt 1.125 Häuser nummeriert sind und damit 121 mehr als 1773, ist die Anzahl der Häuser vergleichbar, denn auf dem detaillierteren Plan von 1812 sind im Gegensatz zum Stadtplan von 1773 auch die Häuser in der Judengasse und die Bogenhäuser mit einer Nummer versehen. Die Häuser in Bonn waren in der Regel dreistöckig; die älteren Häuser aus der Zeit der letzten beiden Wittelsbacher, die 1815 immer noch den Großteil des Hausbestandes ausgemacht haben, waren zwar nicht sehr breit, aber dafür sehr tief.206 Der Rückgang der Bevölkerung nach 1760 hat demnach keinen Niederschlag in einer Abnahme der Häuserzahl gefunden. Doch von der Zahl der Häuser kann auch nicht unbedingt auf die Einwohnerzahl einer Stadt geschlossen werden. Wenn ein Teil der Bevölkerung die Stadt verließ, wurden nicht etwa Häuser abgerissen, sondern vielmehr nahm die Belegdichte der Häuser ab bzw. die Zahl der leer stehenden Häuser nahm zu. Darüber hinaus schwankte die Zahl der Haushalte und damit auch der Einwohner pro Haus in frühneuzeitlichen Städten enorm. Beispielsweise wohnten in München im Jahr 1704 in 980 Häusern ca. 20.000 Menschen. Eine präzisere Bevölkerungsliste aus den Jahren 1794/95 führt zu einem ähnlichen Verhältnis: In der bayerischen Residenzstadt lebten 34.277 Einwohner in nur 1.769 Häusern. Bei insgesamt 7.638 Familien bedeutet dies, dass in München durchschnittlich mehr als vier Fami203 204 205 206
Diese Angaben mussten ausgezählt werden. StAB, Fr 38/28, „Häuserliste und Classeneinteilung“. Vgl. Kapitel 3.3. StAB, Karten, Ac 150/2, Tranchotkarte vom 11. September 1812, fol. 93. ERNSTS, Medicinische Topographie, S. 42 f.
Siedlungsentwicklung und Bebauung
51
lien und mehr als 19 Personen in einem Haus lebten!207 In Basel wohnten hingegen im Jahr 1779 nur ca. sieben Personen in einem Haus.208 In der Residenzstadt Hannover nahm die Einwohnerzahl zwischen 1689 und 1755 um knapp 50 % auf insgesamt 12.922 zu. Die Zahl der Häuser blieb jedoch unverändert bei ca. 1.000.209 Für Bonn kann daher angenommen werden, dass Mitte des 18. Jahrhunderts in ca. 1.000 Häusern etwa 3.000 Menschen mehr gelebt haben als 1790, als durchschnittlich 8,8 Personen in einem Haus lebten. Bei etwa 13.500 Einwohnern im Jahr 1760 läge die Belegdichte bei etwa 13,5. Im Vergleich zu anderen Residenzstädten ist dies kein ungewöhnlich hoher Wert. Aus den Ausführungen zur Siedlungsentwicklung und Bebauung geht hervor, dass bis ca. 1756, dem Zeitpunkt der letzten Neuanlage einer Straße innerhalb der Stadtmauern, gerade auch auf Initiative der Kurfürsten zahlreiche Straßen und Häuser in Bonn entstanden. Bei den vom Hof unterstützten Projekten wurde der Repräsentativität der neu errichteten Straßen große Bedeutung beigemessen, während die anderen Hausbauten – wie etwa die Bogenhäuser – lediglich dem Zweck dienten, die rasant zunehmende Bevölkerung aufzunehmen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts unterblieben nicht nur Neuanlagen von Straßen, sondern auch größere zusammenhängende Hausbauten. Daher stagnierte die Zahl der Häuser in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts bei etwa 1.000-1.100. Es wurde kein neuer Wohnraum für die zunächst abnehmende und später stagnierende Bevölkerung benötigt. Nach der französischen Besatzung und der rapiden Bevölkerungsabnahme standen 1795 sogar mehr als 100 Häuser leer. Es ist aber unklar, ob nicht zumindest ein Teil dieser Häuser bereits vor der französischen Besatzung leer stand, denn bereits in den 1770er Jahren – nach dem ersten Bevölkerungsrückgang im 18. Jahrhundert – war es mitunter schwierig, Käufer für freiwerdende Häuser zu finden.210
207 208 209 210
MAUERSBERG, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 67-71. Ebd., S. 25. Ebd., S. 62. In den Bonner Intelligenzblättern wurde regelmäßig von Hausversteigerungen berichtet. Häuser von verschuldeten Hausbesitzern konnten teilweise sogar nach der 3. Auktion nicht versteigert werden. Bönnisches Intelligenzblatt vom 15. März 1773, S. 321. Ähnliche Schwierigkeiten beim Hausverkauf traten auch nach der französischen Besatzung auf. STRAMBERG, Denkwürdiger und nützlicher Rheinischer Antiquarius, Bd. 14, S. 445.
3. Die städtische Sozialstruktur
Die Analyse der städtischen Sozialstruktur ist eine wichtige Voraussetzung für die Untersuchung der generativen Struktur, da das generative Verhalten maßgeblich von sozioökonomischen Faktoren, etwa Bildung und Einkommen, beeinflusst wurde.1 Für diese Untersuchung steht außerdem die Frage im Vordergrund, inwiefern soziale Strukturen – ähnlich wie die Bevölkerungsentwicklung – im Verlauf des 18. Jahrhunderts einem Wandel unterlagen. Nach einer Momentaufnahme der Sozialstruktur im Jahr 1790 wird die Entwicklung der wichtigsten Berufsgruppen im Verlauf des 18. Jahrhunderts dargestellt. Anschließend wird die sozioökonomische Entwicklung der Bürgerschaft anhand von Steuerlisten zwischen 1758 und 1795 umfassend untersucht. Damit wird bezweckt, Veränderungen in den Lebensbedingungen und der wirtschaftlichen Lage der Bürgerschaft aufzuzeigen und mit dem Wandel am Hof in Verbindung zu bringen.
3.1 Entwicklung einzelner Berufsgruppen Die Sozialstruktur Bonns, also die Zusammensetzung der Bevölkerung nach sozioökonomischen Gesichtspunkten,2 wurde anhand der Berufsangaben in den Zustandstabellen von 1790 bereits von mehreren Historikern analysiert. Diese Analysen bilden gleichsam eine Bestandsaufnahme der Sozialstruktur Bonns kurz vor dem Zerfall des Kurfürstentums. Da die Einteilung in Berufsgruppen äußerst problematisch ist, divergieren die Ergebnisse dieser Untersuchungen teilweise stark. Tabelle 2 gibt die Ergebnisse dreier Untersuchungen wieder. Nach den Dienstboten, die in den Zustandstabellen ohne Namen beim jeweiligen Haushaltsvorstand aufgeführt sind, stellte das Handwerk die zweitgrößte Berufsgruppe. Weitere große Gruppen bildeten die allein lebenden Frauen – überwiegend Witwen, von denen die meisten arm, aber einige wenige wie die italienische Kaufmannswitwe Broggia auch sehr reich waren –, die Tagelöhner, die Geistlichen, die Freiberufler – worunter z. B. Ärzte und Juristen fallen – und die Händler, die eine sehr heterogene Gruppe waren, weil neben den reichsten Männern in der Stadt auch arme Krämer dieser Gruppe angehörten. Die am Hof beschäftigen Personen waren hinsichtlich des Einkommens und Wohlstandes sicherlich ebenso verschieden wie die Händler, denn neben Hoflakaien und Sesselträgern gehörten dieser Gruppe auch Grund besitzende adelige Räte und gebildete Hofräte an.3 1 2 3
JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 81. Zur Problematik weiterreichender Definitionen: HEIMES, Sozialstruktur und soziale Mobilität, S. 24 f. Zu den Schwierigkeiten bei der Einteilung: HÖROLDT, Die Sozialstruktur der Stadt Bonn.
Entwicklung einzelner Berufsgruppen
53
Tabelle 2: Berufsgliederung Bonns 1790 (in drei Versionen nach den Autoren Höroldt, Ennen und Dietz) Berufsgruppe
Höroldt
Ennen
Dietz
Hof inklusive Bediente
352
372
364
Geistliche inklusive Bediente
300
286
300
Sonstige Beamte
42
Freiberufliche
232
Unternehmer (inklusive Kaufleute, Wirte)
273
Kaufmännische Gehilfen
63
Selbstständige Handwerker
610
Handwerkliche Gehilfen
458
Arbeiter
22
Tagelöhner
253
Wöchnerinnen
454
Dienstboten
1376
Landwirte
109
Gesinde
27
47 8 Notare, 6 Ärzte, 8 Chirurgen, 1 Rossarzt
341 (inklusive Bauern)
38 Lebensmittelhändler, 30 Textilhändler, 22 Weinhändler, 30 Schiffer, 13 Wirte
281
850 (inklusive Gesellen)
873 (inklusive Gesellen) 97
238 87 Tagelöhnerinnen, 55 Spinnerinnen, 43 Wäscherinnen, 35 Näherinnen, 10 Stickerinnen, 3 Hebammen, 3 Krankenwärterinnen
141
454
1686 60 Weingärtner, 21 Gärtner, 20 Ackersleute, 8 Halbwinner
Soldaten mit Familie
69
Weitere Bediente
50
Quellen: HÖROLDT, Die Sozialstruktur der Stadt Bonn, Tabelle 1, S. 286 f.; ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 244-247; ENNEN, Geschichte der Stadt Bonn, Bd. 2, S. 295-298; DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 245 f.
Ausgehend von diesem Einblick in die Sozialstruktur gegen Ende der kurfürstlichen Zeit soll im Folgenden die Entwicklung einzelner Berufsgruppen im Verlauf des
54
Die städtische Sozialstruktur
Untersuchungszeitraumes nachgezeichnet werden. Dabei werden Soldaten und Handwerker besonders ausführlich behandelt, weil sie zum einen aufgrund ihrer Größe und Stellung eine besondere Bedeutung für die Stadt besaßen und zum anderen trotz umfangreicher Literatur nur wenig über ihre Größe und Entwicklung bekannt ist. Sofern die Dienstboten nicht als Berufsgruppe berücksichtigt werden, bildeten die Handwerker die mit Abstand größte Gruppe. Sie waren in Ämtern organisiert und stellten das Gros der Bürgerschaft. 1790 arbeiteten mehr als 1.000 Personen im Handwerk,4 davon etwa 850 als Mitglieder eines Amtes.5 Neben den Meistern erwarben auch Beigeschworene – darunter nicht nur Gesellen, sondern auch andere Gewerbetreibende ohne eigene Zunft wie etwa Goldschmiede – das Bürgerrecht und die Mitgliedschaft in einem Bonner Amt. 1737 gab es 337 Zunftmeister in der Stadt.6 Diese Zahl ist sicherlich nicht zu hoch bemessen, wie Neu in seiner Chronik behauptet,7 da die Stadt während der Herrschaft Clemens Augusts insgesamt einen Aufschwung erfuhr und die Zwölfter sogar aufgrund der Vielzahl an Meistern durchsetzten, dass Ämter für Auswärtige geschlossen wurden.8 Die Größe der einzelnen Ämter zeigt Tabelle 3 anhand der in den Servislisten von 1763 und 1794 verzeichneten Zunftmitglieder. Der Servis war eine städtische Steuer für die Unterhaltung der Kasernen in Bonn, die von den Bürgern zu entrichten war. In den Servislisten wurden die Anschläge für die jährlichen Beiträge der Bürger zum Unterhalt der Kasernen festgesetzt. Entgegen der Auffassung Ennens, die eine Unterscheidung von Meistern und Beigeschworenen in den Ämtern erst anhand der Zustandstabellen von 1790 und des Servisanschlags von 1790 für möglich hält,9 wurden bereits im Jahr 1763 die Meister durch Einrücken in der Servisliste klar von den Gesellen und Beigeschworenen unterschieden. In den nachfolgenden Servislisten war dies jedoch tatsächlich bis 1794 nicht mehr der Fall. Im Jahr 1763 waren 356 und im Jahr 1794 434 Handwerksmeister in Bonn registriert. Die präzise Angabe Tilles für das Jahr 1737 mit 337 Handwerksmeistern fügt sich sehr gut in dieses Bild ein und zeigt, dass tatsächlich – wie von den Zwölftern gefordert – die Zahl der Handwerksmeister zwischen 1737 und 1763 relativ konstant blieb. Nach 1763 nahm die Zahl der Handwerksmeister und auch der Beigeschworenen – worunter vor allem Gesellen fallen – nicht ab, sondern sogar zu, wie Tabelle 3 zeigt, obwohl in den 1760er Jahren die Einwohnerzahl stark zurückging. Wie ist das zu erklären?
4 5 6 7 8 9
Grundlage ist die Auswertung bei HÖROLDT, Die Sozialstruktur der Stadt Bonn, S. 286 f., Tabelle 1. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 247. Ebd., S. 86. NEU, Heimatchronik der Bundeshauptstadt, S. 156. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 262. Ebd., S. 247.
Entwicklung einzelner Berufsgruppen
55
Tabelle 3: Vergleich der Anzahl an Handwerksmeistern und Beigeschworenen (Beigesch.) 1763 und 1794 Amt
Meister 1763
Meister 1794
Beigesch. 1763
Bäcker
47
53
8
Beigesch. 1794 15
Schneider
60
75
35
23
Leinenweber
14
28
10
5
Schuster
80
83
33
43
Schmiede
37
37
28
79
Schreiner
23
31
22
14
Glaser
3
6
40
23
Metzger
22
20
10
16
Fassbinder
22
26
24
28
Maurer
21
17 (1790)
47
41 (1790)
Schiffer
11
19
19
29
Brauer
16
19
30
24
Barbiere
0
0
11
11
20
Perückenmacher Insg.
356
434
4 317
355
Quellen: StAB, Ku 79/6, „Ordinaire Serviceanschlag pro 1763“; ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 244 f.
In den 1760er Jahren erfolgten massive staatliche Eingriffe in das Zunftrecht. Die Kosten für die Erlangung der Mitgliedschaft in einem Amt wurden von 100 Rtlr. auf 10 bis 12 Rtlr. gesenkt und allgemein der Zugang zu einem Amt derart erleichtert,10 dass mehr Gesellen in die Lage versetzt wurden, ihre Meister zu verlassen, um ein eigenes Gewerbe zu begründen. In den folgenden Jahren wurden weitere Zunftprivilegien abgeschafft, weshalb es am Ende des 18. Jahrhunderts zu viele Handwerker im Verhältnis zur Bevölkerungszahl und zur Nachfrage gab.11 1790 war der Höhepunkt dieser Hausse schon überschritten, weil 1782 in vielen überbesetzten Zünften die Zahl der Stellen erneut festgesetzt wurde.12 Tille nimmt sogar an, dass die Zahl der Zunftmeister vor der erneuten Festsetzung der Zahl der Stellen pro Amt im Jahr 1782 900 betragen habe13 – demnach gab es also etwa dreimal so viele Meister wie in den Zustandstabellen von 1790 oder in den Servisanschlägen von 1774! Möglicherweise waren 900 Zunftmitglieder – also inklusive der Beigeschworenen – gemeint, denn
10 11 12 13
TILLE, Bonner Gewerbe im 18. Jahrhundert, S. 88. HERKENDELL, Die industrielle Entwicklung der Stadt Bonn, S. 3. OHM, Sozialpolitik in der Residenzstadt Bonn, S. 202 f. TILLE, Bonner Gewerbe im 18. Jahrhundert, S. 87.
56
Die städtische Sozialstruktur
diese Angabe fügt sich in das anhand der Servislisten rekonstruierte Bild sehr viel besser ein. Im Gegensatz zu 1737, als die Ämter die Zahl der Meister stärker begrenzten als es der freie Markt zugelassen hätte, war die Festsetzung der Ämter im Jahr 1782 eine staatliche Maßnahme, die der begonnenen Liberalisierung der Gewerbe entgegenstand. Damit wurde bezweckt, vielen Gewerbetreibenden ein Auskommen zu ermöglichen. 1737 hofften die Ämter hingegen, dass durch die Begrenzung der Ämter die nach der Bombardierung im Jahr 1689 eingesetzte massive Einwanderung von auswärtigen Meistern gestoppt sei. Darüber hinaus bedeutete eine künstliche oder abgesprochene Verknappung des Angebots eine Maximierung der Gewinne bei den privilegierten Inhabern eines Amtes. Trotzdem wurden diese Restriktionen nicht vollständig befolgt, weshalb es auch im Jahr 1737 deutlich mehr als 337 Handwerksbetriebe gegeben haben muss.14 Die Ermittlung der Zahl der Handwerksmeister stößt deshalb an Grenzen, die durch die beschriebenen, den Markt regulierenden Eingriffe bestimmt sind. Deshalb kann anhand der Entwicklung der Mitgliederstärke der einzelnen Zünfte auch nicht auf die Wirtschafts- oder Bevölkerungsentwicklung geschlossen werden. Die von Höroldt gezählten 22 Arbeiter im Jahr 1790 waren alle in der „Haarfabrique“ von Mösch beschäftigt. Es fehlen demnach die Arbeiter z. B. der Kerzenmanufaktur Prochaska und der Seifenmanufaktur Schmitz.15 Weil die meisten sogenannten „Fabriquen“ hinsichtlich ihrer Größe durchaus Handwerksbetrieben ähnelten, sind sicherlich die Arbeiter der übrigen Manufakturen den Gesellen oder den Tagelöhnern zugerechnet worden. Gerade auch deshalb blieben die neu begründeten Manufakturen im 18. Jahrhundert wirtschaftlich und sozial ohne nennenswerte Bedeutung. Nach der Aufstellung von Dietz lebten 1790 69 Soldaten mit ihren Familien in städtischen Häusern oder Wohnungen, d. h. die in den Kasernen untergebrachten Soldaten wurden in den Zustandstabellen nicht erfasst. Wie viele Soldaten lebten insgesamt in Bonn? Diese scheinbar einfache Frage ist aufgrund fehlender Angaben in der umfangreichen Literatur zum kurkölnischen Militär16 nicht einfach zu beantworten. Die Zahl der in den Kasernen untergebrachten Soldaten muss daher anhand der verschiedenen Angaben in den Quellen und der Literatur bestimmt bzw. geschätzt werden. Am 10. November 1728 wurden in Plänen zu den Kosten der zu erbauenden Kasernen Kalkulationen auf der Grundlage von 670 Mann erhoben.17 In ersten Rechnungen zum Unterhalt der Kasernen – noch vor der Fertigstellung! – werden 833 Mann von der Bürgerschaft „billitirt“. Mehrmals ist auch in einem „Summarischen Status pro Caserne“ von einer Belegung in Höhe von 833 Mann die Rede. 1757 beschäftigte die Kasernenkommission die Frage, wie die Kasernen ausgebaut werden 14 15 16
17
ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 262. Ebd., S. 258 f. Die wichtigsten Werke: MÜLLER-HENGSTENBERG, Das kurkölnische Militär; GOTTBERG, Die kurkölnische Armee; BECKER, Die Erlebnisse der kurkölnischen Truppen; HERTER, Geschichte der kurkölnischen Truppen. StAB, Ku 96/2.
Entwicklung einzelner Berufsgruppen
57
müssten, um 1.000 Mann aufnehmen zu können.18 Nach Fertigstellung der Kasernen lebten nicht nur Soldaten, sondern auch arme Hofbedienstete, Invaliden und sogar Zivilisten in den kleinen Häusern der Kasernen, wo sich bis zu neun Mann eine Stube und drei Betten teilten.19 Bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit waren gewöhnlich elf Kompanien in der Stadt stationiert. 1784 waren dies beispielsweise insgesamt 796 Mann – zwei Grenadierkompanien à 78 Mann und die restlichen neun Kompanien à 65 Mann plus jeweils fünf Offiziere. Zwar war Bonn die Hauptgarnison der kurkölnischen Truppen, aber dennoch wechselten einzelne Regimenter regelmäßig den Standort. Das 2. Infanterieregiment und das Leibregiment zu Fuß – beide umfassten den Großteil der Truppen unter Clemens August – pendelten ständig zwischen den Garnisonen in Neuss, Andernach, Kaiserswerth, Bonn und Linz,20 sodass eine exakte Angabe der zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich in Bonn befindlichen Truppen schwierig ist. Die angebliche Verkleinerung der in Bonn stationierten Truppen in den 1760er Jahren21 war in Wirklichkeit nur die Rückführung der Truppengröße auf das Niveau vor dem Siebenjährigen Krieg. Die Anzahl der Kompanien sollte von 14 nach der Rückkehr der Truppen aus dem Krieg wiederum auf zehn bzw. elf verkleinert werden, d. h. etwa auf die Größe vor dem Krieg.22 Ein Vergleich der Taufen zwischen 17501754 und 1765-1769 zeigt jedenfalls auch, dass die Zahl der Taufen von Soldatenkindern nur unwesentlich abgenommen hatte: von 209 auf 183. Allerdings hatte die Mehrheit der Soldaten keine Kinder, weshalb die Zahl der getauften Soldatenkinder nur ein schwaches Indiz darstellt. Während der Spätphase des Siebenjährigen Krieges waren hingegen auch deutlich mehr Soldaten in der Stadt untergebracht. Bereits 1758 wurden vier münstersche Infanterieregimenter und eine Grenadierkompanie in Bonn einquartiert.23 Im Februar 1761 rückten 3.300 französische Soldaten in Bonn ein, für die kein ausreichender Platz in den Kasernen vorhanden war, weshalb die Bürger wieder gezwungen wurden, Soldaten aufzunehmen. Neben den Juden kauften sich auch reiche Händler wie Stefan Bona von der Einquartierungslast frei. Ihm wurde am 17. März 1761 bestätigt, gegen monatlich 10 Rtlr. von der Einquartierungslast befreit zu sein, „alß lang die Vielheit der trouppen in hiesiger statt nicht einrücken wird“24. Offensichtlich kampierte der Großteil der französischen Truppen vor der Stadt. Erst im Juli 1761 zogen die französischen Truppen wieder ab.25 18 19 20 21 22
23 24 25
StAB, Ku 96/2. HERTER, Geschichte der kurkölnischen Truppen, S. 31 f. GOTTBERG, Die kurkölnische Armee im 18. Jahrhundert, S. 26. STAB, 87/226, TESSIN, Zur Geschichte des kurkölnischen Militärs, S. 22. In einem Brief vom 8. Juni 1763 bittet Bodifé, der Vorsitzende der Kasernenkommission, den Kurfürsten um mehr Geld für die zahlreichen aus dem Krieg zurückgekehrten Truppen. In einem weiteren Schreiben vom 8. August 1763 kündigt er dann die Verkleinerung der Truppen auf zehn Kompanien an. StAB, Ku 96/1. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, S. 29. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 17. März 1761, S. 714. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, S. 32.
58
Die städtische Sozialstruktur
Demgegenüber verblieben während der ersten Phase des Siebenjährigen Kriegs bis 1758 oder während der Revolutionskriege, als kurkölnische Truppen an Kämpfen außerhalb des eigenen Territoriums beteiligt waren, nur wenige Soldaten in der Stadt. Zu Beginn des Siebenjährigen Krieges waren lediglich 600 Soldaten im gesamten Erzstift stationiert.26 Ähnlich verhielt es sich während des Beginns des ersten Revolutionskrieges im Jahr 1792, als kaum 300 Soldaten in Bonn zurückblieben und der Rest der kurkölnischen Truppen gegen die Franzosen im Südwesten Deutschlands kämpfte.27 In den friedlichen Zeiten während des 18. Jahrhunderts dürften demnach maximal 800 Soldaten in Bonn stationiert gewesen sein. Diese Zahl stellt aufgrund der festgelegten regelmäßigen Verlegungen von Regimentern zwischen den Garnisonsstädten im Erzstift eine Maximalbelegung dar, die wohl nur selten tatsächlich erreicht wurde. Damit bildeten die Soldaten eine der größten Gruppen innerhalb der Stadt. In Mainz waren Ende des 18. Jahrhunderts 3.000 Soldaten in der Garnison stationiert, darüber hinaus wohnten 74 Offiziere mit ihren Familien in der Stadt.28 Gemessen an der Gesamtbevölkerung war der Anteil der Soldaten in beiden Residenzstädten etwa gleich hoch. Obwohl Bonn die Residenzstadt eines geistlichen Fürstentums war, dessen Fürstbischöfe sich trotz des oft problematischen Verhältnisses zum Geistlichen Stand noch weniger mit dem Militärstand identifizierten,29 übertraf die Zahl der Soldaten die der Geistlichen. Nach einer detaillierten Aufstellung aus dem Jahr 1781 wohnten 271 Geistliche in Bonn – ähnlich viele wurden in den Zustandstabellen von 1790 aufgeführt. Davon waren 95 Ordensgeistliche, 76 Nonnen und etwa 100 Weltgeistliche.30 Im Vergleich mit Köln, dem „rheinischen Rom“ und Sitz des Domkapitels, wo ebenfalls Anfang der 1780er Jahre etwa 2.500 Geistliche gelebt haben sollen, waren verhältnismäßig wenige Geistliche in der erzbischöflichen Residenzstadt ansässig.31 Die Zahl der Geistlichen dürfte gegen Ende der kurfürstlichen Zeit leicht abgenommen haben, weil die Niederlassung der Jesuiten im Jahr 1773 aufgelöst wurde und sich gleichzeitig keine weiteren Orden in Bonn niederließen. Die Zahl der in der Landwirtschaft Tätigen nahm im Verlauf der Frühen Neuzeit ab. 1790 produzierten 60 Bonner Weingärtner ca. 72 ½ Ohm roten Wein und 21 Gärtner, 20 Ackerleute sowie acht Halbwinner in Bonn ernteten folgende Mengen: 29 ½ Malter Rübsamen, 475 ¼ Malter Weizen, 2611 ¾ Malter Roggen – die Hauptnahrung der Bevölkerung –, 834 ¼ Malter Gerste, 1.182 Malter Hafer und 425 ¼ Malter Erdäpfel. Mit „Erdäpfeln“ ist die Kartoffel gemeint, die offensichtlich Ende des 18. 26 27 28 29 30 31
BECKER, Die Politik Kurkölns, S. 72 f. HESSE, Geschichte der Stadt Bonn, S. 11. RÖDEL, Leben, Lieben, Sterben, S. 653. Die Angabe der Anzahl der Offiziere stammt aus dem Jahr 1785. DREYFUS, Sociétés et Mentalités, S. 328. Keiner der Kölner Kurfürsten hat sich – im Gegensatz zu vielen weltlichen Fürsten – in einer Uniform seiner Truppen malen lassen. HERTER, Die kurkölnische Armee, S. 25. Eine genauere Aufschlüsselung mit der exakten Aufstellung aller Mitglieder der Klöster und Stifte ebenfalls bei EICHHOFF, Materialien zur geist- und weltlichen Statistick, Bd. 1, S. 170 f. GERCKEN, Reise durch Schwaben, S. 254.
Entwicklung einzelner Berufsgruppen
59
Jahrhunderts im Rheinland noch keine große Rolle für die Versorgung der Bevölkerung spielte.32 Im Gegensatz zum Ende des 18. Jahrhunderts war noch Mitte des 17. Jahrhunderts mehr als die Hälfte der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig – hauptsächlich im Weinanbau. In der Kopfsteuerliste vom Sommer 1664 werden zwar nur sechs „hauptberufliche“ Weingärtner genannt,33 aber die meisten Einwohner hatten neben ihrem Haupterwerb noch ein Stück Land, auf dem sie bevorzugt Wein anbauten. Die Größe dieser Gärten bewegte sich in der Regel zwischen ¼ Morgen bis zu 2 Morgen.34 Ihre Erträge dürften kaum für die Ernährung einer Familie ausgereicht haben, sondern stellten lediglich einen erträglichen Nebenerwerb dar. Allerdings gab es viele Bonner – darunter Wirte, Weinzäpfer, Ratsherren und Metzger – deren Landbesitz mit einer Größe von bis zu 20 Morgen den Weingärtnern kaum nachstand und die einen Großteil ihres Lebensunterhaltes mit der Landwirtschaft bestritten.35 Bonn entwickelte sich demnach von einer landwirtschaftlich geprägten Kleinstadt zu einer modernen Residenzstadt, in der die Bedeutung der Landwirtschaft sehr stark abgenommen hatte.36 Die Zahl der Mittellosen und Bedürftigen kann anhand der Zustandstabellen von 1790 nur schwer bestimmt werden: Lediglich bei elf Haushalten findet sich in der Spalte „Gewerbe“ der Eintrag „arm“, bei 22 der Eintrag „Collecte“. Bei 105 Haushalten ist diese Spalte allerdings leer, obwohl auch die Alternative „betreibt nichts“ zur Verfügung gestanden hätte. Obwohl darunter auch viele Witwen genannt werden, die häufig in Armut lebten, kann aus dem Eintrag „betreibt nichts“ nicht auf Armut und Mittellosigkeit geschlossen werden. Denn einige dieser Haushalte verfügten zweifelsfrei über ausreichend Mittel, beispielsweise aus Immobilienbesitz. Andererseits werden auch einige der Haushalte, für die ein Gewerbe genannt wird, Empfänger von Spenden gewesen sein. Die Zahl der Bedürftigen war nach allen anderen Quellen weitaus größer: Bereits 1730 empfingen 347 Bonner regelmäßig Almosen, 1781 waren es 509 und 1810 bereits 1.024 Menschen. Die Zahl der Bettler nahm ebenfalls kontinuierlich zu, und zwar von 62 im Jahr 1729 auf 149 im Jahr 1769 und auf 205 im Jahr 1810.37 Eine besondere Stellung nahmen die Juden ein, die in Bonn eine vergleichsweise bedeutende Minderheit bildeten, und zwar die einzig größere, die nicht in den katholischen Kirchenbüchern verzeichnet wurde. Während des Untersuchungszeitraumes wuchs die jüdische Gemeinde stark an: 1686 lebten nur sieben jüdische Familien in 32 33 34
35 36
37
Diese Angaben sind dem „Summarium der Zustandstabellen“ entnommen. StAB, Ku 34/2. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 245. 1 Morgen war die Fläche, die ein Mann an einem Morgen pflügen konnte und hing daher neben der Größe der Fläche ebenso von der Beschaffenheit des Bodens wie von der Arbeitskraft des Bauern ab. Im Rheinland war 1 Morgen etwa ¼ ha, also 25 m², online: , [1. März 2011]. STAB, Ku 77/1, Teil 1, “Revidirte Capitations Roll”. Diese Entwicklung zeigt sich auch im Stadtbild Bonns, wo Wein- und Gemüsegärten, die Mitte des 17. Jahrhunderts große Teile der Fläche Bonns umfassten, 1773 größtenteils verschwunden waren. Vgl. Kapitel 2.5. ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 275 f.; ENNEN, Bonn unter französischer Herrschaft, S. 49.
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Die städtische Sozialstruktur
Bonn, also ca. 30-35 Personen, bis 1784 stieg die Zahl der Juden auf 296 Personen.38 Sicherlich zog der kurfürstliche Hof, das „Eldorado jüdischer Hoffaktoren“,39 viele jüdische Zuwanderer an. Nach den Zustandstabellen von 1790 gab es 50 jüdische Haushalte.40 40 der Haushaltsvorstände waren als Händler tätig; diese gehörten überwiegend zu den wohlhabenderen Händlern in Bonn. Unter den insgesamt 296 Juden waren auch 66 Mägde und 15 Knechte,41 die größtenteils in den Haushalten der jüdischen Kaufleute lebten. Denn die im Jahr 1700 erlassene „Chur- und Erzstifts-Cöllnische Judenordnung“ verbot den Juden, sich christliche Ammen und Mägde zu halten.42 Daneben gab es zehn Praeceptoren, die sich um die Erziehung der Kinder aus den Kaufmannsfamilien kümmerten. Insgesamt war die jüdische Minderheit in Bonn, anders als in den meisten anderen kurkölnischen Städten und Regionen,43 deutlich wohlhabender als die katholische Mehrheitsgesellschaft.44 Obwohl die Juden auch in Bonn von vielen gesellschaftlichen, politischen und auch wirtschaftlichen Bereichen im 18. Jahrhundert ausgeschlossen blieben – beispielsweise wurde ihnen die Zunftmitgliedschaft oder ein Sitz im Rat verwehrt – war ihre Lage infolge des Schutzes durch den jeweiligen Kurfürsten und die große Bedeutung der jüdischen Kaufleute am Hof45 besser als in anderen Städten. Die seit 1424 aus Köln vertriebenen Juden hatten eine große Gemeinde in Deutz begründet. Daher residierte der Landesrabbiner von Kurköln sowohl in Deutz als auch in Bonn.46 Auf die Beschreibung der Entwicklung weiterer (Berufs-) Gruppen, etwa der selbstständigen Frauen, die oftmals nach dem Tod des Ehemannes am Rande des Existenzminimums lebten, oder der Dienstboten wird an dieser Stelle verzichtet, nicht zuletzt wegen der deutlich schlechteren Quellenlage.47
3.2 Die sozioökonomische Entwicklung der Bürgerschaft (17581795) Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Sozialstruktur Bonns anhand der Entwicklung der Berufsgruppen im Verlauf des 18. Jahrhunderts analysiert wurde, werden in diesem Kapitel vier Steuerlisten aus den Jahren 1758, 1763, 1777 und 1795 untersucht. Damit soll die sozioökonomische Entwicklung der Bürgerschaft nachgezeich38 39 40 41 42 43 44 45 46 47
SCHULTE, Bonner Juden, S. 551. ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 130. StAB, Ku 34/2. FLINK, Rheinischer Städteatlas, S. 12. SIMONS, Geschichte der jüdischen Gemeinden, S. 18. LAUX, Zwischen Anonymität und amtlicher Erfassung, S. 93. SCHULTE, Bonner Juden, S. 61. SCHNEE, Studien zur Institution des Hofjudentums. LINN, Juden an Rhein und Sieg, S. 77. Die Gruppe der Hofbediensteten wird in Kapitel 4.1 ausführlich analysiert, da ihre Entwicklung eine maßgebliche Rolle in dieser Untersuchung spielt.
Die sozioökonomische Entwicklung der Bürgerschaft (1758-1795)
61
net werden. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Veränderungen in den Lebensbedingungen der Bürger gab. Neben der wirtschaftlichen Lage der Bürger – gemessen am Hauswert, der Steuerlast und beruflichen Veränderungen – wird bei der Analyse auch die Größe der Bürgerschaft berücksichtigt. In diesen Kontext gehört auch die stichprobenweise Längsschnittuntersuchung der horizontalen, der vertikalen und der räumlichen Mobilität der Bürger. Hierzu werden drei sozioökonomische Merkmale erhoben: Beruf, Steuerlast und Immobilienbesitz. Die untersuchten Merkmale bedürfen einiger Erläuterungen. Der heutige Berufsbegriff, der im 18. Jahrhundert noch nicht existierte, weil dem Begriff Beruf im Sinne von Berufung eine religiöse Bedeutung innewohnte, korrespondiert mit dem zeitgenössischen Gewerbe oder dem „bürgerlichen Nahrung treiben“48. Zum besseren Verständnis wird in dieser Untersuchung dennoch der Begriff Beruf verwandt, nämlich im Sinne von selbstständiger oder unselbstständiger Arbeit, die dem Erwerb des Lebensunterhaltes dient. Die Steuern bezogen sich je nach Art auf einen unterschiedlich großen Teil der Gesamtbevölkerung; deshalb wird bei der Analyse einzelner Steuerlisten jeweils darauf hingewiesen. Bei der Analyse des Immobilienbesitzes werden nur die Eigentümer untersucht, d. h. die Mieter bleiben unberücksichtigt. Der Vergleich der Steuerlisten zwischen 1758 und 1777 dient dazu, die ökonomischen Auswirkungen der Verkleinerung des Hofes unter Max Friedrich und die Abnahme der Gesamtbevölkerungszahl in den 1760er Jahren auf die Bürgerschaft zu untersuchen. In den Servisrollen, in den Akten auch „Generalservisanschlaglisten“ genannt, wurden die Abgaben der Bürger für die Unterhaltung der 1746 errichteten städtischen Kasernen verzeichnet.49 Die Servisrollen sind leider erst seit 1760/61 überliefert; die erste vollständige Liste mit allen Namen, Berufsbezeichnungen sowie der Steuerlast pro Kopf und Jahr datiert sogar erst aus dem Jahr 1763. Neben dieser ersten vollständigen Liste wurde auch die letzte überlieferte Servisrolle von 1777 analysiert. Zum Zweck eines Vergleichs mit der Regierungszeit Clemens Augusts wurde unter verschiedenen Steuerverzeichnissen die Liste über die Fouragelieferungen für die französische Armee von 1758 gewählt.50 Diese Liste enthält im Vergleich zu allen anderen Steuerlisten vor 1761 die meisten Informationen, auch wenn sie im Vergleich zu den Servisrollen weniger Informationen beinhaltet, weil die Berufsangaben nur unregelmäßig verzeichnet wurden. Die Servisrollen von 1763 und 1777 können direkt miteinander verglichen werden, weil sie den gleichen Personenkreis an abgabenpflichtigen Bürgern umfassen. In den Servisrollen wurden die abgabenpflichtigen Personen mit Angabe ihres Berufs und des zu entrichtenden Betrags nach ihrer Wohnstraße geordnet verzeichnet. Allerdings sind in der Liste von 1777 die Zunftmitglieder separat am Ende der Liste nach dem jeweiligen Amt ohne nähere Angaben zum Wohnort aufgeführt. Hofbedienstete wurden nur dann berücksichtigt, wenn sie zusätzlich zu ihrem Amt einem bürgerli48 49 50
ZEDLER, Universallexicon, Bd. 45, Artikel „treiben“, S. 349. StAB, Ku 79/6, „Ordinaire Serviceanschlag pro 1763“ sowie die „Extraliste 1763“; StAB, Ku 79/7, „Ordinaire Serviceanschlag pro 1777“ und „Extraliste 1777“. StAB, Ku 99/6, „Status subreparititiones fourage gelder intra muros“.
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Die städtische Sozialstruktur
chen Gewerbe nachgingen. Da jährlich nur eine bestimmte Summe für die Unterhaltung der Kasernen benötigt und eingezogen wurde, können leider keine Einkommensbzw. Vermögenszunahmen oder -abnahmen einzelner Personen anhand einer entsprechend höheren oder niedrigeren Steuer analysiert werden. Die Höhe der ServisEinnahmen betrug 1763 insgesamt 2.714 Rtlr. und 33 Stüber51 und im Jahr 1777 nur unwesentlich weniger mit insgesamt 2.712 Rtlr. und 27 Stüber.52 Die Einnahmen der dazwischen liegenden Jahre bewegten sich auf einem ähnlichen Niveau; sie pendelten zwischen 2.696 und 3.359 Rtlr.53 Die Zahl der in den Servisrollen verzeichneten Personen nahm zwischen 1763 und 1777 von 1.380 auf 1.194 ab. Diese Abnahme um 13,5 % korrespondiert mit der Abnahme der Taufen im gleichen Zeitraum um 16,6 %.54 Dies bedeutet, dass der Bevölkerungsrückgang in den 1760er Jahren nicht nur auf die Verkleinerung des Hofstaates, sondern zumindest für den Zeitraum ab 1763 vor allem auf den Rückgang der Bürger und eben nicht der eximierten Hofangehörigen zurückgeführt werden muss. Damit stellt diese zuverlässige und für die Bürgerschaft repräsentative Quelle einen weiteren Beleg für die starke Bevölkerungsabnahme in den 1760er Jahren dar. Da sich die Höhe der gesamten Steuerlast nicht wesentlich veränderte, mussten 1777 weniger Bürger als 1763 die gleiche Summe aufbringen, d. h. die Steuerlast pro Kopf nahm zu. Unter den Meistern der verschiedenen Ämter zeigt sich an der Höhe des durchschnittlich zu entrichtenden Servisgeldes ein Gefälle, das auf unterschiedlichen Wohlstand schließen lässt. Da die Gruppe der Beigeschworenen sehr heterogen war, darunter ebenso Goldschmiede wie Gesellen fallen konnten, wurden nur die Meister der einzelnen Ämter in Tabelle 4 hinsichtlich der Höhe des Servisgeldes miteinander verglichen. Die Meister der Nahrungsmittelgewerbe sowie des Schmiedehandwerks waren deutlich wohlhabender als die Meister im Textilgewerbe. Maurer, Fassbinder und Glaser, die aufgrund der geringen Anzahl an Meistern in der Aufstellung nicht berücksichtigt wurden, rangierten mit einer durchschnittlichen Servisabgabe von 2,2 bis 2,5 Rtlr. zwischen den reicheren und den ärmeren Zünften. Diese Unterschiede hat auch Ennen in ihrer Untersuchung der Servisliste von 1794 festgestellt,55 sodass angenommen werden kann, dass die ökonomischen Unterschiede zwischen den Zünften wohl während des gesamten Untersuchungszeitraumes bestanden.
51 52 53 54
55
StAB, Ku 79/6, „Ordinaire Serviceanschlag pro 1763“, S. 72. StAB, Ku 79/7, „Ordinaire Serviceanschlag pro 1777“, S. 59. 2.696 Rtlr. im Jahr 1764 und 3.359 Rtlr. im darauf folgenden Jahr 1765. StAB, Ku 79/6, „Ordinaire Serviceanschlag pro 1763“, S. 96 und S. 68. Die Taufen nahmen von 447 im Jahr 1763 auf 373 im Jahr 1777 ab. Bei diesen Jahren handelte es sich in etwa um die Mittelwerte der jeweiligen Pentaden, sodass die Werte zuverlässig und vergleichbar sind. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 248.
Die sozioökonomische Entwicklung der Bürgerschaft (1758-1795)
63
Tabelle 4: Steuerlast der Meister der einzelnen Ämter mit mehr als zehn Nennungen im Jahr 1763 Amt
Jährliche Steuer in Rtlr. (Ø)
Bäcker
3,8
Schneider
1,2
Leinenweber
1,2
Schuster
1,0
Schmied
3,3
Schreiner
1,9
Metzger
3,5
Fassbinder
2,5
Maurer
2,2
Brauer
4,3
Quelle: StAB, Ku 79/6, „Ordinaire Serviceanschlag pro 1763“.
Die Servisrollen werden auch für die Untersuchung der räumlichen Mobilität herangezogen, weil die Wohnstraßen der aufgeführten Bürger, zumindest des nichtzünftigen Teils, regelmäßig verzeichnet wurden. Somit können Wohnungswechsel zwischen zwei Straßen nachvollzogen werden. Für die Untersuchung der räumlichen Mobilität wurden Datensätze von aufgeführten Bürgern mit gleichen Vor- und Nachnamen aus beiden Listen zusammengestellt und doppelt vorkommende Namen gestrichen, um Verwechslungen auszuschließen. Außerdem wurden alle Bürger aus dem Vergleich herausgenommen, bei denen entweder für 1763 oder für 1777 die Angabe der Wohnstraße fehlt. Auf diese Weise konnte von insgesamt 144 Bürgern, die sowohl in der Liste von 1763 als auch in der von 1777 aufgeführt sind, die Wohnstraße in beiden Jahren bestimmt werden. Die Gruppe dieser 144 Bürger ist jedoch keineswegs homogen. Zwar dominierten die Tagelöhner und nichtzünftige Gesellen, aber es finden sich darunter auch viele und zum Teil sehr wohlhabende Händler und Wirte. Von diesen 144 Bürgern, die als repräsentativ für den nichtzünftigen Teil der Bürgerschaft gelten können, wohnten 1777 nur 63 – etwa 44 % – in derselben Straße wie noch 1763. Die räumliche Mobilität war unter den ärmeren Tagelöhnern und Gesellen in etwa genauso groß wie unter den reicheren Händlern: 1777 lebten noch 15 Tagelöhner in derselben Straße wie 1763, während die restlichen 19 in eine andere Straße umgezogen waren. Von den reicheren Kaufleuten, die mit mehr als 1 Rtlr. angeschlagen waren – darunter Inhaber einer Boutique, eines Gewürzladens sowie Tuch- und Tabakhändler –, zogen acht in eine andere Straße, während sieben noch in derselben Straße wohnten. Schichtenübergreifend zogen also mehr als die Hälfte der für den Servis angeschlagenen Bevölkerung – Zunftmitglieder ausgenommen – innerhalb dieser 14 Jahre in eine andere Straße. Angesichts der Tatsache, dass sicherlich auch viele Bürger in ein anderes Haus in derselben Straße umzogen, dürfte die räumliche Mobilität insgesamt noch wesentlich größer gewesen sein.
64
Die städtische Sozialstruktur
War die räumliche Mobilität in Bonn während dieser 14 Jahre besonders hoch? Gut erforschte Lebensläufe frühneuzeitlicher Stadtbewohner zeigen, dass häufiges Umziehen Bestandteil städtischen Lebens war. Der Kölner Ratsherr Hermann Weinsberg wechselte mehr als zehn Mal seinen Wohnort innerhalb Kölns.56 Die Familie des Komponisten Ludwig van Beethovens zog seit seiner Geburt im Jahr 1770 bis zu seinem Fortzug 1792 nach Wien insgesamt sieben Mal innerhalb Bonns um!57 Eine Untersuchung über die innerstädtische Mobilität in Stralsund zwischen 1706 und 1710 kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 17 % der bürgerlichen Haushalte innerhalb von nur vier Jahren innerhalb der Stadt umgezogen waren und nur 68 % noch in derselben Wohnung lebten wie vier Jahre zuvor! 13,2 % der Haushalte konnten nicht identifiziert werden und gelten in der Studie als „gestorben/verschwunden“. In Augsburg zogen 57,2 % der Haushaltsvorstände zwischen 1618 und 1646, also während des Dreißigjährigen Krieges, innerhalb der Stadt um.58 Häufige Wohnungswechsel gehörten daher zum Alltag der städtischen Bevölkerung in der Frühen Neuzeit. Die Motive für einen Wohnungswechsel waren – ähnlich wie heute – recht unterschiedlich. Die Umzüge der Familie Beethoven sind gut erforscht und zeigen auch die Vielfalt dieser Motive: Die meisten Umzüge dienten dem Zweck, in einer größeren Wohnung leben zu können. Ein Umzug, der von der Mutter Beethovens initiiert wurde, sollte die Familie näher an den Hof und den Markt bringen, wofür sogar eine kleinere Wohnung in Kauf genommen wurde. Diese Entscheidung wurde aber schon bald bereut und folgerichtig revidiert.59 Ein Umzug wurde erzwungen, weil ihnen die Wohnung im Haus des Bäckermeisters Fischers 1785 aufgrund des abendlichen Klavierspielens des berühmten Sohnes gekündigt wurde.60 Der letzte Umzug der Familie Beethovens vor der französischen Besatzung erfolgte, weil der Vater finanzielle Einbußen befürchtete, sodass er sich vorsorglich einschränken wollte, indem er mit seiner Familie in eine billigere Wohnung in der Wenzelgasse einzog.61 Es kann daher festgehalten werden, dass die innerstädtische Mobilität während der Zäsur durch den Regierungswechsel 1761 zwar hoch war; aufgrund des Vergleichs mit anderen frühneuzeitlichen Städten kann aber eine Kausalbeziehung zu dieser Zäsur nicht hergestellt werden. Die Motive für die Umzüge waren sehr unterschiedlich und höchst individuell, sodass mit quantifizierenden Methoden diese Vielfalt kaum zu erfassen ist. Neben der räumlichen Mobilität kann anhand der Servisrollen von 1763 und 1777 auch die soziale Mobilität untersucht werden. Aufgrund der insgesamt gleich bleibenden Abgabenlast für die gesamte Bürgerschaft zwischen 1763 und 1777 kann die vertikale soziale Mobilität, also der soziale Auf- bzw. Abstieg, jedoch nur anhand der Berufswechsel beleuchtet werden. Die relative Häufigkeit von Berufswechseln innerhalb derselben Schicht gibt demnach den Grad der horizontalen sozialen Mobilität an. 56 57 58 59 60 61
JÜTTE, Das Stadtviertel als Problem, S. 249 f. MANN, Beethoven in Bonn, S. 37-48. LABAHN, Räumliche Mobilität, S. 92-95. MANN, Beethoven in Bonn, S. 39. Ebd., S. 45. Ebd., S. 47 f.
Die sozioökonomische Entwicklung der Bürgerschaft (1758-1795)
65
Welche Berufe wurden aufgegeben, welche neu ausgeübt? Es wurden – analog zum Vorgehen bei der Analyse der räumlichen Mobilität – die Bürger mit identischen Vorund Nachnamen identifiziert, anschließend mehrfach vorkommende Namen aus dem Vergleich herausgenommen und die verbliebenen untersucht. Insgesamt konnte somit die berufliche Entwicklung von 290 Bürgern untersucht werden: 220 blieben im gleichen Beruf und 70 wechselten den Beruf. Damit war die soziale Mobilität deutlich höher als in Mainz,62 aber niedriger als in Berlin.63 Zunächst einmal muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass sämtliche dieser Personen 1777 14 Jahre älter waren und eine dementsprechend längere Erwerbsbiographie aufwiesen. Deshalb liegt es nahe, zu vermuten, dass sich die meisten aufgrund der gewonnenen Erfahrung – bei gleich bleibenden politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – verbessert haben. Dies ist jedoch nicht der Fall: Die Mehrheit der betreffenden 70 Männer hat sich eher verschlechtert als verbessert. Aufgrund der für die gesamte Bürgerschaft gleich bleibenden Steuerlast ist die Höhe des Servisgeldes zwar kein valider Indikator, aber Berufe sind mit einem Sozialprestige verbunden, das einzelne Berufe hinsichtlich ihres Ansehens voneinander unterscheidet. Außerdem waren bestimmte Berufe normalerweise mit einem höheren Einkommen verbunden. So stiegen viele dieser 70 Bürger von einem Handwerk, das sie meist als Geselle ausgeübt hatten, in das Dasein eines Tagelöhners ab. Der Aufstieg eines Tagelöhners in ein Gewerbe war wesentlich seltener. Besonders häufig gaben Fassbindermeister, Glasermeister sowie Schiffergesellen ihren Beruf auf und arbeiteten fortan als Tagelöhner, Gastwirte, Händler oder sie besaßen Pferde bzw. Kühe, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Letztere zwei Erwerbsarten waren nicht zwangsläufig mit einem wirtschaftlichen Abstieg verbunden, denn die Höhe des veranschlagten Servisgeldes für den Besitz einer Kuh oder eines Pferdes lag mit 1 Rtlr. (1763) bzw. 1 Rtlr. 10 Stüber (1777) vergleichsweise hoch und übertraf die Steuerlast vieler Gesellen. Auch Gastwirte und ein Großteil der Händler entrichteten einen überdurchschnittlich hohen Betrag. Gemessen an der Höhe des Servisgeldes unter Berücksichtigung des um ca. 10 % höheren Betrags im Jahre 1777 haben sich daher auch nur 39 % verschlechtert, 33 % sogar verbessert und die verbliebenen 29 % – 20 Personen – blieben auf demselben Niveau. Demnach war ein Berufswechsel häufiger mit einem sozialen Abstieg als mit einem Aufstieg verbunden – trotz 14 Jahren zusätzlicher Berufserfahrung. Dabei bedeuteten diese Wechsel für die meisten Berufswechsler gemessen an der Höhe des Servisgeldes keinen wirtschaftlichen Abstieg; hinsichtlich des Sozialprestiges war es aber sicherlich ein Rückschlag, wenn beispielsweise ein Fassbindermeister seinen Lebensunterhalt fortan durch den Besitz von zwei Kühen sicherte. Es sei nochmals darauf verwiesen, dass sich die Zahl der Servisgeld entrichtenden Bürger zwischen 1763 und 1777 um insgesamt 13,5 % verringerte. Sicherlich war der Großteil dieser Bürger aus wirtschaftlichen Gründen aus Bonn weggezogen. Insgesamt wird deutlich, 62 63
Die soziale Herkunft der Heiratspartner der Handwerker weist auf den eigenen sozialen Status hin. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 318-320. SCHULTZ, Bewegung und Entwicklung, S. 105.
66
Die städtische Sozialstruktur
dass sich auch die wirtschaftliche Situation der in Bonn gebliebenen Bürger zwischen 1763 und 1777 eher verschlechterte. Allerdings zeigen zahlreiche Untersuchungen von Städten am Ende des 18. Jahrhunderts, dass die Mehrheit der Einwohner sich sozioökonomisch verschlechterte und nicht verbesserte.64 Daher darf dieses Ergebnis für Bonn nicht überbewertet werden. Damit die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der Bürgerschaft zurück in die Zeit Clemens Augusts verfolgt werden kann, wird eine Steuerliste aus dem Jahre 1758 mit den Servislisten verglichen. Da es sich um eine andere Steuerart handelte und daher der Kreis der Steuerzahler sowie die Steuerhöhe differieren, müssen hinsichtlich der Vergleichbarkeit Vereinfachungen durchgeführt werden, die den Interpretationsspielraum merklich verkleinern. In der Liste zur Zahlung der Fouragekosten für die französische Armee von 1758 wurden die steuerpflichtigen Bürger nach ihrer Steuerlast in sechs Klassen eingeteilt. In Tabelle 5 ist die Anzahl der Personen pro Klasse aufgeführt. Darüber hinaus wurde versucht, die in den Servisrollen von 1763 und 1777 genannten Personen nach ihrer Steuerlast ebenfalls in sechs Klassen einzugruppieren. Dabei wurde die Einteilung keineswegs willkürlich vorgenommen, sondern sie erfolgte aufgrund der Steuerhöhe. Die sechste Klasse enthält alle Personen, die bis zu 20 Stüber entrichten mussten. Die fünfte Klasse umfasst alle Bürger, die mit 30 oder 36 Stüber veranschlagt waren; zur vierten Klasse zählen alle Personen mit einer Abgabenlast zwischen 45 Stüber und 1 Rtlr. 20 Stüber. Die dritte Klasse bilden die mit 1 Rtlr. 30 Stüber bis zu 3 Rtlr. veranschlagten Bürger; die zweite Klasse umfasst alle Bürger, die 3 Rtlr. 45 Stüber bis zu 8 Rtlr. zu entrichten hatten. Die der ersten Klasse angehörigen Personen mussten eine Steuer in Höhe von 8 bis 30 Rtlr. zahlen. Da die Abgabenlast für die Fourageleistungen insgesamt deutlich niedriger war als diejenige für den Unterhalt der Kasernen, orientiert sich die zeitgenössische Klasseneinteilung nicht an der Höhe der Abgabe. Die exponentielle Zunahme der Spannbreite der Abgabenhöhe in den einzelnen Klassen wurde jedoch bei der Einteilung der Servisgelder in sechs Klassen beibehalten. Aufgrund der nachträglichen Klasseneinteilung kann eine Interpretation dieser Aufstellung nur mit größter Vorsicht gewagt werden. Dennoch können aus ihr zwei aufschlussreiche Schlussfolgerungen gezogen werden: 1. Die fünfte Klasse war 1758 deutlich schwächer vertreten als 1763 und 1777. Insgesamt gehörten 1758 71 % der Bürger zur dritten und vierten Klasse, während es 1763 nur noch 54 % waren. Demgegenüber gehörten 1758 nur 17 % der fünften und sechsten Klasse an, der „bürgerlichen Unterschicht“, während es 1763 bereits 32 % waren. Dies lässt vermuten, dass viele Bürger, die 1758 noch der Mittelschicht zugeordnet waren, wirtschaftliche Einbußen erlitten hatten.
64
Schultz führt zahlreiche Beispiele an, die zeigen, dass in allen Städten im 18. Jahrhundert mehr Menschen ab- als aufstiegen; insbesondere in der Manufaktur- und Residenzstadt Berlin. SCHULTZ, Bewegung und Entwicklung, S. 101-105.
Die sozioökonomische Entwicklung der Bürgerschaft (1758-1795)
67
Tabelle 5: Einteilung der steuerpflichtigen Bürger in sechs Klassen in den Jahren 1758, 1763 und 1777
6
Anzahl der Bürger 1758 39
Anzahl der Bürger 1763 81
Anzahl der Bürger 1777 21
5
113
366
310
4
213
375
341
3
431
345
296
2
79
188
136
1
28
25
52
Insg.
903
1.380
1.156
Klasse
Quellen: StAB, Ku 99/6, „Status subreparititiones fourage gelder intra muros“; StAB, Ku 79/6, „Ordinaire Serviceanschlag pro 1763“; StAB, Ku 79/7, „Ordinaire Serviceanschlag pro 1777“.
2. Auffallend ist auch die Verdopplung der ersten Klasse zwischen 1763 und 1777. Wie ist dies zu erklären? Entweder hatten die reichsten Bürger 1777 tatsächlich mehr Vermögen bzw. Einkommen und wurden deshalb höher besteuert oder die städtische Administration setzte 1777 im Zuge der Maßnahmen von Belderbuschs lediglich das Steuerrecht besser durch als noch 1763. In beiden Jahren gehörten Handwerker der wohlhabendsten Ämter der ersten Klasse an: Schmiede, Bäcker, Brauer, Metzger und Fassbinder. Dabei nahm die Zahl der in die erste Klasse eingruppierten Handwerker zwischen 1763 und 1777 in allen genannten Ämtern zu. Auffallend ist jedoch, dass die Händler 1763 mit sechs Personen in der ersten Klasse vertreten waren – d. h. mit mehr als 8 Rtlr. veranschlagt waren – und 1777 nur noch mit vier Personen, obwohl die Steuerlast pro Person im Jahr 1777 insgesamt um 10 % größer war! Eine Bevorzugung der Händler bei der Besteuerung 1777 gegenüber den Handwerkern kann ausgeschlossen werden. Vielmehr erzielten die in Bonn verbliebenen Händler weniger Einkommen als noch 1763, gerade im Vergleich zu den Handwerkern. Somit litten sie am stärksten unter den wirtschaftlichen Konsequenzen der Verkleinerung des Hofes unter Max Friedrich. Insgesamt zeigen die Analysen der Steuerlisten, insbesondere der Vergleich der Servislisten von 1763 und 1777, dass sich die Bürgerschaft verkleinerte und die verbliebenen Bürger wirtschaftliche Einbußen erlitten, denn soziale Abstiege waren trotz einer 14 Jahre längeren Berufserfahrung häufiger als soziale Aufstiege. Insbesondere die Händler litten unter der Verkleinerung des Hofes unter Max Friedrich, da sie 1777 deutlich seltener als noch 1758 zu den potentesten Steuerzahlern zählten. Die schlechtere wirtschaftliche Lage führte jedoch nicht zu einer höheren räumlichen Mobilität im Vergleich mit anderen Städten. Die horizontale soziale Mobilität war eher gering, weil mehr als 75 % der untersuchten Bürger noch nach 14 Jahren denselben Beruf ausübten. Die Vermögensunterschiede zwischen den einzelnen Zünften blieben im Verlauf des 18. Jahrhunderts bestehen. Eine grundlegende Zäsur in der Sozialstruktur der Stadt kann also nicht konstatiert werden.
68
Die städtische Sozialstruktur
3.3 Zwei sozialtopographische Momentaufnahmen: 1758 und 1795 Geschichte ist stets raumgebunden. Deshalb sind grundsätzlich topographische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, sofern der Untersuchungsgegenstand dies zulässt. Gewöhnlich ermöglichen dies frühneuzeitliche Städte, weil Quellen für die räumliche Zuordnung der Einwohner vorhanden sind. Die topographische Zuordnung sozialstatistischer Daten einzelner Bürger erfolgt meistens durch eine kartographische Darstellung. Grundlegend ist dabei die Annahme, dass sich soziale Strukturen im Stadtplan niedergeschlagen haben.65 In Residenzstädten ist dieser Zusammenhang auch in gegensätzlicher Richtung feststellbar: Räumliche Gestaltung, beispielsweise durch den Bau eines Schlosses, hat sich mitunter auf die sozialen Strukturen und Verhältnisse in der Umgebung ausgewirkt. Üblicherweise werden sozioökonomische Merkmale erhoben, die das Vermögen der Einwohner erfassen – beispielweise der Wert des Immobilienbesitzes oder das Steueraufkommen. Andere Merkmale, beispielsweise die Bildung, werden aufgrund der mangelhaften flächendeckenden Verfügbarkeit für frühneuzeitliche Städte normalerweise nicht als Grundlage einer Sozialtopographie gewählt. Auch bereitet die Kombination mehrerer Merkmale besondere Schwierigkeiten, denn die Darstellung einer jeden Person bzw. eines Haushaltsvorstandes auf der Karte lässt nur eine Zuordnung zu einer einzigen Kategorie bzw. Schicht zu. Wie sollte beispielsweise das Vermögen anhand der Steuerlast im Vergleich zum Bildungsgrad gewichtet werden? Eine große Gefahr dabei ist, dass die historische Wirklichkeit durch die vom Autor vorgenommene Gewichtung verzerrt werden kann. Deshalb wird in der folgenden Analyse eine Vermögenstopographie anhand des Steueraufkommens der Bürgerschaft und der Hauswerte erstellt und analysiert. Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund: Wo wohnten die reicheren Bürger? Gab es eine Ausrichtung vermögender Einwohner auf den Fixpunkt der Stadt, den Hof? Gab es eine Veränderung im Verlauf des 18. Jahrhunderts? Ennen hat eine „Skizze“ der Sozialtopographie Bonns erstellt, dabei aber weder die Entwicklung im Verlauf des 18. Jahrhunderts noch sämtliche Straßen innerhalb der Stadt berücksichtigt.66 Ihre Analyse stützt sie auf eine Auswertung des Grundsteuerverzeichnisses von 1795, in dem die Werte sämtlicher Häuser geschätzt oder aufgrund des letzten Verkaufspreises etwas präziser taxiert wurden, damit die jährliche Grundsteuer bestimmt werden konnte. Die Grundsteuer bewegte sich je nach Wert des Hauses zwischen 24 Stüber und 40 Rtlr.67 Ennens Analyse skizziert ein zuverlässiges Bild einer Sozialtopographie Bonns am Ende der kurfürstlichen Zeit. In der vorliegenden Untersuchung steht jedoch der Wandel während des 18. Jahrhunderts im Vordergrund. Deshalb wird hier die Fourageliste von 1758, in der die Bevölkerung nach ihrer Steuerlast in sechs Klassen eingeteilt ist, neben dem Grundsteuerverzeichnis von 1795 sozialtopographisch analysiert. Zwar kann durch diesen Vergleich verschiedener Merkmale – die aber 65 66 67
Vgl. allgemein zur Sozialtopographie frühneuzeitlicher Städte: DENECKE, Soziale Strukturen im städtischen Raum, bes. S. 123-125. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 300-306. Die Grundsteuer betrug 40 Stüber bei einem Hauswert von 60 Rtlr. und 40 Rtlr. bei einem Hauswert von 27.000 Rtlr. (Belderbuscher Hof). StAB, Fr 28/2, fol. 59v und fol. 68v.
Zwei sozialtopographische Momentaufnahmen: 1758 und 1795
69
beide das Vermögen erfassen – nicht beurteilt werden, ob die Bonner 1758 oder 1795 wohlhabender waren. Aber es kann dennoch untersucht werden, ob sich die bevorzugten Wohnlagen veränderten. Die Fourageliste von 1758 wurde bereits vorgestellt und es ist bekannt, dass darin weder Geistliche, Hofbedienstete noch unterbürgerliche Schichten aufgeführt sind. Im Grundsteuerverzeichnis von 1795 sind ebenfalls nicht alle Einwohner Bonns erfasst, sondern nur jedes einzelne Haus mit Name des Eigentümers bzw. desjenigen, der die Grundsteuer für das Jahr 1795 bezahlte. Es wurden auch nicht alle Hauswerte bestimmt – es fehlen die Hauswerte des städtischen und teilweise auch des geistlichen Hausbesitzes. Mieter sind nur mittelbar über den Wert des Hauses, in dem sie lebten, zuzuordnen. Jeder Bürger, der 1758 zu den Fourageleistungen beitragen musste, wurde nach seinen zu entrichtenden Abgaben in eine von sechs Klassen eingeteilt. Es wurde jeweils der Mittelwert der Klassen der in einer Straße lebenden Bürger ermittelt. Da in vielen Straßen reiche und arme Bürger Haus an Haus wohnten, wurde zu jedem Mittelwert einer Straße auch die Standardabweichung angegeben; somit können sozialstrukturell homogene von heterogenen Straßen leicht unterschieden werden. Mit der Grundsteuerliste von 1795 wurde ähnlich verfahren, jedoch extreme „Ausreißer“ nach oben nicht bei der Mittelwertberechnung der Straßen berücksichtigt. Dies war bei insgesamt 14 Häusern oder vielmehr Höfen bzw. Palais von insgesamt 1.021 bewerteten Häusern der Fall; diese sind deshalb gesondert aufgeführt. In der umfangreichen Tabelle 6 sind alle Straßen Bonns alphabetisch aufgeführt. Es wurden die Mittelwerte der Klassen der in einer Straße lebenden abgabenpflichtigen Bürger für die Fourageleistungen 1758 errechnet und die Straßen entsprechend diesem Mittelwert in sieben Kategorien eingeteilt. Ausgehend von der ersten Klasse mit einem Klassenmittelwert nach der Höhe der Abgabe für die Fourageleistungen zwischen 1,5 und 2 und der zweiten Klasse zwischen 2,5 und 3 wurden die weiteren Klassen aufsteigend in 0,5 Schritten gebildet bis hin zur siebten Klasse; diese umfasst alle Straßen mit einem Mittelwert von 5-5,6. Analog dazu wurden die Mittelwerte der im Grundsteuerverzeichnis von 1795 angegebenen Hauspreise für jede Straße gebildet.68 Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die Mittelwerte der Hauspreise ebenfalls in sieben Kategorien eingeteilt: Kategorie sieben umfasst Hauspreise von 40-499 Rtlr., Kategorie sechs Hauspreise von 500-749 Rtlr., Kategorie fünf von 750-999 Rtlr., Kategorie vier von 1.000-1.499 Rtlr., Kategorie drei von 1.500-1.999 Rtlr., Kategorie zwei von 2.000-3.999 Rtlr. und Kategorie eins Hauswerte über 4.000 Rtlr. Die Einteilung der Klassen orientiert sich an der sozialtopographischen Skizze Ennens, die in ihrer Studie Häuser mit einem Wert unter 750 Rtlr. als kennzeichnend für die Unterschichten und Hauswerte von mehr als 2.000 Rtlr. für wohlhabendere Kreise ansieht.69 Nicht alle Straßen sind in beiden Listen gleichermaßen aufgeführt. Neben unterschiedlichen Namen bereiteten insbesondere Zusammenlegungen von Straßen Prob68 69
Die Bildung von Mittelwerten der Hauswerte für sämtliche Straßen als Grundlage einer Sozialtopographie findet sich auch bei REILING, Bevölkerung und Sozialtopographie, S. 50-53. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 305.
70
Die städtische Sozialstruktur
leme bei der Zuordnung. Die Bischofsgasse, die direkte Verbindung zwischen Markt und Fürstenstraße, wurde 1795 ebenso wie die Straße „Nach der Windmühlen“ nicht gesondert ausgewiesen und es gelang in diesen beiden Fällen nicht, die entsprechenden Häuser im Grundsteuerverzeichnis in einer anderen Straße zu identifizieren. Der Münsterplatz und das Kleinhöfchen, der heutige Martinsplatz, wurden in der Liste von 1758 nicht aufgeführt, weil an diesen Plätzen ausschließlich nicht abgabenpflichtige Einwohner70 ansässig waren, etwa Kanoniker des nahe gelegenen Cassiusstifts und Hofbedienstete. Die Straßen „In der Sürst“, „In der Kaule“ und „Am Schlachthaus“ beherbergten 1758 viele der städtischen Bogenhäuser, in denen arme Menschen wohnten, die wohl kein Bürgerrecht besaßen und deshalb auch nicht für Beiträge zu den Fourageleistungen herangezogen wurden. Darum fehlen auch diese Straßen im Verzeichnis von 1758. Das Gebiet rund um das Schlachthaus, den kurfürstlichen Kachelofen und die Windmühle im äußersten Nordosten der Stadt war bereits unter den Zeitgenossen verrufen und „honette Leute“ wurden sogar davor gewarnt, diese dreckigen und stinkenden Straßen zu betreten.71 Noch Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der gesundheitsschädliche Einfluss der Wohnungen dieses Viertels, das von den Ärmsten der Stadt bewohnt wurde, als besonders gravierend herausgestellt.72 Die großen Adelspalais sowie die taxierten Klöster, die in Straßen mit vorwiegend wesentlich niedrigeren Hauswerten standen, wurden in Tabelle 6 gesondert am Ende in der Kategorie „Große Höfe“ zusammengefasst: darunter der Belderbuscher Hof, die teuerste Immobilie Bonns mit einem Wert von 27.000 Rtlr., der Gudenauer Hof mit einem Wert von 20.000 Rtlr. sowie diverse Klöster, wie das Welschnonnenkloster mit einem Wert von ebenfalls 20.000 Rtlr. Die beiden sozialtopographischen Momentaufnahmen von 1758 und 1795 zeigen, dass es keine grundlegende Veränderung gab. Die Straßen, die 1795 um zwei Kategorien höher eingestuft wurden als 1758, nämlich die Neustraße, Kommanderiestraße und die Fischergasse, lagen jeweils 1758 am oberen und 1795 am unteren Rand der betreffenden Kategorie. Die Straße „Am Heisterbacher Hof“ wurde 1795 nur deshalb zwei Kategorien niedriger taxiert, weil in ihr sogar drei Höfe lagen, die als „Ausreißer“ allesamt in die Kategorie „Große Höfe“ fielen und bei der Bestimmung des durchschnittlichen Hauswerts der Straßen nicht berücksichtigt wurden. Die reicheren Bürger Bonns lebten in der Regel in Markt- und Hofnähe – mit Ausnahme der Palais der Hofadeligen und Hofbediensteten sowie der Juden –, während die ärmsten Schichten in den Straßen in der Nähe der nördlichen und westlichen Stadtmauer sowie des Rheins wohnten.
70
71 72
In einer Abschrift der Liste wurden Abgaben dieser Personengruppen verzeichnet, allerdings nicht in einer dem Vermögen angemessenen Höhe und ohne Einteilung in eine der sechs Klassen. StAB, Ku 99/6, „Status subreparititiones fourage gelder intra muros“, fol. 53-76. Aus einem Schreiben von 1781, zitiert nach DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 2, S. 417. ERNSTS, Medicinische Topographie, S. 43.
Zwei sozialtopographische Momentaufnahmen: 1758 und 1795
71
Tabelle 6: Sozialtopographische Einteilung der Straßen in sechs Kategorien, 1758 und 1795 (alphabetisch) Kat. Klasse Stabw Anzahl Hauswert Stabw Anzahl 73 1795 1758 (Ø) 1758 1758 1795 (Ø) 1795 1795
Straße
Kat. 1758
Acherstraße
3
4
3,5
0,76
33
1.216
603
28
Am Hof Am Heisterbacher Hof An den Kapuzinern
2
1
2,6
0,55
5
5.333
1.675
6
3
6
3,3
1,14
16
*550
294
18
2
3
2,7
1,27
11
1.929
1.284
7
5
5
4,1
0,91
21
832
487
21
1
1
1,7
0,82
6
*8.400
1.299
4
6
6
4,6
0,91
15
518
367
12
5
6
4,3
0,85
17
575
354
16
4
3
3,5
0,53
8
1.950
828
8
5
6
4,0
0,76
8
638
538
9
3
4
3,3
0,99
14
1.493
808
15
2
2
2,9
0,39
46
3.330
1.381
43
3
3
3,4
0,77
13
1.975
1.494
13
An den Kasernen An der Judengasse (Liliengasse) An der Kallen und Mühlengäßchen An der Krankenbaracke Auf der Brücken Auf dem Butterweck Auf dem Dreieck und Klostergasse Auf dem Markt Belderberg Bischofsgasse
3
3,0
0,53
8
Bonngasse
3
3
3,0
0,67
34
*2.015
1.443
34
Brüdergasse
3
3
3,4
0,76
42
1.772
720
46
Commenderiestraße
4
6
3,6
0,50
14
715
396
14
Engeltalergasse
4
5
3,6
1,09
31
*970
736
28
Fischergasse
5
7
4,0
2,00
4
*338
119
10
73
Giergasse
4
5
3,6
1,23
21
*901
764
22
Hatschiergasse
6
6
4,9
0,38
7
597
150
6
Hospitalsgasse
5
6
4,0
0,79
20
609
295
25
Hundsgasse
3
3
3,4
0,75
20
*1.921
1.264
19
Josephstraße
3
3
3,1
0,47
57
1.681
1.164
67
Judengasse
2
2
2,9
0,85
20
2.961
839
18
In den mit * gekennzeichneten Straßen fehlen ein oder mehrere Hauswerte, weil es sich dabei um größere Höfe handelt, deren Werte nicht dem sonstigen Hausbestand der Straße entsprechen. Diese Höfe sind im Anhang (Tabelle 6) in der Kategorie „Große Höfe“ zusammengefasst und einzeln mit allen Angaben aufgeführt.
72
Die städtische Sozialstruktur
Judengäßchen
Kat. 1758 5
Kesselgasse
6
Straße
Kat. Klasse Stabw Anzahl Hauswert Stabw Anzahl 1795 1758 (Ø) 1758 1758 1795 (Ø) 1795 1795 5 4,2 0,63 10 964 369 9 6
4,6
1,50
14
646
300
14
Kölnstraße
3
4
3,3
1,22
32
*1.453
1.085
20
Maargasse
3
4
3,3
1,53
15
1.312
1.018
22
Mauspfad Nach der Windmühle Neustraße
4
4
3,6
0,79
7
1.214
516
11
5,2
1,33
6
Neugasse Pisternenstraße (Sternstraße) Rheingasse Risselstraße (Vierecksplatz) Sandkaule
7 3
5
3,5
0,52
15
945
352
15
3
3
3,4
0,82
29
1.630
781
24
3
3
3,2
0,59
82
2.247
986
72
3
3
3,3
0,78
37
1.754
1.065
37
1
1
1,9
0,78
9
4.220
3.658
15
2
3
2,6
0,72
16
*2.216
1.315
17
Schwabengasse
7
7
5,0
0,38
15
380
160
28
Stiftsgasse
7
7
5,5
0,93
8
378
264
12
Stockenstraße
2
3
3,0
0,43
28
2.476
989
25
Vivatsgäßchen Von der Windmühle bis ans Schlachtenhaus Vor St. Remigii Welschennonnenstraße Wenzelgasse
7
6
5,6
0,55
5
594
373
16
7
6
5,3
0,57
19
584
729
18
2
3
2,7
0,98
6
*1.516
906
13
6
5
4,7
0,70
16
*763
717
16
3
3,0
0,98
42
2.419
1.564
47
Münsterplatz
3
3
1.898
2.093
29
In der Sürst
5
826
842
27
Am Schlachthaus
7
135
73
22
In der Kaule
7
242
167
16
Kleinhöfchen
3
1.770
820
13
15.2000
6.929
14
1.699
1.942
1.053
Große Höfe Alle Straßen
3,5
1
902
Quellen: 1758: StAB, „Status subreparititiones fourage gelder intra muros“; 1795: StAB, Fr 28/2.
Es gab jedoch auch zwischen diesen beiden Polen viele Straßen, wie etwa die bereits genannte Straße „Am Heisterbacher Hof“, in der Hofräte und reiche Kaufleute Haus an Haus mit Tagelöhnern und Handarbeit treibenden Witwen lebten. Diese Straßen
Zwei sozialtopographische Momentaufnahmen: 1758 und 1795
73
mit der größten sozialen Heterogenität weisen dementsprechend auch die größten Standardabweichungen auf. Dabei muss angemerkt werden, dass in der Steuerliste von 1758 gerade die eximierten Hofbediensteten fehlen und dass im Grundsteuerverzeichnis von 1795 die Unterschiede im Hauswert bei teureren Häusern größer sind als bei preiswerteren – weshalb das Verzeichnis also insgesamt eine weitaus größere Varianz aufweist. Zu diesen Straßen mit den größten Vermögensunterschieden zählten 1758 diejenigen mit einer Standardabweichung von mehr als 0,9. Die räumliche Verteilung dieser Straßen zeigt, dass es sich dabei vorrangig um Straßen handelt, die auch geographisch zwischen den wohlhabenderen und den ärmeren Straßen angesiedelt sind. Besonders aussagekräftige Beispiele sind die Kölnstraße und die Wenzelgasse, denn die marktnahen Häuser (1795) bzw. dort lebenden Bürger (1758) gehörten durchgehend einer höheren Kategorie an als die am anderen Ende der Straße in der Nähe der nördlichen Stadtmauer stehenden Häuser bzw. lebenden Bürger. Die Sozialtopographie Bonns nach der Fouragesteuerliste von 1758 ist kartographisch in Karte 2 im Anhang dargestellt. Sie ist – wie durch den Vergleich mit dem Grundsteuerverzeichnis von 1795 gezeigt – durchaus repräsentativ für das gesamte 18. Jahrhundert, zumindest für den Zeitraum nach der Rückkehr Joseph Clemens’ nach Bonn im Jahr 1715. Die dem Hof benachbarten Straßen, wie etwa die Stockenstraße, die Neugasse und die Fürstenstraße, beherbergten wohlhabende Bürger, aber nicht die reichsten der Stadt; diese wohnten in Nähe des Rheins in der Risselstraße („Am Vierecksplatz“) und „An der Judengasse“ (Liliengasse). Nicht weit entfernt von diesem Stadtviertel lag im Nordosten der ärmste Teil der Stadt. Das Grundsteuerverzeichnis von 179574 enthält zu jedem Haus auch den Namen der Person, die die Grundsteuer für das entsprechende Haus bezahlte. Dies wird gewöhnlich der Eigentümer gewesen sein. Leider wurden die Vornamen oder auch Berufsbezeichnungen nur in Ausnahmefällen notiert, sodass die Eigentümer nicht immer identifiziert werden können. Daher ist keine ausführliche statistische Auswertung dieses Verzeichnisses möglich. 405 Nachnamen traten allerdings nur bei einem Haus als Eigentümer in Erscheinung, 114 bei zwei Häusern, 46 bei drei und nur 36 bei mehr als drei Häusern. Unter den 17 Nachnamen, die bei fünf oder mehr Häusern als Eigentümer genannt sind, konnten nur zwei Personen bestimmt werden, die tatsächlich für mehr als vier Häuser Grundsteuer zahlten. Dies ist zum einen der Notar Falckenstein, dem die Häuser mit den Nummern 417, 418 und 420-423 gehörten.75 Sein Wohnhaus hatte einen Wert von 4.000 Rtlr., während die anderen ihm gehörenden Häuser mit 300 bis 1.800 Rtlr. deutlich weniger wert waren. Zum anderen besaß Herr Sagér – dem Namen nach ein Franzose, der wohl erst kürzlich zugewandert war, denn 1790 hatte er nachweislich nicht in Bonn gelebt – sechs Häuser, davon allein fünf mit einem Wert von 200 bzw. 205 Rtlr. in der Straße „Am Heisterbacher Hof“. Dabei handelte es sich um alte städtische Bogenhäuser, die er vermutlich aufgekauft hatte und die bereits 1804 nicht
74 75
StAB, Fr 38/2, „Erste Grundsteuer contribution de anno 1795“. Die folgenden Beispiele sind dem in der Reihenfolge der Hausnummern eingeteilten Verzeichnis entnommen. StAB, Fr 38/2, „Erste Grundsteuer contribution de anno 1795“.
74
Die städtische Sozialstruktur
mehr in seinem Besitz waren.76 Bei den restlichen 15 Nachnamen, die als Eigentümer bei mehr als vier Häusern genannt sind, handelt es sich um weit mehr als 15 Personen. Beispielsweise verbergen sich hinter dem Namen Breuer mindestens vier verschiedene Männer: Der Universitätsprofessor Daniel Breuer, dessen Haus nicht taxiert wurde, das aber aufgrund der hohen Grundsteuer von jährlich 14 Rtlr. groß gewesen sein muss. Daneben wird ein Conrad Breuer, ein Hubert Breuer und eine Witwe Breuer genannt. Ähnlich verhält es sich bei den allgemein im deutschsprachigen Raum häufigen Nachnamen Müller, Schmitz, Becker, Meier, Fuchs und Klein sowie bei im Bonner Raum weitverbreiteten Namen wie Falckenstein, Mehlem und Nettekoven. Bei allen diesen Namen werden, sofern sie überhaupt aufgeführt sind, verschiedene Vornamen genannt. Offenbar hatten Hofbedienstete oder Adelige kaum Mehrfachhausbesitz in Bonn, denn es findet sich kein einziger Name einer im Hofkalender von 1790 aufgeführten Person, die als Eigentümer von mehr als vier Häusern infrage käme. Dieser Befund über die Verteilung des Hausbesitzes überrascht allerdings nicht. Auch in der kleinen Residenzstadt Oettingen war Mehrfachhausbesitz unüblich. Dort wie auch in Bonn bildete Hausbesitz die Voraussetzung für eine bürgerliche Existenz.77 In Bonn wurde die Wählbarkeit in den Stadtrat und in den Zwölfter seit den 1760er Jahren sogar direkt an den Wert des Immobilienbesitzes gebunden.78 Dies zeigt deutlich die Bedeutung des Hausbesitzes für die soziale Stellung des Einzelnen in der Stadt. Aus der Verteilung des Hausbesitzes (Tabelle 7) geht die Dominanz der Bürgerschaft hervor, in deren Besitz fast alle Häuser innerhalb Bonns waren. Die einstmals bedeutenden Grundbesitzer, die Stadt und diverse Klöster, hatten im Verlauf des 18. Jahrhunderts große Teile ihres Grundbesitzes verkauft. Der städtische Besitz umfasste 23 Bogenhäuser.79 Demnach wurden doch nicht alle Bogenhäuser verkauft, wie vom Polizeidirektor von Belderbusch angestrebt; dieser hatte sich für den Verkauf aller Bogenhäuser eingesetzt, damit die städtischen Schulden mit den Erlösen vermindert werden konnten.
76 77 78 79
DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 315. OSTENRIEDER, Wohnen und Wirtschaften, S. 187-193. HINSEN, Kaspar Anton Belderbusch, S. 31. Daneben gehörten der Stadt das Brandmagazin, das Gymnasium, das Zucht- und Armenhaus, die Bleiche, das Giertor, das ehemalige Polizeihaus, das Brau- und Rathaus sowie die Wassermühle. StAB, Fr 38/2.
Zwei sozialtopographische Momentaufnahmen: 1758 und 1795
75
Tabelle 7: Verteilung des Hausbesitzes 1795 Eigentümer
Anzahl der Häuser
Bürger
1.013
Städtischer Besitz
33
Besitz von Stiften und Klöstern
9
Domaine
6
Quelle: StAB, Fr 38/2.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich der Wandel am Hof und daraus resultierend der städtischen Selbstverwaltung während der 1760er Jahre nur bedingt in der Sozialstruktur und -topographie des Stadtbürgertums niederschlug. Zwar nahm die Zahl der steuerpflichtigen Bürger für den Unterhalt der Kasernen stark ab – was die Annahme einer abnehmenden Gesamteinwohnerzahl in den 1760er Jahren bestätigt; eine Verarmung aller Einwohner lässt sich aber nicht nachweisen. Gleichwohl rutschten insbesondere Gewerbetreibende, darunter vor allem Fassbinder, Glaser, Schiffer und Gesellen anderer Handwerke, in das Dasein eines Tagelöhners ab. Die Zahl der wohlhabenden Händler verringerte sich zwischen 1763 und 1777 bedeutend. Diese Befunde sprechen für eine insgesamt verschlechterte wirtschaftliche Situation der Stadtbewohner. Die Vermögensunterschiede zwischen den Gewerben – zwischen reichen Nahrungsmittelgewerben und armen Textilgewerben – blieben allerdings konstant. Ebenso sind keine bedeutenden sozialtopographischen Veränderungen zwischen 1758 und 1795 feststellbar. Die innerstädtische Mobilität – die in Zeiten des Umbruchs und der Krise als besonders hoch gilt – lag zwar auf einem hohen Niveau. Aber dies traf auch auf andere Städte im 18. Jahrhundert zu.
4. Hof und Stadt
Der Hof als das prägende Element der Stadt Bonn in der Frühen Neuzeit steht in diesem Kapitel im Vordergrund. Die Bedeutung des Hofes für die Stadt (Kapitel 4.1) ergibt sich zu einem Großteil aus dessen Größe und Zusammensetzung (4.1.1), ferner daraus, ob die Hofangehörigen überhaupt in der Stadt selbst wohnten und welche Stellung sie im Sozialgefüge der Stadt einnahmen (Kapitel 4.1.2). Bei der Untersuchung des Hofes wird ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung im Verlauf des 18. Jahrhunderts und auf Vergleiche mit anderen geistlichen Höfen gelegt. Das Verhältnis der Stadt zur Landesherrschaft (Kapitel 4.2) zeigt sich zum einen an den vielschichtigen Beziehungen zwischen den Stadtbürgern und den eximierten Hofangehörigen (Kapitel 4.2.1), zum anderen in den Eingriffen der Landesregierung in die kommunale Selbstverwaltung (Kapitel 4.2.2). Dabei werden umfangreiche Vergleiche mit anderen geistlichen Residenzstädten angestellt, neben den drei anderen kurfürstlichen insbesondere auch mit der Residenz des Fürstbistums Würzburg, für das eine umfangreiche Untersuchung zu diesem Thema vorliegt.1 Die Untersuchung der Aufklärung (Kapitel 4.3) gehört ebenfalls in dieses Kapitel, weil diese in Bonn vom Hof ausging und von am Hof oder an der Universität tätigen Intellektuellen getragen wurde. Die Aufklärung in Bonn ist durch die lokale Forschung umfassend untersucht, weshalb nur die Vertreter der Aufklärung und ihre Gesellschaften sowie die Erscheinungsformen dieser geistigen Strömung kurz vorgestellt werden (Kapitel 4.3.1). Ein Desiderat bildet jedoch die Frage, inwiefern die Aufklärung die Einwohnerschaft Bonns erfasste und ob sich aufgeklärtes Gedankengut auf das generative Verhalten der Menschen auswirkte (Kapitel 4.3.2).
4.1 Der kurkölnische Hof in der Stadt Der in Bonn angesiedelte Hof und die Zentralbehörden prägten die Geschichte der Stadt bis zum Untergang Kurkölns. Die Institutionen oder die landesherrliche Politik sowie der Hof als sozialer Raum sind Gegenstand umfangreicher Untersuchungen.2 Diese berücksichtigen den Hof aber nicht konsequent als Teil der Stadt und die Hofbediensteten und Landesbeamten nicht konsequent als Einwohner Bonns. Es ist lediglich bekannt, dass und warum der Hof nach dem Tod Clemens Augusts verkleinert und umstrukturiert wurde. Entscheidend für die vorliegende Untersuchung ist jedoch, 1 2
SCHOTT, Das Verhältnis der Stadt Würzburg zur Landesherrschaft. Die wichtigsten Arbeiten zum kurkölnischen Hof: WINTERLING, Die Kurfürsten von Köln; PIEPER, Organisation und Verwaltung; EISENHARDT, Aufgaben und Bedeutung; SCHULZ, Der kurkölnische Hofrat; BRAUBACH, Kurköln; BRAUBACH, Maria Theresias jüngster Sohn; BRAUBACH, Die österreichische Diplomatie; BRAUBACH, Minister, Kanzler, Konferenz und Kabinett.
Der kurkölnische Hof in der Stadt
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wie stark er verkleinert wurde, welche Stellen abgebaut wurden und wie sich diese Veränderungen auf die Stadtbevölkerung ausgewirkt haben. Der Einfluss der Höfe auf die Residenzstädte wurde in jüngster Zeit von der Forschung verstärkt untersucht,3 gerade auch weil das „komplexe Wechselspiel von Konfrontation, Koexistenz und Integration“4 zwischen Hof und Residenzstadt lange sträflich vernachlässigt wurde. Auch wenn die Zusammenhänge zwischen Hof und Stadt von Fall zu Fall variierten, kann insgesamt konstatiert werden: „Residenzbildung und Hofhaltung waren oft eng an die infrastrukturellen Vorzüge einer Stadt gebunden, höfische Kultur und Repräsentation ohne das 'Publikum' und die 'Bühne' der Stadt nur schwer zu inszenieren. Aus der Verknüpfung von Hof und Stadt ergaben sich ebenso wirtschaftliche wie soziale Impulse.“5
Die Ansicht, die Stadtbürger hätten unter der höfischen Konkurrenz gelitten,6 stellt eine Minderheitsmeinung dar und greift zu kurz. Auch wenn einzelne Gewerbe aufgrund der Anwesenheit privilegierter Hofhandwerker wirtschaftlich benachteiligt waren, profitierte die Mehrzahl der Stadtbewohner von der Anwesenheit des Hofes. Der Hof kurbelte den Konsum in den Residenzstädten nicht nur direkt, sondern vor allem indirekt durch die Anwesenheit von Adeligen und Bediensteten als kaufkräftigen Konsumentenschichten an.7 Profiteure waren sämtliche in der Stadt vertretenen Bevölkerungsgruppen, wenngleich die Luxuswaren herstellenden oder mit ihnen handelnden Berufsgruppen besonders begünstigt waren und daher von den Residenzstädten geradezu angelockt wurden. Der Hof begünstigte gleichermaßen das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum der Residenzstadt.8 Neben den wirtschaftlichen Aspekten gingen von den Höfen kulturelle Impulse aus: Theater und Oper, private Gesellschaften wie z. B. Lesegesellschaften, Zeitungen oder auch die Anwesenheit einer überregionalen bis internationalen Gesellschaft bereicherten auch das Leben der Bürger, die im Verlauf des 18. Jahrhunderts zunehmend Zugang zum Hof selbst erhielten.9 Der vollständige oder teilweise Wegzug eines Hofstaates konnte deshalb weitreichende und besonders schwere ökonomische Konsequenzen für eine Stadt haben; dies zeigt sich beispielsweise an den Klagen des Trierer Stadtrats im Jahr 1788, als nach dem Wegzug großer Teile des dortigen Hofes breite Bevölkerungsgruppen zuneh-
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PARAVICINI/WETTLAUFER, Der Hof und die Stadt; PILS/NIEDERKORN, Ein zweigeteilter Ort? Weitere Titel sind aufgeführt bei BIHRER, Curia non suffit, S. 265, Anm. 108. Der Schwerpunkt dieser Untersuchungen liegt aber auf dem 16. und 17. Jahrhundert. PARAVICINI/RANFT, Über Hof und Stadt, S. 13. Ebd., S. 15. ENDRES, Die Stadt, S. 93 WEIGL, Die Bedeutung des Wiener Hofes, S. 58. ENNEN, Residenzen, S. 196. Hesse betont darüber hinaus auch die steuerliche Bevorzugung der Bonner Bürger gegenüber anderen Einwohnern im Erzstift. HESSE, Geschichte der Stadt Bonn, S. 2.
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Hof und Stadt
mend verarmten.10 Insofern standen Residenzstädte in einer „verhängnisvollen Abhängigkeit“11 vom Hof. In einer Beschreibung Bonns aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird die Bedeutung des Hofes für die nicht sonderlich große, aber schön erbaute Stadt besonders herausgestellt: „Ueberhaupt würde der Ort nicht viel bedeuten, wenn die Hofhaltung wegkommen sollte."12 Konstantin von Schönebeck, ein Bonner Arzt und Publizist, bemerkte 1784, dass die Hälfte der Bonner Bevölkerung aus „Dienern des Fürsten und des Staats“ bestehe und die andere Hälfte von diesen lebe.13 Diese zeitgenössischen Urteile wurden auch von der älteren Forschung geteilt: „Die Bürger lebten ganz vom Hofe und den in der Stadt wohnenden Adligen.“14 Braubach betrachtete die gesamte Stadtbevölkerung als Profiteure der Residenz, wenn auch in unterschiedlichem Maße, wie er prägnant zusammengefasst hat: „An dem, was sich um Residenz und Regierung abspielte, nahm im Grunde die ganze Stadt teil, von da zogen die einen ihren Wohlstand, der auch in bürgerlichen Kreisen in Landund Hausbesitz seinen Ausdruck fand, die anderen wenigstens ihre meist auskömmliche Nahrung.“15
Ähnlich wie in Trier hatte schon allein die Verlegung von Teilen des Hofes bzw. der Regierung negative Konsequenzen für die Bürger der Residenzstadt: Nach der Verlegung von Teilen der Zentralbehörden nach Köln im Zuge der Bombardierung im Jahr 1689 baten die Zwölfter 1692 den Stadtrat, er möge doch beim Kurfürsten erwirken, dass die Kanzlei wieder nach Bonn verlegt werde.16 Der vollständige Wegfall von Hof und Zentralbehörden in der französischen Zeit trieb sogar breite Kreise der Bonner Bürger in die Armut.17 Der Hof bildete gerade angesichts eines nicht auf den Export ausgerichteten Handwerks und des kontinuierlichen Rückgangs des Weinanbaus die Lebensader der Stadt. Dennoch gab es auch in jüngerer Zeit Historiker, die – wohl der Ansicht Endres‘ folgend – in den direkt am Hof beschäftigten Handwerkern in erster Linie eine große Konkurrenz für das Bonner Gewerbe sahen. Dieser Antagonismus sei auch der Grund, warum der Einfluss des Hofes auf die städtische Gesellschaft nicht überschätzt werden solle.18 Obwohl bei Durchsicht der Ratsprotokolle tatsächlich die Konkurrenz der Bonner Ämter zu den am Hof beschäftigten Handwerkern offensichtlich wird, kann daraus jedoch nicht eine Spaltung der Stadt in eine vom Hof unabhängige und eine dem Hof unterstellte städtische Bevölkerung gesprochen werden. Die Beschwerden der Ämter 10 11 12 13 14 15 16 17 18
GERTEIS, Sozialgeschichte der Stadt Trier, S. 61. STIEGLITZ, Hof und Hofgesellschaft, S. 328. GUNDLING, Ausführlicher Discours, S. 1541 f. SCHÖNEBECK, Mahlerische Reise am Niederrhein, S. 39. FRIEDRICHS, Verfassung und Verwaltung, S. 11. BRAUBACH, Eine Jugendfreundin Beethovens, S. 18. ENNEN, Grundzüge der Entwicklung, S. 464. ENNEN, Bonn unter französischer Herrschaft, S. 49. BECKER/HERBORN, Von der Nahrung, S. 122.
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richteten sich nämlich vornehmlich gegen Angehörige des Hofes, die ohne Mitgliedschaft in einem städtischen Amt „bürgerliche Nahrung“ trieben.19 Sie forderten lediglich eine rechtliche und wirtschaftliche Gleichbehandlung; dies kann vielmehr als Beleg für die gelungene Integration der eximierten Hofangehörigen in die städtische Gesellschaft gelten. Es finden sich auch zahlreiche Belege in den Ratsprotokollen, die nicht Konkurrenz, sondern Zusammenhalt und Kooperation von Bürgern und Hofbediensteten zeigen. So konnte beispielsweise Godfrid Ludwig nur deshalb ein Bogenhaus an der Josephsforte für sechs Jahre mieten, weil der Hoffischlieferant Klein sich als Bürge zur Verfügung stellte.20 Außerdem vergab der Bonner Hof sehr wohl Aufträge an Bonner Handwerker, wie aus den Rechnungen des Hofbauamtes hervorgeht. Im Jahr 1759 waren insgesamt 24 Handwerksmeister und Künstler im Bonner Schloss tätig.21 Viele dieser Handwerker wurden gleich für mehrere Aufträge engagiert. Unter diesen im Schloss arbeitenden Handwerkern befanden sich acht Bonner Meister, die keine Hofhandwerker waren und die sich hinsichtlich ihrer Steuerlast nicht signifikant von den übrigen Bonner Meistern unterschieden.22 Sicherlich waren in den prosperierenden Jahren unter Clemens August und Joseph Clemens noch mehr Bonner Handwerker für den Hof tätig als 1759, als zwar immer noch am Schloss Herzogsfreude in Röttgen gebaut wurde, aber in den anderen Schlössern die Umbau- oder Verschönerungsarbeiten stark reduziert worden waren. 1759 gab das Hofbauamt insgesamt für die Schlösser in Bonn, Brühl, Poppelsdorf und Herzogsfreude nur 32.486 Rtlr. pro Jahr aus, 1732 waren es beispielsweise noch 73.557 Rtlr.23 Der Bonner Hof erlebte seine wohl glanzvollste Zeit nach der Rückkehr Joseph Clemens’ aus dem französischen Exil im Jahre 1715 bis zum Tod Clemens Augusts im Februar 1761. Der politischen Bedeutung des Bonner Hofes entsprechend – Kurköln wurde gleichermaßen von den Großmächten Frankreich und Österreich umworben – entfaltete sich ein prachtvolles Hofleben an der Bonner Residenz. Ausländische Gesandte und Künstler strömten an den Hof. Die Hinweisschilder am Hofgarten wiesen den Spaziergänger in deutscher, lateinischer, französischer und italienischer Sprache auf das richtige Betragen hin.24 Das Hofleben fand seinen Höhepunkt unter Clemens August, der jedoch selbst am liebsten in seinen kleineren Schlössern residierte und besonders im Sommer die Bonner Residenz mied.25 Finanziert wurde dies durch die zeitweilig reich fließenden Subsidien der Großmächte, seinen Einkünften aus insgesamt fünf Bistümern und nicht zuletzt durch die Aufnahme von Krediten.
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Vgl. Kapitel 4.2.1. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 5. November 1743, S. 129. LAV NRW R, Kurköln IV, Nr. 4379, fol. 14-18. Dies wurde anhand der Steuerklasse in der Fourageliste von 1758 eruiert. StAB, Ku 99/6, „Status subreparititiones fourage gelder intra muros“. LAV NRW R, Kurköln IV, Nr. 4379, fol. 75 (1759) und Nr. 4358, fol. 76 (1732). Archiv des Rhein-Sieg-Kreises, AA 33, Bonnensia, S. 58. BRAUBACH, Von den Schloßbauten und Sammlungen, S. 110; WÜHR, Die Apotheken im ehemaligen Oberen Erzstift, S. 67.
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Hof und Stadt
Der Hof zog neben Architekten und Baumeistern auch Bildhauer, Maler und andere Künstler aus ganz Europa an, sodass in der Wenzelgasse eine regelrechte „Künstlerkolonie“ entstand.26 Diese Personengruppen erbauten und verschönerten auch zahlreiche Adelssitze außerhalb Bonns, die von Angehörigen des Hofstaates bewohnt wurden.27 Für die Realisierung der zahlreichen Bauprojekte der Wittelsbacher Kurfürsten wurden viele Arbeiter benötigt. So sollen allein 1754 1.400 Werkleute in Bonn und im benachbarten Röttgen beschäftigt gewesen sein.28 Die enge Verbindung von Stadt und Hof wurde auch nicht dadurch geschmälert, dass der Kurfürst nur zeitweise vor Ort war. Die Ausbildung der Zentralbehörden war im 18. Jahrhundert schon so weit fortgeschritten, dass sie auch ohne die Anwesenheit des Kurfürsten ihren Geschäften nachgingen.29 Nicht nur die Ausgaben für die Schlossbauten, sondern auch die Gehälter der Hofbediensteten belasteten die kurkölnische Hofkammer erheblich. Neben Hofkapelle und diversen fahrenden Theatern verschlangen die Jagdämter besonders hohe Summen. Die Parforcejagd galt zeitgenössisch als königliche Jagd, eben weil sie so ausgesprochen teuer war. Unter Clemens August verdiente ein Spezialist dieser Jagdart das Dreifache eines Ministers!30 Das politische Tagesgeschäft interessierte Clemens August ohnehin nicht, weshalb insbesondere die Besetzung der höchsten Ämter durch persönliche Präferenzen des Kurfürsten und weniger durch die Fähigkeiten und Eignung der Kandidaten bestimmt wurde. Die Mitglieder der Regierung blieben von der Gunst des Kurfürsten abhängig und konnten jederzeit abgesetzt werden, wie das Beispiel des ersten Ministers Plettenberg zeigt: Dieser leitete bis zu seinem Sturz 1733 die Regierung mit großer Machtfülle, fiel dann aber in Ungnade, weil er mit dem „Vizeobriststallmeister“ Friedrich Freiherr von Beverförde verwandt war, der den kurfürstlichen Günstling Johann Baptist Freiherr von Roll zu Bernau in einem Duell getötet hatte.31 Der Tod dieses engen Freundes ging Clemens August so nah, dass er sich nach Braubachs Einschätzung „im Grunde nie mehr ganz davon erholte“32 und aufgrund seiner Depression auch den Überblick über die Regierung des Landes vollends verlor. Bereits zeitgenössische Intellektuelle vertraten die Auffassung, "ein glänzender Hof sei einer, wo man bei viel Pracht große Schulden trifft"33. Die Kritik konzentrierte sich auf die kostenintensive Hofhaltung, die nicht durch rationale Argumente erklärt werden konnte. Aus Kurköln selbst gab es leise Kritik vom Kölner Publizisten und Satiriker Heinrich Lindenborn, der die Geldverschwendung und Selbstdarstellung am Bonner Hof unter Clemens August teilweise subtil in seinen Texten aufgriff und 26 27 28 29 30 31 32 33
KISKY, Michael Leveilly, S. 315. BENEDIX, Barocke Adelssitze, S. 9. BRAUBACH, Die vier letzten Kurfürsten, S. 60. REINKING, Herrschaftliches Selbstverständnis und Repräsentation, S. 117 f. WINTERLING, Der Hof des Kurfürsten Clemens August, S. 137. LEIFELD, Ferdinand Graf von Plettenberg, S. 93-99. BRAUBACH, Die vier letzten Kurfürsten, S. 51. Moser, Friedrich Carl von, Teutsches Hof-Recht, Bd. 1, Franckfurt/Leipzig 1754, S. 6, zitiert nach WINTERLING, Der Hof des Kurfürsten Clemens August, S. 140.
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kritisierte.34 Auch die ältere Forschung sah die umfangreiche Hofhaltung Clemens Augusts vorwiegend kritisch: „Jede Zeit hat ihre Vorzüge und ihre Nachteile, die Vorzüge fehlen auch hier nicht, doch allzusehr wird für den, der hinter die Kulissen zu sehen vermag, der äußere Glanz verdunkelt durch die innere Fäulnis, die alles ergriffen hat.“35
Braubach bezeichnete den Tod Clemens Augusts Anfang 1761 gar als „ein Glück für sein Land“36, seine Schülerin Pieper sah im Hof unter Clemens August einen moralischen „Tiefstand, der nur äußerlich durch eine streng beobachtete Hofetikette verdeckt werden konnte“37. Erst die im Zuge der Absolutismusforschung entstandene Studie zum kurkölnischen Hof von Winterling zeichnet ein differenzierteres Bild. Die prachtvolle Hofhaltung diente danach als Kompensation für fehlende militärische und politische Macht, d. h. zur Steigerung des Ansehens auf Reichsebene, um trotz der real begrenzten Macht den mächtigen Reichsfürsten auf Augenhöhe begegnen zu können.38 Die Stärke des Domkapitels und der Landstände, die insbesondere vom Bewilligungsrecht über die Verwendung der landesherrlichen Einkünfte herrührte, verhinderte in Kurköln absolutistische Herrschschaftstrukturen.39 Bereits zu Lebzeiten Clemens Augusts wurden die tatsächlichen Machtverhältnisse in Kurköln erkannt: Dielhelm betonte in seiner Reisebeschreibung die Macht der Landstände und die Tatsache, dass der Kurfürst ohne die Einwilligung des Domkapitels keinen Krieg führen oder sonst auf irgendeine Weise dem Stift schaden könne.40 So gravierend die Auswirkungen auf den Staatssäckel auch gewesen sein mögen, die prachtvolle Hofhaltung hatte positive Auswirkungen auf die Stadt selbst. Während der Regierungszeit Clemens August erfolgte auch die stärkste Bevölkerungszunahme, und wohl erst nach seinem plötzlichen Tod am 6. Februar 1761 wurde der Stadtbevölkerung bewusst, wie sehr sie von der verschwenderischen Politik des letzten Wittelsbachers profitiert hatte. Der zeitgenössische Spruch „Bei Clemens August trug man blau und weiß, Da lebte man wie im Paradeis. Bei Max Friedrich trug man schwarz und roth, Da litt man Hunger wie die schwere Noth.“41 zeigt zwar pointiert, aber durchaus zutreffend die Gefühlslage der Bonner Bevölkerung. Ob die Trauer allerdings solche Ausmaße annahm, „daß die mehrsten Herzen derer Zuschauer und getreuen Hof- und Landesunterthanen wahrlich mit ihrem entseelten Landesvater in das Grab hinabsteigen wollten"42, erscheint eher zweifelhaft.
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BOGE, Clemens August und seine Zeit, S. 215-220. BRAUBACH, Kurfürst Clemens August, S. 198. Ebd. S. 200 f. PIEPER, Organisation und Verwaltung, S. 114. Daneben gab es noch das Motiv des Vergnügens und Zeitvertreibs. WINTERLING, Der Hof des Kurfürsten Clemens August, S. 139; WINTERLING, Die Kurfürsten von Köln, bes. S. 170. HARTMANN, Geld als Instrument europäischer Machtpolitik, S. 18. DIELHELM, Nützlicher Rheinischer Antiquarius, S. 551. BRAUBACH, Die vier letzten Kurfürsten, S. 42. STRAMBERG, Denkwürdiger und nützlicher Rheinischer Antiquarius, Bd. 14, S. 226.
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Hof und Stadt
Tatsächlich wurden vom allmächtigen Minister Kaspar Anton von Belderbusch die Ausgaben für den Hofstaat massiv gekürzt, wie noch im Einzelnen gezeigt werden wird. Allerdings wurden die hohen Hofbeamten bei gleichem Gehalt weiterbeschäftigt. Dagegen wurden die der Jagd- und Bauleidenschaft des verstorbenen Kurfürsten dienenden Bediensteten entlassen.43 Der französischen Gesandte Monteynard berichtete 1773 nach Paris, die Bonner sehnten sich ihren alten Kurfürsten herbei, denn seit dem Tod Clemens Augusts hätten viele Künstler und Arbeiter Bonn den Rücken gekehrt.44 Die Annahme, Künstler seien scharenweise nach dem Tod Clemens Augusts verzogen oder verarmt,45 wurde von nachfolgenden Historikern jedoch relativiert. Die Zahl der Maler sei beispielsweise nicht zurückgegangen, lediglich die berühmtesten hätten nach dem Tod des Wittelsbachers Bonn verlassen.46 Die Hofkapelle wurde zwar unmittelbar nach dem Tod Clemens Augusts verkleinert und außerdem wurden deutlich niedrigere Gehälter an die Musiker gezahlt, aber dies war nur ein vorübergehender Zustand. Bereits in den 1770er Jahren wurde die Kapelle wieder vergrößert, sodass sie bereits 1782 zu den besten Kapellen Deutschlands gezählt wurde.47 Das Bonner Theater – unter den Wittelsbachern gab es Laientheater bzw. französische und italienische Wandertheater – wurde unter der Regie von Gustav Friedrich Wilhelm Großmann zwischen 1778 und 1784 eines der bedeutendsten im gesamten Reich.48 Trotz dieser Relativierungen bedeutete der Tod Clemens Augusts einen Einschnitt und hinterließ quantitativ beträchtliche Spuren im Stadtbild, denn gerade an den zahlreichen Bauprojekten in und um Bonn waren Hunderte Arbeiter beschäftigt. Unter Max Franz wurde der Kurstaat umfassend im Geiste der Aufklärung reformiert.49 Auch sein Hofstaat wurde nicht von den Reformen verschont. Er versuchte, den Hofstaat nach rationalen Prinzipien effizienter zu organisieren. Es wurden feste Aufgabenbereiche bei einem festen Gehalt vergeben. Besondere Gratifikationen wurden ebenso abgeschafft wie unnötige Posten.50 Generell lag sein Hauptaugenmerk nicht auf dem höfischen Leben, sondern auf der den Staat lenkenden Regierung und Verwaltung, an der er sich selbst rege beteiligte. Er war im Gegensatz zu seinen Vorgängern kein „politischer Dilettant“51.
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50 51
HINSEN, Kaspar Anton von Belderbusch, S. 44 f. BRAUBACH, Von den Schloßbauten und Sammlungen, S. 105. BRAUBACH, Die vier letzten Kurfürsten, S. 101. GUTZMER, Clemens Philippart, S. 49 f. VALDER-KNECHTGES, Die kurfürstliche Hofmusik, S. 163. RÜPPEL, Gustav Friedrich Wilhelm Großmann, bes. S. 220-229; MAURER, Die Theatergeschichte, S. 529. Braubach hat diese Reformen, die Bildung, Justiz, Staatskonferenz, Verwaltung und weitere Bereiche des Staates betrafen, umfassend untersucht. BRAUBACH, Maria Theresia jüngster Sohn Max Franz, bes. S. 93-107. Ebd., S. 104. WINTERLING, Der Hof der Kurfürsten von Köln, S. 66.
Der kurkölnische Hof in der Stadt
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4.1.1 Zusammensetzung und Größe des Hofstaates Die Zusammensetzung und Größe des Hofstaates wurde bisher noch nicht umfassend untersucht, obwohl mit den Hofkalendern, die seit 1716 vom jeweiligen Kammerfourier herausgegeben wurden, eine geeignete Quelle zur Verfügung steht. Entgegen der in der Literatur weit verbreiteten Ansicht, erst seit 1759 seien ausführliche Angaben zum Personal des Hofstaates in den Kalendern verzeichnet worden,52 enthalten die ersten Hofkalender unter Joseph Clemens für die Jahre 1717, 1719, 1721-1724 ebenfalls ausführliche Angaben zum Hofpersonal. Zwar werden nicht alle unteren Bediensteten namentlich genannt, aber das Verzeichnis der „Chur-Cöllnischen HoffSuite“ umfasste zumindest für die Jahre 1722 und 1723, die exemplarisch geprüft wurden, alle Ämter am Hof. Für die Analyse werden neben den Kalendern für 172353 und für 175954 – der erste mit Personalangaben aus der Regierungszeit Clemens Augusts – derjenige für 176255 gewählt, damit ein Vergleich mit einem Jahr unmittelbar nach dem Regierungswechsel gezogen werden kann. Außerdem werden die Hofkalender für 177656 und für 179057 untersucht, um die Entwicklung des Hofstaates bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit nachvollziehen zu können. Zunächst einmal muss der Begriff „Hofstaat“ definiert werden. Idealtypisch war der Hofstaat lediglich für die persönliche Betreuung des Kurfürsten zuständig, während die Staatsorgane davon getrennt ebenfalls am Hof angesiedelt waren. Beide Funktionsbereiche wiesen zahlreiche personelle wie auch funktionelle Überschneidungen auf, sodass eine scharfe Trennung nicht möglich ist.58 Daher werden beide Bereiche, deren Vertreter gleichermaßen in den Hofkalendern namentlich aufgeführt sind, in dieser Untersuchung berücksichtigt. Bereits Winterling hat mehrfach darauf verwiesen, dass es einen klar abgrenzbaren Hofstaat nicht gegeben hat. Viele der in den Hofkalendern aufgeführten Personen waren nur vorübergehend am Hof anwesend oder bekleideten lediglich ein formales Hofamt.59 Während der Regierungszeit Joseph Clemens’, der die Staatsgeschäfte mit einer Handvoll Vertrauter allein führte, wohnten die adeligen Geheimen Räte außerhalb Bonns – sogar in Freising oder Lüttich –, sodass sie auch nicht an der praktischen Regierung beteiligt waren und lediglich den Titel trugen. Auch unter Clemens August hatten die Geheimen Räte keine politische Funktion.60 Nichtadelige Personen bekleideten ein Amt, das in der Regel mit einer konkreten Tätigkeit und einem Gehalt verbunden war. Der Hofadel musste dagegen sein adeliges Geblüt mit Urkunden und
52 53 54 55 56 57 58 59 60
MIERSCH, Das Bild des Electeur Soleil, S. 161. StAB, I 2 b, BIBER, Chur-Cöllnischer Capellen- und Hoff-Calender für das Jahr 1723. StAB, I 2 b, VOGEL, Kurfürstlich-köllnischer Hof-Kalender für das Jahr 1759. StAB, I 2 b, VOGEL, Kurfürstlich-köllnischer Hof-Kalender für das Jahr 1762. StAB, I 2 b, VOGEL, Kurfürstlich-köllnischer Hof-Kalender auf das Schaltjahr 1776. ULB, Kd 363, VOGEL, Kurfürstlich-köllnischer Hof-Kalender für das Jahr 1790. MÜLLER, Hofstaat – Hofmann – Höfling, S. 43. WINTERLING, Der Hof der Kurfürsten von Köln, S. 78-82. BRAUBACH, Minister, Kanzler, Konferenz und Kabinett, S. 158 und S. 166.
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Hof und Stadt
Genealogien nachweisen, um ein Hofamt zu erhalten. Diese Stellen waren außerdem üblicherweise nicht bezahlt.61 Die Definition des Hofstaates muss sich an der Aufstellung in den Hofkalendern orientieren. Schließlich bilden diese Aufstellungen auch die vorrangige Quelle für die Bestimmung der Größe und Zusammensetzung des Hofstaates. Daher werden alle im Hofkalender verzeichneten Personen in der nachfolgenden Analyse berücksichtigt – bis auf die unter den auswärtigen Ämtern des Erzstifts aufgeführten und die Angehörigen des geistlichen Staates in Köln. Ob und wann diese Personen tatsächlich am Hof in Bonn anwesend waren, spielt für die Untersuchung der Hofgröße zunächst einmal keine Rolle. Tabelle 8 zeigt die Entwicklung der Größe des Hofstaates im Verlauf des 18. Jahrhunderts. Da viele Personen mehrere Ämter innehatten – vorwiegend Adelige –, gab es mehr Ämter als Personen am Hof. Tabelle 8: Größe des Bonner Hofstaates im 18. Jahrhundert Jahr Personen Hofstaat Ämter Hofstaat
1723
1759
1762
1776
1790
561
1.226
627
853
938
592
1.275
674
930
1.204
Quellen: StAB, I b 2, Hofkalender für 1723, 1759, 1762 und 1776; ULB, Kd 363, Hofkalender für 1790.
Der Hofstaat hat sich zwischen 1723 und 1759 mehr als verdoppelt. Im ersten Regierungsjahr Clemens Augusts war er auf Betreiben seines kurkölnischen Statthalters Graf von Manderscheid zu Blankenheim sogar zunächst noch verkleinert worden. Sämtliche von seinem Vorgänger initiierten Bauarbeiten wurden gestoppt, zahlreiche Diener, Musiker, Geistliche, Fecht- und Tanzmeister usw. verließen die Residenz des neuen Kurfürsten,62 denn dieser besuchte seine Residenzstadt erst am 13. Mai 1725.63 Leider liegen keine Aufstellungen des Hofstaates in den Hofkalendern zwischen 1724 und 1759 vor, aber Besoldungslisten des Hofstaates sind für diesen Zeitraum relativ geschlossen überliefert: Aus den Jahren 1732-1750 (1741, 1742 und 1745 fehlt), 1758 und 1760 liegen Besoldungslisten des Hofstaates der Landrentmeisterei vor. In jeder dieser Listen wurde am Anfang der Empfang der Gelder für die Gehälter des Hofstaates aufgeführt. Die Einnahmen kamen aus den Bistümern Clemens Augusts: Die Kammer der münsterschen Landschaft trug den größten Anteil, beispielsweise mit monatlich 3.000 Rtlr. im Jahr 1732. Des Weiteren führten die Domkammer zu Hildesheim, die Bonner Hofkammer, die Landrentmeisterei in Münster sowie der Platzeinnehmer zu Osnabrück Geld für die Bezahlung der Gehälter des Hofstaates ab. Der Hofstaat war in Parteien eingeteilt, wohl ein Äquivalent zu dem gebräuchlicheren Begriff „Stäbe“. Es gab mehrere Parteien: die Kammerherren, die Minister 61 62 63
DOEPGEN, Kurkölnischer Hofadel im 18. Jahrhundert, S. 85. KALNEIN, Das kurfürstliche Schloß Clemensruhe, S. 133. STRAMBERG, Denkwürdiger und nützlicher Rheinischer Antiquarius, Bd. 14, S. 212.
Der kurkölnische Hof in der Stadt
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und geheime Kanzlei, die Kammer, die Geistliche, die Marschall, die Hof- und Hausbedienstete, die Gärtnerei und Bauamt, die Musik, die Stall, die Fourages und die „Gratiosa Partey“. Die Bezeichnung der Parteien und genaue Zusammensetzung unterschied sich deutlich zwischen den Listen. Es wurden jeweils zwischen sechs und acht Parteien aufgeführt und die einzelnen Positionen und Gehälter darunter verzeichnet. Zwar liegt keine Besoldungsliste aus der Zeit Joseph Clemens’ vor, aber der Etat für die Gehälter des Hofstaates lag 1716 bei insgesamt 103.729 Rtlr.64 Die hohen Schulden, die Joseph Clemens bei seinem Tod 1723 hinterließ, zeigen sich auch in der Höhe der ausstehenden Gehälter für seine Hofbediensteten: Insgesamt 60.957 Rtlr. waren zwischen 1719 und 1723 nicht ausgezahlt worden. Die Ausgaben für den Hofstaat lagen deshalb unter Clemens August auch niedriger als unter Joseph Clemens. Während der Regierungsjahre Clemens Augusts, für die Besoldungslisten überliefert sind, oszillierten die Ausgaben für die Gehälter zwischen 52.907 Rtlr. (1744) und 86.015 Rtlr. (1732), wobei kein Trend erkennbar ist. Die Höhe der Ausgaben richtete sich nämlich nach der Höhe der Einnahmen. Ein Teil der Einnahmen wurde an Bedürftige und Honoratioren ausgezahlt, die unter der „Gratiosa Partey“ aufgelistet wurden. Die Höhe der an diese Partei ausgezahlten Gehälter orientierte sich an den Gesamteinnahmen für die Gehälter. So wurden 1732 12.692 Rtlr. an die „Gratiosa Partey“ ausgezahlt, 1760 nur 10.094 Rtlr. Jedoch gab es auch beträchtliche Unterschiede in der Höhe der Gehälter der in anderen Parteien aufgeführten Hofbediensteten. Die Anzahl der ein Gehalt empfangenden Personen unterschied sich leicht von Quartal zu Quartal. Beispielsweise erhielten im ersten Quartal 1732 insgesamt 214 Bedienstete ein Gehalt, im vierten Quartal sogar 254. Die Differenz erklärt sich daraus, dass die unter der „Fourage-Partey“ aufgeführten Bediensteten nur im zweiten und vierten Quartal ihr Gehalt erhielten. Dabei sind die 38 bzw. 40 Personen der „Gratiosa Partey“ nicht berücksichtigt, die Gehälter zwischen 7 Rtlr. (für ein Waisenkind) und 1.233 Rtlr. (für die Gräfin Fugger) pro Quartal bezogen.65 Im Jahr 1760 wurden insgesamt 296 Bedienstete am Bonner Hof besoldet.66 In den dazwischen liegenden Jahren wurde in der Regel nur an etwa 200 Bedienstete ein Gehalt ausgezahlt, daneben erhielten allerdings bis zu 80 Personen der „Gratiosa Partey“ Geld.67 Insgesamt deutet diese Analyse der Besoldungslisten nicht auf eine deutliche Vergrößerung des Hofstaates hin. Möglicherweise bezahlte Clemens August aber aus anderen Mitteln weitere Bedienstete, die in dieser offiziellen Aufstellung der Landrentmeisterei nicht berücksichtigt sind. Zwei Beobachtungen sprechen für diese Annahme: 1. Die Zahl der in den Besoldungslisten aufgeführten Gehaltsempfänger lag unter Max Franz sogar höher als unter Clemens August! 1785 erhielten 192 Hofbedienstete 64 65 66 67
LAV NRW R, Kurköln II, Nr. 634, fol. 7. LAV NRW R, Kurköln II, Nr. 209. Die Gehaltsempfänger der „Gratiosa-Partey“ sind nicht aufgeführt. EICHHOFF, Materialien der geist- und weltlichen Statistick, Bd. 1, S. 120. LAV NRW R, Kurköln II, Nr. 170-178, Nr. 209-215 und Nr. 634.
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ein Gehalt aus den Einnahmen der Landrentmeisterei. Daneben entlohnte Max Franz noch 28 Personen aus der „Chatoulle“, also aus der Ausgabekasse des Regenten, „besonders für den unmittelbaren Gebrauch“68. Vorwiegend wurden damit Mitglieder der Hofkapelle finanziert, aber beispielsweise auch ein Leibchirurg und sogar der Minister von Waldenfels. Aus dieser Kasse wurden auch noch 84 Pensionisten versorgt – zusätzlich zu den 52 Pensionisten der Landrentmeisterei und den 36 des Kriegskommissariats. Insgesamt erhielten also 392 Personen ein Gehalt bzw. eine Pension,69 1786 waren es 342.70 Es ist zu vermuten, dass Clemens August ebenfalls Bedienstete aus seiner häufig aufgrund der zahlreichen Subsidien prall gefüllten „Chatoulle“ bezahlt hat; in den entsprechenden Akten und Protokollen der Hofkammer fanden sich jedoch keine Hinweise darauf. 2. In der Besoldungsliste von 1760 fehlen Hofbedienstete, die zweifelsfrei besoldet wurden. Darunter fallen etwa die Bediensteten der „Gardes Meubles“ oder des Hofbauamtes.71 Dies bestätigt die Vermutung, dass es neben den Gehältern, die aus den Steuereinnahmen der Landrentmeisterei finanziert wurden, weitere Finanzierungsquellen für am Hof beschäftigte Bedienstete gab. Somit stellen die Hofkalender die zuverlässigste Quelle für die Beschreibung der Entwicklung der Größe des Hofes dar. Für die nachfolgende Analyse der Entwicklung des Hofstaates zwischen 1759 und dem Ende des Kurfürstentums stellen daher wiederum die Hofkalender die maßgebliche Quelle dar. Nach dem Tod Clemens Augusts wurde der Hofstaat durch den rigiden Sparkurs unter dem neuen Kurfürsten Max Friedrich innerhalb kürzester Zeit nahezu halbiert. 1761, im Jahr des Regierungswechsels, wurden in den Hofkalendern 865 Personen aufgeführt.72 Allerdings wurde der Hofstaat bis 1790 wieder stetig vergrößert, was aber zu großen Teilen auf die Einrichtungen der Universität, der Armenkommission und des hohen Hofgerichtes zurückgeführt werden kann. Außerdem wurden im Hofkalender von 1790 die Offiziere und einige Unteroffiziere der städtischen Garnison aufgelistet, die in den anderen drei Kalendern fehlen. Deshalb wurden diese 82 Soldaten in dieser Aufstellung nicht berücksichtigt. Ämterhäufungen nahmen im Verlauf des Jahrhunderts kontinuierlich zu. 1790 waren mehr als 200 Ämter am Hof von einer Person besetzt, die bereits mindestens ein anderes Amt bekleidete. Die adelige Hofgesellschaft, die tatsächlich – zumindest zu den regelmäßigen Hoffesten73 – am Hof und damit in Bonn anwesend war, kann nicht mit der Vielzahl der in 68 69 70 71 72 73
KRÜNITZ, Ökonomische Enzyklopädie, Bd. 8, Artikel „Chatoulle“. LAV NRW R, Kurköln II, Nr. 636, fol. 42-83. LAV NRW R, Kurköln II, Nr. 638. Die entsprechenden Posten sind aufgeführt bei LILL/SANDMANN, Verfassung und Verwaltung, S. 49. BODSCH, Der Kurfürst und sein Bonner Hof, S. 161. Es gab zur Zeit Clemens Augusts etwa 94 Hoffesttage im Jahr, also ca. zwei pro Woche, an denen der gesamte Hofstaat in der Weise zu erscheinen hatte wie in der „Hoff-AuffwartungsInstruction“ beschrieben. Die Hoffesttage wurden auch dann abgehalten, wenn der Kurfürst nicht in Bonn weilte. WINTERLING, Der Hof des Kurfürsten Clemens August, S. 130. Die „Hoff-
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den Hofkalendern genannten Adeligen gleichgesetzt werden, die nur aufgrund ihres Ehrentitels – beispielsweise als Kämmerer – aufgeführt wurden. Tatsächlich nahm von den 377 im Hofkalender von 1759 genannten Adeligen nur eine Minderheit an den Hoffesten teil. Nach der von Winterling rekonstruierten Liste derer, die an den Hoffesttagen zu Beginn des Jahres 1745 teilnahmen, zählten nur 37 Adelige zum Kreis der regelmäßig anwesenden Teilnehmer – die Ehefrauen sind sowohl hier als auch in den Hofkalendern nicht berücksichtigt. Dabei handelte es sich fast ausnahmslos um besoldete Kämmerer und um Inhaber der höchsten Ämter am Hof – wie den Obristhofmarschall und den Obriststallmeister – sowie der höchsten Regierungsämter, wie den Obristlandhofmeister und den Hofkammerpräsidenten.74 Es ist davon auszugehen, dass dieser erlesene Kreis, von dem nur ein Drittel aus dem Erzstift selbst stammte, in Bonn sesshaft war, denn die regelmäßigen Verpflichtungen am Hof erforderten die Anwesenheit vor Ort. Die adelige Hofgesellschaft Clemens Augusts, die ihm Tag für Tag – oft auch auf Reisen – zur Seite stand, umfasste hingegen in den 1740er Jahren nur 16 Personen, darunter die Gesandten Frankreichs, Österreichs, Bayerns, der Vereinigten Niederlande und Hannovers sowie vereinzelt Inhaber der höchsten Hofämter, wie den Obristhofmeister und weitere Adelige; diese wetteiferten um die Gunst des Kurfürsten.75 Zu den besonderen Festen, wie Karneval oder Geburtstagen des Kurfürsten, erschienen nach Aussage des französischen Gesandten Aunillon Mitte der 1740er Jahre etwa 100 Personen. Zwei überlieferte Teilnehmerlisten von Bauernhochzeiten aus den Jahren 1730 bzw. 1733 bestätigen diese Beobachtung: Nur 37 der insgesamt 87 genannten Familien nahmen an beiden Festen teil. Darüber hinaus waren 76 dieser Familien landfremd. Somit erschienen an diesen besonderen Festtagen viele fremde Gäste, die als Adelige andere Territorien repräsentierten und auch nicht zum erweiterten Kreis des Hofstaates gezählt werden können.76 Bereits in den Hofaufwartungsinstruktionen wurden „Frembd-durchreisende“ berücksichtigt, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass sich ständig eine beträchtliche Zahl an fremden Gästen am Hof aufhielt.77 Obwohl beide Nachfolger Clemens Augusts keine Anhänger des höfischen Zeremoniells und höfischer Solennität waren und die Anzahl der Zusammenkünfte durch Feiertagsreduktionen sogar aktiv verminderten, schienen die Hofbediensteten selbst jegliches Interesse an den offiziellen Hoffesten verloren zu haben. Dies nahm solche Ausmaße an, dass sich sowohl Max Friedrich als auch Max Franz sogar über die mangelnde Teilnahme der Hofbediensteten an den regelmäßigen Zusammenkünften,
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Aufwarttungs-Instruction“ vom 7. November 1717, auf der alle nachfolgend erlassenen Ordnungen basierten, ist abgedruckt bei WINTERLING, Der Hof der Kurfürsten von Köln, S. 222229. Ebd., S. 96 f. Ebd., S. 95. Ebd., S. 98 f. In den Hofaufwartungsinstruktionen wurde die Gruppe der „Frembd-durchreisenden“ je nach Rang am Ende der jeweils sechs verschiedenen Plätze für die Aufwartung aufgeführt. Die Instruktion vom 7. November 1717, eine Erneuerung der Instruktion von 1701, die unter Clemens August in abgekürzter Version erneuert wurde, ist abgedruckt bei WINTERLING, Der Hof der Kurfürsten von Köln, S. 222-229.
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wie beispielsweise dem sonntäglichen Kirchgang, beschwerten.78 Diese Entwicklung darf aber auch nicht überbewertet werden; sie war möglicherweise auch dem neuen aufgeklärten Zeitgeist geschuldet, der sich gegen die prunkvollen barocken Feste wandte. Trotzdem erlebte das Hofleben unter Max Franz eine letzte Blüte, die mit einem Maskenball mit über 2.000 Gästen zu seiner Koadjutorwahl 1780 eingeläutet wurde.79 Das Theater und die Hofmusik sowie weitere kulturelle Einrichtungen am Hof standen nun auch vermehrt den Bürgern Bonns offen. Der Charakter der Feste entwickelte sich von einer adeligen Hof- zu einer bürgerlichen Staatsgesellschaft. Dies beförderte Max Franz wesentlich durch seine leutselige Art und die Missachtung der höfischen Etikette. Dennoch blieb der Bonner Hof ein Anziehungsmagnet für Adelige aus ganz Europa, wie der Autor einer zeitgenössischen Reisebeschreibung betont.80 Wie groß war der Bonner Hof am Ende des 18. Jahrhunderts verglichen mit den anderen geistlichen Residenzen am Rhein? François behauptet zwar, in Koblenz hätte ein Fünftel der Bevölkerung, d. h. etwa 1.700 Personen, „unmittelbar im Dienste des Kurfürsten und Erzbischofs“81 gestanden. Dabei grenzt er den Kreis dieser Personen aber nicht näher ein. Ausführlichere Untersuchungen anhand der Hofkalender haben ergeben, dass im Jahr 1773 466 Personen und im Jahr 1794 421 Personen entweder am Hof selbst oder in einer Zentralbehörde in Koblenz bzw. Ehrenbreitstein beschäftigt waren.82 Der Koblenzer bzw. Ehrenbreitsteiner Hof war daher im Vergleich zu Bonn etwa halb so groß. Zwar waren neben dem geistlichen Staat – ähnlich wie in Kurköln, wo sich der geistliche Staat in Köln befand – auch Teile des Hofrates und anderer Behörden in Trier verblieben, aber dennoch war der Bonner Hof deutlich größer als der Kurtrierische. Die „vornehmste geistliche Residenz im Reich“83 und Sitz des Erzkanzlers, nämlich Mainz, umfasste einen erstaunlich kleinen Hofstaat. 1743 gab es in Mainz lediglich 185 Stellen am Hof, 1793 auch nur 397. Dabei sind jedoch weder die Geistlichen noch die landesherrliche Verwaltung berücksichtigt.84 Dennoch war der Hof eher klein. Es wurden im Mainzer Hofkalender von 1790 insgesamt nur 90 Adelige verzeichnet,85 in Bonn hatten dagegen im selben Jahr 297 Adelige eine Stelle am Hof inne. Somit kann konstatiert werden, dass der Bonner Hof trotz der im Vergleich zu Mainz geringeren politischen Bedeutung im Reichsverband auch am Ende des 18. Jahrhunderts weitaus größer und repräsentativer war als der Kurmainzische oder der 78 79 80 81 82 83 84 85
WINTERLING, Der Hof der Kurfürsten von Köln, S. 137. VOGEL, Die Rücksicht auf den ehemaligen Wohlstand, S. 40. KLEBE, Reise auf dem Rhein, S. 507 f. FRANÇOIS, Bevölkerungs- und Sozialstrukturen, S. 307; Kurfürstlich-Trierischer Staats- und Hofkalender auf das Jahr 1790. Analog zu Bonn sind dabei Advokaten und Notare, die sich praktisch in der Vorbereitung auf den Staatsdienst befanden, nicht berücksichtigt. DOLLEN, Die Koblenzer Neustadt, S. 193 f. RÖDEL, Leben, Lieben, Sterben, S. 655. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 63. Dagegen sind die Beamten der Zentralbehörden in den kurkölnischen Hofkalendern aufgeführt. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 63.
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Kurtrierische. Demnach hat er auch größeren Einfluss auf das städtische Leben genommen als in den beiden anderen Residenzstädten, zumal Bonn kleiner als Mainz und etwa so groß wie Koblenz war. Weltliche Höfe, wie der Münchener, waren hingegen im Allgemeinen deutlich größer als die Geistlichen. 1781 waren fast 5.000 Personen der insgesamt 37.840 Einwohner Münchens in eine der vier Stäbe des „Oberstkämmerers“, „Obersthofmeisters“, „Obersthofmarschalls“ und des „Oberstallmeisters“ einschließlich der Hofjagd, der Hofmusik und des Theaters eingeteilt. Hinzukommen weitere 4.460 Personen, die als Beamte in den Zentralbehörden tätig waren, sowie 4.140 Angehörige des Militärs. In Mannheim gehörten im Jahr 1771 4.470 Personen – 20,9 % der Gesamtbevölkerung – dem Hof oder der landesherrlichen Verwaltung an. Dabei sind die 6.733 Militärangehörigen nicht berücksichtigt.86 Daher muss die Klassifikation, die Rainer Müller für die mehr als 300 Höfe im Reich vorgenommen hat, für geistliche Höfe angepasst werden. Nach dieser Klassifikation umfasste ein Fürsten- bzw. Kurfürstenhof im 18. Jahrhundert 1.000-1.500 Menschen.87 Bis auf den Bonner Hof in der Mitte des 18. Jahrhunderts erreichte aber keiner der anderen geistlichen Höfe auch nur annähernd solche Ausmaße. Geistliche Höfe blieben im Vergleich zu den weltlichen eher klein; deshalb sticht der prachtvolle Hof unter Clemens August umso mehr hervor. Die Veränderung der Zahl der am Hof beschäftigen Personen allein vermag den sich wandelnden Hof aber nur unzureichend zu charakterisieren. Wer musste nach dem Tod Clemens Augusts den Hof verlassen? Wurden in den nachfolgenden Jahrzehnten wieder die alten Ämter eingeführt oder gab es auch gänzlich neue? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden die Stäbe des Hofstaates hinsichtlich ihrer Zusammensetzung einzeln untersucht. Der „Obristkämmerer Stab“ bestand 1759 aus 276 adeligen kurfürstlichen Kämmerern, die in der Reihenfolge ihres Titelerwerbs aufgeführt sind. Unter diesen Kämmerern waren Adelige aus dem gesamten Reichgebiet vertreten, u. a. der Freiherr von Henneberg, der Graf von Bentheim und der Freiherr von Helmstadt, die wohl kaum alle an den regelmäßigen Hoffesten in Bonn teilnahmen – den „Gala-Tägen“, an denen der gesamte Hofstaat zu erscheinen hatte und die im 18. Jahrhundert immerhin zwischen 78 und 111 Mal pro Jahr stattfanden. Vielmehr galten lediglich 98 als Dienst ausübend, d. h. nur etwas mehr als ein Drittel der verzeichneten Kämmerer erschien tatsächlich am Hof.88 Bei den anderen Kämmerern handelte es sich also um Inhaber eines formalen Titels, der nicht mit konkreten Pflichten am Hof verbunden war. 1762 wurden nur noch 30 kurfürstliche Kämmerer, ausnahmslos landständischer Adel, im Hofkalender aufgeführt. 1776 waren wiederum 97 als kurfürstliche Kämmerer verzeichnet und 1790 bekleideten 118 Männer das Amt eines kurfürstlichen Kämmerers. Nur wenige dieser Kämmerer erhielten unter Max Friedrich ein Gehalt; 1783 waren es gerade einmal zwölf.89 86 87 88 89
MÖRZ, Glanz der Residenz, S. 397. MÜLLER, Der Fürstenhof, S. 30. PIEPER, Organisation und Verwaltung, S. 70. Ebd., S. 71.
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Unter Clemens August gab es 1759 eine „Churfürstliche Leib Garden Hatschierer Compagnie“ mit 100 Hatschieren und 13 Offizieren bzw. Unteroffizieren und eine „Churfürstliche Leib Garden Trabanten Compagnie“ mit 50 Leibgardisten und 12 Offizieren bzw. Unteroffizieren. Im Hofkalender von 1762 wurden beide Kompanien zu einer „Leib Garden Compagnie“ mit insgesamt 13 Offizieren bzw. Unteroffizieren und 50 Gardisten zusammengefasst. Somit wurden die der Repräsentation dienenden militärischen Einheiten um weit mehr als die Hälfte verkleinert. 1776 blieb die Einheit unverändert, doch 1790 waren es nur noch 13 Offiziere bzw. Unteroffiziere und 36 Leibgardisten. Neben dem „Churfürstlichen Ober-Jäger-Meister Amt“ gab es unter Clemens August noch ein „Par Force-Jagd Amt“ und ein „Ober-Falcken-Meister Amt“ mit einer „Milanen-Partie“ und einer „Krähe-Parthyen“. Insgesamt waren in diesen Ämtern 62 Personen beschäftigt; dabei sind das Vestische und das Westfälische Jagdamt nicht berücksichtigt. Unter dem Nachfolger Clemens Augusts wurden bis auf das „Churfürstliche Ober-Jäger-Meister Amt“ alle weiteren die Jagd betreffenden Ämter aufgelöst. Max Franz, der das Jagen gänzlich ablehnte, führte weitere Einsparungen durch.90 Die dem „Obrist-Stallmeister Stab“ angegliederte Reitschule beschäftigte 1759 allein schon 102 Personen, vorwiegend einfache Knechte. 1762 bzw. 1776 waren nur noch 67 bzw. 69 Personen im Stall tätig und 1790 waren es sogar nur noch 51 Beschäftigte. Viele Ämter blieben aber auch unverändert stark besetzt, so etwa das Hofbauamt und das Hofküchenamt. Auch die Zahl der Zimmerputzer und Hoflakaien veränderte sich zwischen 1759 und 1790 nahezu nicht. Doch nicht alle Stäbe bzw. Ämter wurden verkleinert. Die prestigeträchtige Hofkapelle, die bereits 1723 23 Musiker umfasste, bestand 1759 aus 34 Musikern. Sie wurde auch nach dem Regierungsantritt Max Friedrichs nicht verkleinert, sondern bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit kontinuierlich vergrößert.91 1790 bestand sie aus 53 Musikern, weil infolge der Wiedereröffnung des Theaters 1789 mehr Musiker in die Kapelle eingestellt worden waren: Die Mitglieder der Hofkapelle waren nämlich zum Dienst im Theater verpflichtet.92 Insbesondere die für eine gut funktionierende Verwaltung wichtigen Ämter wurden unter Max Friedrich ausgebaut. Beispielsweise vergrößerte sich die Zahl der „Wirklichen Hofkammerräte“ zwischen 1759 und 1762 von 19 auf 23, während die Zahl der „Adeligen Hofkammerräte“ von 25 auf acht zurückging. Die Zahl der „Wirklichen Geheimen Räten“ nahm von 13 im Jahr 1759 über 20 im Jahr 1762 sowie 1776 auf 23 im Jahr 1790 zu, wohingegen die Zahl der „Adeligen Geheimen Räte“ von 39 im Jahr 1759 über 23 im Jahr 1762 und 17 im Jahr 1776 auf nur drei im Jahr 1790 abnahm. Die Entwicklung der Titularämter kann vernachlässigt werden, da diese Ämter an Beamte – häufig Juristen – für ihre geleisteten Dienste vom Kurfürsten selbst verliehen wurden. Daher nahm ihre Zahl stets zu, je länger der jeweilige 90 91 92
PIEPER, Organisation und Verwaltung, S. 56. Größe und Besetzung der Hofkapelle während des gesamten 18. Jahrhunderts sind ausführlich dargestellt bei VALDER-KNECHTGES, Die Musikgeschichte. Ebd., S. 500.
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Kurfürst regierte. Es war damit eine rein formale Auszeichnung, die weder mit Rechten noch mit Pflichten verbunden war.93 Deshalb ging die Zahl der Titularhofräte von 25 im Jahr 1759 auf nur noch sieben im Jahr 1762 zurück. Im Hofkalender von 1790 wurden jedoch sogar schon nach sechs Jahren Regierungszeit 56 Titularhofräte aufgeführt. Sicherlich hatten sich viele kurkölnische Verwaltungsbeamte bei der Umsetzung der zahlreichen Reformen unter Max Franz verdient gemacht. Auch wurde unter Max Franz ein Archiv des Hofrates eingerichtet, für das zwei Archivare eingestellt wurden. Daneben wurden die Bediensteten des „Weltlichen Hofgerichts“ und der „Armenkommission“ im Hofkalender von 1790 verzeichnet. Insgesamt kann jedoch festgestellt werden – ohne auf jedes einzelne Amt einzugehen –, dass sich die zunehmende Professionalisierung der Verwaltung in der Zusammensetzung des Hofstaates widerspiegelt. Die wirklichen Räte verfügten in der Regel über eine juristische Ausbildung. Sie waren aber im Gegensatz zu den adeligen Räten nicht regelmäßig bei den Hofratssitzungen anwesend. Nach den Hofratsprotokollen nahmen am Ende der kurfürstlichen Zeit von insgesamt 30 Hofräten nur etwa zwölf regelmäßig an den Sitzungen teil.94 Es kann jedoch vermutet werden, dass der Hofstaat vor Beginn des Siebenjährigen Krieges womöglich noch größer war. Auch wenn die Besoldungslisten – wie gezeigt – über den gesamten besoldeten Hofstaat keinen Aufschluss geben, sprechen Veränderungen in einzelnen Stäben dafür: Beispielsweise beschäftige die Hofküche 1734 insgesamt 68 Personen, 1759 nur noch 26.95 Die Zunahme des Hofstaates 1790 im Vergleich zu 1776 lag nicht zuletzt auch an der Berücksichtigung der insgesamt 40 Bediensteten der Universität, des hohen Weltlichen Gerichts – bei dem allein 178 zugelassene Anwälte, sogenannte „Legalisierte Advokaten“, verzeichnet wurden –, sowie der Armen-, Schul- und Kasernenkommission. Die Entwicklung der Zusammensetzung des Hofstaates zeigt, dass vor allem die repräsentativen Ämter nach dem Tod Clemens Augusts stark vermindert wurden; hierzu zählten neben den Soldaten sowie den verschiedenen Jagdämtern und der Reitschule vor allem die adeligen Titularräte und Kämmerer. Unter Clemens August erreichte der Hofstaat nach einer vorübergehenden Verkleinerung zu Beginn seiner Regierungszeit seinen größten Umfang. Nach einer radikalen Verkleinerung zu Beginn der Regierungszeit Max Friedrichs wurde der Hofstaat wieder vergrößert, wobei die meisten Ämter, die neu eingerichtet wurden, dazu dienten, eine effizientere Regierung und Verwaltung des Landes zu gewährleisten.
93 94 95
SCHULZ, Der kurkölnische Hofrat, S. 36. EISENHARDT, Aufgabenbereich und Bedeutung, S. 5. WINKLER, Studien zur Versorgung, S. 275 f.
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4.1.2 Hofangehörige als Einwohner Bonns Um beurteilen zu können, wie sich diese Verkleinerung des Hofstaates auf die Stadt auswirkte, muss zunächst einmal geklärt werden, wie viele der Hofangehörigen tatsächlich in Bonn lebten bzw. sich hauptsächlich dort aufhielten. Diese Frage wurde bereits für Koblenz zu beantworten versucht. Dort konnten trotz umfangreicher Quellenstudien nur die Wohnorte von insgesamt 243 der insgesamt 514 im Hofkalender verzeichneten Personen nachgewiesen werden. Etwa 214 davon wohnten in Koblenz selbst, also etwa 85,6 % der Nachgewiesenen.96 Aus dem Jahr 1732 liegt eine Liste vor, in denen die im Pfarrbezirk St. Remigius wohnenden Hofbediensteten nach Straßen geordnet verzeichnet wurden. Anlass war der Aufbau des Kirchturms der Pfarrkirche St. Remigius, der während des Bombardements von 1689 zerstört und in den nachfolgenden Jahren nicht wieder errichtet worden war. Bereits am 23. August 1721 hatte der Kurfürst befohlen, „daß dero in St. Remigius pfaar wohnenden Hofbediente zu wiedererbauung selbigen pfaar kirchenthurms ein billigmäßiges beizutragen hätten“97. Es wurde wohl eine Liste der beitragspflichtigen Hofbediensteten angefertigt. Jedoch schien sich der Bau des Kirchturms hinauszuzögern, denn der Hofrat von Imbertatus legte einem Brief an den Kurfürsten vom 24. Mai 1732 ein erneuertes Verzeichnis bei, weil in den vergangenen elf Jahren viele der Hofbediensteten umgezogen waren.98 Aufgeführt wurden nur die Haushaltsvorstände der zur Pfarrei St. Remigius gehörenden Hofbediensteten, die entsprechend ihrem Vermögen zwischen einem halben und 12 Rtlr. entrichten mussten. Die Finanzkraft der Hofbediensteten divergierte stark: Es finden sich Witwen von Hofpagen oder Hoflakaien, die sich als Wasch- oder Nähfrauen durchschlagen mussten, ebenso wie verschiedene Räte und der Hofoberküchenmeister von Gudenaw, der mit 12 Rtlr. den größten Beitrag zum Aufbau des Kirchturms leistete. 90 der insgesamt 226 aufgeführten Haushalte mussten nur einen halben Rtlr. entrichten. Der Großteil der Hofangehörigen wohnte in der Stockenstraße und in der Wenzelgasse.99 Daneben finden sich noch einige andere Straßen, aber merkwürdigerweise nicht der Markt, wo am Ende der kurfürstlichen Zeit viele Hofbedienstete wohnten.100 Möglicherweise dominierte noch die Bürgerschaft am Markt, und erst im Verlauf des Jahrhunderts bezogen zunehmend Hofbedienstete Wohnungen in dieser populären Wohnlage. Der Kreis dieser 90 ärmeren Haushalte setzte sich aus Witwen von Hofbediensteten und den unteren Bediensteten – Pagen, Lakaien, Trabanten, Pförtner, Diener, Kutscher, Sesselträger, Hauboisten usw. – zusammen. Neben Witwen von Hofbediensteten mussten auch zahlreiche der unteren Hofbediensteten zusätzlich arbeiten, um ihr niedriges Einkommen aufzubessern. Auch die Wohnungen vieler Hofbediensteter ähnelten denen eines Tagelöhners, manche lebten in den Kasernen mit anderen 96 97 98 99 100
DOLLEN, Die Koblenzer Neustadt, S. 196, Tabelle 3. LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 671, fol. 4. LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 671, fol. 5r. LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 671, fol. 8-14. Vgl. Kapitel 3.3.
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armen Bevölkerungskreisen unter einem Dach. Daher erscheint es fraglich, ob sich die Hofbediensteten grundsätzlich wirtschaftlich „wesentlich besser standen“ als die Bürger, wie dies für Saarbrücken angenommen wird.101 Damit dies für Bonn geprüft werden kann, werden die Löhne von den unteren Hofbediensteten aus dem Jahr 1760102 mit denen von Tagelöhnern verglichen. Die Löhne der Hofbediensteten variierten stark. Sowohl der Hofratpräsident als auch der Hofkammerpräsident erhielten jährlich 975 Rtlr. „Spitzenverdiener“ war jedoch der Obristhofmarschall mit 1.950 Rtlr. Die Spannweite der Löhne war bei den unteren Bediensteten wesentlich geringer: Kellerknechte und -diener, Tafeldecker, Gärtner, Pförtner, Wachtmeister und Jäger verdienten jährlich zwischen 62 und 125 Rtlr., während Spülerinnen, Kanzleiboten, Lehrköche, Kehrweiber nur mit 31-52 Rtlr. pro Jahr entlohnt wurden. Wie viel verdiente ein Tagelöhner in Bonn? Nach einer zeitgenössischen Quelle aus dem Jahr 1792 verdiente ein Hilfsarbeiter im Baugewerbe 15 Stüber und ein Geselle 21 Stüber am Tag. Bei durchschnittlich 260 Arbeitstagen im Jahr betrug der Jahreslohn eines Hilfsarbeiters 65 Rtlr. und der eines Gesellen 91 Rtlr.103 In Koblenz lag der Durchschnittslohn eines Tagelöhners, der nicht vom Arbeitgeber verköstigt wurde, am Ende des 18. Jahrhunderts bei 80-90 Rtlr.; in Mainz verdiente ein Tagelöhner etwas mehr als in Koblenz.104 Der Geldlohn nahm jedoch zwischen 1760 und 1790 stark zu,105 weshalb zum Vergleich die Tagelöhne aus anderen Städten aus der Mitte des Jahrhunderts herangezogen werden. Ein Zimmermanngeselle verdiente 1770 in Mainz zwischen 26 und 32 Kreuzer am Tag, also bei 260 Arbeitstagen maximal 83 Rtlr. im Jahr.106 In Hannover erhielt ein „Arbeitsmann“ 1761/62 durchschnittlich sogar 108 Rtlr. und eine „Waschfrau“ immerhin 86 Rtlr. im Jahr.107 Auch wenn es neben dem Geldlohn weitere Lohnformen gab und die Hofbediensteten überdies viele Privilegien genossen, zeigen diese Vergleiche, dass die unteren Hofbediensteten wirtschaftlich auf Augenhöhe mit den städtischen Unterschichten standen. Dennoch rangierten sie in der Sozialhierarchie einer Residenzstadt mithin sogar über den höchsten bürgerlichen Vertretern.108 Leider fehlen die den anderen drei Pfarreien angehörenden Hofbediensteten, sodass die Gesamtzahl der in Bonn wohnenden Hofbediensteten für das Jahr 1732 unbekannt bleibt. Jedoch geben die Seelenregister der drei kleineren Pfarreien von 1720 einige Anhaltspunkte zur Anzahl der Hofbediensteten in den einzelnen Pfarreien. Während im Pfarrbezirk von St. Gangolf vor allem Stallknechte, Lakaien und Sessel101 102 103 104 105
106 107 108
JUNG, Zwischen Ackerbau und Fürstenhof, S. 372. EICHHOFF, Materialien zur geist- und weltlichen Statistick, Bd. 1, S. 106-120. BECKER/HERBORN, Von der Nahrung, S. 111. FRANÇOIS, Unterschichten und Armut, S. 436. REITH, Lohn und Leistung, S. 112-114. An dieser Stelle interessiert nur der Nominalwert des Lohnes, der Reallohn ist im gleichen Zeitraum enorm gesunken. PFISTER, Consumer prices and wages, S. 17, Figure 3. Leiendecker und Maurer erhielten einen ähnlich hohen Lohn. REITH, Lohn und Leistung, S. 401, Anhang Nr. 1, Tabelle 2. HAUPTMEYER, Die Residenzstadt, S. 239. Ebd., S. 373.
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träger – also Hofbedienstete niederen Ranges – und in St. Petrus zu Dietkirchen nur einige wenige Hatschiere und Offiziere wohnten, gehörten der Pfarrei St. Martin viele der hohen Hofbediensteten an.109 Insgesamt haben aber 1720 nur etwa 60 Hofangehörige mit ihren Familien in diesen drei Pfarrbezirken gewohnt. Falls sich diese Zahl bis 1732 nicht grundlegend verändert haben sollte – was angesichts des starken Bevölkerungswachstums zwischen 1720 und 1732 aber eine eher konservative Annahme ist –, wohnten demnach etwa 300 Hofbedienstete im Jahr 1732 in Bonn. Da gerade die Haushalte der adeligen und hochrangigen Bediensteten besonders groß waren – im Durchschnitt ca. sechs Personen110 –, unterstanden von den ca. 8.000 Einwohnern etwa 1.800 direkt dem Hof. Durch einen Vergleich der Namen des Hofkalenders von 1790 mit den Zustandstabellen111 konnten lediglich 212 Hofangehörige nachgewiesen werden, die in Bonn wohnten. Allerdings ließen verschiedene Schreibvarianten der Namen eine korrekte Zuordnung aller Personen nicht zu.112 Außerdem wurden 85 Personen im Hofkalender ohne Namen verzeichnet, bei denen es sich wohl um Knechte bzw. Soldaten handelte. Dieser Personenkreis wohnte sicherlich auch in Bonn selbst; deshalb kann er hinzugerechnet werden. Wesentlich exakter und zuverlässiger sind die Berufsangaben in den Zustandstabellen selbst, die auch bereits von Dietz ausgezählt wurden. Er hat 364 „Hofbeamte und Diener“, außerdem 50 „Bediente des Adels“ ermittelt, insgesamt also 414 Personen.113 In der vorliegenden Untersuchung wurden zwei Kategorien für am Hof Beschäftigte gebildet, zum einen „Hofadel und hohe Beamte“ und zum anderen alle anderen „Hofbediensteten“. 108 konnten dem Adel bzw. den hohen Beamten zugeordnet werden, während 306 Personen Bedienstete am Hof oder bei am Hof vertretenen Adeligen waren. Insgesamt sind es wie bei Dietz 414 Personen – dies ist angesichts der Schwierigkeiten beim Zuordnen der zahlreichen Berufsbezeichnungen zu Kategorien eine erstaunliche 100-prozentige Übereinstimmung. Daher dürfte es sich bei dem von Dietz gezählten Personenkreis von 364 Angehörigen des Hofes tatsächlich um Hofämter innehabende Personen handeln, während die „Bedienten des Adels“ nicht zum Hofstaat selbst zählten.114 Es müssen jedoch noch die Hofangehörigen hinzugezählt werden, die im Schloss selbst wohnten und daher in den Zustandstabellen nicht aufgeführt sind. 109 110 111
112
113 114
LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 672. Vgl. Kapitel 6.2. Zwar wurde der Hofkalender für 1790 bereits Ende 1789 erstellt, aber die zeitliche Nähe ist dennoch gegeben, weil die Angaben der Zustandstabellen zeitverzögert zusammengestellt wurden. Es wurde eine relationale Verknüpfung mit MS Access hergestellt. Trotz des Versuchs, dieSchreibweisen zu vereinheitlichen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige Personen dennoch nicht korrekt einander zugeordnet wurden. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 246. Ennen hat 372 Personen für den Hof veranschlagt, Höroldt nur 352. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 246 f.; HÖROLDT, Die Sozialstruktur der Stadt Bonn, Tabelle 1, S. 286.
Der kurkölnische Hof in der Stadt
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Im Schloss selbst übernachteten neben dem Kurfürsten nur wenige Personen, wie aus einer Kammerordnung von 1698 hervorgeht.115 Selbst unter Clemens August dürften es kaum mehr als 30 Personen gewesen sein. Der letzte Kurfürst, Max Franz, wohnte sogar selbst nicht im Schloss, sondern in einem großen Haus in der Fischergasse, dem Vorgängerbau des späteren Oberbergamtes und heutigen Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn.116 Außerdem wohnten viele der Hofbediensteten im benachbarten Poppelsdorf, darunter auch einige, die vorwiegend am Bonner Hof und nicht in Schloss Clemensruhe ihrem Amt nachgingen.117 Somit war weniger als die Hälfte der dem Hofstaat angehörenden Personen in der Stadt selbst ansässig. Von den in den Zustandstabellen aufgeführten Beamten und Hofbediensteten wohnten einige außerdem nur zur Miete in städtischen Bürgerhäusern. Allein am Markt waren es 1790 zwölf Bedienstete, Beamte und Adelige des Hofstaates, darunter der Professor und Leibchirurg Ney, der englische Sprachmeister Kitschel und der Hofkammerrat von Blum.118 Auch in anderen Straßen, vor allem in der Stockenstraße und der Fürstenstraße wohnten zahlreiche Angehörige des Hofes zur Miete, gerade auch hohe Beamte und Adelige.119 Nur wenige bewohnten eines der großen Adelspalais in der Nähe des Rheins, darunter der Graf von Metternich und der Oberjägermeister von Weichs.120 Bereits im Verzeichnis der Pfarrgenossen von St. Martin von 1720 wird bei einigen Hofangehörigen darauf verwiesen, dass sie nur vorübergehend in der Stadt seien. So heißt es in einer Randnotiz neben dem Haus der Kanoniker Bartholomaeus und Ferdinandus Kleinholtz: „In diesem hauß pflegen allezuoft zu logiren beyde herren Dombherr und Cammerrath Moers mit seinen dienern auch herr von Geyr Hofrath mit seinen Knechten.“121 Auch bei anderen Häusern finden sich Vermerke, dass Angehörige des Hofes sich dort vorübergehend aufhielten. Möglicherweise pendelten noch einige der Bediensteten zwischen Köln und Bonn, schließlich waren 1720 erst fünf Jahre seit der Rückkehr Joseph Clemens’ und der Herrschaft des Kölner Domkapitels vergangen. Die adeligen Inhaber eines Hofamtes wohnten sicherlich nur deshalb in Bonn zur Miete, weil sie ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt auf einem Palais oder Schloss außerhalb Bonns hatten, zumal Ehefrauen und Kinder auffallend oft nicht in den Zustandstabellen verzeichnet wurden. Es wurde schon die Vermutung geäußert, die Adeligen hätten „ihren Wohnsitz zumindest während der Wintermonate in Stadthäusern der Residenzstadt“122 genommen. 115 116 117 118 119 120 121 122
WINTERLING, Der Hof der Kurfürsten von Köln, S. 78. BRAUBACH, Maria Theresias jüngster Sohn, S. 236 f. DOLLEN, Vorortbildung und Residenzfunktion, S. 139-142. Nur für wenige Straßen hat Dietz die Bewohner und Mieter einzeln aufgeführt, darunter der Markt. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 2, S. 435-487. Das Hofpersonal wohnte generell in der Nähe des Schlosses, ob zur Miete oder im eigenen Haus. PIEPER, Organisation und Verwaltung, S. 33. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 2, S. 673. LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 672, fol. 22r. LANGBRANDTNER, Anwesenheit am landesherrlichen Hof, S. 156.
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Hof und Stadt
Der kurfürstliche Hof war demnach im Vergleich zu denjenigen der anderen beiden geistlichen Kurfürstentümer wesentlich größer, vor allem unter Clemens August. Die Bedeutung des Hofes, der in allen Residenzstädten im 18. Jahrhundert nicht nur wirtschaftliche, sondern auch kulturelle Vorteile für die gesamte Einwohnerschaft mit sich brachte, war in Bonn also noch größer als in Mainz oder Koblenz. Der Hof in Bonn wurde in den 1760er Jahren massiv verkleinert, gleichzeitig aber auch professionalisiert. Die Mehrzahl des in den Hofkalendern aufgeführten Hofstaates wohnte nicht in Bonn selbst, sondern außerhalb. Dennoch bildeten die am Hof Beschäftigten eine der größten und wichtigsten Gruppen innerhalb der Residenzstadt.
4.2 Das Verhältnis der Stadt zur Landesherrschaft Die Einwohner der Stadt hatten keinen gemeinsamen rechtlichen Status, sondern genossen unterschiedliche Rechte und Pflichten. Die städtische Gemeinde setzte sich aus Bürgern, Eingesessenen und Juden zusammen. Im Gegensatz zu den Bürgern besaßen die Eingesessenen, die in anderen Städten Hintersassen oder Beigesessene genannt wurden, keine Immobilien. Sie hatten nur ein zeitlich befristetes Aufenthaltsrecht und durften keiner Zunft beitreten.123 Die Zahl der Eingesessenen, zu der nicht die in der Immunität des Stifts St. Cassius und Florentius stehenden Geistlichen oder die Hofangehörigen zählten, wurde leider nicht separat erhoben. Sie dürfte aber niedrig gewesen sein, da der Rat bestrebt war, willkommenen Neuankömmlingen das Bürgerrecht zu gewähren – bei Armut auch für ein günstigeres Bürgergeld. In Mainz betrug der Anteil der Beisassen und Tolerierten, d. h. Nicht-Katholiken, im Jahr 1792 nur 15 %; 85 % der Einwohner besaßen das Bürgerrecht.124 Charakteristisch für frühneuzeitliche Residenzstädte ist jedoch die eximierte Stellung der Hofangehörigen: Sie unterstanden nicht der städtischen Jurisdiktion, sondern der des Hofes. Die Hofadeligen, die in der Stadt Häuser oder vielmehr Palais besaßen, waren von sämtlichen städtischen Abgaben befreit. Die nichtadeligen Hofbediensteten waren ebenfalls von den bürgerlichen Steuern befreit, sofern sie kein bürgerliches Gewerbe betrieben. Die Konflikte zwischen Stadtrat, Zünften und dem Landesherrn bzw. zwischen Bürgern und den eximierten Hofbediensteten bestanden während des gesamten Zeitraumes von etwa 200 Jahren, in denen Bonn als Haupt- und Residenzstadt Kurkölns fungierte. Das Verhältnis der Stadt zur Landesherrschaft hat Schott in einer umfangreichen Studie am Beispiel der geistlichen Residenzstadt Würzburg untersucht.125 Ein Vergleich mit den Ergebnissen dieser Studie soll im Folgenden aufzeigen, inwiefern im Fall Bonn typische Merkmale von geistlichen Residenzstädten vorliegen oder ob Bonn Besonderheiten aufweist.
123 124 125
StAB, II c 37, Vollständige Sammlung, Bd. 2, Erneuerte Polizeiordnung von 1698, S. 302-304. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 72, Tabelle 8. SCHOTT, Das Verhältnis der Stadt Würzburg zur Landesherrschaft.
Das Verhältnis der Stadt zur Landesherrschaft
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4.2.1 Das Verhältnis zwischen Bürgern und eximierten Einwohnern Bevor das Verhältnis des Magistrats zur Landesherrschaft untersucht wird, steht das Spannungsverhältnis zwischen Bürgern und Hofbediensteten im Vordergrund der Analyse. Die Bürger der Stadt, die Mehrzahl Zunftmitglieder, beschwerten sich fortwährend über zwei durch die Residenzfunktion Bonns bedingte Benachteiligungen: 1. Die Einquartierungslast aufgrund des in der Stadt stationierten Militärs. 2. Die wirtschaftliche Benachteiligung gegenüber Hofbediensteten, die einerseits von der Stadt profitierten, aber andererseits sich nicht in gleichem Maße an den Lasten beteiligten. Die Einquartierungslast beklagte die Stadt bereits Anfang des 17. Jahrhunderts.126 Nach der Rückkehr Joseph Clemens’ und dem Einrücken kurkölnischer Truppen 1715 versprach der Kurfürst, eine Kaserne für die Truppen zu errichten, um die Bürger von der Einquartierungslast zu befreien.127 Die alten Kasernen, vielmehr Baracken, aus der Zeit Max Heinrichs wurden 1689 vollständig zerstört, anschließend wieder instand gesetzt, aber nicht mehr zur Unterbringung der Truppen genutzt.128 Die ständige Vergrößerung der Truppen durch Anwerbung von Rekruten führte dazu, dass die Lasten für die Bürger kontinuierlich zunahmen und der Ruf nach Kasernen immer lauter wurde. Im Jahre 1734 bat der Magistrat gar, Teile der Infanterie-Kompanien nach außerhalb der Stadt zu verlegen. Die Lasten waren auch noch ungleich auf die Bevölkerung verteilt und schürten Konflikte innerhalb der Einwohnerschaft. So mussten die Rheindorfer Bürger, obwohl mit allen Rechten als Bürger Bonns ausgestattet, keine Soldaten aufnehmen, wogegen die Bonner heftig protestierten. Die Bonner Juden hatten sich bereits 1723 gegen jährliche Entrichtung von 54 Rtlr. von der Einquartierungslast befreit. Diese Summe wurde 1732 erhöht.129 1736 erklärte sich die Bürgerschaft bereit, sich an den Kosten für die Straßenbeleuchtung Bonns zu beteiligen, wenn im Gegenzug eine Kaserne errichtet würde. Dieses Vorhaben scheiterte am Widerstand des Hofrates. Erst 1746 wurde auf Initiative der Zünfte eine Kasernenkommission vom Kurfürsten eingesetzt. Dabei wurden die Zünfte durch die Stadtpfarrer unterstützt, die eine Kaserne zur Aufrechterhaltung der Sitten und Moral forderten. Über den Kopf des Magistrats hinweg wurde die Finanzierung der Kasernen beschlossen. Nachdem der Kurfürst den hartnäckigen Widerstand des Magistrats gebrochen hatte, der mit der Finanzierung nicht einverstanden war, erfolgte am 26. April 1746 die Grundsteinlegung der Kasernen.130 Im Januar 1747 konnten die ersten Soldaten in die Kasernen einrücken. Die Kasernenkommission drängte in der Folge auch den Einfluss der Zünfte zurück, doch nach dem Tod Clemens Augusts wurde das Kasernenwesen wieder dem Magistrat übertragen – nicht zuletzt wegen der 4.000 Rtlr. Schulden der Kaser126 127 128 129 130
Vgl. eine Supplik an den Landtag von 1640. ENNEN, Grundzüge und Entwicklung, S. 458. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, S. 4-9. NIESSEN, Landesherr und bürgerliche Selbstverwaltung, S. 98. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, S. 9-13. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 26. April 1746, S. 344.
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Hof und Stadt
nenkommission.131 In Würzburg wurden ebenfalls auf Initiative und Drängen der Bürgerschaft zur Behebung der Einquartierungslasten Kasernen gebaut. Wegen der deutlich größeren Armee wurden bereits bis 1720 zwei größere Kasernen errichtet, die zusammen 3.200 Mann fassten.132 Neben dem alltäglichen Wachdienst an den Stadttoren, im Rathaus und im Poppelsdorfer Schloss fand jeden Tag um 13 Uhr eine Wachparade auf dem Marktplatz statt. Diese Aufgaben und das Reglement blieben während des gesamten 18. Jahrhunderts unverändert.133 Somit wurde den Bonner Bürgern die Präsenz der Soldaten tagtäglich vor Augen geführt. Zahlreiche Konflikte zwischen Stadtbürgern und Soldaten waren aufgrund des engen Zusammenlebens unausweichlich. Körperliche Übergriffe von Soldaten auf Stadtbürger waren demnach keine Seltenheit, wie zwei Beispiele exemplarisch zeigen: Am 22. Oktober 1748 proponierten die Zwölfter, Jacobus Hamecher sei übel "durch Officier und gemeinen mit schlägen und stößen […] zugerichtet worden"134. Anfang 1750 wurde der Bürger Wahlen von Soldaten nach eigenen Angaben ohne Grund gefangen genommen.135 Der Magistrat wurde aufgefordert, für das rechte Betragen der Soldaten Sorge zu tragen. Es kam allerdings auch vor, dass Soldaten von Bürgern verprügelt wurden.136 Insofern sollten diese einzelnen Auseinandersetzungen und Übergriffe nicht überbewertet werden – auch zwischen Bürgern kam es häufig zu Gewalttätigkeiten. In Würzburg und Mainz gab es ebenfalls häufig Streit zwischen der Bürgerschaft und Soldaten; auch dort waren die Aggressoren in beiden Gruppen zu finden, und auch in Würzburg konnten die Spannungen zwar durch den Bau der Kasernen gemindert, aber nicht vollständig gelöst werden.137 Die Beschwerdefreudigkeit der Zünfte über Soldaten resultierte wohl aus der wirtschaftlichen Konkurrenz, die ihnen häufig in Soldaten erwuchs, die rechtmäßig oder auch illegal einem bürgerlichen Gewerbe nachgingen, um ihren kärglichen Sold aufzubessern. Die Propositionen der Zwölfter betrafen meistens Soldaten, die ohne Zunft- und Bürgerrecht einem Gewerbe nachgingen. So war der Soldat Anton Dollendorff, der ein Haus in Bonn besaß, in dem er Bier und Branntwein ausschenkte, von sämtlichen bürgerlichen Abgaben aufgrund seines Soldatenstatus befreit.138 Der Magistrat wurde aufgefordert, solche Ungerechtigkeiten abzustellen. Auch wenn die Soldaten nicht direkt dem Hofstaat angehörten – ihr Sold wurde von den Landständen bezahlt –, war dieser Konflikt gleich gelagert wie bei den unrechtmäßig „bürgerliche Nahrung“ treibenden Hofbediensteten. Kraft eines kurfürstlichen Befehls wurden am 131 132 133 134 135 136 137 138
NIESSEN, Landesherr und bürgerliche Selbstverwaltung, S. 99-103. SCHOTT, Das Verhältnis der Stadt Würzburg zur Landesherrschaft, S. 237. BERCHEM, Der Kurfürst und seine Soldaten, S. 33 f. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 22. Oktober 1748, S. 550. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 12. Oktober 1750, S. 659. Johann Schnickel wurde vor den Rat zitiert, weil er einen Soldaten „übel tractirt“ hatte. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 25. Mai 1743, S. 97. SCHOTT, Das Verhältnis der Stadt Würzburg zur Landesherrschaft, S. 243; MATHY, Die Residenz in Barock, S. 273. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 29. September 1743, S. 86.
Das Verhältnis der Stadt zur Landesherrschaft
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31. Dezember 1743 alle Personen, die ein bürgerliches Gewerbe betrieben, ohne sich an den Lasten zu beteiligen, gebeten, sich beim Bürgermeister Bodifé zu melden, um entsprechend bei den Abgaben zukünftig berücksichtigt zu werden.139 Doch daran hielten sich nicht alle der angesprochenen Personengruppen. Am 21. April 1746 wies der Magistrat nochmals ausdrücklich darauf hin, dass sowohl Soldaten als auch Hofbedienstete eine Zunftmitgliedschaft zur Ausübung eines Gewerbes benötigen. Jedoch schien diese Maßnahme keine große Wirkung zu zeigen, denn die Zünfte beschwerten sich auch in den nachfolgenden Jahren regelmäßig über das „Trafiquiren“ von Hofbediensteten und Soldaten.140 Auch in Würzburg, wo der Anteil der Soldaten an der Gesamtbevölkerung wesentlich größer war, gab es eine ständige Konkurrenz zwischen gewerbetreibenden Soldaten und dem Stadtrat bzw. den bürgerlichen Handwerkern. Während der Hofkriegsrat sich bemühte, Befreiungen für die Soldaten zu erhalten, deren Sold kaum reichte, um eine Familie zu ernähren, sah die Bürgerschaft einen unlauteren Wettbewerb in der Gewerbeausübung der Soldaten. Andere Konflikte, die es in Würzburg gab, können für Bonn nicht nachgewiesen werden. Beispielsweise beschwerten sich Würzburger Bürger über Schuhmachermeister, die aus Kostengründen Soldaten beschäftigten oder über Soldaten, die bei städtischen Festen musizierten und für bürgerliche Musiker eine unliebsame Konkurrenz waren.141 Aufgrund der hohen Zahl an Soldaten waren die Konflikte in Würzburg schärfer und vielschichtiger als in Bonn. Ähnlich wie in Bonn waren dem Würzburger Stadtrat Personen ein Dorn im Auge, die vom Landesherrn die Erlaubnis erhielten, ohne Bürgerrecht einem Gewerbe nachzugehen. Die Landesherrschaft griff immer wieder in städtische oder Zunftrechte ein; auch ließ sie zahlreiche Hofbedienstete vom Bürgergeld befreien.142 Die Parallelen zu Bonn werden auch bei den Begründungen für die Befreiung vom Bürgergeld offensichtlich: Der Dank für lang geleistete Dienste war die favorisierte Erklärung. Die Beschwerden über unrechtmäßig einem Gewerbe nachgehende Hofbedienstete nahmen unter Max Friedrich und Max Franz ab. Dies lag nicht etwa daran, dass die ein Gewerbe ausübenden Hofbediensteten nun einsichtiger und bereitwilliger waren, sich an den Lasten zu beteiligen. Vielmehr bemühten sich immer mehr Hofbedienstete um eine Befreiung vom Bürgerrecht, die ihnen mittels eines kurfürstlichen Dekrets von der Stadt auch zugebilligt werden musste, damit sie einem bürgerlichen Gewerbe ohne Bürgerrecht nachgehen konnten. Neben der vollständigen Befreiung privilegierter Hofangehöriger von den Bürgerlasten schaltete sich der Hofrat auch bei Aufnahmen in die Ämter ein. Mehrfach wurde einzelnen Ämtern befohlen, eine bestimmte Person in das jeweilige Amt aufzunehmen.143 139 140 141 142 143
StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 31. Dezember 1743, S. 144. Sie erinnern im Dezember 1751 „nochmahlen“ und in mehreren Ratssitzungen daran. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokolle von Dezember 1743, bes. S. 814 und S. 819. SCHOTT, Das Verhältnis der Stadt Würzburg zur Landesherrschaft, S. 245-247. Ebd., S. 388-390. Z. B. wurde dem Glaseramt 1761 aufgetragen, Johann Humerich in die Zunft eintreten zu lassen. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 32. September 1761, S. 810.
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Hof und Stadt
Unter Max Friedrich und Max Franz wurden auf kurfürstlichen Befehl hin privilegierte Hofhandwerker in die Bonner Ämter aufgenommen, ohne dass sie jedoch das Bürgerrecht erwarben.144 Dieser Missstand wurde erst auf Drängen der Landstände durch ein kurfürstliches Edikt vom 2. März 1789 behoben. Danach wurden sämtliche Sonderrechte der Hofbediensteten aufgehoben, sofern sie einem bürgerlichen Gewerbe nachgingen. Somit waren sie bei Aufnahme in ein Bonner Amt verpflichtet, das Bürgerrecht zu erwerben.145 Daran zeigt sich, dass die beiden letzten Kurfürsten den Zünften durchaus ablehnend gegenüberstanden und die Macht der Ämter fortwährend beschnitten bzw. untergruben. Eine Auflösung der Ämter stand aber nicht zur Debatte, weil Widerstände aus den Reihen der Landstände dies sicherlich verhindert hätten. Die Hofbediensteten stammten unter Max Friedrich und Max Franz häufiger aus Kurköln und aus bürgerlichen Kreisen als noch unter den Wittelsbachern. Dies förderte den Austausch mit den Stadtbürgern in jeder Hinsicht. Auch hatten viele Hofbedienstete, die in zweiter oder dritter Generation am Hof dienten, in Bonner Familien eingeheiratet und waren eng mit der Stadt verbunden.146 Im Zuge der Verbreitung aufgeklärten Gedankengutes sowohl unter gebildeten Hofbediensteten als auch unter gebildeten Bürgern intensivierten sich die Beziehungen zwischen den Sphären Hof und Stadt. Die Hofkapelle mietete 1761 Räume im Rathaus, um akademische Konzerte für die Bürger zu geben. Dabei erhielten Mitglieder des Rates freien Eintritt.147 Auch in weiteren kulturellen Einrichtungen der Stadt begegneten sich Stadtbürger und Hofbedienstete immer häufiger auf Augenhöhe: in der Lesegesellschaft, unter den Illuminaten, am höfischen Theater, im Schlosspark oder in einer Gaststätte, wie im Haus „Zum Zehrgarten“, wo sich ein Kreis intellektueller Bonner regelmäßig traf.148 Konflikte wurden durch die ungleiche Lastenverteilung auf Soldaten und Hofbedienstete einerseits und Bürger andererseits geschürt. Sie treten in den Quellen häufig in den Vordergrund und verdecken, dass die in Bonn ansässigen Hofbediensteten durchaus in die städtische Gesellschaft integriert waren. Gerade durch den Einfluss der Aufklärung kamen Teile der gebildeten Bürgerschaft und des Hofes immer häufiger zusammen. Stadt und Hof bildeten zwar keine Einheit, aber eine wechselseitige und vielschichtige Verbindung. Dennoch blieb die große Kluft zwischen dem Hofadel und der alten Bürgerschaft, zu der vor allem Zunft- und Ratsmitglieder gehörten, bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit bestehen.
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Der Hofpauker und privilegierte Schneider Scheufart wurde auf kurfürstlichen Befehl in die Schneiderzunft aufgenommen, ohne das Bürgerrecht erworben zu haben. Dies wurde auch ausdrücklich vermerkt. StAB, Ku 56/1, Ratsprotokoll vom 15. Februar 1774, S. 16. StAB, Ku 5/1, Kurfürstliches Edikt vom 2. März 1789. PIEPER, Organisation und Verwaltung. S. 117 f. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, S. 33 f. Zu dem Kreis gehörte auch der junge Ludwig van Beethoven. BRAUBACH, Eine Jugendfreundin Beethovens, S. 17.
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4.2.2 Eingriffe der Landesherrschaft in die städtische Verwaltung Neben dem Verhältnis zwischen den Bürgern und den eximierten Hofbediensteten sowie den Soldaten sind die Eingriffe der Landesherrschaft in die städtische Verwaltung von besonderem Interesse. Es ist typisch für frühneuzeitliche Residenzstädte, dass die Landesregierung die städtische Autonomie massiv beschnitt.149 Vor allem die Einziehung und Rückgabe der städtischen Akzise – der mit Abstand wichtigsten städtischen Einnahmequelle – durch die Hofkammer wurde in der Literatur mehrfach thematisiert.150 Außer in das Zunftwesen und die Finanzhoheit des Magistrats griff der Kurfürst aber noch in weitere genuin städtische Bereiche ein, die an dieser Stelle aufgeführt werden sollen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die städtische Bevölkerung (überwiegend oder mehrheitlich) von landesherrlichen Eingriffen profitiert hat. Bereits im Kapitel über die Siedlungsentwicklung151 wurde auf die Einflussnahme Joseph Clemens’ auf die Bau- und Stadterweiterungsprojekte der Stadt verwiesen; die Einflussnahme reichte sogar bis hin zu Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung von Hausfronten und der Verwendung von Materialien. Auch unter den nachfolgenden Kurfürsten machte der Hof den Bürgern Vorschriften für die Gestaltung ihrer Wohnhäuser. Insbesondere die hofnahen oder die repräsentativen Straßen am Rhein standen dabei im Vordergrund: So befahl die Hofkammer beispielsweise den Bürgern der Neu- und der Stockenstraße, eine Tür „auf der Bach“ zu erneuern.152 In der Geschichte der Stadt Bonn des Hofkammerfouriers Johann Philip Nerius Maria Vogel werden die Leistungen Clemens Augusts für die Stadt besonders gerühmt. Das Engagement des Kurfürsten für seine Residenzstadt war aber selten finanzieller Natur, wie sein massiver Einsatz für den Wiederaufbau des 1754 weitgehend abgebrannten Kapuzinerklosters.153 So beteiligte sich Clemens August finanziell weder an der Gründung einer öffentlichen Stadtschule im Jahr 1732 noch am Neubau des Rathauses, obwohl er die Pläne der Architekten billigen ließ und bei Grundsteinlegung sowie Einweihung mit Teilen des Hofstaates anwesend war.154 Auch weitere städtebauliche Maßnahmen, die der Verschönerung der Residenzstadt dienten, gingen mit höheren Kosten für die Bonner Bürger einher. Die Erweiterung der Straßenbeleuchtung, von Clemens August selbst gewünscht, wurde zu Teilen von den Hofbediensteten selbst – es wurde direkt vom Sold abgezogen – und zu Tei-
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Auch in Weimar ging die politische Selbstständigkeit der Stadt vollständig durch die Einflussnahme des Hofes verloren. NAAKE, Der Einfluß des Hofes, S. 98. Grundlegend die alte, aber vortreffliche Dissertation von NIESSEN, Landesherr und bürgerliche Selbstverwaltung. Des Weiteren sind die Eingriffe Gegenstand einzelner Kapitel bei ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 270-279 und bei HINSEN, Kaspar Anton von Belderbusch, bes. S. 85-100. Vgl. Kapitel 2.5.1. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 24. Juli 1759, S. 358. VOGEL, Chorographia Bonnensis, 7. Fortsetzung, S. 148. Ebd., S. 158; Der Bau des Bonner Rathauses, S. 23.
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len von der Stadt finanziert.155 Die Übernahme der Kosten für die Pflasterung der Straßen befahl der Kurfürst 1744 dem Magistrat; dieser ließ in den 1720ern und in den 1750ern den Markt nach den Vorstellungen des Kurfürsten neu pflastern.156 Bonner Bürger profitierten jedoch auch von zahlreichen Einrichtungen, die zwar dem Hof galten, aber dennoch allen Einwohnern der Stadt zugutekamen. Die exzellenten Postund Verkehrsverbindungen Bonns bilden hierfür ein gutes Beispiel.157 Die städtische Selbstverwaltung wurde erst massiv von Kaspar Anton von Belderbusch, Polizeikommissar Bonns und erster kurkölnischer Minister in Personalunion, nach dem Regierungsantritt Max Friedrichs beschnitten. Nicht nur am Hof sollte gespart werden – das Inventar Clemens Augusts wurde etwa versteigert –, sondern auch in der Stadtverwaltung, dem Magistrat. Auf Initiative des Hofes erfolgten mehrere Eingriffe in die städtische Verwaltung, damit die großen Schulden der Stadt getilgt werden konnten. Beispielsweise durften die Mehreinnahmen durch die Erhöhung des Bürgergeldes am 14. September 1762 ausschließlich zur Schuldentilgung verwandt werden. Die zahlreichen Sparmaßnahmen führten jedoch dazu, dass durch die Akzise aufgrund der geringer werdenden städtischen Nachfrage geringere Einkünfte erzielt wurden und somit die wichtigste städtische Einnahmequelle versiegte. Besonders die sparsamere Hofhaltung und die daraus resultierende Verkleinerung des Hofstaates trugen zum Rückgang der Akziseeinnahmen bei. Deshalb war es wenig verwunderlich, dass die städtischen Schulden auch bis 1769 weiterhin zunahmen und mit 41.214 Rtlr. fast doppelt so hoch waren wie noch 1753.158 Von Belderbusch forderte im Jahr 1766 Einsichtnahme in die Stadtrechnungen – ein altes landesherrliches Recht, von dem aber lange kein Gebrauch gemacht worden war. Es sollte überprüft werden, inwiefern der Magistrat bestrebt war, die städtischen Schulden zu begleichen, wie es 1753 bei der Rückgabe der Akzise vereinbart worden war. Der Stadtmagistrat verzögerte – aus gutem Grund – die Einsendung der Rechnungen bis 1770. Erst auf Beschwerden der Hofkammer hin gelang es, die städtischen Rechnungen einzusehen.159 Die Durchsicht der Rechnungen der Jahre 1758-1769 offenbarte im Jahr 1770 die hoffnungslose Lage der städtischen Finanzen und führte zu zahlreichen Sparmaßnahmen.160 Auch in Koblenz wurden die städtischen Finanzen im Jahr 1769 von einer kurfürstlichen Kommission geprüft – allerdings auf Initiative der Bürgerschaft, die gegen die Misswirtschaft des Magistrats opponierte.161 Insbesondere die Einziehung der Akzise war durch Korruption und Ineffizienz gekennzeichnet. Von Belderbusch schaffte es, durch schärfere Kontrollen – insbesondere durch die Einsetzung landesherrlicher Beamter neben den städtischen Akzisemeistern – die Akziseeinnahmen deutlich zu erhöhen. Außerdem wurden die städtischen 155 156 157 158 159 160 161
StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, Auszüge aus den Ratsprotokollen vom 2. Mai 1736, 6. August 1736 und vom 7. Januar 1737, S. 17. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, S. 26. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 219 f. NIESSEN, Bürgerliche Selbstverwaltung und Landesherr, S. 109. LAV NRW R, Kurköln II, Nr. 1688, Schreiben vom 20. April 1770. StAB, Ku 55/3, Ratsprotokoll vom 1. Mai 1770, S. 67. MÜLLER, Bürgerprotest und Reformbegehren, S. 168.
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Ausgaben beschränkt: Im April 1770 wurden unnötige Weingeschenke durch ein kurfürstliches Edikt verboten.162 Am 18. März 1771163 erging eine kurfürstliche Verordnung gegen das Diäten- und Sportelunwesen des Magistrats. Verboten bzw. eingeschränkt wurden auch Präsente, Gefälligkeiten des Rates an Stadtbürger und Auswärtige, sowie aufwendige „Schmausereien“ – vor allem am Silvesterabend, an dem der 15-köpfige Rat beispielsweise im Jahr 1766 für 100 Rtlr. unter anderem Austern und andere importierte Luxuslebensmittel verspeist hatte.164 Außerdem zwang von Belderbusch die Stadt zum vollständigen Verkauf ihres ohnehin geringen Hausbesitzes in der Stadt.165 Besonders stark war die Einflussnahme der Landesregierung in der Frage der Armenfürsorge, die in Städten traditionell seit dem Mittelalter in der Hand der Kommunen und der Kirche bzw. privater Stiftungen lag. Die wichtigste kommunale Einrichtung war das städtische Hospital, das nicht für Kranke, sondern in erster Linie für alte und verarmte Menschen, für die keine Angehörigen sorgten, als Heim fungierte.166 Doch die Aufnahmekapazität war begrenzt und reichte mit etwa 26 Plätzen nicht annähernd für den Bedarf der Stadt aus.167 Bereits im Jahr 1730 wurde die Stadt aufgefordert, von dem Geld einer Almosensammlung das Hospital um ein oder zwei Zimmer zu vergrößern.168 Regelmäßig bewarben sich Bonner um einen Platz im Hospital, wofür es regelrechte Wartelisten gab. Nur in besonders schwerwiegenden Fällen wurde die Reihenfolge der Warteliste durchbrochen.169 Neben dem Hospital verwaltete der Magistrat vier Armenstiftungen, die wie das Hospital bereits seit Jahrhunderten bestanden. Bereits unter Clemens August war die zunehmende Zahl an Bettlern, die damals „hauffenweiß“170 in die Stadt zogen, ein Ärgernis, das der Kurfürst selbst durch ein Verbot des Einlasses von auswärtigen Bettlern und die Ausweisung derselben zu bekämpfen versuchte.171 Unter den Kurfürsten Max Friedrich und Max Franz nahm die Zahl der zugezogenen Bettler kontinuierlich zu, auch wurden immer mehr Einwohner Bonns zu Bettlern.172 Der Rückschluss, dies läge einzig an der drastischen 162
StAB, Ku 55/3, Ratsprotokoll vom 23. April 1770, S. 61. Bei Ennen wird – wohl versehentlich – die Verordnung in das Jahr 1778 datiert. ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 274. 164 Ebd., S. 255. Zum Vergleich: Ein Tagelöhner verdiente im Rheinland am Ende des 18. Jahrhunderts etwa ⅓ Rtlr. am Tag! FRANÇOIS, Unterschichten und Armut, S. 436. 165 NIESSEN, Bürgerliche Selbstverwaltung und Landesherr, S. 108-110. 166 WOLFF, Die medizinische Fakultät, S. 31. 167 StAB, Sg. Dietz 38, Auszüge aus den Ratsprotokollen. 168 OHM, Zur Sozialpolitik in der Residenzstadt, S. 208. 169 So etwa bei der Witwe Antonetta Salings, die im Januar 1775 einen Platz erhielt, obwohl eine Frau vor ihr angesetzt war. Ebd., S. 213. 170 StAB, II c 37,Vollständige Sammlung, Bd. 2, Edikt vom 9. Februar 1743, S. 367. 171 StAB, Ku 26/26, Edikt vom 26. März 1729; StAB, II c 37,Vollständige Sammlung, Bd. 2, Edikt vom 9. Februar 1743, S. 367. 172 OHM, Zur Sozialpolitik in der Residenzstadt, S. 209; ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 276. Die quantitative Zunahme der Bettler und Armen wird in Kapitel 3.1 knapp beschrieben. 163
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Sparpolitik sowohl am Hof als auch in der Stadt, greift jedoch zu kurz, denn der Anstieg der Armut in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war ein reichsweites Phänomen: Die Bevölkerung nahm stärker zu als das Arbeitsangebot und die landwirtschaftlichen Ressourcen es zuließen. Deshalb stiegen die Getreidepreise deutlich an, während die Löhne real abnahmen und immer mehr Menschen arbeitslos wurden.173 Ganz im Sinne der Aufklärung nahm sich von Belderbusch verstärkt des Armenwesens in der Stadt an. Zwar setzte er die resolute Ausweisungspolitik auswärtiger Bettler fort, fühlte sich aber für die zunehmende Zahl an einheimischen Bettlern aufgrund der staatlichen Fürsorgepflicht verantwortlich. Im Jahr 1769 wurden sämtliche in der Stadt angetroffenen Bettler vom Hofrat befragt und in drei Kategorien eingeteilt: auswärtig, arbeitsfähig und arbeitsunfähig. Die auswärtigen Bettler wurden zwar im Mai 1769 mithilfe von Soldaten aus der Stadt gebracht – sie sollten an ihre Geburtsorte zurückkehren –, aber schon wenige Tage später wurden die meisten von ihnen wieder in der Stadt angetroffen. Arbeitsunfähige einheimische Bettler durften seit 1774 nicht mehr auf der Straße betteln,174 sondern empfingen Almosen, die zu diesem Zweck durch die eigens eingerichtete Armenkollekte gesammelt wurden. Die arbeitsfähigen Bettler – unter den insgesamt 173 Bettlern immerhin 80175 – sollten in Lohn und Brot gebracht werden. Da „bey gegenwärtigen schlecht- und geldklemmigen Zeithen“176 zu wenige Arbeitsstellen in der Stadt vorhanden waren, wurde eigens eine Tuchmanufaktur als sogenanntes Arbeitshaus errichtet. Die 1774 in einem Teil der Kasernen untergebrachte Tuchmanufaktur beschäftigte anfänglich 160, doch nach wenigen Wochen nur noch 77 Personen. Die Manufaktur blieb klein und wirtschaftlich unbedeutend, bis sie 1784 in einen Teil des Poppelsdorfer Schlosses verlegt wurde, wo bis zu 400 Arbeiter beschäftigt waren.177 Insgesamt blieb der wirtschaftliche Erfolg aufgrund von „ungeschickten Entrepreneurs“178 bescheiden, wohingegen sie als Erziehungsanstalt für die Bonner Bevölkerung als zweckdienlich betrachtet wurde. Bis zu 150 Kinder ab acht Jahren, überwiegend Findelkinder bzw. Straßenkinder, wurden dort zu Arbeit und Fleiß erzogen – ganz im Sinne der Aufklärung.179 In Mainz wurde eine ähnliche Armenpolitik betrieben, doch auch dort scheiterte die Institution, mit der arbeitsfähigen Bettlern Arbeit beschafft werden sollte: die sogenannte „Armenfabrik“180.
173 174
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OHM, Zur Sozialpolitik in der Residenzstadt, S. 188. Diese Verordnung wurde jedoch kaum befolgt, weshalb die Obrigkeit den Bürgern empfahl, kein Geld an der Tür an Arme zu verschenken. Bonner Intelligenzblatt vom 22. Januar 1789, „Vaterlandschronik“, S. 28 f. Ohm und Ennen zählen in ihren bereits zitierten Studien 169 Bettler. Es wurden jedoch noch weitere Personen nachträglich am 25. April 1769 befragt und in die Liste eingetragen. StAB, Ku 26/26. SCHLUE, Die Geschichte des Bonner Zuchthauses, S. 44. Ebd., S. 47-53. Archiv des Rhein-Sieg-Kreises, AA 32, Bonnensia, Undatierte Note von H. Breuer. Archiv des Rhein-Sieg-Kreises, AA 32, Bonnensia, Undatierte Note von H. Breuer. MATHY, Die Residenz in Barock, S. 305 f.
Das Verhältnis der Stadt zur Landesherrschaft
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Weitere Eingriffe in Zuständigkeitsbereiche des Magistrats bis hin zur kurzfristigen Absetzung eines Bürgermeisters181 und der Bekämpfung von Korruption unter den städtischen Bediensteten182 führte der neue starke Mann in Stadt und Staat konsequent durch. Zwar gelang es von Belderbusch im Jahr 1783 nicht, seinen Wunschkandidaten Johann Baptist Fonson gegen den Willen des Magistrats als Bürgermeister einzusetzen, aber er hatte bereits vorher durchgesetzt, dass der Bürgermeister und die Ratsmitglieder nur dann gewählt werden konnten, wenn sie über entsprechendes Vermögen verfügten. Ein Bürgermeister musste demnach neben Fähigkeiten für das Amt auch Immobilien im Wert von 3.000 Rtlr. besitzen, ein Ratsmitglied in Höhe von 1.500 Rtlr. und ein Zwölfter im Wert von 750 Rtlr. Zwar wurden auch schon vorher unvermögende Kandidaten durch die Anwesenheitspflicht an mehreren Werktagen im Rathaus von der Wahl ausgeschlossen, aber die doch beachtliche Höhe des nachzuweisenden Vermögens ließ nur noch sehr wohlhabende Bürgermeister im Amt zu. Von Belderbusch versprach sich von dieser Maßnahme weniger Korruption und eine effizientere Verwaltung der städtischen Finanzen.183 Max Franz stärkte dagegen die städtische Selbstverwaltung, indem er das Polizeiwesen wieder weitgehend in die Hände des Magistrats gab.184 In das Zunftwesen griff die Landesherrschaft nur ein, insofern Belange des Hofes betroffen waren. Dies änderte sich erst nach Veröffentlichung der Reichszunftordnung Kaiser Josefs II. im Jahr 1772. Diese veranlasste auch von Belderbusch dazu, das Zunftwesen neu zu gestalten. Mit der Verordnung vom 25. Mai 1774 wurden jahrhundertealte wirtschaftliche Privilegien und Traditionen der Zünfte massiv beschnitten, vor allem die Begrenzung der Zünfte auf eine bestimmte Anzahl an Meistern.185 Da der Magistrat diese Verordnung nicht gegen den Willen der Ämter erzwingen konnte, setzte von Belderbusch eine aus zwei Hofräten gebildete kurfürstliche Zunftkommission ein.186 Ob die Bevölkerung von der in Bonn anwesenden Landesherrschaft und ihren Eingriffen profitiert hat, kann nicht mit ja oder nein beantwortet werden. Die aufgeführten Bereiche, in denen landesherrliche Eingriffe direkt auf die Residenzstadt und ihre Bevölkerung gerichtet waren, zeigen ein disparates Bild: Die Verschönerung der Stadt unter Clemens August hat sicherlich die Stadt insgesamt aufgewertet, war jedoch auch mit höheren Kosten und einer Verschuldung der Stadt verbunden. Die im Sinne der Aufklärung angestrebten Verbesserungen des Armenwesens und der Wirtschaft blieben in ihrer Wirkung stark begrenzt. Einzelne Gruppen, vor allem die am oder für den Hof Tätigen, profitierten vom kurfürstlichen Schutz. Jedoch bedeutete 181 182 183 184 185 186
Bürgermeister Müller wurde 1763 vorübergehend vom Hofrat suspendiert. StAB, Ku 55/1, Ratsprotokoll vom 5. Juli 1763, S. 317. Die Pfortenschreiber unterschlugen regelmäßig Waren zu Lasten des Stadtsäckels. Dieser „eingeschlichene Mißbrauch“ wurde behoben. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, S. 33 HINSEN, Kaspar Anton von Belderbusch, S. 28-31. NIESSEN, Bürgerliche Selbstverwaltung und Landesherr, S. 118. StAB, II c 37, Vollständige Sammlung, Bd. 2, S. 296. NIESSEN, Bürgerliche Selbstverwaltung und Landesherr, S. 114.
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die Bevorzugung dieser Personengruppen, z. B. durch die Befreiung vom Bürgergeld, dass die Mehrheit der Bürgerschaft die Lasten für die wenigen Privilegierten mittragen musste. Dies schürte Spannungen und vergrößerte soziale Unterschiede zwischen den Einwohnern. Die Bürgerschaft Bonns profitierte zweifelsohne von der Anwesenheit der Landesherrschaft, aber nicht von den direkten Eingriffen. Die Parallelen zur geistlichen Residenzstadt Würzburg sind unverkennbar. Angefangen von einer nicht wirksamen Handels- und Armenpolitik über die Bevorzugung von Hofbediensteten gegen den Willen des Rates, die steigenden städtischen Schulden aufgrund steigender Kosten durch landesherrliche Eingriffe bis hin zu Konflikten zwischen Bürgern und Soldaten zeigt sich in beiden Städten ein ähnliches Verhältnis zur Landesherrschaft.187 Auch in Koblenz und Mainz gab es gleichgelagerte Konflikte bzw. gescheiterte landesherrliche Reformen im Bereich der Armenfürsorge und Wirtschaftspolitik. In Koblenz kam es 1788 sogar zu einem Aufruhr der Bürgerschaft gegen den städtischen Magistrat, wohingegen in Bonn die Landesherrschaft selbst die städtische Misswirtschaft bekämpfte, ohne dass die Bürgerschaft initiativ wurde.
4.3 Aufbruch in eine neue Zeit – Die Aufklärung in Bonn Die Geschichte der Aufklärung in Bonn bzw. in Kurköln wurde bereits in der Literatur umfassend behandelt.188 Im Rahmen dieser Untersuchung stehen die Auswirkungen der Aufklärung auf die Bevölkerungsentwicklung und das generative Verhalten der städtischen Einwohnerschaft im Vordergrund. Zu diesem Zweck werden andere Fragen als bisher zur Aufklärung in Bonn gestellt: Wer waren die Träger der Aufklärung in Bonn und wie wurden die aufgeklärten Ideale vermittelt? Welche Bevölkerungskreise bzw. Schichten erfasste die Aufklärung? Inwiefern schlug sich aufgeklärtes Gedankengut in der Bevölkerungspolitik wie im generativen Verhalten der Menschen konkret nieder? Initiierte der Hof oder das städtische Bildungsbürgertum die Aufklärung? Zunächst sind jedoch einige grundlegende Erläuterungen zum Aufklärungsbegriff notwendig. Aufklärung ist nicht ein Terminus technicus der Geschichtswissenschaft, sondern der Begriff war bereits unter Zeitgenossen ein Modewort, weshalb sich zahlreiche Intellektuelle an einer Definition versuchten. Neben der berühmten Kantschen Definition, nach der Aufklärung „der Ausgang des Menschen aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit“ bedeute, gab es eine Reihe weiterer zeitgenössischer Intellektueller, die sich um Definition und Erläuterung des Aufklärungsbegriffes bemühten.189 Gemeinsam ist allen diesen zeitgenössischen Definitionen, dass sie Aufklärung als einen universalen, sämtliche Lebensbereiche erfassenden offenen Prozess verstanden – demnach konnte es kein Begriff sein, der nur eine begrenzte Epoche bezeichnete. Bei 187 188
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SCHOTT, Das Verhältnis der Stadt Würzburg zur Landesherrschaft, S. 652-657. An dieser Stelle sei nur auf die wichtigsten Arbeiten verwiesen: BRAUBACH, Kurköln, bes. S. 344-360 und S. 420-453; BRAUBACH, Maria Theresias jüngster Sohn; HINSEN, Kaspar Anton Belderbusch; ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 307-330. STOLLBERG-RILINGER, Europa im Jahrhundert der Aufklärung, S. 11-15.
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allen modernen Definitionsversuchen und Ausweitungen des Aufklärungsbegriffs auf verschiedene sozial- und kulturgeschichtliche Bereiche muss bedacht werden, dass aufgeklärtes Gedankengut nicht alle Regionen, Städte und Bevölkerungsgruppen gleichermaßen erfasste. Die Erscheinungsformen der Aufklärung sind zu bestimmen; erst dann kann versucht werden, diese unter dem Dach des Aufklärungsbegriffs zusammenzuführen. Dabei werden nur zu leicht in dem Bemühen, verschiedene Lebensbereiche zu vereinheitlichen, rückwirkend aufgeklärte Motive in Handlungen gesehen, die möglicherweise gar nicht von aufgeklärtem Gedankengut getragen wurden. Auch Autoren der bekanntesten Bonner Zeitung aus kurfürstlicher Zeit, des „Bönnischen Intelligenzblattes“, versuchten in verschiedenen Artikeln, das Wesen und die Ziele der Aufklärung den Lesern zu erläutern. Am 30. April 1789 etwa sprach sich ein Autor in einem kurzen Artikel für die Verbreitung „wahrer Aufklärung“ aus. Ziel dieser Bewegung sei es, dem Volk dabei zu helfen, „edle und glückliche Menschen zu werden“. Zu diesem Zweck müsse vor allem die Bildung verbessert werden: Kinder sollten länger in die Schule gehen, die Menschen sollten angeregt werden, mehr Bücher und Zeitungen zu lesen, und von schädlichem Verhalten – wie etwa dem Kartenspielen – abgehalten werden.190 Der Beginn der Aufklärung in Europa erstreckte sich je nach Region zwischen 1688, der „Glorious Revolution“ in England, und dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, als in anderen Regionen bereits die „Spätaufklärung“ eingesetzt hatte. In Deutschland war die Aufklärung anders als in England und Frankreich kein Hauptstadtphänomen, sondern breitete sich gleichermaßen vor allem in Handels- und Verwaltungszentren sowie Residenzstädten aus.191 Die Aufklärung in geistlichen Staaten war ein besonders vielschichtiges Phänomen, weil ein klassisches Merkmal der Aufklärung – die kritische bis ablehnende Haltung gegenüber der Kirche – nicht gegeben oder zumindest stark abgeschwächt war. Ein Signum der Aufklärung in katholischen Territorien war daher die Einbettung von Kirchenkritik in die Kritik an staatlichen Institutionen, ohne die Existenz des geistlichen Staates an sich infrage zu stellen. Dieser Balanceakt, der vom Widerspruch zwischen Aufklärung und Katholizismus rührte, führte zur Bildung des Begriffs der Katholischen Aufklärung.192 Ohne auf die Begriffsgeschichte und die einzelnen Erscheinungsformen der Katholischen Aufklärung näher einzugehen, gab es zweifelsohne Reformen, die von der Aufklärung beeinflusst und ein Spezifikum geistlicher Territorien waren. Zu diesen Reformen zählten insbesondere die Bekämpfung des Wallfahrts- und Prozessionswesens, die Reduktion der zahlreichen Feiertage sowie Ordensaufhebungen. Deshalb sprach bereits Braubach, der die von der Aufklärung getragenen Reformen unter Max Franz ausführlich untersucht hat, von einer „Synthese zwischen Aufklärung und Katholizismus“193. 190 191 192 193
Bönnisches Intelligenzblatt vom 30. April 1789, „Ein Vorschlag zur Verbreitung wahrer Aufklärung unter allen Ständen“, S. 137. MÜLLER, Die Aufklärung, S. 7 f. Hier sei verwiesen auf die kurze Zusammenfassung in: Ebd., S. 42-49 sowie KLUETING, Katholische Aufklärung. BRAUBACH, Maria Theresias jüngster Sohn, S. 168.
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4.3.1 Aufklärung in Bonn Im Allgemeinen wird der Beginn der Aufklärung in Kurköln gleichgesetzt mit dem Regentenwechsel von 1761.194 Damit wies Kurköln – ähnlich wie andere Fürstbistümer – eine „charakteristische Verspätung“195 gegenüber den protestantischen Territorien auf. Sicherlich vollzogen sich nach dem Tod Clemens Augusts die meisten Umbrüche; dennoch war die Aufklärung ein sich entwickelnder Prozess und keine Bewegung, die nach einem singulären Ereignis – wie etwa dem Regentenwechsel 1761 – plötzlich einsetzte. Einzelne Lebensbereiche, die im Zentrum aufgeklärter Politik standen, wie beispielsweise das Hebammenwesen, reformierte bereits Clemens August. Seine Intention, die Sterblichkeit der Säuglinge und die Kindbettsterblichkeit der Mütter entscheidend zu senken, war typisch für aufgeklärte Monarchen im 18. Jahrhundert: Vermehrung der Volkszahl und Förderung des Volkswohls. Auch die in Münster erhobene Volkszählung im Jahr 1749196 und der Versuch, eine solche in Bonn 1759197 durchzuführen, zielten in diese Richtung. Auf der anderen Seite wurden wichtige Bereiche erst unter dem „gläubigen Jünger der Aufklärung“198, Max Franz, im Sinne der Aufklärung reformiert. Verwiesen sei auf das Justizwesen, vor allem die Abschaffung der Todesstrafe, oder auf das Volksschulwesen.199 Demnach bildete die Aufklärung einen Prozess, der Mitte des 18. Jahrhunderts zaghaft begann und im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts von oben herab immer stärker Politik, Kultur, Wissenschaft, Bildung und mit Abstrichen auch die Wirtschaft durchdrang. Doch diese Reformen, die dem Volkswohl dienen sollten, stießen häufig auch auf Ablehnung. Ein Beispiel ist die Reform des Volksschulwesens: Diese wurde von einem Großteil der Bevölkerung missbilligt, weil die neue Lehrart mit höheren Kosten für den Schulbesuch und häufigerer Abwesenheit der Kinder einherging,200 die gerade in ärmeren Haushalten zum Lebensunterhalt beitragen mussten. Es war grundsätzlich schwierig, Reformen durchzusetzen, die in die Lebenswelt der einfachen Bevölkerung direkt hineinreichten, ohne eine unmittelbare Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerung zu bewirken. Im religiösen Bereich, dem Kern der katholischen Aufklärung, wurde insbesondere das Wallfahrts- und Prozessionswesen seit 1761 in zahlreichen Edikten stark einge194 195 196
197 198 199 200
HEGEL, Das Erzbistum Köln, S. 27. MATHY, Die Residenz in Barock und Aufklärung, S. 289. Im Fürstentum Münster wurde neben dem „Status animarum“ von 1749, in dem alle Einwohner mit Angabe des Alters und Berufes erfasst wurden, auch die Anzahl der Geborenen und Verstorbenen registriert. Bis zur preußischen Zeit wurden keine weiteren Volkszählungen mehr durchgeführt! GEHRMANN, Bevölkerungsgeschichte Norddeutschlands, S. 70. Vgl. Kapitel 2.4.2. BRAUBACH, Kurköln, S. 401. Zu den einzelnen Reformen Max Franz’, die der Aufklärung zugeschrieben werden: BRAUBACH, Maria Theresias jüngster Sohn, bes. S. 91-124. APEL, Volksaufklärung und Widerstand, S. 92-97; BRAUBACH, Maria Theresias jüngster Sohn, S. 153-156.
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schränkt und reglementiert. Beispielsweise wurde das mehrtägige Wallfahren verboten. Zwar wurde das Prozessionswesen bereits unter den Wittelsbacher Kurfürsten geregelt, aber diese Regelungen beschränkten sich auf den ordnungsgemäßen Ablauf, dem auch von den Menschen selbst größte Bedeutung beigemessen wurde. Dies zeigt eine Beschwerde der Bonner Zwölfter vor dem Stadtrat im Jahr 1722, „daß die Processionen in hiesiger Stadt Bonn so gar unordentlich gehalten worden, daß wir uns schier für allen anderen Städten und dörfern schämen müßen“201. Unter dem Einfluss der Aufklärung legten die beiden letzten Kurfürsten ihr Augenmerk auf den inneren, den „wahren Glauben“, sodass sie generell barocken Frömmigkeitsformen, die sie als Ausdruck eines äußeren und damit oberflächlichen Glaubens sahen, ablehnend gegenüberstanden und gegen den Willen des Großteils der Bevölkerung diese auch verbaten oder zumindest stark einschränkten.202 Daneben wurden die beliebten Bruderschaften, die das volksfromme Brauchtum, wie die Wallfahrten, aber auch Spenden für Bedürftige organisierten, in ihren Rechten durch den Kurfürsten beschnitten: Sie seien für die Förderung des Seelenheils nicht förderlich und stünden in Konkurrenz zum Gottesdienst als Zentrum der Gottesverehrung.203 Dennoch wagte Max Franz nicht, sie aufzulösen. Neben diesen theologischen Motiven für die Bekämpfung barocker Frömmigkeit gab es aber auch noch ein weltliches: die Steigerung der Produktion. Entsprechend der kameralistischen Tonart in den geistlichen Territorien wurde die Vielzahl an Feiertagen für den wirtschaftlichen Rückstand gegenüber den protestantischen Territorien verantwortlich gemacht. Es wurde sogar vorgerechnet, wie viel Gold und Getreide durch zusätzliche Arbeitstage erwirtschaftet werden könnte.204 Das Gleiche galt für Prozessionen und Wallfahrten, die Menschen ebenfalls von der Arbeit abhielten. Die Konsequenz war, dass die Zahl der Feiertage stark reduziert wurde und dem Müßiggang auch auf anderen Ebenen begegnet wurde: Die Einrichtung des Arbeitshauses, die Bekämpfung des Bettelwesens, die Einschränkung der Trauerzeit und von Tanzveranstaltungen dienten ebenfalls dem Zweck, die Menschen zu sittlichen und produktiven Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen. Diese Maßnahmen, die aus aufgeklärten Ideen resultierten, stießen deshalb verständlicherweise nicht in allen Bevölkerungskreisen auf das gleiche Wohlwollen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts stellt sich die Frage, ob die Aufklärung überhaupt die durchdringende Wirkung erzielte, die es bedurft hätte, um im generativen Verhalten – dem vielleicht privatesten Bereich des Menschen – Spuren zu hinterlassen. Deshalb werden die Auswirkungen aufgeklärten Gedankengutes auch jenseits der staatlichen Reformintentionen analysiert, damit die Verbreitung der neuen Ideen unter der Bevölkerung bestimmt werden kann. Wer waren die Träger der Aufklärung in der Residenzstadt Bonn? Wie verbreiteten sie ihr Gedankengut und wen erreichten sie? 201 202 203 204
StAB, Ku 93/6, Ratsprotokoll vom 7. Januar 1722, S. 196. HÖHER, Prozessionswesen zwischen Barock und Aufklärung, S. 158. OHM, Die Sozialpolitik in der geistlichen Residenzstadt, S. 196. Bönnisches Intelligenzblatt vom 23. Januar 1773, S. 262.
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Zeitgleich mit dem Beginn der Aufklärung verbreiteten sich die ersten Zeitungen in Bonn und das Lesen wurde allgemein unter der Bevölkerung populärer. Deshalb muss den Zeitungen eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Die erste nachgewiesene Zeitung aus Bonn datiert aus dem Jahr 1748. Diese Zeitung wurde von dem Kölner Satiriker und Hofkritiker Heinrich Lindenborn herausgegeben und erschien dreimal die Woche.205 Obwohl die Zeitung nicht mehr erhalten ist – sie ist wohl Opfer des Zweiten Weltkrieges geworden –, deuten einzelne bekannte Themenbereiche, wie etwa die Kritik an den verschwenderischen Festen Clemens Augusts, auf durchaus aufgeklärte Themen hin.206 Braubach sah den Grund des raschen Verschwindens der Zeitung in der fehlenden Zugänglichkeit der Bürger für aufgeklärte Themen,207 obwohl über Entstehung und Untergang der Zeitung nur wenig bekannt ist. Angesichts der Tatsache, dass auch am Ende des 18. Jahrhunderts viele Zeitungen nach nur wenigen Ausgaben wieder verschwanden, überzeugt die Argumentation Braubachs nicht; diese zielt nämlich darauf ab, den Beginn der Aufklärung mit dem Regierungsantritt Max Friedrichs gleichzusetzen. Die zwischen 1763 und 1770 in Bonn erschienene Zeitschrift „Bönnische Anzeige von gelehrten Sachen“ griff zwar bereits Themen der Aufklärung auf, verzichtete aber auf die für die Aufklärung in katholischen Fürstentümern kennzeichnende Kritik an der Kirche und sah den Schwerpunkt des Lebens noch im Jenseits.208 In den 1770er und 1780er Jahren erschienen gleich mehrere Zeitungen oder Zeitschriften in Bonn, die allesamt der Verbreitung aufgeklärten Gedankenguts dienten.209 Die wichtigste Zeitung wurde das „Bönnische Intelligenzblatt“, das ab 1772 auf Betreiben des Kurfürsten „zum Besten des Publici“210 wöchentlich einmal in Bonn erschien. Trotz des günstigen Preises und der Aufforderung des Kurfürsten an seine Untertanen, diese Zeitung zu lesen, blieb der Leserkreis so klein, dass die Zeitung zwischen 1777 und 1784 nicht mehr herausgegeben wurde. Um die seit 1785 erneut herausgegebene Zeitung nicht wirtschaftlich wieder zu gefährden, befahl der neue Kurfürst Max Franz den Stadträten, Gerichten und Amtsverwaltern im Erzstift und Vest Recklinghausen, jeweils ein Exemplar für den festgesetzten Preis von 1 Rtlr. abzunehmen.211 Die Zeitung diente der Verkündung von Verordnungen und Terminen und fungierte auch als Anzeigenblatt, aber insbesondere in den 1780er Jahren wurden zahlreiche Artikel aufgenommen, die die Leser über aufgeklärte Themen informierten, wie Erziehung und Gesundheit, Landwirtschaft und Gewerbe sowie wissenschaftliche Erkenntnisse. Die in den 1780er Jahren gegründeten Gesellschaften, die der Aufklärung zugeschrieben werden können, waren der Illuminatenorden und die Lesegesellschaft. Beide waren Institutionen, die auch in anderen Städten als Träger der Aufklärung fun205 206 207 208 209 210 211
BRAUBACH, Die erste Bonner Zeitung, S. 28. BOGE, Clemens August und seine Zeit, S. 221. BRAUBACH, Eine Jugendfreundin Beethovens, S. 20. ZEIM, Die rheinische Literatur der Aufklärung, S. 64. Die Zeitschriften und Zeitungen sind aufgeführt und beschrieben in: Ebd., bes. S. 16 f. StAB, Ku 31/22, Kurfürstliches Edikt vom 6. Juni 1772. StAB, Ku 31/22, Kurfürstliches Edikt vom 9. Dezember 1784.
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gierten. Die Bonner Dependance der Illuminaten, unter dem Namen „Stagira“ bekannt, wurde 1781 gegründet und bestand bis zum reichsweiten Verbot 1785. Ziel des Ordens war die sittliche Verbesserung der Menschen durch Übernahme und praktisches Leben aufgeklärter Ideen, sodass am Ende jegliche Form von Herrschaft überflüssig sei. Dies erzeugte zwangsläufig die Gegnerschaft zahlreicher Landesfürsten und vor allem der Kirche. Die meisten Bonner Mitglieder des Ordens, die das Gros der Autoren der aufgeklärten Bonner Zeitungen stellten, standen jedoch in kurfürstlichen Diensten.212 Daher unternahm Max Franz zum Missfallen des Domkapitels nichts gegen diese geheime Gesellschaft.213 Der Bonner Lesegesellschaft war eine deutlich längere Geschichte als dem Illuminatenorden beschieden, denn sie besteht bis heute. Eine Lesegesellschaft wurde bereits 1781 vom Buchhändler Abshoven gegründet, die aber kurz nach ihrer Gründung trotz „angeblich großen Interesses beim Publikum“214 wieder aufgelöst wurde. In dieser ersten Lesegesellschaft waren sogar Frauen als Mitglieder erlaubt.215 Unter den 13 Gründungsmitgliedern finden sich sämtliche Mitglieder des Illuminatenordens. Außerdem traten zwischen 1787 und 1794 viele „Sympathisanten“ der Illuminaten – wenn man die Leser der von Ordensmitgliedern herausgegebenen Publikationen so nennen mag216 – in die neue Gesellschaft ein. Deshalb kann die Lesegesellschaft durchaus als eine Nachfolgeorganisation der Bonner Illuminatenfiliale gelten. Gelesen wurde neben Periodika vor allem politische Literatur bekannter Aufklärer, wie ein Verzeichnis des Bestandes der Bibliothek der Lesegesellschaft Ende des 18. Jahrhunderts offenbart.217 Dank eines ausführlichen Mitgliederverzeichnisses können die Träger der Aufklärung, die in der Lesegesellschaft zusammen kamen, genauer untersucht werden.218 In Bonn gehörten von den insgesamt 176 zwischen 1787 und 1794 eingetretenen Mitgliedern die mit Abstand meisten dem Hof, Regierungsbehörden oder der Universität an. Ebenfalls stark vertreten waren Geistliche, vor allem Kanoniker des Cassiusstifts. Es waren nahezu alle Bonner Ärzte und Professoren Mitglieder der Gesellschaft, aber kein einziger Apotheker oder Advokat! Zunftmitglieder fehlten ebenfalls vollständig. Insgesamt 51 Adelige und 22 Professoren gehörten der Gesellschaft an. Einfache Hofbedienstete bzw. kurfürstliche Beamte, wie Bereiter oder Zollschreiber, traten ihr überwiegend erst ab 1790 bei. Sie wurden wohl durch das Vorbild der Vorgesetzten am Hof und in den landesherrlichen Behörden dazu angeregt. Aus dem alten Bürger212 213 214 215 216
217 218
Dies kann einer Mitgliederliste des Ordens entnommen werden. HANSEN, Quellen zur Geschichte des Rheinlandes, Bd. 1, S. 43-45. NACKEN, Die Minervalkirche von Stagira, S. 173. PRÜSENER, Lesegesellschaften im 18. Jahrhundert, S. 402. EICHHOFF, Materialien zur geist- und weltlichen Statistick, Bd. 2, S. 148 f. Dies zeigen die überlieferten Subskribentenverzeichnisse in der von Neefe 1785 herausgegeben literarischen Sammlung „Dilenttarien“ und in der Niederrheinischen Monatsschrift, in denen die Abonnenten der Zeitschriften aufgeführt sind. NEEFE, Dilenttarien, Anhang; Niederrheinische Monatsschrift vom Mai 1786, S. 97 und vom Juni 1786, S. 198. DANN, Die Anfänge demographischer Traditionen, S. 77. DYROFF, Festschrift zur Feier des 150 jährigen Bestehens, S. 107-109.
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tum trat lediglich der Kaufmann Hauptmann im Jahr 1790 der Lesegesellschaft bei; er handelte mit Spezereiwaren219 und stand daher sicherlich in regem Kontakt mit Hofbediensteten. Als letztes Mitglied vor der französischen Besatzung wurde 1794 der Bonner Bürgermeister Rozzoli aufgenommen, der allerdings im Mitgliederverzeichnis als Kaufmann ausgewiesen ist. Hier zeigt sich deutlich, dass etwa zeitgleich mit dem Ende der kurfürstlichen Zeit auch das städtische Patriziat begann, sich den neuen Einflüssen zu öffnen. Die ca. 420 Lesegesellschaften im Reich wiesen hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Struktur und Ziele viele Gemeinsamkeiten auf.220 Besonders groß waren die Gemeinsamkeiten zwischen den Lesegesellschaften im Rheinland, die sich am Mainzer Vorbild orientierten.221 Die Mitglieder in Trier und Koblenz, aber auch in Bonn und Mainz entstammten nicht dem Zunftbürgertum, sondern waren überwiegend Inhaber von Ämtern in der landesherrlichen Verwaltung oder am Hof, sodass es eine enge Verbindung zwischen den aufgeklärten staatlichen Reformen und den Lesegesellschaften gab. In Trier gehörten beispielsweise 63 % der Domkapitulare und 87,5 % der Hofräte der Lesegesellschaft an. Vielfach wurden die Reformen am Ende des 18. Jahrhunderts in den Lesegesellschaften diskutiert und gedanklich ausgearbeitet, bevor sie dann von den gleichen Personen im Staatsamt auch praktisch umgesetzt wurden.222 Auch in Bonn übte die Lesegesellschaft direkt Einfluss auf den Kurfürsten aus, denn einige seiner führenden Mitarbeiter – beispielsweise der Präsident von Spiegel zu Diesenberg, der Vorleser Wreden und der Obristmarschall von Forstheim – gehörten der Lesegesellschaft an.223 In diesen Sozietäten begegneten sich Adelige und Bildungsbürgertum auf Augenhöhe. Nicht die Abstammung oder die Profession entschieden über die Mitgliedschaft, sondern sie basierte auf Freiwilligkeit und Interesse. Die ältere Forschung zu den Lesegesellschaften ging sogar so weit, dass sie in ihnen den Beginn der Demokratie und des Wegfalls jeglichen Standesdenkens sah.224 Die neuere Forschung zeichnet ein differenzierteres Bild, in dem der Einfluss der Lesegesellschaft auf die Bevölkerung zurückhaltender eingeschätzt wird, denn ärmere Schichten blieben allein schon durch die vergleichsweise hohen Gebühren ausgeschlossen. Auch setzte sich in Städten wie Dresden der Standesdünkel in diesen Gesellschaften fort, denn dort wurde das Rangdenken niemals ganz außer Kraft gesetzt.225 Dies traf sicherlich auch auf andere Lesegesellschaften im Reich zu. Außer in diesen organisierten Gesellschaften trafen sich aufgeklärte Personenkreise des Stadtbürgertums und des Hofes auch bei anderen Gelegenheiten: in privaten 219 220 221 222 223 224 225
Dies konnte der für diese Untersuchung erstellten Datenbank der Zustandstabellen entnommen werden. StAB, Ku 34/2. SCHMIDT, Wandel durch Vernunft, S. 360. Die Trierer Lesegesellschaft ist archivalisch besonders gut überliefert und zudem umfassend von Tilgner untersucht worden. TILGNER, Lesegesellschaften an Mosel und Mittelrhein. Ebd., S. 395 f. RUCKSTUHL, Geschichte der Lese- und Erholungsgesellschaft, S. 48. GÖPFERT, Lesegesellschaften im 18. Jahrhundert, S. 406. ROSSEAUX, Freiräume, S. 283.
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Zirkeln, wie bei der Witwe Anna Maria Koch im Haus „Zum Zehrgarten“ am Markt, wo sich die geistige Elite der Stadt austauschte,226 bei zahlreichen Konzerten in bürgerlichen Häusern oder am Hof, wo beispielsweise das Theater seit 1778/79 auch für Bürger zugänglich war.227 Daneben waren zahlreiche Bälle im Residenzschloss unter Max Friedrich – z. B. an seinem Geburtstag am 14. Mai 1775 – zur „Freude der Unterthanen“ für das Bürgertum zugänglich.228 In Bonn wie auch in anderen Residenzen vereinigten sich Adelige, Hofbedienstete und Bildungsbürger, etwa Professoren, Juristen und Ärzte, unter dem Deckmantel der Aufklärung und standen dem traditionellen Bürgertum gegenüber, zu dem neben den Zünften vor allem die Ratsmitglieder zählten. Doch auch diese Kluft wurde geringer, denn die Heiratskreise von kurfürstlichen Beamten und Bonner Schöffenfamilien vermischten sich immer häufiger.229 Diese aufgeklärten Bevölkerungsgruppen identifizierten sich weit mehr mit dem Staat als mit der Stadt,230 weshalb das Bürgerrecht als Distinktionsmerkmal zunehmend an Bedeutung verlor. Außerdem waren es diese Kreise, die aufgeklärtes Gedankengut vertraten und nicht zuletzt durch die rege Publikationstätigkeit versuchten, es auch unter der Bevölkerung zu verbreiten. Die höfische Gesellschaft rückte über das Bindeglied der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts enger an die Bürgerschaft der Residenzstadt heran.231 Die Bonner Universität, 1786 aus der Maxischen Akademie hervorgegangen, wurde als Zentrum der katholischen Aufklärung im Gegensatz zur Kölner Universität gegründet.232 Damit reiht sie sich ein in die protestantischen wie katholischen Universitätsgründungen während der Epoche der Aufklärung. Sie bildete neben der Lesegesellschaft gleichsam den zweiten „Leuchtturm der Aufklärung“233 in Bonn. Die Lehre unterschied sich an den neuen, im Geiste der Aufklärung gegründeten Universitäten signifikant von denen an den alten katholischen Universitäten, beispielsweise in Köln oder Trier. So wurden bereits 1785 – noch vor der offiziellen Gründung der Universität – auf Befehl des Kurfürsten die Leichen aller verstorbenen Stadtbürger in die Anatomie gebracht, damit die Studenten direkt am menschlichen Leichnam lernen konnten.234 Dies war in Trier und Köln nicht möglich.235 Auch wenn der alten Bonner Universität kein längeres Bestehen vergönnt war, weshalb auch die aufgeklärten Be226 227 228 229
230 231 232 233 234 235
BRAUBACH, Eine Jugendfreundin Beethovens; BRAUBACH, Von den Menschen. BRAUBACH, Kurköln, S. 350. Bönnisches Intelligenzblatt vom 16. Mai 1775, S. 361. ENNEN, Die kurkölnische Residenz Bonn, S. 99. Sicherlich gingen auch niedere Hofbedienstete und Bürger, beispielsweise aus dem Handwerk, häufig Ehen miteinander ein. Dies war jedenfalls in Karlsruhe der Fall. Dort bildeten lediglich die Knechte und Tagelöhner abseits der höfischen und bürgerlichen Gesellschaft einen eigenen Heiratskreis. MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 266. SCHMUHL, Die Herren der Stadt, S. 338 f. DANIEL, Höfe und Aufklärung in Deutschland, S. 27. SCHINDLING, Fürstbischof und Universität, S. 185. BRAUBACH, Von den Menschen, S. 107. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, S. 56. Auszug aus einem Ratsprotokoll vom 1. Februar 1785. DUCHHARDT, Die geistlichen Staaten, S. 60-62.
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strebungen nicht in der Form wie an der Göttinger oder Hallensischen Universität zur Geltung kamen, wirkten an ihr viele bekannte Vertreter der Aufklärung: Eulogius Schneider, ein entschiedener Verfechter der französischen Revolution, der Arzt Franz Wilhelm Kauhlen, der Jurist Heinrich Gottfried Daniels, der später den Code Napoeleon ins Deutsche übersetzte, und der Theologe Philipp Hedderich. Die Bedeutung der kleinen Universität – 29 Professoren lehrten etwa 230 Studenten236 – darf sicherlich nicht unterschätzt werden. Schließlich waren viele Professoren in einer Doppelfunktion in die städtische oder auch die höfische Gesellschaft integriert, beispielsweise als Arzt oder Richter. Daneben bildeten sie den Kern der aufgeklärten Sozietäten in Bonn und waren auch als Autoren von Artikeln in Bonn herausgegebener Zeitungen und Zeitschriften aktiv. Unter den Studenten dominierte die Jurisprudenz so sehr, dass in den Zustandstabellen von 1790 generell alle Studenten als „Juristen“ oder eben „Studenten“ bezeichnet werden. 1786/87 waren 38 Medizinstudenten,237 1788/89 43 Theologiestudenten immatrikuliert, während 1790 mehr als 100 junge Männer Jura studierten.238 Die Dominanz der juristischen Fakultät spiegelt die Stoßrichtung der katholischen Aufklärung in Kurköln wider: die Umsetzung praktischer Reformen in den Grenzen des geistlichen Staates. Max Franz unterstützte die Aufklärung in all ihren Erscheinungsformen, im Gegensatz zum Domkapitel und den geistlichen Orden, die auch die Bonner Universitätsgründung abgelehnt hatten.239 Erst nach den Eindrücken der französischen Revolution, über die im „Bönnischen Intelligenzblatt“ bis zum 23. Juli 1789 „wegen der Enge des Raumes“240 gar nicht berichtet wurde, nahm auch er gegenüber radikalem aufgeklärten Gedankengut eine kritischere Haltung ein. Als dann noch der Bonner Professor Eulogius Schneider offen Partei für die Revolutionäre ergriff und den christlichen Glauben und die Kirche offen infrage stellte, reagierte der Kurfürst: Er verbot zunächst Schneiders ketzerische Schriften, die er selbst noch bis 1790 eifrig gelesen hatte, und enthob ihn schließlich seiner Ämter am Gymnasium und an der Universität241 – allerdings erst nach mehrfacher Verwarnung und vermutlich schweren Herzens. Die Akteure der Aufklärung waren demnach eine kleine, aber durchaus heterogene Gruppe innerhalb Bonns. Die Aufklärung ging in Bonn im Wesentlichen von den gebildeten kurfürstlichen Beamten sowie der Universität aus. Auch in anderen Zentren der Aufklärung in Deutschland blieb sie auf die Gruppe der gebildeten Hofbediensteten und Beamten beschränkt. Sie erreichten zwar das Bildungsbürgertum in 236
237 238
239 240 241
WOLFF, Die medizinische Fakultät, S. 40. Die Zahl der Studenten bewegte sich seit Errichtung der Universität bis 1793 zwischen 230 und 250 Studenten. BRAUBACH, Die erste Bonner Hochschule, S. 241. WOLFF, Die medizinische Fakultät, S. 40. BRAUBACH, Die erste Bonner Hochschule, S. 241. Bereits vor dem Regierungsantritt Max Franz‘ waren die Juravorlesungen wesentlich besser besucht als die Theologievorlesungen. Ebd., S. 48 f. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 320. Bönnisches Intelligenzblatt vom 23. Juli 1789, S. 237. BRAUBACH, Rheinische Aufklärung, Teil 1, S. 115-120.
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den Städten, wurden aber von der alten Bürgerschaft abgelehnt: „Als geistige Bewegung erfaßte die Aufklärung natürlich nicht die weiten Kreise der werk- und wirtschaftstätigen Bevölkerung“242. Häufig fehlte den Stadtbürgern die nötige Bildung, vor allem aber sahen sie ihren Status durch die neuen Ideen gefährdet.243 Stärker als in Bonn und Mainz beteiligten sich Händler und Gastwirte in anderen Städten an der neuen Bewegung. Ihnen boten die neuen Ideen die Möglichkeit, innerhalb der städtischen Hierarchie aufzusteigen und die Hürden des altständischen Zunft- und Bürgerrechtes zu überwinden.
4.3.2 Die Verbreitung aufgeklärten Gedankengutes Auch wenn die aktiven Förderer der Aufklärung ein kleiner Kreis innerhalb der Stadt blieben und die Aufklärung keine Massenbewegung wurde, ist für diese Untersuchung wichtig, wen die aufgeklärten Ideen in Bonn erreichten und ob die Einwohnerschaft zumindest die Belehrungsversuche zur Verbesserung der Bildung, des Wohlstandes, der Gesundheit oder der Sittlichkeit annahm. Ein Vertreter der Aufklärung in Bonn, Kaspar Anton Freiherr von Mastiaux, gab das Ziel aus, „in jedem Winkel des Staates das heilige Feuer der Aufklärung anzufachen, zu nähren, zu unterhalten“244. Die Mitglieder der Lesegesellschaft sahen es als ihre Aufgabe an, das Volk aufzuklären und als „Lehrer des Vaterlandes“ zu fungieren, wie Eulogius Schneider von den Mitgliedern forderte.245 Die aufgeklärten Ideen wurden auf zwei Arten „nach außen“ transportiert, d. h. in der Gesellschaft verbreitet: zum einen durch das moralische Vorbild der Mitglieder der Lesegesellschaft und zum zweiten durch zahlreiche Publikationen. Deshalb soll im Folgenden der Leserkreis der betreffenden Zeitungen und Zeitschriften bestimmt werden.246 Voraussetzung für die Erreichbarkeit der einfachen Bevölkerung war die Lesefähigkeit. Doch wer konnte im frühneuzeitlichen Bonn überhaupt lesen? Hierzu werden die Ergebnisse der Forschung zur Signierfähigkeit als Kriterium herangezogen. Nach herrschender Meinung der Alphabetisierungsforschung waren Menschen, die in der Lage waren, ihren Namen zu schreiben, auch fähig, zumindest einfache Texte zu lesen.247 Da zu Beginn des 19. Jahrhunderts 90 % der Bräutigame und 66 % der Bräute ihren Namen schreiben konnten, kann konstatiert werden, dass der Großteil der Bevölkerung Ende des 18. Jahrhunderts lesen konnte.248
242 243 244 245 246
247 248
RUCKSTUHL, Geschichte der Lese- und Erholungsgesellschaft, S. 27. HAHN, Altständisches Bürgertum, S. 171-173. Zitiert nach RUCKSTUHL, Geschichte der Lese- und Erholungsgesellschaft, S. 43. Zitiert nach Ebd. Weitere Maßnahmen der Lesegesellschaft das „einfache Volk“ zu erreichen, die aber erfolglos bzw. unbedeutend blieben, sind dargestellt in: RUCKSTUHL, Geschichte der Lese- und Erholungsgesellschaft, S. 44-47. SCHMIDT, Wandel durch Vernunft, S. 269. Unter gebildeten Bürgern und Handwerkern lag die Alphabetisierungsrate noch deutlich höher. WINNIGE, Zum Stand der Alphabetisierung, S. 77-81.
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Doch die Alphabetisierung muss nicht das zentrale Kriterium für die Anzahl der Leser sein. Schließlich waren gedruckte Erzeugnisse im 18. Jahrhundert sehr teuer und daher für viele unerschwinglich. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts dominierte das repetierende Lesen vorwiegend religiöser Literatur. Nach der Leserevolution in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Romane, Periodika und Sachbücher zu verschiedensten Themen populärer. Dies war auch einer der Gründe für das Entstehen der Lesegesellschaften: Die Kosten für die Anschaffung neuer Bücher wurden auf die Mitglieder umgelegt. Angesichts des hohen Alphabetisierungsgrades blieb die Zahl der Abnehmer der in der zweiten Jahrhunderthälfte begründeten Zeitschriften in der Stadt eher gering. Nicht nur, dass zahlreiche Zeitschriften aufgrund einer zu geringen Leserzahl aufgegeben werden mussten, auch wurden Zeitschriften – beispielsweise die „Dilenttarien“ – mehr in anderen Städten als in Bonn selbst gelesen.249 Deshalb kann festgehalten werden, dass außerhalb der aufgeklärten Kreise diese Zeitschriften in Bonn nicht bzw. kaum gelesen wurden. Lediglich das „Bönnische Intelligenzblatt“ dürfte nicht zuletzt aufgrund der Zwangsabnahmen und der allgemein interessierenden Anzeigen – z. B. zu Hausverkäufen und Stellengesuchen – zumindest in den 1780er und 1790er Jahren wesentlich weiter verbreitet gewesen sein. Leider ist weder die Auflagenhöhe noch ein Verzeichnis der Abonnenten überliefert. Die Handwerker stellten die größte Gruppe des traditionellen Bürgertums dar. Sie konnten in ihrer überwiegenden Mehrzahl lesen, und zumindest die Meister in den Nahrungsmittelgewerben hätten auch genügend Mittel für eine Mitgliedschaft in der Lesegesellschaft gehabt. Gerade dieser Stand war jedoch nicht in der Lesegesellschaft vertreten. Auch unter den Abonnenten der Zeitungen und Zeitschriften finden sich keine Zunftmitglieder. Im Gegenteil, Zunftmitglieder traten immer wieder in Erscheinung, wenn es um die Bewahrung der alten Ordnung und hergebrachter Traditionen ging. Beispielsweise trat der Bäckermeister Winterscheid während der Hungerkrise 1772 dafür ein, eine Prozession zu den Gebeinen der Heiligen Drei Könige nach Köln durchzuführen. Statt über die Verbesserung von Landwirtschaft und Versorgung nachzudenken, wie es die aufgeklärten Kreise in Bonn taten, lagen ihm vielmehr das Zeugnis des Wohlverhaltens und die Verfügbarkeit eines Pilgerstabes am Herzen.250 Die Handwerker distanzierten sich freiwillig von den aufgeklärten Kreisen. Die Annahme, die fünf Druckereien und Buchhandlungen in Bonn hätten das "Eindringen aufgeklärter Ideen in breitere Kreise des Bürgertums"251 ermöglicht, kann vor diesem Hintergrund nicht gestützt werden. Gerade das Handwerk sah in der Aufklärung eine Bedrohung seiner traditionellen zünftischen Ordnung. Deshalb war die ablehnende Haltung der Zünfte auch in den meisten anderen Zentren der Aufklärung im Reich anzutreffen.
249 250 251
Von insgesamt etwa 300 Ausgaben wurden etwa 200 in andere Städte verschickt. NEEFE, Dilenttarien, Anhang. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, Auszug aus einem Ratsprotokoll vom 31. März 1772, S. 41. DOTZAUER, Bonner aufgeklärte Gesellschaften, S. 80.
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Wie versuchten die Vertreter der Aufklärung, mit und in ihren Schriften das Volk zu erreichen? Zunächst einmal störten sich die Autoren an der fehlenden Belehrbarkeit des Volkes – eine wesentliche Voraussetzung für die Verbreitung aufgeklärten Gedankengutes. Die mangelnde Befolgung sogar der landesherrlichen Verordnungen durch das einfache Volk – im Gegensatz zu den gesetzestreuen gebildeten und aufgeklärten Bürgern – wurde daher als eigenes Thema aufgegriffen. Als Lösung wurde die Bildung und Erziehung des gemeinen Mannes vorgeschlagen.252 Neben allgemeinen Ratschlägen für die Landwirtschaft, Berichten aus der Wissenschaft, Literatur u. a., bildeten auch bevölkerungs- und gesundheitspolitische Themen einen Schwerpunkt in den Bonner Zeitungen und Zeitschriften. Auf diese für die Untersuchung relevanten Themen wird im Folgenden näher eingegangen. Die „Beiträge zur Ausbreitung nützlicher Kenntnisse“ thematisierten etwa das gesunde Wohnen, die Hygiene und die staatliche Bevölkerungspolitik. Während die Hinweise zum gesunden Wohnen253 aufgrund ihrer inhaltlichen Mängel nicht zum Wohl der Bevölkerung beigetragen haben können, bietet der Artikel „Von der Reinlichkeit“254 interessante Einblicke. Der Reinlichkeit im Haus und des Körpers wurde aus medizinischen, aber auch aus moralischen Gründen – nämlich zum „Gefallen der Mitmenschen“ – eine insgesamt große Bedeutung für die Gesundheit beigemessen. Darin wurde auch vom Frisieren nach französischer Sitte abgeraten – also dem Tragen einer Perücke –, weil sie Ausdünstungen verhindere und den Kopf zu warm hielte. Tatsächlich geriet das Perückentragen im gesamten Reich am Ende des 18. Jahrhunderts außer Mode – angeregt durch das Vorbild aufgeklärter Höflinge. In Bonn wurde die Perücke jedoch erst gegen Ende des Jahrhunderts populär!255 In dem Artikel „Ein paar Worte über die Bevölkerung“256 von Johann Peter Eichhoff wurden demographische Zusammenhänge erläutert und Ratschläge für die fürstliche Bevölkerungspolitik gegeben. Er sah in der Bereitstellung ausreichender Nahrung die entscheidende Voraussetzung für Bevölkerungswachstum. Daher sollte die Wirtschaft gefördert und etwa auch die den freien Markt behindernden Zünfte abgeschafft werden. Die hohe Kindersterblichkeit führte er auf die mangelnde Pflege der Kinder und auf Unterernährung der unteren Stände zurück. Auffallend sind die Ähnlichkeiten mit Johann Peter Süßmilchs einflussreichem Werk „Die göttliche Ordnung“257 – insbesondere der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Tragfähigkeit und Wachstum –, sodass davon ausgegangen werden kann, dass Eichhoff dieses Werk des preußischen Pfarrers und Demographen zumindest kannte.
252 253 254 255 256 257
Bönnisches Wochenblatt vom 9. Mai 1786, S. 69-71. Beiträge zur Ausbreitung nützlicher Kenntnisse vom 12. Juli 1784, „Etwas über gesunde und ungesunde Wohnungen“, S. 113-120. Beiträge zur Ausbreitung nützlicher Kenntnisse vom 26. Juli 1784, „Von der Reinlichkeit“, S. 129-144. Vgl. Kapitel 5.4.3. Beiträge zur Ausbreitung nützlicher Kenntnisse vom 9. August 1784, „Ein paar Worte über die Bevölkerung“, S. 145-152. SÜßMILCH, Die göttliche Ordnung.
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Im Jahr 1771 wurden in einem kurzen Artikel in dem in Köln herausgegebenen „Niederrheinisch-Westfälischen Kreiskalender“ – wohl ebenfalls nach dem Vorbild Süßmilchs – die Geburten und Sterbefälle analysiert und daraus Regelmäßigkeiten und Zusammenhänge abgeleitet.258 Die Ergebnisse, die auf „50 Jahren Beobachtung“ beruhten, lassen auf eine akkurate Analyse schließen, die sich mit modernen historisch-demographischen Erkenntnissen deckt: Die meisten Sterbefälle erfolgten demnach im März, August und September, die Hälfte der Geborenen verstarb noch vor dem 17. Lebensjahr. Die Anzahl der Kinder wird mit vier pro Ehe angegeben, wobei die Zahl der Kinder in den Städten mit etwa 3,5 Kindern pro Ehe etwas niedriger lag. Die Heiratsrate betrug 20 ‰ und lag aufgrund der „dichten Bevölkerung“ eher niedrig. Offen bleibt, wer der Autor dieses kurzen Artikels ist und welche Region innerhalb des Niederrheinisch-Westfälischen Kreises, der das Erzstift komplett umschloss, untersucht wurde. Gleichwohl kann konstatiert werden, dass sicherlich auch gebildete Kreise in der Bonner Regierung diese Erkenntnisse rezipierten.259 Nach dem Vorbild zahlreicher Territorien in der Mitte des 18. Jahrhunderts intensivierten die Kölner Kurfürsten bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ihre Bemühungen, exakte Zahlen über die Bevölkerungsgröße in ihrem Land zu erhalten. In den Bonner Intelligenzblättern wurden daher nicht nur seit ihrem Erscheinen die Zahl der Geborenen und Gestorbenen der Residenzstadt, sondern 1785 wurde die Zahl aller im Erzstift geborenen und gestorbenen Menschen nach Ämtern sortiert veröffentlicht.260 Ziel dieser Maßnahme war es, die Einwohnerzahl des gesamten Erzstifts zu bestimmen – sowohl aus militärischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen. Zur Bestimmung der Einwohnerzahl wurden die Taufen von zwei aufeinander folgenden Jahren addiert und mit 18 multipliziert. Die Multiplikation der Taufen nur eines Jahres mit 35 wurde aufgrund der hohen Fehlerwahrscheinlichkeit abgelehnt.261 Angesichts der in anderen Territorien praktizierten Volkszählungen blieben die Maßnahmen in Kurköln rückständig. Neben dem Bemühen die Volkszahl zu erfassen und zu vermehren, förderten die beiden letzten Kölner Kurfürsten massiv Gewerbe und Manufakturen, auch wenn diesen Projekten in der Regel ein nur mäßiger Erfolg beschieden blieb. Ganz im Sinne aufgeklärter Peuplierungspolitik griffen ökonomische und genuin bevölkerungspolitische Maßnahmen ineinander. Die auf eine Verbesserung der Gesundheit zielenden Artikel in den Bonner Zeitungen sind so zahlreich, dass sie nicht alle besprochen werden können. Von Ratschlägen zur gesunden Ernährung, dem mäßigen Umgang mit Alkohol, Methoden zur Konservierung von Lebensmitteln über die Warnung aus einem Glas zu trinken bis 258 259
260 261
Niederrheinisch-Westphälischer Kreiskalender auf das Jahr 1771. Der Kalender umfasst auch einen genealogischen Teil des gesamten rheinisch-westfälischen Adels. Nicht zuletzt deshalb fand sich der Kalender auch in der umfangreichen und der neu gegründeten Universität zugänglichen kurfürstlichen Bibliothek. BRAUBACH, Die kurfürstliche Bibliothek Bonn, S. 17. Bönnisches Intelligenzblatt vom 22. März 1785, S. 49, 29. März 1785, S. 53, 5. April 1785, S. 57 und 12. April 1785, S. 61. Bönnisches Wochenblatt vom 4. April 1786, S. 50.
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hin zu Methoden, Sommersprossen zu entfernen, sind darunter viele nach heutigem Kenntnisstand unsinnige, aber noch mehr medizinisch sinnvolle Ratschläge zu finden. Kann davon ausgegangen werden, dass das in den Zeitungen und Zeitschriften publizierte Wissen auch tatsächlich unter der Bevölkerung verbreitet wurde? Als Beispiel für die Verbreitung von Wissen unter der Bevölkerung eignet sich die Pockenimpfung. Die Inokulation, d. h. die Pockenimpfung mittels Einspritzen geringer Mengen des bei Infizierten gesammelten Erregers in eine Vene, traf in Deutschland nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch unter Ärzten überwiegend auf Skepsis. Dies lag nicht zuletzt an der hohen Zahl der an den Folgen der Inokulation Verstorbenen. Die fehlende Impfbereitschaft der Bevölkerung bemängelten zahlreiche Intellektuelle in ganz Europa, darunter auch Goethe.262 Daher war die Inokulation zeitweise unter den städtischen Oberschichten auch recht verbreitet, konnte sich aber unter der breiten Bevölkerung nicht durchsetzen,263 auch wegen der hohen Kosten für die von den Ärzten verordneten begleitenden diätetischen Maßnahmen. In Bonn wurden ebenfalls keine Kinder geimpft, zumindest nicht bis 1783.264 In einem sich über mehrere Ausgaben fortsetzenden Artikel eines Münsteraner Arztes wird die Inokulation als geeignetes Mittel zur wirksamen und nachhaltigen Bekämpfung der Pocken gepriesen.265 Im „Bönnischen Wochenblatt“ erstreckt sich ein Artikel eines Züricher Arztes aus dem Jahre 1782 über sämtliche Ausgaben vom 14. März 1786 bis zum 4. April 1786.266 Darin beklagt der Autor ebenfalls die „Dummheit und die Vorurtheile unter dem Volke“267 und spricht sich für die Inokulation aus. Die Argumentation beginnt in beiden Artikeln mit der ausführlichen Erläuterung des Ansteckungsweges und des Krankheitsverlaufes. Weiterhin werden wissenschaftliche Begründungen und Beispiele von erfolgreichen Inokulationen vorgestellt. Obwohl neben den Ärzten auch die Landesbehörden die Inokulation im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts massiv förderten, verweigerten die meisten Bonner nach wie vor eine Impfung. Auch die wesentlich sicherere Impfmethode der Vakzination mittels der ungefährlichen Kuhpocken, die von den französischen Besatzern um 1800 gefördert wurde, stieß bei der Bevölkerung Bonns auf große Ablehnung.268 Dies zeigt die mitunter begrenzte Wirkung des sogar mit staatlichem Zwang verbreiteten Wissens – es stieß auf Aberglauben und althergebrachte Traditionen, auf denen das Volk hartnäckig beharrte.
262 263 264 265 266 267 268
KÜBLER, Geschichte der Pocken, S. 137. WILDEROTTER/ACHILLES-SYNDRAM, Das große Sterben, S. 164. EICHHOFF, Materialien der geist- und weltlichen Statistick, Bd. 1, S. 148. Bönnisches Intelligenzblatt vom 20. April 1790, S. 123-125, 27. April 1790, S. 128-132, 4. Mai 1790, S. 144-148 und 11. Mai 1790, S. 152-155. Bönnisches Wochenblatt vom 14. März 1786, S. 39 f., 21. März 1786, S. 41-44, 28. März 1786, S. 45-48 und 4. April 1786, S. 49 f. Bönnisches Wochenblatt vom 14. März 1786, S. 39. DIETZ, Als die Pocken bei uns hausten, S.16.
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Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Aufklärung am Ende der kurfürstlichen Zeit in Bonn verbreitet war: In zahlreichen Quellen, wie etwa aufgeklärten Zeitschriften und Zeitungen, zeigt sich aufgeklärtes Gedankengut. Die Aufklärung hatte tatsächlich weite Kreise des Bildungsbürgertums, der hohen Hofbeamten und der Hofadeligen erreicht. Diese heterogene Gruppe traf sich in den neu entstandenen Sozietäten, im Theater, in Gaststätten oder auch in privaten Bürgerhäusern. Die Politik unter den letzten beiden Kurfürsten wurde getragen von aufgeklärtem Gedankengut, bewegte sich aber immer in den Schranken, die der geistliche Staat und die alte ständestaatliche Ordnung vorgaben. So wurden beispielsweise die Zünfte oder das Bruderschaftswesen nicht beseitigt – trotz der Forderungen von Vertretern der Aufklärung. Der Einfluss der Aufklärung auf die Einwohnerschaft der Residenzstadt darf nicht überbewertet werden. Ein Großteil der zum alten Bürgertum gehörenden Einwohner blieb den aufgeklärten Gesellschaften freiwillig fern. Sie blieben alten Traditionen verhaftet und verteidigten beispielsweise das barocke Prozessionswesen, das den Aufklärern ein Dorn im Auge war. Den staatlichen Disziplinierungs- und Lenkungsmaßnahmen waren deshalb auch enge Grenzen gesetzt. Dementsprechend gering war der Einfluss der zahlreichen Artikel in den lokalen Druckerzeugnissen über Gesundheit, Kindererziehung und ähnliche Themen, die direkt auf die Veränderung des generativen Verhaltens abzielten. Anhand der Säuglingssterblichkeit wird noch empirisch überprüft werden, ob diese Ratschläge von der Einwohnerschaft zumindest teilweise angenommen und auch umgesetzt wurden.
5. Die Bevölkerungsbewegung
Dieses Kapitel bildet den Kern der historisch-demographischen Auswertung der in den Kirchenbüchern verzeichneten Vitalereignisse. Die einzelnen generativen Komponenten der natürlichen Bevölkerungsbewegung – Fruchtbarkeit, Heirat und Sterblichkeit – werden nachfolgend aggregativ analysiert, und zwar in folgender Reihenfolge: Natalität (Kapitel 5.1), Nuptialität (Kapitel 5.2) und Mortalität (Kapitel 5.3).1 Dabei werden Vergleiche mit anderen Städten gezogen, insbesondere mit den drei Residenzstädten der anderen geistlichen Kurfürstentümer, und die aktuelle Forschungslage zu einzelnen demographischen Parametern diskutiert. Das Heiratsalter und die Säuglingssterblichkeit, für die Argumentation der vorliegenden Untersuchung besonders bedeutende Parameter, werden umfassend untersucht: Sie werden nicht nur namentlich analysiert, sondern auch unter Hinzuziehung von sozioökonomischen Informationen – sowohl aus den Kirchenbüchern als auch aus anderen Quellen. Hierdurch sollen wertvolle Erkenntnisse über die generative Struktur Bonns gewonnen werden. Für die Untersuchung der räumlichen Bevölkerungsbewegung (Kapitel 5.4) dienen nicht die Einträge in den Kirchenbüchern als Quelle, sondern die in den Ratsprotokollen und den Stadtrechnungen verzeichneten Neubürgeraufnahmen. Dies ergab sich aus den mangelhaften, weil unregelmäßigen Einträgen der Herkunftsorte der Ehepartner in den Bonner Heiratsregistern. In Kapitel 5.5 wird die natürliche und räumliche Bevölkerungsbewegung zusammengeführt. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die städtische Bevölkerung selbst in der Lage war, sich zu reproduzieren.
5.1 Natalität In diesem Kapitel wird zunächst der nicht unproblematische Umgang mit der Hauptquelle, den Bonner Taufregistern, erörtert und anschließend der Verlauf der Geburten nachgezeichnet. Nachfolgend werden die Anzahl der Geburten pro Ehe (5.1.1) und die saisonale Verteilung der Geburten (Kapitel 5.1.2) untersucht. Als besonders aufschlussreich für die Beantwortung der Frage, ob sich das generative Verhalten der Menschen im Verlauf des Jahrhunderts geändert hat, kann die Untersuchung der illegitimen Geburten und der Findelkinder (Kapitel 5.1.3) gelten. Grundsätzlich umfasst die Vitalstatistik jedes getaufte Kind, d. h. Mehrfachgeburten sind entsprechend der Kinderzahl erfasst worden. Dagegen fehlen die notgetauften Totgeburten, weil in keiner der Pfarreien bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes Totgeburten im Taufregister verzeichnet wurden. In den Sterberegistern der Pfarreien 1
Die den Auswertungen zugrunde liegende Vitalstatistik ist im Anhang aufgeführt (Tabellen A 1A 3).
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Die Bevölkerungsbewegung
wurden diese Totgeburten jedoch registriert, sodass die Totgeborenen zu den im Taufregister verzeichneten hinzuaddiert werden müssen, damit die Natalität korrekt erfasst wird. Deshalb wird nachfolgend der Umgang mit den Totgeburten in dieser Untersuchung erläutert. Die moderne Definition einer Totgeburt – ein mindestens 500 g schweres und ohne erkennbares Lebenszeichen geborenes Kind2 – kann nicht auf historische Populationen angewandt werden, weil weder das Gewicht noch das Vorhandensein eines Lebenszeichens aus den Quellen eindeutig hervorgeht. Die Bestimmung der Totgeburten ist aber methodisch von größter Bedeutung, weil in vielen Kirchenbüchern die Totgeburten zwar im Sterberegister verzeichnet wurden, aber nicht im Taufregister. Eine solche Unterregistrierung in den Taufregistern, wie in Bonn, führt bei einer Totgeburtenrate von etwa 3-5 % zu einer enormen Verzerrung der Bevölkerungsbilanz. Daher muss in jeder Untersuchung, die Vitalereignisse aus Kirchenbüchern nutzt, geklärt werden, wie mit den Totgeburten verfahren wird. Das Bestreben der katholischen Kirche, „keine Seele ungetauft versterben zu lassen“, veranlasste häufig die Hebammen zu Nottaufen von Totgeburten, „wofern […] ein Zweyfel seye, ob das Kind noch lebe“3. Deshalb wurden die meisten Totgeburten als vermeintlich noch Lebende getauft. In der Kirchenordnung des Erzbistums Köln wurde der Nottaufe ebenfalls große Bedeutung beigemessen, weshalb Laien – wie die Hebammen – bei Gefahr befugt waren, eine Taufe vorzunehmen.4 In Bonn wurden Totgeburten in der Regel nicht als solche gekennzeichnet. Bei am Tag der Geburt notgetauften und verstorbenen Kindern fehlt allerdings der Vorname des Kindes im Sterberegister. Außerdem findet sich seit den 1760er Jahren bei derartigen Sterbefällen von namenlosen Kindern regelmäßig der Vermerk, dass es sich um eine Nottaufe gehandelt hat. Wenn ein Kind von einer Hebamme („ab obstetrice baptizata“) notgetauft worden war, wurde dies notiert. Die Frage, ob es sich bei diesen Nottaufen tatsächlich immer um Totgeburten gehandelt hat, ist Gegenstand des Kapitels über die Säuglingssterblichkeit.5 An dieser Stelle ist nur von Bedeutung, ob diese Kinder gleichermaßen im Tauf- wie im Sterberegister notiert wurden. Eine Überprüfung ergab, dass namenlose Kinder zwar im Sterberegister, aber weder zu Beginn noch am Ende des Jahrhunderts im Taufregister verzeichnet wurden.6 In Mainz wurden Nottaufen bzw. Totgeburten auch im Taufregister regelmäßig verzeichnet. Dennoch hat Rödel in seiner Untersuchung diese Fälle ausgeklammert, um die tatsächliche Geburtlichkeit und Sterblichkeit analysieren zu können.7 Jedoch wird von führenden Vertretern der Historischen Demographie gefordert, die Totge2 3 4 5 6 7
§ 31 Deutsches Personenstandsgesetz, online: , [27. Januar 2011]. Kirchenordnung des Erzbistums Mainz von 1670, zitiert nach ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 171. Agenda S. Coloniensis Ecclesiae von 1637, S. 4. Vgl. Kapitel 5.3.4. In Duisburg wurden ebenfalls die Totgeburten der Katholiken nicht im Taufregister vermerkt, sondern nur im Sterberegister. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 147. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 17.
Natalität
123
burten bei den Berechnungen einzuschließen. Denn in protestantischen Regionen wurden im Gegensatz zu katholischen Gebieten Totgeburten häufiger in beiden Registern vermerkt, sodass für eine bessere Vergleichbarkeit die Berücksichtigung der Totgeburten geboten scheint.8 Daher werden in dieser Untersuchung die Totgeburten bei der Analyse der Natalität bzw. Mortalität eingeschlossen. Zu diesem Zweck wurde der Anteil der im Sterbeaber nicht im Taufregister vermerkten Nottaufen bestimmt und zu den Taufen addiert. Hierzu wurden allerdings nicht alle Einträge berücksichtigt, weil beispielsweise aus den 1740er Jahren die Sterbeeinträge der Hauptpfarrei fehlen. In den 1730er, 1750er, 1760er sowie in den 1780er Jahren betrug der Anteil der im Sterberegister verzeichneten Nottaufen durchschnittlich 4,3 % an allen Geburten. Dementsprechend wurden die Taufen um 4,3 % erhöht, damit die korrekte Anzahl an Geburten wiedergegeben wird. Dieser Ausgleich der Unterregistrierung bei den Taufen wurde jedoch nicht monatsweise, sondern nur in den Jahresübersichten durchgeführt. Auf der anderen Seite gab es auch Fälle, in denen hinter einem Taufeintrag der Tod des getauften Kindes vermerkt wurde – ohne einen entsprechenden Eintrag im Sterberegister. Dies betraf im gesamten Untersuchungszeitraum in allen vier Pfarreien allerdings nur 52 Fälle. Diese Kinder wurden „posthum“ getauft, d. h. Totgeburten wurden auch als solche registriert. Diese Fälle wurden den Sterbefällen hinzuaddiert. Der Abstand zwischen Geburt und Taufe war sehr gering. Katholische Säuglinge wurden im 18. Jahrhundert meist einen Tag nach ihrer Geburt getauft, manchmal noch am selben Tag, oder am zweiten Tag, keinesfalls jedoch mehr als drei Tage nach der Geburt.9 Lediglich der Anreiseweg der Taufpaten scheint den Taufzeitpunkt häufig ein wenig verzögert zu haben, denn die katholische Tradition sah vor, ein Kind so bald wie möglich taufen zu lassen.10 Dieses Muster lässt sich ohne weiteres auf andere katholische Populationen im 18. Jahrhundert übertragen, denn in keiner der zum Vergleich herangezogenen historisch-demographischen Untersuchungen wurde eine Taufe noch nach einer Zeitspanne von mehr als sieben Tagen nach der Geburt festgestellt11 – wenn eine solche empirische Prüfung überhaupt möglich war. Gleiches sollte demnach für das Erzbistum Köln gelten, wo „die Taufe […], wie damals allgemein üblich, bald nach der Geburt statt[-fand]“12. In den Taufregistern der Pfarrei St. Gangolf wurde ab 1741 neben dem Tauf- auch regelmäßig das Geburtsdatum gesondert ausgewiesen. Eine Auswertung ergab, dass bis 1780 der Abstand zwischen Geburt und Taufe durchschnittlich 2,16 Tage betrug, während er zwischen 1780 und 1798 nur noch bei 1,55 Tagen lag. Nur in sehr wenigen Fällen betrug der Abstand vier Tage; fünf Tage oder mehr lagen in keinem einzigen Fall zwischen Geburt und Taufe. Am häufigsten wurden die Kinder am ersten 8
9 10 11 12
GEHRMANN, Methoden der historischen Bevölkerungsforschung, S. 712. In einer neueren historisch-demographischen Untersuchung Jenas wurde dieser Aufforderung Rechnung getragen und die Totgeburten den Geburten hinzuaddiert. PÖHNERT, Die Bevölkerungsentwicklung, S. 22 f. ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 155. MOLS, Introduction à la démographique historique, Bd. 1, S. 264. ROMMEL, Zwischen Ancien Régime und Industriezeitalter, S. 29-31. HEGEL, Das Erzbistum Köln, S. 272.
124
Die Bevölkerungsbewegung
oder zweiten Tag nach der Geburt getauft, während die Taufe am Geburtstag im Allgemeinen nicht vollzogen wurde. Im Folgenden werden Geburtsdatum und Taufdatum gleichgesetzt, da der geringe zeitliche Abstand zwischen diesen Ereignissen die Aussagekraft der Vitalstatistik nicht beeinträchtigt.
Abbildung 1: Anzahl der Geburten 1688-1797
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Geburten inklusive der Totgeburten in absoluten Zahlen von 1688 bis 1797. Der erste starke Rückgang 1689 war zweifelsohne eine Folgeerscheinung der großen Bombardierung Bonns im Sommer 1689. Erst 1701 wurde das Niveau der Jahre vor der Zerstörung Bonns wieder erreicht, 1702 wurde es sogar deutlich übertroffen, bevor dann im Jahr 1703 mit der erneuten Belagerung Bonns der nächste große Einbruch einherging. Nach mehr als einem Jahrzehnt kaum wachsender Geburtenzahlen erreichten die Geburten im Jahr 1716 – nach der Rückkehr des Kurfürsten in seine Residenzstadt – ein neues, höheres Niveau mit mehr als 350 Geburten pro Jahr. Nach einem geringfügigen und vorübergehenden Rückgang im Jahr 1729 stiegen die Geburten in den 1730er Jahren erneut an. Ab 1741 beschleunigte sich der Anstieg rasant, bis zwischen 1747 und 1760 das absolut höchste Geburtenniveau im gesamten Untersuchungszeitraum erreicht wurde: Mit ca. 500-575 Geburten pro Jahr war der Zeitraum zwischen 1747 und 1760 der geburtenreichste. Der Zuwachs steht nicht in Zusammenhang mit der Einrichtung der Kasernen, die erst 1746 fertiggestellt waren und auch nur die vorher in Bonn einquartierten Soldaten beherbergten. 1761 markiert eine Trendwende: Die Anzahl der Geburten brach um mehr als 100 ein. Der Trend abnehmender Geburtenzahlen setzte sich fort, sodass 1772 mit 318 Geburten sogar das Niveau der 1730er Jahre unterschritten wurde. In
Natalität
125
den folgenden Jahren bis zur Flucht des Kurfürsten aus Bonn im Jahr 1794 nahmen die Geburten leicht, aber kontinuierlich zu. Anfang der 1790er Jahre bis zur französischen Okkupation Ende 1794 bewegten sich die Geburten um 450 pro Jahr; sie erreichten damit also nicht mehr das Niveau der Jahre zwischen 1747 und 1760. Die Anzahl der Lebendgeborenen pro Tausend Einwohner, die Geburtenrate, betrug im Jahr 1790 38 ‰. Die Grundlage der Berechnung bilden die Daten der Volkszählung von 1790 und der Mittelwert der Taufen exklusive der Totgeburten zwischen 1789 und 1791. Im Vergleich zu heutigen Geburtenraten ist das ein recht hoher Wert: Im Jahr 2008 rangierten Deutschland, Japan und Singapur mit einer Geburtenziffer von jeweils 8 ‰ gemeinsam auf dem letzten Platz aller Staaten, während Niger mit 54 ‰ die höchste Geburtenrate erreichte.13 Doch im Vergleich zu frühneuzeitlichen Gesellschaften wies Bonn eine typische Geburtenrate auf: Geburtenziffern zwischen 35 und 40 ‰ waren für Gesellschaften im Ançien Régime die Regel.14 In Trier lag die Geburtenrate 1801 bei 36 ‰, in den 1780er Jahren noch bei etwa 39 ‰, in Koblenz in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei 40 ‰, während sie in Mainz im Jahr 1799 bei 34,4 % lag. Auf der Basis von Schätzungen der Mainzer Bevölkerungsgröße in den Jahren 1700, 1771 und 1786 bewegte sich die Geburtenrate in Mainz zwischen 28,4 und 34,2 ‰.15 Die geistlichen Residenzstädte wiesen demnach am Ende des 18. Jahrhunderts Geburtenraten auf, wie sie für frühneuzeitliche Städte typisch waren.
5.1.1 Anzahl der Geburten pro Ehe Die Geburtenzahl pro Ehe wird durch Division der Geburten durch die Eheschließungen desselben Jahres ermittelt. Dieses statistische Maß, der sogenannte Reproduktionskoeffizient, birgt einige Risiken: Zweit- und weitere Mehrfachehen sowie kinderlose Ehen bleiben unberücksichtigt. Außerdem können Eheschließungen und Taufen nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich auseinandergelegen haben. Wegen dieser Ungenauigkeiten bezeichnet Jägers diese Methode als ein „trügerisches“ Surrogat für umfassendere Analysen der ehelichen Fruchtbarkeit, „da in den meisten historischdemographischen Untersuchungen das Datenmaterial fehlt, um die allgemeine Fruchtbarkeitsziffer zu ermitteln“16. Die allgemeine Fruchtbarkeitsziffer gibt die Zahl der Lebendgeborenen pro Tausend Frauen im gebärfähigen Alter und pro Jahr an und stellt das deutlich exaktere Maß für die Bestimmung der Reproduktionsfähigkeit einer Population dar. Dennoch wird auch in umfassenden historisch-demographischen Untersuchungen, die gleichwohl die allgemeine Fruchtbarkeitsziffer beinhalten, nicht auf
13 14 15
16
Die Zahlen wurden folgendem Unicef-Bericht entnommen: The State of the world’s children, Table 6. BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 31. Die Angaben für Trier wurden mithilfe des Graphen der jährlichen Geburten und den Bevölkerungsschätzungen von 1784 und 1787 sowie der ersten gesicherten Angabe zur Einwohnerzahl von 1801 berechnet. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 24 und S. 99, Tabelle 25; FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 25; RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 152. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 156 f.
126
Die Bevölkerungsbewegung
die „einfache“ Berechnung des Reproduktionskoeffizienten verzichtet.17 Ein Grund mag darin liegen, dass Fruchtbarkeitsziffern für das 18. Jahrhundert immer nur aus einer kleinen Stichprobe ermittelt werden können, nämlich aus den rekonstituierten oder vielmehr rekonstruierbaren Familien. Weil der Anteil der ausgewerteten Familien an allen in der Stadt lebenden Familien wohl nur in wenigen Untersuchungen höher als 20 % liegen dürfte,18 bleibt auch die Fruchtbarkeitsziffer ein ungenaues Maß zur Bestimmung der Fruchtbarkeit der weiblichen Bevölkerung einer ganzen Stadt. Die Berechnung des Reproduktionskoeffizienten ist dagegen leicht durchführbar und ermöglicht auch Vergleiche mit den Ergebnissen aus anderen Städten oder Regionen, für deren Bevölkerung keine Fruchtbarkeitsziffern vorliegen. Der Mittelwert der Anzahl der Geburten pro Ehe für den Zeitraum zwischen 1717 und 1798 ist mit 4,6 Geburten pro Ehe für eine Mittelstadt wie Bonn ungewöhnlich hoch. Ein niedriger Reproduktionskoeffizient (4) sind hingegen in Kleinstädten und in Dörfern (>5) zu finden.19 Der Quotient lag im benachbarten Dorf Kessenich, ein heutiger Stadtteil Bonns, mit 4,6 genauso hoch wie in Bonn.20 Möglicherweise wird die Bedeutung der Größe eines Ortes überschätzt. Jedenfalls fehlen flächendeckende Erhebungen dieses Parameters, die für eine Überprüfung dieser Klassifikation notwendig wären. Der Vergleich Bonns mit der Residenzstadt Mainz und der Ackerbürgerstadt Alzey in Tabelle 9 zeigt, dass in Bonn – bei Nichtberücksichtigung der Totgeburten – ungefähr so viele Geburten pro Ehe wie in der deutlich kleineren und auf die Landwirtschaft ausgerichteten Stadt Alzey zu verzeichnen waren.21 Doch die Landwirtschaft spielte in Bonn keine bedeutende Rolle, allenfalls der Weinanbau hatte noch ökonomisches Gewicht. Dennoch ähnelt der hohe Reproduktionskoeffizient denen kleinerer, agrarisch geprägter Städte und Dörfer, in denen der primäre Wirtschaftssektor dominierte oder doch zumindest einem Großteil der Bevölkerung als Nebenerwerbsquelle diente.
17
18 19 20 21
An erster Stelle zu nennen wären etwa Rödel und Imhof, die in ihren wegweisenden Untersuchungen der Berechnung der Anzahl der Geburten pro Ehe viel Raum lassen. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 164-167; IMHOF, Die nicht-namentliche Auswertung, S. 243. Imhof hat z. B. trotz hervorragender Quellenlage nur 17,4 % aller Familien Gießens auswerten können. IMHOF, Die namentliche Auswertung, S. 284. MOLS, Introduction à la démographique historique, Bd. 2, S. 322-326. JÜLICH, Leben und Sterben in der Gemeinde Kessenich, S. 12. Heller-Karneth gibt den Mittelwert 4,28 für den Zeitraum zwischen 1730 und 1796 an. Obwohl sie über ihren Umgang mit den Totgeburten nicht berichtet, ist anzunehmen, dass sie dem Vorbild Rödels folgte und die Totgeburten nicht berücksichtigte. HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 68.
Natalität
127
Tabelle 9: Anzahl der Geburten pro Ehe in Bonn, Mainz und Alzey Jahrzehnt 1721-1730
Bonn mit u. (ohne Totgeburten) 4,56 (4,20)
1731-1740
4,62 (4,24)
1741-1750
Mainz
Alzey
3,92
3,9
4,06
4,2
4,63 (4,26)
3,84
4,2
1751-1760
5,07 (4,66)
3,83
4,0
1761-1770
5,12 (4,71)
3,84
3,7
1771-1780
4,45 (4,09)
4,32
5,2
1781-1790
4,06 (3,73)
3,62
4,6
1791-1798
3,92 (3,61)
3,03
3,2
Quellen: RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 165; HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 68.
Bei den Mainzer Koeffizienten sind die Totgeburten nicht eingeschlossen. Doch auch unter Nichtberücksichtigung der Totgeburten lag die Zahl der Geburten pro Ehe in Bonn mit ca. 4,2 zwischen 1720 und 1798 etwas höher als in Mainz. Gemessen an Funktion und Bevölkerungsgröße bewegte sich der Quotient der Geburten pro Ehe in Mainz im Vergleich zu anderen Städten jedoch auf einem hohen Niveau. Niedrigere Quotienten als Bonn und Mainz wiesen beispielsweise die kleineren Städte Luzern, Krefeld und Duisburg22 auf, wohingegen sich das ebenfalls kleinere Gießen mit 4,53 Geburten pro Ehe23 im 18. Jahrhundert auf demselben Niveau bewegte wie Bonn. Dieser Vergleich zeigt, dass die Ehen in den bevölkerungsreichen katholischen Residenzstädten mehr Kinder hervorbrachten als in den meisten mehrkonfessionellen oder protestantischen Städten. Es wäre allerdings fatal, aus diesen Reproduktionskoeffizienten Rückschlüsse auf die Bevölkerungsbilanz zu ziehen, denn eine „hohe Reproduktionsziffer bedeutete […] nicht unbedingt eine positive Bevölkerungsbilanz, für die stets die Mortalität den dominierenden und ausschlaggebenden Faktor bildete“24. Diese Aussage trifft auch auf Bonn zu, denn der Reproduktionskoeffizient ist in der Dekade 1761-1770 deutlich höher als in den drei Jahrzehnten zuvor, obwohl die Anzahl der Geburten und das Bevölkerungswachstum sich vor 1761 auf einem deutlich höheren Niveau bewegten als nach 1761!
22 23 24
BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 186; KRIEDTE, Taufgesinnte und großes Kapital, S. 92; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 157. IMHOF, Die nicht-namentliche Auswertung, S. 243. HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 69.
128
Die Bevölkerungsbewegung
5.1.2 Monatliche Verteilung Die saisonale Verteilung der einzelnen Vitalereignisse gehört schon seit dem Beginn historisch-demographischer Forschungen zum Kanon des Standardfragenkatalogs der Historiker-Demographen. Dabei wurde in zahlreichen Studien übereinstimmend festgestellt, dass die meisten Geburten im Spätwinter und Frühjahr und die wenigsten im Sommer erfolgten.25 Die Ursache für dieses Muster der saisonalen Verteilung der Geburten ist im Gegensatz zu dem der Verteilung von Heiraten und Sterbefällen immer noch nicht geklärt. Seit geraumer Zeit werden verschiedene Thesen diskutiert, ohne dass eine vollständig überzeugen könnte. In diesem Kapitel wird deshalb nach der Analyse der saisonalen Verteilung der Geburten bzw. Konzeptionen in Bonn auf die möglichen Ursachen dieses wiederkehrenden Musters eingegangen. Ziel ist dabei jedoch nicht, dieses Forschungsdesiderat aufzulösen, sondern vielmehr den Forschungsstand zusammenzufassen und einzelne Thesen als wahrscheinlich nicht zutreffend auszuschließen.
Abbildung 2: Monatliche Verteilung der Geburten bzw. Konzeptionen 1688-1797
Abbildung 2 zeigt die monatliche Verteilung der Geburten und der Konzeptionen in Prozent aller im Untersuchungszeitraum liegenden Geburten bzw. Konzeptionen; die Zeitpunkte der letzteren wurden durch die Rückverlegung der Geburten um neun Monate ermittelt. Dabei gilt allgemein und vereinfacht: In den kalten Monaten gebaren die Bonnerinnen mehr Kinder als in den warmen Monaten, wobei der März mit 9,95 % deutlich hervorsticht. Von März an sinkt die Häufigkeit der Geburten kontinu25
JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 160.
Natalität
129
ierlich bis zum Minimum im Juli; ab August nimmt sie wieder kontinuierlich zu. Lediglich im Februar wird dieser Anstieg kurz unterbrochen, vielleicht aber auch nur deshalb, weil dieser Monat drei bzw. zwei Tage kürzer ist als der Januar und der März.26 Tabelle 10: Monatliche Rangfolge der Geburten für Bonn (1688-1797), Mainz (16031797), Koblenz (1751-1797), Trier (1730-1799) und Duisburg (1713-1814) Rg.
27
1.
Bonn % Mär 9,95
Mainz % Mär 9,66
Koblenz % Mär 9,16
2.
Jan
9,49
Jan
9,03
Aug
8,76
3.
Feb
8,90
Okt
8,72
Sep
8,73
Jan
Okt
9,00
4.
Dez
8,60
Feb
8,67
Okt
8,69
Apr
Feb
9,00
5.
Apr
8,59
Dez
8,58
Feb
8,55
Nov
Apr
8,70
6.
Nov
8,47
Apr
8,51
Nov
8,28
Okt
Nov
8,30
7.
Okt
8,36
Nov
8,33
Jan
8,23
Sep
Aug
8,30
8.
Sep
7,94
Sep
8,26
Apr
8,07
Mai
Dez
8,30
9.
Aug
7,71
Aug
8,22
Mai
8,03
Aug
Sep
8,20
10.
Mai
7,67
Mai
7,91
Jul
8,03
Dez
Mai
7,70
11. 12.
Jun Jul
7,18 7,13
Jul Jun
7,28 6,83
Jun Dez
7,80 7,67
Jun Jul
Jul Jun
6,90 6,70
Trier Mär Feb
Duisburg % Mär 9,70 Jan
9,20
Quellen: KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 80; FRANÇOIS, Population et société à Coblence, S. 376; RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 155; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 161.
Der Vergleich mit den benachbarten rheinischen Städten in Tabelle 10 zeigt die gleichförmige saisonale Verteilung der Geburten. In allen aufgeführten Städten wurden die meisten Säuglinge im März auf die Welt gebracht, gefolgt von anderen „kalten“ Monaten wie Januar, Februar, April und Oktober. Nur in Koblenz findet sich ein leicht abweichendes Muster, denn dort liegt der August – ein „warmer“ Monat – mit 8,76 % an zweiter Stelle. Zwei Gründe scheinen diese Sonderstellung von Koblenz zu erklären: Zum einen ist es rein statistisch betrachtet wahrscheinlicher, dass die Verteilung der Geburten bzw. Konzeptionen auf die einzelnen Monate eher dem Zufall unterliegen, weil die Standardabweichung mit 0,45 % in Koblenz besonders gering ausfällt. Denn in den anderen zum Vergleich herangezogenen Städten findet sich eine deutlich stärkere Streuung der Werte: In Bonn beträgt die Standardabweichung 0,86 %, in Mainz 0,75 % und in Duisburg sogar 0,89 %. Zum anderen konnten in 26
27
Die Vereinheitlichungen der Monatslängen ergaben in den meisten Untersuchungen keine bedeutenden Unterschiede, weshalb auf diese Methode heute verzichtet wird. Trotzdem wären für den deutlich kürzeren Februar bei einer einheitlichen Monatslänge leicht abweichende Ergebnisse zu erwarten. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 155, Anm. 490. Leider fehlen die genauen Prozentangaben, weil Kohl die seiner Abbildung 14 zugrunde liegenden Zahlen nicht offen gelegt hat, sodass die Reihenfolge nur durch Ablesen des undeutlichen Graphen bestimmt werden konnte. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 80.
130
Die Bevölkerungsbewegung
Koblenz nur die Geburten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts herangezogen werden; mögliche Veränderungen im generativen Verhalten im Verlauf des Jahrhunderts werden in Koblenz deshalb stärker abgebildet. Die wenigsten Geburten wurden in den Sommermonaten Juni und Juli verzeichnet; auch hier fällt Koblenz mit dem Dezember auf dem letzten Rang ein wenig aus dem Rahmen. Ebenfalls recht wenige Geburten entfielen auf den Monat Mai, der sowohl in Bonn als auch in Mainz und Duisburg an drittletzter Stelle steht. Bei dieser monatlichen Verteilung der Geburten bzw. Konzeptionen handelt es sich aber nicht um ein „rheinisches Phänomen“, denn für Gießen, Karlsruhe, Genf, Luzern, Hersfeld und Alzey lassen sich ähnliche Aussagen treffen – zumindest waren dort die Geburtenmaxima auch regelmäßig in den „kalten“ Monaten und die Minima in den „warmen“.28 Demnach unterlag die saisonale Verteilung der Geburten in Bonn einem allgemeinen Muster, wie es sich sogar in Städten findet, die einem ganz anderen Stadttyp zuzuordnen sind. Wie ist diese gleichförmige Verteilung der Geburten zu erklären? Mehrere Erklärungsansätze werden in der Forschung diskutiert, die auf den unterschiedlichsten Ebenen angesiedelt sind. 1. Die arbeitsökonomische These erfreut sich nach wie vor breiter Zustimmung: Die unterschiedlichen jahreszeitlichen Belastungen der Menschen durch die Landwirtschaft – so wird argumentiert – beeinflussten die Konzeptionshäufigkeit maßgeblich, und zwar nicht nur in landwirtschaftlich geprägten Dörfern und Städten, sondern auch in größeren Städten, in denen der sekundäre und der tertiäre Wirtschaftssektor den größten Teil zur Wertschöpfung beitrugen. Dieser saisonale Rhythmus bedeutete, dass Frauen versuchten, während der Erntezeit nicht hochschwanger zu sein, um ihre Arbeitskraft voll zu erhalten. Auch die städtische Bevölkerung sei „im 18. Jahrhundert diesem ländlichen Rhythmus mit Ausrichtung auf die Ernte noch gefolgt“, und zwar infolge des „fortwährenden Austausch[es] mit der ländlichen Bevölkerung des Umlandes“29. Eine empirische Überprüfung dieser These anhand einer Untersuchung der saisonalen Verteilung der Geburten unter alteingesessenen städtischen Handwerker- oder Kaufmannsfamilien steht nach wie vor aus und kann aufgrund fehlender Berufsangaben in den Taufregistern auch in dieser Untersuchung nicht geleistet werden.30 2. Demgegenüber haben konfessionelle und auf die Frömmigkeit der Menschen abstellende Erklärungsansätze keine Anhänger (mehr), da beispielsweise das katholische Gebot, in der Advents- und Fastenzeit sexuell enthaltsam zu leben, vom „ge-
28
29 30
IMHOF, Die nicht-namentliche Auswertung, S. 134; MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 73 f.; PERRENOUD, La Population de Genève, S. 562; BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 187; WITZEL, Hersfeld 1525-1576, S. 578; HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 207. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 165. Dies fordert Imhof in einem grundlegenden Aufsatz zur Historischen Demographie von Städten. IMHOF, Demographische Aspekte, S. 64. Erste Forschungen in diese Richtung, allerdings in Heimarbeiterregionen, bestätigen diese These. PFISTER, Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie, S. 90.
Natalität
131
wöhnlichen“ Gläubigen grundsätzlich nicht befolgt worden sei.31 Für Bonn muss das Gleiche gelten, denn sowohl in der Fasten- als auch in der Adventszeit sanken die Konzeptionen nicht. Auch die Vermutung, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts könnte sich das konfessionelle Moment stärker auf das generative Verhalten der Menschen ausgewirkt haben, trifft nicht zu: Weder vor noch nach 1750 hat sich das Konzeptionsverhalten an den kirchlichen Normen orientiert (Abbildung 3). Es muss sogar konstatiert werden, dass die monatliche Verteilung der Geburten und damit auch der Konzeptionen während des 18. Jahrhunderts nahezu unverändert blieb.
Abbildung 3: Monatliche Verteilung der Geburten vor 1750 und nach 1750
3. Ebenfalls aufgegeben wurde von der Mehrheit der Historiker die These, dass „die Saisonalität der Taufen – mit einer Phasenverschiebung von neun Monaten – jene der Heiraten [widerspiegele].“32 Einen solchen Zusammenhang hat zwar Rödel für Mainz nachweisen können.33 Aber Kohl hat in seiner Untersuchung zu Trier bekräftigt, dass es keine Korrelation zwischen der saisonalen Verteilung von Heiraten und Konzeptionen gibt.34 Auch für Duisburg35 und in der vorliegenden Untersuchung konnte kein Zusammenhang zwischen der monatlichen Verteilung der Konzeptionen und der Heiraten nachgewiesen werden.
31 32 33 34 35
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 160. PFISTER, Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie, S. 90. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 182. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 81. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 192.
132
Die Bevölkerungsbewegung
Ist somit die Anpassung des menschlichen Konzeptionsverhaltens an den jahreszeitlichen Zyklus der Landwirtschaft die einzige Erklärung für das Verteilungsmuster der Geburten? Wenn die Menschen tatsächlich bewusst oder unbewusst ihr Konzeptionsverhalten nach den jahreszeitlichen Anforderungen der Landwirtschaft ausgerichtet hätten, dann müssten die Abweichungen vom statistischen Mittelwert (8,33 %) größer ausfallen. Doch die Standardabweichungen sind weder in Bonn noch in Mainz, Duisburg oder Koblenz größer als 1 %. Bisher haben viele Historiker-Demographen in ihren Untersuchungen schlicht die statistische Aussagekraft ihrer Werte überschätzt. Der Vergleich mit der monatlichen Verteilung der Heiraten zeigt deutlich, dass die Geburten trotz der dargestellten Regelmäßigkeiten statistisch relativ gleich verteilt sind. Unter anderem deshalb stellen neuere Forschungsansätze biologische Erklärungen in den Vordergrund. Klimatische und biologische Faktoren – so wird argumentiert – erklären epochenunabhängig und unabhängig von gesellschaftlichen Normen und Mentalitäten das – vergleichsweise schwach ausgeprägte – Konzeptionsmaximum in den warmen Sommermonaten und den daraus resultierenden Geburtengipfel im Spätwinter. Denn „zunehmend längere Tage im Frühjahr gepaart mit wärmeren Temperaturen sorgen demnach – bis heute – für einen größeren Konzeptionserfolg von April bis Juli, während sich dieser mit kürzer werdenden Nächten und kühleren Temperaturen im Herbst verringert.“36 Doch leider bestätigt die monatliche Verteilung der Geburten im 21. Jahrhundert diese These nicht, denn ein Muster ähnlich dem des 18. Jahrhunderts, nach dem in den kalten Monaten mehr Kinder geboren wurden, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil, in den „warmen“ Monaten Juli, August und September wurden zwischen 2000 und 2006 in der Bundesrepublik Deutschland die meisten Lebendgeborenen registriert.37 Dabei beträgt die Standardabweichung nur 0,45 %. Diese im Vergleich zum 18. Jahrhundert deutlich geringere Varianz weist darauf hin, dass heutige Generationen sogar, trotz des scheinbaren Wunsches vieler ein „Sommerkind“ zu zeugen, weniger den Zeitpunkt der Geburt planen als die Menschen im 18. Jahrhundert.38 Das typische Muster der Saisonalität der Geburten bzw. Konzeptionen, nach dem die meisten Geburten im Spätwinter und die wenigsten im Sommer erfolgten, konnte auch für Bonn nachgewiesen werden. Wie ist dieses Muster zu erklären? Biologische und konfessionelle Erklärungen treffen nicht zu. Deshalb spricht am meisten für die arbeitsökonomische These, wonach der landwirtschaftliche Rhythmus auch das generative Verhalten der Stadtbevölkerung noch geprägt habe. Aufgrund der schlechten Quellenlage kann diese These jedoch nicht empirisch überprüft werden. Dies bleibt nach wie vor ein bedeutendes Forschungsdesiderat der Historischen Demographie.
36 37 38
HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 207. Auf Anfrage übermittelte das Statistische Bundesamt die monatsweise Statistik der Lebendgeborenen zwischen 2000 und 2006 per E-Mail. Deshalb können auch aus der aktuellen Forschung zur Saisonalität der Konzeptionen keine weiteren Erkenntnisse abgeleitet werden. RIZZI/DALLA-ZUANNA, The Saisonality of Conception, bes. S. 705-707.
Natalität
133
5.1.3 Illegitimität und Findelkinder Der Anteil der illegitim Geborenen stieg in Europa im Verlauf des 18. Jahrhunderts stark an und gibt Hinweise auf gesellschaftliche Einstellungen. Der Umgang mit unehelichen Kindern, vor allem mit Findelkindern, verbesserte sich durch den Einfluss der Aufklärung in ganz Europa. Kinder fanden vermehrt Wertschätzung und wurden als „staatliche Ressourcen“ begriffen. Zur Bestimmung der Illegitimenquote wurden nur die Taufregister der Pfarrei St. Remigius – einschließlich der ab 1760 gesondert geführten Militärregister – ausgewertet. Damit sind ca. 65 % der im Untersuchungszeitraum in allen Bonner Pfarreien getauften Kinder erfasst. Der wichtigste Grund für diese Einschränkung liegt darin, dass in St. Gangolf, wo immerhin ca. 18 % aller Kinder getauft wurden, die Eintragung illegitim Geborener erst 1713 begann. In St. Remigius wurden während des gesamten Untersuchungszeitraumes die illegitim geborenen Kinder zuverlässig und eindeutig gekennzeichnet. Die mit Abstand meisten unehelich Geborenen wurden ohne Nennung des Vaters im Taufregister eingetragen. Viele Historiker-Demographen nehmen an, dass die Väter als Soldaten oder Angehörige anderer mobiler Gruppen bei der Taufe nicht mehr in der Stadt anwesend waren und somit im Taufregister nicht genannt wurden. Sicherlich wird dies in Bonn ähnlich gewesen sein. Doch in vielen Fällen kannte die Mutter sehr wohl den in der Gemeinde lebenden Vater, nannte ihn aber nicht, um die doppelte Bestrafung des Vaters durch geistliche und weltliche Gerichte zu vermeiden.39 Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts sind diese Väter wohl regelmäßig durch „eindringliche“ Befragung der Mutter, gefördert durch die Kirche, ermittelt und zum Taufbecken gebracht worden. Der kölnische Kurstaat schützte ab 1779 durch einen Erlass die Mütter, indem er insbesondere Hebammen verbot, „eine solch geschwächte Person zur eidlichen Benennung des Vaters zu überreden“40. Wenn doch ein Vater mit Berufsangabe im Kirchenbuch genannt wird, dann war er sehr häufig ein „miles“. Auch in Mainz und anderen Städten mit Garnisonen gehörten die meisten Väter von unehelichen Kindern dem Soldatenstand an.41 In den Taufregistern von St. Remigius wurden zwischen 1688 und 1798 63 Fälle von nachträglich legitimierten Säuglingen verzeichnet; diese sind in der Regel durch ein angefügtes „per matrimonium subsequens legitimatus“ nach der Eheschließung der Eltern deutlich gekennzeichnet. Demnach wurden 8,77 % der illegitimen Geburten und 0,23 % aller Geburten nachträglich legitimiert, ungefähr doppelt so viele wie in Duisburg, wo nur 0,11 % nachträglich gebilligt wurden.42 Dieser Unterschied – immerhin waren illegitime Geburten in Bonn doppelt so häufig – mag zunächst groß erscheinen. Er relativiert sich aber, wenn man die Verteilung der Konfessionen in 39 40 41 42
FÜSSENICH, Geschichte der Taufpraxis, S. 135. Ebd., S. 136. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 196. Der Anteil der nachträglich legitimierten Geburten an allen Geburten für Duisburg wurde auf der Grundlage der Daten von Jägers berechnet. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 177 und S. 377.
134
Die Bevölkerungsbewegung
beiden Städten berücksichtigt: In protestantischen Regionen war die Illegitimenquote grundsätzlich niedriger als in katholischen Gebieten, und da es in Duisburg im Gegensatz zum katholischen Bonn nur eine katholische Minderheit gab, ist anzunehmen, dass in Duisburg der Anteil der unehelichen Kinder und auch der nachträglich legitimierten Geburten unter der katholischen Bevölkerungsminderheit deutlich größer war als 0,11 %.43
Abbildung 4: Anteil der illegitimen an allen Geburten in Bonn und Mainz44
Ebenso wie in Duisburg45 weichen die illegitimen Geburten jährlich stark von dem Mittelwert der unehelichen Geburten im gesamten Untersuchungszeitraum – 5,8 Geburten pro Jahr – ab. Die Standardabweichung beträgt 3,53 %. Deshalb wird auf eine Darstellung der illegitimen Geburten in Absolutzahlen verzichtet und der Anteil der Illegitimen in Zehnjahresdurchschnitten in den Vordergrund gestellt. Diese Werte sind deutlich aussagekräftiger und ermöglichen auch präzise Vergleiche mit anderen Städten. Abbildung 4 enthält neben den Zehnjahresdurchschnitten für Bonn auch diejenigen für Mainz. Es ist auf den ersten Blick offensichtlich, dass auch bei den illegitimen Geburten große Ähnlichkeiten zwischen den beiden Residenzstädten bestehen: Bis 1780 bewegte sich die Illegitimenquote in beiden Städten auf einem sehr
43
44 45
Zschunke hat ebenfalls eine höhere Unehelichenquote bei den Katholiken festgestellt und mögliche Ursachen dargelegt, die aber an dieser Stelle nicht thematisiert werden. ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 149. Quelle: RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 169. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 171.
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135
niedrigen Niveau um etwa 2 %. Ab 1780 unterscheidet sich die Entwicklung in beiden Städten aber stark. Wie in vielen anderen Städten und Regionen Europas auch46 nahm in Bonn gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Anteil der unehelichen Kinder stark zu, wenn auch deutlich schwächer als in Mainz, wo im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts sogar mehr als 10 % der Kinder unehelich geboren wurden. Allerdings wurde in Mainz 1784 eine Hebammenlehranstalt eröffnet, in der ledige werdende Mütter ihre Kinder straffrei entbinden konnten. Der Anstieg der Illegitimen ab 1784 kann im Wesentlichen auf diese Einrichtung zurückgeführt werden. Rödel schätzt den tatsächlichen Zuwachs in den 1780er Jahren auf 4,5 % und in den 1790er Jahren bis zum Beginn der französischen Besatzung auf 5,3 %.47 Dabei sind die ortsfremden Schwangeren nicht berücksichtigt, die zum Entbinden in diese Einrichtung kamen. In Bonn blieb der Anteil der illegitim Geborenen bis zur Flucht des Kurfürsten unter 3 % und nahm erst ab 1795 auf über 8 % zu. Die hohe Illegitimenquote der Jahre 1795-1797 ist außerdem auf die französische Besatzung zurückzuführen, weil in jenen Jahren bei weit mehr als 50 % der illegitim Geborenen der Vater im Taufregister als „miles gallico“ gekennzeichnet wurde. In Trier pendelte die Illegitimenquote bis 1770 zwischen 1 und 2 % – ähnlich auch in Koblenz48 – und war somit im Durchschnitt ca. 1 % niedriger als in Bonn und Mainz. Trotzdem nahm auch in diesen beiden rheinischen Städten die Quote gegen Ende des Jahrhunderts zu, und zwar auf mehr als 6 % (Trier) bzw. mehr als 8 % (Koblenz). In Städten weltlicher Territorien ähnlicher Größenordnung lag der Anteil der Illegitimen bereits im 18. Jahrhundert deutlich höher als in den geistlichen Residenzstädten; er nahm im Verlauf dieses Jahrhunderts kontinuierlich zu und erreichte in den 1780er Jahren bereits vielfach Werte von mehr als 10 %.49 Rödel hat die vergleichsweise niedrige Illegitimenquote in Mainz auf die traditionelle Frömmigkeit der Mainzer Einwohnerschaft und ihre Gleichgültigkeit gegenüber aufgeklärtem Gedankengut zurückgeführt.50 Sicherlich trifft dieser Befund auch auf die anderen geistlichen Residenzstädte im Rheinland zu. Auch in vielen deutschen Dörfern, wo der Einfluss neuen Gedankengutes generell später zum Tragen gekommen sein dürfte und die soziale Kontrolle effektiver war, erfolgte der signifikante Anstieg der unehelich Geborenen in der Regel erst nach 1800.51 Zwischen 1700 und 1770 pendelte die Quote in sechs von Knodel untersuchten Dörfern zwischen 1 und 4 %.52 Der Anteil der unehelich Geborenen war also bis dahin auf dem Land sogar teilweise größer als in den geistlichen 46
47 48 49 50 51 52
IMHOF, Die Illegitimität in Giessen, S. 536. Ebenso nahm die Illegitimität zwischen 1770 und 1800 in Weimar und Jena zu. KÖNIG, Zum Problem der Illegitimität, S. 64; PÖHNERT, Zum Problem der Illegitimität, S. 83. RÖDEL, Leben, Lieben, Sterben, S. 664 f. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 196; FRANÇOIS, Population et société à Coblence, S. 336. IMHOF, Die Illegitimität in Giessen, S. 536. RÖDEL, Leben, Lieben, Sterben, S. 665. MITTERAUER, Ledige Mütter, S. 92 f. KNODEL, Demographic behavior, Figure 8.1 a, S. 193.
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Die Bevölkerungsbewegung
Residenzstädten! Doch zwischen 1770 und 1800 stieg die Illegitimenquote der sechs Dörfer auf knapp über 5 %; damit war sie ähnlich hoch wie in Bonn während der französischen Besatzung. Im rechtsrheinischen Umland Bonns, in Oberkassel, blieb der Anteil der unehelichen Geburten dagegen bis 1809 konstant zwischen etwa 1 und 2 %.53 Stadt-Land-Unterschiede waren somit nicht ausschlaggebend; in der gesamten Region Bonn nahm der Anteil der unehelichen Geburten nicht zu, zumindest nicht bis zur französischen Besatzung der linksrheinischen Gebiete. Wie ist der Zuwachs der illegitimen Geburten im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zu erklären? In der Forschung werden verschiedene Erklärungen diskutiert; diese sollen nun im Einzelnen auf ihre Anwendbarkeit auf die geistliche Residenzstadt Bonn geprüft werden. Nach Shorter führte eine „sexuelle Revolution“ zu häufigerem Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe und damit zu einer europaweiten Zunahme der illegitim Geborenen. Jedoch erscheint es unwahrscheinlich, dass im katholischen Bonn schon vor 1800 eine signifikante Loslösung der Sexualität von der kirchlichen Kontrolle stattfand. Denn in Bonn lebten überwiegend Handwerker, die bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit an barocken Frömmigkeitsformen festhielten. Gerade unter der Handwerkerschaft kann aufgrund ihrer zünftischen Strukturen und der geforderten Ehelosigkeit der Gesellen und Dienstboten kaum eine solche „sexuelle Revolution“ stattgefunden haben. Selbst Shorter räumt ein, dass sich „die sexuelle Revolution“ zunächst in der Schicht der frühindustriellen Arbeiterschaft ausbreitete, die im kurfürstlichen Bonn fast völlig fehlte.54 Jedoch muss nicht zwangsläufig eine „sexuelle Revolution“ überall dort stattgefunden haben, wo am Ende des 18. Jahrhunderts mehr uneheliche Kinder als in der Mitte des Jahrhunderts zur Welt kamen. Dies könnte auch an einem gewandelten Umgang der Obrigkeiten mit ledigen Müttern liegen.55 In zahlreichen weltlichen und geistlichen Staaten wurden Mütter rechtlich deutlich besser gestellt.56 Angeregt wurden die Landesherren dieser Territorien durch die zahlreichen Debatten über eine Besserstellung von ledigen Müttern in aufgeklärten Kreisen. Dabei verfolgten sie das vorrangige Ziel, die Zahl der Kindsmorde deutlich zu verringern.57 In der Praxis wurden Mütter von illegitim Geborenen nicht mehr strafrechtlich belangt, wenn sie in einem Entbindungshaus – zeitgenössisch „Accouchements“ genannt – entbanden. Im Mainzer Accouchement konnten ledige Frauen nicht nur straffrei, sondern auch diskret ihre Kinder entbinden. Diskretion war sicherlich ein ebenso starker Anreiz, denn die gesellschaftliche Diskriminierung lediger Mütter war tief verwurzelt. Die Hilfe ging sogar so weit, dass die Frauen bei reumütiger Erkenntnis ihres „Fehlers“ einen 53 54 55 56
57
HÖRNING, Demographisches Verhalten, S. 132, Tabelle 8. SHORTER, Illegitimacy, S. 249-251. PFISTER, Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie, S. 87 f. In Brandenburg-Preußen wurden die kirchlichen Strafen bereits 1746 aufgehoben, zahlreiche andere Staaten folgten diesem Beispiel. SEIDEL, Eine neue „Kultur des Gebärens“, S. 107. Speziell zur Hebammenschule in Berlin: MÜNCH, Gesundheitswesen im 18. und 19. Jahrhundert, S. 143. Ebd., S. 105.
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kleinen Betrag vom Hospital erhielten, um für sich und das Kind sorgen zu können, bis sie Arbeit gefunden hatten.58 Möglicherweise nahm die Zahl der illegitim Geborenen in den 1780er Jahren gar nicht zu, sondern die Mütter verheimlichten diese Schwangerschaften einfach nicht mehr, weil sie keine strafrechtlichen Folgen mehr zu befürchten hatten und ihnen geholfen wurde. Rödel hat gezeigt, dass in Mainz ein starker Zusammenhang zwischen der Einrichtung des „Accouchements“ und der Zunahme an illegitim Geborenen, exklusive der ortsfremden Mütter, bestand. In Bonn, wo Max Franz das Strafrecht insgesamt im Sinne der Aufklärung milder gestaltete,59 konnten die Frauen ebenfalls straffrei entbinden, und zwar in der Hebammenschule der Universität, die allerdings keinen guten Ruf genoss. Tatsächlich nahm die Zahl der illegitim Geborenen in Bonn bereits 1792 zu, also noch vor der Flucht des Kurfürsten und der französischen Besatzung. Die rechtliche Besserstellung von ledigen Müttern am Ende des 18. Jahrhunderts war ein wichtiger Faktor für die stetige Zunahme der registrierten illegitimen Geburten bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Insofern trug die rechtliche Besserstellung lediger Mütter auch in Bonn Früchte. Einen weiteren Erklärungsansatz für die Zunahme der illegitim Geborenen hat Mitterauer vorgelegt. Er begründet den vielfach zu beobachtenden Anstieg der unehelichen Geburten in den Städten am Ende des 18. Jahrhunderts mit „der quantitativen Zunahme der Dienstmädchen“60 und dem „Wandel des Herkunftsmilieus“61 der Dienstboten. In Bonn blieb die Zahl der Dienstboten pro Haushalt während des 18. Jahrhunderts allerdings konstant.62 Dies würde aber erklären, warum die Zunahme der unehelichen Kinder in Bonn sehr verhalten war. Deshalb kann durch die vorliegende Untersuchung dieser Ansatz weder bestätigt noch widerlegt werden. Sicherlich führten im Allgemeinen mehrere Faktoren zur Zunahme der unehelichen Geburten um 1800. Der Vergleich der rheinischen Residenzstädte untereinander zeigt eine Sonderstellung Bonns, die es zu erklären gilt. Wieso verdoppelte sich die Illegitimenquote in Trier und Koblenz bereits in den 1780er Jahren,63 während sie in Bonn bis 1792 auf einem niedrigen Niveau verharrte? In Trier und Koblenz sorgten zahlreiche französische Emigranten nach der Revolution für Unruhe und darüber hinaus mündeten die Gegensätze zwischen Regierung und Untertanen in folgenschweren Krisen und Auseinandersetzungen.64 Max Franz gelang es hingegen, die Ordnung des städtischen Lebens in jenen unruhigen Zeiten bis zu seiner Flucht weitgehend beizubehalten. 58 59 60 61 62 63 64
GRUMBACH, Kurmainzer Medicinalpolicey, S. 97-100. BRAUBACH, Maria Theresias jüngster Sohn, S. 133. MITTERAUER, Ledige Mütter, S. 101. Ebd., S. 102. Vgl. Kapitel 6.2. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 196; FRANÇOIS, Population et société à Coblence, S. 336. In Mainz und Trier gab es nach dem französischen Vorbild Aufstände von Bürgern gegen das Régime. MATHY, Die Residenz in Barock und Aufklärung, S. 306; LAUFNER, Politische Geschichte, S. 57-59.
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Solche politischen Entwicklungen führten auch in anderen unruhigen Zeiten zu Verdoppelungen der Illegitimenquoten, wie beispielsweise während des Dreißigjährigen Krieges.65 Unwahrscheinlicher ist hingegen, dass in Trier und Koblenz eine „sexuelle Revolution“ oder ein anders gelagerter Mentalitätswandel stattfand, während dies in Bonn nicht der Fall war.
Abbildung 5: Vergleich der monatlichen Verteilung der illegitimen mit allen Geburten 1688-1797
Die saisonale Verteilung der illegitim Geborenen hat außer Imhof kein weiterer der genannten Historiker-Demographen in den Blick genommen. Wie aus Abbildung 5 hervorgeht, ist bei den illegitimen Geburten das oben erörterte allgemeine Muster noch deutlich stärker ausgeprägt, dass nämlich in kalten Monaten – insbesondere zu Beginn des Kalenderjahres – mehr Kinder geboren wurden als in den warmen Sommermonaten. Die Standardabweichung ist mit 2 % deutlich größer als diejenige der monatlichen Verteilung aller Geburten.66 Auch Imhof hat in seiner Untersuchung eine größere Streuung bei den illegitim Geborenen festgestellt.67 Allerdings kann hier kritisch ins Feld geführt werden, dass in Bonn nur 627 Fälle und in der Stadt Gießen nur 403 bzw. in den umliegenden Gemeinden 435 Fälle von illegitim Geborenen untersucht wurden. Deshalb erscheint es fraglich, auf der Grundlage dieser dünnen Datenbasis weitreichende Interpretationen zu wagen. Aber sowohl in Bonn als auch in
65 66 67
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 169; WITZEL, Hersfeld 1525-1756, S. 576. Vgl. Kapitel 5.1.2. IMHOF, Die Illegitimität in Giessen, S. 524.
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Gießen gab es in den Monaten zwischen April und August so außergewöhnlich viele Konzeptionen, dass erste Erklärungsansätze zumindest angedacht werden sollten: 1. Möglicherweise waren im Winter geeignete Räumlichkeiten für verbotene sexuelle Kontakte nur schwer auffindbar. Deshalb erfolgten im Sommer deutlich mehr Konzeptionen. 2. Kriege wurden in der Frühen Neuzeit vor allem in den Sommermonaten geführt, weshalb Soldaten in den warmen Monaten häufiger in fremde Städte kamen. Da Soldaten besonders oft als Väter unehelicher Kinder in Erscheinung traten, könnten sie für die hohe Anzahl an Konzeptionen in den Sommermonaten verantwortlich sein. Es gilt, die hohe Anzahl an unehelichen Konzeptionen im Sommer in nachfolgenden Studien zu überprüfen. Dann können auch die beiden vorgestellten Erklärungsansätze für diesen Befund verifiziert oder gegebenenfalls modifiziert bzw. ergänzt werden. Unter den illegitim Geborenen finden sich auch einige Findelkinder, die in der Spalte „parentes“ mit „expositus inventus“, „inventus in…“ oder auch mit „parens nescit“ als solche ausgewiesen wurden. Es sind aber insgesamt nicht mehr als acht Findelkinder in den Taufregistern von St. Remigius verzeichnet, davon die meisten nach 1793, sodass wohl ebenso wie in Trier „nur wenige der unehelich geborenen Kinder ausgesetzt worden [sind]“68. Sicherlich wurden jedoch nicht alle Findelkinder in den Kirchenbüchern registriert, denn Findelkinder waren auch schon vor der Besetzung Bonns durch die Franzosen ein ständig wiederkehrendes Thema im Stadtrat. Gerade während des Siebenjährigen Krieges, als besonders viele fremde Soldaten in Bonn einquartiert waren und mehrere Kinder in Bonn ausgesetzt wurden, finden sich in den Ratsprotokollen viele Hinweise auf den Umgang mit Findelkindern. Der Magistrat nahm sich dieser Kinder an und sorgte dafür, dass sie in die Obhut einer „sichere[n] Fraw“ gegeben wurden.69 Die Frauen wurden für die Erziehung eines Findelkindes mit monatlich 2 bis 2,5 Rtlr. entlohnt. Das Geld erhielten die Frauen vom Provisor für die Armen.70 Doch nicht nur geeignete Frauen, darunter die Hebamme Catharina Rothin,71 sondern auch Männer wurden mit der Erziehung von Findelkindern betraut, wie ein in den Protokollen vermerkter Fall belegt: Ein Findelkind wurde vom Bäckermeister Eller in die Obhut des Schneidermeisters Falckenstein gegeben, der das Kind „christlich auferziehen, wohl halten, täglich zu erlernung lesen und schreibens zur schulen schicken“ sollte. Dafür erhielt er monatlich vom Stadtrentmeister 1,5 Rtlr. sowie zusätzlich Kleidung für das Kind.72 Die Hofkanzlei beteiligte sich an den gestiegenen Kosten für die Versorgung der Findelkinder.73 Damit war die Versorgung der Findelkinder in Bonn deutlich besser als in anderen erzstiftischen Orten. Der aufgeklärte Arzt Wurzer forderte nämlich 1784, Findelkinder aus den Waisenhäusern herauszunehmen, weil die Sterblichkeit 68 69 70 71 72 73
KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 194. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 26. August 1760, S. 593. StAB, Ku 54/3, Ratsprotokoll vom 8. Oktober 1763, S. 377. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 2. Mai 1761, S. 737. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 16. Juni 1761, S. 755. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 4. Februar 1761, S. 685.
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dort sehr hoch sei, und bis zu ihrem vierten Lebensjahr zu Frauen auf das Land zu schicken.74 In der Residenzstadt Bonn wurde bereits 30 Jahre vorher nicht nur für das leibliche Wohlergehen der Findelkinder, sondern auch für ihre umfassende Erziehung und Bildung gesorgt. Damit wurden sogar die Forderungen des aufgeklärten Arztes Wurzer weit übertroffen! Der Umgang mit Findelkindern unter Clemens August zeigt deutlich, dass der Beginn der Aufklärung nicht am Regierungsantritt Max Friedrichs fest gemacht werden kann. Wie bereits im Kapitel über die Aufklärung in Bonn75 erörtert wurde, stellte die vielschichtige Bewegung der Aufklärung in Bonn und Kurköln einen Prozess dar – ohne einen eindeutig definierbaren Anfang. Auch die Illegitimenquote entwickelte sich bis zur französischen Besatzung ziemlich konstant. Das spricht dafür, dass sich die Einstellungen gegenüber unehelichen Geburten sowie die staatlichen Sanktionen nicht wesentlich veränderten.
5.2 Nuptialität Nach der Erörterung der Quelle, den Bonner Heiratsregistern, wird die saisonale Verteilung der Heiraten untersucht (Kapitel 5.2.1). Der Zivilstand der Ehepartner (Kapitel 5.2.2) kann den Registern entnommen werden. Wie auch bei der Analyse anderer demographischer Parameter soll die Entwicklung im Verlauf des 18. Jahrhunderts auf mögliche Veränderungen hin untersucht werden. Die Analyse des Heiratsalters und der Fertilität, die durch Vergleiche mit anderen Städten und einer Stichprobe der zeitlichen Abstände zwischen den Geburten nur mittelbar bestimmt wird, stellt ein zentrales Kapitel in dieser Untersuchung dar (Kapitel 5.2.3). Regelmäßig und recht häufig weisen in den Registern Dimissionsvermerke auf Eheschließungen hin, bei denen mindestens einer der Ehepartner einem anderen Bonner Kirchspiel angehörte. Demnach waren die personellen Verflechtungen zwischen den Mitgliedern der vier Bonner Pfarreien sehr eng. Außerdem wurden in den Registern der Zivilstand und die Herkunftsorte der Eheleute sowie die Trauzeugen verzeichnet. Die Berufsbezeichnungen der Bräutigame fehlen in der Regel, nur Angehörige des Militärs und hohe Beamte, Ärzte sowie teilweise Meister – meist aber ohne Nennung des Handwerks – wurden benannt. Abbildung 6 zeigt den Graphen der absoluten Eheschließungszahlen zwischen 1715 und 1798. Augenfällig sind die starken Schwankungen zwischen den einzelnen Jahren. Die abgebildete Entwicklung erscheint wenig kontinuierlich, sondern relativ volatil, d. h. als eine Abfolge von zahlreichen Minima und Maxima. Zur besseren Veranschaulichung zeigt die schwarz gezeichnete Kurve den fünfperiodigen gleitenden Durchschnitt. Auch wenn der Zeitraum vor 1715 wegen fehlender oder mangelhafter Einträge in den Heiratsregistern von St. Gangolf bzw. St. Remigius in der Abbildung nicht berücksichtigt ist, ähnelt der Verlauf der Anzahl der registrierten 74 75
WOLFF, Die medizinische Fakultät, S. 91. Vgl. Kapitel 4.3.1.
Nuptialität
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Eheschließungen zwischen 1688 und 1714 stark demjenigen der Geburten: Wie die Geburten nahmen auch die Heiraten nach der Bombardierung 1689 stark ab, stiegen bis 1703 wieder und nahmen anschließend bis zur Rückkehr des Kurfürsten ab.
Abbildung 6: Anzahl der Heiraten 1715-1798
Von 1715 bis 1745 nahm die Zahl der Eheschließungen kontinuierlich zu, von den starken Schwankungen zwischen einzelnen Jahren abgesehen. Bis in die 1740er Jahre hinein ähnelt der Verlauf dieser Kurve derjenigen der absoluten Geburtenzahlen, jedoch um einige wenige Jahre zeitlich vorversetzt. Dementsprechend nahm die Zahl der Eheschließungen bereits Ende der 1740er Jahre bis 1757 kontinuierlich ab. In den Jahren 1759 und 1760 wurden allerdings wieder sehr viele Ehen geschlossen. Für diese temporäre Zunahme waren in Bonn stationierte Soldaten verantwortlich, die häufig in den Heiratsregistern als Ehepartner verzeichnet wurden. Trotz dieses Heiratsbooms nahmen die Geburten nach 1760 signifikant ab: ein deutliches Indiz dafür, dass viele frisch verheiratete Ehepaare aus Bonn ausgewandert waren. Die Zahl der Heiraten verringerte sich ab 1761 bis Mitte der 1770er Jahre auf ein Niveau von etwa 80 Eheschließungen pro Jahr. Damit ging die Zahl der Heiraten im Vergleich zu den vorangegangenen 15 Jahren um etwa 25 % zurück – weniger stark als die Geburten, die im gleichen Zeitraum um etwa 30 % abnahmen. Zwischen Mitte der 1770er und Mitte der 1780er Jahre nahm die Zahl der Eheschließungen wieder zu und erreichte ein Niveau von rund 100 pro Jahr. Der Heiratsboom am Ende der kurfürstlichen Zeit – 1798 lag das absolute Maximum mit 198 Eheschließungen – wurde durch die französischen Besatzungssoldaten hervorgerufen, die besonders häufig als Ehepartner in den Heiratsregistern vermerkt wurden.
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5.2.1 Monatliche Verteilung Die monatlichen Schwankungen der Heiratshäufigkeiten sind deutlich ausgeprägter als die der Geburtenzahlen (Abbildung 7).
Abbildung 7: Monatliche Verteilung der Heiraten 1716-1797
Die hohe Standardabweichung von 3,35 % ist ein deutlicher statistischer Hinweis auf eine nicht zufällige Ungleichverteilung der Heiraten auf die einzelnen Monate. Die beiden signifikanten Minima im März und Dezember beweisen, dass die katholische Bevölkerung ihre Ehen in der Regel nicht in der Fasten- oder der Adventszeit schloss, da die Bestimmungen im kanonischen Recht Trauungen während dieser Zeit verboten. Nur durch einen Dispens der Kirchenbehörden konnte dieses Verbot umgangen werden. Trotzdem wurden insgesamt ungefähr 6,5 % der Ehen in diesen beiden Monaten begründet. Dies lässt sich aber nicht durch eine vermeintlich freizügige Vergabe von Sondergenehmigungen oder etwa durch eine kollektive Missachtung der kirchlichen Gebote erklären. Vielmehr konnten die Bürger – je nach Kalender – auch im Dezember und im März an einigen Tagen außerhalb der Advents- oder Fastenzeit im Einklang mit dem kanonischen Recht heiraten. In den Monaten vor und nach der Advents- und Fastenzeit, also im November, Januar, Februar und im Mai,76 wurden überdurchschnittlich viele Ehen geschlossen. Von Juni bis Oktober lag der Anteil
76
Der April lag ebenfalls zum größten Teil innerhalb der Fastenzeit, nämlich wenn Ostern auf einen Tag zwischen dem 15. und dem 25. April fiel. Deshalb wurden wohl die drittwenigsten Ehen in diesem Monat geschlossen.
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konstant um einen Wert von 8 %, also nur sehr knapp unter dem statistischen Mittelwert von 8,33 %. Der Vergleich mit anderen Städten (Tabelle 11) ermöglicht eine differenzierte Einordnung der Bonner Ergebnisse. In den (vorwiegend) von Katholiken bevölkerten Städten ähnelt das Muster der monatlichen Verteilung stark dem in Bonn vorgefundenen. So wurden auch in Mainz und Trier die meisten Ehen in den vier Monaten Februar, Januar, Mai und November geschlossen. Die katholischen Paare haben wohl nicht – wie etwa heute – viele Monate oder gar Jahre im Voraus ihre Trauung geplant, denn dann wäre das Maximum eher in den frühen Sommermonaten zu erwarten. Sie haben meist wohl relativ kurzfristig den Entschluss gefasst, einander zu heiraten. War gerade Fasten- oder Adventszeit und kein Dispens zu erhalten, dann musste eben in den Tagen vor oder nach der für die Eheschließung „geschlossenen Zeit“ geheiratet werden. Tabelle 11: Monatliche Rangfolge der Eheschließungen für Bonn (1716-1797), Mainz (1604-1797), Trier (1730-1799) und Duisburg (1713-1814) Rg. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Bonn % Feb 16,11 Nov 10,48 Jan 9,91 Mai 9,54 Aug 8,57 Jun 8,43 Sep 7,95 Okt 7,78 Jul 7,57 Apr 7,18 Mär 3,66 Dez 2,83
Mainz % Jan 12,07 Feb 11,9 Nov 10,85 Mai 10,25 Jun 9,11 Jul 8,88 Apr 8,76 Aug 8,34 Okt 7,96 Sep 7,48 Mär 2,28 Dez 2,12
Trier77 Jan Feb Mai Nov Jun Aug Okt Sep Jul Apr Mär Dez
Duisburg % Apr 12,8 Okt 12,3 Mai 11,2 Nov 8,6 Jan 7,4 Jun 7,3 Jul 7,1 Sep 7,1 Feb 7,0 Aug 6,8 Mär 6,7 Dez 5,7
Quellen: RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 178; KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 77; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 191.
Rödel begründet die verhältnismäßig seltenen Eheschließungen in den Frühlings- und Sommermonaten in Dörfern, aber auch in Klein-, Mittel- und sogar Großstädten mit der vermehrten Aktivität der Menschen aufgrund der landwirtschaftlichen Anforderungen in der Saat- und Ernteperiode – im Umkehrschluss erklärt sich daraus auch die hohe Zahl der Trauungen im November, Januar, Februar und im Mai. Den Menschen bliebe demnach wegen der anfallenden Arbeitslast keine Zeit und Muße zum Heiraten.78 77 78
In der Studie zu Trier fehlen leider die Prozentangaben. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 77. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 177.
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Vier Gründe widersprechen dieser These: 1. Die Zahl der Eheschließungen in den Erntemonaten Juli bis September liegen sowohl in Mainz als auch in Bonn nahe am Mittelwert und nicht etwa stark darunter. 2. In beiden Städten arbeitete nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung in der Landwirtschaft. 3. In Gonsenheim beispielsweise, einem landwirtschaftlich dominierten Dorf bei Mainz,79 in dem eine solche Anpassung an den Saat- und Erntezyklus anzunehmen wäre, unterscheidet sich die monatliche Rangfolge nur unwesentlich von derjenigen in Mainz. 4. In Duisburg, einer „noch weitgehend von der Landwirtschaft bestimmten Kleinstadt“80, und in Genf81 wurden die meisten Ehen im Saatmonat April geschlossen. Natürlich sind die Menschen im 18. Jahrhundert in den Städten immer noch von ländlichen Gepflogenheiten in ihrem generativen Verhalten beeinflusst worden; dabei könnten sich zumindest manche dieser Gepflogenheiten zu allgemeinem Brauchtum entwickelt haben. Aber aufgrund der angeführten Gründe scheint es wahrscheinlicher, dass einzig die kirchlichen Normen das Heiratsverhalten und damit auch den Zeitpunkt der Trauung maßgeblich bestimmten.
5.2.2 Zivilstand der Ehepartner Zwar wurden nur selten Berufsbezeichnungen in den Kirchenbüchern verzeichnet, aber der Zivilstand von Braut und Bräutigam wurde zumindest in den Registern von St. Remigius regelmäßig und während des gesamten Untersuchungszeitraumes eindeutig gekennzeichnet. Die Pfarrer verwandten immer grammatikalisch mehr oder weniger korrekt deklinierte Formen von „vidus“ und „vidua“, sodass Verwechslungen und Fehldeutungen nahezu ausgeschlossen sind. Die folgende Analyse muss in engem Zusammenhang mit dem in Kapitel 6 bestimmten Anteil der Witwen und Witwer an der Gesamtbevölkerung gesehen werden. Abbildung 8 veranschaulicht den Anteil jedes Zivilstandes an allen in der Pfarrei St. Remigius geschlossenen Ehen. Die erste Säule gibt die Anteile für den gesamten Untersuchungszeitraum wieder, die zweite nur diejenigen zwischen 1686 und 1749 und die dritte Säule stellt die Anteile der Witwen und Witwer unter allen Ehepartnern von 1750 bis 1798 dar. Im gesamten Untersuchungszeitraum dominierte – wie zu erwarten – die Erstehe, denn gut drei Viertel aller Ehen wurden zwischen zwei Ledigen geschlossen. Witwer ehelichten insgesamt etwas häufiger ledige Frauen als Junggesellen eine Ehe mit Witwen eingingen. Eine Ehe zwischen Verwitweten blieb die Ausnahme.
79 80 81
Rödel zieht selbst den Vergleich zwischen Mainz und Gonsenheim. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 178. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 192. PERRENOUD, La Population de Genève, S. 384 f.
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Abbildung 8: Zivilstand der Ehepartner
Der Vergleich zwischen den Anteilen der Witwen und Witwer vor 1750 mit denjenigen nach 1750 offenbart zwei interessante Aspekte: 1. Der Anteil der Erstehen sank um gut 10 %. 2. Vor 1750 war der Anteil der Witwen unter den Ehepartnern größer als derjenige der Witwer. Nach 1750 und auch während des gesamten Untersuchungszeitraumes konnten hingegen verwitwete Männer leichter einen neuen Ehepartner finden als verwitwete Frauen. Da Männer im Allgemeinen wirtschaftlich deutlich besser gestellt waren als Frauen, liegt die Vermutung nahe, dass sie deshalb auch häufiger und schneller einen neuen Partner zum Heiraten fanden. Trotzdem führte eine wirtschaftliche Besserstellung der Witwen in Trier – wider Erwarten – nicht zu mehr Ehen zwischen Witwen aus der Oberschicht mit ledigen oder verwitweten Männern. Im Gegenteil, es gelang sogar mehr verwitweten Frauen aus der Unterschicht, sich wiederzuverheiraten.82 Möglicherweise haben andere wichtige Faktoren die Ergebnisse in Trier entscheidend beeinflusst, wie das Alter der Witwen und Witwer sowie die Anzahl und das Alter von Kindern aus vorherigen Ehen. Diese weiteren Faktoren können auch nicht für Bonn erhoben werden, aber im Zusammenhang mit der Entwicklung der Bevölkerungsgröße und der Wirtschaft lassen sich Erklärungen für beide Aspekte finden. Die Abnahme der Erstehen im Vergleich zu den Mehrfachehen weist auf eine im Durchschnitt ältere Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hin. Die Zuwanderung nahm ab den 1760er Jahren ab, zudem wanderten besonders viele junge Bonner aus.83 Möglich erscheint jedoch auch, dass nach 1750 vermehrt Erwachsene 82 83
KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 147. Vgl. Kapitel 5.4.1.
146
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im heiratsfähigen Alter infolge von Kriegshandlungen und demographischen Krisen verstarben und somit mehr Witwen und Witwer in der Stadt lebten, deren Anteil an den neu begründeten Ehen dementsprechend größer war. Kohl hat die generative Struktur der Ober- und der Unterschicht in der Stadt Trier verglichen und dabei festgestellt, dass im katholischen Trier der Anteil der Erstehen in der Oberschicht größer war als in der Unterschicht.84 Da der Hofstaat in Bonn mit dem Regierungsantritt Max Friedrichs stark verkleinert wurde und insbesondere die Zahl der Adeligen abnahm, könnte dies ebenfalls zur Abnahme der Erstehen in Bonn geführt haben. Die relative Abnahme von Witwen unter den Ehepartnern im Vergleich mit den Witwern bestätigt die Analyse der sozioökonomischen Entwicklung in Bonn. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde es offenbar wirtschaftlich unattraktiver, beispielsweise eine Handwerkerwitwe zu heiraten. Dabei verdoppelte sich zwischen 1720 und 1790 sogar die Zahl der Witwen, während die Zahl der Witwer auf einem niedrigen Niveau konstant blieb!85 Unter der im Verlauf des Jahrhunderts zunehmenden Zahl bedürftiger Einwohner befanden sich auch besonders viele Witwen. Tabelle 12: Witwen und Witwer unter den Ehepartnern in Bonn (1686-1798), Mainz (1701-1798), Trier (1730-1860) und Duisburg (1713-1814)86 in % Zivilstand der Ehepartner
Bonn
Mainz
Trier
Duisburg
Junggeselle heiratet Jungfrau
76,5
71,6
73
72,4
Witwer heiratet Jungfrau
11,4
16,6
17
13,8
Junggeselle heiratet Witwe
9,9
9,9
6
7,4
Witwer heiratet Witwe
2,2
1,9
4
6,4
Quellen: RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 193; KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 147; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 195.
Grundsätzlich waren in der Frühen Neuzeit – im Grunde bis heute – die Wiederverheiratungschancen von Witwen deutlich schlechter als von Witwern. Dieses Grundmuster lässt sich ebenso in Dörfern wie in Städten und unabhängig von der Konfession feststellen.87 Auch die Ergebnisse von historisch-demographischen Forschungen für Mainz, Trier und Duisburg in Tabelle 12 verdeutlichen, dass Witwer in etwa doppelt so häufig unter den Bräutigamen vertreten waren wie Witwen unter den Bräuten, obwohl es in allen genannten Städten mehr Witwen als Witwer gab. Bonn bildet daher unter beiden letzten Wittelsbacher Kurfürsten eine Ausnahme, die – wie gezeigt – wohl auch im Vergleich zu den anderen Residenzstädten auf besonders günstige wirtschaftliche Bedingungen in der boomenden Residenzstadt schließen lässt. 84 85 86
87
KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 146. Vgl. Kapitel 6.2. Jägers führt die Ehepartner mit unbekanntem Zivilstand gesondert auf. Zur besseren Vergleichbarkeit und in der Annahme, dass es sich um keine Verwitweten handeln kann, sind diese hier komplett der Kategorie „Junggeselle heiratet Jungfrau“ hinzuaddiert worden. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 195. IMHOF, Wiederverheiratung in Deutschland, S. 207.
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5.2.3 Heiratsalter und Fertilität Obwohl diese Untersuchung keine klassische Familienrekonstitution umfasst und daher die Fertilität, also die Anzahl der Geburten pro Ehefrau, nicht direkt bestimmt werden kann, können Veränderungen der Fertilität und damit der demographischen Reproduktion indirekt aufgezeigt werden. Als Indikator dient hierbei das Heiratsalter, dem eine zentrale Rolle im westeuropäischen vorindustriellen demographischen System beigemessen wird.88 Das Heiratsalter fungierte als „Stellschraube“ für die Anpassung der generativen Struktur an die wirtschaftlichen, kulturellen und naturräumlichen Bedingungen. Zum einen korrelierte das Heiratsalter mit den wirtschaftlichen Bedingungen: Bei einer Zunahme von freien Stellen sank das Heiratsalter und ebenso der Anteil der dauerhaft Ledigen, während es sich bei einer Abnahme von freien Stellen umgekehrt verhielt. Zum anderen wurden bei einem höheren durchschnittlichen Heiratsalter grundsätzlich weniger Kinder geboren.89 Insbesondere in Gesellschaften, in denen sowohl der Anteil der illegitim Geborenen gering war als auch kontrazeptionelle Verhaltensweisen weitgehend nicht praktiziert wurden, korrelierten Heiratsalter und Fertilität sehr stark: Das Heiratsalter bestimmte das Tempo der demographischen Reproduktion.90 Dieser Zusammenhang ist in einer bei Historiker-Demographen weithin verbreiteten Formel zum Ausdruck gebracht worden: Pro 1,5 Jahre, um die das Heiratsalter sich verringerte, wurde in vorindustriellen Gesellschaften ein Kind mehr zur Welt gebracht, wenn alle anderen die Fertilität beeinflussenden Faktoren identisch blieben.91 Ob der Zusammenhang zwischen Heiratsalter und Fertilität in Bonn so stark war, dass hier ebenfalls von einer „Stellschraube“ der generativen Struktur gesprochen werden kann, wird nachfolgend anhand der Untersuchung der relevanten Parameter bestimmt, nämlich der Illegitimität und der innerehelichen Fruchtbarkeit. Der Faktor Illegitimität wurde bereits untersucht; er spielt für die Höhe der Fertilität insgesamt keine entscheidende Rolle. Die Illegitimenquote pendelte in Bonn bis in die 1780er Jahre hinein um einen Wert von 2 %92 – illegitime Geburten blieben also die Ausnahme. Die innereheliche Fertilität, definiert als Zahl der Geburten pro Tausend verheiratete Frauen im gebärfähigen Alter, wird üblicherweise für vorstatistische Gesellschaften anhand der Daten einer Familienrekonstitution berechnet. Die Höhe der innerehelichen Fertilität hängt vor allem mit den zeitlichen Abständen zwischen den Geburten in Verbindung mit der Sterblichkeit zusammen; dabei weisen große Abstände zwischen den Geburten darauf hin, dass Geburtenbeschränkung praktiziert wurde. Letzteres spielt neben dem Heiratsalter eine zentrale Rolle für die Höhe der
88 89 90 91 92
Theoretisch begründet von HAJNAL, European marriage patterns, S. 101. Empirisch bestätigt z. B. für England bei WRIGLEY/SCHOEFIELD, The Population History of England, S. 266. Beispielsweise bei WILSON/AIREY, How can a homeostatic system, S. 121. SCHLUMBOHM, Lebensläufe, Familie, Höfe, S. 99. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 265. Vgl. Kapitel 5.1.3.
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ehelichen Fertilität.93 Geburtenbeschränkung wurde in protestantischen Gebieten bereits für das 17. Jahrhundert und in katholischen Städten Frankreichs für die Mitte des 18. Jahrhunderts nachgewiesen.94 Fraglich ist allerdings, ob auch in Bonn und anderen katholischen Städten im deutschsprachigen Raum Geburtenbeschränkung im 18. Jahrhundert in größerem Umfang praktiziert wurde. Für die Analyse des Heiratsalters wurden die Heiratsregister der drei Pfarreien St. Remigius, St. Martin und St. Petrus95 mit den Taufregistern dieser Pfarreien namentlich verknüpft, um das Alter der Braut oder des Bräutigams bestimmen zu können. Aufgrund der unsicheren Identifizierung musste jeder einzelne Eintrag darauf hin überprüft werden, ob es sich bei Tauf- und Heiratseintrag tatsächlich um dieselbe Person handelt. Aufgrund dieses enormen Arbeitsaufwandes wurden lediglich drei Dekaden untersucht. Hierfür wurden die 1730er Jahre – prosperierende Jahre des Aufbaus unter Clemens August –, die 1760er Jahre und die 1780er Jahre ausgewählt. In den Heiratsregistern wurden erst ab Mitte der 1760er Jahre die Namen der Eltern von Braut und Bräutigam regelmäßig verzeichnet, sodass die Zahl der Ehepartner mit sicher bestimmbarem Taufdatum in den 1760er und vor allem in den 1780er Jahren deutlich höher lag als in den 1730er Jahren, für die die Einträge besonders sorgfältig und kritisch abgeglichen werden mussten. Häufige Nachnamen wie Müller oder Becker konnten für die 1730er Jahre grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, da eine eindeutige Identifizierung ohne Namen der Eltern bei der Vielzahl der in Frage kommenden Individuen schlicht unmöglich war. Auch wenn die Namen der Eltern im Heiratsregister verzeichnet wurden, konnten manchmal Ehepartner nicht eindeutig einem Taufdatum zugeordnet werden, weil ein Geschwisterkind mit identischem oder ähnlichem Vornamen im Taufregister verzeichnet war. Die sozioökonomische Stellung der Ehepartner konnte aufgrund fehlender Angaben nicht bestimmt werden. Anhand der bekannteren Familiennamen kann jedoch konstatiert werden, dass vom Apotheker über den Adeligen bis hin zum Handwerker sämtliche Schichten vertreten sind. Naturgemäß sind allerdings mobile Bevölkerungsgruppen unterrepräsentiert, wie z. B. Soldaten oder auch Künstler. Wie in Familienrekonstitutionen üblich, deren besondere Stärke gerade in der Untersuchung der Fertilität liegt, wurden lediglich die Erstheiraten berücksichtigt. Anders als in den mittlerweile recht alten Manualen96 zur Durchführung von Familienrekonstitutionen vorgeschlagen, wurde als Obergrenze nicht ein Heiratsalter von 49 Jahren gewählt – analog zum Ende der fruchtbaren Phase der Frau –, sondern von genau 39 Jahren und 364 Tagen (unter 40 Jahre). Wie Stichproben gezeigt haben, befanden sich nämlich unter den über 40-Jährigen auch einige Bräutigame und Bräute, die nicht als Witwer oder Witwe im Register gekennzeichnet sind, aber sehr wohl 93
94 95 96
Die eheliche Fertilität wies bei gleichem Heiratsalter und fehlender aktiver Geburtenbeschränkung in den meisten Untersuchungen erstaunlich ähnliche Werte auf. BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 112 f. PFISTER, Die Anfänge von Geburtenbeschränkung, S. 16-19. Hierzu wurde die chronologische Zusammenstellung der Eheschließungen von Pauli genutzt. PAULI, Die Heiratsregister der kurkölnischen Residenzstadt. WRIGLEY, Family reconstitution, S. 103-105; HENRY, Manuel de démographie historique, S. 82.
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schon einmal verheiratet gewesen waren. Wahrscheinlich kam es bei Älteren häufiger vor, dass der Pfarrer versäumt hatte, eine vorherige Ehe im Register zu verzeichnen. Insgesamt blieben nämlich Erstehen, bei denen einer der Partner bereits älter als 40 Jahre war, die Ausnahme, sodass eine höhere Fehlerquote die Aufnahme dieser Ehepartner nicht rechtfertigt. Außerdem können durch den Ausschluss der über 40jährigen Eheschließenden die statistischen „Ausreißer“ minimiert werden, sodass die Daten zwischen den Dekaden besser vergleichbar sind. Aus diesem Grunde wird in Abbildung 9 auch der Median und nicht das arithmetische Mittel des Heiratsalters dargestellt.
Abbildung 9: Median des Heiratsalters
Der Anstieg des Heiratsalters der Frau im Median zwischen der Dekade 1731-1740 und 1761-1770 von 22,17 auf 25,73 ist enorm. Zwischen den 1760er und den 1780er Jahren erhöhte sich das Heiratsalter der Frau weniger stark: im Median von 25,73 auf 27,54. Das Heiratsalter des Mannes, für die Entwicklung der Fertilität weniger relevant, nahm insgesamt nicht so stark zu. Der Median erhöhte sich von 25,01 in den 1730ern, über 26,97 in den 1760ern auf 27,66 zwischen 1781 und 1790. Der Altersunterschied zwischen Braut und Bräutigam wurde also im Verlauf des 18. Jahrhunderts immer geringer; in den 1780ern waren Braut und Bräutigam bei der Eheschließung sogar fast gleich alt. Die Verteilung der Heiraten nach Altersgruppen in Abbildung 10 zeigt, dass die meisten Frauen und Männer – nämlich ungefähr jeweils zwei Drittel – in ihren Zwanzigern die erste Ehe schlossen. Nur die wenigsten Ehepartner waren älter als 34 Jahre. Sowohl ca. 7 % der Bräute als auch etwa 7 % der Bräutigame waren älter als 34 Jahre, sodass größere Altersunterschiede zwischen Mann und Frau wohl eher die Aus-
150
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nahme bildeten. Geringe Altersunterschiede zwischen den Ehepartnern wurden nämlich auch in anderen Studien als die Regel festgestellt.97 Anders als bei Wiederverheiratungen legten die Eheschließenden Wert darauf, einen Partner möglichst derselben Altersgruppe zu heiraten.98
Abbildung 10: Verteilung der Heiraten nach Altersgruppen (1731-1740, 1761-1770 und 1781-1790)
Der Zusammenhang zwischen Heiratsalter und Fertilität muss näher untersucht werden, damit die Tragweite der Zunahme des Heiratsalters im Verlauf des 18. Jahrhunderts für die städtische Reproduktion insgesamt beurteilt werden kann. Wie eingangs dargestellt, könnte eine höhere Fruchtbarkeit auch durch eine gesteigerte innereheliche Fertilität und weniger durch ein niedrigeres Heiratsalter hervorgerufen worden sein. In England, dessen Bevölkerungsgeschichte umfassender als die der meisten anderen Staaten untersucht ist, blieben die innerehelichen Fruchtbarkeitsraten zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert konstant. Entscheidend für den Anstieg der Fertilität ab dem 17. Jahrhundert waren zwei Faktoren: die Abnahme der dauerhaft Ledigen und der Rückgang des durchschnittlichen Heiratsalters der Frau von 26,5 auf 23,5 Jahre zwischen 1650 und 1850.99 Demgegenüber wurde nach einer Analyse von 14 Monographien aus deutschsprachigen Regionen ein Anstieg der innerehelichen Fruchtbar97 98 99
KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 150. Ausführlicher wird dieses Phänomen besprochen bei LASLETT, Familie und Industrialisierung, S. 14. SOKOLL, Historische Demographie und historische Sozialwissenschaft, S. 418 f.
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keit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als „Motor des Bevölkerungswachstums“ ausgemacht und eben nicht ein Sinken des Heiratsalters.100 Was trifft nun für die geistliche Residenzstadt Bonn zu? Veränderungen der innerehelichen Fertilität können anhand einer Analyse der intergenetischen Intervalle – den zeitlichen Abständen zwischen den Geburten in einer Ehe – untersucht werden. Wenn die Abstände zwischen den Geburten kontinuierlich größer wurden, unabhängig vom Alter der jeweiligen Mutter, kann davon ausgegangen werden, dass Geburtenbeschränkung praktiziert wurde. Bei durchschnittlich mehr als vier Jahren Abstand zwischen den Geburten wird allgemein angenommen, dass kontrazeptionelle Methoden angewandt wurden, wohingegen Abstände unter 30 Monaten zwischen den Geburten auf das Fehlen solcher Praktiken hindeuten. Abstände zwischen 30 und 48 Monaten werden in der Forschung unterschiedlich eingeordnet: Dupâquier-Lachiver, der Begründer dieser Methode, sieht darin keinen Beleg für aktive Geburtenbeschränkung, während Imhof und Wrigley bereits bei diesen Abständen kontrazeptionelle Verhaltensweisen als Ursachen vermuten.101 In jüngeren Studien wird die Art der Geburtenbeschränkung weiter differenziert und es werden verschiedene Methoden für die Berechnung der jeweiligen Art vorgeschlagen. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass vor der Konzeption des vierten Kindes die Zahl der zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Geschwister die Länge des intergenetischen Intervalls zwischen der dritten und vierten Geburt maßgeblich beeinflusste: Lebten also noch alle drei Geschwister, dann lag ein längerer Zeitraum zwischen der Geburt des dritten und der des vierten Kindes als in den Fällen, in denen bereits eines der drei Geschwister gestorben war. Dieser Zusammenhang ist ein deutlicher Hinweis auf aktive Familienplanung.102 Kurze intergenetische Intervalle von durchschnittlich unter 18 Monaten weisen auf Regionen hin, in denen nicht gestillt und stattdessen auf künstliche Ernährung ausgewichen wurde, sodass eine frühere Konzeptionsfähigkeit infolge der verkürzten oder gänzlich wegfallenden Laktationsamenorrhoe (Ausbleiben der Menstruation aufgrund von Milchabsonderung) hergestellt war.103 Für Mainz wurden die intergenetischen Intervalle auf der Grundlage der 280 untersuchten Familien nach Dekaden unterteilt analysiert. Demnach nahm die eheliche Fruchtbarkeit im Verlauf des 18. Jahrhunderts nicht zu, sondern blieb im 17. und 18. Jahrhundert auf einem einheitlichen Niveau: Bei einem Heiratsalter von 25 Jahren bekam eine Mainzer Frau – sofern sie in ihrer Ehe das Ende der prokreativen Phase erreichte – durchschnittlich etwa sieben Kinder.104 Der Zusammenhang zwischen Heiratsalter und Geburtenzahl ist stark und nahezu linear: Je jünger die Frau, desto mehr Kinder brachte sie zur Welt. War die Frau bei der Eheschließung zwischen 25 und 29 Jahre alt, so gebar sie durchschnittlich 7,06 Kinder, war sie zwischen 30 und
100 101 102 103 104
PFISTER, Bevölkerungsgeschichte der Frühen Neuzeit, S. 89. Die Forschungslage ist zusammengefasst bei RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 291 f. GEHRMANN, Geburtenbeschränkung in Deutschland, S. 100-104. ROMMEL, Die Wormser und ihre Stadt, S. 447. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 269.
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35 Jahre alt, so bekam sie durchschnittlich nur 4,8 Nachkommen.105 Das intergenetische Intervall bewegte sich – je nach Dekade – durchschnittlich zwischen 22,6 und 28,3 Monaten.106 Allerdings wurde bei etwa 3 % der Geburten ein intergenetisches Intervall von mehr als 48 Monaten nachgewiesen – ebenso unter der katholischen Bevölkerung in Worms.107 Diese statistischen Ausreißer weisen aber nicht unbedingt auf kontrazeptionelle Verhaltensweisen hin, da es sich auch um Fälle von vorübergehendem Konzeptionsschutz aufgrund von Mangelernährung oder migrationsbedingter Trennung der Ehegatten, vorübergehender Impotenz u. Ä. gehandelt haben kann. Daher ist die Klassifikation der Geburtenbeschränkung nach dem intergenetischen Intervall auch nicht auf den Einzelfall anwendbar, sondern nur auf ganze Populationen bzw. größere Stichproben. Eine Steigerung der ehelichen Fruchtbarkeit in Mainz im Verlauf des 18. Jahrhunderts kann somit ausgeschlossen werden. In der katholischen Residenzstadt Mainz wurde in der Frühen Neuzeit – wie auch in anderen katholischen Regionen und Städten in Deutschland – keine Geburtenbeschränkung praktiziert, sondern es galt die Maxime, so viele Kinder wie möglich zu zeugen.108 Dennoch wurde nicht etwa jedes Jahr ein Kind gezeugt, weil verschiedene Faktoren dies verhinderten – dazu zählten die Ernährungslage, mit dem Alter abnehmende Fruchtbarkeit, Spontanaborte, Konzeptionsschutz infolge der Laktationsamenorrhoe bei langen Stillzeiten u. Ä.109 Nur die massive Einflussnahme auf einen oder mehrere dieser Faktoren hätte zu einer signifikanten Veränderung der ehelichen Fruchtbarkeit führen können. In Mainz fand dies jedoch nicht statt, sodass die eheliche Fruchtbarkeit bis zum Ende des Ançien Régimes auf demselben Niveau verharrte. Die Untersuchung zu Trier liefert leider keine ebenso zeitlich differenzierten und exakten Daten wie die zu Mainz. Unter anderem setzt Kohl die intergenetischen Intervalle mit der ehelichen Fruchtbarkeit einfach gleich. Aus den Ausführungen kann jedoch geschlossen werden, dass aktive Geburtenbeschränkung über das Stillverhalten hinaus erst nach 1800 praktiziert wurde. Die intergenetischen Intervalle waren in der Oberschicht, die separat untersucht wurde, vor 1800 allerdings deutlich kürzer als in der Unterschicht oder auch in der Stichprobe aus der Gesamtbevölkerung. Dies führt der Autor darauf zurück, dass Ziehammen für Säuglinge herangezogen wurden; dadurch waren die nicht selbst stillenden Mütter wieder früher konzeptionsfähig.110 Unterschied sich Bonn von den anderen geistlichen Residenzstädten oder können die Befunde auf Bonn ausgedehnt werden? Zur Beantwortung dieser Frage soll das durchschnittliche intergenetische Intervall in Bonn anhand einer kleinen Stichprobe bestimmt und mit den umfassenden Analysen zu Mainz und Trier verglichen werden. Als Beispiel einer typischen Bonner Handwerkerfamilie kann die Familie von God105 106 107 108 109 110
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 270. Ebd., S. 289. ROMMEL, Die Wormser und ihre Stadt, S. 444, Tabelle 114. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 273 f. Weitere unbedeutendere Faktoren bei RESPONDEK, Perspektiven historisch-demographischer Forschung, S. 18. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 188-194.
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fried Schröder gelten, die durch seine Heirat mit Elisabeth Kuffs am 20. Oktober 1743 begründet wurde. Das erste Kind folgte nach sieben Monaten. Es handelte sich demnach um eine häufig anzutreffende voreheliche Konzeption. Das zweite Kind wurde 18 Monate nach dem ersten geboren, das dritte und vierte folgten je 23 Monate später, das fünfte 41 Monate und das sechste und letzte Kind kam nach weiteren 30 Monaten auf die Welt. Für die Berechnung des durchschnittlichen intergenetischen Intervalls wurden 20 Familien zufällig ausgewählt. Es mussten lediglich das Heiratsdatum und die Geburtsdaten von mindestens vier Kindern vorliegen, damit gewährleistet war, dass eine fruchtbare und länger andauernde Ehe für die Stichprobe ausgewählt worden war. Diese exemplarische Untersuchung von nur 20 Bonner Familien mit insgesamt 105 Geburten – die Erstgeburten sind dabei nicht berücksichtigt – muss aufgrund der dünnen Datenbasis vorsichtig interpretiert werden.111 Sie genügt jedoch für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung, weil sie die Ergebnisse der umfangreicheren Untersuchung von Rödel – wie erwartet – bestätigt: Demnach betrug in Bonn das durchschnittliche intergenetische Intervall 26 Monate. Außerdem wurden die Intervalle nicht von Geburt zu Geburt größer, sondern variierten zwischen dem zweiten und dritten Kind ähnlich wie zwischen dem vierten und fünften Kind, sofern die Mutter noch in ihren Zwanzigern war. Bei älteren Müttern wurden die Abstände naturgemäß größer. Diese exemplarische Stichprobe bestätigt die Mainzer Befunde und legt den Schluss nahe, dass sich das generative Verhalten der Einwohner beider Städte sehr stark ähnelte und demselben Muster folgte. Dass hier ein für katholische Städte allgemein gültiges Muster vorliegt, wird durch die Ergebnisse einer weiteren Untersuchung gestützt: Eine ähnliche Stichprobe analysierte François für Koblenz um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Seine Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass sich die durchschnittlichen Intervalle zwischen den Geburten in den katholischen Residenzstädten nicht unterschieden.112 Somit wurde in Bonn ähnlich wie in Mainz keine aktive Geburtenbeschränkung betrieben, denn ein durchschnittliches intergenetisches Intervall von unter 30 Monaten spricht nach herrschender Meinung nicht für die Anwendung kontrazeptioneller Praktiken.113 In beiden Städten versuchten die Verheirateten, die prokreative Phase der Frau voll auszuschöpfen – unabhängig vom Heiratsalter. Eine Steigerung der ehelichen Fertilität während des 18. Jahrhunderts kann daher für beide Städte ausgeschlossen werden. Ein niedrigeres Heiratsalter korrelierte in Mainz stark mit einer höheren Fertilität.114 Dies muss aufgrund der Ähnlichkeiten hinsichtlich der ehelichen 111
112 113 114
Diese strengen Vorgaben werden allerdings in vielen Untersuchungen durchbrochen, um entweder leichter die erforderlichen Daten zu gewinnen oder allgemein eine breitere Datengrundlage zu gewährleisten. Z. B. hinsichtlich der intergenetischen Intervalle auch bei ROMMEL, Die Wormser und ihre Stadt, S. 443 f. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 27. Der Forschungsstand ist zusammengefasst bei RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 291 f. Ebd., S. 263 f.
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Fruchtbarkeit gleichermaßen auf die Bonner Familien im 18. Jahrhundert zutreffen. Ein Vergleich des Heiratsalters zwischen den beiden Städten ermöglicht daher, auch die Fertilität in die Betrachtung mit einzubeziehen. Rödel hat im Rahmen seiner Familienrekonstitution von 280 Mainzer Familien das durchschnittliche Heiratsalter zwischen 1681 und 1780 nach Dekaden unterteilt untersucht. Dabei standen ihm für seine Untersuchung pro Dekade nur etwa fünf bis 20 Fälle pro Geschlecht zur Verfügung. Diese dünne Datengrundlage lässt keine allgemeinen Aussagen über das durchschnittliche Heiratsalter einer so großen Stadt wie Mainz zu. Dennoch waren die Schwankungen zwischen den Jahren wesentlich geringer als in Bonn. Das durchschnittliche Heiratsalter pendelte zwischen dem niedrigsten Wert von 21,2 Jahren bei den Frauen (27 bei den Männern) und 24,2 Jahren als höchstem Wert (30 bei den Männern). Es ist anzunehmen, dass der Unterschied bei Fallzahlen von mehr als 100 pro Geschlecht und Dekade – wie in Bonn – zu einer noch kleineren Differenz führen würde. Es ist nämlich wenig wahrscheinlich, dass z. B. in der Dekade 1771-1780 das Heiratsalter der Männer bei 30 Jahren lag – also den Höchstwert im gesamten Untersuchungszeitraum erreichte – und das der Frauen im gleichen Zeitraum mit 21,7 Jahren besonders niedrig lag. Insgesamt lag das durchschnittliche Heiratsalter der Frauen mit ca. 22,5 Jahren in Mainz im 18. Jahrhundert deutlich niedriger als in Bonn, wo der Durchschnitt der untersuchten drei Dekaden 25,6 Jahre betrug. Die Frauen heirateten in Bonn also ungefähr drei Jahre später als in Mainz. Nimmt man gemäß den obigen Ausführungen ein durchschnittliches intergenetisches Intervall von zwei Jahren an, so gebar eine Mainzerin durchschnittlich 1,5 Kinder mehr als eine Bonner Frau. Da sich die meisten Komponenten des generativen Verhaltens in beiden Städten sehr stark ähnelten, ist der Unterschied im Heiratsalter umso deutlicher. Nach einer Stichprobe der Gesamtbevölkerung Triers pendelte das durchschnittliche Heiratsalter der Frau im Verlauf des 18. Jahrhunderts um einen Wert von 25 Jahren, nahm aber tendenziell leicht zu.115 Auch in anderen Städten wie Luzern, Oppenheim, Alzey und Duisburg116 lag das durchschnittliche Heiratsalter der Frau bei ca. Mitte Zwanzig. In keiner der untersuchten Städte nahm das Heiratsalter derart stark zu wie in Bonn. Zur Bestimmung der Reproduktionsfähigkeit der gesamten Einwohnerschaft ist neben der ehelichen Fruchtbarkeit der Ledigenanteil entscheidend. Dieser konnte leider nicht in diesen Vergleich einbezogen werden, weil er sowohl für Mainz als auch für Trier im 18. Jahrhundert unbekannt ist. Der Ledigenanteil der Frauen lag in Bonn im 18. Jahrhundert bei ca. 16 %, und zwar sowohl 1790 als auch 1720. Aufgrund fehlender Bevölkerungszählungen für die Zwischenzeit kann nicht geprüft werden, ob der Ledigenanteil beispielsweise nach dem Tod Clemens Augusts und der Verkleinerung des Hofes höher war als 1720 oder 1790. Für die nachfolgenden Überlegungen wird angenommen, dass der Ledigenanteil im gesamten 18. Jahrhundert 115 116
Genauere Zahlen sind der Darstellung leider nicht zu entnehmen. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 152. BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 104; ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 174, Abbildung 26; HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 168; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 200, Tabelle 37.
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konstant bei etwa 16 % lag. In Koblenz bewegte er sich auf einem ähnlichen Niveau.117 Der Anstieg des Heiratsalters in Bonn während der untersuchten Dekaden bedeutet, dass in den 1730er Jahren eine Mutter durchschnittlich 1,5 Kinder mehr zur Welt brachte als in den 1760er und sogar 2,5 mehr als in den 1780er Jahren! Da der Ledigenanteil zumindest nicht abnahm – möglicherweise konstant bei 16 % lag –, nahm die demographische Reproduktion Bonns insgesamt ab. Deshalb ist der kontinuierliche Anstieg des Heiratsalters für die generative Struktur sehr bedeutsam. Neben dem starken Zusammenhang zwischen Heiratsalter und Fruchtbarkeit interessiert ebenfalls die Korrelation zwischen Heiratsalter und wirtschaftlicher Lage. Letztere könnte den signifikanten Anstieg des Heiratsalters im Verlauf des 18. Jahrhunderts erklären. Nach dem westeuropäischen Heiratsmodell war eine Eheschließung an eine „volle Stelle“ gebunden. In Handwerkerkreisen war für die Eheschließung daher die Aufnahme als Meister in eine Zunft erforderlich, denn nur wenige Zünfte gestatteten auch Gesellen die Eheschließung. Tagelöhner mussten mit ihrem Einkommen in der Lage sein, eine Familie zu ernähren, bevor sie heiraten durften. Selbst in höheren städtischen Schichten gab es Restriktionen; beispielsweise durften Studenten vor Abschluss ihres Studiums in der Regel keine Ehe eingehen. Leider können die Eheschließungen nicht in sozioökonomischer Hinsicht untersucht werden, weil verwendbare Angaben in den Kirchenbüchern sowie Volkszählungen mit entsprechenden Angaben fehlen. Gleichwohl sind folgende Fragen zu stellen: Haben die Beschränkungen der Zünfte dazu geführt, dass Söhne von Handwerksmeistern im späten 18. Jahrhundert erst in einem wesentlich höheren Alter heiraten durften als noch in den Jahren des Aufbaus unter den beiden Wittelsbacher Kurfürsten? Haben die einsetzende Universitätsausbildung und die Professionalisierung der Verwaltung in den Landesbehörden zu einem Zuwachs an jungen, gut ausgebildeten Menschen geführt, die in der Regel eher später heirateten? Könnten diese Fragen bejaht werden, lägen plausible Erklärungen für das in den späteren Dekaden deutlich höhere Heiratsalter vor. Um den Zusammenhang zwischen Heiratsalter und wirtschaftlicher Lage zu untersuchen, kann man den Roggenpreis als Indikator für die wirtschaftliche Lage heranziehen. In Trier korrelierte das Heiratsalter der Männer aus den Unterschichten tatsächlich positiv mit dem Roggenpreis, während bei den Frauen kein Zusammenhang bestand.118 Da das Heiratsalter in der vorliegenden Untersuchung nur für drei Dekaden im 18. Jahrhundert untersucht wurde und darüber hinaus nur eine einzige größere und längere Teuerungskrise in diese drei Jahrzehnte fiel – nämlich die Krise 1739/40 –, konnte keine Zeitreihenanalyse für das gesamte Jahrhundert durchgeführt werden. Stattdessen wird in Tabelle 13 der Korrelationskoeffizient zwischen Roggenpreis und Heiratsalter während der 1730er und der 1780er Jahre dargestellt. Die Getreidepreise
117 118
Vgl. Kapitel 6.1 und 6.2. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 153 f.
156
Die Bevölkerungsbewegung
der 1760er Jahre sind in aggregierter Form nicht für Bonn überliefert und wurden daher nicht in den Vergleich einbezogen.119 Tabelle 13: Zusammenhang (Korrelationskoeffizient r) zwischen Heiratsalter und Roggenpreis Zeitraum
r für Heiratsalter m
r für Heiratsalter w
1731-1740
0,43
0,01
1781-1790
-0,58
-0,21
Quellen: Es wurden jeweils die Getreidepreise zu Martini (11. November) zugrunde gelegt. StAB, Ku 86/12, Teil 2, „Tabellen zu Früchtenpreisen von 1722-1757“, und Teil 3, „Getreidepreise 1776-1798“.
Leider liegen einzelnen Jahren nur vier Eheschließungen je Geschlecht zugrunde; statistische Ausreißer fallen daher stark ins Gewicht. Eine kumulierte Berechnung der Korrelationskoeffizienten für sämtliche drei Dekaden ist nicht möglich, da für die 1760er Jahre keine Preisreihe überliefert ist. Eine Berechnung des Korrelationskoeffizienten r auf der Grundlage von je drei Mittelwerten für das Heiratsalter und den Roggenpreis pro Dekade ist hingegen aufgrund von nur drei Daten für die Berechnung ebenfalls ungeeignet. Die Ergebnisse der Korrelationsberechnung zeigen aber zumindest, dass kein Zusammenhang zwischen dem Heiratsalter der Frauen und dem Roggenpreis bestand. Hingegen korrelierte das Heiratsalter der Männer in den 1730er Jahren mittelstark positiv, d. h. mit Zunahme des Roggenpreises nahm auch das Heiratsalter zu. Insofern wird der Befund aus der Untersuchung Kohls zu Trier bestätigt, denn auch dort korrelierte das Heiratsalter der Männer positiv mit dem Roggenpreis. In den 1780er Jahren bestand dagegen in Bonn eine mittelstarke negative Korrelation zwischen dem Heiratsalter der Männer und dem Roggenpreis. Wie ist dieses ungewöhnliche Ergebnis zu erklären? In diesem Jahrzehnt gab es kaum Schwankungen des Getreidepreises, lediglich eine signifikante Steigerung im Jahr 1789, sodass diese Dekade für einen Vergleich weniger geeignet ist – auch wegen der dünnen Datenlage. Die größere Teuerungskrise europäischen Ausmaßes zwischen 1739 und 1742 erscheint deshalb für die Untersuchung dieses Zusammenhangs wesentlich lohnender. In Tabelle 14 werden deshalb die durchschnittlichen Getreidepreise zu Martini in Gulden pro Malter und das durchschnittliche Heiratsalter zwischen den Krisenjahren 1738-1740 einerseits und den Jahren 1732-1737 andererseits verglichen.
119
Die wöchentlichen Roggenpreise Bonns sind für die Jahre 1722-1757 und 1776-1798 zusammengestellt in: StAB, Ku 86/12, Teil 2 (1722-1757) und Teil 3 (1776-1798).
Mortalität
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Tabelle 14: Vergleich von Roggenpreis und Heiratsalter 1732-1740 Zeitraum
Roggenpreis
Heiratsalter m
Heiratsalter w
1732-1737
6,66
23,22
23,55
1738-1740
12,33
26,27
23,08
1732-1740
8,80
25,46
23,37
Quelle: Es wurden die Getreidepreise zu Martini (11. November) zugrunde gelegt, StAB, Ku 86/12, Teil 2, „Tabellen zu Früchtenpreisen von 1722-1757“.
Während der Krisenjahre 1738-1740 war der Roggenpreis ungefähr doppelt so hoch wie in den vorherigen vier Jahren. In den Krisenjahren lag auch das durchschnittliche Heiratsalter der Männer drei Jahre höher als zwischen 1732 und 1737. Wichtiger aber für die hier erörterte Fragestellung ist das Ergebnis im Fall der Frauen: Deren Heiratsalter wurde von dem deutlich höheren Roggenpreis hingegen nicht beeinflusst. Wie bereits dargestellt, ist für die Fertilität der Gesamtgesellschaft das Heiratsalter der Frauen entscheidend. Deshalb hatten die Roggenpreise auch in Jahren der Teuerung keinen bedeutenden Einfluss auf die Geburtenzahlen. Dies bestätigt auch die Analyse der demographischen Krisenjahre: Die Zahl der Geburten nahm während der Teuerungskrise 1739/40 nicht ab.120 Der Vergleich der ehelichen Fruchtbarkeit in Mainz und Bonn ergibt, dass in beiden Städten das generative Verhalten einem ähnlichen Muster unterlag, das für katholische Populationen im 18. Jahrhundert als typisch gelten kann. Demnach gebaren Ehefrauen so viele Kinder, wie es möglich war und betrieben in der Regel keine Geburtenbeschränkung. Deshalb bestimmte das Heiratsalter der Frauen das Tempo der demographischen Reproduktion der geistlichen Residenzstädte, zumal zumindest in Bonn der Ledigenanteil 1720 ähnlich hoch lag wie 1790. In Bonn erhöhte sich das Heiratsalter im Verlauf des 18. Jahrhunderts kontinuierlich und wesentlich stärker als in Mainz. In den 1780er Jahren lag das Heiratsalter der Frauen im Median sogar fünf Jahre höher als in den 1730er Jahren! Der Getreidepreis als Indikator für die wirtschaftliche Lage beeinflusste nicht die Höhe des Heiratsalters der Frauen.
5.3 Mortalität In diesem Kapitel wird umfassend die Sterblichkeit untersucht. Nach der Beschreibung der Sterberegister erfolgen die Analysen der absoluten Entwicklung der Sterblichkeit sowie der saisonalen Verteilung (Kapitel 5.3.1). Die Sterblichkeit der Erwachsenen (Kapitel 5.3.2) wird vergleichsweise kurz abgehandelt, wohingegen die Kindersterblichkeit (Kapitel 5.3.3) – insbesondere die Säuglingssterblichkeit (Kapitel 5.3.4) – umfassend untersucht wird. Die Sterblichkeit der unter Fünfjährigen unterlag
120
Die Teuerungskrise wird umfassend in Kapitel 7.3.2 behandelt.
158
Die Bevölkerungsbewegung
nämlich wesentlich größeren Schwankungen, weil sie deutlich stärker durch menschliches Verhalten beeinflusst wurde als die Sterblichkeit der Erwachsenen. Die Zahl der Begräbnisse und damit der Sterbefälle konnte für die Jahre zwischen 1731 und 1742 sowie für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ab 1750 für alle vier Pfarreien nahezu vollständig erhoben werden. Leider sind bis 1718 nur die Sterbefälle aus den beiden kleineren Bonner Pfarreien verzeichnet – noch dazu mit größeren Lücken; daher ist eine hinreichend aussagekräftige Untersuchung der Mortalität für die Stadt Bonn in den Jahren von 1686 bis 1717 nicht möglich. Die altersspezifische Sterblichkeit hat Herborn für insgesamt acht Jahre gegen Ende des Untersuchungszeitraumes anhand von Todesanzeigen in der Wochenzeitung „Bönnisches Intelligenzblatt“ untersucht.121 Doch leider geben die Anzeigen ähnlich wie die Eintragungen in den Kirchenbüchern meist keine Auskunft über die Todesursachen; diese Information wäre jedoch gerade im Hinblick auf die Analyse der demographischen Krisen besonders bedeutsam.
Abbildung 11: Anzahl der Sterbefälle 1718-1797122
Der Graph in Abbildung 11 zeigt die Anzahl der Sterbefälle. Die zahlreichen, teilweise stark ausgeprägten Schwankungen zwischen einzelnen Jahren ermöglichen keine Beurteilung des Verlaufes der Sterblichkeit über den gesamten Zeitraum hinweg. Erst die schwarz gezeichnete Trendlinie, die den fünfjährigen gleitenden Durchschnitt
121 122
HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit, S. 197 f. Die gestrichelte Linie weist auf unvollständige Daten hin, bei denen die Einträge von mindestens einer Pfarrei fehlen.
Mortalität
159
darstellt, offenbart, dass die Sterblichkeit sukzessive bis 1761123 zunahm (der Einbruch in den 1740er Jahren resultiert aus den fehlenden Kindersterbefällen aus St. Remigius), dann bis 1768 stark abnahm – um 25 % – und anschließend bei rund 350 Sterbefällen per anno bis 1793 stagnierte. In den letzten fünf Jahren des Untersuchungszeitraumes stieg die Sterblichkeit besonders stark an und erreichte 1795 das absolute Maximum.124 Der dauerhafte und massive Rückgang der Mortalität nach 1761 deutet, gerade bei gleichzeitig zurückgehender Nuptialität und Natalität, auf die Abwanderung großer Bevölkerungsgruppen hin. Die deutlich hervortretenden lokalen Maxima stellen Mortalitätsgipfel dar, die als potenzielle demographische Krisenjahre in Kapitel 7 näher untersucht werden. Die Sterbeziffer, die durchschnittliche Anzahl der Sterbefälle pro Jahr dividiert durch die Gesamteinwohnerzahl und multipliziert mit 1.000, betrug im Jahr 1790 30 ‰. Dem zugrunde liegt der aus den Sterbefällen der Jahre 1789 bis 1791 gebildete Durchschnitt, der die „normale“, nicht durch Krisen verzerrte Sterblichkeit angibt. Dieser Näherungswert ist durchaus mit denen anderer Städte vergleichbar: Für Mainz im Jahr 1786 nimmt Rödel eine Sterbeziffer von etwa 30 ‰125 an, in Hamburg lag die mittlere Sterbeziffer zwischen 1774 und 1798 bei 35,8 ‰.126
5.3.1 Monatliche Verteilung Die monatliche Verteilung der Sterbefälle in Abbildung 12 basiert auf allen erfassten Sterbefällen zwischen 1718 und 1797. Der Graph zeigt zwei unterschiedlich stark ausgeprägte Spitzen: die größere in den Monaten März und April und die kleinere im Monat September. Erst im Dezember nahm der Anteil der Sterbefälle wieder stark zu und verblieb im Januar und Februar auf einem konstant hohen Niveau. Im März, gefolgt vom April, verstarben die meisten Menschen. Bis in den Juni hinein, in dem die wenigsten Bonner zwischen 1718 und 1797 aus dem Leben schieden, sank die Sterblichkeit. Zwischen Juli und September folgte eine sukzessive – aber insgesamt geringfügige – Zunahme an Sterbefällen, sodass der September ein lokales Maximum aufweist, das aber trotzdem knapp unter dem Durchschnitt von 8,33 % liegt.
123 124 125 126
Der Einbruch zwischen 1742 und 1749 resultiert aus den fehlenden Kindersterbefällen aus der Pfarrei St. Remigius. Darum gilt der gleitende Durchschnitt nicht für diesen Zeitraum. „Daß über 600 Personen in diesem Jahre starben“, ermittelte auch Hesse. HESSE, Geschichte der Stadt Bonn, S. 90. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 153. GEHRMANN, Bevölkerungsgeschichte Norddeutschlands, S. 251.
160
Die Bevölkerungsbewegung
Abbildung 12: Monatliche Verteilung der Sterbefälle 1718-1797
Der Vergleich mit anderen rheinischen Städten in Tabelle 15 offenbart viele Übereinstimmungen. In jeder Stadt verstarben die meisten Menschen im März und die zweitmeisten im April, während die Monate Juni, Juli und November regelmäßig am Ende der Rangfolge zu finden sind. In Mainz starben überdurchschnittlich viele Menschen im August und September, doch in allen anderen Städten rangieren diese Monate deutlich weiter unten. Rödel macht für diese Sterblichkeitsspitze die hohe Kindersterblichkeit infolge von Infektionskrankheiten verantwortlich.127 Keine weitere rheinische Stadt weist ähnlich hohe Werte in den beiden Spätsommermonaten auf. Da für Bonn die Anzahl der verstorbenen Kinder nur für die Zeiträume 1731-1742 und 1750-1797 vollständig mit einfließen, könnte aus den unterschiedlichen Untersuchungszeiträumen die im Vergleich zu Mainz geringere Mortalität im Spätsommer resultieren. Ob Rödels Befund auch gleichermaßen für Bonn zutrifft, ist Gegenstand des Kapitels 5.3.3 über die Kindersterblichkeit.
127
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 194.
Mortalität
161
Tabelle 15: Monatliche Rangfolge der Sterblichkeit für Bonn (1718-1797), Mainz (16761797), Koblenz (1760-1797), Trier (1730-1799)128 und Duisburg (1713-1814) Rg. 1.
Bonn % Mär 9,99
Mainz % Mär 9,19
Koblenz % Mär 10,24
2.
Apr
Apr
9,09
Apr
9,52
9,38
Trier Mär Apr
Duisburg % Mär 9,4 Apr
9,3
3.
Jan
8,78
Sep
9,01
Mai
9,18
Jan
Jan
9,0
4.
Feb
8,75
Aug
8,99
Dez
8,50
Feb
Okt
8,9
5.
Mai
8,57
Mai
8,54
Jan
8,48
Mai
Sep
8,8
6.
Dez
8,30
Jan
8,53
Feb
8,44
Dez
Feb
8,7
7.
Sep
8,26
Dez
8,14
Sep
7,98
Aug
Dez
8,3
8.
Aug
7,97
Okt
8,09
Okt
7,88
Jun
Mai
8,3
9.
Okt
7,64
Feb
7,78
Aug
7,80
Nov
Aug
8,1
10.
Jul
7,54
Nov
7,66
Nov
7,65
Sep
Nov
7,5
11.
Nov
7,51
Jun
7,55
Jun
7,37
Okt
Jun
7,1
12.
Jun
7,18
Jul
7,43
Jul
7,10
Jul
Jul
6,6
Quellen: RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 195; FRANÇOIS, Population et société à Coblence, S. 376; KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 75; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 219.
Der Zeitpunkt des Todes kann im Vergleich zu Geburt und Heirat am wenigsten vom Menschen beeinflusst werden. Deshalb wäre zu erwarten, dass die monatliche Verteilung der Sterbefälle am ehesten durch den Zufall bestimmt wurde. Die Standardabweichung beträgt 0,84 % und ist damit ungefähr so groß wie diejenige der monatlichen Verteilung der Geburten. Daher und weil die monatliche Rangfolge in unterschiedlichen Regionen immer starke Ähnlichkeiten und damit Gesetzmäßigkeiten aufweist, handelt es sich keineswegs um das „strukturunabhängigste Element einer generativen Struktur“129. Das in allen aufgeführten Städten festgestellte absolute Mortalitätsmaximum im März und April ist auf „die Zusammendrängung vieler Saisonkrankheiten auf die Zeit des ausgehenden Winters und beginnenden Frühlings“130 zurückzuführen. Neuere Untersuchungen haben darüber hinaus einen vergleichsweise starken Zusammenhang zwischen der Temperatur und der Mortalität festgestellt: „Lowest mortality is usually recorded when the ambient temperature is between 18° and 20°. […] If the temperature drops below or rises above this optimal level, death becomes more likely.”131
Aufgrund dieses Phänomens lag das Mortalitätsmaximum auch während der letzten 60 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig in den späten Wintermonaten
128 129 130 131
Leider können der Untersuchung zu Trier keine exakten Prozentangaben entnommen werden. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 75. MACKENROTH, Grundzüge einer historisch-soziologischen Bevölkerungstheorie, S. 34. RUDDER, Grundriss einer Meteorobiologie, S. 187. RAU, Saisonality in Human mortality, S. 7.
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Die Bevölkerungsbewegung
und ein lokales Maximum der Sterblichkeit im Hochsommer.132 Dieser Zusammenhang spiegelt eine biologische Determinante wider, die unabhängig von der Kultur und Epoche Gültigkeit besitzt und daher auch für die Stadt Bonn im 18. Jahrhundert anzunehmen ist. Die Einflüsse der Natur durch das Klima und nicht-epidemische Krankheiten gaben der saisonalen Verteilung der Mortalität sehr wohl eine Struktur.
5.3.2 Erwachsenensterblichkeit und Lebenserwartung Die Lebenserwartung der Erwachsenen unterlag im Gegensatz zu der Kinder- und vor allem der Säuglingssterblichkeit weniger starken Schwankungen. Deshalb soll eine kurze Analyse der altersspezifischen Mortalität genügen, damit die Frage beantwortet werden kann, ob die Bonner Bevölkerung eine ähnlich hohe Lebenserwartung hatte wie die der anderen rheinischen Residenzstädte. Hierzu werden die Ergebnisse der Arbeit von Herborn133 mit einer Analyse der Lebenserwartung auf der Grundlage der Altersangaben im Sterberegister der Pfarrei St. Gangolf zwischen 1784-1797 abgeglichen. Die Pfarrer der Pfarreien sandten den Redakteuren des „Bönnischen Intelligenzblattes“ seit 1772 die Namen und auch das Alter der Verstorbenen zu, sodass Herborn in seiner Untersuchung der altersspezifischen Sterblichkeit in Bonn am Ende der kurfürstlichen Zeit die Jahre 1772 bis 1774 (1772 und 1774 jeweils nur halb) und die Jahre 1785 bis 1789 berücksichtigen konnte. Ihm standen für die Untersuchung der Lebenserwartung der Erwachsenen insgesamt 577 Todesfälle all derer zur Verfügung, die älter als zehn Jahre gewesen waren. Demnach hatte ein zehnjähriger Bonner eine Lebenserwartung von 53,7 Jahren. Ein 25-jähriger Mann hatte eine Lebenserwartung von 58,5 Jahren und eine 25-jährige Frau von 57,7 Jahren. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren also sehr gering – wesentlich geringer als heute. Allerdings zeigen die Durchschnittswerte ein verzerrtes Bild, denn aufgrund der Kindbettsterblichkeit verstarben z. B. etwa doppelt so viele Frauen wie Männer in ihren Dreißigern. Dafür lag die Lebenserwartung der 40-jährigen Frauen um zwei Jahre höher als bei gleichaltrigen Männern. Dennoch lassen sich Durchschnittswerte für Vergleiche sehr gut nutzen, weil Kindbettsterblichkeit und die biologisch bedingte höhere Lebenserwartung der Frauen auch für andere frühneuzeitliche Städte angenommen werden können. Das insgesamt geringste Sterberisiko wies die Altersgruppe der Zehn- bis 19Jährigen auf.134 Dieser Befund soll anhand der Altersangaben im Sterberegister der Erwachsenen der Pfarrei St. Gangolf zwischen 1784 und 1797 mit insgesamt 488 Sterbeeinträgen verifiziert werden. Zwar hatte der gerade gewählte Kurfürst Max Franz bereits 1784 von allen Pfarrern seiner Residenzstadt gefordert, auch das Alter der Verstorbenen sowie den Zivilstand in den Registern zu notieren, aber offensichtlich folgte dieser Anordnung nur der Pfarrer von St. Gangolf. Deshalb bleiben die anderen drei Pfarrei132 133 134
DINKEL/KOHLS, Die „normale“ Saisonalität, S. 169-171. HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit. Ebd., S. 199-205.
Mortalität
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en unberücksichtigt. Allerdings fehlt auch im Sterberegister von St. Gangolf bei 83 Verstorbenen die Angabe des Alters, sodass lediglich 403 Todesfälle in die Untersuchung einfließen. Die Altersangaben sind zwar ungenau – es wurde nur das Lebensjahr zum Zeitpunkt des Todes angegeben –, sie entsprachen aber wohl im Allgemeinen der Realität, denn runde Zahlen sind – wie in so vielen anderen frühneuzeitlichen Quellen – nicht auffallend überrepräsentiert. Die Altersspanne der Verstorbenen lag zwischen zwölf und 96 Jahren. Die Witwe Gertrudis Hirsch, die am 5. Januar 1791 verstorben war, erreichte das höchste Alter.135 Dennoch war sie keine Ausnahme, denn mehrere Personen – vorwiegend Frauen – wurden älter als 90 Jahre. Selbst unter den „Armen und ohnvermögenden Leuthe[n]“ Bonns, die zwischen August und September 1768 im Rathaus Auskunft über ihre Person geben mussten, finden sich überraschend viele Menschen, die nach eigenen Angaben älter als 80 Jahre waren.136 Bei einem Großteil dieser Bettler wurde das Alter jedoch nur grob geschätzt. Nur zwei über 90-jährige Bettlerinnen gaben ein genaues Alter an: Anna Muntz, geboren in Villip, war nach eigener Angabe 95 Jahre alt, Margaretha Sondermans aus dem Paderbornischen sogar 105 Jahre! Ob diesen Angaben Glauben geschenkt werden kann, müsste im Einzelnen geprüft werden. Schließlich hatten die Bettler ein reges Interesse daran, sich als möglichst alt auszugeben, denn es wurde mit dieser Befragung bezweckt, die arbeitsfähigen Bettler zu erfassen und zum Arbeiten zu zwingen. Ein Mitglied der Pfarrei St. Gangolf konnte im Durchschnitt damit rechnen, 58 Jahre alt zu werden.137 Der Frauenanteil unter den Verstorbenen betrug etwa 56 %. Die Lebenserwartung von Frauen war – analog zu Herborns Ergebnissen – etwas höher als die der Männer, die nur knapp 57 Jahre alt wurden. Insgesamt lag die Lebenserwartung der etwa Zwölfjährigen nach den Sterberegistern der Pfarrei St. Gangolf mit durchschnittlich 58 Jahren höher, als es der Befund von Herborn erwarten ließ. Denn nach seiner Untersuchung hatten Zehnjährige eine Lebenserwartung von 53,7 Jahren und 20-Jährige von 56,1 Jahren. Diese Abweichung nach oben überrascht, schließlich sind in dieser Untersuchung die unruhigen Jahre der französischen Besatzung inklusive des Jahres 1795 mit der höchsten Sterblichkeit im gesamten 18. Jahrhundert eingeschlossen. Außerdem gehörten die Mitglieder St. Gangolfs sozioökonomisch überwiegend den unteren Schichten an. Eine Erklärung für die etwas höhere Lebenserwartung der Pfarrmitglieder St. Gangolfs im Vergleich zu Herborns Auswahl der Bonner Bevölkerung konnte daher nicht gefunden werden. Möglicherweise handelt es sich lediglich um eine zufällige Schwankung, die durch die geringen Fallzahlen statistisch bedingt ist. Dennoch sollen die Ergebnisse mit denen der anderen rheinischen Residenzstädte geistlicher Kurfürsten verglichen werden. Die Lebenserwartung der nach dem neunten Lebensjahr verstorbenen Männer lag in Trier bei ca. 58,1 Jahren, während Frauen eine etwas kürzere Lebenserwartung hatten. Allerdings liegen dieser Untersuchung 135 136 137
Herborn hat sogar zwei Frauen in seiner Aufstellung, die bei ihrem Tod älter als 100 Jahre waren. HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit, S. 199, Tabelle 1. StAB, Ku 72/1. Der Median liegt bei 62 Jahren.
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nur 202 Todesfälle einer Pfarrei zwischen 1787 und 1792 zugrunde.138 In Mainz wurden im Kirchenbuch des gleichnamigen Hospitals St. Rochus regelmäßig Angaben zum Alter der Verstorbenen verzeichnet, sodass die Lebenserwartung für 2.876 Personen zwischen den Jahren 1721 und 1798 berechnet werden konnte.139 Nicht nur die Insassen des Hospitals, sondern auch Bedienstete und deren Angehörige gehörten der Pfarrei an. Obwohl unter den Toten neben Waisenkindern, Mittellosen und Kranken auch die Insassen des Zuchthauses in großer Zahl vertreten waren – allesamt Bevölkerungsgruppen, für die nicht unbedingt eine hohe Lebenserwartung angenommen werden kann –, hatten zehnjährige Jungen noch knapp 41 Jahre und gleichaltrige Mädchen noch etwa 47 Jahre zu leben.140 Sicherlich lag die Lebenserwartung der Mitglieder anderer Mainzer Pfarreien noch deutlich höher, denn der Beruf hatte großen Einfluss auf die Lebenserwartung, wie Rödel anhand von 499 Todesfällen mit Berufsangabe aus der Pfarrei St. Rochus zeigen konnte.141 Somit hatte ein zehnjähriges Kind noch mindestens 40 Jahre zu leben und wurde im Durchschnitt 55 Jahre alt. Allerdings ist eine Lebenserwartung junger Erwachsener bzw. Jugendlicher von etwa 55 Jahren kein Charakteristikum rheinischer Residenzstädte, sondern durchaus typisch für frühneuzeitliche Städte und Dörfer im Reich. Auch im zu Bonn benachbarten Dorf Oberkassel lag die Lebenserwartung bei etwa 55-58 Jahren.142 Imhof hat in einer groß angelegten Studie die Lebenserwartungen in mehreren Regionen und in der Stadt Hamburg für das 17. bis 19. Jahrhundert untersucht. Danach konnte ein zehnjähriger Junge bzw. ein zehnjähriges Mädchen, die zwischen 1740 und 1800 geboren wurden, sowohl in Hamburg als auch in den untersuchten ländlichen Regionen damit rechnen, etwa 53-58 Jahre alt zu werden. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren ebenfalls in allen Untersuchungsgebieten über das gesamte 18. Jahrhundert betrachtet minimal.143 Diese Befunde widersprechen dem von Christian Pfister präsentierten Überblick über die mittlere Lebenserwartung in Deutschland, wonach die Unterschiede zwischen Land und Stadt in der Frühen Neuzeit „frappierend“ gewesen seien. Diesem Urteil liegen jedoch nur einige wenige empirische Untersuchungen zugrunde; darüber hinaus repräsentieren diese nur protestantische Regionen im 16. und 17. Jahrhundert.144 Auch in anderen europäischen Städten bewegte sich die Lebenserwartung überwiegend auf dem gleichen Niveau wie in Bonn: In Luzern hatte ein zehnjähriger Junge eine Lebenserwartung von noch 41,1 Jahren, d. h. er konnte erwarten, 51,1 Jahre alt zu werden. In der deutlich größeren Stadt Genf bewegte sich die Lebenserwartung 138 139 140 141 142 143 144
Herborn hat bereits in seinem Aufsatz auf Fehler in den Angaben bei Kohl verwiesen. HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit, S. 205, Anm. 5. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 206-212. Die deutlich höhere Lebenserwartung der Frauen lag an der Zusammensetzung des Altenheims und der hohen Zahl dauerhaft lediger Frauen. Ebd., S. 211. Dabei handelte es sich wohl um die Bediensteten des Hospitals. Ebd., S. 211, Tabelle 70. HÖRNING, Demographisches Verhalten, S. 135, Tabelle 10. IMHOF, Lebenserwartungen in Deutschland, S. 230, S. 264-266, S. 300-302, S. 336-338, S. 372374, S. 408-410 und S. 462-464. PFISTER, Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie, S. 43.
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auf einem ähnlichen Niveau.145 In Oppenheim musste ein Zehnjähriger hingegen damit rechnen, nur 41 oder 42 Jahre alt zu werden. Die Gründe für diese ungewöhnlich niedrige Lebenserwartung konnten jedoch nicht eruiert werden.146 In den Kleinstädten Spandau und Alzey wurden verheiratete Männer etwa 59 Jahre alt, während verheiratete Frauen eine um etwa fünf Jahre kürzere Lebenserwartung hatten.147 Jedoch hatten Verheiratete ähnlich wie heute eine höhere Lebenserwartung als Ledige, was auch bereits den Zeitgenossen bekannt war;148 deshalb muss diese Angabe relativiert werden. Die Lebenserwartung der Erwachsenen lag in den geistlichen Residenzstädten auf einem hohen Niveau, unterschied sich aber nicht grundsätzlich von anderen Städten. Interessanterweise differierte die Lebenserwartung zwischen großen Städten, wie Hamburg oder Genf, und ländlichen Regionen im 18. Jahrhundert kaum. Auch wurde in allen Untersuchungen keine signifikante Zu- oder Abnahme der Lebenserwartung während des 18. Jahrhunderts festgestellt; allerdings sind Angaben zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts selten.
5.3.3 Kindersterblichkeit “Die Kinder, welche nicht über drey Jahr alt, mögen ohne einige äusserliche Caeremonien und Adhibirung des KirchenChors auff deßfals zeitlichem Pastorem vorläuffig beschehener Anzeig, des Abends in der Stille zur Begräbnis statt und Christlicher Einseegnung gebracht, und also mit denen geringsten Kösten zur Erden bestättigt werde."149
Dieser Auszug aus § 7 der erneuerten kurkölnischen Begräbnisordnung von 1730 zeigt den geringen Stellenwert der Kinder eindrucksvoll auf. Die hohe Kindersterblichkeit führte dazu, dass der Verlust eines Kindes fast jeder Mutter im Verlauf ihres Lebens widerfuhr. Der Obrigkeit lag daran, die alltägliche Trauer nicht ausufern zu lassen. In den Bonner Publikationen der Aufklärung rückte das Kindeswohl im letzten Drittel des Jahrhunderts verstärkt in den Vordergrund. Nahm die Kindersterblichkeit im Verlauf des 18. Jahrhunderts deshalb ab? Die Kirchenbücher aus St. Gangolf150 sowie St. Remigius führen in separaten Registern die verstorbenen Kinder auf, sodass zuverlässig für die Gesamtbevölkerung 145 146
147 148 149 150
BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 150, Tabelle 53; PERRENOUD, La Population de Genève, S. 427, Tabelle 98. Ein katholischer Junge musste sogar damit rechnen, mit 35,6 Jahren zu sterben! Zschunke selbst räumt Mängel in den Kirchenbüchern ein, sodass diese ungewöhnlich niedrige Lebenserwartung möglicherweise die Folge einer fehlerhaften Registrierung bzw. Auswertung ist. ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 185. GEHRMANN, Eintausend Spandauer Familien, S. 66; HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 280. Niederrheinisch-Westphälischer Kreiskalender auf das Jahr 1772. StAB, II c 68, Sammlung Churkölnischer Ordnungen, Erneuerte Begräbnisordnung vom 12. August 1730, S. 6. Lediglich die verstorbenen Kinder zwischen 1731 und 1738 aus St. Gangolf, die regelmäßig als „infans“ bezeichnet sind, mussten aus dem Sterberegister herausgenommen werden, da für diese Pfarrei erst ab 1739 ein Kindersterberegister existiert.
166
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der Anteil der Kinder unter den Verstorbenen bestimmt werden kann. Leider ist eine verlässliche Einordnung der als „infans“ oder als „puer“ bzw. „puera“ bezeichneten Kinder in bestimmte Altersklassen nicht möglich, denn in der Regel fehlen Altersangaben der Verstorbenen. Erst ab Ende der 1780er Jahre hat der Pfarrer von St. Remigius regelmäßig das Alter der Verstorbenen hinzugefügt. Doch selbst für diesen kurzen Zeitraum kann nicht eindeutig bestimmt werden, ab welchem Alter ein Verstorbener als Erwachsener galt. Zwar wurden Zwölfjährige meist als Erwachsene und Elfjährige als Kinder eingetragen,151 aber es lassen sich auch viele Fälle anführen, in denen Zehn- und Elfjährige den Erwachsenen und 13-Jährige den Kindern zugerechnet wurden.152 Daher kann keine exakte Eingrenzung des Kindesalters vorgenommen werden, zumal anzunehmen ist, dass während des gesamten Jahrhunderts der Übergang ins Erwachsenenalter stark variierte und vom Urteil des jeweiligen Pfarrers und vielleicht auch von der Konstitution des verstorbenen jungen Menschen abhing. Zur Vereinfachung und besseren Vergleichbarkeit wird im Folgenden der Beginn des Erwachsenenalters trotzdem mit zwölf Jahren angesetzt. Die Pfarrer hatten sicherlich auch das Ziel, die Abgrenzung zwischen Kindheit und Erwachsenenalter einheitlich vorzunehmen – sonst hätte eine Einteilung der Verstorbenen in zwei Kategorien wenig Sinn –, auch wenn die Umsetzung mit der bürokratischen Sorgfalt unserer Zeit nicht verglichen werden kann. Den in Abbildung 13 dargestellten Werten liegen die Daten aus den Kirchenbüchern von St. Remigius (mit Ausnahme der Jahre 1743-1749) und ab 1731 zusätzlich von St. Gangolf zugrunde. Zwischen 1743 und 1749 fehlen die Kindersterbefälle aus St. Remigius, die deshalb nicht untersucht werden können. Die Sterblichkeitsspitzen in den Jahren 1724, 1729, 1735, 1739 sowie 1751, 1761, 1770, 1779, 1785/86 und 1789 lassen sich auch in dem Graphen der Gesamtmortalität wiederfinden. Der Verdacht liegt nahe, dass in jenen Jahren insbesondere Säuglinge und Kleinkinder an Krankheiten und Seuchen mit hoher Letalität verstarben. Die Entwicklung des Anteils der Kindersterblichkeit an der Gesamtsterblichkeit in Zehnjahresdurchschnitten zeigt keinen klaren Trend. Der Anteil lag 1718-1730 bei 58,5 %, zwischen 1731 und 1742 bei 54 % und nahm zwischen 1750 und 1759 auf 63 % zu. Bis Ende des Jahrhunderts sank der Anteil der Kindersterblichkeit an der Gesamtsterblichkeit kontinuierlich: Von 57 % zwischen 1760 und 1769 über 52 % zwischen 1770 und 1779 und 51 % zwischen 1780 und 1789 auf nur noch 48 % zwischen 1790 und 1798. Diese anhand der Kirchenbucheintragungen ermittelten Werte stimmen mit den von Herborn errechneten überein. Danach lag der Anteil der unter Zehnjährigen an allen Verstorbenen zwischen 1772 und 1775 (1772 und 1775 ist jeweils nur ein halbes Jahr berücksichtigt) sowie zwischen 1785 und 1789 bei 48,1 %.153 Von den verstorbenen Kindern waren wiederum etwa 50 % Säuglinge.154 151 152
153
Einige Beispiele: StAB, KB 4/36, S. 78, S. 81 und S. 88. Zwei Fälle finden sich in der Vitalstatistik von St. Remigius. HÖROLDT, Bonn als kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 584. Es gibt aber noch weitere, z. B. der Eintrag des zehnjährigen „Josephus Schmitz“ vom 30. Juli 1792 im Sterberegister der Erwachsenen. StAB, KB 4/36, S. 78. HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit, S. 198.
Mortalität
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Abbildung 13: Jährliche Kindersterblichkeit in Absolutzahlen und in % der jährlichen Gesamtsterblichkeit im 18. Jahrhundert
Wie ist der kontinuierliche Rückgang des Anteils der Kindersterblichkeit an der Gesamtsterblichkeit seit den 1750er Jahren zu erklären? Die französische Forschung führt dies auf eine bessere medizinische Betreuung und Versorgung der Kleinkinder in der Epoche der Aufklärung zurück. Das Wohl der Kinder habe erstmals in der Geschichte Europas ab ca. 1750 vermehrt Beachtung gefunden. Mütter seien angeregt worden, sich stärker um das Leben und Wohlergehen der Kinder zu bemühen. Diese durch die Aufklärung hervorgerufene Kampagne zur Steigerung des Kindeswohls habe demnach maßgeblich zu einem Rückgang der Kindersterblichkeit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in großen Teilen Europas geführt.155 Lässt sich somit auch der Rückgang der Kindersterblichkeit in Bonn erklären? Nein, denn die sich im Zuge der Aufklärung durchsetzenden neuen Erziehungpraktiken – beispielsweise die Ernährung und Kleidung von Kindern betreffend –, die nachgewiesenermaßen zu einem Rückgang der Kindersterblichkeit führten, spielten in Bonn keine große Rolle. Wie bereits dargestellt, fanden Verhaltensratschläge von Vertretern der Aufklärung an die Eltern, die neben der Ernährung auch auf die Pflege und Erziehung der Kinder abzielten, unter der Bonner Bevölkerung wenig Beach154 155
Diese Prozentzahl wurde aus den Angaben bei Herborn hochgerechnet. HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit, Tabelle 1, S. 199. MOREL, Médecine et Déclin de la mortalité, S. 159 f. Die umstrittene Position von Philippe Ariès, wonach die Eltern aufgrund der hohen Kindersterblichkeit gleichgültig gegenüber ihrem Nachwuchs gewesen seien, wurde aufgrund der Erkenntnisse der neueren Forschung nicht berücksichtigt. WOODS, Did Montaigne Love His Children?, bes. S. 433.
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tung.156 Auch weitere das Wohl der Kinder steigernde Lebensbedingungen, etwa die Verfügbarkeit von sauberem Wasser, verbesserten sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts nicht entscheidend. Obwohl in Bonn ebenfalls der Anteil der Kinder unter den Verstorbenen ab 1760 kontinuierlich abnahm, liegt eine einfache Erklärung für den Rückgang der Kindersterblichkeit vor: Gegen Ende des Jahrhunderts verstarben wesentlich mehr Erwachsene, weil Infektionskrankheiten wie das Fleckfieber und die Ruhr in Bonn häufiger grassierten als in den vorangegangenen Dekaden. Diese Krankheiten riefen vor allem unter Erwachsenen besonders viele Todesfälle hervor. Dies ist der Grund für den Rückgang des prozentualen Anteils der Kindersterblichkeit – und nicht etwa eine Abnahme der absoluten Kindersterblichkeit. Warum lag die Kindersterblichkeit relativ und absolut betrachtet in den 1750er Jahren am höchsten? Der hohe Anteil der Kindersterblichkeit an der Gesamtsterblichkeit in den 1750er Jahren ist nicht nur auf Pockenepidemien, die in vorhergehenden und nachfolgenden Dekaden ähnlich verheerend wüteten, zurückzuführen, sondern offensichtlich litten insbesondere Kinder unter der hohen Bevölkerungsdichte und der Enge in der Stadt. Die enorme Zunahme der absoluten Kindersterblichkeit in den 1750er Jahren kann dagegen in erster Linie auf den Geburtenboom in den 1740er Jahre zurückgeführt werden. Insgesamt waren zwischen 1718 und 1798 55,38 % der in den Sterberegistern Verzeichneten Kinder. Auch wenn ein direkter, statistisch sauberer Vergleich mit anderen Städten aufgrund der unterschiedlichen bzw. ungenauen Altersspannen nicht gezogen werden kann, soll dennoch die Kindersterblichkeit zwischen verschiedenen Städten verglichen werden. Denn das Ende der Kindheit wird in allen eingesehenen Untersuchungen zwischen dem 9. und 15. Lebensjahr angesetzt. Die Mortalität in dieser Altersgruppe war die niedrigste überhaupt.157 Die Kindersterblichkeit setzte sich im 18. Jahrhundert zum weitaus größten Teil aus der Säuglingssterblichkeit und aus der Kleinkindsterblichkeit (1. bis 5. Lebensjahr) zusammen.158 Deshalb werden die Abweichungen trotz unterschiedlicher Altersspannen nur sehr geringfügig sein; die Ergebnisse sind also durchaus vergleichbar. In Mainz betrug im 18. Jahrhundert die Kindersterblichkeit der unter Elfjährigen 51,35 %,159 in Koblenz waren zwischen 1737 und 1744 sowie 1775-1784 47 % bzw. 46,4 %160 der Verstorbenen jünger als zehn Jahre, in einer Trierer Pfarrei waren zwischen 1787 und 1792 „genau 50 % aller Verstorbenen […] Kinder unter 10 Jahren“161. Demnach war die Kindersterblichkeit in Bonn ähnlich hoch wie in den anderen rheinischen und vorwiegend katholischen Städten. In Mainz nahm der Anteil der 156
Vgl. Kapitel 4.3.2. Lebenserwartungen in Deutschland, S. 201 f. Herborn hat sogar für Bonn eine niedrigere Sterblichkeit bei den Zehn- bis 19-Jährigen als bei den 20-29-Jährigen festgestellt. HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit, S. 199. IMHOF, Lebenserwartungen in Deutschland, S. 199 f. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 204. FRANÇOIS, Population et société à Coblence, S. 30 und S. 32. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 128.
157 IMHOF,
158 159 160 161
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169
Kinder unter den Verstorbenen ebenfalls während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kontinuierlich ab, blieb aber auch in der letzten Dekade bei über 44 %. Ebenso wie in Bonn ist die niedrige Kindersterblichkeit in der letzten Dekade zurückzuführen auf „eine erhöhte Mortalität bei den Erwachsenen, bedingt durch die Ergebnisse der Revolutionskriege“162. Leider hat nur Rödel für das gesamte 18. Jahrhundert die Kindersterblichkeit erhoben, sodass zu Koblenz und Trier keine Aussagen zur Entwicklung der Kindersterblichkeit getroffen werden können. In mehreren historisch-demographischen Untersuchungen wurde gezeigt, dass die Kindersterblichkeit (und damit inbegriffen die Säuglingssterblichkeit) von der Konfession der Eltern maßgeblich beeinflusst wurde.163 In allen untersuchten Städten war die Kindersterblichkeit unter Katholiken zum Teil deutlich höher als diejenige der reformierten und lutherischen Bevölkerung. Daneben wurde die soziale Schicht als weiterer wichtiger Faktor für die unterschiedlich hohe Kindersterblichkeit betrachtet. Doch mehrere Studien haben die Bedeutung der Schichtzugehörigkeit der Eltern stark relativiert. Kohl wies etwa nach, dass die Kindersterblichkeit in der Trierer Oberschicht ähnlich hoch lag wie in der Unterschicht; sogar Kinder von Ärzten hatten kaum bessere Chancen das Erwachsenenalter zu erreichen!164 Die von Perrenoud propagierte „soziale Ungleichheit vor dem Tod“165 wurde auch von Zschunke für Oppenheim widerlegt: Zschunke verglich die Sterblichkeit von Kindern aus Handwerkerfamilien mit derjenigen aus Tagelöhnerfamilien und stellte fest, „dass es keine bedeutenden Sterblichkeitsunterschiede zwischen den sozialen Gruppen gegeben hat“166. Demnach wurde die Kindersterblichkeit nicht oder allenfalls kaum durch den Bildungsgrad oder die materiellen Ressourcen der Eltern beeinflusst. Deshalb verstarben wohl auch im vergleichsweise „reichen“, aber rein katholischen Bonn mehr Kinder als beispielsweise in Genf oder Alzey.167 Neben der Konfession hing die Kindersterblichkeit in nicht unerheblichem Maße mit der Einwohnerzahl der Stadt zusammen. Dabei gilt: Je größer eine Stadt war und je mehr Zuwanderer sie aufzuweisen hatte, desto höher war der Anteil der Kinder an allen Verstorbenen. Offensichtlich litten die Kinder stärker unter den schlechten hygienischen Bedingungen und der hohen Bevölkerungsdichte als die erwachsene Bevölkerung. Nach Mainz war Bonn zumindest in der Mitte des 18. Jahrhunderts die größte der zum Vergleich herangezogenen Städte. Nicht zuletzt deshalb lag die Kindersterblichkeit in diesen beiden Städten mit weit über 50 % auf dem Niveau einer damaligen Metropole wie z. B. Berlin.168 Gab es Unterschiede in der Höhe der Kindersterblichkeit zwischen Bonn und den umliegenden Dörfern? Zwischen 1770 und 1809 waren von insgesamt 980 Verstorbe162 163 164 165 166 167 168
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 204. ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 165-167; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 223 und S. 232; HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 274-279. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 135-139. PERRENOUD, Die Soziale Ungleichheit vor dem Tod, S. 118. ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 169. BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 148; HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 273. SCHULTZ, Berlin 1650-1800, S. 182 und S. 330.
170
Die Bevölkerungsbewegung
nen der rechtsrheinischen Pfarrei Küdinghoven 468 bis zu zehn Jahre alt, also 47,76 %.169 In Kessenich, ebenfalls ein heutiger Stadtteil Bonns, waren zwischen 1710 und 1809 nur 42 % der Verstorbenen unter zwölf Jahre alt.170 Die Kindersterblichkeit im ländlichen Umland Bonns war demnach geringer als in Bonn, wo die Kindersterblichkeit in einem vergleichbaren Zeitraum wie in Küdinghoven (1770-1798) bei 50,99 % und zwischen 1718 und 1798 (exklusive 1743-1749) bei 55,38 % lag. Somit kann bestätigt werden, dass die Kindersterblichkeit auch in der Region Bonn in der Stadt höher war als in umliegenden Dörfern.
Abbildung 14: Monatliche Verteilung der Kindersterblichkeit 1718-1797
Die monatliche Verteilung der Kindersterblichkeit zwischen 1718 und 1797 (Abbildung 14) unterscheidet sich nur unwesentlich von derjenigen der Gesamtmortalität. Zwar ist die Mortalitätsspitze im Spätsommer deutlich ausgeprägter, aber dennoch verstarben die meisten Kinder wie auch der Großteil der Erwachsenen im März und im April. Die monatliche Verteilung der Kindersterblichkeit hat sich während des 18. Jahrhunderts stark verändert: Vor 1750 lag das absolute Mortalitätsmaximum bei den Kindern im Spätsommer und nicht im März/April. Nach 1750 ähnelt die Kurve der Kindersterblichkeit derjenigen der Gesamtmortalität: Die primäre Mortalitätsspitze im Spätwinter und beginnenden Frühling ist wesentlich ausgeprägter als die sich am Durchschnitt von 8,33 % orientierende sekundäre Spitze in den Monaten August und September. 169 170
BÜCHER, Leben und Sterben in der Pfarrei Küdinghoven, S. 13. JÜLICH, Leben und Sterben in der Gemeinde Kessenich, S. 15.
Mortalität
171
Dieses Ergebnis erlaubt weitreichende Schlussfolgerungen, wenn man es mit den Ergebnissen von anderen Städten vergleicht. In Mainz war die Mortalitätsspitze im August und September während des 18. Jahrhunderts genauso groß wie diejenige der Monate März und April. Weil François in Koblenz, Imhof in Gießen und Burri in Genf diesen derart ausgeprägten Mortalitätsgipfel im Spätsommer nicht haben feststellen können, vermutet Rödel, dass „die Begründung des Maximums im Spätsommer mit einer in Mainz noch höher als in Koblenz, Gießen und Genf liegenden Kindersterblichkeit“171 zusammenhängen könnte. François hat nur einige Jahre in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts untersucht, weshalb seine Ergebnisse zum Vergleich nicht taugen. Imhof untersuchte die monatliche Verteilung sowohl der Gesamtsterblichkeit als auch der Säuglings-, Kinder- und Erwachsenensterblichkeit getrennt nach Vierteljahrhunderten.172 Er konnte ebenfalls aufzeigen – trotz insgesamt niedrigerer Kindersterblichkeit –, dass die sekundäre Mortalitätsspitze im Spätsommer zu Beginn des Jahrhunderts deutlich ausgeprägter war als am Ende des Jahrhunderts. Ähnlich umfangreich hat Perrenoud die Sterblichkeit in Genf untersucht, und auch dort verstarben zu Beginn des 18. Jahrhunderts deutlich mehr Menschen im Spätsommer als in der Mitte oder am Ende des Jahrhunderts. In Duisburg, wo die Kindersterblichkeit ebenfalls deutlich niedriger lag als in Mainz, war der Mortalitätsgipfel im Spätsommer zwischen 1713 und 1814 genauso hoch wie derjenige im März/April.173 Außerdem: Würde Rödels Vermutung zutreffen, dann müsste die Kurve der Gesamtsterblichkeit in Bonn ein mindestens so großes sekundäres Maximum im Spätsommer aufweisen wie in Mainz, da ja in Bonn der Anteil der Kinder an allen Verstorbenen noch größer war. Der Grund für diese europaweit ähnliche Entwicklung liegt vielmehr im Vorherrschen bestimmter Infektionskrankheiten, die zum Sterblichkeitsgipfel im Spätsommer in der ersten Hälfte des Jahrhunderts beitrugen. In hohem Maße letale Seuchen oder auch nicht-epidemische Krankheiten, die insbesondere Säuglinge und Kleinkinder in den heißen Monaten heimsuchten, traten in der ersten Hälfte des Jahrhunderts wesentlich stärker oder häufiger im Rheinland auf als in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Denn auch die relative Abnahme der Kindersterblichkeit in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts hing wahrscheinlich mit der Zunahme von Infektionskrankheiten zusammen, die besonders häufig unter Erwachsenen zu Todesfällen führten, wie etwa das Fleckfieber und die Ruhr. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts dominierten dagegen verheerende Pockenepidemien.174 Die Kindersterblichkeit lag in Bonn auf dem Niveau zahlreicher anderer frühneuzeitlicher Städte und entwickelte sich ebenfalls ähnlich wie in den zum Vergleich herangezogenen Residenzen. In der Regel erreichte nur jedes zweite Kind das Erwachsenenalter.
171
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 198. 172 IMHOF, Die nicht-namentliche Auswertung, S. 220-227. 173 JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 218. 174
Vgl. Kapitel 7.2.
172
Die Bevölkerungsbewegung
5.3.4 Säuglingssterblichkeit Die Untersuchung der Säuglingssterblichkeit, also der vor Vollendung des ersten Lebensjahres verstorbenen Kinder, hat einen besonders hohen Stellenwert in der Historischen Demographie, denn im Gegensatz zur Sterblichkeit der Erwachsenen wurde die Säuglingssterblichkeit in hohem Maße von menschlichen Verhaltensweisen beeinflusst. Deshalb kann sie auch als Indikator für den wirtschaftlichen Entwicklungsgrad einer Gesellschaft dienen.175 Im Zentrum der Aufmerksamkeit der Historischen Demographie steht dabei der Rückgang der Säuglingssterblichkeit gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts.176 Für diesen Zeitraum liegen auch aggregative Daten in zeitgenössischen Statistiken vor, während die Erforschung der Säuglingssterblichkeit in der Frühen Neuzeit bisher eher vernachlässigt wurde – sicherlich auch wegen meist fehlender amtlicher Statistiken und der daraus sich ergebenden Notwendigkeit, Kirchenbucheinträge namentlich zu analysieren. Die umfassendste Studie zur Säuglingssterblichkeit in Deutschland, die das 18. Jahrhundert behandelt, basiert daher auf einer größeren Datenbank von Familienbüchern;177 aber diese wie auch einige andere erwähnenswerte Untersuchungen178 beschränken sich auf ländliche Regionen. Zwar wird die Säuglingssterblichkeit in einigen historisch-demographischen Monographien zu Städten berücksichtigt, eine umfassende Analyse steht jedoch noch aus. Im Folgenden wird deshalb die Säuglingssterblichkeit ausführlicher analysiert als in den zum Vergleich herangezogenen Studien von Städten. Neuere Forschungen zeigen die vielfältigen Unterschiede in der Säuglingssterblichkeit zwischen einzelnen Regionen und Epochen. Beispielsweise vermutete Knodel noch 1988, ein Rückgang der Säuglingssterblichkeit habe in Deutschland erst Ende des 19. Jahrhunderts eingesetzt.179 Gehrmann konnte jedoch anhand zahlreicher Daten aus Norddeutschland zeigen, dass dort bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein signifikanter Rückgang der Säuglingssterblichkeit eintrat180 – im Gegensatz zu vielen süddeutschen Regionen, wo nicht gestillt bzw. früh entwöhnt wurde. Obwohl die Bedeutung des Stillverhaltens für die Höhe der Säuglingssterblichkeit unbestritten ist, fehlt eine Studie für das 18. Jahrhundert – wohl nicht zuletzt aufgrund der deutlich schlechteren Quellenlage. Ein weiteres Forschungsdesiderat bildet der Unterschied zwischen Stadt und Land in der Frühen Neuzeit. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts nahm die Säuglingssterblichkeit in den Städten stark ab; sie lag zunächst höher und am Ende des Jahrhunderts niedriger als auf dem Land. 175 176 177 178
179 180
GALLEY, Säuglingssterblichkeit in englischen Städten, S. 81. Dies ist ein wesentliches Merkmal der Epidemiologischen Transition. Vgl. die Beiträge in: VÖGELE/WOELK, Stadt, Krankheit und Tod. KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland. Gehrmann und Knodel haben aufgrund der hohen Bedeutung der Säuglingssterblichkeit ihrer Analyse besonders viel Raum gegeben. GEHRMANN, Leezen 1720-1870, S. 125-171; KNODEL, Demographic behavior, S. 35-100. Einen Überblick über den Forschungsstand, der sich seither nicht grundlegend verändert hat, bei KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland, S. 66-68. KNODEL, Demographic behavior, S. 39. GEHRMANN, Infant mortality in town and countryside, S. 546.
Mortalität
173
Die Analyse der Säuglingssterblichkeit orientiert sich methodisch an den Studien zu Luzern und zu Duisburg.181 In diesen Arbeiten dienten nicht die selektiven Daten einer Familienrekonstitution als Grundlage der Analyse, sondern sämtliche Einträge in den Sterberegistern der Kinder. Im Gegensatz zu einer Untersuchung der Säuglingssterblichkeit im Rahmen einer klassischen Familienrekonstitution können alle verstorbenen Säuglinge berücksichtigt werden und nicht nur diejenigen, bei denen Tauf- und Begräbnisdaten beider Eltern bekannt sind. In beiden Untersuchungen wurde der Sterbeeintrag eines Kindes namentlich mit dem Taufregister abgeglichen, um das exakte Alter des Kindes beim Tod zu bestimmen. Anders als in den genannten Arbeiten liegen zwar für Bonn separate Kindersterbebücher vor, aber es fehlen fast für den gesamten Untersuchungszeitraum Altersangaben der verstorbenen Kinder, sodass umso sorgfältiger Tauf- und Sterbeeinträge geprüft werden mussten. Alle im entsprechenden Register der Hauptpfarrei St. Remigius verzeichneten Kindersterbefälle eines Jahres wurden mithilfe eines Datenbankprogramms mit den Taufeinträgen aller vier Pfarreien aus demselben und dem vorherigen Jahr namentlich und chronologisch zusammengestellt. Die fehlende Sorgfalt der Priester beim Eintragen der Namen in die Register machte es aber unumgänglich, sämtliche ähnlich klingende Namen von verstorbenen und getauften Kindern zu vergleichen. In solchen Fällen musste dann auch in jedem Einzelfall entschieden werden, ob der Taufeintrag tatsächlich dem verstorbenen Kind zugeordnet werden kann. Das Vorgehen bei der Identifizierung soll kurz dargestellt werden, da dies die Ergebnisse ganz wesentlich mitbestimmt. Ab den 1760er Jahren wurden die Namen der Eltern des verstorbenen Kindes im Sterberegister verzeichnet, sodass eine zweifelsfreie Identifizierung und Zuordnung des verstorbenen Kindes zum entsprechenden Taufeintrag in jedem Fall möglich war. In den 1730er und 1750er Jahren wurden die Namen der Eltern nicht notiert, was eine Identifizierung erschwert. Bei identischen Vor- und Zunamen sowie einer korrekten zeitlichen Abfolge der beiden Ereignisse kann die Zuordnung als sicher gelten. Als besonders schwierig erwiesen sich die Fälle, in denen zwar der Nachname gleich war – nicht unbedingt orthographisch –, aber der oder die Vornamen sich unterschieden. Bei einem einfachen Tausch von erstem und zweitem Vornamen wurde eine Zuordnung vorgenommen, sofern keine weiteren Geschwister mit denselben Vornamen aus den Taufregistern zeitlich ebenfalls zum Sterbeeintrag gepasst hätten. Waren die Vornamen hingegen unterschiedlich, wurde eine Übereinstimmung und damit ein Säuglingssterbefall negiert. Trotz des Einsatzes von EDV bleibt dieses Verfahren aufgrund der Identifizierung jedes einzelnen Sterbeeintrags sehr zeitaufwändig; deshalb wurde auf eine Analyse der Säuglingssterblichkeit für das gesamte Jahrhundert und alle vier Pfarreien verzichtet. Für die Analyse ausgewählt wurde St. Remigius, die Hauptpfarrei der Stadt, weil dort zum einen die gesamte Einwohnerschaft sehr gut repräsentiert ist und zum anderen separate Sterberegister der Kinder vorliegen. Untersucht wurden die Dekaden 1730-1739, 1750-1759, 1760-1769 und 1780-1789. Weil die Sterberegister erst 1718 181
BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 134 f.; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 222.
174
Die Bevölkerungsbewegung
einsetzen und eine Lücke zwischen 1743 und 1749 besteht, wäre aus der ersten Jahrhunderthälfte daneben nur noch der Zeitraum 1720-1729 infrage gekommen. Die 1730er Jahre wurden deshalb gewählt, weil sie zeitlich näher an den anderen untersuchten Dekaden liegen – die Qualität der Einträge ist keineswegs besser als in den 1720er Jahren. Der 20 Jahre umfassende Zeitraum 1750-1769 wurde aus zwei Gründen ausgewählt: Er fällt zum einen mit den ersten landesherrlichen Eingriffen in das Hebammenwesen zusammen, die ab 1748 einsetzten, und zum anderen mit dem Regierungswechsel 1761 und den damit einhergehenden Veränderungen am Hof. In den 1780er Jahre wurden zahlreiche politische Maßnahmen getroffen, die das Medizinalwesen betrafen und sich auf die Säuglingssterblichkeit ausgewirkt haben könnten. Zugleich war diese Dekade die letzte vollständige in kurfürstlicher Zeit. Insgesamt wurden trotz dieser Eingrenzung auf vier Dekaden 2.177 Säuglingssterbefälle und 466 Nottaufen erfasst. Somit ist die Datengrundlage deutlich breiter als in den anderen Untersuchungen von frühneuzeitlichen Städten in Mitteleuropa.182 Die Nottaufen umfassen die in den Sterbe-, aber nicht in den Taufregistern verzeichneten Sterbefälle von Geborenen, die von der Hebamme oder im Haus getauft wurden und keinen Vornamen erhielten. Diese Form der unbeabsichtigten Registrierung von Totgeburten wurde erst ab November 1750 praktiziert. In den 1730er Jahren wurde eine Nottaufe nicht vermerkt. Allerdings wurde ein ähnlich großer Anteil – der dem Anteil der in den nachfolgenden Dekaden vermerkten Nottaufen entsprach – ohne Nennung eines Vornamens eingetragen. Deshalb wird angenommen, dass diese Sterbefälle ebenfalls Notgetaufte bzw. am Geburtstag verstorbene Säuglinge waren. Unter diesen namenlosen Verstorbenen befanden sich auch häufig Zwillinge. Dies ist ein weiteres Indiz für die Annahme, dass es sich dabei um Nottaufen handelte. Denn wenn Zwillinge am selben Tag verstarben, war dies in der Regel am Geburtstag der Fall. Die Säuglingssterblichkeit wird in der Demographie durch die Säuglingssterbeziffer ausgedrückt, d. h. durch die Anzahl der verstorbenen Säuglinge auf 1.000 Lebendgeburten. Gleichwohl bleibt in Studien über die vorstatistische Zeit der Anteil der Säuglinge an der Gesamtsterblichkeit ein gebräuchliches Maß. Deshalb werden im nachfolgenden Teil der Analyse beide Parameter bestimmt und für Vergleiche genutzt. Die Bestimmung der Säuglingssterblichkeit ist aufgrund der TotgeburtenProblematik methodisch schwierig; das statistische Verfahren im Umgang mit den Totgeburten muss aber vorweg erläutert werden, damit die Ergebnisse verglichen werden können. Gerade in historisch-demographischen Monographien zu einzelnen Städten, in denen die Säuglingssterblichkeit nur einer von vielen Untersuchungsgegenständen ist, fehlen oftmals Hinweise zum methodischen Umgang mit den Totgeburten. In der Forschung wurde unabhängig von der fallbezogenen Deklaration in den Kirchenbüchern festgestellt, dass ca. ein Viertel der am Tag ihrer Geburt verstorbenen Säuglinge Lebendgeborene waren.183 Diese „1/4 Methode“, die in empirischen Unter182
183
Zum Vergleich: In Mainz wurden 524, in Duisburg 1.228 und in Luzern etwa 1.500 Säuglingssterbefälle analysiert. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 204; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 225, Tabelle 44; BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 135. Ausführlich zu dieser Methode: GEHRMANN/ROYCROFT, Quellen und Methoden, S. 73.
Mortalität
175
suchungen seither auch umgesetzt wird, wird im Folgenden ebenfalls angewandt – sofern nicht anders ausgewiesen. Die auf diese Weise ermittelte Zahl der Totgeburten liegt in der vorliegenden Untersuchung nur geringfügig niedriger als die der registrierten Nottaufen. Tabelle 16: Nottaufen, Totgeburten nach der 1/4 Methode und am Geburtstag Verstorbene in % aller Geburten (inklusive Nottaufen) Zeitraum Nottaufen Totgeburten 1/4 Methode Am Geburtstag verstorben Alle Geburten (100 %)
1730-39
1750-59
1760-69
1780-89
n
%
n
%
n
%
n
%
n
%
106
3,79
173
5,61
104
4,12
83
3,80
466
4,40
86
3,07
150
4,87
83
3,29
71
3,25
389
3,68
117
4,18
200
6,49
109
4,32
94
4,30
520
4,91
2.799
2.523
3.082
2.187
Insgesamt
10.591
Da die notgetauften verstorbenen Säuglinge nicht in den Taufregistern notiert wurden, mussten sie hinzuaddiert werden, damit die korrekte Totgeborenenrate ermittelt werden konnte. Nach Anwendung der „1/4 Methode“ betrug die Totgeborenenrate aller vier Dekaden 3,68 %; sie liegt damit im statistisch zulässigen Bereich. Denn bei einer Totgeborenenrate von unter 3 % ist eine Unterregistrierung anzunehmen. Die 3 %Hürde ist – wie die Zusammenstellung in Tabelle 16 zeigt – in keiner der Dekaden unterschritten worden, auch wenn die Rate bis auf die 1750er Jahre nahe an der 3 %Marke lag. Abweichend von der gewählten Methode hätten möglicherweise auch die Nottaufen mit den Totgeburten gleichgesetzt werden können, aber dies erschwert Vergleiche mit anderen Studien. Der Anteil der Säuglinge an der Gesamtsterblichkeit betrug in Bonn im Durchschnitt der vier untersuchten Dekaden 22,2 %. Die Säuglingssterbeziffer lag im Mittel bei 204,8 ‰184 und schwankte zwischen 198,9 ‰ und 299,9 ‰. Unter den erfassten 2.177 verstorbenen Säuglingen waren 1.208 männlich und 968 weiblich sowie einer mit unbekanntem Geschlecht. Die Übersterblichkeit männlicher Säuglinge ist ebenso wie die ungleiche Geschlechterverteilung bei Geburt zugunsten des männlichen Geschlechts eine demographische Konstante, 185 die auch für Bonn im 18. Jahrhundert 184
185
Werden alle Nottaufen – 90 % der am Tag der Geburt verstorbenen Säuglinge fallen darunter – ausgenommen, dann vermindert sich die Säuglingssterbeziffer auf 206,5 ‰. Werden alle am Geburtstag Verstorbenen ausgeklammert, so verringert sich die Ziffer sogar auf 201,8 ‰. Unter Einschließung der Nottaufen und damit vieler Totgeburten lag die Säuglingssterbeziffer bei 247,8 ‰. Ausführlich zur Geschlechterverteilung der Säuglingssterblichkeit: ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 162 f.; GEHRMANN, Leezen 1720-1870, S. 135 f.; PÖHNERT, Die Bevölkerungsentwicklung, S. 46.
176
Die Bevölkerungsbewegung
galt. Dies zeigt das Verhältnis der männlichen zur weiblichen Säuglingssterblichkeit in Tabelle 17. Tabelle 17: Verhältnis der verstorbenen Säuglinge m:w Zeitraum
1730-39
1750-59
1760-69
1780-1789
m:w
1,17
1,19
1,39
1,28
Alle vier Dekaden 1,26
Die Untersuchung der Todesanzeigen mit Altersangaben in den „Bonner Intelligenzblättern“ am Ende der kurfürstlichen Zeit bestätigt dieses Ergebnis: Der Anteil der Säuglinge unter den Verstorbenen betrug zwischen 1785 und 1789 exklusive Totgeburten 20,5 %186 und lag damit fast gleich hoch wie in der vorliegenden Untersuchung, nach der zwischen 1785 und 1789 20,8 % aller Sterbefälle Säuglinge waren. Der minimale Unterschied lässt sich durch die unterschiedliche Datengrundlage erklären: Für die vorliegende Untersuchung wurden alle Sterbefälle aus St. Remigius berücksichtigt, in den Todesanzeigen wurden dagegen nur etwas mehr als die Hälfte aller Verstorbenen aus den vier Stadtpfarreien registriert. Deshalb kann anhand dieser Daten aus den „Bonner Intelligenzblättern“ auch keine Säuglingssterbeziffer berechnet werden. Das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Säuglingssterbefällen lag in den acht untersuchten Jahren der überlieferten Todesanzeigen am Ende der kurfürstlichen Zeit bei 1,34.187 In Tabelle 18 wird der Anteil der Säuglingssterblichkeit an der Gesamtsterblichkeit in Bonn mit anderen Städten verglichen. Obwohl in vielen dieser zum Vergleich herangezogenen Untersuchungen der statistische Umgang mit Totgeburten häufig nicht erläutert wird und daher die Raten auch um bis zu 10 % abweichen könnten, zeigt Tabelle 18 für die verschiedenen Städte relativ homogene Resultate: Die Säuglingssterblichkeit der geistlichen Residenzstädte im Rheinland bewegte sich auf einem ähnlichen Niveau, sogar vergleichbar mit den Universitätsstädten Duisburg und Gießen. Dieses Ergebnis überrascht angesichts der Tatsache, dass die Forschung große regionale Unterschiede in der Säuglingssterblichkeit188 betont. Bisher wurden aber für das gesamte 18. Jahrhundert lediglich ländliche Regionen miteinander verglichen, zudem bekräftigt, dass die regionalen Unterschiede erst im 19. Jahrhundert scharfe Konturen angenommen hätten. Tatsächlich bewegten sich die Säuglingssterbeziffern verschiedener ländlicher Gebiete Mitte des 18. Jahrhunderts ziemlich konstant und einheitlich um einen Wert von 200 ‰.189 Allerdings wiesen verschiedene süddeutsche Dörfer auch Säuglingssterbeziffern zwischen 300 und 400 ‰ auf, darunter das württembergische Laichingen und die bayerischen Dörfer Massenhausen und Thalhau186 187 188 189
Eigene Berechnung aufgrund der Zahlen bei HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit, S. 207 f. Ebd., S. 201. Zusammengefasst bei EHMER, Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie, S. 92. Dies zeigt der Vergleich von sechs über ganz Deutschland verteilten ländlichen Regionen bei KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland, S. 86, Abbildung 4.1.d.
Mortalität
177
sen.190 Die Annahme, „in den Städten blieb die Säuglingssterblichkeit bis in das späte 19. Jahrhundert deutlich über dem Niveau ruraler Gebiete“191, trifft demnach zumindest für das 18. Jahrhundert nicht zu. Tabelle 18: Anteil der Säuglinge an der Gesamtsterblichkeit in Bonn, Mainz, Trier, Koblenz, Duisburg und Gießen im 18. Jahrhundert in % Stadt
Bonn
Mainz
Trier
Koblenz
Duisburg
Gießen
Anteil
22,2
22,1
25
20,6
20,6
22,0
Quellen: RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 205 (auch die Angabe für Gießen); KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 128; FRANÇOIS, Population et société à Coblence, S. 30 (der Mittelwert aus den Angaben für die Zeiträume 17371744 und 1775-1784); JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 222.
Die in Tabelle 18 zum Vergleich herangezogenen Städte liegen alle in der Mitte Deutschlands. Sie geben demnach keine Auskunft über ein mögliches Nord-SüdGefälle, das für die Säuglingssterblichkeit in Deutschland und Europa allgemein angenommen wird.192 Aber auch in den beiden Schweizer Städten Luzern und Genf zeigte sich ein ähnliches Bild: Die Säuglingssterbeziffern fluktuierten um 250 ‰.193 Das Gros der süddeutschen Städte im Reich wies allerdings weitaus höhere Sterbeziffern im 18. Jahrhundert auf: In Offenburg, Landsberg, Memmingen194 sowie in Passau und Bayreuth195 lagen sie zwischen 339 und 459 ‰, in der habsburgischen Residenzstadt Wien sogar zwischen 406 ‰ und 711 ‰.196 Dagegen lag die Säuglingssterblichkeit in einigen norddeutschen Städten deutlich niedriger. In den holsteinischen Städten Segeberg, Mündersdorf und Eutin bewegten sich die Säuglingssterbeziffern während des 18. Jahrhunderts deutlich unter 200 ‰, in Eutin im Durchschnitt sogar bei nur ca. 130 ‰.197 Sicherlich spielten aber andere Faktoren eine wichtigere Rolle: Beispielsweise wiesen die nördlich gelegenen Großstädte Leipzig, Berlin und Breslau eine deutlich höhere Säuglingssterblichkeit auf als die bayerischen Kleinstädte Straubing und Monheim.198 Auch in Studien zu ländlichen Gebieten konnte ein allgemeines Nord-Süd-Gefälle nicht bestätigt werden.199 Unabhängig von der geographischen Lage oder der Konfession war die Säuglingssterblichkeit in Regionen, wo ausschließlich und lange gestillt wurde, generell niedriger als in Regionen, in denen nicht gestillt bzw. frühzeitig abgestillt oder neben der Muttermilch Mehlbrei 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199
MEDICK, Weben und Überleben, S. 356, Tabelle 4.16; LEE, Population growth, S. 66 f. WEIGL, Demographischer Wandel, S. 23. Der Autor bezieht dabei ausdrücklich die Frühe Neuzeit ein. EHMER, Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie, S. 92. BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 135 f.; PERRENOUD, La Population de Genève, S. 488-490. FRANÇOIS, La mortalité Urbaine, S. 138. KISSKALT, Epidemiologisch-statistische Untersuchungen, S. 29, Tabelle 2. WEIGL, Demographischer Wandel, S. 206, Tabelle 22. KISSKALT, Die Sterblichkeit im 18. Jahrhundert, S. 462. KISSKALT, Untersuchungen über die Sterblichkeit, S. 29, Tabelle 2. Zu Berlin: SCHULTZ, Berlin 1650-1800, S. 133. KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland, S. 90.
178
Die Bevölkerungsbewegung
oder Kuhmilch verabreicht wurde. Den Einfluss weiterer Faktoren gilt es zukünftig abzuklären und diese untereinander zu gewichten. Doch wie entwickelte sich die Säuglingssterblichkeit im Verlauf des 18. Jahrhunderts in Bonn? Die Säuglingssterblichkeit wies in den 1730er Jahren mit 174,9 ‰ die niedrigste Rate auf, während in den 1750er Jahren die höchste Rate mit 241,2 ‰ erreicht wurde. In den 1760er und 1780er Jahren lag die Säuglingssterbeziffer mit 213,07 ‰ und 190,16 ‰ sogar höher als in den 1730er Jahren (Abbildung 15).200 Die deutlich höhere Säuglingssterblichkeit in den 1750er Jahren lag sicherlich an der Häufung demographischer Krisenjahre ab Beginn des Siebenjährigen Krieges, die sich ebenfalls in einer deutlich erhöhten Kindersterblichkeit niederschlug. Deshalb ist der Anteil an der Gesamtsterblichkeit mit 24,72 % auch nur geringfügig höher als in den 1730er Jahren mit 22,31 %. Die Säuglingssterblichkeit nahm nicht grundsätzlich ab und lag möglicherweise in der ersten Hälfte des Jahrhunderts sogar niedriger als in der zweiten – dies kann aufgrund der nur spärlich vorhandenen Daten aber lediglich vermutet werden.
Abbildung 15: Entwicklung der Säuglingssterblichkeit im 18. Jahrhundert
Eine deutliche Abnahme der Säuglingssterblichkeit im 18. Jahrhundert wurde für das Reich bisher weder auf dem Land noch in der Stadt nachgewiesen. Im Gegenteil, es verdichten sich die Hinweise, dass die Säuglingssterblichkeit in der ersten Hälfte des 200
Der Anteil an der Gesamtsterblichkeit war in den 1730er Jahren nur deshalb größer als in den 1760er und 1780er Jahren, weil diese insgesamt relativ niedrig war. Deshalb ist die Säuglingssterbeziffer das deutlich exaktere Maß.
Mortalität
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Jahrhunderts Regionen und Städte übergreifend niedriger lag als in der zweiten Hälfte.201 Aggregatdaten aus Preußen für das 18. Jahrhundert belegen einen Anstieg der Säuglingssterblichkeit in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts.202 In Altona und Spandau nahm die Säuglingssterblichkeit ebenfalls ab den 1740er Jahren stark zu und ging erst ab ca. 1780 kontinuierlich zurück.203 In der niederrheinischen Seidenstadt Krefeld lag die Säuglingssterbeziffer in den 1750er Jahren noch bei 147 ‰, bewegte sich in den Jahren zwischen 1761 und 1797 hingegen zwischen 160 und 167 ‰.204 In den Residenzstädten der beiden anderen geistlichen Kurfürstentümer nahm die Säuglingssterblichkeit ab der Mitte des 18. Jahrhunderts ebenfalls leicht zu: In Mainz erhöhte sich der Anteil der verstorbenen Säuglinge an der Gesamtsterblichkeit von 20-22 % auf über 26 %.205 In Koblenz waren zwischen 1737 und 1744 18,2 % der Verstorbenen jünger als ein Jahr, zwischen 1775 und 1784 23 %.206 Gießen und Luzern entsprechen allerdings nicht diesem Muster, denn dort lag die Säuglingssterblichkeit auch in den 1730er Jahren höher als in den nachfolgenden Dekaden und nahm insgesamt im Verlauf des Jahrhunderts leicht ab.207 Für die drei größeren geistlichen Residenzstädte gilt jedenfalls, dass die Säuglingssterblichkeit im Verlauf des 18. Jahrhunderts leicht zunahm und wahrscheinlich insgesamt in der ersten Hälfte niedriger lag als in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Die Ähnlichkeiten in der Entwicklung der Säuglingssterblichkeit mit den besser erforschten ländlichen Regionen und mit Altona und Spandau sind verblüffend. Daher bleibt die Frage offen, warum die Säuglingssterblichkeit im Reich ab Mitte des 18. Jahrhunderts sowohl in den meisten Städten als auch auf dem Land zunahm. Dies unterscheidet die Territorien im Reich von England und Frankreich, wo ein signifikanter Rückgang der Säuglingssterblichkeit bereits um 1750 einsetzte, weil die Mütter begannen, ihre Säuglinge überwiegend selbst zu stillen, was zu Beginn des Jahrhunderts noch nicht der Fall gewesen war.208
201
202 203 204 205 206 207 208
Die von Kloke untersuchten Gemeinden wiesen allesamt ab ca. 1760 höhere Säuglingssterbeziffern auf: KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland, S. 92, Abbildung 4.1.h. Ähnlich auch SAUNDERS, Familie, Fortpflanzung und Bevölkerungsentwicklung, S. 384 f. und GEHRMANN, Zielsetzungen und Methoden, S. 293-295. GEHRMANN, Infant mortality in town and countryside, S. 546. GERHMANN, Urbane Mortalitätsmuster, S. 254, Fig. 4. KRIEDTE, Taufgesinnte und großes Kapital, S. 94, Tabelle 2.2.3. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 205. FRANÇOIS, Population et société à Coblence, S. 30 f. IMHOF, Die nicht-namentliche Auswertung, S. 179 in Verbindung mit S. 122 f.; BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 135, Tabelle 43. THORVALDSEN, Was there a European breastfeeding pattern?, S. 283 und S. 289. Zum Rückgang der Säuglingssterblichkeit in englischen Städten ab 1750: GALLEY, Säuglingssterblichkeit in englischen Städten, bes. S. 97. In Meulan, einer französischen Kleinstadt, ging die Säuglingssterblichkeit zwischen 1715-1739 und 1740-1764 um etwa ein Drittel zurück! LACHIVER, La Population de Meulan, S. 195-197.
180
Die Bevölkerungsbewegung
5.3.4.1 Biometrische Analyse In der Medizin wird die Säuglingssterblichkeit in verschiedene Kategorien unterteilt; dabei orientieren sich die Kategorien am Alter der verstorbenen Säuglinge: Unter den Begriff der perinatalen Sterblichkeit werden Totgeburten und Säuglinge gefasst, die innerhalb der ersten Lebenswoche sterben. Die neonatale Mortalität wird durch den Anteil der Säuglinge definiert, die zwischen der zweiten und vierten Lebenswoche versterben,209 und die postneonatale Mortalität durch den Anteil der Säuglinge, die ab dem zweiten und bis zum zwölften Lebensmonat sterben. Die Bedeutung der ersten Lebenswoche und auch des ersten Lebensmonats für die Überlebenswahrscheinlichkeit des Säuglings steht außer Frage. Darüber hinaus wurde die Säuglingssterblichkeit monatsweise erhoben, damit eine biometrische Analyse durchgeführt werden konnte. Die Untersuchung der Mortalität nach dem Alter der Säuglinge exklusive der Totgeburten ist in Tabelle 19 dargestellt. Die Unterschiede in der Säuglingssterblichkeit insgesamt können auf Unterschiede in der perinatalen Mortalität zurückgeführt werden: In den untersuchten Dekaden mit der niedrigsten Säuglingssterblichkeit, nämlich 1730-1739 und 1780-1789, hatte die perinatale Mortalität mit 27,7 bzw. 26,1 % einen viel geringeren Anteil an der Gesamtsterblichkeit als in den beiden anderen Dekaden. Die postneonatale Mortalität bewegte sich dagegen über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg auf einem einheitlichen Niveau – relativ zur Geburtenzahl. Tabelle 19: Verteilung der Säuglingssterbefälle im ersten Lebensjahr in % aller Säuglingssterbefälle Zeitraum
1730-39 27,7
1750-59 42,0
1760-69 35,0
1780-89 26,1
Insg. (Ø)
1. Woche 1. Monat
52,7
66,6
57,0
51,7
57,0
32,7
2.-6. Monat
26,4
23,1
25,0
26,1
25,2
2.-12. Monat
47,3
33,4
43,0
48,3
43,0
1. Halbjahr
79,1
89,8
82,0
77,8
82,2
2. Halbjahr
20,9
10,2
18,1
22,2
17,9
Die neonatale Säuglingssterblichkeit lag im Durchschnitt aller vier untersuchten Dekaden bei 57 %, nach der Analyse der Todesanzeigen aus acht Jahren am Ende der kurfürstlichen Zeit sogar bei 63,3 %.210 Damit lag sie deutlich höher als in Mainz oder Koblenz, wo ihr Anteil ca. 40 % an der Gesamtsäuglingssterblichkeit betrug.211 In anderen Untersuchungen von frühneuzeitlichen Städten wurden unter der katholischen Bevölkerung ebenfalls Werte zwischen 50 und 60 % ermittelt, z. B. in Duisburg
209 210 211
Wenn die perinatale Sterblichkeit nicht gesondert erhoben bzw. ausgewertet wird, umfasst die neonatale Mortalität die gesamten ersten vier Lebenswochen. Eigene Berechnung nach HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit, S. 199, Tabelle 1. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 204; FRANÇOIS, Population et société à Coblence, S. 31.
Mortalität
181
und Oppenheim.212 Die lutherischen und reformierten Gemeinden in diesen mehrkonfessionellen Städten wiesen hingegen eine niedrigere neonatale Säuglingssterblichkeit auf als die katholische, sodass die Säuglingssterblichkeit insgesamt auch etwa um diese Differenz niedriger lag als bei den Katholiken.213 Die unterschiedliche Berücksichtigung der Totgeburten erschwert allerdings Vergleiche zwischen Städten. In Duisburg wurde die statistisch höhere neonatale Sterblichkeit der Katholiken durch die ungleiche Registrierung der Totgeburten verursacht, in den anderen Untersuchungen fehlen Hinweise auf den Umgang mit Totgeburten. Doch unabhängig von der Totgeburten-Problematik kann konstatiert werden, dass in den anderen geistlichen Residenzstädten die neonatale Mortalität weniger stark zur Säuglingssterblichkeit beitrug als in Bonn. Die perinatale Sterblichkeit kann überhaupt nicht mit anderen Studien verglichen werden, weil sich zum einen die unterschiedliche Behandlung der Totgeburten noch stärker auswirken würde und zum anderen den wenigen Arbeiten, in denen diese Sterblichkeit erhoben wurde, der Anteil der perinatalen Mortalität an der gesamten Säuglingssterblichkeit häufig nicht entnommen werden kann.214 Es wird zudem in der Historischen Demographie nach Bourgeois-Pichat zwischen endogenen und exogenen Ursachen der Säuglingssterblichkeit unterschieden: Die endogene Sterblichkeit wird auf in der Schwangerschaft angelegte Schädigungen oder den Geburtsvorgang an sich zurückgeführt, während die exogene Sterblichkeit äußere Einflüsse umfasst, wie Pflege, Stillen, Ernährung, Erkrankungen, Unfälle und Hygiene. Die neonatale Mortalität wird als Indikator für die endogene Säuglingssterblichkeit genutzt, weil ca. 80 % der Todesfälle im ersten Lebensmonat in vorindustriellen Gesellschaften auf endogene Ursachen zurückgeführt werden können; hingegen wurde die Sterblichkeit zwischen dem zweiten und zwölften Lebensmonat ausschließlich durch exogene Faktoren verursacht. 215 Die endogene Sterblichkeit sei somit gleichzusetzen mit einer „biologischen Sterblichkeit“ und damit unabhängig von medizinischen, sozioökonomischen und kulturellen Einflüssen. Daher wurde ihr von Historikern bisher deutlich weniger Beachtung geschenkt als der vom Mensch beeinflussbaren exogenen Sterblichkeit, obwohl eine konstante endogene Sterblichkeit in der Realität nicht existiert. Die Unterscheidung zwischen endogener und exogener Sterblichkeit wurde in historisch-demographischen Arbeiten zur Säuglingssterblichkeit in der Regel übernommen, ohne dass eine grund212 213 214 215
JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 226; ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 165, Tabelle 21 und S. 166, Tabelle 22. Ebd., S. 166. In Duisburg war die endogene Säuglingssterblichkeit der katholischen Bevölkerung ebenfalls größer. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 225, Tabelle 44. Z. B. bei BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 140, Tabelle 46 und bei HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 276. Der Anteil der endogenen Sterblichkeit an den im ersten Monat Verstorbenen kann prinzipiell variieren, beispielsweise lag er in europäischen Populationen Mitte des 20. Jahrhunderts mit 75 % etwas niedriger. BOURGEOIS-PICHAT, La mesure de la mortalité infantile, S. 224-236. Ein Anteil von 80 % trifft wohl auf Populationen im 18. Jahrhundert eher zu, wie verschiedene Studien belegen: KNODEL, Demographic behavior, S. 46 f.; KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland, S. 128-131 und GEHRMANN, Leezen 1720-1870, S. 145, Tabelle 28.
182
Die Bevölkerungsbewegung
sätzliche Anwendbarkeit ausreichend kritisch hinterfragt worden wäre. Dies soll nach der Untersuchung der endogenen und exogenen Mortalität für Bonn jedoch erfolgen. Die biometrische Analyse der Säuglingssterblichkeit nach Bourgeois-Pichats216 ist eine Methode, mit der nicht nur die endogene von der exogenen Mortalität abgegrenzt werden kann, sondern es kann auch das Stillverhalten genauer untersucht und die Qualität der ausgewerteten Daten bestimmt werden. Diese Methode wurde verschiedentlich weiterentwickelt und modifiziert,217 aber nicht grundsätzlich verändert. Die Analyse wird folgendermaßen durchgeführt: Die kumulativen Säuglingssterbeziffern werden monatsweise berechnet und linear mit dem Lebensalter der Säuglinge, in 12 Monaten zu je 30,4 Tagen, nach der Formel Log3 (n+1) in einem Diagramm zueinander in Beziehung gesetzt (Abbildung 16). Durch die Bildung des dritten Logarithmus nehmen die Abstände zwischen den Lebensmonaten proportional ab und der Graph bildet bei konstant hoher Sterblichkeit zwischen dem zweiten und zwölften Monat eine Gerade. Durch eine Extrapolation dieser Linie kann der Schnittpunkt mit der y-Achse ermittelt werden. Wenn dieser Schnittpunkt ein negatives Vorzeichen hat, sind die ausgewerteten Daten fehlerhaft. Der Schnittpunkt mit der y-Achse zeigt die endogene Mortalität an, während die exogene Mortalität die Differenz zwischen der gesamten Säuglingssterblichkeit inklusive Totgeburten und der endogenen Mortalität bildet.218 Für Bonn im 18. Jahrhundert zeigen sich folgende Ergebnisse: Die endogene Sterblichkeit war in den Dekaden mit der höchsten Säuglingssterblichkeit, den 1750er und 1760er Jahren, deutlich größer als die exogene; in den 1730er und 1780er Jahren, als die Säuglingssterblichkeit insgesamt niedriger war, verhielt es sich umgekehrt: Die exogene Sterblichkeit war größer als die endogene, wenn auch nur geringfügig (Vgl. Tabelle 20). In den 1750er Jahren verdoppelte sich die endogene Sterblichkeit sogar gegenüber den 1730er Jahren, sodass die insgesamt sehr hohe Sterblichkeit in den 1750er Jahren allein auf einen Anstieg der endogenen Sterblichkeit zurückgeführt werden kann. Auch Herborn hat in seiner Untersuchung festgestellt, dass der Einfluss der endogenen Faktoren in Bonn „verhältnismäßig hoch“ sei. Dabei hat er allerdings die endogene Mortalität mit der neonatalen gleichgesetzt und dennoch ganz entsprechend der ursprünglichen Intention Bourgeois-Pichats geschlussfolgert, diese Säuglinge seien „auch bei der heutigen medizinischen Versorgung nur mit körperlichen oder geistigen Schäden behaftet lebensfähig gewesen“219. Die Bedeutung der exogenen Sterblichkeit tritt also deutlich gegenüber der endogenen zurück.
216 217 218
219
BOURGEOIS-PICHAT, La measure de la mortalité infantile; BOURGEOIS-PICHAT, An analysis of infant mortality. Insbesondere um exaktere Aussagen zum Stillverhalten in Gesellschaften des 18. und 19. Jahrhunderts treffen zu können. KNODEL/KINTNER, The Impact of Breast Feeding Patterns. Auf weitere (alternative) Berechnungsarten soll hier nicht eingegangen werden, hierzu Näheres und zur Methode generell in der ausführlichen Darstellung bei GEHRMANN, Leezen 1720-1870, S. 140-149. HERBORN, Die altersspezifische Sterblichkeit, S. 204.
Mortalität
183
Abbildung 16: Kumulierte Rate der Säuglingssterblichkeit nach Monaten
Eine fast ebenso große endogene wie exogene Sterblichkeit konnte für Luzern nachgewiesen werden.220 Der Autor dieser Studie hat daher bereits die Definition Bourgeois-Pichats modifiziert, weil eben doch die endogene Sterblichkeit durch Ärztekunst und Geburtshilfe maßgeblich beeinflusst werden konnte.221 Dies bestätigt auch ein Vergleich der neonatalen Mortalität, die ja 80 % der endogenen Sterblichkeit umfasst, mit der gesamten Säuglingssterblichkeit zwischen verschiedenen frühneuzeitlichen Städten im Reich: Eine höhere Säuglingssterblichkeit ging immer mit einer ebenfalls höheren neonatalen Mortalität einher.222 Beispielsweise kann die vergleichsweise niedrige Säuglingssterblichkeit Königsbergs im Vergleich zu Wien – ca. 220 ‰ gegenüber ca. 440 ‰ in vergleichbaren Dekaden im 18. Jahrhundert – allein auf die enormen Unterschiede in der perinatalen Sterblichkeit zurückgeführt werden.223
220 221 222 223
BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 143, Tabelle 48. Ebd., S. 143. FRANÇOIS, La Mortalité Urbaine, S. 140 f. KISSKALT, Die Sterblichkeit im 18. Jahrhundert, S. 465; PELLER, Zur Kenntnis der städtischen Mortalität, S. 240.
184
Die Bevölkerungsbewegung
Tabelle 20: Endogene und exogene Säuglingssterblichkeit in ‰ Zeitraum
Endogen
Exogen
Insg.
1730-39
89,6
98,1
187,7
1750-59
190,8
92,2
283,0
1760-69
132,7
110,5
243,2
1780-89
107,6
111,0
218,6
Alle vier Dekaden
134,9
101,7
236,6
Zusammengefasst bedeutet dies, dass endogene Ursachen mindestens so stark wie exogene zu den regionalen Unterschieden in der Säuglingssterblichkeit beitrugen. Neuere Forschungen haben in der Tat gezeigt, dass es eine vom Menschen nicht beeinflussbare endogene Mortalität nicht gibt und nicht gegeben hat, denn sowohl medizinische als auch andere Faktoren während der Schwangerschaft und den ersten Lebenstagen wirken sich auf die Höhe der endogenen Sterblichkeit aus.224 Insofern erscheint der Nutzen dieses Konzepts, d. h. der Unterscheidung zwischen endogener und exogener Mortalität, insgesamt fragwürdig. Neben der Unterscheidung zwischen endogener und exogener Sterblichkeit sowie der Prüfung der Qualität der Daten hat die biometrische Analyse nach BourgeoisPichat aber vor allem den Zweck, die exogene Mortalität näher zu untersuchen. Dabei geht es für die vorliegende Studie um die Frage, wann in Bonn abgestillt wurde und ob das Stillverhalten sich während des 18. Jahrhunderts verändert hat. Denn ein linearer Anstieg der Geraden nach der Geburt deutet auf langes Stillen hin, während ein abruptes Abweichen der Gerade hin zu einer konkaven Kurve auf den Zeitpunkt des üblichen Abstillens oder sogar auf Nichtstillen hinweist (Vgl. Abbildung 16). Dabei sind die Abweichungen in der Regel graphisch nicht besonders deutlich, aber dennoch signifikant. Die Graphen der kumulierten Säuglingssterblichkeit in Abbildung 16 der untersuchten Dekaden in Bonn zeigen bis auf eine Ausnahme kein abruptes Abweichen nach oben und verlaufen insgesamt ziemlich linear, sodass Bonn als Stillgebiet gelten darf, in dem das Stillen grundsätzlich während des gesamten Säuglingsalters üblich gewesen sein dürfte. Es fällt auf, dass sowohl in den 1730er als auch in den 1750er Jahren die Steigung der Geraden nach dem dritten bzw. vierten Lebensmonat etwas abnimmt, d. h. die Sterbewahrscheinlichkeit des Säuglings stark zurückging. Demgegenüber deutet die größer werdende Steigung der Gerade für die 1780er Jahre ab dem zehnten Lebensmonat auf eine zunehmende Sterbewahrscheinlichkeit hin. Dies lässt vermuten, dass die Frauen früher entwöhnten als noch in der Mitte des Jahrhunderts. Möglicherweise war dies der Grund für die Kampagnen europäischen Ausmaßes für das Selbststillen. Im ländlichen Kirchspiel Belm, das ebenso wie Bonn als Stillgebiet klassifiziert werden kann, wurde ebenfalls am Ende des 18. Jahrhunderts früher abgestillt als zu
224
LALOU, Endogenous Mortality in New France, S. 203 f.
Mortalität
185
Beginn des Jahrhunderts.225 Auch in der französischen Stadt Meulan, wo die kumulierte Säuglingssterblichkeit für die Zeiträume 1668-1739, 1740-1789 und 1790-1839 getrennt erhoben wurde, stieg einzig die Gerade für den Zeitraum 1740-1789 mit dem achten Lebensmonat der Säuglinge abrupt an.226 Das frühere Abstillen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts spiegelt also einen europäischen Trend wider. Die Gründe für dieses geänderte Verhalten bleiben im Dunkeln. Jedenfalls bemühten sich die aufgeklärten Ärzte Europas, die Bevölkerung über die Vorzüge des Selbststillens aufzuklären, gerade auch über das erste Lebensjahr hinaus. Auch in verschiedenen Artikeln in den Bonner Intelligenzblättern wurde die Bevölkerung aufgefordert, die Kinder selbst zu stillen.227
5.3.4.2 Monatliche Verteilung Die Untersuchung der monatlichen Verteilung der Säuglingssterbefälle ermöglicht Rückschlüsse auf die Todesursachen und damit mittelbar auch auf die Still- und Ernährungsgewohnheiten, wozu direkte Angaben in Quellen aus dem 18. Jahrhundert meist fehlen.228 Selbst im 19. Jahrhundert wurden Todesursachen nur sehr rudimentär verzeichnet oder es wurden Symptome beschrieben, die keine Definition einer Krankheit nach heutigen Kriterien zulassen. Deshalb haben bereits die Epidemiologen – zeitgenössisch „Medizinalstatistiker“ genannt – zu Zeiten des Kaiserreichs die monatliche Verteilung untersucht und dabei festgestellt, dass saisonale Mortalitätsgipfel auf witterungs- oder ernährungsbedingte Todesursachen hindeuten: Eine erhöhte Spätwinter- und Frühjahrssterblichkeit korreliert mit einer Zunahme von Atemwegserkrankungen, während eine erhöhte Sterblichkeit im Spätsommer auf Magen-DarmErkrankungen zurückgeführt werden kann. Diese Zusammenhänge wurden durch die jüngere Forschung nicht nur bestätigt, sondern sogar erweitert: Bei Fehlen eines Sterblichkeitsgipfels im Spätsommer könne davon ausgegangen werden, dass in der entsprechenden Population überwiegend gestillt wurde. Denn die entwöhnten Säuglinge wurden insbesondere in den Sommermonaten mit Mehlbrei und/oder Kuhmilch ernährt: Diese Ersatznahrung war häufig wegen fehlender Kühl- und Sterilisierungsmöglichkeiten mit Bakterien belastet. Damit waren diese Säuglinge einem deutlich höheren Risiko von oftmals letal verlaufenden Magen-Darm-Erkrankungen ausgesetzt.229 Verschiedene empirische Untersuchungen der Säuglingssterblichkeit bestätigen diese These. In Regionen, in denen das Stillen weit verbreitet war, fehlte tatsächlich in der Regel ein Mortalitätsgipfel im
225 226 227 228 229
SCHLUMBOHM, Lebensläufe, Familien, Höfe, S. 188. LACHIVER, La Population de Meulan, S. 198, Fig. 34. Besonders eindringlich in einem Aufsatz eines schwedischen Arztes. Bönnisches Intelligenzblatt vom 19. Oktober 1790, S. 336-339. Vgl. Kapitel 4.3.2. GEHRMANN, Urbane Mortalitätsmuster, S. 242. IMHOF, Unterschiedliche Säuglingssterblichkeit, S. 353 f.
186
Die Bevölkerungsbewegung
Sommer, während dieser für Nichtstillgebiete in unterschiedlicher Stärke nachweisbar ist.230 Auf eine Normierung der Monatslängen wurde in dieser Untersuchung verzichtet, weil der Mehrwert – exaktere Daten – mit einer schlechteren Vergleichbarkeit mit anderen Untersuchungen einherginge. Denn in älteren historisch-demographischen Arbeiten wurden unterschiedliche Verfahren zur Normierung der Monatslängen angewandt.231 Außerdem stellen sich die statistischen Abweichungen im Vergleich zu einem Verzicht auf diese Normierung als vernachlässigbar dar. Deshalb wird in jüngeren Untersuchungen auf eine Normierung der Monatslängen verzichtet; damit wird eine höhere Vergleichbarkeit untereinander erzielt.232 Tabelle 21: Monatliche Verteilung der Säuglingssterblichkeit Monat
1730-39
1750-59
1760-69
1780-89
Insg.
n
%
n
%
n
%
N
%
n
%
Jan
43
9,37
73
9,15
55
10,70
32
7,96
203
9,34
Feb
38
8,28
63
7,89
44
8,56
40
9,95
185
8,51
Mär
39
8,50
84
10,53
48
9,34
39
9,70
210
9,66
Apr
43
9,37
55
6,89
43
8,37
37
9,20
178
8,19
Mai
53
11,55
56
7,02
31
6,03
35
8,71
175
8,05
Jun
30
6,54
62
7,77
44
8,56
22
5,47
158
7,27
Jul
44
9,59
71
8,90
30
5,84
33
8,21
178
8,19
Aug
35
7,63
71
8,90
33
6,42
34
8,46
173
7,96
Sep
29
6,32
69
8,65
48
9,34
31
7,71
177
8,15
Okt
28
6,10
63
7,89
36
7,00
29
7,21
156
7,18
Nov
42
9,15
69
8,65
51
9,92
31
7,71
193
8,88
Dez
35
7,63
62
7,77
51
9,92
39
9,70
187
8,61
Insg.
459
100
798
100
514
100
402
100
2173
100
Die monatliche Verteilung der Säuglingssterblichkeit in Tabelle 21 unterscheidet sich teilweise erheblich zwischen den einzelnen Dekaden; lediglich die erhöhte Sterblichkeit in den Wintermonaten ist ihnen gemeinsam. Insgesamt lag die Sterblichkeit in den kühlen Wintermonaten, also zwischen November und März, über dem statistischen Mittel von 8,33 %, während sie in den warmen Monaten deutlich geringer war. Ein Mortalitätsgipfel im Sommer ist nur für die Dekaden 1730-1739 und 1750-1759 230
231 232
KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland, S. 157-167; Knodel hat für badische und württembergische Dörfer in Nichtstillgebieten deutlicher ausgeprägte Mortalitätsgipfel als für bayerische Gemeinden feststellen können. Dennoch schließt auch er aus dem Fehlen eines solchen Gipfels auf weit verbreitetes Stillen in der entsprechenden Population. KNODEL, Demographic behavior, S. 64-66. Vgl. der Hinweis bei GEHRMANN, Leezen 1720-1870, S. 149, Anm. 3. Z. B. bei JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert; KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland.
Mortalität
187
feststellbar. Bei näherer Betrachtung ist zu sehen, dass während der 1730er Jahre einzelne Krisenjahre einen Mortalitätsgipfel im Juli aufwiesen: 1732, 1735 und 1739 verstarben im Juli mehr als 20 % aller Säuglinge des entsprechenden Jahres. Für die 1750er Jahre ist hingegen tatsächlich ein konstanter, wenn auch nicht sehr deutlicher Mortalitätsgipfel im Juli und August festzustellen. In den nachfolgenden Jahren lag die Sterblichkeit im Sommer sogar niedriger als in allen anderen Jahreszeiten. Insgesamt deutet die monatliche Verteilung der Sterbefälle darauf hin, dass die Säuglinge gestillt wurden und daher weniger anfällig für Infektionskrankheiten in den warmen Monaten waren als wenn sie mit Ersatznahrung versorgt worden wären. Auffällig ist die hohe Säuglingssterblichkeit im Mai in den 1730er Jahren. Sie war während der gesamten Dekade im Mai erhöht, sodass ein Krisenjahr als Ursache ausgeschlossen werden kann. Ein anderer Grund ist nicht ersichtlich.
Abbildung 17: Monatliche Verteilung der Säuglings-, aller Sterbefälle und der Geburten
Der hohe Anteil der neonatalen Mortalität an der Säuglingssterblichkeit insgesamt impliziert, dass die monatliche Verteilung der Säuglingssterbefälle zwangsläufig mit der Verteilung der Geburten stark korreliert. Abbildung 17 zeigt den prozentualen Anteil der Säuglingssterbefälle, aller Sterbefälle und der Geburten der Pfarrei St. Remigius in den vier untersuchten Dekaden. Bis auf die Monate Juli und Oktober ist der Anteil der verstorbenen Säuglinge und der Geburten in den betreffenden Monaten nahezu identisch. Deshalb kann die erhöhte Säuglingssterblichkeit in den Wintermonaten vor allem auf die allgemein hohe neonatale Mortalität zurückgeführt werden und weniger auf die letalen Folgen von Atemwegserkrankungen. Im Juli war die Säuglingssterblichkeit relativ zu den wenigen Geburten hoch, sodass eine erhöhte
188
Die Bevölkerungsbewegung
postnatale Mortalität zu vermuten ist. Dagegen findet sich im Oktober der umgekehrte Fall: eine im Vergleich zu den Geburten relativ niedrige Säuglingssterblichkeit. Allgemein ist die Varianz der monatlichen Verteilung der Säuglingssterbefälle niedriger als bei den Sterbefällen aller Altersgruppen – angesichts der besonderen Vulnerabilität von Säuglingen gegenüber witterungsbedingten Einflüssen durchaus erstaunlich. Ein kurzer Vergleich mit anderen Studien zeigt in der Tat folgendes Ergebnis: Die saisonale Verteilung der Säuglingssterbefälle war zumindest in Stillgebieten weniger ausgeprägt als die der Erwachsenen und sie wurde im Wesentlichen durch die Verteilung der Geburten bestimmt.233 In Oppenheim, wo üblicherweise nicht gestillt wurde, verstarben allerdings die mit Abstand meisten Säuglinge im August und September,234 während in Altona und Spandau die meisten Säuglinge – wie in Bonn – in den kalten Wintermonaten starben.235
5.3.4.3 Sozioökonomische Analyse Seit Perrenouds Studie zu Genf im 17. Jahrhundert, in der er eine „soziale Ungleichheit vor dem Tod“236 nachweisen konnte, wurde der Einfluss von sozioökonomischen Faktoren auf die Mortalität in den Vordergrund der Forschung zur Sterblichkeit gerückt. In nachfolgenden Untersuchungen von Städten im 18. Jahrhundert konnte allerdings Perrenouds Befund, wonach die Lebenserwartung der Oberschicht ungefähr doppelt so hoch war wie die der Unterschicht, nicht bestätigt werden. Zwar wiesen die meisten Studien ebenfalls eine höhere Lebenserwartung der Oberschicht nach, aber in vielen Untersuchungen wurde kein bedeutender bzw. ein nur sehr geringer Unterschied festgestellt.237 Die Gründe für diese unterschiedliche Bedeutung der Schichtzugehörigkeit für die Lebenserwartung sind weitgehend unklar. Eine größere Differenzierung der Mortalität nach Schichtzugehörigkeit trat im Allgemeinen erst im 19. Jahrhundert ein.238 Als gesichert gilt hingegen, dass insbesondere Säuglinge und Kleinkinder als Opfer der sozialen Ungleichheit vor dem Tod in Erscheinung traten, während Erwachsene davon weniger stark betroffen waren.239 Somit können soziale Unterschiede in der Sterblichkeit am besten durch eine Untersuchung der Säuglingssterblichkeit aufgezeigt werden.
233 234 235 236 237 238 239
KLOKE, Die Säuglingssterblichkeit in Deutschland, S. 166. ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 164. GEHRMANN, Urbane Mortalitätsmuster, S. 243. PERRENOUD, Die Soziale Ungleichheit vor dem Tod. Beispielsweise in Alzey und Trier im 18. Jahrhundert: HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 274; KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 131. GEHRMANN, Eintausend Spandauer Familien, S. 77. SCHULTZ, Social Differences in mortality, S. 232 und S. 241. In der Untersuchung Knodels von 14 Dörfern konnten allerdings keine Unterschiede zwischen den durch die Berufszugehörigkeit definierten Schichten in der Kindersterblichkeit (bis zum fünften Lebensjahr) festgestellt werden. Sozioökonomische Unterschiede waren aber in Städten weitaus distinkter als in Dörfern, weshalb Vergleiche mit ländlichen Regionen nur bedingt herangezogen werden sollten. KNODEL, Demographic behavior, S. 71.
Mortalität
189
Der Zusammenhang zwischen der Säuglingssterblichkeit und sozioökonomischen Parametern kann am einfachsten untersucht werden, wenn die Kirchenbücher zuverlässig und regelmäßig Angaben zum Beruf des Vaters enthalten. Dies ist in Bonn aber nur für Angehörige der städtischen Oberschicht, am Hof Beschäftigte und Soldaten der Fall; deshalb muss eine Untersuchung der Sterblichkeit nach Berufsgruppen entfallen. Allerdings bietet die Homogenität der überlieferten Berufsangaben die Möglichkeit, zum einen die Oberschicht mit der Gesamtbevölkerung zu vergleichen und zum anderen Soldaten und Angehörige medizinischer Berufe als besonders exponierte Berufsgruppen hinsichtlich der Säuglingssterblichkeit gesondert zu untersuchen. Außerdem wird die Säuglingssterblichkeit der illegitim geborenen Kinder getrennt erhoben. Anders als bei vorherigen Untersuchungen werden die Nottaufen bei der Analyse der sozioökonomischen Variablen berücksichtigt. Die Berufsangaben sind im Taufregister insgesamt wesentlich ausführlicher verzeichnet, sodass fehlende Angaben im Sterberegister durch die entsprechenden Angaben aus dem Taufregister ergänzt werden können. Hierdurch wird auch sichergestellt, dass die korrekte Säuglingssterbeziffer der entsprechenden Gruppe erhoben wird. Soldatenkinder waren gewöhnlich höheren Risiken ausgesetzt als Kinder von Angehörigen anderer Berufsgruppen. Da ab 1761 ein separates Militärregister geführt wurde und die Angaben aus den 1730er Jahren insgesamt spärlicher sind,240 beschränkt sich die Untersuchung der Säuglingssterblichkeit unter Soldatenkindern auf die 1750er Jahre. Insgesamt starben in diesem Zeitraum 116 Babys von Soldaten, darunter Kinder von Militärchirurgen, Offizieren und vor allem von einfachen Soldaten. Demgegenüber stehen 350 Taufen, bei denen Soldaten als Väter registriert wurden. Somit lag die Säuglingssterbeziffer der Soldatenkinder mit 331,43 ‰ deutlich höher als unter der gesamten Bevölkerung in den 1750er Jahren inklusive Totgeburten mit 285 ‰. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Säuglinge von Zivilisten bessere Überlebenschancen hatten. Die meisten Soldatenväter – etwa 85 % waren einfache Soldaten – ähnelten hinsichtlich ihres Einkommens und ihrer Bildung den städtischen Unterschichten. Mehrfach wurden Soldaten beschuldigt, auf den Feldern um Bonn Früchte gestohlen zu haben oder zwischen den Weinreben Bohnen anzubauen.241 In den Sterberegistern wurden zwischen 1751 und 1754 alle auf dem städtischen Friedhof beigesetzten Kinder separat gekennzeichnet, die ohne die sonst üblicherweise zu entrichtende Gebühr bestattet wurden. Leider ermöglicht diese kurze Zeitspanne keine repräsentative Analyse der Säuglingssterblichkeit unter den ärmsten Schichten der Stadt. Aber unter den „gratis“ begrabenen Kindern finden sich in der Mehrzahl Sprösslinge von Soldaten, sodass dies zumindest die Armut der einfachen Soldaten belegt. Die Säuglingssterblichkeit unter den am Hof Beschäftigten sowie in der städtischen Oberschicht kann aufgrund der Berufsangaben der Väter getrennt erhoben wer240 241
Vgl. Kapitel 1.3.1. In den Ratsprotokollen sind solche Beschwerden häufig anzutreffen, beispielsweise über den verbotenen Früchteanbau. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 22. August 1747, S. 443, oder über Diebstahl von Früchten und die Zerstörung von Feldern. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 28. November 1758, S. 194.
190
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den. Unter den am Hof Beschäftigten befinden sich allerdings nicht nur Angehörige der Oberschicht, sondern beispielsweise auch Hoflakaien und Hofkutscher; zur städtischen Oberschicht zählten neben Beamten und Adeligen auch einzelne Handwerksmeister, Kaufleute und sogar ein Gemüsegärtner. Insgesamt wird aber die Oberschicht gut repräsentiert, mit Ausnahme von einigen ärmeren Hofbediensteten. Unter den verzeichneten Berufsangaben dominieren Hofräte, Professoren, Ratsmitglieder, Adelige und reiche Kaufleute sowie wohlhabende Handwerker. Für die Untersuchung der Säuglingssterblichkeit unter den Zivilisten mit Berufsangabe werden die Jahre 1760-1769 ausgespart, weil die Berufsangaben in diesem Jahrzehnt besonders spärlich registriert wurden. Eine nach Dekaden differenzierte Analyse erscheint aufgrund der insgesamt schlechten Datengrundlage nicht sinnvoll. Insgesamt wurden in den verbliebenen drei Dekaden 140 Säuglingssterbefälle mit Berufsangabe des Vaters verzeichnet. Die Säuglingssterbeziffer dieser Gruppe war mit 186,4 ‰ deutlich niedriger als unter der gesamten Bevölkerung, in der die entsprechende Ziffer 241 ‰ für die drei untersuchten Dekaden betrug. Auch in Bonn existierte also eine „soziale Ungleichheit vor dem Tod“. Kohl hat die Kindersterblichkeit in Trierer Ärzte- und Apothekerfamilien separat erhoben und dabei festgestellt, dass die Sterblichkeit ähnlich hoch war wie in der Gesamtbevölkerung.242 Er untersuchte dabei 13 Ärzte- und fünf Apothekerfamilien zwischen 1770 und 1800. In Bonn lebten ähnlich wenige Ärzte und Apotheker; deshalb wird auf eine quantitative Analyse der Säuglingssterblichkeit in dieser Gruppe verzichtet. Es wurden nämlich nur zwei Säuglingssterbefälle bei 22 Taufen von Kindern von Ärzten registriert – eine erstaunlich niedrige Quote, die aber wegen der geringen Fallzahlen nicht verlässlich genug ist und daher nicht als repräsentativ gelten kann. Die Sterblichkeit unter den illegitim Geborenen wird aufgrund der Quellenlage nur für die 1750er, 1760er und 1780er Jahre untersucht. Die Datengrundlage ist mit insgesamt 38 verstorbenen illegitim geborenen Säuglingen nicht besonders umfangreich, sodass das Ergebnis nur entsprechend vorsichtig interpretiert werden kann. Die Säuglingssterbeziffer unter den illegitim Geborenen betrug 200 ‰ – gegenüber 244,2 ‰ unter der Gesamtbevölkerung. Dieses Ergebnis überrascht; es kann leider nicht mit anderen Städten Mitteleuropas verglichen werden, da Untersuchungen hierzu gänzlich fehlen. Kloke hat allerdings in ihrer umfassenden Untersuchung zur Säuglingssterblichkeit auf dem Land für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts mehrere Gebiete nördlich des Mains nachweisen können, in denen die illegitim Geborenen eine höhere Überlebenschance hatten. Sie erklärt dies mit den guten Beschäftigungsmöglichkeiten allein stehender Frauen in den Spinnstuben dieser Gebiete.243 Möglicherweise wurden illegitim geborene Kinder aufgrund der – überwiegend anzunehmenden – Armut der Mütter länger und ohne Ersatznahrung gestillt als legitim geborene Kinder. Die höhere Mortalität unter den Soldatenkindern, die ja ebenfalls in der Regel den Unterschichten angehörten, spricht jedoch gegen diesen Erklärungsansatz. Au242 243
KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 136 f. KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland, S. 125-127.
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ßerdem waren gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Jena deutlich mehr illegitim als legitim Geborene unter den Totgeburten vertreten.244 Gleiches kann für Bonn angenommen werden.
5.3.4.4 Ursachen und Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit Als Ursachen regional unterschiedlicher Säuglingssterblichkeit unterscheidet Kloke in ihrer Arbeit eine ganze Reihe von Faktoren, die sie auf verschiedenen Ebenen analysiert und zu „Indikatorenkomplexen“ zusammenfasst. Sie untersucht dabei makround mikroregionale Faktoren und analysiert sowohl quantitative als auch qualitative Daten. Unverständlicherweise bilden die Stillgewohnheiten, obwohl seit Beginn der Erforschung der Säuglingssterblichkeit als „Schlüsselfaktor“ anerkannt,245 keinen eigenen Faktor, sondern werden unter den „ätiologischen Faktor Ernährung“246 subsumiert. Generell werden „ätiologische Faktoren“ – dazu zählen das Stillverhalten, die Ernährung, die Wohnsituation und die Pflege der Säuglinge – in historischdemographischen Untersuchungen zur Säuglingssterblichkeit frühneuzeitlicher Städte nur äußerst selten untersucht. Im Folgenden werden diese Ursachen und die städtischen bzw. staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit erörtert. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Zedlers „Universallexicon“ zufolge „mehrentheils“ ein Jahr lang gestillt,247 wobei diese Angabe wohl nur für die nordöstlichen Territorien des Reiches gegolten haben dürfte, die dem Autor des Lexikons vertrauter waren. Stillen war in Bonn jedenfalls um 1825 „üblich“248; in Köln stillten Mütter aus ärmeren Schichten ihre Kinder häufig bis über das Säuglingsalter hinaus und auch bei wohlhabenden Bürgern war das „Selbstsäugen“ vorherrschend.249 Nach einer medizinischen Topographie von 1793 wurde in Westfalen ebenfalls „gewöhnlich“ gestillt, und zwar so lange, wie die „Umstände es erlaubten.“250 In Westfalen gewöhnten die Mütter ihre Säuglinge auch recht bald an Mehlbrei, was Georg Wilhelm Consbruch in seiner medizinischen Topographie von 1793 bereits skeptisch sah.251 Mehlbrei war auch in Bonn die übliche Nahrung für Kleinkinder, obwohl der Mehlbrei als Babyund Kleinkindnahrung in der Stadt um 1825 nicht mehr üblich war, sehr wohl aber
244 245 246
247 248 249 250
251
PÖHNERT, Die Bevölkerungsentwicklung, S. 37 f. Die Stillgewohnheiten erklären „einen großen Teil der nationalen und regionalen Unterschiede“. EHMER, Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie, S. 94. KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland, bes. S. 3 und S. 12 f. Daneben wird auf das Stillverhalten in der quantitativen Analyse im makroregionalen Rahmen (Kapitel 4) aber immer wieder eingegangen. ZEDLER, Universallexicon, Artikel „Ablactatio“, Bd. 1, Spalte 144. KÖRSCHNER, Medizinische Topographie des Kreises Bonn, S. 79. BECKER-JÁKLI, Köln um 1825, S. 102. Consbruch, G. W., Medicinische Ephemeriden nebst einer medicinischen Topographie der Grafschaft Ravensberg, Chemnitz 1793, S. 34, zitiert nach KLOKE, Säuglingssterblichkeit in Deutschland, S. 190. Ebd.
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noch auf dem Land.252 Diese Angaben legen gemeinsam mit den Ergebnissen der biometrischen Analyse und der monatlichen Verteilung folgenden Schluss nahe: In Bonn wurde während des 18. Jahrhunderts in der Regel gestillt, andersfalls Mehlbrei als übliche Ersatznahrung gewählt. Ähnlich wie in den meisten Territorien und Städten des Reiches wurden auch in Bonn zahlreiche Maßnahmen ergriffen, mit denen das Hebammenwesen und damit die Versorgung der Neugeborenen verbessert werden sollten. 1748 erließ Clemens August eine Verordnung, die eine Institutionalisierung des Hebammenwesens vorsah. Stein des Anstoßes waren die vielen Frauen im Erzstift, die sich als Hebammen ausgaben und praktizierten, obwohl es ihnen an „darzu erforderte zureichige Erfahrnus und Geschicklichkeit“253 fehlte. Danach durfte nur als Hebamme praktizieren, wer zunächst von einem Pastor und anschließend von einem Leib-Mediziner examiniert und approbiert worden war.254 Anna Christina Bachman wurde am 5. Juni 1748 nach erfolgreicher Prüfung, abgenommen vom Pastor zu St. Remigius und vom Leibmedikus Steinhausen, in Bonn als erste Hebamme vereidigt.255 Allerdings wurde in nachfolgenden Verordnungen von 1749 und 1765 von Seiten der Regierung beklagt, dass immer noch zu viele Hebammen ohne die erforderliche Examination und Approbation im Erzstift praktizieren und viele unglücklich verlaufende Geburten verschuldet hätten. Dies galt auch für Bonn: Dort wurde am 25. September 1787 den Hebammen Esser und Brandt untersagt, weiterhin zu praktizieren, weil sie die erforderliche Prüfung an der Medizinischen Fakultät nicht bestanden hatten. Es war Aufgabe des Stadtrates dafür zu sorgen, dass bei einer Geburt innerhalb der Stadt approbierte Hebammen anwesend waren.256 Am 22. Februar 1788 erließ Max Franz ein Edikt, demzufolge angehenden Hebammen aus dem gesamten Erzstift vorgeschrieben wurde, die neu errichtete Hebammenschule in Bonn zu besuchen. Die Hebammen erhielten während der Ausbildung aus Gemeindemitteln 12 Stüber pro Tag für ihren Unterhalt.257 Die Kurse wurden halbjährlich abgehalten und im Gebäude der Anatomie an der Medizinischen Fakultät sowohl in der Theorie als auch praktisch anhand von Puppen durchgeführt. Zusammen mit der Professionalisierung des Hebammenberufes erfolgte auch eine soziale Aufwertung. Standen Hebammen bisher am unteren Ende der gesellschaftlichen Hierarchie, wurden sie künftig Chirurgen und Schulmeistern gleichgestellt.258 Der sukzessiven Verbesserung des Ausbildungsstandes der Hebammen seit 1748 folgte allerdings kein signifikanter Rückgang der Säuglingssterblichkeit. Allgemein wurden examinierte Hebammen vom Volk auch nicht bevorzugt. Ob die Überlebenswahrscheinlichkeit der von examinierten Hebammen entbundenen Säuglinge tatsächlich höher war – wie von den Obrigkeiten angenommen –, wurde 252 253 254 255 256 257 258
KÖRSCHNER, Medizinische Topographie des Kreises Bonn, S. 80. StAB, Ku 94/7, Edikt vom 18. März 1748. StAB, Ku 94/7, Edikt vom 18. März 1748. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 5. Juni 1748, S. 518. StAB, Ku 58/1, Ratsprotokoll vom 25. September 1787, S. 159 f. SCOTTI, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1. Abt., 2. Teil, Nr. 871, S. 1151. WOLFF, Die medizinische Fakultät, S. 42.
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bisher nur für die Normandie in einer vergleichenden Studie empirisch überprüft. Demnach war die Rate der am Geburtstag verstorbenen Säuglinge bei von qualifizierten und unqualifizierten Hebammen betreuten Entbindungen gleich hoch, allerdings lag die Müttersterblichkeit bei den von einer examinierten Hebamme begleiteten Geburten niedriger.259 In den seit Mitte des 18. Jahrhunderts meist den Hebammenschulen angeschlossenen Geburtshospitälern war die Sterblichkeit so hoch, dass viele der in der Regel ledigen Schwangeren versuchten, sich den Hospitälern zu entziehen, in denen angehende Hebammen gewissermaßen am lebenden Objekt übten.260 Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde die hohe Säuglingssterblichkeit auch Thema unter den aufgeklärten Bonner Intellektuellen. Johann Peter Eichhoff beklagte die hohe Zahl der unter Fünfjährigen unter den Verstorbenen im Vergleich zu Frankreich, obwohl Bonn weder einen hohen Anteil an Unehelichen noch an Findelkindern aufzuweisen habe. Offenbar galten unehelich Geborene und Findelkinder schon den Zeitgenossen als besonders bedroht durch einen frühzeitigen Tod. Als hinderlich für die Überlebenschancen der Säuglinge sah Eichhoff das feste Einwickeln, Schnürbrüste und Mehlpappen an; hingegen begrüßte er das Selbststillen sehr, das seiner Ansicht nach in Bonn auch überwiegend praktiziert wurde.261 In den „Bönnischen Intelligenzblättern“ nehmen Artikel, die Ratschläge zur Gesundheit und zum allgemeinen Wohlbefinden geben, besonders viel Raum ein – ganz im Sinne der Aufklärung, der sich dieses Organ verpflichtet sah. Insbesondere ab Ende der 1780er Jahre wurde auch immer wieder die Kindererziehung und -ernährung thematisiert, wobei die meisten dieser Artikel anderen Zeitschriften entnommen waren. Dabei opponierten die Autoren – in der Regel selbst Ärzte – gegen einen europäischen Trend in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Unter den wohlhabenden Müttern entwickelte sich die Tendenz, ihre Kinder nicht mehr selbst zu stillen. Die Autoren bezeichneten das Nichtstillen als „grausame, zu diesen verderbten Zeiten mehr als allgemein gewordene Gewohnheit“262 oder beklagten sich über Mütter „der Großen und auch bei gestiegenem Luxus der mittleren Klasse“, dass sie das Stillen als Schande empfänden und „ihre Brüste nur noch zur Zierde und Lust“263 nutzen würden. Das Selbstsäugen wurde stets in den verschiedenen Artikeln als gesündeste und natürlichste Form der Ernährung eines Säuglings verteidigt. Der weit verbreitete Irrglaube unter dem Volk, ein Kind könne ohne feste Nahrung nicht groß werden, wurde widerlegt. Des Weiteren wurde Alkohol, insbesondere Branntwein, als nicht taugliche Säuglings- und Kleinkindnahrung abgelehnt und stattdessen für sauberes Regenwasser geworben.264 Bis zum Durchbruch des ersten Zahns sollte ein Kind ausschließlich Muttermilch zu sich nehmen, dann langsam an andere Nahrung gewöhnt werden. Eine vollständige Entwöhnung wurde erst empfohlen, wenn das Kind 16-20 Zähne 259 260 261 262 263 264
SCHLUMBOHM, Mütter und Kinder retten, S. 340. Ebd., S. 341 f. In Jena mieden Schwangere ebenfalls das der Hebammenschule angeschlossene Geburtshaus. PÖHNERT, Zum Problem der Illegitimität, S. 81 f. EICHHOFF, Materialien der geist- und weltlichen Statistick, Bd. 1, S. 146-147. Bönnisches Intelligenzblatt vom 19. Oktober 1790, S. 336. Bönnisches Intelligenzblatt vom 26. März 1789, S. 98. Bönnisches Intelligenzblatt vom 17. April 1789, S. 122 und S. 125 f.
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habe – also weit über das erste Lebensjahr hinaus. Die Hinzuziehung einer Amme zum Säugen des Kindes wurde abgelehnt, weil Infektionskrankheiten und andere körperliche Mängel der Amme, die solche naturgemäß eher verschweige, sich negativ auf das Kind auswirken könnten.265 Diese medizinisch meist sinnvollen Ratschläge wurden unter den europäischen Intellektuellen ausgetauscht. Fraglich bleibt dabei, inwiefern z. B. die Frau eines Bonner Schustermeisters von diesen Ratschlägen profitieren konnte. Sicherlich wurden diese Inhalte aber an der Hebammenschule der Medizinischen Fakultät gelehrt, sodass über die Hebammen das Wissen bis zur einfachen Hausmutter in der Stadt getragen worden sein dürfte. Nicht alle der Ratschläge sind aber nach heutigem Kenntnisstand förderlich für die Gesundheit der Nachkommen gewesen. Es wurde beispielsweise Schwangeren geraten, bis kurz vor der Entbindung körperlich hart zu arbeiten und nicht zu „verzärteln“. Als Begründung diente dabei ein Vergleich mit der Tierwelt: „Wenn man von Thieren eine starke Zucht haben will, so lässt man die Mutter gut arbeiten, und ihren Leib üben; und hierinn sollen wir sie nachahmen, weil wir in diesem Verhältnis nichts anders als Thiere sind.“266
Um letztlich die langfristige Wirkung dieser ab Ende der 1780er Jahre forcierten Maßnahmen bestimmen zu können, müsste die Säuglingssterblichkeit in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts untersucht werden. Denn die 1790er Jahre eignen sich aufgrund der zahlreichen Krisenjahre infolge der politischen Ereignisse nicht für einen Vergleich.
5.4 Räumliche Bevölkerungsbewegung Unter der räumlichen Bevölkerungsbewegung wird die Ein- und Auswanderung verstanden; sie ist für das Verständnis nicht nur der Bevölkerungsentwicklung, sondern der generativen Struktur insgesamt in frühneuzeitlichen Städten bedeutsam. Das große Wachstum der Residenzstädte im 18. Jahrhundert wird in erster Linie auf Zuwanderung zurückgeführt. In diesem Kapitel stehen nicht nur die Bestimmung der Höhe der Zuwanderung und Vergleiche mit anderen Städten im Vordergrund, sondern vor allem die Entwicklung der Zuwanderung im Verlauf des 18. Jahrhunderts (Kapitel 5.4.1). Wie groß war der Anteil der Zuwanderung am Bevölkerungsboom bis 1760? Nahm die Zuwanderung parallel zum Bevölkerungsrückgang in den 1760er Jahren signifikant ab? Neben der Beantwortung dieser beiden zentralen Fragen werden die Herkunftsorte (Kapitel 5.4.2) und die Berufe (Kapitel 5.4.3) der Zuwanderer auf Veränderungen im Verlauf des 18. Jahrhunderts hin untersucht. In zahlreichen historisch-demographischen Studien wird die Zuwanderung vornehmlich anhand der Eintragungen in den Heiratsregistern analysiert. Daneben sind Bürgerbücher, d. h. Verzeichnisse über aufgenommene Neubürger, eine ebenfalls häufig genutzte Quelle für die Untersuchung der Zuwanderung in eine Stadt. Wenn 265 266
Bönnisches Intelligenzblatt vom 9. März 1790, S. 78. Bönnisches Intelligenzblatt vom 16. März 1790, S. 83.
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Angaben zu den Herkunftsorten regelmäßig verzeichnet wurden, bieten die Heiratsregister den Vorteil, dass sie alle Einwohner der entsprechenden Konfession im Untersuchungsgebiet erfassen. In den Bürgerbüchern fehlen zwar die eximierten Oberschichten und ihre Bediensteten, die nicht bürgerlichen Unterschichten sowie im Allgemeinen Frauen und Kinder – es wird also nicht die gesamte Einwohnerschaft repräsentiert. Aber dafür bieten sie häufig mehr Informationen über die Einwanderer und stellen daher eine alternative Möglichkeit dar, die Zuwanderung zu untersuchen, wenn Herkunfts- und Berufsangaben in den Heiratsregistern fehlen bzw. unvollständig sind. Da die Qualität der Bonner Kirchenbücher relativ schlecht ist, kann diese Quelle nicht für eine umfassende Analyse herangezogen werden: Die Herkunftsorte der Ehepartner wurden während des gesamten Untersuchungszeitraumes nur sporadisch verzeichnet und Berufsangaben fehlen fast vollständig.267 Die Angaben in den Heiratsregistern werden daher lediglich für die Bestimmung der Geschlechterverteilung der Zuwanderer benutzt. Außerdem bieten die Kirchenbücher vereinzelte Hinweise auf Auswanderung. Zwischen 1715 und 1794 wurden in allen vier Bonner Stadtpfarreien 7.472 Ehen geschlossen, aber nur bei 877 Bräutigamen (11,7 %) und bei 562 Bräuten (7,5 %) wurden auswärtige Herkunftsorte verzeichnet. Dabei sei noch angemerkt, dass auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Herkunftsorte nur unregelmäßig registriert wurden: Zwischen 1761 und 1794 wurden bei 14,8 % aller Bräutigame und bei 8,8 % aller Bräute auswärtige Herkunftsorte angegeben; zwischen 1715 und 1760 war dies sogar nur bei 9,6 % der Bräutigame und bei 6,6 % der Bräute der Fall. Daraus darf nicht geschlossen werden, dass zwischen 1761 und 1794 der Anteil der auswärtigen Heiratspartner höher war. Vielmehr deutet dies lediglich auf eine etwas sorgsamere Führung der Kirchenbücher in den letzten Dekaden des Ancien Régime hin. Insgesamt kann aus den Eintragungen in den Heiratsregistern abgeleitet werden, dass während des gesamten 18. Jahrhunderts mehr auswärtige Männer als auswärtige Frauen einen Bonner bzw. eine Bonnerin heirateten. Eine größere Mobilität der Männer hat auch Rödel in seiner Untersuchung der Zuwanderung nach Mainz anhand der Einträge in den Heiratsregistern einer Mainzer Pfarrei festgestellt.268 In der mehrkonfessionellen Stadt Duisburg waren hingegen auswärtige Bräute in der Überzahl.269 Zur räumlichen Bevölkerungsbewegung zählt gleichermaßen die Auswanderung, die aber in vielen Studien komplett ausgespart wird, weil die Quellenlage im Allgemeinen keine umfassende Analyse zulässt. Auch in Bonn ist die Quellenlage sehr schlecht. Rödel hat in seiner Studie zu Mainz zwei Wege aufgezeigt, wie trotz einer auch in Mainz schlechten Quellenlage Hinweise auf den Umfang der Auswanderung zu erhalten sind: 1. Die Durchsicht der Herkunftsorte von Zuwanderern in anderen historischdemographischen Untersuchungen nach Personen, die aus dem eigenen Untersuchungsort ausgewandert sind. 267 268 269
Vgl. Kapitel 1.3.1. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 323. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 291.
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2. Die Analyse der Entlassungen zur Heirat in auswärtige Pfarreien, d. h. der Dimissionen.270 Der erste Ansatz wird auf absehbare Zeit keine Erfolg versprechenden Ergebnisse liefern können, weil zum einen Untersuchungen zur Zuwanderung nicht flächendeckend vorliegen und zum anderen die meisten Untersuchungen nicht einmal größere Städte auflisten, aus denen die Zuwanderer stammten.271 Rödel selbst hat zwar die Auflistungen aus den Studien zu Koblenz und Genf genutzt, aber die Herkunftsstädte der Mainzer Einwanderer nicht aufgeführt. Der zweite Ansatz, die Analyse der Dimissionen in auswärtige Pfarreien, erscheint vielversprechender, obwohl er in weiteren Studien nur selten rezipiert wurde. Leider wurden Dimissionen in auswärtige Pfarreien in den Bonner Registern nur spärlich verzeichnet, sodass keine verlässlichen Aussagen getroffen werden können. Von insgesamt nur 16 Ortsnennungen in den Heiratsregistern zwischen 1715 und 1798 entfallen drei auf Köln, eine auf Wetzlar, eine auf Wittgenstein im Sauerland und der Rest auf Orte im kurkölnischen Oberstift, also nahe an Bonn gelegen. Insgesamt scheint daher wie für Mainz zu gelten, dass nur eine Minderheit das eigene Territorium verließ und die Mehrheit sogar innerhalb des Oberstifts bzw. im mainzischen Untererzstift verblieb.272 Sicherlich werden konfessionelle und politische Auswanderungshürden oftmals eine Ausreise in ein fremdes Territorien verhindert haben, dennoch gab es im 18. Jahrhundert eine rege Migration zwischen den Territorien, sodass wahrscheinlich ein Großteil der im eigenen Territorium verbliebenen Auswanderer aus eigenem Antrieb seinem Landesherrn treu blieb.
5.4.1 Die Zuwanderung Die Entwicklung der Zuwanderung wird anhand der Neubürgeraufnahmen untersucht. Es liegt kein zeitgenössisches Bürgerbuch aus dem 18. Jahrhundert vor. Neubürgeraufnahmen wurden jedoch sowohl in den Ratsprotokollen als auch in den Stadtrechnungen festgehalten, und zwar in Form des zu entrichtenden Bürgergeldes. Diese dem Inhalt nach doppelte Überlieferung hat den Vorteil, dass für Jahre, aus denen entweder die Protokolle oder die Stadtrechnungen nicht überliefert sind, trotzdem die Anzahl der Neubürger bestimmt werden kann.273 Die Aufzeichnungen der Bürgeraufnahmen aus beiden Quellen sind von 1638-1640 und von 1684-1793 lückenlos überliefert. Eine Zusammenstellung der Neubürgeraufnahmen aus beiden Quellen 270 271
272
273
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 331. Die Weichen sind für ein solches Vorhaben bereits gestellt. Beispielsweise hat die Westdeutsche Gesellschaft für Familienkunde schon über 40 % der Kirchenbücher im Rheinland verkartet. Wenn in einem Raum von etwa 50 km2 Radius sämtliche Pfarrregister verkartet wären, könnte die Nahwanderung in einer gänzlich neuen Dimension analysiert werden. Die deutlich repräsentativeren Mainzer Ergebnisse – der Datenpool besteht aus 256 Dimissionen – zeigen, dass 52,73 % der Orte, in die Gemeindemitglieder entlassen wurden, im Untererzstift lagen, also im direkten Umland von Mainz. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 332. Glücklicherweise gibt es kein Jahr, aus dem weder die Stadtrechnungen noch die Ratsprotokolle überliefert sind.
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liegt als unveröffentlichtes Dokument vor;274 andernfalls wäre es kaum möglich gewesen, für den langen Untersuchungszeitraum sämtliche Neubürgeraufnahmen aus den Ratsprotokollen und den Stadtrechnungen im Rahmen dieser Studie zu exzerpieren. Wie lief eine Neubürgeraufnahme ab? Ein Neubürger musste in einer Sitzung des Bonner Magistrats den Bürgereid ablegen, um das Bürgerrecht zu erhalten.275 Auswärtige Neubürger mussten darüber hinaus ihre eheliche Geburt entweder durch Zeugen oder durch einen Taufschein belegen.276 Die Vereidigung neuer Bürger wurde regelmäßig in den Ratsprotokollen vermerkt. Darüber hinaus verzeichnete der Stadtrentmeister in den Stadtrechnungen, ob der zu entrichtende Betrag auch tatsächlich bezahlt wurde oder ob der Neubürger das Bürgergeld teilweise oder vollständig schuldig blieb. Dabei kann der Zeitpunkt des Erwerbs des Bürgerrechtes nicht mit dem Zuzug des Neubürgers in die Stadt gleichgesetzt werden, der zeitlich oftmals weit vorher lag. Dies war z. B. häufig bei Gesellen der Fall, die erst mit dem Meisterbrief berechtigt waren, das Bürgerrecht zu erwerben. Diesen Nachteil weisen aber auch die Eintragungen in den Heiratsregistern auf, denn der Zeitpunkt der Eheschließung war ebenfalls nicht identisch mit dem Zeitpunkt des Zuzugs. Außerdem ließen sich nicht alle Paare, die in einer Stadt heirateten, dort auch dauerhaft nieder.277 In der Regel konnten nur Männer das Bürgerrecht erwerben. Überliefert ist jedoch auch eine Bürgerrechtsverleihung an eine Frau, Mademoiselle Maria Dorothea Marnette, dem Namen nach zu urteilen wohl eine Französin; sie erwarb am 1. März 1759 das Bonner Bürgerrecht.278 In der Generalservisanschlagliste von 1763 wird sie als ledige „Winckelier“ geführt, die in der Brüdergasse wohnte und ihr Geschäft betrieb. Da sie 5 Rtlr. Servisgeld zahlte – deutlich mehr als der Durchschnitt –, gehörte Mademoiselle Marnette zu den wohlhabenden Bürgern.279 Das Bürgerrecht wurde jedoch an keine weitere Frau verliehen, sodass dieser Fall eine Ausnahme blieb, über deren Hintergründe die Quellen schweigen. Obwohl die Neubürgeraufnahmen nur einen Teil der Zuwanderer – unterbürgerliche Schichten fehlen – erfassen, enthalten sie in der Regel weitaus mehr Informationen zum sozioökonomischen Hintergrund der Einwanderer als Heiratsregister. Denn die Höhe des für den Erwerb des Bürgerrechtes zu entrichtenden Betrages erlaubt Rückschlüsse auf die familiäre und berufliche Situation des Neubürgers. Fremde mussten demnach grundsätzlich ein höheres Bürgergeld zahlen, während mit einer Einheimischen verheiratete Neubürger weniger zahlten. Das Bürgergeld wurde nicht immer direkt in voller Höhe oder zeitnah bezahlt; auch darüber informieren die Ein274 275 276 277
278 279
An dieser Stelle sei Herrn Ottmar Prothmann, pensionierter Archivar des Bonner Stadtarchivs, für die Überlassung seiner Abschriften aus den Ratsprotokollen und Stadtrechnungen gedankt. StAB, Ku 39/1. StAB, II c 37, Vollständige Sammlung, Bd. 2, Erneuerte Policeyordnung von 1698, S. 303. François hat aufgrund dieses Einwandes auf eine Analyse der Heiratsregister verzichtet und stattdessen ebenfalls das Bürgerbuch ausgewertet. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 43 f. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 1. März 1759, S. 243. StAB, Ku 79/6, Generalservisanschlagliste 1763.
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träge in den Stadtrechnungen. Die Entwicklung der Höhe des Bürgergeldes soll im Folgenden kurz dargestellt werden. Die Höhe des Bürgergeldes hing davon ab, ob der Neubürger der Sohn eines Bürgers war, eine Bürgertochter oder -witwe heiratete oder ob er sich als Auswärtiger in Bonn dauerhaft niederließ. Somit kann anhand des in den Stadtrechnungen genannten Betrages bestimmt werden, zu welcher Kategorie der betreffende Neubürger zählte. Bürgersöhne zahlten während des gesamten 18. Jahrhunderts 1 Taler und 16 Albus bzw. 1 Rtlr. und 12 Stüber. Mit einer Bürgerwitwe Verheiratete zahlten zwischen 1690 und 1709 nur so viel wie ein Bürgersohn oder mit einer Bürgertochter verheirateter Neubürger, obwohl eine Verordnung vorsah, dass sie die Hälfte des vollen Bürgergeldes zu zahlen hatten.280 Dieses betrug für Auswärtige ohne einheimischen Ehepartner bis zum 17. September 1754 in der Regel 6 Goldgulden und 1 Taler; es wurde am 17. September geringfügig auf 9 Rtlr. 32 Albus erhöht.281 Sicherlich beabsichtigte der Magistrat hiermit, zahlreiche junge Handwerker in die von den Belagerungen gezeichnete Stadt zu locken, um den Aderlass an Einwohnern infolge der Zerstörung Bonns im Jahre 1689 schneller ausgleichen zu können. Zu Beginn des Jahres 1763 wurde das Bürgergeld für Fremde von 9 auf 30 Rtlr. erhöht. Mit einer Einheimischen verheiratete auswärtige Neubürger zahlten von nun an 10 Rtlr., während der Betrag für Bürgersöhne nicht angehoben wurde. Ob diese Maßnahme des neuen Kurfürsten lediglich der Sanierung des hoffnungslos verschuldeten städtischen Haushaltes diente – die zusätzlichen Einnahmen sollten „ausschließlich zur Tilgung der Stadtschulden verwendet werden“282 – oder ob damit auch eine Eindämmung der Zuwanderung beabsichtigt war, lässt sich leider anhand der überlieferten Dokumente nicht mehr nachvollziehen. In den anderen geistlichen Residenzstädten im Rheinland gab es ebenfalls Erhöhungen des Bürgergeldes: Beispielsweise wurde in Koblenz 1751 das Bürgergeld von 10 Rtlr. und 26 Albus auf 24 Rtlr. angehoben.283 Verschiedene Einwohner erhielten das Bürgerrecht sogar gratis – zum Missfallen der Zünfte. Die meisten dieser Neubürger wurden durch kurfürstlichen Befehl aufgenommen, weil sie am oder für den Hof tätig waren. Gewöhnlich genügte ein kurfürstliches Dekret für den kostenfreien Erwerb des Bürgerrechts. Der Landesherr griff durch seine Bürgerrechtsverleihungen in das genuin städtische Recht der Bürgerrechtsvergabe ein; diese Fälle waren jedoch so selten, dass die wirtschaftlichen Einbußen für die Stadt zu verkraften waren.284 So wurde beispielsweise am 26. Oktober 1773 dem ehemaligen Soldaten Ludwig Herzog das Bürgergeld durch kurfürstlichen Befehl erlassen, weil er 26 Jahre in Diensten des Kurfürsten gestanden hatte.285 Der 280 281 282 283 284 285
StAB, II c 37, Vollständige Sammlung, Bd. 2, Erneuerte Policeyordnung von 1698, S. 304. Es handelte es sich um eine Erhöhung um ca. 2 Rtlr. und 32 Albus, denn 6 Goldgulden und 1 Taler entsprachen ca. 7 Rtlr. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, S. 34. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 45. Ähnlich verhielt es sich in der geistlichen Residenzstadt Würzburg. SCHOTT, Das Verhältnis der Stadt Würzburg zur Landesherrschaft, S. 390. StAB, Ku 55/3, Ratsprotokoll vom 26. Oktober 1773, S. 809.
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Maler Johannes Alexander Monro hatte ein Porträt Joseph Clemens’ angefertigt und erhielt im Gegenzug am 9. Februar 1717 das Bürgerrecht ohne Zahlung des Bürgergeldes.286 In städtische Dienste tretende Neubürger erfuhren dagegen keine Sonderbehandlung. Sie mussten normalerweise den vollen Betrag entrichten. Selbst der Stadtsekretär Caspar Wolff Engels zahlte am 19. April 1758 den „Höchstsatz“ für fremde Neubürger, als er das Amt des tags zuvor verstorbenen Stadtschreibers Ordenbach übernahm.287 Mitunter waren es aber auch ganz zufällige Begebenheiten, die zum Vorteil des Neubürgers gereichten: Frans Caspar Becker, einem Bürgersohn, wurde am 29. Oktober 1737 das Bürgergeld erlassen, weil er als erster Bürger im neuen Rathaus vereidigt wurde.288 Die Vergabe des Bürgerrechtes und die Registrierung wurden jedoch nicht so streng gehandhabt, wie sich dies die Zünfte in Bonn vorstellten. So forderten die Zwölfter regelmäßig und vehement in den Ratssitzungen, eine separate und übersichtliche Auflistung der Neubürgeraufnahmen zu erstellen: „Wird repetirt, daß die zahl vieler, so nicht bürger seyen anwachse, deßwegen löbl. Magistrat ein bürgerbuch nach dem A.B.C. anordnen möge, umb bey visitierung sehen zu können, wer bürger seyn oder nicht.“289
Die Zünfte störte es, dass zahlreiche Einwohner Bonns ohne Bürgerrecht und damit auch ohne Zunftzugehörigkeit einem Gewerbe nachgingen. Diesem Wunsch kam der Stadtrat schließlich nach und ließ unter tatkräftiger Mitwirkung der Zünfte eine alphabetische Aufstellung der Neubürger zwischen 1737 und 1753 anfertigen.290 Eine fortlaufende Führung dieser Bürgerrolle unterblieb jedoch. Des Weiteren störten sich die Zünfte, aber auch der Magistrat daran, dass nicht alle Einwohner Bonns, die „bürgerliche Nahrung“ betrieben, das Bürgerrecht erwarben. Daher wurden in den Ratssitzungen Gewerbe treibende Personen ohne Bürgerrecht mehrfach aufgefordert, vor dem Magistrat zu erscheinen, um den Eid abzulegen und das Bürgergeld zu entrichten. Diese nachträglichen Bürgeraufnahmen von bereits seit längerem in Bonn lebenden Personen werden im Folgenden aufgeführt, damit die nachfolgend vorgenommenen Eingrenzungen der Untersuchungszeiträume zur Vermeidung statistischer Verzerrungen in den quantifizierenden Analysen nachvollzogen werden können. Am 1. März 1746 wurden 134 Einwohner Bonns, die seit längerem einem Gewerbe in der Stadt nachgingen, in einem kurfürstlichen Dekret aufgefordert, das Bürgerrecht zu erwerben. Es erschienen aber zunächst nur fünf Personen, die dazu die Auf286 287 288
289 290
StAB, Ku 53/4, Ratsprotokoll vom 9. Februar 1717, S. 9 f. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokoll vom 19. April 1758, S. 51. StAB, Ku 63/2, Stadtrechnungen 1736-1740, Teil 2, fol. 200v. Erst am selben Tag, dem 29. Oktober 1737, wurde das neue Rathaus von Bürgermeister und Rat bezogen. Der Bau des Rathauses erfolgte zwischen dem 24. April 1737 und dem 5. November 1737. Der Bau des Bonner Rathauses, S. 23 f. StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 3. Oktober 1750, S. 642. StAB, Ku 93/3.
200
Die Bevölkerungsbewegung
lage erhielten, innerhalb von acht Tagen einer Zunft beizutreten.291 In den nachfolgenden Tagen traten jedoch weitere 64 Personen vor den Rat, darunter überwiegend Auswärtige, und legten den Bürgereid ab. Am 8. März 1759 griff der Stadtrat zu schärferen Mitteln: Aufgrund eines kurfürstlichen Reskripts drohte er den jungen Männern, die sich bisher geweigert hatten, das Bürgerrecht zu erwerben, mit der Auslieferung zum Militärdienst an die kurfürstliche Kommission. Daraufhin meldeten sich tatsächlich 58 Männer, die am 13. März 1759 den Bürgereid ablegten. Unter ihnen befanden sich zwar überwiegend Fremde, aber auch sehr viele Bürgersöhne, die trotz des niedrigen Betrages bis dato anscheinend keine Veranlassung sahen, das Bürgerrecht zu erwerben. Am 14. März gingen der Stadtmeier und der Stadtsekretär von Haus zu Haus und lieferten 15 junge Männer zum Kriegsdienst aus, acht weitere wurden aber noch als Neubürger angenommen. Entweder hatten sie überzeugendere Gründe für ihr Versäumnis als die 15 zum Militärdienst bestimmten Männer oder nur sie verfügten über die entsprechende Summe für den Erwerb des Bürgerrechtes.292 Auch unter dem strengen Regiment des Bonner Polizeidirektors von Belderbusch und während der Regierungszeit Max Franz’ gelang es vielen Einwohnern, ohne Bürgerrecht einem Gewerbe nachzugehen. Am 7. Mai 1785 beschwerten sich die Zwölfter vehement vor dem Stadtrat über die hohe Zahl an Auswärtigen, die ohne Bürgerrecht ein Gewerbe in der Stadt ausübten. Durch eine umgehend erlassene GeneralVerordnung forderte der Stadtrat von sämtlichen Einwohnern Bonns, die Auswärtigen ohne Bürgerrecht Unterkunft gewährten, diese dem Stadtrat zu melden. Bei Nichtbeachtung der Meldepflicht drohte eine Geldstrafe; die Auswärtigen ohne Bürgerrecht sollten hingegen aus der Stadt ausgewiesen werden. Daraufhin erwarben 24 Einwohner das Bürgerrecht, darunter erstaunlicherweise überwiegend Bürgersöhne. Am 25. Mai 1785 wurde eine außerordentliche Sitzung des Magistrats einberufen, weil sich immer noch sehr viele Personen scheuten, das Bürgerrecht zu erwerben. Am 31. Mai 1785 wurden daraufhin 14 Neubürger vereidigt, von denen ebenfalls die meisten Bürgersöhne waren.293 Am 15. Dezember 1791 wurden erneut alle unrechtmäßig ohne Bürgerrecht in Bonn wohnenden Personen vor den Stadtrat geladen, aber nur zwei Personen erschienen.294 Am 4. Oktober 1792 fand der Brandmeister bei einer Visitation 18 Personen ohne Bürgerrecht vor, die umgehend vor den Rat geladen wurden, um sich als Bürger vereidigen zu lassen. Dies geschah jedoch nicht.295 Die Zusammenstellung der Anzahl der Neubürger und des Anteils der auswärtigen Neubürger in Zehnjahresschritten in Tabelle 22 zeigt, dass in den Dekaden mit den meisten Neubürgeraufnahmen auch der Anteil der Fremden besonders hoch lag. Zwischen 1730 und 1759 kamen demnach die meisten Fremden nach Bonn; im gleichen Zeitraum nahm auch die Anzahl der Taufen signifikant zu: Ein Zusammenhang zwischen zugewanderten Neubürgern und der Zunahme an Taufen ist offensichtlich.296 291
StAB, Ku 54/1, Ratsprotokoll vom 1. März 1746, S. 320. StAB, Ku 54/2, Ratsprotokolle vom 8. März bis zum 14. März 1759, S. 246-253. 293 StAB, Ku 57/3, Ratsprotokoll vom 7. Mai und vom 25. Mai 1785, S. 154 und S. 155-158. 294 StAB, Ku 58/5, Ratsprotokoll vom 15. Dezember 1791, S. 237 f. 295 StAB, Ku 58/6, Ratsprotokoll vom 4. Oktober 1792, S. 259. 296 Vgl. Kapitel 5.1.1. 292
Räumliche Bevölkerungsbewegung
201
Tabelle 22: Anzahl der Neubürger und der Anteil der auswärtigen Neubürger in % (1690-1789) Jahrzehnt
Neubürger insg.
Auswärtige Neubürger in %
1690-1699
236
59,8
1700-1709
214
52,8
1710-1719
398
62,8
1720-1729
283
68,6
1730-1739
545
74,7
1740-1749
493
75,1
1750-1759
595
62,4
1760-1769
381
57,0
1770-1779
337
59,6
1780-1789
465
52,0
Insg.
3.947
62,5
Die Aufstellung der Neubürger in Zehnjahresschritten eignet sich jedoch aufgrund der dargestellten unregelmäßigen „Sammelbürgeraufnahmen“ nicht für die Untersuchung des Einflusses des kurfürstlichen Hofes auf die städtische Zuwanderung. Dabei geht es im Kern um die Frage, ob infolge der personellen Verkleinerung des Hofes auch die Zahl der zugewanderten Neubürger in der Zeit unter Max Friedrich und Max Franz zurückging. Zu diesem Zweck wird die Anzahl der Neubürger für zwei gleich große Zeiträume während des 18. Jahrhunderts miteinander verglichen. Die Wahl fiel dabei auf die Zeiträume 1726-1753 und 1766-1793, jeweils 28 Jahre. Zwei Gründe waren für diese Auswahl maßgeblich: 1. Wie bereits dargestellt, wurden im Verlauf des 18. Jahrhunderts mehrmals Einwohner zum Ablegen des Bürgereids gezwungen, die bis dahin unrechtmäßig ohne Bürgerrecht in Bonn gelebt hatten. Diese „Sammelvereidigungen“ von Neubürgern verzerren eine Darstellung der jährlichen Zuwanderung. Man könnte diese nachträglichen Bürgeraufnahmen gänzlich aus der Analyse herausnehmen, aber dann würden möglicherweise wichtige Informationen verloren gehen, weil z. B. bestimmte Bevölkerungsgruppen sich besonders häufig weigerten, das Bürgerrecht zu erwerben. Deshalb wurden zwei Zeiträume gewählt, in denen sich diese auf einen Zeitpunkt gedrängten Aufnahmen mehrerer seit geraumer Zeit in Bonn lebender Personen ungefähr ausgleichen. Bei der vorgenommenen Wahl wird die größte nachträgliche Bürgeraufnahme vom März 1759 mit 71 Neubürgeraufnahmen herausgenommen, die weiteren größeren nachträglichen Aufnahmen mehrerer Bürger, 1746 und 1785, halten sich quantitativ ungefähr die Waage.297 2. Während dieser beiden Zeiträume blieb die Stadt von äußeren Einwirkungen durch Kriege weitgehend verschont. Sowohl die Belastungen durch die zahlreichen 297
In Tabelle A 7 im Anhang sind alle Bürgeraufnahmen zwischen 1786 und 1793 aufgeführt.
202
Die Bevölkerungsbewegung
Einquartierungen fremder Truppen während des Siebenjährigen Krieges als auch die direkt Bonn betreffenden kriegerischen Handlungen zu Beginn und zu Ende des 18. Jahrhunderts werden bei der Untersuchung ausgeklammert. Tabelle 23: Anteil der Bürgersöhne und Auswärtigen an allen Neubürgern (1726-1753; 1766-1793)
1726-1753
Neubürger insg. 1.379
1766-1793
1.275
Zeitraum
Bürgersöhne
Auswärtige
Auswärtige in %
363
1.016
73,7
541
734
57,6
Im Zeitraum von 1726 bis 1753 erwarb ca. ein Viertel mehr Zuwanderer das Bonner Bürgerrecht als zwischen 1766 und 1793 (Vgl. Tabelle 23). Die tatsächliche Zuwanderung war größer, weil eben die nicht zum Erwerb des Bürgerrechts willigen oder fähigen Einwohner fehlen. Dennoch können die Neubürgeraufnahmen als „Indiz“298 für die Bedeutung und die Veränderung der Zuwanderung insgesamt dienen, weil vor allem Handwerker und Händler das Bürgerrecht erwarben und diese großen Bevölkerungsgruppen die Stadt gut repräsentieren, auch wenn die für eine Residenzstadt bedeutende Gruppe der am Hof Tätigen sowie die Unterschichten ausgespart bleiben.299 Bei entsprechenden rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen nutzten auswärtige Zuwanderer die Möglichkeit, gegen ein nicht unerhebliches Entgelt das Bonner Bürgerrecht zu erwerben. Während des gesamten 18. Jahrhunderts waren diese Voraussetzungen, z. B. eine freie Stelle in einer Zunft oder der Nachweis eines bestimmten Vermögens, Zuwanderungshürden, die überwunden werden mussten. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass bei einer schrankenlos möglichen Einwanderung die Zahl der Zuwanderer deutlich höher gewesen wäre, dies aber allein schon die wirtschaftlichen und räumlichen Möglichkeiten Bonns nicht zugelassen hätten – von den Einwänden der Zünfte abgesehen. Die Abnahme der auswärtigen Zuwanderer um ca. ein Viertel zwischen 1766 und 1793 im Vergleich zu 1726 bis 1753 ist deutlich niedriger als erwartet. Das geringe Ausmaß des Rückgangs der Zuwanderer überrascht vor allem deshalb, weil die Bevölkerung zwischen 1726 und 1753 stark wuchs, während sie zwischen 1766 und 1793 sogar abnahm bzw. stagnierte.300 Angesichts der Verdreifachung des ab 1762 zu entrichtenden Bürgergeldes wäre ein stärkerer Rückgang nicht überraschend gewesen. Die Zahl der Bürgersöhne, die das Bürgerrecht erwarben, nahm zwar zwischen 1766 und 1793 zu, übertraf aber selbst in diesem Zeitraum nicht die Zahl der auswärtigen Neubürger! Bonn blieb auch im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts attraktiv für auswärtige Handwerker und Händler. 298 299 300
Rödel wählt diesen Begriff zur Kennzeichnung der Aussagekraft von Neubürgeraufnahmen für die Zuwanderung insgesamt. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 73. Die Migration der am Hof tätigen Einwohner Bonns wird in Kapitel 4.1 anhand der Hofkalender untersucht. Vgl. Kapitel 2.4.
Räumliche Bevölkerungsbewegung
203
Die Zahl derjenigen Fremden, die eine Bürgertochter oder -witwe heirateten, blieb trotz des Rückgangs der auswärtigen Zuwanderer nahezu unverändert: Zwischen 1726 und 1756 waren 363 der auswärtigen Neubürger mit einer Bürgertochter und 75 mit einer Bürgerwitwe verheiratet, zwischen 1766 und 1793 erhielten 315 Fremde aufgrund einer Ehe mit einer Bürgertochter und 72 aufgrund einer Ehe mit einer Bürgerwitwe eine Ermäßigung des zu entrichtenden Bürgergeldes. Es dürfte sich bei den auswärtigen Ehepartnern der Witwen in der Regel um Handwerker des gleichen Berufes gehandelt haben, den der verstorbene Ehemann der Witwe bereits inne gehabt hatte, denn auf diese Weise erwarben die auswärtigen Handwerker einen eigenen Betrieb.301 Ein Vergleich mit anderen historisch-demographischen Arbeiten zeigt, dass es für eine frühneuzeitliche Stadt keineswegs typisch war, dass sich die Mehrzahl der Neubürger aus Fremden zusammensetzte. In Alzey beispielsweise, einer mehrkonfessionellen mittelgroßen Ackerbürgerstadt, die sich natürlich in vielerlei Hinsicht von Bonn unterschied, erwarben in jeder Dekade während des gesamten 18. Jahrhunderts 302 mehr Einheimische als Fremde das Bürgerrecht. Auch in Koblenz, der benachbarten Residenzstadt des trierischen Kurfürsten, waren die einheimischen Neubürger zwischen 1727 und 1797 – bis auf eine Ausnahme – geringfügig in der Überzahl: Im 303 Mainz, die Durchschnitt stammten ca. 57 % der Neubürger aus Koblenz selbst. größte geistliche Residenzstadt, übte eine große Anziehungskraft auf Einwanderer aus, sodass dort in den Dekaden zwischen 1700 und 1770 der Anteil der Fremden unter den Neubürgern zwischen 60 und 70 % schwankte.304 Somit war der Anteil der auswärtigen Neubürger in Bonn unter Clemens August etwas größer und unter den beiden nachfolgenden Kurfürsten etwas kleiner als in Mainz. Sowohl in Mainz als auch in Koblenz erwarben mehr Menschen das Bürgerrecht in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – analog zur Bevölkerungsentwicklung in den beiden Städten und im Gegensatz zu Bonn. Die Zuwanderungswerte können demnach auch als repräsentativ für die gesamte Stadt gelten. Der Anteil der Auswärtigen an den Neubürgern lag in Mainz und Bonn – unter Clemens August – sogar höher als in ähnlich großen weltlichen Residenzstädten: In Weimar, der protestantischen Residenzstadt eines kleinen Territoriums, betrug der Anteil zwischen 1692 und 1725 58 %305 und in der ebenfalls protestantischen Residenzstadt Ansbach 62 %.306 Lediglich in Berlin, dem politischen und wirtschaftlichen Zentrum Preußens, blieb der Anteil der Auswärtigen unter den Neubürgern zwischen
301 302
303 304 305 306
KLUGE, Die Zünfte, S. 245. HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 91. In Hersfeld, einer mittelgroßen Stadt im Norden Hessens, waren nur 37 % der Neubürger zwischen 1649 und 1756 Fremde. WITZEL, Hersfeld 1525 bis 1756, S. 40. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 44. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 76. HUSCHKE, Die Neubürger der Stadt Weimar, S. 13. BAHL, Ansbach, S. 180.
204
Die Bevölkerungsbewegung
1680 und 1740 konstant bei ca. 70 %.307 Allgemein wird angenommen, dass in frühneuzeitlichen Städten ca. 50 % der Neubürger Fremde waren.308 Diese Vergleiche belegen eindrucksvoll die hohe Attraktivität prosperierender geistlicher Herrschaftssitze, die wirtschaftlich eine große Anziehungskraft auf Zuwanderer ausübten. Dies steht im Widerspruch zu Forschungsthesen, die geistliche Staaten aufgrund einer „intendierte[n] Rückständigkeit“309, fehlender Modernisierungen310 oder verkrusteter Verwaltungsstrukturen311 in einem Unterordnungsverhältnis zu weltlichen Staaten sehen. Vielmehr bestärkt der hohe Anteil an Zuwanderern die Ansicht, dass geistliche Staaten „hinsichtlich der allgemeinen Landesverwaltung und -ökonomie den Vergleich mit weltlichen keinesfalls scheuen“312 mussten und dass die zeitgenössische Phrase, „unter dem Krummstab sei gut leben“, auch den Zuwanderern bekannt gewesen sein dürfte.
5.4.2 Herkunftsorte der auswärtigen Neubürger Mithilfe einer Analyse der Herkunftsorte der auswärtigen Neubürger kann zum einen das Verhältnis der Nah- zur Fernwanderung ermittelt und zum anderen die Bedeutung von politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen für die Zuwanderung bestimmt werden. Wie auch in den vorangegangenen Kapiteln steht dabei die Entwicklung im Verlauf des 18. Jahrhunderts im Vordergrund. Zwei zentrale Fragen ergeben sich daraus: Veränderte sich das Verhältnis zwischen Nah- und Fernwanderung? Spiegelt die Verteilung der Herkunftsregionen der Zuwanderer die dynastischen Verbindungen des Kölner Kurfürsten wider? Die Herkunftsorte der auswärtigen Neubürger wurden in den Ratsprotokollen und den Stadtrechnungen nicht während des gesamten Untersuchungszeitraumes regelmäßig aufgezeichnet: Bis 1709 fehlten solche Einträge in der Regel, zwischen 1710 und 1724 wurden häufig Herkunftsorte verzeichnet, zwischen 1725 und 1734 nur noch sporadisch. Erst ab 1734 wurden bei fremden Neubürgern die Herkunftsorte regelmäßig notiert, ab 1784 finden sich dagegen wieder häufiger Einträge, bei denen der Herkunftsort des zugewanderten Neubürgers fehlt. Da auch 1757, 1759 und 1762 keine Angaben zur Herkunft313 der fremden Neubürger verzeichnet wurden, werden für die Untersuchung der Herkunftsorte erneut zwei gleich große Zeiträume gewählt: 1734 307 308 309 310 311 312
313
Genaue Werte sind der Studie leider nicht zu entnehmen. SCHULTZ, Berlin 1650-1800, S. 340, Abbildung 75. SCHULTZ, Bewegung und Entwicklung, S. 94. Titel des stark rezipierten Aufsatzes: HERRSCHE, Intendierte Rückständigkeit. DUCHHARDT, Die geistlichen Staaten, S. 63. ZUBER, Auf der Höhe der Zeit, S. 140. Die grundlegende Revision der bis dahin durchweg negativen Beurteilung geistlicher Staaten im 18. Jahrhundert als „rückständig“ oder „überholt“ läutete Andermann mit seinem Aufsatz aus dem Jahr 2000 ein. ANDERMANN, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reichs, hier S. 618. Anhand der Höhe des Bürgergeldes kann auch ausgeschlossen werden, dass in diesem Jahr, z. B. aufgrund eines Ratsbeschlusses, keine auswärtigen Neubürger angenommen wurden. Für das Fehlen der Herkunftsorte sind vielmehr fehlende oder aufgrund von Wasserschäden schwer lesbare Ratsprotokolle verantwortlich.
Räumliche Bevölkerungsbewegung
205
bis 1754 und 1763 bis 1783, jeweils 21 Jahre. Diese Untersuchungszeiträume sind zum einen immer noch hinreichend umfangreich sowie repräsentativ und zum anderen für die Fragestellungen der Untersuchung geeignet, weil sowohl die erste als auch die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts abgedeckt ist. Vor der Auswertung wird kurz der problematische Umgang in der Literatur mit den Begriffen Nah- und Fernwanderung diskutiert und die für diese Untersuchung gewählte Definition erläutert. Eine Unterscheidung zwischen Nah- und Fernwanderung ist üblich in historischdemographischen Untersuchungen, besonders in denen von Städten im 19. Jahrhundert. In Studien zu Städten in der Frühen Neuzeit wird oftmals keine einheitliche Terminologie verwandt oder es wird gänzlich versäumt, die Begriffe zu definieren, was die Vergleichbarkeit von Ergebnissen erschwert.314 Die Nahwanderung wird in verschiedenen Studien in der Regel mit einer Entfernung zwischen 8 und 100 km zum Untersuchungsort angegeben.315 Diese große Bandbreite ist keineswegs zu kritisieren, denn der Terminus „Nahwanderung“ lässt sich nicht zweckmäßig durch eine feststehende Kilometerzahl zwischen zwei oder mehr Städten definieren. Dies zeigen auch verschiedene, einander sehr ähnliche Definitionen, die Nahwanderung als dauerhaften Zuzug von Menschen aus den umliegenden ländlichen Regionen einer Stadt definieren – eben ohne die Angabe einer Kilometerzahl.316 So hatte eine Stadt wie Trier, die weit entfernt lag von größeren Zentren der Protoindustrie oder des Handels, sicherlich einen weitaus größeren Einzugsbereich der Nahwanderung317 als Städte in einer dicht besiedelten Region, wie z. B. am Rhein oder in Sachsen. Der Bestimmung des Einzugsbereiches der Nahwanderung gebührt daher besondere Aufmerksamkeit. In vielen historisch-demographischen Studien wird bei der Analyse der Herkunft der Zuwanderer häufig nur die Entfernung der Herkunftsorte zum Untersuchungsort bestimmt; die Ergebnisse werden in einer Intervalltabelle dargestellt und interpretiert.318 Die Entfernung allein ist aber mitunter nicht entscheidend; räumliche oder politische Aspekte erscheinen weitaus bedeutender. Beispielsweise liegt Blankenheim in der Eifel deutlich näher an Bonn als Neuwied, aber dennoch dürfte die naturräumliche Hürde für eine Zuwanderung aus dem Eifelort aufgrund des fehlenden Wasserweges deutlich größer gewesen sein. Politisch gehörte z. B. Siegburg, obwohl nur einige Kilometer östlich von Bonn gelegen, zu einem anderen Territorium, nämlich
314
315
316 317 318
Jägers hat in ihrer Untersuchung der Zuwanderung nach den Konsistorialakten die Nahwanderung als Zuwanderung aus einem bis zu 50 km entfernten Ort definiert. Bei der Analyse der Einwanderung nach den Heiratsregistern wird die Nahwanderung jedoch auf eine Entfernung von 100 km ausgedehnt. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 288 und S. 295. Einige Beispiele: Perrenoud definiert die „Aire locale“ als Zuwanderung aus einem bis zu 25 km entfernten Ort. PERRENOUD, La Population de Genève, S. 267. 8 km gelten wohl nur für den ländlichen Bereich. ERNST, Migration in Giessen, S. 647. Zu den Begriffen Nah- und Fernwanderung: HUBERT, Deutschland im Wandel, S. 176; EHMER, Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie, S. 20 f. Die Nahwanderung aus dem ländlichen Hinterland erstreckte sich auf einen Einzugsbereich von 75 km. GERTEIS, Sozialgeschichte der Stadt Trier, S. 65. Z. B. bei BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 86 f. oder bei HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 94 f.
206
Die Bevölkerungsbewegung
zum Herzogtum Berg. Dagegen verließ ein Einwanderer aus Alpen bei Xanten, etwa 112 km nördlich von Bonn gelegen, nicht sein Land, wenn er sich in Bonn niederließ. Deshalb wird auf eine Intervalltabelle der Entfernung der Herkunftsorte zu Bonn komplett verzichtet.319 Die Kategorisierung streng nach Territorien erscheint aber genauso unzweckmäßig. Deshalb wird versucht, einen Mittelweg zwischen einer klassischen Entfernungstabelle und einer Tabelle nach territorialer Zugehörigkeit des Herkunftsortes einzuschlagen.320 Dabei erfolgt die Zuweisung eines Ortes zu einer Region nach praktischen und für die Analyse zweckmäßigen Gesichtspunkten. So ist es für diese Untersuchung unerheblich, ob z. B. ein Zuwanderer aus Mailand oder vom Comer See stammte. Wichtig ist vielmehr, dass es sich dabei um einen Italiener handelte. Generell wurden weit weg liegende Territorien, aus denen auch nur wenige Zuwanderer stammten, zu Regionen zusammengefasst, damit die Zusammenstellung überschaubar bleibt. In Tabelle 24 sind alle Zuwanderer Bonns für die Zeiträume 1735-1754 und 17631783 mit Angabe des Herkunftsortes nach Herkunftsregionen unterteilt aufgeführt. Auf eine Aufstellung der insgesamt mehr als 500 Herkunftsorte wurde verzichtet. Die Kumulierung einzelner Herkunftsorte zu Herkunftsregionen erfolgt entweder aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Territorium, naturräumlichen Gesichtspunkten oder einer Mischung aus beidem. Dabei wurden zunächst alle Herkunftsorte einzeln erfasst und anschließend Herkunftsregionen gebildet, die sich nicht zwangsläufig an territorialen Grenzen orientieren. Beispielsweise erscheint es wenig sinnvoll, Zuwanderer aus Hangelar – einem Teil des heutigen Sankt Augustins – und aus Düsseldorf nach ihrem Herkunftsterritorium, dem Herzogtum Berg, zusammenzufassen, weil die Motive der Migration von Zuwanderern aus Hangelar sicherlich in erster Linie in der Nähe zu Bonn zu suchen sind. Im Folgenden sollen kurz einige wichtige Entscheidungen für die Einteilung der Herkunftsregionen erläutert werden. Unter „Vorort Bonn“ werden alle Zuwanderer aus heutigen Bonner Vororten zusammengefasst, also damaligen Dörfern in unmittelbarer Umgebung Bonns, wie z. B. Kessenich, Friesdorf, Beuel oder Oberkassel. Die Kategorie „Umland/Oberstift“ umfasst alle Herkunftsorte, die entweder im Oberstift oder im rechtsrheinischen Umland bis einschließlich 25 km Radius um Bonn lagen. Die Kategorie „Westfalen/Münster“ beinhaltet alle Zuwanderer aus dem Herzogtum Westfalen und dem Fürstbistum Münster. Wegen der räumlichen Nähe dieser beiden Regionen zueinander wurde darauf verzichtet, das Herzogtum Westfalen als eigene Kategorie zu führen. Außerdem ist die Zahl der Zuwanderer aus dem Fürstbistum Münster zu vernachlässigen, sodass eine eigene Kategorie nicht gerechtfertigt wäre. Zu der Kategorie „Berg/Mark/Westerwald“ zählen auch die rechtsrheinischen Zuwanderer aus Teilen des Westerwaldes, die zu Kurtrier gehörten. Die Kategorie „Mittelrhein“ orientiert sich ausschließlich an einem naturräumlichen Kriterium: In ihr werden alle am Rhein gelegenen Herkunftsorte zwischen Andernach und Bingen zusammengefasst, unab319
320
In anderen Studien wird eine Intervalltabelle der Entfernung neben Tabellen über die Territorien oder Regionen präsentiert, aus denen die Einwanderer stammten, z. B. bei JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 290-304 oder bei FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 42-51. Ähnlich bereits bei ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 257, Tabelle 55.
Räumliche Bevölkerungsbewegung
207
hängig davon, ob der jeweilige Ort zu Kurköln, zu Kurtrier, zu den Grafschaften Sayn und Katzenelnbogen oder zu Kurmainz gehörte. Auf eine Kategorie „Süddeutschland“, etwa analog zu „Norddeutschland/Preußen“, wurde verzichtet, weil die Zuwanderung aus Bayern unter dem Wittelsbacher Clemens August besonders bedeutsam war. Tabelle 24: Herkunftsregionen der auswärtigen Neubürger (1734-1754; 1763-1783) Herkunftsregion Vorort Bonn Umland/Oberstift Reichsstadt Köln Niederstift/Recklinghausen Westfalen/Münster Jülich/Kleve Berg/Westerwald/Mark Mittelrhein Kurtrier/Eifel Kurpfalz/Kurmainz/Südhessen Sachsen/Thüringen/Franken Württemberg/Baden/Elsass Bayern Norddeutschland/Preußen Frankreich Italien Benelux Österreich/Böhmen Sonstiges Europa Unbekannt
1734-1754 106 233 40 23 38 38 28 31 27 8 11 14 18 10 13 10 19 13 5 27
1763-1783 58 101 5 5 22 8 9 16 9 7 6 3 1 2 4 5 4 4 1 2
Insgesamt
712
272
Der Einzugsbereich der Nahwanderung erstreckte sich in Mainz hauptsächlich auf das Untererzstift321 und in Koblenz auf einen Einzugsbereich von 30 km, der sich in „etwa mit dem Niedererzstift deckte“322. Für den linksrheinischen Einzugsbereich Bonns gilt Ähnliches: Dort deckte sich ebenfalls der Einzugsbereich der Nahwanderung mit den Grenzen des Oberstifts. Aus dem rechtsrheinischen Umland werden alle Herkunftsorte, die bis zu 25 km entfernt liegen, unabhängig von ihrer territorialen Zugehörigkeit der Nahwanderung zugerechnet. Die Entfernung von 25 km orientiert sich 321 322
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 326. Gleichwohl setzte François bei der statistischen Auswertung der Einwanderung die Intervallgrenzen bei 25 km und bei 50 km. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, Tabelle 5, S. 45.
208
Die Bevölkerungsbewegung
an der Grenze des Oberstifts, die im Durchschnitt ca. 25 km von Bonn entfernt lag. Somit können leichter Vergleiche mit Studien, die allein nach der Entfernung die Nahwanderung bestimmen, gezogen werden, ohne dabei die politischen Grenzen vollständig zu ignorieren. Die Nahwanderung – in der Untersuchung Zuwanderer aus den Kategorien „Vorort Bonn“ und „Umland/Oberstift“ – stellte 1734-1754 einen Anteil von 47,6 % an der gesamten Zuwanderung von auswärtigen Neubürgern. Dieser Anteil erhöhte sich zwischen 1763 und 1783 auf 58,5 %. Somit erwarben nicht nur weniger Auswärtige im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts das Bürgerrecht, vielmehr kamen die fremden Neubürger auch häufiger aus dem direkten Umland Bonns als noch zu Zeiten Clemens Augusts. Gut vergleichen lassen sich diese Ergebnisse mit Koblenz, für das eine Auswertung der Herkunftsorte der Neubürger mithilfe einer Entfernungstabelle erfolgte. Demnach stammten zwischen 1735 und 1797 (mit einer Lücke zwischen 1754 und 1762) 43,1 % der Neubürger aus einem Ort, der bis zu 25 km von Koblenz entfernt lag. Zwischen den drei Perioden 1735-1753, 1763-1780 und 1781-1797 änderte sich der Anteil immer nur um weniger als 1 %!323 Der Vergleich mit Mainz gestaltet sich etwas schwieriger, weil die Herkunftsorte der Zuwanderer den Heiratsregistern entnommen sind, die Entfernungstabelle eine Intervallgrenze von 30 km vorgibt und der Untersuchungszeitraum das komplette 17. und 18. Jahrhundert umfasst. Demnach stammten nur 21,7 % der Bräutigame aus einem bis zu 30 km von Mainz entfernten Ort.324 Die Einwanderung aus weit entfernten Regionen spielte also in Mainz – dies ist trotz der genannten Ungenauigkeiten feststellbar – eine bedeutendere Rolle als in den beiden kleineren geistlichen Residenzstädten. Generell kamen in Residenzstädte besonders viele Zuwanderer aus weiter entfernt liegenden Regionen – ein Beleg für die besondere Attraktivität der Herrschaftssitze im 18. Jahrhundert.325 Veränderungen der Fernwanderung sind daher besonders aufschlussreich und geben Hinweise auf Entwicklungen in der Residenzstadt. Ein Vergleich zwischen den beiden Untersuchungszeiträumen in Tabelle 24 weist auf deutliche Veränderungen hin: Die Zahl der Zuwanderer aus den umliegenden Territorien und Regionen – nämlich aus „Kurtrier/Eifel“, „Jülich/Kleve“, „Berg/Mark/Westerwald“, aus „Niederstift/Recklinghausen“ und vor allem aus „Reichsstadt Köln“ – nahm zwischen den beiden Zeiträumen überproportional ab. Möglicherweise waren andere Städte in der Region in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts deutlich attraktiver für Zuwanderer geworden als Bonn. Der deutliche Rückgang der Zuwanderung aus „Bayern“, nämlich von 18 Zuwanderern zwischen 1734 und 1754 auf nur noch einen zwischen 1763 und 1783, zeigt sehr deutlich, wie stark sich die dynastischen Verbindungen der Fürsten auf die Einwanderung in die 323 324 325
FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 47. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 328. Beispielsweise stammten in der Ackerbürgerstadt Alzey von 296 auswärtigen Neubürgern nur 98 aus einem weiter als 30 km entfernten Ort. HELLER-KARNETH, Drei Konfessionen, S. 40. Ähnliches gilt für Bad Hersfeld, WITZEL, Hersfeld 1525 bis 1756, S. 44 und Graphik 12 im Anhang, und auch für die Universitätsstadt Gießen, ERNST, Migration in Giessen, S. 653.
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residenzstädtische Bürgerschaft auswirkten. Dagegen blieb die Zuwanderung aus Westfalen weiterhin bedeutend. Die Zuwanderung aus den übrigen weit entfernten Territorien des Reiches und aus Europa nahm jedoch überproportional ab.326 Dies kann auf den Bedeutungsverlust der kurkölnischen Residenz zurückgeführt werden, denn es finden sich vor allem Händler unter den aus dem Ausland zugewanderten Neubürgern, die sicherlich vorwiegend Luxuswaren oder zumindest hochwertige Produkte an Adelige, Hofbeamte und wohlhabende Bürger verkauften.327 Im maßgeblichen Werk zur Bonner Stadtgeschichte im 18. Jahrhundert wird angeführt, dass die Fernwanderung keine große Rolle gespielt habe und die Nahwanderung aus Dörfern mit einer geringen Zunahme an Einwohnern größer gewesen sein müsse als aus Dörfern mit einem starken Bevölkerungszuwachs. Des Weiteren sei eine starke Zuwanderung aus dem Rechtsrheinischen schon allein aufgrund der Territorialgrenzen nicht anzunehmen.328 Diese Annahmen können aufgrund der Analyse der Herkunftsorte der Neubürger revidiert werden. Duisdorf und Endenich, Dörfer mit einem starken Bevölkerungszuwachs während des 18. Jahrhunderts, stellten ähnlich viele Zuwanderer wie Kessenich und Dottendorf, deren Einwohnerzahl im gleichen Zeitraum nahezu stagnierte.329 Die Ausführungen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass Zuwanderer aus dem Rechtsrheinischen, den angrenzenden Ortschaften im Herzogtum Berg, sehr wohl stark vertreten waren und die Fernwanderung insgesamt ähnlich hoch war wie die Nahwanderung. Die Zuwanderung nahm unter den beiden letzten Kurfürsten tatsächlich ab, wenn auch nicht so stark, wie aufgrund der Bevölkerungsentwicklung im gleichen Zeitraum angenommen werden könnte. Die Fernwanderung, insbesondere aus weit entfernten Regionen im Reich oder in Europa, verlor im Verlauf des Jahrhunderts an Bedeutung. Dennoch zog die Residenzstadt auch noch in den 1770er und 1780er Jahren zahlreiche Bürger aus dem Ausland an.
5.4.3 Berufe der auswärtigen Neubürger Neben den Herkunftsorten wurden unregelmäßig auch die Berufe der Zuwanderer bzw. deren Eintritt in eine Zunft in den Ratsprotokollen verzeichnet. Dies ist allerdings zwischen 1690 und 1793 bei nur 443 auswärtigen Neubürgern der Fall – insgesamt wurden in diesem Zeitraum 2.701 fremde Neubürger angenommen. Lediglich für die Jahre zwischen 1690 und 1723 sowie zwischen 1770 und 1793 wurden Berufsangaben regelmäßig notiert. Dennoch wurden auch in diesen beiden Zeiträumen sehr viele Zuwanderer ohne Berufsnennung eingebürgert; darum wird auf eine statistische Analyse komplett verzichtet. Stattdessen wird die berufliche Vielfalt der Zu326 327 328 329
Abgesehen von Italien, wofür sich aber keine Erklärung finden ließ. Darunter z. B. Tuchhändler aus Brabant oder ein Galanteriehändler aus den Niederlanden, aber auch ein Porträtmaler und ein Zinngießer aus Italien. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 293. Duisdorf und Endenich stellten im gesamten Untersuchungszeitraum zusammen 27 Neubürger, Kessenich und Dottendorf 23 Neubürger, wobei angemerkt werden muss, dass die tatsächliche Anzahl aufgrund der zahlreichen Lücken durchaus höher gewesen sein könnte.
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wanderer im Folgenden kurz beschrieben und anhand einzelner Berufsgruppen näher beleuchtet. Wie erwartet waren Handwerker die mit Abstand am stärksten vertretene Berufsgruppe unter den auswärtigen Neubürgern. Die mitgliederstärksten Ämter der Bäcker, Schneider, Schmiede und Schlosser hatten auch die meisten zugewanderten Meister in ihren Reihen, im gesamten Untersuchungszeitraum jeweils ca. 50. Insgesamt können von den 443 Zuwanderern mit Berufsnennung ca. 85 % einer Zunft zugeordnet werden.330 Neben einzelnen speziellen Handwerkern, die gleichwohl zu einem der großen Ämter gehörten oder diesen beigeordnet waren – wie z. B. Blaufärber, Nagelschmiede, Seilmacher, Achsenmacher, Blechschläger, Kamm- und Hutmacher –, finden sich unter den fremden Neubürgern auch mehrere Maurergesellen und ein Leinenwebergeselle. Die Aufnahme mehrerer Maurergesellen stellte keine Besonderheit dar, denn im Bauhandwerk war es grundsätzlich üblich, dass ein Teil der Gesellen lebenslang vom Erwerb der Meisterwürde ausgegrenzt blieb und dennoch das Bürgerrecht erwerben konnte.331 Für die Glasmacherzunft ist nur die Aufnahme eines Meisters überliefert; damit verzeichnete dieses Amt den geringsten Zustrom an auswärtigen Handwerkern. Des Weiteren wurden ein kurfürstlicher Stallknecht, ein Hofkaplan,332 mehrere Künstler und mehrere Hofhandwerker, die wohl nebenbei Aufträge auch außerhalb des Hofes annahmen, als Neubürger verzeichnet. Es werden auch mehrere Soldaten aufgeführt, die offenbar einem bürgerlichen Gewerbe nachgingen, das leider in keinem Fall näher beschrieben wurde. Daneben werden mehrere Tagelöhner, Knechte und Arbeiter genannt, die teilweise in der Lage waren, das volle Bürgergeld von 10 bzw. 30 Rtlr. direkt zu zahlen. Die auswärtigen Neubürger, die direkt in städtische Dienste eintraten, mussten ebenfalls das volle Bürgergeld entrichten. Dazu gehörten z. B. Stadtdiener, ein Polizeidiener, Feldschützen, Schöffen, ein Stadtwaagendiener und ein Mödder333. Nach der fast kompletten Zerstörung Bonns im Jahr 1689 finden sich unter den Zuwanderern besonders viele Maurer, Dachdecker und Zimmerleute – allein 1690 sechs und zwischen 1716 und 1718 insgesamt ebenfalls sechs. Demgegenüber wurden zwischen 1723 und 1793 nur drei Zulassungen von auswärtigen Meistern ins Amt der Maurer, Dachdecker und Zimmerleute aufgezeichnet. Dies belegt die rege Bautätigkeit unmittelbar nach 1689 und nach der Rückkehr Joseph Clemens’ aus dem französischen Exil 1715. Daneben waren in den ersten Dekaden unter Joseph Clemens auch Schmiede und Schlosser sowie Schreiner besonders stark unter den zugewanderten Neubürgern vertreten. Hingegen blieb der Anteil der eingewanderten Schuhmacher, Schneider und Fassbinder, die 51, 55 bzw. 22 fremde Zuwanderer insgesamt aufnah330
331 332 333
In Koblenz und Duisburg waren die Handwerker ebenfalls die größte Gruppe unter den Neubürgern. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 52, Tabelle 6; JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 310. KLUGE, Die Zünfte, S. 171. Dabei handelte es sich um einen Akolyth, den geistlichen Laien Johan Caspar Bongarts. StAB, Ku 55/2, Ratsprotokoll vom 23. September 1766, S. 120. Ein Fruchtmesser, d. h. ein Gehilfe in der städtischen Mühle.
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men, in den 1770er und 1780er Jahren nahezu unverändert im Vergleich zu 1690 bis 1739. Zwischen 1690 und 1723 immigrierten deutlich mehr Bäcker und Metzger nach Bonn als zwischen 1770 und 1793. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass diese Ämter auf eine bestimmte Zahl von Meistern beschränkt wurden. Im Falle der Metzger wurde diese Beschränkung tatsächlich auch durchgesetzt, weil seit 1746 nur 22 „Fleischerbänke“ im städtischen Schlachthaus zur Verfügung standen und daher immer nur ein Metzger aufgenommen werden konnte, wenn eine Fleischerbank frei geworden war – üblicherweise nur durch den Tod des vorherigen Inhabers.334 Insgesamt wurden zwölf zugewanderte Perückenmacher verzeichnet, wovon allein acht zwischen 1776 und 1784 nach Bonn kamen. Damit handelt es sich bei den Perückenmachern um die einzige Berufsgruppe mit mehr als zehn Nennungen, die im letzten Drittel des Jahrhunderts stärker unter den Einwanderern vertreten war als zwischen 1690 und 1723. Im Allgemeinen wird angenommen, dass sich die Perückenmode in den deutschen Territorien kontinuierlich vom Ende des 17. Jahrhunderts bis Mitte des 18. Jahrhunderts ausbreitete. Diese Mode ging von den sich am französischen Vorbild orientierenden Hofadeligen aus und erfasste dann auch die Stadtbürger und Geistlichen. Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts nahm die Popularität der Perücken bereits wieder ab.335 Offensichtlich erreichte die Perücke in der geistlichen Residenz Bonn ihre größte Popularität, als sie in Preußen und Städten wie Halle und Frankfurt bereits wieder aus der Mode gekommen war. Denn die Zuwanderung von Perückenmachern erreichte in Bonn erst im letzten Drittel des Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Daher schlossen sich die Bonner Perückenmacher auch erst 1781 zu einer eigenen Zunft zusammen.336 Die große Bedeutung der Zuwanderung wurde bereits von Ennen für die Jahre zwischen 1690 und 1723 anhand eines überlieferten Registers über die Meisteraufnahmen der Bonner Ämter untersucht.337 Dabei wurden allerdings nicht die mit einer Bürgertochter oder -witwe verheirateten Fremden mitgezählt, sodass die tatsächliche Zahl der auswärtigen Meister in den meisten Ämtern deutlich höher lag als von Ennen festgestellt. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass in der Quelle, in der das Bäckeramt als erste Zunft auch an erster Stelle aufgeführt ist, keine mit einer Bürgertochter oder -witwe verheirateten neu angenommenen Bäckermeister genannt werden, während dies bei allen anderen Ämtern der Fall ist. Daher wird im Folgenden der Anteil der auswärtigen Handwerksmeister in Bonn anhand dieser Quelle neu bestimmt und mit den Ergebnissen der Herkunftsorte der Neubürger verglichen. Von den zwischen 1690 und 1723 angenommenen 64 Bäckermeistern waren 34 Fremde; das Schneideramt nahm 32 auswärtige Meister auf (bei 45 Aufnahmen insgesamt), das Schuhmacheramt 31 fremde Meister (bei 59 Aufnahmen insgesamt) und das Schmiedeamt 35 auswärtige Meister (bei 51 Aufnahmen insgesamt). Die kleinsten Bonner Ämter hatten auch den kleinsten Anteil an auswärtigen Meistern in ihren Reihen: Im Leinenweberamt waren nur fünf der 16 zugelassenen Meister zugewan334 335 336 337
BECKER/HERBORN, Von der Nahrung, S. 115. STOLZ, Die Handwerke des Körpers, S. 180-184. ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 268. Ebd., S. 261.
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dert, im Glasmacheramt waren alle sieben aufgenommenen Meister Bürgersöhne und im Schiff-, Fuhrleute- und Schürgeramt stammten nur vier der 14 zugelassenen Meister nicht aus Bonn. Die Zulassung ins Schreineramt und ins Metzgeramt erlangten insgesamt jeweils 20 Meister, darunter 13 Schreiner und 14 Metzger, die nach Bonn eingewandert waren. Der Anteil der auswärtigen Meister lag bei den Maurern, Zimmerleuten und Dachdeckern besonders hoch, von 25 zugelassenen Meistern kamen 19 aus einem auswärtigen Ort.338 Weitere Register von Meisteraufnahmen aller Ämter nach 1723 sind nicht überliefert. Wohl deshalb schlussfolgerte Ennen aus den zahlreichen Abschließungen der Zünfte in der Folgezeit, d. h. aus der absoluten Begrenzung der Anzahl der Meister, dass „für Fremde überhaupt keine Aussicht mehr bestand“339, in Bonn als Meister zugelassen zu werden, sofern sie nicht mit einer Bonnerin verheiratet waren. Das trifft jedoch nicht zu, denn in den meisten Ämtern war es auch noch zwischen 1724 und 1793 für Ledige oder mit einer auswärtigen Ehefrau verheiratete Fremde möglich, in ein Amt und damit in die Bürgerschaft aufgenommen zu werden. Eine Ausnahme bildet lediglich das Metzgeramt, in das Auswärtige nach 1723 nur noch aufgenommen wurden, wenn sie mit einer Bürgertochter oder -witwe verheiratet waren. Aber das Metzgeramt war aufgrund der begrenzten Anzahl an Fleischerbänken das einzige Amt, das sich an die festgelegte Anzahl der Meister hielt. In allen anderen Zünften war die Zahl der Meister höher. Dies gilt auch für das Bäckeramt, von dem Ennen schreibt, es habe seit den Zunftartikeln von 1737 keine fremden Meister mehr angenommen.340 Nach den Zunftartikeln von 1737 war die Zahl der Bäcker auf 30 begrenzt. Tatsächlich erhielten aber auch weiterhin zahlreiche auswärtige Meister, die ledig oder mit einer ebenfalls Fremden verheiratet waren, die Zulassung als Bäckermeister.341 Die Herkunftsorte der Angehörigen einzelner Berufsgruppen weisen zahlreiche gemeinsame Merkmale auf. Überwiegend stammten auswärtige Handwerker aus dem Umland Bonns; sie sind also der Nahwanderung zuzuordnen. So wurden beispielsweise Schiffer vorwiegend aus Schwarzrheindorf und Beuel in das Bonner Amt aufgenommen. Schuhmacher kamen hingegen oftmals aus Westfalen bzw. Münster. Möglicherweise hatten die westfälischen Schuhmacher einen besseren Ruf als die aus dem Oberstift und es wurde mit ihrer Hilfe versucht, die Konkurrenzfähigkeit der Bonner Schuhmacherzunft gegenüber der dominierenden Kölner Zunft zu erhöhen.
338 339 340 341
StAB, Ku 77/2, fol. A1-L3, „Verzeichniß der Zunfft-Meisteren in Bonn vom Jahr 1690 bis 1723“. ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 262. Ennen führt hierfür nur das Beispiel des Bäckers Wilhelm Hewer aus dem Jahr 1747 an. Ebd., S. 262. Z. B. 1739 Antonius Winterscheit aus Windhagen, der als lediger Fremder in das Bäckeramt eintrat. Ebenso 1741 Bartholomäus Angelbis und Matthias Becker, 1743 Johann Adam Stockhausen, 1760 Johann Schmitz oder 1774 Bernhard Schaeffer, die alle den höchstmöglichen Betrag für den Erwerb des Bürgergeldes entrichteten und daher nicht mit einer Bonnerin verheiratet waren.
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Die fremden Perückenmacher stammten in der Regel ebenfalls aus weit entfernten Orten im Reich – angesichts der speziellen Tätigkeit nicht verwunderlich. Die meisten Ausländer gab es unter den Händlern; bei Tuchhändlern handelte es sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ausschließlich um Niederländer. Unter den Wittelsbacher Kurfürsten wanderten auch mehrere Tuchhändler aus der benachbarten Handelsmetropole Köln oder anderen deutschsprachigen Regionen ein. Die eingewanderten Italiener betätigten sich ebenfalls überwiegend als Kaufleute in Bonn.342 Den Unterschichten zuzuordnende Zuwanderer – etwa Tagelöhner, Gärtner und Lumpenkrämer – kamen meistens aus Dörfern im unmittelbaren Umland, häufig nur wenige Kilometer von Bonn entfernt. Dabei sind mehrere Tagelöhner nicht berücksichtigt, die aus Bonn selbst stammten und das Bürgerrecht erwarben, denn dabei handelte es sich nicht um Zuwanderung, sondern um einen rechtlichen und sozialen Aufstieg. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unter den auswärtigen Neubürgern überwiegend Handwerker waren. Entgegen den Aussagen der bisherigen Forschung war es Handwerkern auch noch nach 1723 möglich, nach Bonn einzuwandern. Die zugezogenen Handwerker kamen überwiegend aus dem Umland Bonns, während Händler und spezialisierte Handwerker – wie Perückenmacher – eher aus weit entfernten Regionen stammten. Auffallend ist die hohe Zahl der einwandernden Maurer, Zimmerleute und Dachdecker zwischen 1690 und 1723; diese wurden für den Wiederaufbau und den Ausbau Bonns zu einer repräsentativen barocken Residenzstadt benötigt.
5.5 Bilanz der Bevölkerungsbewegung Konnte sich die Bonner Bevölkerung aus eigener Kraft vermehren oder wurde Bevölkerungswachstum nur durch Zuwanderung generiert? Zur Beantwortung dieser elementaren Frage sollen die Analysen der natürlichen Bevölkerungsbewegung – also von Natalität, Nuptialität und Mortalität – sowie der räumlichen Bevölkerungsbewegung zusammengeführt werden. Zwar fehlen Quellen, mit deren Hilfe die Höhe der Auswanderung bestimmt werden könnte, aber mithilfe von Angaben zur Bevölkerungsgröße, der Bilanz der natürlichen Bevölkerungsbewegung und der Zuwanderung kann auf die ungefähre Höhe der Auswanderung indirekt geschlossen werden. Die Reproduktionsfähigkeit frühneuzeitlicher urbaner Populationen ist ein zentrales Thema der Historischen Demographie.343 Eine ältere, aber immer noch weithin vertretene Forschungsmeinung besagt, dass städtische Populationen nicht in der Lage waren, sich selbst zu reproduzieren, weshalb sie auf stetige Zuwanderung angewiesen waren.344 Diese Auffassung vertrat bereits Johann Peter Süßmilch, der 1741 mit seinem Erstlingswerk die Demographie als Wissenschaft begründete. Er sah in Städten, 342 343 344
Die italienische Einwanderung wurde bereits ausführlich untersucht. AUGEL, Italienische Einwanderung. VRIES, European Urbanization, S. 179. Knittler nennt sie die „traditionelle Sicht“. KNITTLER, Die europäische Stadt, S. 37.
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besonders den volkreichen, ein Hindernis für die Vermehrung des menschlichen Geschlechts und formulierte Hypothesen zur Erklärung dieses Phänomens.345 Zwar wurde die These der mangelnden Reproduktionsfähigkeit von Städten schon früh infrage gestellt, aber nach wie vor fehlen überzeugende empirische Belege. Gewöhnlich wird in demographischen Untersuchungen von vorindustriellen Städten die Bilanz der natürlichen Bevölkerungsbewegung analysiert und die Differenz zwischen Geburten und Sterbefällen herangezogen. Diese Vorgehensweise birgt jedoch zahlreiche methodische Schwierigkeiten, denn die Zuwanderer stellten in rasant wachsenden Städten im 18. und 19. Jahrhundert oftmals mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Nach einer Analyse der Bilanz der Bevölkerungsbewegung wird auf diese Problematik eingegangen.
Abbildung 18: Fünfjähriger gleitender Durchschnitt der Geburten, Heiraten und Sterbefälle 1718-1797346
Abbildung 18 zeigt die Differenz zwischen Geburten und Sterbefällen, Bilanz der natürlichen Bevölkerungsbewegung oder Bevölkerungssaldo genannt. Zur besseren Übersicht werden die jeweiligen fünfjährigen Durchschnitte dargestellt, weshalb einzelne Krisenjahre mit einer stark erhöhten Sterblichkeit nicht die langfristige Ent-
345 346
SÜßMILCH, Die göttliche Ordnung, S. 52 und S. 61-65. Die gestrichelten Linien weisen auf fehlende Daten hin. Vgl. Kapitel 1.3.1.
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wicklung verzerren.347 Die Anzahl der Todesfälle übertraf diejenige der Geburten nur in wenigen Jahren. Lediglich gegen Ende des Jahrhunderts häuften sich diese Jahre, sodass sich der Sterbeüberschuss auch im fünfjährigen gleitenden Durchschnitt niederschlägt. Der Bevölkerungssaldo, d. h. die Differenz zwischen Geburten und Sterbefällen, kann nur dann korrekt angegeben werden, wenn sowohl alle Taufen als auch alle Sterbefälle des entsprechenden Zeitraumes berücksichtigt werden. Deshalb kann der Saldo in Bonn nur für die Jahre zwischen 1731 und 1742 berechnet werden sowie ab 1750 bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes. Ennen hat für die Pfarrei St. Remigius den Bevölkerungssaldo zwischen 1718 und 1798348 ausgerechnet und einen Geburtenüberschuss von 305 (3,8 pro Jahr) ermittelt. Da die personellen Verbindungen zwischen den Mitgliedern der einzelnen Bonner Pfarreien sehr eng waren und häufig Heirat und Begräbnis in einer anderen Pfarrei stattfanden als die Taufe, war zu erwarten, dass der Bevölkerungssaldo aller vier Bonner Pfarreien deutlich von demjenigen der größten Pfarrei abweicht. Diese Annahme trifft zu, denn zwischen 1731 und 1797 – ausgenommen sind die Jahre mit unvollständigen Sterberegistern 1743-1749 – betrug der Überschuss an Geburten gegenüber den Sterbefällen in allen vier Pfarreien sogar 2.815! Tabelle 25 zeigt die Entwicklung des Bevölkerungssaldos zwischen 1731 und 1797 in kurzen Zeiträumen. Tabelle 25: Bevölkerungssaldo im 18. Jahrhundert Zeitraum 1731-1742 1750-1759 1760-1769 1770-1779 1780-1789 1790-1797 Insgesamt
Bevölkerungssaldo +1.176 +574 +723 +97 +208 -37 +2.815
Aus Tabelle 25 wird ersichtlich, dass der Bevölkerungsrückgang nach 1761 allein aus einer massiven Auswanderungswelle resultierte, denn sonst wäre der hohe Geburtenüberschuss zwischen 1760 und 1769 kaum erklärbar. Das Bevölkerungsdefizit zwischen 1790 und 1797 resultierte aus den Folgen der Revolutionskriege und der französischen Besatzung, die nicht nur in Bonn, sondern auch in anderen Städten und Regionen ihren Tribut forderten. Allein 1795 übertrafen die Sterbefälle die Geburten um 307! Zwischen 1731 und 1797 (ausgenommen sind die Jahre 1743-1749) betrug der Überschuss im Durchschnitt 45 Geburten pro Jahr.
347 348
Eine Bilanz der natürlichen Bevölkerungsbewegung ohne gleitende Durchschnitte findet sich in Kapitel 7.1. Die Jahre zwischen 1743 und 1749, die große Lücken im Sterberegister aufweisen, hat sie dabei ausgespart. ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 243.
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In den 1760er Jahren blieb die Zuwanderung nach Bonn, gleichwohl sie zurückgegangen war, im Vergleich zu vielen anderen Städten auf einem hohen Niveau. Gleichzeitig gab es einen hohen Geburtenüberschuss; trotzdem nahm die Bevölkerung ab. Wie ist das zu erklären? Wie durch die aggregative Analyse festgestellt wurde, gingen zwischen 1761 bis etwa 1775 sämtliche Vitalereignisse um 25-30 % zurück. Es soll jedoch darauf verzichtet werden, die Anzahl der in den 1760er Jahren ausgewanderten Personen exakt zu bestimmen. Schließlich ist weder die genaue Bevölkerungsgröße noch die Anzahl der insgesamt zugewanderten Personen bekannt, sodass für die Berechnung der Höhe der Auswanderung die notwendigen Zahlen fehlen. Jedenfalls wanderten in den 1760er Jahren mehr Menschen aus als in den Jahren nach der französischen Okkupation; die Zahl der Auswanderer dürfte sich in einer Größenordnung von ca. 3.000-4.000 Menschen bewegt haben. Der Bevölkerungssaldo lag in Bonn mit einem Überschuss von 45 Geburten auf dem Niveau von Trier, wo der Überschuss zwischen 1730 und 1789 44 Geburten pro Jahr betrug.349 Der Geburtenüberschuss in Koblenz war deutlich niedriger als in Bonn – er betrug zwischen 1760 und 1793 ca. 15 Geburten pro Jahr. Hingegen war in Mainz zwischen 1701 und 1798 sogar ein Defizit von zehn Geburten pro Jahr zu verzeichnen.350 Zahlreiche Analysen von Vitalstatistiken verschiedener Städte haben gezeigt, dass größere Städte im Gegensatz zu kleineren mit weniger als 10.000 Einwohnern im Allgemeinen ein Geburtendefizit aufwiesen.351 Dies kann sogar auf die Formel gebracht werden: je größer die Stadt, desto geringer der Geburtenüberschuss. Deshalb fügen sich die Saldi der geistlichen Residenzen gut in dieses Bild ein – sie unterschieden sich nicht von anderen Stadttypen. Ein Geburtenüberschuss bedeutet jedoch nicht, „daß die Stadt in diesem Zeitraum von innen gewachsen [sei].“352 Dies würde die demographischen Prozesse in unzulässiger Weise vereinfachen. Die Reproduktionsfähigkeit einer Population wurde durch die „Folgen der Kindersterblichkeit, des Heiratsalters und der Ehelosigkeit“353 eingeschränkt; diese führten in frühneuzeitlichen Gesellschaften dazu, dass nur ein kleiner Teil einer Generation überhaupt an der Reproduktion der nachfolgenden Generation beteiligt war. Die Reproduktionsfähigkeit einer Population wird in der Demographie deshalb durch die Nettoreproduktionsrate354 bestimmt. Diese Quote beschreibt die Anzahl der Töchter einer Generation, die notwendig sind, um genauso viele weibliche Babys zu gebären wie in der älteren Generation: „it expresses the cohort’s ability to replace itself.“355 François hat eindrucksvoll dargestellt, warum im frühneuzeitlichen Koblenz durchschnittlich 4,5 Kinder pro Familie für einen Bevölkerungszuwachs nicht aus349 350 351 352 353 354 355
KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 83. Es wird ein Defizit von 947 Geburten für den Zeitraum zwischen 1701 und 1798 angegeben. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 129. SCHULTZ, Bewegung und Entwicklung, S. 107. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 83 FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 28. GEHRMANN, Methoden der historischen Bevölkerungsforschung, S. 715. MCINTOSH, Urban Demographic Stagnation, S. 584.
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reichten: Weniger als 50 % der Mädchen erreichten überhaupt das heiratsfähige Alter und darüber hinaus blieben etwa 15 % aller geborenen Mädchen dauerhaft ledig.356 Zusätzlich blieben etwa 10 % der Ehen kinderlos und viele Ehen wurden vorzeitig durch den Tod eines Partners beendet. Dieses Modell kann auch auf die anderen geistlichen Residenzstädte übertragen werden – für Bonn sogar mit annähernd denselben Zahlen. Demnach musste eine Ehefrau durchschnittlich etwa sechs Kinder gebären, damit die gesamte Population erhalten werden konnte. Die durchschnittliche Anzahl der Kinder pro Familie wurde in katholischen Populationen durch das Heiratsalter bestimmt. Da das Heiratsalter der Frauen im Verlauf des Jahrhunderts in Bonn kontinuierlich zunahm – von etwa 22 Jahren auf 27 Jahre zwischen den 1730er und den 1780er Jahren –, während der Geburtenüberschuss parallel dazu stark abnahm, ist es sehr wahrscheinlich, dass in den „Boomjahren“ unter Clemens August die Bevölkerung in der Lage war, sich selbst zu reproduzieren – später jedoch nicht mehr. Der Einfluss der Zuwanderung auf die generative Struktur von Städten wurde in die vorangegangenen Überlegungen jedoch nur unzureichend einbezogen. Gerade die Auswirkungen der Migration auf die generative Struktur werden in der Forschung kontrovers diskutiert. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass die Zuwanderung die Schlüsselvariable für die Beantwortung der Frage nach der Reproduktionsfähigkeit von Städten darstellt.357 Bis zum Aufsatz von Sharlin im Jahre 1978 herrschte einhellig die Überzeugung vor, dass vorindustrielle Städte ohne den Zuzug vom Land langfristig geschrumpft wären. Sharlin betonte hingegen, dass die Zugewanderten zwar in den Sterberegistern der Stadt eingetragen wurden, aber nicht in den Taufregistern. Außerdem seien viele der Zuwanderer, die als Dienstboten in städtischen Haushalten beschäftigt waren, dauerhaft unverheiratet geblieben. Somit habe die Zuwanderung zu einem negativen Bevölkerungssaldo frühneuzeitlicher Städte geführt.358 Schultz hebt dagegen hervor, dass die Zuwanderer häufig im heiratsfähigen Alter in die Städte gekommen seien und somit zu „explodierenden“ Heirats- und Geburtenraten entscheidend beigetragen hätten.359 Diese sich scheinbar widersprechenden Thesen können jedoch in Einklang gebracht werden: Die eingewanderten Frauen, die heirateten und deren Kinder in den Registern der Stadt verzeichnet wurden, entstammten Geburtenkohorten, von denen ebenfalls ca. die Hälfte im Kindesalter verstorben war. Diese Todesfälle flossen aber nicht in das Sterberegister der Stadt ein. Daraus resultiert ein Übergewicht an Geburten gegenüber den Sterbefällen. Umgekehrt verursachten die eingewanderten unverheirateten Frauen tatsächlich einen Überschuss an Sterbefällen. Diese entgegengesetzten Auswirkungen von Zuwanderung auf die Bevölkerungsbilanz müssen für jede Stadt gegeneinander aufgerechnet werden, damit der Einfluss der Zuwanderung auf die Bevölkerungsbilanz bestimmt werden kann. Gerade für die in der Regel recht
356 357 358 359
FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 28. GALLEY, A Model of Early Modern Urban Demography, S. 468. SHARLIN, Natural Decrease. SCHULTZ, Berlin 1650-1800, S. 326-329.
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kleinen Städte der Frühen Neuzeit gab es kein „law of urban natural decrease“360. Hierfür unterschieden sich frühneuzeitliche Städte in ihrem sozioökonomischen Gefüge zu stark. Gerade wegen der Vielfalt der sozioökonomischen und demographischen Strukturen in den Städten sind weitere empirische Untersuchungen notwendig, damit allgemeine Gesetzmäßigkeiten festgestellt werden können. Insofern kann die Debatte über die Reproduktionsfähigkeit frühneuzeitlicher Städte erst wieder aufgenommen werden, wenn genügend umfassende empirische Untersuchungen vorliegen, die detailliert sowohl die Zuwanderung als auch die Nettoreproduktionsrate behandeln. Waren unter diesen Zuwanderern nach Bonn vor allem verheiratete bzw. heiratswillige Frauen oder eher dauerhaft unverheiratete Dienstbotinnen? Aufgrund der mangelhaften Angaben zu den Herkunftsorten in den Heiratsregistern kann weder die Zahl noch die soziale Stellung der eingewanderten Frauen bestimmt werden. Jedoch waren sicherlich mehr als 50 % der Bräute Zuwanderinnen, denn dies war in allen stark wachsenden europäischen Städten im 18. Jahrhundert der Fall.361 Die Analyse der Zuwanderung zeigte, dass zwischen 1730 und 1759 die Zahl der auswärtigen Neubürger in Bonn ähnlich hoch war wie in der blühenden Residenzstadt Berlin.362 Dies deutet darauf hin, dass vor allem junge Bürger, die ein Gewerbe begründeten oder übernahmen und heirateten, in die stark wachsende Stadt einwanderten. Demnach hat die Zuwanderung in diesem Zeitraum zu einem Geburtenüberschuss und nicht zu einem Sterbeüberschuss geführt. Dieses Ergebnis wird auch durch Vergleiche mit anderen Residenzstädten erhärtet. Ähnlich hohe Saldi zwischen Geburten und Sterbefällen wiesen nämlich die ebenfalls im Aufbau befindlichen Residenzstädte und „Neulandgebiete“ Berlin, Karlsruhe und Durlach auf, in die ebenso wie nach Bonn besonders viele junge Menschen einwanderten. Durch einen demographischen Echo-Effekt, nämlich die Verjüngung der Bevölkerung infolge der hohen Geburtenzahl der Vorgängergeneration, konnte sich die junge Bevölkerung über zwei Generationen erhalten.363 Dies trifft sicherlich so auch auf Bonn zu. Hier verpuffte dieser Echo-Effekt in den 1770er Jahren, denn in dieser Dekade nahm der Geburtenüberschuss deutlich ab. Trotz einer immer noch positiven Bevölkerungsbilanz bis Anfang der 1790er Jahre wurden nicht mehr annähernd die Saldi der Jahre zwischen 1731 und 1769 erreicht. Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild der Bevölkerungsbewegung: Sowohl die Zuwanderung von jungen Familien nach Bonn als auch eine hohe Reproduktionsfähigkeit der alteingesessenen Bevölkerung aufgrund des außerordentlich niedrigen Heiratsalters trugen zum rasanten Bevölkerungswachstum bis Mitte der 1750er Jahre bei. Nach dem Regierungswechsel 1761 und den Wirren des Siebenjährigen Krieges 360 361 362 363
Eine ältere, aber lesenswerte Diskussion dieses „Gesetzes“ bei VRIES, European Urbanization, S. 179-198. VRIES, European Urbanization, S. 185. SCHULTZ, Berlin 1650-1800, S. 340. PFISTER, Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie, S. 117; SCHULTZ, Bewegung und Entwicklung, S. 107.
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ging die Zahl der Geburten um 30 %, die der Heiraten und Sterbefälle um jeweils 25 % zurück. Der starke Bevölkerungsrückgang der 1760er Jahre war also durch Auswanderung bedingt. Das rasante Bevölkerungswachstum der 1720er-1740er Jahre wurde auch in den prosperierenden Jahren unter Max Franz nicht mehr erreicht, obwohl die Zuwanderung nur um etwa 25 % zurückging und im Vergleich zu anderen Städten immer noch auf einem sehr hohen Niveau lag. Die Stagnation bzw. nur mäßige Zunahme der Einwohnerzahl in den 1770er-1790er Jahren wurde in erster Linie durch eine niedrigere Fruchtbarkeit aufgrund des um fünf Jahre höheren Heiratsalters der Frau evoziert und weniger durch den Rückgang der Zuwanderung. Gleichzeitig nahm die Sterblichkeit, auch die der Säuglinge, im Vergleich zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht ab. Es ist anzunehmen, dass sich die Stadt in den prosperierenden Jahren unter Clemens August selbst reproduzieren konnte, während in den 1770er1790er Jahren Zuwanderung nötig war, damit die Einwohnerzahl konstant blieb.
6. Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
Neben den Bewegungsdaten der Kirchenbücher sind für Historiker-Demographen Bestandsdaten von Bevölkerungen, insbesondere Volkszählungen, von Interesse. Anhand dieser Daten lassen sich verhältnismäßig leicht demographische Angaben ermitteln, auch über die Bevölkerungsgröße hinaus. Solche Querschnitte der Bevölkerung ergänzen die Analyse der Kirchenregister vortrefflich, weil sie insbesondere Aussagen zu demographischen Parametern ermöglichen, die mittels Kirchenbuchdaten nur unzureichend oder allenfalls in Stichproben erhoben werden könnten; dies gilt beispielsweise für die Kinderzahl pro Haushalt oder den Anteil der unverheirateten Erwachsenen. Die umfassende und landesweite Erfassung des Bevölkerungsstandes wurde im Verlauf des 18. Jahrhunderts in zahlreichen Territorien im Reich durchgeführt.1 Darunter finden sich aber nur selten geistliche Fürstentümer. Eine Ausnahme bildet das Fürstentum Münster, in dem bereits 1749 im sog. „Status animarum“ alle Einwohner landesweit erhoben wurden.2 In Kurköln wurden überhaupt keine landesweiten Volkszählungen durchgeführt, lediglich in einzelnen Städten wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Seelenverzeichnisse erstellt. In diesem Kapitel werden nacheinander die Bevölkerungszählungen von 1720 (Kapitel 6.1), 1790 (Kapitel 6.2) und 1800 (Kapitel 6.3) untersucht. Anhand der beiden Momentaufnahmen von 1720 und 1790 kann nachvollzogen werden, ob und inwiefern sich demographische Kennziffern in kurkölnischer Zeit verändert haben. Eine Zu- oder Abnahme einzelner demographischer Kennziffern in den dazwischen liegenden Dekaden kann allerdings nicht nachgewiesen werden – dafür ist der dazwischenliegende Zeitraum zu lang. Die Bevölkerungsstatistiken aus französischer Zeit werden berücksichtigt, damit die Auswirkungen des Verlusts der Residenzfunktion und der meisten geistlichen Institutionen auf die generative Struktur beschrieben werden können. Im Schlusskapitel (Kapitel 6.4) werden die Ergebnisse aus den drei Bonner Bevölkerungszählungen zusammengeführt. Zunächst werden jedoch die verwandten Quellen näher erläutert. Die Quellenlage für Bonn ist besser als für viele andere kurkölnische Städte, weil jeweils eine Zählung aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und eine aus der zweiten vorliegt. Das Verzeichnis der Pfarrgenossen von 17203 ermöglicht einen direkten Vergleich mit der Volkszählung aus den Zustandstabellen von 1790. Leider fehlt unter den Verzeichnissen der Pfarrgenossen von 1720 die Aufstellung der Mitglieder der Hauptpfarrei St. Remigius, sodass die Analyse der Bevölkerungsstruktur für 1720 nur einen Teil der Stadtbevölkerung wiedergibt. Ein direkter Vergleich der Bevölke1 2 3
BEHRISCH, Politische Zahlen, S. 555. GEHRMANN, Bevölkerungsgeschichte Norddeutschlands, S. 70. Vgl. Kapitel 1.3.2.
Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
221
rung des Jahres 1720 mit der von 1790 hätte durchgeführt werden können, indem die zu St. Remigius gehörenden Einwohner aus den Zustandstabellen von 1790 quasi herausgefiltert und die verbliebenen Einwohner miteinander verglichen worden wären. Dieses naheliegende Vorhaben ließ sich jedoch nicht realisieren, weil in den Zustandstabellen von 1790 weder Straßennamen noch die Zugehörigkeit zu einer Pfarrei vermerkt wurden. Zwar wurden die Einwohner in einer bestimmten Reihenfolge erfasst und verzeichnet, aber weil Bewohner derselben Straße oftmals unterschiedlichen Pfarrgemeinden angehörten, erwies es sich als äußerst problematisch, die nicht zu St. Remigius zählenden Bewohner zu identifizieren. Stattdessen wurde für die Untersuchung der relevanten demographischen Parameter für 1720 die innerhalb der Stadtmauern lebenden Gemeindemitglieder der drei Pfarreien und für 1790 die gesamte Stadtbevölkerung zugrunde gelegt. Darüber hinaus werden Volkszählungen aus der französischen Zeit bis etwa 1800 einbezogen. Diese bieten in aggregierter Form einen guten Überblick beispielsweise über den Altersaufbau oder die Geschlechtsproportion der Bevölkerung. Die erste Volkszählung Bonns mit Altersangaben aller Einwohner, die für viele demographische Analysen unerlässlich sind, datiert allerdings erst aus dem Jahr 1811 und ist darüber hinaus nicht vollständig überliefert. Daher wird sie in dieser Untersuchung nicht berücksichtigt.4 In mehreren Studien wurde die Frage aufgeworfen, ob die demographischen Kennziffern „Haushaltsgröße pro Einwohner“ und „Kinderanzahl pro Ehepaar“5 sowie „Anteil des Gesindes an der Gesamtbevölkerung“ bzw. pro Haushalt sehr stark mit dem Vermögen oder Einkommen des jeweiligen Haushaltsvorstandes korrelieren. Solche Korrelationen haben beispielsweise Sachse für Göttingen und Witzel für Hersfeld nachgewiesen, auch wenn die Zusammenhänge für Hersfeld weniger stark als erwartet waren.6 Auch in Genf, einem großen calvinistischen Wirtschaftszentrum, waren die Unterschiede zwischen den fünf vom Autor eingeteilten Klassen und der Kinderzahl im Jahr 1798 verschwindend gering.7 Daher galt nicht: Je differenzierter die Berufsstruktur einer Stadt, desto stärker der Zusammenhang zwischen Vermögen und Haushaltsgröße bzw. der Kinderzahl. Zschunke hat am Beispiel des trikonfessionellen Oppenheim im Jahr 1740/41 zeigen können, dass ein starker linearer Zusammenhang zwischen Kinderzahl und Vermögen unter der katholischen Bevölkerung bestand, nicht jedoch unter Reformierten und Lutheranern. Der Zusammenhang zwischen der Haushaltsgröße und dem Vermögen war hingegen in allen drei Konfessio4
5
6 7
In dieser Volkszählung wurde von der gesamten Einwohnerschaft folgende Angaben erhoben: Name mit Altersangabe, Religionszugehörigkeit, Berufsangabe, Adresse, Geburtsort und Alter bei Zuzug nach Bonn. Trotz ihrer Unvollständigkeit ist sie eine für demographische Fagestellungen ergiebige Quelle. StAB, Fr 29/5. In zahlreichen Untersuchungen, z. B. bei MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 58, ist von der Kinderzahl pro Familie die Rede, ohne dass dieser Parameter hinreichend erläutert oder definiert wird. Es bleibt nämlich unklar, ob beispielsweise Witwen und Witwer mitberücksichtigt sind. Vorbildlich ist die Einteilung bei JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 320-322. SACHSE, Göttingen im 18. und 19. Jahrhundert, S. 191-200; WITZEL, Hersfeld 1525-1756, S. 57. PERRENOUD, La Population de Genève, S. 117 f.
222
Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
nen sehr stark. Die Zahl der Bediensteten nahm mit dem Vermögen des Haushaltes kontinuierlich zu.8 Zwischen der Konfession und der Einstellung gegenüber einer bewussten Planung der Kinderzahl bestand ein enger Zusammenhang. Während im calvinistischen Genf 1798 die Familiengröße bewusst gesteuert wurde, galt in katholischen Kreisen: je mehr Kinder, desto besser. Da vermögendere Familien aufgrund ihres niedrigeren Heiratsalters und etwas niedrigerer Kindersterblichkeit tatsächlich mehr Kinder hatten, kann für das katholische Bonn angenommen werden, dass das Vermögen und die genannten demographischen Parameter stark korrelieren. Eine empirische Überprüfung erfolgt in Kapitel 6.2 anhand der Zustandstabellen von 1790. Abgesehen von Vergleichen dieser demographischen Kennziffern zwischen verschiedenen Städten erscheint auch ein Vergleich innerhalb derselben Stadt zu verschiedenen Zeitpunkten lohnend. Beispielsweise sank die durchschnittliche Kinderzahl in Göttingen nach den Krisenjahren während des Siebenjährigen Krieges um ein Viertel. Aber bereits 1783 war die Kinderzahl pro Haushalt sogar höher als 1689.9 An diesem Beispiel wird die Anpassungsfähigkeit städtischer Gesellschaften an veränderte Lebensbedingungen deutlich.
6.1 Die Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahr 1720 Die drei Listen der Pfarrmitglieder von St. Martin, St. Petrus und St. Gangolf sind nicht einheitlich aufgebaut, sondern die Liste von St. Martin unterscheidet sich stark von den beiden anderen. Sie enthält deutlich mehr Informationen. Es wurden alle Pfarrgenossen aus St. Martin mit Namen aufgeführt, auch Kinder sowie Knechte und Mägde. Daneben sind zusätzliche Informationen unregelmäßig enthalten, wie z. B. verwandtschaftliche Beziehungen, tatsächlicher Aufenthaltsort oder auch Altersangaben. Insgesamt sind 350 Pfarrgenossen zu St. Martin, 400 zu St. Petrus und 1.307 zu St. Gangolf verzeichnet, insgesamt also 2.057 Einwohner Bonns. Außerdem wurden in St. Martin die Bewohner eines Hauses zusammengefasst, während in den beiden anderen Listen die Haushalte getrennt erhoben wurden. Die Sozialstruktur der Pfarrei St. Martin unterschied sich erheblich von den beiden anderen Pfarreien. Die Pfarrmitglieder von St. Martin gehörten überdurchschnittlich häufig dem Adel oder dem Klerus an. Der Kurfürst selbst war Mitglied dieser Pfarrei, daneben zahlreiche seiner Hofkammer- und Hofräte. Außerdem gehörten der Pfarrei insgesamt 49 Geistliche an, vorwiegend Kanoniker des Stifts St. Cassius. Die Pfarrmitglieder von St. Gangolf und St. Petrus sind überwiegend den bürgerlichen bzw. den unterbürgerlichen Schichten zuzurechnen. Zur nicht untersuchten Pfarrei St. Remigius gehörten vom Bogenhausbewohner bis hin zum Hofrat sämtliche in der Stadt vertretene Schichten. Somit wird insgesamt ein repräsentatives Bild der Stadt wieder-
8 9
ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 196, Fig. 19. WINNIGE, Krise und Aufschwung, S. 122.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahr 1720
223
gegeben, obgleich das Fehlen der Hauptpfarrei nicht gänzlich aufgewogen werden kann – schließlich gehörten ihr etwa drei Viertel der Stadtbevölkerung an. Die Bevölkerungsstruktur Bonns im Jahre 1720 ist in Tabelle 26 dargestellt.10 Die Ausnahmestellung der Pfarrei St. Martin lässt sich an fast allen demographischen Parametern ablesen. Der hohe Anteil der Ledigen ist in erster Linie auf die zahlreichen Kleriker unter den Pfarrgenossen zurückzuführen. Daher ist auch der Anteil des weiblichen Geschlechts mit 47,7 % besonders niedrig, wohingegen in den beiden anderen Pfarreien das weibliche Geschlecht überwog: Der Frauenanteil lag bei 53,5 % in St. Gangolf und 51,7 % in St. Petrus. Aufgrund der exponierten Stellung der in der Pfarrei St. Martin überrepräsentierten Adeligen lag die Kinderzahl pro Ehepaar auch deutlich höher als in den beiden anderen Pfarreien. Wegen des hohen Anteils an Geistlichen war jedoch der Anteil der Kinder mit insgesamt etwa 20 % nur halb so hoch wie in St. Petrus und St. Gangolf. Tabelle 26: Analyse der Bevölkerungsstruktur 1720 Pfarrei
St. Martin St. Petrus
Haushalte
-
St. Gangolf Alle drei Pfarreien
110
334
-
Häuser
56
-
-
-
Einwohner pro Haushalt/Haus
6,4
3,6
3,9
-
Anteil Kinder in %
20,9
40
40,2
36,9
Kinder pro Haushalt/Haus
1,3
1,5
1,6
-
Kinder pro Ehepaar Kinder pro Ehepaar mit mind. einem Kind Ehepaare o. Kinder in %
2,5
1,7
1,8
1,9
3,1
2,4
2,4
2,6
20
29
24
24
Anteil Ledige m in %
77,7
17
10,7
27
Anteil Ledige w in %
63,9
17
15,6
23,6
Anteil Witwen in %
6
6,4
15,1
8,3
Anteil des Gesindes in %
23,4
12,7
12,7
14,1
Gesinde pro Haushalt/Haus
1,5
0,5
0,4
0,6
Quelle: LAV NRW R, Kurköln VIII, Nr. 672.
Für den Vergleich mit anderen Städten wurden die demographischen Parameter auf der Grundlage der Daten aller drei Pfarreien gewählt. Zwar sind Adel und Geistlichkeit in der Pfarrei St. Martin überrepräsentiert, aber die soziale Zusammensetzung der größeren Pfarrei St. Gangolf gleicht dies aus: Ihr Pfarrbezirk lag am westlichen Rand der Stadt, wo – abseits von Rhein, Hof und Markt – überdurchschnittlich viele ärmere Bevölkerungsgruppen zu Hause waren. Insgesamt sind daher die Anteile der einzelnen Schichten innerhalb Bonns sehr gut repräsentiert. 10
Die absoluten Zahlen sind in Tabelle A 8 im Anhang aufgeführt.
224
Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
Die Anzahl der Einwohner pro Haushalt lag mit durchschnittlich 3,8 Mitgliedern auf demselben Niveau wie in zahlreichen anderen Städten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Der Vierpersonenhaushalt dominierte. Entgegen der weitverbreiteten Meinung, nach der größere Städte tendenziell kleinere Haushalte beherbergten,11 zeigt der Vergleich in Tabelle 27, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Einwohnerzahl einer Stadt und der durchschnittlichen Haushaltsgröße gab.12 Die durchschnittliche Haushaltsgröße Bonns lag vergleichsweise niedrig. Tabelle 27: Vergleich der durchschnittlichen Haushaltsgröße verschiedener Städte Jahr
Stadt
Haushaltsgröße Ø
1720
Bonn
3,8
1713
Ansbach
4,4
1731
Kassel
5,0
1766
Karlsruhe
3,8
1763
Göttingen
3,7
1745
Jülich
3,7
1762
Oettingen
3,8
1736
Hersfeld
4,1
1768
Berlin
4,2
1720
Genf
4,3
1755
Brüssel
3,2
Quellen: WITZEL, Hersfeld 1525-1756, S. 55; KRÖBER, Die Einwohner der „Haupt- und Residenzstadt“ Jülich, S. 28-31; OSTENRIEDER, Wohnen und Wirtschaften, S. 59, Tabelle 8; SCHULTZ, Berlin 1650-1800, S. 184; PERRENOUD, La Population de Genève, S. 103, Tabelle 16.
Der Anteil der Kinder an der Gesamtbevölkerung lag mit ca. 40 % fast ebenso hoch wie in der fränkischen Residenzstadt Ansbach im Jahr 1713 oder in Hersfeld im Jahr 1746 und etwas höher als in Karlsruhe und in Spandau – in Karlsruhe betrug der Kinderanteil 1769 37,8 % und in Spandau 1750 37 %.13 In Münster hingegen, der Nebenresidenz Max Friedrichs, lag der Anteil der Kinder 1769 bei nur 30,8 %.14 Noch 1685 hatte er 40 % betragen.15 Sicherlich spielten dabei die Herabstufung Münsters zur Nebenresidenz und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Einbußen eine tragende Rolle. Dieses Beispiel zeigt den engen Zusammenhang zwischen der Kinderzahl und der wirtschaftlichen Lage einer Stadt. Auch die Anzahl der Kinder pro Ehe be11 12
13 14 15
Z. B. bei GESTRICH, Neuzeit, S. 433 f. Dieser Vergleich von elf Städten, immerhin deutlich mehr als die bei Gestrich angeführte Zahl an Städten, kann aber nicht als hinreichend zur Beantwortung dieser Frage gelten. Der Verweis dient nur als Anstoß für weitere Forschungen. GESTRICH, Neuzeit, S. 433 f. BAHL, Ansbach, S. 217; WITZEL, Hersfeld 1525-1756, S. 58; MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 55; GEHRMANN, Eintausend Spandauer Familien, S. 59. OER, Residenzstadt ohne Hof, S. 392. HEIDEMANN, Bevölkerungszahl und berufliche Gliederung, S. 17.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahr 1720
225
wegte sich in Bonn im üblichen Rahmen: Zwei Kinder im Haushalt der Eltern waren die Regel, so beispielsweise auch in Hersfeld 1746, in Göttingen 1689 und in Ansbach.16 Die Kinderzahl pro Haushalt – ein ähnlich valider Parameter wie die Kinderzahl pro Ehepaar – lag in Bonn 1720 genauso hoch wie in Genf im selben Jahr.17 Auch in der deutlich kleineren bikonfessionellen Residenzstadt Oettingen oder in der zu Bonn benachbarten Residenzstadt Jülich lebten durchschnittlich 1,5 Kinder in einem Haushalt.18 Zwei Kinder pro Ehepaar sind typisch für frühneuzeitliche städtische Bevölkerungen, wie die Forschungen zur Haushalts- und Familiengröße gezeigt haben.19 In der badischen Residenzstadt Karlsruhe bewegte sich die Zahl der Kinder pro Familie 1769 zwischen durchschnittlich 1,7 und 2,1, je nach Konfession. In allen herangezogenen Untersuchungen von mehrkonfessionellen Städten lag die Kinderzahl bei den Katholiken am höchsten und bei den Reformierten am niedrigsten. Leider liegt keine entsprechende Analyse der Bevölkerungsstruktur einer anderen Residenzstadt eines geistlichen Kurfürstentums vor, weil Bevölkerungszählungen in diesen Territorien aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht überliefert sind. Es erscheint problematisch, die anhand einer Zustandsliste gewonnenen Angaben zur Familiengröße mit denen einer Familienrekonstitution – also anhand von verzeichneten Vitalereignisse in Kirchenbüchern – zu vergleichen, wie es Christina Müller in ihrer Studie zu Karlsruhe versuchte, um die rheinischen Residenzstädte Koblenz und Mainz in ihren Vergleich einbeziehen zu können.20 Sicherlich lebten in einer durchschnittlichen Mainzer Familie nicht fünf Kinder, wie es Christina Müller durch ihre Ausführungen impliziert.21 Denn von der Zahl der geborenen und überlebenden Kinder kann nicht direkt auf die Anzahl der Kinder geschlossen werden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bei ihren Eltern wohnten. Da bereits zwölfjährige Mädchen und Jungen häufig als Lehrlinge bzw. Mägde oder Knechte außerhalb ihres Elternhauses wohnten, war die Anzahl der Kinder in Volkszählungen naturgemäß weitaus niedriger als das die Ergebnisse zur ehelichen Fertilität mittels einer Familienrekonstitution erwarten ließen. Der Anteil des Gesindes lag in St. Martin – wie eingangs erläutert – aufgrund der sozioökonomischen Zusammensetzung der Pfarrei besonders hoch. In den beiden anderen Pfarreien kam etwa eine Magd oder ein Knecht auf zwei Haushalte, wobei die Varianz sehr ausgeprägt war: Die meisten Haushalte hatten kein Gesinde, aber dafür gab es einige, in denen bis zu 15 Knechte und Mägde lebten, wie im zur Pfarrei 16 17 18 19 20 21
WITZEL, Hersfeld 1525-1756, S. 60, Tabelle 10; WINNIGE, Krise und Aufschwung, S. 122, Tabelle II.12; BAHL, Ansbach, S. 227. PERRENOUD, La Population de Genève, S. 110, Tabelle 22. OSTENRIEDER, Wohnen und Wirtschaften, S. 59; KRÖBER, Die Einwohner der „Haupt- und Residenzstadt“ Jülich, S. 36. GESTRICH, Neuzeit, S. 432. MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 58. Sie nimmt bei 4,8 Geburten drei im Haushalt lebende Kinder für Koblenz im 18. Jahrhundert an. Dies bedeutet, dass in Mainz bei durchschnittlich 7,9 Geburten in vollständigen Ehen ca. fünf Kinder im Haushalt dieser Familien lebten. Ebd., S. 58.
226
Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
St. Petrus gehörenden Haushalt des Generals von Notthaft.22 Neben Adeligen und Klerikern hatten auch einige Handwerker und Kaufleute mehr als vier Knechte oder Mägde in ihrem Haus. In Genf lag der Anteil des Gesindes pro Haushalt mit 0,41 auf einem ähnlichen Niveau.23 In Ansbach lag der Anteil des Gesindes 1713 bei 15,9 %, in Hersfeld 1736 bei 10,9 %, in Oppenheim 1740/41 bei 11,6 % und in Kassel bei 18,04 %. Wirtschaftliche Zentren und Residenzstädte hatten generell einen höheren Anteil an Gesinde als Ackerbürgerstädte, wie dieser Vergleich belegt. Die Zahl des Gesindes hing stark mit dem Vermögen des Haushaltes zusammen. Der Ledigenanteil ist für die Bestimmung weiterführender demographischer Parameter besonders wichtig, weil beispielsweise die Reproduktionsfähigkeit einer Population nur bestimmt werden kann, wenn der Anteil der dauerhaft Ledigen bekannt ist. Der Anteil der männlichen selbstständigen Erwachsenen lag im Durchschnitt der beiden relevanten Pfarreien – St. Martin und St. Petrus – bei 13,9 %, bei den weiblichen selbstständigen Erwachsenen bei 16,3 %. Für die Reproduktionsfähigkeit ist jedoch allein der Ledigenanteil der Frauen entscheidend, weshalb für die folgenden Vergleiche der Anteil der ledigen Männer unberücksichtigt bleibt. Die Momentaufnahme dieser Bevölkerungszählung hat allerdings den Nachteil, dass auch junge ledige Frauen, die möglicherweise noch zu einem späteren Zeitpunkt heirateten, ebenfalls als Ledige erfasst werden. Dieser Anteil an selbstständig lebenden jungen und unverheirateten Frauen dürfte allerdings verschwindend gering sein, weil solche Frauen in der Regel als Mägde arbeiteten oder noch im Haushalt ihrer Eltern lebten. Der Anteil der Witwen an allen erwachsenen Frauen mit Ausnahme der Dienstboten betrug 8,3 %. Auffallend ist der beträchtliche Unterschied zwischen der Pfarrei St. Petrus mit einem Anteil von 15,1 % und den Pfarreien St. Martin und St. Gangolf, wo nur etwas mehr als 6 % der Frauen verwitwet waren. Der Grund für diesen beträchtlichen Unterschied liegt in der sozialen Zusammensetzung der Pfarreien. Denn neben dem Damenstift und den Baracken an der Stadtmauer gehörten auch viele ärmere Bewohner, die in der Nähe der nördlichen Stadtmauer lebten, zu dieser Pfarrei. Darunter befanden sich – wie die sozioökonomische Analyse gezeigt hat – besonders viele Witwen.
6.2 Die Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahr 1790 Die Zustandstabellen von 1790 sind bereits von Historikern analysiert worden – allerdings nur im Hinblick auf die Gesamteinwohnerzahl und die Berufsstruktur Bonns, da die Liste die Berufe der Haushaltsvorstände aufführt.24 Darüber hinaus bieten die Berufsangaben die Möglichkeit, einzelne demographische Kennziffern zu erheben 22
23 24
Es lebten neun Knechte und sechs Mägde im Haushalt des Generals und seiner Frau. LAV NRW R, Kurköln, Nr. 672, fol. 7v. Nachfolgend (Kapitel 6) sind alle nicht mit einer Fußnote belegten Angaben zu einzelnen Personen aus dieser Quelle (für 1720) oder aus den Zustandstabellen, StAB, Ku 34/2, (für 1790) entnommen, die beide in eine Datenbank aufgenommen wurden. PERRENOUD, La Population de Genève, S. 110, Tabelle 22. Vgl. Kapitel 2.4.2 und 3.1.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahr 1790
227
und miteinander zu vergleichen, wie beispielsweise die Kinderzahl einzelner Berufsgruppen. Zunächst werden aber die demographischen Kennziffern von 1790 mit denen von 1720 verglichen. Tabelle 28: Analyse der Bevölkerungsstruktur 1790 Demographischer Parameter
Anzahl/Wert
Häuser
1.121
Haushalte
2.668
Einwohner pro Haus
9,17
Einwohner pro Haushalt
3,85
Kinder pro Haushalt
1,52
Kinder pro Familie
1,9
Kinder pro Familie mit mind. einem Kind
2,7
Anteil Kinder in %
39,5
Anteil Ledige m in %
10,4
Anteil Ledige w in %
16
Anteil Gesinde in %
16,1
Gesinde pro Haushalt
0,62
Anteil Witwen in %
17,8
Ehepaare mit Kindern in %
30
Ehepaare ohne Kinder in %
70
Quelle: StAB, Ku 34/2.
Der Vergleich der Bevölkerungsstruktur von 1790 (Tabelle 28) mit der von 1720 (Tabelle 26) zeigt erstaunlich viele Gemeinsamkeiten, obwohl bei der Analyse der Momentaufnahme von 1720 die Hauptpfarrei nicht berücksichtigt werden konnte. Die Haushaltsgröße, der Anteil der Kinder und auch die Anzahl der Kinder pro Haushalt bzw. Frau, der Anteil des Gesindes sowie der Ledigenanteil bewegten sich in beiden Jahren auf einem ähnlichen Niveau. Der Vergleich dieser Parameter zeigt, dass sich die generative Struktur nicht grundlegend verändert hat. Demnach haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen die Menschen und Familien eingebettet waren, zumindest nicht derart verändert, dass sie einen grundsätzlichen Wandel des generativen Verhaltens hervorgerufen hätten. Die Zusammensetzung der Bevölkerung in Abbildung 19 kann daher im Großen und Ganzen für das gesamte Jahrhundert angenommen werden. Lediglich der Anteil der Witwen lag 1790 mit 17,8 % Witwen unter allen Frauen – die Dienstboten ausgenommen – mehr als doppelt so hoch wie noch 1720. Wie ist dieser deutliche Unterschied zu erklären? Die Bevölkerung war 1720 insgesamt jünger als 1790, weil nach der Rückkehr von Joseph Clemens zahlreiche Menschen nach Bonn einwanderten. Denn Migranten waren in der Frühen Neuzeit – und sind es bis
228
Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
heute – in der Mehrzahl jüngere Erwachsene.25 Demgegenüber hatte die Stadt zwischen 1760 und 1790 einige Einwohner durch Abwanderung verloren – ebenfalls wohl überwiegend jüngere Erwachsene. Demnach müsste die Bevölkerung 1720 insgesamt deutlich jünger gewesen sein als 1790, und unter einer insgesamt jüngeren Bevölkerung finden sich naturgemäß weniger Witwen. Eine empirische Überprüfung dieser Annahme über die Entwicklung der Altersstruktur wäre durch eine Rückprojektion der Altersstruktur Bonns nach der ersten Volkszählung mit Altersangaben von 1811 anhand der Einträge in den französischen Zivilstandsregistern und der Kirchenbuchangaben durchführbar;26 konnte aber im Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden.
Abbildung 19: Zusammensetzung der Bevölkerung 1790 in %
Der Vergleich mit anderen Städten soll dazu dienen, die Ergebnisse besser einzuordnen. Sollte nämlich in vergleichbar großen Städten ein grundlegender Wandel während des 18. Jahrhunderts eingetreten sein, dann würde die Stagnation in Bonn in ein ganz anderes Licht gerückt. Leider liegen die für Bonn untersuchten demographischen Kennziffern nicht für die drei anderen Residenzstädte der geistlichen Kurfürsten vor – jedenfalls nicht für zwei Zeitpunkte im 18. Jahrhundert. Deshalb werden auch andere Städte – die keine Residenzen waren – für einen Vergleich herangezogen.
25 26
WEIGL, Demographischer Wandel, S. 17 f. Ausführlich zur Methode der „General Inverse Projection“: PFISTER, The Population History of Germany, S. 34 f.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahr 1790
229
In der geistlichen Residenz Würzburg wurde sowohl 1703 als auch 1798 eine Aufstellung der gesamten Einwohnerschaft erstellt, sodass exakte Zahlen vorliegen. Der Anteil der Kinder betrug zu Beginn des Jahrhunderts 30,5 % und am Ende 32 %. Der Anteil der Dienstboten lag dagegen 1703 mit etwa 20 % fast doppelt so hoch wie 1798, als knapp 12 % der Gesamtbevölkerung als Magd oder Knecht ihren Dienst verrichteten. 1703 lebten durchschnittlich 2,3 Kinder in einem Haushalt.27 In der Universitätsstadt Göttingen lebten 1783 1,8 Kinder in einem Haushalt, 1689 1,86. Die Zahl der Dienstboten hatte sich jedoch erhöht: 1783 lebten durchschnittlich 0,72 Familienfremde in einem Haushalt – darunter vor allem Mägde, Knechte, Gesellen und Lehrlinge; 1689 waren es nur 0,5 pro Haushalt gewesen.28 In Flensburg lebten 1769 durchschnittlich 1,49 Kinder und 0,85 Knechte oder Mägde in einem 4,09 Personen umfassenden Haushalt. Zwar war der durchschnittliche Haushalt im Jahr 1803 mit 4,39 Personen etwas größer – ihm gehörten durchschnittlich 1,54 Kinder und 0,98 Knechte bzw. Mägde an29 –, aber die Parameterwerte sind so ähnlich, dass nicht von einem Wandel gesprochen werden kann.30 In Spandau lag der Anteil der Kinder an der Gesamtbevölkerung sowohl 1750 als auch 1800 bei knapp 40 %, während der Gesindeanteil von 17,5 % im Jahr 1750 auf 11,4 % im Jahr 1800 zurückging.31 Die durchschnittliche Kinderzahl pro Ehepaar lag in Duisburg im Jahr 1714 bei 2,5 und im Jahr 1811 bei 2,9. Jägers vermutet in diesem kleinen Zuwachs den sich abzeichnenden Einfluss der Frühindustrialisierung; diese habe höhere Kinderzahlen und komplexere Familienstrukturen begünstigt.32 In der kurpfälzischen Residenz Mannheim hatte ein Ehepaar sowohl 1719 als auch 1766 durchschnittlich 1,7 Kinder.33 Der Anteil des Gesindes an der Gesamtbevölkerung betrug im Jahr 1777 17 %. In Koblenz kamen 1795 4,6 Einwohner auf einen Haushalt,34 wobei die Haushalte in der Oberschicht deutlich größer waren als in der Mittelschicht und den Unterschichten. In der Großstadt Basel lebten 1779 mit 4,21 Personen pro Haushalt fast genauso viele Menschen in einem Haushalt wie in der zu Bonn benachbarten Kleinstadt Jülich (4,25 Personen pro Haushalt).35 Die Vergleiche zeigen, dass Bonns Bevölkerungsstruktur vergleichbar mit der anderer Residenzstädte oder Städte gleicher Größe war und dass auch in den meisten anderen Städten kein grundsätzlicher Wandel im Verlauf des 18. Jahrhunderts stattfand. Erstaunlich ist, dass in sämtlichen zum Vergleich herangezogenen Städten – 27 28 29 30 31 32 33 34 35
Zu 1703: SCHOTT, Fürstlicher Absolutismus und barocke Stadt, S. 158; zu 1798: GÜLDENSTUBBE, Sozialgeschichte der Stadt Würzburg, S. 470. WINNIGE, Krise und Aufschwung, S. 122, Tabelle II. 12. HENNINGS, Städte in Schleswig Holstein, S. 54, Tabelle 10 und S. 192, Tabelle 50. Hennings hingegen nimmt an, dass die Zunahme der Kinder um 0,05 [!] auf die Abnahme der Säuglings- und Kindersterblichkeit zurückzuführen sei. Ebd., S. 192. GEHRMANN, Eintausend Spandauer Familien, S. 59. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 321 f. MÖRZ, Glanz der Residenz, S. 398. FRANÇOIS, Population et société, S. 396. GSCHWIND, Bevölkerungsstruktur und Wirtschaftsstruktur, S. 291; WENDELS, Jülich im Jahre 1799, S. 2.
230
Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
gleichgültig ob Klein- oder Großstadt, ob Residenz- oder Universitätsstadt – die durchschnittliche Haushaltsgröße bei etwa 4 Personen lag. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Haushalt unterschied sich zwar leicht zwischen den Städten, aber in keiner der genannten Städte veränderte sich die Kinderzahl pro Ehe oder Haushalt während des 18. Jahrhunderts bedeutend. Deshalb kann die Stagnation hinsichtlich Kinderzahl und Haushaltsgröße in Bonn auch nicht als rückständig interpretiert werden, sondern kennzeichnete eine typische mittelgroße Stadt im 18. Jahrhundert. Tabelle 29: Kinderanzahl in verschiedenen Berufsgruppen Bevölkerungsgruppe Adel und hohe Beamte
Kinderanzahl Kinderzahl pro Haushalte mit Haushalte pro Familie (Ø) Haushalt (Ø) Kindern insg. 3,4 1,5 49 108
Hofbedienstete
2,5
1,5
184
306
Städtische Bedienstete
2,6
1,6
74
121
Soldaten (vorw. Offiziere)
2,8
1,4
24
42
Handel
2,9
1,8
110
175
Wirte
3,1
2,2
35
50
Musikanten und Spielleute
2,7
1,4
15
28
Nahrungsmittelgewerbe Bau- u. Produktionsgewerbe Textilgewerbe
3,1
2,3
95
125
2,6
1,8
88
126
2,6
1,8
115
163
Handwerksgesellen
2,2
1,3
73
123
Landwirte
2,8
1,8
52
82
Tagelöhner
2,1
1,4
197
308
Selbst. arbeitende Frauen
2,3
1,2
101
198
Arme/Lumpensammler
1,7
0,7
29
67
Rentier/invalide
2,4
1,1
37
85
Juden (vorw. Händler)
3,3
2,7
41
50
Witwen
1,8
1,3
229
408
Witwer
1,9
1,4
24
34
Alle Haushalte
2,5
1,5
1.564
2.668
Die durchschnittliche Anzahl an Kindern von Angehörigen verschiedener Berufsgruppen in Bonn ist in Tabelle 29 aufgeführt. In einer Familie, die mindestens ein Kind hatte, lebten im Durchschnitt 2,5 Kinder. Die Kinderzahl pro Haushalt lag mit 1,5 Kindern entsprechend niedriger. Die Kinderanzahl in den Familien der Unterschichten, zu der gemeinhin Tagelöhner, Lumpensammler, Bedürftige, selbstständig arbeitende Frauen gehörten, lag überraschend hoch. So lebten in einer Familie einer selbstständigen Frau – wozu Wäscherinnen, Näherinnen, Strickerinnen oder Spinne-
Die Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahr 1790
231
rinnen zählen – durchschnittlich 2,3 Kinder. Die zur Gruppe der „Rentier/invalide“ zählenden Familien hatten sogar durchschnittlich 2,4 Kinder und lagen damit relativ nahe am Gesamtdurchschnitt aller Haushalte von 2,5. Selbst die Familien der Kategorie „Arme/Lumpensammler“ hatten durchschnittlich 1,7 Kinder, allerdings nur 0,7 Kinder pro Haushalt, d. h. der Anteil der Haushalte ohne Kinder war besonders hoch. Die meisten Kinder hatten Adelige und hohe Beamte aus den Zentralbehörden – Geistliche sind dabei natürlich nicht berücksichtigt – mit durchschnittlich 3,4 pro Familie. Erstaunlich ist jedoch, dass 45 % dieser Haushalte überhaupt keine Kinder hatten, sodass die Kinderzahl pro Haushalt ungefähr auf dem Niveau von Tagelöhnern lag! Einige dieser Adeligen wurden zwar in den Zustandstabellen verzeichnet, aber ihre Stammsitze, auf denen ihre Familien wohnten, lagen außerhalb der Stadt. Sie kamen wohl nur vorübergehend nach Bonn, um ihren Verpflichtungen nachzugehen, und wohnten in Bürgerhäusern zur Miete.36 Unter den Handwerkerfamilien waren die kinderreichsten diejenigen der Bäcker, Fassbinder, Metzger und Bierbrauer mit 3,1 Kindern pro Familie (zusammengefasst in der Kategorie „Nahrungsmittelgewerbe“) und 2,3 Kindern pro Haushalt. In den anderen Zünften, die bis auf einige kleinere wie die Fuhrleute, Schürger und Schiffer allesamt in den verbliebenen Kategorien „Textilgewerbe“ und „Bau- und Produktionsgewerbe“ zusammengefasst sind, lag die Kinderzahl deutlich niedriger, aber immer noch über dem Durchschnitt aller städtischen Haushalte. Die Familien und Haushalte von Handwerkern der Nahrungsmittelgewerbe waren auch in vielen anderen frühneuzeitlichen Städten deutlich größer als die der Handwerker aus anderen Zünften.37 Dies lag in der Regel an der wirtschaftlich besseren Lage dieser Zünfte – gerade im Vergleich zu Schustern, Schneidern und Leinenwebern, die in den meisten Städten zu den ärmsten Handwerkern gehörten.38 Jedoch gilt dieser Zusammenhang im Allgemeinen nur für katholische Bevölkerungsgruppen, weil in reformierten und lutherischen Familien die Zahl der Kinder deutlich weniger stark vom Vermögen abhing.39 Erstaunlich ist, dass 73 Handwerksgesellen verheiratet waren und Kinder hatten. Darunter finden sich vorwiegend Zimmermanns-, Schreiner-, Schuster- und Schneidergesellen. Die anderen Zünfte sind gar nicht oder nur vereinzelt vertreten. Somit scheint in diesen vier Zünften ein Heiratsverbot für Gesellen nicht bestanden zu haben; zumindest wurde es nicht durchgesetzt.40 36 37 38 39
40
Vgl. Kapitel 4.1.2. SACHSE, Göttingen im 18. und 19. Jahrhundert, S. 191, Tabelle 26; EBELING, Bürgertum und Pöbel, S. 125, Tabelle 20. GESTRICH, Neuzeit, S. 439 f. In Oppenheim waren die Familien der Maurer und Zimmerleute – trotz der Armut dieser Zunft deutlich kinderreicher als die des Nahrungsmittelgewerbes. Dies lag jedoch sicherlich an der ungleichen Verteilung der Konfessionen über die Gewerbe. ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 194 f. Im Baugewerbe und Buchdruck, Randbereichen des Zunftwesens, gab es nicht die klassische Laufbahn vom Gesellen zum Meister, weshalb Gesellen auch heiraten durften. KLUGE, Die Zünfte, S. 171. In Köln verfügten daher auch ein Großteil der Zimmermanns-, Schreiner-, Leyendecker- und Buchdruckergesellen über Hausbesitz. EBELING, Bürgertum und Pöbel, S. 111 f.
232
Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
Die meisten Kinder pro Haushalt hatten jedoch die 50 jüdischen Haushalte in Bonn, nämlich durchschnittlich 2,7. Darüber hinaus hatte jeder dieser Haushalte durchschnittlich 1,7 Knechte bzw. Mägde. Insgesamt gehörten damit einem jüdischen Haushalt in Bonn 6,2 Personen an. Dies bestätigt die wirtschaftlich günstige Lage der Bonner Juden, die überwiegend als Händler ihren Lebensunterhalt bestritten. Neben Händlern gab es unter ihnen zwei Ärzte – den alten Hofarzt Wolff und seinen Sohn –, einen Rabbiner, zwei Schlächter, einen Vorsänger und einen Schulbediensteten, deren Haushalte aber ähnlich groß waren wie die der Händler. Auch in anderen Residenzstädten, wo Juden besonders stark an der Versorgung des Hofes partizipierten, beispielsweise in Mannheim, hatten jüdische Familien deutlich mehr Kinder als christliche.41 Die Gruppe der „Händler“ ist besonders stark diversifiziert, darunter sind ebenso Großhändler wie kleine Krämer subsumiert. Die Kinderzahl lag bei den reicheren Händlern im Durchschnitt höher als bei den kleineren Händlern und Ladenbesitzern. Lediglich Lumpensammler und Altläpper sind nicht unter den Händlern aufgeführt, sie sind den „Armen“ zugerechnet worden. Auf die Analyse sämtlicher Berufs- und Bevölkerungsgruppen wird verzichtet, denn der grundlegende Zusammenhang, auf den es hier ankommt, wird bereits aus der Zusammenstellung in Tabelle 29 ersichtlich: Je wohlhabender die Familie, desto mehr Kinder. Gleichwohl waren die Unterschiede in der Kinderzahl zwischen den verschiedenen Bevölkerungs- bzw. Berufsgruppen in der Regel nicht besonders groß. Das Vermögen wirkte sich noch wesentlich stärker auf die Anzahl des Gesindes aus. Die Ledigenquote der selbstständig lebenden Frauen lag mit 16 % erstaunlich niedrig für eine Stadt, in der 1781 allein schon 271 ledige Geistliche lebten.42 In Luzern beispielsweise lag sie nach einer Volkszählung von 1799 bei 42 %, wobei Frauen unter 45 Jahren nicht berücksichtigt wurden und es sich somit um die definitiv dauerhaft Ledigen handelte. Nach einer Analyse der in den Sterberegistern ledig verstorbenen Frauen über 50 Jahren lag der Ledigenanteil zwischen 1768 und 1794 aber nur bei 22,2 %. Der große Unterschied überrascht, möglicherweise liegt ein Quellenproblem vor.43 In Genf beispielsweise waren 1798 nur 4,2 % der Frauen ledig, in den Kleinstädten Homberg an der Ohm im Jahr 1804 7,3 %, in Kirchberg 1756-1798 7 % und in der fränkischen Residenzstadt Ansbach 1713 nur 3,3 %.44 In der französischen Kleinstadt Meulan waren zwischen 1740 und 1789 10,4 % der verstorbenen Frauen über 50 Jahren unverheiratet.45 In der rheinischen Residenzstadt Karlsruhe waren nach einer Volkszählung im Jahr 1769 17,2 % der Katholiken ledig, 1775 sogar 28,8 %. Im Jahr 1800 lag der Ledigenanteil der über 40-jährigen Frauen bei etwa 17 %.46 41 42 43 44
45 46
MÖRZ, Glanz der Residenz, S. 398. EICHHOFF, Materialien zur geist- und weltlichen Statistick, Bd. 1, S. 170 f. BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 102. PERRENOUD, La Population de Genève, S. 108, Tabelle 21; DICKHAUT, Homberg an der Ohm, S. 236 in Verbindung mit S. 187 (der Prozentwert wurde errechnet); SAUNDERS, Familie, Fortpflanzung und Bevölkerungsentwicklung, S. 210, Tabelle 21; BAHL, Ansbach, S. 223. LACHIVER, La Population de Meulan, S. 136. MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 60-64.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung im Jahr 1790
233
Wie die verschiedenen Beispiele gezeigt haben, bewegte sich der Ledigenanteil in den verschiedenen Städten zwischen etwa 3 und 30 % – eine erstaunliche Bandbreite. Leider liegen keine entsprechenden Daten anhand von Volkszählungen für die anderen geistlichen Residenzstädte des Rheinlandes vor. Lediglich François hat den Anteil der über 40-jährigen unverheirateten Frauen zwischen 1775 und 1784 in den Koblenzer Sterberegistern erfasst. Der Ledigenanteil betrug danach 15,5 %.47 Die Ledigenquote lag also auf einem ähnlichen Niveau wie in Bonn. Doch bedeutete eine hohe Ledigenquote in den wohlhabenden Residenzstädten des 18. Jahrhunderts nicht, dass zwangsläufig zu wenig Geld für eine Familiengründung vorhanden war. Zahlreiche Berufsgruppen, neben den Geistlichen auch Bedienstete in der Verwaltung oder am Hof, blieben trotz ausreichenden Vermögens ledig.48 Dennoch spielt der Ledigenanteil für die generative Struktur auch in diesen Städten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dietz hat die Haushaltungen pro Haus ausgezählt, dabei Anstalten wie das Hospital und verschiedene Klöster nicht berücksichtigt. Danach war zwar überwiegend mehr als ein Haushalt in einem Haus untergebracht, aber immerhin 41 % der Häuser wurden nur von einem Haushalt bewohnt. In Duisburg beispielsweise lag der entsprechende Wert bei ca. 12 %.49 Es gab nur 14 Häuser in Bonn mit mehr als acht Haushaltungen; sogenannte „Mietskasernen“ blieben daher in Bonn die Ausnahme.50 Leider kann die Gesamtzahl der Haushalte und Häuser nicht für frühere Jahre angegeben werden. Möglicherweise beherbergten die Häuser in der Mitte des Jahrhunderts durchschnittlich mehr Haushalte als 1790. Schließlich standen um 1750 ähnlich viele Häuser in der Stadt wie 1790, obwohl die Einwohnerzahl zumindest bis Anfang der 1760er Jahre deutlich höher war als am Ende des Jahrhunderts. Parallelen finden sich in der etwa gleichgroßen Residenzstadt Hannover, in der die Einwohnerschaft von 1689 bis 1755 um fast 50 % zunahm, obwohl die Zahl der Häuser nahezu unverändert bei ca. 1.000 verharrte.51 Insgesamt verteilten sich durchschnittlich 2,4 Haushalte und neun Einwohner auf ein Haus. In Basel, einer etwas größeren Stadt, bewohnten nur 1,61 Haushalte ein Haus.52 In anderen Residenzstädten des Reiches lag die Wohndichte allerdings noch wesentlich höher als in Bonn; so entfielen in München im Jahr 1794 sogar durchschnittlich etwas mehr als vier Haushalte auf ein Haus.53 Diese Vergleiche zeigen, dass aus der Anzahl der Häuser in einer frühneuzeitlichen Stadt nicht auf die Einwohnerzahl geschlossen werden kann. Trotzdem stützen sich in der Forschung nach wie vor viele Angaben zur Bevölkerungsgröße verschiedener Städte auf Häuserzählungen.
47 48 49 50 51 52 53
FRANÇOIS, Population et société à Coblence, S. 25 f. Ausführlich bei MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 59 f. JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 318. DIETZ, Topographie der Stadt Bonn, Teil 1, S. 243. MAUERSBERG, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 62. GSCHWIND, Bevölkerungsstruktur und Wirtschaftsstruktur, S. 291. MAUERSBERG, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 71.
234
Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
6.3 Die Zusammensetzung der Bevölkerung um 1800 Umfassende staatliche Bevölkerungsstatistiken sind erst aus französischer Zeit überliefert. In diesen Statistiken der französischen Behörden wurden Angaben zur Geschlechtsproportion, zum Altersaufbau, der Zahl der Familien und Herdstellen sowie zum Anteil der Ledigen und Witwer bzw. Witwen erfasst. Bei der Analyse dieser demographischen Parameter um 1800 findet die Degradierung Bonns von einer mittleren Residenzstadt zu einer unbedeutenden Provinzstadt im Departement „Rhin-etMoselle“ besondere Berücksichtigung. Im Wesentlichen stützt sich die Analyse auf dem „Tableau de la Population de Bonn“, d. h. auf den Daten einer bereits aggregierten Volkszählung aus dem Jahr 1800.54 Zunächst sollen die bereits für 1720 und 1790 erhobenen demographischen Kennziffern analysiert werden, bevor der Altersaufbau untersucht wird und zum Schluss ein direkter Vergleich mit Koblenz erfolgt. Im Jahr 1800 zählten die französischen Behörden 1.293 Herdstellen („Feux“), gleichzusetzen mit der Anzahl der Haushalte, 1.766 Familien und insgesamt 8.833 Einwohner in Bonn. Die Zahl der Häuser lag am 12. März 1800 mit 1.156 nur unwesentlich niedriger als die Zahl der Haushalte. 1790 gab es noch mehr als doppelt so viele Haushalte wie Häuser. Die Belegdichte pro Haus hatte also weiter abgenommen. Dies zeigt, dass die rasante Bevölkerungsabnahme zwischen 1790 und 1800 nicht dazu geführt hatte, dass ganze Häuser leer standen, sondern dass vor allem weniger Haushalte in einem Haus untergebracht waren. Es kann daher auch angenommen werden, dass bereits die Bevölkerungsabnahme in den 1760er Jahren zu einer deutlichen Abnahme der Zahl der Haushalte pro Haus geführt hat. Allerdings lebten 1800 ca. 6,8 Personen pro Haushalt – ein deutlicher Zuwachs im Vergleich zu den knapp vier Personen pro Haushalt im Jahr 1790. Zusätzlich werden in diesem Tableau die entsprechenden demographischen Kennziffern von 1789 aufgeführt, wobei unklar bleibt, woher diese Angaben stammen. Demnach lebten 1789 in Bonn 9.560 Personen in 2.300 Familien und an 1.393 Herdstellen. Im Vergleich zu den Zustandstabellen von 1790 fehlen also rund 700 Einwohner. Die auffallend runde Zahl von 2.300 Familien deutet jedoch darauf hin, dass es sich nur um eine Schätzung handelt. Danach hatte eine Familie durchschnittlich 4,2 Mitglieder. Die Haushaltsgröße betrug nach den Zustandstabellen von 1790 knapp 3,9 Personen. Sie lag wohl aufgrund der mitgezählten Haushalte der unverheirateten Haushaltsvorstände etwas niedriger. Das „Tableau de la Population de Bonn“ gibt auch Aufschluss über die Geschlechtsverteilung. Von den insgesamt 8.833 in Bonn lebenden Menschen waren 4.104 Männer und 4.729 Frauen, d. h. es gab einen deutlichen Frauenüberschuss. Dieser bewegte sich aber im üblichen Rahmen für frühneuzeitliche Städte, wie aus Tabelle 30 hervorgeht. Im Vergleich zu 1790, als der Überschuss bei einer größeren Gesamtbevölkerung nur 434 Frauen und Mädchen betrug,55 hat der Frauenüberschuss jedoch deutlich zugenommen. Dies belegt die These, dass besonders viele unverheira54 55
MASSON, Mémoire statistique, S. 36. DIETZ, Als Bonn nur 47 Beamte hatte, S. 3.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung um 1800
235
tete Männer – neben Geistlichen auch Hofbedienstete – die Stadt verließen, als die Franzosen Bonn besetzt hatten. Tabelle 30: Geschlechtsverteilung ausgewählter Städte Einwohner
Bonn 1800
männlich in %
46,5
Oppenheim 1798 44,7
weiblich in % Einwohnerzahl
53,5 8.833
Karlsruhe 1801
Koblenz 1800
Genf 1798
47,9
46,1
46
55,3
52,1
53,9
54
1.626
5.885
10.691
24.331
Quellen: MASSON, Mémoire statistique, S. 33 und S. 36; ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 145, Tabelle 15; MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 52; PERRENOUD, La Population de Genève, S. 87, Tabelle 13.
Eine weitere Kategorie der französischen Bevölkerungsstatistik fasst die verheirateten und verwitweten Männer bzw. Frauen zusammen. 2.125 Frauen standen dabei 1.870 Männern gegenüber. Die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern lässt sich insbesondere durch den deutlich höheren Anteil an Witwen erklären, denn 1806 lebten 421 Witwen in Bonn, aber nur 184 Witwer bei insgesamt 3.342 selbstständigen Erwachsenen.56 Dies ergibt insgesamt einen Anteil der Verwitweten von etwa 18 %. Im Vergleich zu anderen Städten war das ein sehr hoher Wert: In Karlsruhe waren beispielsweise im Jahr 1769 9,7 % der erwachsenen Katholiken verwitwet57 und in Genf im Jahr 1798 10,1 % der erwachsenen Bevölkerung.58 Sicherlich rührte der hohe Anteil an Verwitweten in Bonn von den verheerenden Krisen Mitte der 1790er Jahre her – allein 1795 verstarben mehr als doppelt so viele Menschen wie 1790 oder 1791. Darüber hinaus wurde der Anteil dadurch erhöht, dass viele junge Erwachsene Bonn in den vergangenen zwölf Jahren verlassen hatten. Die Ledigenquote der über 30-jährigen unverheirateten Frauen lag in Bonn bei 4,4 %.59 Ein Teil der über 30-jährigen unverheirateten Frauen dürfte aber zu einem späteren Zeitpunkt geheiratet haben, sodass die Ledigenquote der tatsächlich dauerhaft unverheirateten Frauen noch ein wenig niedriger lag. Der starke Rückgang der Ledigenquote von 16 % auf 4,4 % innerhalb von ca. zehn Jahren ist sicherlich nicht nur auf den Wegzug zahlreicher Geistlicher und unverheirateter Hofbediensteter infolge der französischen Okkupation zurückzuführen. Wie aus den Heiratsregistern hervorgeht, heirateten viele Franzosen in den Jahren unmittelbar nach der Eroberung Bonns einheimische Frauen.60 Dieser Heiratsboom trug zum Rückgang der unverhei56 57 58 59
60
LHAK, 256, Nr. 199, „Receusement an 1 Jenvier 1806“, S. 20. MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 60. PERRENOUD, La Population de Genève, S. 82, Tabelle 12. Zwar kann die Anzahl der unter und über 30-jährigen Einwohner exakt bestimmt werden, aber nicht die Geschlechtsverteilung. Es wurde daher die Geschlechtsproportion der Gesamtbevölkerung, in Bonn 1,15 und in Koblenz 1,17 zugunsten des weiblichen Geschlechts, auf die über 30jährigen Frauen angewandt. Vgl. Kapitel 5.2.
236
Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
rateten Frauen deutlich bei und hatte sicherlich auch zur Folge, dass 1806 der Anteil der Kinder an der Gesamtbevölkerung bei 59 % lag.61 Dennoch wuchs die Bevölkerung bis zum Ende der französischen Zeit kaum – ein Beleg dafür, dass die Stadt auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen negativen Wanderungssaldo aufwies. Der starke Rückgang des Dienstpersonals – es lebten nur noch 14 männliche und 175 weibliche Dienstboten in der Stadt – kann sicherlich auf den Wegzug von Adeligen, Verwaltungsbeamten und Geistlichen zurückgeführt werden. Demgegenüber erhöhte sich die Zahl der Bettler auf insgesamt 500. Zum Vergleich: 1768 wurden insgesamt 170 Bettler in der Stadt gezählt – bei einer deutlich größeren Einwohnerzahl.62 Diese letztgenannten demographischen Parameter zeigen deutlich den Bedeutungsverlust und vor allem die Verarmung der Stadt infolge der französischen Okkupation.63
Abbildung 20: Altersstruktur im Jahr 180064
Der Altersaufbau der Bonner Bevölkerung ist in Abbildung 20 dargestellt, leider ohne eine Unterscheidung des Geschlechts.65 Kennzeichnend für frühneuzeitliche Populati61 62 63 64 65
LHAK, 256, Nr. 199, „Receusement an 1 Jenvier 1806“, S. 20. StAB, Ku 26/26. Die Bürger beklagten sich bei den französischen Behörden über das Anwachsen der Armut. ENNEN, Bonn unter französischer Herrschaft, S. 50. Quelle: MASSON, Mémoire statistique, S. 36. Deshalb muss darauf verzichtet werden, den Bevölkerungsaufbau wie üblich mit einer in der Mitte liegenden Achse darzustellen, sodass die Graphik insgesamt einer Pyramide, Urne, Zwiebel oder einem Bienenstock ähnelt.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung um 1800
237
onen ist die hohe Mortalität unter Kleinkindern, weshalb die Zahl der zehn- bis 19Jährigen im Vergleich zu den Kleinkindern naturgemäß deutlich niedriger lag. Dieses Phänomen findet sich ebenfalls in Bonn. Dabei fällt auf, dass die Gruppen der bis vierjährigen und der fünf- bis neunjährigen Kinder fast gleich stark vertreten sind. Der niedrige Anteil der 20-29-Jährigen im Vergleich zur Altersgruppe der Jugendlichen war wohl eine Folge der massiven Auswanderung nach der französischen Okkupation, denn gerade junge und ledige Männer zählten zu den mobilsten Bevölkerungsgruppen. Der Vergleich der Altersstruktur Bonns um 1800 mit anderen Städten in Tabelle 31, zeigt,66 dass die Bonner Bevölkerung insbesondere in den im Arbeitsleben stehenden Jahrgängen – Personen zwischen 20 und 59 Jahren – nur schwach besetzt war, wohingegen Kinder und Jugendliche stärker vertreten waren als in allen anderen zum Vergleich herangezogenen Städten. Der geringe Anteil an 20-59-Jährigen kann auf die Auswanderungswelle nach 1794 zurückgeführt werden, schließlich verlor Bonn nach der französischen Okkupation innerhalb kürzester Zeit ca. 2.000 Einwohner.67 Unter den Auswanderern dürften sich überwiegend Personen im arbeitsfähigen Alter befunden haben, denn diese waren auch wesentlich mobiler als jüngere oder ältere Menschen. Einen Einfluss der demographischen Krisenjahre 1793 und vor allem 1795 auf die Altersstruktur kann nicht abgeleitet werden. Die Altersstruktur von 1800 deutet daher darauf hin, dass sich in diesen Krisenjahren die hohe Sterblichkeit auf alle Altersgruppen ungefähr gleichermaßen verteilte. Der hohe Anteil der fünf- bis neunjährigen Kinder belegt, dass zumindest die Pocken keine Rolle gespielt haben, die etwa alle sieben Jahre die Stadt heimsuchten.68 Ähnliche demographische Krisen während der Revolutionskriege traten in den meisten der in Tabelle 31 zum Vergleich herangezogenen Städte auf. Tabelle 31: Altersstruktur Bonns im Vergleich zu anderen Städten in % Alter in Jahren 0-19 20-59 über 60 über 50 Insg.
Bonn 1800
Luzern 1812
Koblenz 1800
Genf 1798
Oppenheim 1801
Kirchberg 1788
Karlsruhe 1786
53,7 36,9
34,3 56,9
41,9 51,1
32,9 56,2
42,3 52,2
48,7 43,8
43,1 51,5
9,5
8,8
7,0
10,9
5,6
7,5
5,4
15,0
18,7
14,9
24,6
13,6
14,5
10,4
8.833
3.439
10.685
24.331
1.942
642
5.885
Quellen: MASSON, Mémoire statistique, S. 33 und S. 36; SAUNDERS, Familie, Fortpflanzung und Bevölkerungsentwicklung S. 140, Tabelle 10; ZSCHUNKE, Konfession und Alltag, S. 145, Tabelle 14; MÜLLER, Karlsruhe im 18. Jahrhundert, S. 51. 66 67 68
Leider bieten die meisten der in den 1990er Jahren erschienenen historisch-demographischen Studien kein Zahlenmaterial, das für einen Vergleich geeignet ist. Vgl. Kapitel 2.4.2. Vgl. Kapitel 7.1.
238
Analyse der Einwohnerschaft im Querschnitt
Das „Tableau de la Population de Bonn“ von 1800 kann mit demjenigen von Koblenz aus demselben Jahr direkt verglichen werden, weil beide nach denselben Kriterien von demselben Autor zusammengestellt wurden. In Bonn lebten durchschnittlich fünf Personen in einer Familie, in Koblenz 4,3. Die Zahl der Familien war in Koblenz gleichzusetzen mit der Zahl der Haushalte, sodass ebenfalls nur 4,3 Personen in einem Haushalt lebten. Die Ledigenquote der über 30-jährigen unverheirateten Frauen betrug in Koblenz 21,4 %, lag demnach also mehr als viermal so hoch wie in Bonn. In Koblenz wurden nur 198 Bettler gezählt, während 876 weibliche und 530 männliche Dienstboten in der Stadt tätig waren. Diese Kennziffern verblüffen: In der offensichtlich wirtschaftlich besser gestellten Hauptstadt des Departements – die hohe Zahl der Dienstboten belegt dies – lag die Ledigenquote mehr als viermal so hoch wie in der ehemaligen Residenzstadt des Kurfürstentums Köln, die innerhalb weniger Jahre zu einer unbedeutenden Provinzstadt herabgesunken war.
6.4 Ergebnis der Vergleiche Als Ergebnis ist festzuhalten, dass sich die generative Struktur 1720 nicht grundlegend von derjenigen 1790 unterschied. Jedoch bedeutet dies nicht, dass diese Momentaufnahmen die eingeschlossene Zeit gleichermaßen repräsentieren. Die Analyse der in den Kirchenbüchern registrierten Vitalereignisse in Kapitel 5 hat nämlich gezeigt, dass die Zeit der starken Bevölkerungszunahme in die 1730er und 1740er Jahre fiel, während die Bevölkerungsabnahme auf die 1760er Jahre beschränkt blieb. Sowohl zwischen 1716 und 1729 als auch zwischen 1778 und 1785 bewegte sich die Zahl der Geburten in allen vier Pfarreien auf einem einheitlichen Niveau: ca. 380 pro Jahr. Dabei nahmen die Taufen ab 1786 bis zur Flucht des Kurfürsten 1794 wieder kontinuierlich zu. Auf einen demographischen Wandel im Verlauf des Jahrhunderts weist auch die einzige demographische Kennziffer hin, die sich zwischen den Momentaufnahmen 1720 und 1790 verändert hat: Der Anteil der Witwen lag 1790 doppelt so hoch wie 1720. Dies deutet darauf hin, dass die Bevölkerung im Jahr 1720 insgesamt jünger war als 1790, wie auch die Analyse der Bevölkerungsbewegung bestätigt: Zwischen 1715 und den 1750er Jahren wanderten vorzugsweise junge Menschen im heiratsfähigen Alter nach Bonn ein, was einen enormen Anstieg der Geburten nach sich zog, der für mehrere Generationen zu einer jungen Bevölkerung in Bonn führte. Seit den 1770er Jahren wurde die Bevölkerung Bonns durch die Abwanderung junger Menschen und durch die Abnahme der Fertilität infolge des gestiegenen Heiratsalters insgesamt älter; deshalb lag auch die Zahl der Witwen 1790 höher als 1720. Insofern bestätigt dieses Ergebnis die anhand der Analyse der Bevölkerungsbewegung gewonnenen Erkenntnisse. Der durch die Analyse der Berufsangaben festgestellte Zusammenhang zwischen Vermögen und einzelnen demographischen Kennziffern im Jahr 1790 lässt zumindest vermuten, dass die Abwanderung vermögender Bevölkerungsgruppen in den 1760er Jahren und die wirtschaftlich schlechtere Lage der Bürgerschaft unter Max Friedrich
Ergebnis der Vergleiche
239
sich auf die generative Struktur ausgewirkt haben. Denn der Vergleich mit der Bevölkerungsstatistik von 1800 zeigt deutlich, wie sich die Degradierung Bonns zu einer Provinzstadt und die Abwanderung vermögender Bevölkerungsgruppen auf die Bevölkerungsentwicklung auswirkten: Der Anteil der 20-59-jährigen Einwohner, also der arbeitenden Bevölkerung, war in Bonn um das Jahr 1800 niedriger als in allen anderen zum Vergleich herangezogenen Städten, die ebenfalls unter den Revolutionskriegen gelitten hatten.
7. Demographische Krisen
Vorindustrielle Gesellschaften kennzeichnete das häufige Auftreten heftiger Mortalitätskrisen, die nach der Malthusianischen Bevölkerungslehre als „positive checks“ die ständig zunehmende Bevölkerungszahl an die zur Verfügung stehenden Ressourcen anpassten. Neben Infektionskrankheiten und Kriegen verursachten vor allem die Folgen von Getreidemangel diese Krisen. Auch wenn im 18. Jahrhundert langfristig die Getreidepreisschwankungen die Vitalraten kaum noch beeinflussten, schlugen sich Versorgungskrisen kurzfristig sowohl in der Mortalitäts-, Geburten- als auch in den Heiratsraten nieder.1 Das Verschwinden der heftigen Mortalitätskrisen um 1800 in Westeuropa war daher für die demographische Transition und die Bevölkerungsexplosion im 19. Jahrhundert eine entscheidende Voraussetzung, gerade auch in den Städten. In diesem Kapitel wird zunächst eine neue Definition für die Bestimmung demographischer Krisenjahre entwickelt (Kapitel 7.1), anhand derer die Krisenjahre im 18. Jahrhundert und ihre jeweiligen Ursachen – Hunger, Infektionskrankheiten und/oder Katastrophen – analysiert werden (Kapitel 7.2). Dies bildet den Informationshintergrund für die Frage, ob die Bevölkerungsabnahme in den 1760er Jahren mit der Häufung oder Verschärfung von Krisenjahren einherging. Dabei werden Versorgungskrisen anhand der Roggenpreise als Indikator für die Lebenshaltungskosten bestimmt (Kapitel 7.3.1). Diese Krisen werden dann anhand zweier Fallbeispiele in Kapitel 7.3.2 ausführlicher untersucht, denn Versorgungskrisen konnten durch obrigkeitliches Handeln weitaus stärker beeinflusst werden als Sterblichkeitskrisen, die durch Infektionskrankheiten verursacht wurden. Als Fallbeispiele dienen die europaweit schwersten Versorgungskrisen des 18. Jahrhunderts: 1739/42 und 1770-1772.2 Die Krisenpolitik der Landesregierung bzw. des Stadtrates wird im Vergleich mit anderen Territorien untersucht und auf ihre Wirksamkeit geprüft. Haben sich die Instrumente des Krisenmanagements im Verlauf dieser 30 Jahre fortentwickelt? Führten die Maßnahmen zu dem gewünschten Erfolg?
7.1 Definition und Typen von demographischen Krisen Die Sterblichkeitskrisen in der Frühen Neuzeit wurden in der Regel durch drei Ursachen hervorgerufen. Nach der auch international üblichen Einteilung werden „subsistence crises“ (Versorgungskrisen), „epidemic crises“ (durch Epidemien verursachte
1 2
BRANDENBERGER, Ausbruch aus der ‚Malthusianischen Falle’, S. 332. Beide Krisen sind auch in der Forschung am umfassendsten untersucht, erstmals bei ABEL, Massenarmut und Hungerkrisen.
Definition und Typen von demographischen Krisen
241
Krisen) und „military crises“ (kriegsbedingte Krisen) unterschieden. Die drei Typen bedürfen einiger Erläuterungen: 1. Hungerkrisen Hunger- oder Versorgungskrisen entstanden immer dann, wenn Missernten zu einer Verteuerung des Getreides führten. Getreide stellte den Hauptanteil der Nahrung breiter Bevölkerungskreise; diese mussten dafür etwa die Hälfte ihres Haushaltsbudgets ausgeben,3 weshalb eine Getreideteuerung verheerende Konsequenzen haben konnte. Klassische Subsistenzkrisen nach der Definition Meuvrets sind gekennzeichnet durch die starke Zunahme der Sterbefälle und einen gleichzeitigen Rückgang von Konzeptionen und Heiraten.4 Die Schärfe dieser Krisen nahm aber europaweit bereits während des 18. Jahrhunderts aufgrund einer allgemein besseren Versorgungslage ab, sodass nicht jede Teuerungskrise des Getreides zu einer Subsistenzkrise führte. Dennoch führten Teuerungen auch noch im 18. Jahrhundert zu demographischen Krisen; diese gingen jedoch mit einer nur mäßig erhöhten Sterblichkeit und keiner oder einer nur leichten Abnahme der Konzeptionen und Eheschließungen einher. Diese Krisen – in der Forschung als „crises larveé“ bezeichnet – hatten insgesamt weniger starke Auswirkungen auf die generative Struktur. Außerdem starben nur wenige Menschen an den direkten Folgen des Hungers. Vielmehr bestand für unterernährte Bevölkerungsgruppen ein höheres Infektionsrisiko, sodass diese Teuerungskrisen häufig mit heftigen Epidemien einhergingen.5 Dieser zuletzt genannte Kausalzusammenhang kann empirisch allerdings kaum nachgewiesen werden. Walter und Schoefield haben daher zu Recht angemerkt, dass bei unterernährten Menschen das Infektionsrisiko nur mäßig erhöht war, vielmehr andere krisenbedingte Faktoren eine größere Rolle spielten, wie etwa verschmutztes Trinkwasser.6 Dennoch ist die ausgeprägte Koinzidenz von Seuchen und Teuerungskrisen unbestritten, auch wenn die genauen Zusammenhänge immer noch unklar sind. 2. Epidemien Eine Epidemie bezeichnet das häufige und verstärkte Auftreten einer Infektionskrankheit in einem begrenzten Gebiet über einen definierten Zeitraum.7 Epidemien bildeten in der Frühen Neuzeit häufig die Ursache von Sterblichkeitskrisen. Sie waren grundsätzlich nicht mit einem Rückgang der Konzeptionen und Heiraten verbunden. Die Pest brach in Mitteleuropa nach 1713 nicht mehr aus, stattdessen waren die Pocken, die Ruhr und das Fleckfieber die Epidemien mit der höchsten Prävalenz und Mortalität.
3 4 5 6 7
BRANDENBERGER, Der Ausbruch aus der ‘Malthusianischen Falle’, S. 166. MEUVRET, Les crises de subsistance, S. 649 f. POST, The Mortality Crises, S. 42. WALTER/SCHOEFIELD, Famine, disease and crises mortality, S. 18 f. SPENCKER, Epidemiologische Aspekte von Massenseuchen, S. 109.
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Demographische Krisen
3. Kriege und Katastrophen Kriegshandlungen im 17. und 18. Jahrhundert führten nur zu geringen Opferzahlen unter den beteiligten Soldaten, die demographisch kaum ins Gewicht fielen. Problematischer waren die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung in den Orten, wo Truppen stationiert waren. Durch die Mobilität der Heere und auch durch die Konzentration von mehreren Tausend Soldaten in kleinen Städten oder Lagern verbreiteten sich nämlich Infektionskrankheiten besonders schnell. Das Fleckfieber ist eine Infektionskrankheit, die meist durch Kleiderläuse übertragen wurde und besonders häufig nach Truppendurchmärschen oder während der Stationierung fremder Truppen sowohl unter den Soldaten als auch unter der Zivilbevölkerung ausbrach. In vielen Kriegen waren die durch das Lazarettfieber, wie das Fleckfieber auch treffend bezeichnet wurde, verursachten Todesfälle weit häufiger als Todesfälle durch Gewaltanwendungen. Naturkatastrophen finden häufig und zu Unrecht als Auslöser von demographischen Krisen keine Berücksichtigung.8 Ein Hochwasser konnte beispielsweise die Verschmutzung des Trinkwassers und daraus resultierende Infektionskrankheiten nach sich ziehen. Die direkten Folgen größerer Erdbeben, Flutwellen, Vulkanausbrüche oder Wirbelstürme mögen in Mitteleuropa keine Rolle gespielt haben, sind aber in anderen Teilen der Welt bis heute für demographische Krisen verantwortlich. Die Aufstellung zeigt die herausragende Bedeutung der Infektionskrankheiten für Sterblichkeitskrisen im 18. Jahrhundert. Nahrungsmittelkrisen allein konnten gemeistert werden, auch die Bevölkerungsverluste infolge der reinen Kriegshandlungen blieben eng begrenzt und erreichten nicht die Dimensionen der beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert. Trotzdem konnten sowohl eine Nahrungsmittelkrise als auch militärische Auseinandersetzungen den Ausbruch einer Epidemie herbeiführen oder zumindest die Morbidität und die Letalität von Seuchen drastisch steigern. Eine weitere Differenzierung der Krisentypen erscheint wenig sinnvoll, weil meist aufgrund komplexer Wirkmechanismen und/oder schlechter Quellenlage weitere Krisentypen historisch-empirisch kaum voneinander abgegrenzt werden können.9 Stattdessen werden die drei bedeutendsten Infektionskrankheiten des 18. Jahrhunderts kurz vorgestellt und erläutert: 1. Pocken Die Pocken forderten im 18. Jahrhundert von allen Infektionskrankheiten die mit Abstand meisten Todesfälle. Ältere Schätzungen sowie neuere empirische Studien zeigen, dass in Mitteleuropa etwa 7-10 % aller Todesfälle auf die Pocken zurückgeführt werden können.10 Demnach waren die langfristigen demographischen Auswir8 9 10
ROMMEL, Die Wormser und ihre Stadt, S. 305. BURRI, Die Bevölkerung Luzerns, S. 69. KÜBLER, Geschichte der Pocken, S. 101; ACKERKNECHT, Geschichte und Geographie, S. 56. In Norddeutschland wurden zwischen 1775-1798 – je nach Territorium – zwischen 6,7 und 10,5 % aller Todesfälle durch die Pocken verursacht. GEHRMANN, Bevölkerungsgeschichte Norddeutschlands, S. 287, Tabelle 35.
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kungen dieser Krankheit ähnlich groß wie die der Pest in den vorangegangenen Jahrhunderten – die Pocken bildeten die „Leitkrankheit“11 des 18. Jahrhunderts. Gehrmann sieht im starken Rückgang der Pocken nach 1800 infolge der staatlich gesteuerten Impfkampagnen sogar die entscheidende Voraussetzung für den Sterblichkeitsrückgang und den Bevölkerungszuwachs im 19. Jahrhundert.12 Umso erstaunlicher ist, dass die Pocken im Gegensatz zu der Pest in der Forschung der vergangenen 100 Jahre so wenig Beachtung fanden: Das deutschsprachige Standardwerk zur Geschichte der Pocken datiert aus dem Jahr 1901!13 Die Inkubationszeit der durch das Variolavirus hervorgerufenen Infektionskrankheit, die seit 1980 als ausgerottet gilt, betrug in der Regel zwölf bis 14 Tage. Die ersten drei Krankheitstage, die mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit, Husten und Schnupfen sowie Kopfschmerzen einhergingen, verliefen ohne die charakteristischen Hautausschläge. Deshalb konnten sich die Pocken während dieser drei Tage rasend schnell durch Tröpfcheninfektion ausbreiten, d. h. durch Sprechen und Husten.14 Die Pocken waren hoch ansteckend. Erst nach dem Auftreten der ersten Effloreszenzen am vierten oder fünften Krankheitstag konnten die Pocken im 18. Jahrhundert sicher diagnostiziert und Quarantänemaßnahmen eingeleitet werden15 – doch dann war meist schon zu spät. Die Epidemie war nicht mehr aufzuhalten und erfasste insbesondere die nicht immunen Bevölkerungsgruppen, d. h. diejenigen, die noch nicht die Pocken überstanden hatten. Dies waren in endemischen Regionen meist nur die seit der letzten Epidemie geborenen Kinder. Deshalb galten die Pocken als typische Kinderkrankheit. Beispielsweise entfielen in Berlin zwischen 1758 und 1774 87,6 % der insgesamt 6.705 durch Pocken verursachten Todesfälle auf unter fünf Jahre alte Kinder, 11 % auf unter Zehnjährige.16 Insgesamt erkrankten im 18. Jahrhundert etwa zwei Drittel aller Menschen in Europa im Verlauf ihres Lebens an den Pocken.17 Die Letalität lag – je nach Erregerstamm und Alter der erkrankten Person – in der Regel bei etwa 30-40 %.18 Die Pocken traten im Gegensatz zur Pest immer irgendwo mehr oder weniger stark in Erscheinung und gehörten daher zum alltäglichen Leben der Menschen im 18. Jahrhundert. Es finden sich deshalb auch deutlich weniger Hinweise zu den Pocken als zur Pest in den Quellen. Erst duch die wissenschaftlichen Debatten über die Inokulation – die Impfung mittels kleiner Dosen des von bereits Infizierten entnommenen Erregers – wurden die Pocken im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts verstärkt in der 11 12 13 14 15 16
17 18
WILDEROTTER/ACHILLES-SYNDRAM, Das große Sterben, S. 160. Durch das Zurückdrängen der Pocken konnte die Bevölkerung jährlich um zusätzlich 0,2 % wachsen! GEHRMANN, Bevölkerungsgeschichte Norddeutschlands, S. 287. KÜBLER, Geschichte der Pocken. SIEGL, Spezielle Virologie , S. 593 f. KÜBLER, Geschichte der Pocken, S. 11. HUERKAMP, The History of Smallpox Vaccination, S. 618. Ähnlich sah dies in anderen untersuchten Städten aus. Vgl. die Angaben bei KISSKALT/STOPPENBRINK, Die Alterssterblichkeit an Pocken. VASOLD, Pest, Not und schwere Plagen, S. 181. KÜBLER, Geschichte der Pocken, S. 15; VASOLD, Grippe, Pest und Cholera, S. 152.
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Öffentlichkeit thematisiert. Rödel, der die Bedeutung der Pocken für die Bevölkerungsentwicklung von Mainz erkannte, vermutete aufgrund seiner Analysen der Vitalstatistik zehn größere Epidemien im 18. Jahrhundert. Aber es gelang ihm nur für zwei dieser Epidemien, konkrete Hinweise auf die Pocken in den Quellen aufzuspüren!19 2. Ruhr Unter dem Begriff Ruhr oder Dysenterie werden mehrere hoch ansteckende Infektionskrankheiten des Verdauungstraktes zusammengefasst, die sich insbesondere bei schlechten hygienischen Verhältnissen und in Hungerjahren mit hoher Morbidität ausbreiten konnten.20 Zwei Krankheitsformen werden unterschieden: die weniger letale weiße Ruhr, gekennzeichnet durch einen hellen und schleimigen Stuhl, und die rote Ruhr, benannt nach dem blutigen Stuhl, die in mehr als neun von zehn Fällen zum Tod des Erkrankten führte. Die Sterblichkeitskrisen dürften meistens durch die rote Ruhr verursacht worden sein, die auch häufig in Kirchenbüchern und Chroniken als solche konkret benannt wurde. In manchen Regionen Europas verstarben in der Frühen Neuzeit sogar mehr Menschen an der Ruhr als an den Pocken oder der Pest.21 Die Ruhr war eine typische saisonale Krankheit und trat üblicherweise im August und September auf. Daher kann eine Vitalstatistik bei der Identifizierung von Ruhrepidemien hilfreich sein. Die Ruhr wurde durch verschmutztes Wasser und Essen verbreitet und betraf daher häufiger ärmere Bevölkerungsschichten.22 Außerdem führte die Ruhr unter Kleinkindern zu deutlich mehr Todesfällen; im Berner Land waren etwa zwei Drittel der an der Ruhr Verstorbenen Kinder.23 Daher ist eine Abgrenzung von den Pocken nicht immer anhand der verzeichneten Kindersterbefälle durchführbar, wenn die erhöhte Sterblichkeit auf den August und September begrenzt war. 3. Fleckfieber Das Fleckfieber, häufig auch Flecktyphus genannt, obwohl es sich dabei um keine Typhuserkrankung handelte, wurde durch den Biss eines Parasiten übertragen – meist Flöhe oder Kleiderläuse. Daher war die Krankheit bei weitem nicht so ansteckend wie die Pocken oder auch die Ruhr. Sie konnte sich eigentlich nur dann epidemieartig ausbreiten, wenn große Menschenansammlungen unter schlechten hygienische Bedingungen lebten, wie es häufig während Kriegen der Fall war. Besonders heftig grassierte diese Krankheit während der Napoleonischen Kriege. Es gilt beispielsweise als gesichert, dass die meisten Soldaten der Grande Armée, die 1812 in einer Stärke von etwa 600.000 Mann nach Russland zog, dem Fleckfieber zum Opfer fielen und nicht den Kriegshandlungen oder der Kälte Russlands.24 Die Krankheit wurde daher zeitge19 20 21 22 23 24
RÖDEL, Pockenepidemien in Mainz, S. 578. RUFFIÉ, Die Seuchen in der Geschichte, S. 78 f. PFISTER, Der Rote Tod, S. 345. Ebd., S. 353. Ebd., S. 355. RUFFIÉ, Die Seuchen in der Geschichte, S. 80; RAOULT, Evidence for Louse.
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nössisch auch Lazarettfieber, Hunger- oder Kriegstyphus genannt. Häufig verbargen sich hinter diesen Bezeichnungen jedoch auch andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen. Wie hoch musste die Sterblichkeit sein, damit von einer demographischen Krise gesprochen werden kann? Verschiedene Definitionen wurden seit Meuvrets Pionierarbeit präsentiert,25 wobei sich keine Definition dauerhaft durchsetzen konnte. Rödel, der die Unmöglichkeit einer mathematischen Definition in seiner Arbeit zu Mainz bereits erkannte, gibt daher einen recht weiten Rahmen vor. Demnach liegt eine demographische Krise vor, „wenn die Zahl der Todesfälle unvermittelt und stark ansteigt, so daß die Anzahl der Verstorbenen während mindestens drei Monaten oder länger das Zwei-, Drei- oder Mehrfache der durchschnittlichen Anzahl von Todesfällen in den vorhergehenden oder folgenden Jahren beträgt. Die von einer Krise verursachten Bevölkerungsverluste können 10-15 %, auch 20-25 % oder sogar noch mehr von der Gesamtbevölkerung betragen. Gleichzeitig mit diesem Maximum der Mortalität ist eine spürbare Verringerung der Konzeptionen und Eheschließungen zu beobachten“26.
Doch auch diese „weite“ Definition überzeugt nicht. Warum muss die Krise drei Monate währen? Eine durch eine Naturkatastrophe evozierte Krise dauert mitunter nur wenige Minuten und hat verheerende Auswirkungen. Daher ist eine zeitliche Begrenzung für die Dauer der Krise generell abzulehnen. Die Höhe der Mortalität auf mindestens das Zweifache eines Normaljahres anzusetzen, damit von einem Krisenjahr gesprochen werden kann, schließt ebenfalls viele Krisen des 18. Jahrhunderts per se aus, die in Abwesenheit der Pest und großer Subsistenzkrisen häufig weniger stark waren als die des 17. Jahrhunderts. So wäre die letzte europaweite Subsistenzkrise von 1770-1772 nach Rödels Definition gar keine demographische Krise. Eine gleichzeitige Abnahme von Heiraten und Konzeptionen kennzeichnete ebenfalls nicht alle Krisen: Dieses Merkmal fehlte Krisen, die durch Infektionskrankheiten hervorgerufen wurden. Das Problem der Definitionsversuche liegt darin, dass nicht unterschieden wird, ob die erhöhte Mortalität durch Kriege/Katastrophen, Hunger oder eine Infektionskrankheit verursacht wurde. Die Größe der untersuchten Bevölkerung spielt ebenfalls eine große Rolle. In einem Kirchspiel mit durchschnittlich ca. 100 Sterbefällen im Jahr kann eine Erhöhung auf 120 nicht unbedingt auf eine Krise zurückgeführt werden, wohingegen in einer Stadt mit 1.000 Sterbefällen pro Jahr eine Erhöhung auf 1.200 Sterbefälle nicht durch natürliche Schwankungen bedingt sein kann.27 Daher handelte es sich auf nationaler Ebene auch um ein Krisenjahr, wenn die Zahl der Todesfälle bereits um 10 % über dem 25-jährigen gleitenden Durchschnitt lag.28 Diese 25 26 27 28
HOLLINGWORTH, A Prelimary suggestion, S. 22. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 223. Vgl. den Hinweis bei WALTER/SCHOEFIELD, Famine, disease and crisis mortality, S. 6. Diese Definition wurde auf England angewandt. WRIGLEY/SCHOEFIELD, The Population History of England, S. 332-335.
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Demographische Krisen
Definition kann auf einzelne Kirchspiele jedoch aufgrund jenes statistischen Einwandes nicht angewandt werden. Eine graduelle Einteilung der Jahre mit erhöhter Sterblichkeit im Vergleich zu „Normaljahren“ erscheint der sinnvollere Weg. Danach werden alle Jahre mit einer um 30 % höheren Sterblichkeit als in den vorhergehenden und nachfolgenden fünf Normaljahren grundsätzlich als potenzielle Krisenjahre betrachtet und je nach Ausprägung in leichte und schwere Krisen eingeteilt.29 In der vorliegenden Untersuchung wird dieses Verfahren modifiziert, indem die Durchschnitte der vorhergehenden und nachfolgenden fünf Jahre gebildet werden30 und alle Jahre mit einer um 15 % höheren Sterblichkeit als potenzielle Krisenjahre betrachtet werden. Jedes dieser Jahre, auf das diese Definition Anwendung findet, wird im folgenden Kapitel ausführlich hinsichtlich der Ursache und des Verlaufs der Krise untersucht.
7.2 Krisenjahre in Bonn Gemäß der oben eingeführten Bestimmung von (potenziellen) demographischen Krisenjahren werden nachfolgend die in Tabelle 32 aufgeführten Jahre chronologisch untersucht. Tabelle 32: Krisenjahre im Zeitraum 1718-1797 (außer 1743-1749)
1724
Höhere Sterblichkeit in % 48
1772
Höhere Sterblichkeit in % 34
1729
21
1779
17
1735
53
1782
39
1739
48
1785
17
1758
24
1789
18
1761
20
1793
28
1770
23
1795
67
Krisenjahr
Krisenjahr
In diesen Jahren übertraf die Anzahl der Sterbefälle häufig diejenige der Geburten, wie aus Abbildung 21 ersichtlich wird.
29 30
MEDICK, Weben und Überleben, S. 308. Da die Jahre 1742-49 unvollständig sind, die Zeitreihe auch erst 1718 beginnt und 1797 endet, wurde der Mittelwert bei den diesen Jahren angrenzenden vollständigen Jahren nur aus fünf bis neun Werten gebildet.
Krisenjahre in Bonn
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Abbildung 21: Bilanz von Geburten und Sterbefällen 1718-179731
Die Krisenjahre sind in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts überrepräsentiert, weil für diesen Zeitraum (1750-1797) die Kirchenbücher vollständig überliefert sind, während aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts nur die Jahre 1718-1742 berücksichtigt werden konnten. Die Erwachsenensterbefälle in St. Remigius waren allerdings 1743 um 42 % erhöht, sodass dieses Jahr wohl ebenfalls als Krisenjahr gelten kann.32 Dennoch nahmen die Jahre deutlich erhöhter Sterblichkeit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu. Dies traf auch auf Koblenz, Mainz, Duisburg und Krefeld zu. Kriedte vermutet die Ursache für die Zunahme der Krisenjahre in der gestiegenen Bevölkerungsdichte Krefelds.33 Angesichts einer im Vergleich zu anderen Städten immer noch niedrigen Bevölkerungsdichte überzeugt diese Erklärung jedoch nicht. Außerdem nahmen die Krisenjahre im gesamten Reich während der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu.34 Für die Bestimmung der Ursachen der demographischen Krisen in Bonn wurden neben der zur Verfügung stehenden Literatur, in der Hinweise zu Seuchen allerdings meist spärlich sind, verschiedene Quellen herangezogen. Die Quellenlage ist wegen 31 32
33 34
Die gestrichelten Linien weisen auf fehlende Daten hin. Vgl. Kapitel 1.3.1. In nahe gelegenen Dörfern an der mittleren Erft, wo die Krisenjahre meistens im selben Jahr lagen wie in Bonn, war 1743 ebenfalls eine Sterblichkeitskrise. BONGART, Landbevölkerung im 18. Jahrhundert, S. 30. KRIEDTE, Taufgesinnte und großes Kapital, S. 86. GEHRMANN, Urbane Mortalitätsmuster, S. 236.
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Demographische Krisen
der überlieferten Zeitungen für das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts deutlich besser, weshalb die Ursachen dieser Krisenjahre auch wesentlich sicherer bzw. genauer bestimmt werden können. Vergleiche mit anderen Städten, insbesondere mit den geistlichen Residenzstädten, sollen erkennen helfen, ob die jeweilige Krise singulär für Bonn war. Die Sterblichkeit konnte für die Jahre vor 1718 nicht erhoben werden, weshalb demographische Krisenjahre zwischen 1688 und 1717 nicht identifiziert werden können. Aber aus der Stadtgeschichte und der Entwicklung der Zahl der Taufen vor 1718 ist ersichtlich, dass sowohl 1689 als auch 1703 – die Jahre der Belagerungen und Bombardierungen Bonns – demographische Krisenjahre mit einer anzunehmenden Übersterblichkeit bildeten. 1713 suchte die letzte Pestepidemie das Rheinland heim. Im unweit gelegenen Jülich wurden Pestfälle registriert.35 Bonn war also unmittelbar von einer Pestepidemie bedroht. In der Jesuitenchronik wird von einem „Preces publicae pro avertenda peste“ berichtet.36 Auch im Stadtrat wurde über Vorsichtsmaßnahmen gegen die drohende Pestepidemie diskutiert,37 aber offenbar nahm die Bedrohung ab, denn die Pest bildete kein Thema in den nachfolgenden Ratssitzungen. 1724, 1729, 1735 und 1739 sind die hervorstechenden Krisenjahre in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Bis auf das Jahr 1729 weisen alle anderen eine um etwa 50 % erhöhte Sterblichkeit im Vergleich zu den vorhergegangenen und nachfolgenden fünf Jahren auf. Leider werden diese Krisen nicht in der Literatur behandelt, weshalb die Ursachen nur schwer ermittelbar sind. Für das Jahr 1724 verzeichnet das Sterberegister zu St. Martin eine Liste mit 13 Kindern, die an den Pocken verstarben. 1735 kamen ebenfalls im Sommer zwei Kinder um, bei denen im Kirchenbuch von St. Martin die Pocken als Todesursache vermerkt wurden.38 In den anderen Quellen fanden sich keine eindeutigen Hinweise. Allerdings können einige Argumente angeführt werden, die den Verdacht nahe legen, dass in allen vier Jahren Pockenepidemien in Bonn grassierten: 1. 1724, 1735 und 1739 war die Kindersterblichkeit deutlich erhöht, nämlich etwa doppelt so hoch wie in den vorhergegangenen und nachfolgenden Jahren. Lediglich 1729 starben deutlich weniger Kinder, allerdings immer noch mehr als in „normalen“ Jahren. Gerade in dichter besiedelten Städten, in denen die Krankheit endemisch war, bildeten die Pocken eine vor allem regelmäßig auftretende Kinderkrankheit. 2. Die Abstände zwischen den Krisenjahren lagen zwischen vier und sechs Jahren. Üblicherweise wird eine Zeitspanne von vier bis sieben Jahren zwischen einzelnen Pockenepidemien angenommen, „je nachdem ob eine größere Anzahl von noch undurchseuchten, pockenfähigen Neugeborenen heranwachsen konnte“39. Weil 1724 deutlich mehr Kinder starben als 1729, könnte die Pockenepidemie in diesem Jahr eine deutlich geringere Krankheitslast mit sich gebracht haben. Die älteren Kinder, 35 36 37 38 39
KÜCKHOVEN, Seuchengeschichte Jülich, S. 9. StAB, Ku 102/1, fol. 51v. StAB, Ku 53/2, Ratsprotokoll vom 25. November 1713, S. 471. StAB, KB 3/2, Bd. 1, S. 22 und S. 92. WINKLE, Geisseln der Menschheit, S. 871.
Krisenjahre in Bonn
249
welche die Pocken 1724 überlebt hatten, waren daher immun und deshalb erkrankten nur die seit 1725 Geborenen. 3. In jenen Jahren traten die Pocken auch in anderen mitteleuropäischen Regionen häufig auf. Rödel vermutet, dass 1728 und 1738 Pockenepidemien in Mainz gewütet haben.40 Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Pocken jeweils ein Jahr später in Bonn ausbrachen. 1735 forderten die Pocken in vielen Regionen Deutschlands Todesopfer.41 4. In keinem dieser Jahre war der Roggen teuer. Deshalb kann ausgeschlossen werden, dass eine Verknappung des Nahrungsmittelangebotes, die eine Subsistenzkrise zur Folge gehabt haben könnte, die Ursache der erhöhten Sterblichkeit bildete. 1729 trug allerdings auch noch mindestens ein weiterer Faktor zu der demographischen Krise bei – wahrscheinlich eine andere Infektionskrankheit. Es ist nämlich auch eine erhöhte Mortalität unter den Erwachsenen feststellbar. Von Oktober 1729 bis Januar 1730 erreichte eine große Influenza-Epidemie von Osten her kommend Deutschland.42 Sicherlich wurde auch Bonn nicht verschont, denn gerade im Oktober 1729 verstarben mehr als doppelt so viele Menschen wie im Oktober 1728 oder 1730. Außerdem wurden in Köln im Jahr 1729 Fleckfieberfälle registriert;43 es fand sich jedoch kein Hinweis für Bonn. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass diese drei Infektionskrankheiten gemeinsam zur hohen Sterblichkeit des Jahres 1729 beitrugen.
Abbildung 22: Die Pockenepidemie 1724, dargestellt anhand der Vitalstatistik 40 41 42 43
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 241. LERSCH, Geschichte der Volksseuchen, S. 353. Ebd., S. 350. JÜTTE, Medizin im Rheinland, S. 138.
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Demographische Krisen
Bevor die weiteren demographischen Krisenjahre des 18. Jahrhunderts vorgestellt werden, soll auf die Pockenepidemie von 1724 eingegangen werden, die die schwerwiegendste im 18. Jahrhundert war und als exemplarisch für ähnliche Epidemien in anderen Jahren gelten kann (Abbildung 22). Die allein durch die hohe Kindersterblichkeit hervorgerufene Übersterblichkeit währte nur drei Monate, nämlich von August bis Oktober 1724. In diesen Monaten verstarben ca. fünf Mal so viele Kinder wie in den anderen Monaten, wodurch sich die Gesamtsterblichkeit auch fast verdreifachte. Die Konzeptionen und auch die Eheschließungen blieben dagegen von der Krise gänzlich unberührt. Schon das durch die Pathogenese der Pocken untermauerte Muster beim Verlauf der (Kinder-) Sterblichkeit deutet ohne die Zuhilfenahme anderer Quellen, die häufig über die zum Alltag der Menschen gehörenden Pocken schweigen,44 auf eine Pockenepidemie hin. Dieses Muster kann demnach durchaus auf andere Jahre oder auch Regionen angewandt werden, für die bisher Quellen für die Ursachen der Mortalitätskrisen fehlten.45 Pockenepidemien traten in allen Jahreszeiten gleichermaßen auf und waren keine bloße „Winterkrankheit“46. Nach der vorgestellten Methode zur Feststellung einer Pockenepidemie lediglich anhand der in der Vitalstatistik aufgeführten Kindersterblichkeit – ohne weitere Quellenangaben – wurde die Übersterblichkeit im Jahre 1751 ebenfalls durch die Pocken evoziert: Zwischen Januar und März verdreifachte sich die Zahl der Kindersterbefälle im Vergleich zum vorangegangenen und nachfolgenden Jahr. Gleichzeitig blieben die Sterbefälle unter den Erwachsenen auf einem normalen Niveau. Insgesamt lag die Sterblichkeit aber nur um etwa 12 % höher. Dies lag daran, dass auch im vorangegangenen Jahr und den fünf nachfolgenden Jahren die Sterblichkeit vergleichsweise hoch war. In Mainz traten die Pocken im Jahr 1750 auf,47 also wiederum ein Jahr bevor die Pocken in Bonn ausbrachen. 1743 grassierte eine Ruhrepidemie im Rheinland. Neben Koblenz48 war auch Bonn im Spätsommer und Frühherbst betroffen. In den Monaten September und Oktober, in denen sich generell verstärkt Magen-Darm-Infektionen ausbreiten konnten, verstarben 40 bzw. 36 Menschen, ein Jahr später nur noch 17 bzw. zwölf. Dabei sind die Kindersterbefälle aus der Hauptpfarrei sogar unberücksichtigt, weil sie für dieses Jahr nicht überliefert sind. Die Ruhr führte verstärkt unter Säuglingen und Kleinkindern zum Tod; deshalb kann diese Epidemie aufgrund der schon sehr hohen Erwachsenensterblichkeit sicherlich als die schwerste Ruhrepidemie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelten. Die demographischen Krisenjahre zwischen 1756 und 1761 sind zum größten Teil auf die indirekten Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges zurückzuführen. Nicht zuletzt durch die zahlreichen Soldatenheere – es waren zuerst münstersche und später 44 45 46 47 48
KÜBLER, Geschichte der Pocken, S. 64. Diese Verfahren hat bereits Rödel angewandt und propagiert. Es fand aber keine Nachahmer. RÖDEL, Pockenepidemien in Mainz, bes. S. 576-578. ACKERKNECHT, Geschichte und Geographie, S. 59. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 242. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 29.
Krisenjahre in Bonn
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noch französische Truppen in Bonn stationiert – konnten sich mehrere akute Infektionskrankheiten in Bonn ausbreiten. Nach der hier angewandten Definition waren nur die Jahre 1758 und 1761 demographische Krisenjahre; im gesamten Zeitraum verstarben aber mehr Menschen als in den vorhergegangenen oder nachfolgenden sechs Jahren. Sicherlich nahm die Anzahl der Sterbefälle zu, weil insgesamt mehr Menschen in der Stadt waren und sich unter den Eintragungen in den Sterberegistern auch münstersche Soldaten und deren Kinder finden. Welche Infektionskrankheiten waren im Einzelnen für die demographischen Krisenjahre in Bonn, 1758 und 1761, verantwortlich? Die Chronik von Dietkirchen berichtet von einem an der Ruhr verstorbenen Menschen am 13. September 1758 in Köln.49 Auch in anderen nahe gelegenen Städten wie Essen wurden 1758 Ruhrepidemien verzeichnet.50 Weil in Bonn zwischen Juli und September – typische Monate für eine Ruhrepidemie – mehr Sterbefälle unter den Erwachsenen auftraten und die Kindersterblichkeit im Vergleich zum vorangegangenen und nachfolgenden Jahr nicht erhöht war, sodass die Pocken eher ausgeschlossen werden können, ist anzunehmen, dass die Ruhr auch in Bonn wütete. Bereits 1757, das nach der angewandten Definition kein Krisenjahr war, grassierte im August und September eine Ruhrepidemie, denn die Zahl der Sterbefälle lag in beiden Monaten etwa drei- bis viermal so hoch wie in den Jahren 1754, 1755 oder auch 1756. Welche Infektionskrankheit die Sterblichkeitskrise von 1761 auslöste, bleibt unklar. Möglicherweise schleppten französische Truppen das Fleckfieber nach Bonn ein. Jedenfalls eröffnete der Siebenjährige Krieg „eine neue Flut von Typhusepidemien“51. In Mainz brach ein Jahr vorher, 1760, ein „hitziges Fieber“52 aus. Rödel vermutet allerdings aufgrund einer erhöhten Mortalität unter den Kindern im Jahr 1761 eine Pockenepidemie.53 In Bonn lässt sich ebenfalls eine stark erhöhte Kindersterblichkeit feststellen, die aber über das gesamte Jahr – mit einem kleinen Gipfel im Spätsommer – relativ gleich verteilt war. Deshalb können die Pocken als Ursache ausgeschlossen werden. Wahrscheinlich starben die Kinder aufgrund der schlechteren hygienischen Bedingungen während der Truppeneinquartierung vermehrt an Infektionskrankheiten des Verdauungstraktes. Die Krisenjahre 1761 bis 1762 hat François in Koblenz näher untersucht, allerdings ohne die für die hohe Sterblichkeit verantwortliche(n) Infektionskrankheit(en) zu benennen. Jedenfalls konnten die im Jahr 1762 stark gestiegenen Roggenpreise nicht die einzige Ursache gewesen sein, weil der Sterblichkeitsgipfel schon ein paar Monate vor dem Monat mit dem höchsten Roggenpreis lag.54 In Bonn lässt sich ein ähnlicher zeitlicher Verlauf feststellen. Die große europäische Krise 1770-1772, die letzte europaweite Subsistenzkrise, führte auch in Bonn in den Jahren 1770 und 1772 zu Sterblichkeitskrisen. Sie werden gesondert im nachfolgenden Kapitel analysiert. 49 50 51 52 53 54
StAB, Sg. Dietz 206, S. 15. KEYSER, Rheinisches Städtebuch, S. 157. ACKERKNECHT, Geschichte und Geographie, S. 32. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 242. RÖDEL, Pockenepidemien in Mainz, S. 578. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 35.
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Demographische Krisen
Im Jahr 1779 trat die rote Ruhr im Herzogtum Jülich-Berg55 und wohl auch in Bonn auf, wie eine Nachricht des kurkölnischen Medizinalrates vom 4. Oktober vermuten lässt.56 Die Verhaltensanweisungen des Medizinalrates zeigten jedenfalls keine positive Wirkung, denn schon 1781 brach die Ruhr erneut in Bonn aus: „In selbe zeit war in Bonn eine Krankheit ein getreten, mann nannt die Krankheit weise Ruhr, die sehr ansteckend war, Die so große, gungen, starke Leut angreifte und starben.“57
Diese Ruhrepidemie des Jahres 1781 erfasste ganz Mitteleuropa und muss eine der tödlichsten des 18. Jahrhunderts gewesen sein. In Königsberg starben in jenem Jahr mehr Menschen an der Ruhr als 1786 an den Pocken.58 Auch in mehreren Städten im Westen Deutschlands wurde die erhöhte Sterblichkeit des Jahres auf die rote Ruhr zurückgeführt.59 Allerdings führte die rote Ruhr in Bonn nur im September 1781 zu einem starken Anstieg der Sterbefälle. In diesem Monat wurden etwa dreimal so viele Sterbefälle registriert wie im selben Monat in den Vorjahren. Im nachfolgenden Jahr, dem eigentlichen demographischen Krisenjahr, verstarben sowohl im August als auch im September etwa dreimal so viele Menschen wie in gewöhnlichen Jahren, beispielsweise 1780 oder 1783. Die Ruhr wurde seit den Epidemien von 1779-1782 verstärkt von Bonner Medizinern untersucht. Der Bonner Medizinprofessor Franz Wilhelm Kauhlen verfasste 1787 eine Abhandlung über diese Krankheit, in der er die Bonner Epidemien der Jahre 1779-1782 sowie 1787 beschreibt. Die wichtigsten Auszüge dieser Abhandlung wurden 1787 in den Bonner Intelligenzblättern publiziert.60 Er nahm wie viele zeitgenössische Mediziner fälschlicherweise an, die Ruhr würde durch Erkältungen verursacht, die bevorzugt in den ersten kalten Nächten im Spätsommer auftraten. Dennoch hat er die Symptome exakt beschrieben und ebenfalls erkannt, dass es sich bei der Krankheit um eine Entzündung der Gedärme handelt. Außerdem räumte er mit dem im Volk verbreiteten Vorurteil auf, frühreifes Obst verursache die Krankheit. Neben Brech-, Laxier-, Purgiermitteln und einem Wachssirup wurde auch das Aderlassen während der Ruhrepidemien in Bonn angewandt, obwohl Kauhlen kein grundsätzlicher Anhänger des Aderlassens war. Insgesamt blieben die medizinischen Therapien jedoch weitgehend wirkungslos, weil die Ursache der Krankheit – durch die Nahrung und das Wasser verbreitete Bakterien – nicht bekannt war. In den Jahren 1776, 1782/83, 1786, 1789/90, 1793 und 1797 grassierten die Pocken in den zu Bonn benachbarten Dörfern Lengsdorf, Ippendorf, Ückesdorf, Röttgen und Eichholz, einer kleinen Siedlung am Kreuzberghang, die 1850 aufgegeben wurde. Die Sterberegister dieses Kirchspiels sind ab 1780 in Deutsch verfasst und enthalten 55 56 57 58 59 60
KÜCKHOVEN, Seuchengeschichte Jülich, S. 31. StAB, Liber memoriarum, G-Film 29, fol. 482-486. WETZSTEIN, Familie Beethoven, S. 100. KISSKALT, Sterblichkeit im 18. Jahrhundert, S. 476. Beispielsweise in Gmünd (Eifel), Herzogenrath, Kleve und Herzogenrath. KEYSER, Rheinisches Städtebuch, S. 184, S. 206, S. 247 und S. 280. Bönnisches Intelligenzblatt vom 25. September 1787, S. 154-156, 2. Oktober 1787, S. 157-160, 16. Oktober 1787, S. 168 und vom 23. Oktober 1787, S. 170 f.
Krisenjahre in Bonn
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für die letzten 25 Jahre des Jahrhunderts als einziges Register aus dem Bonner Raum regelmäßig Angaben zu den Todesursachen.61 Aus den Eintragungen geht hervor, dass im September 1776 gleich drei Kinder an den Pocken starben. 1782/83 brach die Pockenepidemie in den kältesten Wintermonaten aus, 1786 starben zwischen Februar und März drei Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren an den Pocken. 1789/90 brach die Seuche wiederum im Winter aus, während 1793 die Pocken gleichzeitig mit der Ruhr im Spätsommer auftraten. 1797 suchte die Epidemie die Kinder in den Frühlingsmonaten heim. Auch Vergleiche mit Mainz und mit der von Kisskalt aufgestellten Tabelle über die Pockensterbefälle in verschiedenen Städten Europas verweisen auf Seuchenzüge der Pocken, die in denselben Jahren grassierten.62 Der zeitliche Verlauf der Pockenepidemien war in Berlin, Königsberg, Göteborg und Stuttgart weitgehend identisch, auch wenn sich die Morbidität und vielleicht auch die Letalität der Seuchen in den einzelnen Städten voneinander unterschieden. Der Vergleich der Pockensterbefälle aus der Pfarrei Lengsdorf mit der Vitalstatistik der vier Bonner Pfarreien zeigt, dass die Kindersterblichkeit in Bonn im Pockenjahr 1776 zwar erhöht war, aber keineswegs so, dass man allein aufgrund dieser Statistik eine Pockenepidemie vermuten würde. Demgegenüber waren 1779 über 60 % aller Verstorbenen Kinder. Auch die absoluten Zahlen der Kindersterbefälle deuten auf eine Pockenepidemie hin, obwohl in der Pfarrei Lengsdorf in jenem Jahr kein Kind an den Pocken verstorben war. Die anderen Pockenjahre finden sich allesamt in der Bonner Vitalstatistik wieder. Dabei fällt auf, dass der Höhepunkt der Epidemien, die sich über einen Jahreswechsel hin erstreckten, in Bonn immer im alten Jahr lag, also 1782 und 178563. In den jeweils darauf folgenden Jahren war die Kindersterblichkeit deutlich niedriger. Darum liegt die Vermutung nahe, dass die Pocken zunächst in der Stadt auftraten und sich anschließend in den umliegenden Gemeinden mehr oder weniger stark ausbreiten konnten. Auch im Gießener Raum traten die Pockenepidemien zuerst in der Stadt auf, bevor sie wenige Monate später in den umliegenden Dörfern die Mortalität in die Höhe trieben.64 Außerdem kann konstatiert werden, dass die Pockenepidemien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wesentlich letaler verliefen als in der zweiten Hälfte. Da Impfungen bzw. Inokulationen im Rheinland bis 1790 nicht verbreitet waren, bieten sich für diesen erstaunlichen Befund nur zwei Erklärungen an: 1. Die Abstände zwischen den Epidemien haben sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verkürzt, sodass in der Zwischenzeit weniger Kinder nachgeboren waren, die sich hätten anstecken können. 2. Der Erregerstamm hat sich verändert und war fortan weniger letal.
61 62 63 64
WEFFER, Lengsdorf, S. 251. KISSKALT, Sterblichkeit im 18. Jahrhundert, Tabelle XXIII, S. 487 f.; RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung S. 246. Bönnisches Intelligenzblatt vom 7. März 1786, S. 43. Die aufgelisteten Kinder waren größtenteils bereits im Dezember 1785 an den Pocken verstorben. IMHOF, Todesursachen, S. 591, Tabelle 13.
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Demographische Krisen
Empirische Studien zu Pockenepidemien in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind in Deutschland ein Forschungsdesiderat, sodass leider keine Vergleiche gezogen werden können. Die Lengsdorfer Angaben zu den an der Ruhr verstorbenen Menschen sind weniger zuverlässig, weil in nahezu jedem Sommer – aber auch in manchen Wintern – Todesfälle infolge der „Dissenteria“ verzeichnet wurden. Wahrscheinlich wurde von dem Pfarrer jede Durchfallerkrankung als „Dissenteria“ bezeichnet. Lediglich in den Jahren 1793 und 1795 dürfte tatsächlich die rote Ruhr als Todesursache in Erscheinung getreten sein, da zum einen viele Menschen an dieser Krankheit verstarben und zum anderen auch jeweils einmal explizit die Bezeichnung „rote Ruhr“ verwandt wurde. Interessanterweise sind diese demographischen Krisenjahre im letzten Viertel des Jahrhunderts nicht nur von Infektionskrankheiten verursacht, sondern auch häufig von ungünstigen klimatischen Bedingungen begleitet worden: „Die Jahre 1775-76, 83-84, 88-89, 94-95 u. 98-99, deren Winter sich durch einen hohen Kältegrad in Europa, besonders in Deutschland, auszeichneten“65, könnten zwar zufällig mit den Epidemien zusammengefallen sein, aber wahrscheinlicher ist, dass sie als „Verstärker“ das Ausbreiten von Infektionskrankheiten und Versorgungskrisen forciert haben dürften. Besonders strenge Winter lagen nämlich zeitlich immer vor dem Ausbruch von Epidemien. Das „Jahrtausendhochwasser“ von 1784 vernichtete zwar komplett die heutigen rechtsrheinischen Bonner Stadtteile Beuel und Vilich-Rheindorf und verursachte darüber hinaus große Schäden an vielen Gebäuden innerhalb Bonns, aber nur wenige Menschen ertranken in den Fluten.66 In den nachfolgenden Jahren stand der Hochwasserschutz in Bonn verstärkt im Zentrum des öffentlichen Interesses. Es wurden Abhandlungen verfasst, wie man Hochwasser vermeiden könne.67 Der Bonner Chronist Müller berichtet, dass die Menschen auf das Hochwasser 1789 wesentlich besser vorbereitet gewesen waren als fünf Jahre zuvor. Er selbst brachte sein Hab und Gut rechtzeitig in die oberen Stockwerke des Hauses, nachdem er 1784 zahlreiche Schäden am Mobiliar erlitten hatte.68 Im Untersuchungszeitraum verursachte also keine Naturkatastrophe eine demographische Krise. Im Winter 1792/93 brach das Fleckfieber in Bonn aus.69 Kaiserliche Truppen, die zum Schutz vor den Franzosen in Bonn eingerückt waren, hatten diese Seuche im Dezember 1792 eingeschleppt.70 Im Gegensatz zur Ruhr und vor allem zu den Pocken war die Letalität umso größer, je älter der Erkrankte war. Die Krankheit brach besonders häufig in der kalten Jahreszeit aus, wenn die Kleiderläuse sich besonders gut in der warmen Winterkleidung vermehren und ausbreiten konnten. Die medizinische 65 66 67 68 69 70
GÜNTHER, Versuch einer medicinischen Topographie, S. 74 f. ELICKER, Jahrtausendhochwasser in Bonn 1784, S. 133. Beiträge zur Ausbreitung nützlicher Kenntnisse vom 12. April 1784, „Gedanken, in Flüssen schwere Eisansetzungen zu brechen.“, S. 10-30. StAB, I i 63, MÜLLER, Berichte über die Witterungserscheinungen, S. 29-32. WATERMANN, Vom Medizinalwesen des Kurfürstentums Köln, S. 144. HESSE, Geschichte der Stadt Bonn, S. 19.
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Fakultät der Bonner Universität bemühte sich in jenen Jahren verstärkt um die Erforschung dieser Krankheit. Die in den Bonner Intelligenzblättern veröffentlichten Verhaltensanweisungen zu ihrer Bekämpfung offenbaren, dass die Ursache des Fleckfiebers unbekannt war, aber ein Zusammenhang mit umherziehenden Truppen festgestellt wurde.71 Der Bonner Mediziner Franz Wilhelm Kauhlen beschäftigte sich mehrere Jahre wissenschaftlich mit dieser Infektionskrankheit, an der er während einer Epidemie im Winter 1793 verstarb.72 Im Jahr 1795 suchte die schlimmste Krise im gesamten Untersuchungszeitraum Bonn heim. Die Sterblichkeit lag um 67 % höher als im Durchschnitt der vorherigen fünf und der nachfolgenden zwei Jahre. Insgesamt verstarben 624 Menschen bei einer Bevölkerungsgröße von etwa 9.000 Menschen. Somit betrug die Sterblichkeitsrate ca. 69 ‰! Welche Faktoren führten zu dieser enormen Mortalitätskrise? Der Winter 1794/95 war einer der kältesten überhaupt. Das Thermometer stand im rechtsrheinisch nahe Bonn gelegenen Oberkassel „länger als 14 Tage hindurch mehr oder weniger nahe -16° R.“73 Der Rhein war zugefroren und mehrere Soldaten erfroren. Der harte Winter führte zu dramatischen Preissteigerungen bei den Grundnahrungsmitteln, neben Getreide auch bei Butter, Salz, Zucker und Fleisch.74 Der Roggenpreis stieg im Frühjahr 1795 auf mehr als 1.000 Albus pro Malter und lag damit fast doppelt so hoch wie während des Höhepunkts der Teuerungskrise im Spätwinter 1771. Der Zusammenbruch des Getreidemarktes im Rheinland infolge der französischen Okkupation des linksrheinischen Gebietes verstärkte die Krise, die sich aber auch in anderen Teilen Deutschlands aufgrund allgemein hoher Getreidepreise niederschlug.75 Diese Krise war eine klassische Subsistenzkrise, weil die Zahl der Konzeptionen und der Heiraten einbrach und sich die Mortalität gegenüber einem Normaljahr vervielfachte. Die politischen Verhältnisse nach der Flucht des Kurfürsten erschwerten sicherlich zusätzlich das Krisenmanagement. So verbrauchten die in Bonn stationierten französischen Soldaten so viel Getreide, dass sich der Mangel unter der Zivilbevölkerung noch verschärfte. Jedoch stellte die Französische Republik bereits im Januar 1795 für jeden Bonner Bürger 200 Pfund Getreide zur Verfügung und verpflichtete die Bürgerschaft, Getreide an bedürftige Nachbarn abzugeben.76 Diese Maßnahmen konnten jedoch nicht die Sterblichkeit senken. Doch woran verstarben die Menschen? Im Lengsdorfer Sterberegister77 wurden für das Jahr 1795 insgesamt 64 Todesfälle verzeichnet. Zum Vergleich: 1787 und 1788 waren es nur 24 Fälle. Von den 64 Verstorbenen starben 16 an der „Lazarettkranckheit“, auch „Lazarettfieber“ oder „ietzt 71 72 73 74 75 76 77
Bönnisches Intelligenzblatt vom 8. März 1793. WOLFF, Die medizinische Fakultät, S. 21. GÜNTHER, Versuch einer medicinischen Topographie, S. 75. Die Einheit ° R (Grad Réaumur) war damals im Rheinland gebräuchlich: -16° R entsprechen ungefähr -20° Celsius. HESSE, Geschichte der Stadt Bonn, S. 79. GEHRMANN, Bevölkerungsgeschichte Norddeutschlands, S. 271 f. StAB, Ku 79/10, Mitteilung der französischen Bezirksregierung an die Bürger Bonns vom 10. Januar 1795. StAB, KB 12/3.
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regierendes bösartiges Fieber“ genannt. Weitere 13 Menschen erlagen der „Dissenteria“, auch bezeichnet als „rothe Ruhr“. Niemand starb an den Pocken oder an einer anderen epidemischen Infektionskrankheit. Das Fleckfieber brach im Januar aus. Die meisten Todesfälle gab es im März und April; im Mai, Juni und Juli verzeichnete das Sterberegister nur noch vereinzelt am Fleckfieber Verstorbene. Quasi im Anschluss an diese Epidemie brach Ende Juli die rote Ruhr aus, die bis Oktober grassierte. Allein im September verstarben sieben Mitglieder des Kirchspiels an dieser Infektionskrankheit. Vergleicht man die Ergebnisse der Auswertung der Todesursachen in Lengsdorf mit der Sterblichkeit in Bonn, so wird offensichtlich, dass das Fleckfieber in Bonn in Relation zur Bevölkerungsgröße noch mehr Todesopfer forderte. Allein im März und April verstarben 85 bzw. 93 Menschen – so viele wie in keinem anderen Monat im gesamten Untersuchungszeitraum! Sehr wahrscheinlich erkrankte und verstarb in der Stadt Bonn noch ein viel größerer Prozentsatz der Bevölkerung am Fleckfieber als in den Dörfern des Lengsdorfer Kirchspiels, denn die Lazarette, in der Regel Ursprungsund Verbreitungsherd der Seuche, befanden sich im Poppelsdorfer Schloss, in der Krankenbaracke am Rhein innerhalb Bonns und im ehemaligen Leprosenhaus bei Hersel.78 Zudem hielten sich die französischen Truppen im kurfürstlichen Schloss auf, sodass die Bedingungen für das Ausbreiten der Epidemie in Bonn deutlich „günstiger“ waren als in den umliegenden Dörfern. Die Ruhrepidemie im Sommer führte dagegen zu keiner erhöhten Sterblichkeit im Vergleich zu den Sommermonaten 1794 und 1796. Daher kann das durch die Truppenbewegungen und Besatzung Bonns eingeschleppte Fleckfieber als Ursache der demographischen Krise gelten, wenngleich der strenge Winter und die Teuerungskrise die Morbidität und Letalität dieser Seuche noch massiv gesteigert hat. In Köln grassierte ebenfalls das Fleckfieber, dessen Ursache bereits von den Zeitgenossen im Elend und Hunger der Menschen sowie der strengen Kälte angenommen wurde.79
7.3 Versorgungskrisen in Bonn Schon Abel hat die Getreidepreise als Indikator für die Lebenshaltungskosten herangezogen,80 weil aussagekräftige Warenkörbe nicht oder nur selten für die vorstatistische Zeit zusammengestellt werden können. Die Menschen ernährten sich in der Frühen Neuzeit vor allem von Getreide. Im Rheinland bildete der Roggen die Grundlage der Ernährung des weitaus größten Teils der Bevölkerung.81 Veränderungen des Roggenpreises schlugen sich daher deutlich im Haushaltsbudget der Menschen nieder. Eine Zunahme des Getreidepreises um etwa 100 % konnte schnell dazu führen, dass nicht genügend Brot für den Bedarf des Haushaltes eingekauft werden konnte. Des78 79 80 81
WATERMANN, Vom Medizinalwesen des Kurfürstentums Köln, S. 147. CADAUNS, Köln in der Franzosenzeit, S. 92 f. ABEL, Massenarmut und Hungerkrisen. BECKER, Alltag auf dem Lande, S. 14.
Versorgungskrisen in Bonn
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halb werden die Roggenpreise mit den Vitalereignissen verglichen. Grundsätzlich sind in Jahren mit niedrigen Preisen mehr Geburten und Heiraten sowie weniger Sterbefälle zu erwarten als bei höheren Preisen: Aufgrund des Geldmangels wurden Heiraten in Krisenzeiten häufig verschoben und wegen der schlechten Ernährungslage waren Frauen häufiger nicht empfängnisbereit oder verschoben in Regionen mit Geburtenbeschränkung den Zeitpunkt der Konzeption. Im Folgenden soll untersucht werden, wie stark die jeweiligen Vitalereignisse mit den Preisen korrelieren.
7.3.1 Getreidepreise und generatives Verhalten Die Getreidepreise Bonns wurden in den Ratsprotokollen vermerkt. Darüber hinaus existieren monatliche Aufstellungen der Getreidepreise der Jahre 1722-1757 sowie der Martini-Durchschnittspreise82 von 1776-1798.83 Dennoch sollen für die Analyse die ausführlicheren und exakteren Getreidepreisreihen der Stadt Köln84 genutzt werden, die auch für die Bestimmung von Teuerungskrisen in anderen Städten im Rheinland herangezogen wurden, wie beispielsweise für Krefeld.85 Auch François hat für seine Studie zu Koblenz die Mainzer Roggenpreise verwandt.86 Nachfolgend werden die Bonner Roggenpreise mit den Kölnern verglichen, damit beurteilt werden kann, ob die Verwendung von Getreidepreisreihen benachbarter Städte für solche Analysen überhaupt statthaft ist. Zunächst müssen die Kölner Getreidepreisreihen und ihre Verwendung erläutert werden. Ebeling und Irsigler haben wochen-, monats- und jahresweise die Kölner Getreidepreise der vier wichtigsten Getreidesorten – Roggen, Weizen, Gerste und Hafer – ermittelt und in umfangreichen Tabellen und Graphiken dargelegt. Leider haben sie die Preise nicht für Kalenderjahre erhoben; stattdessen sind sie der herrschenden Meinung unter den Forschern der 1970er Jahre gefolgt und haben die Preise für Erntejahre erhoben. Seit geraumer Zeit wird auf die Einteilung der Preisreihen nach Erntejahren verzichtet.87 Deshalb werden lediglich die monats- und wochenweise erhobenen Preisreihen für Vergleiche genutzt. Für den Vergleich mit den Jahresdurchschnittspreisen aus Bonn zwischen 1722 und 1757 wurden die Durchschnittspreise Kölns anhand der monatlichen Preisreihen gebildet. Die Martinipreise Kölns wurden als solche nicht separat ausgewiesen. Zwei Verfahren boten sich für einen Vergleich mit der Bonner Preisreihe von 1776-1798 an: Zum einen die Nutzung des Wochenpreises der Woche, in der St. Martin lag, und zum anderen die Verwendung
82
83 84 85 86 87
Der Martini-Preis, benannt nach dem Datum zu St. Martin (11. November), wurde für Vergleiche besonders gerne herangezogen, weil sich zu diesem Zeitpunkt der Ernteertrag des laufenden Jahres bereits im Preis niederschlug. StAB, Ku 86/12, Teil 2 und Teil 3. EBELING/IRSIGLER, Getreideumsatz, Getreide- und Brotpreise. Die Preisreihen sind im Internet als Excel-Dateien frei verfügbar und eignen sich daher besonders gut für quantitative Analysen. KRIEDTE, Taufgesinnte und großes Kapital. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 34. Dann müssten für verschiedene Früchte auch verschiedene Erntejahre angesetzt werden.
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Demographische Krisen
eines durchschnittlichen Monatspreises November. Letzteres Verfahren wurde gewählt. Die Bonner Martinipreise des Roggens entwickelten sich zwischen 1722 und 1757 ähnlich wie in Köln: Der Korrelationskoeffizient lag mit 0,96 so hoch, dass die Kölner Roggenpreise ebenso die Bonner Marktentwicklung beschreiben. Diese Preissynchronisation spricht für eine hohe Integration der beiden Märkte; Preisunterschiede wurden umgehend durch Handel ausgeglichen.88 Der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Bonner und der Kölner Roggenpreise war auch zwischen 1776 und 1786 immer noch so groß (r = 0.92), dass die Kölner Preisreihe ebenso die Entwicklung der Bonner Preise widerspiegelt. Während der krisengeplagten 1790er Jahre lag der Korrelationskoeffizient allerdings nur noch bei 0.46. Demnach scheint die Getreideversorgung während der Revolutionskriege im Rheinland zusammengebrochen zu sein und es war nicht mehr möglich, Engpässe in einzelnen Städten durch Handel zu schließen. Die Getreidepreise erreichten auch 1795 das absolute Maximum im 18. Jahrhundert – und zwar sowohl in Köln89 als auch in Bonn. Insgesamt ist festzustellen, dass die ausführlichen Kölner Getreidepreisreihen die Entwicklung der Bonner Getreidepreise gut abbilden. Lediglich für die Analyse der demographischen Krisenjahre 1793 und 1795 sollten die Bonner statt der Kölner Preisreihen genutzt werden. Für die Bestimmung des jährlichen Roggenpreises anhand der Kölner Preisreihe wurden die aus den zur Verfügung stehenden Monatspreisen gebildeten arithmetischen Mittel verwandt. Das arithmetische Mittel erfasst auch mittelfristige Preiszyklen innerhalb eines Jahres und stellt damit im Vergleich zum Martinipreis den für das gesamte Jahr repräsentativeren Wert dar. Auf eine Gewichtung der Preise mit den ebenfalls zur Verfügung stehenden Umsatzmengen in Köln wurde verzichtet.90 Richtete sich das generative Verhalten der Bonner Bevölkerung nach den Roggenpreisen? Zur Beantwortung dieser Frage werden Korrelationen der Roggenpreise und der Zeitreihen der einzelnen Vitalereignisse ermittelt. Um Korrelationen zwischen Zeitreihen zu berechnen, dürfen nicht die absoluten Zahlen herangezogen werden. Es muss zunächst die langfristige Trendkomponente der jeweiligen Zeitreihen ausgeschaltet werden; andernfalls würden die Korrelationen zu stark ausfallen, da gleichgerichtete Trends zu erwarten sind.91 Darum werden nachfolgend die 1. logarithmisierten Differenzen der Roggenpreise und der jeweiligen Vitalereignisse miteinander korreliert.92 Viele Historiker-Demographen verzichten komplett auf die Berechnung von Korrelationen, obwohl ab Zeitreihen von zwölf Jahren ein rein visueller Vergleich der 88
89 90 91 92
Getreidepreise gelten als vorrangiger Indikator für die Marktintegration. BRANDENBERGER, Ausbruch aus der „Malthusianischen Falle“, bes. S. 201-206; UEBELE, Deutsche Weizenpreise 1806-1844. EBELING, Bürgertum und Pöbel, S. 141-144. EBELING/IRSIGLER, Getreideumsatz, Getreide- und Brotpreise, Teil 1, S. XXXI. METZ, Ansätze, Begriffe und Verfahren, S. 29-36. Auf weiterführende statistische Erläuterungen zu Zeitreihen in der Geschichtswissenschaft wird an dieser Stelle verzichtet. Näheres hierzu bei METZ, Trend, Zyklus und Zufall.
Versorgungskrisen in Bonn
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Zeitreihen methodisch absolut mangelhaft ist. Kohl berechnete zwar die Korrelationen – allerdings nicht der Differenzen, sondern der absoluten Zahlen –, sodass für Trier wahrscheinlich zu starke Zusammenhänge ermittelt worden sind.93 Trotzdem sollen die Ergebnisse mit denen Kohls verglichen werden. Gab es einen Zusammenhang zwischen dem Roggenpreis und der Natalität? Der Zusammenhang zwischen Konzeptionen – hierzu wurden die Anzahl der Taufen um ein Kalenderjahr vorverlegt – und dem Roggenpreis war schwach negativ (r = -0.24). Dies bedeutet, dass die Bonner bei hohen Roggenpreisen tatsächlich tendenziell weniger Kinder zeugten. Ein solcher Zusammenhang wurde auch in anderen Studien zu Städten im 18. Jahrhundert festgestellt.94 Der Zusammenhang zwischen der Mortalität und den Roggenpreisen war in der ersten Hälfte des Jahrhunderts deutlich stärker (1718-1742: r = 0.31) als in der zweiten Hälfte (1750-1786: r = 0.15), obwohl die großen Teuerungskrisen in der zweiten Jahrhunderthälfte lagen. D. h., zwischen 1718 und 1742 nahm die Sterblichkeit eher zu, wenn der Roggenpreis anstieg. Zwischen 1750 und 1786 gab es dagegen fast keinen Zusammenhang zwischen der Mortalität und der Höhe des Roggenpreises. Dies zeigt eindrucksvoll, dass eine rein visuelle Analyse der beiden Graphen die Ausreißer stärker gewichtet als ein statistisch sauberer Vergleich. Insgesamt lässt sich also nur ein sehr schwacher positiver Zusammenhang feststellen. Kohl hat einen ähnlich schwachen Zusammenhang für Trier ermittelt.95 Der Zusammenhang zwischen Nuptialität und Roggenpreis ist am schwächsten, obwohl die negative Korrelation zwischen Roggenpreisen und Heiraten ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in vielen Städten bis ins 19. Jahrhundert hinein deutlich stärker war als die positive Korrelation des Roggenpreises mit den Sterbefällen.96 In der ersten Hälfte des Jahrhunderts bestand jedoch eine etwas stärkere Korrelation zwischen Nuptialität und Roggenpreis (1718-1749: r = -0.19) als in der zweiten (1750-1786: r = -0.16). Diesen schwachen Zusammenhang hat auch Kohl für Trier im 18. Jahrhundert ermittelt. Im 19. Jahrhundert beeinflussten jedoch die Roggenpreise das Heiratsverhalten der Trierer Bevölkerung deutlich stärker.97 Der Roggenpreis hat also im 18. Jahrhundert das generative Verhalten nicht maßgeblich beeinflusst. Korrelationskoeffizienten von 0.1-0.3 sind so niedrig, dass man keinen bedeutenden Einfluss der Preise über diesen langen Zeitraum hinweg annehmen kann. Gerade auch weil Kohl ähnliche Korrelationskoeffizienten ermittelte – die aufgrund der methodischen Defizite in ihrer Höhe sogar noch relativiert werden müssten – überrascht sein Fazit: „Getreidepreise und generatives Verhalten hingen eng miteinander zusammen.“98 Allerdings fielen zumindest in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erhöhte Roggenpreise mit Sterblichkeitsspitzen auch in Bonn zusammen. Deshalb lässt sich behaupten, dass demographische Krisen sehr wohl noch 93 94 95 96 97 98
KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 94. Ebd., S. 99. Ebd., S. 95. ABEL, Massenarmut und Hungerkrisen, S. 265 f. KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 98. Ebd., S. 101.
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durch Nahrungsmittelkrisen hervorgerufen oder zumindest verstärkt wurden. Jägers hat in ihrer Untersuchung zu Duisburg – wo nicht einmal die europäische Krise von 1770-1772 einen deutlichen Niederschlag fand – ein anderes Fazit gezogen: „Demnach bestanden echte Nahrungsmittelkrisen, wie sie Meuvret als typisch für das 17. Jahrhundert ansieht, im 18. Jahrhundert kaum noch, und wenn, dann deutlich abgemildert.“99
François verneint ebenfalls eine enge Korrelation zwischen den Roggenpreisen und den Sterbefällen, räumt aber ein, „daß die Mortalitätskrise oft schlimmer ausfiel, wenn sie durch hohe Lebensmittelpreise eingeleitet wurde“100. In Koblenz waren in mehreren Krisenjahren die Roggenpreise auf dem Höhepunkt, bevor die Sterblichkeit ihr Maximum erreichte.
Abbildung 23: Roggenpreise und Sterbefälle 1718-1797
Haben Getreidepreisteuerungen in Bonn zu Sterblichkeitskrisen geführt? Abbildung 23 zeigt die Entwicklung der Kölner Roggenpreise und der Sterblichkeit in Bonn zwischen 1718 und 1797. Teuerungskrisen lagen demnach nur in den Jahren 1739/40, 1762, 1770-1772 und in den 1790er Jahren vor – mit dem absoluten Höhepunkt im Jahr 1795. Die Entwicklung der Sterblichkeit verlief während der Teuerungskrisen 1740 und 1762 erstaunlicherweise sogar gegensätzlich: Während die Teuerungskrisen in beiden Jahren jeweils ihren Höhepunkt erreichten, nahm die Sterblichkeit im Vergleich zum Vorjahr stark ab und blieb auch im nachfolgenden Jahr auf dem Niveau 99 100
JÄGERS, Duisburg im 18. Jahrhundert, S. 257. FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 36.
Versorgungskrisen in Bonn
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des Vorjahres! Die Sterblichkeitskrise 1739 fiel mit dem Anstieg des Getreidepreises um ein Drittel im selben Jahr zusammen. Besonders stark war der Zusammenhang zwischen dem Getreidepreis und einer Übersterblichkeit während der Krisen 17701772 und in den 1790er Jahren. Die Krise der 1790er Jahre wurde maßgeblich durch die Revolutionskriege und die Folgen der französischen Besatzung verursacht, sodass sie für einen Vergleich nicht taugt. Daher werden nachfolgend nur die Krisenjahre 1739/40 und 1770-1772 ausführlicher analysiert.
7.3.2 Die Krisen 1739/40 und 1770-1772 im Vergleich Ungünstige klimatische Bedingungen führten in den frühen 1740er Jahren in ganz Europa zu Getreidepreisteuerungen und Sterblichkeitskrisen. Allerdings starben in Europa zwischen 1740 und 1742 die meisten Menschen nicht direkt an Unterernährung, sondern an infektiösen Fiebern und der Ruhr.101 Es ist anzunehmen, dass sich diese Infektionskrankheiten unter den mangelernährten Menschen besonders gut ausbreiten konnten. Ebenfalls schlechte klimatische Bedingungen, nämlich mehrere aufeinanderfolgende nasskalte Winter, riefen die Missernten 1770 und 1771 hervor, die zu Subsistenzkrisen in vielen Regionen Europas führten. Diese Krise wird gemeinhin als letzte Subsistenzkrise des Typs Ancien Régime beschrieben. Beide Teuerungskrisen waren europaweit die mit Abstand schwersten im gesamten 18. Jahrhundert.102 Nicht nur der Verlauf dieser europaweiten Versorgungskrisen wird im Folgenden ausführlich dargestellt, damit die Auswirkungen der Getreidepreisteuerungen auf die generative Struktur bestimmt werden können, sondern es werden darüber hinaus die Maßnahmen der Landesregierung bzw. des Magistrats – das sogenannte Krisenmanagement – analysiert. Zunächst wird die Krise 1739/40 analysiert; anschließend folgt die vergleichende Untersuchung der Krisenjahre 1770 und 1772. Dabei steht die Beantwortung folgender Fragen im Vordergrund: Inwiefern unterschieden sich die Krisen in ihrer Intensität und in ihren demographischen Folgen? Was unternahm die Obrigkeit? Unterschieden sich die Maßnahmen oder wurden 1770-1772 die gleichen Instrumente zur Krisenbewältigung gewählt wie 1739/40? Haben die Maßnahmen dazu beigetragen, die Krisen zu beenden bzw. zu mildern? Der Verlauf der Konzeptionen, der Sterbefälle und des Getreidepreises in den Jahren 1739 und 1740 wird in Abbildung 24 gezeigt. Die Sterblichkeitskrise im Sommer 1739 – die Sterblichkeit lag ca. dreimal so hoch wie im vorangegangenen oder nachfolgenden Jahr – korrelierte weder mit dem Roggenpreis noch wirkte sie sich deutlich auf die Anzahl der Konzeptionen aus. Die Kindersterblichkeit lag im Juni und Juli 1739 mehr als viermal so hoch wie 1738 oder 1740 und ist daher ursächlich für die Sterblichkeitskrise. Da Infektionskrankheiten des Darmes eher im Spätsommer auftraten, liegt die Vermutung nahe, dass die Pocken zwischen Mai und Juli 1739 Bonn heimsuchten. Während der Roggenpreis im Sommer 1740 seinen Höhepunkt erreichte, nahm die Sterblichkeit sogar leicht ab! Allerdings sank ebenso wie die Zahl der 101 102
POST, Climatic Variability, S. 6. JÜTTE, Klimabedingte Teuerungen und Hungersnöte, S. 226.
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Konzeptionen auch die Zahl der Eheschließungen leicht, letztere um etwa 20 % im Vergleich zu den jeweils drei vorhergegangenen und nachfolgenden Jahren. Dies spricht für eine sehr leichte „crise larvée“, weil eben das generative Verhalten sehr wohl von der Teuerung des Roggens beeinflusst wurde. Die Sterblichkeit blieb jedoch davon unberührt. Woran lag dies?
Abbildung 24: Die Krise 1739/40
Der Winter 1739/40 war ungewöhnlich kalt und lang und führte zu einem starken Anstieg der Getreidepreise. Im Frühjahr 1740 vermerkte ein brandenburgischer Schiffmeister in seinem Tagebuch über den Besuch in Bonn: „Dahero großes Elend unter den Leuten worden, und ist alles theuer worden, sind viel Leuth auf den Straßen erfroren, und denkt auch niemand, daß ein so kalter Winter (je) gewesen.“103 Noch am 12. Mai fiel im Rheinland Schnee, und der nachfolgende Winter 1740/41 setzte bereits am 9. Oktober mit einer mehrwöchigen Frostperiode ein.104 Das gesamte Jahr war ungewöhnlich kalt, die warme Jahreszeit sehr kurz, sodass zahlreiche Missernten daraus resultierten. Welche Maßnahmen ergriff die Landesregierung, um dieser Krise Herr zu werden? Am 3. Februar 1740 erließ Clemens August ein Ausfuhrverbot für Getreide als Reaktion auf das benachbarte Herzogtum Jülich-Berg, das zuvor die Getreideausfuhr ins Erzstift gestoppt hatte.105 Das Ausfuhrverbot wurde in den nachfolgenden Monaten noch verschärft, damit wegen der vielen Ausfuhren von Früchten eine „große 103 104 105
Zitiert nach ENNEN, Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt, S. 224. ZÄCK, Schnee von gestern, S. 176 f. StAB, Ku 2/1, Edikt vom 3. Februar 1740.
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Theuerung, ja Abgang, auch Hungers-Noth“106 abgewandt werden könne. Außerdem wurde das Branntweinbrennen verboten und unter Strafe gestellt. Am 16. Mai 1740 bekundete der Kurfürst, seine „Fürst-Vätterliche Fürsorg zu thuen“, indem er die Getreidevorräte in den Haushalten seines Erzstifts erfassen und gegebenenfalls konfiszieren ließe, wenn die Not der armen Menschen im Land das erforderlich mache. Ausdrücklich wurden auch Geistliche und Adelige nicht davon ausgenommen. Außerdem wurde der Getreidevorrat Bonns durch Ankauf von Roggen aus dem „Wormsischen“ vergrößert.107 Die Vorratshaltung diente dazu, den Getreidemangel bei einer eventuellen Verschärfung der Krise zumindest teilweise ausgleichen zu können. Die Ausfuhr von Getreide nach Köln wurde am 4. Dezember 1740 wieder gestattet und das Ausfuhrverbot nach Jülich-Berg am 15. März 1741 aufgehoben.108 Den Ausfuhrverboten lagen allerdings in erster Linie politische Motive zugrunde, denn es wurde die Ausfuhr in die Territorien verboten, die ihrerseits den Getreidehandel mit Kurköln unterbunden hatten. Daher wurden regelmäßig neue Verordnungen erlassen, die eine Getreideausfuhr in ein bestimmtes Territorium unter Strafe stellten oder eben wieder erlaubten. Im Oktober 1741 wurde erneut befohlen, ein Verzeichnis aller vorrätigen Früchte „ohne Unterscheid der Person und des Orths“ für das gesamte Erzstift zu erstellen.109 Angesichts der vollständigen Erfrierung der Trauben in Bonn110 fürchtete die Landesregierung eine Missernte des Getreides und eine daraus resultierende Verschärfung der Teuerungskrise. Die Getreideernte fiel jedoch wesentlich besser aus als erwartet. Das Branntweinbrennverbot und sämtliche Getreideausfuhrverbote wurden in Bonn allerdings erst am 28. August 1742 endgültig aufgehoben – nach dem Ende der Krise auch in den meisten anderen Territorien.111 Die kurkölnische Regierung reagierte auf die Krise mit den üblichen zeitgenössischen Maßnahmen: Ausfuhrverbote für Getreide, Verbot des Branntweinbrennens und der Vorratshaltung in privaten Haushalten. Darüber hinaus wurde versucht, das gesamte Getreidevorkommen im Land zu erfassen und zusätzliche Getreidevorräte in Bonn durch den Ankauf auswärtigen Getreides anzulegen. Haben diese Maßnahmen dazu beigetragen, die Auswirkungen der Krise zu mildern? Der Höhepunkt der Krise war in Bonn im August 1740 bereits überwunden, denn zwischen Juli und August sank der Getreidepreis um ein Drittel. Der Bonner Schwarzbrotpreis reagierte auf die Verbilligung des Getreides etwa einen Monat zeitversetzt: Im Juli 1740 kostete das Brot 13 Albus und 4 Heller, im August 12 Albus
106 107 108 109 110 111
StAB, Ku 2/1, Edikt vom 18. Oktober 1740. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, Auszug aus dem Ratsprotokoll vom 24. Juli 1740, S. 19. StAB, Ku 2/1, Edikt vom 15. März 1741. StAB, Ku 2/1, Edikt vom 11. Oktober 1741. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, Auszug aus dem Ratsprotokoll vom 11. Oktober 1740, S. 19. StAB, Ku 2/1, Edikt vom 28. August 1742.
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und 8 Heller und im September nur noch 9 Albus. 1738 und 1742 bewegte sich der Preis zwischen etwa 5 und 7 Albus.112 Die Teuerungskrise aufgrund des ungewöhnlich kalten Jahres 1740 erfasste weite Teile Europas, wenn auch unterschiedlich stark. Gleichwohl starben die Menschen an Infektionskrankheiten, vorwiegend an Typhus und Ruhr, die sich unter mangelernährten Menschen wesentlich stärker ausbreiten konnten.113 In Deutschland nahm die Mortalität zwischen 1740 und 1741 allerdings nur geringfügig zu, 1736 und 1737 war sie sogar leicht höher gewesen.114 Daher darf der Einfluss der landesherrlichen Maßnahmen nicht überschätzt werden. Vor allem im Vergleich zur Reichsstadt Köln, wo ebenfalls die privaten Getreidevorräte erfasst wurden und es einen städtischen Getreidespeicher gab, gingen die Eingriffe nicht weit genug. In Köln wurden nämlich auf dem Höhepunkt der Krise im Sommer 1740 die Ärmsten sogar mit kostenlosem Brot und die restliche Einwohnerschaft mit subventioniertem Brot versorgt, das statt der marktüblichen 14 Albus für 10 Albus und 8 Heller verkauft wurde.115
Abbildung 25: Die Krise 1770-1772
Der Verlauf der Sterblichkeit und der Konzeptionen in Bonn sowie des Kölner Roggenpreises zwischen 1770 und 1772 ist in Abbildung 25 dargestellt. Bereits Ennen 112 113 114 115
StAB, Ku 86/12, „Protocolli über den Preiß des schwartz brods de Anno 1738. Ad Annum 1751“. Das Protokoll entstand aufgrund von zahlreichen Missbräuchen beim Wiegen des Brotes. POST, Climatic Variability, S. 21-24. Ebd., S. 10-12. EBELING, Bürgertum und Pöbel, S. 147-150.
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untersuchte diese Krise,116 obwohl sie in ihrer Stadtgeschichte ansonsten das Thema weitgehend ausgeklammert hat; beispielsweise berichtet sie von keiner einzigen Epidemie im 18. Jahrhundert. Ihr Ergebnis, in Bonn habe es zwar auch Missernten und Armut infolge der hohen Getreidepreise gegeben, aber es könne „keine extrem höhere Sterblichkeit“117 festgestellt werden, muss revidiert werden. Offensichtlich fußt ihre These auf den Untersuchungen François’ zu Koblenz, wie aus den Anmerkungen hervorgeht. Außerdem standen ihr weder die monatsweise erhobenen Sterbefälle noch diejenigen der drei kleineren Bonner Stadtpfarreien zur Verfügung. Der Roggenpreis nahm im Verlauf des Jahres 1770 kontinuierlich zu, bis er im Winter 1770/71 einem Preis von mehr als 500 Albus pro Malter erreichte. Die Anzahl der Sterbefälle erhöhte sich bis September 1770 ebenfalls, sank aber während des Winters 1770/71 auf ein niedriges Niveau – erstaunlicherweise als der Roggenpreis seinen Höhepunkt erreichte. Eine zweite, stärkere Sterblichkeitskrise lässt sich für die erste Jahreshälfte 1772 verzeichnen, obwohl der Roggenpreis seit dem vorangegangenen Sommer um ca. ein Drittel zurückgegangen war. Diese Mortalitätskrise folgte also etwa ein halbes Jahr nach dem Höhepunkt der Teuerungskrise. Zwar konnte im Allgemeinen die Übersterblichkeit noch für ein bis zwei Jahre nach dem Wegfall des Auslösers anhalten,118 aber in Bonn lag die Sterblichkeit während des gesamten Jahres 1771 auf Normalniveau. Außerdem blieb der Roggenpreis noch bis zur Ernte im Herbst 1773 auf einem hohen Niveau von mehr als 400 Albus pro Malter. Deshalb kann ausgeschlossen werden, dass die Sterblichkeitskrise im Frühjahr 1772 durch die Teuerungskrise verursacht wurde. Was hat dann die Sterblichkeitskrisen 1770 und 1772 verursacht? Diese Krisen gingen jedenfalls nicht mit einer hohen Kindersterblichkeit einher, denn während der gesamten 36 Monate entfiel „nur“ etwa die Hälfte der Todesfälle auf Kinder. Selbst für das Jahr 1770, als der Anteil der Kindersterblichkeit an der Gesamtsterblichkeit mit über 64 % sehr hoch lag, können die Pocken als Ursache ausgeschlossen werden, weil sich die Kindersterblichkeit über die gesamten zwölf Monate in etwa gleich verteilte. Die Anzahl der Heiraten und ihre saisonale Verteilung blieben durch die Krise nahezu unverändert, obwohl beispielsweise in Göttingen während der Krise 17701772 eine „Konträrbewegung zwischen den Eheschließungen (und damit der Haushaltsgründungen) und den Roggenpreisen“119 bestand. Die Sterblichkeitskrise des Jahres 1770 fiel mit der „verspäteten Erndte der Brodfrüchte“120, dem rasanten Anstieg des Roggenpreises und mit einem sehr leichten Rückgang der Konzeptionen – 1771 um etwa 15 % – ebenso zusammen wie mit einem stärkeren Rückgang der Heiraten: 1771 gab es die wenigsten Eheschließungen im gesamten Zeitraum zwischen 1725 und 1798. Auf dem Höhepunkt der Teuerungskrise, im Winter 1770/71, hatten sich allerdings sowohl die Anzahl der Konzeptionen als auch die Sterblichkeit normalisiert, wohingegen Eheschließungen vermehrt ausge116 117 118 119 120
ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 237 f. Ebd., S. 237. POST, Nutritional Status and Mortality, S. 242. ABEL, Massenarmut und Hungerkrisen, S. 266. SCOTTI, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1. Abt., 2. Teil, Nr. 655, S. 907.
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setzt wurden. Auch während der Krisen 1761/62 und 1770/71 in Koblenz, 1770/71 in Mainz und 1770/71 in Trier lag der Höhepunkt der Sterblichkeitskrise wenige Monate vor dem Höchststand des Roggenpreises.121 Dieses Phänomen hat die Forschung als „umgekehrten Mechanismus“122 beschrieben. Demnach führte eine Sterblichkeitskrise – beispielsweise aufgrund einer hohen Sterblichkeit von Arbeitskräften – die Teuerungskrise herbei und nicht umgekehrt. Für die rheinischen Städte kann dies aber ausgeschlossen werden, weil die Übersterblichkeit nicht besonders hoch war. Insgesamt kann konstatiert werden, dass es sich wie schon 1740 um eine „crise larvée“ handelte, die aber insgesamt etwas stärker die Konzeptionen und Eheschließungen beeinflusste als die Krise von 1740. Die bisherigen Studien zu dieser Krise haben übereinstimmend festgestellt, dass in den wenigsten Regionen der Hunger die direkte Todesursache war. Dafür spricht auch, dass die Sterblichkeit in kaum einer Region auf das Zwei- bis Vierfache anstieg, wie dies während der Subsistenzkrisen im 17. Jahrhundert noch der Fall war. Auch die Regionen, die stärker als das Rheinland von der Teuerungskrise 1770-1772 betroffen waren – wie etwa Württemberg und Baden –, wiesen die Merkmale einer „crise larvée“ auf.123 Vielmehr war ein Konglomerat an Ursachen, ein „synergetisches Paket“124, ursächlich für die Sterblichkeitskrisen, darunter vor allem Infektionskrankheiten, die besonders häufig unter mangelernährten Personen auftraten. In den zahlreichen Studien zur Krise 1770-1772 werden immer wieder als Ursachen der Sterblichkeitskrisen die drei Geißeln des 18. Jahrhunderts genannt: Pocken, Ruhr und Fleckfieber, während direkte Hungertode oder Mutterkornvergiftungen nur in einigen wenigen Regionen beobachtet wurden.125 Auch wenn in vielen Untersuchungen dieser Krisenjahre die für die Übersterblichkeit verantwortliche Infektionskrankheit ungenannt bleibt,126 werden in vielen anderen Untersuchungen zwei konkret benannt: Die Ruhr und fibröse Infektionskrankheiten. Während im Fürstbistum Bamberg127 und in der Schweiz128 1771 schwere Ruhrepidemien grassierten, dominierten in vielen anderen Regionen wie Böhmen, Württemberg und Baden „Faulfieber, hitzige Krankheiten, und andre kalte fieber“129,
121 122 123 124 125 126 127 128
129
RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S.245; KOHL, Familie und soziale Schichtung, S. 95; FRANÇOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert, S. 34 f. IMHOF, Einführung in die Historische Demographie, S. 17. ZIMMERMANN, Obrigkeitliche Krisenregulierung, S. 112. ZIMMERMANN, „Noth“ und „Theuerung“, S. 103. POST, The Mortality Crises, S. 42. Z. B. bei MATTMÜLLER, Die Hungersnot der Jahre 1770/71, S. 282. Die Regierung gab der Bevölkerung medizinische Tipps für die Bewältigung der Ruhrepidemie im Winter [!] 1771 an die Hand. SCHNEIDER, Wo der getreidt-Mangel, S. 285 f. Eine Ruhrepidemie schließt Mattmüller aber für den Winter 1771 aufgrund der Saisonalität der Seuche aus! Eine einzelne Krankheit als Ursache für die Sterblichkeitskrise unter den Heimarbeitern im Spätwinter/Frühjahr 1771 kann er allerdings nicht benennen. MATTMÜLLER, Die Hungersnot der Jahre 1770/71, S. 281 f. Aus einer Relation Joseph II., der die krisengeplagten Teile seines Stammlandes in Böhmen und Mähren besuchte. Zitiert nach WIMMER, Gesundheit, Krankheit und Tod, S. 100.
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„gastrische Fieber“130 oder auch eine „febrilische Hitze“131, die im Winter 1772 große Teile Deutschlands heimsuchte. Offensichtlich stellten bereits die Zeitgenossen einen Zusammenhang zwischen der Ausbreitung der fibrösen Infektionskrankheiten und der Teuerungskrise her. Im Gegensatz zu typhösen Fiebern konnten sich diese „kalten oder gastrischen“ Fieber unter mangelernährten Menschen deutlich stärker ausbreiten. Hinweise auf die Ruhr, die überdies als eine typische saisonale Erkrankung des Spätsommers gilt, finden sich weder in Bonn noch im Rheinland. Deshalb kommen die unspezifischeren Fieberkrankheiten eher als Ursache für die Sterblichkeitskrisen während des Herbstes bzw. Winters der Jahre 1770 und 1772 infrage. Die Krise 1770-1772 erfasste die einzelnen Regionen Mitteleuropas unterschiedlich stark. Während die ältere Forschung in erster Linie die landesherrliche Krisenpolitik132 und die Produktivität der Landwirtschaft133 als maßgeblich für diese Unterschiede ansah, berücksichtigen neuere Untersuchungen unterschiedliche klimatische Bedingungen in den verschiedenen Regionen Europas und deren Auswirkungen auf die Landwirtschaft.134 Allgemein fielen die Ernten im östlichen und nördlichen Mitteleuropa abseits der Meere deutlich schlechter aus als in West- und vor allem Südeuropa. Neben Bonn waren auch die meisten anderen Städte im Südwesten Deutschlands – darunter Mainz, Trier und Koblenz – nicht von einer großen Sterblichkeitskrise betroffen, denn die Teuerungskrise verlief glimpflicher als in Franken, Sachsen oder Böhmen.135 Doch auch in westdeutschen Städten war eine leichte Abnahme der Konzeptionen und Heiraten feststellbar, weshalb Rödel diese Krise in Mainz ebenfalls als „crise larvée“ klassifiziert hat.136 Wie reagierte die Obrigkeit in Bonn auf die Krise? Ähnlich wie während der Krise 1740 verhängte die Landesregierung umfassende Ausfuhrsperren für Getreide. Am 20. August 1770 wurde die Getreideausfuhr in alle Territorien und das Branntweinbrennen verboten, weil „durch diesjährigen Mißwachs auch derselben Mangel sich so weit äußeret, daß auf die Dauer sich daran ein gänzlicher Abgang ergeben“137. Diese resoluten Maßnahmen wurden aber im Verlauf des Herbstes, als der Roggenpreis steil anstieg, erstaunlicherweise wieder gelockert: Am 18. September 1770 einigten sich die Regierungen Kurkölns und des Herzogtums Jülich-Berg auf eine wechselseitige Aufhebung der Ausfuhrsperre.138 Dabei lagen aber keine wirtschaftsliberalen Motive 130 131 132
133 134
135 136 137 138
WEINZIERL-FISCHER, Die Bekämpfung der Hungersnot, S. 499. HAAS, Kurze Erzählungen merkwürdiger Theuerungen, S. 40. In Preußen wurde die im Vergleich zum benachbarten Sachsen sehr milde verlaufende Teuerungskrise auf die aggressive Politik zur Beschaffung von Getreide zurückgeführt, das beispielsweise aus Polen beschafft wurde. SCHMIDT, Die frühneuzeitlichen Hungerrevolten, S. 269. Deshalb waren protoindustrialisierte Gebiete, wie etwa das Erzgebirge, von der Krise stärker betroffen als Agrarregionen. ABEL, Hungerkrisen und Massenarmut, bes. 253 f. Die Schweiz war von der schlechten Ernte deutlich weniger stark betroffen als das weiter östlich gelegene Böhmen, weil sich der Einfluss des Azorischen Hochs als günstig erwies. PFISTER, Social vulnerability to climate, bes. S. 126. POST, The Mortality Crises, S. 43. RÖDEL, Mainz und seine Bevölkerung, S. 245. StAB, Ku 5/1, Edikt vom 20. August 1770. StAB, Ku 5/1, Edikt vom 18. September 1770.
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zugrunde. Vielmehr dienten Getreideausfuhrsperren und -aufhebungen als probates Mittel einer machtorientierten Außenpolitik und weniger einer besseren Versorgung der eigenen Bevölkerung durch einen freien Getreidehandel mit den benachbarten Territorien. Zahlreiche aufgeklärte Ökonomen plädierten seit Mitte des 18. Jahrhunderts für den freien Handel – auch in Krisenzeiten.139 Daher gab es in mehreren Territorien aufgeklärter Landesherrn Versuche, den freien Markt auch während der Krise aufrecht zu erhalten. Beispielsweise verkündete der badische Markgraf Karl Friedrich von Baden am 5. September 1770, auf Getreidesperren verzichten zu wollen, änderte aber bereits nach zwei Monaten diese Politik. Dieser Umschwung erfolgte, weil umliegende Territorien Sperren errichtet hatten und weil professionelle landfremde Getreidehändler sich anschickten, die Getreidevorräte Badens aufzukaufen. Eine Koalition aus niedrigen Beamten und Bürgern in der Stadt Durlach weigerte sich, die Ausfuhr des aufgekauften Getreides zuzulassen. Der Kurfürst beugte sich dem Wunsch seiner Untertanen und betrieb in der Folge Krisenmanagement mit den altbekannten merkantilistischen Instrumenten.140 Auch andere Territorien, die sich einer liberalen Wirtschaftspolitik – auch in der Krise – verschrieben hatten, wurden aufgrund außen- und innenpolitischer Widerstände gezwungen, zu einer traditionellen Krisenpolitik zurückzukehren. Dazu gehörte auch Basel141 und der gesamte französische Staat, der vom 1762/63 eingeführten freien Kornhandel im Spätherbst 1770 wieder abrückte.142 Das Branntweinbrennen wurde in Bonn am 2. November 1770 wieder gestattet – nach dem Vorbild des benachbarten Herzogtum Jülich-Berg.143 Auch andere Staaten erlaubten ihren Untertanen im November/Dezember 1770 wieder das Branntweinbrennen, „damit das Geld nicht außer Landes getragen werde“144. Der Interessenkonflikt zwischen der hungernden Bevölkerung und den wirtschaftlichen Interessen des Landesherrn wurde also vorerst zugunsten der Wirtschaft entschieden. Ähnlich wie in diesen Staaten unterlag diese Erlaubnis in Bonn jedoch strengen Restriktionen. Es durfte nur „auf sichere Maaß“ gebrannt werden und der Branntwein durfte nicht für den Export bestimmt sein – mit Ausnahme des Herzogtums Jülich-Berg.145 Allerdings wurde die Erlaubnis in den nachfolgenden Wochen so häufig missbraucht, dass mehrere Verordnungen ergingen, die weitere Restriktionen für das Branntweinbrennen verfügten. Danach durften in der Residenzstadt Bonn insgesamt nur zwei Kessel mit einer städtischen Ausnahmegenehmigung betrieben werden.146 Aufgrund andauernder 139 140 141 142 143 144 145 146
In Deutschland z: B. Justus Möser und Johann August Schlettwein, die auch 1771/72 den freien Handel in Publikationen verteidigten. SCHMIDT, Die frühneuzeitlichen Hungerrevolten, S. 277. ZIMMERMANN, „Noth“ und „Theuerung“, S. 108-112. MATTMÜLLER, Die Hungersnot der Jahre 1770/71, S. 288. SCHMIDT, Die frühneuzeitlichen Hungerrevolten, S. 268. StAB, Ku 5/1, Edikt vom 2. November 1770. FREITAG, Krisen vom Typ „Ancien Regime“, S. 125. StAB, Ku 5/1, Edikt vom 2. November 1770. StAB, Ku 5/1, Edikt vom 28. November 1770. Eine städtische Verordnung präzisierte das kurfürstliche Edikt, wonach die Betreiber der Kessel verpflichtet wurden, immer dienstags dem
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Missbräuche und der Verschärfung des Getreidemangels wurde am 27. Dezember 1770 wieder ein allgemeines Branntweinbrennverbot verhangen.147 Gleichzeitig begannen bereits im Herbst 1770 Anstrengungen, einen städtischen Getreidevorrat anzulegen. Am 30. Oktober 1770 stellte Minister von Belderbusch Gelder für den Ankauf von Getreide für die Stadt Bonn zur Verfügung.148 Auf dem Höhepunkt der Teuerung des Getreides, im Januar 1771, erklärte sich das Domkapitel bereit, dem Stadtrat das erforderliche Geld zum Kauf von 100 Malter Roggen „für acht monat ohn eigene interesse und obligation“149 zur Verfügung zu stellen, wenn der Landesherr sich dafür verbürge. Allerdings entsprach diese Menge nur etwa 42.000 Kalorien und dürfte daher kaum zur Linderung des Getreidemangels beigetragen haben. Außerdem wurde in dieser Ratssitzung auf die bisherigen Verdienste des Herrn Ministers für die Stadt in der gegenwärtigen Teuerungskrise erinnert.150 Im April 1771 begann der Stadtrat in einer außerordentlichen Ratssitzung, die vom Hofrat befohlene Erfassung sämtlicher Getreidevorräte in der Stadt umzusetzen.151 Das Ergebnis dieser landesweiten Erfassung fiel im Juni 1771 ernüchternd aus: „Ein gänzlicher Abgang der Früchte“ wurde festgestellt. Um einer Verschärfung der Krise nach der bevorstehenden Getreideernte zu verhindern, ordnete der Kurfürst an, einen „zur Nothdurft unserer lieben Unterthanen erforderliche Vorrath“ anzulegen und nicht alles direkt zu verbrauchen oder zu verkaufen.152 Die Errichtung von mehreren Getreidemagazinen im Land – eines davon wurde auch in Bonn errichtet – erfolgte ebenfalls im Sommer 1771 und nicht erst im Januar 1772, wie die Stadtgeschichtsforschung bisher annahm.153 Es wurde berichtet, dass während des Jahres 1771 fortwährend Karren auf dem Markt eintrafen und das im Ausland angekaufte Getreide zu den Speichern im Rathaus brachten. Die Vorräte waren so groß, dass niemand in der Residenzstadt und in den umliegenden Dörfern Hunger leiden musste. Zum Dank für diese Maßnahmen stifteten die Bürger Bonns dem Kurfürsten eine Medaille.154 Nach der erneuten Missernte im Herbst 1771 befahl der Kurfürst im Januar 1772 erneut, sämtliche Getreidevorräte im Land zu erfassen und die über den Eigenbedarf hinausgehenden Vorräte an Getreide zu einem festgesetzten Preis einzuziehen, um sie den Not leidenden Menschen zu einem verbilligten Preis zur Verfügung stellen zu können.155 Diese eingezogenen Getreidevorräte wurden in den im Vorjahr errichteten Getreidemagazinen gelagert, weil auf Grund der Erfahrungen des Vorjahres damit
147 148 149 150 151 152 153 154 155
Stadtrat ihre Produktion zu melden. Bei Zuwiderhandlung drohten empfindliche Geldstrafen. StAB, Ku 55/3, Ratsprotokoll vom 12. Dezember 1770, S. 211 f. StAB, Ku 5/1, Edikt vom 27. Dezember 1770. StAB, Fi 206, Lamberz’sche Chronik, Bd. 2, Auszug aus dem Ratsprotokoll vom 30. Oktober 1770, S. 40. StAB, Ku 55/3, Ratsprotokoll vom 2. Januar 1771, S. 223. StAB, Ku 55/3, Ratsprotokoll vom 2. Januar 1771, S. 223 f. StAB, Ku 55/3, Ratsprotokoll vom 24. April 1771, S. 293. StAB, Ku 5/1, Edikt vom 17. Juni 1771. ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 238. StAB, I e 92, Beschreibung der kurkölnischen Theuerungsmedaille. StAB, Ku 5/1, Edikt vom 10. Januar 1772.
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gerechnet wurde, dass sich die Not in den Monaten vor der nächsten Ernte verschärfe, wenn nämlich das alte Getreide aufgebraucht worden sei. Das Anlegen von Getreidevorräten und die Ausgabe von verbilligtem Getreide an die Bevölkerung war keine herausragende Leistung der kurkölnischen Regierung, wie die Lobhuldigungen vermuten lassen würden, die sich in der „Theuerungsmedaille“ und in der Inschrift der noch heute auf dem Markt in Bonn stehenden Fontaine niederschlugen.156 Diese Auszeichnung der staatlichen Krisenpolitik wurde sicherlich von Minister von Belderbusch gesteuert und initiiert. Auch in anderen Staaten bemühten sich die Landesherren um das Anlegen von Getreidevorräten und die Sicherstellung von Saatgetreide für das nachfolgende Jahr. Jedoch gab es auch Territorien, in denen das Anlegen von Vorräten scheiterte, wie etwa in vielen württembergischen Amtsstädten.157 Die Subvention des Brotes durch den Staat bildete ebenfalls in vielen Territorien ein übliches Instrument zur Bekämpfung von Teuerungskrisen. Brot für die Ärmsten konnte jedoch in vielen Territorien nicht verteilt werden – anders als während vorheriger Krisen.158 Auch wenn die klassische merkantilistische Krisenpolitik mit Ausfuhrsperren und Branntweinbrennverboten in Bonn ähnlich konzeptlos erfolgte wie während vorheriger Teuerungen, wurde daneben eine weitsichtige Politik betrieben, die sich darin äußerte, dass große Vorräte an Getreide angelegt wurden. Es konnte gezeigt werden, dass die Landesregierung unter der Federführung von Belderbuschs nicht erst im Januar 1772 und damit „reichlich spät“159 intervenierte, sondern zu Beginn der Krise im Herbst 1770 die üblichen merkantilistischen Instrumente einsetzte und sich dabei stark am Vorbild des benachbarten Herzogtums Jülich-Berg orientierte. Außerdem wurde Getreide angekauft, im Land eingezogen und verbilligt an die Not leidenden Bevölkerungsgruppen ausgegeben. Der Vergleich mit der Krise 1740 hat gezeigt, dass die staatliche bzw. städtische Krisenpolitik sich nicht grundsätzlich unterschied und dem jeweiligen Vorbild benachbarter Territorien folgte. Da die Krise 1770-1772 insgesamt länger dauerte und zudem mit zwei Sterblichkeitsgipfeln einherging, hatte die Regierung mehr Zeit zu reagieren. Allein dieser Tatsache ist es wohl geschuldet, dass die staatliche Vorratshaltung ab 1771 umfassender und geplanter erfolgte als während der Krise 1740. Der Magistrat griff zunächst noch selbst zu Maßnahmen, wurde aber zunehmend durch das strenge Regiment des Ministers von Belderbusch verdrängt.
156 157 158 159
HANSMANN, Die Bau- und Kunstgeschichte, S. 427 f. ZIMMERMANN, Obrigkeitliche Krisenregulierung, S. 109 f. SCHNEIDER, Wo der getreidt-Mangel, S. 284; EBELING, Bürgertum und Pöbel, S. 151. ENNEN, Die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt, S. 238.
8. Zusammenfassung
„Die Stadt blieb von Seuchen und Kriegen verschont und die Zahl der Bewohner stieg von 4000 zu Beginn des 17. Jahrhunderts auf mehr als das Doppelte bis zum Jahr 1790.“1
Diese allgemeine Aussage der Stadtgeschichtsforschung über die Bevölkerungsentwicklung Bonns im 18. Jahrhundert konnte mit der vorliegenden Arbeit widerlegt werden: Bonn blieb im 18. Jahrhundert nicht von Seuchen und den Auswirkungen von Kriegen verschont. Vor allem aber nahm die Bevölkerung bei weitem nicht derart stetig zu wie bisher angenommen. Anliegen dieser Studie ist es, die Ursachen dieser diskontinuierlichen Bevölkerungsentwicklung in der generativen Struktur, aber auch in den sozioökonomischen, politischen und kulturellen Bedingungen aufzudecken und zusammenhängend zu erläutern. Wie zu Beginn der Untersuchung angenommen, entwickelte sich die Bevölkerungsgröße nahezu synchron zur Größe, Zusammensetzung und Bedeutung des kurfürstlichen Hofes. Die Ursachen erwiesen sich jedoch als wesentlich komplexer als diese Korrelation zunächst vermuten lässt: Die Abnahme der Bevölkerungsgröße Bonns nach 1761 kann nämlich nicht ausschließlich auf Abwanderung von Hofbediensteten zurückgeführt werden, sondern die generative Struktur sowie teilweise auch die sozioökonomische Lage der gesamten bürgerlichen Stadtbevölkerung unterlagen einem Wandel. Im Gegensatz dazu blieb die Mentalität der Bürger den katholisch geprägten Traditionen verhaftet und wurde kaum durch die Bemühungen der an Hof und Universität stark vertretenen Aufklärer verändert. Daher blieb auch das generative Verhalten in den Mustern der konfessionell geprägten und sozioökonomisch begrenzten Bahnen bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit bestehen. Die komplexen Zusammenhänge werden nachfolgend zusammenfassend dargestellt. Dabei steht der Vergleich mit den anderen geistlichen Residenzstädten im Vordergrund, damit der Typus der geistlichen Residenzstadt charakterisiert werden kann. Nach der fast vollständigen Zerstörung Bonns im Jahre 1689 konnte sich die Stadt wirtschaftlich und damit auch hinsichtlich ihrer Bevölkerungsgröße nur langsam erholen. Die erneute Belagerung und Besetzung Bonns im Jahre 1703 führte zu einer Stagnation bis zur Rückkehr Joseph Clemens’ aus dem französischen Exil im Jahre 1715. Zwischen 1715 und 1750 nahm die Bevölkerung rasant zu, nach der Hochrechnung der Taufen lebten in den 1750er Jahren mehr als 13.500 Menschen in Bonn! Nach dem Tod Clemens Augusts ging die Einwohnerzahl sukzessive zurück. Erst in den letzten Jahren unter Max Franz nahmen die Geburten wieder leicht zu, dennoch lebten 1790 nach der ersten Volkszählung nur noch etwa 10.500 Menschen in Bonn – je nach Größe der Garnison noch bis zu 500 mehr. 1794 schien mit dem Einrücken der Franzosen „der Glücksstern Bonns für immer erloschen zu sein“2. Der Wegzug 1 2
SCHLOßMACHER, Bonner Geschichte in Bildern, S. 62. STRAMBERG, Denkwürdiger und nützlicher Rheinischer Antiquarius, Bd. 14, S. 445.
272
Zusammenfassung
des Hofes hatte katastrophale wirtschaftliche Folgen für die Stadt, denn es wanderten zahlreiche Einwohner aus – vor allem in Diensten des Kurfürsten stehende, aber ebenso wohlhabende Bürger. Daher ging die Einwohnerzahl zeitweise auf etwa 8.000 zurück und erreichte auch bis zum Ende der französischen Herrschaft im Jahr 1815 nicht mehr den Stand von 1790. Die Siedlungsentwicklung Bonns spiegelt diese diskontinuierliche Bevölkerungsentwicklung gut wider. Deshalb wurde sie ebenfalls von der Stadtgeschichtsforschung bisher fehlinterpretiert. Zwischen 1715 und 1754 wurden zahlreiche neue Straßen innerhalb Bonns angelegt und mehrere Projekte für neue Vororte geplant, die allerdings nicht verwirklicht wurden. Außerdem entwickelte sich das benachbarte Dorf Poppelsdorf, wo die Wittelsbacher mit Clemensruhe ein weiteres Schloss errichtet hatten, funktional zu einem Vorort Bonns, in dem Hofbedienstete wohnten und Manufakturen angesiedelt wurden, die zum Umfeld der Residenz gehörten. Die neu erbauten Häuser innerhalb Bonns, vorwiegend an repräsentativen Orten wie etwa am Rhein oder in der zum Hof hinführenden Fürstenstraße, mussten strengen kurfürstlichen Bauvorschriften genügen, die darauf abzielten, die Residenzstadt nach barocken Vorstellungen zu verschönern. In diesen Häusern wohnten daher auch vornehmlich hohe Adelige oder Beamte bzw. Bedienstete des Hofes. In den ebenfalls zunehmenden städtischen Behausungen in den Stadtmauern, den so genannten Bogenhäusern, siedelten sich dagegen viele ärmere Stadtbewohner an, ebenso in den mehrstöckigen Häusern im Norden der Stadt. Die Zahl der Häuser nahm bis ca. 1760 auf ungefähr 1.000 zu und stagnierte bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit auf diesem Niveau. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Zahl der Bewohner pro Haus gleichermaßen abnahm, denn die Belegdichte der Häuser lag 1790 auf einem sehr niedrigen Niveau im Vergleich zu anderen Städten. 1795, nach der Besatzung Bonns durch die Franzosen und dem Verlust der Residenzfunktion, standen außerdem mehr als 100 Häuser in der Stadt leer. Im Unterschied zu den meisten anderen Residenzstädten, auch den geistlichen, nahm die Bevölkerungsgröße Bonns nicht kontinuierlich bis zum Ende des Jahrhunderts zu, sondern verringerte sich sogar im letzten Drittel im Vergleich mit der Mitte des Jahrhunderts um fast ein Drittel, obwohl keine Residenzverlegung wie in anderen Territorien erfolgte.3 Wieso wich Bonns Bevölkerungsentwicklung so stark sowohl von anderen geistlichen als auch weltlichen Residenzstädten ab, obwohl es in vielen dieser Städte eine ähnliche durch die Aufklärung beeinflusste Entwicklung an den Höfen gab?4 Es wurde versucht, diese Frage durch viele und differenzierte Vergleiche einzelner bedeutender Faktoren zu beantworten.
3
4
Z. B. verlor Düsseldorf, die Residenz von Pfalz-Neuburg, 1716 seine Funktion als Residenzstadt und erlebte in der Folge einen massiven Bevölkerungs- und Wirtschaftsrückgang. MÜLLER, Düsseldorf im 18. Jahrhundert, S. 86. Beispielsweise führte die sparsamere Hofhaltung und starke Verkleinerung des Hofstaates in Kassel unter dem Landgraf Wilhelm IX. (Regierungszeit: 1785-1803) im Vergleich zu seinem Vorgänger Friedrich II. (Regierungszeit: 1760-1785) nicht zu einer Bevölkerungsabnahme der Stadt. WOLFF, Der Sparsame und der Verschwender?, S. 417-419.
Zusammenfassung
273
Verglichen mit den anderen geistlichen Residenzstädten war der Bonner Hof der mit Abstand größte und prächtigste, sodass die kulturelle und vor allem die wirtschaftliche Bedeutung des Hofes für die Stadt noch wesentlich höher einzuschätzen ist als in Mainz, Trier oder Koblenz. Im Vergleich zu den weltlichen waren die geistlichen Höfe jedoch deutlich kleiner. Eine Ausnahme bildete der Wittelsbacher Hof in Bonn, vor allem unter Clemens August. Der Hofstaat dieses Kurfürsten, dessen prachtvolle Hofhaltung zahlreiches Personal benötigte, erreichte seine größten Ausmaße in seinen letzten Regierungsjahren. Außerdem waren in den 1740er und 1750er Jahren bis zu 1.500 Handwerker, Künstler und Arbeiter in den Schlössern zu Bonn, Poppelsdorf und dem ebenfalls benachbarten Röttgen beschäftigt. Nach dem Tod Clemens Augusts wurden der Hofstaat deutlich verkleinert und die Kosten für die Hofhaltung, aber auch für Bauvorhaben, stark gesenkt. Der in den Hofkalendern aufgeführte Hofstaat umfasste 1759 mehr als 1.200 Personen, 1762 nur noch etwas mehr als 600. Eine Analyse dieser Hofkalender zeigte, dass die Verringerung des Hofstaates zu großen Teilen auf adelige Kämmerer zurückgeführt werden kann, die lediglich ein vom Kurfürsten verliehenes Titularamt bekleideten und nach einem Regierungswechsel nicht mehr als zum Hofstaat zugehörig aufgeführt wurden. Dennoch wurden zahlreiche Ämter stark verkleinert, darunter die Jagdämter, die größtenteils sogar aufgelöst wurden, die Leibgarde und die Reitschule. Außerdem verringerte sich die Zahl der adeligen Räte in den Landesbehörden, also im Hofrat, der Hofkammer und der Kanzlei, unter Max Friedrich und Max Franz, während die Zahl der juristisch ausgebildeten bürgerlichen Räte zunahm – ein Indiz für die zunehmende Professionalisierung der kurkölnischen Verwaltung im letzten Drittel des Jahrhunderts. Diese hat ihren Niederschlag in den zahlreichen Reformen in Kurköln gefunden, angefangen von der Verbesserung der Bildung durch den Schulzwang bis hin zu einer Professionalisierung des Justizwesens.5 Zwar lebten bei weitem nicht alle der in den Hofkalendern als zum Hofstaat zugehörig verzeichneten Personen innerhalb Bonns, aber gerade die in der Leibgarde, in den Jagdämtern oder in der Reitschule beschäftigten Bediensteten, deren Anzahl nach dem Tod Clemens Augusts deutlich verringert wurde, gehörten aufgrund ihrer Tätigkeit vor Ort sicherlich zur Einwohnerschaft Bonns. Die Mehrzahl der in den Hofkalendern verzeichneten Adeligen hatten jedoch lediglich Titel am Hof inne, die nicht mit Pflichten vor Ort verbunden waren. Selbst zu den regelmäßigen Hoffesten erschien nur ein Bruchteil der in den Hofkalendern aufgeführten Adeligen. Auch die Verwurzelung der Regierungs- oder hohe Hofämter innehabenden Adeligen in der Stadt war nicht sehr tief: Den Adeligen gehörte in Bonn in der Regel – bis auf wenige größere Adelspalais, die jedoch das Interesse der Forschung besonders anziehen – kein Grundbesitz. Stattdessen wohnten sie in bürgerlichen Häusern zur Miete und hatten ihren Lebensmittelpunkt auf Landsitzen außerhalb Bonns – dies erklärt auch den hohen Anteil an adeligen Haushalten ohne Kinder in Bonn. 1790 waren nur etwa 300 der im Hofkalender verzeichneten Personen in Bonn selbst wohnhaft – etwa genauso viele waren es 1732. Auch wenn es in den 1740er und 1750er Jahren sicherlich 5
Die Reformen Max Franz’ wurden umfassend von Braubach untersucht. BRAUBACH, Maria Theresias jüngster Sohn.
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Zusammenfassung
mehr und in den 1760er Jahren weniger waren, kann der Aderlass an in kurfürstlichen Diensten stehenden Personen nach dem Tod Clemens Augusts nicht so groß gewesen sein wie angenommen. Zwar wurde die starke Bevölkerungsabnahme zwischen 1761 und 1776, als innerhalb von 15 Jahren die Geburten um ca. 30 %, die Heiraten und Sterbefälle um jeweils ca. 25 % zurückgingen, durch eine Auswanderungswelle verursacht. Es wanderten aber nicht nur Hofangehörige aus, sondern vor allem auch Bürger. Der Rückgang der Einwohnerzahl kann nämlich auf einen starken Rückgang der Bürgerschaft Bonns zurückgeführt werden, die in fast gleichem Umfang wie die Taufen zwischen 1763 und 1777 abnahm. Die hohe Abwanderung von Einwohnern, die das Bürgerrecht genossen, steht in engem Zusammenhang mit der verschlechterten wirtschaftlichen Lage. Offensichtlich waren zahlreiche Einwohner von den nur wenigen in Bonn ansässigen zahlungskräftigen Hofadeligen, die nach 1761 Bonn verlassen hatten, wirtschaftlich abhängig, sodass sie ebenfalls Bonn verließen. Die Bonner Handwerker litten keineswegs an der Konkurrenz der eximierten Hofhandwerker, wie in der Literatur häufig hervorgehoben wird. Im Gegenteil, zahlreiche Bonner Handwerksmeister waren sogar direkt an den kurfürstlichen Schlossbauten beteiligt, wie aus den Hofbaurechnungen hervorgeht. Außerdem profitierten sie genauso wie die Kaufleute von der Anwesenheit finanzstarker Adeliger. Doch selbst die in Bonn verbliebenen Bürger hatten sich 1777 im Vergleich zu 1763 in der Mehrzahl beruflich verschlechtert – trotz gewonnener Berufserfahrung. Die Kaufleute, die 1758 noch einen Großteil der Oberschicht stellten, waren 1763 kaum noch unter den finanzstärksten Steuerzahlern in Bonn vertreten. Die Sozialstruktur Bonns war jedoch im Verlauf des Jahrhunderts insgesamt nur wenigen Veränderungen unterworfen – trotz dieser durch die Entwicklungen am Hof verursachten wirtschaftlichen Verschlechterung. Kontinuität zeichnete die durch das mittelalterliche Zunftwesen bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit geprägte Stadt aus, in der die Zunftmitglieder die mit Abstand größte bürgerliche Bevölkerungsgruppe stellten. Die Größe und Zusammensetzung der Zünfte, selbst die Vermögensunterschiede zwischen den einzelnen Zünften, blieben bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit ebenso bestehen wie die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit der Manufakturen und der große kirchliche Grundbesitz. Doch dies kennzeichnete nicht nur die anderen geistlichen Residenzstädte, sondern nahezu jede Stadt in einem geistlichen Territorium. Die Sozialtopographie Bonns veränderte sich zwischen 1758 und 1795 ebenfalls nicht: Hof, Markt sowie der Vierecksplatz bildeten die Fixpunkte für die angesehenen und wohlhabenden Einwohner Bonns, während ärmere Einwohner in Randlage und die Mittellosen in Behausungen in den Stadtmauern oder in von Hochwasser gefährdeten Häusern am Rhein wohnten. Lediglich die Zahl der Bedürftigen nahm kontinuierlich im Verlauf des Jahrhunderts zu – was auf nahezu alle Städte und Territorien im Reich zutraf. Die landesherrlichen Reglementierungsmaßnahmen, die nicht nur in den geistlichen Residenzstädten viele Gemeinsamkeiten aufwiesen, konnten die Zunahme der Armut auch in Bonn nicht verhindern.
Zusammenfassung
275
Das Verhältnis zwischen der Stadt und der Landesherrschaft wies ähnliche Konfliktfelder auf wie in anderen geistlichen Residenzstädten. Vor allem die eximierte Stellung der Soldaten und Hofbediensteten, die bürgerlichen Gewerben nachgingen, ohne sich gleichermaßen an den bürgerlichen Lasten zu beteiligen, führte zu zahlreichen in den Ratsprotokollen ständig wiederkehrenden Beschwerden, vor allem der Zünfte. Insgesamt dürfen diese Konflikte aber nicht überbewertet werden, denn die Bürgerschaft profitierte wesentlich stärker von der Anwesenheit des Hofes als sie unter der Bevorzugung der Hofbediensteten litt, wie die Analyse der sozioökonomischen Entwicklung der Bürgerschaft gezeigt hat. Außerdem müssen die unteren Hofbediensteten und die einfachen Soldaten hinsichtlich ihrer finanziellen Möglichkeiten den städtischen Unterschichten gleichgestellt werden, da ihre Wohnsituation in notdürftigen Behausungen am Stadtrand und ihr Salär eher den Wohn- und Einkommensverhältnissen eines Tagelöhners glichen. Insofern war es nur allzu verständlich, dass sie sich bemühten, ihr karges Einkommen auch gegen den Widerstand der Bürgerschaft aufzubessern. Der Magistrat wurde jedoch in seinen Rechten durch die in Bonn ansässige Regierung stark beschnitten. Zwar blieb die Akzise, eine Umsatzsteuer, die unter Clemens August kurzzeitig von der Hofkammer eingezogen worden war, dem Magistrat als wichtigste städtische Einnahmequelle erhalten. Aber unter dem Polizeidirektor und ersten Minister von Belderbusch und während der Regierung von Max Franz verlor der Rat zusehends an Einfluss. Die Verwendung der Gelder wurde vom Hofrat bestimmt, außerdem griffen immer mehr Verordnungen des Hofrates direkt in die städtische Selbstverwaltung ein. Diese territorialstaatliche Vereinnahmung der Residenzstädte verlief in vielen Territorien ähnlich, und zwar kontinuierlich über einen teilweise mehrere Jahrhunderte umfassenden Zeitraum.6 Die generative Struktur der Stadt unterschied sich kaum von der der anderen geistlichen Residenzstädte. Die saisonale Verteilung der Vitalereignisse, die Illegitimitätsquote, die altersspezifische Sterblichkeit, vor allem die Höhe der Kinder- und Säuglingssterblichkeit wiesen starke Gemeinsamkeiten auf und unterlagen denselben Mustern. Es handelt sich jedoch nicht um ein System, das geistliche Residenzen allgemein kennzeichnet, sondern vielmehr typisch für katholisch geprägte Städte im Ancien Régime war. Dies haben die Vergleiche mit historisch-demographischen Untersuchungen frühneuzeitlicher Städte gezeigt.7 Nachfolgend werden nur die demographischen Parameter aufgeführt und erläutert, die Bonn von den anderen geistlichen Residenzstädten unterschieden. Die Fertilität zeichnete sich in katholischen Populationen im Ancien Régime dadurch aus, dass in Ehen so viele Kinder wie möglich geboren wurden und keine Geburtenbeschränkung praktiziert wurde. Als entscheidender Parameter für die Höhe der Fertilität kann neben dem Ledigenanteil, der in Bonn 1790 etwa genauso hoch lag wie 1720, in erster Linie das Heiratsalter dienen. Insofern fungierte in katholischen 6
7
Götz spricht hier von einer „territorialstaatlichen Einbindung“; „Vereinnahmung“ scheint jedoch der treffendere Begriff zu sein, weil eine „Einbindung“ eine Zustimmung der Stadträte impliziert. GÖTZ, Provinzialisierung als Verbürgerlichung?, S. 336 f. Rommel kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. ROMMEL, Die Wormser und ihre Stadt, S. 457.
276
Zusammenfassung
Städten wie Bonn das Heiratsalter als „Stellschraube“ der Fertilität, mithin der gesamten generativen Struktur.8 Daher bedeutete ein um zwei Jahre höheres Heiratsalter – in Mainz wie in Bonn –, dass ein Kind weniger geboren wurde. Der Median des Heiratsalters der Frau nahm in Bonn von ca. 22 Jahren in den 1730er Jahren auf 27 Jahre in den 1780er Jahren zu. In keiner anderen Untersuchung zum Heiratsalter in einer frühneuzeitlichen deutschsprachigen Stadt – es sind allerdings nur wenige daraufhin untersucht worden – wurde eine ähnliche Entwicklung festgestellt. In Mainz bewegte sich das Heiratsalter dagegen im gesamten Jahrhundert auf demselben Niveau. Auch wenn aufgrund der Quellenlage keine Nettoreproduktionsrate für Bonn berechnet werden kann, bedeutet diese Entwicklung, dass die Fertilität im Verlauf des 18. Jahrhunderts in Bonn stark abnahm. Dieser Befund ergibt sich aus dem Vergleich mit der Entwicklung in Mainz, die umfassend dokumentiert ist. Es ist anzunehmen, dass sich die städtische Bevölkerung in den 1780er Jahren im Gegensatz zu den 1730er Jahren nicht selbst reproduzieren konnte. Hierfür spricht auch die Bilanz der Bevölkerungsbewegung, denn der Geburtenüberschuss lag bis einschließlich der 1760er Jahre bei etwa 60-100 pro Jahr, wohingegen er zwischen 1770 und 1790 zwischen etwa zehn und 20 Geburten pro Jahr oszillierte; in den 1790er Jahren wurde sogar in mehreren Jahren nacheinander ein Geburtendefizit verzeichnet. In dieses Bild fügt sich auch die Tatsache ein, dass sich die Zahl der Witwen in Bonn zwischen 1720 und 1790 verdoppelte und sich deren Chancen auf Wiederheirat gleichzeitig verschlechterten: Es war für auswärtige Junggesellen wohl wirtschaftlich weniger attraktiv geworden, eine Bonner Witwe zu heiraten. Außerdem scheint die Bevölkerung 1790 insgesamt älter gewesen zu sein. Dies kann mangels Altersangaben in den Volkszählungen nicht verifiziert werden. Es steht jedoch zu vermuten, dass unter Clemens August vor allem junge Menschen nach Bonn zogen, die besonders viele Kinder gebaren. Zudem waren in den 1760er und 1770er Jahren jüngere Menschen überproportional unter den Auswanderern vertreten. Die in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse über die Zuwanderung nach Bonn bestätigen dieses Bild der generativen Struktur in Bonn. Die in den Ratsprotokollen und Stadtrechnungen verzeichneten Neubürgeraufnahmen erlauben es, die Zuwanderung im Zeitverlauf zu analysieren. Zwar lag die Zuwanderung von auswärtigen Neubürgern in den Jahren unter Clemens August hoch – wie in Berlin und Karlsruhe und höher als in den anderen geistlichen Residenzstädten –, aber sie nahm unter Max Friedrich und Max Franz nur um etwa ein Viertel ab! Selbst die Fernwanderung blieb auf einem hohen Niveau, wenngleich die Zuwanderung aus Bayern aufgrund der nunmehr fehlenden dynastischen Verbindungen fast vollständig einbrach. Dass die Bevölkerung zwischen den 1770er und 1780er Jahren nicht stärker zunahm, lag deshalb nicht an einer negativen Migrationsbilanz, sondern in erster Linie an der stark verringerten Fertilität aufgrund des gestiegenen Heiratsalters; der Anstieg des Heiratsalters wiederum spiegelt die schlechtere wirtschaftliche Lage der Einwohner wider. Die Zuwanderung trug vielmehr entscheidend dazu bei, dass die Bevölkerung
8
WRIGLEY/SCHOEFIELD, The Population History of England, S. 266.
Zusammenfassung
277
trotz der Auswanderungswelle der 1760er Jahre und der abnehmenden Fertilität nicht noch weiter abnahm. Eine weitere Fragestellung der Arbeit zielt darauf ab, ob sich die Reformen und Verhaltensanweisungen der am Hof und an der Universität stark vertretenen Aufklärer im generativen Verhalten der Bevölkerung niederschlugen oder ob die Bevölkerung den traditionellen, durch den Katholizismus geprägten Verhaltensweisen verhaftet blieb. In dem Kapitel über die Aufklärung wurden die Vertreter der Aufklärung in Bonn, die Erscheinungsformen, die Verbreitung von aufgeklärtem Gedankengut und die Rezeption unter der städtischen Bevölkerung untersucht. Danach blieb die Aufklärung auf die an Universität und Hof vertretenen Oberschichten beschränkt und wurde von weiten Teilen der Bürgerschaft, insbesondere von den Zünften, abgelehnt. Die Zunftmitglieder blieben den aufgeklärten Sozietäten freiwillig fern und den althergebrachten kirchlich geprägten Traditionen verhaftet. Die Aufklärung trug entscheidend dazu bei, dass die Distanz des traditionellen Bürgertums zu den Hofangehörigen wuchs. Die Vorschläge zur Verbesserung des Volkswohls und der Glückseligkeit unter den Menschen, die direkt Gesundheit, Erziehung und Pflege von Kindern betrafen, wurden von der städtischen Bevölkerung möglicherweise nicht einmal rezipiert, sicherlich aber von der großen Mehrheit nicht befolgt, wie gerade die Klagen der Obrigkeit, aber auch der aufgeklärten Bonner Publizisten offenbaren. Insbesondere die hohe Kinder-, vor allem die Säuglingssterblichkeit, wurde durch den jeweiligen Landesherrn mit zahlreichen Maßnahmen bekämpft, u. a. mit der Einrichtung von Hebammenschulen und der rechtlichen Besserstellung von ledigen Müttern. Ebenso zielten viele der in Bonn publizierten Artikel von Vertretern der Aufklärung auf die Verbesserung der Ernährung und Pflege von Säuglingen und Kleinkindern ab. Daher wurde die Säuglingssterblichkeit besonders umfassend empirisch untersucht, damit festgestellt werden konnte, ob diese Maßnahmen griffen. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Säuglingssterblichkeit nahm im Verlauf des Jahrhunderts nicht ab und lag in den 1780er Jahren in etwa auf dem Niveau der 1730er Jahre. Die biometrische Analyse der Säuglingssterblichkeit hat gezeigt, dass die Sterblichkeit in den 1780er Jahren ab dem zehnten Lebensmonat sogar stärker zunahm als in den vorangegangenen Dekaden – ein deutliches Indiz für weit verbreitetes Abstillen, obwohl die Ärzte vehement dafür eintraten, sogar über das erste Lebensjahr hinaus zu stillen. Entgegen dem Bild, das die bisherige Stadtgeschichtsforschung bietet, wurde Bonn – wie jede mitteleuropäische Stadt im Ancien Régime – regelmäßig von verheerenden Epidemien heimgesucht, die besonders dann letal verliefen, wenn auswärtige Truppen in der Stadt stationiert waren. Ähnlich wie in anderen Regionen und Städten im 18. Jahrhundert traten dabei hauptsächlich drei Infektionskrankheiten als Verursacher von demographischen Krisen in Erscheinung: die Pocken, die Ruhr und das Fleckfieber. Von den 14 identifizierten demographischen Krisenjahren, in denen die Sterblichkeit stark erhöht war, wurden zehn von einer oder mehreren der drei genannten Infektionskrankheiten begleitet bzw. verursacht. Die im letzten Drittel des Jahrhunderts verstärkten Bemühungen, dieser Krankheiten Herr zu werden, blieben ohne größere Erfolge. Die Inokulation, d. h. die Pocken-
278
Zusammenfassung
impfung mittels kleiner Mengen des Erregers, wurde nicht praktiziert, obwohl sich viele Aufklärer auch in Bonn in den 1780er Jahren deutlich dafür aussprachen. Die Ruhr und das Fleckfieber waren beliebte Untersuchungsgegenstände der an der Bonner Universität lehrenden Mediziner, ohne dass ihre Forschungen von Erfolgen gekrönt worden wären. Ungeklärt bleibt, warum die Pocken offensichtlich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu weniger Sterbefällen führten als in der ersten Hälfte. Die Pocken blieben dennoch als regelmäßig wiederkehrende Epidemie, die vor allem die nicht immunen Kinder traf, im Alltag der Bonner präsent. Des Weiteren wurde der Einfluss von Versorgungskrisen auf das generative System untersucht. Der Roggenpreis, der beste Indikator für die Kaufkraft der Bevölkerung, beeinflusste die Mortalität, Nuptialität und Natalität im Allgemeinen kaum noch – ähnlich wie in anderen Städten im 18. Jahrhundert. Dennoch fielen demographische Krisen und hohe Roggenpreise in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts häufig zeitgleich zusammen – ein Phänomen, das jedoch mit den in ganz Europa abnehmenden Reallöhnen zusammenhing und in der Krise der 1790er Jahre kumulierte. Im Rheinland brachen während der Revolutionskriege die Getreidemärkte vollständig zusammen. Daraus resultierte eine explosionsartige Zunahme des Roggenpreises, die sämtliche Versorgungskrisen in den 100 Jahren zuvor in den Schatten stellte. Vor den Wirren der Revolutionskriege gab es im 18. Jahrhundert nur drei größere Teuerungskrisen in Bonn: 1739/40, 1762 und 1770-1772. Lediglich die Krise 17701772 ging jedoch mit einer deutlichen Übersterblichkeit einher, die ein demographisches Krisenjahr kennzeichnet. Dies zeigt die im Vergleich zum 17. Jahrhundert auch in Bonn verringerte Anfälligkeit der Bevölkerung gegenüber Versorgungsengpässen. Zur Untersuchung der Frage, inwiefern die in Bonn anwesende Landesherrschaft zu dieser günstigen Entwicklung mit ihrer Politik beigetragen hat und ob sich das Krisenmanagement unter Max Friedrich von dem unter Clemens August unterschied, wurden die beiden Krisen europäischen Ausmaßes, nämlich 1739/40 und 1770-1772, näher untersucht. Die Maßnahmen der Landesregierung, die das Krisenmanagement im Wesentlichen von Stadt und Kirche übernahm, unterschieden sich jedoch in diesen beiden Krisen kaum voneinander und sind durch merkantilistisch geprägte protektionistische Interventionen gekennzeichnet. Die Mittel der Wahl waren Verbote der Ausfuhr von Getreide und des Branntweinbrennens. Außerdem wurde das im Land bzw. in der Stadt verfügbare Getreide registriert. Im Gegensatz zur Krise 1739/40 errichtete 1771 die Landesregierung mehrere Getreidespeicher in der Stadt, um die notleidende Bevölkerung mit importiertem Getreide besser zu versorgen und um für das nachfolgende Jahr genügend Saatgut zur Verfügung stellen zu können. Dies war jedoch allein der Tatsache geschuldet, dass die Krise 1770-1772 wesentlich länger währte und schwerwiegender verlief als die der Jahre 1739/40. Insgesamt blieb die Krisenpolitik auch unter Max Friedrich eine klassisch merkantilistische, die meist nur auf die Politik im benachbarten Herzogtum Jülich-Berg reagierte und keine eigenständigen Lösungen entwickelte. Der Beitrag der Landesregierung zur Bewältigung der Krisen war sicherlich deutlich geringer als propagiert wurde, vor allem nach Abklingen der Krise im Jahr 1772.
Zusammenfassung
279
Insgesamt wiesen die Residenzstädte der geistlichen Kurfürstentümer, die in der vorliegenden Studie miteinander verglichen wurden, hinsichtlich der generativen und sozioökonomischen Strukturen sowie der kulturellen Lebensbedingungen der Bevölkerung nur wenige Unterschiede auf. Einzelne Parameter, wie die negative Bevölkerungsbilanz von Mainz im Vergleich zu der in der Regel positiven in den anderen geistlichen Residenzen, können einzig auf die unterschiedliche Größe der Städte zurückgeführt werden. Von daher ähnelten sich Bonn, Koblenz und Trier, die ähnlich groß waren, besonders stark. Die geistlichen Residenzstädte kennzeichnete jedoch keine gemeinsame generative Struktur. Das generative Verhalten wurde im Wesentlichen durch die katholische Konfession geprägt und blieb von Einflüssen der Aufklärung unberührt, während der Hof und die Landesbehörden als Taktgeber für die Bevölkerungsentwicklung fungierten – ähnlich wie in weltlichen Residenzstädten: Der Hof schuf Stellen und zog Zuwanderer in die Stadt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit der geistlichen Residenzstädte vom Hof war jedoch deutlich geringer als in zahlreichen weltlichen Residenzstädten, weil ihre Höfe meist deutlich kleiner waren. Die Singularität Bonns besteht darin, dass der kurfürstliche Hof unter Clemens August hinsichtlich seiner Größe und barocken Pracht vergleichbar großen weltlichen Residenzstädten, wie etwa Kassel, kaum nachstand. Daher führte die Verkleinerung und die auf Effizienz und Sparsamkeit bedachte Umgestaltung des Hofes bereits in den 1760er Jahren zu jenen wirtschaftlichen und demographischen Konsequenzen für die Stadtbevölkerung, die in dieser Studie analysiert wurden.
Anhang
Tabelle A 1: Die Taufen aller Bonner Stadtpfarreien 1686-1798 Jahr Jan
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
1686
16
Feb Mär Apr Mai 31
23
27
12
16
15
22
12
22
29
Dez Insg. 26
251
1687
17
20
20
22
22
16
20
21
18
26
30
14
246
1688
28
23
25
10
18
29
15
8
31
25
33
19
264
1689
21
27
27
28
14
16
12
3
6
3
4
7
168
1690
3
13
13
9
10
3
9
5
11
19
26
17
138
1691
22
19
25
16
16
13
12
14
8
11
11
13
180
1692
15
12
20
8
10
10
5
8
10
13
14
8
133
1693
13
9
10
16
10
7
21
6
16
12
11
11
142
1694
14
8
10
10
6
10
5
13
13
7
11
11
118
1695
17
13
16
8
16
19
16
12
17
13
14
16
177
1696
20
15
27
17
16
17
7
15
22
10
16
17
199
1697
25
20
25
12
15
19
10
20
11
11
17
14
199
1698
14
24
23
19
19
20
18
13
20
21
17
18
226
1699
25
18
20
30
13
23
15
15
17
21
18
12
227
1700
23
15
20
20
25
22
16
27
11
12
19
29
239
1701
30
27
31
19
22
27
11
26
12
29
19
26
279
1702
38
26
30
45
27
20
23
21
23
26
25
28
332
1703
23
22
32
17
12
15
18
15
17
21
13
21
226
1704
16
20
16
25
17
13
11
13
16
15
12
23
197
1705
18
16
17
24
12
11
15
13
16
13
25
19
199
1706
24
26
17
18
10
12
19
17
18
12
22
13
208
1707
28
27
29
27
16
17
9
22
12
16
23
13
239
1708
16
10
30
19
17
15
14
14
20
24
24
19
222
1709
21
32
20
34
9
16
18
16
16
18
21
21
242
1710
10
16
15
22
16
15
15
17
20
12
33
24
215
1711
28
27
21
18
11
12
20
17
16
21
19
19
229
1712
23
28
27
13
21
19
16
21
22
10
22
18
240
1713
26
18
16
26
16
23
19
18
19
28
20
28
257
1714
20
19
30
25
17
18
20
15
21
20
19
23
247
Anhang
281
Jahr Jan
Feb Mär Apr Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez Insg.
1715
19
13
30
22
24
22
23
21
30
28
27
31
290
1716
34
23
53
29
23
20
25
33
31
41
27
30
369
1717
36
26
26
33
24
25
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29
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35
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1718
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16
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20
24
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32
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1719
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48
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27
29
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36
36
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1720
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27
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1722
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27
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1723
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32
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24
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28
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1724
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27
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1725
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26
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1726
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24
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1727
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24
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1728
35
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17
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28
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1729
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26
29
26
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24
18
26
25
27
28
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1730
24
28
36
26
24
23
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27
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39
37
355
1731
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25
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28
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18
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1732
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29
22
15
33
33
33
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1733
38
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22
26
12
32
18
26
34
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1734
50
37
50
20
34
19
28
36
25
41
29
37
406
1735
32
32
37
38
41
21
40
23
24
35
34
27
384
1736
23
44
48
34
34
22
36
41
35
33
38
41
429
1737
32
43
47
44
23
26
21
41
27
29
35
50
418
1738
33
41
50
38
39
24
20
27
44
39
28
30
413
1739
46
41
48
29
32
34
22
28
46
43
27
24
420
1740
44
35
32
25
35
29
26
33
37
27
35
28
386
1741
42
45
46
40
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23
23
37
17
33
46
37
426
1742
37
37
56
34
20
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27
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42
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32
40
420
1743
47
51
48
49
36
20
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35
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28
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446
1744
36
38
51
40
36
31
41
45
36
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43
40
490
1745
33
43
48
50
44
39
31
49
44
34
51
49
515
1746
49
44
52
32
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28
40
36
41
35
41
47
480
1747
55
52
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32
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50
47
36
52
41
553
1748
54
43
46
52
44
27
33
41
52
47
46
52
537
282
Anhang
Jahr Jan
Feb Mär Apr Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez Insg.
1749
52
46
41
55
37
40
39
46
54
39
33
44
526
1750
63
49
47
50
47
34
24
39
38
36
50
46
523
1751
41
49
59
43
50
32
33
42
46
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34
36
502
1752
52
43
48
34
33
37
46
36
36
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37
38
475
1753
53
39
57
38
45
51
37
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29
50
36
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520
1754
39
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48
42
36
52
38
46
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48
46
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524
1755
47
44
51
35
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26
51
46
47
38
40
514
1756
53
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50
30
41
42
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42
42
488
1757
51
44
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55
43
45
42
37
40
37
48
43
538
1758
30
40
39
35
34
25
39
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42
47
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452
1759
43
41
44
34
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34
33
38
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52
49
55
490
1760
50
44
63
50
45
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45
28
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42
53
550
1761
48
41
50
32
24
27
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45
29
45
34
34
434
1762
50
32
41
46
35
30
36
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40
40
34
26
441
1763
42
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42
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28
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447
1764
44
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43
28
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31
401
1765
36
35
40
41
38
41
36
43
33
30
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441
1766
34
37
28
31
42
20
32
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26
34
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387
1767
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37
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22
20
30
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36
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394
1768
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36
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24
24
24
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35
35
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1769
36
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37
24
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34
39
369
1770
33
33
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27
26
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32
351
1771
33
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34
28
20
19
23
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36
47
358
1772
32
23
21
24
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22
31
21
18
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25
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305
1773
26
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21
34
27
25
32
27
18
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1774
27
27
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31
23
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24
31
27
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332
1775
35
35
35
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23
18
31
21
31
27
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349
1776
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26
27
40
20
33
22
30
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31
44
353
1777
21
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35
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26
22
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40
358
1778
37
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28
29
29
28
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29
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360
1779
53
32
30
32
27
33
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41
21
32
386
1780
31
44
31
32
22
22
31
26
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24
32
35
354
1781
30
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31
32
35
29
31
26
30
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25
29
381
1782
44
22
38
24
25
19
19
33
27
25
36
34
346
Anhang
283
Jahr Jan
Feb Mär Apr Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez Insg.
1783
27
29
28
25
29
26
31
35
32
43
37
28
370
1784
26
36
35
31
23
26
20
38
28
29
38
30
360
1785
41
34
33
35
23
33
25
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25
25
20
27
356
1786
23
38
38
40
44
32
33
22
39
36
34
26
405
1787
28
32
40
28
41
27
34
31
29
23
37
37
387
1788
35
33
33
30
25
26
30
25
50
37
23
30
377
1789
33
33
45
26
26
34
21
29
28
38
33
27
373
1790
45
31
40
34
25
41
36
31
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32
36
29
420
1791
27
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36
42
33
21
31
33
35
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41
33
394
1792
39
30
47
32
31
30
27
29
31
34
44
39
413
1793
35
40
47
36
44
37
45
41
18
29
34
31
437
1794
51
21
36
33
39
28
28
28
42
38
29
39
412
1795
39
40
32
26
22
25
27
19
21
16
13
24
304
1796
26
25
29
28
39
36
29
17
29
28
31
29
346
1797
25
25
43
26
31
22
23
26
32
34
35
23
345
1798
31
37
39
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23
23
8
4
0
0
0
228
Tabelle A 2: Die Eheschließungen aller Bonner Stadtpfarreien 1686-1798 Jahr Jan 1686 7 1687 2 1688 5 1689 1 1690 17 1691 0 1692 0 1693 0 1694 1 1695 1 1696 3 1697 4 1698 5 1699 4 1700 6 1701 6 1702 4
Feb 4 6 5 14 0 2 0 0 2 4 6 5 3 9 3 2 6
Mär Apr Mai Jun 0 1 4 3 4 0 5 5 4 0 2 1 3 3 4 5 0 2 1 1 0 1 2 1 0 0 3 1 0 0 0 0 1 1 2 1 1 0 3 0 3 1 2 5 0 1 1 5 0 2 3 3 4 1 2 2 1 1 1 5 1 1 4 4 4 2 2 4
Jul 2 1 2 2 0 0 1 1 0 0 0 4 3 2 2 2 4
Aug 2 3 4 0 1 0 0 0 4 1 5 0 4 3 4 3 2
Sep 1 7 4 1 0 2 3 0 0 4 1 2 0 2 1 5 5
Okt 2 5 0 0 0 0 1 0 0 2 2 3 4 1 3 8 8
Nov Dez 5 0 9 0 3 0 1 0 2 0 0 0 2 0 1 1 0 1 2 1 3 2 1 1 5 1 7 0 7 2 5 4 7 0
Insg. 31 47 30 34 24 8 11 3 13 19 33 27 33 37 36 45 48
284
Jahr Jan 1703 6 1704 4 1705 2 1706 5 1707 5 1708 4 1709 4 1710 6 1711 1 1712 3 1713 2 1714 5 1715 6 1716 9 1717 7 1718 10 1719 9 1720 7 1721 8 1722 2 1723 13 1724 4 1725 7 1726 6 1727 7 1728 10 1729 12 1730 14 1731 16 1732 6 1733 12 1734 6 1735 10 1736 10 1737 7 1738 11 1739 9 1740 7
Anhang
Feb 5 3 5 6 5 6 2 4 5 5 4 4 6 19 6 13 15 8 7 9 13 21 15 14 10 12 15 17 13 16 15 12 21 16 12 17 17 18
Mär Apr Mai Jun 0 1 3 2 2 7 5 3 2 5 5 2 2 1 3 7 2 3 5 4 0 5 2 5 0 2 4 2 0 3 1 1 0 2 4 1 1 5 3 1 1 0 2 3 4 4 2 1 2 3 6 13 0 1 9 5 0 13 2 8 2 6 8 3 1 6 6 7 0 9 4 8 1 4 7 4 1 7 7 15 3 7 8 7 2 5 6 2 0 12 7 5 5 3 7 9 3 6 10 5 0 11 4 6 4 2 14 7 5 4 5 12 1 5 10 10 1 4 12 10 3 13 14 6 7 0 16 6 3 5 11 8 1 10 9 10 8 3 8 9 3 8 6 5 5 7 12 6 6 3 4 5
Jul 4 2 2 2 1 3 3 1 3 1 2 4 9 8 4 7 7 8 5 4 7 4 7 6 5 6 9 7 8 6 6 8 14 16 9 5 8 3
Aug 5 2 2 5 5 1 0 3 4 0 1 0 11 6 5 13 6 2 5 2 7 6 10 10 6 8 6 14 6 5 12 7 10 9 4 10 6 6
Sep 9 7 2 1 5 0 2 2 0 3 1 1 3 7 13 3 7 5 3 11 4 5 10 11 5 6 11 10 9 9 1 9 11 3 9 5 5 6
Okt 10 10 4 2 4 1 1 2 2 3 3 3 9 10 9 10 6 6 4 6 7 4 6 5 3 6 12 5 10 5 9 7 7 6 4 10 5 3
Nov Dez 5 5 3 1 3 1 6 0 9 0 4 2 3 0 4 1 2 0 3 2 2 0 5 0 7 1 6 0 10 1 7 3 9 2 10 6 8 0 5 2 6 4 4 2 9 1 10 4 11 2 10 1 10 1 7 2 8 2 9 2 2 5 10 2 11 4 12 4 9 2 10 2 6 3 12 4
Insg. 55 49 35 40 48 33 23 28 24 30 21 33 76 80 78 85 81 73 56 71 86 65 89 90 73 80 103 102 98 85 98 90 115 106 84 92 89 77
Anhang
Jahr Jan 1741 11 1742 11 1743 13 1744 8 1745 13 1746 6 1747 10 1748 11 1749 9 1750 10 1751 14 1752 12 1753 11 1754 6 1755 7 1756 14 1757 7 1758 15 1759 14 1760 10 1761 19 1762 17 1763 12 1764 5 1765 13 1766 12 1767 8 1768 8 1769 13 1770 4 1771 6 1772 5 1773 11 1774 4 1775 8 1776 10 1777 5 1778 3
285
Feb 15 7 14 22 40 21 19 29 23 16 14 14 16 23 12 13 15 11 23 20 9 19 10 15 25 7 16 14 14 14 8 12 10 13 18 21 18 17
Mär Apr Mai Jun 3 5 7 2 2 9 15 8 5 10 10 7 6 11 11 5 4 6 7 6 2 10 7 10 1 4 6 15 2 7 15 16 0 11 9 6 1 10 10 10 1 7 10 11 2 12 7 9 10 2 8 9 2 9 11 8 2 12 14 9 8 4 9 4 4 4 13 7 1 12 7 4 2 5 16 11 7 9 6 10 4 6 12 8 1 9 7 7 1 5 12 11 4 3 12 8 2 5 6 6 1 8 8 3 7 4 6 5 2 4 15 12 1 10 9 2 3 1 12 4 0 10 5 2 5 9 10 11 3 6 7 7 3 6 7 8 1 3 9 11 2 10 16 8 3 7 7 13 3 5 8 10
Jul 8 12 14 7 8 6 10 5 4 7 5 7 8 8 10 9 1 11 14 10 3 7 9 6 6 7 7 6 14 4 8 5 4 5 9 4 7 5
Aug 8 13 16 12 11 9 12 10 6 11 8 13 11 12 6 15 6 13 12 10 3 8 9 8 2 2 6 7 3 8 8 10 9 5 12 4 7 10
Sep 10 11 7 8 13 8 9 7 5 11 16 11 7 7 12 7 3 14 8 15 7 10 3 12 4 6 7 5 6 6 4 6 2 5 4 8 8 7
Okt 9 11 7 6 19 12 9 7 13 8 7 5 2 5 12 6 4 11 14 11 7 5 8 11 4 7 6 7 5 11 5 2 7 3 8 5 10 5
Nov Dez 10 6 14 2 12 4 16 8 18 3 20 3 8 3 19 2 13 0 13 2 14 2 8 1 14 1 20 5 8 0 10 3 16 0 12 0 14 4 14 3 9 0 6 1 9 0 7 1 10 2 7 0 7 2 11 0 8 3 9 1 3 2 9 3 10 2 11 0 12 3 8 1 8 3 11 6
Insg. 94 115 119 120 148 114 106 130 99 109 109 101 99 116 104 102 80 111 137 125 87 97 89 92 85 68 81 91 88 77 61 87 78 70 98 97 96 90
286
Jahr Jan 1779 7 1780 12 1781 10 1782 13 1783 14 1784 8 1785 5 1786 7 1787 5 1788 10 1789 2 1790 9 1791 16 1792 10 1793 7 1794 5 1795 1 1796 11 1797 9 1798 19
Anhang
Feb 11 15 20 8 25 18 11 19 17 17 18 14 24 20 19 10 4 21 18 34
Mär Apr Mai Jun 5 7 8 6 8 12 3 8 3 5 10 4 4 5 9 13 4 7 11 16 4 6 9 8 6 8 8 2 1 9 7 16 6 9 14 5 8 6 14 8 5 6 8 10 5 10 14 11 4 3 13 6 1 10 8 9 6 15 6 12 5 2 8 14 6 4 7 4 8 11 18 10 6 12 7 7 17 18 20 19
Jul 5 6 7 4 12 12 6 9 5 5 6 7 7 9 1 8 10 8 17 18
Aug 4 7 7 11 15 5 11 18 4 10 6 7 7 2 13 6 13 8 9 19
Sep 5 8 10 2 9 11 6 9 16 3 6 8 4 12 17 5 5 7 14 9
Okt 12 5 5 10 3 9 7 7 5 5 7 9 12 6 4 5 11 7 9 11
Nov Dez 8 4 12 2 17 5 10 6 12 2 5 4 4 1 6 5 10 8 11 1 10 1 15 1 10 1 13 11 12 5 5 3 10 14 3 3 7 9 10 0
Insg. 82 98 103 95 130 99 75 113 104 98 85 110 107 111 117 76 89 115 124 194
Tabelle A 3: Die Sterbefälle aller Bonner Stadtpfarreien 1686-1798 Jahr Jan 1686 0 1687 1 1688 0 1689 1 1690 3 1691 0 1692 2 1693 0 1694 2 1695 0 1696 0 1697 0 1698 0 1699 0 1700 0
Feb 1 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0
Mär Apr Mai Jun 2 0 1 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 2 0 3 1 1 0 0 0 0 0 1 2 4 1 1 1 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 1
Jul 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Aug 0 2 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Sep 1 1 1 0 3 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Okt 1 0 1 3 0 1 3 0 0 0 0 0 0 0 0
Nov 3 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Dez Insg. 1 10 0 6 0 5 3 13 1 9 0 4 0 13 2 4 0 3 0 1 0 2 0 0 0 2 0 0 0 1
Anhang
Jahr Jan 1701 0 1702 1 1703 0 1704 0 1705 1 1706 0 1707 1 1708 0 1709 0 1710 0 1711 0 1712 0 1713 1 1714 0 1715 0 1716 2 1717 7 1718 18 1719 11 1720 23 1721 14 1722 17 1723 27 1724 19 1725 22 1726 18 1727 30 1728 22 1729 23 1730 27 1731 38 1732 26 1733 40 1734 22 1735 24 1736 30 1737 19 1738 29 1739 39
287
Feb 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 2 0 0 3 3 10 11 19 20 15 16 21 25 21 32 20 31 26 17 30 22 30 21 31 24 29 39
Mär Apr Mai Jun 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 2 1 1 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 0 1 3 0 0 0 0 4 3 1 0 0 0 0 9 5 7 7 25 18 19 23 15 11 19 19 16 22 15 12 21 21 25 11 25 18 15 16 17 12 15 21 16 17 26 24 33 39 21 10 36 11 20 17 23 19 12 11 20 24 19 17 24 35 31 19 47 26 29 20 45 24 30 19 12 25 20 16 38 43 38 21 28 27 26 15 33 28 39 39 35 26 21 18 31 26 27 24 38 24 22 11 40 41 46 55
Jul 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 1 2 5 17 14 14 13 17 15 12 17 14 6 25 19 10 16 14 20 16 59 12 22 7 56
Aug 0 0 0 1 1 7 0 0 0 0 0 1 0 0 1 2 3 21 14 30 8 13 17 53 14 15 15 28 19 15 21 25 11 16 68 10 16 8 35
Sep 0 0 0 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 9 11 27 29 15 11 23 51 13 13 12 22 34 16 22 16 10 22 57 20 8 17 32
Okt 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 2 0 0 1 3 12 31 13 20 13 15 52 15 23 29 21 42 13 16 11 7 18 22 16 15 18 29
Nov 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 0 0 4 15 16 17 20 10 17 28 23 17 37 15 21 17 19 14 16 27 29 21 29 34 41
Dez Insg. 0 0 0 1 0 1 0 3 0 5 0 12 0 5 0 0 0 0 0 0 0 0 1 5 0 12 0 3 0 10 1 11 6 68 17 206 24 212 16 226 29 217 15 185 12 207 31 350 17 249 28 233 24 250 25 258 27 325 14 260 21 288 31 240 19 285 28 275 31 450 22 262 33 274 33 270 20 473
288
Jahr Jan 1740 29 1741 15 1742 32 1743 25 1744 8 1745 15 1746 29 1747 14 1748 30 1749 19 1750 32 1751 69 1752 43 1753 22 1754 29 1755 40 1756 32 1757 44 1758 39 1759 49 1760 39 1761 32 1762 43 1763 44 1764 28 1765 28 1766 31 1767 28 1768 38 1769 30 1770 23 1771 21 1772 58 1773 39 1774 40 1775 20 1776 37 1777 36 1778 29
Anhang
Feb 34 36 24 11 16 15 23 11 25 11 32 59 39 26 41 39 43 38 35 44 30 54 29 37 37 29 23 30 29 27 34 22 39 29 37 20 52 37 34
Mär Apr Mai Jun 36 29 33 20 39 43 31 31 48 40 28 26 20 27 16 21 22 21 12 17 17 8 13 12 24 26 20 19 21 34 22 14 24 28 16 9 18 21 15 12 35 32 36 28 68 49 29 23 63 56 45 29 38 48 36 36 43 45 33 31 33 35 29 32 63 68 48 55 50 39 37 33 54 44 50 40 53 53 47 27 44 50 31 32 34 34 36 32 44 35 30 29 37 30 25 30 39 41 23 20 25 30 41 26 35 31 31 21 38 29 29 21 34 34 30 30 30 30 27 22 32 39 33 25 26 32 24 25 46 40 40 45 24 44 24 21 27 27 30 12 36 39 28 30 29 38 37 24 31 27 42 24 31 21 25 18
Jul 22 20 24 18 16 15 24 16 16 10 38 26 35 33 30 30 45 23 61 43 28 46 24 25 27 39 24 17 22 20 42 15 34 26 24 24 15 29 18
Aug 26 31 23 16 10 18 27 15 13 12 28 34 36 26 28 25 31 70 48 63 34 59 22 23 27 32 23 17 33 19 33 19 40 28 24 13 30 15 21
Sep 19 33 31 40 17 12 21 26 21 24 35 31 37 29 43 26 22 83 59 38 43 52 24 32 22 27 24 19 31 15 54 21 20 20 14 28 26 17 22
Okt 26 27 19 36 12 25 21 15 15 11 31 33 35 27 42 17 26 37 45 38 45 48 31 34 26 23 14 17 32 23 47 32 32 28 25 34 15 29 18
Nov 17 17 21 17 11 19 18 21 16 22 40 30 29 36 39 35 36 24 29 30 42 44 28 37 26 16 27 16 23 29 29 29 31 27 28 36 27 24 24
Dez Insg. 28 319 31 354 33 349 18 265 8 170 28 197 17 269 23 232 12 225 21 196 50 417 34 485 26 473 31 388 36 440 28 369 29 498 40 518 47 551 43 528 34 452 45 516 25 364 22 376 36 352 38 354 26 310 38 299 30 366 23 295 25 416 38 304 28 453 28 338 17 305 39 347 28 358 21 332 30 291
Anhang
289
Jahr Jan 1779 46 1780 28 1781 26 1782 37 1783 39 1784 22 1785 28 1786 53 1787 27 1788 22 1789 36 1790 31 1791 30 1792 18 1793 27 1794 33 1795 45 1796 27 1797 30 1798 25
Feb 34 30 23 46 35 32 40 35 26 35 36 28 24 20 36 46 58 35 34 21
Mär Apr Mai Jun 27 49 41 33 31 22 30 17 23 31 42 20 43 38 32 35 33 26 28 30 30 27 26 22 29 38 30 32 47 38 34 25 22 21 23 25 21 34 21 19 32 31 37 26 38 25 24 16 36 27 32 17 34 30 21 26 59 42 47 43 31 39 32 33 85 93 61 46 37 36 31 33 47 23 35 26 28 35 16 14
Jul 37 29 42 21 22 27 38 25 19 21 33 28 16 30 46 68 50 29 22 25
Aug 28 19 28 50 26 19 30 28 24 23 60 23 19 51 44 49 37 23 36 4
Sep 31 23 67 61 22 15 33 18 26 22 35 28 24 35 49 30 44 26 31 2
Okt 33 34 36 35 20 30 35 31 26 19 48 17 26 26 27 31 31 27 17 0
Nov 23 27 31 36 15 26 34 26 24 26 29 30 12 30 35 32 35 30 22 0
Dez Insg. 23 405 29 319 26 395 48 482 24 320 33 309 50 417 25 385 40 303 39 302 25 428 22 310 19 282 31 352 40 495 32 456 39 624 35 369 21 344 0 170
Tabelle A 4: Die Kindersterbefälle in den Pfarreien St. Remigius und St. Gangolf 17181798 Jahr 1718 1719 1720 1721 1722 1723 1724 1725 1726 1727 1728 1729 1730 1731
Jan 8 0 13 7 9 8 12 12 6 20 11 11 9 7
Feb Mär Apr Mai Jun 7 17 14 16 18 2 8 4 8 11 7 5 10 10 7 15 10 8 18 9 5 12 7 2 9 6 9 8 11 15 14 6 9 12 14 6 11 13 14 5 10 23 7 12 9 29 11 9 7 2 5 8 14 14 8 13 13 28 10 8 14 8 3 14 8 5 17 5 13 8
Jul 10 9 12 6 10 10 10 9 5 4 15 14 2 8
Aug Sep 10 11 9 16 24 24 7 8 6 6 11 11 44 51 2 8 5 6 10 5 13 8 12 20 8 5 12 14
Okt 5 23 12 13 6 8 45 10 15 7 7 23 6 11
Nov 11 8 12 15 4 7 17 14 11 12 7 6 9 12
Dez Insg. 11 138 10 108 11 147 15 131 7 83 6 110 10 244 10 114 19 128 15 131 9 119 14 172 5 91 11 123
290
Jahr 1732 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740 1741 1742 1743 1744 1745 1746 1747 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755 1756 1757 1758 1759 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768 1769
Anhang
Jan 17 7 14 9 17 11 15 18 6 10 21 4 4 3 13 3 5 6 20 48 22 15 15 21 21 27 27 26 18 18 27 20 20 8 14 11 20 14
Feb Mär Apr Mai Jun 18 7 18 12 12 8 26 31 28 9 15 13 14 18 10 9 11 12 24 22 11 16 13 11 8 12 11 14 12 12 15 22 13 6 6 12 9 12 24 37 7 13 14 11 8 15 19 16 18 17 14 21 16 12 11 1 3 9 5 4 4 5 4 2 5 5 3 3 4 5 10 8 5 5 6 1 4 6 4 4 4 6 1 2 2 2 3 11 2 2 15 23 21 21 16 45 53 37 18 17 17 47 39 26 18 11 27 31 23 26 24 18 19 14 16 14 21 18 15 21 28 40 46 33 36 16 29 23 21 21 15 30 19 25 17 23 31 29 28 24 17 22 28 13 18 30 19 15 25 25 12 27 13 18 17 20 19 11 8 11 21 19 20 12 5 16 15 18 21 18 18 22 18 15 12 14 25 16 14 8 14 14 19 9 11 11 12 9 14 8
Jul 9 11 6 41 5 12 3 43 10 8 10 7 5 4 7 7 8 5 26 16 24 24 18 20 22 18 29 27 16 32 12 12 13 28 14 11 8 9
Aug Sep 13 5 4 7 8 10 57 34 6 11 10 6 5 12 24 21 13 13 19 16 11 16 2 5 4 5 8 4 5 4 8 11 2 5 7 6 16 23 26 18 26 27 20 19 19 25 15 16 14 9 38 33 21 30 35 24 15 24 42 36 14 13 18 23 13 13 20 16 13 14 8 12 19 13 4 6
Okt 5 5 6 11 8 4 9 11 15 18 8 1 5 8 5 0 6 5 20 18 22 11 32 9 15 20 18 25 30 26 20 20 7 15 5 6 14 8
Nov 5 7 11 19 16 10 21 17 6 10 10 4 4 5 9 5 5 6 25 20 20 17 28 21 26 12 20 21 27 29 16 24 14 11 11 6 12 8
Dez Insg. 7 128 9 152 10 135 12 261 11 133 13 127 19 146 5 233 11 127 18 184 17 167 5 50 3 50 9 61 5 82 11 64 4 50 8 63 34 260 18 334 10 298 17 241 15 243 15 206 15 305 21 279 22 273 20 313 20 248 23 320 16 205 12 198 17 174 16 202 16 172 20 151 18 171 9 112
Anhang
Jahr 1770 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793 1794 1795 1796 1797 1798
291
Jan 12 8 23 19 6 12 18 7 13 16 5 5 17 16 1 5 29 16 9 12 13 11 4 10 9 11 9 15 10
Feb Mär Apr Mai Jun 10 13 13 15 12 9 8 15 10 14 26 27 18 10 14 13 7 18 13 6 15 14 9 11 2 11 10 16 11 12 23 11 17 16 3 11 8 10 24 13 16 12 6 11 10 11 13 23 26 19 14 15 5 14 6 14 13 11 19 5 19 15 19 10 5 19 12 9 7 12 8 12 9 5 6 17 10 11 16 16 18 15 20 14 9 6 10 6 11 11 16 5 18 8 9 12 12 11 16 14 9 19 10 13 7 9 19 10 14 7 6 12 10 12 7 10 21 14 21 19 19 9 16 12 17 11 23 31 9 15 10 11 11 6 11 11 15 5 9 9 7 10 12 12 8
Jul 23 4 16 15 10 18 4 14 10 21 6 11 10 7 8 17 11 5 9 16 10 3 13 19 21 12 12 9 10
Aug Sep 18 33 12 4 15 8 13 11 7 6 8 10 12 13 11 4 13 6 16 18 6 7 8 21 12 21 8 5 7 5 18 15 10 10 11 8 5 5 29 19 12 6 4 8 17 16 19 18 17 12 16 17 8 12 26 12 0 0
Okt 34 13 13 9 13 9 5 7 6 11 10 10 14 4 11 14 15 5 10 25 8 6 13 8 8 19 13 7 0
Nov 21 8 8 10 11 4 15 13 6 8 12 9 15 5 16 20 10 11 7 14 8 1 13 11 7 8 10 6 0
Dez Insg. 11 215 17 122 8 186 9 143 5 109 19 140 12 149 4 126 14 123 6 188 13 113 14 140 12 169 7 111 13 101 28 187 7 168 10 110 11 112 6 186 6 121 7 99 9 132 14 184 11 158 13 185 17 130 4 128 0 69
Nov 2
Dez Insg. 6 2 2 4 0 4
Tabelle A 5: Illegitime Geburten in der Pfarrei St. Remigius 1686-1798 Jahr 1686 1687 1688 1689 1690 1691
Jan 1
Feb Mär Apr Mai Jun 1 1 2 1 1
1 1
1
Jul
Aug Sep 1 1 1 1
Okt
1
1
292
Jahr 1692 1693 1694 1695 1696 1697 1698 1699 1700 1701 1702 1703 1704 1705 1706 1707 1708 1709 1710 1711 1712 1713 1714 1715 1716 1717 1718 1719 1720 1721 1722 1723 1724 1725 1726 1727 1728 1729
Anhang
Jan
Feb Mär Apr Mai Jun
Jul
Aug Sep
1
Okt
Nov
1
1 1 3 1 1 1
2
1 1
1
2 1
1
1
1 1 1
1
2 1
1
1 1
1
1 1
1 1
1
1 1
1
1
1
1 1
2
2 1
1 1
1
1
2
1 1
1 1
1 1 1
1 1 1 1
1
1 1
1 1 1 1 1
2 1
1
1
1 1 1
1
1 1 2
1
1
1
1 1
1
1 2
1 3
1 1
1
2
Dez Insg. 0 2 0 0 1 0 1 6 4 1 2 1 5 4 7 1 0 1 5 2 3 4 1 2 4 0 2 1 3 0 4 1 2 1 4 5 2 4 1 4 2 4 1 4 5 5 10 2 4
Anhang
Jahr 1730 1731 1732 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740 1741 1742 1743 1744 1745 1746 1747 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755 1756 1757 1758 1759 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767
293
Jan 1 1
2 1 1
1 1 1 1 1 5 2 1 1 1 1 1 1
1 2
Feb Mär Apr Mai Jun 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 3 3 1 2 2 2 1 1 1 1 1 3 1 2 2 2 2 4 1 1 1 1 1 1 2 1 1 1 3 1 1 1 3 1 2 1 1 1 1 1 1 1 2 2 1 1 2 1 2 1 1 3 2 2 2 2 1 1 4 1 1 1 1 1 1 1 1 2 4 1 1 1 2 1 1
Jul
1
Aug Sep 1 1 1
Okt 3 2 1 1
Nov 1
1
1 1
2
1 2 1
1 1 2 1
1 1 2 3 2
1
2 1
1
1
1 1
1
1 1
1
1
1 1
2 1 1
2
1 3 1 1 1
1
1 1 1 1
1
1 1
4
1 1
2 1
1 2
2
1 1 1
1 1 1
1 1
1
1 1
Dez Insg. 7 1 9 2 6 4 8 3 1 5 1 7 3 15 13 2 10 1 3 4 1 8 10 2 11 1 5 15 9 4 2 9 8 1 10 1 8 1 8 2 11 1 4 1 7 1 9 1 7 6 11 1 5 5 1 2 1 8 6 7 1
294
Jahr 1768 1769 1770 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793 1794 1795 1796 1797 1798
Anhang
Jan 1 1 1 1 1 1
2 2
1 1 1
1 2 1 4
3 1
Feb Mär Apr Mai Jun 1 1 1 1 2 1 1 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 2 2 2 1 3 1 1 1 1 2 1 1 1 1 2 1 3 1 1 2 1 1 1 1 1 3 1 2 1 2 2 3 3 1 1 1 1 1 1 2 2 1 2 2 2 1 2 3 1 1 1 2 2 1 1 2 2 1 2 1 1
Jul
Aug Sep
Okt
Nov
1 1 1 1
1 1
1
1
1 1 2 1
1 1 1 1
1
2 1
1 1 1 1
2 1 2 1 1
1 1 1 1 1 1
1 2
1 1
2 2 1
2
1
2 1
2 2 1
1 2 1
1
3
1 3 1 1
1
2 1
Dez Insg. 1 3 3 8 1 6 2 9 8 1 7 1 7 2 9 2 6 1 7 4 6 1 4 3 10 6 1 3 7 5 1 9 9 5 1 4 13 11 8 2 14 14 9 5
Anhang
295
Tabelle A 6: Große Höfe in Bonn (Ausreißer) 1795 Straße Bonngasse Am Heisterbacher Hof Am Heisterbacher Hof Am Heisterbacher Hof Am Engeltal Fischersgasse Giergasse Hundsgasse Kölnstraße An der Kalle Remigiusstraße Sandkaule Welschnonnenstraße Welschnonnenstraße
Haus (Besitzer) Gudenau Spee Isaac Isaac Kloster Engeltal Hostert Kempis Lombeck Hecker Belderbusch Pelzer Terbeten Claßen Congregation De Notre Dame
Hauswert in Rtlr. 20.000 6.000 2.000 4.000 10.000 7.500 7.000 7.000 8.500 27.000 6.000 12.000 15.000 20.000
Tabelle A 7: Neubürgeraufnahmen 1690-1793
Jahr
Neubürger
Bürgersohn
Heirat Bürgertochter
1690 1691 1692 1693 1694 1695 1696 1697 1698 1699 1700 1701 1702 1703 1704 1705 1706 1707 1708
60 33 21 18 17 11 20 25 23 8 11 3 6 42 33 20 45 22 19
24 10 11 7 7 6 5 12 12 1 4 1 3 24 16 14 15 7 11
24 10 11 7 7 6 5 12 12 1 4 1 3 24 16 14 15 7 11
Heirat Bürgerwitwe (Bürgergeld: Bürgersohn) 9 3 1 3 2 2 6 2 1 2
Heirat Bürgerwitwe (halbes Bürgergeld)
1 1 4 3 10 3
2 1
Fremde ohne Heirat 24 20 6 8 7 3 9 11 10 3 6 1 2 14 14 6 19 10 7
296
Anhang
Heirat Bürgerwitwe (Bürgergeld: Bürgersohn)
Heirat Bürgerwitwe (halbes Bürgergeld)
Jahr
Neubürger
Bürgersohn
Heirat Bürgertochter
1709 1710 1711 1712 1713 1714 1715 1716 1717 1718 1719 1720 1721 1722 1723 1724 1725 1726 1727 1728 1729 1730 1731 1732 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740 1741 1742 1743 1744 1745 1746 1747 1748 1749
13 23 21 17 18 23 38 44 136 42 36 31 23 38 30 37 2 33 24 33 32 34 32 31 39 30 34 133 146 42 24 17 32 23 43 55 31 110 69 63 50
6 6 13 11 13 14 10 10 26 21 24 12 7 12 7 13
6 6 13 11 13 14 10 10 26 21 24 12 7 12 7 13
6 2 1 1 1 6 12 51 5 5 4 11 11 12 15
2 1
10 10 8 10 10 12 9 12 2 12 34 29 13 5 6 9 4 12 8 8 33 14 15 14
10 10 8 10 10 12 9 12 2 12 34 29 13 5 6 9 4 12 8 8 33 14 15 14
11 4 12 8 10 5 7 8 6 7 31 39 14 6 5 7 7 9 17 8 33 20 16 11
3 1 1 1 1 1 1 1 1
2 2 4 1 1 3 1 1 1
3 1
2 7 3 2 1 3 1
Fremde ohne Heirat 7 9 5 5 3 6 19 16 58 14 4 13 5 13 10 8 2 9 8 12 13 12 14 11 16 18 8 59 71 13 10 5 14 5 19 19 8 36 29 28 22
Anhang
297
Jahr
Neubürger
Bürgersohn
Heirat Bürgertochter
1750 1751 1752 1753 1754 1755 1756 1757 1758 1759 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768 1769 1770 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790
51 33 97 38 58 37 47 56 25 153 41 58 30 29 35 25 25 30 39 69 35 14 33 17 44 38 28 37 40 51 40 50 45 25 28 74 43 49 41 70 75
17 11 27 9 19 12 15 37 10 74 18 33 19 7 13 7 11 11 13 32 12 7 13 8 17 14 14 12 12 27 16 24 24 14 16 38 21 25 19 26 30
17 11 27 9 19 12 15 37 10 74 18 33 19 7 13 7 11 11 13 32 12 7 13 8 17 14 14 12 12 27 16 24 24 14 16 38 21 25 19 26 30
Heirat Bürgerwitwe (Bürgergeld: Bürgersohn) 10 4 23 10 12 9 11 0 5 7
Heirat Bürgerwitwe (halbes Bürgergeld) 3 2
4 3 1 5 7 13 9 2 5 5 10 13 12 8 11 11 10 13 11 7 5 16 12 9 10 13 20
1
2
Fremde ohne Heirat 20 16 43 17 26 11 17 18 10 79 23 25 11 22 16 13 10 11 18 24 14 5 13 4 16 8 2 16 14 9 10 10 6 4 6 12 10 12 9 23 24
298
Anhang
Jahr
Neubürger
Bürgersohn
Heirat Bürgertochter
1791 1792 1793 Insg.
92 68 75 4.257
28 37 20 1.563
28 37 20 1563
Heirat Bürgerwitwe (Bürgergeld: Bürgersohn) 35 10 25 903
Heirat Bürgerwitwe (halbes Bürgergeld)
64
Fremde ohne Heirat 26 18 24 1554
Tabelle A 8: Pfarrgenossen 1720 Pfarrei Einwohner Männer Frauen Söhne Töchter Unbek. Kinder Knechte Mägde Ehepaare Witwer Witwen Ledige m Ledige w
St. Martin 350 112 83 36 37 0 36 46 25 0 5 87 53
St. Gangolf 1.307 289 326 257 257 12 89 77 254 4 21 31 51
St. Petrus 400 94 112 85 75 0 27 16 76 2 17 16 19
Insgesamt 2.057 495 521 378 369 12 152 139 355 6 43 134 123
Abkürzungen und Siglen
Ø > < % ‰ A Anm. Apr Aufl. Aug Bd./Bde. Beigesch. bes. BGbll. bzw. ca. d. h. Dez ebd. f. Feb fl. fol. Fr ges. H Hg. Hs. insg. J. Jan JIH Jul Jun Kat. KB km Ku
durchschnittlich/im Durchschnitt größer als kleiner als Prozent Promille Anhang Anmerkung April Auflage August Band/Bände Beigeschworene besonders Bonner Geschichtsblätter beziehungsweise circa das heißt Dezember ebenda folgende Februar Florin (niederländischer Gulden) folio/Blatt Französische Zeit gesamt Heiraten Herausgeber Handschrift insgesamt Jahr(e) Januar Journal of Interdisciplinary History Juli Juni Kategorie Kirchenbuch Kilometer Kurfürstliche Zeit
300
LAV NRW R LHAK m Mär Masch. Diss. mind. N Nr. Nov o. O. o. Okt r r
Rg. RhVjbll. Rtlr. S S. selbst. Sg. St. StAB Stabw Sep T u. u. a. u. Ä. überw. ULB unbek. unbest. usw. v
vgl. vorw. VSWG w z. B. ZHF
Abkürzungen und Siglen
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, Düsseldorf Landeshauptarchiv Koblenz männlich März Maschinenschriftliche Dissertation mindestens Anzahl Nummer November ohne Ort ohne Oktober Korrelationskoeffizient recto (Vorderseite) Rang Rheinische Vierteljahresblätter Reichstaler Sterbefälle Seite selbstständig Sammlung Sankt Stadtarchiv Bonn Standardabweichung September Taufen und unter anderem und Ähnliches überwiegend Universitäts- und Landesbibliothek Bonn unbekannt unbestimmt und so weiter verso (Rückseite) vergleiche vorwiegend Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte weiblich zum Beispiel Zeitschrift für Historische Forschung
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
Abbildungen Abbildung 1: Anzahl der Geburten 1688-1797 Abbildung 2: Monatliche Verteilung der Geburten bzw. Konzeptionen 1688-1797 Abbildung 3: Monatliche Verteilung der Geburten vor 1750 und nach 1750 Abbildung 4: Anteil der illegitimen an allen Geburten in Bonn und Mainz Abbildung 5: Vergleich der monatlichen Verteilung der illegitimen mit allen Geburten 1688-1797 Abbildung 6: Anzahl der Heiraten 1715-1798 Abbildung 7: Monatliche Verteilung der Heiraten 1716-1797 Abbildung 8: Zivilstand der Ehepartner Abbildung 9: Median des Heiratsalters Abbildung 10: Verteilung der Heiraten nach Altersgruppen (1731-1740, 1761-1770 und 1781-1790) Abbildung 11: Anzahl der Sterbefälle 1718-1797 Abbildung 12: Monatliche Verteilung der Sterbefälle 1718-1797 Abbildung 13: Jährliche Kindersterblichkeit in Absolutzahlen und in % der jährlichen Gesamtsterblichkeit im 18. Jahrhundert Abbildung 14: Monatliche Verteilung der Kindersterblichkeit 1718-1797 Abbildung 15: Entwicklung der Säuglingssterblichkeit im 18. Jahrhundert Abbildung 16: Kumulierte Rate der Säuglingssterblichkeit nach Monaten Abbildung 17: Monatliche Verteilung der Säuglings-, aller Sterbefälle und der Geburten Abbildung 18: Fünfjähriger gleitender Durchschnitt der Geburten, Heiraten und Sterbefälle 1718-1797 Abbildung 19: Zusammensetzung der Bevölkerung 1790 in % Abbildung 20: Altersstruktur im Jahr 1800 Abbildung 21: Bilanz von Geburten und Sterbefällen 1718-1797 Abbildung 22: Die Pockenepidemie 1724, dargestellt anhand der Vitalstatistik Abbildung 23: Roggenpreise und Sterbefälle 1718-1797 Abbildung 24: Die Krise 1739/40 Abbildung 25: Die Krise 1770-1772 Karten in Rückentasche Karte 1: Bonner Pfarrbezirke im 17./18. Jahrhundert Karte 2: Sozialtopographie Bonns nach der Fouragesteuerliste von 1758
124 128 131 134 138 141 142 145 149 150 158 160 167 170 178 183 187 214 228 236 247 249 260 262 264
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Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
Tabellen Tabelle 1: Hochrechnung der Bevölkerungsgröße im 18. Jahrhundert anhand der Taufen Tabelle 2: Berufsgliederung Bonns 1790 (in drei Versionen nach den Autoren Höroldt, Ennen und Dietz) Tabelle 3: Vergleich der Anzahl an Handwerksmeistern und Beigeschworenen (Beigesch.) 1763 und 1794 Tabelle 4: Steuerlast der Meister der einzelnen Ämter mit mehr als zehn Nennungen im Jahr 1763 Tabelle 5: Einteilung der steuerpflichtigen Bürger in sechs Klassen in den Jahren 1758, 1763 und 1777 Tabelle 6: Sozialtopographische Einteilung der Straßen in sechs Kategorien, 1758 und 1795 (alphabetisch) Tabelle 7: Verteilung des Hausbesitzes 1795 Tabelle 8: Größe des Bonner Hofstaates im 18. Jahrhundert Tabelle 9: Anzahl der Geburten pro Ehe in Bonn, Mainz und Alzey Tabelle 10: Monatliche Rangfolge der Geburten für Bonn (1688-1797), Mainz (1603-1797), Koblenz (1751-1797), Trier (1730-1799) und Duisburg (1713-1814) Tabelle 11: Monatliche Rangfolge der Eheschließungen für Bonn (1716-1797), Mainz (1604-1797), Trier (1730-1799) und Duisburg (1713-1814) Tabelle 12: Witwen und Witwer unter den Ehepartnern in Bonn (1686-1798), Mainz (1701-1798), Trier (1730-1860) und Duisburg (1713-1814) in % Tabelle 13: Zusammenhang (Korrelationskoeffizient r) zwischen Heiratsalter und Roggenpreis Tabelle 14: Vergleich von Roggenpreis und Heiratsalter 1732-1740 Tabelle 15: Monatliche Rangfolge der Sterblichkeit für Bonn (1718-1797), Mainz (1676-1797), Koblenz (1760-1797), Trier (1730-1799) und Duisburg (1713-1814) Tabelle 16: Nottaufen, Totgeburten nach der 1/4 Methode und am Geburtstag Verstorbene in % aller Geburten (inklusive Nottaufen) Tabelle 17: Verhältnis der verstorbenen Säuglinge m:w Tabelle 18: Anteil der Säuglinge an der Gesamtsterblichkeit in Bonn, Mainz, Trier, Koblenz, Duisburg und Gießen im 18. Jahrhundert in % Tabelle 19: Verteilung der Säuglingssterbefälle im ersten Lebensjahr in % aller Säuglingssterbefälle Tabelle 20: Endogene und exogene Säuglingssterblichkeit in ‰ Tabelle 21: Monatliche Verteilung der Säuglingssterblichkeit Tabelle 22: Anzahl der Neubürger und der Anteil der auswärtigen Neubürger in % (1690-1789) Tabelle 23: Anteil der Bürgersöhne und Auswärtigen an allen Neubürgern (1726-1753; 1766-1793)
39 53 55 63 67 70 74 84 127
129 143 146 156 157
161 175 176 177 180 184 186 201 202
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
Tabelle 24: Herkunftsregionen der auswärtigen Neubürger (1734-1754; 1763-1783) Tabelle 25: Bevölkerungssaldo im 18. Jahrhundert Tabelle 26: Analyse der Bevölkerungsstruktur 1720 Tabelle 27: Vergleich der durchschnittlichen Haushaltsgröße verschiedener Städte Tabelle 28: Analyse der Bevölkerungsstruktur 1790 Tabelle 29: Kinderanzahl in verschiedenen Berufsgruppen Tabelle 30: Geschlechtsverteilung ausgewählter Städte Tabelle 31: Altersstruktur Bonns im Vergleich zu anderen Städten in % Tabelle 32: Krisenjahre im Zeitraum 1718-1797 (außer 1743-1749)
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207 215 223 224 227 230 235 237 246
Tabellen im Anhang
Tabelle A 1: Die Taufen aller Bonner Stadtpfarreien 1686-1798 Tabelle A 2: Die Eheschließungen aller Bonner Stadtpfarreien 1686-1798 Tabelle A 3: Die Sterbefälle aller Bonner Stadtpfarreien 1686-1798 Tabelle A 4: Die Kindersterbefälle in den Pfarreien St. Remigius und St. Gangolf 1718-1798 Tabelle A 5: Illegitime Geburten in der Pfarrei St. Remigius 1686-1798 Tabelle A 6: Große Höfe in Bonn (Ausreißer) 1795 Tabelle A 7: Neubürgeraufnahmen 1690-1793 Tabelle A 8: Pfarrgenossen 1720
280 283 286 289 291 295 295 298
Quellen- und Literaturverzeichnis
Ungedruckte Quellen a) Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland (LAV NRW R), Düsseldorf Kurköln II, Nr. 170-178 Kurköln II, Nr. 209-215 Kurköln II, Nr. 634, Kurköln II, Nr. 636 Kurköln II, Nr. 638 Kurköln II, Nr. 1688 Kurköln II, Nr. 1743 Kurköln IV, Nr. 4358 Kurköln IV, Nr. 4379 Kurköln VIII, Nr. 671 Kurköln VIII, Nr. 672
Besoldungslisten 1739-1740, 1743-1744, 1746-1750 Besoldungslisten 1732-1738 Besoldungslisten 1716-1786 Allgemeine Übersicht des ges. kurkölnischen Dienstpersonals nebst Gehältern Besoldungstabellen des gesamten Hofstaates 1786 Geheime Kanzlei, Akzise zu Bonn Stadt Bonn, Erweiterung der Stadt 1723 und 1738 Hofbauamt, Rechnungen Hofbauamt, Rechnungen Liste der Wohnquartiere der Hofbediensteten 1732 Pfarrgenossen St. Gangolf, Dietkirchen und St. Martin und Pfarrerwahl St. Remigius sowie zahlreiche Akten, Briefe zur Pfarrei St. Remigius um 1798 herum sowie Vitalstatistik 1792
b) Landeshauptarchiv Koblenz (LHAK) Bestand 256, Nr. 199
Bevölkerungszählungen
c) Stadtarchiv Bonn (StAB) Sonderbestand 20: Kirchenbücher (KB) 1/11 Fey, Wilhelm/Pauli, Wilhelm, Bonn-Dietkirchen: Personenregister T, H, S 16531798, Köln 1996 Bonn, St. Gangolph 2/13 T 1624, 1627-1702 2/14 T 1702-1751 2/15 H 1715-1785 2/16 S 1731-1798 2/17 S 1731-1798 nur Kinder 2/18 T 1751-1798 2/19 H 1786-1798 Bonn, St. Remigius 4/30 T, H 1678-1719 4/31 S 1717-1770 Erwachsene, S 1718-1769 Kinder 4/32 T, H 1720-1741
Ungedruckte Quellen
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4/33 T, H 1741-1752 4/34 T, H 1752-1765 4/35 T, H 1765-1776 4/36 S 1770-1798 Kinder, S 1771-1798 Erwachsene 4/37 T, H 1776-1788 4/41 T, H 1788-1798 Bonn, St. Remigius, Militärpfarre 5/5 T 1760-1798, H 1760-1798 5/6 S 1771-1802 Lengsdorf mit Eichholz, Ippendorf, Röttgen und Ückesdorf 12/3 S 1783-1798 Bestand Kurfürstliche Zeit (Ku) Ratsprotokolle (zeitgenössische Abschriften): 52/1 (1689-1696), 52/2 (1697-1701), 52/3 (1702-1706), 53/1 (1707-1710), 53/2 (1711-1713), 53/3 (1714-1716), 53/4 (1717-1718). 53/5 (1719-1721), 53/6 (1722-1723), 54/1 (1742-1753), 54/2 (1758-1761), 55/1 (1762-1765), 55/2 (1766-1769), 55/3 (1770-1773), 56/1 (1774-1776), 56/2 (1777-1778), 56/3 (1779-1780), 57/1 (1781-1782), 57/2 (1783-1784), 57/3 (1785-1786), 58/1 (1787), 58/2 (1788), 58/3 (1789), 58/4(1790), 58/5 (1791), 58/6 (1792), 58/7 (1793) Stadtrechnungen: 62/2 (1683-1690), 62/6 (1720-1724), 63/1 (1726-1730), 63/2 (1731-1740), 63/3 (1741-1749), 63/4 (1751-1760), 64/3 (1771-1776) 2/1 Ediktensammlung, 1731-1744 5/1 Ediktensammlung, 1770-1797 25/19 Volks- und Häuserzählungen in Bonn, 1759-1787 26/26 Bekämpfung des Bettelunwesens, 1698-1785 31/22 Einführung und Belieferung des Bonner Intelligenzblattes, 1772-1784 34/1 Register über den Plan der Stadt Bonn anno 1773 34/2 Tabellen zum Bevölkerungszustand 1790 72/1, 1. Teil Armenpflege, 1742-1796 77/1, 1. Teil Capitationsrolle der Stadt Bonn, 1664 79/6 Generalservisanschlaglisten, 1757,1760-1761, 1763, 1765, 1766 79/7 Generalservisanschlaglisten, 1767, 1768, 1769, 1774, 1777 79/10 Servisumlage, 1794 83/12 Verkauf von Lebensmitteln, Taxen, 1692-1798 94/7 Hebammen, 1748-1793 96/1 Bonner Kasernenwesen, 1737-1763 96/2 Einrichtung und Verwaltung der Kasernen, 1746-1756 99/6 Fuhr- und Fourageleistungen für die französische Armee, 1758-1760 99/7 Leistungen für die französische Armee, 1758-1763 102/1, 1. Teil Jesuitenchronik, „ortus et progressus“, 1709
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Französische Zeit (Fr) 29/2
29/5 38/28 53/37
Quellen- und Literaturverzeichnis
Aufnahme der Bevölkerung, der Ländereien und des Viehs im Bonner Stadtbezirk; Listen und Correspondenz, 1794/99 Listen zur Volkszählung vom Jahre 1811 (unvollständig, erhalten I. und II. Section) Beamte der Douanes, 1805/12 Listen über die vom Wohltätigkeitsbureau unterstützten Personen; Listen über den Armenbestand der Stadt Bonn, 1796-1813
Sammlung Joseph Dietz (Sg. Dietz) 206 Chronik Dietkirchen 1583-1758, Exzerpte (Hs.) 38 Auswertung der Bonner Ratsprotokolle (Hs.) Karten Ba 080 Ba 061-5 Ac 150/2 Sonstige Bestände Fi 206 87/226 Bi-Film 5 G-Film 29 I2b I2b I2b I2b I e 48 I e 92 I i 63 II c 37
Plan der Stadt Bonn 1773 Grundriss der kurfürstlichen Residenzstadt 1646 von Matthias Merian Tranchotkarte vom 11. September 1812
Lamberz’sche Chronik, Bd. 2 (Hs.) Tessin, Georg. Zur Geschichte des kurkölnischen Militärs (Hs.) Bonner Intelligenzblatt (5. Januar 1792-17. Juli 1796) Chronik Dietkirchen, „Liber memoriarum“, 17301785 Biber, Matthias, Chur-Cöllnischer Capellen- und Hoff-Calender für das Jahr 1723 Vogel, Johann Philip Nerius Maria, Kurfürstlichköllnischer Hof-Kalender für das Jahr 1759 Vogel, Johann Philip Nerius Maria, Kurfürstlichköllnischer Hof-Kalender für das Jahr 1762 Vogel, Johann Philip Nerius Maria, Kurfürstlichköllnischer Hof-Kalender auf das Schaltjahr 1776 Die Ertz-Bischofflich Chur-Furstliche Residenz-Stadt Bonn, Mainz 1689 Beschreibung der kurkölnischen Theuerungsmedaille, Bonn 1771 Müller, Johann Jakob, Berichte über die Witterungserscheinungen, Bonn 1784-1808 (Hs.) Vollständige Sammlung deren die Verfassung des hohen Erzstiffts Cölln betreffender Stucken, mit denen benachbarten hohen Landesherrschaften geschlossener Concoradten und Verträgen, dan in
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II c 68
Regal- und Cameral-Sachen, in Justiz-, Polizey- und Militär-Weesen vor und nach ergangener Verordnungen und Edicten, Bd. 2, Bonn 1773 Sammlung Churkölnischer Ordnungen, 1500-1800
d) Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (ULB) Kd 363
Vogel, Johann Philip Nerius Maria, Kurfürstlichköllnischer Hof-Kalender für das Jahr 1790
e) Archiv des Rhein-Sieg-Kreises, Siegburg AA 32 AA 33
Bonnensia Bonnensia
f) Archiv des Erzbistums Köln (AEK), Köln Bc 14 Christianitäten IV, Decanatus Burensis, Generalia Nr. 9
Generalvikariatsakten, Dekanatsakten Bonn I 16
Descriptio pastoratum archidioecesis Coloniensis 1730
Status animarum intra Bonnam in Parochia St. Martini sub districtu Immunitatis
Seelen und Kommunikantenzahl der Pfarreien, 1827
Gedruckte Quellen Agenda S. Coloniensis Ecclesiae, Köln 1637. BECKER-JÁKLI, Barbara, Köln um 1825 – ein Arzt sieht seine Stadt. Die medizinische Topographie der Stadt Köln von Dr. Bernard Elkendorf. Edition und Kommentar, Köln 1999. Beiträge zur Ausbreitung nützlicher Kenntnisse, Bonn 1784/85, online: , [7. Mai 2011]. Bönnisches Intelligenzblatt (Gnädigst priviligiertes Bönnisches Intelligenzblatt). In Anzeigen und Aufsätzen zum Besten des Nahrungsstandes und zur Beförderung der Aufklärung, Bonn 1772-1775/1785-1792, online: , [7. Mai 2011], [Der Jahrgang 1793 liegt nicht online vor, vgl. Bestand Bi-Film im StAB]. Bönnisches Wochenblatt oder Sammlung historischer, politischer, moralischer, physischer, ökonomischer und litterarischer Abhandlungen, Bonn 1785-1788, online: , [7. Mai 2011]. BÜSCHING, Anton Friedrich, Erdbeschreibung. Sechster Theil, der den westphälischen und den chur-rheinischen Kreis enthält, Hamburg 1790.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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Gedruckte Quellen
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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Orts- und Personenregister
Die Stichwörter „Bonn“ und „Kurköln“ entfallen. A Aachen 18 f. Abshoven (Buchhändler) 111 Alpen 206 Altona 179, 188 Alzey 11, 126 f., 130, 154, 165, 169, 188, 203, 208 Andermann, Kurt 204 Andernach 41, 57, 206 Angelbis, Bartholomäus 212 Ansbach 203, 224-226, 232 Ariès, Philippe 167 Augsburg 64 Aunillon (Abbé) 43, 87 B Bachman, Anna Christina (Hebamme) 192 Baden 176, 207, 266, 268 Baden, Markgraf Karl Friedrich von 268 Bamberg (Fürstbistum) 266 Bardet, Jean-Pierre 10 Basel (Schweiz) 51, 229, 233, 268 Bauch, Heribert (Pfarrer) 30 Bayern 87, 207 f., 276 Bayreuth 177 Becker, Frans Caspar 199 Becker, Matthias 212 Beethoven, Ludwig van 64, 100, 254 Belderbusch, Kaspar Anton von (Premierminister) 24, 48, 67, 74, 82, 102-105, 200, 269 f., 275, 295 Belm 184
Benelux (Belgien, Niederlande, Luxemburg) 207 Bentheim, Graf von 89 Berg (Herzogtum) 206, 209 Berlin 5, 11, 65 f., 136, 169, 177, 203, 218, 224, 243, 253, 276 Bertram (Stadtrat) 45 Beverförde, Friedrich Freiherr von 80 Bingen 206 Blankenheim in der Eifel 205 Blum, von (Hofkammerrat) 95 Bodifé (Vorsitzender der Kasernenkommission) 57 Böhmen 207, 266 f. Bona, Stefan 57 Bongarts, Johan Caspar 210 Bonn, Institutionen und Gebäude – Belderbuscher Hof 68, 70 – Bleiche 74 – Bönnerbach 14 – Brandmagazin 74 – Gudenauer Hof 70 – Gymnasium 21, 74, 114 – Haarfabrique von Mösch 56 – Haus „Zum Wasserfaß“ 46 – Haus „Zum Zehrgarten“ 100, 113 – Hofgarten 23, 79 – Höfisches Theater (Bonner Theater) 82, 88-90, 100, 113, 120 – Hohes Weltliches Gericht zu Bonn 20, 91 – Hofkapelle, siehe Schlosskapelle – Hospital 103, 137, 233 – Jesuitenhof 14 – Kapuzinerkloster 101 – Katzenburg 44 – Kerzenmanufaktur Prochaska 56
Orts- und Personenregister
– Kloster Engeltal 295 – Kloster Heisterbach 47 – Koblenzer Tor 23 – Markt 17, 26, 258 – Pfarrei St. Gangolf 12-14, 30-32, 93, 123, 133, 140, 162 f., 165 f., 222 f., 226, 289, 298 – Pfarrei St. Martin 12-14, 16, 30-32, 38 f., 43, 94 f., 148, 222 f., 225 f., 248, 298 – Pfarrei St. Petrus 12-14, 30 f., 38 f., 94, 148, 222 f., 226, 298 – Pfarrei St. Remigius 6, 8, 12 f., 16, 30 f., 92, 133, 139 f., 144, 148, 159, 165 f., 173, 176, 187, 192, 215, 220-222, 247, 289, 291 – Polizeihaus 75 – Poppelsdorfer Fayence Manufaktur 44 – Poppelsdorfer Schloss 23, 43 f., 84, 95, 98, 104, 256, 272 – Predigerhof 46 – Rathaus 21, 23, 75, 98, 100 f., 105, 163, 199, 269 – Residenzschloss 1, 23, 113 – Seifenmanufaktur Schmitz 56 – Schloss Clemensruhe, siehe Poppelsdorfer Schloss – Schloss Herzogsfreude 79 – Schlosskapelle 42, 80, 82, 86, 90, 100 – Schlosspark 100 – Sternenburg 43 – Stift St. Cassius und Florentius 70, 96, 111 – St. Isidor 16 – Wassermühle 74 – Welschnonnenkloster 73 – Wichelshof 14, 16 – Windmühle 47, 70 – Zucht- und Armenhaus 74, 104, 164 Bonn, Stadtteile (heutiges Stadtgebiet) – Beuel 19, 28, 206, 212, 254 – Bonner Berg 16
333
– Dietkirchen 12-14, 16, 22, 30-32, 38, 94, 251 – Dransdorf 14, 16, 37 – Dottendorf 209 – Duisdorf 209 – Eichholz 252 – Endenich 209 – Friesdorf 206 – Ippendorf 252 – Josefstadt 46 – Kessenich 14, 126, 170, 206, 209 – Küdinghoven 170 – Lengsdorf 252-256 – Oberkassel 136, 164, 206, 255 – Poppelsdorf 13 f., 39, 43-45, 79, 95, 272 f. – Rheindorf 37, 97 – Röttgen 45, 79 f., 252, 273 – Schwarzrheindorf 19, 212 – Ückesdorf 252 – Vilich-Rheindorf 19, 254 Bonn, Straßen – Acherstraße 71 – Am Engeltal, siehe Engeltalergasse – Am Hof 71 – Am Heisterbacher Hof 42, 71, 73 f., 295 – Am Schlachthaus 70, 72 – Am Wall 45 – An der Judengasse, siehe Liliengasse – An den Kapuzinern 71 – An den Kasernen 71 – An der Kallen (und Mühlengäßchen) 71, 295 – An der Krankenbaracke 71 – An der Windmühle 47 – Auf der Brücken 71 – Auf dem Butterweck 71 – Auf dem Dreieck 71 – Auf dem Markt 64, 70 f., 73, 92, 95, 98, 102, 113, 223, 269 f., 274 – Belderberg 71 – Berliner Freiheit 42
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– Bischofsgasse 70 f. – Bonngasse 45, 71, 295 – Brüdergasse 71, 197 – Commenderiestraße 71 – Engeltalergasse 71, 295 – Fischergasse 70 f., 95, 295 – Friedrichstraße 45 – Fürstenstraße 45, 70, 73, 95, 272 – Giergasse 71, 295 – Hatschiergasse 71 – Heiliger Michaelis Platz 42 – Heisterbacherhofstraße, siehe Am Heisterbacher Hof – Hofstraße 45 – Hospitalsgasse 45, 71 – Hundsgasse 71, 295 – In der Kaule 70, 72 – In der Sürst 70, 72 – Josephstraße 42, 47, 71 – Judengasse 42, 46 f., 50, 71 – Judengäßchen 72 – Kesselgasse 72 – Kleinhöfchen 70, 72 – Klostergasse 71 – Kölnstraße 45, 72 f., 295 – Kölntor 45 – Kommanderiestraße 47, 73 – Längs den Kasernen 45 – Liliengasse 46 f., 71, 73 – Löltgenstraße 46 – Maargasse 45, 72 – Marktplatz, siehe Auf dem Markt – Martinsplatz 50, 70 – Mauspfad 72 – Münsterplatz 70, 72 – Nach der Windmühle 70, 72 – Neugasse 72 f. – Neustraße, große 47 – Neustraße, kleine 47 – Pisternenstraße, siehe Sternstraße – Poppelsdorfer Allee 23 – Remigiusstraße 45, 295 – Rheingasse 72 – Risselstraße, siehe Vierecksplatz
Orts- und Personenregister
– Römerstraße 42 – Sandkaule 72, 295 – Schwabengasse 47, 72 – Sternstraße 72 – Sterntor 45 – Stiftsgasse 45, 72 – Stockenstraße 72 f., 92, 95, 101 – Theaterstraße 42 – Vierecksplatz 42, 45-47, 50, 72 f., 277 – Vivatsgäßchen 72 – Von der Windmühle bis ans Schlachtenhaus 72 – Vor St. Remigii 72 – Welschnonnenstraße 47, 72, 295 – Wenzelgasse 64, 72 f., 80, 92 Bonner Bann 20, 26 Bourgeois-Pichat, Jean 181-183 Brabant (Belgien) 209 Braubach, Max 21, 24, 78, 80-82, 107, 110, 273 Breslau 177 Breuer, Conrad 74 –, Daniel (Universitätsprofessor) 74 –, Hubert 74 –, Witwe 74 Broggia (Kaufmannswitwe) 54 Brühl – Schloss Augustusburg 1 – Schloss Falkenlust 1 Brüssel (Belgien) 224 Burri, Hans-Rudolf 171 Büsching, Anton Friedrich 33 C Clemens August (Kurfürst) 1, 5, 21, 23-25, 27 f., 34, 43 f., 47, 54, 57, 61, 66, 76, 79-87, 89-91, 95-97, 101-103, 105, 108, 110, 140, 148, 154, 192, 203, 207 f., 217, 219, 262, 271, 273-276, 278 f. Comer See (Italien) 206 Consbruch, Georg Wilhelm 191
Orts- und Personenregister
335
D
F
Daniels, Heinrich Gottfried 114 Deutschland 2, 8 f., 58, 82, 107, 114, 119, 125, 132, 152, 161, 164, 172, 176 f., 207, 242, 249, 252, 254 f., 264, 267 f. Deutz, siehe Köln-Deutz Dielhelm, Johannes Hermann 81 Dietz, Josef 29 f., 42, 46, 49, 53, 56, 94 f., 233 Dollen, Busso von der 20, 30-32 Dollendorff, Anton 98 Dresden 112 Duisburg 3, 5, 11, 14, 25, 40, 52, 122, 127, 129-134, 143 f., 146, 154, 161, 171, 173, 174, 176 f., 180 f., 195, 210, 229, 233, 247, 260 Durlach 218, 268 Düsseldorf 34, 40, 206, 272
Fabri (Bürgermeister) 34, 49 Falckenstein (Schneidermeister) 139 Falckenstein (Notar) 73 f. Ferdinand (Kurfürst) 21 Fischer (Bäckermeister) 64 Flensburg 229 Fonson, Johann Baptist 105 Forstheim, von (Obristmarschall) 112 François, Etienne 11, 88, 153, 171, 197, 207, 216, 233, 251, 257, 260, 265 Franken 207, 267 Frankfurt am Main 8, 27, 211 Frankreich 6, 8 f., 21 f., 25, 41, 79, 87, 107, 148, 179, 193, 207 Freising 83 Friedrich II. (Landgraf von HessenKassel) 272 Friedrichs, Peter 34 Fugger, Anna Rebecca Gräfin von 46, 85 Fürstenberg, Franz Egon 21 –, Wilhelm Egon 21
E Ehrenbreitstein 88 Eichhoff, Johann Peter 33, 36, 117, 193 Eifel 17, 205, 207 f., 252 Eller (Bäckermeister) 139 Elsass 207 Endres, Rolf 78 Engels, Caspar Wolff 199 England 9, 107, 147, 150, 179, 245 Ennen, Edith 8, 22, 30, 33, 37-39, 53 f., 63, 68-70, 94, 103 f., 211 f., 215, 264 Erzgebirge 267 Essen 18, 251 Europa 1, 25, 80, 88, 107, 119, 133, 135, 167, 174, 177, 185, 190, 207, 209, 240-244, 252-254, 261, 264, 267, 278 Eutin 177
G Gehrmann, Rolf 172, 243 Genf 11, 130, 144, 164 f., 169, 171, 177, 188, 196, 221 f., 224-226, 232, 235, 237 Gercken, Wilhelm Philipp 33 Geyr, von (Hofrat) 95 Gießen 5, 126 f., 130, 138 f., 171, 176 f., 179, 208, 253 Gmünd (Eifel) 252 Goethe, Johann Wolfgang von 119 Gonsenheim 144 Göteborg (Schweden) 253 Göttingen 114, 221 f., 224 f., 229, 265 Großmann, Gustav Friedrich Wilhelm 82
336
Gudenaw, von (Hofoberküchenmeister) 92 H Halle an der Saale 114, 211 Hamburg 18 f., 159, 164 f. Hannover 51, 87, 93, 233 Hauptmann (Kaufmann) 112 Hedderich, Philipp (Theologe) 114 Heller-Karneth, Eva 126 Helmstadt, Freiherr von 89 Henneberg, Freiherr von 89 Hennings, Lars 229 Henry, Louis 8 Herborn, Wolfgang 158, 162-164, 166-168, 182 Hersel 256 Hersfeld 130, 203, 208, 221, 224 f., 226 Herzog, Ludwig (Soldat) 198 Herzogenrath 252 Hesse, Werner 77, 159 Hessen 203, 207 Hewer, Wilhelm (Bäcker) 212 Hildesheim 84 Hirsch, Gertrudis 163 Hohenzollern, Graf von 43 Homberg an der Ohm 232 Höroldt, Dietrich 37, 53, 56, 94 I Imbertatus, von (Hofrat) 92 Imhof, Arthur 8-10, 126, 130, 138, 151, 164, 171 Italien 9, 20, 207, 209 J Jägers, Regine 125, 133, 146, 205, 229, 260 Japan 125 Jena 123, 135, 191, 193
Orts- und Personenregister
Joseph II. (Kaiser) 266 Joseph Clemens (Kurfürst) 1, 5 f., 22 f., 30, 41-43, 45-48, 73, 79, 83, 85, 95, 97, 101, 199, 210, 227, 271 Jülich-Berg (Herzogtum) 207 f., 252, 262 f., 267 f., 270, 278 Jülich (Stadt) 41, 224 f., 229, 248 Jung, Michael von (Hofschatzmeister) 47 K Kaiserswerth 57 Karlsruhe 11, 40, 113, 130, 218, 224 f., 232, 235, 237, 276 Kassel 224, 226, 272, 279 Katzenelnbogen 207 Kauhlen, Franz Wilhelm (Mediziner) 114, 252, 255 Kirchberg 232, 237 Kitschel (Sprachmeister) 95 Klebe, Friedrich Albert 33 Klein (Hoffischlieferant) 48, 79 Kleinholtz, Bartholomaeus 95 –, Ferdinandus 95 Kleve 207 f., 252 Kloke, Ines Elisabeth 179, 190 Knittler, Herbert 213 Knodel, John E. 135, 172, 186, 188 Koblenz 5, 11, 25, 40, 88 f., 92 f., 96, 102, 106, 112, 125, 129 f., 132, 135, 137 f., 153, 155, 161, 168 f., 171, 177, 179 f., 196, 198, 203, 207 f., 210, 216, 225, 229, 233-235, 237 f., 247, 250 f., 257, 260, 265-267, 273, 279 Koch, Anna Maria 113 Koep, Joan 48 Kohl, Thomas 129, 131, 146, 152, 156, 164, 169, 190, 259 Köln (Stadt) 19 f., 22, 24-27, 32-34, 38, 40, 43, 58, 60, 64, 76, 78, 80, 84,
Orts- und Personenregister
88, 95, 110, 113, 116, 118, 122 f., 191, 196, 204, 208, 212 f., 231, 238, 249, 251, 256-258, 260, 263 f. Königsberg 183, 252 f. Kottenforst 19, 43 Krefeld 127, 179, 247, 257 Kuffs, Elisabeth 153 Kurmainz 88, 207 Kurpfalz 207, 229 Kurtrier 88 f., 206-208 L Laichingen (Württemberg) 176 Landsberg 177 Lang, Joseph Gregor 33 Leipzig 80, 177 Leopold I. (Kaiser) 22 Leveilly, Michael 43, 80 Lindenborn, Heinrich 80, 110 Linz (Rhein) 57 Lille (Frankreich), siehe Ryssel Ludwig, Godfried 48, 79 Ludwig XIV. (König) 21 f. Lüttich (Belgien) 33 f., 83 Luzern (Schweiz) 11, 127, 154, 164, 173 f., 177, 179, 183, 232, 237 M Mähren 266 Mailand (Italien) 206 Mainz (Stadt) 4 f., 10 f., 26 f., 40, 58, 65, 88 f., 93, 96, 98, 104, 106, 112, 115, 122, 125-127, 129-137, 143 f., 146 f., 151-154, 157, 159-161, 164, 168 f., 171, 174, 177, 189 f., 195 f., 203, 207 f., 216, 225, 244 f., 247, 249-251, 253, 257, 266 f., 273, 276, 279 Manderscheid zu Blankenheim, Graf von 84 Mannheim 89, 229, 232 Mark (Grafschaft) 207, 209
337
Marnette, Maria Dorothea 197 Massenhausen 176 Mastiaux, Caspar Anton von 33, 115 Mattmüller, Markus 266 Max Franz (Kurfürst) 1, 13, 24, 27 f., 36, 40, 82, 85-88, 90 f., 95, 99 f., 103, 105, 107-111, 114, 137, 162, 192, 200 f., 219, 271, 273, 275 f. Max Friedrich (Kurfürst) 1, 24, 44, 61, 67 f., 81, 86 f., 89-91, 99 f., 102 f., 110, 113, 140, 146, 201, 224, 238, 273, 276, 278 Max Heinrich (Kurfürst) 21, 97 Memmingen 177 Merian, Matthäus 13, 30, 41, 46 Meulan 179, 185, 232 Metternich, Graf von 95 Mitteleuropa, siehe Europa Mitterauer, Michael 137 Moers (Domherr und Kammerrat) 95 Mols, Roger 30, 32 Monheim 177 Monro, Johannes Alexander 199 Monteynard (französischer Gesandter) 82 Müller, Christina 225 –, Johann Jakob 254 –, Rainer A. 89 –, Justus 268 München 50, 89, 233 Mündersdorf (Holstein) 177 Münster 33 f., 84, 108, 206 f., 212, 220, 224 Muntz, Anna 163 N Neu, Heinrich 54 Neuss 41, 57 Ney (Professor) 95 Niederlande 21, 25, 87, 209 Niederrheinische Bucht 18 Niehl (Schustermeister) 35 Niger 125
338
Notthaft, von (General) 226 O Oettingen 74, 224 f. Offenburg 177 Ohm, Gregor 104 Oppenheim 5, 11, 154, 165, 169, 181, 188, 221, 226, 231, 235, 237 Ordenbach (Stadtschreiber) 199 Osnabrück 84 Österreich 1, 79, 87, 207 P Paderborn 163 Paris (Frankreich) 9, 82 Passau 177 Pauli, Wilhelm 12, 148 Perrenoud, Alfred 169, 171, 188, 205 Pfister, Christian 164 –, Ulrich 10 Pieper, Elisabeth 81 Plettenberg, Ferdinand Graf von 80 Polen 267 Preußen 37, 136, 179, 203, 207, 211, 267 Prothmann, Ottmar 197 R Recklinghausen 110, 207 f. Rheinisches Schiefergebirge 18 Rhein 1, 15, 18-21, 23, 32 f., 42, 48, 60, 73, 88, 95, 101, 205 f., 223, 255 f., 272, 274 Rheinland 11, 20, 25, 40, 59, 103, 112, 135, 171, 176, 196, 198, 233, 248, 250, 253, 255-258, 262, 266 f., 278 Rödel, Walter G. 4, 10, 122, 126, 131, 135, 137, 143 f., 153 f., 159 f., 164, 169, 171, 195 f., 202, 244 f., 249251, 267
Orts- und Personenregister
Roll zu Bernau, Johann Baptist Freiherr von 80 Rom (Italien) 58 Rothin, Catharina (Hebamme) 139 Rouen (Frankreich) 10 Rozzoli (Bürgermeister) 112 Ruhrgebiet 10, 19 Ryssel (Lille/Frankreich) 46 S Saarbrücken 93 Sachse, Wieland 221 Sachsen 205, 207, 267 Sagér, Herr 74 Salings, Antonetta 103 Sankt Augustin-Hangelar 206 Sayn (Grafschaft) 207 Schaeffer, Bernhard 212 Schlegel (Schreinermeister) 35 Schleswig-Holstein 177, 229 Schlettwein, Johann August 268 Schmitz, Johann 212 –, Joseph 166 Schneider, Eulogius 114 f. Schönebeck, Konstantin von 33, 78 Schott, Herbert 96 Schröder, Godfried 153 Schultz, Helga 66, 217 Schwaben 33, 58 Schweden 9 Schweiz 266 Segeberg (Holstein) 177 Sharlin, Allan 217 Shorter, Edward 136 Siebengebirge 18 Sieg 19, 60 Siegburg 22, 205 Singapur 125 Sondermans, Margaretha 163 Spandau 165, 179, 188, 224, 229 Spiegel zu Diesenberg, Präsident von 112 Steinhausen (Leibmedikus) 192
Orts- und Personenregister
Stockhausen, Johann Adam 212 Stralsund 64 Straubing 177 Stuttgart 253 Süßmilch, Johann Peter 117 f., 213 T Thalhausen 176 Thüringen 207 Tille, Armin 54, 56 Trient (Italien) 3 Trier (Stadt) 5, 11, 27, 40, 77 f., 88, 112 f., 125, 129, 131, 135, 137-139, 143, 145 f., 152, 154-156, 161, 163, 168 f., 177, 188, 190, 205, 216, 259, 266 f., 273, 279
339
Wilhelm IX. (Landgraf von HessenKassel) 272 Windhagen (Westerwald) 212 Winterling, Aloys 81, 83, 87 Winterscheid, Antonius (Bäckermeister) 116, 212 Wittgenstein 196 Witzel, Jörg 221 Worms 152, 263 Wreden (Vorleser) 112 Wrigley, Edward 151 Württemberg 176, 207, 266, 270 Würzburg 76, 96, 98 f., 106, 198, 229 Wurzer (Arzt) 139 f. X
U
Xanten 206
USA 9
Z
V
Zedler, Johann Heinrich 191 Zschunke, Peter 134, 165, 169, 221
Viereck (Hofkurier) 46 Ville 19 Villip 163 Vogel, Johann Philip Nerius Maria 101 W Waldenfels, von (Minister) 86 Wallbott zu Bornheim, Freiherr von 43 Wehler, Hans-Ulrich 29 Weichs, von (Oberjägermeister) 95 Weimar 101, 135, 203 Weinsberg, Hermann 64 Westerwald 206-208 Westfalen 191, 206 f., 209, 212 Wetzlar 196 Wien (Österreich) 64, 177, 183
Bonner Pfarrbezirke im 17./18. Jahrhundert St. Remigius St. Gangolf St. Martin ¹ St. Peter ¹ ¹ gekennzeichnet sind nur die innerstädtischen Teile Entwurf: Christian Schlöder
im 18. Jh. von Juden bewohnte Straßen Kartengrundlage: Umzeichnung des Merian-Planes 1646, aus: Rheinischer Städteatlas I Nr. 6: Bonn, 1978, Tafel 1.
WILFRIED EHBRECHT (HG.)
STÄDTEATLANTEN VIER JAHRZEHNTE ATLASARBEIT IN EUROPA (STÄDTEFORSCHUNG. REIHE A: DARSTELLUNGEN, BAND 80)
Die Stadt als Forschungsprojekt verschiedener Disziplinen ist seit langem etabliert. Die vergleichende Städteforschung mit multidisziplinärem Ansatz dagegen ist im Institut für vergleichende Städtegeschichte (IStG) in Münster als einer der wenigen Forschungseinrichtungen institutionalisiert. Mit seiner Atlasarbeit ist das IStG seit seiner Gründung 1970 Teil des von der Commission Internationale pour l‘Histoire des Villes (CIHV) 1965 ins Leben gerufenen Europäischen Städteatlas – einem Großprojekt, dessen konkrete Arbeit in Teilprojekten auf nationaler oder regionaler Ebene geleistet wird. Die Beiträge dieses Bandes sind als eine Bilanz der bisherigen Atlasarbeit zu verstehen. 2013. XLVI, 385 S. 34 FARB. U. 53 S/W-ABB. 1 S/W KARTE. GB. 170 X 240 MM. ISBN 978-3-412-20631-4
böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar
RHEINISCHER STÄDTEATLAS HERAUSGEGEBEN VOM LVR-INSTITUT FÜR LANDESKUNDE UND REGIONALGESCHICHTE GESAMTREDAKTION: MARGRET WENSKY K ARTOGRAPHIE: ESTHER WEISS
Der Rheinische Städteatlas ist ein historisch-topographisches Nachschlagewerk zur Geschichte der rheinischen Städte. Die jeweilige Stadt erhält eine eigene Mappe mit einem Text- und einem Kartenteil. Die Texte behandeln die Strukturgeschichte des Ortes mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten. Als Standardkartenteil wird in jeder Mappe der historische Stadtplan in Form des jeweiligen Urkatasters aus dem frühen 19. Jahrhundert geboten, gefolgt von den entsprechenden Kartenausschnitten aus den amtlichen Kartenwerken bis zur Gegenwart. Ergänzt wird der Standardkartenteil durch historische Karten, Pläne und Ansichten. Zuletzt erschienen sind: 2011. LIEFERUNG XVIII: NR. 93 | LINNICH
NR. 95 | TITZ
2011. 24 S. 4 TAF. MIT 3 S/W- U. 6 FARB.
2011. 15 S. 6 TAF. MIT 7 S/W- U. 6 FARB.
ABB. U. KARTEN. MAPPE
ABB. U. KARTEN. MAPPE
ISBN 978-3-412-20590-4
ISBN 978-3-412-20652-9
NR. 94 | NEUSS 2011. 48 S. 14 TAF. MIT 5 S/W- U. 13 FARB. ABB. U. KARTEN. MAPPE ISBN 978-3-412-20589-8
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STADT UND GESELLSCHAF T STUDIEN ZUM RHEINISCHEN STÄDTEATLAS HERAUSGEGEBEN VOM LVR-INSTITUT FÜR LANDESKUNDE UND REGIONALGESCHICHTE REDAK TION MARGRET WENSKY EINE AUSWAHL BD. 1 | JOHANNES KISTENICH BETTELMÖNCHE IM ÖFFENTLICHEN SCHULWESEN EIN HANDBUCH FÜR DIE ERZDIÖZESE KÖLN 1600 BIS 1850 2001. XX, 1718 S. 1 FARB. FALTKARTE. 2 BDE. GB. ISBN 978-3-412-13001-5
BD. 4 | ASTRID KÜNTZEL FREMDE IN KÖLN INTEGRATION UND AUSGRENZUNG ZWISCHEN 1750 UND 1814 2008. XIV, 256 S. MIT 2 S/W-KARTEN UND 1 FARB. STADTPLAN ALS VORSATZ. GB. ISBN 978-3-412-20072-5
BD. 3 | MARGRET WENSKY (HG.) SONSBECK DIE GESCHICHTE DER NIEDERRHEINISCHEN GEMEINDE VON DER FRÜHZEIT BIS ZUR GEGENWART 2003. XVI, 425 S. 25 FARB. UND 127 S/WABB., 2 FARB. KARTEN. GB. ISBN 978-3-412-06103-6
BD. 5 | CHRISTIAN SCHLÖDER BONN IM 18. JAHRHUNDERT DIE BEVÖLKERUNG EINER GEISTLICHEN RESIDENZSTADT 2014. X, 342 S. 57 TAB. 2 FARB. FALTKART. IN RÜCKENT. GB.
TK908
ISBN 978-3-412-22246-8
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