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German Pages 345 [346] Year 2015
Marco Ottawa, Christian Rietz Betriebliche Marktforschung
Marco Ottawa, Christian Rietz
Betriebliche Marktforschung | Mehrwerte für Marketing, Steuerung und Strategie
2., aktualisierte und erweiterte Auflage
ISBN 978-3-11-042576-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-042577-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-042622-9 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalogue record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Coverabbildung: Walter Asmuth Satz: PTP-Berlin, Protago-TEX-Production GmbH, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort zur zweiten Auflage Nach bereits einem Jahr erlebt unser Buch seine zweite Auflage. Dass seine erste Auflage bereits nach einem Vierteljahr ausverkauft war, hat uns überrascht, aber auch darin bestätigt, mit ihm eine Marktlücke bedient zu haben. Die Resonanz auf die erste Auflage war überwiegend positiv, wobei wir zugeben müssen, die primäre Zielgruppe falsch eingeschätzt zu haben. Das größte Interesse wurde unserem Buch aus Instituten, aber auch aus der Lehre entgegengebracht, weniger jedoch aus der mutmaßlichen Kernzielgruppe der betrieblichen Marktforscher. Über die Gründe dafür können wir nur spekulieren. Inhaltlich bezogen sich die meisten Anmerkungen auf das Thema Beratung durch Marktforscher, weswegen wir unser Modell dazu erweitert haben. Unser Dank für lebhafte und befruchtende Diskussionen gilt vor allem Johanna Archutowski und Dirk Miller sowie Rochus Winkler und Veronika Falk. Dank zahlreicher neuer Publikationen, von denen hier nur Bode, Clow/Jones, Hague/Hague/Morgan, 2. Aufl., Malhotra 4. Aufl., Theobald und vor allem die von Marco Ottawa betreute hervorragende Masterarbeit „Grundlagen der betrieblichem Marktforschung“ von Sebastian Verführt genannt sein sollen, konnten wir viele neue Gedanken in unser Buch aufnehmen. Neu ist auch ein ausführlicher Abschnitt, der sich der Ethik in der Marktforschung widmet. Unser Dank gilt neben Rosemarie Wandel und Gloria Ottawa als bewährten Korrektorinnen sowie Sebastian Meinhardt für die Verbesserung unserer Grafiken einmal mehr den Bibliothekarinnen der Kölner Fachhochschule, die nichts unversucht gelassen haben, uns mit der ausgefallensten Literatur zu versorgen und dem Golfclub Waldbrunnen für seine zum Schreiben anregende Gastfreundschaft. Köln, im Mai 2015
Marco Ottawa, Christian Rietz
Vorwort von Marco Ottawa Im Sommersemester 2012 habe ich einen Lehrauftrag für betriebliche Marktforschung an der Fachhochschule Köln übernommen. Dort sollte ich den ersten Studenten des neuen Masterstudiengangs Markt- und Medienforschung als Praktiker die betriebliche Marktforschung näherbringen. Schließlich dient die Marktforschung als angewandte wissenschaftliche Disziplin in erster Linie Wirtschaftsunternehmen, auch wenn sie in den einschlägigen Verbänden und Presseorganen sowie oftmals auch in der Öffentlichkeit primär mit Marktforschungsinstituten in Verbindung gebracht wird. Im Rahmen der Vorbereitung auf meine Vorlesungsreihe recherchierte ich nach einschlägiger Literatur zu diesem Thema. Was ich fand, war in aller Regel veraltet oder behandelte die betriebliche Marktforschung, in der immerhin 75 % der 56.000 deutschen Marktforscher tätig sind (Schulze-Holz 2009, S. 3), nur auf wenigen Seiten. Es hatte sich in den vergangenen zehn Jahren, als ich mich als Quereinsteiger aus dem Marketing binnen Kurzem in die betriebliche Marktforschung einarbeiten musste, nichts geändert, denn schon damals gab es kein Lehrbuch oder eine systematische Einführung in diese Thematik. So beschloss ich, auf Basis meiner Vorlesung ein Buch zur betrieblichen Marktforschung zu verfassen, um diese Lücke in der Literatur zu schließen. Im Gegensatz zu meiner Vorlesung geht dieses Buch auch auf methodische Aspekte der Marktforschung ein. Es erhebt nicht den Anspruch, Werke zu qualitativen oder quantitativen Methoden ersetzen, sondern den Lesern, und dabei gerade den internen Kunden der betrieblichen Marktforschung, jedoch einen Überblick über relevante Methoden der Markt- und Sozialforschung vermitteln, ohne die ein betrieblicher Marktforscher in seinem Berufsleben nicht auskommen kann. Gleichzeitig soll es nicht in der Marktforschung Beschäftigte mit dem Fachvokabular dieser Disziplin vertraut machen. Diesen methodischen Part übernimmt dankenswerterweise Christian Rietz, Professor für Forschungsmethoden an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwendet dieses Buch in der Regel die männliche Form von Substantiven. Die hoffentlich zahlreichen Leserinnen mögen dafür bitte Verständnis haben. Köln, im Januar 2014
Marco Ottawa
Vorwort von Christian Rietz Das Spannungsfeld zwischen der betrieblichen Marktforschung, der Marktforschung an Hochschulen, der Marketingabteilungen und internen Auftraggeber sowie der Institutsmarktforschung ist bedingt durch unterschiedliche Herangehensweisen, unterschiedliche „Sprachen“ und unterschiedliche Kenntnisstände der beteiligten Stakeholder. In diesem Buch fokussieren wir die Zielgruppe der betrieblichen Marktforscher, die immer zwischen den verschiedenen Stakeholdern stehen und häufig einen nicht unerheblichen Anteil an „Übersetzungsarbeit“ leisten müssen. Ich hoffe, mit den methodischen Überlegungen, die sich zum größten Teil in Anhang A befinden, zu einem „Wörterbuch“ beitragen zu können, das diese Übersetzungsarbeit vereinfacht – und bin eigentlich aufgrund der engen Zusammenarbeit mit einem Vertreter der Zielgruppe recht optimistisch, dass das gelungen ist. Die zahlreichen und intensiven Diskussionen mit Marco Ottawa im Rahmen unserer über schon fast zehnjährigen Zusammenarbeit haben deutlich gemacht, dass einige zentrale forschungsmethodische Aspekte, die vor allem die Validität des marktforscherischen Handelns betreffen, im täglichen Ablauf der betrieblichen Marktforschung eine zu geringe Rolle spielen. Auch in Bezug auf dieses Thema sollen die methodischen Überlegungen einen Input und natürlich vor allem „Hilfe zur Selbsthilfe“ bieten. Wir sind gespannt auf die Feedbacks der Leser und hoffen, dass unser interbzw. besser transdisziplinäres Experiment gelungen ist. Köln, im Januar 2014
Christian Rietz
Danksagungen Ein Buch ist schnell gelesen, aber es zu schreiben, dauert lange. In diesem Sinne gebührt unser Dank vor allem unseren Familien, denen unser Buchprojekt manche gemeinsame Stunde gekostet hat. Unsere Ehefrauen Claudia Schmidt und Gloria Ottawa sowie Rosemarie Wandel haben unser Manuskript kritisch korrigiert und uns viele wertvolle Verbesserungsvorschläge geschenkt. Inhaltlich haben Simone van Koll und Ann-Kathrin Hennes sehr intensiv Korrektur gelesen. Simone van Koll hat uns daneben bei der Erstellung der Verzeichnisse und dem Layout viel Arbeit abgenommen. Fachlichen Dank schulden wir vor allem Susanne Eichhorn für ihren Rat bezüglich der rechtlichen Rahmenbedingungen und Jörg Kerler, was die Sekundärforschung sowie die Marktund Wettbewerbsanalyse anbelangt. Für die Erstellung bzw. Überlassung von Grafiken danken wir Rosemarie Wandel, Sandra Meiers, Jörg Kerler und Marcel Breuer. Ein besonderer Dank gilt Walter Asmuth für die exklusive Zeichnung des Titelbildes. Nicht zuletzt gilt unser Dank Dr. Stefan Giesen, der das Werden unseres Buches ebenso fachkundig wie geduldig begleitet hat.
Stimmen Was stellst du dir unter einem Marktforscher vor? Jemand, der auf den Markt geht und nach Taschendieben schaut. Jan Tiebing, 07.02.2013 Die Mafo war toll, aber was machen wir damit? Thomas Böhnke, 20.11.2012 Es ist die Aufgabe der Marktforscher, dem Marketing Wege zu zeigen, uns weniger zu nerven und gleichzeitig mehr zu helfen. Tim Polzehl, 19.11.2012 Ein generelles Problem, wofür aber nicht die Mafo ursächlich ist, ist die Tatsache, dass wir gerne gründlich analysieren und tonnenweise Daten und Studien anhäufen, aber dann nicht genug auf die Straße kriegen. Wir wissen zwar in der Theorie gut, wie es gehen sollte, können es aber nicht umsetzen oder viel zu spät. Vielleicht kann die Mafo darauf aufbauend eher in ein „Consulting“ übergehen und ausgehend von der Zielsetzung des Anforderers überlegen, was wirklich an Mafo benötigt wird. Oliver Stalp, 19.11.2012 Marktforschungsergebnisse sind totes Kapital, wenn mit ihnen nicht gearbeitet wird. Marc Schwarze, 28.06.2013 Marktforscher sind die Totengräber der kreativen Ideen. Thomas Liehr, 10.07.2013 Bei einer Marktforschung kommt immer das raus, was derjenige hören will, der die Marktforschung bezahlt hat. Mirca Möller, 28.11.2012 Das Ende unserer Profession ist nah! In Anbetracht der vielen Artikel und Vorträge über Anforderungen an die Marktforschung und ihre Zukunft muss einem angst und bange werden. Hartmut Scheffler (2013), S. 6 Haben Sie Powerpoint, oder haben Sie etwas zu sagen? Christian Bode, 25.04.2012
Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4 1.7 1.7.1 1.7.1.1 1.7.1.2 1.7.1.3 1.7.2 1.7.2.1 1.7.2.2 1.7.2.3 1.7.2.4 1.7.3 1.7.4 1.7.5 1.7.6 2 2.1 2.1.1 2.1.2
Einführung in die betriebliche Marktforschung | 1 Zielsetzung | 1 Zielgruppen des Buches | 3 Definition der betrieblichen Marktforschung | 4 Spezifika der betrieblichen Marktforschung | 7 Forschungsbereiche der betrieblichen Marktforschung | 9 Markt- und Wettbewerbsanalyse | 11 Aufgaben und Inhalte der Markt- und Wettbewerbsanalyse | 16 Definition der für die Markt- und Wettbewerbsanalyse benötigten Daten | 19 Quellen und Methoden der Markt- und Wettbewerbsanalyse | 20 Organisation der Markt- und Wettbewerbsanalyse | 23 Exkurs: Der ideale betriebliche Marktforscher | 24 Ausbildung und methodische Kenntnisse | 27 Ausbildung | 27 Methodenwissen | 30 Software | 31 Kennen des eigenen Unternehmens | 32 Organisation und Prozesse | 32 Produkte | 32 Konkurrenten | 33 Interne Kunden | 33 Kennen der Marktforschungsbranche | 35 Soft Skills | 37 Kundenorientierung | 40 Fortbildung | 41
Rahmenbedingungen betrieblicher Marktforschung | 43 Organisation | 44 Aufbauorganisation einer Marktforschungsabteilung | 44 Integration der betrieblichen Marktforschung in die Unternehmensorganisation | 49 2.1.3 Ablauforganisation | 54 2.2 Budget | 58 2.2.1 Grundsätzliche Rahmenbedingungen | 58 2.2.2 Budgetzyklus | 61 2.2.2.1 Sammlung des Forschungsbedarfs | 61 2.2.2.2 Grobplanung | 62 2.2.2.3 Feinplanung auf Teilbudgets | 64
XII | Inhaltsverzeichnis
2.2.2.4 2.2.2.5 2.2.2.6 2.2.2.7 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4
Maßnahmenplanung | 66 Monitoring | 67 Forecast | 69 Möglichkeiten der Kostenreduzierung | 70 Rechtliche Aspekte | 72 Datenschutz | 72 Standesrecht | 78 Branchenrecht | 80 Kundenbeschwerden | 82 Grenzfälle der Marktforschung | 84 Gesellschaftliche und betriebliche Rahmenbedingungen | 85 Unternehmensleitbild | 85 Corporate Social Responsibility | 86 Geschlechtsneutralität (Gender) | 87 Ethik in der Marktforschung | 89 Ethisches Handeln gegenüber internen Kunden | 90 Ethisches Handeln gegenüber Probanden | 91 Ethisches Handeln gegenüber Dienstleistern | 94 Vermeidung ethischen Fehlverhaltens | 95
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7
Marktforschung längs des Produktlebenszyklus | 97 Exploration | 98 Ideation | 98 Konzeption | 99 Produktentwicklung | 99 Markterprobung | 100 Marktphase | 100 Abmanagen | 101
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7
Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie | 103 Vorbereitung | 104 Informationsbedürfnis | 104 Bedarfsanmeldung | 108 Auftragsklärung | 110 Informationssammlung | 113 Informationsaufbereitung und -bewertung | 114 Grobe Definition der Methodik | 115 Make or buy | 116
Inhaltsverzeichnis | XIII
4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.2.1 4.2.2.2 4.2.2.3 4.2.2.4 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6
Ausschreibung | 121 Partner | 121 Ausschreibung im engeren Sinne | 122 Wer kann die Studie durchführen? | 122 Kontakt zu Instituten | 125 Ausschreibungsunterlagen | 126 Ausschreibende Stelle | 129 Auftragsklärung | 129 Institutsauswahl | 130 Beauftragung | 136 Institutsbriefing | 137 Projektplan | 139 Feldarbeit | 139 Stichprobengröße festlegen und Rekrutierung klären | 139 Vorbereitung der Feldarbeit | 142 Feldarbeit | 144 Analyse | 145 Datenerfassung und -analyse | 145 Präsentation erstellen | 146 Ergebnisse | 146 Ergebnispräsentation | 146 Sonderauswertungen | 147 Nachschau | 147 Rechnungslegung | 149 Ergebnisverwertung und weitere Projektbegleitung | 149 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung | 151 Mitarbeiterbefragungen | 151 Internationale Marktforschung | 162 Sekundärforschung | 167 Social Media Analysen | 180 Big Data | 193 Medienanalyse | 200
XIV | Inhaltsverzeichnis
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4
Ergebnispräsentation und -verwertung | 203 Ergebnispräsentation | 203 Zielgruppe der Ergebnispräsentation | 204 Erwartungen der Zuhörer | 205 Format der Ergebnispräsentation | 207 Gliederung einer Ergebnispräsentation | 210 Inhalt und Aufbau einer Präsentationsseite | 211 Techniken der persönlichen Präsentation | 213 Ergebnisverwertung | 216 Studienberichte | 218 Studiendatenbank | 220 Studienvernetzung | 223 Studiensystem | 225
7 7.1
7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.3
Mehrwert betrieblicher Marktforschung | 229 Mehrwert und Grenzen klassischer betrieblicher Marktforschung | 229 Steigerung des Mehrwerts durch Vertiefung und Verlängerung der Wertschöpfungskette | 230 Prämissen | 230 Vertiefung der bestehenden Aufgaben | 234 Verlängerung der Wertschöpfungskette nach vorne | 236 Verlängerung der Wertschöpfungskette nach hinten | 237 Erfolgskontrolle in eigener Sache | 247
8
Aktuelle Trends und Ausblick | 249
A A.1 A.2 A.3 A.4
Methoden in der betrieblichen Marktforschung | 255 Einleitung | 255 Aspekte der Stichprobe | 257 Messen | 266 „Qualität“ einer Messung: Objektivität, Reliabilität und Validität | 272 Variablen | 275 Reaktivität als Grundproblem der Marktforschung | 278 Kausalität, Untersuchungspläne und interne und externe Validität | 280 Konfidenzintervalle | 288 Signifikanz | 291 Anwendung statistischer Verfahren | 298 Qualitative und quantitative Verfahren | 299
7.2
A.5 A.6 A.7 A.8 A.9 A.10 A.11
Inhaltsverzeichnis | XV
B B.1 B.2 B.3 B.4 B.5
Die Situation der Marktforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz | 301 Berufsverbände für Markt- und Sozialforscher | 302 Deutschland | 302 Deutschsprachiges Ausland | 305 Internationale Verbände | 305 Zeitschriften, Marktforschungsportale, und sonstige Netzwerke von Marktforschern | 307
Abkürzungsverzeichnis | 309 Literaturverzeichnis | 311 Monografien | 311 Aufsätze aus Sammelwerken | 315 Herausgeberwerke | 319 Aufsätze aus Zeitschriften | 319 Literatur aus dem Internet | 321 Studien | 324 Studentische Arbeiten | 325 Präsentationen und Vorträge | 325 Sonstiges | 326 Quellen aus zweiter Hand | 326
Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1: Marktforschung als Black Box | 2 Abb. 1.2: Betriebliche Marktforschung als Auflösung der Black Box | 3 Abb. 1.3: Abgrenzung von Betriebs- und Institutsmarktforschung anhand der Dimensionen Anzahl der Branchen und methodische Vielfalt | 5 Abb. 1.4: Forschungsgegenstände der betrieblichen Marktforschung | 10 Abb. 1.5: Marktforschungsaktivitäten | 11 Abb. 1.6: Wissenspyramide | 13 Abb. 1.7: Business Intelligence als Teilbereich der Market Intelligence | 13 Abb. 1.8: Tätigkeitsbereiche von Markt- und Wettbewerbsanalyse und Marktforschung | 14 Abb. 1.9: Die Objekte der Marketing-Forschung | 15 Abb. 1.10: Market Intelligence scope and the related user groups | 16 Abb. 1.11: Benefits of systematic Market Intelligence | 18 Abb. 1.12: Fähigkeiten, Qualifikationen und Kenntnisse eines betrieblichen Marktforschers | 25 Abb. 1.13: Faktoren der Vertrauensbildung | 34 Abb. 2.1: Behinderungen und Förderungen betrieblicher Marktforschung | 43 Abb. 2.2: Fünfrollenmodell in der betrieblichen Marktforschung | 47 Abb. 2.3: Dreirollenmodell der betrieblichen Marktforschung | 48 Abb. 2.4: Marktforschung als Stabsstelle der Geschäftsführung | 49 Abb. 2.5: Marktforschung als Abteilung in der Linie | 50 Abb. 2.6: Dislozierte Marktforschungsabteilungen | 51 Abb. 2.7: Kombination von zentraler und dislozierten Marktforschungsabteilungen | 52 Abb. 2.8: Vor- und Nachteile verschiedener Organisationsformen betrieblicher Marktforschung | 55 Abb. 2.9: Zyklus des Marktforschungsbudgets | 62 Abb. 2.10: Auswahlfaktoren für Marktforschungsprojekte | 65 Abb. 2.11: Ethischer Rahmen betrieblicher Marktforschung | 90 Abb. 3.1: Klassischer Produktlebenszyklus | 97 Abb. 4.1: Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie | 104 Abb. 4.2: Wechselbeziehungen zwischen Information, Budget, Genauigkeit und Zeit | 112 Abb. 4.3: Verzahnung qualitativer und quantitativer Forschung | 116 Abb. 4.4: Entscheidungsparameter von make or buy | 117 Abb. 4.5: Die Struktur von Briefingfakten | 127 Abb. 4.6: Vergleichsschema für Angebote | 134 Abb. 4.7: Beziehung zwischen Marktforschung und Marketing Management | 150 Abb. 5.1: Vor- und Nachteile verschiedener Auswerter von Mitarbeiterbefragungen | 160 Abb. 5.2: Äquivalenzen in der internationalen Marktforschung | 166 Abb. 5.3: Secondary Research Landscape | 170 Abb. 5.4: Influencers of Analyst Investment Decision | 174 Abb. 5.5: Evaluation of Individual Analyst Firms | 175 Abb. 5.6: Wechselspiel zwischen Primär- und Sekundärforschern | 178 Abb. 5.7: Kategorien von Social Media (1/2 | 182 Abb. 5.8: Kategorien von Social Media (2/2) | 182 Abb. 5.9: Anwendungsfelder von Social Media in der Marktforschung | 183 Abb. 5.10: Übergang von Social Media Analysen 1.0 zu 2.0 | 191 Abb. 5.11: „Big Data“ | 194
XVIII | Abbildungsverzeichnis
Abb. 5.12: Kategorisierte Antworten von N = 1144 Fachleuten zur (gestützten) Frage, wie „Big Data“ definiert werden kann | 195 Abb. 5.13: Kategorisierte Angaben auf die offenen Fragen nach Datenquellen und AnalyseTools | 196 Abb. 6.1: Muster für eine Präsentationsfolie | 213 Abb. 6.2: Die Rolle(n) des Marktforschers bei der Informationsweitergabe | 217 Abb. 6.3: Felder der Marktforschung in einem Studiensystem | 226 Abb. 7.1: Schnittstellen der betrieblichen Marktforschung. Die dunkler hinterlegten Felder kennzeichnen Schnittstellen außerhalb des eigenen Unternehmens, die hell hinterlegten interne Schnittstellen | 232 Abb. 7.2: Erweiterte Wertschöpfungskette | 234 Abb. 7.3: Parameter marktforscherischer Beratungskompetenz | 243 Abb. 7.4: Dreieck der marktforscherischen Beratungsleistung | 244 Abb. A.1: Berechnung der optimalen Stichprobengröße auf Basis von einer Effektgröße von 0,2, einem Alpha-Fehler von 0,05, einer Power von 0,8 und einem Test von zwei unabhängigen Stichproben bzw. der wiederholten Messung einer Stichprobe | 260 Abb. A.2: Ziehung einer (einstufigen) Zufallsstichprobe | 261 Abb. A.3: Beispiel für Ratingskalen | 269 Abb. A.4: Unabhängige und abhängige Variable | 275 Abb. A.5: Zwei unabhängige und eine abhängige Variable | 276 Abb. A.6: Gegenseitige „Beeinflussung“/Korrelation zwischen zwei Variablen | 277 Abb. A.7: Korrelationsmatrix | 277 Abb. A.8: Experimentelles Design (O1 = erster Erhebungszeitpunkt, O2=zweiter Erhebungszeitpunkt, T=Treatment, C=Kontrollgruppe) | 282 Abb. A.9: Ergebnisausgabe eines Mittelwertevergleichs (t-Test) in SPSS | 295 Abb. A.10: Ergebnisse einer Korrelationsanalyse als SPSS-Ausgabe | 296 Abb. A.11: Ergebnisse einer multiplen Regressionsanalyse als SPSS-Ausgabe | 296 Abb. B.1: Verteilung der deutschen Marktforscher auf haupt- und nebenamtlich Tätige | 301 Abb. B.2: Verteilung der deutschen Marktforscher auf Betriebe und Institute | 302
Tabellenverzeichnis Tab. 4.1: Musterformular für ein Institutsbriefing | 128 Tab. 4.2: Institutsbriefing | 138 Tab. 4.3: Checkliste zur Adressselektion | 141 Tab. 5.1: Analysten-Steckbrief | 176 Tab. 7.1: Vor- und Nachteile marktforscherischer Beratung durch betriebliche Marktforschungen und Marktforschungsinstitute | 245 Tab. A.1: Stichprobenplan für die Ziehung einer repräsentativen Stichprobe Alter (in Klassen) × Geschlecht × Schulabschluss bei Realisierung einer Stichprobe der Größe N = 1000 basierend auf Angaben aus der amtlichen Statistik | 263 Tab. A.2: Skalenniveaus und Möglichkeiten der univariaten statistischen Auswertung | 268 Tab. A.3: 99 %iges Konfidenzintervall für die tägliche Nutzung sozialer Netzwerke in Minuten in Abhängigkeit von der Stichprobengröße (Mittelwert 87,3 Minuten, Varianz 9230, 99 %iges Konfidenzintervall mit einem z-Wert von 2.58) | 291 Tab. A.4: Fehler bei der Entscheidung | 292
1 Einführung in die betriebliche Marktforschung 1.1 Zielsetzung Angesichts der Tatsache, dass unternehmerische Entscheidungen auch heute noch vielfach auf dem Bauchgefühl von Managern beruhen (vgl. Corporate Executive Board 2012) bzw. die Effizienz unternehmerischen Handelns durch Marktforschung signifikant gesteigert werden kann (vgl. MIT 2011, S. 1), sollen Entscheidungsträger zum Nachdenken in Richtung fundierter Entscheidungen auf Basis von Marktforschung angeregt werden. Marktforschung kann und soll dabei nicht dazu dienen, unternehmerische Entscheidungen zu ersetzen. Dafür sind die Einflussfaktoren auf unternehmerische Entscheidungen zu komplex. Sie soll allerdings dabei helfen, besagte Entscheidungen auf Basis wissenschaftlicher Methoden zu validieren und somit die Komplexität der Umwelt zu reduzieren. Als traditioneller Informationslieferant des Marketing-Managements steht sie „somit im Mittelpunkt des absatzmarkbezogenen Wissensmanagement“ (Grundei 2000, S. 1). Wenn wir Marktforschung nicht als Wissenschaft für sich, sondern als Disziplin, die sich diverser geistes-, ingenieurs- und mathematisch-wissenschaftlicher Methoden bedient, definieren, ergibt sich daraus die jeder Fachdisziplin anhaftende Gefahr, schnell in ein für Außenstehende unverständliches Fachjargon zu verfallen, welches sich als Black-Box (s. Abb. 1.1) erweist. Das Marketing steht hier stellvertretend für eine Unternehmenseinheit, welche Fragen an ein Marktforschungsinstitut gestellt hat, die dessen Fachsprache und -methoden aber nicht oder nur unzureichend versteht. Um die Black Box aufzulösen, bedarf es eines Mittlers, der sowohl die Sprache und Fragestellungen des Marketings als auch die der Marktforschungsinstitute versteht. Als Lösung ist an eine Marktforschungsberatung zu denken.1 Sie kann fallweise in Studien mit einbezogen werden, ohne dass gleich eine eigene betriebliche Marktforschungsabteilung aufgebaut werden muss. Die folgende Aufstellung stellt die Stärken und Schwächen eines derartigen Konstrukts dar.
|| 1 planung & analyse (2014a, S. 9) definiert Marktforschungsberater wie folgt: „Berater in der Marktforschung bieten vor allem Empirie-basierte Beratungsleistungen an, die auf Marktforschung beruhen. Die Grenzen zwischen Full-Service-Instituten und Marktforschungsberatungen können fließend sein.“
2 | 1 Einführung in die betriebliche Marktforschung
Marketing mit seinen Fragen
TausenderKontaktpreis? Cross-SellingPotenzial? Churn?
Kauftreiber?
Absatzpotenzial?
Black Box
Standardabweichung
Inzidenz
Reliabilität CAPI, CAWI
Marktforschungsinstitut mit seinen Antworten
Abb. 1.1: Marktforschung als Black Box (Ottawa, Marco)
Pro Marktforschungsberatung: – Kein Aufbau fester, u. U. kostspieliger Personalkapazitäten – Kann auch nur fallweise bei komplexen Studien hinzugezogen werden Contra Marktforschungsberatung: – Kennt die beauftragende Firma nicht – Methodisch nicht immer auf aktuellem Stand, falls nicht spezialisiert – U. U. zu den Firmeninteressen konträre „private“ Aspekte bei der Institutsauswahl Eine wirklich überzeugende Auflösung der Black Box (s. Abb. 1.2) kann also nur jemand bieten, der sowohl das Marketing mit seinen Problemen und Anforderungen als auch die Institutsseite mit ihren Methoden und Antworten kennt und daneben dem beauftragenden Unternehmen als dessen Bestandteil absolut loyal gegenübersteht. Diese Rolle kann am besten von einer betrieblichen Marktforschung ausgefüllt werden, die in beide Richtungen übersetzen, interpretieren und vor allem auch bewerten kann.
1.2 Zielgruppen des Buches | 3
Marketing mit seinen Fragen
TausenderKontaktpreis? Cross-SellingPotenzial? Churn?
Kauftreiber?
Absatzpote
Betriebliche Marktforschung als: Black Box • Übersetzer • Interpret • Bewerter
Standardabweichung
Inzidenz
Reliabilität CAPI, CAWI
Marktforschungsinstitut mit seinen Antworten
Abb. 1.2: Betriebliche Marktforschung als Auflösung der Black Box (Ottawa, Marco)
1.2 Zielgruppen des Buches Das vorliegende Buch wendet sich nicht nur an erfahrene betriebliche Marktforscher (wie Abb. 1.2 dies auf den ersten Blick vielleicht suggerieren könnte), sondern auch an Berufseinsteiger, die solides Wissen in ihrem neuen Tätigkeitsbereich erwerben möchten. Darüber hinaus richtet sich es sich an Institutsmarktforscher, die bislang noch nicht als betriebliche Marktforscher tätig waren. Es ermöglicht ihnen, eine Vorstellung davon zu gewinnen, wie ihre Arbeitsergebnisse beim Kunden genutzt werden und hilft ihnen dabei, eigene Produkte und Dienstleistungen zu optimieren. Über den relativ engen Kreis der hauptberuflichen Marktforscher hinaus wendet sich dieses Buch vor allem auch an Marketiers und andere Anforderer und Nutzer von Marktforschungsergebnissen in Betrieben und Behörden. Sie sollen ein besseres
4 | 1 Einführung in die betriebliche Marktforschung
Gefühl dafür bekommen, wie ihnen (betriebliche) Marktforschung bei der täglichen Arbeit helfen kann, aber auch, was sie von ihr erwarten dürfen und müssen. Aus diesem Grund orientieren sich die Kernkapitel des Buchs stark am Produktlebenszyklus einerseits und den vier Ps des Marketings (Product, Price, Promotion, Place) andererseits. Dadurch soll aufgezeigt werden, an welchen Stellen und in welcher Form Marktforschung sinnvoll, ja vielleicht sogar notwendig sein kann. Schließlich wendet sich das Buch auch an Studierende und Lehrende, die sich mit betrieblicher Marktforschung beschäftigen. Hiermit sind nicht nur die „reinrassigen“ Studiengänge zu Marktforschung an den Fachhochschulen in Pforzheim und Köln gemeint, sondern auch die vielen Studiengänge der Betriebswirtschaft, insbesondere mit dem Schwerpunkt Marketing, der Sozialwissenschaft, der Wirtschaftspsychologie oder der Psychologie. Daneben soll es auch die Ausbildung und den Berufseinstieg der Fachangestellten für Markt- und Sozialwissenschaften, kurz FAMS, unterstützen.
1.3 Definition der betrieblichen Marktforschung Der Begriff „betriebliche Marktforschung“ ist für dieses Buch bewusst gewählt worden, stellt er doch die traditionelle Bezeichnung des Aufgabenspektrums dar, das in Unternehmen von Marktforschungsspezialisten abgedeckt wird. In der Praxis ist er, wie eine im Netzwerk von PUMa, der Plattform Unternehmens Marktforscher, also im deutschen Sprachraum, durchgeführte Abfrage ergab, vielfach bei unverändertem Aufgabengebiet durch englische Begriffe ersetzt worden. Dabei wurden am häufigsten „Market Research“ und „Market Intelligence“ genannt. Marktforschung spielte als Bezeichnung der eigenen Abteilung nur eine untergeordnete Rolle (vgl. Wahl 2013). Diese Befunde können durch die Befragung von Verführt (vgl. 2014, S. 68) grundsätzlich bestätigt werden. Demnach ergaben sich bei 84 Befragten 43 unterschiedliche Abteilungsbezeichnungen im Rahmen der betrieblichen Marktforschung. Die betriebliche Marktforschung ist grundsätzlich den gleichen ethischen und wissenschaftlichen (vgl. Bergmann 1999, S. 846–848) Grundsätzen verpflichtet wie die Marktforschung in Instituten oder der Lehre. Ihre Besonderheit beruht auf ihrer direkten Einbindung in eine Organisation, für die sie Forschungsergebnisse erbringen soll. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei dieser Organisation um ein auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes Unternehmen, eine Non-Profit-Organisation oder eine Behörde handelt. Insofern trifft die Definition von Tscheulin/Helmig (vgl. auch Frieser 2006, S. 21) den Charakter der betrieblichen Marktforschung sehr gut: Die betriebliche Marktforschung grenzt sich von der Institutsmarktforschung durch die örtliche und personelle Verankerung im Betrieb ab. Sie verfolgt grundsätzlich dieselben Ziele wie die externe Marktforschung und unterliegt den gleichen theoretischen Rahmenbedingungen. (Tscheulin/Helmig 2007, S. 327)
1.3 Definition der betrieblichen Marktforschung | 5
Weitere Abgrenzungskriterien zur Institutsmarktforschung können die Dimensionen Branchen- und Methodenvielfalt sein. Betriebliche Marktforschungen werden, eine gewisse Größe vorausgesetzt, gegenüber den traditionell eher kleinen und vielfach spezialisierten Instituten eine größere Auswahl an Methoden anwenden (lassen). Demgegenüber sind Institute für gewöhnlich in mehr Branchen als die betriebliche Marktforschung tätig, wie die folgende Abbildung von Falk/Ottawa verdeutlicht. Gleichwohl gibt es auch integrierte, eher größere und große Institute, die ein vielfältiges Methodenspektrum abdecken, sowie betriebliche Marktforschungen bei Mittelständlern, die aufgrund dessen eingeschränkten Produktportfolios nur eine geringe Anzahl von Forschungsmethoden einsetzen.
Institut
Anzahl der Branchen
Spezialisiertes Institut
Integriertes Institut
Betriebliche Marktforschung Mittelständische Unternehmen (z. B. Kühne)
Konzerne (z. B. Procter & Gamble)
Methodische Vielfalt
Abb. 1.3: Abgrenzung von Betriebs- und Institutsmarktforschung anhand der Dimensionen Anzahl der Branchen und methodische Vielfalt (Falk, Veronika/Ottawa, Marco)
Die betriebliche Marktforschung muss, um ihre Aufgabe gut erfüllen zu können, vor allem auf die folgenden Fragen eingehen. Sie beziehen sich primär auf den Informationsbedarf des Marketings, sind aber auch auf andere, von der Marktforschung mit Informationen zu versorgende Bereiche wie etwa Strategie oder Vertrieb anwendbar. Fragen zur Ermittlung des Marketinginformationsbedarfs (Ottawa, Marco, nach: Kotler/Keller/Bliemel 2007, S. 155): 1. Welche Entscheidungen haben Sie für gewöhnlich zu treffen? 2. Welche Informationen brauchen Sie für diese Entscheidungen? 3. Welche Informationen werden Ihnen üblicherweise geliefert? 4. Welche Sonderberichte fordern Sie in welchen Zeitintervallen an?
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5. 6. 7. 8. 9. 10.
Welches Informationsmaterial, das Sie eigentlich gerne hätten, erhalten Sie gegenwärtig nicht? Welche Informationen benötigen Sie täglich, wöchentlich, monatlich oder jährlich? Welche Veröffentlichungen (z. B. Fachzeitschriften, Marktberichte und Branchenberichte) würden Sie gerne regelmäßig lesen? Über welche spezifischen Themenbereiche wollen Sie stets auf dem Laufenden gehalten werden? Welche Datenanalyseprogramme sollte man Ihnen zur Verfügung stellen? Welches wären Ihrer Meinung nach die vier nützlichsten Änderungen, die am gegenwärtigen Marketinginformationssystem vorgenommen werden könnten?
Das vorliegende Buch lässt die betriebliche Marktforschung allerdings nicht bei diesen marktgetriebenen Fragestellungen enden, sondern bezieht auch explizit interne Fragestellungen ein. Dazu zählen beispielsweise Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit, internen Dienstleistungsqualität oder der Optimierung interner Prozesse da beide Bereiche von Fragestellungen mit einem ähnlichen Methodenspektrum beantwortet werden können. Ein Sonderfall, auf den in diesem Buch allerdings nicht vertieft eingegangen wird, ist das Outsourcing betrieblicher Marktforschung in eigenständige Firmen. Eine mögliche Form solchen Outsourcings ist eine Ausgründung. Ein Beispiel dafür ist die Firma delta Marktforschung – Gesellschaft für Marktforschung, Analyse und Beratung mbH –, die aus der betrieblichen Marktforschung des Verlags Du Mont Schauberg hervorgegangen ist. Eine andere Form stellt etwa die Firma MRC Managing Research for Companies GmbH dar. Sie hat sich darauf spezialisiert, die Arbeit betrieblicher Marktforschungen zu übernehmen. Das kann zum einen dauerhaft, also als Ersatz für eine eigenständige betriebliche Marktforschungsabteilung, geschehen, aber auch fallweise, um beispielsweise Arbeitsspitzen abzufangen oder Marktforscher in Elternzeit temporär zu ersetzen. Nach der Definition der betrieblichen Marktforschung stellt sich nun die Frage, wann es für ein Unternehmen überhaupt sinnvoll und lohnenswert ist, eine eigene betriebliche Marktforschung, und bestünde sie auch nur aus einer einzigen Person, einzurichten. Koch (vgl. Koch 1999b, S. 797 f.) führt dazu vier Bedingungen, die nicht alle gleichzeitig erfüllt sein müssen, an: – Marktforschungsaufgaben stehen regelmäßig und in größerem Umfang an. – Das mit der Marktforschung betraute Personal muss über das nötige Fachwissen verfügen. – Im Vergleich zur Fremdmarktforschung, d. h. etwa Institute oder Marktforschungsberater, muss ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis vorliegen. – Es besteht ein so hohes Sicherheitsbedürfnis, dass die Marktforschung nur hausintern durchgeführt werden sollte.
1.4 Spezifika der betrieblichen Marktforschung | 7
Darüber hinaus erleichtert es die Kommunikation zwischen den Bedarfsträgern von Marktforschungsinformationen und der Marktforschung, wenn diese als betriebliche Marktforschung im eigenen Haus angesiedelt ist und nicht räumlich und organisatorisch entfernt wie ein Institut.
1.4 Spezifika der betrieblichen Marktforschung Ein besonders kritischer Punkt für die betriebliche Marktforschung ist ihre Neutralität. Diese ist zusammen mit der Einhaltung des Standesrechts eine der tragenden Stützen marktforscherischen Handelns und Arbeitens. Gerade kleinere Institute, welche unter Umständen wirtschaftlich von einem einzigen Auftraggeber abhängig sind, stecken zum Teil in dem Dilemma, erwünschte, aber nicht zutreffende Ergebnisse liefern zu müssen oder den nächsten Auftrag zu verlieren, möglicherweise gar die gesamte Geschäftsbeziehung zu riskieren. Noch größer kann für betriebliche Marktforschungen die Gefahr, erwünschte Ergebnisse liefern zu müssen, sein. Vielfach sind betriebliche Marktforscher ihren internen Auftraggebern fachlich und disziplinarisch unterstellt. Wie dieser Gefahr entgegengewirkt werden kann, wird später in Kapitel 2.1 näher erläutert. Daneben kostet betriebliche Marktforschung Geld, ohne unter Umständen selbst Forschungsergebnisse zu produzieren. Wenn lediglich 37 % von Top-Entscheidern in einer Umfrage2 durch „Marktforschung für ihr Unternehmen einen höheren Erfolg“ (Franzen/Strehlau 2013, S. 1) erwarten, kann das zu einer dauerhaften Diskussion über den Nutzen und Mehrwert einer solchen Abteilung führen. Eines der Ziele dieses Buches ist es, den Mehrwert betrieblicher Marktforschung herauszustellen. Im Gegensatz zum Institutsmarktforscher sind betriebliche Marktforscher, auch wenn sie keine formelle Leitungsfunktion in ihrem Unternehmen haben, in aller Regel Führungskräfte. Diese Rolle, auf die in Kapitel 4 näher eingegangen wird, ist keine Führungsfunktion im klassischen Sinne, sondern ergibt sich aus der Rollenverteilung von Auftraggeber und Auftragnehmer. Ein weiteres Spezifikum betrieblicher Marktforschung sind die zum Teil gravierenden Gehaltsunterschiede im Vergleich zu Instituten. So lagen 2014 die Bruttogehälter deutscher betrieblicher Marktforscher im Mittelwert mit 66.729 € um 30 % über denen von Institutsmarktforschern. Nimmt man den Median der Gehälter als Maßstab, ergibt sich bei einem Median von 59.950 € bei betrieblichen Marktforschern sogar ein Plus von 39 % gegenüber den Institutsmarktforschern (vgl. marktforschung.de/Tivian 2014, S. 12). 2012 lagen die Unterschiede im Mittelwert noch bei 24 % bzw. im Median
|| 2 Die Basis dieser Erhebung ist mit n = 55 Top-Entscheidern deutscher Unternehmen allerdings nur von begrenzter Aussagekraft.
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bei 32 % (vgl. marktforschung.de/Tivian 2012, S. 9). Die Schere zwischen den Gehältern in der betrieblichen Marktforschung und Instituten wird, wenn man die Gehaltsstudien von marktfortschung.de/Tivian (vgl. marktforschung.de/Tivian 2013 und 2014) der letzten Jahre betrachtet, immer größer. Von 2014 zu 2013 hat sich der Abstand im Mittelwert um 2, im Median sogar um 6 Prozentpunkte vergrößert. Andere empirische Befunde (vgl. Jacobs/Bayerl/Horton 2013, S. 88) zeigen weitere Unterschiede zwischen betrieblichen und Institutsmarktforschern. So sind die Kooperationsbereitschaft mit anderen Marktforschern und die Identifikation mit dem Berufsbild Marktforscher bei Institutsmarktforschern ausgeprägter als bei betrieblichen Marktforschern. Möglicherweise ist das eine Ursache für das von den Autoren wahrgenommene, im Vergleich zu Institutsmarktforschern geringere Engagement betrieblicher Marktforscher in Verbänden und bei sonstigen Aktivitäten der Marktforschung jenseits des eigenen Unternehmens. Auf die Gehälter in der amerikanischen Marktforschung geht Quirk (2014, S. 15–21) ein. Daneben beschäftigt sich diese Studie u. a. mit Marktforschungsbudgets, Ausbildung und Arbeitszufriedenheit. Was das Image des betrieblichen Marktforschers anbelangt, stehen auf der Habenseite ständig neue intellektuelle Herausforderungen, die Arbeit mit interessanten Menschen sowie die große Verantwortung. Die Kehrseite sind hoher persönlicher Einsatz, ein im Vergleich zu anderen Tätigkeiten im Umfeld von Marketing und Strategie gerade für Akademiker eher geringes Gehalt sowie Abhängigkeit von Krisen (vgl. IFAK 2009, S. 34 f.). Die Arbeitszufriedenheit betrieblicher Marktforscher mit ihrer Tätigkeit liegt deutlich über der ihrer in Instituten beschäftigten Kollegen (77 % zu 69 %), (vgl. a. a. O., S. 36). Bei der Beurteilung des Arbeitsumfeldes fällt der Unterschied in der Zufriedenheit geringer (64 % zu 60 %) (vgl. a. a. O., S. 37) aus. Bei freier Assoziation auf die Frage: „Was ist ein Marktforscher?“, nannten betriebliche Marktforscher hauptsächlich „Berater“, „Analyst“ und „neugierig“ (vgl. Jacobs/ Bayerl/Horton 2013, S. 85–87). Den Stellenwert der betrieblichen Marktforschung beleuchtet Verführt (vgl. 2014, S. 59) in seiner Umfrage unter betrieblichen Marktforschern. Demnach geben 73 % der Befragten an, Entscheidungsprozesse in ihrem Unternehmen würden durch Marktforschung unterstützt und abgesichert, 57 % dass durch Marktforschung erkannter Handlungsbedarf ernst genommen und umgesetzt wird und 55 %, dass Marktforschung in ihrem Unternehmen einen hohen Stellenwert hat. Über ein angemessenes Budget zu verfügen, bestätigen 50 %, eine adäquate personelle Ausstattung bejahen lediglich 32 %. Gerade die personelle Ausstattung, die 39 % als zu gering erachten, stellt eine kritische Ressource dar.
1.5 Forschungsbereiche der betrieblichen Marktforschung | 9
1.5 Forschungsbereiche der betrieblichen Marktforschung Neben der unter Kapitel 1.3 angeführten Definition der betrieblichen Marktforschung bedarf es einleitend noch einer Beschreibung ihres Wirkungskreises bzw. der von ihr zu erforschenden Bereiche. Meffert (1992, S. 16) unterscheidet zwischen Marketing- oder Absatzforschung einerseits und Marktforschung andererseits. Erstere widmet sich den Marketingaktivitäten, innerbetrieblichen Sachverhalten sowie dem Absatzmarkt, wohingegen letztere die Märkte im engeren Sinne, also Absatz- und Beschaffungsmarkt, betrachtet. Diese Meinung vertreten auch Fantapié Altobelli/Hoffmann (vgl. 2011, S. 4 f.). Diese auch aktuell noch gültige Unterscheidung soll für dieses Buch jedoch nicht aufgegriffen werden, da die Autoren die Unterscheidung in betriebliche und Institutsmarktforschung bezogen auf dessen Schwerpunkt für relevanter halten. Die betriebliche Praxis zeigt nämlich, dass gerade auf den Marketingaktivitäten der Schwerpunkt der betrieblichen Marktforschung liegt. Nach Ansicht der Autoren reicht ihr Wirkungskreis deutlich über die Absatz- und Beschaffungsmärkte hinaus. So ist zunächst nach Forschung innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu unterscheiden, wobei der Schwerpunkt auf der externen, sprich Marktsicht, liegt. Der Begriff Markt ist dabei weit zu fassen. Im engeren Sinne umfasst er die aus Sicht des forschenden Unternehmens an dessen Marktauftritt Beteiligten. Das sind in erster Linie die Kunden, bei denen vor allem Kaufprozess, Produktnutzung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Loyalität erforscht werden. Auf sie und die potenziellen Kunden bezieht sich ebenfalls die Forschung rund um die vier Ps (Product, Place, Price, Promotion) des Marketings (vgl. Kotler/Keller/Bliemel 2007, S. 25 und Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2012, S. 22), also Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Vertriebsforschung. Gegenstand der betrieblichen Marktforschung können auch Partner des forschenden Unternehmens, also etwa Lieferanten oder Vertriebspartner, sein. Gleichwohl greift die in der marktforscherischen Praxis manchmal unterstellte Gleichsetzung von Marktforschung und Marketingforschung zu kurz (vgl. Pepels 2014, S. 19 f.). Das leitet zur Erforschung des Beschaffungsmarktes in Gestalt von (Vor)produkten, Ideen und Innovationen sowie (zukünftigem) Personal über. Weis/Steinmetz (vgl. 2012, S. 466) führen als Bestandteile der Beschaffungsmarktforschung zudem Herstellermarketing, Konditionenpolitik, Lieferpolitik und Marketingunterstützung der Anbieter auf. Vertiefende Literatur zur Beschaffungsmarktforschung bieten Koppelmann (2004, S. 339–365) und Piontek (1993, S. 67–88). Dass auch der Einkauf ein wichtiger Empfänger von Informationen aus der Marktforschung sein kann, zeigen Hedin/Hirvensalo/Vaarnas (vgl. 2011, S. 185–195). Vertiefende Literatur bieten dazu Wolf (1999, S. 559 f.) und vor allem Blom (1999, S. 666– 678). Da die freie Marktwirtschaft auf dem Konkurrenzprinzip beruht, spielt auch die Wettbewerbsanalyse (vgl. Kapitel 1.6) eine wichtige Rolle im Portfolio der be-
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trieblichen Marktforschung. Schließlich gilt deren Augenmerk auch der Rezeption des Unternehmens im Markt, sei es in klassischen Medien (vgl. Kapitel 5.6), Social Media (vgl. Kapitel 5.4) oder im persönlichen Austausch zwischen Menschen. Einen Sonderfall, die Rechtsforschung, stellt Pflüger (2007) vor. Während die Forschung außerhalb des Unternehmens häufig eher präsent ist, gibt es noch zahlreiche interne Forschungsaufgaben, die zur betrieblichen Marktforschung zu zählen sind. Dazu gehören vor allem die klassischen Mitarbeiterbefragungen im Sinne von Stimmungsbildern der Belegschaft, Untersuchungen von Prozessen und Tools wie Softwares sowie sonstige anlassbezogene Forschung wie etwa die ex post Betrachtung eines Messeauftritts (vgl. Kapitel 5.1). Einen Spezialfall, quasi die Schnittmenge aus der unternehmensexternen und -internen Sicht, stellt die Forschung zu externen Fragestellungen mit internen Probanden dar. Zu denken ist hier beispielsweise an Usability Tests von Neuprodukten, in denen Mitarbeiter als „friendly user“ fungieren. Die Abb. 1.4 fasst die unterschiedlichen Aufgabenfelder der betrieblichen Marktforschung zusammen. Resümierend umfasst das Aufgabengebiet der betrieblichen Marktforschung alle betrieblichen Fragestellungen, die sich mit den Methoden der Marktforschung beantworten lassen.
• klassische Medien • Social Media • Mund zu Mund
Mitarbeiterbefragung
Rezeption im Markt
Wettbewerber
Kapitalmärkte
• Produktion • Absatz
Partner Prozesse, Tools
Sonstiges, wie z.B. Veranstaltungen
intern
extern
• Bindung Kunden• Zufriedenheit • Bedürfnisse Marketing
externe Themen mit internen Probanden
Beschaffung • Güter • Personal • Ideen
• • • •
Produkt Kommunikation Preis Vertrieb
Abb. 1.4: Forschungsgegenstände der betrieblichen Marktforschung (Ottawa, Marco/Wandel, Rosemarie)
1.6 Markt- und Wettbewerbsanalyse | 11
Welche Aufgaben betriebliche Marktforschungen in der Praxis übernehmen, zeigt Verführt (vgl. 2014, S. 70). Demnach stehen Primär- und Sekundärforschung ganz klar im Fokus der betrieblichen Marktforscher. Demgegenüber nehmen Customer Intelligence und Business Intelligence nur eine untergeordnete Bedeutung ein.
Für welche Marktforschungsaktivitäten ist Ihre Abteilung zuständig? 98
Primärmarktforschung (Field Research)
94 93
Sekundärmarktforschung (Desk Research)
83 72
Wettbewerbsanalyse (Competitive Intelligence)
67 30
Kundendatenanalyse (Customer Intelligence)
38 35
Medienbeobachtung (Social Media Monitoring, Pressemonitoring etc.)
42 28
Unternehmensdatenanalyse (Business Intelligence)
30 7
Unternehmensbibliothek (Corporate Library) Sonstige
8 4 8
Betriebliche Marktforscher in Marktforschungsabteilung (n=100) Betriebliche Marktforscher in anderer Abteilung / Stellen mit Marktforschung als Teilaufgabenbereich (n=84) Angaben in Prozent Basis: n=184 Mehrfachantworten möglich
Abb. 1.5: Marktforschungsaktivitäten (Verführt 2014, S. 70)
1.6 Markt- und Wettbewerbsanalyse Die Markt- und Wettbewerbsanalyse, in deutschen Unternehmen gerne auch als Market and Competitive Intelligence bezeichnet, ist eng mit der Marktforschung verwandt, bedient sie sich doch, wie weiter unten erläutert, grundsätzlich ähnlicher Methoden der Datenerhebung und -aufbereitung. Weitere häufig verwendete Synonyme sind Business Intelligence oder Market Monitoring (vgl. GIA 2007, S. 9). Ihr Fokus entspricht jedoch nur teilweise dem der Marktforschung. Nach Wolfrum/ Riedl (2000, S. 689 f.) ist:
12 | 1 Einführung in die betriebliche Marktforschung
Explizite Konkurrenzforschung (…) als notwendiger Bestandteil einer umfassenden Marktforschung anzusehen (…). Denn nur dann kann diese ihren Auftrag der problemgerechten Bereitstellung und Aufbereitung der für die Marketingentscheidungen notwendigen Informationen vollständig erfüllen.
Dem gegenüber grenzt GIA (2004, S. 1) die Wettbewerbsanalyse klar von der Marktforschung ab: Competitive Intelligence is not market research or industrial espionage. While market research often focuses on fulfilling a specific information need or set of needs, intelligence is a completely legal ongoing process of developing a holistic picture of the operating environment including competitors, customers and markets.
Ergänzend führt GIA (2004, S. 1) aus: Competitive Intelligence (CI) is regarded as the broadest score of intelligence activities covering the whole external environment of the company and targeting all levels of decision-making, i. e. strategic, tactical and operative.
Die Definition der Market Intelligence der Global Intelligence Alliance (GIA 2013a) gibt das Wesen der Markt- und Wettbewerbsanalyse zutreffend wieder: Market Intelligence helps organizations understand their business environment, compete successfully in it, and grow as a result. As a program, Market Intelligence collects information about market players and other strategically relevant topics and processes it into insights that support decision-making. Organizationally, Market Intelligence is typically placed under strategic planning, business development or marketing.
Nach Ingwald (2014) beinhaltet Market Intelligence die vier Kernmerkmale: – Kontinuierlicher Prozess der Erhebung und Analyse – Generierung von Marktwissen – Vielfältigkeit der zu erhebenden Daten – Entscheidungsorientierung Market Intelligence ist demnach strategischer ausgerichtet als die klassische Marktforschung (vgl. Göb 2010, S. 203 f.). In Ergänzung zur Marktforschung, die ihren Schwerpunkt auf Kunden und Produkte legt, beschäftigt sich die Markt- und Wettbewerbsanalyse primär mit Marktteilnehmern, sprich (potenziellen) Konkurrenten, und strategisch relevanten Sachverhalten Die einzelnen Bestandteile der Market Intelligence hat Crowley (2004) anschaulich in einer Pyramide (s. Abb. 1.6 dargestellt). Die folgende Grafik von Ingwald (2014) bezieht unter dem Begriff Market Intelligence auch Supplier und Business Intelligence ein.
1.6 Markt- und Wettbewerbsanalyse | 13
Market Intelligence
Competitive Insight
Market Insight
Competitor Product Market Customer Intelligence Intelligence Understanding Insight • Investments • Organization Changes • Corporate Strategy • Acquisitions • Key executive profiles
• Pricing • Product Introductions • Product Promotions • Specification Comparisons • Cost Structure
• Market Size • Market Forecasts • Technology Trends • Segmentation
• Brand Preference • Loyalty Rates • Purchase Dynamics • Brand Awareness • Brand Consideration • Key product concerns
Abb. 1.6: Wissenspyramide (Ottawa, Marco nach Crowley, 2004)
Umwelt (Makro) Market Intelligence Markt (Mikro) Lieferanten Supplier Intelligence
Abnehmer Customer Intelligence
Unternehmen
Wettbewerber
Business Intelligence
Competitive Intelligence
Abb. 1.7: Business Intelligence als Teilbereich der Market Intelligence (Ingwald 2014)
14 | 1 Einführung in die betriebliche Marktforschung
Schnittmenge der von Markt- und Wettbewerbsanalyse und Marktforschung betrachteten Themen stellt der Markt dar, wie die Abb. 1.8 veranschaulicht. Marketing research is typically focused on answering specific questions, or tracking specific issues. While it can benefit from good processes, it is a finite “task” (or series of tasks). Market intelligence is a process, an ongoing interactive process. (Crowley 2004, S. 5)
Die in Abb. 1.8 angeführte relevante Umwelt lässt sich nach Schneider (2013, S. 231– 233) in die Makro- und die Mikro-Umwelt unterscheiden. Deren Komponenten führt Abb. 1.9 auf.
Marktforschung Kunden Lieferanten Personal Partner
4 Ps des eigenen Unternehmens Rezeption des eigenen Unternehmens
Markt 4 Ps der Wettbewerber Rezeption der Wettbewerber
Strategisches Wettbewerberumfeld Relevante Umwelt
Markt- und Wettbewerbsanalyse
Abb. 1.8: Tätigkeitsbereiche von Markt- und Wettbewerbsanalyse und Marktforschung (Ottawa, Marco)
1.6 Markt- und Wettbewerbsanalyse | 15
Ökonomische
Technologische
Soziokulturelle
Makro-Umwelt
Politische/ gesetzliche
Physische
Unternehmen
Konkurrenten
Abnehmer
Mikro-Umwelt Absatzmittler
Lieferanten
Absatzhelfer Abb. 1.9: Die Objekte der Marketing-Forschung (Ottawa, Marco nach Schneider 2013, S. 233)
Die Markt- und Wettbewerbsanalyse ist eine vorwiegend kontinuierliche, das gesamte Unternehmensumfeld betrachtende Aufgabe. Zur Erforschung der jeweiligen Beobachtungsfelder bedient sich die Markt- und Wettbewerbsanalyse grundsätzlich der gleichen, auf oberster Ebene nach Primär- und Sekundärforschung unterteilten Forschungsmethoden. Gleichwohl unterscheiden sich die dabei verwendeten Quellen zum Teil erheblich, worauf weiter unten noch genauer eingegangen werden wird.
16 | 1 Einführung in die betriebliche Marktforschung
1.6.1 Aufgaben und Inhalte der Markt- und Wettbewerbsanalyse Aufgabe der Markt- und Wettbewerbsanalyse ist die Beschaffung, Archivierung, Auswertung, das Reporting sowie die Nutzung markt- und wettbewerbsrelevanter Informationen (vgl. Kairies 2005, S. 19). Sie bezieht sich dabei auf drei Dimensionen (vgl. GIA 2010b, S. 5). Die erste sind Bezugsbereiche außerhalb des eigenen Unternehmens, also Forschung und Entwicklung mit neuen Trends und Themen, die Lieferanten sowie Peer Groups und Kapitalmärkte. Alle diese Bereiche beeinflussen die Wertschöpfung des Unternehmens, die die zweite Dimension darstellt. Dazu werden neben den Lieferanten auch Wettbewerber und Kunden beobachtet. Die dritte Dimension ist unternehmensintern ausgelegt, bezieht sie sich doch auf die wichtigsten Informationsabnehmer, mithin die Unternehmenskommunikation, Marketing und Vertrieb sowie Customer Relationship Management. Die Abb. 1.10 illustriert den Zusammenhang der drei Dimensionen.
Corporate Planning & Business Development: Strategic Intelligence Trends and Themes
Industries
Investor Relations: Peer Group & Capital Markets Intelligence
Companies
Scope
Sourcing: Supplier Intelligence
Business Environment Trends and Critical Themes
Supplier Industry Intelligence
Industry Intelligence
Customer Industry Intelligence
Supplier Intelligence
Competition Intelligence
Customer Intelligence
Corporate Communications: Media Intelligence
Marketing & Sales: Market & Product Intelligence CRM: Key Customer Intelligence
Interest Groups Value Chain Dimension All Decision-Makers: Market Monitoring
Abb. 1.10: Market Intelligence scope and the related user groups (Ottawa, Marco nach GIA 2010b, S. 5)
Fleisher/Bensoussan sehen drei Hauptaufgaben der Wettbewerbsanalyse (2003, S. 144): – to identify competitor’s future strategies and plans – to predict competitor’s likely reactions to competitive initiatives – to determine how well matched a competitor’s strategy actually is to its capabilities to understand a competitor’s weaknesses
1.6 Markt- und Wettbewerbsanalyse | 17
Die Markt- und Wettbewerbsanalyse vollzieht sich idealtypisch in einem sechsstufigen Prozess: 1. Needs analysis 2. Covering secondary information sources 3. Primary research 4. Analysis 5. Delivery 6. Utilization & Feedback Dieser GIA (2010b, S. 8) entnommene Prozess, dessen sechster Schritt wieder in den ersten mündet, erweckt den Eindruck, bei der Markt- und Wettbewerbsanalyse handele es sich ausschließlich um einen kontinuierlichen Prozess. Neben den regelmäßigen Beobachtungen gibt es aber auch immer wieder Ad-hoc-Anfragen zu einmaligen oder durch den Regelprozess nicht abgedeckten Fragestellungen. Was den Umfang der betrachteten Wettbewerber anbelangt, werden in Deutschland 8,5 von ihnen intensiv und weitere 17,5 weniger intensiv beobachtet, wobei die Anzahl der Wettbewerbsanalysen von 2010 auf 2011 spürbar gestiegen ist (vgl. planung & analyse/research tools 2012, S. 23 f.). Um die Markt- und Wettbewerbsanalyse nicht um ihrer selbst zu betreiben, ist die Nutzung der Informationen und Daten entscheidend, was Kairies prägnant beschreibt: Die aus der Überwachung von Konkurrenten gewonnenen Informationen dürfen nicht in Sackgassen verschwinden. Sie müssen dem Management aufbereitet zur Verfügung gestellt werden und in Geschäftsleitung Vertrieb, Marketing, Entwicklung und Produktion sinnvoll genutzt werden. (Kairies 2005, S. 19)
Beispiele dafür sind etwa Wettbewerbsvergleiche zu Werbung, Vermarktungsaktionen oder dem Produktportfolio von Konkurrenten. Hauptnutzer der Markt- und Wettbewerbsanalyse sind vor allem die Strategie (41 %), Marketing und Vertrieb (35 %) sowie Produkt und Innovation (19 %) (vgl. GIA 2007, S. 32). Bezogen auf die Hierarchieebene der Nutzer entstammen 36 % dem Top Management, 38 % dem mittleren Management sowie 26 % dem Kreis der Experten (vgl. GIA 2013b, S. 20). Wenn Management und Strategie von ihrer Markt- und Wettbewerbsanalyse behaupten können: „Aus den Erkenntnissen über den Wettbewerb lassen sich marktgerechte Ziele ableiten und Strategien entwickeln, die eigene Position am Markt zu verbessern“ (Kairies 2005, S. 20), hat die Markt- und Wettbewerbsanalyse ihren Zweck erfüllt. Was die zielgruppengerechte Ausrichtung und Aufbereitung der Markt- und Wettbewerbsanalyse anbelangt, benötigen nach Jenster/Solberg Søilen (2000, S. 180) das Top Level Management strategische, das Middle Level Management taktische und die Front Line Employees operative Informationen. Die Akzeptanz der bereitgestellten Informationen fördern neben ihrer Relevanz nicht zuletzt auch ihre ansprechende und managementgerechte Aufbereitung und Präsentation.
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Eine Befragung zur Wettbewerbsanalyse in Deutschland hat ergeben, dass ein besseres Bild von der Konkurrenz bzw. Information mit 84 % Nennung das Hauptziel der Wettbewerbsanalyse aus betrieblicher Sicht ist. Es wird gefolgt von einem besseren Bild vom Markt bzw. Marktkenntnis und dem schnellen Erkennen von Veränderungen im Markt (vgl. planung & analyse/research tools 2012, S. 25). Die Vorteile der Markt- und Wettbewerbsanalyse fasst die Abb. 1.11 anschaulich zusammen.
1. BETTER AND FASTER DECISIONS Impact of MI and Decision Making Better decisions: Backing up decisions by research-based insights to capitalize on opportunities and to eliminate risks Faster decisions: Avoiding surprises and having the constant capability of making educated decisions even under time pressure
2. TIME AND COST SAVINGS Organizational Efficiency Time savings: Shifting decision-makers’ time-spend from looking for accurate information to making decisions based on it Cost savings: Avoiding inefficiencies and redundancies in purchasing and processing business information
Increased Competitiveness and Profitability
3. ORGANIZATIONAL LEARNING AND NEW IDEAS Shared Understanding and Collective Idea Generation Organizational learning: Facilitating shared understanding and insight creation through continuously exposing employees to fresh intelligence content New ideas: Involving the organization in collectively identifying emerging opportunities, threats and strategic themes of relevance
Abb. 1.11: Benefits of systematic Market Intelligence (GIA 2010a, S. 5)
Um diese Vorteile aus einer systematischen Markt- und Wettbewerbsanalyse ziehen zu können, müssen nach GIA (2009, S. 8) sechs organisatorische, technische und kulturelle Erfolgsfaktoren erfüllt sein: 1. Intelligence Scope: Start from small and redefine the Scope along the way; 2. Intelligence Process: Design and implement MI Process that are integrated with decision making, i. e. Decision Point Intelligence; 3. Intelligence Deliverables: Design and produce concrete Market Intelligence Deliverables; 4. Intelligence Tools: Adopt a specialized Market Intelligence tool that enables global sharing of MI; 5. Intelligence Organization: Build a results-driven Organization with optimized resourcing; 6. Intelligence Culture: Create an intelligence Culture in your organization.
1.6 Markt- und Wettbewerbsanalyse | 19
1.6.2 Definition der für die Markt- und Wettbewerbsanalyse benötigten Daten Vor dem Aufbau einer systematischen Markt- und Wettbewerbsanalyse müssen die relevanten Märkte und Wettbewerber definiert werden, um aus der nahezu unbegrenzten Fülle von Informationen aus der Umwelt des eigenen Unternehmens möglichst nur die relevanten zu erfassen. Die Beschränkung darf allerdings nicht zu eng sein, um nicht mögliche Bedrohungen aus ursprünglich nicht relevanten, aber im Laufe der Zeit Substitutionsprodukte aufbauenden Märkten zu übersehen. Beispiele für solche jenseits der angestammten Branche entstehenden Konkurrenten sind die Ablösung der Schreibmaschine durch den ursprünglich aus der Großrechnertechnologie stammenden PC oder die zunehmende Verdrängung von Gesellschaftsspielen durch Handyspiele. Aktuelle derartige Trends sind die Angriffe von Internetunternehmen auf etablierte Telekommunikationsanbieter oder das Eindringen letzterer in den Fernsehmarkt. Neben der Relevanz der Information darf nicht vergessen werden, dass das Relevant Set in aller Regel nicht statisch, sondern laufend auf Anpassungsbedarf hin zu überprüfen ist (vgl. Hamelau 2004, S. 290). Das führt zu der grundsätzlichen Frage, welche Informationen für und durch eine erfolgreiche Markt- und Wettbewerbsanalyse gesammelt werden sollten. Für die Wettbewerbsanalyse hat Kairies (2005, S. 59–64) eine recht umfassende Zusammenstellung der Beobachtungsgegenstände vorgestellt, die im Folgenden aufgeführt sind (Ottawa, Marco nach Kairies 2005, S. 59–64): – Unternehmen – Steckbrief (Rechtsform, Gewinn, EBITDA etc.) – Organisationsstruktur – Management – Mitarbeiter – Kostenstruktur – Produktion (Kosten, Verfahren etc.) – Forschung, Entwicklung und Konstruktion – Vertrieb und Marketing – Service – Beschaffung – Produktgruppen, Produkte und Technik – Dienstleistungen – Preise und Preisverhalten – Marktposition und Distribution – Kommunikation – Übergeordnete Ziele und Strategien – Typisches Auftreten von Wettbewerbern – Marktposition von Wettbewerbern
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Diese Auflistung lässt sich mit Fleisher/Bensoussan (2003, S. 147 f.) um folgende Punkte ergänzen: – personelle Ausstattung – soziopolitische Faktoren (u. a. Kontakte in die Politik) – Customer Intelligence-Kapazität – Strategie – Wert der Kunden – Finanzkennzahlen Ein weiterer, gerade in technologisch orientierten Unternehmen wichtiger Untersuchungsgegenstand sind Patente, die von Konkurrenten gehalten werden. In der Praxis werden in Deutschland bezogen auf die Wettbewerber am häufigsten Innovation (75 %), Markterfolg (67 %), Unternehmensstrategie (60 %) und Finanzkennzahlen (60 %) bzw. auf die 4 Ps des Marketings bezogen Product (93 %), Promotion (85 %), Price (81 %) und Place mit lediglich 44 % beobachtet (vgl. planung & analyse/research tools 2012, S. 27). Unabhängig von Beobachtungsgegenstand und Quelle der Information ist die folgende Aussage bemerkenswert: In fact, while external contacts such as suppliers or other industry participants are valuable resources, our experience has demonstrated that as much as 75 percent of the human intelligence an organization requires is probably already inside the company somewhere, minimizing the need to make direct forays into the marketplace to ask questions. (Sawka 1996, S. 51)
Eine wesentliche Aufgabe der Markt- und Wettbewerbsanalyse besteht demnach darin, diese bereits im Unternehmen vorhandenen Informationen aufzuspüren, zentral abzulegen, Dritten zugänglich zu machen und die mit der Informationsgewinnung verbundenen Prozesse zu bündeln, um Kosten einzusparen. Daher ist das Thema Wissensmanagement für die Markt- und Wettbewerbsanalyse von zentraler Bedeutung (vgl. 5.2).
1.6.3 Quellen und Methoden der Markt- und Wettbewerbsanalyse Nach der Definition der relevanten Informationsfelder gilt es im nächsten Schritt, dafür aussagekräftige Quellen zu finden. Wie schon früher erwähnt, können dies sowohl Sekundär- als auch Primärquellen sein. In der Markt- und Wettbewerbsanalyse ist die Bedeutung von Sekundärquellen vermutlich größer als in der Marktforschung. Neben den später unter Kapitel 5.3 genauer vorgestellten Quellen wie Marktanalysen oder Forecasts zu bestimmten Produkten kommen in der Marktund Wettbewerbsanalyse eine Vielzahl oftmals nur auf einzelne Wettbewerber bezogene Quellen hinzu, die ohne Anspruch auf Vollständigkeit nachfolgend aufgelistet werden (vgl. dazu auch Kairies 2005, S. 27–29 und Calof 1997, S. 35):
1.6 Markt- und Wettbewerbsanalyse | 21
– – – – – – – – – – – – – – –
Geschäftsberichte Publikationen von Wettbewerbern wie etwa Imagebroschüren Verträge Patentanmeldungen Werbung Stellenausschreibungen Entlassungen Pressemitteilungen Messen und Ausstellungen Produktbroschüren Internetauftritte Kooperationsanträge Unternehmensübernahmen Sponsoring Berichte von Finanzanalysten
Die Primärerhebung ist bei der Markt- und Wettbewerbsanalyse weniger wichtig, aber keinesfalls Vernachlässigens wert, denn sie ermöglicht nicht nur das eher reaktive Sammeln von Informationen im Sinne der Sekundärforschung, sondern die gezielte Informationssuche zu relevanten Fragestellungen wie etwa der Angebotsgestaltung von Konkurrenten durch das Einholen von Angeboten auf fiktive Anfragen, die Beurteilung des Kundenservices durch Mystery Shopping oder Gespräche auf Messeständen. Daneben dienen die Nutzung von Konkurrenzprodukten und die Beobachtung der damit verbundenen Kauf- und Serviceprozesse der Wettbewerbsanalyse. Wie Meyer (2014c) anführt, gibt es zwischen Endkunden- (B2C) und industriellen (B2B) Märkten Unterschiede hinsichtlich der Quellen. Diese beziehen sich vor allem auf Erhebungsmethoden, Datenverfügbarkeit und Belastbarkeit der Informationen. Für die Beschaffung der dazu notwendigen Daten sind idealtypisch nicht nur die mit diesem Thema originär beschäftigten Mitarbeiter, sondern gerade auch Außendienstler verantwortlich, die im täglichen Kontakt auch zu Nutzern konkurrierender Produkte stehen (vgl. Kairies 2005, S. 29). Porter (2008, S. 460) zählt des Weiteren auch die Marktforschungsabteilung, Serviceabteilungen, ehemalige Angestellte von Konkurrenten, Ingenieure, den Einkauf sowie Forschung & Entwicklung zu den Informanten der Markt- und Wettbewerbsanalyse. Den Aufbau eines Konkurrenzüberwachungssystems beschreibt Kairies (2005, S. 23–26) in zehn Schritten: 1. Konkurrenten identifizieren 2. Informationsfelder definieren 3. Quellen und Beschaffungswege festlegen 4. Verantwortungsmatrix erstellen 5. Infos in einer Datenbank archivieren 6. Auswertungen standardisieren
22 | 1 Einführung in die betriebliche Marktforschung
7. 8. 9. 10.
Praxisgerechtes Berichtswesen vereinbaren Verteiler- und Nutzerkreis festlegen Sicherstellen, dass konkrete Maßnahmen erfolgen Feedback und interne Kommunikation überprüfen
Ähnlich sieht auch GIA (2004, S. 10) den Ablauf der Markt- und Wettbewerbsanalyse, präzisiert ihn aber als Kreislauf, in dem sich als die Rückmeldung auf die erste Analyse Bedürfnisse und Aufgabenstellungen für weitere Analysen ergeben. In diesem Sinne äußern sich auch Fleisher/Bensoussan (vgl. 2003, S. 6 und S. 150– 158). Der Kreislauf lässt sich in dieser Form problemlos auf die Marktanalyse übertragen und weist zahlreiche Parallelen zu dem unter Kapitel 4 beschriebenen Ablauf einer Marktforschungsstudie auf. Das gilt insbesondere für die klare Definition des Informationsbedarfs, die Archivierung, Aufbereitung und Offenlegung der Ergebnisse sowie die Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen aus den Ergebnissen. Ergänzend dazu sei auf die zehn wichtigen Regeln bei der Erstellung einer Marktanalyse von Meyer (2014a) verwiesen. Für ihn müssen folgende Punkte eingehalten werden, um eine Marktanalyse erfolgreich werden zu lassen: 1. Projektziel und Rechercheumfang klar definieren 2. Eindeutige Marktabgrenzung und -segmentierung erarbeiten 3. Gewünschte Analyseinhalte frühzeitig festlegen 4. Ausreichende Ressourcen für die Marktanalyse einplanen 5. Systematisch und effizient recherchieren 6. Durchgeführte Recherchen sauber dokumentieren 7. Glaubwürdigkeit von Datenquellen kritisch hinterfragen 8. Sekundärdaten verifizieren 9. Ausreichend Zeit für die Aufbereitung der Marktanalyse einplanen 10. Implikationen aus der Marktanalyse ableiten Die Methoden der Markt- und Wettbewerbsbeobachtung unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der Marktforschung, wie die folgende Auflistung zeigt: – Medienanalysen – Klassische Medien – Internetrecherchen – Social Media – Sekundärforschung – Sekundäranalysen – Datenbankrecherchen – Firmen-Informationen – Primärforschung – Marktforschung – Expertengespräche mit eigenem Vertrieb, Vertriebspartnern oder Lieferanten
1.6 Markt- und Wettbewerbsanalyse | 23
Dabei fällt auf, dass im Gegensatz zur klassischen Marktforschung die Sekundärforschung bzw. Analyse von Medien jeglicher Art eine weitaus größere Rolle als die Primärforschung einnimmt. Letztere wird gegenüber der traditionellen Primärforschung um Beobachtungen von Vertriebsmitarbeitern, Vertriebspartnern oder Zulieferern ergänzt. Nach planung & analyse/research tools (S. 43) sind Medienbeobachtungen und Internetrecherchen in Deutschland sogar die am häufigsten genutzten Methoden der Markt- und Wettbewerbsanalyse.
1.6.4 Organisation der Markt- und Wettbewerbsanalyse Was die organisatorische Einbindung der Markt- und Wettbewerbsanalyse in das Unternehmen anbelangt, bieten sich primär zwei Varianten an. Die erste ist die Einbeziehung in die Marktforschung, die selbst wiederum meist im Marketing angesiedelt ist (vgl. Hassler 2013, S. 76) und mit der sie aufgrund ihrer Methodik und Aufgabenstellung eng verwandt ist. In der Literatur (vgl. Fleisher/Benssousan 2003, S. 6 oder GIA 2004, S. 1) wird oft die strategische Komponente der Markt- und Wettbewerbsanalyse betont. Um der Strategie direkt zuarbeiten zu können, kann als zweite Variante auch eine dortige organisatorische Einbindung sinnvoll sein. Aktuell ist die Markt- und Wettbewerbsanalyse zu 39 % in der Strategie und zu 38 % in Marketing oder Vertrieb angesiedelt (vgl. GIA 2013b, S. 15). Die Mehrzahl der befragten Unternehmen zentralisiert ihre Markt- und Wettbewerbsanalyse (vgl. a. a. O., S. 16). In der Praxis werden die für die Markt- und Wettbewerbsanalyse benötigten Informationen, zumindest in Deutschland, überwiegend von der Marktforschung beschafft, in weitem Abstand gefolgt von Marketing und Vertrieb (vgl. planung & analyse/research tools 2012, S. 59)3. Die Beschaffung durch die soeben genannten Abteilungen schließt nicht die Nutzung externer Dienstleister aus. So geben 56 % der Befragten in Deutschland an, externe Dienstleister im Rahmen der Markt- und Wettbewerbsanalyse zu beschäftigen (vgl. a. a. O., S. 72). Bei den Dienstleistern handelt es sich vorwiegend um Marktforschungsinstitute (71 %), aber auch um Werbe- und Medienbeobachter (47 %), Spezialisten für Competitive Intelligence (40 %) oder Unternehmensberatungen (27 %) (vgl. a. a. O., S. 75). Sie werden vorwiegend für die Gewinnung, Analyse und Zusammenfassung von Informationen genutzt, wohingegen die Ableitung und Umsetzung von Handlungsempfehlungen ausschließlich unternehmensintern erfolgt (vgl. a. a. O., S. 77). Als Kriterien für die Auswahl eines solchen Dienstleisters für Markt- und Wettbewerbsanalyse führt Meyer (2014b) auf:
|| 3 Im Rahmen dieser Studie wurden über CATI 81 Nachfrager von Wettbewerbsbeobachtung befragt. Von ihnen arbeiten 56 % in einer Marktforschungsabteilung. Daneben sind sie vorwiegend in großen, international tätigen Unternehmen aktiv.
24 | 1 Einführung in die betriebliche Marktforschung
– – – – –
Branchenerfahrung und Referenzen Prozess- und Methodentransparenz Mitarbeiterstruktur Festpreisangebot mit überschaubaren Angebotspaketen Integrität und Ehrlichkeit bezüglich der Grenzen von Marktanalysen
Sie gleichen den Kriterien für die Auswahl von Marktforschungsinstituten. Abschließend sei bemerkt, dass 45 % der in Deutschland Befragten von einem Ausbau, lediglich 7 % hingegen von einem Rückgang der Markt- und Wettbewerbsanalyse ausgehen (planung & analyse/research tools 2012, S. 87), was auch GIA (2013b, S. 28) bestätigt. Das sollte für die betriebliche Marktforschung Ansporn genug sein, die Markt- und Wettbewerbsanalyse nicht aus den Augen zu verlieren, sondern als eine zentrale Aufgabe in ihr Portfolio zu integrieren. Weiterführende Literatur Fleisher, Craig S. /Bensoussan, Babette E. (2003): Strategic and Competitive Analysis. Methods and Techniques for Analyzing Business Competition. Upper Saddle River NJ: Prentice Hall. Global Intelligence Alliance (GIA) (2004): Introduction to Competitive Intelligence. Global Intelligence Alliance (GIA) (2007): Market Intelligence in Large Companies. Global Study 2007. Kairies, Peter (2005): So analysieren Sie Ihre Konkurrenz. Konkurrenzanalyse und Benchmarking in der Praxis. Renningen: expert.
1.7 Exkurs: Der ideale betriebliche Marktforscher Nach der Branchenerhebung 2009 (vgl. IFAK 2009, S. 4) bestehen die Hauptaufgaben eines betrieblichen Marktforschers in der Konzeption, Entwicklung und Abstimmung von Erhebungsinstrumenten, der Erstellung von Berichten, der Entwicklung von Forschungsdesigns sowie der Datenanalyse. Bode (2014, S. 15) führt erweiternd sieben Kernaufgaben der betrieblichen Marktforschung an: 1.
Definition des Informationsbedarfs,
2.
Entwurf und Planung sowie Durchführung von spezifischen Marktforschungsstudien,
3.
Einkauf von Daten und Studien von externen Dienstleistern,
4.
Bewertung der Qualität von Marktforschungsstudien,
5.
Verarbeitung und Verbreitung von Daten,
6.
Aufbewahrung und Speicherung von MFI [Marktforschungsinformationen; Anm. der
7.
Beratung von Marketingmanagern und anderen potenziellen Nutzern.
Verf.] und
Ein betrieblicher Marktforscher muss deshalb im Idealfall über ein Portfolio aus verschiedenen Fähigkeiten, Qualifikationen und Kenntnissen verfügen, um seiner
1.7 Exkurs: Der ideale betriebliche Marktforscher | 25
Schnittstellenfunktion im Unternehmen, auf die später noch genauer eingegangen werden soll, gerecht zu werden. Die Abb. 1.12 führt dieses Portfolio auf.
Ausbildung MarktforschungsSzene
Methodenwissen
Produkte
Arbeitsweise von Instituten
Soft Skills Branche Eigenes Unternehmen Konkurrenten Interne Kunden
Software
Abb. 1.12: Fähigkeiten, Qualifikationen und Kenntnisse eines betrieblichen Marktforschers (Ottawa, Marco, Zeichnung von Asmuth, Walter)
Die aufgeführten Kenntnisse und Fähigkeiten lassen sich in vier Kategorien gruppieren: – Ausbildung und methodische Kenntnisse – Ausbildung – Methodenwissen (vgl. methodischer Anhang) – Forschung – Erhebung – Analyse – Software – Kennen des eigenen Unternehmens – Prozesse – Produkte – Konkurrenten – Interne Kunden – Kennen der Marktforschungsbranche – Institute und ihre Angebote – Arbeitsweise eines Instituts – Standesorganisationen und Standesrecht – Soft Skills
26 | 1 Einführung in die betriebliche Marktforschung
Vriens/Grover (2006, S. 24) führen dagegen sechs Kategorien mit Wissen und Kompetenzen eines betrieblichen Marktforschers an: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
project management skills research discipline knowledge knowledge of the needs, power structures, and processes of the internal clients business discipline knowledge product-market/domain knowledge people management skills
Die Ergebnisse der Branchenerhebung 2009 (vgl. IFAK 2009, S. 7) zeigen, dass die wichtigsten Qualifikationen eines betrieblichen Marktforschers analytische Fähigkeiten und Strukturiertheit, Genauigkeit und Sorgfalt sowie Praxisnähe sind. Im Vergleich dazu werden bei Institutsmarktforschern Kundenorientierung und Dienstleistungsmentalität, Genauigkeit und Sorgfalt sowie Organisationsfähigkeit und Zeitmanagement genannt. Ob diese Eigenschaften und Fähigkeiten auch zukünftig ausreichen werden, um einen guten betrieblichen Marktforscher abzugeben, ist zu bezweifeln oder um mit Archibald (2014, S. 6) zu sprechen: „the traditional skills and traits are necessary, but insufficient.“ Für Archibald (a. a. O.) müssen Marktforscher zukünftig verstärkt: – Collaborate across functional areas – Access information that is not actually owned by research [z. B. Daten aus CRM – – –
oder Social Media; Anm. der. Verf.] Have cross-cultural awareness, work as an entrepreneur Contribute to innovation throughout the company
Bevor die o. a. Kategorien näher beschrieben werden, soll noch der Werdegang in die betriebliche Marktforschung beschrieben werden. 47 % der betrieblichen Marktforscher haben zuvor bei einem Institut gearbeitet, 25 % sind direkt nach dem Studium eingestiegen und 23 % sind Quereinsteiger aus einer anderen Fachrichtung (vgl. Verführt 2014, S. 63). Bemerkenswert sind im Vergleich zu den vorstehenden Ausführungen die eher knapp gehaltenen Anforderungen, die der BVM an die Aufnahme als Marktforscher in seine Berufsrolle vorschreibt. §4 Persönliche Mitglieder können lt. Satzung § 9 Abs. 1 auf Antrag in die Berufsrolle eingetragen werden, wenn sie dem Aufnahmekollegium glaubhaft darlegen, dass ihre fachliche Ausbildung und berufliche Praxis den Anforderungen entspricht, die Voraussetzung für die Eintragung sind: 1. Eine mindestens dreijährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Markt- und/ oder Sozialforschung. Bei Hochschulabschluss (sofern das Studium eine Fachausbildung erkennen lässt) und bei FAMS (Fachangestellte für Markt- und Sozialforschung) reduziert sich diese Frist auf zwei Jahre. Eine ausschließlich oder vorwiegend technische Tätigkeit während dieser Zeit kann nicht anerkannt werden. Als technische Tätigkeiten im Sinne dieser Bestimmungen gelten insbesondere: Interviewen, statistische Aufbereitungen und reine Datenerfassung.
1.7 Exkurs: Der ideale betriebliche Marktforscher | 27
2. Ein Qualifikationsniveau, das das Arbeiten auf wissenschaftlicher Grundlage einschließt und sich nicht nur auf einzelne Teilaufgaben im Rahmen der Forschungsaufträge beschränkt. Dies ist gegeben, wenn ein formaler wissenschaftlicher Studienabschluss in einer für die Markt- und Sozialforschung geeigneten Studienrichtung vorliegt oder eine praktische Bewährung nach angemessener Einarbeitungszeit unter fachkundiger Anleitung und Selbststudium moderner Methoden und Verfahren. Über Ausnahmen, wie die Anerkennung anderer, gleichwertiger Bildungsabschlüsse, befinden Aufnahmekollegium und Bundesvorstand. 3. Die Eintragung muss in vorgeschriebener Form beantragt werden unter Anerkennung der Satzung und Verbandsordnungen des BVM, der Standesregeln der deutschen Markt- und Sozialforschung und unter Benennung von zwei Bürgen, die in die Berufsrolle (Marktforscher BVM) eingetragen sein müssen. Mindestens ein Bürge muss extern sein, d.h. er darf nicht dem Unternehmen des Antragstellers angehören. 4. Unbescholtenheit. (BVM 2015)
1.7.1 Ausbildung und methodische Kenntnisse 1.7.1.1 Ausbildung Basis einer jeden beruflichen Tätigkeit sollte eine solide Ausbildung sein. Dabei kann es sich um eine klassische kaufmännische oder gewerbliche Ausbildung, aber auch um ein Studium handeln. Angesichts des hohen Bildungsgrades deutscher Marktforscher, von denen immerhin 90 % über einen Hochschulabschluss verfügen (marktforschung.de/Tivian 2014, S. 7), soll hier die akademische Ausbildung zum Marktforscher im Vordergrund stehen. Laut marktforschung.de/Tivian (a. a. O., S. 10) haben von den Marktforschern mit akademischer Ausbildung 31 % Betriebswirtschaftslehre, 24 % Soziologie und 11 % Psychologie studiert. Zählt man alle wirtschaftswissenschaftlichen Studienabschlüsse zusammen, bilden diese mit 42 % die Majorität. Gemeinsam ist allen drei wichtigsten o. a. Studiengängen die Beschäftigung mit Forschungs-, Erhebungs- und Auswertungsmethoden und in eingeschränkterem Maße auch mit psychologischen Inhalten. Sie bieten einen gewissen Grundstock für das Verständnis quantitativer und qualitativer Fragestellungen aus der Marktforschung. Angesichts der eher geringen Bedeutung, den die Markt- und Sozialforschung in diesen Studiengängen einnimmt, wird auch ein Studienabschluss in einem dieser drei Fächer nur in seltenen Fällen direkt einen Berufseinstieg als qualifizierter Marktforscher ermöglichen. Generell ist festzustellen, dass sich die Beschäftigung mit Methoden der qualitativen und quantitativen Forschung recht unterschiedlich gestaltet und gerade in Bezug auf Marktforschung nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine „einheitliche“ Sprache und Wissensbasis vorhanden ist. Folgen dessen sind eine mangelnde Wissenstiefe in Bezug auf praktische Tätigkeit und Anwendung, aber auch unterschiedlicher Sprachgebrauch zwischen Betriebswirtschaftler und Sozialwissenschaftlern. Feistritzer/Kofler (2007, S. 71 f.) weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich die Marktforschung
28 | 1 Einführung in die betriebliche Marktforschung
der Erforschung ökonomischer Größen, die Sozialforschung sozialen Phänomenen widmet. Ob diese Trennung noch heute zutreffend ist, kann diskutiert werden. Seit einigen Jahren existieren allerdings einige Studiengänge, welche sich explizit der Marktforschung als Studieninhalt widmen. Sie sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. Daneben gibt es eine Reihe universitärer Lehrstühle mit dem Schwerpunkt Marktforschung, die jedoch in aller Regel die Theorievermittlung und nicht den Praxisbezug als Schwerpunkt ihrer Lehre setzen. Die Hochschule Pforzheim bietet seit 1973 den (Bachelor-)Studiengang Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Markt- und Kommunikationsforschung an. Er vermittelt Studieninhalte wie Datenanalyse, Präsentation, Stichproben, Auswahlmethoden oder psychologisch-qualitative Marktforschung. Weitere Informationen unter: http://www.hs-pforzheim.de Den ersten Masterstudiengang für Marktforschung im deutschen Sprachraum bietet seit 2011 die Fachhochschule Köln an. Er vermittelt den Studierenden in vier Semestern von der Statistik über die Fragebogengestaltung bis zu Social Media Analysen umfassende Kenntnisse für eine spätere Tätigkeit als Marktforscher. Im Rahmen des Curriculums müssen die Studierenden auch eigenständig Studien konzipieren, durchführen und präsentieren. Weitere Informationen unter: http://www.master-mum.de Seit 2009 bietet auch die Universität Erlangen-Nürnberg einen von der GfK geförderten Masterstudiengang Marketing mit dem Vertiefungsbereich Marketing Research an. Seine Studienschwerpunkte liegen u. a. auf Business Intelligence, Konsumentenverhalten, Datenanalyse sowie Panel- und Evaluationsverfahren (vgl. Aue 2012, S. 46 f.). Weitere Informationen unter: http://www.wiso.uni-erlangen.de/masterstudiengaenge/marketing Einen zweisemestrigen akademisch zertifizierten Lehrgang in Market Intelligence & Consumer Research bietet die Fachhochschule Wiener Neustadt an ihrem Standort Wieselburg an. Er richtet sich vor allem an betriebliche Marktforscher und vermittelt dementsprechend Inhalte wie Projektmanagement, Eigenmarktforschung oder Recht, die auf diese Zielgruppe zugeschnitten sind. Weitere Informationen unter: http://www.amu.at/index.php/lehrgaenge/marketintelligence-a-consumer-research Im Rahmen ihres Bachelor-Studiengangs Betriebswirtschaft bietet die Hochschule Aschaffenburg ein Schwerpunktmodul Marketing Intelligence an. Es beinhaltet u. a.
1.7 Exkurs: Der ideale betriebliche Marktforscher | 29
Einführungen in die Primär- und Sekundärforschung sowie die Datenanalyse, erweitert dieses Wissen aber auch noch um praktische und empirische Arbeiten. Weitere Informationen unter: http://www.h-ab.de/schueler-studieninteressenten/studienangebot/bachelor-studiengaenge/betriebswirtschaft/schwerpunkte In Kooperation der Universitäten Lausanne, Luzern und Neuchâtel existiert seit 2013 der Masterstudiengang Public Opinion and Survey Methodology. Seine Schwerpunkte liegen u. a. auf Methoden, Datenanalyse und Präsentation von Marktforschungsergebnissen. Unterrichtssprache ist neben Deutsch zum Teil Englisch oder Französisch. Weitere Informationen unter: http://www.surveymethods.ch Im Abstand mehrerer Jahre bietet die Universität Koblenz-Landau einen berufsbegleitenden Fernstudienkurs „Marktforschung – Methodische Grundlagen und praktische Anwendungen“ an. Der sechsmonatige Kurs legt seine Schwerpunkte auf die Grundsätze der Datenerhebung, -analyse und -nutzung. Weitere Informationen unter: http://www.uni-koblenz-landau.de/zfuw/marktforschung Die Universität Duisburg-Essen bietet einen Masterstudiengang Survey Methodology an. Er vermittelt neben Grundlagen der Soziologie Fachwissen zur Durchführung großer Umfragen. Weitere Informationen unter: http://www.uni-due.de/soziologie/ma_survmeth_ studiengang.php. Seit dem Wintersemester 2013/2014 besteht an der Bauhaus-Universität Weimar die erste Professur für Big Data, deren Schwerpunkte die Entwicklung von Analysetools und –methoden sind. Weitere Informationen unter: http://www.uni-weimar.de/de/medien/professuren/big-data-analytics/home Berufsbegleitend bzw. außerhalb eines Studiengangs angesiedelt ist die Weiterbildung zum „Fraunhofer zertifizierten User Researcher“, die ab Mitte 2015 angeboten wird. Bei dieser hochqualifizierten Weiterbildung steht der Nutzer als Gesamtpersönlichkeit im Vordergrund und es wird ein breites Methodenspektrum zur Nutzerforschung vermittelt. Weitere Informationen unter: http://www.usability-ux.fit.fraunhofer.de/weiterbildung.html Neben der akademischen Ausbildung zum Marktforscher gibt es seit 2006 die Ausbildung zum Fachangestellten für Markt- und Sozialforschung, kurz FAMS. Absolventen
30 | 1 Einführung in die betriebliche Marktforschung
dieses Ausbildungsgangs sollen vor allem Studienleiter in Instituten und betrieblicher Marktforschung bei ihrer Arbeit unterstützen und dabei die „Lücke zwischen Akademikern und Bürokaufleuten“ (Müller-Peters 2013, S. 76) schließen. Dazu gehört z. B. die Terminkoordination mit Kunden oder Felddienstleistern oder die Erstellung von Ergebnispräsentationen. Die Inhalte der Ausbildung orientieren sich an diesen späteren Tätigkeiten. Mit dem aktuellen Stand und der Weiterentwicklung der FAMS beschäftigt sich auch Klumpe (2014). Weitere Informationen unter: http://www.gofams.de und bei Hammächer (2013) Trotz der Ausrichtung dieses Buches auf den deutschen Sprachraum soll an dieser Stelle auch ein spanischer Studiengang, nämlich der Masterstudiengang für Webdatametrics an der Universität Salamanca, erwähnt werden. Er vermittelt Kenntnisse in der internetbasierten Datensammlung sowie der Big Data Analyse. Weitere Informationen unter http://webdatametrics.usal.es Hochschulen dienen der betrieblichen Marktforschung aber nicht nur als Ausbilder und „Lieferant“ von Nachwuchs, sondern auch als Sparringspartner. Dazu gehört die Diskussion von Fragestellungen mit Wissenschaftlern, aber auch die Vergabe von Forschungsthemen, für die im beruflichen Alltag nicht genug Zeit bleibt, an Studenten. Das kann zum einen im Rahmen von Abschlussarbeiten oder Promotionen geschehen. Zum anderen verlangen viele Studiengänge von ihren Studenten die Durchführung von Projektarbeiten, die durchaus auch betrieblich relevante Themen behandeln können. Die weitere Entwicklung in dem Bereich der Ausbildung von (betrieblichen) Marktforschern kann mit Spannung beobachtet werden, da z. B. Social Media und Big Data, neue Methoden der Datenerhebung und immer komplexerer Mediennutzungen das Anforderungsprofil an den Marktforscher mehr oder weniger täglich wachsen lassen.
1.7.1.2 Methodenwissen Die ohnehin schon breite Methodenvielfalt der Marktforschung ist in den letzten Jahren, um nur Social Media Analysen, Big Data, Crowdsourcing oder Neuromarketing zu nennen, noch einmal deutlich angestiegen. Einem einzelnen Marktforscher ist es deshalb in aller Regel unmöglich, all diese Methoden zu beherrschen. Gleichwohl werden an ihn, gerade wenn er in einer kleinen Marktforschungsabteilung arbeitet oder sogar allein für dieses Thema verantwortlich ist, sehr heterogene Fragestellungen herangetragen. Eine Lösung kann die Spezialisierung auf quantitative bzw. qualitative Methoden, aber auch auf Sekundärforschung sein, doch selbst in einem dieser Bereiche kann die Methodenspannweite sehr groß sein. Insofern wird sich eine wirkliche Methodenspezialisierung nur in Unternehmen mit einem sehr engen Methodenportfolio oder aber in Unternehmen mit großen Marktforschungsabteilungen anbieten. Nichtsdestotrotz sollte jeder betriebliche Marktforscher in der Lage sein, grob abzuschätzen, wel-
1.7 Exkurs: Der ideale betriebliche Marktforscher | 31
che Methoden für die jeweilige Aufgabenstellung in Frage kommen, um bei Bedarf geeignete Dienstleister auswählen zu können. Darin liegt ein wesentlicher Mehrwert, den ein betrieblicher Marktforscher etwa gegenüber einem Marketier für sein Unternehmen erzeugt. Für tiefergehende Betrachtungen verweisen wir auf den methodischen Anhang, der zudem Hinweise gibt, wie die neuen marktforscherischen Methoden zu bewerten sind.
1.7.1.3 Software Die Standardsoftware für Marktforscher existiert nicht, aber es gibt einige, deren Beherrschung zum notwendigen Rüstzeug eines betrieblichen Marktforschers gehört. Da jegliche Ergebnisse einer Aufbereitung und Präsentation bedürfen, ist an erster Stelle Powerpoint zu nennen. Im Kapitel 6 wird später auf die Bedeutung einer guten Ergebnisdarstellung detailliert eingegangen. An dieser Stelle sei aber schon einmal betont, dass der Erfolg einer Marktforschungsstudie nicht nur von der Datenerhebung und -auswertung, sondern auch in erheblichem Maß von deren Ergebnisdarstellung und -präsentation abhängt. Selbst wenn einem Unternehmen die Ergebnisse in der Regel von Instituten geliefert werden sollten, gehört es zu den wichtigsten Aufgaben eines betrieblichen Marktforschers, diese Präsentationen zu verdichten und für Management oder Marktforschungsberichte komprimiert aufzubereiten bzw. mit den Ergebnissen anderer Studien zu verzahnen. Eine betriebliche Marktforschung muss deshalb in der Lage sein, eigenständig und auf hohem Niveau mit Powerpoint umzugehen. Von gleicher Wichtigkeit wie das Beherrschen einer Präsentationssoftware ist die Kenntnis einer Analysesoftware. Auch wenn, wie schon oben erwähnt, viele Ergebnisse von einem Institut geliefert werden sollten, bedarf es immer wieder kurzfristiger Sonderanalysen durch eine betriebliche Marktforschung. Ebenso führen viele Betriebsmarktforschungen Studien in Eigenregie durch, was auch die Datenauswertung beinhaltet. Dazu bietet sich neben dem weit verbreiteten Excel vor allem gängige Statistiksoftware, z. B. SPSS, STATA oder SAS, an. Solide Kenntnisse von statistischen Programmpaketen bieten dem betrieblichen Marktforscher einen deutliche (Analyse)vorsprung gegenüber Kollegen, die nur mit Excel arbeiten. Da die Verwendung der Statistiksoftware teilweise mit sehr hohen Kosten verbunden ist, greifen viele Marktforscher auf das kostenlose Programmsystem „R“ zurück, das zwar etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber andererseits für mehr oder weniger jedes erdenkliche statistische Problem einen Lösungsansatz bereithält (vgl. z. B. Manderscheid 2012). Zur Analyse von qualitativen Daten wird häufig die inzwischen sehr umfangreiche und mächtige Software MAXQDA eingesetzt. Je nach Portfolio einer betrieblichen Marktforschung kann es sinnvoll sein, weitere Software zu beherrschen. Zu denken ist hier etwa zum einen an Onlinebefra-
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gungssoftware wie Rogator oder QuestBack, zum anderen an Analysetools für Social Media wie beispielsweise diejenigen von Vico oder Pressrelation.
1.7.2 Kennen des eigenen Unternehmens 1.7.2.1 Organisation und Prozesse Im Gegensatz zu einem Institutsmarktforscher, dem viele Interna seiner Kunden auch noch nach jahrelanger Zusammenarbeit verborgen bleiben, ist der betriebliche Marktforscher in der Organisation seiner (internen) Kunden angesiedelt. Nach Ansicht von Tilman Rotberg4 haben betriebliche Marktforscher möglicherweise sogar ein Eigeninteresse daran, Institute in nicht zu engen Kontakt zu ihren internen Kunden treten zu lassen, um die eigene Bedeutung nicht zu schmälern. Die Integration der betrieblichen Marktforschung in das eigene Unternehmen ist Vorteil und Verpflichtung zugleich. Ihr stehen Intranet, Organigramme, Geschäftsverteilungspläne etc. zur Verfügung, sie sollte sie aber auch nach Kräften nutzen. Betriebliche Marktforschung ist im Idealfall, worauf später noch genauer eingegangen werden wird, eine Disziplin bzw. Organisationseinheit, welche zu besonders vielen Einheiten in einem Unternehmen Schnittstellen hat. Der betriebliche Marktforscher sollte die Organisation seines Unternehmens und die daraus abgeleiteten Prozesse im eigenen Interesse kennen. Nur so findet er sich leicht zurecht, wenn er etwa Kundenadressen oder juristischen Rat benötigt. Zudem sind diese Kenntnisse auch für die Durchführung von Studien unentbehrlich. Studien zu Kundenzufriedenheit oder die Kunden tangierende Prozesse lassen sich nur dann optimal gestalten und bei Bedarf auch einem Institut vermitteln, wenn man diese Prozesse als betrieblicher Marktforscher kennt und versteht. Im Rahmen einer effizienten Institutssteuerung muss ein betrieblicher Marktforscher in der Lage sein, das Gros der Fragen, die ihm ein Institut im Laufe der Studie stellen wird, vor dem Hintergrund seiner Kenntnisse des eigenen Unternehmens beantworten zu können, ohne jedes Mal Fachabteilungen um Rat zu fragen.
1.7.2.2 Produkte Ebenso wichtig wie das Wissen um die eigene Organisation und ihre Prozesse ist es für den betrieblichen Marktforscher, die Produkte des eigenen Unternehmens zu kennen. Gerade in großen Unternehmen wird es kaum möglich sein, dass ein Marktforscher alle Produkte kennt. So haben Mehrspartenunternehmen wie z. B. Henkel ihre Marktforschung auf verschiedene Sparten verteilt. Idealerweise sind die Marktforscher auch Nutzer der eigenen Produkte, was aber in der Investitionsgüterindustrie und naturge|| 4 Tilman Rotberg im Rahmen der Session D11 (Berufsbilder Marktforschung 2020 – Sozialforscher, Marketingberater oder Big-Data-Analyst?) auf der General Online Research 15 am 20.03.2015
1.7 Exkurs: Der ideale betriebliche Marktforscher | 33
geben bei der Produktneuentwicklung an Grenzen stößt. Insofern wird sich die Kenntnis um die eigene Produktpalette oftmals auf theoretische Kenntnisse stützen müssen. Der betriebliche Marktforscher muss in jedem Fall verstehen, in welcher Wechselwirkung die einzelnen Produkte seines Unternehmens zueinander stehen. Nur so kann er in seinen Studien mögliche Kannibalisierungs- oder Cross-Selling-Effekte berücksichtigen.
1.7.2.3 Konkurrenten Marktforschungsstudien bewegen sich in der Regel in einem Wettbewerbsumfeld. Selbst wenn eine Studie lediglich einem einzelnen Produkt des eigenen Unternehmens gewidmet ist, spielen konkurrierende Produkte implizit in die Studie hinein. Aus diesem Grund ist es für den betrieblichen Marktforscher unabdingbar, die wesentlichen Konkurrenten mit ihrem Portfolio und die maßgeblichen Konkurrenzprodukte mit ihrem Leistungsspektrum und ihren Preisen zu kennen. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Wissen um die Stärken und Schwächen der eigenen und der konkurrierenden Produkte zu. Das soll an einem Beispiel erläutert werden. Ein Usability-Test für eine Fernbedienung hat eine ordentliche bis gute Bewertung ergeben, die für sich allein stehend als gutes Ergebnis betrachtet werden könnte. Das Wissen um die exzellente Bedienerfreundlichkeit zweier konkurrierender Fernbedienungen, die möglicherweise Bestandteil des Usability-Tests gewesen sind, entlarvt diese vermeintliche Stärke jedoch als relative Schwäche, die sich zu einem Wettbewerbsnachteil entwickeln könnte. Das Wissen um Konkurrenten wird umso schwieriger, je wettbewerbsintensiver und internationaler ein Markt ist. In diesem Fall ist es sinnvoll, eine vertiefende Markt- und Wettbewerbsanalyse zu implementieren.
1.7.2.4 Interne Kunden Viele betriebliche Marktforschungen bezeichnen ihre internen Auftraggeber als interne Kunden. Hellwig/Schirmeisen (2015, S. 6) definieren interne Kunden wie folgt: Interne Kunden … … sind theoretisch alle Mitarbeiter eines Unternehmens … haben einen Informations-, Service- oder sonstigen Bedarf … beziehen Leistungen von bestimmten Abteilungen des Unternehmens … haben i. d. R. nicht die Wahl zwischen verschiedenen Anbietern für die benötigte Leistung (→ Monopol-Stellung der internen Dienstleister).
Sie stammen in aller Regel nicht nur aus dem Marketing, sondern können prinzipiell aus jeder beliebigen Unternehmenseinheit kommen. Nicht immer wird es sich dabei um Marktfragen handeln, wie bereits unter 1.3 ausgeführt. Die Erhebung von Ver-
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führt (vgl. 2014, S. 74) hat ergeben, dass die wichtigsten internen Kunden das Marketing (85 %), gefolgt von Vorstand bzw. Geschäftsführung (75 %), Vertrieb (72 %) und Produktmanagement (55 %) sind. Bei den beiden erstgenannten zeigen sich auffallende Parallelen zur organisatorischen Einbindung der betrieblichen Marktforschung in das Unternehmen (vgl. 2.1.2). Ein maßgeblicher Erfolgsfaktor für eine gute betriebliche Marktforschung ist Vertrauen zwischen ihr und ihren internen Kunden, oder um mit Zaltman/Moorman (1988, S. 16) zu sprechen: „Perhaps the single most important factor affecting the use of research is the presence or absence of trust“. Vertrauen ist nicht nur lediglich ein Hygienefaktor, sondern bietet, was auch für betriebliche Marktforscher von Bedeutung für ihre Stellung im eigenen Unternehmen ist, akquisitorisches Potenzial (vgl. Sponholz 2009, S. 84). Dieses Vertrauen besteht aus einer professionellen und einer Beziehungskomponente (vgl. Grover/Vriens 2006, S. 5 und Abb. 1.13). Die professionellen Komponenten teilen Grover/Vriens in die ihrerseits aus Qualifikation und Erfahrung bestehende fachliche Expertise als Marktforscher, guten Erfahrungen der internen Kunden mit früheren Marktforschungsaktivitäten sowie das Konglomerat aus Soft Skills wie Zuverlässigkeit, Feingefühl, Pünktlichkeit und Einfühlungsvermögen. In die persönliche Komponente fließen Eigenschaften wie Aufrichtigkeit und Integrität ein. Die Integrität betrieblicher Marktforscher stellt eine „potenziell wichtige Determinante im Zusammenhang mit der Nutzung von MFI“ [Marktforschungsinformationen; Anm. der Verf.] (Bode 2014, S. 136) dar.
Qualifikation Expertise Erfahrung Erfahrungen aus früheren Studien
Vertrauen in die fachlichen Fähigkeiten
Zuverlässigkeit, Takt
Integrität
Vertrauen in die Person
Abb. 1.13: Faktoren der Vertrauensbildung (Ottawa, Marco nach Grover/Vriens 2006, S. 5)
1.7 Exkurs: Der ideale betriebliche Marktforscher | 35
Daneben lässt sich das Vertrauen in eine organisationale, auf die gesamte Marktforschungsabteilung bezogene, und in eine personale, auf den einzelnen Marktforscher bezogene, Komponente unterteilen (vgl. Sponholz 2009, S. 85). Dieses Vertrauen in die betriebliche Marktforschung wird nicht nur durch die kontinuierliche saubere Umsetzung von Studien im Sinne eines Reputations- und Erfahrungsvertrauens (vgl. a. a. O., S. 86 f.) erworben, sondern auch durch eine offene und regelmäßige Interaktion zwischen betrieblicher Marktforschung und internen Kunden. Solche Interaktion kann das Hospitieren betrieblicher Marktforscher in den Abteilungen, für die sie schwerpunktmäßig arbeiten, sein. Dadurch kann das Verständnis für die Arbeit der internen Kunden, ihre Prozesse, Produkte und Probleme erheblich geschärft werden. Daneben bietet es sich gerade bei qualitativen Studien an, die Feldarbeit nicht in der Black Box der Marktforschung stattfinden zu lassen, sondern die internen Kunden, soweit es die Methodik zulässt, aktiv zur Begleitung der Feldarbeit, etwa in einem Studio hinter dem Einwegspiegel, einzuladen. Oftmals sind solche Besuche der Feldarbeit der einzige direkte Kontakt von Produktmanagern mit ihren Kunden und öffnen ihnen die Augen für die wirklichen Kundenbedürfnisse. Eine gewisse Gefahr besteht allerdings darin, dass die Meinungen einzelner Probanden, die die internen Kunden beobachtet haben, im Sinne des Halo-Effektes, die u. U. dazu konträren Aussagen der Stichprobe überstrahlen und so falsche Einschätzungen bezüglich der Grundgesamtheit generieren. Letztlich sollte der Kontakt zu den internen Kunden über die Teilnahme an Jours Fixes oder regelmäßige gemeinsame Treffen auch unabhängig von konkreten Studien aufrecht erhalten werden, um als betrieblicher Marktforscher frühzeitig über neue Entwicklungen unterrichtet zu sein, aus denen sich später vielleicht wieder Studien ergeben werden.
1.7.3 Kennen der Marktforschungsbranche Die Marktforschungsbranche unterteilt sich in die drei großen Bereiche betriebliche Marktforschung, Institute bzw. ähnliche Dienstleister, wie etwa die Anbieter von Onlinebefragungssoftwares, und Forschung an Hochschulen. Es ist von Vorteil, das eigene Handeln nicht nur an der eigenen Marktforschungsabteilung zu messen, sondern vielmehr den Austausch zu anderen Betriebsmarktforschern zu suchen. Es ist ratsam, hierbei gegenüber Marktforschungen aus der eigenen Branche, zu denen man in einem Konkurrenzverhältnis steht, eher verhalten zu agieren. Angesichts der eingangs aufgeführten Anzahl betrieblicher Marktforscher sollte es aber kein Problem darstellen, mit konkurrenzfreien Firmen in einen regen Austausch zu treten. Besonders günstige Gelegenheiten dazu sind Messen, auch Hausmessen, von Instituten und Veranstaltungen von Standesorganisationen wie BVM oder PUMa, die explizite Angebote für betriebliche Marktforscher vorhalten.
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Besonders wichtig für nahezu jeden betrieblichen Marktforscher ist eine umfassende Kenntnis der Institute. Sie bezieht sich zum einen auf den Markt der Institute, deren Angebote und Ruf, aber auch auf die Arbeitsweise eines Instituts, die sich in manchen Punkten deutlich von der einer betrieblichen Marktforschung unterscheidet. Um Studien, die man als betrieblicher Marktforscher nicht in Eigenregie durchführen kann oder will, optimal unter Zuhilfenahme eines Instituts umsetzen zu können, ist eine umfangreiche Kenntnis der Institutslandschaft unabdingbar. Gerade in den letzten Jahren veränderte sich nicht nur die deutsche Institutslandschaft durch Übernahmen, Aus- und Neugründungen nahezu monatlich. Das erschwert es, den Überblick über die Institutslandschaft zu behalten, öffnet aber gleichzeitig auch das Feld für neue Forschungsansätze und Methoden. Wichtige Parameter, die bei Instituten beobachtet werden müssen, sind deren Portfolio, Preise und Qualität. Unter Kapitel 4 wird später detailliert auf die Auswahlkriterien und den Auswahlprozess bzgl. Instituten eingegangen. Viele Marktforscher beginnen ihre Karriere in einem Institut, um dort das praktische Grundwissen für ihren Beruf zu erwerben. Nach einigen Jahren wechselt mancher von ihnen, u. a. aufgrund der in aller Regel besseren Arbeitsbedingungen wie Bezahlung und geregelter Arbeitszeiten, auf die Kundenseite. Nach einer solchen nicht ganz untypischen Karriere sollte ein tiefes Verständnis für die Arbeitsweise von Instituten gegeben sein. Anders sieht es jedoch bei Marktforschern aus, die ihre berufliche Karriere direkt in einer betrieblichen Marktforschung begonnen haben bzw. als Quereinsteiger aus anderen Abteilungen eines Unternehmens in die Marktforschung gelangt sind. Neben dem Learning by Doing, das manchmal im wahrsten Sinne des Wortes „Lehrgeld“ in Gestalt überteuerter Leistungen bzw. qualitativ minderwertiger oder nicht direkt auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittener Leistungen kostet, empfiehlt es sich, eine gewisse Zeit in einem Institut zu hospitieren. Bei aller Wahrung von Datenschutz und Betriebsgeheimnissen kann auch ein Institut dabei nur gewinnen, da der hospitierende Betriebsmarktforscher dadurch auch mehr Verständnis für die Belange und Restriktionen eines Instituts erwerben kann. Eine gewisse Barriere scheint zwischen betrieblicher Marktforschung und marktforscherischer Lehre zu bestehen. Zum einen nimmt die betriebliche Marktforschung auch in den expliziten unter Kapitel 1.7.1.1 vorgestellten Studiengängen nur eine Randstellung ein, zum anderen bilden in den Vorlesungsverzeichnissen besagter Studiengänge betriebliche Marktforscher unter den Dozenten eine klare Minorität. Ein Austausch zwischen Hochschulen und (betrieblicher) Marktforschung kann aber durchaus befruchtend für beide Seiten sein, indem er gerade an Fachhochschulen marktforscherische Praxis vermittelt und vice versa Betrieben die Möglichkeit bietet, außerhalb der Institutswelt neue Forschungsmethoden auszuprobieren. Eine probate Brücke zur Annäherung dieser beiden Teile der Marktforschung kann die (Mit)betreuung von Bachelor-, Master- oder Doktorarbeiten durch betriebliche Marktforscher sein. Auch darüber hinaus wäre es hilfreich, diesen Austausch im
1.7 Exkurs: Der ideale betriebliche Marktforscher | 37
größeren Rahmen (auch international) zu institutionalisieren, was sicherlich vor allem aufgrund der zahlreichen Akteure im Hochschulbereich als Herausforderung zu verstehen ist. Eine maßgebliche Quelle für Branchenkenntnisse stellen die im Anhang B vorgestellten Berufsverbände und Standesorganisationen dar. Sie bieten Austauschplattformen, Fortbildungsmöglichkeiten oder Diskussionsforen, die verschiedene Mitspieler der Marktforschungsszene zusammenbringen und somit gerade dem oftmals ausschließlich auf seine eigene Firma ausgerichteten betrieblichen Marktforscher, der u. U. sogar der einzige Marktforscher in seinem Unternehmen ist, die Möglichkeit bieten, die Marktforschungsbranche besser kennen zu lernen und seinen Horizont zu erweitern. Dennoch muss noch einmal betont werden, dass die Verschränkung zwischen Forschung, Forschungspraxis und (betrieblicher) Marktforschung noch viel zu gering ist.
1.7.4 Soft Skills Neben einer passenden Ausbildung, fundierten methodischen Kenntnissen und Wissen um das eigene Unternehmen und die Marktforschungsbranche zeichnet eine Vielzahl weiterer Fähigkeiten, hier als Soft Skills zusammengefasst, einen guten Marktforscher aus. Etwas pathetisch ausgedrückt könnte man sagen, durch sie wird aus einem guten Marktforscher eine Marktforscherpersönlichkeit. Der Bestandteil „forscher“ in der Berufsbezeichnung Marktforscher weist auf zwei der wichtigsten Eigenschaften des Marktforschers hin, nämlich Offenheit und wissenschaftliche Herangehensweise. Sie sollte sich primär auf neue Erkenntnisse erstrecken, aber nicht beschränken. Nicht weniger wichtig ist die Neugierde, sich auf neue Methoden und vor allem neue Menschen einzulassen. Diese Neugierde sollte nach Russell Reynolds Associates (2007) breit gefächert sein: „It is important that this executive has a wide range of personal and business interests as it will help fuel his or her ability to think through multiple perspectives and act as a motivator for knowledge acquisition.“ „Marktforscher müssen Menschen-Versteher sein“ (Scheffler 2003, S. 7). Betriebliche Marktforscher arbeiten, wie später in Kapitel 7 ausführlich dargestellt, an der Schnittstelle zu vielen internen und externen Bereichen. Das bedingt Kontaktfreude und die Bereitschaft, sich auf unbekannte Menschen und deren Fachsprachen einzulassen und einzustellen. Das vielfach auch heute noch in Karikaturen zu findende Bild vom einsam an seinem Computer sitzenden Marktforscher, von Christandl auch als „autistischer Marktforscher vor dem PC“5 bezeichnet, geht zumindest an der betrieblichen Marktforschung vorbei. Hier
|| 5 Zitat von Fabian Christandl vom 02.05.2014
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sind offene und aktive Kommunikation gepaart mit einer deutlichen Portion Extraversion gefordert. Die bereits für die Arbeit des betrieblichen Marktforschers als unerlässlich erwähnten Schnittstellen wie Datenschutz, Controlling und Customer Relationship Management, aber auch Betriebs- oder Personalrat, bedingen ein gutes Netzwerken, um die Aufträge der internen Kunden schnell und zuverlässig umsetzen zu können. Ein bereits unter Kapitel 1.7.3 erwähntes Hospitieren bietet sich durchaus auch im eigenen Unternehmen an. Es kann sich auf die genannten Schnittstellen, aber auch auf die internen Kunden erstrecken, um deren Arbeitsweise, Aufgaben und Probleme besser verstehen zu können. Das Arbeiten an so vielen Schnittstellen bringt automatisch Teamarbeit mit sich. Teams werden in aller Regel interdisziplinär, und, die Nutzung von Instituten unterstellt, auch unternehmensübergreifend sein. Dadurch wächst der betriebliche Marktforscher in seiner Eigenschaft als Projekt- bzw. Studienleiter in eine informelle Führungsrolle, indem er Institut, aber auch interne Lieferanten wie IT oder Customer Relationship Management leitet, um die gewünschten Fragestellungen beantworten zu können (vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 37). Diese faktische Führungsfunktion erfordert von einem (betrieblichen) Marktforscher sehr gutes Zeit- und Projektmanagement sowie „a passion for teaching and persuading an organization“ (Russell Reynolds Associates, 2007). Daneben beruht diese informelle oder laterale Führungsrolle auf Vertrauen und Verständigung, persönlicher Autorität und Integrität sowie ausgewiesenem Expertentum. Ergänzend ist auch gezieltes Netzwerken von Bedeutung (vgl. Unternehmerwerk 2013). Da ein Marktforscher oftmals mehrere Studien gleichzeitig betreut, muss er auch in der Lage sein, schnell zwischen verschiedenen Themen bzw. Projekten springen zu können. Hier kann eine explizite Schulung in Projektmanagement eine gute Investition sein. Eine wesentliche Eigenschaft betrieblicher Marktforscher ist die Neutralität. Oftmals, es sei hier nur an die geradezu klassische Konfliktsituation zwischen Marketing und Vertrieb erinnert, sind marktforscherische Fragestellungen von hoher politischer Brisanz innerhalb des Unternehmens. Jeder betriebliche Marktforscher ist, gerade wenn er in einer kleinen Abteilung oder gar als Einzelner verschiedene oder alle Bereiche eines Unternehmens zu bedienen hat, gut beraten, Neutralität hinsichtlich verschiedener Unternehmensbereiche walten zu lassen. Gleichwohl darf es ihm aber nicht an Mut fehlen, für die internen Kunden schlechte oder möglicherweise nicht erwünschte Forschungsergebnisse zu präsentieren und zu vertreten. (vgl. Zaltman/Moorman 1988, S. 19). Bedingung dafür ist neben einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein absolute methodische Sauberkeit bei der Datenerhebung und -aufbereitung, um sich und seine Arbeit nicht angreifbar zu machen. Aus Kostengründen oder weil es sich um in Eigenregie durchgeführte Studien handelt, ist der betriebliche Marktforscher auch als Präsentator von Forschungsergebnissen gefordert. Dazu sollte er, sofern er die Präsentationen selbst erstellt, über fundierte Fähigkeiten in der Visualisierung von Zahlen und sonstigen Forschungs-
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ergebnissen verfügen. Ebenso wichtig ist eine die Zuhörer wertschätzende, informierende und unterhaltende Art der Ergebnispräsentation. Da Ergebnispräsentationen auch in Workshops eingebunden werden können, ist unter Umständen das Beherrschen von Moderationstechniken von Nutzen. Pointiert gesprochen sollte ein betrieblicher Marktforscher über gewisse Entertainer-Qualitäten verfügen, ohne jedoch durch überzogene Unterhaltung des Publikums seine Seriosität in Frage zu stellen. Ein nicht zu unterschätzendes Momentum für einen erfolgreichen betrieblichen Marktforscher ist die Identifikation mit der eigenen Branche, wobei sich Branche nicht auf die Marktforschung als Disziplin des individuellen Mitarbeiters, sondern auf die Branche des ihn beschäftigten Unternehmens bezieht. Abschließend sind Fremdsprachenkenntnisse zu erwähnen. Diese variieren von Unternehmen zu Unternehmen, doch sind mindestens solide Englischkenntnisse für betriebliche Marktforscher unabdingbar. Auch wenn das Unternehmen nicht international tätig sein sollte, trifft das in besonderem Maße auf Sekundärforscher zu, weil die meisten maßgeblichen Analystenhäuser ihren Sitz in den USA oder Großbritannien haben und vielfach über kein deutschsprachiges Personal verfügen, geschweige denn deutschsprachige Berichte publizieren. Daneben ist die herrschende Fachsprache der für die Marktforschung maßgeblichen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Englisch. Zu den Sprachkenntnissen zählen neben Fremdsprachen auch die Fachsprachen der internen Kunden aus IT, Produktentwicklung oder Marketing. Gerade letzterer Bereich, in dem die Marktforschung oftmals organisatorisch verankert ist (vgl. Hassler 2013, S. 76), ist für einen betrieblichen Marktforscher besonders wichtig. Deswegen sollte er sich das Fachvokabular des Marketings aneignen und idealerweise selbst Kenntnisse dieser Disziplin mitbringen, um auf „Augenhöhe“ (Magerhans/Merkel/Cimbalista 2013, S. 42) beraten und Projekte für das Marketing durchführen zu können (vgl. auch Christian 2001, S. 86 f.). Unbedingt notwendig ist ein gutes Zeitmanagement, um mehrere Projekte parallel erfolgreich und termingerecht durchführen zu können. Die folgende Auflistung soll die Soft Skills noch einmal in Kurzform aufführen und betonen, wie wichtig gerade sie für einen erfolgreichen Marktforscher sind: – Neugierde – Kontaktfreude – Empathie – Offene und aktive Kommunikation – Netzwerken – Teamfähigkeit – Informelle bzw. laterale Führung – Multitasking – Neutralität – Selbstbewusstsein
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– – – – – – – – –
Standhaftigkeit in Konfliktsituationen Visualisierung Präsentation Moderation Projektmanagement Zeitmanagement Englisch Relevante Fachsprachen Identifikation mit der Branche des eigenen Unternehmens
Als Fazit lässt sich sagen, dass sich fachliche und soziale Kompetenzen beim betrieblichen Marktforscher die Waage halten sollten (vgl. Sacher/Hellhake 2013, S. 7). Ist eine Seite gar nicht oder nur schwach ausgeprägt, fehlt entweder die fachlichmethodische Fundierung seiner Arbeit oder er verkommt zu einem blutleeren Datenproduzenten.
1.7.5 Kundenorientierung Auch wenn wir uns für dieses Buch auf den Begriff „interne Kunden“ verständigt haben, liegen den Autoren keine empirischen Befunde darüber vor, wie betriebliche Marktforscher ihre internen Auftraggeber sehen und nennen. Sind sie Auftraggeber, (interne) Kunden, Kollegen, Antragsteller oder von allem etwas? Anders gefragt, wie ist das Selbstverständnis betrieblicher Marktforscher? Aufsatzpunkt für eine angemessene Behandlung interner Auftraggeber ist u. E. deren Behandlung als Kunden. Roleff spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer „interne(n) KundenLieferanten-Beziehung“ (2001, S. 6). Eine solche Wertschätzung in Verbindung mit exzellenten Arbeitsergebnissen kann eine hohe Kundenbindung erzeugen. Dass diese auch für einen internen Dienstleister sinnvoll sein kann, zeigt das Beispiel der in einem DAX-Unternehmen als Profit Center organisierten betrieblichen Marktforschung, die in ihrem Konzern in Konkurrenz zu direkt durch die Fachabteilungen beauftragten Instituten steht. Nicht zuletzt trägt eine hohe Kundenorientierung im Idealfall dazu bei, die Arbeitsplätze in der betrieblichen Marktforschung zu sichern. Betriebliche Marktforscher sind also gut beraten, ihre internen Kunden so gut zu behandeln, wie sie von ihren Dienstleistern, den Instituten, behandelt werden wollen: kompetent, wertschätzend und kundenorientiert. Darüber hinaus ist vermutlich keine zweite Abteilung in einem Unternehmen besser geeignet, firmenintern den „Anwalt des Kunden“ bzw. “the objective voice of the consumer“ (Russell Reynolds Associates 2007) zu geben. Zwar stehen Vertrieb und Service in engerem Kundenkontakt als die Marktforschung, doch verfolgt dabei gerade der Vertrieb nicht immer selbstlose Ziele. Die Marktforschung hingegen ist idealer-
1.7 Exkurs: Der ideale betriebliche Marktforscher | 41
weise neutral und kann auf Basis ihrer Forschungsergebnisse hausintern kommunizieren, wie die Kunden wirklich über das Unternehmen denken. Eine solche Denkweise erfordert allerdings ein erhebliches Selbstbewusstsein und eine hohe Reputation im eigenen Haus, um Angriffen aus Abteilungen, die vielleicht nicht immer im Interesse des Kunden handeln, standzuhalten. Roleff formuliert den Gedanken des „Anwalts des Kunden“ mit den Worten: „Die Marktforschung muß daher zum anderen ebenso immer mit dem Kopf des Endverbrauchers denken“ (2001, S. 8).
1.7.6 Fortbildung Die Marktforschung unterliegt einer steten Weiterentwicklung durch Forschung und Praxis, der sich auch ein betrieblicher Marktforscher nicht entziehen kann und darf, will er ein gleichwertiger Partner für Institute sein und seinem Unternehmen die Versorgung mit optimaler Marktforschung garantieren. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf die in den letzten Jahren hinzugekommenen Themen Social Media Analysen, Big Data, aber auch die Rolle des betrieblichen Marktforschers als interner Berater. Viele Neuerungen lassen sich im laufenden Tagesgeschäft verarbeiten und erlernen, aber von Zeit zu Zeit ist auch eine gezielte Fortbildung in verschiedene Richtungen sinnvoll und angeraten. An dieser Stelle muss aber auf ein Problem hingewiesen werden, das sich durch viele Fortbildungen zieht. Oft werden Verfahren oder Ansätze behandelt, die zwar vom Ansatz her der Wissenschaft entnommen worden sind, deren Güte für den Bereich der Marktforschung aber nur eingeschränkt oder noch überhaupt nicht wissenschaftlich nachgewiesen worden ist. Hier ist die kritische Reflexionsfähigkeit des betrieblichen Marktforschers gefragt, diesen Nachweis zu fordern (vgl. das Kapitel Validität (A.4) im Methodenanhang). Die bevorzugten Fortbildungsmöglichkeiten betrieblicher Marktforscher sind das Lesen einschlägiger Fachpresse (90 %), der Besuch von Fachmessen (64 %) und das Lesen von Fachliteratur (60 %) (vgl. Verführt 2014, S. 83). Problematisch ist an dieser Stelle allerdings, dass nur selten Befunde aus der Forschung (z. B. der Onlineforschung, der Neurologie oder Verhaltensökonomie) in für die Marktforschung relevanten Ausschnitten in der Fachliteratur zu finden sind. Die meisten der im Anhang aufgeführten Verbände bieten für ihre Mitglieder, aber auch für Außenstehende, Fortbildungen in Basistechniken an. Dazu zählen in erster Linie methodische Aspekte, aber auch Soft Skills wie Präsentationstechnik sowie rechtliche Themen, etwa rund um den Datenschutz. Vereinzelt bieten auch Hochschulen wie die unter Kapitel 1.7.1.1 erwähnte Fachhochschule Wiener Neustadt oder von Zeit zu Zeit auch die Universität Koblenz-Landau Fortbildungen für Marktforscher an. Seminare zur Marktforschung werden aber auch von kommerziellen Anbietern veranstaltet. Daneben besteht auch die Möglichkeit, sich die Referenten ins Haus zu holen. Solche Inhouse-Schulungen können durch Dritte wie Veran-
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stalter oder Institute, aber auch durch eigene Mitarbeiter durchgeführt werden (vgl. Wehling/Röhling/Werner 2001, S. 396). Letzteres wird z. B. von dem Hamburger Institut Ipsos systematisch betrieben. Vorteil einer Inhouse-Schulung ist die gleichzeitige Schulung mehrerer Mitarbeiter oder gar einer ganzen Anteilung bei gleichzeitigem Wegfall von Reisekosten. Dafür liegen die Kosten in der Regel über denjenigen einzelner Schulungen. Eine Zwischenlösung können Webinare sein. An ihnen kann man bequem vom Arbeitsplatz oder einem sonstigen Computer mit Internetzugang aus teilnehmen. Die Kosten dieser Art von Fortbildung liegt deutlich unter denen klassischer Präsenzseminare. Sie werden oftmals von Instituten (kostenlos) angeboten, wobei unter den Anbietern sowohl Primär- (z. B. YouGov) als auch Sekundärforschungsinstitute (z. B. Forrester) vertreten sind. Ein reichhaltiges Portfolio an Webinaren bietet auch das Portal marktforschung.de an. Das Kölner Institut Rheingold bietet darüber hinaus berufsbegleitend eine Ausbildung zum Morphologen an. Eine nicht zu unterschätzende Variante der Fortbildung stellt das Hospitieren in anderen Abteilungen des eigenen Unternehmens dar. Gerade in großen, stark diversifizierten Unternehmen mit vielen Spezialabteilungen ist es ratsam, die Tätigkeit seiner internen Auftraggeber möglichst gut zu verstehen. Zu denken ist hier beispielsweise an mehrtägige Einsätze in Vertrieb, Produktentwicklung oder Strategie. Weiterführende Literatur Lachmann, Ulrich (1994): Die Kommunikationsmauer. In: Tomczak, Torsten/Reinecke, Sven: Marktforschung. St. Gallen: Thexis. Russell Reynolds Associates (2007): From Market Research to Consumer Insight: Considerations as This Function Evolves.
2 Rahmenbedingungen betrieblicher Marktforschung Eine betriebliche Marktforschungsabteilung, die entsprechende Personalkapazitäten bedingt, sollte prinzipiell nur dann eingerichtet werden, wenn die Marketingforschung für die betreffende Unternehmung einen gewissen Stellenwert besitzt und wenn regelmäßige und vom Umfang bedeutende Marktforschungsaufgaben anstehen. (Meffert 1992, S. 372)
Wenn wir hier ungeachtet der Ausführungen unter Kapitel 1.5 Marketingforschung mit Marktforschung gleichsetzen, lohnt eine betriebliche Marktforschung erst ab einem gewissen Forschungsvolumen. Neben dem einleitenden Zitat von Heribert Meffert bietet die folgende Best (2007, S. 4) entnommene Grafik (s. Abb. 2.1) eine gute Einführung in die Rahmenbedingungen der betrieblichen Marktforschung. Behinderungen
Förderung
Elemente, die die erfolgreiche Umsetzung der selbst gestellten Aufgaben der betrieblichen Marktforschung behindern.
Elemente, die die erfolgreiche Umsetzung der selbst gestellten Aufgaben der betrieblichen Marktforschung fördern bzw. unterstützen.
…Ressourcen- und Budgetengpässe/ bzw. Verfügbarkeit
54
…die strukturelle Einordnung in die Unternehmensorganisation
32
…die Zusammenarbeit mit den internen Auftraggebern
47
19
54
14
Sonstige Behinderungen/Förderungen Nein, keine Behinderungen/Förderungen Keine Angabe
18
17 23
1
8 6
Abb. 2.1: Behinderungen und Förderungen betrieblicher Marktforschung (Best 2007, S. 4)
Mehr als die Hälfte der Befragten sieht die größten Behinderungen in Ressourcenund Budgetengpässen. Im gleichen Maße wird die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den internen Kunden als größte Förderung genannt. Die organisatorische Einordnung in das Unternehmen polarisiert stark.
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2.1 Organisation 2.1.1 Aufbauorganisation einer Marktforschungsabteilung Bevor in diesem Kapitel genauer auf die Organisation einer betrieblichen Marktforschung eingegangen wird, sei eine Vorbemerkung gestattet. Abgesehen davon, dass selbst manches Großunternehmen keine eigene Marktforschungsabteilung unterhält, gibt es in zahlreichen Unternehmen zwar betriebliche Marktforscher, aber keine eigene Abteilung für dieses Thema. Das liegt in der Regel entweder an der zu geringen Kopfzahl der betrieblichen Marktforscher oder an deren dislozierter organisatorischer Einbindung. Im Folgenden wird unterstellt, dass ein Unternehmen über so viele betriebliche Marktforscher verfügt, dass zumindest aufgrund deren Anzahl eine eigene Abteilung eingerichtet werden könnte. Bevor organisatorische Modelle vorgestellt werden, sind zunächst einige grundsätzliche Fragen, deren Beantwortung maßgeblichen Einfluss auf die Organisation einer betrieblichen Marktforschung hat, zu klären. Sind die eigenen Marktforschungsaktivitäten nur temporär oder auf Dauer angelegt? Falls sie nur temporär sein sollten, kann die Beauftragung einer ausgelagerten Marktforschung sinnvoll sein, um die aufwändige Personalgewinnung und -einarbeitung lediglich für einen überschaubaren Zeitrahmen zu vermeiden. Sollten die betrieblichen Marktforschungsaktivitäten auf Dauer angelegt sein, gilt es, das zukünftige Aufgabenportfolio zu beschreiben, um zu einer Abschätzung der erforderlichen Ressourcen zu gelangen. Dabei sind die folgenden Fragen bzw. Kriterien zu beachten: – Wer sind die (potenziellen) Auftraggeber der Marktforschung? – Welchen Informationsbedarf haben sie? – Sollen nur Sekundär- oder Primärforschung oder beide Forschungsarten zusammen durchgeführt werden? – Soll auch die Markt- und Wettbewerbsanalyse integriert werden? – Sollen eventuelle Aktivitäten rund um Big Data in der Marktforschung gebündelt werden? – Soll die Feldarbeit nur durch Institute oder auch in Eigenleistung durchgeführt werden? – Sollen Daten auch in Eigenregie analysiert werden? – Wie weit soll die Wertschöpfungskette der Marktforschung reichen? (vgl. Kapitel 4.5.5 und 7) – Welche Schnittstellen existieren zu Abteilungen des eigenen Unternehmens? – Welche Querschnittsaufgaben wie z. B. Einkauf, Adressselektion oder Budgetadministration sollen von der betrieblichen Marktforschung übernommen werden? – Welche personellen marktforscherischen Ressourcen existieren bereits im Unternehmen?
2.1 Organisation | 45
Je nachdem, wie die Antworten auf diese Fragen, die grundsätzlichen Ressourcen, die das Unternehmen in eine betriebliche Marktforschung investieren möchte, und das Studienaufkommen aussehen, lässt sich die Anzahl der benötigten betrieblichen Marktforscher abschätzen. Die folgenden Ausführungen sollen verdeutlichen, nach welchen Kriterien die Arbeit innerhalb einer betrieblichen Marktforschung allokiert werden kann. Dabei ist es unerheblich, ob sie innerhalb eher kleinerer Abteilungen auf einzelne Personen oder in größeren Abteilungen ab etwa zwölf Mitarbeitern zunächst auf Teams und erst dann auf einzelne Personen verteilt wird. Da die meisten Kriterien selbsterklärend sind, sollen sie lediglich aufgezählt werden (vgl. dazu auch Grundei 2000, S. 11 f. und 31 f.). 1. Kriterien aufgrund der Ausrichtung des eigenen Unternehmens – Zu erforschende Produkte/Bereiche/Branchen – Phasen im Produktlebenszyklus und daraus abgeleitete Methoden – Probanden: Geschäftskunden, Privatkunden, Mitarbeiter – Regionale, nationale oder internationale Ausrichtung 2. Kriterien aufgrund des Studienportfolios – Primär- oder Sekundärforschung – Forschungs- oder Querschnittsaufgaben wie etwa Budgetadministration – Grundlagen- oder Ad-hoc-Studien – Quantitative oder qualitative Studien – Strategische oder operative Aufgabenstellungen 3. Kriterien aufgrund des vorhandenen Personals und seiner Qualifikation – Generalisten oder Spezialisten – Methodenkenntnisse – Aufgeschlossenheit für die Übernahme neuer Aufgaben – Alter des Teams: homogen oder heterogen Die meisten der oben angeführten Kriterien laufen auf eine wie auch immer geartete Spezialisierung hinaus, sei sie nun produkt- oder methodenbezogen (vgl. dazu auch Kramer 1998, S. 138–143). Aus den unter 1. und 2. aufgeführten Kriterien lässt sich eine Organisation ad rem, bei den unter 3. aufgeführten ad personam ableiten. Die Anführung des Alters mag irritieren und soll deshalb kurz erläutert werden. Ist ein Unternehmen stark auf junge Zielgruppen ausgerichtet, verfügt aber nur über ältere Mitarbeiter in der Marktforschung, kann dies leicht zu einem mangelnden Produktverständnis in der Marktforschung führen, weil der Leitsatz „use what you sell“ oder „explore what you use“ aufgrund der altersbedingten Dissonanz in der Regel nicht befolgt wird. Hier ist zu einer altersmäßigen Mischung einer Marktforschungsabteilung zu raten. Im Übrigen ist es von Vorteil, durch junge Marktforscher immer wieder neue Impulse aus der Lehre zu erhalten. So können ältere von jüngeren Marktforschern und vice versa lernen (vgl. Archibald 2014, S. 7).
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Komplexen Organisationen wie etwa multinationalen und von ihren Produkten her stark diversifizierten Unternehmen wird ein solcher eher eindimensionaler Aufbau einer betrieblichen Marktforschung nur bedingt gerecht. Hier bietet sich ein Rollenmodell an, das mehrere organisatorische Parameter in einer Matrixstruktur aufgreift. Die Rollen in der Marktforschung können vielfältig sein. Braunecker (vgl. 2007) etwa führt 16 verschiedene an. Am Beispiel der Marktforschung eines DAX-Unternehmens soll ein solches, auf deutlich weniger Rollen reduziertes Modell vorgestellt werden. Es hatte die Zielsetzungen, die Aufgabenzuordnung innerhalb der Marktforschung, aber auch gegenüber ihren internen Kunden und Instituten transparenter zu machen. Daneben sollte die Zusammenarbeit in der Marktforschung, aber auch an ihren Schnittstellen optimiert werden. Des Weiteren sollten die Potenziale der einzelnen Mitarbeiter besser genutzt und deren Weiterentwicklung ermöglicht werden. Im ersten Schritt dieses Rollenmodells wurden fünf Rollen definiert. Die zentrale Rolle stellt der Studienleiter dar, der analog zu dem in Kapitel 4 vorgestellten Prozess als Projektleiter Studien „abarbeitet“. Für die wichtigsten internen Kunden wurden Key-Account-Manager definiert, die im engen Schulterschluss mit den von ihnen betreuten Bereichen deren Marktforschungsbedarf aufnehmen und in einem Portfolio zusammenstellen. Sie sind im Idealfall in der Lage, die Interaktion mit den internen Kunden zu intensivieren (vgl. Bode 2014, S. 63). Das Ausmaß der Interaktion zwischen MFF [Marktforschungsfunktion; Anm. d. Verf.] und Marketing scheint für die MFI-[Marktforschungsinformationen; Anm. d. Verf.] Qualität von wesentlicher Bedeutung zu sein. (Bode 2014, S. 134)
Daneben sollen sie die Eingangstore der jeweiligen Bereiche in die Marktforschung sein. Ergänzend zu den Key-Account-Managern widmen sich Themenexperten ausgewählten strategischen Themen, die im Fokus der Geschäftstätigkeit stehen. Diese Themen sind, wie etwa Loyalität oder Zielgruppen, bereichsübergreifend. Die Themenexperten verfügen über tiefgehende Kenntnisse des jeweiligen Themas und verstehen sich als Sparringspartner für ihre internen Kunden. Ergänzt wird dieses Spezialistentum durch Methodenexperten. Sie verfügen über spezielles Wissen zu einzelnen Methoden bzw. einem Methodenbouquet, das in einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus benötigt wird. Eine unterstützende Rolle spielen die Querschnittsfunktionen, welche sich beispielsweise um das Marktforschungsbudget, Studienberichte oder vertiefende Datenanalysen kümmern. Die Abb. 2.2 zeigt noch einmal die fünf Rollen auf.
2.1 Organisation | 47
Methodenexperte Managet Methodenkompetenz
Key-Account-Manager Managt Kunden/Bereiche
Studienleiter Managt Projekte
Themenexperte Sparringspartner für strategische Themen
Querschnittsfunktionsträger Managt Prozesse mit anderen Schnittstellen
Abb. 2.2: Fünfrollenmodell in der betrieblichen Marktforschung (Ottawa, Marco, auf Basis der Darstellung eines DAX-Unternehmens)
Der einzelne Marktforscher kann in diesem Modell eine, aber auch mehrere Rollen ausfüllen. So kann etwa ein Themenexperte auch selbst als Studienleiter Studien operativ umsetzen oder der Datenanalyst gleichzeitig Methodenspezialist für Conjoint sein. Die Stärken dieses Rollenmodells sind seine Ausrichtung auf strategische Themen und Bereiche sowie die Entlastung dieser Experten und Key-Account-Manager von Teilen der operativen Studiendurchführung verbunden mit einem stärkeren Eingehen auf die Bedürfnisse der betreffenden Themenverantwortlichen und Bereiche. Key-Account-Manager machen aber nur dann Sinn, wenn ihre Kundenbeziehung von Langfristigkeit geprägt ist (vgl. Zaltman/Moorman 1988, S. 17). Das Modell ist an sich anschaulich, aber schwer umsetzbar, weil die Rollen nicht überschneidungsfrei definiert sind und es zu Mehrfachbesetzungen und damit zu Konflikten zwischen den einzelnen Rollen kommen kann. Deswegen wurde das Modell nach dem Vorbild eines anderen Großunternehmens zwischenzeitlich auf drei Rollen reduziert. Diese sind Beratung bzw. Key-Account-Manager, Studienleitung sowie Service-Center. Studienleitung und Service-Center entsprechen weitgehend den alten Rollen Studienleiter und Querschnittsfunktionsträger. Im Berater werden die bisherigen Rollen des KeyAccount-Managers und des Themenexperten gebündelt. Er soll sich weniger um die Durchführung von Studien kümmern, dafür aber stärker über die gesamte Wertschöpfungskette der Marktforschung die internen Kunden beraten und Impulse in die von ihm betreuten Bereiche und Themenfelder setzen. Wenn man die Aufgaben innerhalb einer betrieblichen Marktforschungsabteilung nach Rollen aufteilt, ist es unerlässlich, darauf zu achten, die Wichtigkeit aller Rollen zu betonen. Ohne saubere Zuarbeit hinsichtlich Budgetierung oder Adresslieferung kann ein Studienleiter seine Studien nur mit erhöhtem Aufwand, eventuell sogar überhaupt nicht umsetzen.
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Daneben sind die Studienleiter das Kernstück der Marktforschung, diejenigen die die Forschungsergebnisse „produzieren“. Ihre Arbeit ist keinesfalls geringwertiger als die der Berater oder Key-Account-Manager, deren Arbeitsgrundlage sie bildet. Vriens/ Grover schlagen vor, der unternehmensinterne hierarchische Status eines Marktforschers solle dem seines internen Kunden entsprechen (vgl. Vriens/Grover 2006, S. 26). Diese Anforderung ist u. E. unrealistisch, da es in der betrieblichen Marktforschung vielleicht eine einzige Person, den Leiter, auf dem Niveau eines Vice President gibt, jedoch viele interne Kunden, die Senior Vice President oder gar Geschäftsführer sind.
Key-Account-Manager Strategische Beratung
Studienleiter Managt Projekte
Service-Center Managt Prozesse mit anderen Schnittstellen
Abb. 2.3: Dreirollenmodell der betrieblichen Marktforschung (Ottawa, Marco, auf Basis eines DAXUnternehmens)
In der Praxis wird (vgl. Verführt 2014, S. 72) die Arbeit vorwiegend (54 %) nach Studienarten bzw. Methodik verteilt. 20 % verteilen nach internen Auftraggebern, 18 % nach Produkten bzw. Dienstleistungen.
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2.1.2 Integration der betrieblichen Marktforschung in die Unternehmensorganisation Eine Musterlösung für die Aufbauorganisation einer betrieblichen Marktforschungsabteilung gibt es nicht, da jedes Unternehmen ebenso individuell wie seine Anforderungen an Marktforschung ist. Es gibt jedoch zwei Schlüsselkriterien, an denen sie sich ausrichten sollte, nämlich die organisatorischen Schnittstellen und die von der betrieblichen Marktforschung erwarteten Kompetenzen (vgl. Vriens/Grover 2006, S. 19 f.). Anhand der unter Kapitel 2.1.1 aufgeführten Kriterien sollte sich jedoch für jedes Unternehmen ceteris paribus eine optimale Lösung ableiten lassen. Im Folgenden sollen ungeachtet der soeben genannten Einschränkungen vier gängige Formen der Integration betrieblicher Marktforschung in ein Unternehmen vorgestellt und ihre Vor- und Nachteile diskutiert werden. Die betriebliche Marktforschung ist eine Aufgabe, für die es keine zwingend notwendige Ausgestaltung der organisatorischen Einbindung in das Gesamtunternehmen gibt. Da sie für gewöhnlich für interne Kunden aus verschiedenen Führungsbereichen arbeitet, bietet sich eine neutrale Aufhängung an, um Bereichsegoismen und möglicherweise sogar der Lieferung erwünschter Ergebnisse, wenn interner Auftraggeber und Vorgesetzter identisch sind, vorzubeugen. Eine solche neutrale Position kann eine Stabsstelle sein, die direkt an die Geschäftsführung berichtet.
Geschäftsführung
Marktforschung
Marketing
Vertrieb
Produktion
Abb. 2.4: Marktforschung als Stabsstelle der Geschäftsführung (Ottawa, Marco)
Die Vorteile dieser Organisation liegen in der Bündelung aller Marktforschungsaktivitäten an einer Stelle, die etwa die doppelte Durchführung von Studien zu vermeiden hilft, der Optimierung des Ressourceneinsatzes, in der Neutralität der Marktforschung sowie ihrer direkten Nähe zur Geschäftsführung, die es ihr ermöglicht, Marktforschungsergebnisse direkt und ungefiltert an die Geschäftsführung weiterzuleiten
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(vgl. Vriens/Grover 2006, S. 19). Die Nähe zur Geschäftsführung kann aber auch einen gewissen negativen „Stallgeruch“, etwa als fern vom Tagesgeschäft des Unternehmens agierende Spezialeinheit, mit sich bringen. Die relative Ferne zu den einzelnen Fachabteilungen stellt aber auch objektiv betrachtet einen Nachteil der Stabsorganisation dar. Die Marktforschung läuft Gefahr, mehr aufgrund ihrer Nähe zu den Entscheidungsträgern als durch Fachkenntnisse und ihre Arbeit akzeptiert zu werden. Diese Nachteile versucht die Eingliederung als Linienabteilung in einem Führungsbereich entgegenzuwirken. Dieser kann, muss aber nicht zwingend, der Hauptabnehmer von Marktforschungsergebnissen sein.
Geschäftsführung
Marketing
Produktion
Vertrieb
HR und Finanzen
CRM
Produktmarketing
Kommunikation
Marktforschung
Abb. 2.5: Marktforschung als Abteilung in der Linie (Ottawa, Marco)
Auch hier ist als Vorteil die Bündelung aller Marktforschungsaktivitäten an einer Stelle im Unternehmen zu nennen. Hinzu kommt die Nähe zum operativen Geschäft, besonders wenn die Marktforschung im Führungsbereich mit dem größten Marktforschungsbedarf, in unserem Beispiel dem Marketing, angesiedelt ist. Im Gegensatz zum Stab der Geschäftsführung kann die Weisungsgebundenheit an den Hauptauftraggeber immer wieder zu Konflikten hinsichtlich Objektivität und Erwünschtheit von Ergebnissen führen. Daneben wird die Marktforschung u. U. als Instrument eines einzelnen Bereichs angesehen, für den interne Kunden anderer Führungsbereiche nicht so wichtig sind. Bei einer Anordnung der Marktforschung im Marketing kann
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sie, wenn Studien für den Vertrieb durchgeführt werden sollen, solchermaßen in das klassische Gegeneinander von Marketing und Vertrieb geraten. Um der allzu starken Abhängigkeit von einem einzelnen Bereich und der damit verbundenen Gefahr, Opfer unternehmensinterner politischer Diskussionen zu werden, entgegenzuwirken, kann es sinnvoll sein, die marktforscherischen Aktivitäten zu streuen, also mehrere Marktforschungsabteilungen verteilt auf mehrere Bereiche, zu etablieren.
Geschäftsführung
Marketing
Produktion
Vertrieb
HR und Finanzen
CRM
Entwicklung
Privatkunden
Produktmarketing
Montage
Geschäftskunden
Kommunikation
Reparatur
Öfftl. Dienst
Marktforschung I
Marktforschung II
Marktforschung III
Abb. 2.6: Dislozierte Marktforschungsabteilungen (Ottawa, Marco)
Vorteile dieser Organisationsform sind die Unabhängigkeit von den Interessen eines einzelnen Bereichs sowie eine große operative Nähe zu verschiedenen Bereichen. Dem steht allerdings eine Reihe von Nachteilen gegenüber. Die Dezentralisierung der Marktforschung fördert Bereichsegoismen, im Extremfall sogar Forschungen gegen andere Bereiche. Denkbar ist etwa, dass das Marketing Mystery Shoppings gegen den Vertrieb einsetzt, um dessen vermeintlich geringes Verkaufsengagement zu beweisen, und vice versa der Vertrieb Konzepttests durchführt, um die Unverkäuflichkeit der vom Marketing erarbeiteten Produkte zu untermauern. Selbst wenn solche Rivalitäten nicht durch Marktforschung ausgelebt werden, bringt diese Art der Organisation einen hohen Abstimmungsaufwand unter den einzelnen Marktforschungsabteilungen mit sich. Ressourcen wie etwa Spezialisten für bestimmte Methoden müssen mehrfach vorgehalten werden, und Anbieter von Sekundärforschung freuen sich, dieselbe Studie zwei oder drei Mal in das gleiche Unternehmen verkaufen zu können, weil sich dessen Marktfor-
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schungsabteilungen untereinander nicht absprechen. Es kann auch dazu kommen, dass zu einer thematisch gleichen Aufgabenstellung unterschiedliche Methodiken eingesetzt werden, was zu einer mangelnden oder überhaupt nicht gewährleisteten Vergleichbarkeit von Forschungsergebnissen, etwa zu Kundenzufriedenheit oder Social Media Analysen, führen kann. Eine Minimierung der bislang diskutierten Nachteile der einzelnen Organisationsformen kann eine Mischung aus zentraler, als Stab angesiedelter Marktforschung sowie dislozierten Marktforschungen mit sich bringen. Diese Form bietet sich insbesondere für international tätige und forschende Unternehmen an, weshalb die Bezeichnung der Abteilungen im Diagramm auch von den vorhergehenden drei Darstellungen abweicht.
Geschäftsführung
Zentrale Marktforschung
Großbritannien
Frankreich
Russland
Vertrieb
Vertrieb
Vertrieb
Marketing
Marketing
Marketing
Querschnitt
Querschnitt
Querschnitt
Marktforschung I
Marktforschung II
Marktforschung III
Abb. 2.7: Kombination von zentraler und dislozierten Marktforschungsabteilungen (Ottawa, Marco)
2.1 Organisation | 53
Die Aufgaben der zentralen Marktforschungsabteilung beziehen sich auf übergreifende Forschungsgebiete wie Sekundärforschung, Mitarbeiterbefragungen oder Unternehmensimage sowie Rahmenvorgaben für Forschungsthemen, die zwar lokal, aber unternehmensweit nach einem einheitlichen und vergleichbaren Schema durchgeführt werden sollen. Dazu gehören beispielsweise die Messung der Kundenzufriedenheit, Social Media Analysen oder Internet-Panels, aber auch Rahmenvorgaben, etwa zur unternehmensweiten einheitlichen Verwendung einer Onlinebefragungssoftware. Die lokalen Marktforschungsabteilungen führen vor allem die Primärforschung mit lokalem Bezug durch. Sie sind mit den jeweiligen örtlichen Gepflogenheiten vertraut, haben den besseren Überblick über die Institutsszene ihres Landes und sind der Landessprache kundig, was etwa das Hin- und Herübersetzen von Fragebögen und Befragungsergebnissen obsolet macht (vgl. 5.2). Um die Sekundärforschung sollten sich die lokalen Marktforschungsabteilungen nur kümmern, wenn es sich um regionale, für das Gesamtunternehmen irrelevante Inhalte handelt. Naheliegend ist eine Koordinationsfunktion der zentralen Marktforschungsabteilung, die mit einer fachlichen Weisungsbefugnis gegenüber den dislozierten Marktforschungseinheiten einhergehen kann. Vorteile dieser Organisationsform, die sich auch auf Mehrspartenunternehmen mit sehr heterogenen Produktreihen anwenden lässt, sind die höchstmögliche Bündelung unternehmensweiter Forschungsaktivitäten bei gleichzeitigem Eingehen auf die lokalen Besonderheiten der regionalen Märkte, die von den dislozierten Marktforschungsabteilungen optimal betreut werden können. Der entscheidende Nachteil dieser Organisationsform ist ihr hoher prozessualer und personeller Aufwand, da methodisches Fachwissen, etwa für qualitative Forschung, gleich mehrfach vorgehalten werden muss. Daneben kann es zu den einer Matrixorganisation innewohnenden Problemen durch gleichzeitiges Berichten an fachliche und Linienvorgesetzte sowie zu Motivationsproblemen (vgl. Grundei 2000, S. 32–34) kommen. Andererseits werden Ressourcen für Übersetzungen und Reisekosten für die Beobachtung von Feldarbeiten im Ausland eingespart. Resümierend lässt sich feststellen, dass es keine pauschale optimale organisatorische Einbindung der Marktforschung in ein Unternehmen gibt, sondern diese im Einzelfall auf die Gegebenheiten des einzelnen Unternehmens angepasst werden muss (vgl. Sander 2011, S. 242–245), auch wenn die zu Beginn von Kapitel 2 zitierte Studie von Best (2007) auf Seite 5, die Umfrage von Kammermann/Pasquier (2003)1, die Bachelorarbeit von Hassler (vgl. 2013, S. 46) sowie die Masterarbeit von Verführt (vgl. 2014, S. 66) eine klare Präferenz der Befragten für eine entweder der Unternehmensleitung oder dem Marketing unterstellte Marktforschungsabteilung zeigen. Das gilt auch für betriebliche Marktforscher, welche in keiner eigenen Marktforschungsabteilung tätig sind (vgl. Verführt 2014, S. 69). Die Ansiedlung im Marketing beinhaltet jedoch
|| 1 Diese Studie beruht allerdings nur auf der Basis von 37 Schweizer Marketingexperten.
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auch ungewöhnliche Organisationsformen wie etwa die eines führenden europäischen Einzelhandelsunternehmen dessen Marktforschungsaktivitäten, zumindest teilweise, in der Revision angesiedelt sind. Einen Vorschlag zur Effizienzbewertung unterschiedlicher Organisationsformen führt Grundei (2000, S. 37) an. Abb. 2.8 auf der nächsten Seite fasst die Vor- und Nachteile der einzelnen Organisationsformen zusammen. Ein kleiner Exkurs führt zu der personellen Stärke betrieblicher Marktforschungen. 50 % haben unter fünf Mitarbeiter, 29 % 5–9, 11 % 10–19 und 10 % 20 und mehr (vgl. Verführt 2014, S. 66). Weiterführende Literatur Grundei, Jens (2000): Die Organisation der Marktforschung. Gestaltungsmöglichkeiten und Effizienzbewertung. Berlin: Technische Universität Berlin. Knauer, Britta (1998): Marktforschung – Quo Vadis? Plädoyer für einen Informationsmanager. Hamburg: Kovač, S. 151–155. Macharzina, Klaus/Wolf, Joachim (2010): Unternehmensführung. Das internationale Managementwissen. Konzepte – Methoden – Praxis. 7. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
2.1.3 Ablauforganisation Die Ablauforganisation, in der neueren Literatur auch als Prozessorganisation bezeichnet, einer betrieblichen Marktforschungsabteilung kann nicht losgelöst von ihrer Aufbauorganisation gesehen werden, weil diese ihre Schnittstellen in verschiedenen Prozessen, wie etwa der Budgetierung oder der Beschaffung von Kundendaten für Primärstudien, definiert. Der erste Schritt, um eine erfolgreiche Ablauforganisation zu gestalten, sollte deshalb in der Definition der relevanten Schnittstellen liegen. Mögliche Schnittstellen einer betrieblichen Marktforschungsabteilung lauten: 1. Externe Schnittstellen – Institute – Verbände – Konkurrenten als Partner bei Multi-Client-Studien 2. Interne Schnittstellen – Interne Kunden – Strategie – Controlling – Sozialpartner – Finanzbuchhaltung – Data-Warehouse – Datenschutz – Einkauf
2.1 Organisation | 55
Organisationsform Stärken
Schwächen
Stabsstelle
Ferne zum Tagesgeschäft
Bündelung aller Markforschungsaktivitäten Neutralität
Geringere fachliche Akzeptanz
Nähe zu Geschäftsführung Linienabteilung
Nähe zum operativen u. U. mangelnde Neutralität Geschäft Bündelung aller Gefährdete Objektivität Marktforschungsaktivitäten Skaleneffekte Vernachlässigung anderer interner Kunden
Dezentrale Abteilungen
Nähe zu mehreren Doppelarbeit Geschäftsfeldern Unabhängigkeit von einem Höherer Ressourcenbedarf Vorgesetzten Abstimmungsaufwand Bereichsegoismen u. U. mangelnde Vergleichbarkeit von Ergebnissen
Zentrale und dezentrale Abteilungen
Nähe zum lokalen Geschäft
Höherer Ressourcenbedarf
Nähe zur Geschäftsführung
Prozessualer Aufwand
Zentrale Steuerung Bündelung zentraler Aufgaben Abb. 2.8: Vor- und Nachteile verschiedener Organisationsformen betrieblicher Marktforschung (Ottawa, Marco)
Die Gestaltung der einzelnen Schnittstellen kann formeller oder informeller Art sein. Beispiele für formelle Schnittstellen sind etwa die Vorgaben des Controllings zum Budgetierungsprozess oder die vom Datenschutz vorgegebenen Prozesse, wenn es
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um die Lieferung von Kundendaten an Institute geht. Eher informell gestaltet sich etwa der Kontakt zur Strategie, an deren Ausrichtung sich das Studienportfolio der Marktforschung spiegeln sollte. Ziel einer guten Ablauforganisation soll eine auf Arbeitserleichterung ausgerichtete Vereinheitlichung von Prozessen sein. Dazu sind immer wiederkehrende Prozesse zu standardisieren. Hilfreich ist dabei im ersten Schritt eine Beschreibung des gesamten Forschungsprozesses, wie er detailliert in Kapitel 4 vorgestellt wird. Aus ihr ergibt sich dann zum einen eine Definition der Schnittstellen, zum anderen eine tiefergehende Beschreibung der Teilprozesse wie etwa der Ausschreibung. Wo es bei der häufigen Wiederholung von identischen Aufgaben Sinn macht, bietet es sich an, die Prozesse unter Zuhilfenahme von Standardformularen zu vereinheitlichen. Beispiele dafür finden sich in Kapitel 4 unter anderem für die Auftragsklärung (4.1.3) oder das Institutsbriefing (4.2.6). In großen Marktforschungsabteilungen, zumal wenn sie disloziert organisiert sind, stellt der Austausch von Informationen ein unter Umständen großes Problem dar. Die Leitung der Marktforschung muss demnach dafür sorgen, dass jedem Mitarbeiter die für seine Arbeit notwendigen Informationen jederzeit zur Verfügung stehen. So kann zum einen Doppelarbeit vermieden werden, wenn etwa ähnliche Anfragen bei verschiedenen Marktforschern eingegangen sind, zum anderen aber auch im Vertretungsfall die reibungslose Fortführung von Studien oder Recherchen gewährleistet werden. Folgende Medien empfehlen sich, um den Wissenstransfer innerhalb der Abteilung zu gewährleisten: eine Projektliste, die idealerweise im Wochenrhythmus aktualisiert wird, bietet einen groben Überblick über die aktuellen Aktivitäten und Projekte der einzelnen Marktforscher. Sie sollte neben dem Titel der Aktivität Ansprechpartner innerhalb und außerhalb des Unternehmens, den Stand des Projektes, seine nächsten Schritte sowie wichtige Termine aufführen. Daneben sollte auch vermerkt sein, wo tiefergehende Projektunterlagen wie etwa Briefings oder Fragebögen abgelegt sind. Eine solche zentrale Ablage, auf die alle Mitarbeiter der Marktforschung Zugriff haben, stellt das nächste Austauschmedium dar. Ob es sich dabei um ein auf einem Server abgelegtes Abteilungslaufwerk, ein firmeninternes Social Network oder eine Collaboration Platform handelt, ist im Grunde von sekundärer Bedeutung. Entscheidend ist neben einer verbindlichen Ordnerstruktur die Verpflichtung aller Mitarbeiter darauf, die wesentlichen Projektunterlagen und Informationen in diesem Medium abzulegen. Gerade für die Leitung einer betrieblichen Marktforschungsabteilung kann auch das Führen eines Studienkalenders sinnvoll sein. In ihm werden die Termine von Ergebnislieferungen und Präsentationen eingetragen, so dass die Leitung jederzeit die Möglichkeit hat, neue Ergebnisse einzusehen bzw. an Präsentationen teilzunehmen. Alle diese Dokumente können auch in einer speziellen Prozess-Software, wie sie etwa die Firma Market Logic anbietet, abgelegt werden.
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Neben der Prozessbeschreibung und dem Austausch von Unterlagen ist der persönliche Austausch die dritte Säule einer erfolgreichen Ablauforganisation in der betrieblichen Marktforschung. Dieser Austausch findet primär in der eigenen Abteilung statt. Dazu bietet sich zunächst ein regelmäßiger, im Idealfall wöchentlicher Jour Fixe der Marktforscher an. In ihm werden anstehende Projekte, Organisatorisches und Personalien, aber auch neue Forschungsansätze diskutiert sowie Instituten Raum zur Vorstellung geboten. Ob dieser Jour Fixe als Präsenztermin gestaltet wird, hängt stark von den räumlichen und aufbauorganisatorischen Gegebenheiten der jeweiligen Marktforschung ab. Bei Dislozierung der einzelnen Teams oder Mitarbeiter bieten sich alternativ auch Telefon- oder Videokonferenzen, u. U. auch Chats, an. Wenn es die Rahmenbedingungen zulassen, sollten diese Jours Fixes um etwa quartalsweise stattfindende Präsenztreffen ergänzt werden. Diese können dann ein oder zwei Tage dauern. Sie dienen dem engeren Zusammenhalt der Abteilung und bieten gleichzeitig die Gelegenheit, umfangreichere Themen, wie etwa Veränderungen im Aufgabenportfolio zu erarbeiten und zu diskutieren. Bei möglicherweise weltweit dislozierten Marktforschungen können solche Präsenztreffen auf eine, etwa als Jahresauftakt gestaltete Veranstaltung reduziert werden. Ergänzend zum Austausch innerhalb der eigenen Abteilung ist es sinnvoll, auch regelmäßige Treffen mit für die Marktforschung besonders wichtigen Abteilungen anzusetzen, um den gegenseitigen Austausch zu institutionalisieren und damit zu intensivieren. Zu denken ist hier zum einen an interne Kunden, für die die Marktforschung besonders häufig oder intensiv arbeitet, zum anderen an Querschnittsfunktionen wie den Datenschutz oder die Lieferanten von Kunden- oder Mitarbeiteradressen. Letztlich bietet es sich auch an, mit den wichtigsten Dienstleistern in einen von den einzelnen Projekten unabhängigen regelmäßigen Austausch zu treten. So kann man losgelöst vom Tagesgeschäft abgeschlossene Studien Revue passieren lassen, sich über anstehende Marktforschungsthemen austauschen oder die Institute neue Forschungsansätze oder Mitarbeiter vorstellen lassen. Weiterführende Literatur Bea, Franz Xaver/Göbel, Elisabeth (2006): Organisation. Theorie und Gestaltung, 3. Aufl. Stuttgart: Lucius & Lucius. El-Idrissi, Cedric (2009): Der Fall der Marketingorganisation. Eine empirische Untersuchung der Strukturen, Einflussgrößen und Trends. Wiesbaden: Gabler. Frese, Erich (2005): Grundlagen der Organisation. Entscheidungsorientiertes Konzept der Organisationsgestaltung. 9. Aufl. Wiesbaden, Gabler. Pepels, Werner (Hrsg.) (2013): Organisation in Marketing und Vertrieb. 3. Aufl. Berlin: Berliner Wissenschafts Verlag. Roleff, René (2001): Marketing für die Marktforschung. Gestaltungsempfehlungen für eine marktund managementorientierte Beratungsdienstleistung. Wiesbaden: Deutscher UniversitätsVerlag, S. 267–274.
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Schreyögg, Georg (2008): Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. 5. Aufl. Wiesbaden: Gabler. Vahs, Dietmar (2012): Organisation. Ein Lehr- und Managementbuch. 8. Aufl. Stuttgart: SchäfferPoeschel.
2.2 Budget 2.2.1 Grundsätzliche Rahmenbedingungen Das Thema Marktforschungsbudget wird neben seiner Höhe von zwei grundlegenden Fragen bestimmt: 1. Welche Bestandteile umfasst das Budget? 2. Wer verantwortet das Budget? Diskutieren wir zunächst die erste Frage nach den Bestandteilen des Budgets. Diese lassen sich, wie die folgende Auflistung verdeutlicht, in vier Cluster einteilen (Ottawa, Marco nach Kastin 2008, S. 199). 1. Originäre Marktforschungsleistungen durch Dritte – Primärforschung – Sekundärforschung – Social Media- und Medienanalysen – Markt- und Wettbewerbsanalyse 2. Nebenkosten für Marktforschungsleistungen – Softwarelizenzen und -pflege – Datenbanken: Aufbau und Pflege 3. Sonstige Sachkosten – IT und Telekommunikation – Büroausstattung – Raummiete – Mitgliedschaften in Berufsorganisationen – Reisen – Druck – Porto – Innerbetriebliche Verrechnung 4. Personalkosten – Gehälter – Personalnebenkosten Das erste Cluster umfasst vor allem Institutsleistungen und Analystenzugänge. Das zweite Cluster umfasst Sachkosten, die vor allem für eigene Marktforschungsaktivitäten anfallen. Dazu gehören beispielsweise Lizenzen für Statistik- oder Onlinebe-
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fragungssoftwares, aber auch die Kosten für den Aufbau und die Pflege von Onlinebefragungsservern oder Studiendatenbanken. Die sonstigen Sachkosten sind ebenso wie die Personalkosten nur im geringen Maße für die Marktforschung spezifisch, sondern fallen so oder zumindest in ähnlicher Form in allen Abteilungen eines Unternehmens an. Die zweite Frage, nämlich die nach der Verantwortung des Budgets, ist in der Praxis nicht immer einfach zu beantworten. Entscheidender Einflussfaktor ist dabei die finanzielle Organisation der Marktforschungsabteilung. Hier bieten sich mindestens fünf Formen an, die nach der folgenden Auflistung im Einzelnen vorgestellt und diskutiert werden. 1. Zentraler Dienstleister mit zentralem Budget – ohne Weiterverrechnung – mit partieller Weiterverrechnung – mit obligatorischer Weiterverrechnung 2. Zentraler Dienstleister ohne zentrales Budget 3. Cost Center 4. Profit Center – mit Abnahmeverpflichtung der Fachabteilungen – ohne Abnahmeverpflichtung der Fachabteilungen 5. Ausgründung Im ersten Fall, als zentraler Dienstleister mit zentralem Budget, verantwortet die betriebliche Marktforschung ihre Kosten selbst, ohne Gewinn erzielen zu müssen. Als klassische Linien- oder Stabsabteilung muss sie nicht unbedingt ihre Kosten an interne Kunden weiterverrechnen bzw. für Vorleistungen, etwa für Adressselektionen oder rechtliche Beratung durch die eigenen Justiziare, bezahlen. Es ist aber auch je nach den Gepflogenheiten des einzelnen Unternehmens denkbar, dass die Leistungen der Marktforschung weiterverrechnet werden. Das kann nur auf die Projektkosten bezogen geschehen, indem die Kosten für Institute und der eigene, auf das einzelne Projekt bezogene, Sach- und Personalaufwand in Rechnung gestellt wird. Es kann sich aber auch um eine Vollkostenverrechnung handeln, die sämtliche Kostenbestandteile der Marktforschung umfasst. Unabhängig von einer möglichen Verrechnung bietet ein Marktforschungsbudget in der Hand der betrieblichen Marktforschung dieser die Chance, „[to] yield more independent judgement“ (Zaltman/Moorman 1988, S. 20). Zentraler Dienstleister zu sein, bedeutet nicht automatisch, auch die Budgetverantwortung zu besitzen. Es gibt beispielsweise Großunternehmen, die, um die Budgetverantwortung auf wenige Top-Manager zu konzentrieren, nur über wenige Kostenstellen verfügen. Somit kann eine Marktforschungsabteilung zwar sämtliche forscherischen Aktivitäten im Unternehmen verantworten, budgetär jedoch von ihrem übergeordneten Bereichsleiter oder von zentralen Budgets abhängig sein.
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Letzteres ist gerade dann unglücklich, wenn bereichsübergreifende (Grundlagen)studien oder Sekundärforschung finanziert werden sollen. Deren Budgetierung kann dann leicht zu einem „Bettelgang“ im eigenen Unternehmen werden. Für eine Spezialeinheit wie die betriebliche Marktforschung kann auch die Organisation als Cost Center sinnvoll sein. Bei einem Cost Center wird eine organisatorische Einheit über die Kosten gesteuert. Es sind entweder bestimmte Kostenbudgets einzuhalten oder die Kosten sind bei vorgegebenem Leistungsvolumen und fixierter Qualität zu minimieren. (Bea/Helm/Schweitzer 2009, S. 63 f.)
In diesem Fall bildet die betriebliche Marktforschung eine eigenständige organisatorische Einheit, die jedoch nicht auf Gewinnmaximierung, sondern auf eine Optimierung ihrer Kostenstruktur ausgerichtet ist. Es ist naheliegend, einem Cost Center die Verantwortung für seine gesamten Kosten zu übertragen, welche dann an die internen Kunden weiterverrechnet werden. Weitergehend als ein Cost Center ist ein Profit Center. Es ist ebenfalls eine eigenständige organisatorische Einheit, die allerdings einer eigenen Gewinn- und Verlustrechnung unterliegt. Ein Profitcenter liegt dann vor, wenn für einen abgegrenzten Objektbereich … eine Erfolgszurechnung vorgenommen wird. (…) Die Übertragung von Selbstständigkeit zur Beeinflussung der Erfolgsgröße dürfte die Motivation der Entscheidungsträger fördern. (a. a. O., S. 304)
Auch dem Profit Center wird die volle Budgetverantwortung übertragen. Hinsichtlich seiner Erlöse ist zu unterscheiden, ob seine internen Kunden verpflichtet sind, seine Leistungen abzunehmen oder nicht. Ein deutsches DAX-Unternehmen beispielsweise hat seine betriebliche Marktforschung als Profit Center aufgestellt. Dessen interne Kunden sind verpflichtet, es in die Ausschreibungen von Marktforschungsleistungen aufzunehmen, aber nicht verpflichtet, ihm den Zuschlag zu erteilen. Die weitest gehende Form der Selbstständigkeit, verbunden mit kompletter Budgetverantwortung, ist die Ausgründung einer betrieblichen Marktforschung als eigenständiges Institut, das aber exklusiv oder zumindest vorwiegend für die frühere Muttergesellschaft arbeitet. Neben den fünf vorgestellten Organisationsformen existieren in der Praxis verschiedene Mischformen mit unterschiedlichen Budgetverantwortlichkeiten. Nach Ansicht der Autoren ist bei allen Formen der Budgetierung eine Grundvoraussetzung anzustreben, nämlich ein zentrales Marktforschungsbudget, um, wie oben erwähnt, für bereichsübergreifende Forschungsthemen eine u. U. zeit- und ressourcenraubende Abstimmung über die Höhe der einzelnen Teilbudgets zu vermeiden. In der Praxis sind 68 % der betrieblichen Marktforschungen im deutschen Sprachraum als Cost Center organisiert. 13 % verrechnen intern sämtliche Leistungen und der Rest finanziert sich als Service Center, Profit Center oder auf eine andere Weise (vgl. Verführt 2014, S. 67).
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Die Organisationsform ist aber nicht die einzige Rahmenbedingung für die Ausgestaltung des Marktforschungsbudgets. Ein nicht zu unterschätzender Einflussfaktor ist die Breite des Lieferantenportfolios. Werden viele Lieferanten genutzt, besteht die Möglichkeit, für die jeweilige Studie das günstigste Angebot auszuwählen. Dieser finanzielle Vorteil ist jedoch eher kurzfristiger und punktueller Natur. Insofern ist zu überlegen, ob langfristig nicht eine Fokussierung auf wenige Lieferanten höhere Kostenvorteile bietet. Voraussetzung dafür ist allerdings der Abschluss von Rahmenverträgen mit Klauseln, die explizit Rabatte nach Umsatzstaffeln oder Umsatzrückvergütungen beinhalten. Solche Rabatte können bei größeren Budgets von einigen Millionen Euro schnell sechsstellige Beträge erreichen, welche dann z. B. für zusätzliche Studien eingesetzt werden können.
2.2.2 Budgetzyklus Der Zyklus des Marktforschungsbudgets ist von der Anmeldung des Forschungsbedarfs bis zum Abschlussbericht über die Budgetverwendung des abgelaufenen Jahres, wie die Abb. 2.9 zeigt, in acht Schritte unterteilt. Bei den folgenden Ausführungen wird unterstellt, dass es sich um einen auf ein Geschäftsjahr bezogenen Planungszyklus handelt.
2.2.2.1 Sammlung des Forschungsbedarfs Den ersten Schritt stellt die Sammlung des Forschungsbedarfs dar. Um von vornherein die Konsolidierung der einzelnen Forschungsbedarfe zu erleichtern, ist es sinnvoll, dafür ein einziges Eingangstor in der Marktforschung zu definieren. In größeren Organisationen kann es zur Vorselektion und Vorverdichtung sinnvoll sein, in den einzelnen Konzerneinheiten sogenannte Brückenköpfe zu etablieren. Darunter sind klar definierte Mitarbeiter zu verstehen, welche in ihrem Bereich den jeweiligen Marktforschungsbedarf einsammeln und dann an die Marktforschung weiterleiten. Die dadurch erzielte Planungserleichterung für die Marktforschung ist nicht zu unterschätzen, hat diese in großen Unternehmen solchermaßen vielleicht nur noch acht statt 70 Ansprechpartner. Zugleich können die Brückenköpfe unsinnige Forschungswünsche direkt eliminieren. Die Bedarfsanmeldung kann formlos, etwa per E-Mail, in der das Forschungsvorhaben grob beschrieben wird, oder standardisiert, etwa in einem Excel-Formular, erfolgen. Eine gewisse Formalisierung hat sich vor allem bei einer größeren Anzahl von Forschungswünschen als sinnvoll erwiesen, um die Nacharbeit in der Marktforschung bei der Konsolidierung der Forschungsthemen in Grenzen zu halten. Wichtige Kriterien, die bei der Abfrage der Forschungswünsche erfasst werden sollten, sind vor allem das Thema an sich und seine Zielstellung, der Ansprechpartner in der Fachab-
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teilung, der gewünschte Zeitpunkt der Ergebnislieferung sowie die grobe methodische Ausrichtung (Primär-/Sekundärforschung oder qualitativ/quantitativ). Hinsichtlich des Zeitpunktes der Planung empfiehlt sich, auch wenn die vom Controlling vorgegebenen Planungszyklen oftmals schon in der ersten Hälfte des Vorjahres beginnen, ein möglichst später Zeitpunkt im Vorjahr. Erst dann können die einzelnen Fachabteilungen in aller Regel einigermaßen valide ihren Forschungsbedarf abschätzen und müssen nicht nur mit Platzhaltern agieren.
Forschungsbedarf Grobplanung des Gesamtbudgets
Abschlussbericht
Feinplanung auf Teilbudgets
Forecast
Monitoring
Freigabe
Maßnahmenplanung
Abb. 2.9: Zyklus des Marktforschungsbudgets (Ottawa, Marco)
2.2.2.2 Grobplanung Im Rahmen der Grobplanung sind vor allem drei Planungsparameter zu diskutieren: die Planungsmethodik, der Planungsansatz für das Gesamtbudget sowie die Budgetallokation. Auch für das Marktforschungsbudget gelten die drei klassischen Planungsmethoden. Die erste Variante ist die Top-down-Planung. Bei ihr macht die Geschäftsführung eine Vorgabe für das Marktforschungsbudget. Aufgabe der Marktforschung ist es dann, dieses Budget auf mögliche Teilbudgets oder direkt auf einzelne Studien
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herunterzubrechen. Vorteil dieser Methode ist eine klare Aussage über das zur Verfügung stehende Budget, die der Marktforschung viele Diskussionen über die richtige Budgethöhe ersparen kann. Gleichwohl fehlt solchen Budgetvorgaben oftmals die analytische Begründung, womit sie u. U. nicht dem tatsächlichen Budgetbedarf entsprechen können. Dem steht die Bottom-up-Planung gegenüber. Bei ihr sammelt die Marktforschung, wie unter Kapitel 2.2.2.1 beschrieben, die Studienwünsche der einzelnen Fachabteilungen, schätzt deren Kosten ab und stellt sie in einem Planungsdokument zusammen. Daraus ergibt sich der Budgetbedarf für das Folgejahr. Vorteil dieser Planungsmethode ist eine sehr analytische Ableitung des Budgetbedarfs auf Basis der einzelnen Studienwünsche. Ihr wesentlicher Nachteil ist schon in dem Wort Wünsche zu finden. Die Bottom-up-Planung nimmt in aller Regel keine Rücksicht auf die finanziellen Ressourcen des Unternehmens, weswegen sie mehrere Planungsrunden nach sich zieht, in welchen die Studienwünsche auf ein vertretbares Maß, das einem tragfähigen Budget entspricht, reduziert werden müssen. Die Lösung kann das Gegenstromverfahren darstellen, in welchem eine klare Budgetvorgabe mit einer Studienplanung von unten kombiniert wird. Aus der Erfahrung der Autoren heraus fallen die Studienwünsche der Fachabteilungen bei dieser Planungsmethode deutlich geringer als bei reiner Bottom-up-Planung aus, wenn zuvor die Geschäftsführung oder Marktforschung eine klare Aussage bezüglich des Gesamtbudgets gemacht haben. Die Fachabteilungen fühlen sich bei der Planung nicht übergangen und planen realistischer als ohne die Budgetvorgabe. Die Marktforschung profitiert bei dieser Planungsmethode von weniger Runden, um das Planungsvolumen auf ein vertretbares Maß zu reduzieren und hat trotzdem die Akzeptanz der Fachabteilungen für die Planung, weil sich diese an ihr beteiligen dürfen. Unabhängig von der gewählten Planungsmethode wird das Marktforschungsbudget in Summe nicht so groß sein, dass es sämtliche Studienwünsche erfüllen kann. Diese rein bedarfsorientierte Budgetierungslogik ist eher theoretischer Natur. Vielmehr wird es sich immer an einem Betrag für das Gesamtbudget orientieren. Dieser Betrag kann auf verschiedene Arten ermittelt werden. Eine einfache Möglichkeit ist die Fortschreibung des Vorjahresbudgets, eventuell bereinigt um die Inflationsrate. Dieser Budgetierungsmethodik ist trotz oder gerade wegen ihrer Einfachheit nur bedingt zuzustimmen, da sie sich an Gegebenheiten der Vergangenheit ausrichtet und keinen Bezug zu den zukünftigen Forschungsaufgaben bzw. dem zukünftig finanziell Machbaren hat. Ähnlich einfach ist die Bestimmung des Gesamtbudgets als prozentualem Anteil an prognostiziertem Umsatz, EBITDA oder Gewinn. Dem Vorteil der einfachen Bestimmbarkeit steht aber die mangelnde Kausalität zwischen den genannten Finanzkennzahlen und dem Bedarf an Marktforschung entgegen. Sinnvoller ist es daher, das Tragfähigkeitsprinzip anzuwenden, also abzuschätzen, wie viel Marktforschung sich das Unternehmen vor dem Hintergrund der geplanten Umsätze und Gewinne im kommenden Jahr leisten kann und
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muss. Diese Planung orientiert sich nicht so strikt an Finanzkennzahlen wie die zuvor geschilderte Methode. Ihr haftet jedoch der Geruch einer Planung „aus dem Bauch heraus“ an. In die Ermittlung des Gesamtbudgets sollten möglichst mehrere Parameter einfließen. Dazu gehören in jedem Falle Finanzkennzahlen, da das Marktforschungsbudget ja erst einmal verdient sein will. Gleichwohl kann es gerade in für das Unternehmen schwierigen Zeiten sinnvoll sein, quasi antizyklisch in Marktforschung zu investieren, um vermehrt neue Produkte für den Markt zu testen bzw. stärker die Bedürfnisse der Märkte zu erforschen. Die bisherigen Ausführungen lassen eine Vorliebe der Autoren für ein zentrales Marktforschungsbudget erkennen. Die Gründe dafür sind schon unter Kapitel 2.1 bei der optimalen Aufbauorganisation der Marktforschung angeklungen, weswegen an dieser Stelle auf eine weitere Erörterung verzichtet wird. Nichtsdestotrotz ist es denkbar, dass die Kostenart Marktforschung dezentralisiert ist. So kann beispielsweise jeder Bedarfsträger in Marketing, Vertrieb oder anderen Fachabteilungen über ein eigenes Marktforschungsbudget verfügen, das er dann zielgesetzt für seinen eigenen Forschungsbedarf einsetzen kann, der Marktforschung also nur noch zur Verfügung stellt, ohne dass diese eigene Budgetverantwortung hätte. Die Marktforschung ist in einem solchen Fall gänzlich der Planung von Budgets enthoben. Denkbar ist auch in Analogie zu der unter Kapitel 2.1.2 vorgestellten Organisationsform aus zentralen und dezentralen Marktforschungsabteilungen eine Aufteilung der Budgethoheit. Demnach könnte die Marktforschungsabteilung übergreifende Forschungsthemen wie Kundenzufriedenheit, Sekundärforschung oder Mitarbeiterbefragungen eigenständig verantworten, die Fachabteilungen jedoch Budgets für Konzepttests, Werbeforschung oder Mystery-Studien.
2.2.2.3 Feinplanung auf Teilbudgets Zu der Feinplanung gehören zum einen die Aufteilung des Gesamtbudgets auf einzelne Studien, aber auch die Frage, ob eine budgetäre Zwischenebene in Gestalt von Teilbudgets Sinn macht. Für Letzteres muss das Gesamtbudget allerdings eine gewisse Mächtigkeit haben bzw. das Aufgabenportfolio der Marktforschung eine ausreichende Heterogenität aufweisen. Wenden wir uns zunächst den auch bei kleinen und homogenen Budgets relevanten Auswahlfaktoren für die Budgetierung einzelner Themen bzw. Studien zu. Geld sollte primär für Studien verwendet werden, die eines oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllen. Dazu gehören zunächst Leitprojekte, die der Geschäftsführung besonders wichtig und somit quasi gesetzt sind. Solche Leitprojekte können beispielsweise Kundenzufriedenheitsbefragungen oder die jährliche Mitarbeiterbefragung sein. Budgetrelevant sollte auch der strategische Fokus eines Forschungsthemas sein. Beschäftigt es sich mit einem der strategisch wichtigsten Produkte oder Themen, oder widmet es sich lediglich einem umsatzschwachen Nischenprodukt? Das leitet zur
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Marktrelevanz über. Soll eine Studie eher um des Forschens willen durchgeführt werden, oder dient sie dazu, neue Märkte zu erschließen? Ein weiteres Augenmerk sollte Aufgabenstellungen gelten, welche bestehende Informationslücken schließen sollen, als vielmehr im zehnten Mystery-Shopping die Vertrautheit von Vertriebsmitarbeitern mit einem längst etablierten Produkt zu erheben. In letzteren Fall können auch ältere Forschungsergebnisse durchaus noch relevant sein, wenn sich im Lauf der Zeit an den Rahmenparametern nur wenig verändert haben sollte oder Größen betrachtet werden, bei denen keine großen Veränderungen zu erwarten sind. Letztlich sollten Marktforschungsstudien auch Chancen und Risiken für das forschende Unternehmen aufdecken. Die Abb. 2.10 führt noch einmal die wichtigsten Auswahlfaktoren für relevante Studieninhalte auf.
Marktrelevanz Informationslücken
Strategischer Fokus
Auswahlfaktoren Leitprojekte
Vermutete Chancen und Risiken
Abb. 2.10: Auswahlfaktoren für Marktforschungsprojekte (Ottawa, Marco)
Wenn die Entscheidung gefallen ist, welche Studien im kommenden Jahr durchgeführt werden sollen, stellt sich die schon eingangs aufgeworfene Frage, ob es sinnvoll ist, Teilbudgets einzurichten. Wird diese Frage bejaht, stellt sich sogleich die Folgefrage nach den Aufteilungskriterien. Hierzu bieten sich verschiedene Kriterien an. Zunächst können Teilbudgets für Primär- und Sekundärforschung gebildet werden. Die Zuordnung der einzelnen Studien zu diesen beiden Teilbudgets gestaltet sich, von Ausnahmen wie etwa Social Media Analysen einmal abgesehen, einfach. Sie kann aber inhaltlich zusammengehörende Studien auseinanderreißen, so dass es schwierig werden kann, Marktforschungskosten bestimmten Produkten oder Themen zuzuordnen. Eine weitere Unterteilung, die insbesondere für die Primärforschung relevant ist, ist die Unterscheidung in Grundlagen- und Ad-hoc- bzw. Individualstudien. Die Zuordnung gestaltet sich auch hier relativ einfach, bringt aber die bereits geschilderten Nachteile mit sich. Wenn explizit eine Zuordnung der Marktforschungskosten zu Kostenträgern gewünscht ist, bietet sich eine Aufteilung des Budgets nach Bedarfsträgern, Produkten oder Themen an. Die scheinbar klare Kostenzuordnung wird aber im Bereich der
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Grundlagen- und Sekundärforschung schwierig, weil hier in einer Studie in der Regel mehrere Produkte oder Bedarfsträger tangiert sind. Eine Ideallösung für die Bildung von Teilbudgets lässt sich also nicht pauschal finden. Vielmehr müssen die individuellen Bedürfnisse und Gegebenheiten des einzelnen Unternehmens berücksichtigt werden. Eine Lösung kann also beispielsweise eine Kombination aus einer Aufteilung auf Themen und Studienarten sein. Unabhängig von der letztendlichen Ausgestaltung der Teilbudgets empfiehlt es sich, zwei Sonderbudgets vorzuhalten. Das erste dient ausschließlich der Finanzierung von kurzfristigen gremieninduzierten Studien. Darunter sind Ad-hoc-Aufträge aus Vorstand, Geschäftsführung oder Aufsichtsrat zu verstehen. Vorteil dieses Sonderbudgets ist die Vermeidung von Diskussionen, welches Teilbudget nun mit der neuen Studie zu belasten sei. Die dabei anfallende Diskussionszeit kann besser für die schnelle Umsetzung der Studie genutzt werden. Ein zweites Sonderbudget ist Studien vorbehalten, die die Marktforschung selbst initiiert. Hierbei kann es um das Füllen von Erkenntnislücken, aber auch den Test neuer Methoden oder bislang unbekannter Institute gehen. Ein solches Budget erfordert eine starke Stellung der betrieblichen Marktforschung insofern, als man ihr zutraut, hinreichend marktnah und kostenbewusst zu sein, das Geld sinnvoll zum Wohl des Gesamtunternehmens einzusetzen.
2.2.2.4 Maßnahmenplanung Nach der Feinplanung des Budgets empfiehlt es sich, um für die folgende Maßnahmenplanung Sicherheit zu erzielen, die Zustimmung der Geschäftsführung oder des zuständigen Senior Managers für die Planung zu erhalten. Ist die Freigabe des Budgets und der Feinplanung erfolgt, gestaltet sich die Maßnahmenplanung je nach der unter Kapitel 2.2.2.1 vorgestellten gewählten Planungsmethode unterschiedlich. Bei einer Bottom-up- oder Gegenstromplanung liegen die einzelnen Studienwünsche bereits vor. Bei der Top-down-Budgetierung besteht die Planung hingegen bislang nur aus Teilbudgets, die nun mit Studien unterfüttert werden müssen. Da die für die Feinplanung wichtigen Parameter bereits weitgehend in den Kapiteln 2.2.2.1 und 2.2.2.2 diskutiert worden sind, sollen sie an dieser Stelle nur noch einmal tabellarisch aufgeführt werden. – Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Maßnahmenplanung? – Frühe Planungssicherheit für die Marktforschung vs. Unsicherheit der Fachabteilungen bzgl. relevanter Studieninhalte – Wie granular soll geplant werden? – Mit wem soll geplant werden? – Brückenköpfen in den Fachabteilungen? – Einzelnen Bedarfsträgern?
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–
–
Wer plant in der Marktforschung? – Ein zentraler Planungsverantwortlicher? – Einzelne Marktforscher? Was kosten die einzelnen Studien?
Die letzten beiden Fragen in vorstehender Auflistung sollen noch stärker beleuchtet werden. Die Frage, wer in der Marktforschung die Planung verantwortet, hängt entscheidend von der Anzahl der eingehenden Studienwünsche und der Heterogenität der internen Anforderer ab. Je umfangreicher und heterogener die Planung ist, desto mehr empfiehlt sich die Leitung und Konsolidierung der Planung durch einen verantwortlichen Marktforscher. Er stößt die Planung an, ist Ansprechpartner für das Controlling und ggf. auch die Geschäftsführung und konsolidiert die einzelnen Studienwünsche. Die übrigen Marktforscher, die je nach Rollenmodell bzw. Aufgabenverteilung in der Marktforschungsabteilung bestimmte Bereiche oder Themen betreuen, übernehmen dann die operative Planung mit den betroffenen Bereichen. So werden zum einen ihre detaillierten Kenntnisse des jeweiligen Bereichs genutzt, zum anderen der Chefplaner entlastet. Im Rahmen der Maßnahmenplanung ist die monetäre Bewertung der einzelnen Studienwünsche unabdingbar, um zu einer Aussage über die Höhe des Finanzbedarfs zu gelangen. Diese Kostenschätzung kann, wenn es sich um Folgestudien aus den Vorjahren handelt, sehr exakt, aber bei völlig, auch methodisch, neuen Themen nur grob sein. Hier hängt die Güte der Planung maßgeblich von den Erfahrungen der Marktforscher mit einem breiten Methoden- und Institutsspektrum ab.
2.2.2.5 Monitoring Um jederzeit einen exakten Überblick über die bereits abgeflossenen und damit vice versa auch die noch freien Mittel zu haben, ist ein detailliertes und tagesaktuelles Monitoring unabdingbar. Neben der jeweiligen Bestell- oder Buchungsposition sollte es noch eine Reihe zusätzlicher Daten enthalten, um Auswertungen des Budgetverbrauchs, etwa nach Studienleitern, Bereichen oder Produkten, zu ermöglichen. Aus diesem Grund schlagen die Autoren die Erfassung der in der folgenden Auflistung aufgeführten Datenfelder vor. – Studie bzw. Teilmaßnahme – Lieferdatum der Ergebnisse – Studienleiter – Auftraggeber – Institut – Zuordnung der Studie – Teilbudget – Thema
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– Bereich – Produkt – Forschungsmethode Budgetkennzahlen – Plansumme – Bestellwert – Obligo – Ist/Ausgabe Bestellnummer
Die Budgetkennzahlen sollen kurz beschrieben werden. Unter der Plansumme ist der im Rahmen der Planung veranschlagte Budgetbedarf für die jeweilige Studie zu verstehen. Er kann sich im Rahmen des laufenden Geschäftsjahres auf Basis neuerer Erkenntnisse bzw. aktualisierter Studienanforderungen verändern. Der Bestellwert stellt die Höhe des bereits im Zusammenhang mit der Studie beauftragten Budgets dar. Das Obligo bildet die Höhe der eingegangenen Rechnungen ab. In das Ist bzw. die Ausgabe fließen alle realisierten Zahlungen ein. Dabei werden auch Skonti, Gutschriften oder Rabatte berücksichtigt. Um die einzelnen Zahlen zu aggregieren, ist für alle Teilbudgets ein identischer Aufbau des Monitorings zwingend erforderlich. Nur so lassen sich valide Teilberichte, etwa für Produkte oder Unternehmensbereiche, erstellen bzw. auch aussagekräftige Zahlen für das Gesamtbudget ermitteln. Die Bestellnummer stellt die Verbindung zu den Systemen des Einkaufs oder der Finanzbuchhaltung wie z. B. SAP dar. Durch ihre Aufführung im Budgetmonitoring lassen sich Anfragen bei den genannten Bereichen einfacher durchführen. Wie schon oben erwähnt, müssen Buchungen und Änderungen in der Planungssumme laufend und zeitnah erfasst werden, um jederzeit valide Auskünfte über den Budgetstatus leisten zu können. Hinsichtlich der Berichtszyklen lassen sich keine pauschalen Empfehlungen geben. Es hängt von den Bedürfnissen oder Usancen des einzelnen Unternehmens ab, ob der Budgetstatus wöchentlich, monatlich oder in einer anderen Taktung berichtet werden soll, zumal grundsätzlich auch die Möglichkeit bestehen sollte, ihn online einzusehen. Gegen Jahresende kann es jedoch Sinn machen, um das Budget möglichst exakt auszuschöpfen und Budgetüberschreitungen zu vermeiden, die Berichtszyklen enger als etwa in den ersten drei Quartalen zu takten. Wer Berichte über das Marktforschungsbudget erhält, ist ebenfalls eine Frage der jeweiligen Unternehmensusancen. Die Leitung der Marktforschung sollte in jedem Falle möglichst engmaschig informiert werden. Bei der Geschäftsführung genügen angesichts der bezogen auf das Gesamtbudget in aller Regel nur marginalen Marktforschungsbudgets gröbere Berichtszyklen und Informationen. Ergänzend kann es Sinn machen, für wichtige Bedarfsträger der Marktforschung eigene Budgetberichte zu erstellen.
2.2 Budget | 69
Sobald das Geschäftsjahr beendet ist, empfiehlt sich ein abschließender Budgetbericht mit einer eingehenden Analyse der einzelnen Budgetpositionen und Teilbudgets, aber auch der Abweichungen von ursprünglicher Planung und tatsächlichem Ist. Gerade aus der letzten Analyse lassen sich Maßnahmen für eine Hebung der Planungsqualität ableiten. Gleichzeitig bietet er interessierten Managern und internen Kunden einen Überblick über die Budgetverwendung
2.2.2.6 Forecast Das Pendant zu dem eher retrospektiven Budgetmonitoring ist der Budgetforecast. Auch wenn beide Betrachtungsweisen idealtypisch in einem Berichtsmedium zusammengefasst werden, soll dem Forecast aufgrund seiner Bedeutung hier doch ein eigener Abschnitt gewidmet werden. Was seine Granularität und seinen Empfängerkreis betrifft, unterscheidet sich der Forecast nicht vom Monitoring. Beide Berichte beziehen sich auf die einzelne Studie bzw. Maßnahme. Auch hierbei muss die Möglichkeit zur Aggregation gegeben sein, was ebenso wie beim Monitoring einen einheitlichen Aufbau erfordert. Was den Umfang der berichteten Daten anbelangt, ist der Forecast im Vergleich zum Monitoring schmaler. Die wesentlichen Datenfelder sind in der folgenden Liste aufgeführt. – Studie bzw. Teilmaßnahme – Lieferdatum der Ergebnisse – Designierter Studienleiter – Auftraggeber – Zuordnung der Studie – Teilbudget – Thema – Bereich – Produkt – (Forschungsmethode) – Plansumme Der Unterschied zum Monitoring beruht vor allem auf der Reduzierung der Budgetkennzahlen auf die Plansumme. Die Forschungsmethode ist in Klammern gesetzt, weil sie im Vorfeld der Studienumsetzung noch nicht zwingend bekannt sein muss. Mit der Erstellung des Forecast sollte gleich zu Beginn des Geschäftsjahres begonnen werden. Letztendlich ist er nichts anderes als die Übernahme der Feinplanung, so dass Feinplanung und erster Stand des Forecast identisch sind. Forecast und Monitoring, die wie schon oben erwähnt idealtypisch in einem System oder einer Tabelle abgebildet werden, gehen Hand in Hand, was ihren weitgehend identischen Aufbau erklärt. Um Budgetüberschreitungen zu verhindern,
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muss die Summe aus Forecast, sprich noch nicht realisierten Studien, und dem bereits beauftragten Budget kleiner oder gleich dem Gesamtbudget sein. Es ist auch denkbar und sogar sinnvoll, Monitoring und Forecast in einem Bericht zu vereinen.
2.2.2.7 Möglichkeiten der Kostenreduzierung Ein immer wiederkehrendes Thema in der betrieblichen Marktforschung sind Budgetkürzungen. Aus diesem Grund sollen am Ende der Ausführungen über das Marktforschungsbudget Möglichkeiten für Kosteneinsparungen aufgezeigt werden (vgl. Reinecke/Tomczak 1997, S. 73). Budgetkürzungen erstrecken sich oftmals, weil es zumindest rechnerisch einfach ist, prozentual gleich über sämtliche Teilbudgets. Das kann bei einzelnen Studien dazu führen, dass deren Budget unter eine kritische Grenze fällt und sie damit komplett gestrichen werden müssen. Aus diesem Grund bieten sich analytischere Verfahren der Budgetkürzung an, um trotz gekürzter Budgets in Summe den Informationsbedarf möglichst umfangreich befriedigen zu können. Die radikalste Möglichkeit, Budget einzusparen, ist der Wegfall kompletter Studien. Sollte dieses Vorgehen gewünscht oder notwendig sein, sollten Studien ausgewählt werden, deren Nutzen zumindest entbehrlich ist. Dazu gehören vor allem gewohnheitsmäßig betriebene Studien ohne besonderen strategischen Fokus oder große Umsatzrelevanz. Sollen keine kompletten Studien entfallen oder ist durch die Streichung von Studien das Sparziel noch nicht erreicht, sind die einzelnen Studien bzw. Forschungsthemen auf ihnen innewohnendes Einsparpotenzial zu untersuchen. Das beginnt mit der Methodik. Viele Fragestellungen lassen sich grundsätzlich auch aus Sekundär- und nicht nur über Primärforschung beantworten. Unter Umständen müssen an der Qualität und Tiefe der Ergebnisse Abstriche gemacht werden, ohne dass komplett auf Antworten verzichtet wird. Das gilt sinngemäß auch für den Ersatz von Primärforschung durch Social Media Analysen. Erhebliche Kosteneinsparungen lassen sich auch durch den Verzicht auf eine Quantifizierung erzielen, wenn nicht explizit wie etwa bei Potenzialanalysen quantitative Ergebnisse notwendig sind. Je nach Fragestellung können durchaus auch im Vergleich zu quantitativen Forschungsansätzen qualitative Befragungen hinreichend belastbare Ergebnisse liefern. Auch innerhalb der quantitativen Forschung lassen sich Budgets einsparen, wenn statt CATI oder gar CAPI, CAWI als preiswertere Erhebungsmethode gewählt wird. Weiterhin lassen sich auch bei qualitativen Studien durch die Nutzung webbasierter Erhebungsmethoden zum Teil in erheblichem Maß Kosten einsparen. Will oder kann man aus forscherischer Sicht nichts an der Methodik verändern, lässt sich auch im Studiendesign einiges zu Gunsten schmalerer Budgets einsparen. Das beginnt mit der Reduzierung von Fragen bzw. Fragestellungen in der einzelnen Studie. Manche Frage ist im Fragebogen vielleicht redundant oder bereits in glei-
2.2 Budget | 71
cher oder ähnlicher Form in einer anderen Studie erhoben worden (vgl. dazu A.1.1). Durch eine Reduzierung der Stichprobe können ebenfalls leicht Budgets eingespart werden. Auch wenn das zu Lasten der Konfidenz geht, müssen die Ergebnisse mit einem größeren Konfidenzintervall deswegen nicht automatisch wertlos sein, wie Hans-Willi Schroiff unter Bezug auf die Frage der Repräsentativität pointiert ausführt: Ich meine, dass man hier mit Augenmaß agieren sollte: wenn ich für eine bestimmte Entscheidung 80 % aller Grundgesamtheit in einer Studie repräsentieren kann und die verbleibenden 20 % nur unter großem finanziellen Aufwand, dann sehe ich keinen Grund, warum eine abgesicherte Unternehmensentscheidung nicht auch auf der Basis der leicht erreichbaren 80 % gefällt werden könnte. (Schroiff 2012, S. 44)
Des Weiteren ist ein Verzicht auf Pretests und Probeinterviews denkbar, wenn auch gerade bei großen Stichproben nicht ganz ungefährlich. Angesichts der Gefahren, die gerade bei einer falsch laufenden kostspieligen Studien entstehen können – im Extremfall sind die Ergebnisse wertlos – raten wir dringend von dem Verzicht auf Pretests ab. Eine vierte Möglichkeit der Kostenreduzierung liegt in der Ergebnislieferung. Die radikalste Form der Einsparung liegt darin, sich vom Institut nur die Rohdaten liefern zu lassen und aus ihnen selbst die Datenanalyse und die Präsentation zu erstellen. Soll oder muss die Einsparung nicht so radikal ausfallen, kann man auf umfangreiche Präsentationsbände in Powerpoint oder umgekehrt auf Tabellenbände in Ergänzung einer solchen Präsentation verzichten. Bei Vorliegen der Rohdaten in der betrieblichen Marktforschung kann, statistisches Wissen und Kenntnisse von Analysesoftware vorausgesetzt, etwa auf zusätzliche Kreuztabellierungen oder Faktorenanalysen verzichtet werden, die der betriebliche Marktforscher dann selbst durchführen kann. Im Extremfall können Präsentationen sogar auf eine Management Summary und Handlungsempfehlungen reduziert werden. Unter der Prämisse, dass der Studienleiter in der betrieblichen Marktforschung eng in die Studie eingebunden gewesen ist, sollte es ihm auch nicht schwerfallen, eine persönliche Präsentation des Instituts durch seine eigene Präsentation zu ersetzen. Hierdurch lassen sich leicht vierstellige Beträge einsparen. Die folgende Liste führt noch einmal die wesentlichen Einsparmöglichkeiten auf (vgl. Tomczak/Reinecke 1994, S. 43). – Wegfall ganzer Studien – Abstriche an der Methodik – Sekundär- statt Primärforschung – Social Media Analysen statt Primärforschung – Qualitative statt quantitativer Forschung – CAWI statt CATI oder CAPI
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Vereinfachung des Studiendesigns – Reduzierung von Fragestellungen – Verzicht auf Pretests Verkleinerung der Stichprobe Reduzierung der Ergebnislieferung – Auswertung durch die betriebliche Marktforschung – Nur Standardauswertungen – Verzicht auf Präsentations- oder Tabellenbände – Reduktion auf Management Summary und Handlungsempfehlungen – Präsentation durch die betriebliche Marktforschung
Der Tenor der Autoren bezüglich der skizzierten Einsparungspotenziale im Spannungsfeld von methodischem Optimum und Forschungsökonomie lautet, nur soweit zu sparen, wie es forscherisch zu verantworten ist. Sollte eine Studie dermaßen reduziert werden, dass der betriebliche Marktforscher ihre Ergebnisse nicht mehr vertreten kann, sollte lieber auf die gesamte Studie verzichtet oder an anderer Stelle gespart werden. Weiterführende Literatur Tomczak, Torsten/Reinecke, Sven (1994): Kostenmanagement in der Marktforschung. In: Tomczak, Torsten/Reinecke, Sven: Marktforschung. St. Gallen: Thexis.
2.3 Rechtliche Aspekte Beide Autoren sind keine Juristen, sondern wenden im Zusammenhang mit der Marktforschung nur Recht an. Aus diesem Grunde sollen die folgenden ausschließlich auf das deutsche Recht bezogenen Ausführungen bewusst lediglich einen kurzen Überblick über die in der betrieblichen Marktforschung relevanten Fragestellungen, aber keine tiefgehende Erörterung, die ohnehin den Rahmen des vorliegenden Buches sprengen würde, bieten. Zur Vertiefung dieses Themas verweisen wir auf die Literaturhinweise am Ende dieses Abschnitts.
2.3.1 Datenschutz Der Datenschutz wird von manchem betrieblichen Marktforscher als lästige Pflichtübung angesehen. Dabei wird gerne vergessen, dass sich mangelndes Vertrauen in den Schutz der eigenen Daten negativ auf die Teilnahmebereitschaft von Probanden (vgl. Kuß/Wildner/Kreis 2014, S. 290) und damit auch auf die Kosten für eine Studie auswirken kann. Andererseits ist aber aus der Forschung bekannt, dass Probanden, die transparent über die Verwendung der Daten aufgeklärt werden, eine höhere
2.3 Rechtliche Aspekte | 73
Teilnahme- und Auskunftsbereitschaft haben. Grundgedanke des Datenschutzes ist das Recht auf informelle Selbstbestimmung. Es ist Teil des in Artikel 2 (1) des Grundgesetzes verankerten Rechts auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Daraus ergibt sich ein Schutzbereich, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der auch auf die Marktforschung abstrahlt: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist weit gefasst. Es wird nicht unterschieden, ob mehr oder weniger sensible Daten des Einzelnen betroffen sind. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass unter den Verarbeitungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten der Informationstechnologie auch ein für sich gesehen belangloses Datum einen neuen Stellenwert bekommen könne und es insoweit keine belanglosen Daten gebe. (de.wikipedia.org/wiki/ Informationelle_Selbstbestimmung; letzter Datenabzug 08.12.2013)
Insbesondere im Zeitalter von Big Data und den damit verbundenen Möglichkeiten der Datenerhebung, -verknüpfung und -analyse wird dieses Recht auf informelle Selbstbestimmung immer wichtiger. Es wird in dem 1977 verabschiedeten und seitdem laufend novellierten Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) konkretisiert. Dessen § 1 beschreibt den Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes: § 1 (1) Zweck dieses Gesetzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. (2) Dieses Gesetz gilt für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch 1. öffentliche Stellen des Bundes, 2. öffentliche Stellen der Länder, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist und soweit sie a) Bundesrecht ausführen oder b) als Organe der Rechtspflege tätig werden und es sich nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt, 3. nicht-öffentliche Stellen, soweit sie die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeiten, nutzen oder dafür erheben oder die Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeiten, nutzen oder dafür erheben, es sei denn, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten erfolgt ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten. (3) Soweit andere Rechtsvorschriften des Bundes auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind, gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.
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(4) Die Vorschriften dieses Gesetzes gehen denen des Verwaltungsverfahrensgesetzes vor, soweit bei der Ermittlung des Sachverhalts personenbezogene Daten verarbeitet werden. (5) Dieses Gesetz findet keine Anwendung, sofern eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum belegene verantwortliche Stelle personenbezogene Daten im Inland erhebt, verarbeitet oder nutzt, es sei denn, dies erfolgt durch eine Niederlassung im Inland. Dieses Gesetz findet Anwendung, sofern eine verantwortliche Stelle, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum belegen ist, personenbezogene Daten im Inland erhebt, verarbeitet oder nutzt. Soweit die verantwortliche Stelle nach diesem Gesetz zu nennen ist, sind auch Angaben über im Inland ansässige Vertreter zu machen. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, sofern Datenträger nur zum Zweck des Transits durch das Inland eingesetzt werden. § 38 Abs. 1 Satz 1 bleibt unberührt.
Für die Marktforschung ist insbesondere § 1 (2) 3. BDSG einschlägig. Marktforscher, gleichgültig ob in Betrieben oder Instituten angesiedelt, sind keine öffentlichen Stellen, wenn man von Sonderfällen wie beispielsweise den statistischen Ämtern des Bundes und der Länder oder den wenigen Professoren für Marktforschung an öffentlichen Hochschulen (vgl. Kapitel 1.5.1.1) absieht. Der Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen ist in der Ära des Computers nahezu selbstverständlich, wenn man beispielsweise an die Lieferung von Kundenadressen, sprich personenbezogenen Daten, an Institute zur Rekrutierung von Probanden denkt. Der Einzelne wird im Zusammenhang mit der betrieblichen Marktforschung in der Regel ein Kunde oder Mitarbeiter sein. Im Zusammenhang mit Social Media Analysen kommen jedoch auch Dritte ins Spiel. Grundsätzlich kann also jeder Mensch wissentlich oder unwissentlich betroffen sein. Ein Kernbegriff des BDSG ist der der personenbezogenen Daten. Er wird in § 3 (1) BDSG definiert, aber nicht mit Beispielen versehen: Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener).
Die folgende Auflistung führt gängige Beispiele personenbezogener Daten auf (Ottawa, Marco, in Anlehnung an https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Datenschutz/Inhalt/FAQ/ PersonenbezogeneDaten.php, letzter Aufruf am 17.07.2013). – Name, Alter, Familienstand, Geburtsdatum – Anschrift, Telefonnummer, E-Mail Adresse, IP-Adresse – Kontonummer, Kreditkartennummer – Kraftfahrzeugnummer, Kfz-Kennzeichen – Personalausweisnummer, Sozialversicherungsnummer, Steuernummer – Personalnummer – Vorstrafen – Fingerabdrücke, DNA-Code – genetische Daten und Krankendaten, Röntgenbilder
2.3 Rechtliche Aspekte | 75
– –
Werturteile wie zum Beispiel Zeugnisse oder Beurteilungen Funktions- oder Stellenbezeichnung in einer Organisation
Die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Marktforschung ist nach dem weiter unten näher erläuterten § 30a BDSG grundsätzlich ohne spezielle Einwilligung der Probanden zulässig. Um die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Belange in Unternehmen sicherzustellen, fordert der § 4f BDSG die Einrichtung eines Datenschutzbeauftragten. Öffentliche und nicht-öffentliche Stellen, die personenbezogene Daten automatisiert verarbeiten, haben einen Beauftragten für den Datenschutz schriftlich zu bestellen.
So muss zum einen das Unternehmen, in dem die betriebliche Marktforschung beheimatet ist, über einen Datenschutzbeauftragten verfügen. Zum anderen muss bei der Beauftragung von Instituten und sonstigen Dienstleistern der Marktforschung, die mit personenbezogenen Daten in Kontakt kommen, darauf geachtet werden, dass es auch dort einen Datenschutzbeauftragten gibt, sofern das Unternehmen mehr als neun Personen beschäftigt (vgl. Gola/Reif 2011, S. 252 f.). Seine Aufgaben beschreibt der § 4g wie folgt: Der Beauftragte für den Datenschutz wirkt auf die Einhaltung dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz hin. Zu diesem Zweck kann sich der Beauftragte für den Datenschutz in Zweifelsfällen an die für die Datenschutzkontrolle bei der verantwortlichen Stelle zuständige Behörde wenden. Er kann die Beratung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 in Anspruch nehmen. Er hat insbesondere 1. die ordnungsgemäße Anwendung der Datenverarbeitungsprogramme, mit deren Hilfe personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen, zu überwachen; zu diesem Zweck ist er über Vorhaben der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten rechtzeitig zu unterrichten, 2. die bei der Verarbeitung personenbezogener Daten tätigen Personen durch geeignete Maßnahmen mit den Vorschriften dieses Gesetzes sowie anderen Vorschriften über den Datenschutz und mit den jeweiligen besonderen Erfordernissen des Datenschutzes vertraut zu machen.
Ein wirksames Instrument, sich von der Einhaltung datenschutzrechtlicher Belange bei Instituten zu überzeugen, ist ein Datenschutzaudit wie in § 9a BDSG beschrieben. Bei diesem Paragrafen ist allerdings zu beachten, dass er bislang noch nicht durch Ausführungsbestimmungen konkretisiert worden ist: Zur Verbesserung des Datenschutzes und der Datensicherheit können Anbieter von Datenverarbeitungssystemen und -programmen und datenverarbeitende Stellen ihr Datenschutzkonzept sowie ihre technischen Einrichtungen durch unabhängige und zugelassene Gutachter prüfen und bewerten lassen sowie das Ergebnis der Prüfung veröffentlichen. Die näheren
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Anforderungen an die Prüfung und Bewertung, das Verfahren sowie die Auswahl und Zulassung der Gutachter werden durch besonderes Gesetz geregelt.
Für die Marktforschung besitzt der 2010 eingeführte schon vorstehend kurz erwähnte § 30a BDSG besondere Relevanz: (1) Das geschäftsmäßige Erheben, Verarbeiten oder Nutzen personenbezogener Daten für Zwecke der Markt- oder Meinungsforschung ist zulässig, wenn 1. kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung hat, oder 2. die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte und das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung gegenüber dem Interesse der verantwortlichen Stelle nicht offensichtlich überwiegt. Besondere Arten personenbezogener Daten (§ 3 Absatz 9) dürfen nur für ein bestimmtes Forschungsvorhaben erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. (2) Für Zwecke der Markt- oder Meinungsforschung erhobene oder gespeicherte personenbezogene Daten dürfen nur für diese Zwecke verarbeitet oder genutzt werden. Daten, die nicht aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen worden sind und die die verantwortliche Stelle auch nicht veröffentlichen darf, dürfen nur für das Forschungsvorhaben verarbeitet oder genutzt werden, für das sie erhoben worden sind. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur verarbeitet oder genutzt werden, wenn sie zuvor so anonymisiert werden, dass ein Personenbezug nicht mehr hergestellt werden kann. (3) Die personenbezogenen Daten sind zu anonymisieren, sobald dies nach dem Zweck des Forschungsvorhabens, für das die Daten erhoben worden sind, möglich ist. Bis dahin sind die Merkmale gesondert zu speichern, mit denen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können. Diese Merkmale dürfen mit den Einzelangaben nur zusammengeführt werden, soweit dies nach dem Zweck des Forschungsvorhabens erforderlich ist.
Bezüglich des § 30a BDSG sind, auch wenn die Nutzung personenbezogener Daten grundsätzlich erlaubt ist, einige Fragen wie etwa die Zulässigkeit telefonischer Befragung noch nicht abschließend durch die Rechtsprechung geklärt (vgl. Gola/Reif 2011, S. 141 und Kutschke/Jahn 2014, S. 37). Zu beachten ist für betriebliche Marktforschungen insbesondere auch, dass der § 30a BDSG für sie ebenso Gültigkeit wie für Institute hat, Eigenforschung also ebenfalls von ihm erfasst wird (vgl. a. a. O., S. 197). Das gilt z. B. für schriftliche Einverständniserklärungen bei telefonischen Studien (vgl. a. a. O., S. 198). Grundsätzlich erlaubt § 30a BDSG die Nutzung personenbezogener Daten durch die Marktforschung. Spezialklauseln wie § 95 (2) TKG (Telekommunikationsgesetz) können dieses Recht jedoch einschränken. Für die praktische Marktforschung ist aus § 30a (1) 2. umstritten, inwieweit aus ihm die Nutzung frei zugänglicher Daten aus Social Media ableitbar ist. Tscherwinka
2.3 Rechtliche Aspekte | 77
(2013a) verweist unter I.3 darauf, die herrschende Meinung tendiere derzeit dazu, dass „die Erhebung persönlicher Daten aus sozialen Netzwerken, die allgemein zugänglich, d. h. über Suchmaschinen verfügbar sind, gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG zulässig sind“. Dabei spielt es gerade eine Rolle, dass die betroffenen Nutzer von Social Media diese Informationen selbst zugänglich gemacht haben (vgl. a. a. O., I.4). Hier bleibt die zukünftige Rechtsprechung abzuwarten. Absatz 2 verweist klar auf die lediglich einmalige Nutzung personenbezogener Daten. So dürfen etwa personenbezogene Datensätze nicht aufgehoben werden, um die betroffenen Probanden später für eine weitere Studie zu rekrutieren. Im Gegensatz zu Artikel 7 c i) und ii) des ESOMARKodex (vgl. ICC/ESOMAR 2007, S. 6) ist es damit in Deutschland auch untersagt, Daten von Probanden mit deren Einwilligung, beispielsweise im Rahmen einer Studie zu technischen Störungen, zu erheben, um den Kunden nach der Studie eine kostenlose Entstörung anzubieten. Absatz 3 ist für betriebliche Marktforscher vor allem dann relevant, wenn sie selbst Studien durchführen. So müssen beispielsweise bei Onlinebefragungen die personenbezogenen Daten wie Mail-Adressen oder Zugangscodes streng von den Antwortdatensätzen getrennt sein. Betriebliche Marktforscher sind gut beraten, nur auditierte Institute bei Studien mit personenbezogenen Daten zu beauftragen. Das ist besonders vor dem Hintergrund des § 11 (1) BDSG bedeutsam, weil die beauftragende betriebliche Marktforschung grundsätzlich auch für Verstöße ihrer Institute haftet (vgl. dazu Gola/Reif 2011, S. 28 und 232–234). (1) Werden personenbezogene Daten im Auftrag durch andere Stellen erhoben, verarbeitet oder genutzt, ist der Auftraggeber für die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und anderer Vorschriften über den Datenschutz verantwortlich. Die in den §§ 6, 7 und 8 genannten Rechte sind ihm gegenüber geltend zu machen. (2) Der Auftragnehmer ist unter besonderer Berücksichtigung der Eignung der von ihm getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen sorgfältig auszuwählen. Der Auftrag ist schriftlich zu erteilen, wobei insbesondere im Einzelnen festzulegen sind: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
der Gegenstand und die Dauer des Auftrags, der Umfang, die Art und der Zweck der vorgesehenen Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von Daten, die Art der Daten und der Kreis der Betroffenen, die nach § 9 zu treffenden technischen und organisatorischen Maßnahmen, die Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten, die nach Absatz 7 bestehenden Pflichten des Auftragnehmers, insbesondere die von ihm vorzunehmenden Kontrollen, die etwaige Berechtigung zur Begründung von Unterauftragsverhältnissen, die Kontrollrechte des Auftraggebers und die entsprechenden Duldungs- und Mitwirkungspflichten des Auftragnehmers, mitzuteilende Verstöße des Auftragnehmers oder der bei ihm beschäftigten Personen gegen Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten oder gegen die im Auftrag getroffenen Festlegungen,
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9.
der Umfang der Weisungsbefugnisse, die sich der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer vorbehält, 10. die Rückgabe überlassener Datenträger und die Löschung beim Auftragnehmer gespeicherter Daten nach Beendigung des Auftrags.
Durch eine Erklärung zur Auftragsdatenverarbeitung, die zwingend vor der Lieferung personenbezogener Daten an das Institut abzuschließen ist, kann die betriebliche Marktforschung jedoch die Verantwortung für eventuelle Verstöße aus der Auftragsdatenverarbeitung auf das Institut abwälzen, soweit dieses den Verstoß zu verantworten hat. Im eigenen Interesse sollte sich jeder Marktforscher an die Vorschriften des BDSG halten, denn die Strafbewehrungen in § 74 (3) BDSG: Die Ordnungswidrigkeit kann im Fall des Absatzes 1 mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 mit einer Geldbuße bis zu dreihunderttausend Euro geahndet werden. Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reichen die in Satz 1 genannten Beträge hierfür nicht aus, so können sie überschritten werden.
und § 44 (1) BDSG: Wer eine in § 43 Abs. 2 bezeichnete vorsätzliche Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
sind nicht unerheblich. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen soll jeglicher Selektion von Adress- oder sonstigen personenbezogenen Daten das Prinzip der Datensparsamkeit zugrunde liegen. Das bedeutet, nur diejenigen Datenfelder und so viele Daten zu verwenden, wie für die anstehende Studie nötig sind. Einen, wenn auch aufgrund der Fallzahl von n = 37 nur eingeschränkten, Einblick in die Umsetzung von Datenschutzerfordernissen bei deutschen Instituten bietet die Studie von adm/TeleTrust/DGOF aus dem Jahr 2014. Weiterführende Literatur Gola, Peter/Reif, Yvette (2011): Kundendatenschutz. Leitfaden für die Praxis, 3. Aufl. Bonn, Berlin: Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. und Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. Simitis, Spiros (Hrsg.) (2011): Bundesdatenschutzgesetz. 7. Aufl. Baden-Baden: Nomos.
2.3.2 Standesrecht Basis marktforscherischer Tätigkeit müssen, um der Verantwortung gegenüber Probanden und Auftraggebern gerecht zu werden, klar definierte ethische Grundsätze
2.3 Rechtliche Aspekte | 79
sein (vgl. Malhotra 2014 und Meffert 1992, S. 382–385). Malhotra führt in der vierten Auflage dieses Buches am Ende der einzelnen Kapitel Hinweise zur Ethik in der Marktforschung auf. Sie finden ihre Grundlage im Standesrecht der Marktforscher, dem zum Erstaunen mancher Marketiers auch die betrieblichen Marktforscher unterworfen sind. Diese Grundlage ist der ESOMAR-Codex (vgl. ICC/ESOMAR 2007), der damit die gesamte Marktforschungsbranche einer Selbstregulierung unterwirft. Seine Ziele sind: – Aufstellung von ethischen Regeln, die Marktforscher einhalten müssen; – Stärken des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Marktforschung durch Betonung der Rechte und Sicherheiten, die ihr dieser Kodex garantiert; – Hervorhebung der besonderen Verantwortung bei der Erhebung der Meinungen von Kindern und Jugendlichen; – Sicherung der Freiheit von Marktforschern, sich Informationen zu beschaffen, zu erfassen und weiterzugeben (nach Artikel 19 der Internationalen Konvention der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte); – Minimierung der Notwendigkeit staatlicher und/oder überstaatlicher Gesetze und Vorschriften. Folgende Grundprinzipien liegen ihm zugrunde: – Marktforscher müssen alle nationalen und internationalen Gesetze beachten. – Marktforscher müssen sich ethisch verhalten und dürfen nichts tun, was dem Ruf der Marktforschung schaden könnte. – Marktforscher müssen mit besonderer Sorgfalt vorgehen, wenn sie Forschung mit Kindern und Jugendlichen durchführen. – Die Teilnahme von Befragten ist freiwillig und muss auf der Grundlage einer angemessenen und nicht irreführenden Information über den allgemeinen Zweck und die Art des Projekts erfolgen, wenn ihre Zustimmung zur Teilnahme eingeholt wird, und all diese Erklärungen sind einzuhalten. – Die Rechte der Befragten als Privatpersonen müssen von den Marktforschern respektiert werden und sie dürfen nicht geschädigt oder benachteiligt werden als unmittelbare Folge ihrer Teilnahme an einem Marktforschungsprojekt. – Marktforscher dürfen niemals zulassen, dass die in einem Projekt erhobenen personenbezogenen Daten für irgendeinen anderen Zweck als Marktforschung verwendet werden. – Marktforscher müssen die anerkannten Prinzipien des fairen Wettbewerbs einhalten. (Quelle: http://bvm.org/fileadmin/pdf/Recht_Berufskodizes/Esomar/ICCESOMAR__20 Code_German_NEU.pdf, letzter Datenaufruf am 02.07.2013) Die gesamte marktforscherische Tätigkeit muss sich auch für betriebliche Marktforscher an den folgenden fünf Grundprinzipien orientieren (vgl. dazu auch die Ausführungen von Bergmann 1999, S. 846–848).
80 | 2 Rahmenbedingungen betrieblicher Marktforschung
1.
Legalität: Marktforscher müssen sich an die in Deutschland vor allem im Bundesdatenschutzgesetz niedergelegten Rechtsvorschriften halten. 2. Redlichkeit: Der Umgang mit Probanden muss, gerade wenn es sich um Minderjährige handelt, vertrauensvoll sein. Daneben dürfen sich Marktforscher keine nicht vorhandenen Fähigkeiten oder Erfahrungen anmaßen. 3. Wahrheitsmäßigkeit: Marktforscher dürfen Forschungsergebnisse nicht selbst erzeugen oder korrekt erzeugte Ergebnisse verfälscht wiedergeben oder publizieren. 4. Objektivität: Marktforscher dürfen sich bei ihrer Arbeit nicht von ihren persönlichen Vorlieben oder Einstellungen bzw. denen ihrer Auftraggeber oder Arbeitgeber beeinflussen lassen. 5. Wissenschaftlichkeit: Marktforschung muss anhand angemessener wissenschaftlicher Prinzipien und Methoden durchgeführt werden. Neben der Eigenverpflichtung betrieblicher Marktforscher auf den ESOMAR-Codex dient er ihnen auch bei der Institutsauswahl als Orientierungshilfe, geeignete von ungeeigneten Dienstleistern zu unterscheiden, weil sich nicht jedes Institut auf den Codex verpflichtet. Anhaltspunkte dafür können die Mitgliedschaft in einem der einschlägigen Berufsverbände wie BVM, ADM, VMÖ oder VSMS sein. Eine Spezifikation des Standesrechts stellt die Soziale Medien Richtlinie dar. Sie definiert u. a., welche Social Media für Marktforschung genutzt werden dürfen, wie Probanden in Social Media akquiriert werden dürfen und wie die Urheberrechte von Bloggern und anderen Autoren behandelt werden müssen (vgl. adm/ASI/BVM/DGOF 2014). Weiterführende Literatur Wiegand, Erich (2012): Berufsnormen und Qualitätssicherung. In: Faulbaum, Frank et al. (Hrsg.): Qualitätssicherung in der Umfrageforschung. Wiesbaden: Springer.
2.3.3 Branchenrecht Verschiedene Branchen haben spezifisches Recht, das die Marktforschung tangieren kann. Das betrifft vor allem die drei großen Branchen Gesundheitswesen, Versicherungen und Telekommunikation. Die rechtlichen Grundlagen dafür sind allerdings unterschiedlich. Einschlägig ist dabei zunächst § 203 Strafgesetzbuch (StGB): (1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als 1.
Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
2.3 Rechtliche Aspekte | 81
2.
Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung,
3.
Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder Organ oder Mitglied eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft,
4. Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist. 4a. Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, 5.
staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder
6. Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Das engt die marktforscherische Freiheit und die ihrer Probanden, vor allem in der Pharma- und Versicherungsforschung, ein. Ärzte dürfen so nicht alle Erkenntnisse, die sie z. B. im Rahmen einer Produkteinführungsstudie für ein neues Medikament erworben haben, an die Marktforschung weitergeben. Seit 2007 gibt es dazu als „Teil des Systems der Selbstregulierung der deutschen Markt- und Sozialforschung“ (adm/ASI/BVM/DGOF 2013, S. 1) die Richtlinie für Studien im Gesundheitswesen zu Zwecken der Markt- und Sozialforschung. Sie geht u. a. auf Incentives, Aufbewahrung von Adressen und v. a. auf den Hinweis auf Meldepflichten ein. Die betriebliche Marktforschung hat das in ihrer Studiengestaltung zu berücksichtigen. Lösungsvorschläge für Marktforschung bei Ärzten und Apothekern zeigen Gola/Reif (2011, S. 198 f.) auf. Im § 88 Telekommunikationsgesetz (TKG) ist das Fernmeldegeheimnis verankert: (1) Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche. (2) Zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses ist jeder Diensteanbieter verpflichtet. Die Pflicht zur Geheimhaltung besteht auch nach dem Ende der Tätigkeit fort, durch die sie begründet worden ist. (3) Den nach Absatz 2 Verpflichteten ist es untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Sie dürfen Kenntnisse über Tatsachen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, nur für den in Satz 1 genannten Zweck verwenden. Eine
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Verwendung dieser Kenntnisse für andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere, ist nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht. Die Anzeigepflicht nach § 138 des Strafgesetzbuches hat Vorrang.
Marktforscher in der Telekommunikation dürfen die in reichem Maße vorhandenen Verbindungsdaten zumindest in personenbezogener Form nicht für ihre Zwecke nutzen. Ähnlich äußert sich der § 15 Telemediengesetz (TMG). In der Telekommunikationsbranche ist auch § 95 TKG einschlägig, der gegenüber § 30a BDSG verschärfte Anforderungen an die Nutzung von Kundendaten stellt (vgl. Kapitel 2.3.1). Das bedeutet für die betrieblichen Marktforscher in dieser Branche, nur die Daten derjenigen Mitarbeiter oder Kunden zu nutzen, die explizit einer solchen Nutzung zugestimmt haben. Das kann z. B. durch positive Werbekennzeichen oder Zustimmung zu einer Konzerneinverständnisklausel geschehen. Bei Mitarbeitern sind dazu die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zu beachten.
2.3.4 Kundenbeschwerden Auch bei Einhaltung aller unter Kapitel 2.3.2 vorgestellten Regelungen des Standesrechts kann es zu Beschwerden von Probanden kommen. Diese gehen in der Regel beim Institut, der betrieblichen Marktforschung, aber auch bei der Beschwerdestelle des Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (ADM) ein. Oftmals beziehen sie sich auf die Ansprache als Proband im Rahmen einer Studie. Eine Vielzahl von Beschwerden spricht den Befragern das Recht ab, die Probanden überhaupt zu kontaktieren. Objektiv mag das im Einzelfall, etwa unter Hinweis auf bestehende positive Werbekennzeichen, die auch das Recht zur Befragung beinhalten, falsch sein, im Interesse einer intakten Kundenbeziehung sollten derartige Probanden jedoch von zukünftigen Marktforschungsstudien ausgeschlossen werden. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, eine Sperrliste, auch als Blacklist bezeichnet, anzulegen, die Marktforschung ablehnende Kunden erfasst. Diese Datei sollte auch regelmäßig rekrutierenden Instituten zur Verfügung gestellt werden, um im Wiederholungsfall weiterer Verärgerung oder gar rechtlichen Schritten der betreffenden Personen vorzubeugen. In jedem Fall ist von der betrieblichen Marktforschung, am besten in enger Absprache mit dem hausinternen Datenschutz sowie der die Kundenadressen selektierenden Stelle, sicherzustellen, dass jegliche Kundendatenselektion im eigenen Haus mit dieser Sperrliste bzw. der des ADM abgeglichen wird. Weitere häufige Beschwerdegründe sind Anrufe am Wochenende oder in den späteren Abendstunden sowie die Verquickung von Marktforschung mit Verkaufsaktionen. Letzteres ist ein klarer Verstoß gegen den ESOMAR-Codex: Researchers must not allow personal data they collect in a market research project to be used for any other purpose than market, social and opinion research. (ESOMAR-Codex, 2.1)
2.3 Rechtliche Aspekte | 83
Dieser hat in den letzten Jahren vermutlich nicht unmaßgeblich dazu beigetragen, die Marktforschung teilweise in ein zweifelhaftes Licht zu rücken, was wiederum die Teilnahmebereitschaft an Studien zurückgehen lässt. Wie schon oben erwähnt, können Beschwerden von Probanden auch bei der beim ADM angesiedelten Beschwerdestelle des Rats der Deutschen Markt- und Sozialforschung eingehen.2 Sie ist unter Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung e.V., Beschwerdestelle Kurt-Schumacher-Str. 16, 53113 Bonn [email protected]
erreichbar und gemäß § 1(1) der Beschwerdeordnung zuständig für: a) alle Verstöße gegen die allgemein anerkannten Berufsgrundsätze und Standesregeln der deutschen Markt- und Sozialforschung (festgeschrieben insbesondere im „ICC/ESOMAR Internationalen Kodex für die Markt- und Sozialforschung“ einschließlich der vorangestellten „Erklärung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland“ und den verschiedenen Richtlinien von ADM, ASI, BVM und DGOF), b) Nichteinhaltungen der allgemein anerkannten Qualitätsstandards der deutschen Markt- und Sozialforschung.
Die Beschwerdestelle kann nach § 8 der Beschwerdeordnung Beschlüsse fassen und Folgemaßnahmen beschließen: (4) Die zuständige Kammer des Beschwerderates kann einen der folgenden Beschlüsse fassen: a) b) c)
Freispruch von dem erhobenen Vorwurf, Aussprechen einer Ermahnung, Erteilen einer Rüge.
(5) Im Fall des Erteilens einer Rüge kann die zuständige Kammer des Beschwerderates zusätzlich eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen beschließen: a) b)
Ausschlussempfehlung an die Verbände, in denen die beschwerte Partei Mitglied ist, Information der eventuell zuständigen Behörden.
Sie verfügt nicht über die Rechte eines Gerichts, doch kann eine von ihr ausgesprochene Ermahnung oder gar Rüge für die betroffene Firma unter Umständen gravierendere Folgen als ein weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit ergangenes Gerichtsurteil haben, weil die Rügen auf dem vielgelesenen Marktforschungsportal www.marktforschung.de publiziert und damit einer breiten Fachöffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine „AlibiInstanz“, da in letzter Zeit auch gegenüber großen und renommierten Instituten || 2 Momentan werden keine Beschwerden bearbeitet, siehe marktforschung.de (2015).
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Rügen ausgesprochen worden sind. Die wirtschaftlichen Folgen für ein solchermaßen gerügtes Unternehmen lassen sich leicht ausmalen. Seit 2013 bietet darüber hinaus der BVM unter http://www.bvm.org/urteilssuche eine Datenbank mit Urteilen aus der Markt- und Sozialforschung an.
2.3.5 Grenzfälle der Marktforschung In der Praxis der betrieblichen Marktforschung kommt es immer wieder zu Grenzfällen, die wie die unter Kapitel 2.3.4 beschriebene Verquickung von Marktforschung und Marketing- oder Vertriebsaktivitäten von internen Kunden gewünscht, aber rechtlich nicht zulässig sind, selbst wenn sie der Proband ausdrücklich wünscht (vgl. Kuß/Wildner/Kreis 2014, S. 291). Hier helfen, wie die Autoren aus eigener Erfahrung wissen, nur Überzeugungskraft und marktforscherisches Selbstbewusstsein, um diesen zum Teil sogar gut nachvollziehbaren Wünschen zu widerstehen. Ein mögliches Problem kann die Feldarbeit einer CATI-Studie über ein hausinternes Call Center darstellen (vgl. auch 4.1.7). Diese Call Center sind in aller Regel auf Vertriebs- oder Servicethemen, aber nicht auf Marktforschung spezialisiert. Grundsätzlich ist es möglich, die Mitarbeiter so zu schulen, dass sie zumindest einfache Telefoninterviews selbst durchführen können. Den dadurch entstehenden möglichen Kostenvorteilen gegenüber CATI-Studios steht allerdings, gerade bei vertrieblichen Call Centern, die Gefahr gegenüber, dass sie nach einem Interview vielleicht doch noch zu verkaufen versuchen, was eine wie schon oben ausgeführt unzulässige Vermischung von Marktforschung und Verkauf wäre (vgl. ICC/ESOMAR 2007, Artikel 1, S. 4). Strittig ist, inwieweit bei Qualitätsbefragungen zu laufenden Geschäftsvorfällen wie etwa Reklamationen, Bestellungen oder Beratungen Rücksicht auf eine zuvor (nicht) gegebene Zustimmung zu Befragungen zu berücksichtigen ist. Eine strenge Auslegung des ESOMAR-Codex unterstellt auch hier die notwendige Zustimmung zur Befragung. Dem steht eine liberale Meinung gegenüber, die besagt, bei einer solchen Befragung handle es sich aufgrund des direkten und kurzfristigen Bezugs zu einem Geschäftsvorfall gar nicht um eine Marktforschung im eigentlichen Sinne, weshalb negative Werbekennzeichen nicht beachtet werden müssten. Ein dritter Grenzfall ist die entanonymisierte „Markt“forschung. Sie steht in direktem Widerspruch zum sechsten Grundsatz des ESOMAR-Codex: „Marktforscher dürfen niemals zulassen, dass die in einem Projekt erhobenen personenbezogenen Daten für irgendeinen anderen Zweck als Marktforschung verwendet werden.“ (http://bvm.org/ fileadmin/pdf/Recht_Berufskodizes/Esomar/ICCESOMAR__20Code_German_NEU.pdf; letzter Datenaufruf am 02.07.13). Nichtsdestotrotz unterhalten einige, vor allem größere, deutsche Marktforschungsinstitute Tochterfirmen, die sich genau der entanonymisierten Forschung widmen. Diese sind formal und im Idealfall auch personell von der Marktforschung getrennt. Die entanonymisierte Befragung geschieht aber nur unter
2.4 Gesellschaftliche und betriebliche Rahmenbedingungen | 85
ausdrücklicher, in der Regel schriftlicher, Zustimmung der Probanden. Wie die organisatorische Trennung bei den befragenden Firmen wie beispielsweise Ipsos oder TNS Infratest zeigt, handelt es sich bei solchen Befragungen im strengen Sinne gar nicht mehr um Marktforschung. In diesem Zusammenhang sei auf die Diskussion einer Trennungsrichtlinie solcher entanonymisierter Forschung von klassischer Marktforschung im Sinne des ADM unter http://www.marktforschung.de/hintergruende/themendossiers/repraesentativitaet-und-relevanz/ (abgerufen am 08.12.2014) verwiesen. Weiterführende Literatur adm/ASI/BVM/DGOF (2011): Richtlinie zum Umgang mit Adressen in der Markt- und Sozialforschung. Tscherwinka, Ralf (2012b): Die Auftragsdatenverarbeitung gemäß § 11 BDSG. Online im Internet: http://www.marktforschung.de/information/marktforschungrecht/dieauftragsdatenverarbeitung-gemaess-11-bdsg vom 06.08.2012. Tscherwinka, Ralf (2012a): Herausforderungen und Chancen beim Zusammentreffen von Datenschutz und Umfrageforschung aus rechtlicher Sicht. In: Faulbaum, Frank et al. (Hrsg.): Qualitätssicherung in der Umfrageforschung. Wiesbaden: Springer.
2.4 Gesellschaftliche und betriebliche Rahmenbedingungen Im Rahmen der Tätigkeit des betrieblichen Marktforschers sind Rahmenbedingungen zu beachten, die sich auf Unternehmensleitbilder und etwaige Vision- und Missionstatements auf der einen Seite beziehen und auf der anderen Seite Aspekte der Corporate Social Responsibility und des Gender Mainstreamings berücksichtigen.
2.4.1 Unternehmensleitbild In zahlreichen nationalen wie internationalen Unternehmen im Profit- und NonProfit-Bereich gibt es Unternehmensleitbilder. Ein Unternehmensleitbild existiert normalerweise in schriftlicher Form und enthält die Aussagen einer Organisation über ihr Selbstverständnis und ihre Grundprinzipien. In vielen Unternehmensleitbildern wird ein Zielzustand definiert, der zum Teil über Leitlinien erreicht werden soll (vgl. zu Leitbildern Bleicher, 1994). Ein Unternehmensleitbild wirkt nach innen und nach außen. Nach innen (in Bezug auf die Mitarbeiter und internen Kunden) soll das Unternehmensleitbild eine Orientierung geben und handlungsleitend und motivierend wirken – und das in Bezug auf die ganze Organisation als auch die einzelnen Mitglieder dieser Organisation. Nach außen (Öffentlichkeit, Kunden) besteht die Funktion des Unternehmensleitbildes darin, deutlich zu machen, wofür die Organisation steht. Ein Leitbild sollte die Funktion haben, eine Basis für die Corporate Identity einer Organisation zu sein. Durch das Leitbild wird auch ein Rahmen für die Strategien, die Ziele und das
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operative Handeln einer Organisation gegeben (vgl. zur Entwicklung von Leitbildern Leppert, 2008). Die Orientierungsfunktion von Leitbildern nach innen besteht darin, dass Mitarbeiter bzw. Mitglieder einer Organisation in der Lage sind, die Frage danach zu beantworten, wofür die Organisation steht (Vision), was gemeinsam erreicht werden soll (Mission) und welche Werte und Prinzipien das Handeln leiten. Nach außen ist ein Unternehmensleitbild eine Form der Öffentlichkeitsarbeit und soll externen Stakeholdern die Frage beantworten, wofür die Organisation steht. In einigen Unternehmen wird das Unternehmensleitbild auch noch durch einen sogenannten „Code of Conduct“ (Verhaltenskodex) erweitert, der Unternehmensleitbilder bzw. -linien noch greifbarer machen soll und Regeln für die Umsetzung des Unternehmensleitbildes im konkreten Umgang mit z. B. internen wie externen Kunden enthält. Welche Funktion hat das Unternehmensleitbild nun für den betrieblichen Marktforscher? Der betriebliche Marktforscher ist dem Unternehmensleitbild gegenüber verpflichtet und soll die Grundsätze des Leitbildes sowohl bei der Kommunikation innerhalb des Unternehmens als auch bei der Kommunikation mit externen Stakeholdern (Kunden, Partnern, Dienstleistern etc.) vertreten. Weiterhin können die Leitlinien aber auch Grundsätze oder Verpflichtungen enthalten, die für die Arbeit mit externen Dienstleistern relevant sind oder auch Auswirkungen auf Berichtlegungen und Präsentationen haben (vgl. die folgenden Kapitel 2.4.2 und 2.4.3). Die Leitbilder und Leitlinien sowie die damit verbundenen Handlungsmaximen sind daher im kompletten Prozess der betrieblichen Marktforschung zu berücksichtigen. Zur Firmenpolitik gehört in vielen Unternehmen, nur bei Lieferanten einzukaufen, welche ihren Mitarbeitern faire Arbeitsbedingungen gewähren. Dass dabei nicht nur Zulieferer der Telekommunikationsbranche (Gewinnung seltener Erden im Kongo) oder Sportausrüster (Fußbälle zusammennähende Kinder in Pakistan) gemeint sind, soll das folgende Beispiel verdeutlichen. Den Autoren ist ein mittelgroßes deutsches Marktforschungsinstitut bekannt, dass es auch Angestellten unterhalb von Senior Projektleitern vertraglich zumutet, pro Monat bis zu 30 Überstunden ohne Vergütung oder Freizeitausgleich zu leisten. In so einem Fall ist zu überlegen, ob das Institut wegen u. E. ausbeuterischer Arbeitsbedingungen aus dem Kreis der Lieferanten zu streichen ist.
2.4.2 Corporate Social Responsibility Der Aspekt der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen bzw. Organisationen tritt immer weiter in die öffentliche Diskussion und ist eng mit dem Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) verbunden (vgl. Hansen/Schrader 2005). Un-
2.4 Gesellschaftliche und betriebliche Rahmenbedingungen | 87
ter diesem Begriff haben viele Unternehmen auf verschiedenen Ebenen Initiativen und Projekte gestartet, um unternehmerische Verantwortung über den rein wirtschaftlichen Bereich hinaus auszudehnen. Auch wenn es diverse Diskussionen über die genaue Begrifflichkeit gibt, so gibt es einen Konsens darüber, dass CSR zunehmend als ein ganzheitliches und alle Nachhaltigkeitsdimensionen integrierendes Unternehmenskonzept aufgefasst werden sollte. Das impliziert, dass alle „sozialen, ökologischen und ökonomischen Beiträge eines Unternehmens zur freiwilligen Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, die über die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen (Compliance) hinausgehen“ in diesem Konzept integriert sind (vgl. z. B. Herchen 2007, S. 25 f.). Welche Auswirkungen haben Maßnahmen, die der Corporate Social Responsibility dienen, für den betrieblichen Marktforscher? In vielen Unternehmen wird CSR in Unternehmensleitlinien, z. B. der Form „Soziales, nachhaltiges und gesellschaftliches Engagement, sind wichtige Bestandteile der Strategie“ festgeschrieben und in strategischen Orientierungen kodifiziert. Hierzu werden dann Ziele festgelegt, die zum Beispiel bei der Deutschen Telekom wie folgt lauten: – Verantwortung für Vernetztes Leben und Arbeiten. – Verantwortung für eine chancengleiche und aktive Teilhabe an der Informations–
und Wissensgesellschaft. Verantwortung für eine klimafreundliche Gesellschaft. (vgl. Deutsche Telekom AG, 2013)
Diese Ziele der Organisation sind von der betrieblichen Marktforschung umzusetzen und z. B. bei Ausschreibungen von Projekten dahingehend zu berücksichtigen, dass Lieferanten ihren Beitrag zur Erreichung dieser Ziele im Rahmen der Angebotserstellung oder auch einer Projektdurchführung berücksichtigen und eine Stellung dazu beziehen. Hierzu können schon kleine Maßnahmen wie die Zusammenarbeit mit Behindertenwerkstätten, die Einstellung von behinderten Menschen im jeweiligen Unternehmen oder die CO2-neutrale Versendung von Paketen und Briefen, aber auch eigene Unternehmensleitlinien und CSR-Grundsätze gehören. Ebenso gehören z. B. das Durchführen von Videokonferenzen und der Verzicht auf unnötige Dienstreisen zu dieser Zielvorgabe.
2.4.3 Geschlechtsneutralität (Gender) Nach der (anerkannten) Definition des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ, 2012a) wird Gender Mainstreaming wie folgt definiert: Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt.
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Gleichberechtigung und Gender Mainstreaming sind inzwischen auch (hoffentlich) selbstverständlicher Bestandteil der Kultur von Unternehmen und Organisationen geworden. Allerdings stellt sich häufig die Frage, wie Gender Mainstreaming außerhalb der Diskussion um Quotierungen oder Gleichbehandlung bei Prozessen und Abläufen – und so auch bei der Arbeit im Bereich der betrieblichen Marktforschung – berücksichtigt werden kann. Hierzu existieren von Seiten des BMFSFJ zahlreiche Umsetzungsvorschläge, die in der Verwaltung und in öffentlichen Institutionen schon sehr zahlreich und effektiv umgesetzt werden und deren Umsetzung auch in Unternehmen empfohlen werden kann. So können z. B. die Standards für eine differenzierende Berichtlegung die folgende Empfehlung (vgl. BMFSFJ 2012b, S. 4) berücksichtigen: Berichte sollten so erstellt werden, dass das Berichtsthema geschlechterdifferenziert gefasst und Erkenntnisse geschlechterdifferenziert und gleichstellungsorientiert dargestellt werden.
Das bedeutet, dass z. B. bei einer Marktforschungspräsentation nicht nur die Gesamtgruppe ausgewertet wird, sondern die Auswertungen auch (zusätzlich) getrennt nach Geschlechtern vorgenommen werden. Auf weitergehende Ansätze wie die Realisierung bzw. den Nachweis eines Gleichstellungscontrollings soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Auf die Gefahren alters- und geschlechtsspezifischer Auswertungen vor dem Hintergrund von Mitarbeiterbefragungen gehen Scholz/Müller/Eichhorn (2012, S. 83 f.) ein. Weiterführende Literatur Bleicher, Knut (1994): Leitbilder. Orientierungsrahmen für eine integrative Managementphilosophie. 2. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel-Verlag. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend BMFSFJ (2012a): http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did=192702.html (abgerufen am 8. Dezember 2013). Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend BMFSFJ (2012b). Arbeitshilfe zu §2 GGO: Gender Mainstreaming im Berichtswesen: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/gm-arbeitshilfeberichtswesen,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf (abgerufen am 8. Dezember 2013). Deutsche Telekom AG (2013): http://www.telekom.com/verantwortung/cr-strategie-undmanagement/unsere-strategie/462 (abgerufen am 8. Dezember 2013). Hansen, Ursula/Schrader, Ulf (2005): Corporate Social Responsibility als aktuelles Thema der Betriebswirtschaftslehre. DBW, 65(4), 373–395. Herchen, Oliver (2007): Corporate Social Responsibility. Wie Unternehmen mit ihrer ethischen Verantwortung umgehen. Norderstedt: Books on Demand. Leppert, Isabel (2008): Die Entwicklung von Unternehmensleitbildern: Praxisbuch zur Konzeption, Implementierung und Analyse von Leitbildern. Saarbrücken: VDM Verlag.
2.5 Ethik in der Marktforschung | 89
2.5 Ethik in der Marktforschung Auch wenn in der Marktforschung, um mit Kuß (2007, S. 263) zu sprechen, „viele Fragestellungen der Marketingforschung (z. B. nach der präferierten Kaffee-Marke oder der Häufigkeit des Konsums von Coca Cola) eher unproblematisch“ sind, werden betriebliche Marktforscher immer wieder mit ethisch heiklen Anforderungen konfrontiert. Das können beispielsweise die Auswertung von Mystery Shoppings auf einzelne Mitarbeiter, die individualisierte Beurteilung von Vorgesetzten, die Weitergabe positiver Kundenmeinungen für Akquisezwecke an den Vertrieb oder die Erstellung von Kundenprofilen über Big Data sein. Ethische Grundsätze spielen in der betrieblichen Marktforschung traditionell eine wichtige Rolle. Nach Kuß/Wildner/Kreis (2014, S. 287) geht es bei der Forschungsethik „um die Einhaltung moralischer Prinzipien, Werte und Verhaltensweisen in Situationen, in denen durch Marktforschung Schaden entstehen kann.“ Dabei ist für den Marktforscher entscheidend, dass „Ethische Reflexionen (…) nicht nachträglich stattfinden und sich nur auf die technologische Anwendung beschränken, sondern die Forschungsprozesse von Beginn an begleiten“ (Fenner 2014, S. 196). Gerade in jüngster Zeit wird vor allem im Zusammenhang mit Social Media Analysen und Big Data im Sinne von „Cyberscience“ (Heise 2013, S. 88) intensiv über die zunehmende Verwässerung von Privatsphäre und Öffentlichkeit diskutiert. An dieser Stelle soll erst einmal der Begriff Ethik kurz definiert werden. Die folgende, dem Gabler Wirtschaftslexikon entnommene Definition scheint uns sehr zutreffend zu sein: Ethik ist die Lehre vom Handeln gemäß der Unterscheidung von gut und böse. Gegenstand der Ethik ist die Moral. (Gabler Wirtschaftslexikon 2014)
Es geht bei der Ethik also um menschliches Handeln. Sie „versucht ganz generell die Frage zu beantworten, wie die Menschen handeln sollen“ (Fenner 2010, S. 2). Die folgenden Ausführungen sollen aufzeigen, in welchem ethischen Rahmen sich die betriebliche Marktforschung bewegt. Eine übergreifende Leitlinie dazu führen Clow/ James (2014, S. 45) an: Honesty and integrity should be guiding principles of market research firms, individuals conducting the research, and client companies.
Die Ethik in der Marktforschung beruht auf drei Säulen. Deren erste ist das kodifizierte Recht (vgl. 2.3.1). Es folgt das Standesrecht der Marktforschung (vgl. 2.3.2). Auf beide soll aufgrund der vorstehenden Ausführungen zu diesen Themen an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Den weitesten Rahmen bilden Gepflogenheiten und „gute“ Sitten, also nicht kodifizierte, aber allgemein anerkannte Normen, im Englischen auch als Common Sense bezeichnet. Die folgende Abbildung veranschaulicht dieses Konstrukt grafisch.
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Ethischer Rahmen der Marktforschung
K O D I F I Z I E R T E S
R E C H T
S T A N D E S R E C H T
G E S E L L S C H A F T L I C H E
N O R M E N
Abb. 2.11: Ethischer Rahmen betrieblicher Marktforschung (Ottawa, Marco/Borchers, Frederik)
Eine ähnliche Systematik schlägt auch Scheffler vor: Der Umgang mit ethischen Fragen ist immer ein Dreiklang aus Bewusstmachung der Thematik, gesetzlichen und standesrechtlichen Regelungen und der nicht regelbaren Restgröße „gelebte, anständige Praxis“… (Scheffler 2010, S. 46)
Neben den drei Säulen der marktforscherischen Ethik existieren drei Gruppen von Menschen, die von dem Handeln betrieblicher Marktforscher betroffen sind. Es sind das ihre internen Kunden, die Probanden sowie Institute und sonstige Dienstleister.
2.5.1 Ethisches Handeln gegenüber internen Kunden Wichtigste Aufgaben des betrieblichen Marktforschers im Rahmen ethischen Handels gegenüber seinen internen Kunden ist die Aufklärung über den rechtlichen und ethischen Rahmen, in welchem sich Marktforschung bewegt. Nicht immer liegt den in 2.5 beispielhaft angeführten Wünschen aus dem eigenen Unternehmen böse Absicht zugrunde. Vielmehr herrscht bei internen Kunden oftmals Unwissenheit dar-
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über vor, was marktforscherisch erlaubt ist und was nicht. Gleichwohl haben sich Markt- und Meinungsforscher immer wieder für ethisch abzulehnende Forschungsvorhaben instrumentalisieren lassen, wie das Beispiel der “The Tuskegee Study of Syphilis“ (vgl. Groves et al. 2009, S. 377) zeigt. Für betriebliche Marktforscher muss es selbstverständlich sein, ihre internen Kunden, die u. U. bestimmte Ergebnisse erwarten, um nicht zu sagen, benötigen, darauf hinzuweisen, dass sie nicht für gute, sondern für korrekte Forschungsergebnisse bezahlt werden. Dazu gehört auch im Umkehrschluss, dass, im Falle von eigener Durchführung einer Studie durch die betriebliche Marktforschung, die wissenschaftlichen Standards der Marktforschung eingehalten werden, um den internen Kunden valide Ergebnisse zu liefern (vgl. Clow/James 2014, S. 47–49).
2.5.2 Ethisches Handeln gegenüber Probanden Das Handeln des betrieblichem Marktforschers gegenüber Probanden lässt sich auf zwei einfache Sätze reduzieren: „Fragen Sie nur, was auch Sie beantworten würden“ und „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“ (Heise 2013, S. 106). Etwas elaborierter stellen Sudman/Blair (1998, S. 644) drei Maximen ethischen Handelns auf: – – –
Do unto others as you would have them do unto you. Do not do anything that would not be willing to have published in the newspaper. If your instincts tell you that something is wrong, follow them.
Ethisches Handeln beginnt hier mit der Aufklärung des Probanden, dass dieser an einer Studie teilnimmt (vgl. Heise 2013, S. 100 f.), was beispielsweise bei der bereits oben erwähnten “Tuskegee Study of Syphilis“ nicht der Fall war. En détail ist der Proband darüber aufzuklären, was auf ihn hinsichtlich Länge (vgl. Lütters 2015 und Malhotra 2014, S. 358), Zweck und Auftraggeber in der Studie zukommt (vgl. Groves et al. 2009, S. 379 und Sudman/Blair 1998, S. 646–648). Daraus ergibt sich idealerweise eine „umfassend informierte Zustimmung beziehungsweise Ablehnung“ (Scheffler 2010, S. 46). Dazu gehört auch die Einhaltung von Vertraulichkeit und Anonymität. In Anlehnung an den ICC/ESOMAR International Code on Social Science and Market Research fassen (Clow/James 2014, S. 49) die ethischen Verantwortlichkeiten gegenüber Probanden in fünf Punkten zusammen. – – – – –
Respondants have the right not to participate. Respondants have the right to stop participating in a research study at any time. Respondants have the right to require that their information remain confidential. Respondants have the right to require that personal information be deleted after use, Respondants have the right to the expectation of safety and freedom from harm.
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Ebenso soll der Proband für die Teilnahme an der Studie angemessen incentiviert werden. Das muss aber in einem Rahmen geschehen, der ein „Erkaufen“ der Teilnahme ausschließt. Im Folgenden soll auf einige Spezialfälle ethischen Handelns eingegangen werden. Ihr erster bezieht sich auf Probanden aus dem Konkurrenzumfeld im Rahmen von b2b-Studien bzw. Markt- und Wettbewerbsanalyse. Konkurrenten sind keineswegs marktforscherisches „Freiwild“. Somit ist es ethisch nicht korrekt, Konkurrenten unter falscher Identität bzw. falschem Absender zu befragen, ein Tatbestand, der gerade bei Mystery-Studien erfüllt sein kann. Ethisch zu beanstanden ist es ebenfalls, von Konkurrenten unter Decknamen oder über Institute umfangreiche Angebote anzufordern, um mehr über das Leistungsspektrum und die Preisgestaltung von Mitbewerbern zu erfahren. Besonderen ethischen Anforderungen unterliegen auch Onlinebefragungen. Sie können sich auf die Zugangskontrolle zu solchen Befragungen, aber auch auf fehlendes Einverständnis zur Teilnahme an solchen Befragungen beziehen (vgl. Dzeyk 2001, S. 11). Dzeyk (a. a. O., S. 25) hat deswegen schon 2001 eine „Ethik-Checkliste“ für die Onlineforschung aufgestellt, die auch heute noch von Bedeutung ist. Die Möglichkeiten der Onlineforschung und damit auch die ethischen Ansprüche an sie sind seitdem erheblich angestiegen. Gerade die Forschung rund um Social Media wirft Fragen auf, ob etwa Bereiche, die wie Äußerungen in Blogs oder auf Twitter gar nicht für Forschungszwecke bestimmt waren, überhaupt für Marktforschung genutzt werden dürfen. Die weitere Verwendung von Zitaten aus Social Media wirft zudem urheberrechtliche Fragen auf (vgl. 5.4). Auch wenn im Rahmen von Social Media Analysen als Veranschaulichung angeführte Zitate anonymisiert worden sind, ergibt sich doch über die Eingabe solcher Zitate in Suchmaschinen ex post die Möglichkeit, ihre Autoren zu entanonymisieren (vgl. Heise/Schumann 2014, S. 19). Das Gros der Probanden, sofern man die vielen Autoren in Social Media an dieser Stelle überhaupt als solche bezeichnen darf, wird sich aufgrund der zunehmenden Vereinigung privater und öffentlicher Bereiche im Internet dieses forscherischen Eindringens in Privaträume im Rahmen von Social Media Forschung kaum bewusst sein (vgl. Heise 2013, S. 100 f.). Betriebliche Marktforscher, die in diesem Bereich forscherisch tätig sind, benötigen „internetspezifische Medienkompetenzen“ (a. a. O., S. 107), um die subjektive „Pseudo-Privatheit“ (a. a. O., S. 101) der Probanden nicht zu verletzen. Hier ist immer abzuwägen, ob durch Social Media Forschung die Privatsphäre bzw. das Recht auf informelle Selbstbestimmung verletzt werden könnte. Noch weitere reichende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Probanden ergeben sich etwa durch physiologische Messungen, GPS-Ortungen, Beacons oder Beobachtungskameras, von Scheffler (2010, S. 44) als „erweiterter Instrumentenkasten der Marktforscher“ bezeichnet, weil hier im Gegensatz etwa zu einem Tweet nicht nur von den Probanden bewusst abgegebene Meinungen ausgewertet, sondern unbewusst ablaufende Vorgänge erfasst werden. Die soeben erwähnten Social Media werden gerade auch von Kindern und Jugendlichen genutzt, ohne die weitere Verwertung ihrer Daten durch Dritte zu reflektieren. Deswegen ist hierbei noch zusätzlich besonders auf den Schutz
2.5 Ethik in der Marktforschung | 93
dieser minderjährigen Probanden zu achten (vgl. ESOMAR-Codex unter 2.3.2). Das gilt aber gegenüber diesen Probanden auch für alle anderen Arten von Marktforschung. Ebenso ist Rücksicht auf kulturelle Besonderheiten und Befindlichkeiten in fremden Kulturen zu nehmen. So kann die Rekrutierung von jüdischen oder muslimischen Probanden für den Geschmackstest neuer Schweinefleischprodukte von diesen als Provokation verstanden werden. Neben den bislang angesprochenen allgemeinen ethischen Überlegungen sollen auch noch kurz individuelle ethische Probleme betrieblicher Marktforscher angesprochen werden. Im Rahmen der Konsumentenethik soll sich der Konsument fragen, ob der Konsum bestimmter Güter prudentiell oder moralisch schlecht ist (vgl. Fenner 2010, S. 418). Diese Frage kann u. E. so auch auf Marktforscher übertragen werden, die solche Produkte beforschen, um beispielsweise ihren Absatz zu steigern. Zu denken ist hier etwa an Zigaretten, zuckerhaltige Getränke oder Alkohol. Wiewohl diese Forschung aus juristischer und standesrechtlicher Warte nicht zu beanstanden ist, kann sie den einzelnen Marktforscher gleichwohl in einen ethischen Konflikt stürzen. Hier ist der einzelne Marktforscher gefragt, ob er solche Forschung betreiben will oder nicht. Abschließend sei auf ethisches Handeln im Rahmen von Hospitationen hingewiesen. Aus eigener Erfahrung wissen die Autoren, dass Probanden nicht immer darüber aufgeklärt werden, dass sie hinter dem Einwegspiegel beobachtet werden. Auch wenn die Einwilligung dazu in aller Regel erteilt wird, gebührt es doch die Fairness gegenüber den Probanden, diese auf die Beobachtung hinzuweisen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Hospitation im Befragungsraum direkt stattfindet. Hier müssen die Rollen (Interviewer, Proband, Hospitant) im Vorfeld der Befragung klar und offensiv dargelegt werden (vgl. Malhotra 2014, S. 200). Diese Regeln gelten ebenso hinsichtlich Ton- und Bildaufzeichnungen von Forschungen. Kurz gesagt sollen die Belastungen der Probanden im Rahmen einer Studie im Sinne einer „Kosten-Nutzen-Analyse“ (Kuß/Wildner/Kreis 2014, S. 288) möglichst gering gehalten werden. Kritisch betrachtet sind empirische Studien im Bereich der Marktforschung in Bezug auf die ethischen Anforderungen aber ein Graubereich dahingehend, dass eine Überprüfung dieser Studien durch keine externe Stelle vorgenommen wird. Werden empirische Studien am Menschen in einem wissenschaftlichen Kontext (Medizin, Psychologie) durchgeführt, so ist eine Genehmigung dieser Studie durch eine (externe oder interne) Ethikkommission Voraussetzung für die Durchführung dieser Studie. In einem großen Teil der Fachzeitschriften werden auch nur noch Artikel über empirische Studien aufgenommen, denen die Genehmigung der Ethikkommission zur Durchführung der Studie beiliegt. Auch wenn es hierfür im Bereich der Marktforschung – im Gegensatz zur Medizin – keine verbindlichen Rechtsgrundlagen gibt, könnte es durchaus sinnvoll sein, die sensible Forschung an Menschen in diesem Rahmen über eine eigene Ethikkommission zu zertifizieren.
94 | 2 Rahmenbedingungen betrieblicher Marktforschung
2.5.3 Ethisches Handeln gegenüber Dienstleistern Immer wieder kommt es seitens Instituten und anderen Marktforschungsdienstleistern zu eklatanten Verstößen gegen ethische Marktforschung (vgl. Zbinden 2008, S. 7). Diese können ein Institut in den wirtschaftlichen Ruin führen, spricht sich solches Verhalten doch in der überschaubaren deutschsprachigen Marktforschungsszene schnell herum, fällt aber im Zweifelsfall ebenso auf die beauftragende Firma und damit oftmals auch auf deren betriebliche Marktforschung zurück. Deshalb sollen im Folgenden mögliche Verstöße von Instituten gegen ethisches Handeln angeführt werden. Ethisches Handeln gegenüber (potenziellen) Dienstleistern beginnt bereits mit dem Anfordern von Angeboten. Deren Erstellen bindet Ressourcen. Diese sollten nur dann in Anspruch genommen werden, wenn das Angebot auch ernst gemeint ist. Es ist in betrieblichen Marktforschungen durchaus üblich, um einerseits internen Ausschreibungsvorschriften genüge zu leisten, andererseits jedoch problemlos das Wunschinstitut beauftragen zu können, Angebotsaufforderungen an aufgrund ihres Leistungsspektrums oder ihrer Preisgestaltung chancenlose Institute zu schicken. Ethisch indiskutabel ist es auch, preisgünstigere Angebote von Konkurrenten dem favorisierten Institut noch in der Angebotsphase zur Verfügung zu stellen, damit dieses sein Angebot nachbessern kann (vgl. Clow/James 2014, S. 46 und Sudman/Blair 1998, S. 655). Was die Nachbesserung von Angeboten anbelangt, ist es ethisch verwerflich, gerade neue Anbieter unter Hinweis auf mögliche Folgeaufträge im Preis zu drücken (vgl. Clow/James 2014, S. 46 und Malhotra 2014, S. 105). Gleichwohl wirbt manch neu angefragtes Institut damit, besondere „Neukundenpreise“ zu gewähren, um in eine neue Geschäftsbeziehung treten zu können bzw. sich in diese quasi einzukaufen. Ethisch angreifbar ist ferner die Anforderung von Angeboten, um deren Ideen ohne Beauftragung des Instituts in Eigenregie umzusetzen (vgl. Clow/James 2014, S. 46). Oftmals stehen betriebliche Marktforscher unter hohem Zeitdruck, Ergebnisse zu liefern. Das soll sie jedoch nicht davon abhalten, auf einer Ausschreibung von Institutsleistungen zu bestehen, um beste Ergebnisse und Konditionen zu erzielen (vgl. Clow/ James 2014, S. 46). Ebenso gebührt es die Fairness gegenüber Dienstleistern diese ungeachtet allen von den internen Kunden aufgebauten Zeitdrucks erst dann mit ihrer Arbeit beginnen zu lassen, wenn sie formell, d. h. schriftlich, beauftragt worden sind. Sollte das nicht der Fall sein, kann es wegen der bereits erbrachten Leistungen zu Streitigkeiten kommen und der betriebliche Marktforscher läuft Gefahr, von seinem Unternehmen deswegen in Regress genommen zu werden, ja ggf. auch noch arbeitsrechtlich belangt zu werden. In keinster Weise akzeptabel und straf- und arbeitsrechtlich relevant ist Bestechlichkeit im Zusammenhang mit Auftragsvergaben. Nur selten werden Geldzahlungen an betriebliche Marktforscher fließen, doch Weihnachtsgeschenke sind in dieser Branche auch heute ungeachtet innerbetrieblicher Codes of Conduct durch-
2.5 Ethik in der Marktforschung | 95
aus noch üblich. Die Annahme solcher Geschenke ist in der Regel durch Firmenpolitik oder Rechtsnormen im öffentlichen Dienst klar geregelt. Aus eigener Erfahrung sei aber empfohlen, lieber einmal zu oft ein solches Geschenk abzulehnen als anzunehmen. Zur Minimierung oder im Idealfall Verhinderung der eben geschilderten Handlungsweisen empfiehlt sich bei der Auftragsvergabe das Vieraugenprinzip (vgl. Zbinden 2008, S. 76). Neben dem ausschreibenden Projektleiter in der betrieblichen Marktforschung kann beispielsweise dessen Vorgesetzter, ein Einkäufer oder ein Controller die Beauftragung gegenzeichnen. Ein wenig diskutierter Punkt sind die Arbeitsbedingungen in Instituten. Überstunden und Wochenendarbeit dürften eher die Regel als die Ausnahme sein. Das wäre vielleicht noch bei überdurchschnittlichen Gehältern einigermaßen vertretbar, doch die Gehälter in der Marktforschung, und hier besonders die von Instituten (vgl. 1.4), sind nicht gerade als üppig zu bezeichnen. Im Rahmen ethischen Handelns können bei der Auftragsvergabe durchaus auch die Arbeitsbedingungen bei betreffenden Dienstleistern eine Rolle spielen. Im weiteren Verlauf einer Marktforschungsstudie lauern viele Gefahren, ethisch falsch zu handeln. Sie betreffen gleichermaßen das mit der Durchführung beauftragte Institut wie die in Eigenleistung forschende betriebliche Marktforschung. Um den Umfang der Ausführungen nicht zu sprengen, seien hier nur die Fälschung von Interviews (vgl. Groves et al. 2009, S. 373 und Zbinden 2008, S. 7 f.), die mangelnde Supervision von Interviewern oder die falsche Interpretation oder das falsche Zitieren von Studienergebnissen (vgl. Sudman/Blair 1998, S. 644) genannt.
2.5.4 Vermeidung ethischen Fehlverhaltens Es gibt zur Vermeidung solchen Fehlverhaltens keine pauschale Lösung, doch scheint die immer wiederholte Schulung in und Beschäftigung mit diesem Thema ein erster Ansatz zu sein. Dabei sollte anhand des ESOMAR-Kodex (vgl. 2.3.2) mit den betroffenen Marktforschern erarbeitet werden, was er für deren tägliche Arbeit bedeutet. Dabei darf ruhig deutlich auf u. U. arbeitsrechtliche Folgen von Verstößen gegen ihn und ethisches Handeln überhaupt eingegangen werden. Probleme, die z. Β. durch unethische Anforderungen interner Kunden entstehen, sind offen anzusprechen und Lösungsansätze zu diskutieren. Solche Lösungsansätze haben umso höhere Chancen auf Anerkennung und Durchsetzung, wenn sie unternehmensintern verankert (vgl. Ambrose/Arnaud/ Schminke 2008) und unternehmensübergreifend getragen werden. Beispiele dafür führt Zbinden (2008, S. 87–100) für die Schweiz an. Nichtsdestotrotz ist Dzeyk (2001, S. 24) zuzustimmen, der ausführt, Richtlinien entbänden Marktforscher nicht von „ihrer persönlichen Verantwortlichkeit gegenüber den Menschen, die durch ihre Bereitschaft zur Teilnahme an Untersuchungen einen Erkenntnisfortschritt
96 | 2 Rahmenbedingungen betrieblicher Marktforschung
überhaupt erst ermöglichen.“ Letztlich ist der einzelne (betriebliche) Marktforscher für sein ethisch korrektes oder falsches Handeln selbst verantwortlich. Nur durch die Einhaltung ethischer Standards gelingt es die Kausalkette: Vertrauen in Marktforschung → Teilnahmebereitschaft → Erfolgreiche Forschung in Anlehnung an Dzeyk (2001, S. 7) im Sinne der Marktforschung aufrecht zu erhalten. Eine umfangreiche Aufführung von verbindlichen und ethischen Normen und Richtlinien mit dem Schwerpunkt Onlineforschung führen Heise/Schmidt (2014, S. 539) an. Weiterführende Literatur Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGfP) (2015). Ethikkommission http://www.dgps.de/index.php?id=185 (abgerufen am 4. März 2015). Fenner, Dagmar (2010): Einführung in die Angewandte Ethik. Tübingen: francke, S. 179–203 und 410–418. Groves, Robert M. et al. (2009): Survey Methodology. 2. Aufl. Hoboken NJ: Wiley. Heise, Nele (2013): ´Doing it for real‘ – Authentizität als eine kommunikationsethische Grundlage onlinebasierter Forschung. In: Emmer, Martin/Filipovic, Alexander/Schmidt, Jan-Hinrik/Stapf, Ingrid (Hrsg.): Echtheit, Wahrheit, Ehrlichkeit, Authentizität in der computervermittelten Kommunikation (Reihe Kommunikations- und Medienethik, Bd. 2). Weinheim: Juwenta, S. 88–109. Kuß, Alfred/Wildner, Raimund/Kreis, Henning (2014): Marktforschung – Grundlagen der Datenerhebung und Datenanalyse. 5. Aufl. Wiesbaden: Springer. Sudman, Seymour/Blair, Edward (1998): Marketing Research. A Problem-Solving Approach. Boston u. a.: McGraw Hill. Willemsen, Alexander (2009): Einführung und Inhaltskontrolle von Ethikrichtlinien. Herbolzheim: Centaurus Verlag.
3 Marktforschung längs des Produktlebenszyklus Die folgenden Phasen des Produktlebenszyklus, die in Abb. 3.1 prototypisch dargestellt sind, entsprechen nicht den gängigen Produktlebenszyklen aus der MarketingLiteratur (vgl. Kotler/Armstrong/Wong/Saunders 2011, S. 666 f.; Kuß 2006, S. 117; Porter 2008, S. 213–218). Umsatz Einführung
Wachstum
Sättigung
Degeneration
Zeit
Abb. 3.1: Klassischer Produktlebenszyklus (Ottawa, Marco)
Modelle wie aus Abb. 3.1 erscheinen den Autoren für Marktforschungszwecke als zu wenig operationabel. Es ist beispielsweise schwer zu sagen, ob sich ein Produkt noch in der Wachstums- oder bereits in der Sättigungsphase befindet. Selbst wenn Absätze zu stagnieren scheinen, kann es sich dabei lediglich um saisonale Effekte handeln, die bei einer Jahresbetrachtung nivelliert würden. Das von den Autoren vorgeschlagene Modell des Produktlebenszyklus macht es Marketiers und Marktforschern gleichermaßen leichter, ihr Produkt hinsichtlich seiner Lage im Produktlebenszyklus zu verorten. Es geht zudem davon aus, dass der Lebenszyklus eines Produktes nicht etwas vorwiegend exogen Gesteuertes ist, sondern aktiv gesteuert werden kann und soll. Das Beispiel der Markterprobung soll das verdeutlichen. Ohne Zweifel gibt es aus Sicht des anbietenden Unternehmens exogene Faktoren, die es geraten sein lassen,
98 | 3 Marktforschung längs des Produktlebenszyklus
ein Produkt aus rechtlichen oder wettbewerblichen Gründen zu einem bestimmten Zeitpunkt am Markt zu platzieren. Gleichwohl ist es jedem Unternehmen freigestellt, den Zeitpunkt der Markterprobung selbst zu bestimmen. Im Folgenden sollen die sieben Phasen des Produktlebenszyklus kurz vorgestellt werden.
3.1 Exploration Unter Exploration wird „eine Voruntersuchung zur Strukturierung und Aufhellung des eigentlichen Forschungsproblems in einer empirischen Untersuchung“ (marketingprofi.ch 2013) verstanden. Die Phase der Exploration ist von hoher Unsicherheit hinsichtlich des Forschungsgegenstandes oder der Validität der zu ihr gehörigen Marktforschung gekennzeichnet. Ihr Ziel ist es, aus einer komplexen, ungeordneten Umwelt Ansatzpunkte für künftige Produkte zu gewinnen. Hierbei steht weniger das eigentliche Produkt, dessen Ausgestaltung in diesem ersten Stadium des Produktlebenszyklus noch weitgehend unklar ist, im Vordergrund, als vielmehr unbefriedigte Konsumentenbedürfnisse, die es zu bedienen gilt. Mögliche Quellen für neue Produktideen können v. a. interne Quellen, Kunden, Konkurrenten, Händler und Lieferanten sein (vgl. Kotler/Armstrong/Wong/Saunders 2011, S. 648–651), weswegen die Marktforschung ihr Augenmerk auf all diese Stakeholder zu richten hat. In letzter Zeit werden auch große Hoffnungen auf Social Media als derartige Quelle gesetzt.
3.2 Ideation Ideation ist definiert als: creative process of generating, developing, and communicating new ideas, where an idea is understood as a basic element of thought that can be either visual, concrete, or abstract. [1] Ideation is all stages of a thought cycle, from innovation, to development, to actualization. [2] As such, it is an essential part of the design process, both in education and practice [3]. (Wikipedia 2013)
Dieser zweite Schritt des Produktlebenszyklus soll für die im Rahmen der Exploration aufgedeckten unbefriedigten Kundenbedürfnisse grobe Lösungen entwickeln. Dabei kommt der Marktforschung, vor allem in ihrer Teildisziplin Innovations- oder Trendforschung, eine große Verantwortung zu, denn: Innovation ist nicht nur der Motor für Märkte von morgen, sondern notwendige Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit von Unternehmen. (…) Dazu sind immer Umweltinformationen erforderlich, die von dem System [= Unternehmen; Anm. d. Autoren] aufgenommen, verarbeitet (= gelernt) und umgesetzt werden. (…) Hier kommt nun die Marktforschung ins Spiel. Sie hat die explizite Aufgabe, Informationen aus der Umwelt in die Unternehmen hineinzutragen, und ist daher einer der wichtigsten Akteure im Unternehmen. (Fetzer/Schuh 2013, S. 66)
3.3 Produktentwicklung | 99
Um diese wichtige Rolle auszufüllen, muss die Marktforschung Daten zu den Portfolios und Aktivitäten der Wettbewerber, technologischen Entwicklungen, innovativen Strömungen sowie befriedigten und vor allem unbefriedigten Bedürfnissen (potenzieller) Kunden liefern (vgl. Hedin/Hirvensalo/Vaarnas 2011, S. 175 f.).
3.3 Konzeption Als Ergebnis der Ideation liegen grobe Produktideen vor, die im Rahmen der Konzeption so konkretisiert werden, dass sie mit qualitativen und quantitativen Methoden der Marktforschung bewertet werden können. „Zu diesem Zweck werden die Eigenschaften und Vorteile der Neuproduktion lediglich verbal umschrieben, u. U. ergänzt durch eine Bildvorlage.“ (Diller 2001a, S. 727). Das Produkt bzw. der Produktentwurf hat zu diesem Zeitpunkt in aller Regel noch nicht seine volle Funktionsfähigkeit erreicht. (vgl. a. a. O., S. 727). Untersuchungsgegenstände im Rahmen der Konzeption können etwa Verbalkonzepte oder Click Dummys sein. Leitthemen der Konzeptionsphase sind vor allem der Blick auf den aktuellen Wettbewerb, das Verständnis der Kundenbedürfnisse sowie das Wissen, wer Spezialist und damit potenzieller Konkurrent ist, aber auch Partner auf dem betreffenden Gebiet sein kann (vgl. Hedin/Hirvensalo/Vaarnas 2011, S. 176). Eine besondere Herausforderung für die Marktforschung ist es, die Stimulusmaterialien für die Konzepttests möglichst kundennah zu gestalten, damit valide Ergebnisse erzielt werden können. Aus den Konzepttests ergeben sich auf Basis der Meinungen der Probanden Handlungsempfehlungen, ob und wie das Konzept weiterverfolgt bzw. optimiert werden soll, sowie quantifizierte Einschätzungen der erzielbaren Absätze und Umsätze (vgl. Kotler/Armstrong/Wong/Saunders 2011, S. 654 f.).
3.4 Produktentwicklung Auf Basis der Konzepttests wird ein Produkt im folgenden Schritt konkret konstruiert. Handelt es sich um ein materielles Produkt, werden ein oder mehrere Prototypen gebaut, die es im Rahmen der Produktentwicklung auf ihren Gebrauchswert und ihre Benutzerfreundlichkeit zu untersuchen gilt. Bei immateriellen Produkten, wie etwa Stromtarifen, geht es in diesem Stadium des Produktlebenszyklus u. a. darum, das Produkt in die internen Prozesse zu implementieren, also z. B. in die Buchungssysteme oder einen Onlineshop einzubauen. Aus marktforscherischer Sicht sind Produkttests das Kernstück im Rahmen dieser Phase. Sie sind „(quasi-)experimentelle Untersuchungen, in denen ausgewählte Testpersonen probeweise zur Verfügung gestellte Produkte ge- oder verbrauchen, um anschließend die subjektive Beurteilung der getesteten Produkte zu erheben“ (Diller 2001b, S. 1415). Zur Aussagekraft und zur externen und internen Validität vgl. den methodischen Anhang. Hedin/Hirvensalo/Vaarnas
100 | 3 Marktforschung längs des Produktlebenszyklus
(vgl. 2011, S. 177) nennen in dieser Phase als wichtigste Fragen u. a. die Reaktionen auf das eigene neue Produkt zu antizipieren, das Marktpotenzial genau abzuschätzen und Partnerschaften mit Vorlieferanten, Produzenten und Vertriebspartnern vorzubereiten.
3.5 Markterprobung Ziel der Markterprobung, auch als Produkt Launch bezeichnet, ist es, das nun funktionsfähig vorliegende Produkt einer möglichst realen Marktsituation auszusetzen (vgl. Pfaff 2007, S. 207). Möglichst alle Teile des Marketing-Mixes sollen den realen Markt in einem Testmarkt abbilden. Dazu gehören vor allem die genaue Abschätzung von Marktreaktionen auf die Produkteinführung sowie der Test verschiedener Preisoptionen (vgl. Hedin/Hirvensalo/Vaarnas 2011, S. 177). Entsprechend fokussiert sich die Marktforschung in diesem Stadium des Produktlebenszyklus nicht nur wie zuvor weitgehend auf das Produkt an sich, sondern ebenso auf Preis, Platzierung und Promotion. Diese Forschung findet nun nicht mehr in eher künstlichem Umfeld, etwa in Gestalt eines Marktforschungsstudios, sondern weitgehend in „einer annähernd realistischen Umwelt“ (Kotler/Armstrong/Wong/Saunders 2011, S. 657) mit echten Kunden statt. Dabei sind vorrangig vier Fragen zu beantworten: Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Produkteinführung? Auf welchen Märkten soll die Produkteinführung stattfinden? An wen richtet sich das neue Produkt? Wie soll das Produkt eingeführt werden? (Kotler/Armstrong/Wong/Saunders 2011, S. 662)
3.6 Marktphase In der Regel nach erfolgreicher Markterprobung geht das Produkt in seine Marktphase. Im Gegensatz zu dem o. a. klassischen Produktlebenszyklus muss diese nicht immer in Gestalt einer Parabel verlaufen. Vielmehr kann sie sich extrem langsam entwickeln wie der um 1990 in der deutschen Marketingliteratur vielfach als Muster für einen Flop angeführte Bildschirmtext der damaligen Deutschen Bundespost, aus dem erst nach mehreren Jahren am Markt und deutlicher Überarbeitung des Produktes mit T-Online der Marktführer für Onlinedienste in Deutschland werden sollte. Daneben gibt es Produkte, die im Laufe ihres Lebens einem mehr oder weniger regelmäßigen Relaunch unterzogen werden. Marktforscherisch ist auch diese Phase des Produktlebenszyklus von vielfältigen Anforderungen und Methoden gekennzeichnet, denen die Forschung am „lebenden Objekt“ gemein ist.
3.7 Abmanagen | 101
3.7 Abmanagen Unter Abmanagen wird die kontrollierte Rücknahme des Produktes vom Markt verstanden. Es muss sich dabei nicht zwingend um den gesamten Markt handeln. Ein Beispiel hierfür ist der VW Käfer, der auch noch Jahrzehnte nach seinem Rückzug vom deutschen Markt etwa für den mexikanischen Markt produziert wurde. Kennzeichnend für die Marktforschung in dieser letzten Phase des Produktlebenszyklus ist das Suchen nach dem optimalen Rückzug, um durch das Produkt noch möglichst hohe Umsätze und Deckungsbeiträge zu erzielen. Dies ist die einzige Phase, in der die Forschung zum Produkt an sich nur eine marginale Rolle spielt. Weiterführende Literatur Hedin, Hans/Hirvensalo, Irmeli/Vaarnas, Markko (2011): The Handbook of Market Intelligence. Understand, Compete and Grow in Global Markets. Hoboken NJ: John Wiley&Sons, S. 174–184. Kotler, Philip/Armstrong, Gary/Wong, Veronica/Saunders, John (2011): Grundlagen des Marketing. 5. Aufl. München, Harlow, Amsterdam, Madrid, Boston, San Francisco, Don Mills, Mexico City, Sydney: Pearson, S. 645–674. Kotler, Philip/Keller, Kevin Lane/Bliemel, Friedhelm (2007): Marketing-Management. 12. Aufl. München, Boston, San Francisco, Harlow, Don Mills, Sydney, Mexico City, Madrid, Amsterdam: Pearson, S. 447–489. Roleff, René (2001): Marketing für die Marktforschung. Gestaltungsempfehlungen für eine marktund managementorientierte Beratungsdienstleistung. Wiesbaden: Deutscher UniversitätsVerlag, S. 70–75.
4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie Die Kernaufgabe eines betrieblichen Marktforschers ist die Studienleitung. Das folgende Kapitel widmet sich dem idealtypischen Ablauf einer Marktforschungsstudie aus der Sicht eben dieser Studienleitung. Dabei ist es grundsätzlich gleichgültig, ob die Studie von der betrieblichen Marktforschung in Eigenregie oder in Zusammenarbeit mit einem Institut durchgeführt wird. Wichtig ist in jedem Fall, dass: The research process provides a systematic, planned approach to the research project and ensures that all aspects of the research project are consistent with each other. It is especially important that the research design and implementation be consistent with the research purpose and objectives. Otherwise, the results will not help the client. (Aaker/Kumar/Day 2006 S. 48)
Von entscheidender Bedeutung für das Gelingen der Studie ist es in jedem Fall, dass sich der mit der Studienleitung betraute betriebliche Marktforscher aktiv in den gesamten Prozess einbringt und sich für den Fall, dass ein Institut involviert ist, nicht nur darauf verlässt, dieses werde schon alles selbstständig richtig machen (vgl. Frieser 2006, S. 118). Im Folgenden wird zunächst der gesamte Ablauf grafisch dargestellt, um dann in seinen Einzelschritten verbal beschrieben zu werden. Aus der wissenschaftlichen Perspektive kann die idealtypische Darstellung eines Forschungsprozesses z. B. nach Bortz/Schuster (2010, S. 4–12), als „Übermodell“ der verschiedenen Phasenmodelle verstanden werden. Nicht bei jeder Studie werden alle Schritte anfallen. Die Darstellung ist vielmehr als Abbild einer möglichst umfassenden Studiendurchführung zu verstehen (vgl. Aaker/Kumar/Day 2006, S. 78). Eine alternative Gliederung ist das Neun-Phasen-Modell (Weis/Steinmetz 2012, S. 34 f.), eine andere die der „5Ds der Marktforschung“, nämlich „Definition, Design, Datenermittlung, Datenanalyse und Dokumentation“ (Christian 2001, S. 11). Letzteres Modell vernachlässigt nach Ansicht der Autoren jedoch den Aspekt der Ergebnisverwertung. Detaillierte Darstellungen des Marktforschungsprozesses finden sich auch bei Burns/Bush/Sinha (2014), Kamenz (2001, S. 11) und Löffler (2006, S. 3). Jeder der im folgenden Kapitel vorgestellten Schritte ist von grundsätzlichen Fragen gekennzeichnet, die am Beginn der Beschreibung jedes einzelnen Schrittes stehen. Für den ganzen Prozess gilt: Althought the steps usually occur in this general order, we must emphasize that “early” decisions are always made by looking ahead to “later” decisions. (Aaker/Kumar/Day 2006, S. 49 f.)
Das bezieht sich beispielsweise auf eine vor dem Hintergrund der zu erzeugenden Forschungsergebnisse prospektiven Gestaltung von Stichprobe oder Fragebogen.
104 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
1. Vorbereitung
2. Ausschreibung
4. Analyse
3. Feldarbeit
5. Ergebnisse
Abb. 4.1: Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie – Überblick (Ottawa, Marco/Breuer, Marcel)
Ergänzend sei auf die Erhebungen von Verführt (vgl. 2014, S. 84–91) hingewiesen, die darauf eingehen, in welchem Maße betriebliche Marktforscher in die einzelnen Schritte einer Marktforschungsstudie eingebunden sind.
4.1
Vorbereitung
4.1.1
Informationsbedürfnis
Welches Problem ist zu lösen? Informationsbedürfnisse können in verschiedenen Bereichen eines Unternehmens entstehen. Zur Verdeutlichung sollen hier nur ein paar Beispiele angeführt werden: – Die Geschäftsführung möchte wissen, warum die Absätze eines bestimmten Produktes deutlich hinter den Prognosen des Business Case zurückbleiben. – Die Planer aus der Strategie interessieren sich für den Forecast einiger Produktgruppen bis zum Jahr 2020. – Das Controlling möchte die Abschätzungen des Vertriebs zu einem Business Case über Marktdaten verifizieren. – Im Vertrieb sollen über Marktforschung Zielerreichungen in Sachen Kundenzufriedenheit erhoben werden. – Die Werbeabteilung will das Konzept ihres neuen Fernsehspots vor dem Dreh testen. – Die Produktentwicklung ist sich nicht sicher, ob die neu entwickelte Software wirklich benutzerfreundlich ist. – Die Unternehmenskommunikation hegt Befürchtungen, die eigene Marke könne als altmodisch rezipiert werden und benötigt eine Studie zur Markenwahrnehmung.
4.1 Vorbereitung | 105
1.Vorbereitung
Informationsbedürfnis
Welches Problem ist zu lösen?
Bedarfsanmeldung
Was wollen Sie wissen?
Auftragsklärung
Wie sieht Ihr Problem aus?
Informationssammlung
Was wissen wir bereits?
Informationsaufbereitung und –bewertung
Reichen die vorliegenden Informationen aus?
Informationen ausreichend? nein
ja
Informationsbedürfnis erfüllt
Primärerhebung
Ist genug Budget vorhanden?
Grobe Definition der Methodik
Mit welcher Methodik lässt sich die Frage vermutlich beantworten?
Make or Buy? Buy
Make
Wer führt die Studie durch?
Abb. 4.1: Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie – Fortsetzung: Vorbereitung
–
– –
Die Personalabteilung ist sich nicht sicher, ob ihr Auftritt in den Social Media geeignet ist, dem Unternehmen den dringend benötigten Nachwuchs zuzuführen. Der Betriebsrat möchte wissen, wie das neue Arbeitszeitmodell bei den Beschäftigten ankommt. Der Einkauf möchte wissen, welchen Anteil die eigenen Einkäufe am Umsatzvolumen seiner zehn größten Lieferanten ausmachen.
106 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
2. Ausschreibung
Buy
Make
Partner
Wer führt die Studie durch? Führe ich die Studie als Single- oder MultiClient-Studie durch?
Ausschreibung
Wer kann die Studie durchführen?
Auftragsklärung
Was benötigen Sie noch für Ihr Angebot?
Preisverhandlung
Geht es auch günstiger?
Institutsauswahl
Welcher Anbieter ist der geeignetste?
Beauftragung
Wer bestellt?
Institutsbriefing
Was müssen Sie wissen, um unsere Fragen zu beantworten?
Projektplan aufstellen
Wer macht was bis wann?
Abb. 4.1: Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie – Fortsetzung: Ausschreibung
4.1 Vorbereitung | 107
3. Feldarbeit
Stichprobe festlegen
Wen wollen wir befragen?
Rekrutierung/ Adressselektion
Wie kommen wir an Probanden?
Fragebogentest
Ist der Fragebogen korrekt?
Pretest
Arbeitet der Fragebogen gut?
Interviewerschulung
Haben Sie die Fragestellung verstanden?
Feldarbeit
Läuft die Feldarbeit rund?
Feldkontrolle
Arbeiten die Interviewer korrekt?
Abb. 4.1: Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie – Fortsetzung: Feldarbeit
108 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
4. Analyse
Datenerfassung
Sind alle Daten korrekt in einem Datensatz?
Datenanalyse
Welche Zusammenhänge bestehen?
Präsentation erstellen
Wie visualisiere ich die Ergebnisse am besten?
Abb. 4.1: Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie – Fortsetzung: Analyse
Eine sehr umfangreiche Auflistung potenzieller Fragestellungen führen Vriens/ Grover (2006, S. 22 f.) an. An dieser Stelle sei ergänzend auf die unter Kapitel 1.5 aufgeführten Forschungsbereiche der betrieblichen Marktforschung verwiesen. All diese Fragen können unabhängig von ihrer Fragestellung, ihrem Zeithorizont und ihren Fragestellern mit Mitteln der Marktforschung beantwortet werden.
4.1.2 Bedarfsanmeldung Was wollen Sie wissen? Im Rahmen der Bedarfsanmeldung erfährt die betriebliche Marktforschung in der Regel erstmals von dem Informationsbedürfnis der Fachabteilung. Das kann unterschiedlich formalisiert sein. Es gibt Unternehmen, die im laufenden Jahr für das Folgejahr eine Bedarfsabfrage starten. Die Rückmeldung kann formlos, etwa in Gestalt einer E-Mail, aber auch streng formalisiert, etwa in Form eines ExcelFormulars, das zur Konsolidierung der einzelnen Marktforschungsbedarfe in eine
4.1 Vorbereitung | 109
5. Ergebnisse
Ergebnispräsentation
In welchem Rahmen wird präsentiert?
Sonderauswertungen
Darf es noch ein bisschen mehr sein?
Nachschau
Rechnungslegung
Ergebnisverwertung
Ggf. weitere Projektbegleitung
Hat alles gepasst?
Ist die Rechnung korrekt?
Wer darf die Ergebnisse in welcher Form sehen?
Wir geht es weiter?
Abb. 4.1: Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie – Fortsetzung: Ausschreibung
Datenbank eingelesen wird, geschehen. Details zu diesem Verfahren wurden in Kapitel 2.2 (Budget) vorgestellt. Nicht immer besteht ein Informationsbedürfnis bereits im Vorjahr, so dass auch kurzfristige Bedarfsanmeldungen immer wieder vorkommen. Insofern ist bei der Abarbeitung von Bedarfsanmeldungen von der betrieblichen Marktforschung stets hohe Flexibilität gefordert. Vorteil einer betrieblichen Marktforschung ist es in diesem Punkt, dass bei ihr im Idealfall alle Bedarfsanmeldungen einlaufen und identische oder ähnliche Meldungen besser als bei dezentralisierter Marktforschung in einzelnen Abteilungen konsolidiert werden können, um Doppelarbeit zu vermeiden. Unabhängig davon gilt für jede anstehende Marktforschungsstudie: „Re-
110 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
search objectives should be precise, detailed, clear, and operational“ (Burns/Bush 2010, S. 111). Diese Bedingungen müssen spätestens bei der Auftragsklärung (vgl. 4.1.3) erfüllt sein, um adäquate Forschungsergebnisse liefern zu können.
4.1.3 Auftragsklärung Wie sieht Ihr Problem aus? Die Auftragsklärung lässt sich auch als internes Briefing bezeichnen. Da der Begriff Briefing im Folgenden noch mehrfach verwendet werden wird, soll er an dieser Stelle definiert werden. Nach Tropp (2011, S. 277) lautet die Definition wie folgt: Das Briefing ist der Startpunkt eines wechselseitigen Kommunikationsprozesses zwischen Briefing-Geber und Briefing-Empfänger, in der in Abhängigkeit von der terminierten, kommunikativen Aufgabe Informationen über den Briefing-Geber, dessen Umwelt und den MarketingGegenstand abgestimmt werden, um definierte Ziele zu erreichen.
Diese Definition, welche sich auf das Briefing einer Werbeagentur bezieht, soll im Folgenden für Marktforschungszwecke adaptiert werden: Das Marktforschungs-Briefing ist der Startpunkt eines wechselseitigen Kommunikationsprozesses zwischen Briefing-Geber und Briefing-Empfänger, in dem in Abhängigkeit von der terminierten, forscherischen Aufgabe Informationen über den Briefing-Geber, dessen Umwelt und den Forschungsgegenstand abgestimmt werden, um definierte Ergebnisse zu erreichen. Das Briefing stellt den direkten und wechselseitigen Austausch zwischen betrieblicher Marktforschung und informationssuchender Fachabteilung dar. Ziel des Briefings ist eine Klärung, worin genau der Informationsbedarf der Fachabteilung besteht. A general guideline für defining the research problem is that the definition should (1) allow the researcher to obtain all the information needed to address the management-decision problem and (2) guide the researcher in proceeding with the project. (Malhotra 2014, S. 64)
Daneben ist es Aufgabe der betrieblichen Marktforschung, ihre internen Kunden darüber aufzuklären, „was Marktforschung zu leisten vermag und was nicht“ (Lachmann 1997, S. 38). Zudem ist genau zu definieren, wo für den internen Kunden Ziele und Nutzen der anstehenden Studie liegen: Really good researchers will invest in understanding the larger context for a project such as why it is important to the firm and how the research results will be used by different functions within the firm. (Zaltman/Zaltman 2006, S. 37)
Gerade, wenn einer der Gesprächspartner in Sachen Marktforschung noch nicht sonderlich erfahren ist oder nur selten Marktforschungsergebnisse benötigt, empfiehlt sich eine gewisse Formalisierung der Auftragsklärung, etwa in Gestalt eines
4.1 Vorbereitung | 111
standardisierten Briefingformulars (vgl. hierzu die immer noch aktuellen Ausführungen von Knauer 1998, S. 121 f.) und Hague/Hague/Morgan 2013, S, 29 f.). Dieses sollte nach Möglichkeit schon vor dem Auftragsklärungsgespräch von der Fachabteilung zumindest grob ausgefüllt worden sein. Folgende Punkte und Fragen sind Teil eines Briefingformulars bzw. eines Auftragsklärungsgesprächs: – Ansprechpartner in der Fachabteilung – Hintergrund der Aufgabenstellung (vgl. 4.1.1) – Informationsbedürfnis bzw. Verwendungszweck der Studienergebnisse – Kernfragen – Hypothesen – Zielgruppe(n) – Werden (Kunden)adressen benötigt? – Wird Testmaterial benötigt? – Welche technische Ausstattung ist für die Informationsbeschaffung ggf. erforderlich? – Rechtliche Restriktionen (z. B. Standesrecht, Datenschutz, Sozialpartner) – Erforderliches Budget bzw. Budgetvorgaben – Zeitvorgaben, vor allem Termin der Ergebnislieferung – Auswertungstiefe – Form der Ergebnislieferung – Zur Verfügung stehendes Budget, falls die Studie nicht über das Marktforschungsbudget finanziert wird Letzterer Punkt ist nicht zu unterschätzen, denn: „If you pay peanuts you will earn monkeys.“ (Kreutzer 2007, S. 152) Gleichgültig wie formalisiert ein Auftragsklärungsgespräch abläuft, ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass alles, was im Briefing versäumt wurde, die OutputQualität verringern kann (vgl. Lachmann 1997, S. 30 ff.). „As a general rule, a market research study is only as good as the brief“ (Hague/Hague/Morgan 2013, S. 28). Dabei ist es wichtig, wie es Malhotra (2014, S. 64) formuliert, sowohl auf das „broad statement of the problem“, also die groben Rahmenbedingungen der Fragestellung, als auch auf die „specific components of the problem“, also die detaillierten Kernfragen, einzugehen. Auch die nötige Granularität der Befragungsergebnisse spielt bei diesen Fragen eine wichtige Rolle. Sollen sie lediglich einen ersten Überblick über die Fragestellung bieten oder „as accurate as possible“ (Hague/Hague/Morgan 2013, S. 33) sein? Dieser Punkt kann sich in Verbindung mit seiner hinter der Fragestellung stehenden Investition maßgeblich auf das Budget auswirken (vgl. a. a. O., S. 25). Die betriebliche Marktforschung muss auch klären, zu welchem Zweck die späteren Forschungsergebnisse benötigt werden. Sollen sie Grundlagen für Entscheidungen, Teil eines Monitoring, Basis für Zeitreihen oder einfach Basisinformationen sein? Je nach späterem Verwendungszweck kann das Studiendesign ganz unterschiedlich ausfallen.
112 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
Der betriebliche Marktforscher muss sich und seinen internen Kunden stets vor Augen halten, in welchem Spannungsfeld sich die Anforderungen an eine Studie bewegen. Die vier relevanten Faktoren, die dieses Spannungsfeld determinieren, sind die benötigten Informationen, das nötige bzw. zur Verfügung stehende Budget, die Genauigkeit und Tiefe der Datenerhebung sowie die nötige bzw. erforderliche Zeit für die Studie. Hague/Hague/Morgan (2013, S. 31–35) verdeutlichen das mit folgender Grafik.
Information
Budget
Genauigkeit
Zeitplan
Abb. 4.2: Wechselbeziehungen zwischen Information, Budget, Genauigkeit und Zeit (Ottawa, Marco nach Hague/Hague/Morgan 2013, S. 31)
Daneben empfiehlt es sich bereits zum Zeitpunkt des internen Briefings alle relevanten Abteilungen des Unternehmens in die Gestaltung der Studie einzubeziehen, um die Fragestellung hausintern möglichst umfänglich zu klären (vgl. Fetzer/Schuh 2013, S. 68). Gleichzeitig führt das in einem späteren Stadium der Studie zu einer höheren Akzeptanz und besseren Nutzung der Forschungsergebnisse (vgl. a. a. O, S. 69). Dabei ist genug Zeit einzuplanen, damit Raum für Rückfragen bei Vorgesetzten, anderen Fachabteilungen, dem Datenschutz, aber auch bei Instituten, z. B. hinsichtlich methodischer Fragen, bleibt. Möglicherweise sind bei komplexen Fragestellungen auch mehrere Auftragsklärungsgespräche notwendig, bis alle Fragen von Marktforschung und Auftraggeber beantwortet sind (vgl. Frieser 2006, S. 101). In der Praxis werden, zumal wenn die Studie gut läuft und nicht allzu komplex ist, nicht immer alle Schritte erforderlich sein. In diesem Zusammenhang stellt Schmidbauer (2007, S. 9) einen sechsstufigen Briefingprozess vor, dessen einzelne Schritte wie folgt aussehen. 1. Partnerwahl: Auftrag vergeben 2. Briefingplanung: Abläufe planen 3. Schriftliches Briefing: Partner instruieren
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4. Mündliches Briefing: Informationen intensivieren 5. Rebriefing und Schulterblick: Konzeptkurs feinjustieren 6. Nachbriefing und Debriefing: Fehler korrigieren Ab und zu werden betriebliche Marktforschungen mit Aufgabenstellungen konfrontiert, die im Konflikt zu ihrem Standesrecht bzw. ethischen Grundsätzen stehen. Zu denken ist hier beispielsweise an Pseudomarktforschung, die letztendlich nur eine verschleierte Verkaufsmaßnahme darstellt, oder die verkäuferbezogene Auswertung von Mystery Shoppings. In solchen Fällen ist ein betrieblicher Marktforscher verpflichtet, die anfragende Fachabteilung über die Problematik aufzuklären und auf die Durchführung der Studie zu verzichten (vgl. Kuß 2007, S. 263–268). Im eigenen Interesse der betrieblichen Marktforschung sollte das Briefing entweder schriftlich erfolgen oder zumindest schriftlich festgehalten werden (vgl. Löffler 2006, S. 3), um späteren Erinnerungslücken bzw. Dissens über Gegenstände des Briefings vorzubeugen. Dazu gehört, genauso wie zum eventuell später notwendigen Institutsbriefing, von vornherein realistische Angaben oder zumindest valide Schätzungen hinsichtlich Zeitbedarf, Kosten etc. abzugeben (vgl. Frieser 2006, S. 121). Im Rahmen der Auftragsklärung ist der betriebliche Marktforscher nicht nur, wie es die vorstehenden Ausführungen suggerieren können, reiner Informationssammler. Vielmehr obliegt es ihm auch, die Informationssuchenden über sämtliche relevanten Rahmenbedingungen der Marktforschung aufzuklären. Dazu gehört primär der Hinweis darauf, dass auch seine Disziplin Grenzen hat, also Marktforschungsergebnisse auch bei sorgfältigster Durchführung der Studie mit einer gewissen Unsicherheit behaftet bleiben. Daneben soll er auch rechtliche und forschungsökonomische Implikationen ansprechen (vgl. McQuarrie 2012, S 241 f.). Thomas Ebenfeld verweist in einem Gespräch mit den Autoren am 08.05.2014 darauf, dass die (betriebliche) Marktforschung durch das Briefing zwei Mandate erhält. Dabei handelt es sich zum einen um das explizite Mandat, nämlich die aufgeworfene Fragestellung zu beantworten. Zum anderen kann sich dahinter mit der Frage: „Was will der Kunde eigentlich?“, auch ein implizites Mandat verbergen. Es gehört zu den Fähigkeiten des Marktforschers, dieses implizite Mandat zu erkennen. Der betriebliche Marktforscher sollte sensibel dafür sein, ob das Institut nicht fälschlicherweise von einer „hidden agenda“ ausgeht.
4.1.4 Informationssammlung Was wissen wir bereits? Die Informationssammlung stellt eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Ergebnisse aus Primär- und Sekundärforschung dar. Neben bereits vorhandenen Primärstudien kann das Informationsbedürfnis ggf. auch durch Sonder- oder Nachauswertungen aus
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diesen Studien erfüllt werden. Hilfreich erweist sich dabei eine Studiendatenbank, in der alle bereits gesammelten oder erhobenen Forschungsergebnisse systematisch abgelegt sind (vgl. Kapitel 6.2). Nützlich ist es auch, wenn Benchmarkdatenbanken mit den jeweils interessierenden Informationen vorliegen. Im Geschäftskundenbereich können auch Battle Cards, also verdichtete Informationen über Wettbewerber, weiterhelfen. Viele Informationen liegen aus der Sekundärforschung vor. Eine umfangreiche Desk Research kann u. U. das Informationsbedürfnis bereits befriedigen. Graumann (2014, S. 30) bezeichnet es sogar als Pflicht von Marktforschern, dass der Primär- eine Sekundärforschung vorausgeht, damit Doppelforschung vermieden und Primärforschung dann auf die wirklich offenen Fragen fokussiert wird.
Eine weitere Quelle stellen Social Media Analysen dar. Sie bieten zu vielen, aber gerade im Geschäftskundenbereich nicht zu allen Themen Antworten. Darüber hinaus können auch Interviews mit Experten oder Entscheidern die Fragestellung beantworten oder zumindest wertvolle Vorarbeit für weiterführende qualitative und/oder quantitative Studien bieten (vgl. Malhotra 2009, S. 63–67). Sinnvoll ist auch eine Situationsanalyse, die das Umfeld der Fragestellung betrachtet und dem betrieblichen Marktforscher hilft, diese besser zu verstehen und ggf. zu präzisieren (vgl. Burns/Bush/Sinha 2014, S. 82). Auf Basis dieser Analysen können eventuell bereits die ersten Kausalhypothesen abgeleitet werden (vgl. a. a. O., S. 83 f.).
4.1.5 Informationsaufbereitung und -bewertung Reichen die vorliegenden Informationen aus? Ergebnis der vorangegangen Informationssammlung ist deren Aufbereitung und Bewertung. Im ersten Schritt wird die vorliegende Fragestellung in all ihren Facetten mit den vorhandenen Daten abgeglichen und daraus die Lücke zwischen vorhandener und gewünschter Information ermittelt (vgl. a. a. O., S. 85 f.). Dabei ist vor allem auf die Parameter Vollständigkeit der Beantwortung, Aktualität, Widerspruchsfreiheit der Quellen und deren Validität zu achten. Grundsätzlich müssen alle Parameter erfüllt sein, um auf eine weitere Datenerhebung zur Beantwortung der Ausgangsfrage verzichten zu können. Es reicht beispielsweise nicht aus, wenn alle Facetten der Fragestellung aus dem vorliegenden Datenmaterial beantwortet werden können, dieses aber so veraltet ist, dass es keine validen Rückschlüsse auf die aktuelle, geschweige denn zukünftige Entwicklung mehr zulässt. Dennoch kann es vorkommen, dass trotz Mängeln im vorliegenden Datenmaterial auf eine weitere, neue Datenerhebung verzichtet wird. Zu denken ist hier zum Beispiel an hohen Zeitdruck, der weitere Recherchen verbietet, oder finanzielle Restriktionen, die eigentlich erforderliche Datenerhebungen unmöglich machen.
4.1 Vorbereitung | 115
4.1.6 Grobe Definition der Methodik Mit welcher Methodik lässt sich die Frage vermutlich beantworten? Um den idealtypischen Ablauf einer Marktforschungsstudie weiter en détail zu erläutern, setzen wir die Prämisse, dass die unter Kapitel 4.1.5 beschriebene Bewertung der vorliegenden Informationen zu einem negativen Ergebnis gekommen ist. Es werden also weitere Daten für die Beantwortung der Fragestellung benötigt. Hier bieten sich nun zum einen tiefere Recherchen in der Sekundärforschung, Analysen von Social Media oder traditionellen Medien sowie eine Primärerhebung an. Im Allgemeinen sollte aus Kosten- und Zeitgründen versucht werden, zunächst auf Sekundärforschung und Medienanalysen zurückzugreifen. Allerdings stoßen beide Forschungsarten an ihre Grenzen. Sollte es sich um eine stark an den eigenen Kunden und deren Verhalten orientierte Fragestellung handeln, kann Sekundärforschung in aller Regel dazu keine Antworten liefern. Daneben kann es durchaus auch wirtschaftlicher sein, eine Primärerhebung durchzuführen, als teure Datenbankzugänge von Analysten einzukaufen. Aus eigener Erfahrung (vgl. Kapitel 5.4) wissen die Autoren, dass auch Social Media Analysen nicht auf alle Fragen eine Antwort finden. Trotz der scheinbar unbegrenzten Flut an Tweets und Posts wird nicht jedes Thema in Social Media rezipiert und diskutiert, etwa weil es für die Community nicht spannend genug ist. Daneben gibt es auch Themen, die sehr wohl, aber nur in geschlossenen und somit seriösen Social Media Analysen verschlossenen Foren diskutiert werden. Generell muss in diesem Kontext aber auch beachtet werden, inwieweit Stichproben aus dem Social Media Bereich hinreichend repräsentativ für die vorliegende Fragestellung sind. Zur Beantwortung der Fragestellung bleibt dann häufig nur noch eine Primärerhebung übrig. Eine erfahrene betriebliche Marktforschung muss in der Lage sein, dem Fragesteller eine erfolgversprechende Methodik zur Beantwortung seiner Fragestellung vorschlagen zu können. Ein von internen Kunden oftmals genanntes Anforderungskriterium lautet Repräsentativität der Forschungsergebnisse, sprich quantitative Daten, wobei Formen der Repräsentativität auch bei qualitativen Daten erreichbar sind (siehe A.2). Diese Kunden sind, gerade wenn sie nur über geringe Erfahrung in Sachen Marktforschung verfügen, oftmals erstaunt, dass vor der Realisierung ihres eigentlichen Studienwunsches eine qualitative Studie vorgeschaltet werden muss. Hier ist die betriebliche Marktforschung gefordert, den Sinn bzw. die Notwendigkeit qualitativer Forschung zu erläutern. Relevante Punkte können dabei z. B. der Einblick in die Emotionen und Motive der Probanden, ihrer Meinungen und Einstellungen, aber auch die Nutzung ihrer Kreativität, etwa im Sinn der CoCreation von Produkten, sein. An dieser Stelle muss die betriebliche Marktforschung die methodische Beratung übernehmen, wozu auch die Integration qualitativer Methoden (vgl. Holzhauer/Naderer 2011, S. 22) in den Methodenkanon zählt. Dazu eignet sich z. B. die folgende Darstellung von Schneider (2014, S. 6)
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Qualitative Forschung
Quantitative Forschung
Abb. 4.3: Verzahnung qualitativer und quantitativer Forschung (Schneider, Anna 2014, S. 6)
Wichtig ist dabei vor allem, über die in der vorstehenden Grafik verdeutlichte Verzahnung von qualitativer und quantitativer Forschung aufzuklären. Es reicht aber nicht aus, nur in qualitativ und quantitativ zu unterscheiden. Da jede Primärerhebung finanzielle und personelle Ressourcen bindet, die im Vorfeld einer Primärerhebung möglichst genau abgeschätzt werden müssen, sind neben der Methodik wie etwa CATI, CAWI, Ethnografien oder Gruppendiskussionen, zwingend auch die Parameter Zeitbedarf, notwendiges Budget, Fallzahl und Rahmenbedingungen abzuschätzen. Unter die Rahmenbedingungen fallen zum Beispiel Auflagen des Datenschutzes, die Rekrutierung von Probanden oder die Einbindung des Sozialpartners. Von wesentlicher Bedeutung für das Gelingen einer Studie ist es in diesem Stadium ebenfalls, sich Gedanken darüber zu machen, wer befragt werden soll (vgl. Burns/Bush/Sinha 2014, S. 87). Neben der groben Definition der Methodik können in diesem Stadium der Studie möglicherweise bereits auch die ersten Hypothesen hinsichtlich der Forschungsfragen aufgestellt werden (a. a. O., S. 87). Sie sollten jedoch nicht kategorisch, sondern, um späteren u. U. konträren Forschungsergebnissen nicht vorzugreifen, bewusst vorsichtig formuliert werden.
4.1.7 Make or buy Wer führt die Studie durch? Gibt es genug Budget für ein Institut? Für den weiteren Ablauf der Studie setzen wir die Prämissen, dass zum einen eine Primärerhebung notwendig ist und zum anderen aufgrund der Ressourcen und Fähigkeiten der betrieblichen Marktforschung grundsätzlich die Wahl zwischen einer eigenen Durchführung, auch Eigenmarktforschung genannt (vgl. Bernecker/Weihe
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2011, S. 28), und der Durchführung durch einen Dienstleister besteht. Somit stellt sich die Frage, wer die Studie durchführen soll. Welche Arten von Dienstleistern dabei in Frage kommen, veranschaulicht Malhotra (2014, S. 29). Da sich eine pauschale Empfehlung pro oder contra für eine der Möglichkeiten verbietet, sind hierbei eine Reihe von Kriterien zu beachten, die in der folgenden Abbildung zunächst kurz vorgestellt und im Anschluss daran erläutert werden (vgl. Bernecker/Weihe 2011, S. 29; Weis/ Steinmetz 2012, S. 47; Kamenz 2001, S. 14; Kastin 2008, S. 169 f.).
Kapazitäten Personal Kosten Variabel Fix Zeit
Kenntnisse Methodik Monopolstellung bzgl. Methodik Branche Unternehmen
Sonstiges Neutralität Objektivität Betriebsblindheit Geheimhaltung Datenschutz Komplexere Kommunikation Akzeptanz bei den Auftraggebern
Abb. 4.4: Entscheidungsparameter von make or buy (Ottawa, Marco)
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Der erste Kriterienblock umfasst kapazitäre Aspekte. Hinsichtlich personeller Kapazitäten lässt sich keine klare Präferenz für make or buy ableiten. Es gibt Zeiten, in denen eine betriebliche Marktforschung über so viel freie Personalressourcen verfügt, dass eine Primärerhebung losgelöst von anderen Parametern wie etwa methodischen Kenntnissen in Eigenregie durchgeführt werden kann. Es kann aber auch durch Krankheitsfälle, Personalabbau oder einfach zahlreiche parallele Studien genau das Gegenteil eintreten, so dass die Durchführung durch ein Institut naheliegt (vgl. Verführt 2014, S. 76). Die Kosten sprechen vielleicht auf den ersten Blick für eine Durchführung durch die betriebliche Marktforschung, weil so kein Geld das eigene Unternehmen verlässt. Da die Gehälter der betrieblichen Marktforscher wie unter Kapitel 1.4 beschrieben in der Regel erheblich über denen der Institutsmarktforscher liegen, ist abzuwägen, ob die teureren eigenen Mitarbeiter nicht unter Umständen mit anderen, ggf. werthaltigeren Tätigkeiten als etwa reiner Feldarbeit betreut werden sollten. Dieses Kriterium kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn betriebliche Marktforschungen wie etwa bei der Deutschen Post DHL oder T-Systems als Profit Center organisiert sind, die ihre Leistungen internen Kunden in Rechnung stellen. Für die internen Kunden kann unter solchen Umständen ungeachtet des cash out aus Unternehmenssicht die Beauftragung eines Instituts die eigene Kostenstelle geringer belasten als eine Durchführung durch die eigene betriebliche Marktforschung. Zeitliche Aspekte sprechen klar für die Durchführung durch ein Institut. In aller Regel verfügt eine betriebliche Marktforschung, vielleicht mit Ausnahme von CAWI, nicht über ausreichende Feldkapazitäten. Lassen sich Kapazitäten unter Umständen kurzfristig verschieben oder aufbauen, ist das bei den methodischen Kenntnissen ungleich schwieriger, erfordert ihr Aufbau doch erhebliche Zeit. Sollten methodische Kenntnisse, gleich welcher Art, in einer betrieblichen Marktforschung nicht oder nicht hinreichend vorhanden sein, kann man zwar einen mittel- bis langfristigen Aufbau angehen, für eine kurzfristig umzusetzende Studie wird ein Unternehmen dann jedoch auf ein Institut zurückgreifen müssen. Angesichts der Möglichkeit, sich methodisch zu spezialisieren, haben Institute hierbei in aller Regel vor betrieblichen Marktforschungen in Tiefe (Detailkenntnisse) und Breite (Häufigkeit der Methodenanwendungen) einen erheblichen Vorsprung, zumal sie auch mehr in Methodenentwicklung investieren als betriebliche Marktforscher. In Einzelfällen gibt es aufgrund extrem teurer oder hochkomplexer Methoden, zu denken ist hier beispielsweise an Handelspanels, sogar methodische Monopole, die die Nutzung bestimmter Institute zwingend erforderlich machen. In diesen Fällen geht es nicht um „make or buy“, sondern vielmehr um „do it or leave it“. Branchen- und Unternehmenskenntnisse sprechen in aller Regel für betriebliche Marktforscher. Sie haben gerade gegenüber großen Vollservice-Instituten den
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Vorteil, ihre Branche bzw. ihr Unternehmen genau zu kennen. Betriebliche Marktforscher werden von ihren internen Kunden umso stärker als Gesprächspartner geschätzt, je höher ihre Branchenexpertise ist (vgl. Bode 2014, S. 134). Auf der anderen Seite gibt es Institute, die sich auf einzelne Branchen wie etwa Pharmazie oder Gesundheit spezialisiert haben. Für den Fall, dass ein Unternehmen diversifizieren und deshalb außerhalb der angestammten Branche forschen möchte, wiegen die Kenntnisse eines auf den potenziellen neuen Markt spezialisierten Instituts schwerer als die tiefen Kenntnisse, die eine betriebliche Marktforschung von der eigenen angestammten Branche besitzt. Zwei wichtige Punkte, die für die Durchführung durch ein Institut sprechen, sind Neutralität und Objektivität. Zwar sind betriebliche Marktforscher prinzipiell im gleichen Maße wie Institute dem Standesrecht der Marktforschung unterworfen, doch befinden sie sich als abhängig Beschäftigte des sie beauftragenden Unternehmens grundsätzlich in einer schwierigen Situation. Es kann vorkommen, dass bestimmte Studienergebnisse gewünscht werden oder Studien unter Rahmenbedingungen durchgeführt werden sollen, die die Neutralität und Objektivität der betrieblichen Marktforscher auf eine harte Probe stellen. In solchen Fällen sollte von vornherein ein Institut mit der Durchführung der Studie beauftragt werden, um ihre saubere Durchführung nach den Maßstäben der Marktforschung sicherzustellen. Selbst wenn die Neutralität und Objektivität der betrieblichen Marktforschung von den Auftraggebern in keinster Weise bedroht sind, stellt doch die Betriebsblindheit eine Gefahr für den Erfolg der Studie dar. Gerade, wenn Fragestellungen schon wiederholt bearbeitet worden sind, kann es leicht zu einer reinen Abarbeitung der Fragestellung kommen, ohne dass neue Parameter aus dem Umfeld der Fragestellung in Betracht gezogen werden. Diese Gefahr lässt sich durch den Einsatz eines Instituts minimieren. Allerdings kann sich bei langjähriger Durchführung solcher Studien durch ein- und dasselbe Institut auch eine Art von Betriebsblindheit einschleichen, was dafür spricht, das durchführende Institut von Zeit zu Zeit zu wechseln. Auch wenn jedes Institut nicht nur verpflichtet, sondern aus Gründen der eigenen Reputation gut beraten ist, über die Durchführung von Studien absolute Verschwiegenheit zu bewahren, lässt es sich nicht leugnen, dass durch die Vergabe von Studien an Institute Unternehmensinterna an Dritte gelangen (vgl. Kuß/Wildner/Kreis 2014, S. 289). Das kann insbesondere dann kritisch sein, wenn dieses Institut bereits für Konkurrenten arbeitet oder gearbeitet hat. Insofern sollte man bei der Auswahl eines Instituts den Punkt der Konkurrenzfreiheit offensiv ansprechen. Neben der Vertraulichkeit von Unternehmensinterna ist bei der Frage „make or buy?“ auch der Datenschutz besonders zu beachten, wobei vor allem an Kundenoder Mitarbeiterdaten zu denken ist. Auch wenn, was selbstverständlich sein sollte, zwischen Unternehmen und Institut eine Erklärung zur Auftragsdatenvereinbarung
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abgeschlossen wurde, verlassen bei Adresslieferung durch das Unternehmen personenbezogene Daten das eigene Haus. Auch wenn kein Missbrauch unterstellt wird, kann das Procedere des Datenaustauschs, z. B. über Datendrehscheiben in speziell gesicherten Datenräumen, kompliziert und zeitaufwändig sein. Dieser Aspekt spricht klar für eine Durchführung der Studie in der betrieblichen Marktforschung. Die Einbeziehung eines Instituts gestaltet auch die Kommunikation komplexer als die Durchführung im eigenen Haus. Besteht dabei im Extremfall nur eine Kommunikation zwischen internem Kunden und betrieblicher Marktforschung, potenziert sich die Kommunikation bei der Einschaltung eines Instituts, da der Kontakt nicht nur zur Studienleitung des Instituts besteht, sondern oftmals auch zu dessen Datenschutz und Subunternehmern wie Feldinstituten oder Datenanalysten. Einen bemerkenswerten Grund für Eigenforschung, nämlich Job Enrichment, führt Schneider (2013, S. 237) für die betrieblichen Marktforscher an. Auch der Aspekt Qualität ist bei der Frage „make or buy?“ zu berücksichtigen. Unternehmen mit ausreichenden eigenen Kapazitäten an Call Centern führen fallweise CATI-Interviews in Eigenregie durch. Für gewöhnlich beschäftigen sich die Mitarbeiter dieser Call Center mit vertrieblichen Aufgaben. Hier kann es zu Problemen mit der möglicherweise unzureichenden Schulung in marktforscherischen Belangen, sprich Interviewertechnik, kommen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die vertriebsorientierten Mitarbeiter neben dem Interview möglicherweise auch noch zu verkaufen versuchen (vgl. 2.3.5). Aufgrund von Einwänden des Betriebsrats gegen personenbezogene Kontrolle einzelner Mitarbeiter fehlen u. U. auch die in CATI-Studios gängigen Supervisoren, was sich negativ auf die inhaltliche Qualität der Datenerhebung auswirken kann, In der Praxis gibt es nicht nur die Varianten betriebliche Marktforschung oder Institut, sondern auch Kombinationen, in denen beide Seiten bestimmte Teile der Studie übernehmen. Zur Illustration soll eine Onlinebefragung dienen, die die Autoren als Institut und betriebliche Marktforschung gemeinsam durchgeführt haben. Dabei lag die Fragebogenerstellung beim Institut, die Programmierung und Feldarbeit bei der betrieblichen Marktforschung. Die Auswertung und grafische Aufbereitung hat aus kapazitären Gründen wiederum das Institut übernommen. Für das beauftragende Unternehmen ergab sich durch diese Kombination eine deutliche Kostenreduzierung gegenüber einer reinen Institutsbeauftragung. Resümierend lässt sich festhalten, dass die Durchführung weder durch die betriebliche Marktforschung noch durch ein Institut pauschal zu bevorzugen ist. Vielmehr sind in jedem Einzelfall die Rahmenbedingungen, wie in Abbildung 4.2 aufgeführt, abzuklären und vor deren Hintergrund eine Entscheidung zu fällen, die durchaus auch eine Kombination aus beiden Beteiligten sein kann. Eine intensive Diskussion der Frage „make or buy?“ findet sich bei Pepels (2014, S. 25–32). An dieser Stelle seien einige Gedanken zum Selbstverständnis betrieblicher Marktforschung erlaubt. Nicht jeder betriebliche Marktforscher führt selbst Studien
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durch, sondern bedient sich, unabhängig von Primär- oder Sekundärforschung, ausschließlich Instituten, um zu Forschungsergebnissen zu gelangen. U. U. hat er zuvor nicht einmal in einem Institut gearbeitet, kennt die Arbeit eines Marktforschers im Sinn von Studienleitung nur als Auftraggeber. U. E. ist es fraglich, ob er dann streng genommen überhaupt Marktforscher ist, sondern nicht eher Projektleiter auf dem Feld der Marktforschung. Nach Ansicht der Autoren gehört es zum Selbstverständnis des betrieblichen Marktforschers, zumindest ab und zu auch selbst Studien eigenhändig durchzuführen. Dafür gibt es zumindest drei Gründe. Erstens wird dadurch das Verständnis für die Arbeit der Institute gewahrt bzw. überhaupt erst erworben. Nur wer aus eigener Anschauung weiß, unter welchen, z. B. zeitlichen, Restriktionen Institute oftmals arbeiten müssen, vermag deren Arbeit richtig ein- und wertzuschätzen und kann erst so auf Basis des Wissens, was möglich oder unmöglich ist, ein Institut richtig führen. Zweitens versetzt nur fundiertes Wissen über Studiendesign, Methodik, Fragebogenerstellung, Feldarbeit, Analyse, Datenaufbereitung und Ergebnispräsentation den betrieblichen Marktforscher in die Lage, die Arbeit eines Instituts richtig zu beurteilen. Es fällt ihm leichter, eventuell Mängel und Fehler des Instituts zu erkennen und sich nicht mit u. U. suboptimaler Arbeit abspeisen zu lassen. Drittens erlaubt u. E. erst die eigenständige Studiendurchführung einem betrieblichen Marktforscher, sich überhaupt Marktforscher nennen zu dürfen. Vor dem Hintergrund dieser Gedanken erstaunt es ein wenig, dass 24 % der betrieblichen Marktforscher in den letzten zwölf Monaten keine einzige Studie komplett in Eigenregie durchgeführt haben (vgl. Verführt 2014, S. 75). Bei den folgenden Absätzen bis einschließlich des Institutsbriefings wird die Durchführung der Studie durch ein Institut unterstellt.
4.2 Ausschreibung 4.2.1 Partner Führe ich die Studie als Single- oder Multi-Client-Studie durch? Aus Kostengründen kann es ratsam sein, eine Multi-Client-Studie in Betracht zu ziehen. Oftmals werden solche Studien auch gezielt von Instituten angeboten. Die Vorteile liegen mit deutlich geringeren Kosten und der Möglichkeit, durch sie, wie etwa bei der AGOF-Studie „Währungen im Markt“ zu etablieren, auf der Hand. Sie müssen aber auch durch eine Vielzahl von Nachteilen erkauft werden. Zunächst stehen den Teilnehmern an einer solchen Studie die Forschungsergebnisse nicht exklusiv zur Verfügung. Konkurrenten können so über den gleichen Wissensstand zu bestimmten Fragestellungen verfügen. Daneben ist der Einfluss auf den Fragebogen nur eingeschränkt, weil in der Regel jeder Teilnehmer an einer Multi-Client-Studie neben dem großen gemeinsamen Wissensbedarf noch eigene Fragen durchsetzen möchte, die nicht zwin-
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gend alle Teilnehmer interessieren, aber von diesen mitbezahlt werden müssen. So kann der Fragebogen leicht an seine Kapazitätsgrenzen stoßen, ohne dass alle Fragen jedes einzelnen Teilnehmers berücksichtigt worden wären. Die Abstimmung der Studie ist durch die erhöhte Teilnehmerzahl schwieriger als bei einer Single-Client-Studie. Allein die Terminabsprache von Fragebogenkonferenzen und Ergebnispräsentationen kann sich komplex gestalten. Je nach den vertraglichen Rahmenbedingungen zwischen den Partnern einer Multi-Client-Studie kann es auch zu Publikationsvorbehalten hinsichtlich der Studienergebnisse kommen. Im Extremfall dürfen diese nicht einmal in der gesamten beauftragenden Firma weitergegeben werden. Ob die Vorteile einer Multi-Client-Studie deren Nachteile überwiegen, muss in jedem Einzelfall neu entschieden werden, so dass sich hier keine klare Empfehlung geben lässt. Die folgende Auflistung führt die Vor- und Nachteile von Multi-ClientStudien nochmals auf. Vorteile – Geringere Kosten durch Kostenteilung – Möglichkeit, über das Institut Einnahmen durch den Verkauf der Studienergebnisse an Dritte zu generieren – Möglichkeit, „Währungen“ zu etablieren Nachteile – Keine Exklusivität der Ergebnisse – Eingeschränkter Einfluss auf den Fragebogen – Tendenziell lange Fragebögen – Mitbezahlen für einen selbst irrelevanter Fragen – Komplexe Abstimmung von Studie und Terminen – Eventuell eingeschränkte Ergebnispublikation Zu den Rahmenbedingungen von Multi-Client-Studien vgl. auch Kastin (2008, S. 186– 189).
4.2.2 Ausschreibung im engeren Sinne 4.2.2.1 Wer kann die Studie durchführen? Allgemeine Kriterien der Zusammenarbeit mit Instituten Was muss ein Institut grundsätzlich können? Bevor eine betriebliche Marktforschung einem Institut die Durchführung einer Studie anvertraut, sollte es die oberste Prämisse: „Ich führe das Institut“, verinnerlichen. Das bedeutet, dass die betriebliche Marktforschung (realistische) Vorgaben vor
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allem für die weitere Zeitplanung, die Spielregeln der Zusammenarbeit etc. macht. Die soeben aufgestellte Prämisse beinhaltet drei wichtige Aspekte. 1. Das Institut ist Dienstleister der betrieblichen Marktforschung. 2. Institutskontakte laufen grundsätzlich nur über die betriebliche Marktforschung und nicht über den Einkauf oder beauftragende oder zuarbeitende Fachabteilungen. 3. Der Studienleiter in der betrieblichen Marktforschung kennt jederzeit den genauen Stand der Studie. Die vorstehend erhobenen Forderungen klingen möglicherweise etwas anordnend. Das hat aber auch seine Berechtigung, da der betriebliche Marktforscher stets der (zahlende) Auftraggeber bleibt, der das Institut führt (vgl. dazu auch Sudman/Blair 1998, S. 68–70). Gute Führung hat jedoch viel mit Vertrauen zu tun, weswegen gerade eine langjährige Geschäftsbeziehung von Vertrauen geprägt sein sollte (vgl. Lachmann 1994, S. 41). Vertrauensverstärker sind dabei die Dauer der Beziehung sowie die Häufigkeit des gerechtfertigten Vertrauens (vgl. Sponholz 2009, S. 87 f.). Stellt sich ein solches Vertrauen dauerhaft nicht ein, sollte man hinterfragen, ob das Institut der richtige Dienstleister ist. Jedes Institut, das in die Ausschreibung aufgenommen wird, muss im Minimum die folgenden Voraussetzungen erfüllen. 1. Einhaltung sämtlicher rechtlicher Rahmenbedingungen (vgl. Kapitel 2.3) 2. Souveräne Beherrschung der relevanten Methoden 3. Saubere Feldarbeit und -kontrolle 4. Proaktive Informationspolitik 5. Pünktlichkeit 6. Überzeugende Präsentatoren, die durchaus unterhaltsam sein dürfen Der erste Punkt erscheint selbstverständlich. Die Autoren wissen jedoch aus eigener Erfahrung, dass ausländische Institute nicht immer mit dem deutschen Datenschutzrecht vertraut sind. Die folgenden beiden Punkte betreffen das Kerngeschäft wissenschaftlich ausgerichteter Marktforschung und müssen an dieser Stelle nicht vertiefend erläutert werden. Proaktive Informationspolitik und Pünktlichkeit scheinen auf den ersten Blick Selbstverständlichkeiten im Geschäftsleben zu sein. Aus eigener Erfahrung dürfen die Autoren jedoch behaupten, dass das nicht immer der Fall ist. Informationen müssen von den betrieblichen Marktforschern eingefordert werden, statt sie proaktiv durch das Institut zu erhalten. Das o. g. Unterhaltungsmoment von Präsentatoren scheint im Widerspruch zum wissenschaftlichen Anspruch der Marktforschung zu stehen. Wem jedoch schon einmal 200 gleichförmige Charts in ebenso gleichförmigem Tonfall präsentiert worden sind, der weiß einen unterhaltsamen Präsentator zu schätzen. U. E. tut eine unterhaltsame Art der Präsentation der Validität und Bedeu-
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tung der Ergebnisse keinen Abbruch, sondern fördert im richtigen Maße dargebracht die Aufnahme der präsentierten Studie1. Bedenken Sie in jedem Falle bei der Institutsauswahl, dass Fehler des Instituts automatisch auch auf die betriebliche Marktforschung zurückfallen und diese in ein schlechtes Licht rücken können. Scheuen Sie als betriebliche Marktforscher im Rahmen der Sondierung von Instituten nicht davor zurück, intensiv zu fragen. Die Fragen richten sich primär an das Institut, wenn es beispielsweise um Subunternehmer, Interviewerschulung oder Musterpräsentationen geht. Fragen Sie aber auch als Referenz angegebene Kunden des Instituts nach deren Erfahrungen. Nicht zuletzt schadet es auch nichts, Ihre internen Kunden um Ihren Eindruck von dem Institut zu bitten (vgl. Sudman/Blair 1998, S. 67). Vor einer Auftragsvergabe ist grundsätzlich zu entscheiden, ob die Vergabe freihändig oder nach einer Ausschreibung erfolgen soll. Freihändige Vergaben bieten sich vom öffentlichen Vergaberecht einmal abgesehen in vier Fällen an. 1. Es kommt aufgrund seiner Monopolstellung nur ein Anbieter in Frage. 2. Es handelt sich um einen Folgeauftrag, der sinnvoll nur von dem Institut, das bereits die Vorstudie durchgeführt hat, abgewickelt werden kann. 3. Die Ergebnisse müssen so kurzfristig vorliegen, dass die Zeit für eine Ausschreibung eingespart werden muss. 4. Es liegt mit dem favorisierten Unternehmen ein Rahmenvertrag vor. In allen übrigen Fällen empfiehlt sich eine Ausschreibung, ist vielfach durch Unternehmensrichtlinien direkt vorgeschrieben. Ob sie öffentlich sein muss, hängt von dem Auftraggeber und dem Auftragsvolumen ab. Die Vorteile einer Ausschreibung sind vielfältig. 1. Die betriebliche Marktforschung vermeidet den Verdacht, bestimmte Institute zu begünstigen. 2. Durch Wettbewerb lassen sich bessere Preise erzielen. 3. Neue Institute können durch ein Angebot getestet werden, ohne dass ihnen gleich ein Auftrag erteilt werden muss. 4. (Neue) Methoden können in Angeboten diskutiert werden. 5. Es können methodisch unterschiedliche Herangehensweisen verglichen werden. 6. Institute fühlen sich fairer als bei freihändiger Vergabe behandelt. Ein aus der Werbung entlehnter Pitch sollte aufgrund des damit vor allem für die Institute verbundenen Aufwands allerdings nur für besonders umfangreiche und teure Studien in Erwägung gezogen werden (vgl. Back/Beuttler 2006, S. 24 f.).
|| 1 Forschungsergebnisse dazu werden allerdings erst Ende 2015 vorliegen.
4.2 Ausschreibung | 125
4.2.2.2 Kontakt zu Instituten Wie komme ich an geeignete Institute? Es gibt eine Vielzahl von Wegen, Dienstleister für eine Studie zu finden. Der einfachste ist sicher, sich aus dem Kreis der bisherigen Dienstleister zu bedienen. Das ist bequem, stößt jedoch schnell an Grenzen, wenn neue Aufgabenstellungen neue Methoden erfordern, die die bisherigen Dienstleister nicht beherrschen. Ein probates Mittel sind Empfehlungen von Kollegen, die entweder in der eigenen Abteilung, aber auch in betrieblichen Marktforschungen anderer Unternehmen arbeiten können. So werden bei PUMa (vgl. Anhang B.2) häufig Anfragen zu Instituten gestellt, in denen entweder Institute zu einer bestimmten Fragestellung oder Referenzen zu bereits bekannten Instituten gesucht werden. Eine gute Orientierung über die Leistungsfähigkeit und das Preis-Leistungs-Verhältnis von Instituten bietet auch die von marktforschung.de unter betrieblichen Marktforschern durchgeführte Kundenzufriedenheitsbefragung zu Instituten (vgl. marktforschung.de 2013), die Deutschlands größte Institute einem Ranking nach verschiedenen Kategorien unterzogen hat. Aus ihr lässt sich, auch wenn nicht alle deutschen Institute untersucht worden sind, zumindest eine tendenzielle Aussage zur Güte der betrachteten Institute ableiten. Die im Anhang B aufgeführten Verbände und Interessengemeinschaften bieten überhaupt eine gute Möglichkeit, an geeignete Institute zu kommen. So bietet etwa planung & analyse neben dem Handbuch der Markt- und Marketingforschung auch ein (Online)handbuch der Feldinstitute an. Institute nehmen oftmals auch an Messen und Tagungen teil. Als Beispiele seien hier nur die Research & Results in München, die dmexco in Köln oder der BVM-Kongress in Berlin genannt, wo sich viele Informationsstände von Instituten finden. Auch die Werbung von Instituten, die gerade bei großen Unternehmen reichlich eintrifft, kann die Institutsfindung erleichtern. Nicht zuletzt helfen auch eigene Internetrecherchen weiter. Ungeachtet der fachlichen Qualifikation des Instituts sollte es zum Auftraggeber passen. Das Kriterium Größe nach dem Motto „Große spielen nur mit Großen“2 spielt nach Ansicht der Autoren keine Rolle, da die Größe eines Dienstleisters nicht zwingend auf gute Betreuung und Arbeit schließen lässt. In jedem Fall sollte man sich im Vorfeld einer Ausschreibung darüber klar sein, welche Art von Dienstleister man benötigt bzw. einsetzen möchte. In Frage kommen dabei die folgenden Kategorien. – Institute – Vollanbieter – Methodenspezialisten – Panel-Anbieter – Feldinstitute || 2 Jörg Kohlbacher, Gründer des Darmstädter Instituts Consilium, in einem Gespräch mit Marco Ottawa am 25.03.2015
126 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
– – –
– Studios – Datenanalysten Ausgelagerte Marktforschungen Marktforschungs-Berater Softwarelieferanten, z. B. für Onlinebefragungssoftware
Eine umfangreiche Darstellung von Organisationen rund um die Marktforschung, die zu Instituten führen, listet Kastin (2008, S. 172 f.) auf. Vgl. auch die Darstellung von Marktforschungsdienstleistern bei Malhotra/Birks/Wills (2012, S. 18). Seit Herbst 2014 bietet der BVM unter http://www.marktforschungsanbieter.de ein Portal mit mehr als 300 Dienstleistern aus den Bereichen Forschungsinstitute, Feld-Dienstleister, Berater, Studios und sonstige Anbieter an.
4.2.2.3 Ausschreibungsunterlagen Was muss ein Institut über die Aufgabenstellung wissen? Ein Institutsbriefing muss alle relevanten Aspekte der bevorstehenden Studie enthalten, um es dem potenziellen Dienstleister zu ermöglichen, auf seiner Basis ein aussagekräftiges Angebot zu erstellen. Kern des Briefings ist die Beschreibung der Aufgabenstellung. Dazu gehört zunächst der Hintergrund, vor dem die Studie durchgeführt werden soll. Das können beispielsweise Absatzprobleme oder Produktneueinführungen sein. Möglichst genau ist dann zu beschreiben, welches Informationsbedürfnis besteht. Um die beiden soeben genannten Beispiele aufzugreifen, sind das etwa Gründe für die Ablehnung eines Produktes im Markt oder die Absatzchancen eines Neuproduktes. Des Weiteren gehören Ziele und Kernfragen der anstehenden Studie in das Briefing. Zum Teil tun sich die internen Kunden bei Konzepttests schwer, aussagekräftige Konzepte für das Institut zu schreiben. Hier kann die Unterstützung erfahrener Marktforscher sehr nützlich sein. Um ein einheitliches Schema und Niveau der Konzepte zu erzielen, empfiehlt es sich, eine ausreichende Anzahl von Konzepttests vorausgesetzt, u. U. durch die betriebliche Marktforschung selbst eine diesbezügliche Schulung anzubieten. Neben dem Kern der künftigen Befragung sollte eine Reihe von Metadaten aufgeführt werden. Dazu gehören die Zielgruppe(n), die geschätzte Stichprobengröße sowie die Frage der Adresslieferung. Soll frei rekrutiert werden, stellt der Auftraggeber Kunden- oder Mitarbeiteradressen, oder ist eine Mischform aus beidem vorgesehen? Die Feldarbeit erfordert in vielen Fällen Testmaterial. Das kann in einfachen Fällen aus Werbematerial oder verpackten Lebensmitteln bestehen. Es können aber auch umfangreiche technische Ausstattungen wie etwa bestimmte Breitbandanschlüsse erforderlich sein. Wichtig ist in jedem Fall, darauf hinzuweisen, welche Ausstattung unbedingt erforderlich ist und was an Testmaterial bereitgestellt wird.
4.2 Ausschreibung | 127
Unternehmen & Team Konzeptions- & Planungsobjekt Interne BriefingFakten
Marketing- & Kommunikationsstatus
Inhaltliche Fakten
Problem- & Aufgabenstellung
Technische Fakten
Ziele & Strategien
Externe BriefingFakten
Etatvorgaben Zeitvorgaben
Branche & Markt Kunden- und Mittlerzielgruppen Direkte & indirekte Wettbewerber Rahmenbedingungen & Trends
Personalvorgaben Präsentationsvorgaben Sonstige Vorgaben Abb. 4.5: Die Struktur von Briefingfakten (Schmidbauer, Klaus 2007, S. 40)
Maßgeblich für die Angebotsgestaltung sind daneben die Zeitvorgaben, die sich nicht nur auf den Liefertermin der Ergebnisse beschränken, sondern auch andere Meilensteine der Studie aufführen sollten. Eine Methodik im Briefing vorzugeben, muss nicht in jedem Fall sinnvoll sein, wird aber in 84 % der Fälle (vgl. Verführt 2014, S. 85) mindestens häufig getan. Gerade bei eher unstrukturierten Fragestellungen kann eine zu enge methodische Vorgabe die Kreativität des potenziellen Dienstleisters zum Nachteil der Studienergebnisse einengen. Genau beschreiben sollte man die Form der Ergebnislieferung, da sich diese maßgeblich auf die Kalkulation auswirkt. Genügt ein SPSS-Datensatz, oder soll es etwa eine persönliche Powerpoint-Präsentation mit anschließendem Workshop sein? In jedem Fall muss das Briefing exakt beschreiben, welche Leistungen von dem Institut erwartet werden. Das gilt auch für vermeintliche Kleinigkeiten wie das Layout der Präsentationsunterlagen. Soll das Layout des Auftraggebers, des Instituts oder eine Mischform genutzt werden? Auch Qualitätsanforderungen sollten, etwa unter Hinweis auf die
128 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
DIN-ISO-Norm 20252 (vgl. Wiegand 2007), klar definiert werden. Der Schwerpunkt eines jeden Institutsbriefings muss auf den erwarteten bzw. benötigten Ergebnissen und ihrer Aufbereitung liegen, da diese letztendlich den idealerweise Mehrwert schaffenden Liefergegenstand darstellen. Zuletzt sind Form und Liefertermin für das Angebot zu definieren sowie im Briefing ein Ansprechpartner in der betrieblichen Marktforschung mit seinen Kontaktdaten zu benennen. Dieser Ansprechpartner sollte auch der zukünftige Studienleiter sein, so dass die Studie während ihrer gesamten Laufzeit aus einer Hand betreut wird. Die in der Abb. 4.5 von Schmidbauer (2007, S. 40) angeführte Struktur von Briefingfakten lässt sich weitgehend von einem Marketing- oder Kommunikationsbriefing auf ein Marktforschungsbriefing übertragen. Die Tab. 4.1 soll ein Muster für ein Institutsbriefing bieten. Tab. 4.1: Musterformular für ein Institutsbriefing (Ottawa, Marco) Name der Studie Vorstellung des eigenen Unternehmens, soweit seine Bekanntheit nicht vorausgesetzt werden kann Interner Auftraggeber Hintergrund der Aufgabenstellung Untersuchungsschwerpunkte Ziele/Kernfragen Zielgruppe Stichprobengröße Art der Rekrutierung
□ □
Freie Rekrutierung Adressdaten werden zur Verfügung gestellt
Methodenvorschlag Testmaterial Erforderliche technische Ausstattung Form der Ergebnislieferung Zeitplan
Institutsleistungen Anforderungen an das Angebot Qualitätsanforderung Ansprechpartner beim Auftraggeber
Versand Briefing: Vorlage Angebot: Auftragsvergabe: Studien-Setup: Durchführung: Datenanalyse: Ergebniserstellung: Ergebnislieferung: Ergebnispräsentation:
4.2 Ausschreibung | 129
4.2.2.4 Ausschreibende Stelle Wer schreibt aus? Die Usancen, wer in einem Unternehmen für die Ausschreibung von Marktforschungsstudien zuständig ist, können unterschiedlich sein. Gängige Stellen sind die Marktforschung an sich, der Einkauf sowie der jeweilige Budgetinhaber. Budgetinhaber und Marktforschung fallen dabei teilweise zusammen. Empfehlenswert ist die Ausschreibung durch die Marktforschung, weil sie über den größten marktforscherischen Sachverstand verfügt und die Institutslandschaft am besten kennt. Gleichwohl können auch besonders fachkundige Einkäufer diese Rolle gut übernehmen. Das hat gegenüber der Marktforschung sogar den Vorteil größerer Distanz zu den Instituten, da sie sich ganz auf kommerzielle und juristische Aspekte konzentrieren können und mit den Instituten durch die gemeinsame Studiendurchführung nicht so eng verbunden sind wie betriebliche Marktforscher. Unzweckmäßig scheint den Autoren die Ausschreibung durch Budgetinhaber außerhalb der Marktforschung, also beispielsweise die Marketing- oder Vertriebsabteilung zu sein, weil diese in aller Regel die Institutslandschaft nur unzureichend kennen und somit die Gefahr besteht, durch ein falsch formuliertes Briefing oder eine falsche Institutsauswahl den Erfolg der ganzen Studie zu gefährden oder zumindest suboptimale Preise für die Durchführung der Studie zahlen zu müssen. In der Regel sollte also die betriebliche Marktforschung ausschreiben, den Einkauf aber von vornherein einbeziehen. Bei vom Volumen oder der Laufzeit her großen Ausschreibungen kann es aber auch Sinn machen, die Federführung einer Ausschreibung dem Einkauf zu überlassen, um dessen in der Regel größeres kaufmännisches Geschick optimal zu nutzen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Einkauf bei den später eingehenden Angeboten nicht nur den Preis als einziges Entscheidungskriterium heranzieht, sondern auch andere Aspekte wie Erfahrung oder Methodenkenntnis in seine Auswahlentscheidung einfließen lässt (vgl. Schmeißer 2013).
4.2.3 Auftragsklärung Was benötigen Sie noch für Ihr Angebot? Im Rahmen der Angebotserstellung kommt es immer wieder zu Rückfragen der angefragten Institute. Dafür sollte in jedem Fall genügend Zeit während der Ausschreibungsfrist eingeplant werden. Eine betriebliche Marktforschung ist gut beraten, auch ihrerseits den Austausch mit den Instituten zu suchen. Trotz größter Sorgfalt kann es immer vorkommen, dass Passagen des Briefings missverständlich sind. Insofern dient die Diskussion oftmals auch der Präzisierung der Aufgabenstellung. Auftragsklärungsgespräche bieten auch die Möglichkeit, sich preislich aneinander anzunähern. Institute können preislichen Spielraum ausloten und die betrieblichen Marktforscher
130 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
Instituten einen finanziellen Rahmen aufzeigen. Im Idealfall lässt sich so schon ein erster Preisnachlass erzielen. Die Praxis zeigt, dass der Prozess der Angebotserstellung bzw. -bewertung durchaus unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Eberhard Biehl, Geschäftsführer des Trierer Instituts T.I.P. Biehl & Partner, führt an3, dass die Briefings, die sein Institut erhielte, in aller Regel so präzise formuliert seien, dass sich Nachfragen seitens des Instituts für gewöhnlich erübrigten. Demgegenüber gibt es auch betriebliche Marktforschungen, die sich im Angebotsprozess eher als Mediatoren verstehen. In diesem Fall ist das Briefing an das Institut noch relativ unverbindlich und gewinnt erst durch Rückfragen bei internen Kunden und Instituten seine finale Gestalt.
4.2.4 Institutsauswahl Welcher Anbieter ist der geeignetste? Trotz identischen Briefings, das alle angeschriebenen Institute erhalten haben, sehen die eingehenden Angebote in Gliederung, Informationstiefe und Umfang oftmals sehr unterschiedlich aus, was ihre Vergleichbarkeit erschwert. Ein vollständiges Angebot sollte auf die folgenden Punkte eingehen (Ottawa, Marco, nach Barth/Mislik 2007, S. 287 und Malhotra 2014, S. 100 f.): – Zusammenfassung – Hintergrund – Problembeschreibung – Forschungsziele – Forschungsdesign/Methodik – Beschreibung der Grundgesamtheit und der Stichprobe nebst ihrer Größe – Feldarbeit – Datenanalyse – Bericht – Kosten, inkl. zusätzlicher Optionen – Zeitplan – Organisation der Studie – Studienleiter, beteiligte Mitarbeiter und deren Qualifikation und Erfahrung – Anhänge – Vertragsbedingungen
|| 3 Gespräch mit Marco Ottawa am 05.05.2014
4.2 Ausschreibung | 131
Gerade wenn das beauftragende Unternehmen eine eher große Marktmacht besitzt, sollte es versuchen, seine (potenziellen) Dienstleister zu einer einheitlichen Angebotsgestaltung zu bewegen. Eine Vielzahl von Faktoren fließt in die Bewertung der Angebote ein. Sie lassen sich in inhaltliche, zeitliche, monetäre und sonstige Faktoren unterteilen. Beginnen wir mit den inhaltlichen Aspekten, also der Frage, ob das Institut aufgrund seiner Kompetenz und Leistungsfähigkeit in der Lage ist, die gewünschten Studienergebnisse zu liefern. Dazu gehört auch eine Expertise in der Branche des ausschreibenden Unternehmens (vgl. Bradley 2010, S. 59 und Kastin 2008, S. 170–172). Dabei ist zunächst die Frage zu beantworten, ob das Institut die Aufgabenstellung überhaupt erfasst hat. Üblicherweise beginnen Angebote mit einer Reflexion der Aufgabe und des Hintergrundes der Studie. Daraus kann sich unter Umständen schon ableiten lassen, ob das Institut überhaupt die gewünschten Ergebnisse liefern kann. Hier können auch eine zu geringe Personaldecke hinsichtlich Projektleitern oder Interviewern Ausschlusskriterien darstellen. Viele Studien erfordern wie unter Kapitel 4.2.2.3 geschildert bei den Instituten eine gewisse technische Ausstattung. Wird diese im Angebot zugesichert? Ein Kernstück der Institutsauswahl ist die vorgeschlagene Methodik, ihre Beschreibung und fachliche Begründung. Da die vorgeschlagene Methodik in aller Regel auch finanzielle Implikationen hat, ist dieser Punkt besonders sorgfältig zu prüfen. Zu prüfen ist auch, ob die in der Ausschreibung angeforderten Leistungen vollständig aufgeführt sind. Sollte das nicht der Fall sein, ist eine Verteuerung der Studie vorprogrammiert. Wichtig ist es auch, dass das anbietende Institut u. U. durch die Angabe von Referenzen glaubhaft machen kann, dass es für die Durchführung der Studie die nötige Fachkompetenz und Ressourcen besitzt, also schon ähnliche Studien erfolgreich durchgeführt hat. Gerade bei aufwändigen Studien ist eine betriebliche Marktforschung gut beraten, diese Referenzen zu nutzen. Sollten Referenzen fehlen, bieten Anfragen über PUMa (vgl. Anhang B) eine gute und schnelle Möglichkeit, Aussagen über die Leistungsfähigkeit und den Leumund eines Instituts einzuholen. Dieser Schritt empfiehlt sich allerdings, um sich und den Instituten Arbeit zu ersparen, bereits vor der Ausschreibung. Ein gutes Briefing enthält konkrete Zeitvorgaben, zumindest einen klaren Zeitpunkt, zu dem die Ergebnislieferung erwartet wird. Gerade bei ambitionierten Zeitvorgaben ist sorgfältig zu überprüfen, ob das Institut in der Lage ist, diese einzuhalten. Eine Marktforschungsstudie bringt etwa aufgrund kurzfristiger Absagen von Probanden, Ausfällen von Onlineservern oder Erkrankungen von Institutsmitarbeitern oftmals Unvorhergesehenes mit sich, auf das flexibel reagiert werden muss. Die Einschätzung, wie flexibel ein Institut in solchen Fällen reagieren wird, lässt sich bei Instituten, mit denen man bislang nicht zusammengearbeitet hat, nur schwer prognostizieren. Eine breite Personaldecke, das Vorhalten von Reserve-Servern etc. lassen jedoch auf eine gewisse Flexibilität schließen.
132 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
Ein zum Teil dominantes Kriterium für die Institutsauswahl sind die Kosten. Unabhängig von den Gesamtkosten ist das Angebot auf seine Kostentransparenz hin zu untersuchen. Sind die einzelnen Bestandteile wie Projektleitung, Feldarbeit oder Analyse separat bepreist oder wird unter Umständen die gesamte Studie nur als „ein Stück Marktforschung“ angeboten? Lassen Sie sich nach Möglichkeit auch Tagessätze auflisten, um einen Eindruck davon zu bekommen, ob Ihre Studie von Junior Researchern oder erfahrenen Projektleitern betreut werden soll. Des Weiteren muss zwischen fixen und optionalen Kostenbestandteilen differenziert werden. Es kann durchaus Sinn machen, sich z. B. unterschiedliche Fallzahlen oder Befragungsmethoden alternierend anbieten zu lassen. In jedem Falle müssen diese aber klar voneinander getrennt ausgewiesen werden. Einen gute Orientierung, welche Kostenbestandteile bei einer Studie anfallen können, führt Kastin (2008, S. 200) auf. Angebote mit Optionen haben den Vorteil, dass man je nach Bedarf oder Budget einzelne Leistungsbestandteile weglassen kann. Zu denken ist hierbei an oft kostenträchtige Präsentationen durch das Institut, die gerade bei quantitativer Forschung auch kostenneutral von der betrieblichen Marktforschung durchgeführt werden können. Bei den Kosten lässt sich zusammenfassend sagen, dass nicht in jedem Falle das billigste Angebot auch das Beste darstellt. Man orientiert sich besser an der alten Formel „fa lei zu“ (fachkundig, leistungsstark, zuverlässig), nach der im öffentlichen Dienst Leistungen vergeben werden (sollten), denn oftmals versuchen gerade neue Anbieter, durch unrealistisch niedrige Angebote ins Geschäft zu kommen, worunter dann die gelieferte Qualität leiden kann. Daneben besteht die Gefahr, dass auf solche „Lockvogelangebote“ im Verlauf der Studie durch das Institut Nachforderungen, z. B. für höhere Fallzahlen, erhoben werden (vgl. Clow/James 2014, S. 46 f.). Entscheidende Diskriminanten bei der Institutsauswahl sind im Allgemeinen „zum einen die Qualität der methodischen Umsetzungsvorschläge, zum anderen das wahrgenommene Preis-Leistungs-Verhältnis“ (marktforschung.de 2013, S. 12). Zu den übrigen Kriterien, die bei der Institutsauswahl zu beachten sind, gehört die Einhaltung des Standesrechts und ethischer Standards. Das lässt sich sicherstellen, indem man in Ausschreibungen grundsätzlich nur Institute aufnimmt, welche Mitglied des BVM oder ADM sind. Das gilt in gleichem Maße für Subunternehmer wie Feldinstitute oder Datenanalysten. Diese sollten im Angebot namentlich aufgeführt sein. Sollte das nicht der Fall sein, ist es ratsam, das Institut um die Nennung der Namen zu bitten, um schon im Vorfeld ungeeignete oder unliebsame Dienstleister ausschließen zu können. Letztlich muss das Institut im Angebot darlegen, dass seine Subunternehmer auch fachlich und kapazitär zur Durchführung der Studie in der Lage sind. Zur fachlichen Qualifikation gehören auch muttersprachliche Interviewer. Ein indisches oder slowakisches Feldinstitut senkt mit großer Wahrscheinlichkeit die Feldkosten, aber vermutlich in noch höherem Maße die Qualität der Interviews. Im Zusammenhang mit Subunternehmern ist auch die Frage, wo die Daten verarbeitet werden, von Bedeutung. Findet sie onshore (in Deutschland), nearshore (EU-Ausland)
4.2 Ausschreibung | 133
oder offshore (Ausland außerhalb der EU) statt? Darauf gibt es keine verbindliche Antwort, es gilt jedoch abzuschätzen, welchen Wert man angesichts des jeweils unterschiedlichen Datenschutzrechtes und der aktuellen Diskussion über staatliche Spionage auf die Sicherheit und Vertraulichkeit seiner Daten legt (vgl. dazu Bauer 2009, S. 372–383). Hinzu kommt §4b BDSG (s. u.), der eine Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische Stellen untersagt, wenn in diesen kein angemessenes Datenschutzniveau herrscht (vgl. Wildner 2014 und zum Safe Harbour-Abkommen marktforschung.de 2014): (1) Für die Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen 243. in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaften gelten § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 1 und §§ 28 bis 30a nach Maßgabe der für diese Übermittlung geltenden Gesetze und Vereinbarungen, soweit die Übermittlung im Rahmen von Tätigkeiten erfolgt, die ganz oder teilweise in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Gemeinschaften fallen. Für die Übermittlung personenbezogener Daten an Stellen nach Absatz 1, die nicht im Rahmen von Tätigkeiten erfolgt, die ganz oder teilweise in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Gemeinschaften fallen, sowie an sonstige ausländische oder über- oder zwischenstaatliche Stellen gilt Absatz 1 entsprechend. Die Übermittlung unterbleibt, soweit der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat, insbesondere wenn bei den in Satz 1 genannten Stellen ein angemessenes Datenschutzniveau nicht gewährleistet ist. Satz 2 gilt nicht, wenn die Übermittlung zur Erfüllung eigener Aufgaben einer öffentlichen Stelle des Bundes aus zwingenden Gründen der Verteidigung oder der Erfüllung überoder zwischenstaatlicher Verpflichtungen auf dem Gebiet der Krisenbewältigung oder Konfliktverhinderung oder für humanitäre Maßnahmen erforderlich ist. Die Angemessenheit des Schutzniveaus wird unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilt, die bei einer Datenübermittlung oder einer Kategorie von Datenübermittlungen von Bedeutung sind; insbesondere können die Art der Daten, die Zweckbestimmung, die Dauer der geplanten Verarbeitung, das Herkunfts- und das Endbestimmungsland, die für den betreffenden Empfänger geltenden Rechtsnormen sowie die für ihn geltenden Standesregeln und Sicherheitsmaßnahmen herangezogen werden. In den Fällen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 unterrichtet die übermittelnde Stelle den Betroffenen von der Übermittlung seiner Daten. Dies gilt nicht, wenn damit zu rechnen ist, dass er davon auf andere Weise Kenntnis erlangt, oder wenn die Unterrichtung die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde.Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die übermittelnde Stelle. Die Stelle, an die die Daten übermittelt werden, ist auf den Zweck hinzuweisen, zu dessen Erfüllung die Daten übermittelt werden.
Bauer (2008, S. 243) führt hinsichtlich einer (partiellen) Verlagerung von Marktforschungsaktivitäten noch weitere Kriterien wie Kosten, Nutzung von Zeitunterschieden, Erhöhung der Prozessqualität und Kapazitätsengpässe an. Zusammenfassend
134 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
muss das Angebot des Dienstleisters „transparent und klar“ (Barth/Mislik 2007, S. 285) sein. Des Weiteren spielt die Konkurrenzfreiheit bei der Auswahl des Instituts eine Rolle. Wenn ein Institut bereits für die Konkurrenz arbeitet oder gearbeitet hat, besteht die Gefahr eines unliebsamen Wissenstransfers. Das Institut muss in einem solchen Falle sicherstellen, dass Sie von einem anderen Projektleiter als die Konkurrenz betreut werden (vgl. Bernecker/Weihe 2011, S. 30). Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist die räumliche Nähe des Instituts zum Auftraggeber (vgl. a. a. O., S. 31). Auch im Zeitalter der Telekommunikation ist es immer noch von Vorteil, kurzfristig zu einem persönlichen Austausch zusammenkommen zu können. Daneben wirkt sich die räumliche Nähe durchaus positiv auf die Kosten für Reisen und Präsentationen aus. Einen interessanten Aspekt, der auch auf die Institutsauswahl übertragbar ist, führt Schroiff (2013, S. 4) an, nämlich die Expertise des Instituts: Ein gutes Institut hat eine eigene Meinung zu den Inhalten und Konsequenzen der gestellten Forschungsfrage, die es sachlich und datengestützt begründen kann. (…) Hat aber das Institut keine eigene Meinung bzw. vertritt es sie nicht, dann braucht man es auch nicht.
Gerade kritische Ergebnisse müssen u. E. durch ein Institut deutlich und mit eigener, aus Sicht des beauftragenden Unternehmens außenstehender Meinung vorgetragen werden, um ihre Bedeutung zu unterstreichen. Angebote sind in aller Regel nicht fix. Eine betriebliche Marktforschung ist immer gut beraten, Punkte die ihr nicht klar sind oder nicht zusagen, nachbessern zu lassen. Diese Zeit sollte in jedem Fall auch im Zeitplan der Studie berücksichtigt werden. Ausführliche Hinweise zur Institutsauswahl bieten Kastin (2008, S. 173– 177) und Koch (1999, S. 790 f.). Institut A Kriterium
Gewichtung Punkte (netto)
Institut B Punkte Punkte (gewichtet) (netto)
Institut C Punkte Punkte (gewichtet) (netto)
Punkte (gewichtet)
Untersuchungsansatz
30%
4
1,20
4
1,20
5
1,50
Fachkompetenz
20%
5
1,00
3
0,60
2
0,40
Branchenerfahrung
15%
3
0,45
4
0,60
4
0,60
Zeitplan
10%
2
0,20
5
0,50
3
0,30
Kosten
20%
1
0,20
3
0,60
5
1,00
Reputation
5%
3
0,15
2
0,10
4
0,20
Summe
3,20
Legende: 5 = voll erfüllt; 1 = nicht erfüllt
Abb. 4.6: Vergleichsschema für Angebote (Ottawa, Marco)
3,60
4,00
4.2 Ausschreibung | 135
Um gegenüber Dritten Transparenz bezüglich der Auswahlentscheidung sicherzustellen, ist ein einheitliches Bewertungsschema, das für jede Ausschreibung verwendet werden kann, anzuwenden. Welche Kriterien dabei anzuwenden sind, hängt auch von den individuellen Rahmenbedingungen des jeweiligen Unternehmens ab. Die Abb. 4.6 ist deshalb als Anregung zu verstehen. Die Auswahlentscheidung für ein Institut muss nicht zwingend von der betrieblichen Marktforschung gefällt werden. Das ist jedoch aufgrund deren fachlicher Kompetenz anzuraten. Nichtsdestotrotz kommt es immer wieder zur Einflussnahme anderer Abteilungen auf die Auswahlentscheidung. Zu nennen ist hier an erster Stelle der Einkauf. Er verfügt in der Regel etwa über Rahmenverträge mit bevorzugten Lieferanten oder besteht auf festen Rabattstaffeln und Zahlungsfristen, die im Widerspruch zu den Wünschen des ausgewählten Instituts stehen können. Auch das Controlling kann mitreden, indem es aus budgetärer Sicht versucht, den billigsten Bewerber auszuwählen. Eine maßgebliche Rolle spielen oftmals auch die internen Auftraggeber, die aufgrund früherer Erfahrungen Präferenzen oder Ressentiments hinsichtlich bestimmter Institute haben. Interne Auftraggeber, die nur selten Studien in Auftrag geben, lassen sich schon einmal von den ihnen bekannten wenigen großen Namen der Institutslandschaft blenden und bestehen auf einem solchen Dienstleister als Garant für Qualität, was aber oftmals mit zu hohen Preisen bezahlt werden muss. Gelegentlich versucht auch der Vertrieb unter Hinweis auf eigene Akquisetätigkeiten bei dem betreffenden Institut Verkäufe an das Institut, bestimmten Instituten, bei denen er vielleicht gerade akquiriert, den Zuschlag zu geben, um dadurch die eigene Wettbewerbsposition zu verbessern oder Bartergeschäfte durchzuführen. Nicht immer werden diese Versuche der Einflussnahme erfolglos bleiben. Eine betriebliche Marktforschung ist jedenfalls gut beraten, die Aufträge autonom zu vergeben, um möglichst den besten Dienstleister auszuwählen, was in der Praxis auch meistens der Fall ist (vgl. Verführt 2014, S. 78). Unabhängig vom Weg der Entscheidungsfindung gebietet es die Fairness gegenüber den Teilnehmern an der Ausschreibung, diese zeitnah von dem Ergebnis der Ausschreibung zu unterrichten. Institute halten unter Umständen Kapazitäten für eventuelle Aufträge vor und sollten zeitnah erfahren, ob sie den Auftrag erhalten oder nicht. Neben der allgemeinen Fairness im Geschäftsleben als eher altruistischem Motiv sollte es die betriebliche Marktforschung vermeiden, Institute, mit denen man später eventuell doch zusammenarbeiten möchte, durch mangelnde oder verzögerte Informationspolitik negativ gegenüber dem eigenen Unternehmen zu stimmen. Ob die betriebliche Marktforschung dem Institut Gründe für die Nichtberücksichtigung bei der Ausschreibung nennt, ist sicherlich abhängig von der individuellen Geschäftspolitik. Die Autoren empfehlen jedoch einen offenen Umgang mit den Gründen, seien sie nun in den Kosten, methodischen Schwächen oder anderweitig begründet. Die Offenheit wird auf Dauer mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit belohnt.
136 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
Am Ende dieses Absatzes soll noch kurz auf die Frage eingegangen werden, ob eher einem großen, oftmals auch außerhalb der Marktforschungsszene bekannten oder eher einem kleinen, weniger bekannten Institut der Zuschlag zu geben ist. Wehde (2013, S. 10) sieht als Vorteile größerer Institute vor allem deren Besitz großer Benchmark-Datenbanken und ihre Methodenkompetenz an. Aus langjähriger Branchenerfahrung können die Autoren als weitere Vorteile die größere Personaldecke anführen, welche eher als in kleinen Instituten plötzliche Personalausfälle oder unvorhergesehene Mehrarbeiten kompensieren kann. Dem stehen in der Regel höhere Preise entgegen. Als Unternehmen mit einem großen Marktforschungsbudget bezahlen Sie bei einem großen Institut oftmals Ihren Key Account Manager mit, der u. U. gar nicht forschend, sondern vorwiegend vertrieblich in Erscheinung tritt. Darüber hinaus lassen interne Kostenverrechnungsmodelle die Preise in die Höhe schnellen. Für kleinere und mittlere Institute spricht laut Wehde (a. a. O., S. 10) die bessere Betreuung der Kunden sowie vor allem Flexibilität und Schnelligkeit. Daneben lassen sich aus Sicht der Autoren, sofern es sich bei den kleinen Instituten nicht um ausgesprochene Spezialinstitute, etwa für Panels oder Morphologie, handelt, vor allem als größerer Auftraggeber bessere Preise erzielen, weil diese Institute in der Regel geringere Gehälter als ihre großen Pendants zahlen und einen kleineren „Überbau“ haben. Hinzu kommen zum Teil Abhängigkeitsverhältnisse kleinerer „Hoflieferanten“, die verhandlungsbereiter als Institute mit einer breiteren Kundenbasis sind, weil erstere der Verlust des Hauptkunden wirtschaftlich ruinieren kann.
4.2.5 Beauftragung Wer bestellt? Wer das Institut letztlich direkt beauftragt, spielt eine untergeordnete Rolle. Es kann die Marktforschung selbst, das Controlling, der Einkauf oder eine der Geschäftsführung zugeordnete Stelle sein. Aus Gründen der Unbestechlichkeit sollte aber in jedem Fall das Vieraugenprinzip eingehalten werden. Dazu wird beispielsweise die Auswahlentscheidung durch die betriebliche Marktforschung getroffen, welche auch den Einkaufsvorgang anstößt. Die eigentliche Beauftragung wird dann aber in aller Form durch den Einkauf durchgeführt. Diese Vorgehensweise ist zwar relativ zeitaufwändig, bietet jedoch eine Kontrollmöglichkeit, um einer unberechtigten Bevorzugung bestimmter Institute vorzubeugen.
4.2 Ausschreibung | 137
4.2.6 Institutsbriefing Was müssen Sie wissen, um unsere Fragen zu beantworten? Einer der wesentlichsten Schritte für das Gelingen einer Studie ist das Briefing des Instituts. Hier werden die entscheidenden Weichen für das Studiendesign gestellt. Vor allem bietet es aber dem Institut die Möglichkeit, Fragen zu stellen, um seine Arbeit optimal durchführen zu können. Ob das Briefing persönlich, telefonisch oder per Webkonferenz stattfindet, ist von den Kosten und dem Aufwand für alle Beteiligten abhängig. Bei neuen Studien und vor allem neuen Instituten ist jedoch ein persönliches Briefing angeraten, um über die fachlichen Fragen hinaus auch ein persönliches Kennenlernen zu ermöglichen. Um auch einen Eindruck von dem Personal, der Ausstattung und dem Arbeitsklima des Instituts zu erhalten, kann es sinnvoll sein, das Briefing in den Räumlichkeiten des Instituts durchzuführen. Abgesehen von Wiederholungsstudien und Themen, mit denen die betriebliche Marktforschung vollkommen vertraut ist, sollte in jedem Fall der interne Auftraggeber der Studie einbezogen werden. Er kennt seine Fragestellung und seine Anforderungen am besten und kann sie somit auch ungefiltert durch die betriebliche Marktforschung dem Institut näherbringen. Dazu empfiehlt es sich, so in der Studie erforderlich, möglichst vollständiges Testmaterial mitzubringen, damit das Institut direkt Fragen zu ihm stellen kann. Inhaltlich orientiert sich das Institutsbriefing an der Ausschreibungsunterlage, weswegen hier noch einmal das unter Kapitel 4.2.2.3 vorgestellte Formular genutzt wird, indem in seine rechte Spalte die für das Institutsbriefing relevanten Punkte eingetragen werden. Unabhängig von der Form des Briefings sollte die 8K-Regel beherzigt werden, nach der ein gutes Briefing kurz, knapp, klar, konkret, komplett, konstruktiv, konsequent und kooperativ (vgl. Back/Beuttler 2006, S. 11) sein soll. Ein weiterer Schritt, die Qualität der anstehenden Studie zu optimieren, kann ein mündliches Rebriefing sein. Es bietet dem „Auftragnehmer die Gelegenheit, die Aufgabe mit eigenen Worten zu formulieren und/oder zu hinterfragen“ (a. a. O., S. 213). So können mögliche Missverständnisse im Idealfall schon zu Beginn der Zusammenarbeit mit dem Institut ausgeräumt werden.
138 | 4 Ablauf einer idealtypischen Marktforschungsstudie
Tab. 4.2: Institutsbriefing (Ottawa, Marco) Hintergrund der Aufgabenstellung, Untersuchungsschwerpunkte, Ziele, Kernfragen Zielgruppe & Stichprobengröße
Incentivierung
Rekrutierung
Testmaterial, technische Ausstattung
Form der Ergebnislieferung Zeitplan
Projektleiter
Kommerzielles
Es ist ratsam, das Institut noch einmal in die Aufgabenstellung einzuführen. Gerade, wenn der interne Auftraggeber am Institutsbriefing teilnimmt, sollte er mit seinem detaillierten Fachwissen diesen Part übernehmen. Lassen Sie sich vom Institut erläutern, in welchem Maße Pretests notwendig sind. Es kann bei geeigneten Forschungsmethoden Sinn machen, interne Auftraggeber und betriebliche Marktforschung daran teilnehmen zu lassen. So können bereits in einem frühen Stadium der Studie Änderungen an Fragebögen oder Leitfäden vorgenommen werden. Auf die Incentivierung von Probanden gehen Institute oftmals nicht ein. Sie wirkt manchmal direkt wie ein Geheimwissen der Dienstleister. Bestehen Sie auf Informationen, denn nur angemessen incentivierte Probanden sind auch bereit, motiviert an der Feldarbeit teilzunehmen. Wenn der Auftraggeber Kunden- oder Mitarbeiteradressen liefert, ist mit dem Institut eine Vereinbarung zur Auftragsdatenvereinbarung abzuschließen, um sicherzustellen, dass die Richtlinien des Datenschutzes eingehalten werden. Wenn neue Institute eingesetzt werden, ist zunächst eine Rahmenvereinbarung notwendig, die bei jeder neuen Studie um eine Einzelvereinbarung ergänzt wird. In jedem Fall muss auch geklärt werden, auf welche Art und Weise die Daten sicher an das Institut übermittelt werden. Hier können zum Beispiel gemeinsame Secure Data Rooms genutzt werden. Diese Punkte gelten in gleichem Maße für mögliche Subunternehmer. Machen Sie das Institut mit dem Testmaterial und den Anforderungen an die technische Ausstattung vertraut. Gerade am gemeinsamen Tisch mit den internen Kunden kann das Institut Fragen zum Testmaterial an fachkundige Antwortgeber stellen. Sprechen Sie mit dem Institut die Art und das Layout der gewünschten Präsentationsunterlagen ab. Das spart Zeit, die unter Umständen im Rahmen der Auswertung fehlt. Diskutieren Sie sorgfältig den Zeitplan. Es kann dazu kommen, dass bei einem offenen und realistischen Austausch mit dem Institut die ursprüngliche Zeitplanung angepasst werden muss. Es ist in jedem Fall besser, zu Beginn der Studie darüber zu sprechen, als später unliebsame Überraschungen in Kauf nehmen zu müssen. Bei Wellenbefragungen muss auch auf die Lieferzyklen und -termine eingegangen werden. Lassen Sie sich vom Institut einen verantwortlichen Ansprechpartner benennen, der als ihr exklusiver Ansprechpartner fungieren wird. Bei internationalen Studien macht es Sinn, dass dieser die Sprache des Auftraggebers spricht, um eine optimale Kommunikation zu gewährleisten. Zahlungsfristen, -bedingungen und eventuelle Abschlagszahlungen, sofern diese nicht im Vorfeld durch AGB schon geklärt sind.
4.3 Feldarbeit | 139
4.2.7 Projektplan Wer macht was bis wann? Masterdokument einer Studiendurchführung sollte ein Projektplan sein. Er ist vom Institut aufzustellen und von der betrieblichen Marktforschung freizugeben. Formell bestehen keine fixen Anforderungen, z. B. MS-Project oder ähnliche Software, an ihn. Entscheidend ist seine Verbindlichkeit, was nicht heißt, dass unvorhergesehene Ereignisse im Verlauf der Studiendurchführung nicht zu seiner Änderung führen können. Ein Projektplan ist auch dann nützlich, wenn die Studie von der betrieblichen Marktforschung in Eigenregie durchgeführt wird. So bietet sie dem Studienleiter und internem Kunden gleichermaßen Planungssicherheit. Folgende Punkte muss ein Projektplan zwingend enthalten: – Ziele des Projekts/der Studie – Zeitraum – Ressourcen – Personal – Zeit – Budget Daneben sollte er auch auf Risiken und die Zusammenarbeit im Projekt eingehen. Weiterführende Literatur Back, Louis/Beuttler, Stefan (2006): Handbuch Briefing. Effiziente Kommunikation zwischen Aufraggeber und Dienstleister. 2. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Barth, Bertram/Mislik, Andrea (2007): Qualität in der MAFO. In: VMÖ (Hrsg.): Handbuch der Marktforschung. Wien: facultas.wuv. Vorderegger, Dietmar/Bachler, Herbert (2009): Projektmanagement Praxis. Koppl: Vorderegger & Partner.
4.3 Feldarbeit 4.3.1 Stichprobengröße festlegen und Rekrutierung klären Wen wollen wir befragen? Wie kommen wir an Probanden? Auf die Festlegung von Stichproben soll an dieser Stelle inhaltlich nicht eingegangen werden. Hierzu verweisen wir auf den methodischen Anhang (vgl. A1.1). Vielmehr sollen einige Punkte angeführt werden, deren Auslassen unter Umständen die gesamte Studie zum Scheitern verurteilen kann. Zunächst ist zu klären, wer sich um die Rekrutierung der Probanden kümmert. Wenn wir im Folgenden von Adressen sprechen, kann es sich hierbei um postali-
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sche Adressen, Telefonnummern oder E-Mail-Adressen handeln. Sie zu beschaffen, bieten sich mehrere Möglichkeiten an. – Nutzung bestehender Probandenpools wie Bussen oder Panels – Freie Rekrutierung durch das Institut – Lieferung von Kunden- oder Mitarbeiteradressen durch den Auftraggeber an das Institut – Kombination von Adresslieferung durch das Unternehmen und freier Rekrutierung Die Nutzung von Probandenpools oder Panels zeichnet sich durch ihre Schnelligkeit und zum Teil auch durch ihre geringen Kosten aus, weil auf bestehendes Datenmaterial zurückgegriffen werden kann. Dafür besteht die Gefahr, dass sie nicht immer auf den Zweck der Untersuchung zugeschnitten sind und die richtigen Probanden erreichen. Ein grundsätzliches Problem stellt auch die Repräsentativität bei bevölkerungsrepräsentativen Studien dar. Hierbei gibt es bei Online-Panels bis auf Weiteres noch immer altersbedingte Verzerrungen. Sind bei den Vierzehn- bis Neunzehnjährigen 100 % Internetnutzer, sind es bei den über Sechzigjährigen nur noch 45 % (ARD/ZDF 2014). Hier kann allerdings durch die Vorgabe einer Quotierung (Alter) eine repräsentative Erhebung sichergestellt werden. Die freie Rekrutierung durch ein Institut stellt in aller Regel die teuerste und zeitaufwändigste Variante der Rekrutierung dar, weil hier keinerlei Kundenadressen vorliegen, sondern erst etwa durch „Baggern“ in Fußgängerzonen oder Telefonanrufe exklusiv für die Studie gewonnen werden müssen. Insofern bietet sich die Lieferung von Adressen durch das Unternehmen an. Diese liegen in aller Regel strukturiert vor und können schnell an das Institut übermittelt werden. Diese Art der Rekrutierung ist aber nur bei Mitarbeitern, Kunden und allenfalls, bei Vorliegen einer Interessentendatenbank, auch noch bei potenziellen Kunden anwendbar. Sollen in der Studie gerade keine eigenen Kunden befragt werden, nützen die eigenen Datenbanken nichts. Nicht in jedem Fall werden allerdings einem Unternehmen die Daten der eigenen Kunden vorliegen. Zu denken ist hier etwa an Discounter, die keine Kundendaten erheben. Leichter haben es hier Unternehmen, die wie etwa Energieversorger, Versicherungen oder Telekommunikationsanbieter ein Dauerschuldverhältnis mit ihren Kunden unterhalten. Ausweg für die erstgenannte Gruppe von Unternehmen kann der allerdings aufwändige und kostenintensive Aufbau eines eigenen Kundenpanels sein. In der Praxis erweist sich oftmals die Kombination aus freier Rekrutierung und Lieferung von Kundendaten als ideale Lösung, gerade wenn Kunden an Nichtkunden gespiegelt werden sollen. Zu beachten ist, gleich ob durch die betriebliche Marktforschung oder ein Institut rekrutiert wird, dass auf Sperrvermerke Rücksicht genommen wird. Das können negative Werbekennzeichen im eigenen Kundenbestand, aber auch Einträge in der Sperrliste des ADM sein. Nachdem die Quellen der Adresslieferung sondiert und festgelegt worden sind, gilt es, einen Zeitplan für die Adresslieferung aufzustellen, der einen der maßgebli-
4.3 Feldarbeit | 141
chen Einflussfaktoren auf den weiteren zeitlichen Verlauf der Studie darstellt. Hilfreich kann auch in diesem Stadium der Studie eine Checkliste sein, die die wichtigsten Punkte der Adressselektion aufführt. Tab. 4.3: Checkliste zur Adressselektion (Ottawa, Marco) Name der Studie Studienleiter Durchführendes Institut Datenquelle(n) Zielgruppe und Stichprobengröße
Erforderliche Datenfelder
Einverständniserklärung Regionale Verteilung Lieferdatum Art des Datentransfers zum Institut bzw. zur betrieblichen Marktforschung
Erklärung zur Auftragsdatenverarbeitung
Einbeziehung des betrieblichen Datenschutzes
Vergeben Sie einen eindeutigen, sprechenden Namen Ansprechpartner in der betrieblichen Marktforschung Ansprechpartner beim Institut Auflistung aller internen und externen Datenquellen Möglichst präzise Beschreibung der Zielgruppen mit Kriterien, nach welchen später auch selektiert und rekrutiert werden kann: Nettoumfang je relevanter Gruppe x Faktor der Überzeichnung = Bruttoumfang je relevanter Gruppe Diese richten sich in erster Linie nach der Befragungsmethodik. Gängig sind unabhängig von der individuellen Fragestellung der Studie folgende Felder: − Name − Vorname − Titel − Anrede − Adresse − Telefonnummer − Mailadresse − Genutzte Produkte − Dauer des Kundenverhältnisses Daneben ist dem Grundsatz der Datensparsamkeit Rechnung zu tragen. Beschränkung der Adressselektion auf Kunden, welche ihre Zustimmung zur Teilnahme an Marktforschungsstudien gegeben haben Erläuterung der regionalen Streuung, falls für die Studie relevant Verbindliches Datum, zu dem die Daten zur Rekrutierung zur Verfügung stehen In welcher Art und Weise werden die Kunden- oder Mitarbeiterdaten zur Rekrutierung bzw. zur Feldarbeit an Institut bzw. betriebliche Marktforschung übermittelt? Entspricht die gewählte Vorgehensweise den gängigen und unternehmensspezifischen Standards des Datenschutzes? Liegt mit dem ausgewählten Institut eine Rahmenvereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung gemäß § 11 BDSG vor? Abschluss einer projektspezifischen Erklärung zur Auftragsdatenvereinbarung Bestätigung des betrieblichen Datenschutzes, der in großen Unternehmen noch in Kunden- und Mitarbeiterdatenschutz unterteilt sein kann, dass die Nutzung der oben beschriebenen Daten zulässig ist
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Zur Rekrutierung wird oftmals ein Screener verwendet. Unter ihm versteht man einen eher kurzen Fragebogen, nach dem die Probanden einer Studie ausgewählt werden. Er enthält neben den für die Studiendurchführung notwendigen Kriterien auch Quotierungsangaben und Ausschlussgründe. Zu letzteren zählt beispielsweise die Arbeit für konkurrierende Unternehmen oder in der Medienbranche. Darüber hinaus kann auch abgefragt werden, wie häufig die potenziellen Probanden in der letzten Zeit an Marktforschungsstudien teilgenommen haben, um semiprofessionelle Probanden von der eigenen Studie auszuschließen (vgl. Clow/James 2014, S. 341 f.).
4.3.2 Vorbereitung der Feldarbeit Arbeitet der Fragebogen gut? Da die Feldarbeit oftmals von einem Institut übernommen wird (vgl. dazu auch Verführt 2014, S. 82), sind dieser und der folgende Abschnitt bewusst kurz gehalten. Sind die Stichprobengröße und -rekrutierung geklärt, steht die Gestaltung des Fragebogens, Interviewleitfadens oder Mystery-Protokolls an. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden im Folgenden alle Formate der Fragestellung unter dem Sammelbegriff Fragebogen zusammengefasst. Gerade in der quantitativen Forschung liegt der betrieblichen Marktforschung vielfach schon ein Fragebogenentwurf der beauftragenden Fachabteilung vor. Diesen gilt es nun so zu überarbeiten, dass er alle Fragestellungen abdeckt, dabei aber auch für die Probanden nachvollziehbar und ermüdungsfrei ist. Sobald der Fragebogen erstellt ist, wird er einem ausgiebigen Test unterzogen. Dabei sollte nicht nur, sofern sie ihn nicht ohnehin selbst erstellt hat, die betriebliche Marktforschung mitwirken, sondern gerade die beauftragenden Fachabteilungen. Wichtige Aspekte des Tests sind der logische Aufbau des Fragebogens, Rechtschreibung, Filterführung und Länge. Bezüglich der Länge hat der Felddienstleister zum einen die Beantwortungsdauer, zum anderen Empfehlungen über die Akzeptanz bei den Probanden abzugeben. Gerade bei umfangreichen und kostenträchtigen Feldarbeiten empfiehlt sich ein Pretest, der der eigentlichen Feldarbeit vorgeschaltet wird. In ihm wird der Fragebogen an realen Probanden getestet und somit von Außenstehenden auf seine Funktionalität und (zielgruppenspezifische) Verständlichkeit überprüft. Hierfür ist hinreichend Zeit einzuplanen, denn ein fehlerhafter, aus Zeitdruck voreilig freigegebener Fragebogen oder Leitfaden kann später die ganze Studie gefährden (vgl. Lütters 2015). Bei qualitativer Forschung kann es zudem sinnvoll sein, den Pretest mit einer Hospitation im Studio zu verbinden, um der betrieblichen Marktforschung und ihren internen Kunden die Gelegenheit zu bieten, den Leitfaden mit echten Probanden zu testen. Sind die o. a. Kriterien des Fragebogens erfüllt und „arbeitet“ er gut, erteilt die betriebliche Marktforschung nach Rücksprache mit der beauftragenden Fachabtei-
4.3 Feldarbeit | 143
lung die Freigabe des Fragebogens. Wichtig im Prozess der Fragebogengestaltung ist es, dass der betriebliche Marktforscher stets weiß, wie weit der Fragebogen gediehen ist. Nichtsdestotrotz kann gerade bei der Beistellung von Testmaterial oder Bildern ein direkter Kontakt von Institut und Fachabteilung sinnvoll sein. Ein betrieblicher Marktforscher kann nicht über alle Fragestellungen so detailliert informiert sein, dass er sie dem Institut direkt beantworten könnte. Durch den direkten Kontakt von Institut zu Fachabteilung, in den die betriebliche Marktforschung allerdings, um jederzeit über den Stand der Studie im Bilde zu sein, eingebunden sein sollte, kann zum einen Übermittlungsfehlern durch die betriebliche Marktforschung vorgebeugt, zum anderen der Ablauf der Studie beschleunigt werden. Dazu gehört eine parallel von Institut, betrieblicher Marktforschung und beauftragender Fachabteilung durchzuführende abschließende Kontrolle des Fragebogens, wobei insbesondere auf die folgenden Punkte geachtet werden sollte (Ottawa, Marco, in Anlehnung an Löffler 2006, S. 22): – Vollständige Abdeckung der Aufgabenstellung – Hinweise auf Ein- bzw. Mehrfachauswahl – Richtige, und soweit gewünscht und sinnvoll, einheitliche Skalierung – Filterführung Parallel zu der Fragebogengestaltung vollzieht sich die Rekrutierung der Probanden. Dabei ist zu überlegen, ob gerade bei qualitativer Befragung immer nur am Unternehmenssitz oder dessen Nähe geforscht werden soll. Um der Gefahr der regionalen Überforschung entgegenzuwirken, kann es sinnvoll sein, die Feldarbeit auch einmal in anderen Städten durchzuführen, selbst wenn das Hospitieren hinter dem Einwegspiegel dann mit längeren Anfahrtszeiten verbunden sein sollte. Gleichzeitig vermeidet man dadurch einen zu hohen Einfluss bestimmter regionaler Eigenheiten. So zeigen sich deutliche Unterschiede im Antwortverhalten zwischen Metropolen wie Köln und kleineren Großstädten wie etwa Osnabrück. Der zu Beginn dieses Kapitels aufgestellte Idealablauf einer Studie kann an dieser Stelle in der Praxis durchaus anders aussehen, weil die einzelnen Schritte von Adressselektion und Rekrutierung einerseits und Fragebogengestaltung andererseits durch unterschiedlichen Zeitbedarf in einer anderen Reihenfolgen ablaufen können. Zunächst gilt es, falls eigene Kunden- oder Mitarbeiterdaten genutzt werden, deren Selektion anzustoßen. Die Selektion selbst wird allein schon durch den Datenschutz bedingt in aller Regel nicht durch die betriebliche Marktforschung durchgeführt. Ausnahme kann hierbei ein von der Marktforschung gesteuertes Kundenpanel sein. Typische hausinterne Datenlieferanten stellen das Customer Relationship Management mit seiner Kundendatenbank, die IT mit ihrem Data-Warehouse für Kunden oder die Personalabteilung mit ihrem Zugriff auf Mitarbeiterdaten dar. Weitere hausinterne Datenquellen können aber auch die Kunden- oder Mitarbeiterverteiler einzelner Abteilungen sein. Unabdingbar ist in jedem Falle, auch wenn die Daten „nur“ an die betriebliche Marktforschung als Feld-
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dienstleister geliefert werden sollten, ein sicherer Datentransfer. Dieser kann sich über sichere E-Mails wie DE-Mail oder verschlüsselte zip-Dateien vollziehen. Zu bevorzugen ist aber ein Austausch der Daten über sogenannte Secure Data Rooms, um einen Missbrauch der Daten auszuschließen. Neben Kunden- und Mitarbeiterdaten sind unter Umständen noch weitere Lieferungen an das Institut notwendig. Hier ist beispielsweise an Werbemittel, Testprodukte, Click Dummys oder auch etwaige Incentives zu denken. Dabei wird in aller Regel, wie schon oben beschrieben, die Marktforschung nur den Mittler zwischen den Instituten den Fachabteilungen spielen. Letztendlich ist sie aber dafür verantwortlich, dass dem Institut zu Feldbeginn die gesamte notwendige Ausstattung vorliegt. Die Rekrutierung obliegt, vom Sonderfall des Kundenpanels einmal abgesehen, in aller Regel dem Institut oder dessen Felddienstleister, weswegen die betriebliche Marktforschung hier für gewöhnlich nur dann involviert ist, wenn es zu Problemen bei der Rekrutierung kommen sollte. Die Vorbereitung der Feldarbeit endet normalerweise mit der Interviewerschulung. Diese wird für gewöhnlich vom Institut übernommen. Bei komplexen zu testenden Sachverhalten oder Produkten kann es aber durchaus Sinn machen, die betriebliche Marktforschung, unter Umständen sogar die beauftragenden Fachabteilungen, aufgrund ihrer größeren Detailkenntnisse in die Interviewerschulung einzubeziehen. Durch die Nachfragen der Interviewer kann es u. U. sogar zu einer Optimierung des Leitfadens bzw. Fragebogens kommen.
4.3.3 Feldarbeit Läuft die Feldarbeit rund? Wenn der Fragebogen final getestet, die Probanden gewonnen, eventuell Testmaterial bereitgestellt und die Interviewer geschult sind, kann die Studie ins Feld gehen. Gerade am Beginn größerer und wichtiger Feldarbeiten bieten Institute oftmals die Möglichkeit an, die ersten Interviews, Gruppendiskussionen oder Einzelexplorationen live zu verfolgen, um ggf. doch noch Änderungen im Fragebogen einbauen zu können. Diese Beobachtung der Feldarbeit „dominiert damit auf Auftraggeberseite die Beurteilung der wahrgenommenen Gesamtqualität“ (Holzhauer/Naderer 2011, S. 18). In jedem Fall sind die Probanden aus rechtlichen Gründen auf die Beobachtung hinzuweisen und um ihr Einverständnis zu bitten. Um ihren Kunden die direkte Kundenbeobachtung zu ermöglichen, ist es weitverbreitete Praxis, dazu nicht nur die betrieblichen Marktforscher, sondern auch deren interne Kunden einzuladen. Die Beobachtung der Probanden durch den Einwegspiegel ist für manchen Marketier eine der seltenen Gelegenheiten des Kundenkontaktes. Betriebliche Marktforscher sind gut beraten, auf diese Weise ihre internen Kunden mit ihrer und der Institute Arbeit vertraut zu machen. Der beobachtete Beginn (qualitativer) Feldarbeit bietet sich geradezu
4.4 Analyse | 145
für eine Optimierung des Interviewleitfadens an. Zum einen kann der Proband nach dem Interview gefragt werden, wie er es empfunden hat. Zum anderen können durch die direkte Interaktion mit den Interviewern Verbesserungen Ad-hoc umgesetzt werden. Gleichzeitig können ungeeignete oder falsch rekrutierte Probanden auf Veranlassung der betrieblichen Marktforschung ausgetauscht werden, vor allem, wenn überrekrutiert wurde. Zudem sollte die Möglichkeit genutzt werden, gegen Ende des Interviews den Interviewer kurz in den Beobachtungsraum zu bitten, um ihm eventuelle Nachfragen an den Probanden mitzugeben. Am Ende des Beobachtungs- oder Hospitationstages bietet sich eine Manöverkritik mit dem Studienleiter des Instituts sowie den Interviewern an, um bei Bedarf die weitere Feldarbeit zu optimieren. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Instituts, seine Kunden über den Fortgang der Feldarbeit regelmäßig auf dem Laufenden zu halten. Da es dabei aber immer wieder zu Versäumnissen kommt, sollte auch ein betrieblicher Marktforscher aktiv nach dem Stand der Feldarbeit und der Einhaltung des Zeitplans fragen. Eine kurze, aber informative Übersicht über die Aufgaben im Rahmen der Feldarbeit bieten Bernecker/Weihe (2011, S. 107–110). Je nach Aufgabenstellung, z. B. bei vertriebsorientierten Aufgabenstellungen, kann es Sinn machen, nicht nur Kunden, sondern auch Betroffene wie Außendienstler oder Servicetechniker in die Befragung einzubinden. Das kann beispielsweise über flankierende Experteninterviews geschehen. So ergibt sich die Möglichkeit, im Sinne einer 360-Grad-Umschau einen Sachverhalt, etwa unterplanmäßige Verkäufe, sowohl von Kunden- als auch von Mitarbeiterseite zu betrachten. Daneben lässt sich durch die Einbindung der betroffenen Kollegen auch ein tieferes Verständnis für die Kundenbedürfnisse und eine höhere Akzeptanz der Studienergebnisse erzielen.
4.4 Analyse 4.4.1 Datenerfassung und -analyse Wie sehen die Ergebnisse aus? Mit der Datenerfassung und -analyse hat die betriebliche Marktforschung, soweit sie nicht selbst die Feldarbeit übernommen hat, in der Regel wenig zu tun. Insofern sollen diese Themen an dieser Stelle nicht vertieft werden. Es kann aber sinnvoll sein, wenn sie im Nachgang zur Analyse auf Basis eines SPSS- oder ExcelDatensatzes Sonderauswertungen selbst durchführen möchte, mit dem Institut etwa über Codepläne oder Labelung des Datensatzes zu sprechen, um sich später die Arbeit zu erleichtern. Aus Gründen der Vollständigkeit sind aber vom Feldinstitut immer komplette Rohdatensätze und Codebücher als Dokumentation zur Verfügung zu stellen.
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4.4.2 Präsentation erstellen Wie werden die Ergebnisse dargestellt? Die Erstellung der Ergebnispräsentation wird, Feldarbeit durch ein Institut unterstellt, in aller Regel auch vom Institut übernommen, es sei denn, die Ergebnislieferung besteht nur aus Tabellen oder Tabellenbänden. Gleichwohl ist auch hierbei die Mitarbeit der betrieblichen Marktforschung gefordert. Sie bezieht sich vor allem darauf, Vorgaben für das Format und die grafische Gestaltung der Ergebnispräsentation zu machen. Unter Umständen muss sie dem Institut dazu grafische Elemente wie Firmenlogos oder spezielle Schriftfonds zur Verfügung stellen. Auf die Gestaltung, den Inhalt und den Aufbau einer Ergebnispräsentation wird in Kapitel 6 detailliert eingegangen.
4.5 Ergebnisse 4.5.1 Ergebnispräsentation In welchem Rahmen wird präsentiert? Wie unter ebenfalls in Kapitel 6 ausführlich erläutert, ist es die Aufgabe der betrieblichen Marktforschung, die Form und die Rahmenbedingungen der Ergebnispräsentation in Absprache mit dem Institut und den internen Kunden festzulegen. Insofern wird an dieser Stelle auf weitere Ausführungen verzichtet. Oftmals werden bereits vor der eigentlichen Ergebnispräsentation Ergebnisse benötigt. Um das Dilemma zwischen dem Informationsbedürfnis der internen Kunden und der für die Erstellung einer guten Präsentation notwendigen Zeit aufzulösen, bietet sich ein sogenannter Schulterblick an. Unter diesem Begriff, der, soweit uns bekannt, erstmals von dem Köln-Berliner Institut concept m geprägt wurde, versteht man die mündliche oder schriftliche Vorabpräsentation erster wichtiger Kernergebnisse. Die Vorteile eines solchen Schulterblicks, der während der laufenden Auswertung bzw. Präsentationserstellung stattfindet, ist die schnellere Information über Kernergebnisse, eine frühzeitige Rückmeldung der Informationsempfänger zur Qualität der späteren Präsentation sowie die Einflussnahme auf deren Gestaltung. Gefahren bestehen darin, dass die eigentliche Ergebnispräsentation kein großes Interesse mehr erzeugen kann und u. U. Ergebnisse verbreitet werden, die im weiteren Verlauf der Auswertung korrigiert, schlimmstenfalls sogar widerrufen werden müssen.
4.5 Ergebnisse | 147
4.5.2 Sonderauswertungen Darf es noch ein bisschen mehr sein? Aus der Ergebnispräsentation bzw. der Beschäftigung mit den Untersuchungsergebnissen kann sich Bedarf an Sonderauswertungen ergeben. Diese können vom Institut, aber bei Vorliegen eines Datensatzes durchaus auch von der betrieblichen Marktforschung durchgeführt werden. Wie die Ergebnisse der Studie zur Kundenzufriedenheit mit Instituten ergeben haben, bewerten nur 27 % der befragten betrieblichen Marktforscher die vom Institut abgeleiteten Handlungsempfehlungen positiv (vgl. marktforschung.de 2013, S. 22), was im Zweifelsfall durch Nacharbeit der betrieblichen Marktforschung gegenüber den internen Auftraggebern verbessert werden muss. Das gilt in ähnlichem Maße für die Visualisierung der Ergebnisse und die „Stories“ hinter den Zahlen (vgl. a. a. O., S. 27).
4.5.3 Nachschau Hat alles gepasst? Der Umfang und der Verlauf einer jeden Studie rechtfertigt nicht automatisch eine ausgiebige Nachschau oder ein Debriefing mit dem Institut. Ist alles gut gelaufen, genügt in der Regel ein kurzes Telefonat als Rückmeldung an das Institut. Anders sieht es aus, wenn es im Laufe der Studie zu Problemen gekommen ist. In einem nach Möglichkeit persönlichen Gespräch zwischen den Projektleitern bei Institut und Auftraggeber sollten diese Punkte, unabhängig davon, wer sie zu verantworten hat, angesprochen werden. Ziel des Gespräches sollte es sein, aus den Fehlern zu lernen, um zukünftige Studien besser durchführen zu können. Das empfiehlt sich insbesondere dann, wenn mit dem Lieferanten eine längerfristige Zusammenarbeit beabsichtigt ist (vgl. Back/Beuttler 2006, S. 270). Bei Fehlern des Studienleiters auf Seiten des Instituts kann es durchaus ratsam sein, auch die Geschäftsführung des betreffenden Dienstleisters zu involvieren, ohne jedoch den Studienleiter bloßzustellen. Die betriebliche Marktforschung soll offen ansprechen, was aus ihrer Sicht gut gelaufen ist, aber auch, was auf beiden Seiten verbesserungswürdig war. Dabei sollten verschiedene, im Folgenden aufgelistete Punkte behandelt werden (vgl. dazu auch Malhotra/Birks/Wills 2012, S. 920): – Helfen die vom Institut erhobenen Ergebnisse und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen dem Auftraggeber weiter? – Wie war die Qualität der Institutsarbeit? – Hat sich die eingesetzte Methodik bewährt? – Stimmte das Preis-Leistungs-Verhältnis? – Waren Nachkalkulationen notwendig? – Ist das Institut auf seine Kosten gekommen?
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– – – –
Wurde der Zeitplan eingehalten? Wie war die gegenseitige Informationspolitik? Haben sich Studienleitung und Institut insgesamt bewährt? Soll die Studie fortgesetzt werden?
Zum Teil bestehen zwischen Instituten und betrieblichen Marktforschungen jahre-, manchmal jahrzehntelange Geschäftsbeziehungen, die unter Umständen durch Rahmenverträge institutionalisiert sind. In solchen Fällen empfiehlt es sich, einmal im Jahr einen intensiven Austausch zu pflegen. Dabei soll auf die im zurückliegenden Jahr gemeinsam durchgeführten Studien ein Rückblick nach dem o. a. Muster geworfen werden. Die betriebliche Marktforschung sollte aber auch im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit und um dem Institut eine bessere Kapazitätsplanung zu ermöglichen, darauf eingehen, welche Studienschwerpunkte im neuen Jahr zu erwarten sind und wo es dabei Unterstützung durch das betreffende Institut sieht. Aus eigener Erfahrung wissen die Autoren, dass diese Gespräche nicht immer konfliktfrei verlaufen, gerade wenn es in ihnen um nicht gut umgesetzte Studien oder Friktionen auf der zwischenmenschlichen Ebene zwischen Projektleitern geht. Aufgrund der in aller Regel stärkeren Position der betrieblichen Marktforschung wird ein Institut gut beraten sein, auf die Rückmeldungen der Kunden einzugehen, kann es doch sonst Gefahr laufen, künftige Aufträge zu verlieren oder ganz aus dem Kreis der Lieferanten gestrichen zu werden. Gerade große Unternehmen mit entsprechenden Budgets können durch Rahmenverträge oder Rabattstaffeln deutlich optimierte Konditionen erzielen, wenn sie ihre Marktmacht in die Waagschale werfen. Unabhängig von solchen vertraglichen Regelungen empfiehlt es sich, mit seinen wichtigsten Dienstleistern regelmäßigen Austausch zu pflegen. Während man die Verhandlung von Konditionen dem darauf spezialisierten Einkauf überlassen sollte – nebenbei bemerkt schiebt man diesem dadurch die Rolle des „bad guy“ zu – ohne die eigene Beziehung zum Dienstleister über Gebühr zu belasten, steht im Mittelpunkt solcher regelmäßiger Treffen die Vorstellung neuer Methoden, der Rückblick auf gemeinsam durchgeführte Studien sowie der Ausblick auf anstehende Studien, die unter Umständen gemeinsam durchgeführt werden sollen. Um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Institut aufzubauen, kann es von Nutzen sein, Dyaden von betrieblichen und Institutsmarktforschern zu bilden. In jedem Falle sollte man auch gegenüber großen Instituten auf exklusiven Ansprechpartnern für das eigene Unternehmen bestehen, um die Kommunikation mit dem Institut zu fokussieren und zu beschleunigen.
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4.5.4 Rechnungslegung Ist die Rechnung korrekt? Ein unter betrieblichen Marktforschern wenig beliebter, aber unter kaufmännischen Gesichtspunkten unabdingbarer Arbeitsschritt ist die Rechnungslegung. Die Rechnung des Instituts ist auf sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen. Der zweite Punkt wird unter Umständen auch von der Buchhaltung übernommen, doch die Bestätigung der sachlichen Richtigkeit obliegt in jedem Falle dem jeweiligen Studienleiter. Dabei ist vor allem zu überprüfen, ob die Quantität und die Qualität der in Rechnung gestellten Leistungen der Realität entsprechen. Auch die Einhaltung von Terminen sollte in die Beurteilung einfließen, da dem eigenen Unternehmen durch vom Institut zu vertretende Verzögerungen unter Umständen ein finanzieller Schaden entstanden sein kann. Ist die Rechnung korrekt, kann sie freigezeichnet und bezahlt werden. Sollte das nicht der Fall sein, stehen Nachverhandlungen an. Ob diese durch die betriebliche Marktforschung selbst oder gerade in größeren Unternehmen von Einkauf oder Buchhaltung übernommen werden, wird durch die Geschäftsverteilungspläne der einzelnen Unternehmen geregelt. Bestehen zwischen Institut und betrieblicher Marktforschung Rahmenverträge, beinhalten diese teilweise Rabattstaffeln oder Umsatzrückvergütungen. Auf die Einhaltung dieser Konditionen ist im Rahmen der Rechnungslegung ebenfalls zu achten.
4.5.5 Ergebnisverwertung und weitere Projektbegleitung Wie geht es weiter? Auf die Verwertung der erhobenen Ergebnisse wie etwa die Verknüpfung mit anderen Studienergebnissen oder die Verarbeitung in Berichten für das Management wird in Kapitel 6 explizit eingegangen. Im Vorgriff darauf soll aber an dieser Stelle bereits kurz skizziert werden, wie eine der Ergebnispräsentation nachgelagerte Einbindung der betrieblichen Marktforschung aussehen kann. Das soll die u. E. selbsterklärende Abb. 4.7 nach Assael (1993, S. 219) verdeutlichen. Was die weitere in die Beratung hineinreichende Projektbegleitung durch die betriebliche Marktforschung nach der Ergebnispräsentation anbelangt, ist die Diskussion zwischen Befürwortern und Ablehnern noch immer nicht abgeschlossen. Laut Dössel (2013, S. 3) darf das Ziel einer Studie „nicht die Ergebnispräsentation selbst sein“. Für Dössel gehört eine weitere Begleitung der Auftraggeber durch die betriebliche Marktorschung zu deren Aufgaben. Ob sich ein betrieblicher Marktforscher aus dem sicheren Umfeld der Fakten, die die Marktforschung erzeugt, in das interpretative Geschäft der Beratung vorwagen darf, soll in Kapitel 7 eingehender diskutiert werden.
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Abb. 4.7: Beziehung zwischen Marktforschung und Marketing Management (Ottawa, Marco nach Assael 1993, S. 219)
Weiterführende Literatur Aaker, David A./Kumar, V./Day, George S. (2007): Marketing Research. 9. Aufl. Hoboken NJ: Wiley. Bradley, Nigel (2010): marketing research. 2. Aufl. Oxford: Oxford University Press. Burns, Alvin C./Bush, Ronald F./Sinha, Nilanjana (2014): Marketing Research. International Edition. Boston u. a.: Pearson. Evensen, Richard (2012): Five Stages To Optimize The Research Process. Forrester. Hague, Paul/Hague, Nick/Morgan, Carol-Ann (2013): Market Research in Practice – How to get greater insight from your market. 2. Aufl. London, Philadelphia: Kogan Page. (insb. zu Briefing und Angebot) Kastin, Klaus S. (2008): Marktforschung mit einfachen Mitteln. 3. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. Kuß, Alfred (2006): Marketing-Einführung. 3. Aufl. Wiesbaden: Gabler. Malhotra, Naresh K. (2014): Basic Marketing Research. 4. Aufl. Harlow: Pearson. Malhotra, Naresh K./Birks, David F./Wills, Peter (2012): Marketing Research. An Applied Approach. 4. Aufl. Harlow u. a.: Pearson.
5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung 5.1 Mitarbeiterbefragungen Die Besonderheit von Mitarbeiterbefragungen besteht darin, dass sie sich nicht mit Kunden oder Marktteilnehmern beschäftigen, sondern ihr Augenmerk auf die Mitarbeiter des eigenen Unternehmens richten. Dabei sind zwei Rollen zu unterscheiden, in denen die Mitarbeiter befragt werden können. Die Erste und vermutlich auch verbreiteste ist die des Mitarbeiters als Arbeitnehmer des befragenden Unternehmens. Scholz/Müller/Eichorn (2012, S. 5) definieren die Mitarbeiterbefragung vor dem Hintergrund dieser Rolle wie folgt: Unter einer Mitarbeiterbefragung versteht man ein Verfahren der Unternehmensanalyse, mit dem Ansichten, Einstellungen und Wünsche der Mitarbeiter im Unternehmen erhoben werden.
smr (2013, S. 6) ergänzt diese vorstehende Definition in ihrer Definition um den Aspekt der direkten, durch keinen Dienstweg regulierten Rückmeldung: Eine Mitarbeiterbefragung ermöglicht dem Arbeitnehmer, sich ohne Einhaltung des Dienstweges an die Geschäftsleitung zu wenden. (smr 2013, S. 6)
Die zweite Rolle, in der Mitarbeiter befragt werden können, ist die des Nutzers unternehmenseigener Produkte. Letztere Variante dürfte sich allerdings in der Investitions- oder Luxusgüterindustrie als nur selten durchführbar erweisen. Des Weiteren unterscheidet sich Mitarbeiterbefragung durch andere Beteiligte an der Studie von klassischer Marktforschung. Die Probanden sind nicht Kunden oder „Bevölkerung“, sondern Mitarbeiter des forschenden Unternehmens. Das bringt automatisch Betriebs- oder Personalräte als Interessenvertreter der Befragten ins Spiel. Die in der Praxis vielfach unterstellte Kausalität zwischen zufriedenen Mitarbeitern und zufriedenen Kunden lässt es sinnvoll erscheinen, den Mitarbeitern, die oftmals das Gesicht des Unternehmens gegenüber den Kunden sind, auch marktforscherisch verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen (vgl. Bruhn/Grund 2000, S. 935–937 und Frey 2013). Für den betrieblichen Marktforscher ergibt sich bei Mitarbeiterbefragungen insofern eine besondere Situation, als die Probanden nicht einfach anonyme (potenzielle) Kunden sind, sondern Kollegen, die sie u. U. täglich sehen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, dass die betrieblichen Marktforscher in ihrem Berufsalltag von ihren Probanden direkt auf die Befragung angesprochen werden können (vgl. Hellwig/Schirmeisen 2015, S. 12).
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Die Anlässe und Ziele von Mitarbeiterbefragungen sind vielfältig (vgl. dazu auch Borg 2003, S. 25–30, Damsch/Ladwig 2013, S. 11–15, Görtler/Rosenkranz 2006, S. 12, Hossiep/Frieg 2008, S. 56 f., Klarenberg/Geissler 2014, S. 355 und Nachbagauer 2007, S. 169). Die folgende Aufzählung führt einige besonders häufige an: – Mitarbeiter in der Rolle des Arbeitnehmers – Erhebung eines allgemeinen Stimmungsbildes der Belegschaft – Optimierung interner Prozesse – Begleitung von Veränderungsprozessen – Rückmeldung auf Veranstaltungen – Bewertung von IT-Systemen – Beurteilung von Mitarbeiterkonditionen – Bewertung von Führungskräften – Bekanntheit und Beurteilung der eigenen Strategie – Motivation der Mitarbeiter – Diagnose von Problemen – Internes und externes Benchmarking – Nutzung des kreativen Potenzials der Mitarbeiter (Ideenmanagement) – Gesundheitsförderung und Arbeitssicherheit – Arbeitsbedingungen – Bindung an das Unternehmen – Vergütung – Kultur und Werte – Spiegelung der Ergebnisse von Kundenbefragungen an den Erfahrungen der Mitarbeiter – Mitarbeiter als Nutzer von Produkten des eigenen Unternehmens – Preiswerte Forschung zu von den Mitarbeitern genutzten Produkten aus dem eigenen Haus – Beta-Tests neuer Produkte – Nutzung des kreativen Potenzials der Mitarbeiter (Ideenmanagement) Unabhängig davon, um welche Art von Mitarbeiterbefragung es sich im Einzelfall handelt, sind in jedem Fall die Prinzipien Anonymität, Freiwilligkeit der Teilnahme und Transparenz einzuhalten (vgl. Scholz/Müller/Eichhorn 2012, S. 72–74). Bei Befragungen zu internen Dienstleistern ist zu beachten, dass diese wie Buchhaltung, Personal oder auch betriebliche Marktforschung oftmals eine „Monopolstellung“ (YouGov 2015) im Unternehmen innehaben. Das verbietet nach Ansicht der Autoren die sonst in Zufriedenheitsbefragungen ebenso beliebte wie sinnvolle Frage zur Weiterempfehlungsbereitschaft. Auch können die Vorstellungen zu Güte und Umfang der Dienstleistungen hinsichtlich der Erwartungen der Mitarbeiter und dem, was die Geschäftsleitung aus Kostengründen für machbar hält, deutlich divergieren (vgl. a. a. O.).
5.1 Mitarbeiterbefragungen | 153
Laut Klarenberg/Geissler (2014, S. 347 f.) führen 53 % der deutschen Unternehmen an, bereits eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt zu haben. In 87 % der Fälle wurden die Mitarbeiter über die Befragungsergebnisse informiert. Konkrete Maßnahmen für den eigenen Arbeitsbereich wurden allerdings nur zu 53 % abgeleitet. In 46 % der Fälle hat die Mitarbeiterbefragung zu positiven Veränderungen im Unternehmen geführt. Nach einer Umfrage unter deutschen Unternehmen erfolgen allgemeine Mitarbeiterbefragungen etwa alle zwei Jahre, werden vorwiegend von Personalabteilung (56 %) oder Geschäftsführung (49 %) initiiert und zu 2/3 durch externe Dienstleister unterstützt. Bevorzugte Erhebungsformen sind schriftlich postalisch (63 %) und online (51 %) (vgl. Heidel/Beckmann/Jahn 2010, S. 53). Unabhängig davon, wie die Mitarbeiterbefragung im Einzelfall ausgestaltet wird, steht sie oftmals im Spannungsfeld der zum Teil divergierenden Interessen von Unternehmensleitung und Mitarbeitern (vgl. Görtler/Rosenkranz 2006, S. 8). Diese Interessen sind bei der Durchführung einer Mitarbeiterbefragung nach Möglichkeit auszugleichen. Dazu gehört auch, die Mitarbeiterbefragung tunlichst nicht in Urlaubszeiten (vgl. Thielsch/Weltzin 2013, S. 82) und Zeiten mit Arbeitsspitzen, etwa bei vertriebsorientierten Unternehmen in die Vorweihnachtszeit, zu legen, um eine möglichst hohe Akzeptanz bei den Mitarbeitern und Führungskräften sowie eine gute Rücklaufquote zu erzielen (vgl. Theobald 2014, S. 163). Ebenso ist es ratsam, Mitarbeiterbefragungen nicht in Phasen instabiler Organisationsstrukturen durchzuführen (vgl. Scholz/Müller/Eichhorn 2012, S. 86 f.). Die Abbildung der Organisation für spätere detaillierte Ergebnisberichte ist gerade in Großunternehmen eine der schwierigsten und zeitraubendsten Aufgaben bei der Planung einer Mitarbeiterbefragung (vgl. a. a. O., S. 83 f.). Die Teilnahmebereitschaft an Mitarbeiterbefragungen ist im Allgemeinen sehr hoch. Auf die Motivation, an ihnen teilzunehmen, gehen, wenn auch nicht explizit auf Mitarbeiterbefragungen bezogen, Hess und Schröder (vgl. 2014) ein. Um auch eine dieser Bereitschaft entsprechende Rücklaufquote zu erzielen, ist es ratsam, einige Punkte zu beachten. Sollten nicht alle zu befragenden Mitarbeiter über einen Onlinezugang verfügen, ist ihnen etwa durch eine Art internes Internetcafé die Teilnahme an der Befragung zu ermöglichen (vgl. Theobald 2014, S. 168–170). Auch auf die Belange von im Außen- oder Schichtdienst arbeitenden Mitarbeitern ist Rücksicht zu nehmen. Das gilt gleichermaßen für behinderte Mitarbeiter und eine möglichst hohe Barrierefreiheit von Mitarbeiterbefragungen (vgl. a. a. O., S. 83 und Scholz/Müller/Eichhorn 2012, S. 82). Weiterhin sollte man, sofern nicht alle Mitarbeiter über einen Onlinezugang verfügen, ihnen die Möglichkeit einräumen, an der Befragung auch mittels Papierfragebogen teilzunehmen (vgl. Theobald 2014, S. 174–176 und 220 f.). Ein weiterer im Vorfeld einer Mitarbeiterbefragung zu berücksichtigender Punkt ist die potenzielle Mehrsprachigkeit der Befragung. Je höher das Bildungsniveau der Probanden ist, desto eher kann sich die Sprachauswahl auf Deutsch und Englisch bzw. die zweite im Unternehmen gängige Sprache beschränken. Da das befragende Unternehmen ja
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letztlich etwas von seinen Mitarbeitern möchte, kann es aus Gründen der Wertschätzung, zur Erhöhung der Rücklaufquote und zum besseren Verständnis der Fragen sinnvoll sein, auch weitere im Unternehmen vertretene Sprachen anzubieten. Wichtig ist es in jedem Falle, die Mitarbeiter zu der Befragung zu motivieren. Um das zu erreichen, sollten die folgenden Punkte im Vorfeld der Befragung für die Mitarbeiter transparent sein (vgl. auch Theobald 2014, S. 156 und Welker/Werner/Scholz 2005, S. 177): – Hintergrund, Ziel und Ablauf der Befragung – Vorteile, die der Mitarbeiter aus der Befragung und der Teilnahme an ihr hat – Zeitlicher Aufwand des Mitarbeiters für die Teilnahme an der Befragung – Sicherstellung von Freiwilligkeit und Anonymität, z. B. durch Verzicht auf die Erhebung von Geschlecht, Alter und Funktion, um auszuschließen, dass kritischen Mitarbeitern ex post aus ihren Äußerungen Nachteile entstehen – Auswertungstiefe – Publikation der Befragungsergebnisse – Publikation von Handlungsableitungen aus der Befragung – Beauftragende und durchführende Stelle Daneben empfiehlt es sich auch, die Führungskräfte des Unternehmens von der Wichtigkeit der Mitarbeiterbefragung zu überzeugen. Ihre Bedeutung als Multiplikatoren und Motivatoren ist sowohl im positiven wie auch im negativen Sinn nicht zu unterschätzen (vgl. Theobald 2014, S. 160). Ein durchaus probates Mittel, Mitarbeiter zur Teilnahme an Befragungen zu motivieren, können außerdem Gewinnspiele sein (vgl. Görtler/Rosenkranz 2006, S. 84). Diese sollten jedoch angemessen sein, um zu verhindern, dass die Teilnahme oder gar vermeintlich erwünschte Antworten erkauft werden (vgl. Theobald 2014, S. 265–271). Grundprämisse jeder erfolgreichen Mitarbeiterbefragung ist ihre Ernsthaftigkeit. Sie darf nicht nur eine Alibi- oder „Wellness“- (Nachbagauer, S. 174) Befragung sein, die Aktionismus vortäuscht, aber in Wirklichkeit nicht ernsthaft an der Meinung der Mitarbeiter interessiert ist. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass die angestrebte Kausalitätskette: → Gefühl, ernst genommen zu werden → Höhere Mitarbeiterzufriedenheit → Leistungssteigerung → Höhere Kundenzufriedenheit von Anfang an nicht wirken kann (vgl. Nolli 2003, S. 328). Daneben sollen durch die Fragebogeninhalte keine unerfüllbaren Erwartungen an das befragende Unternehmen geweckt werden (vgl. Klarenberg/Geissler 2014, S. 354). Die Ernsthaftigkeit einer Mitarbeiterbefragung wird aber vor allem dadurch manifest, dass ihre Ergebnisse veröffentlicht und aus den Ergebnissen Maßnahmen abgeleitet werden.
5.1 Mitarbeiterbefragungen | 155
Ein weiterer Aspekt im Vorfeld von Mitarbeiterbefragungen ist deren Dosierung. Mitarbeiterbefragungen kosten nicht nur Geld für Institut, betriebliche Marktforschung etc., sondern gerade in großen Unternehmen auch viel Arbeitszeit zu deren Beantwortung. Die Autoren haben es wiederholt erlebt, dass gerade die Leiter größerer Vertriebseinheiten im Hinblick auf die zum Verkaufen wegfallende Arbeitszeit massiv gegen Mitarbeiterbefragungen opponiert haben. Aus diesem Grund sollte nicht für jede Kleinigkeit eine Mitarbeiterbefragung aufgesetzt, sondern dieses Medium fokussiert eingesetzt werden. So kann auch der Befragungsmüdigkeit unter der Belegschaft entgegengewirkt werden. In diesem Zusammenhang sollten auch parallele Befragungen in dieselbe Zielgruppe vermieden werden. Um das zu gewährleisten, bietet sich ein an einer zentralen Stelle (Marktforschung, Sozialpartner, Personalabteilung) geführter Befragungskalender an, in den sämtliche Mitarbeiterbefragungen eingetragen werden. Er kann beispielsweise in internen Social Media gepflegt werden. Diese Stelle kann dann auch Entscheidungen darüber treffen, inwieweit überschneidende Befragungen integriert werden können oder unter Umständen sogar darüber, ob eine geplante Befragung tatsächlich sinnvoll ist. Ein weiterer Vorteil dieser zentralen Organisation besteht darin, dass uneinheitliche Designs, Skalierungen und Fragetypen vermieden werden können. Heidel/Beckmann/Jahn (2010, S. 55), führen darüber hinaus weitere Punkte zur Effizienzsteigerung einer Mitarbeiterbefragung an: – – –
Intensivere und umfassendere Einbindung des Managements der operativen Abteilungen in die Maßnahmenentwicklung Einbindung der Mitarbeiter in die Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen und Konsequentere Einbindung von Human Ressource Management (HRM) und Customer Relationship Management (CRM).
Im Vorfeld einer Mitarbeiterbefragung ist die Einbindung des Sozialpartners (Betriebs-, Personalrat, Sprecherausschuss der leitenden Angestellten oder vergleichbare Arbeitnehmervertretungen) unerlässlich (vgl. Theobald 2014, S. 155 f.). Ein grundsätzliches Mitbestimmungsrecht ergibt sich, vor allem für jegliche Form von IT-gestützten Befragungsmethoden, aus § 87 (1) Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Demnach hat der Betriebsrat bei der „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“, mitzubestimmen. Daneben können sich aus Betriebsvereinbarungen, etwa über Grundsatzregelungen von Mitarbeiterbefragungen oder den Einsatz bestimmter Onlinebefragungssoftwares, Mitbestimmungsrechte des Sozialpartners ergeben. Bei großen, regelmäßig durchzuführenden Mitarbeiterbefragungen kann es, um die Prozesse gegenüber dem Sozialpartner zu vereinfachen und die Akzeptanz der Studie bei der Belegschaft zu erhöhen, sinnvoll sein, diesbezügliche Betriebsvereinbarungen abzuschließen (vgl. Welker/Werner/ Scholz 2005, S. 179). In jedem Fall ist es ratsam, den Sozialpartner rechtzeitig einzubinden. Bei zu kurzfristiger Information über anstehende Mitarbeiterbefragungen kann es ansonsten geschehen, dass der überraschte Sozialpartner aus Unsicherheit,
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Misstrauen hinsichtlich der Intentionen der Marktforschung oder weil die Zeit für Rückfragen fehlt, Befragungen ablehnt. Die Autoren haben gute Erfahrungen damit gemacht, den Sozialpartner gerade in große Befragungen frühzeitig und eng einzubinden. Das beinhaltet beispielsweise die Gestaltung des Fragebogens, aber auch die Möglichkeit, als Hospitant im Studio eine qualitative Feldarbeit zu begleiten. Dadurch ergibt sich ein direktes Verständnis des Sozialpartners für die Belange der von ihm vertretenen Mitarbeiter und im Idealfall im Nachgang zur Studie seine Unterstützung bei der Umsetzung von aus ihr abgeleiteten Maßnahmen. Wichtig, zum Teil auch obligatorisch, ist die Einbindung des betrieblichen Datenschutzes im Vorfeld von Mitarbeiterbefragungen. Hierbei geht es besonders um die folgenden Punkte: – Zu erhebende Daten – Vermeidung von Rückschlüssen auf konkrete Personen (Anonymität) – Mindestauswertegrenzen je Zelle – Vermeidung von Verhaltens- und Leistungskontrolle Die Anonymität bezieht sich auch auf Führungskräfte von zu beurteilenden Bereichen, insbesondere wenn Auswertungen bis auf Teamebene, deren Leiter in aller Regel noch in den Schutzbereich des BetrVG fallen, vorgenommen werden (vgl. Borg 2003, S. 76 f.). Generell gilt, dass die Datenschutzproblematik umso geringer ist, je weniger personenbezogene Fragen verwendet werden. Während z. B. bei der Bewertung von Führungskräften Daten über den beruflichen Status abgefragt bzw. bei der Befragung berücksichtigt werden müssen, gehen viele Unternehmen dazu über, in die Befragungen nur noch Gender und Altersstufen als demografische Variablen zu integrieren. Hierdurch wird den Befragten gegenüber glaubwürdig zum Ausdruck gebracht, dass die Anonymität der Befragung gewährleistet ist. Als praktikabel hat sich im Umgang mit Sozialpartner und Datenschutz die Verwendung einer standardisierten Checkliste zur Vorbereitung von Mitarbeiterbefragungen erwiesen. Folgende Punkte sollte eine solche Checkliste enthalten (vgl. auch Görtler/Rosenkranz 2006, S. 23 und Klarenberg/Geissler 2014, S. 352). Anonymität und Datenschutz werden ausführlich bei Borg (2003, S. 72–77) behandelt. – Name der Studie – Zielsetzung/Erwartungen – Auftraggeber der Befragung – Durchführende Stelle der Befragung – Befragte Bereiche – Anzahl der Teilnehmer, Größe des Teilnehmerkreises – Wurde die Teilnehmerstruktur am Fragebogen gespiegelt, so dass aufgrund der Antworten kein Rückschluss auf den Teilnehmer möglich ist?
5.1 Mitarbeiterbefragungen | 157
– – – – – – – – – –
Auswertungskonzept: Art, Tiefe, Interpretation, ggf. Zwischenauswertungen etc. Welche Beschäftigten werden befragt? Werden die Befragungsergebnisse publiziert? Auswertende Stelle Findet die Befragung in der Arbeits- oder Freizeit der Mitarbeiter statt? Barrierefreiheit der Befragung Adressquelle (Fachabteilung, Personalabteilung, zentraler Verteiler, Selbstrekrutierung, z. B. über Newsletter oder Pop-up im Intranet) Zeitplan/Feldzeit Datenlöschung: Ist gewährleistet, dass die Daten des Teilnehmerkreises zeitnah nach Beendigung der Befragung gelöscht werden? Fragebogen/Link zum Fragebogen
Auch wenn die Sozialpartner die Mitarbeiter, außer den leitenden Angestellten, gegenüber dem Arbeitgeber vertreten, empfiehlt sich, um Werbung für die Befragung zu machen und Vertrauen zu erzeugen, die direkte Vorabinformation der zu befragenden Mitarbeiter. Das kann beispielsweise durch eine E-Mail oder einen Artikel im Intranet geschehen. Bewährt hat sich eine von Marktforschung und beauftragender Führungskraft gemeinsam unterschriebene Information (vgl. Bedenk et al. 2004, S. 4). Ein besonders wichtiger Punkt bei Mitarbeiterbefragungen ist die Frage der Stichprobengestaltung. Der forschungsökonomische Grundsatz der Datensparsamkeit gilt hier nur eingeschränkt, denn gerade bei kritischen innerbetrieblichen Themen kann grundsätzlich jeder Mitarbeiter etwas zum Thema beitragen. Für die Ziehung einer Stichprobe bei Mitarbeiterbefragungen sprechen die folgenden Argumente: – Geringere Kosten für Institute – Geringerer Zeitaufwand bei der Auswertung, v. a. bei offenen Antworten – Geringere Ausfallkosten für das Unternehmen durch Minimierung der reinen Befragungszeit Für eine Vollerhebung sprechen hingegen die folgenden Punkte: – Alle Mitarbeiter werden gehört → höhere Akzeptanz → Gefühl der Objektivität und Gleichbehandlung – Kein Gefühl der proaktiven Selektion „erwünschter“ bzw. „missliebiger“ Mitarbeiter – Feinere Auswertbarkeit durch absolut höheren Rücklauf – Keine, wenn auch nur vermeintliche, Benachteiligung einzelner Mitarbeiter Die Entscheidung für Stichprobe oder Vollerhebung muss im Einzelfall getroffen werden. Generell empfiehlt es sich jedoch, um alle Mitarbeiter abzuholen und wert-
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schätzend einzubeziehen, trotz des höheren Aufwands eine Vollerhebung durchzuführen (wobei sich der Mehraufwand bei Verwendung einer Onlinebefragung in einem überschaubaren Rahmen hält). Das handhaben 87 % der von Hossiep/Frieg (2008, S. 56), befragten deutschsprachigen Unternehmen so (vgl. zur Frage der Volloder Teilerhebung auch Borg 2003, S. 77–80). Wie bei jeder guten Marktforschung ist insbesondere bei Mitarbeiterbefragungen auf die Barrierefreiheit, etwa durch die Ausgabe von Fragebögen in Brailleschrift, zu achten. Neben höherem Rücklauf ist das ein Ausdruck der Wertschätzung der zu befragenden Mitarbeiter (vgl. Bedenk et al. 2004, S. 4). Der Rücklauf bei Mitarbeiterbefragungen schwankt nach den Erfahrungen stark. Im Mittel rechnet man über alle Befragungsthemen mit einem Rücklauf an vollständig ausgefüllten Fragebögen von einem Drittel. Er kann davon im Einzelfall jedoch erheblich abweichen (vgl. Theobald 2014, S. 276). Neben den von Theobald (vgl. a. a. O., S. 257–265) angeführten Faktoren lässt sich pauschal sagen, dass der Rücklauf bei klassischen Mitarbeiterbefragungen zur Lage der Mitarbeiter im Unternehmen und Themen, zu denen sich die Mitarbeiter auffallend kritisch äußern, besonders hoch ist. Gefördert werden kann der Rücklauf u. a. durch den Verzicht auf die Erhebung unnötiger soziodemografischer Merkmale (vgl. Klarenberg/Geissler 2014, S. 351). Eine derartige Reduktion ist jedoch bei Führungskräftebewertungen nicht möglich. Hier können aber z. B. organisatorische Merkmale über den Zugangs-Link hinterlegt werden (vgl. a. a. O., S. 353). Zur Motivation der Mitarbeiter, und um ihnen die Sicherheit zu geben, an einer seriösen Befragung teilzunehmen, sollte die Einladung zu einer Mitarbeiterbefragung zwingend die folgenden Punkte enthalten (Bedenk et al. 2004, S. 5, vgl. dazu auch Thielsch/Weltzin 2013, S. 84 f.): – Ziel der Befragung und Auftraggeber – Länge des Fragebogens/ungefähre Bearbeitungszeit – Freiwilligkeit der Teilnahme – Anonymität während der gesamten Untersuchung und deren Gewährleistung – Befragungszeitraum (Deadline) – Zeitraum und Art der Rückmeldung der Ergebnisse – Kontaktdaten für Rückfragen und Unterstützung (z. B. bei technischen Problemen) Daneben werden große übergreifende Mitarbeiterbefragungen oftmals auch von zum Teil umfangreichen Kommunikationsmaßnahmen begleitet (vgl. Domsch/Ladwig 2013, S. 23). Hinsichtlich der Kontaktadresse für Rückfragen bieten sich im gängigen Fall der Onlinebefragung vier Alternativen an. 1. Fachabteilung, die befragen lässt – Abfrage nur über die Fachabteilung – Abfrage auch über die betriebliche Marktforschung
5.1 Mitarbeiterbefragungen | 159
2.
Exklusives Mail-Postfach in der betrieblichen Marktforschung für die jeweilige Befragung 3. Allgemeines Mail-Postfach in der betrieblichen Marktforschung für alle Onlinebefragungen 4. Persönliches Mail-Postfach des jeweiligen betrieblichen Marktforschers Für einen Rücklauf in die Fachabteilung spricht die größere inhaltliche Nähe zu dem Inhalt der Mitarbeiterbefragung. Die Autoren haben allerdings gute Erfahrungen damit gemacht, auch der betrieblichen Marktforschung Zugriff auf solche Postfächer einzurichten. So kann sie in Ergänzung der beauftragenden Fachabteilung direkt eher methodisch oder technisch gelagerte Fragen beantworten, womit die Anfragen der Probanden in aller Regel inhaltlich und zeitlich optimal beantwortet werden können. Ein Rücklauf rein in die Marktforschung hat den Vorteil, dass kritische Fragen aus dem Kreis der Probanden neutral von den betrieblichen Marktforschern beantwortet werden können. Für ein für alle betrieblichen Marktforscher zugängliches Mail-Postfach spricht die Abfrage im Vertretungsfall, wenn der Studienleiter etwa erkrankt oder im Urlaub ist. Gleichzeitig verführt es aber auch dazu, die Verantwortung für die Beantwortung von Fragen anderen Marktforschern zu überlassen, so dass Fragen der Probanden nur verspätet oder gar nicht beantwortet werden. Insofern kann es zielführender sein, die Rückmeldungen in das jeweilige persönliche Mail-Postfach der einzelnen betrieblichen Marktforscher laufen zu lassen. Wie die Anonymität der Mitarbeiter sichergestellt werden kann, führt Theobald (2014, S. 251–255) anschaulich aus. Er geht auch darauf ein, wie mit Erinnerungs-Mails (Remindern) umgegangen werden soll (vgl. a. a. O., S. 256 f.). Um erst gar nicht den Eindruck einer möglichen Verhaltenskontrolle im Sinne von: „Wer hat schon an der Mitarbeiterbefragung teilgenommen?“, aufkommen zu lassen, empfiehlt es sich, Erinnerungs-Mails grundsätzlich an alle Probanden zu versenden. Greif/Batinic (2007, S. 175 f.) weisen, in diesem Fall allgemein auf Onlinebefragungen bezogen, darauf hin, dass bezüglich der Rücklaufquote eine signifikante Steigerung zu erwarten ist, wenn das Einladungsschreiben kurz gehalten und der Absender weiblich ist. Ein weiteres kritisches Moment im Zusammenhang mit Mitarbeiterbefragungen ist die Auswertung einer solchen Befragung. Hier bieten sich grundsätzlich die beauftragende Fachabteilung, die betriebliche Marktforschung und Institute an. Die Abb. 5.1 verdeutlicht die Vor- und Nachteile der einzelnen Varianten.
160 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
Auswerter
Pro
Institut
-
Neutral Fachkundig Schnell
-
Kosten Briefing-Aufwand Daten außer Haus
Marktforschung
-
Weitgehend neutral Fachkundig Direkte Kommunikation
-
Aufwand Stallgeruch
-
Kein Aufwand
-
Nicht neutral Nicht fachkundig
Fachabteilung
Contra
Abb. 5.1: Vor- und Nachteile verschiedener Auswerter von Mitarbeiterbefragungen (Ottawa, Marco)
Die Auswertung durch die beauftragende Fachabteilung, der beispielsweise nach dem Feldende ein Ergebnisdatensatz in Form einer Excel-Tabelle zur Verfügung gestellt wird, verbietet sich nach Meinung der Autoren. In aller Regel beherrschen diese Abteilungen nicht das Handwerkszeug der Marktforschung. Schwerer wiegt aber noch die mangelnde Neutralität. So besteht die Gefahr, dass durch geschickte Kreuzauswertungen oder die Namensnennung in offenen Antworten doch auf konkrete Personen und ihre Meinung Rückschlüsse gezogen werden können. Daneben besteht Gefahr, für die eigene Abteilung unliebsame Ergebnisse zu schönen oder ganz zu unterdrücken. Die Entscheidung für die betriebliche Marktforschung oder ein Institut hängt entscheidend von zwei Faktoren ab. Der erste ist schlichtweg pekuniärer Natur, nämlich ob Budget für eine Auswertung durch ein Institut vorhanden ist. Nach Ansicht der Autoren ist es, von besonders kritischen oder ggf. auch komplexen Befragungsthemen abgesehen, ausreichend, die Auswertung durch die betriebliche Marktforschung durchführen zu lassen. Bedingung dafür ist neben der fachlichen Kompetenz ihre hinreichend neutrale Stellung im Unternehmen, um von allen Beteiligten akzeptierte Befragungsergebnisse zu liefern. Unabhängig von den auswertenden Institutionen muss die Auswertung auf (Kreuz)auswertungen verzichten, die Rückschlüsse auf bestimmte Personen zulassen. Das könnte z. B. der Fall sein, wenn es im ganzen Unternehmen nur eine einzige Führungskraft gibt, die in Teilzeit arbeitet und die Befragungsergebnisse nach den Merkmalen Führungsverantwortung i. V. m. Arbeitszeit ausgewertet werden sollen. NEON empfiehlt deshalb eine Auswerteschwelle von mindestens acht Probanden (vgl. Bedenk et al. 2004, S. 9). In der Praxis sind den Autoren auch Grenzen von zehn, aber auch nur von fünf (vgl. Klarenberg/Geissler 2014, S. 351) Probanden bekannt. Ein Minimum von fünf Probanden empfiehlt auch Theobald (2014, S. 167). Die statistische Aussagekraft dieser auf minimalen Fallzahlen beruhenden Auswertungen darf angezweifelt werden. Sollte der Auftraggeber einer Mitarbeiterbefragung auf ihnen bestehen, empfiehlt es sich, auf diesen Sachverhalt in der Präsentation deutlich hinzuweisen. Hinsichtlich der lobenden oder kritisierenden Nennung konkreter Personen in offenen Antworten sei an dieser Stelle ein Hinweis
5.1 Mitarbeiterbefragungen | 161
erlaubt. Im Vorfeld der Befragung sollte der Fragebogen an jeder offenen Frage mit dem Hinweis, auf Namensnennung zu verzichten, versehen werden. Sollten Probanden diese Bitte übergangen haben, sind die Namen vor der Auswertung aus dem Datensatz zu löschen, was gerade bei größeren Befragungen mit einem nicht unbeträchtlichen Aufwand verbunden sein kann, der nicht unterschätzt werden sollte Generell gibt es kein „richtig“ oder „falsch“ bei der Entscheidung für die betriebliche Marktforschung oder einen externen Partner, wobei der Kompetenzgewinn durch Einbeziehen der betrieblichen Marktforschung und die höhere Glaubwürdigkeit, die mit der Einbindung eines externen Partners verbunden ist, in einer gegenläufigen Beziehung zueinander stehen. Relevant für die Entscheidung für die betriebliche Marktforschung oder einen externen Partner ist sicherlich aber auch die bis dato gelebte Unternehmenskultur. Ein weiterer wichtiger Punkt im Zusammenhang mit Mitarbeiterbefragungen ist die Ergebnispräsentation. Es gibt vier Personengruppen, die als Empfänger in Frage kommen (vgl. Lachmann 1997, S. 30 ff.), nämlich: – Beauftragende Fachabteilung – Management – Befragte Mitarbeiter – Sozialpartner Neben der selbstverständlichen Information von beauftragender Fachabteilung und Management kommt der Information der beiden letztgenannten Gruppen eine besondere Bedeutung zu. Die befragten Mitarbeiter empfinden es als Belohnung und haben das Gefühl eingebunden zu sein und ernst genommen zu werden, wenn auch sie die Befragungsergebnisse erhalten (vgl. Theobald 2014, S. 162 f.). Darüber hinaus kann diese Rückmeldung Befragungsmüdigkeit bei zukünftigen Befragungen entgegenwirken. Auch dem Sozialpartner wird durch eine Präsentation der Umfrageergebnisse das Gefühl der Wertschätzung und Einbindung vermittelt. Daneben gibt es in manchen Unternehmen sogar betriebliche Regelungen zur Präsentation von Befragungsergebnissen, die die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Sozialpartner institutionalisieren (vgl. Görtler/Rosenkranz, S. 85–87 und zur Information über die Ergebnisse von Mitarbeiterbefragungen Borg 2003, S. 393–401). Besonders glaubwürdig wird eine Mitarbeiterbefragung vor allem dann, wenn aus ihr erkennbar Maßnahmen abgeleitet und durch interne Kommunikation begleitet werden. Neben der klassischen Folienpräsentation bieten sich bei Mitarbeiterbefragungen Ergebnispublikationen im Intranet, über unternehmensinterne Social Media oder über Newsletter an. Eine umfangreiche Vorstellung möglicher Publikationswege führen Scholz/Müller/Eichhorn (2012, S. 110–113) an.
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Weiterführende Literatur Borg, Ingwer (2003): Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung. Theorien, Tools und Praxiserfahrungen, 3. Aufl. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe. Borg, Ingwer (2014): Mitarbeiterbefragungen in der Praxis. Göttingen: Hogrefe. Domsch, Michael/Ladwig, Désirée (2013): Handbuch Mitarbeiterbefragung, 3. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer Gabler. Görtler, Edmund/Rosenkranz, Doris (2006): Mitarbeiter- und Kundenbefragungen. München, Wien: Carl Hanser. Nachbagauer, Andreas (2007): Mitarbeiterbefragungen. In: VMÖ (Hrsg.): Handbuch der Marktforschung. Wien: facultas.wuv, S. 168–175. Nolli, Enzo (2003): Die Online-Befragung bei Mitarbeitern und internen Kunden – Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis. In: Theobald, Axel,/Dreyer, Marcus/Starsetzki, Thomas (Hrsg.): OnlineMarktforschung. Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen. 2. Aufl. Wiesbaden: Gabler, S. 327–340. Scholz, Christian/Müller, Stefanie/Eichhorn, Felix (Hrsg.) (2012): Mitarbeiterbefragung. Aktuelle Trends und hilfreiche Tipps. München, Mering: Rainer Hampp Verlag. Theobald, Axel (2014): Handbuch Online-Marktforschung. Ein Leitfaden für die Praxis. Norderstedt: BOD – Books on Demand. Thielsch, Meinald T./Weltzin, Simone (2009): Online-Umfragen und Online-Mitarbeiterbefragungen. In: Thielsch, Meinald T./Brandenburg Torsten (Hrsg.): Praxis der Wirtschaftspsychologie II. Fallbeispiele für Studium und Anwendung. Münster: MV Wissenschaft, S. 109–129. Thielsch, Meinald T./Weltzin, Simone (2013): Online-Mitarbeiterbefragungen. In: Domsch, Michael E./Ladwig, Désirée H. (Hrsg.): Handbuch Mitarbeiterbefragung. Berlin, Heidelberg: Springer. Zimmermann, Matthias/Jordan, Roger (2003): Online-Mitarbeiterbefragungen. In: Theobald, Axel/Dreyer, Marcus/Starsetzki, Thomas (Hrsg.): Online-Marktforschung. Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen. 2. Aufl. Wiesbaden: Gabler, S. 91–114.
5.2 Internationale Marktforschung Die Durchführung internationaler Marktforschung hängt von zwei Kernfragen ab: – Ist der zu betrachtende Markt der gleiche wie im Heimatland? – Welche Eigenschaften hat der Markt im Ausland? Das Grundproblem der internationalen Marktforschung besteht darin, dass nur in den seltensten Fällen die Erhebungsinstrumente und Charakteristika des „eigenen“ Marktes auf Märkte im Ausland übertragen werden können. Das beginnt bei Faktoren wie Zöllen und anderen Währungen, anderen Transport- und Infrastruktureinrichtungen und führt über das Verhältnis des Unternehmens zum Marktumfeld sowie unterschiedliche Sprachen und Kulturen bis hin zu demografischen und sozioökonomischen Unterschieden (zu den Rahmenbedingungen internationaler Marktforschung vgl. Busch/Fuchs/Unger, 2008, S. 828–855, Kapitel 9.8: „Besonderheiten der internationalen Marktforschung“). Letztendlich wird der betriebliche Marktforscher mit internationaler Marktforschung sowohl im Bereich der Primär- als auch der Sekundärmarktforschung konfron-
5.2 Internationale Marktforschung | 163
tiert: Im Bereich der Sekundärmarktforschung geht es vor allem um länderspezifische Charakteristika auf verschiedenem Auflösungsgrad, im Bereich der Primärmarktforschung meistens um Studien, die über die verschiedenen Erhebungsländer vergleichbar sein sollen. Sekundärmarktforschung In verschiedenen Märkten (z. B. im Pharmamarkt) sind die strukturellen länderspezifischen Unterschiede, auch bedingt durch die unterschiedlichen Gesetzgebungen und Sozialsysteme, so groß, dass die Analyse und Beschreibung der Märkte im Ausland idealerweise durch Experten für den Gegenstandsbereich in den verschiedenen Ländern erfolgen sollte – eine intensive Internetrecherche bzw. punktuelle Informationen führen hier meistens zu einem Wissensstand, der zur detaillierten Beschreibung der länderspezifischen Umgebung nicht ausreicht und die Gefahr birgt, fehlerbehaftet zu sein. Die Recherche nach Experten kann sich in internationalen Konzernen über die Suche nach Experten in den jeweiligen Länderniederlassungen über Fachabteilungen, die sich auf bestimmte Probleme im internationalen Vergleich (z. B. verschiedene Zulassungsvoraussetzungen für Kraftfahrzeuge) spezialisiert haben, bis hin zu externen Experten für die jeweiligen Sachthemen in den Ländern erstrecken. Sinnvollerweise sollten diese Informationen (solange deren Herkunft nicht durch entsprechende Quellen einwandfrei belegt werden kann) validiert werden. Auch bei der Planung von Primärmarktforschung sollte der betriebliche Marktforscher auf Sekundärquellen dergestalt zugreifen, dass er mit ländererfahrenen Experten die Inhalte der Primärmarktforschung unter dem Aspekt länderspezifischer Eigenheiten reflektiert. Grenzen der Sekundärforschung sind erreicht, wenn Länder im Fokus stehen, deren Informationspolitik wenig offen ist und deren Gesetzgebung und Statistiken nicht zugänglich sind oder die sehr klein oder „neu“ sind. Primärmarktforschung Im Rahmen der Primärmarktforschung geht es meistens um empirische Erhebungen an verschiedenen Stakeholdergruppen, die sich entweder nur auf ein Land beziehen können oder ländervergleichend sind. Wenn die äußeren Rahmenbedingungen über eine sorgfältige Sekundärmarktforschung ermittelt worden sind (und auch Angaben die die jeweiligen Verteilungen der Populationen, aus denen der Marktforscher Stichproben benötigt), steht die 1. Entwicklung eines international verwendbaren Erhebungsinstrumentes, 2. die Festlegung der Art der Datenerhebung sowie 3. die operative Durchführung der Studie an.
164 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
In den meisten Fällen gibt es einen „Masterfragebogen“, der als Grundlage für eine internationale Erhebung dient. Im einfachsten Fall kann dieser Fragebogen in die Sprachen der beteiligten Länder übertragen werden, wobei immer darauf zu achten ist, dass es einen „doppelten“ Übersetzungsprozess gibt: Zum einen vom Masterfragebogen (z. B. englisch) in die jeweilige Landessprache (z. B. französisch) und dann von der Übersetzung (jetzt französisch) in die Sprache des Masterfragebogens (englisch). Alternativ hat sich dazu das Vorgehen durchgesetzt, dass ein Fragebogen von zwei Übersetzern übersetzt wird und dann die beiden Übersetzungen im Rahmen eines Rekonziliationstreffens mit Experten und Übersetzern finalisiert werden (vgl. Ferrari/Wayrynen/Behr/Zabal 2013).1 Die Sorgfalt bei der Übersetzung schützt auch davor, dass Begrifflichkeiten falsch oder missverständlich übersetzt werden (vgl. dazu auch Kumar 2006, S. 638 f.). Bei längeren Fragebögen werden zum Teil auch Konstrukte verwendet, die aus mehreren Items bestehen (z. B. bei Scores zur Kundenbindung). Die Voraussetzung dafür, dass mehrere Items zu einem Score addiert werden dürfen, besteht in einer Eindimensionalität dahingehend, dass man davon ausgehen kann, dass die verschiedenen Items alle bestimmte Facetten des Konstruktes messen, das durch den Score abgebildet wird (ein bekanntes Beispiel für einen solchen Score ist der TRI*M-Index, der von TNS Infratest angeboten wird) und normalerweise aus einer (gewichteten) Summe von Items besteht. Um vergleichbare Analysen und Berechnungen in verschiedenen Ländern durchzuführen, muss gewährleistet werden, dass das Erhebungsinstrument interkulturell stabil ist. Interkulturelle Stabilität drückt sich statistisch dadurch aus, dass eine eindimensionale (korrelativ ähnliche) Struktur in den verschiedenen Ländern gleichermaßen gefunden werden kann. Diese Voraussetzung ist normalerweise mit den Statistikkenntnissen eines betrieblichen Marktforschers nicht zu überprüfen und sollte unter Hinzuziehung eines Statistikers überprüft werden. Erst wenn eine einwandfreie Übersetzung und die interkulturelle Stabilität der für die Marktforschung relevanten Konstrukte sichergestellt sind, kann sinnvollerweise mit der Planung der Erhebung begonnen werden. Generell sind natürlich kulturspezifische Merkmale zu berücksichtigen (z. B. die Schwierigkeiten, die mit Interviews von Frauen in islamischen Ländern verbunden sind, oder wie kulturell bedingtes Antwortverhalten, z. B. dahin gehend, dass extreme Bewertungen aus Höflichkeit vermieden werden). Eine Übersicht, welche Befragungsformen in welchen Ländern bevorzugt bzw. eher abgelehnt werden, führt Kumar (2006, S. 629) an. Dazu gehören aber auch interkulturell bedingte organisatorische Schwierigkeiten wie landesspezifische Feiertage, die Einfluss auf die Feldzeit haben
|| 1 Aus leidvoller Erfahrung mit Institutsmarktforschung sollte der betriebliche Marktforscher diesen Übersetzungsprozess – auch wenn es mit einem zeitlichen Mehraufwand verbunden ist – mit externen Übersetzern durchführen und auf die Voraussetzungen der unterschiedlichen Übersetzer und der idealerweise vorhandenen Bilingualität achten.
5.2 Internationale Marktforschung | 165
können (vgl. Kuhagen 2014, S. 33). Vorsicht ist auch bei auf Schulnoten basierenden Skalen angebracht. Nicht überall wird wie etwa in Deutschland eine Eins als beste Note verstanden. Reziprok dazu verhält sich beispielsweise die Skalierung in der benachbarten Schweiz (vgl. Kumar 2006, S. 639 f. und Wikipedia 2014). Festlegung der Art der Datenerhebung Je nach Erhebungsland kann es interkulturelle Unterschiede in z. B. der Abdeckung mit Festnetztelefonie oder Internet und auch in der Reaktion auf Formen der Datenerhebung (z. B. Ansprache auf der Straße im Rahmen von CAPI-Interviews) geben. Diese Unterschiede sind bei der Planung einer interkulturellen Studie dahingehend zu kontrollieren, dass es auch durchaus Effekte geben kann, die auf der Interaktion von länderspezifischen Einstellungen und Erhebungsinstrumenten basieren. Um diese Effekte zu kontrollieren, kann zum einen auf die Ergebnisse der Sekundärforschung zurückgegriffen werden, auf der anderen Seite können aber auch kleinere Vorstudien mit dem Ziel durchgeführt werden, die Erhebungsbedingungen möglichst dahingehend zu homogenisieren, dass Störeffekte minimiert werden. Diese Vorstudien haben auch den nützlichen Effekt, dass die zeitliche Abschätzung der Marktforschung besser vorgenommen werden kann, denn zum Teil müssen (z. B. im Bereich der B2BOnlinemarktforschung) in einigen Ländern Probanden über andere Kanäle gesamplet werden als über den geplanten Befragungskanal. Operative Durchführung der Studie Internationale Marktforschung ist ein schwieriges und sensibles Unterfangen. Leider existieren auch in der methodischen Literatur nur wenig gesicherte Befunde über die methodischen Aspekte der Untersuchungsdurchführung, so dass die Empfehlungen für die Durchführung der Datenerhebung primär erfahrungsgestützt sind. Prinzipiell gibt es mehrere Entscheidungen zu treffen: 1. Soll ein Institut als „Generalunternehmer“ ausgewählt werden oder soll eine Verteilung der Marktforschung auf mehrere Institute, die auf die jeweiligen Erhebungsländer spezialisiert und/oder in den Erhebungsländern vertreten sind, stattfinden? 2. Sollen die Erhebungen direkt im Zielland durchgeführt werden oder können die Studien (im Fall von CATI-Studien) auch von „Native Speakern“ z. B. aus Deutschland durchgeführt werden? Doch selbst Muttersprachler können als Interviewer an ihre Grenzen geraten, wenn beispielsweise eine Schweizerin in Köln Probanden mit ausgeprägtem rheinischem Akzent befragen soll. Ein weiteres Problem hinsichtlich der Interviewsprache führt Kumar (2006, S. 637) an. Am Beispiel der Hispanics in den USA zeigt er auf, dass rund 70 % dieser Bevölkerungsgruppe lieber auf Spanisch als auf Englisch interviewt werden.
166 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
3.
Sollen alle Interviews mit der gleichen Methode durchgeführt werden oder kann aufgrund von Besonderheiten in den verschiedenen Ländern ein Methodenmix akzeptiert werden? 4. Sollen gleiche Rekrutierungsmethoden gewählt werden oder sind auch unterschiedliche Rekrutierungsmethoden akzeptabel? Leider gibt es, wie erwähnt, in diesem Bereich keine Patentlösung und für jede der Entscheidungen positive und negative Beispiele für die jeweilige Umsetzung. Wir können aber nur generell – vor allem im Bereich von CATI oder CAPI – davon abraten, ein Institut nur deshalb auszuwählen, weil es die Erhebung in den für die Marktforschung relevanten Ländern anbietet – unter Umständen kann es unter Qualitäts- und Kontrollaspekten „sicherer“ sein, die Steuerung einer internationalen Marktforschung selbst zu übernehmen. Im Fall von Onlinemarktforschung relativiert sich dieser Eindruck, da hier die Steuerung der Panelteilnehmer in den verschiedenen relevanten Ländern zentral vorgenommen wird und weniger Probleme (außer im Bereich der kultursensiblen Übertragung von Fragen und Konstrukten) im Bereich der konkreten Erhebung vorliegen.
Äquivalenzen in internationaler Marktforschung
Studiendesign
Messung
Stichprobe
Analyse
Kalibrierung
Übersetzung
Skalierung
Abb. 5.2: Äquivalenzen in der internationalen Marktforschung (Ottawa, Marco nach Kumar 2006, S. 641)
5.3 Sekundärforschung | 167
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass internationale Marktforschung ein hohes Maß länder-, sprach-, und kulturübergreifender Äquivalenzen erfordert, was die Abbildung 5.2 verdeutlicht. Nebenbei sei nicht verschwiegen, welche zum Teil stark unterschiedlichen Kosten Marktforschung in verschiedenen Ländern mit sich bringt. Schlagen die Tagessätze für einen Senior-Researcher in Deutschland mit 1.582 $, in Österreich mit 1.650 $ und der Schweiz mit 1.809 $ zu Buche, liegen sie in Argentinien und Indien nur bei 450 $. Ähnliche Relationen ergeben sich auch für die Feldarbeit. Diese und viele andere Zahlen finden sich in ESOMAR (2014). Demnach (vgl. a. a. O., S. 46) ist Marktforschung in den USA, gefolgt von der Schweiz und Frankreich weltweit am teuersten. Deutschland liegt auf Rang 5, Österreich auf Rang 17. Weiterführende Literatur Bauer, Erich (2009): Internationale Marktforschung. Informationsgewinnung für das internationale Marketing. 4. Aufl. München: Oldenbourg. Busch, Rainer/Fuchs, Wolfgang/Unger, Fritz (2008): Integriertes Marketing. Strategie – Organisation – Instrumente. 4. Aufl. Wiesbaden: Gabler. Ferrari, Andrea/Wayrynen, Laura/Behr, Dorothée/Behr/Zabal, Anouk (2013): Translation, Adaptation, and Verification of Test and Survey Materials. In: OECD (Hrsg.): Technical Report of the Survey of Adult Skills (PIAAC) 2013, S. 1–28, section 1, chapter 4. Kumar, V. (2006): International Marketing Research. In: Grover, Rajiv/Vriens, Marco (Hrsg.): Marketing Research. Uses, Misuses and Future Advances. Thousands Oaks, London, New Delhi: SAGE. Laungani, Pittu (2007): Understanding cross-cultural psychology: Eastern and Western perspectives. London: Sage. Raab, Gerhard/Unger, Alexander/Unger, Fritz (2009): Methoden der Marketingforschung. 2. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
5.3 Sekundärforschung „Sekundärforscher sind keine Marktforscher.“ (Anke Ruland, 20.07.2012)
Dieses Zitat einer langjährigen Marktforscherin ist sicherlich kein Einzelbefund, wie schon 1994 Jackson (1994, S. 11) feststellte: Desk research is a rather neglected part of market research.
Grund genug, die Rolle dieses Stiefkindes der Marktforscher in der betrieblichen Marktforschung neutraler zu würdigen, zumal es auch begeisterte Anhänger der Sekundärforschung gibt: It is always surprising that this goldmine of intelligence [= desk research; Anm. der Autoren] can sit underneath your noses and yet be ignored while preference is given to carrying out a specially tailored survey. (Hague/Hague/Morgan 2013, S. 41)
168 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
Folgende Definition von Büche beschreibt die Sekundärforschung besonders gut: Die Sekundärforschung verwendet vorhandenes Datenmaterial, welches aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Quellen stammen kann. Diese Daten wurden für andere Zwecke erhoben, werden aber jetzt im Hinblick auf einen konkreten Untersuchungsgegenstand neu aufbereitet und ausgewertet. (Büche 2007, S. 2)
Ähnlich definieren Malhotra/Birks/Wills (2012, S. 115), die der Sekundärforschung zugrunde liegenden Daten: Secondary data are data that have already been collected for purposes other than the problem at hand.
Unter Sekundärforschung werden in diesem Buch die folgenden Quellen verstanden (vgl. dazu auch Bradley 2010, S. 78 f.; Fantapié Altobelli/Hoffmann 2011, S. 20 f.; Grunwald/Hempelmann 2012, S. 9; Hüttner/Schwarting 2002, S. 196–202; Jenster/Solberg Søilen, S. 176; Kamenz 2001, S. 60–63; Kastin 2008, S. 134; Malhotra/Birks/Wills 2012, S. 123–128.; Sander 2011, S. 160–162; Weis/Steinmetz 2012, S. 481 und besonders Koch 2012, S. 42–44): – Externe Quellen – Analystenzugänge
–
Datenbanken
–
Kaufstudien
–
– Über den Herausgeber direkt – Über Informationsbroker Frei verfügbare Studien von
– – – – –
– Primärforschungsinstituten – Portalen – Hochschulen – Beratern – Industrieverbänden – Ministerien und anderen staatlichen Institutionen – Marktforschungsinstituten – Wirtschaftswissenschaftlichen Instituten – Wirtschaftsverbänden – Internationalen Organisationen – Sonstigen Herausgebern Amtliche Statistiken Panels Zeitungen/Zeitschriften Qualitätsbewertungen aus dem Internet oder Social Media Geschäftsberichte
5.3 Sekundärforschung | 169
–
– Auskunfteien – Industrie- und Handelskammern – Patentstatistiken – Unternehmenspublikationen – Prospekte/Kataloge – Messen/Ausstellungen – Gesetzesblätter – Wissenschaftliche Literatur – Absatzmittler – Gesetzesblätter – Wissenschaftliche Literatur Interne Quellen – Verkaufszahlen – Vertriebskosten – Vertriebsberichte – Werbekosten – Preise – Deckungsbeiträge – Produktionsstatistiken – Lagerbestände und -statistiken – Qualitätsstatistiken – Reklamationsstatistiken – Kundenstatistiken – Sonstige Statistiken – Frühere Primärerhebungen
Die Begriffe Analystenzugänge und Datenbanken werden oftmals synonym gebraucht, was aber nicht korrekt ist, da Analystenhäuser ihre Berichte selber verfassen, Datenbanken hingegen eine Aggregation von Drittquellen darstellen.2 Aufgrund ihrer großen Breite ermöglicht es die Sekundärforschung, eine Vielzahl von Marketing-Informationen bereitzustellen. Diese umfassen nach Jackson (1994, S. 29) die folgende Bereiche: – The marketing environment. – A market and its structure. – Suppliers and brands. – Distribution and retailing. – Products and new product development. – Pricing. – Marketing methods and advertising.
|| 2 Definition von Jörg Kerler in einem Gespräch mit Marco Ottawa am 03.12.2014
170 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
Eine umfassende Darstellung für Deutschland relevanter Sekundärquellen und -anbieter bietet die Abb. 5.3.
Analyst Firms:
Gartner IDC
IHS
Informa Frost & Sullivan
Financial Information Databases:
Panel Research & Syndicated Surveys:
Consultants:
Nielsen Online comScore GfK Sales Tracking
PwC Deloitte Capgemini
TNS Digital Life
IBM McKinsey
Fittkau & Maaß Miscellaneous Aggregators :
Scientific, Technical & Medical (STM) Publishers:
Bloomberg
Google
Thomson Reuters
Statista
Elsevier Springer
Standard & Poor‘s FactSet
MarketResearch.com markt-studie.de
Wiley-Blackwell Emerald
Industry Associations:
International Organizations:
Government Agencies & Regulators:
ESOMAR BVDW
European Commission OECD
AGOF BITKOM
United Nations World Bank
Investment Banks:
Statistical Offices:
Merrill Lynch Morgan Stanley
JP Morgan Goldman Sachs Deutsche Bank
Eurostat United States Census Bureau
FedStats
Credit Suisse UBS
Office for National Statistics Statistisches Bundesamt
Business Information Databases:
UBM Euromoney
LexisNexis
IDG Vogel Business Media WEKA
Dow Jones / Factiva Genios Dun & Bradstreet
EUWID
HighText Verlag/ i Business
Bureau van Dijk Bisnode Creditreform
Abb. 5.3: Secondary Research Landscape (Kerler, Jörg)
Germany Trade & Invest
Other Sources:
B2B Publishers:
U.S. Department of Commerce CIA World Factbook
research institutes, future institutes & think tanks universities, publications created in an academic context newspapers/magazines & companion websites book/e-book publishers Internet news & articles
news services/agencies media monitoring services social media (blogs, wikis) social publishing sites
corporate homepages non-profit organizations
conference documentations
expert/peer networks
5.3 Sekundärforschung | 171
Eine eher an Medien orientierte Aufteilung der Sekundärforschung findet sich bei Aaker/Kumar/Day (2006, S. 110). Wie im folgenden Kapitel noch ausführlicher geschildert, sollte nahezu jede marktforscherische Fragestellung zunächst mit der vorhandenen Sekundärliteratur abgeglichen werden. So erübrigt sich manche Primärstudie und dieses Vorgehen hilft, Zeit und Budget zu sparen (vgl. Diller 2001b, S. 1721). Fragestellungen, die sich in der Regel nicht über Sekundärforschung beantworten lassen, beruhen vielfach auf der direkten Beziehung des Unternehmens zu seinen Kunden. Beispielsweise seien hier Mystery- oder Kundenzufriedenheitsstudien genannt. Die Sekundärforschung bietet gegenüber der Primärforschung zwei Hauptvorteile, nämlich die in der Regel niedrigeren Kosten und die größere Schnelligkeit bei der Beantwortung von Fragen. Alle Vorteile (vgl. dazu auch Clow/James 2014, S. 70–74) können der folgenden Auflistung entnommen werden: – Schnelle und einfache Auswertung der Daten – Identifikation von Trends – Eher geringer Preis – Direkte oder wenigstens schnelle Verfügbarkeit – Erste Einblicke in relevante Fragestellungen – Vorbereitung von Primärerhebungen – Hohe Akzeptanz beim Management durch bekannte Analystennamen – Fertig formulierte Ergebnisse – Breites Themenspektrum – Oftmals in die Zukunft und Vergangenheit reichende Zahlenreihen – Oftmals im Preis inbegriffene strategische Analysen, Webinare, Telefonkonferenzen und persönliche Gespräche mit Analysten – Neben Daten sind zumeist auch deren Interpretationen enthalten, es werden Trends analysiert, Prognosen gemacht und Handlungsempfehlungen abgegeben Dem steht allerdings auch eine Reihe von Nachteilen gegenüber, von denen der geringe bis mangelnde Einfluss auf die Fragebogengestaltung und die Probandenauswahl sowie teilweise Unklarheit über die verwendete Methodik an erster Stelle zu nennen sind. Des Weiteren sind zu erwähnen (vgl. Diller 2001b, S. 1722; Fantapié Altobelli/Hoffmann 2011, S. 24; Kamenz 2001, S. 67; Kuß 2007, S. 41–43; Pepels 2009, S. 214–216; Malhotra/Birks/Wells 2012, S. 118–120): – Eingeschränkter Einfluss auf die Forschungsthemen – Kaum Einfluss auf die Ergebnisdarstellung – Keine unternehmensexklusiven Informationen – Zum Teil eingeschränkte Aktualität – Mangelnde Vergleichbarkeit, d. h. je nach Anbieter widersprüchliche Ergebnisse zum selben Sachverhalt – Zum Teil Anbietermonopole, was überhöhte Preise nach sich zieht
172 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
– – – – – – – – –
Vielfach nur auf Englisch verfügbare Daten Nicht zu jedem Thema ist etwas vorrätig Unklare oder mangelhafte Objektivität, Reliabilität und Validität der Daten Z. T. unsaubere Methodik Unpassende Skalierung Datum der Erhebung/Datengewinnung Fehlende Beschreibung der Charakteristika/Repräsentativität bei Stichprobenerhebungen Oft keine Rohdaten Unpassende Aggregation der Daten
Vor diesem Hintergrund gilt es, Sekundärstudien sorgfältig nach verschiedenen Kriterien wie dem Zeitraum der Erhebung oder der Sauberkeit der Datenerhebung zu überprüfen, wie es Wilson (2006, S. 59) in einem mehrstufigen Verfahren vorschlägt. Malhotra/Birks/Wills (2012, S. 120–123) führen zur Evaluation von Sekundärdaten die folgenden Gütekriterien an: – – – – – –
Specifications and research design Error and accuracy Currency (Time between collection and publication. Frequency of updates) Objective Nature (e. g. Units of measurement, Categories used) Dependability (Source: Expertise, Credibility, Reputation, Trustworthiness)
Hilfreich sind auch die von Clow/James (2014, S. 66) aufgeführten Gütekriterien von Sekundärforschung: – – – – – –
Data Source Purpose of Study Sample selection Data collection process Data analysis Data interpretation
Trotz ihres Alters haben auch die Evaluierungskriterien von Stewart (1974, S. 23) weiterhin Gültigkeit: – – – –
What was the purpose of the study? Why was the information collected? Who was responsible for collecting the information? What qualifications, resources, and potential biases are represented in the conduct of the study? What information is actually collected? How were units and concepts defined? How direct were the measures used? How complete was the information? When was the information collected? Is the information still current or have events made the information obsolete? Were there specific events occurring at the time the data were collected that may have produced the particular results obtained?
5.3 Sekundärforschung | 173
Eine betriebliche Marktforschung ist aufgrund der zahlreichen Stärken der Sekundärforschung gut beraten, diese Forschungsdisziplin nicht als „Stiefkind“ (Gensch 2015, Halemba 2015) zu vernachlässigen, sondern sie als „Chance und Bereicherung“ (a. a. O.) zu begreifen, ohne sich gleichwohl exklusiv auf sie zu stützen. Im Idealfall besteht ein ausgewogenes Studienportfolio aus jederzeit verfügbaren Grundlageninformationen, vor allem aus der Sekundärforschung, aber auch aus Basisstudien sowie Ad-hoc-Studien, die produkt-, markt- oder firmenspezifische Fragestellungen beantworten. In diesem Zusammenhang sei Braun3 zitiert: „Es ergibt meiner Meinung nach auch wenig Sinn, wenn ein Marktforscher nur nette Studien durchführt, ansonsten aber keine Ahnung hat, wie in seinem Markt Geld verdient wird.“ Marktforscher sollen darüber hinaus nicht nur die Studien, Forecasts und sonstigen Produkte der Sekundärforschung lesen, sondern auch die oftmals angebotenen Analystengespräche nutzen. Bereitwillig geben viele Analysten in solchen Gesprächen in ihren Papieren nicht enthaltene Zusatzinformationen oder persönliche Einschätzungen von Marktentwicklungen preis. In der Wissenschaft ist die Sekundärforschung auch unter dem Aspekt von Meta-Analysen oder Meta-Evaluationen zu finden. Hierbei handelt es sich inzwischen um gängige und wissenschaftlich anerkannte Verfahren zur Aggregation von Daten oder Studien zu verschiedenen Fragestellungen. Ein in der Praxis schwieriges Unterfangen kann es sein, Primärforscher an die Sekundärforschung heranzuführen. In diesem Zusammenhang sei es erlaubt, einige Vorurteile von Primärforschern über Sekundärforscher und Sekundärforschung zu zitieren: „Sekundärforschung ist langweilig.“, „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“ oder: „Sekundärforscher improvisieren, tricksen und verfallen in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit nicht selten der Kleinkriminalität. Primärforscher hingegen arbeiten nach strengen Regeln und verfügen über ein klar definiertes Berufsethos“ (Kerler, Jörg). Nichtsdestotrotz müssen Primärforscher die grundlegenden Sekundärstudien ihres Forschungsbereiches kennen und einfachere Sekundärrecherchen selbst durchführen können. Komplexe Sekundärrecherchen sollten hingegen von spezialisierten Sekundärforschern durchgeführt werden, da nur sie in aller Regel einen vollständigen Überblick über die Vielzahl der Sekundärquellen haben und auch am besten deren Relevanz und Validität einschätzen können. Ihnen ist es auch am ehesten möglich, die im Rahmen einer Sekundärrecherche schnell auftretende Informationsflut aufgrund ihrer Vertrautheit mit der Materie zu bewältigen und aus ihr die relevanten Informationen zu extrahieren (vgl. Kastin 2008, S. 127). Eine Frage an PUMa (vgl. Anhang B)4 hat ergeben, dass in 15 von 25 Rückmeldungen Primär- und Sekundärforschung von demselben betrieblichen Marktforscher durchgeführt werden. Das ist
|| 3 Mail von Werner Braun, Director Strategic Market Intelligence bei Sanofi-Aventis Deutschland, an Marco Ottawa vom 13.01.2015 4 Anfrage von Marco Ottawa in das PUMa-Netzwerk vom 12.01.2015
174 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
allerdings in der Hälfte der Fälle der geringen Kopfzahl der antwortenden betrieblichen Marktforschungsabteilungen geschuldet.
Access & Usage
Research Contents
• Breadth, depth & relevance of coverage • Geographies of coverage • Quality & objectivity of research • Originality & timeliness of research • Format of research deliverables • Amount of deliverables (productivity)
• Licence terms & access rights • Copyright & quote policy • Direct analyst access & inquiry rights • Usage & download statistics
Final decision on analyst investment
Soft Factors
•Quality of relationship & interaction •Location of analysts •Local or local language staff •Website design & functionalities
Abb. 5.4: Influencers of Analyst Investment Decision (Kerler, Jörg)
Cost & Returns
• Cost of subscription per analyst • Seniority & competence of analysts • Number of clients & degree of exclusivity • Influence on ICT buyers & the media • Impact on sales & lead generation • Impact on business strategy & success
5.3 Sekundärforschung | 175
Thema\Anbieter
Anbieter 1
Anbieter 2
Anbieter 3
Anbieter 4
Anbieter 5
Thema 1 Thema 2 Thema 3 Thema 4 Thema 5 Thema 6 Thema 7 Thema 8 Thema 9 Thema 10 unique leader co-leader or runner-up one of many leaders follower rather weak not relevant Abb. 5.5: Evaluation of Individual Analyst Firms (Ottawa, Marco nach Kerler, Jörg)
Daneben ist es ratsam, die wichtigsten der für die eigene Sekundärforschung relevanten Anbieter einer regelmäßigen Bewertung zu unterziehen. Kerler schlägt dazu in der Abb. 5.4 vor, die Entscheidung auf vier Komponenten beruhen zu lassen. Basiskriterium sind die angebotenen Inhalte (Research Contents). Sind diese für das eigene Unternehmen relevant, gilt es die Nutzungsbedingungen (Access & Usage) sowie die Kosten (Cost & Returns) zu bewerten. Schließlich fließen auch noch weiche Faktoren (Soft Factors) wie etwa die Erreichbarkeit und Zusammenarbeit mit dem Analysten ins Gewicht. Da unterschiedliche Analysten zum Teil ähnliche Studien anbieten, ist in einem weiteren Schritt zu bewerten, welche Analysten letztendlich eingekauft werden. Dazu bietet sich das in Abb. 5.5 dargestellte von Kerler entwickelte Entscheidungsschema an. Es führt in einer Matrix zum einen die für das Unternehmen relevanten Themen, die die Sekundärforschung abdecken soll, auf, zum anderen die potenziellen Anbieter. Diese werden nun anhand einer sechsstufigen Skala Thema für Thema beurteilt. Je mehr positive Bewertungen, im Idealfall als „unique leader“, ein Analyst erhält, desto größer sind seine Chancen, als Lieferant ausgewählt zu werden. Unter Thema sind in der folgenden Abbildung verschiedene Themenbereiche zu verstehen, die ein Unternehmen mit Sekundärforschung
176 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
abdecken möchte. Um ein Beispiel aus der Automobilindustrie aufzugreifen, können das Themen wie Nutzfahrzeuge, PKW, Umweltschutz oder Straßenbau sein. In die einzelnen Quadranten wird nun eingetragen, in welchem Maße die einzelnen Anbieter von Sekundärforschung die relevanten Themen abdecken. Im Idealfall besitzt ein Anbieter als „unique leader“ die mit Abstand besten Daten zu dem gewünschten Thema. Schlechtestenfalls bietet er sie überhaupt nicht an. Anhand der ausgefüllten Matrix kann entschieden werden, welcher Anbieter das Themenportfolio am besten abdeckt. Die Lösung kann darin bestehen, alle Informationen bei einem Anbieter einzukaufen, aber auch, auf mehrere Anbieter zurückgreifen zu müssen, weil ein Anbieter nicht alle Themen abdeckt oder zumindest nicht in der gewünschten Qualität anbietet. Tab. 5.1: Analysten-Steckbrief (Ottawa, Marco) 1.
Metadaten a. Name des Analysten b. Anschrift c. Ansprechpartner d. Beteiligungen
2.
Portfolio a. Regionale Abdeckung b. Branchen i. Breite ii. Tiefe c. Zusätzliche Leistungen, wie z. B. Beratung
3.
Nutzer im eigenen Unternehmen a. Namen b. Daten c. Budgets
4.
Historie des Analysten a. Namen b. Daten c. Budgets d. Ansprechpartner e. Übernahmen
5.
Bewertung a. Qualität b. Validität der Daten c. Gesamtbewertung
6.
Anmerkungen
5.3 Sekundärforschung | 177
Will man als betrieblicher Marktforscher langfristig mit Analysten zusammenarbeiten, empfiehlt es sich, für die einzelnen Analysten Steckbriefe anzulegen. Sie ermöglichen es gerade neu in die Sekundärforschung einsteigenden Marktforschern, sich schnell einen groben Überblick über die für die Branche relevanten Analysten zu verschaffen. Solche Steckbriefe stiften besonders dann Nutzen, wenn sie kontinuierlich aktualisiert werden. Ein Beispiel, wie ein AnalystenSteckbrief aussehen kann, bietet Tab. 5.1. Sekundärstudien sollen nach Möglichkeit in einem Research-Portal oder einer Studiendatenbank abgelegt werden, um im Rahmen der vertragsrechtlichen Möglichkeiten möglichst vielen Mitarbeitern des Unternehmens Zugriff auf ein breites Wissensspektrum zu bieten. Im Fokus stehen hierbei nicht nur die betrieblichen Marktforscher, sondern gerade auch Marketiers oder Strategen, die zu den Hauptabnehmern der Sekundärforschung gehören (vgl. Matzner/Stoll 2014, S. 26) und sich direkt und aus Sicht der betrieblichen Marktforschung personalressourcenschonend an Sekundärforschung selbst bedienen können. So vertritt Christian (2001, S. 67 f.) die Ansicht, die Marktforschung dürfe nicht den Flaschenhals zwischen den von ihr gewonnenen Marktdaten und den Entscheidern im Unternehmen bilden, sondern vielmehr moderierend im Sinne eines Vermittlers oder Beraters tätig sein. Dazu gehört auch, den Entscheidern einen bequemen Zugriff auf seine „Informationspakete“ (a. a. O., S. 84) zu gewähren. Detailliert wird auf diesen Punkt unter Kapitel 6.2 eingegangen. Unter der Prämisse, dass ein Research-Portal oder eine Studiendatenbank im Unternehmen existiert, kann ein ideales Wechselspiel zwischen Primär- und Sekundärforschern wie folgt aussehen:
178 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
AUFGABENBEREICHE PRIMÄRFORSCHER
SEKUNDÄRFORSCHER
Arbeitsschwerpunkte bekanntmachen
Transparenz über Kernaufgaben schaffen
Anforderungen an Sekundärforschung definieren
Struktur der Studiendatenbank an die Themen und Bereiche anpassen
Screening relevanter Anbieter Relevante Quellen/Anbieter kennen und als Relevant Set für das eigene Aufgabengebiet definieren
Einkauf und Bereitstellung von Studien zu dem jeweiligen Thema
Einfach Recherchen durchführen
Verbreitung von Sekundärforschung im Betreuten Bereich
Komplexe Recherchen durchführen
Abb. 5.6: Wechselspiel zwischen Primär- und Sekundärforschern (Ottawa, Marco/Breuer, Marcel)
Nach Einschätzung von Jörg Kerler, einem profunden Kenner der Sekundärforschung bei der Deutschen Telekom, unterliegt diese Forschungsdisziplin derzeit folgenden Trends: – Durch das Wegbrechen alter Geschäftsfelder entsteht in den Unternehmen ein erhöhter Informationsbedarf rund um neue Geschäftsfelder – Die zunehmende Produktdiversifikation bringt einen erhöhten Informationsbedarf mit sich – Das Auftauchen neuer Wettbewerber, die außerhalb ihres ursprünglichen Kerngeschäftes tätig werden, generiert zusätzlichen Informationsbedarf – Manager fordern zunehmend von ihren Mitarbeitern, Thesen und Annahmen durch Marktforschungsergebnisse zu belegen – Einsparungen in den Marktforschungsbudgets lassen zunehmend weniger Spielraum für umfangreiche Primärforschung
5.3 Sekundärforschung | 179
–
Vor dem steigenden Kostendruck werden teure Berater vermehrt durch preiswertere Sekundärforschung ersetzt
Neben den von Kerler genannten Trends stellen die Autoren aktuell aus dem Kreis ihrer internen Kunden eine verstärkte Nachfrage nach wissenschaftlicher Literatur fest, so dass sich ihre Informationssuche zunehmend auch auf Hochschulbibliotheken oder auf speziellen Portalen, wie etwa Springer Professional, erstreckt. Ob das nur eine kurzfristige Erscheinung oder ein Trend hin zu wissenschaftlich fundierterem Arbeiten ist, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Abschließend ist zu fragen, über welche Qualifikationen Sekundärforscher idealerweise verfügen. Graumann (2014, S. 30) beantwortet diese Frage mit der Formel: Der Sekundärforscher benötigt Recherchekompetenz plus Bewertungskompetenz plus Analysekompetenz plus Darstellungskompetenz.
Daneben führt Graumann (a. a. O.) die Kenntnis lokaler Quellen sowie „tiefgehendes Branchenverständnis“ an. Ergänzend sei noch auf fundierte Englischkenntnisse verwiesen, da eine Vielzahl der Sekundärquellen nur auf Englisch vorliegt. Kerler5 führt auf Basis seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Sekundärforscher folgende Qualifikationen an: – Quellenkompetenz – Fachkompetenz – Analysekompetenz – Kommunikationskompetenz – Motivation und Disziplin – Gedächtnisleistung Unter Gedächtnisleistung versteht er die „Fähigkeit, sich schnell und mittels einfacher Hilfsmittel an Anfragen oder Auskunftgeber zu erinnern“, eine Fähigkeit, die den Sekundärforscher vor dem Hintergrund deutlich zahlreicherer Anfragen vom reinen Primärforscher unterscheidet. Graumann spricht in diesem Zusammenhang vom „Fünfklang aus Recherche-, Branchen-, Bewertungs-, und Analysekompetenz sowie Darstellungskompetenz“ (Graumann 2015), die ein Sekundärforscher beherrschen muss. Davon abweichend setzt Wiedeking (vgl. 2015) andere Schwerpunkte. Für sie entwickelt sich der Sekundärforscher idealtypisch zum Intelligence Professional. Um diese Tätigkeit optimal auszufüllen, benötigt er fünf Voraussetzungen, nämlich: – Einen Studienabschluss, aber interdisziplinär – Netzwerkerfähigkeit und Persönlichkeit
|| 5 E-Mail von Jörg Kerler an Marco Ottawa vom 15.01.2015
180 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
– – –
Interkulturelle Kompetenz Analytisches Können Ausgeprägtes ethisches Verständnis
Abschließend sei auf Halemba (vgl. 2015) verwiesen, der die Trennung von Primärund Sekundärforschung für nicht mehr zeitgemäß hält. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die beiden Formen der Marktforschung in seinem Sinn zusammenwachsen werden. Weiterführende Literatur Hague, Paul/Hague, Nick/Morgan, Carol-Anne (2013): Market Research in Practice – How to get greater insight from your market. 2. Aufl., London, Philadelphia, New Delhi: Kogan Page, S. 42–55. Malhotra, Naresh K. (2014): Basic Marketing Research. 4. Aufl. Harlow u. a.: Pearson. Malhotra, Naresh K./Birks, David F./Wills, Peter (2012): Marketing Research. An Applied Approach. 4. Aufl. Harlow u. a.: Pearson.
5.4 Social Media Analysen Seit der Mitte der ersten Dekade unseres Jahrhunderts spielen Social Media eine rasant wachsende Rolle im zwischenmenschlichen Leben. 2004 startete Facebook, 2005 Youtube und 2006 Twitter. Schon kurz darauf widmeten sich die ersten Anbieter der Analyse dieser Medien und ihrer Inhalte. Zunächst soll jedoch definiert werden, was unter Social Media zu verstehen ist. Die Soziale Medien Richtlinie (2014, S. 2) definiert Sozial Medien wie folgt: Soziale Medien im Sinne dieser Richtlinie sind Plattformen, die die Nutzer über digitale Kanäle in der gegenseitigen Kommunikation und im interaktiven Austausch von Informationen und Medieninhalten zwischen Einzelnen und Gruppen unterstützen; insbesondere Blogs, Foren, Communities und soziale Netzwerke.
Ergänzt um den Aspekt der Gleichberechtigung von Sender und Empfänger schlagen die Autoren eine etwas weitergehende Definition vor: Social Media sind digitale Medien, die ihren Nutzern Kollaboration, das heißt vernetzte Kommunikation, Kooperation, Austausch und Information, über multimediale Inhalte, ermöglichen. Dabei sind Sender und Empfänger grundsätzlich gleichberechtigt, da auch die Nutzer Inhalte einstellen können.
Seit der Mitte der vergangenen Dekade beschäftigen sich auch betriebliche Marktforscher mit dem Massenphänomen Social Media. Diese Beschäftigung zielt in drei Richtungen. Zunächst interessieren die das eigene Unternehmen tangierenden Inhalte. Diese können sowohl aus firmeneigenen Social Media wie etwas Facebook-Seiten des
5.4 Social Media Analysen | 181
Unternehmens, aber auch aus unabhängigen Quellen stammen. Die zweite Richtung betrifft die Rezension von konkurrierenden Unternehmen im Netz und kann auch Teil der Markt- und Wettbewerbsanalyse sein. Drittens geht es um grundsätzliche Forschungsfragen zu Social Media, etwa die Anzahl von Nutzern oder Generierung von Kennzahlen. In jedem Fall muss die Forschung rund um Social Media mit konkreten Zielen, die einen Wertschöpfungsbeitrag zum Unternehmen leisten, verknüpft sein. Ansonsten kann sie leicht zu einer rein akademischen Übung degenerieren. Herrschte einige Jahre lang Unsicherheit darüber, was alles zu Social Media zu zählen sei, gibt es zumindest in Deutschland seit 2013 eine allgemein verbindliche Klassifizierung, die in der Richtlinie zur Medientyp-Einteilung des BVDW zusammengefasst ist (vgl. BVDW 2013, S. 8–14). Die Abbildungen 5.7 und 5.8 sollen die 14 Kategorien anhand von Beispielen verdeutlichen. 21 % der deutschen Unternehmen geben an, bereits einmal ihre Social Media Aktivitäten gemessen zu haben (vgl. BVDW 2014, S. 33). Social Media Monitoring haben davon 57 % regelmäßig und weitere 34 % gelegentlich betrieben (vgl. a. a. O., S. 34). Gleichwohl gibt nur gut die Hälfte der Befragten an, mit der Messung zufrieden zu sein (vgl. a. a. O., S. 35). Hier deutet sich noch Verbesserungspotenzial für die Marktforschung an. Eine Ausweitung der Social Media Analysen ist gleichwohl zu erwarten, geben doch 62 % der befragten Unternehmen an, die zukünftige Bedeutung von Social Media in deutschen Unternehmen werde steigen (BITKOM 2012b, S. 19). Nichtsdestotrotz wird Social Media Monitoring noch immer von einer nicht unerheblichen Anzahl von Unternehmen als irrelevant betrachtet (vgl. Best 2012, S. 30). An dieser Stelle sollen die in diesem Abschnitt verwendeten Begriffe Social Media Analysen und Social Media Monitoring kurz näher betrachtet werden. Sie sind nach Ansicht der Autoren nicht synonym zu verwenden (vgl. GfK 2013, S. 40 f.). Unter Social Media Monitoring ist die Sammlung und Darstellung von Social Media Inhalten zu verstehen. Die Social Media Analyse geht weiter, indem sie Kennzahlen generiert und versucht, Muster und über das Monitoring hinausgehende tiefere Erkenntnisse zu gewinnen. Wurde eingangs in drei eher organisatorisch differenzierte Forschungsrichtungen von Social Media unterschieden, sollen nun die drei wichtigsten Anwendungsfelder der Marktforschung in Bezug auf Social Media vorgestellt werden. Zunächst können Social Media als Rekrutierungsmethode für ausgewählte Zielgruppen genutzt werden, was bereits von 17 % der deutschen Unternehmen, die OnlineInterviews durchführen, praktiziert wird (vgl. Best 2012, S. 20). So kann zum Beispiel ein zu einer Onlinebefragung führender Link auf der Facebook-Seite des forschenden Unternehmens platziert werden (vgl. Zahn 2014, S. 5 und 7). Allgemeingültige Antworten dürfen freilich nicht erwartet werden, da die Antworten lediglich Aussagen über die Grundgesamtheit der Facebooknutzer dieser einen Seite ermöglichen. Zudem bedingen Social Media Analysen je nach eingesetztem Anbieter oder Analysesoftware sowie nach der Definition der Abfragelogik eine gewisse Unschärfe, die
182 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
Foren
Microblogs Blogs
Social Media
Social Networks
Video-Plattformen
Bild-Plattformen
Abb. 5.7: Kategorien von Social Media (1/2) (Ottawa, Marco, in Anlehnung an BVDW 2013, S. 8–14)
Bewertungen auf E-CommercePlattformen Sonstiges Presseseiten, Nachrichtenquellen
Corporate News
Social Media
Presseportale
DokumentenPlattformen
BewertungsPlattformen
Frage- und Antwortportale
Abb. 5.8: Kategorien von Social Media (2/2) (Ottawa, Marco, in Anlehnung an BVDW, 2013 S. 8–14)
5.4 Social Media Analysen | 183
in der klassischen quantitativen Forschung in diesem Maße nicht vorhanden ist. Das erfordert von den Marktforschern ein gewisses Umdenken, führt in der Praxis jedoch auch dazu, Social Media Analysen wegen dieser Unschärfe oder auch unter Hinweis auf ihre mangelnde Repräsentativität abzulehnen. Nichtsdestotrotz können solche Befragungen wertvolle Anregungen, etwa für virtuelle Kommunikationskampagnen, bieten. Eine zweite Möglichkeit der Marktforschung in Social Media sind Social Media Communities. Dabei nutzt ein Moderator eine oder mehrere Communities, um Fragen der Marktforschung zu diskutieren. Diese Forschungsmethode wird zum Beispiel in Form der Co-Creation bei der Produktentwicklung genutzt. Die derzeit vermutlich gängigste Forschungsmethode rund um Social Media stellt das Social Media Monitoring dar. In ihm werden die im Netz hinterlegten Inhalte, der sogenannte User Generated Content, in den o. a. Social Media gesammelt und ausgewertet. Hague/ Hague/Morgan (2013, S. 225) zählen das zu den „Passive research techniques“. Die Abb. 5.9 stellt die drei Forschungsrichtungen noch einmal gegenüber:
Social Media Recruiting
Social Media Communities
Social Media Monitoring
Social Media als Methode zur Rekrutierung von ausgewählten Zielgruppen
Social Media als Marktforschungs-Medium
Auswertung von User Generated Content
Abb. 5.9: Anwendungsfelder von Social Media in der Marktforschung (Meiers, Sandra, in Anlehnung an Forrester)
ESOMAR 2011, S. 4, führt für Social Media Forschung folgende Beispiele an: – –
Monitoring or crawling social media platforms (from automated monitoring of brand sentiment through to ad-hoc desk research) Ethnographic research (from observing online social behaviour to participating and collecting primary data in various forms, including “friending” users). This includes netnography
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– –
Co-creational techniques used for research purposes Online communities that generate or deliver customer opinions, reactions, feedback on a regular, formal or systematic basis
Eine weitere Untergliederung von Social Media Analysen schlägt Zahn (2013, S. 105) vor. Sie unterscheidet in: 1.
2. 3.
Social Media Audit/Nullmessung = Analyse des Ist-Standes der Social Media-Kommunikation zu einem bestimmten Thema, in der geklärt wird, wo, was, wie, von wem, in welcher Intensität und mit welchem Stimmungstrend gesprochen wird (Bestandsaufnahme der W-Fragen) Social Media Report/Social Media Clipping = regelmäßige Erfassung des aktuellen Stands bzw. der Entwicklung der W-Fragen Social Media-Spezialanalysen = Tiefenanalysen, die sich auf dezidierte Fragen konzentrieren
Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Einsatzfeldern für Social Media Analysen. Zahn (2013, S. 102) führt dazu folgende Einsatzfelder auf: – Unternehmenskommunikation – Issue Management – Social Media Optimization – Wettbewerberanalyse – Investor Relations – Public Relations – Krisenmanagement – Executive Management – Human Resource Management – Prozess-Management – Vertrieb – Customer Relationship Management – Customer Services – Marketing und Produktmanagement – Brand Communication – Website und Content Management – Trend und Innovationsmanagement – Kampagnen Management – Media Planning – Lead und Sales Management Buerke/Regner-Wagner (2013, S. 162) unterteilen die Anwendungsfelder der Marktforschung in Social Media in zielgruppen-, markt-, wettbewerbs- und unternehmensbezogene. Demgegenüber unterteilt Sen (vgl. Sen 2011, S. 68–75) das Social Media Monitoring in: – Produktmonitoring
5.4 Social Media Analysen | 185
– –
Unternehmensmonitoring Themenmonitoring
Daneben können Social Media auch die Personalabteilung unterstützen, wenn es um die Identifikation und Ansprache von potenziellen Mitarbeitern geht (vgl. Bockhorni 2014). Die oben erwähnten Tiefenanalysen leiten schon zu dem weiter unten vorgestellten Begriff „Social Media Analysen 2.0“ über. Hinsichtlich des Social Media Monitoring muss sich die Marktforschung von der Erwartung frei machen, auf jede Frage Antworten zu erhalten. Nicht jedes Thema, ja nicht einmal jede Firma, wird trotz der riesigen Mengen von Posts, Tweets etc. im Netz rezipiert. Das kann zum einen an mangelndem Interesse an der Firma und ihren Produkten liegen, zum anderen aber auch daran, dass die Rezeption in nicht öffentlich zugänglichen Medien, die für legale Marktforschung nicht erreichbar sind, stattfindet. Bevor sich ein Unternehmen für ein ausgiebiges Social Media Monitoring entscheidet, sollte es zunächst eruieren, ob sich diese Investition gemessen an der Visibilität des eigenen Unternehmens in Social Media überhaupt lohnt. Andererseits gelten im Social Media Monitoring nicht die Regeln der klassischen Marktforschung nach dem Schema: „Die Marktforschung fragt, der Proband antwortet.“ Vielmehr besteht die Chance, „dass die Marktforscher durch [Social Media Monitoring, Anm. d. Verf.] auf Antworten zu Fragen stoßen können, an die zu stellen sie noch gar nicht gedacht haben“ (Arens 2014, S. 20). Unterstellt, die Rezeption findet in nennenswertem Maße statt, ist nun zu definieren, was gemessen werden soll. Die folgende Liste führt die wichtigsten Inhalte auf (vgl. dazu auch Sterne 2011, S. 204 f.): – Buzz Analyse – Verteilung auf Medienkategorien und einzelne Medien – Vergleich mit Konkurrenten – Sentimentanalyse – Analyse der unternehmenseigenen Social Media – Wichtigste Autoren/Meinungsführer – Shit- bzw. Candystorms – Allgemeine Trends in Social Media Unter der Buzz-Analyse versteht man die auch aus der Medienforschung bekannte Reichweitenanalyse. Hierbei ist zu beachten, dass nicht jede Buzz-Analyse auf einer Analyse des gesamten Internets beruht, sondern sich je nach Anforderung und Anbieter nur auf vorab definierte Quellen als Auswahl einer als relevant erachteteten Teilmenge des Internets bezieht. Das macht die Vergleichbarkeit von Kennzahlen aus Social Media in Abhängigkeit von gewähltem Anbieter und Messverfahren derzeit noch sehr schwierig. Hier ist eine Standardisierung nicht zuletzt im Interesse der be-
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trieblichen Marktforschung äußerst wünschenswert. Ungeachtet dieser Problematik sollte die Social Media Analyse in jedem Fall konkurrierende Produkte und Anbieter einbeziehen. Nur so lassen sich die eigenen Messergebnisse und Kennzahlen in einen aussagekräftigen Kontext stellen. Ein auch nach einem Jahrzehnt der Forschung zu Social Media heiß diskutiertes Thema ist die Sentimentanalyse. Unter Sentiment wird in diesem Zusammenhang eine positive, neutrale oder negative Aussage in einem Post, Tweet etc. verstanden. Entgegen den anderslautenden Beteuerungen mancher Anbieter von Social Media Monitoring ist es bis heute nicht möglich, allein über künstliche Intelligenz, sprich semantische Software, zu validen Sentimentanalysen zu gelangen. Das bestätigt auch Zahn (2014, S. 9). Ein erheblicher Anteil der Sentimentzuordnung muss, auch wenn aktuell mehr Social Media Monitoring durchführende Unternehmen eine automatische als manuelle Tonalitätsanalyse nutzen (vgl. Best 2012, S. 27), bis auf Weiteres von Menschen in „Handarbeit“ erledigt werden, um Ironie, Kürzeln und weiteren Sprachphänomenen gerecht zu werden. Nichtsdestotrotz besteht die Möglichkeit, durch intelligente Software die menschlichen Analyseleistungen an semantische Software so weiterzugeben, dass diese lernt und dadurch die Qualität automatischer Sentimentanalysen kontinuierlich verbessert. Bei der Datensammlung und -verarbeitung ist das Urheberrecht zu berücksichtigen. Den aktuellen Stand optimaler Sentimentanalyse gibt Sterne (2011, S. 138) wieder: Die neuesten Fortschritte der Technologie zur Stimmungsanalyse arbeiten mit einer Kombination von Techniken: – Statistik – Regelbasierten Definitionen und – Menschlicher Intervention, das heißt eine letzte Begutachtung der maschinellen Bewertung.
Die eingesammelten Daten gehören in aller Regel nicht der sammelnden Marktforschung oder dem von ihr beauftragten Dienstleister, sondern beispielsweise dem einstellenden Blogger (vgl. Sen 2011, S. 54–57). Darüber hinaus ist aus Gründen des Datenschutzes zu beachten, in welchem Maße die in Social Media Beiträgen angeführten personenbezogenen Daten in einem Bericht verwendet werden dürfen. Desgleichen muss die Marktforschung darauf achten, nur Daten aus freien Quellen zu verwenden (vgl. a. a. O., S. 108–111). Besonderes Augenmerk sollte im Rahmen des Social Media Monitoring auch Meinungsführern, sprich weit überdurchschnittlich produktiven und einflussreichen Autoren, gelten. Aufgabe der Marktforschung kann es nicht sein, diese Autoren im Sinne des eigenen Unternehmens zu beeinflussen, sondern vielmehr auf von ihnen ausgehende Bedrohungen, aber auch Chancen hinzuweisen. So lassen sich idealerweise Shit- oder Candystorms bereits in ihrer Entstehung erkennen und frühzeitig Reaktionen darauf ableiten. Nach Ansicht der Autoren liegt ohnehin in der Frühwarn- oder Alerting-Funktion von Social Media Analysen größeres Potenzial als im reinen deskriptiven Social Media Monitoring. Grundsätzlich muss jedoch bei der
5.4 Social Media Analysen | 187
personenbezogenen Social Media Analyse klar zwischen Forschungs- und sonstigen Verwendungszwecken unterschieden werden (vgl. ESOMAR 2011, S. 3). Bevor aber überhaupt gemessen wird, sollte sich die betriebliche Marktforschung in Zusammenarbeit mit ihren internen Kunden darüber klar werden, zu welchem Zweck die Erhebung stattfinden soll. Auch hier soll eine tabellarische Darstellung die wichtigsten Ziele der Messung auflisten (vgl. dazu auch Sterne 2011, S. 194–197): – Erhebung von Kennzahlen (KPI) – Resonanz auf eigene Social Media-Aktivitäten – Entwicklungen im Zeitverlauf – Aufdecken kritischer Themen – Konkurrenzanalyse – Benchmarking – Werbeerfolgsmessung – Entdecken und „Drehen“ kündigungswilliger Kunden – Ermittlung von Meinungsführern – Direkter Kontakt zu Meinungsführern – Unterstützung, z. T. auch Ersatz von Primärforschung – Begleitung von Produkteinführungen Da im Rahmen der Vorstellung von Inhalten des Social Media Monitoring auch bereits auf verschiedene Messziele eingegangen wurde, sollen an dieser Stelle nur die beiden letzten in der vorstehenden Tabelle aufgeführten Messziele aufgrund ihrer hohen Relevanz für die betriebliche Marktforschung näher erläutert werden. Zunächst einmal bedarf es bei eher traditionell ausgerichteten Marktforschern, für die Social Media oftmals lediglich Chaos sind, das der klassischen (quantitativen) Marktforschung als wohl geordnetem System von Daten konträr gegenüber zu stehen scheint, der Aufklärungsarbeit darüber, was die Social Media Analyse leisten kann. Den Einstieg dazu kann vor allem qualitative Forschung bilden. Im Vorfeld gerade qualitativer Primärerhebungen bietet es sich an, den Untersuchungsgegenstand hinsichtlich seiner Rezeption in Social Media genau zu betrachten. Hieraus können sich wertvolle Anregungen für die Gestaltung von Leitfäden oder Fragebögen ergeben bzw. Themenkomplexe sichtbar werden, die so im Kontext der Fragestellungen noch nicht berücksichtigt wurden. Im Extremfall kann durch eine gute Social Media Analyse eine Primärerhebung obsolet werden. Diese für in der traditionellen Marktforschung sozialisierte Marktforscher zugegebenermaßen etwas provokative Aussage trifft eher auf die qualitative Forschung zu. Die Autoren haben eine Fragestellung bearbeitet, deren qualitative, auf Einzelexplorationen beruhenden Forschungsergebnisse fast vollständig identisch mit denen der zuvor durchgeführten Social Media Analyse waren, so dass die qualitative Studie in diesem Fall eine reine Bestätigungsmarktforschung war. Auch im quantitativen
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Bereich gibt es durchaus Möglichkeiten, Primärerhebungen durch Social Media Analysen zu ersetzen (vgl. Geisberger 2011). Nichtsdestotrotz teilen die Autoren nicht die Ansicht von Zahn (2014, S. 6): Schaltet man eine qualitative Social Media Analyse einer quantitativen Befragung vor, geht man auf Nummer sicher, wirklich alle relevanten Aspekte in den Fragebogen aufgenommen und richtig gewichtet zu haben. Nicht zuletzt kann man damit sogar häufig auf andere qualitative Vorstudien verzichten.
Mangelnde Rezeption von Forschungsthemen und Social Media, die Analysen nicht zugänglich sind, sprechen gegen sie. Ungeachtet der Stärken und Schwächen von Social Media Analysen (vgl. auch Buerke/Reger-Wagner 2013, S. 168 f.) soll hier jedoch nicht für eine grundsätzliche Ersetzung traditioneller und bewährter Forschungsmethoden durch Social Media Analysen plädiert werden. Vielmehr halten die Autoren eine Verbindung beider Forschungsformen für sinnvoll. So kann, zum Beispiel im Vorfeld von Primärerhebungen, standardmäßig eine Social Media Analyse zum Forschungsgegenstand durchgeführt werden, um mit diesem vertrauter zu werden und die bereits geschilderten Anregungen für Leitfäden und Fragebögen zu gewinnen. Die Autoren haben mit solch eher experimenteller Forschung gute Ergebnisse erzielt (vgl. Zahn 2014, S. 8). Ein dediziertes Beispiel für den zielgerichteten Einsatz von Social Media Forschung bietet die Produktentwicklung. Hier kann analysiert werden, in welchem Kontext die Produktidee in Social Media diskutiert wird. Nehmen wir das fiktive Beispiel eines Schokoladenherstellers, der sich durch eine neue, verschmutzte Finger vermeidende Verpackung von seinen Konkurrenten abheben möchte. Er könnte über Social Media mehr über den Nutzungskontext von Schokoladenverzehr, z. B. auf Reisen, zu Hause, auf dem Spielplatz, am Arbeitsplatz, erfahren und darauf seine Produktentwicklung ausrichten bzw. potenzielle Nutzungsszenarien entwickeln. In einem späteren Schritt der Produktentwicklung ließen sich dann Social Media, etwa Schokoladenforen, im Sinne der Co-Creation zur Verfeinerung bzw. Bewertung des Konzepts nutzen. Eine Grundsatzentscheidung zu Beginn des Social Media Monitoring ist es, diese Forschung von der betrieblichen Marktforschung selbst oder von einem Dienstleister durchführen zu lassen. Die Abwägung zwischen einem internen oder externen Web-Monitoring bewegt sich im Grunde zwischen den beiden Polen „zur Verfügung stehende Ressourcen“ und „Komplexität und Detailgenauigkeit der erhobenen Daten und Analysen“. (Brauckmann 2010, S. 50)
Sollte sich eine betriebliche Marktforschung etwa aus Gründen der technischen Komplexität oder aufgrund fehlender eigener Ressourcen zur Nutzung eines Dienstleisters entscheiden, sollte das „immer mit der Entwicklung von eigenen Social-Media-Kompetenzen verbunden sein“ (a. a. O., S. 51), um tiefer in die For-
5.4 Social Media Analysen | 189
schungsmethodik einzusteigen und dadurch das Institut fachkundiger steuern zu können. Gleichwohl gibt es, etwa über Google Trends die Möglichkeit, mit einfachen Mitteln dem Social Media Monitoring entfernt verwandte Analysen durchzuführen. Von einer Nutzung durch professionelle Marktforscher ist jedoch abzusehen, da es sich dabei vor allem aufgrund des unklaren Erhebungsansatzes eher um Do-ityourself-Marktforschung handelt. Bedient sich die betriebliche Marktforschung eines Dienstleisters, muss dieser die gesetzeskonforme Sammlung der Daten gewährleisten, also etwa darauf verzichten, in geschlossene Benutzergruppen einzudringen und daneben das eventuell auf Inhalte bestehende Urheberrecht beachten (vgl. ESOMAR 2011, S. 6). Egal ob die betriebliche Marktforschung ihre Social Media Analysen in Eigenregie durchführt oder die Dienste eines Instituts in Anspruch nimmt, sind einige Qualitätskriterien einzuhalten, um zu validen Aussagen zu gelangen (vgl. Scheffler 2013, S. 136 f.). Dabei fällt deren weitgehende Übereinstimmung mit denen traditioneller Marktforschung auf. Unabhängig von der individuellen Fragestellung, die über Social Media Analysen beantwortet werden soll, unterliegt die Forschung festen Projektphasen. Plauschinat/Klaus (2013, S. 47–54) haben dazu das Phasenmodell des Social Media Monitoring aufgestellt. Es umfasst die folgenden fünf Phasen und Leitfragen: 1. Planen: Was sind die Untersuchungsziele/zentralen Fragestellungen? 2. Zuhören: Wie häufig und wo wird über das Unternehmen, Produkt, Thema etc. in der Web-Community diskutiert? 3. Analysieren: Was und wie wird im Zusammenhang mit dem Unternehmen, Produkt, Thema etc. diskutiert? 4. Verstehen: Warum diskutiert die Web-Community über das Unternehmen, Produkt, Thema? Wer diskutiert und mit welcher Relevanz? 5. Handeln: Wann und wie ist zu reagieren? Welche Maßnahmen und Prozesse sind notwendig? Nach Ansicht der Autoren ist hierbei insbesondere das Handeln positiv hervorzuheben (vgl. auch 7.2). Social Media Monitoring bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber klassischer Marktforschung. Zu nennen sind dabei in erster Linie die Frühindikation für Trends und die Möglichkeit, sich schnell einen ersten Überblick über Meinungen zu bestimmten Themen zu verschaffen. Als Allheilmittel oder gar als Ablösung der klassischen Marktforschung ist das Social Media Monitoring aber bei Weitem nicht geeignet. Dazu ist es (noch) zu vielen Einschränkungen unterworfen, von denen die schwerwiegendsten in der folgenden Auflistung aufgeführt sind: – Unklare Grundgesamtheit – Keine bevölkerungsrepräsentativen Aussagen – Kein (legales) Eindringen in geschlossene Benutzergruppen – Nicht alle Firmen finden im Web 2.0 statt
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– –
Nicht alle Themen finden im Web 2.0 statt Vollautomatische Sentimentanalyse, da Sprachsoftware weiterhin Probleme hat mit: – Ironie – Dialekt – Sprachmix (z. B. „Denglisch“ oder „KanakSprak“) – Jugendsprache – Technischen Abkürzungen – Kürzeln – Emoticons
Trotz all dieser Einschränkungen und Grenzen wird die Marktforschung rund um Social Media auch in den nächsten Jahren noch an Bedeutung gewinnen, wie die oben zitierten Zahlen des BITKOM beweisen. Was bedeutet das nun für die betriebliche Marktforschung? Sie muss sich vor allem davon frei machen, Social Media ausschließlich mit den Maßstäben der klassischen Marktforschung zu beurteilen und stattdessen ihr innovatives Potenzial zu erkennen. Gleichzeitig sollte man als betrieblicher Marktforscher die Vorschläge der Anbieter von Social Media Analysen gerade methodisch kritisch hinterfragen, da sie oftmals mehr versprechen als sie zu halten vermögen. Die Maßstäbe der klassischen Marktforschung gelten natürlich weiter, werden den Möglichkeiten der Social Media Forschung jedoch nicht in jedem Falle gerecht. Dafür zeichnet sich eine Reihe von erfolgsversprechenden Anwendungsbeispielen für Marktforschung rund um Social Media ab, die die folgende Tabelle ohne Anspruch auf Vollständigkeit auflistet: – Aufbau Big Data – Verbindung von Customer Relationship Management mit Social Media Analysen – Begleitung von Produkteinführungen – Thementransfer zwischen klassischer Marktforschung und Social Media Monitoring – Ergänzung, ggf. Ersatz von Primärforschung – Mustererkennung bei Shit- und Candystorms – Transfer von Meinungsbildern zwischen klassischen Medien und Social Media Da auf Big Data und seine Bedeutung für die betriebliche Marktforschung unter 5.5 eingegangen wird, sollen an dieser Stelle auf zwei (zukünftige) Anwendungsfelder von Social Media Monitoring etwas näher betrachtet werden. Social Media Analysen bzw. Social Media Monitoring sind nach Ansicht der Autoren den Kinderschuhen so weit entwachsen, dass an eine wechselseitige Ergänzung von Social Media Analysen und klassischer Marktforschung gedacht werden kann. Für die GfK besteht darin sogar ein „klarer USP der Marktforschung“ (GfK 2013, S. 43). Ein mögliches Beispiel können Treiberanalysen sein, die parallel, einander ergänzend, Äußerungen in Social
5.4 Social Media Analysen | 191
Media und qualitative Forschungsergebnisse verbinden, um daraus ein umfassendes Treiberportfolio zu entwickeln (vgl. Ottawa 2013a, S. 154). Da klassische Institute zum Teil noch Berührungsängste mit Social Media Monitoring haben, ist es Aufgabe der betrieblichen Marktforschung, hierbei als verbindender Katalysator tätig zu werden, indem entsprechende Anforderungen formuliert werden. Die Abb. 5.10 soll diesen Übergang von den „klassischen“ Social Media Analysen zu Social Media Monitoring 2.0 verdeutlichen, den Tabino/Kaufmann zutreffend mit der Frage: „Forschen Sie schon oder monitoren Sie noch?“ (Tabino/Kaufmann 2013, S. 123) beschreiben:
Social Media Analysen 1.0
Social Media Analysen 2.0 4. Forschung Headline 3. Berichte Headline schreiben
2. KPI Headline festlegen 1. Daten Headline sammeln
Kennzahlen
Relevanz
Kennzahlen-
festlegen
prüfen
Sammel-
technik entwickeln
system entwickeln
Relevante
Themen auswählen Berichtszyklen undformat festlegen
Kombination
mit traditioneller Marktforschung Nutzung für Fragestellungen außerhalb von Social Media
Abb. 5.10: Übergang von Social Media Analysen 1.0 zu 2.0 (Ottawa, Marco)
Ein weiterer Anknüpfungspunkt zwischen Social Media Analysen und eher klassischer Marktforschung erschließt sich über die Medienanalyse. Diese unter 5.6 noch näher beschriebene Forschungsform gehört zugegebenermaßen eher in den Randbereich marktforscherischer Tätigkeit. Nichtsdestotrotz hat manche betriebliche Marktforschung z. B. Presseclippings abonniert. Den Autoren sind bislang keine systematischen Ansätze bekannt, die Analysen klassischer und sozialer Medien dahingehend zu vereinen, dass beispielsweise Wanderungseffekte zwischen den beiden Mediengattungen systematisch erforscht würden. Auch hier sind betriebliche Marktforschungen gefordert, entsprechende Forschungsvorhaben anzustoßen, um etwa ein genaueres Frühwarnsystem für Shitstorms aufzubauen. Aus Sicht der betrieblichen Marktforschung zeichnen sich derzeit einige Trends im Zusammenhang mit Social Media Analysen ab. Obwohl noch neue Anbieter dieser Dienstleistung auftreten, scheint sich auf dem Anbietermarkt eine gewisse Konsolidierung abzuzeichnen. Gleichzeitig wird das Thema, teilweise unter Bereitstellung um-
192 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
fangreicher personeller und finanzieller Ressourcen, zunehmend von den großen, in der klassischen Marktforschung etablierten Instituten aufgegriffen. Es bleibt abzuwarten, in welchem Maße sie den schon länger auf diesem Markt tätigen Anbietern Marktanteile abjagen werden. Sollten die zuvor dargelegten Chancen für eine Integration des Social Media Monitoring in das traditionelle Methodenportfolio der Marktforschung verstärkt genutzt werden, spricht einiges für Komplettanbieter, die auch Social Media Monitoring anbieten. Letztlich, und hier spielt auch Hoffnung mit, scheint sich nach der oben erwähnten Kategorisierung der Social Media durch den BVDW langsam eine gewisse Standardisierung im Bereich der Social Media Forschung abzuzeichnen. Wünschenswert wären dabei vor allem einheitliche Kennzahlen, wie etwa der Wert eines einzelnen Beitrags in Social Media, für zumindest die wichtigsten Medien wie Facebook oder Twitter. In jedem Fall glauben 82 % der 2012 von DTO Research Befragten, dass sich die allgemeine Nutzung der Social Media Marktforschung ausweiten wird (vgl. DTO 2012, S. 42). Seit dem 15.03.2014 gilt die in der ersten Auflage unseres Buches lediglich angekündigte „Richtlinie für Untersuchungen in den und mittels der Sozialen Medien (Soziale Medien Richtlinie)“ (vgl. adm/ASI/BVM/DGOF 2014), deren Herausgeber die Verbände adm, ASI, BVM und DGOF sind. Sie geht vor allem auf die folgenden Punkte ein: – Wissenschaftlichkeit der Forschung – Zugang zu sozialen Medien für Marktforschungszwecke – Anonymisierungsgebot – Trennung der Marktforschung von anderen Tätigkeiten wie Direktmarketing, Werbung oder Verkaufsförderung – Einwilligung der Probanden – Rekrutierung von Probanden – Urheberrechte Zwei gute Einführungen in die Thematik der Social Media Analysen bieten Steimel/ Halemba/Dimitrova (2010) und Huber (2014). Weiterführende Literatur Buerke, Günter/Reger-Wagner, Katrin (2014): Marktforschung im Bereich Social Media. In: Hofbauer, Günter/Pattloch, Annette/Stumpf, Marcus (Hrsg.): Marketing in Forschung und Praxis. Berlin: uni-edition. Poynter, Ray (2010): The Handbook of Online and Social Media Research. West Sussex: Wiley. Scheffler, Hartmut (2013): Social Media. Bedeutung und Herausforderung für die Markt- und Meinungsforschung. In: Faulbaum, Frank et al. (Hrsg.): Qualitätssicherung in der Umfrageforschung. Wiesbaden: Springer, S. 113–137. Scherfer, Konrad/Volpers, Helmut (Hrsg.) (2013): Methoden der Webwissenschaft Teil 1. Berlin: LIT Verlag Dr. W. Hopf. Schmidt, Jan-Henrik (2013): Social Media. Wiesbaden: Springer Fachmedien. Sen, Evrim (2011): Social Media Monitoring für Unternehmen. Anforderungen an das WebMonitoring verstehen & richtige Fragen stellen. Köln: Social Media Verlag.
5.5 Big Data | 193
Steimel, Bernhard/Halemba, Christian/Dimitrova, Tanya (2010): Praxisleitfaden Social Media Monitoring. Meerbusch: MIND Business Consultants. Sterne, Jim (2011): Social Media Monitoring. Analyse und Optimierung Ihres Social Media Marketings auf Facebook, Twitter, YouTube und Co. Heidelberg u. a.: Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm. Werner, Andreas (2013): Social Media-Analytics & Monitoring. Verfahren und Werkzeuge zur Optimierung des ROI. Heidelberg: dpunkt.
5.5 Big Data Kaum eine Begrifflichkeit hat die Marktforschung in den letzten Jahren so bewegt wie „Big Data“. Aber auch in anderen Bereichen von Wirtschaft, Wissenschaft oder öffentlicher Verwaltung wird dieses Thema als „Innovationsthema der Informationstechnik“ diskutiert. Bei „Big Data“ handelt es sich aber nicht um eine innovative Auswertungs- oder Erhebungsmethode, sondern um die Bündelung von Technologien, die die Erfassung, Speicherung und Analyse unterschiedlich strukturierter Daten (auch in großen Mengen) ermöglichen. Generell wird die Entwicklung von „Big Data“ durch die Geschwindigkeit, mit der Daten zur Verfügung stehen und die immer größer werdenden Datenmengen in unterschiedlichsten Formaten begünstigt. Eine anerkannte Definition über das, was „Big Data“ eigentlich ist, gibt Dumbill (2013, S. 1): Big data is data that exceeds the processing capacity of conventional database systems. The data is too big, moves too fast, or doesn’t fit the structures of your database architectures. To gain value from this data, you must choose an alternative way to process it.
Ob die Prognose von Bloching/Luck/Ramge (2012, S. 10; zitiert nach King, 2013) Daten sind die Trittleiter zu einer neuen Erkenntnisstufe. Big Data wird Gesellschaft, Politik und Wirtschaft so grundlegend verändern wie der elektrische Strom und das Internet
dann auch zutreffend ist, werden wir erst in den nächsten Jahren beurteilen können – aber vieles spricht dafür.
194 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
Datenmenge (Volumen)
Datenvielfalt (Variety)
Anzahl von Datensätzen und Files Yotabytes Zettabytes Exabytes Petabytes Terabytex
Geschwindigkeit (Velocity)
Fremddaten (Web etc.) Firmendaten Unstrukturierte, semistrukturierte, strukturierte Daten Präsentationen | Videos | Fotos | Blogs Kommunikation von Maschinen
Big Data
Datengenerierung in hoher Geschwindigkeit Übertragung konstant erzeugter Daten Echtzeit Millisekunden Sekunden | Minunten | Stunden
Analytics Erkennen von Zusammenhängen, Bedeutungen, Mustern Vorhersagemodelle Data und Text Mining Bildanalytik | Realtime | Visualisierung
Abb. 5.11: „Big Data“ (BITKOM 2012a, S. 19)
Klassische Anwendungsbeispiele für Big Data sind (vgl. Horvath 2013) z. B. – verbesserte Methoden in Marketing und Produktentwicklung durch sich auf verschiedene Datenquellen stützende bessere und aktuellere Informationen über das Konsumverhalten – die Verkehrssteuerung in Großstädten durch die Integration von Daten zur Verkehrsdichte, des Wetters etc. (die ersten Erwähnungen von „Big Data“ finden sich schon vor 40 Jahren im Bereich der Klimaanalysen und Wettervorhersagen) oder auch – die Verbindung von aktuellen Leistungsdaten, genetischen Prädispositionen, Ernährungsstilen und anderen persönlichen Daten sowie Daten des Umfeldes sowie dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung in der Medizin Eine sehr gute Übersicht über die verschiedenen Einsatzfelder von „Big Data“ findet sich in BITKOM (2012a, Kapitel 10, S. 51–92). An all diesen Beispielen wird deutlich, dass die Herausforderungen meistens vor allem in einem dieser vier Bereiche liegen: – Die Aggregation großer Datenmengen – die zeitliche Verfügbarkeit von Daten – die Integration verschiedener Datenformate oder (nicht zuletzt) auch – im Bereich der Datenanalyse6
|| 6 Eine aktuelle Studie von IBM (2012) fügt zu diesen Dimensionen als weitere Dimension die „Richtigkeit“ der Daten hinzu. Nach unserer Auffassung gehört diese Dimension zwar eher in den Bereich „Analytics“, diese Sichtweise soll aber der Vollständigkeit halber mit erwähnt werden.
5.5 Big Data | 195
Generell wird bei der Beschäftigung mit dem Thema deutlich, dass die Datenanalyse und Modellierung der integrale Bestandteil von Big Data sind. So wird von Jonathan Shaw (2014) im Harvard Magazine abgeleitet, dass nicht die Quantität der Daten essenziell für „Big Data“ ist, sondern die Möglichkeiten, mit diesen Daten etwas anzufangen zu können. Hierbei sind Forecast-Methoden von entscheidender Bedeutung, wobei es sich um mehr oder weniger klassische Vorhersageverfahren handelt, die an die Erfordernisse angepasst werden (das Schlagwort lautet hier „predictive analytics“) (vgl. zu klassischen Forecastverfahren Backhaus/Erichson/Weiber 2010; eine informative Abhandlung zum Thema „neuronale Netze“ findet sich in Backhaus/Erichson/Weiber 2011). Verlässt man die Ebene der Visionen von und über „Big Data“ und befragt man Business- und IT-Experten wie in der schon zitierten Studie von IBM (2012), bei der N = 1144 Fachleute aus 26 Branchen und 95 Ländern befragt wurden, was „Big Data“ eigentlich ist, so ergibt sich die in der folgenden Abbildung dargestellte Verteilung der Antworten.
Definition Big Data 18%
Größere Bandbreite an Informationen
16%
Neue Arten von Daten und Analysen
15%
Echtzeitinformationen Zustrom von Daten aus neuen Technologien
13%
Moderne Medienarten
13% 10%
Große Datenmengen Das neueste Modewort Daten aus sozialen Medien
8% 7%
Abb. 5.12: Kategorisierte Antworten von N = 1144 Fachleuten zur (gestützten) Frage, wie „Big Data“ definiert werden kann (vgl. IBM 2012, S. 3)
Ähnlich breit dürfte das Spektrum der Antworten auch ausfallen, wenn man europäische Marktforscher zu diesem Thema befragen würde. Aktuell sind nach den Ergebnissen der internationalen Befragung von IBM (2012) in 24 % der Unternehmen noch keine Aktivitäten in diesem Bereich gestartet, in 47 % der Unternehmen sind „Big Data“-Aktivitäten geplant und in 28 % der Unternehmen
196 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
wurden erste Aktivitäten gestartet bzw. Modellprojekte implementiert. Im deutschsprachigen Raum sieht das nach einer Studie der BITKOM (2014) anders aus: Hier setzen gerade 9 % der Unternehmen „Big Data“-Lösungen ein (wobei der Anteil der Unternehmen mit 500 Mitarbeitern mit 27 % erwartungsgemäß höher liegt), 31 % planen konkret den Einsatz von „Big Data“ und bei den restlichen 60 % sind keine Aktivitäten erkennbar). Die Fachleute aus den 28 % der in der IBM-Studie befragten Unternehmen, die erste Aktivitäten gestartet bzw. Modellprojekte implementiert haben, machten die in der folgenden Abbildung dargestellten Angaben zu Datenquellen und Analyse-Tools.
Big Data-Analyse Tools
Big Data-Quellen 88%
Transaktionen 73%
Protokolldaten 59%
Ereignisdaten
57%
E-Mails Soziale Medien
43%
Abfragen und Reportings Data Mining
77%
Datenvisualisierung
66%
Simulation
Daten-Feeds
42%
Natürliche Texte
56%
IRRD/POS
41%
Geodatenanalyse
Freitext
41%
Stromanalyse
Audiodaten Pics/Vids
38%
67%
Optimierung
42%
40%
71%
Vorhersagemodelle
Sensoren
Geodaten
91%
Video Sprache
52% 46% 35%
26% 25%
34%
Abb. 5.13: Kategorisierte Angaben auf die offenen Fragen nach Datenquellen und Analyse-Tools (vgl. IBM 2012, S. 4)
Bei der BITKOM-Befragung aus dem Jahr 2014 ergab sich, dass bei den 9 % der Unternehmen, die bereits im Bereich „Big Data“ aktiv sind, der Schwerpunkt auf den Bereichen Marketing/Vertrieb/PR, Finanzen/Controlling und IT liegt. Die Zahlen einer Studie von PwC (2014) zeigen allerdings einen höheren Anteil von 27 % im Bereich „Big Data“ aktiven und 36 % planenden Unternehmen. Diese Unterschiede
5.5 Big Data | 197
dürften auf die zugrundeliegenden Stichproben (deren Repräsentativität nicht thematisiert wird) zurückzuführen sein. Generell gibt es bei der Planung und Implementierung nach King (2013, S. 161 f.) folgende Barrieren zu beachten, die vor allem vor dem Hintergrund, dass sich „praktisch keine Literatur über die Planung, Organisation und die internen Prozesse eines Big Data Projekts“ (King 2013, S. 161) finden lässt, eine intensive und ganzheitliche Beachtung verdienen: – Ethische Interessenkonflikte (bisher immer nur sehr ansatzweise und populistisch diskutiert) und Wunsch nach Privatsphäre, – Organisationskultur und mit „Big Data“ verbundene Change-Prozesse und – technologische Probleme. Insgesamt werden von King (2013) in ihrer umfassenden Literatursichtung 36 Barrieren und 31 Lösungsansätze identifiziert. Das Ergebnis der Studie mündet in drei Kernbotschaften (vgl. King, S. 162 ff.), die bei jeder Planung von „Big Data“ zu berücksichtigen sind: (1) Vertrauen als Schlüssel der Wertschöpfung, (2) interne Barrieren müssen überwunden werden und (3) die externen Barrieren sind am beständigsten. Positiv formuliert lassen sich nach King (2013, S. 164) die folgenden vier Erfolgsfaktoren ableiten: – Ethik und Recht: konform handeln – Datenzugang: Vertrauen gewinnen – Organisationskultur: Big Data leben – Ressourcen: Know-how und Technologie „Big Data“ ist also nicht nur als technologische oder methodische Herausforderung zu verstehen, sondern geht weit darüber hinaus. Aber versetzen wir uns jetzt in die Rolle eines betrieblichen Marktforschers, der „Big Data“ betreiben soll. Dann setzt „Big Data“ operativ in erster Linie voraus, dass die Modi der Datenerfassung geklärt sind, die etwaige Aggregation von Daten, die Behandlung von verschiedenartigen Daten sowie die Analyse dieser Daten. Hierbei kann der betriebliche Marktforscher davon ausgehen, dass die Umsetzung und Implementierung von „Big Data“ zu einem Großteil Aufgabe von IT-Experten und Statistikern ist. Unabhängig davon sollte aber der erste Punkt auf der Checkliste des betrieblichen Marktforschers lauten: Klären, welche Daten in welchen Datenbanken direkt oder nicht direkt zur Verfügung stehen. Und bereits an dieser Stelle scheitern viele „Big Data“-Fantasien an der Realität, da die relevanten Daten in ganz unterschiedlichen Datenbanken zur Verfügung stehen, es kaum Verknüpfungsmöglichkeiten gibt und ein direkter „Real Time“-Zugriff überhaupt nicht möglich ist. Gerade bei Kundendatenbanken in größeren Unternehmen, die mit der Zeit weiter ausgebaut wurden, kann der Zugriff sehr schwierig sein. Höhere Erfolgsaussichten gibt
198 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
es, wenn die IT-Architektur schon unter CRM-Gesichtspunkten angelegt wurde. Aber letztendlich gilt: Ohne Daten kein Big Data. Geht man davon aus, dass auf die Daten zugegriffen werden kann und betrachtet man die verschiedenen Ebenen des Prozesses der Einführung von „Big Data“ in Unternehmen – Informieren, – Planen, – Prüfen und – Umsetzen, so wird der betriebliche Marktforscher vor allem in der ersten Phase involviert sein, bei der es darum geht, zu definieren, welche Daten mit welcher (prädiktiven) Aussagekraft in einem „Big Data“-Modell verknüpft werden können und welche Qualität der Aussagen erreicht werden kann. Hierbei ist allerdings auch zu beachten, dass die Daten aus der Marktforschung nur einen (zum Teil auch geringen) Anteil an den Daten haben, die generell in einem solchen Modell integriert werden und dass der Marktforscher hier mit großer Wahrscheinlichkeit unter Beteiligung von Data Scientists (vgl. Franke 2013, S. 112) identifizieren muss, welche Daten zusammenhängen. „Big Data“ wird also mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in den primären Aufgabenbereich des betrieblichen Marktforschers fallen. Der betriebliche Marktforscher kann aber die Implementierung mit seinen Kenntnissen durch die Berücksichtigung der folgenden Fragen aus seinem Verantwortungsbereich unterstützen: – Welche Daten aus der Marktforschung stehen zu welchem Zeitpunkt in welchem Umfang in welchem Format zur Verfügung? – Gibt es bereits Real-Time-Datenströme, die in ein solches Modell ohne weitere Aufbereitung integriert werden können? – Welche Aggregationen von Daten sind sinnvoll und wie können Daten aus verschiedenen Quellen (z. B. Blogs und E-Mail-Anfragen) sinnvoll miteinander in Beziehung gesetzt werden? – Welche Daten haben nach Einschätzung des Marktforschers überhaupt einen prädiktiven Wert für z. B. den Umsatz und wie stark ist dieser prädiktive Wert (auch unter dem Aspekt des zeitlichen Abstandes zwischen Datenerhebung und zu prädizierendem Ereignis)? – Welche Methoden (das gilt jetzt für einen methodisch versierten Marktforscher) kommen für die „predictive analytics“ in Frage und sind diese Methoden angemessen? – Von welchen zukünftigen Entwicklungen ist im Bereich der Datenerhebung auszugehen (z. B. Wearables, verstärkter Einsatz von Beacons etc.) und gibt es „Platz“ in dem Modell für diese Daten?
5.5 Big Data | 199
Grundsätzlich sollte der betriebliche Marktforscher aber auch bei der Klärung der Frage, ob die Implementierung von „Big Data“ überhaupt sinnvoll ist, unter den folgenden Aspekten involviert werden: – Kann überhaupt ein hinreichend großer Anteil des relevanten Kundenverhaltens über einen „Big Data“-Ansatz vorhergesagt werden („Varianzaufklärung“) und – sind die Datenquellen, die Eingang finden, überhaupt repräsentativ für die Kunden, deren Verhalten vorhergesagt werden soll? Abschließend muss nochmals (vgl. auch BITKOM 2012a, Kapitel 10.1, Anwendungsbeispiele aus Marketing und Vertrieb) darauf hingewiesen werden, dass „Big Data“ in vielen Bereichen, die mit dem Aufgabenfeld des betrieblichen Marktforschers in Zusammenhang stehen, tatsächlich eher noch Vision als Realität ist bzw. viele Fragen aus diesem Bereich sich noch eher auf IT-Themen fokussieren als auf die Frage nach validen Parametern in den Modellen. Unabhängig davon ist es aber bei vielen Themen sinnvoll, die betriebliche Marktforschung in die Überprüfung der Machbarkeit von „Big Data“ zu involvieren. Ein weiterer „Nebeneffekt“ von Big Data können Produkte sein, die wiederum in das Portfolio des Unternehmens aufgenommen werden können. Weiterführende Literatur Backhaus, Klaus/Erichson, Bernd/Weiber, Rolf (2010): Multivariate Analysemethoden. Heidelberg: Springer. Backhaus, Klaus/Erichson, Bernd/Weiber, Rolf (2011): Fortgeschrittene Multivariate Analysemethoden. Heidelberg: Springer. BITKOM (2012): Big Data im Praxiseinsatz – Szenarien, Beispiele, Effekte. Berlin: BITKOM – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. BITKOM (2014): Studienbericht „Big Data in deutschen Unternehmen“. http://www.bitkom.org/de/publikationen/38338_79283.aspx (abgerufen am 04.03.2015). Horvath, Sabine (2013): Aktueller Begriff – Big Data. Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages. http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2013/Big_Data.pdf (abgerufen am 08.12. 2013) IBM (2012): Analytics: Big Data in der Praxis. IBM Global Business Services. http://www-935.ibm. com/services/de/gbs/thoughtleadership/GBE03519-DEDE-00.pdf (abgerufen am 08.12. 2013). King, Stefanie (2013): Big Data. Potential und Barrieren der Nutzung im Unternehmenskontext. Heidelberg: Springer. Morabito, Vincenzo (2015): Big Data and Analytics. Heidelberg: Springer. PricewaterhouseCoopers (2014): Revolution Big Data. http://www.pwc.de/de/digitaletransformation/pwc-studie_unternehmen-sehen-in-big-data-grosse-chancen.jhtml (abgerufen am 04.03. 2015). Theobald, Elke (2013): Big Data – Big Challenge. In:Müller-Peters, Horst (Hrsg.): Marktforschung in der digitalisierten Welt. Köln: marktforschung.de, S. 115–119.
200 | 5 Spezialfälle der betrieblichen Marktforschung
5.6 Medienanalyse Im Vergleich zu den in den letzten Jahren geradezu zum marktforscherischen Modethema gewordenen Social Media Analysen findet die klassische Medienanalyse, gemessen unter anderem an ihrer Behandlung in wissenschaftlichen Publikationen, nur in sehr untergeordnetem Maße die Aufmerksamkeit der Marktforscher. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Vielleicht liegen sie in den Anfängen der Medienanalyse begründet. Die Autoren können sich noch daran erinnern, in frühen Morgenstunden mit Schere und Klebestiften bewaffnet in zahlreichen Zeitschriften und Zeitungen nach für ihre Unternehmen relevanten Presseartikeln gesucht zu haben, um diese im Laufe des Tages der Geschäftsführung und der Pressestelle vorzulegen. Diese wenig an wissenschaftliche Methoden der Marktforschung erinnernde Art der Medienanalyse dürfte zumindest in größeren Unternehmen inzwischen durch ein professionelles Presse-Clipping abgelöst worden sein, hat jedoch in ihren Grundzügen nichts an Aktualität verloren. Das zeigen auch Aussagen zur Nutzungshäufigkeit einzelner Methoden im Rahmen der Markt- und Wettbewerbsanalyse. Hier steht die Medienbeobachtung (69 % permanent) weit vor den Social Media Analysen (45 % permanent) (vgl. planung & analyse/research tools 2012, S. 43) oder auch Werner (2013, S. 2 f.). Um sogleich einem möglichen Missverständnis vorzubeugen, sei an dieser Stelle erwähnt, dass sich die Medienanalyse nicht nur auf Printmedien, sondern ebenso auf Rundfunk, Fernsehen und Web 1.0 bezieht. Sie hat zur Aufgabe, alle relevanten Beiträge zum Unternehmen, zu Konkurrenten und den relevanten Märkten zu sammeln, zu kategorisieren, zu analysieren und für interne Kunden wie Produktentwicklung oder Geschäftsführung aufzubereiten. Dabei verfolgt sie hauptsächlich zwei Zielrichtungen. Die erste gilt der Sammlung aktueller Meldungen, um, etwa über die Presseabteilung, zeitnah auf sie reagieren zu können. Die andere ist Teil der Markt- und Wettbewerbsanalyse (vgl. Kapitel 1.6) im Sinne einer möglichst vollständigen Beobachtung der Unternehmensumwelt. Seit dem massiven Aufkommen der Social Media Analysen wird in Marktforschungskreisen immer wieder die Meinung vertreten, die klassische Medienanalyse habe ausgedient, da sich die wesentliche Kommunikation nur noch in Social Media abspiele. Dafür fehlen bislang jedoch wissenschaftliche Beweise. Die Autoren vertreten vielmehr die Hypothese, dass sich klassische Medien und Social Media, zumindest teilweise, gegenseitig beeinflussen können. So haben klassische Medien schon Shitstorms aus Social Media aufgegriffen und über sie berichtet. Sie haben damit das Thema auch in einem Personenkreis verbreitet, welcher Social Media nicht nutzt. Umgekehrt gibt es Beispiele für Fernsehberichte, welche anschließend in Social Media diskutiert wurden. U. E. dürfen Social Media und klassische Medien deshalb nicht losgelöst voneinander betrachtet und betrieben werden. Aus Sicht der betrieblichen Marktforschung ist es bedauerlich, dass es bislang nur eine verschwindend geringe Anzahl von Anbie-
5.6 Medienanalyse | 201
tern gibt, welche beide Arten der Medienanalyse gemeinsam anbietet. Dieses gemeinsame Angebot sollte bei der Anbieterauswahl jedoch ein maßgebliches Kriterium darstellen, um ein einheitliches und umfassendes Bild von der Rezeption des eigenen Unternehmens in den verschiedenen Arten von Medien zu erhalten.
6 Ergebnispräsentation und -verwertung 6.1 Ergebnispräsentation Die Ergebnispräsentation umfasst im engeren Sinn die Präsentation der Ergebnisse durch einen Präsentator vor einem persönlich oder per Video-, Web- oder Telefonkonferenz anwesenden Empfängerkreis. Im weiteren Sinn umfasst er auch das Format, in welchem die Ergebnisse geliefert werden. Zwei Prämissen sind bei letzterer Form der Ergebnispräsentation zu beachten: 1. Ich bekomme die Studienergebnisse vor meinen internen Kunden 2. Ich bekomme die Ergebnisse so frühzeitig vor ihrer Präsentation, dass ich sie sorgfältig lesen und ggf. noch ändern (lassen) kann Nur so hat der betriebliche Marktforscher die Chance, unter Umständen fehlerhafte oder unvollständige Präsentationsunterlagen korrigieren zu lassen, bevor die Ergebnisse an die internen Kunden gelangen und dort auch ein negatives Bild auf ihn selbst zurückfallen lassen könnten. Eine gute Präsentation ermöglicht es ihm zudem, seine Glaubwürdigkeit und damit das Vertrauen in seine Arbeit zu erhalten oder noch weiter auszubauen (vgl. Zaltman/Moorman 1988, S. 22). Die folgenden Leitfragen zur Begutachtung von Forschungsergebnissen beziehen sich primär auf klassische Powerpoint-Präsentationen, können ihrem Grunde nach aber auch auf andere Formen der Ergebnislieferung wie etwa Tabellenbände oder SPSS-Tabellen übertragen werden. – Sind die Ergebnisse plausibel? – Enthält die Präsentation inhaltliche Fehler? – Ist der Aufbau der Präsentation logisch und nachvollziehbar? – Enthält die Präsentation Rechen-, Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler? – Sind die Ergebnisse optisch ansprechend und einheitlich aufbereitet? – Entspricht die Präsentation dem vereinbarten CI/CD? – Sind die Ergebnisse konsistent? – Ist die Länge der Präsentation angemessen? – Welche Limitationen gab es? Daneben soll eine Präsentation sorgfältig auf die folgenden Punkte geachtet werden:
204 | 6 Ergebnispräsentation und -verwertung
– – –
Double- and triple-check all labels, numbers, and visual shapes. A faulty or misleading visual discredits your report and work. Exercise caution if you use three-dimensional figures. They may distort the data by multiplying the value by their width and the height. Make sure all parts of the scales are presented. Truncated graphs (having breaks in the scaled values on either axis) are acceptable only if the audience if familiar with the data. (Burns/Bush/Sinha 2014, S. 453)
Sollte ein betrieblicher Marktforscher die Präsentation selbst erstellen, ist es ratsam, sie von einem Dritten gegenlesen zu lassen. Hinsichtlich fachlicher Aspekte bieten sich dafür andere Marktforscher aus der eigenen Abteilung an. Was die „Geschichte“, die mit der Präsentation erzählt werden soll, anbelangt, können es auch gerne fachfremde Personen sein, weil diese, ungestört von Fachkenntnissen, oftmals häufiger als mit der Materie Vertraute auf Unplausibilitäten, unverständliche Abkürzungen oder missverständliche Formulierungen stoßen. Dabei muss jedoch beachtet werden, keine Betriebsinterna in fremde Hände geraten zu lassen. Die vorne gestellte Frage nach den Limitierungen soll kurz tiefer beleuchtet werden. Keine noch so gut geplante Studie ist davor gefeit, nicht alle Ziele zu erreichen. Ein betrieblicher Marktforscher ist gut beraten, dies im Vorfeld der Präsentation offen anzusprechen. Das gilt primär für die folgenden vier Punkte: – – – –
Verzerrte Stichproben (Ungewöhnlich) geringe Rücklaufquoten Zeitliche Einschränkungen bei der Datenerhebung Nicht erreichte Forschungsziele (Magerhans/Merkel/Cimbalista 2013, S. 79)
6.1.1 Zielgruppe der Ergebnispräsentation Als Zielgruppe einer Ergebnispräsentation kommt analog zu den internen Auftraggebern von Marktforschung eine Vielzahl von Gruppen in Frage. Wird vor der Arbeitsebene der internen Kunden präsentiert, soll die Präsentation bei großzügigem Zeitansatz von in der Regel anderthalb bis drei Stunden durchaus ins Detail gehen, weil sich die Empfänger tief im Untersuchungsgegenstand befinden. Je hierarchisch höher der Empfängerkreis angesiedelt ist, desto kürzer wird die zur Ergebnispräsentation zur Verfügung stehende Zeit sein, was wiederum eine Konzentration auf die Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen bedingt. Besonders anspruchsvoll wird die Präsentation, wenn das Auditorium hinsichtlich der Bereiche und/oder der Hierarchieebenen stark heterogen ist. Hier kann es leicht zu Friktionen hinsichtlich der unterschiedlichen Informationsbedürfnisse kommen (vgl. Hague/Hague/Morgan 2013, S. 196 f.). Eine mögliche Lösung kann darin bestehen, zunächst Kernergebnisse für das obere Management zu präsentieren und dann für die Zuhörer aus der Arbeitsebene detailliert zu präsentieren, ggf. auch mit ihnen zu diskutieren. Weitere mögliche Empfänger können
6.1 Ergebnispräsentation | 205
Sozialpartner sein. Im Rahmen der schon im Betriebsverfassungsgesetz empfohlenen vertrauensvollen Zusammenarbeit (vgl. § 2(1) BetrVG) sollten auch die Vertreter von Betriebs- oder Personalräten so ehrlich und offen wie die Adressaten der Fachabteilungen informiert werden. Gerade bei Mitarbeiterbefragungen oder sonstigen Formen interner Studien hat der Sozialpartner als Interessenvertretung der Mitarbeiter ein vitales Interesse an vollständiger und ehrlicher Kommunikation, um ggf. Mängeln im Betrieb abzuhelfen. Unabhängig von der individuellen Zielgruppe der Präsentation ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie auf die Bedürfnisse des Empfängerkreises ausgerichtet ist. “Researchers must learn to talk about what the results mean for the clients“ (Vriens/Grover 2006, S. 29).
6.1.2 Erwartungen der Zuhörer Researchers need to put themselves in the shoes of the clients and think through the specific information that the clients want to hear and also the likely manner in which they will want it communicated. (Wilson 2007, S. 277)
Wilson (a. a. O., S. 277 ff.) betont, dass eine erfolgreiche Präsentation nicht nur darin besteht, korrekte Ergebnisse in ansprechender Form den richtigen Empfängern zu vermitteln, sondern sich soweit in die Empfänger zu versetzen, dass deren Bedürfnisse optimal erfüllt sind. Das setzt zunächst voraus, ihre Bedürfnisse zu verstehen. Diese können beispielsweise eine kurze Information über die Materie, Ansatzpunkte für tiefergehende Diskussionen oder auch schlichtweg den Wunsch, unterhaltsam informiert zu werden, beinhalten. Burns/Bush/Sinha (2014, S. 436) führen dazu eine Reihe von Fragen auf, die nicht nur ein betrieblicher Marktforscher vor Erstellung bzw. Durchführung einer Präsentation für sich beantworten sollte: – – – – – – – – – – –
What message do you want to communicate? What is your purpose? Who is the audience? If there are multiple audiences, who is your primary audience? Your secondary audience? What does your audience know? What does your audience need to know? Are there cultural differences you need to consider? What biases or preconceived notions of the audience might serve as barriers to your message? What strategies can you use to overcome these negative attitudes? Do demographic and lifestyle variables of your audience affect their perspective of your research? What are your audience’s interests, values, and concerns?
Unabhängig von der Hierarchieebene, auf welcher sich die Empfänger bewegen, soll eine gute Präsentation die Wichtigkeit der Empfänger respektieren. Das verbietet eine
206 | 6 Ergebnispräsentation und -verwertung
dozierende, sich in marktforscherischen Details verlierende Art der Präsentation, die den Eindruck erweckt, der präsentierende Marktforscher sei im Gegensatz zu den empfangenden Geschäftsführern, Werbern oder Produktmanagern der einzig Wissende und damit Wichtige in der Runde. Vielmehr muss er in der Lage sein, sich in seine Zuhörer hineinzudenken, um seine Botschaften optimal zu platzieren (vgl. Abrahams 2013, S. 3). Ein guter Präsentator beherzigt deswegen, dass die Ergebnisse im Mittelpunkt stehen und er lediglich das Medium der Ergebnisvermittlung ist. Mitentscheidend für eine gute Präsentation ist es, aufzuzeigen, wie die in ihr enthaltenen Informationen den Empfängern helfen, ihr Geschäft besser zu gestalten. Dazu gehört es, die Kernergebnisse herauszustreichen und Details, seien sie nun inhaltlicher oder methodischer Art, nur dann zu betonen, wenn sie helfen, die Kerninformationen zu erläutern. In der Regel erwarten die Empfänger nicht nur neutrale Ergebnisse, sondern auch Ideen oder Handlungsempfehlungen, wie sie ihr Geschäft verbessern können. Die Studien von Franzen/Strehlau (2013, S. 4) zeigen gleichwohl, dass bei weitem nicht immer Handlungsempfehlungen aus Marktforschungsstudien abgeleitet werden. Daneben spielt die Glaubwürdigkeit des Vortragenden eine wichtige Rolle, um eine Präsentation erfolgreich zu machen. Glaubwürdigkeit hängt dabei im Wesentlichen von Ihren Kenntnissen ab – in Bezug auf Ihr Thema und Ihr Publikum – sowie von Ihrem Selbstvertrauen. (Abrahams 2013, S. 2)
Für Abrahams (a. a. O., S. 2) ist Glaubwürdigkeit die Summe aus Fachkenntnissen und Selbstvertrauen. Wilson (2005, S. 254–256), hat dazu sechs Anforderungen der Zuhörer an die Präsentatoren aufgestellt: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Respect my importance Consider my needs Demonstrate how your information helps me Explain the detail that underpins your information Remind me of the key points Suggest what I should do now.
Neben den Erwartungen der Empfänger von Marktforschungsergebnissen sollte sich ein betrieblicher Marktforscher im gleichen Maße der ihm und seiner Arbeit möglicherweise entgegengebrachten Vorurteile bewusst sein, wie sie Lachmann (1994, S. 32) aufführt: – – – – – – –
Ergebnisse kommen zu spät, Ergebnisse sind viel zu breit (keine Zeit zu lesen), Ergebnisse sind unverständlich, Ergebnisse sind vieldeutig, keine Handlungshinweise erkennbar, wollten eigentlich ganz etwas anderes wissen, viel zu teuer (gemessen am Risiko der Entscheidung) usw.
6.1 Ergebnispräsentation | 207
6.1.3 Format der Ergebnispräsentation Das klassische Präsentationsformat besteht aus einem Satz Folien in Powerpoint oder PDF. Eine Alternative zu diesen klassischen Formaten bietet die Verwendung von Präsentationstools wie z. B. Prezi. Prezi ist ein plattformunabhängiges cloudgestütztes Präsentationsprogramm. Mit der Software kann auf Basis der FlashTechnologie eine Präsentation auf einem virtuellen, großen Blatt Papier erstellt werden, auf dem man sich durch Maussteuerung bewegen sowie hinein- und herauszoomen kann (vgl. Diamond 2010). Die Ergebnisse können aber auch, wenn die Visualisierung zu aufwändig ist oder etwa aus Zeit- oder Kostengründen unterbleibt, als Tabellenband oder Datensatz in SPSS, Excel oder PDF geliefert werden. Als weitere Möglichkeit der Präsentation kann die Ergebnislieferung direkt in ein ITTool, das beispielsweise ein Web-basiertes Dashboard sein kann, erfolgen. In jedem Falle sollte die Ergebnispräsentation mit der üblichen Marktforschung Kernergebnisse und Handlungsempfehlungen enthalten, um auch dem Empfänger, dem wie den meisten Managern die Zeit für ein intensives Studium der Untersuchungsergebnisse fehlt, einen schnellen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse und Ableitungen der Studie zu ermöglichen. Vor der Bekanntgabe der Ergebnisse muss der betriebliche Marktforscher hinterfragen, ob die im Vorfeld der Studie hinsichtlich der Art der Präsentation getroffene Entscheidung noch passend ist. Genügt beispielsweise angesichts kritischer Forschungsergebnisse noch eine bloße Zusendung der Ergebnisse an die Empfänger, oder ist eine persönliche Präsentation durch ihn oder das beauftragte Institut vorzuziehen? Für die reine Zusendung sprechen die Zeitersparnis, der geringere Koordinationsaufwand, um etwa Räume und Termine zu finden, sowie die wegfallenden Kosten für Reisen, Tagessätze der Institutspräsentatoren, Raummieten oder Bewirtung. Auch wenn eine reine Zusendung Ressourcen spart, hat sie gegenüber einer persönlichen Präsentation eine Reihe von Nachteilen. Für eine persönliche Präsentation spricht neben der höheren Behaltensquote von gesehenen und gehörten gegenüber lediglich gesehenen Inhalten (vgl. Vornkahl 1997, S. 165) zunächst die Wertschätzung der Empfänger, indem sich betriebliche Marktforschung und ggf. das Institut für sie Zeit nehmen, um ihre Fragen persönlich zu beantworten. Die direkte Interaktion zwischen präsentierenden Marktforschern und ihren Adressaten bietet die Möglichkeit, direkt Fragen zu stellen und zu beantworten und für die jeweilige Gegenseite und deren Tun mehr Verständnis zu gewinnen. Zusätzlich bietet eine persönliche Präsentation gerade dem betrieblichen Marktforscher, aber auch dem Institutsmarktforscher, eine Bühne, seine Arbeit und sich darzustellen und im Idealfall auch seinen Mehrwert für das Unternehmen zu verdeutlichen. Letztlich ist auch der Nutzen der Vernetzung, gerade wenn vor höheren Managern präsentiert wird, zu denen im täglichen Geschäft nur wenig oder kein direkter Kontakt besteht, nicht zu unterschätzen.
208 | 6 Ergebnispräsentation und -verwertung
Im Regelfall überwiegen die Vorteile einer persönlichen Präsentation deren Nachteile durch die Inanspruchnahme zusätzlicher Ressourcen. Allerdings kann bei Ergebnissen, die regelmäßig in Wellen geliefert werden, gut auf eine persönliche Präsentation verzichtet werden, solange sich im Design der Studie oder bei den Ergebnissen an sich nichts Gravierendes geändert hat (vgl. Kastin 2008, S. 225 f.). Im Folgenden werden die Vorteile unterschiedlicher Präsentationsformen dargestellt.
Pro Zusendung der Präsentation – Zeitersparnis – Geringerer Koordinationsaufwand – Keine Kosten für Reisen, Räume etc. – Möglichkeit der Empfänger, sich unbeeinflusst vom Präsentator eine eigene Meinung zu bilden
Pro Persönliche Präsentation – Wertschätzung der Empfänger – Direkte Interaktion mit der Marktforschung – Direkte Klärung von Fragen und Unklarheiten – Bühne für die Marktforschung – Direkte Aufnahme von Kundenwünschen – Förderung von Diskussion und Dialog über die Ergebnisse – Gesteigerte Aufnahme der Informationen durch Hören und Sehen – Netzwerken In der Praxis (vgl. Verführt 2014, S. 89) bedienen sich 95 % der betrieblichen Marktforscher der persönlichen Ergebnispräsentation und 88 % (zusätzlich) digitaler Ergebnisberichte. Immerhin 49 % vermitteln Studienergebnissen in Ergebnisworkshops. Wenn die Entscheidung für eine persönliche Präsentation gefallen ist, ist zu entscheiden, ob diese durch die betriebliche Marktforschung oder das Institut erfolgt. Für beide Arten sprechen einige Vorteile. Zunächst soll auf die Gründe für eine Präsentation durch die betriebliche Marktforschung eingegangen werden. Der erste Grund liegt auf der Hand, nämlich, dass die Studie von der betrieblichen Marktforschung in Eigenregie durchgeführt worden ist. Wenn es sich um eine Wellenbefragung handelt, deren erste Ergebnislieferung bereits erfolgt ist, kann auf die Präsentation durch ein Institut in aller Regel verzichtet werden. Dadurch lassen sich die schnell vierstellige Beträge erreichenden Kosten für die Präsentation durch ein Institut einsparen. Gerade bei kleinen Instituten mit einem stark begrenzten Mitarbeiterstamm kann es vorkommen, dass es über keinen geeigneten Präsentator verfügt. In diesem Fall sollte besser nach einem intensiven Briefing durch das Institut ein be-
6.1 Ergebnispräsentation | 209
trieblicher Marktforscher mit entsprechender Qualifikation die Präsentation übernehmen. Ein weiterer Grund für betriebliche Marktforscher ist die Präsentation von Ergebnissen aus verschiedenen Studien in einem Termin, etwa wenn dem Management ein Überblick über verschiedene Forschungsergebnisse zu einem bestimmten Themengebiet geboten werden soll. Den Vorteilen betrieblicher Marktforscher bei der Präsentation stehen aber auch zahlreiche Vorteile einer Präsentation durch ein Institut gegenüber. Ein wichtiger Vorteil ist die größere Neutralität des Instituts. Es steht zwar möglicherweise in einer gewissen finanziellen Abhängigkeit von seinem Auftraggeber, aber im Gegensatz zur betrieblichen Marktforschung nicht in einer, wenn auch möglicherweise nur informellen, Weisungsgebundenheit. Daneben gilt auch hier manchmal das Sprichwort vom Propheten, sprich betrieblichen Marktforscher, dessen Meinung im eigenen Lande nicht zählt. Ein objektiv zu treffendes Kriterium für das Institut ist dessen im Vergleich zur betrieblichen Marktforschung tieferes Wissen um die Feldarbeit verwendete Methodik und Analyseverfahren. Da betriebliche Marktforscher in der Regel nicht die gesamte Feldarbeit beobachten, fällt es einem Institut leichter, beispielhafte Originaltöne einfließen zu lassen bzw. die Atmosphäre und Gruppendynamik bei quantitativen Studien wiederzugeben. Bei vor allem quantitativen Studien steckt ein Institut ebenfalls tiefer in den Rohdaten und den (statistischen) Analysemethoden (vgl. Hahn/Trame 2014, S. 6 und 8). Fragen aus dem Plenum der Ergebnisempfänger können so direkt ohne den Umweg über die betriebliche Marktforschung von den Studienleitern beantwortet werden. Das erspart dem betrieblichen Marktforscher auch unter Umständen das Eingeständnis, Fragen nicht selbst beantworten zu können, was seiner Reputation und der Anmutung seines Mehrwerts für das Unternehmen nicht zuträglich sein wird. Zudem können Institute auch ihre Erfahrungen aus bestimmten Branchen oder anderen Studien in die Präsentation einfließen lassen. Aus Sicht der betrieblichen Marktforschung ist auch die direkte Rückmeldung ihrer internen Kunden auf die Leistung des Instituts ein Vorteil. Allerdings besteht, wie die Autoren bereits persönlich erleben mussten, dabei auch die Gefahr der negativen Rückmeldung, wenn das Institut etwa erst in der Präsentation Fehler in seinen eigenen Ergebnissen entdeckt oder, noch schlimmer, diese von den internen Kunden entdeckt werden. Ein pauschales Votum für die Präsentation durch betriebliche Marktforschung oder Institut verbietet sich nach den vorhergehenden Ausführungen. In der Praxis gibt es jedoch eine Präferenz für die betriebliche Marktforschung (48 %) gegenüber gemeinsamer Präsentation mit dem Institut (22 %) und reiner Institutspräsentation (22 %) (vgl. Verführt 2014, S. 91). Das Optimum kann jedoch ungeachtet der empirischen Befunde eine Ko-Präsentation sein, bei der der betriebliche Marktforscher beispielsweise die Einführung in die Thematik und das Resümee, das Institut die engere Ergebnispräsentation übernimmt. Die folgende Auflistung stellt die Vorteile unterschiedlicher Präsentationsformen dar (vgl. Hahn/Trame 2014).
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Pro betriebliche Marktforschung – Durchführung der Studie durch die betriebliche Marktforschung – Wellenbefragungen – Geringere Kosten – Ergebnisse aus mehreren Studien
Pro Institut – Größere Neutralität – Höhere Wahrnehmung beim Management – Tieferes Wissen um die Studie – Direkte Rückmeldungen aus der Feldarbeit – Tiefere methodische Kenntnisse – Direktere Beurteilung der Feldarbeit – Qualitative Forschung – Originaltöne – Atmosphäre – Gruppendynamik – Quantitative Forschung – Tiefere Kenntnis der Rohdaten – Tiefere Kenntnis der Analysemethoden – Erfahrung aus Studien für Dritte
6.1.4 Gliederung einer Ergebnispräsentation Unter Ergebnispräsentation soll in diesem und dem folgenden Absatz der für gewöhnlich in Powerpoint oder als PDF vorliegende Ergebnisbericht verstanden werden. Es empfiehlt sich, aus Gründen der vereinfachten Lesbarkeit und Wiedererkennbarkeit einen einheitlichen Aufbau für seine Präsentationen zu wählen. So finden sich Leser leichter in den Ergebnisbänden zurecht. Das einleitende Deckblatt soll in wenigen Worten vermitteln, wer für wen wann zu welchem Thema geforscht hat. Es folgt die Gliederung der Präsentation, gefolgt vom Studiensteckbrief. Er enthält alle nötigen Metadaten zur Studie. Dazu zählen neben der Ausgangsfrage in erster Linie die verwendete Methodik, das beauftragte Institut, die Stichprobe und ihre Größe, die Feldzeit, eventuelle Probleme während der Feldarbeit, der Projektleiter in der betrieblichen Marktforschung sowie der interne Auftraggeber. Den Löwenanteil der Präsentation nehmen die eigentlichen Forschungsergebnisse ein. Bei umfangreichen Studien kann es hilfreich sein, die Ergebnisse in einzelne Kapitel zu unterteilen, denen zur besseren Orientierung jeweils ein Vorblatt vorangestellt wird. Den Abschluss der Präsentation bilden die Management Summary sowie die Hand-
6.1 Ergebnispräsentation | 211
lungsempfehlungen. Es ist ratsam, die letztgenannten Punkte an das Ende der Präsentation zu stellen, um die Spannung während der Präsentation aufrecht zu erhalten, indem die Kernergebnisse nicht sofort vorgestellt werden. Der Anhang kann den Fragebogen, Testmaterial, z. B. werbliche Anzeigen oder ergänzende Folien mit Hintergrundinformationen, enthalten (vgl. Bradley 2010, S. 348). Die folgende Auflistung fasst den Aufbau noch einmal zusammen (a. a. O., S. 346–348): – Deckblatt – Titel – Institut – Datum – Gliederung – Studiensteckbrief – Ausgangsfrage und Ziele – Institut – Projektleiter in der betrieblichen Marktforschung – Methodik – Stichprobe mit Größe – Feldzeit – Probleme während der Feldzeit (Limitationen) – Auftraggeber – Ergebnisse – Management Summary – Handlungsempfehlung – Anhang Eine u. E. aufgrund ihrer Detailfülle kaum praktikable Struktur zum Aufbau einer Ergebnispräsentation führt Malhotra (2014, S. 611) an. Zu bevorzugen sind demgegenüber die Ausführungen bei Magerhans/Merkel/Cimbalista (2013, S. 67–84) oder Neumann (2013, S. 444–448). Letzterer geht auch detailliert auf die Beschreibung des Studiendesigns an sich (a. a. O., S. 448 f.) und die Gestaltung von Handlungsempfehlungen (vgl. a. a. O., S. 455–459) ein.
6.1.5 Inhalt und Aufbau einer Präsentationsseite Kernstück eines Ergebnisberichts sind die Darstellungen der Ergebnisse, weswegen auf den Inhalt und den Aufbau einer solchen Darstellung an dieser Stelle gesondert eingegangen wird. Für eine gute Präsentation gelten die Grundsätze der guten Orientierung und der leichten Wiedererkennbarkeit. Im Idealfall kreieren betriebliche Marktforschungen mit ihren Dienstleistern eine Art unternehmensinterne Corporate Identity (vgl. Frieser 2006, S. 129). Diese wird sich aber der Corporate Identity des
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gesamten Unternehmens unterordnen müssen. Insofern sind Styleguides oder grafische Vorgaben zu beachten. Im Vorfeld einer durch ein Institut erstellten Präsentation ist zu klären, welches Layout für die Präsentation verwendet wird. Gängig ist das des Auftraggebers, aber auch das des Instituts. Wenn aus einzelnen Studien Ergebnisse zu übergreifenden Berichten zusammengefasst werden sollen (siehe Kapitel 6.2), bietet es sich aus Gründen der Arbeitserleichterung an, das Layout des Auftraggebers zu verwenden. Grundsätzlich ist auch ein Co-Branding von Auftraggeber und Institut denkbar. Im Folgenden werden die einzelnen Bestandteile, die jede Seite beinhalten sollte, vorgestellt, wobei zu berücksichtigen ist, dass Fallzahl, Hinweise auf Filter und die zugrundeliegende Frage bei qualitativer Forschung oder Social Media Analysen nur bedingt Anwendung finden können. In jedem Fall muss der Leser wissen, worum es bei den Ergebnissen geht. Dazu verwendet man eine die Fragestellung oder das Thema beschreibende Überschrift sowie eine Kernaussage mit Bezug zu den Ergebnissen. Die Ergebnisse können schriftlich, grafisch, tabellarisch oder durch das Einbinden von Medien wie Bildern, Filmen oder Audiodateien dargestellt werden. Hierbei sind der Kreativität grundsätzlich keine Grenzen gesetzt, doch sollte in jedem Fall die Form den Ergebnissen gerecht werden. Ziel muss es sein, das Ergebnis möglichst prägnant und verständlich darzustellen. Neben den Ergebnissen und den aus ihnen abgeleiteten Kernaussagen gehören die Frage im Originaltext, die Basis, sprich die zugrundeliegende Fallzahl, unter Umständen mit Bezug auf vorher gesetzte Filter, der Studienname, der Name des Instituts und/oder der eigenen Marktforschungsabteilung, die Seitenzahl sowie das Datum der Präsentation auf die Ergebnisseite. Beim Datum ist darauf zu achten, es fix und nicht flexibel, sprich mit jedem Aufruf der Datei aktualisiert, zu gestalten. Auch hier soll eine kurze Auflistung die Inhalte noch einmal komprimiert darstellen: – Überschrift/Thema – Kernaussage – Ergebnisdarstellung – Fallzahl, ggf. mit Verweis auf Filter – Fragetext – Studienname – Name des Instituts und/oder der eigenen Marktforschungsabteilung – Seitenzahl – Datum der Präsentationserstellung Allgemein ist anzumerken, dass Diagramme grundsätzlich mit Legende und Überschrift zu versehen sind. Daneben ist auf missverständliche Formulierungen und die Verwendung von Umgangssprache zu verzichten (vgl. Hague/Hague/Morgan 2013, S. 200). Auch zu viele Anglizismen, Latinismen oder Gräzismen treffen nicht bei jedem Empfänger auf Verständnis und Begeisterung. Besondere Sorgfalt ist auch der Recht-
6.1 Ergebnispräsentation | 213
schreibung und Zeichensetzung zu widmen. Die Autoren wissen nicht nur als leidgeprüfte Hochschullehrer, sondern auch als Ersteller, Korrektoren und Empfänger von Ergebnispräsentationen, dass Master oder Diplom einer Hochschule auch Muttersprachler nicht in jedem Fall von einer freien Interpretation des deutschen Sprachgebrauchs abhalten. Die Abb. 6.1 zeigt ein Muster einer Ergebnisseite. Sie erhebt nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit, führt aber unabhängig von individuellem Layout und Platzierung der einzelnen Elemente alle Bestandteile exemplarisch auf:
Überschrift
Kernergebnisse
Graphik oder Text
Logo des Auftraggebers
Frage
Basis
Studientitel
Datum
Seitenzahl
Abb. 6.1: Muster für eine Präsentationsfolie (Ottawa, Marco)
Zur grafischen Aufbereitung von Ergebnispräsentationen vergleiche auch Hague/Hague/Morgan (2013, S. 201), Malhotra/Birks/Wills (2012, S. 910 f.), Neumann (2013, S. 405–416) und Weis/Steinmetz (2012, S. 452–461).
6.1.6 Techniken der persönlichen Präsentation Ein detailliertes Eingehen auf Präsentationstechniken würde den Rahmen dieses Buches sprengen, weshalb wir auf die Literaturtipps am Ende dieses Kapitels verweisen.
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Da jedoch manche Studie schon an der mangelhaften Präsentation ihrer Ergebnisse gescheitert ist, sollen einige Tipps und Fallstricke auch hier kurz angesprochen werden. Wir beziehen uns im Folgenden auf die persönliche Ergebnispräsentation. Sie soll, was allerdings ebenso für einen schriftlichen Bericht gilt, folgende vier Regeln beherzigen: – – – –
Meet the needs of the audience. Get the structure right. Pay attention to detail with painstaking checking and editing. Make it look good. (Hague/Hague/Morgan 2013, S. 196)
Der betriebliche Marktforscher soll sich im Vorfeld der Präsentation überlegen, in welcher Form, etwa als reine Frontal- oder Workshop-Präsentation (vgl. Neumann 2013, S. 465 f.), die Vorstellung der Ergebnisse ablaufen soll, welche Medien wie Beamer, Flipcharts etc. er dabei nutzen möchte und wie lange er in etwa benötigen wird. Ist er als Präsentator unsicher, kann eine Generalprobe der Präsentation helfen, die notwendige Sicherheit zu gewinnen (vgl. Magerhans/Merkel/Cimbalista 2013, S. 28). “The key to an effective presentation is preparation“ (Malhotra/Birks/Wills 2012, S. 917). Dazu kann er gerade als Berufseinsteiger, um alle relevanten Punkte zu beachten, eine Checkliste wie sie Magerhans/Merkel/Cimbalista (2013, S. 317) oder Sudman/Blair (1998, S. 598), vorstellen, nutzen. Daneben soll der Präsentator versuchen, die Persönlichkeiten seiner wichtigsten Zuhörer und vor welchen Hintergründen und Zwängen sie agieren zu antizipieren. Dazu gehört auch das Wissen um potenzielle Friktionen zwischen Teilnehmern an der Präsentation, die wie zwischen Marketing versus Vertrieb oder HR versus Betriebsrat bereichsgetrieben, aber durchaus auch in individuellen Apathien begründet sein können. Inwieweit der Präsentator auf solche Friktionen eingeht, ist seinem persönlichen Selbstbewusstsein bzw. der jeweiligen Situation geschuldet. Er darf sich jedoch, um seiner Rolle als neutraler Forscher gerecht zu werden, von keiner Seite instrumentalisieren lassen. Er sollte verstehen, welche Auswirkungen die Ergebnisse auf sie haben werden (vgl. McDaniel/Gates 2001, S. 474). Er lädt ein, und Lob und Tadel der Zuhörer werden, gleichgültig ob von ihm zu verantworten oder nicht, unmittelbar auf ihn zurückfallen. Es ist seine Veranstaltung, unabhängig davon, ob er selbst oder das beauftragte Institut präsentiert. Die Einführung in die Präsentation und die Studienthematik soll der betriebliche Marktforscher deshalb persönlich übernehmen. In diesem Zusammenhang klärt er, ggf. nach Absprache mit dem Institut, ob Fragen zur Präsentation direkt in deren Verlauf oder erst am Ende gestellt werden sollen. In jedem Fall muss dafür ausreichend Zeit eingeplant werden, welche bei besonders wichtigen oder kritischen Ergebnissen durchaus 70 % der gesamten Veranstaltungsdauer einnehmen kann. Vorab sollte auch darauf eingegangen werden, ob quantitative Ergebnisse auf 100 % gerundet werden oder nicht. Gerne stellen nämlich Zuhörer ihre Rechenkünste unter Beweis und verweisen auf eine Gesamtsumme von 97 oder 101 %, was letztlich die Kompetenz der Marktfor-
6.1 Ergebnispräsentation | 215
schung und damit auch die Validität ihrer Ergebnisse in Frage stellt. Sofern sich die Beteiligten noch nicht persönlich kennen, steht am Beginn der Präsentation eine kurze Vorstellungsrunde. Wie die Einleitung gehört das Schlusswort dem betrieblichen Marktforscher. Er kann es mit dem Hinweis auf eventuelle Zusatzauswertungen oder folgende Workshops verbinden. Es kann aber auch Handlungsempfehlungen enthalten. Dabei sollte auf unrealistische Empfehlungen tunlichst verzichtet werden, um die eigene Reputation nicht zu gefährden. Außerdem erklärt der betriebliche Marktforscher, ob und in welcher Form die Ergebnisse verteilt werden. Er soll unbedingt die Verteilung persönlich übernehmen, um zu gewährleisten, dass sie nur in die richtigen Hände geraten, aber auch, um zu dokumentieren, dass er der Studienverantwortliche ist. Der Präsentator der Ergebnisse, „the biggest determinant of a good presentation“ (Hague/Hague/Morgan 2013, S. 210), hat zwei Hauptaufgaben: zu informieren und zu unterhalten. Bei der Information geht es primär darum, die erhobenen Fakten mit fachlicher Autorität so zu präsentieren, dass sie für die Empfänger glaubhaft sind. Dazu muss er sie vollkommen verinnerlicht, quasi auswendig gelernt haben. Es kann aber durchaus, vor allem bei hohem Zeitdruck während der Erstellung der Präsentation, passieren, dass Fehler erst im Laufe der Präsentation entdeckt werden. Entdeckt der Präsentator sie selbst, sollte er u. E. proaktiv auf sie hinweisen. Das ist allemal besser als sie von den Empfängern entdecken zu lassen und dann in Erklärungsnot zu geraten. Der Unterhaltungscharakter einer Präsentation mag auf den ersten Blick im Widerspruch zum wissenschaftlichen Anspruch marktforscherischen Tuns stehen. Wer wie die Autoren jedoch bereits aufgrund des Vortragsstils schlafende Zuhörer im Auditorium erlebt hat, wird verstehen, dass Ergebnisse nur dann optimal vermittelt werden können, wenn sie abwechslungsreich, im Idealfall gleich einer Geschichte unterhaltsam vermittelt werden. Küppers1 gibt dazu den Tipp, nur die Titelzeilen der Präsentation hintereinander zu lesen. Ergeben sie eine schlüssige „Geschichte“, ist ein großer Schritt zu einer guten Präsentation getan. Dabei dürfen die Zuhörer gerne auch durch Fragen oder Verweise auf ein möglicherweise erfolgtes Hospitieren der Zuhörer in der Feldphase einbezogen werden (vgl. Hagstotz/Schmitt-Hagstotz 1999, S. 413). Eine zum Infotainment tendierende Präsentationsweise birgt aber auch die Gefahr, dass die Unterhaltsamkeit des Vortragenden zu Lasten seiner Glaubwürdigkeit geht. Zwar liegen dazu bezogen auf Marktforschung noch keine empirischen Befunde vor2, doch lassen Befunde aus den Medien analoge Ergebnisse in der Marktforscher nicht ausgeschlossen erscheinen (vgl. Schultheiss/Jenzowsky 2000).
|| 1 Markus Küppers, Gründer und Geschäftsführer des Kölner Instituts September, in einem Gespräch mit Marco Ottawa am 26.01.2015 2 Zu diesem Thema konzipiert gerade Annika Dölle, betreut von Marco Ottawa, an der Fachhochschule Köln ihre Masterarbeit. Ergebnisse werden voraussichtlich Ende 2015 vorliegen.
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In jedem Fall soll der Gebrauch von Marktforschungsfachsprache und statistischem Fachwissen auf ein Minimum reduziert werden. Nicht jeder Zuhörer versteht Begriffe wie „Inzidenz“ oder „Chi-Quadrat-Test“. Selbst Hinweise auf Signifikanz können häufig in einer Präsentation unterbleiben, wenn die Ergebnisse im Backup enthalten sind und nur bedeutsame Ergebnisse präsentiert werden. Sie gehören nicht zu seinem Geschäft und lenken ihn im Zweifelsfall nur von den zu präsentierenden Inhalten ab. Auch übergroße Detailtiefe wie: „77,797 % der Befragten haben angegeben …“, erzeugt nur eine entbehrliche Scheingenauigkeit. Ein guter Präsentator holt sein Publikum sprachlich auf dessen Niveau ab. Auch Humor kann gerade am Beginn einer Präsentation ein gutes Mittel sein, etwas Spannung von den Beteiligten zu nehmen und eine ungezwungene Atmosphäre zu schaffen, in der offen über die Forschungsergebnisse diskutiert werden kann. Wieweit „Entertainment“ in eine Präsentation eingebaut werden darf, ist jedoch der individuellen Situation geschuldet. Es soll nicht um jeden Preis und vor allem nicht als Selbstzweck betrieben werden. Weiterführende Literatur Clow, Kenneth E./James, Karen E. (2014): Essentials of Marketing Research. Putting Research into Practice. Los Angeles u. a.: SAGE. Hagstotz, Werner/Schmitt-Hagstotz, Karin (1999): Marktforschungspräsentation. In: Pepels, Werner (Hrsg.): Moderne Marktforschungspraxis. Handbuch für mittelständische Unternehmen. München: Luchterhand, S. 406–465. Hague, Paul/Hague, Nick/Morgan, Carol-Ann (2013): Market Research in Practice. 2. Aufl., London, Philadelphia: Kogan Page, S. 177–194. Magerhans, Alexander/Merkel, Theresa/Cimbalista, Julia (2013): Marktforschungsergebnisse zielgruppengerecht kommunizieren. Ergebnisberichte – Präsentationen – Workshops. Wiesbaden: Springer Gabler. Malhotra, Naresh K. (2014): Basic Marketing Research. 4. Aufl. Harlow: Pearson, S. 605–629. Malhotra, Naresh K./Birks, David F./Wills, Peter (2012): Marketing Research. An Applied Approach. 4. Aufl. Harlow u. a.: Pearson, S. 903–917. Neumann, Peter (2013): Handbuch der psychologischen Marktforschung. Stichprobenauswahl – Forschungsstrategien – qualitative und quantitative Methoden – Auswertung und Visualisierung der Daten – Präsentation der Ergebnisse. Bern: Verlag Hans Huber. Wilson, Alan (2006): Marketing Research. An Integrated Approach. 2. Aufl. Harlow et.al.: Prentice Hall, S. 254–268.
6.2 Ergebnisverwertung Mit der Ergebnispräsentation scheint, wie die Autoren aus der eigenen Berufspraxis wissen, für viele betriebliche Marktforscher die Arbeit beendet zu sein. Was mit den Ergebnissen nun geschieht, ist vielfach in das Belieben der internen Kunden gestellt. Dabei sollte ein betrieblicher Marktforscher, der sich nicht nur als Informationsbeschaffer, sondern auch als Informations- und Wissensvermittler sieht, weiter denken. Vor dem Hintergrund, dass die Information neben Arbeit, Kapital und Boden als vier-
6.2 Ergebnisverwertung | 217
ter Produktionsfaktor, ja sogar als „Rohstoff des Informationszeitalters“ (Hopfenbeck 2000, S. 98), bezeichnet wird, muss er sich bei jeder Studie fragen, für welche Adressaten über den eigentlichen Adressatenkreis hinaus die Studienergebnisse ebenfalls einen Mehrwert erbringen können. Unter Umständen wird er, was gerade auf große, stark dislozierte Unternehmen zutrifft, diese Adressaten gar nicht kennen, so dass über eine Verteilung nachgedacht werden muss, die über den engen Rahmen der persönlichen Verteilung, z. B. per E-Mail, hinausgeht. Die Abb. 6.2 verdeutlicht anschaulich die Rolle(n) des betrieblichen Marktforschers bei der Informationsweitergabe. Phase 1: Corporate librarian as gatekeeper Only the librarian can access information products. The librarian summarizes and interprets information for end users.
Phase 2: Corporate librarian as intermediary End users can access information products electronically after a training and permission granting process. The librarian handles reference requests and delivers custom research and analysis.
Phase 3: Corporate librarian as a facilitator End users can customize information presentation and delivery channels. The librarian is embedded in a business context and makes connections between information needs and available resources.
Phase 4: Corporate librarian as knowledge enabler/catalyst End users interact with diverse information within their social network. A highly connected librarian ensures that comprehensive resources are available electronically, people are linked to other people and technology is optimized.
Abb. 6.2: Die Rolle(n) des Marktforschers bei der Informationsweitergabe (Ottawa, Marco nach Owens 2007, S. 12)
Die Phase 1, in der Marktforschungsergebnisse als monopolistisch verwaltetes Herrschaftswissen der betrieblichen Marktforschung betrachtet werden, dürfte wohl der Vergangenheit angehören. In Phase 2 besteht der Mehrwert der betrieblichen Marktforschung bei der Informationsweitergabe primär in der Verteilung von Wissen auf Basis einzelner Anfragen. Der dabei erzielte Mehrwert für das Unternehmen bewegt sich somit in überschaubaren Grenzen. In Phase 3 sieht sich die betriebliche Markt-
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forschung als eine Abteilung, die mitten im Unternehmen steht und die einzelnen internen Kunden mit den von ihnen benötigten Informationen auch im Direktzugriff versieht. Das Optimum und damit auch der höchste Mehrwert, den eine betriebliche Marktforschung hinsichtlich der Informationsvermittlung erzielen kann, ist in der Phase 4 erreicht. Hier steht der betriebliche Marktforscher nicht im Mittelpunkt der Informationsströme. Er reglementiert den Austausch nicht, sondern stellt ein System zur Verfügung, das auch den Austausch zwischen einzelnen Informationsempfängern und -gebern ermöglicht, ohne dass er selbst involviert ist. Er ist also Wissensmanager, wenn die drei Komponenten des Wissensmanagements, nämlich Mensch mit seinen Kompetenzen und Fähigkeiten, Organisation im Sinne einer wissens- und lernfreudigen Umgebung sowie Technik in Gestalt einer IT-basierten Datenbank, umgesetzt sind (vgl. Spitz 2009, S. 50). In dieser Phase vollzieht sich der Informationsaustausch extrem schnell. Dem betrieblichen Marktforscher bietet sie zudem die Chance, etwa durch tiefgehende Analysen höheren Nutzen für das Unternehmen als durch die bloße Informationsverteilung zu schaffen, indem er einen „gemeinsamen Quell- und Diskursraum“ (Baumann 2011, S. 17) schafft. Unabhängig davon, in welcher Rolle sich der Marktforscher bei der Informationsweitergabe befindet, soll er sich fragen, wie seine Studienergebnisse „in alle relevanten Abteilungen und unterschiedlichen Management-Ebenen verbreitet und auch wirklich genutzt werden“ (Posnanski/Johnson 2014, S. 38). Posnanski/Johnson (vgl. a. a. O., S. 38) führen dazu drei Erfolgsfaktoren an: 1. Framing, worunter eine zielgruppengerechte Ergebnisdarstellung verstanden wird, die praxisrelevante Handlungsempfehlungen bieten soll. 2. Copying, also eine intuitive und selbsterklärende Art der Ergebnisdarstellung. 3. Feeling, also der Anspruch, Informationen und Marktforschungsergebnisse emotional ansprechend zu vermitteln. In der Praxis sind betriebliche Marktforschungen noch weit von den o. g. Rollen als facilitator oder enabler entfernt. Nur 29 % stellen Marktforschungsergebnisse in Studiendatenbanken dar, wohingegen der Direktversand per E-Mail mit 90 % die Ergebnisdistribution dominiert (vgl. Verführt 2014, S. 90).
6.2.1 Studienberichte Studienergebnisse liegen für gewöhnlich zunächst in umfangreichen Präsentationen oder Tabellenbänden vor. Diese eignen sich zwar für die Ergebnispräsentation vor und die Nachbereitung durch Fachkräfte auf Seiten der internen Kunden, aber nicht unbedingt zur Information des Managements und dessen Entscheidungsfindung. Es gibt betriebliche Marktforschungen, die sich zur knappen Information des Managements von ihren Instituten spezielle Studiensteckbriefe, welche in komprimierter Form die
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wichtigsten Studienergebnisse und Handlungsempfehlungen enthalten, erstellen lassen. Gleichgültig, in welcher Form und durch wen erstellt die Forschungsergebnisse vorliegen, ist bei ihrer weiteren Verarbeitung darauf zu achten, dass sie die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe erfüllen. Im Folgenden sollen einige Formate solcher Studienberichte vorgestellt werden. Insbesondere für das (obere) Management müssen kurze Berichte erstellt werden, um diesen Empfängerkreis knapp mit den wichtigsten Studienergebnissen vertraut zu machen. Das kann im Extremfall eine ein- bis dreiseitige Management Summary sein. Daneben bietet sich aber auch ein Studiensteckbrief an, der neben den unter Umständen grafisch aufbereiteten Kernergebnissen auch Handlungsempfehlungen sowie die wichtigsten Metadaten zur Studie wie Feldzeit, Methodik oder Studienleiter in der betrieblichen Marktforschung enthalten sollte. Für das mittlere Management können auch nicht ganz so knapp gehaltene Kurzfassungen der Gesamtpräsentation geeignet sein. Studienergebnisse stehen in der Regel nicht nur für sich allein, sondern sind auch im Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus anderen Studien zu sehen. Das stellt die betriebliche Marktforschung vor die Aufgabe, die Ergebnisse aus einzelnen Studien in einen sinnvollen Kontext zu stellen und darüber zu berichten. Die einfachste Form solcher Berichte sind periodisch erscheinende Auflistungen der jüngsten Studienergebnisse. Dabei haben sich sogenannte Einseiter bewährt, die auf einer Seite in knapper Form wie oben im Zusammenhang mit dem Studiensteckbrief beschrieben die wichtigsten Ergebnisse und Metadaten aus den durchgeführten Studien enthalten. Diese periodische Sammlung von Einzelergebnissen kann, wenn ein Unternehmen zu den verschiedensten Themen forscht und unter Umständen auch noch Sekundärforschungsergebnisse integriert werden, zwar wie eine imponierende Leistungsschau einer betrieblichen Marktforschung, aber dennoch beliebig wirken, weil die Ergebnisse in keinen sinnvollen Kontext gestellt werden bzw., um einen schon im Zusammenhang mit der Art der Präsentation gebrauchten Topos aufzugreifen, keine „Geschichte“ erzählen. Ohne periodische Berichte, die ihren Empfängern durchaus Anregungen für die weitere Arbeit vermitteln können, gänzlich verwerfen zu wollen, lässt sich für das eigene Unternehmen ein höherer Mehrwert erzielen, wenn Berichte zu bestimmten Themen oder für einzelne Bereiche zusammengestellt werden. Sie bieten den Empfängern den Informationsgehalt einer Fachzeitschrift, wohingegen rein periodische Berichte eher einer unterhaltenden Publikumszeitschrift ähneln. Der Mehrwert solcher Themen- oder Bereichsberichte lässt sich durch die Einbeziehung von Daten aus anderen Abteilungen noch erhöhen. Zu denken ist hier beispielsweise an Ausgaben für Werbekampagnen, Absatzzahlen oder Kündigerquoten. Auch wenn solche manchmal auch als Factbooks bezeichneten Berichte nicht nur Zahlen aus der Marktforschung enthalten, ist eine betriebliche Marktforschung gut beraten, auf die Exklusivität ihrer eigenen Daten zu verzichten. Das Berichten, etwa von Kundenzufrieden-
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heitsindizes, mag an sich schon interessant sein, Kausalitäten und Wirkzusammenhänge lassen sich aber unter Umständen erst durch den Vergleich mit Absatzzahlen oder Bestellungsretouren erkennen. Der Mehrwert einer betrieblichen Marktforschung besteht in diesem Fall darin, über den eigenen Tätigkeitsbereich hinaus zu schauen und interessierte Kollegen umfassend, im Sinne einer 360-Grad-Umschau, zu informieren. Studienergebnisse (vgl. Best 2012, S. 14) zeigen, dass nur 6 % der Befragten angeben, das in den Marktforschungsstudien liegende Potenzial zur Entscheidungsvorbereitung sei voll und ganz, knapp die Hälfte hingegen, es sei allenfalls ausreichend ausgenutzt.
6.2.2 Studiendatenbank Ab einer gewissen Anzahl von Studien und mit zunehmender Heterogenität der eigenen Geschäftsaktivitäten wird es auch dem geschultesten Marktforscher, geschweige denn Empfängern von Marktforschungsergebnissen, nicht möglich sein, den Überblick über alle vorhandenen Studien zu behalten. Spätestens, wenn neben den eigenen Primärstudien in großem Maße Sekundärforschung zur Verfügung steht, summiert sich die Anzahl von Marktforschungsstudien schnell auf hohe fünfstellige Mengen. Das erfordert, um bei vertretbarem Suchaufwand die benötigten Ergebnisse zu finden, aber auch, um sich von bislang unbekannten, aber vorhandenen Studienergebnissen für die weitere Arbeit inspirieren zu lassen, eine systematische Ablage sämtlicher Studienergebnisse. Wenn wir von sämtlichen Ergebnissen reden, beinhaltet das gleichermaßen Sekundär- und Primärforschung sowie Zwischenstufen wie etwa Social Media Analysen. Auf die Einbeziehung von Daten aus CRM oder Technik im Sinne von Big Data (vgl. Kapitel 5.5) soll an dieser Stelle verzichtet werden, weil sie den Rahmen der betrieblichen Marktforschung sprengen würde. Hinsichtlich der Vollständigkeit der Studien müssen zwei Einschränkungen gemacht werden, welche zum einen die Kritikalität von Studien, zum anderen die Lizenzierung von Analystenzugängen und den darin eingestellten Studien anbelangen. Es gibt Studien, die aufgrund ihrer politischen Brisanz, etwa im Bereich der Energie oder Telekommunikation, also regulierten Branchen, aufgrund ihres hohen Vertraulichkeitsgrades nur einem eingeschränkten Nutzerkreis zugänglich gemacht werden sollten oder sogar dürfen. Bei Analystenzugängen sind die Lizenzrechte des Anbieters zu beachten. Liegt eine Konzernlizenz vor, können Studien unbedenklich in eine allgemein zugängliche Studiendatenbank eingestellt werden. Wo jedoch nur Einzelplatzlizenzen bestehen, stellt eine solche Publikation eine Vertragsverletzung dar. Soeben fiel das Attribut „allgemein zugänglich“. Um die in aller Regel deutlich im sechsstelligen Bereich liegenden Anschaffungskosten einer Studiendatenbank zu rechtfertigen, sollte diese nicht nur der Marktforschung oder zusätzlich einer kleinen Anzahl besonders intensiver Marktforschungsnutzer, sondern allen Mitar-
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beitern eines Unternehmens zur Verfügung gestellt werden. Auch wenn davor immer wieder mit der Angst vor der Weitergabe vertraulicher Informationen durch illoyale Mitarbeiter gewarnt wird, überwiegen nach Ansicht der Autoren die Vorteile einer allgemeinen Zugänglichkeit deren Nachteile. Sie sind vor allem darin zu sehen, dass sie dem Informationsbedürfnis und der Fortbildung breiter Mitarbeiterschichten dienen. Eine gute Studiendatenbank kann unter Umständen in nicht unerheblichem Maße Fortbildungskosten senken, da die Mitarbeiter sich über die eingestellten Studienergebnisse weiterbilden können. Nichtsdestotrotz kann es sinnvoll sein, geschlossene Benutzergruppen einzurichten. Eine solche kann etwa die betriebliche Marktforschung bilden, die dort beispielsweise Fragebögen oder Zwischenstände von Präsentationen zur Information anderer Marktforscher ablegen kann. Eine gute Studiendatenbank sollte die folgenden Bedingungen erfüllen. Ihre Benutzerführung muss selbsterklärend sein. Nur so kann die Akzeptanz zur Selbstbedienung, denn nichts anderes stellt eine Studiendatenbank im Vergleich zur Ergebnisverteilung durch die betriebliche Marktforschung dar, gewährleistet werden. Eine Studiendatenbank soll sich in erster Linie nicht an Fachleuten aus der Marktforschung oder der Markt- und Wettbewerbsanalyse orientieren, sondern an Nutzern, die zwar an Marktforschungsergebnissen interessiert, ansonsten aber „research illiterates“ (zitiert nach Jörg Kerler, 20.05.2014) sind. Die Nutzer sollen Spaß an der Benutzung der Datenbank haben. Dazu gehört auch, dass sie nach Möglichkeit ein Menü in ihrer jeweiligen Landessprache vorfinden. Neben der Bestückung mit relevanten Inhalten stellt die Suchfunktionalität vermutlich das wichtigste Erfolgskriterium einer Studiendatenbank dar. Maßstab jeder Suche ist Google mit jeweils rund 95 % Marktanteil in allen großen deutschsprachigen Ländern (vgl. Stat Counter 2013) als dominierende Suchmaschine. An dieser Suchfunktionalität muss sich auch die einer Studiendatenbank messen lassen, um Akzeptanz zu finden. Die Suche kann über einen Themenbaum oder eine freie Suche gestaltet werden. Bei der freien Suche ist noch zwischen Volltextsuche und Suche nach Verschlagwortung zu differenzieren. Von letzterer ist aufgrund des mit ihr verbundenen Arbeitsaufwandes schon bei eher geringem Datenbestand abzuraten. Hinzu kommt der Pflegeaufwand, wenn sich Themen stark erweitern und damit die Verschlagwortung immer feiner gestaltet werden muss. Eine klare Präferenz für freie Suche oder eine Suche im Themenbaum ist eher personenabhängig, weswegen eine gute Studiendatenbank beide Varianten anbieten sollte. Eine gute Möglichkeit, Studienergebnisse aktuell und vor allem empfängergenau zu streuen, bietet eine Abonnements- oder Alertfunktion. Dabei definiert der Nutzer der Studiendatenbank, zu welchen Themen oder Instituten er bei Neueinstellungen in die Studiendatenbank informiert werden möchte. Werden dann neue Studien zu den von ihm definierten Suchkriterien eingestellt, erhält er zum Beispiel eine Mail mit einem Link auf die neuen Studien. Eine weitere Funktionalität, die der betrieblichen Marktforschung viel Arbeit
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ersparen kann, ist der direkte Zugriff aus der Studiendatenbank auf die Datenbestände von Analysten. Unter der Prämisse, dass die lizenzrechtlichen Anforderungen erfüllt sind, kann so jeder berechtigte Nutzer direkt auf Portalen von Gartner, IDC und anderen Analysten suchen, ohne dass zuvor der dortige Datenbestand durch die betriebliche Marktforschung heruntergeladen und in die eigene Studiendatenbank eingelesen werden muss. Solch eine Studiendatenbank ist dann ein hybrides Konstrukt aus einer originären Datenbank, in der zum Beispiel Primärforschung abgelegt wird, und einem Meta-Portal, das den direkten Zugang auf die Analystenportale gewährt. Um das in der Studiendatenbank abgelegte Portfolio an Studien möglichst optimal auf die Bedürfnisse der Nutzer auszurichten, kann es sinnvoll sein, deren Nutzungsverhalten zu erfassen. So kann man beispielsweise aufzeichnen, welche Studie wie häufig aufgerufen wurde oder welche Analysten bzw. Institute sich besonderer Beliebtheit erfreuen. Es ist sogar denkbar, die Nutzer über das sogenannte Tagging Kommentare und Bewertungen zu einzelnen Studien abgeben zu lassen. Vor dem Hintergrund des strengen deutschen und europäischen Datenschutzrechtes ist bei uns aber vieles nicht möglich, was gerade amerikanische Datenbankhersteller anbieten. In jedem Fall sind vor der Implementierung solcher Funktionalitäten der betriebliche Datenschutz sowie der Sozialpartner einzubinden. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss der Schwerbehindertenvertretung, die bei mangelnder Barrierefreiheit die Entwicklung einer Studiendatenbank verzögern, im Extremfall sogar verhindern kann. Die folgende Darstellung fasst die wichtigsten Anforderungen an eine Studiendatenbank zusammen. – Datenablage (Content Management System) – Direkter Zugang zu Analystenportalen – Analysetool, um freie Webinhalte der Wettbewerbsanalyse zu sammeln – Bereich, um Nutzerinformationen zu editieren – Austausch von Informationen zwischen den Datenbankbetreibern – Metasuche im kompletten Intranet – Homepage für die eigenen Nutzer Eine detaillierte Anforderungsliste an Studiendatenbanken und Intelligence Software führen Hedin/Hirvensalo/Vaarnas (2011, S. 91–93) an. Sie verweisen (a. a. O., S. 96 f.) zudem auf Funktionalitäten, die eine Studiendatenbank zusätzlich haben kann. Dazu zählen beispielsweise die automatisierte Erstellung von Newsletters, Diskussionsforen über die Inhalte der Datenbank oder eine Benachrichtigungsfunktion (alert) über neu eingestellte Studien für mobile Endgeräte wie Smartphone oder Tablet PC.
6.2 Ergebnisverwertung | 223
6.2.3 Studienvernetzung Wie schon im vorhergehenden Abschnitt geschildert, kann das Positionieren von Studienergebnissen in einen größeren Gesamtzusammenhang deren Wert steigern. Worin liegt dieser Mehrwert nun im Einzelnen? Zunächst ist das Benchmarking zu nennen. Nehmen wir das Beispiel eines Konzepttests. Das einzelne in ihm getestete Konzept kann für sich alleine betrachtet scheinbar hervorragende Ergebnisse erzielt haben. Solange man jedoch keinen Vergleich hat, liegt die Betonung auf scheinbar. Ein solcher Vergleich kann beispielsweise ergeben, dass die Konzepte bzw. Produkte von Konkurrenten noch weitaus besser abgeschnitten haben, so dass die eigenen Ergebnisse in Relation zu vergleichbaren Tests als unterdurchschnittlich einzuschätzen sind. Der Aufbau eines Benchmarks hilft also entscheidend, Studienergebnisse in Relation zu anderen Ergebnissen zu betrachten und nicht voreilige Schlüsse aus einer einzelnen Studie zu ziehen. Benchmarking kann sich auf vier Bereiche beziehen: – die eigene Produktreihe bzw. Division innerhalb eines Unternehmens – das eigene Unternehmen als Ganzes – die eigene Branche – vergleichbare Branchen. Bedingung der Vergleichbarkeit ist in jedem Fall ein (nahezu) identischer, standardisierter Studienaufbau, egal ob es sich um Usability-Tests, Konzepttests oder Werbepretests handelt. Innerhalb der eigenen Division und des eigenen Unternehmens lässt sich dieser Vergleich recht leicht bewerkstelligen. Es gilt, einmal Standards zu definieren und sie für die jeweiligen Studienarten verbindlich zu machen. Im Lauf der Zeit ergibt sich so eine Basis, um vor diesem Hintergrund neue Studienergebnisse besser bewerten zu können. Hilfreich ist es in diesem Zusammenhang unter Umständen, die jeweiligen Studienarten mit demselben Institut durchzuführen, um eine Einhaltung der definierten Standards zu gewährleisten. Schwieriger gestaltet sich das Benchmarking innerhalb einer Branche. Allein schon, um Betriebsgeheimnisse zu wahren, wird das einzelne Unternehmen nur selten Studienergebnisse an Dritte weitergeben. Hier bieten sich Institute mit standardisierten Studienlösungen an, die an verschiedene Unternehmen einer Branche verkauft werden. Aus den anonymisierten Ergebnissen lässt sich im Lauf der Zeit eine Benchmarking-Datenbank aufbauen. Den Autoren ist zumindest ein deutsches Institut bekannt, das auf diese Weise die Ergebnisse aus mehr als 1.000 Konzepttests in einer Datenbank abgelegt hat und so dem einzelnen Kunden helfen kann, seine eigenen Ergebnisse hinsichtlich ihrer Aussagekraft zu beurteilen. Am schwierigsten ist sicherlich ein branchenübergreifendes Benchmarking. Hier dürfen in keinem Fall die sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen verglichen werden. Gleichwohl gibt es aber auch hierbei, etwa durch speziell angelegte Primärstudien, die Möglichkeit, identische Geschäftsvorfälle in ähnlichen Branchen
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hinsichtlich ihrer Güte miteinander zu vergleichen. Ein Beispiel dafür ist die OnlineService Studie Deutschland 2013 im E-Commerce des Instituts Statista. Hierbei wurden vergleichbare Geschäftsvorfälle wie Kündigung, Adresswechsel oder Tarifwechsel in den Branchen Versicherungen, Telekommunikation, Banken und Krankenkassen miteinander auf Basis identischer Kriterien verglichen. An dieser Stelle ist ein kleiner Exkurs zur Standardisierung von Marktforschung angebracht. Eine Befragung unter 106 betrieblichen Marktforschern ergab, dass vor allem Studien zur Kundenzufriedenheit und -loyalität sowie Werbemittel-Pretests das höchste Standardisierungspotenzial zugesprochen wird. Nach Meinung der Befragten eignen sich hingegen qualitative Studien, Innovationsforschung und Studien zu Ideation besonders wenig zur Standardisierung (vgl. planung & analyse 2014b, S. 54). Grundsätzlich zeigen die Studienergebnisse eine gewisse Präferenz für standardisierte Marktforschung. 33 % befürworten sie, lediglich 8 % lehnen sie ab (vgl. a. a. O., S. 54). Die Mehrheit steht dem Thema eher neutral gegenüber. Der Wunsch der betrieblichen Marktforscher geht zudem in Richtung einer zunehmenden Standardisierung (vgl. a. a. O., S. 54). Als Vorteile einer Standardisierung werden vor allem (jeweils Top-2Boxes) die Vergleichbarkeit der Ergebnisse im Zeitverlauf (94 %), Benchmarking (93 %), beschleunigte Prozessabläufe (90 %) und reduzierter Zeitaufwand (89 %) (vgl. a. a. O., S. 55) genannt. Bei der Ableitung von Handlungsempfehlungen wird Standardisierung allerdings überwiegend negativ beurteilt. Treiber der Standardisierung sind primär die betrieblichen Marktforscher, aber in geringerem Maß auch Controlling, Geschäftsführung oder Einkauf (vgl. a. a. O., S. 55). Die soeben vorgestellten Studienergebnisse lassen eine gewisse Standardisierung der Marktforschung durchaus positiv erscheinen. Aus Sicht der Empfänger von Marktforschungsergebnissen ist deren leichte Lesbarkeit durch das Wiedererkennen vertrauter Muster solch ein positives Momentum. Aus der (grafischen) Standardisierung ergibt sich eine bessere Vergleichbarkeit zu anderen Studienergebnissen und damit auch ihre bessere Einordnung. Dennoch muss sich die Verständlichkeit der Ergebnisdarstellung ebenso wie das gesamte Design der jeweiligen Studie primär an den individuellen Anforderungen der internen Kunden und nicht an einer Standardisierung um jeden Preis orientieren (vgl. Riesenberg 2014, S. 58). Dass standardisierte Marktforschung durchaus auch Gefahren in sich birgt, führt Mayer de Groot (vgl. 2014, S. 57) am Beispiel von WerbePretests aus. Neben dem Benchmarking dient die Studienvernetzung auch dem Aufbau von Zeitreihen (vgl. Vriens/Grover 2006, S. 26 f.). So können etwa Kundenzufriedenheit oder Produktloyalität über Jahre nach identischen Kriterien erhoben werden. Dazu müssen über einen in der Regel mittel- bis langfristigen Zeitraum stets dieselben Fragen erhoben werden. Das können dabei etwa der Net Promotor Score (NPS) oder die vier Indexfragen von TRI*M (vgl. TNS Infratest 2013) sein. Ein dritter Grund, Studien miteinander zu vernetzen, ist ihre Nutzung für identische Zielgruppen. Viele Unternehmen haben klar definierte Zielgruppen, in die sie
6.2 Ergebnisverwertung | 225
schwerpunktmäßig vermarkten. Die Zielgruppe steht also im Mittelpunkt ihres Marketings. Ziel der Marktforschung muss es in diesem Fall sein, nach Möglichkeit aus jeder Studie auch Informationen über die relevanten Zielgruppen zu generieren. Für gewöhnlich werden die Zielgruppen firmenspezifisch über soziodemografische Faktoren wie Alter, Einkommen, Geschlecht oder regionale Aspekte oder anhand etablierter Segmentierungen wie den Sinus-Milieus definiert. Um die Informationen aus den Zielgruppen vergleichbar zu machen, müssen die soziodemografischen Fragen unbedingt bei gleichbleibender Skalierung in jeder Studie mitlaufen. Bei klassischen Primärstudien lässt sich das leicht bewerkstelligen, bei Multi-Client-Studien wird es aufgrund unter Umständen divergierender Segmentierungsfragen der Partner schon schwieriger. Glückssache ist es jedoch bei Sekundärstudien, die keine Rücksicht auf die Segmentierungskriterien einzelner Firmen nehmen. Eine weitere Möglichkeit, Studienergebnisse miteinander zu vernetzen, stellt das Panel dar. Hier werden, von Panelmortalität und Nachrekrutierung einmal abgesehen, stets dieselben Probanden zu wechselnden Themen befragt. Sollte es sich bei dem Panel um das individuelle Kundenpanel eines einzelnen Unternehmens handeln, lassen sich bequem Aussagen darüber treffen, wie ein bestimmter, weitgehend identischer Personenkreis, im Zeitverlauf über verschiedene Fragestellungen denkt.
6.2.4 Studiensystem Marktforschungsstudien stehen in aller Regel nicht singulär im Studienportfolio. Aus diesem Grund bietet es sich an, die einzelnen Studien vergleichbar zu machen, also ein Studiensystem aufzubauen. Dazu sollte eine betriebliche Marktforschung standardisierte Bausteine entwickeln und vorhalten. Vorteile dieser Vorgehensweise sind eine Arbeitserleichterung und Beschleunigung der Durchführung von Studien, etwa durch den Verzicht auf Ausschreibungen. Studiendesigns müssen nicht für jede neue Studie neu entwickelt werden, sondern es kann auf ein Standardrepertoire zurückgegriffen werden. Ein solches Vorgehen bietet sich insbesondere bei Konzept-, Usability- und Werbepretests sowie bei Mystery-Studien und Kundenzufriedenheitsmessungen an. Die Kernfragen wie etwa Indexfragen, aus denen die Kundenzufriedenheit errechnet wird, z. B. NPS oder TRI*M-Index, werden dabei unverändert in jeder gleichgelagerten Studie erhoben. So lassen sich zum einen Vergleiche zwischen verschiedenen Produkten oder Werbeformaten der eigenen Firma, aber wie bei den genannten Beispielen auch Vergleiche zur Konkurrenz und Benchmarks am Markt erzielen. Zum anderen ermöglicht die Standardisierung den Aufbau von Zeitreihen. Je nach Standardisierung ist, wie etwa beim TRI*M-Index, die Nutzung ein und desselben Instituts erforderlich. Das muss aber nicht zwingend so sein, gerade wenn die Methodik oder der Index von der betrieblichen Marktfor-
226 | 6 Ergebnispräsentation und -verwertung
schung selbst entwickelt worden ist. Zu beachten ist hierbei aber, dass dann der betriebliche Marktforscher Fragen danach beantworten muss, warum sich diese Indizes über verschiedene Erhebungen unterscheiden. Eine betriebliche Marktforschung, die über ein gewisses Volumen von Aufgabenstellungen und Studien verfügt, ist gut beraten, für die gängigen, immer wiederkehrenden Fragestellungen geeignete Studiendesigns vorrätig zu halten. Die Abb. 6.3 zeigt ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit, für welches der 4 Ps des Marketings in welchem Stadium des Produktlebenszyklus Studien Sinn machen können. Nicht für jeden der dunklen Quadranten muss zwingend eine Standardisierung angestrebt werden, wenn Studien für ihn u. U. nur selten nachgefragt oder notwendig werden. Wie die Autoren aus eigener Erfahrung wissen, kann es erhellend sein, dass Studienprogramm eines Jahres den einzelnen Quadranten bzw. den Grundlagenstudien zuzuordnen. So lassen sich schnell Ungleichverteilungen zwischen einzelnen Quadranten entdecken und auf diese Weise mögliche Lücken im Studienportfolio aufdecken. Welche Studienarten für die jeweiligen Ps des Marketings relevant sein können, führen z. B. Sudman/Blair (1998, S. 14) auf.
Marketing-Mix\ Produktlebenszyklus
Exploration
Ideation
Konzept
Produktentwicklung
Markterprobung
Marktphase Abmanagen
Product (inkl. Produktportfolio)
Price
Promotion
Placement
Grundlagen
Abb. 6.3: Felder der Marktforschung in einem Studiensystem (Ottawa, Marco)
Ein weiterer Aspekt der Vernetzung von Studien sind Kernfragen, mit denen sich unterschiedliche Studien vernetzen lassen. Zu denken ist hier beispielsweise an Fragen zur Segmentierung, die es erlauben, Fragestellungen aus unterschiedlichen Studien durch den Konnex der Segmentierung miteinander in Bezug zu setzen. So können etwa Aussagen zur Kundenzufriedenheit mit solchen zur Produktpräferenz in Verbindung gesetzt werden.
6.2 Ergebnisverwertung | 227
Eine Studienvernetzung kann also vor allem über folgende Konnexe erfolgen: – Gemeinsame Schlüsselfragen (z. B. NPS oder Zufriedenheitsindex) – Identische Soziodemografie – Identische Segmentierungskriterien – Identische Probanden (Panel) – Nutzung desselben Instituts Bei allen Vorteilen einer Standardisierung der Marktforschung darf nicht vergessen werden, dass sich nicht jede Fragestellung für eine Standardisierung eignet. Dazu zählen insbesondere neue sowie singuläre oder nur selten geforderte Fragestellungen. Daneben besteht die Gefahr, sich bei der Nutzung geschützter Methoden wie etwa TRI*M in eine Abhängigkeit von einzelnen Instituten zu begeben, was diese u. U. durch überzogene Preise ausnützen könnten bzw. den kurzfristigen Anbieterwechsel erschwert. Die folgende Auflistung verdeutlicht noch einmal die Vor- und Nachteile standardisierter Marktforschungsinstrumente: Vorteile – Schnellere Studiendurchführung – Vergleichbarkeit im eigenen Unternehmen – Vergleichbarkeit im Markt – Aufbau von Zeitreihen Nachteile – Hoher Aufwand bei seltenen Fragestellungen – Abhängigkeit von einzelnen Methoden und Instituten – Mangelnde Beantwortung spezieller Fragen Alles in allem gilt es sorgfältig abzuwägen, wo sich eine Standardisierung lohnt und wo nicht. Weiterführende Literatur Hedin, Hans/Hirvensalo, Irmeli/Vaarnas, Markko (2011): The Handbook of Market Intelligence. Understand, Compete and Grow in Global Markets. Hoboken NJ: John Wiley&Sons.
7 Mehrwert betrieblicher Marktforschung 7.1 Mehrwert und Grenzen klassischer betrieblicher Marktforschung Unter klassischer betrieblicher Marktforschung soll hier der in Kapitel 4 beschriebene Ablauf einer Studie bis zur Präsentation bzw. Rechnungslegung unter bewusster Ausklammerung nachgelagerter Beratungs- oder Begleitungsleistungen verstanden sein. Der Mehrwert der betrieblichen Marktforschung eines Unternehmens, das sich den „Luxus einer eigenen Marktforschungsabteilung leistet“ (zitiert nach Mathias Toepel), besteht in erster Linie in der Beherrschung des marktforscherischen Werkzeugs. Dazu gehören Methodenkenntnisse (vgl. Bode 2014, S. 136), der Überblick über die Institutslandschaft, eine tiefgehende Kenntnis des eigenen Unternehmens, seiner Organisation, Prozesse, Kunden und Produkte sowie die umfangreiche Kenntnis der Quellen, aus denen relevante Informationen für das Unternehmen gezogen werden können. Im Idealfall verstehen oder sprechen die betrieblichen Marktforscher auch die Fachsprachen der jeweiligen internen Kunden wie Marketing oder Produktion und nutzen diese Kenntnisse, um Fragestellungen als neutrale Vernetzer komplett zu beleuchten (vgl. Vriens/Grover 2006, S. 23). Dazu gehört auch ein hohes Verständnis für die zu erforschenden Produkte (vgl. a. a. O., S. 23), was eine in den Zeiten eines rasanten technologischen Wandels und sich stark verändernder Kommunikation durch Social Media eine nicht ganz untriviale Forderung ist. Im schlechtesten Fall ist die Rolle der betrieblichen Marktforschung auf Controlling, etwa durch die Reduzierung auf stets wiederkehrende Kundenzufriedenheitsstudien oder Mystery Shoppings, oder die Bestätigung vorgefasster Meinungen des Managements reduziert. In einer Zeit, in der sich jeder im Rahmen der Do-it-yourself-Marktforschung als Marktforscher versucht oder sogar ausgeben kann, mag dieser Nutzen der Marktforschung unter Umständen nicht mehr die Existenz einer eigenen betrieblichen Marktforschung rechtfertigen. Über Google oder SurveyMonkey lassen sich von jedermann schnell und bequem Umfragen durchführen, die in der Regel auch noch billiger als herkömmliche Studien sind. Unabhängig von ihrer möglichen Qualität kann so auch beispielsweise ein Marketier schnell Ergebnisse präsentieren, ohne erst den vermeintlich langwierigen und teuren Prozess einer klassischen Marktforschungsstudie zu durchwandern. Daneben drängen, angelockt von dem aktuellen Modethema Big Data, Disziplinen wie Customer Relationship Management oder IT in das traditionelle Betätigungsfeld der betrieblichen Marktforschung. Dabei handelt er sich allerdings eher um elaborierte Reporting- und Monitoringprozesse, die mit wissenschaftlicher Marktforschung trotz ihrer Bezeichnung als Customer Insights nicht viel gemein haben. Hinzu kommt ein in den letzten Jahren abnehmender Stellenwert der Marktforschung in deutschen Unterneh-
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men (vgl. Best 2012, S. 11). Die betriebliche Marktforschung läuft aufgrund dieser Entwicklungen möglicherweise Gefahr, ohne Weiterentwicklung in einigen Jahren entbehrlich zu werden. Dass dieser Gefahr durch gezielte Aktivitäten entgegengewirkt werden kann, wird im folgenden Abschnitt ausgeführt, denn: Was heute von uns [den Marktforschern; Anm. d. Autoren] verlangt wird, ist eine erfolgreiche Zukunft mit zu gestalten. (Dössel 2013, S. 3)
7.2 Steigerung des Mehrwerts durch Vertiefung und Verlängerung der Wertschöpfungskette 7.2.1 Prämissen Die folgenden Ausführungen bedürfen, um nicht missverstanden zu werden, einer Vorbemerkung. Sie dienen nicht dazu, Rechtfertigungsgründe für den Erhalt betrieblicher Marktforschungsabteilungen zu sammeln, sondern ausschließlich dazu, einen Mehrwert für das Unternehmen zu erzielen, denn: War es früher noch ausreichend, den Auftraggebern einen kommentierten Tabellenband zu übergeben, ist heute mehr denn je ihre Expertise als Branchenkenner und Berater gefragt. Entscheider von heute sehen im Marktforscher immer stärker den Partner an ihrer Seite. (Magerhans/Merkel/Cimbalista 2013, S. 39)
Dazu gehört es, sich als betrieblicher Marktforscher nicht um jeden Preis in neue Aufgabenfelder zu drängen und dabei die traditionellen, bewährten Aufgaben zu vernachlässigen oder gar aufzugeben. Die klassische Methodenkompetenz der Marktforschung ist vielmehr weiterhin die Basis für ergänzende Aufgabenfelder. Selbst die bloße Existenz einer betrieblichen Marktforschung kann schon ein Vorteil für das Unternehmen sein, da sie die lediglich symbolische Nutzung von Marktforschungsinformationen zu minimieren hilft (vgl. Bode 2014, S. 67). Um erfolgreich neue, für das Unternehmen Mehrwert schaffende Aufgabenfelder zu erschließen, bedarf es im ersten Schritt einer möglichst umfassenden Bestandsaufnahme der Ist-Situation. Dabei gilt es, die folgenden Fragen zu beantworten: – Welche internen Kunden bediene ich? – Welche Rolle(n) spiele ich in meinem Unternehmen? – Welche Schnittstellen bediene ich? – Was muss ich können, um diese Schnittstellen optimal zu bedienen? – Wo bestehen diesbezüglich Defizite? – Welche Interessenten und Einflussnehmer (Stakeholder) sind über den bisherigen Kreis hinaus für mich und meine Arbeit noch von Bedeutung? – Wie sieht mein Aufgabenportfolio aus? – Wo liegen meine Stärken und Schwächen?
7.2 Steigerung des Mehrwerts | 231
– –
Welches Methodenspektrum kenne und beherrsche ich? Wie ist mein Selbstverständnis von meiner Aufgabe als betrieblicher Marktforscher in meinem Unternehmen?
Die letzte der aufgeführten Fragen beantwortet Best (2007, S. 3) dahingehend, das 23 % der befragten Marktforscher die Generierung von Informationen/Wissen und 20 % die Gewinnung von Daten/Fakten als ihre Kernaufgabe sehen. Somit sieht nicht einmal die Hälfte der betrieblichen Marktforscher das klassische Aufgabengebiet der Marktforschung als Kern ihrer Tätigkeit an. Vielmehr steht mit 27 % die Ableitung von Entscheidungen an erster Stelle und auch die Beratung wird mit 18 % von fast jedem Fünften als Quintessenz seiner Tätigkeit genannt. Zu anderen Ergebnissen gelangt Verführt (vgl. 2014, S. 80). Demnach sehen sich 84 % der betrieblichen Marktforscher als Studien- und Projektleiter, ebenfalls 84 % als inhaltliche und strategische Berater, 79 % als Methodenspezialisten, 71 % als Präsentatoren und 69 % als Branchenexperte im Sinne der Branche des eigenen Unternehmens. Die Erfassung der internen Kunden scheint im ersten Schritt der leichteste Part der Bestandsaufnahme zu sein. Anhand der Projekt- oder Budgetliste lässt sich bequem nachverfolgen, für welche Abteilungen gearbeitet worden ist. Darüber kann allerdings leicht vergessen werden, dass die Studienergebnisse im eigenen Unternehmen von den originären Empfängern auch weitergegeben werden. Versuchen Sie deshalb auch, zu ergründen, wer indirekt an Ihren Arbeitsergebnissen partizipiert. Das gilt insbesondere für Sekundärforschung, die vielfach in einer Studiendatenbank abgelegt ist, wo es durch das Selbstbedienungsprinzip weniger direkten Kundenkontakt als in der Primärforschung gibt. Im zweiten Schritt der Bestandsaufnahme muss sich die betriebliche Marktforschung vor Augen halten, welche Rollen sie für die einzelnen internen Kunden spielt. Zunächst sind es die klassischen Rollen eines Marktforschers wie Spezialist für Marktforschung, Statistiker oder Projektleiter. Daneben ist sie aber auch als Kalkulator bzw. Planer für Studien sowie als Informations- und Wissensmanager gefordert. Wenn viele Trackingstudien zum Aufgabenportfolio gehören, kann auch leicht die Rolle des Controllers dazukommen. Je nach organisatorischer Einbindung in das Unternehmen und den gewährten Freiräumen wird die betriebliche Marktforschung auch als Stratege gesehen, der Entwicklungen antizipieren und Trends mitgestalten soll. In Unternehmen, in denen die Marktforschung nicht bereits mit der Ergebnispräsentation endet, ist der betriebliche Marktforscher auch als Berater gefragt. Gerne wird er auch, vor allem wenn er „schlechte“ Ergebnisse geliefert hat, als Schuldiger oder Psychologe genutzt. Ähnlich gelagert ist die Vermittlerrolle. Der betriebliche Marktforscher kann zum einen zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen vermitteln, indem er aus neutraler Warte Wirkzusammenhänge zwischen ihnen erklärt. Zum anderen geht es um die Vermittlung von Wissen im allgemeinen Sinn. Nicht zuletzt sind betriebliche Marktforscher auch als Marketiers
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oder Werber in eigener Sache gefordert. Bode (vgl. 2014, S. 56) führt fünf Rollen der betrieblichen Marktforschung an, nämlich interner Kollege, Konsumentenvertreter, Dienstleister, Gatekeeper und Wissensmanager. Nicht jede der aufgeführten Rollen wird in jedem Unternehmen bzw. zu jeder Zeit zum Tragen kommen, doch sollte man sich im Klaren darüber sein, dass die Erwartungen an die eigene Abteilung und Arbeit vielschichtig und teilweise überraschend sein können. Die Schnittstellen einer betrieblichen Marktforschung können zahlreich und sehr heterogen sein, wie die folgende dem Reich der Insekten entliehene Darstellung zeigt. Sie scheint uns jedoch ungeachtet des geringen Renommees, das Spinnen genießen, passend zu sein, denn Spinnen ziehen Fäden, die verbinden, bekommen in ihrem Netz selbst feinste Schwingungen mit, befinden sich oftmals mitten im Netz, ohne die Beute zu sein, die sie vielmehr selbst fangen. Auch eine gute betriebliche Marktforschung sollte durch ihre Fäden Abteilungen verbinden, die Trends und Bewegungen im Unternehmen spüren und, indem sie Informationen sammelt und aufbereitet, reiche Beute machen.
Institute Verbände Interne Kunden Einkauf
Betriebliche Marktforschung
Strategie
Datenschutz
Wettbewerber
Data-Warehouse Controlling Finanzbuchhaltung Sozialpartner
Abb. 7.1: Schnittstellen der betrieblichen Marktforschung (Ottawa, Marco). Die dunkler hinterlegten Felder kennzeichnen Schnittstellen außerhalb des eigenen Unternehmens, die hell hinterlegten interne Schnittstellen
7.2 Steigerung des Mehrwerts | 233
Eine erhebliche Erleichterung des Sammelns von Informationen über die gerade das Unternehmen bewegenden Themen und sich möglicherweise daraus ergebenden Aufgaben für die betriebliche Marktforschung ist deren Einbindung in Geschäftsführungsvorlagen und -protokolle. In den Vorlagen aufgeworfene Fragen können so im Idealfall noch vor der nächsten Sitzung der Geschäftsführung beantwortet werden und somit die Qualität der Entscheidungen durch einen höheren Informationsstand optimiert werden. Die Intensität der Schnittstellenbeziehung kann sehr unterschiedlich sein, ohne dass die Häufigkeit ihrer Nutzung sogleich ein Indikator für ihre Bedeutung wäre. Der Einkauf kann bei jeder Bestellung von Marktforschungsleistungen involviert sein, zum Sozialpartner bestehen hingegen unter Umständen nur selten direkte Kontakte. Diese können aber durchaus von großer Wichtigkeit sein, wenn etwa auf Basis des § 87 (1) Nr. 6 BetrVG eine Betriebsvereinbarung über die Einführung einer Onlinebefragungssoftware verhandelt werden muss, die die betriebliche Marktforschung für Mitarbeiterbefragungen nutzen will. Die Schnittstellen sind, gerade wenn es sich bei ihnen um innerbetriebliche Schnittstellen handelt, oftmals 1:1-Beziehungen. Nur wenige Unternehmen leisten sich mehrere betriebliche Marktforschungen, ebenso wenig wie mehrere Abteilungen für Datenschutz oder Finanzbuchhaltung. Bei externen Schnittstellen handelt es sich hingegen in der Regel um 1:n-Schnittstellen. So haben Unternehmen für gewöhnlich mehrere Wettbewerber bzw. nutzen verschiedene Institute als Dienstleister. Bevor in den nächsten Abschnitten die einzelnen Ausprägungen der Vertiefung und Verlängerung der marktforscherischen Wertschöpfungskette näher diskutiert werden, sollen deren zwei Ausprägungen grafisch vorgestellt werden.
234 | 7 Mehrwert betrieblicher Marktforschung
Nach vorne
1. Informationsbedarf 2. Studiendesign Vertiefung der bestehenden Aufgaben
3. Feldarbeit 4. Analyse 5. Präsentation
Nach hinten
Abb. 7.2: Erweiterte Wertschöpfungskette (Ottawa 2014, S. 4)
7.2.2 Vertiefung der bestehenden Aufgaben Soll die bestehende Wertschöpfungskette der betrieblichen Marktforschung nicht verlängert werden, ist dennoch zu hinterfragen, ob die bestehenden Aufgaben und Dienstleistungen nicht noch zusätzlichen Mehrwert durch die Ausweitung ihres Nutzer- bzw. Empfängerkreises erzielen können. So sollte sich die betriebliche Marktforschung regelmäßig fragen, wer über den bestehenden Adressatenkreis hinaus noch vorliegende Studienergebnisse gebrauchen kann. Diese Frage lässt sich vor allem in großen Unternehmen nicht leicht beantworten. Eine mögliche Antwort liefert Best (2012, S. 12). Während 81 % der Marketingmanager ihrer betrieblichen Marktforschung einen hohen oder sehr hohen Stellenwert zumessen, sagen das nur 33 % der Qualitätsmanager und gar nur 8 % der Personaler. In den letztgenannten Bereichen scheinen also noch ungenutzte Abnehmer für Marktforschung zu liegen. Eine Art Roadshow zur Bewerbung der eigenen Dienstleistung wird sich deshalb aus Kapazitätsgründen nur auf ausgewählte Bereiche beschränken müssen. Eine Orientierungshilfe können dabei Anfragen zur Sekundärrecherche darstellen. Für gewöhnlich werden Sekundärstudien auch von Bereichen nachgefragt, die als Anforderer von Primärforschung bislang nicht in Er-
7.2 Steigerung des Mehrwerts | 235
scheinung getreten sind. Hier ist ein Ansatzpunkt, das gesamte Leistungsspektrum der betrieblichen Marktforschung gezielt vorzustellen, um den empfangenden Bereichen zusätzliche Informationsquellen zu erschließen. Eine weitere Möglichkeit, die eigenen Dienstleistungen bekannter zu machen und sich neue interne Kunden zu erschließen, sind Hausmessen. Gegenüber dem zuvor beschriebenen Informationsweg ist eine Hausmesse weniger zielgerichtet, erreicht aber dafür ein breiteres Spektrum an Bereichen. Sollten der betrieblichen Marktforschung diese beiden Informationswege aus organisatorischen oder kapazitären Gründen zu aufwändig sein, kann sie auch online für sich werben. Dazu bieten sich zum einen Artikel bzw. eigene Auftritte im Intranet, hausinternen Social Media oder Wikis an, zum anderen regelmäßige Newsletter, in denen prominente Studienergebnisse, neue Forschungsmethoden und sonstige Informationen aus der betrieblichen Marktforschung gestreut werden können. Anbieter automatisierter Newsletter sind z. B. die Firmen Cedura aus Wattenscheid und Ivory aus Bonn. Entscheidend ist aber nicht nur die Information, „sondern eine grundlegend neue prozessuale und strukturelle Verankerung der Marktforschung in den betrieblichen Entscheidungsprozessen – und eine andere Haltung des Marktforschers!“ (Fetzer/Schuh 2013, S. 67). Wichtiger als die Information über die eigenen Leistungen ist aber nach Ansicht der Autoren die Ausweitung bestehender Aufgaben. So konstatieren 86 % der betrieblichen Marktforscher, dass die Ausrichtung ihrer Tätigkeit am individuellen Bedarf der Fachabteilungen den größten positiven Einfluss auf den Stellenwert der Marktforschung im Unternehmen haben könne (vgl. Best 2007, S. 7). Ein Beispiel dafür kann Onlineforschung in Eigenregie sein. Nehmen wir an, eine betriebliche Marktforschung hat bislang nur unternehmensintern Onlinebefragungen durchgeführt. Mit zunehmender Onlinepenetration im Kundenbestand können diese Aktivitäten ohne großen Aufwand auch auf Kunden- oder Onsitebefragungen ausgeweitet werden. Ihr Mehrwert besteht darin, durch Eigenleistung das Marktforschungsbudget zu entlasten, indem die Dienste von Instituten eingespart werden. Gleichzeitig erhöht die eigenständige Durchführung von Studien durch die betriebliche Marktforschung auch eine tiefere Durchdringung der zu erforschenden Fragestellungen, was sich auch auf die Arbeiten im Nachgang zur eigentlichen Studie (siehe 7.2.4) positiv auswirken kann. Bislang wurde die Vertiefung der bestehenden Aufgaben nur nach innen gerichtet betrachtet. Mehrwert lässt sich aber auch durch die Intensivierung der Institutskontakte erzielen. Dazu gehört zunächst ein permanentes Screening der Institutsbzw. in der Sekundärforschung auch der Analystenszene. Ein Blick in die einschlägige marktforscherische Presse zeigt, dass wöchentlich neue Institute entstehen, aber auch bestehende fusionieren oder übernommen werden. Daraus ergeben sich auch neue Tätigkeitsschwerpunkte und methodische Ansätze. Eine betriebliche Marktforschung, die auf dem aktuellen Stand bleiben will, ist demnach gut beraten, sich laufend über neue Trends in der Methodik zu informieren. Dazu dienen außer-
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dem regelmäßige Messebesuche und nicht zuletzt auch Kontakte zu Hochschulen, die sich intensiv mit Marktforschung beschäftigen. Gerade Letztere dienen dem Austausch über (neue) wissenschaftliche Methoden, die in der betrieblichen Marktforschung Anwendung finden können. Zu denken ist hierbei auch an gemeinsame Projekte mit solchen Hochschulen (vgl. Kapitel 1.7.1.1).
7.2.3 Verlängerung der Wertschöpfungskette nach vorne Wie in Kapitel 4 beschrieben, beginnt der klassische Prozess einer Marktforschungsstudie aus Sicht der betrieblichen Marktforschung mit der Meldung eines Informationsbedürfnisses durch einen Bedarfsträger. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, doch bietet es Vorteile, als Marktforschung schon vorher eingebunden bzw. aktiv zu werden. Man erhält so früher und eventuell auch in größerem Maße Informationen, die später für die Durchführung der Studien gebraucht werden (vgl. Goldschmidt/Wagner 2012). Unter Einbindung wird die frühzeitige Beteiligung der betrieblichen Marktforschung beim Aufdecken von Informationslücken verstanden. Wenn wie unter Kapitel 2.1.1 beschrieben Themenexperten oder Key Account Manager in der Marktforschung existieren, sind diese idealtypisch in Workshops oder Jours Fixes der von ihnen betreuten Bereiche eingebunden (vgl. Bode 2014, S. 146 f. und Wiedenfeld 2012). Sie sollten also rechtzeitig Diskussionen und daraus abgeleiteten Wissensbedarf mitbekommen. Die rechtzeitige Erfassung potenzieller Studienthemen bietet die Chance, nicht nur auf Zuruf Individualstudien umzusetzen, sondern unter Umständen kostensparend mehrere Themen in einer Umfrage unterzubringen, ohne den individuellen Informationsbedarf vernachlässigen zu müssen. Dazu gehören insbesondere der proaktive Einkauf von Sekundärforschung und die eigenständige Initiierung von Studien. Damit sind vor allem Markt- und Basisstudien gemeint, die über den individuellen Bedarf einzelner Marketiers oder Produktmanager hinausgehen, um vielmehr das Gesamtunternehmen oder zumindest größere Teile von ihm im Fokus zu haben. Die intensive Beschäftigung mit einzelnen Themen oder Bereichen sollte einen betrieblichen Marktforscher zudem in die Lage versetzen, eigenständig Informationsdefizite zu erkennen, aufzuzeigen und möglicherweise proaktiv durch Studien zu beseitigen (vgl. Göb 2010, S. 220 und Keim/Schmid 2011, S. 44 f.). Diese kontinuierliche Information zu relevanten Themenbereichen wird von internen Kunden der betrieblichen Marktforschung als Vorteil gegenüber Instituten wahrgenommen (vgl. Bode 2014, S. 58). Dabei sollte er jedoch dezent vorgehen, um nicht durch vermeintliches „Besserwissen“ das Vertrauen seiner Partner zu gefährden. Eine abgemilderte Form dieses Ideengebers kann der Sparringspartner für die betreuten Abteilungen sein. Hierbei steht der betriebliche Marktforscher den von ihm betreuten Bereichen jederzeit für konstruktiven, durchaus auch kritischen Austausch zur Verfügung. Daneben erhält die betriebliche
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Marktforschung durch einen solchen regelmäßigen Austausch auch Kenntnis von strategisch wichtigen Fragstellungen und kann sich selbst frühzeitig für wichtige Studien positionieren (vgl. Goldschmidt/Wagner 2012) Die Verlängerung der Wertschöpfungskette nach vorne bedeutet auch, als betriebliche Marktforschung eigenständig zu forschen, um proaktiv Chancen und Bedrohungen für das eigene Unternehmen aufzudecken. Als Methode dafür bieten sich beispielsweise Social Media Analysen an. Sie lassen sich, ein bereits vorhandenes Analysetool vorausgesetzt, für gewöhnlich schnell und preiswert durchführen. Über Social Media Analysen lassen sich zu Trends, neuen Marktteilnehmern, Produktnutzung, Kundenmeinungen etc. kurzfristig qualitative Aussagen treffen. Unter Umständen lassen sich durch Social Media Analysen im Ausland, etwa in China, Korea oder den USA, Entwicklungen für den heimischen Markt abschätzen. Die derart gewonnenen Erkenntnisse soll die betriebliche Marktforschung hausintern vermarkten und so den Fokus stärker auf die zum Teil vernachlässigten früheren Stadien des Produktlebenszyklus (vgl. Kapitel 3) legen. Aufgrund ihrer eingeschränkten Repräsentativität sollen Social Media Analysen aber nicht zum Allheilmittel moderner Marktforschung apostrophiert werden.
7.2.4 Verlängerung der Wertschöpfungskette nach hinten Ein in den letzten Jahren immer wieder kontrovers diskutiertes Thema ist die Verlängerung der Wertschöpfungskette nach hinten. Bezugspunkte sind hierbei die Ergebnispräsentation, allenfalls noch Zusatzauswertungen. Konservative Marktforscher sehen dort den Schlusspunkt ihrer wissenschaftlich fundierten Arbeit und lehnen weitergehende, hier unter dem Begriff Beratung zusammengefasste, Aktivitäten betrieblicher Marktforscher als eher spekulativ ab. Die Beratung wird vor allem von Marktforschungsinstituten thematisiert. Vor dem Hintergrund stagnierender oder rückläufiger Marktforschungsbudgets (vgl. Best 2012, S. 36) versucht manches Institut, durch Beratung sein Dienstleistungsportfolio auszuweiten, um Umsätze zu sichern bzw. zu erhöhen. Das findet sogar in manchen Firmierungen wie z. B. „research & consultant“ oder „Strategie & Forschung“ Niederschlag. Gleichwohl gibt es auch von Institutsseite kritische Stimmen, die für eine zumindest begriffliche Trennung von Marktforschung und Beratung plädieren: Es gibt Unterschiede zwischen den beiden Tätigkeitsfeldern „Forschung“ und „Beratung“. […] Und plädieren dafür, diese Unterschiede nicht zu verwischen, sondern der Implikationen bewusst zu sein und sie zu nutzen. (Keim/Schmidt 2011, S. 43)
Bevor auf das Für und Wider von Beratung durch betriebliche Marktforscher eingegangen wird, soll zunächst die Beratung an sich in kurzen Worten charakterisiert
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werden. Das Governance-Modell des Beratungsmanagements (vgl. Deelmann/Petmecky 2012, S. 161) führt folgende vier Prinzipien des Beratungsmanagements auf: – Unabhängigkeit – Transparenz – Objektivität – Wirtschaftlichkeit. Neben diesen Prinzipien beruht der Erfolg interner Beratungen auf der Berücksichtigung ihrer strategischen Erfolgsfaktoren. Dabei handelt es sich nach Büchsenschütz/Baumgart (2005, S. 31) um: – Ein kundenspezifisches Dienstleistungsangebot – Umsetzungsfähige und realisierbare Lösungsansätze – Den systematischen Aufbau und Transfer internen Wissens – Die kontinuierliche Mobilisierung interner Ressourcen. Die vier Prinzipien des Beratungsmanagements zeigen auf den ersten Blick deutliche Parallelen mit dem Selbstverständnis von Marktforschung auf (vgl. auch Hesseler 2011, S. 185–189). Dabei verbindet neben der Marktforschung keine andere Profession „die Kenntnisse um Mensch und Gesellschaft mit dem handwerklichen Know-how der Methodik sowie den Fähigkeiten von Datenanalyse und Datenveredelung hin zu begründeten, datenbasierten Empfehlungen“ (adm 2013, S. 8). Ähnlich äußern sich Rodenhausen (2012, S. 1): Dabei sei der Marktforscher kompetent und verfüge über profunde Branchenkenntnis. Die Marktforschung ist deshalb geradezu prädestiniert für die Beratung.
und Bauer (wpgs 2014); Denn der Marktforscher ist oft derjenige, der weiß, wie die Märkte da draußen funktionieren und ist oft der einzige, der die Daten hat, die der Kunde will. Marktforschung ist nicht da, um Forschung zu betreiben, sondern sie hat ein Ziel. Und zwar, Ergebnisse zu liefern, die von Nutzen sind. Je stärker man auch bei der Umsetzung dabei ist, desto größer der Kundennutzen.
Das beruht darauf, dass: „Der Kern einer Beratungsleistung … zunächst in der Unterstützung der Unternehmensführung durch die Einbringung von Wissen gesehen werden [kann]“ (Bamberger/Wrona 2012, S. 6). Die Beratungsleistung kann allerdings nicht nur auf die „Einbringung von Wissen“ (a. a. O., S. 7) reduziert werden, sondern umfasst u. a. eine Objektivierungs- und Kommunikationsfunktion (vgl. a. a. O., S. 7). Dazu setzt den Marktforscher als „Anwender, Verbraucher wissenschaftlicher Erkenntnisse“ (a. a. O., S. 9) seine wissenschaftliche Ausbildung (vgl. Kapitel 1.7.1) in die Lage. Als Berater muss der betriebliche Marktforscher allerdings nicht nur die Methoden seiner eigenen marktforscherischen bzw. der studierten Disziplin, sondern in
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nicht geringem Maß auch grundlegende managementtheoretische Konzepte wie Shareholder Value, SWOT-Analyse oder Portfolio-Techniken beherrschen, wobei betriebliche Marktforscher mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund hierbei einen Wissensvorsprung haben (vgl. a. a. O., S. 10). Die Beraterrolle erfordert nicht nur über das marktforscherische Methodenwissen hinausgehende Kenntnisse, sondern auch die Nutzung von Quellen außerhalb der Marktforschung. Dabei kann es sich beispielsweise und Produkt-Roadmaps, Absatzstatistiken oder Gewinn- und Verlustrechnungen handeln. Berater werden u. a. gerne deswegen zu Rat gezogen, weil sie über Benchmarks oder Best Practices aus anderen Unternehmen oder Branchen verfügen. Diesen Bonus sollten sich auch als interne Berater agierende betriebliche Marktforscher zu Nutze machen. Zu diesem Zweck sollten sie über das Studium einschlägiger Studien (vgl. Best 2007, Best 2012 und marktforschung.de/Tivian 2014) oder den Austausch mit anderen betrieblichen Marktforschungen Benchmarks, etwa über Budgets oder personelle Ausstattung vergleichbarer Bereiche, bereitstellen. Daneben sollten sie sich darum bemühen, z. B. über Sekundär- oder Internetrecherche, aber auch den Kontakt zu anderen Marktforschern Best Practices zu relevanten Fragestellungen zu eruieren und ihren internen Kunden an die Hand zu geben. Gleichwohl unterscheiden sich beratende Marktforscher und klassische Unternehmensberatung deutlich aufgrund ihrer Sichtweise. Letztere ... agiert vorrangig top-down-orientiert und greift betriebswirtschaftliche Fragestellungen aus einer funktionsübergreifenden und interdisziplinären Sichtweise auf. Zudem handelt sie meist innerhalb deutlich eingegrenzter Projekte. Die betriebliche Marktforschung dagegen agiert vorrangig an der „bottom line“ und bietet faktenbasierte Beratung zur Unterstützung der Entscheidungsprozesse interner Auftraggeber. (Verführt 2014, S. 31)
Ähnlich äußert sich Göb (2014, S. 224): Im Gegensatz zur projektorientierten Arbeitsweise einer Unternehmensberatung ist der Marketingberater [d. h. der betriebliche Marktforscher; Anm. d. Verf.] als Partner des Marketings zu betrachten, deren beider Zusammenarbeit sich im Sinne einer internen Kunden-LieferantenBeziehung durch Beständigkeit und Vertrauen charakterisieren lässt.
Bezogen sich die einführenden Darstellungen noch eher auf den Marktforscher an sich, soll im Folgenden detailliert auf die Beraterrolle des betrieblichen Marktforschers eingegangen werden. Nach Wiedenfeld (2012) gibt es zwei relevante Gründe, sich als betrieblicher Marktforscher in Richtung Marktforschungsberater zu positionieren: Es geht zum einen darum, die eigene Beratungskompetenz zu verbessern, und zum anderen geht es um die Positionierung der Marktforschung im eigenen Unternehmen.
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Die Gründe ähneln also denen von Instituten, die in Richtung Beratung diversifizieren: Ausweitung der Aktivitäten, um dem Umsatz- und Bedeutungsverlust im angestammten Tätigkeitsfeld entgegenzuwirken. Der betriebliche Marktforscher hat gegenüber den zuvor erwähnten in die Beratung strebenden Instituten den entscheidenden Vorteil, bereits Teil des Unternehmens zu sein. Er hat es allein durch die räumliche und organisatorische Nähe leichter, einen höheren „Vertrauensgrad der Beziehung“ (planung & analyse 2014b) als ein klassischer Unternehmensberater zu erzielen. Dazu gehört es allerdings, „sich vom rein logischen, rationalen und analytischen Handeln etwas zu lösen und stärker emotional zu agieren“ (a. a. O.). Seine Beratung kann projekt- bzw. studienbezogen, aber im Sinne kontinuierlicher Mobilisierung interner Ressourcen (vgl. Büchsenschütz/Baumgart 2005, S. 31) auch als permanente Dienstleistung erfolgen. Im ersten Fall steht Beratung etwa für eine umfassende Rückschau auf die Studienergebnisse und eine gemeinsame Ableitung von Handlungsempfehlungen. Im zweiten Fall kann dies, z. B. durch die Teilnahme an Arbeitsgruppen oder, wie schon unter 7.2.3 erwähnt, die regelmäßige Teilnahme an den Jours Fixes der betreuten Bereiche, geschehen. Der beratende betriebliche Marktforscher kann somit in alle „relevanten Prozessschritte[n] der Organisation“ (Batinic 2007, S. 44) eingebunden sein. Batinic versteht darunter nicht nur ein „Mitmachen“ im Sinne der Marktforschung als „Hilfswissenschaft“ (a. a. O. 2007, S. 45), sondern das gestalterische Eingreifen in die Unternehmensprozesse (vgl. a. a. O., S. 45). Eine extreme Ausprägung von Beratungsleistung stellt die organisatorische Integration des betrieblichen Marktforschers in den von ihm betreuten Bereich dar. Diese Form der Beratung ist jedoch abzulehnen, weil aus dem solchermaßen in den von ihm betreuten Bereich eingebundenen Marktforscher bei allen Vorteilen des befruchtenden interdisziplinären Austauschs ein Einzelkämpfer würde und die vorne geschilderten Vorteile einer einzigen betrieblichen Marktforschung konterkariert würden. Unabhängig von der individuellen organisatorischen Gestaltung ist es für eine erfolgreiche Beratung unabdingbar, fest in die Prozesse bzw. relevanten Wertschöpfungsketten des eigenen Unternehmens eingebunden zu sein. Aus eigener Erfahrung können die Autoren dazu nur empfehlen, diese Einbindung als betrieblicher Marktforscher aktiv zu forcieren, da sie nur in den seltensten Fällen von den internen Kunden eingefordert wird. Bislang sind eher theoretische und organisatorische Aspekte der Beratung diskutiert worden. Weitaus wichtiger als diese Aspekte ist jedoch der Aufbau von Beratungskompetenz, also mehr als die bloße Absicht, beraten zu wollen. Was gehört nun aus Sicht eines betrieblichen Marktforschers zur Beratungskompetenz? Zunächst muss der betriebliche Marktforscher über tiefes Wissen in einzelnen Bereichen verfügen. Dössel (2013, S. 2), weist darauf hin: Mit der Sicherheit im Umgang mit dem Instrumentarium benachbarter (oder gar beauftragender) Disziplinen erhöht sich die Fähigkeit zum Research Consulting.
7.2 Steigerung des Mehrwerts | 241
Solche benachbarte Disziplinen können etwa Vertrieb, Direktmarketing oder Personalwesen heißen. Das geht wiederum mit einer gewissen personellen Mächtigkeit der beratenden Marktforschungsabteilung einher. Eine zu kleine Marktforschungsabteilung wird sich keine unter 2.1.1 beschriebene differenzierte Aufgabenverteilung leisten können. Hier sind vielmehr Allrounder, die von allen Themen etwas verstehen, gefragt. Die Kompetenz darf sich aber nicht nur auf die Thematik des zu betreuenden und zu beratenden Bereichs erstrecken, sondern muss, da sie aus der Marktforschung kommt, auch methodische Spezialkenntnisse aus der Disziplin Marktforschung umfassen. Es geht in keinem Fall darum, als betrieblicher Marktforscher das Geschäft der zu betreuten internen Kunden besser als diese zu verstehen. Geht ein solches Wissen in die Tiefe, muss das Wissen des beratenden Marktforschers eher in die Breite gehen, indem er z. B. die Marktforschungsquellen für den betreuten und an ihn anrainende Bereiche umfassend kennt, etwas, wozu dem internen Kunden in aller Regel die Zeit fehlt. Neben diesen Fachkenntnissen kommt die oben beschriebene informelle Einbindung in den zu beratenden Bereich hinzu. Eine weitere wichtige Vorbedingung erfolgreicher Beratung ist eine exzellente Vernetzung in alle für die originäre marktforscherische, aber auch für den zu beratenden Bereich wichtigen Schnittstellen. So wird es ihm möglich, durch intensives Netzwerken identische oder zumindest ähnliche Fragestellungen aus verschiedenen Bereichen seines Unternehmens zu erkennen und somit u. U. teure Doppelarbeit zu vermeiden, vielmehr die Bedarfsträger zusammenzubringen. Das Netzwerk des marktforscherischen Beraters ist letztlich größer als das der zu beratenden Einheit, da es ja auch noch marktforscherische Schnittstellen, etwa zu Instituten oder Verbänden, umfassen muss. Der Aspekt des Netzwerkens gehört schon zu den Soft Skills. Für einen beratenden Marktforscher sind noch zwei weitere Soft Skills unabdingbar, nämlich Vertrauen und Neugierde. “We agree that trust between researchers and managers plays a central role in putting knowledge to work.“ (Zaltman/Zaltman 2006, S. 40) Ein Berater wird nur akzeptiert, wenn er das Vertrauen der zu Beratenden genießt. Grover/Vriens (vgl. 2006, S. 6) sprechen in diesem Zusammenhang von dem Marktforscher als “trusted adviser“. Das Vertrauen resultiert hierbei aus drei Komponenten, nämlich dem Verständnis vom Geschäft des internen Kunden, Branchenkenntnissen sowie beruflicher und persönlicher Vertrauenswürdigkeit. Die Aussage von Struck (2013): „Vertrauen muss jedoch wachsen und entsteht nicht von einem Tag auf den anderen“, zeigt, dass die Vertrauenskomponente der Beratung erst im Lauf einer gewissen Zeit aufgebaut werden kann. Die von Wiedenfeld (2012) unterstellte Wirkungskette: gute Beratung → Projekterfolg → Einbeziehung in weiterführende Fragestellungen → strategische Projektleitung
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bietet dem betrieblichen Marktforscher über sein angestammtes Metier hinaus ein neues Wirkungsfeld und kann zu einer berechtigten Sicherung seines Arbeitsplatzes beitragen. Mehrwert wird aber auch vor allem für das eigene Unternehmen erzeugt, denn: Diese beratungsorientiert aufgestellte Marktforschung stellt sicher, dass sie laufend eng an den Bedürfnissen des Unternehmens agiert und damit bestmöglich in der Lage ist, sich an die immer schneller wandelnden Anforderungen des Unternehmens anzupassen und neue Lösungsansätze zu entwickeln. Sie entwickelt sich zum Business-Enabler und liefert echten Mehrwert für das Unternehmen gerade in Zeiten des raschen Wandels. (a. a. O.)
Das oben erwähnte Vertrauen muss sich auch ein Marktforscher erst erarbeiten, zumal er ja zunächst nur als marktforscherischer Dienstleister, also als Spezialist, wahrgenommen worden ist. Er muss erst noch beweisen, dass er mehr als ein „Fachidiot“ ist. Die Neugierde, die jedem Marktforscher eo ipso zu Eigen sein sollte, versteht sich hier vor allem als Offenheit und Bereitschaft, über das originäre Tätigkeits- und Wirkungsfeld der Marktforschung hinauszuschauen. Entscheidend für die erfolgreiche Beratungstätigkeit durch betriebliche Marktforscher ist nach Ansicht der Autoren vor allem die Erweiterung der eigenen Perspektive. Das heißt selbstverständlich nicht, dass einzelne Ad-hoc-Projekte an Bedeutung verlieren. Nur sollten Projekte dabei nicht als einzelne, in sich abgeschlossene Arbeitseinheiten betrachtet werden. Vielmehr sollte der beratende Marktforscher während der gesamten Projektarbeit immer das große Ganze – sprich, den strategischen Hintergrund über die übergeordneten Zielsetzungen des Kunden – im Auge behalten, in die das einzelne Projekt eingebunden ist, um im Rahmen des einzelnen Projekts und über das einzelne Projekt hinaus auch wirklich beratend tätig werden zu können. (Gräper/von Corvin 2013, S. 2)
Entgegen der gängigen Meinung, Beratung bezöge sich nur auf die letzte Phase einer Marktforschungsstudie, verweist Dössel (2013, S. 1) darauf, dass Marktforschungsberatung bzw. Research Consulting auch an den Beginn einer Studie gehört: Am Anfang eines Prozesses steht die Beratung über den Einsatz geeigneter Methoden zur Beantwortung der Ziele der Studie. Dieser Bereich wird oft ausgeblendet. Research Consulting wird allzu häufig lediglich auf den zweiten Bereich, Analyse und Präsentation beschränkt.
In jedem Fall muss die Beratung „durch die Daten [aus einem Marktforschungsprojekt; Anm. der Verfasser] angemessen unterstützt“ (ICC/ESOMAR (2007), S. 8) werden. Auf Basis dieses Wissens soll ein beratender Marktforscher auch die „Funktion eines unternehmensinternen Wissensbrokers“ (Büchsenschütz/Baumgart 2005, S. 32) wahrnehmen. Daraus erwächst die Mobilisierungsfunktion, die auf Basis weitergegebenen Wissens für die „bereichsübergreifende Weiterentwicklung des Konzerns genutzt werden kann“ (a. a. O., S. 33). Die dritte von Büchsenschütz/Baumgart angeführte Primäraufgabe interner Berater ist neben den beiden soeben genannten Funktionen die problem-
7.2 Steigerung des Mehrwerts | 243
lösende Dienstleistung (vgl. a. a. O., S. 34 f.). Die Abbildung 7.3 soll die Kompetenzen eines marktforscherischen Beraters zusammenfassen (vgl. Wiedenfeld 2012):
Neutralität und Unabhängigkeit
+ Soft-Skills
BWL
• Vertrauenswürdigkeit • Serviceorientierung • Neugierde und Offenheit • Extraversion und gute Rhetorik • Selbstbewusstsein • Empathie • Analysefähigkeit inkl. Verdichtung von Informationen • Strategisches Denken • Problemdefinition • Objektivität
+
• Grundwissen in BWL und Unternehmensführung • Projektmanagement
Bereichskenntnisse
+
• Relevante Fachsprachen • Geschäft des zu beratenden Bereichs • Einbindung in den zu beratenden Bereich • Vernetzung zu den Schnittstellen des zu beratenden Bereichs
= Beratungskompetenz
+ Marktforschung • Methodisches und prozessuales Fachwissen • Vernetzung zu den Schnittstellen der Marktforschung • Überblick über die Instituts- und Analystenlandschaft • Wissenstransfer aus anderen Studien • Kennen der einschlägigen Sekundärliteratur und deren Analyse im Sinne von Wissensarbeit • Data Matching
+ Vertrauen
= Marktforschungsberater
Abb. 7.3: Parameter marktforscherischer Beratungskompetenz (Ottawa, Marco)
244 | 7 Mehrwert betrieblicher Marktforschung
Mit diesen Kompetenzen entspricht ein betrieblicher Marktforscher dem aktiven Marketingberater, der sowohl über hohe marktforscherische Kompetenz verfügt als auch in hohem Maße in den Marketingprozess eingebunden ist (vgl. adm 2013, S. 7 und Roleff 2001, S. 128 und 139–141). Beratung impliziert eine gewisse Unabhängigkeit von der zu beratenden Organisationseinheit sowie Neutralität, weswegen diese beiden Punkte in Abb. 7.3. auch als übergreifende Anforderungen den übrigen Parametern vorangestellt sind. Wichtig ist daneben auch die Fähigkeit, Informationen nicht nur auf konkrete Anforderung, sondern auch aus eigenem Antrieb bereitzustellen (vgl. a. a. O., S. 139). Nichtsdestotrotz sollte er sich, um nicht als „Besserwisser“ abgestempelt zu werden, davor hüten, zu glauben, das Geschäft seiner internen Kunden besser als diese zu verstehen. Selbst wenn das in Einzelfällen zutreffen sollte, ist ein betrieblicher Marktforscher gut beraten, das nicht allzu prononciert zu zeigen, sondern lieber „Impulse zur Weiterentwicklung“ (planung & analyse 2014b) zu setzen. Verschließen werden und wollen sich betriebliche Marktforscher den Trend zur Beratung zunehmend weniger, wie die Forschungsergebnisse der Hochschule Pforzheim (vgl. Hochschule Pforzheim 2013, S. 20) zeigen, in denen die befragten betrieblichen Marktforscher die wachsende Bedeutung der Beratungskompetenz als wichtigsten Trend rund um die Prozessveränderung nennen. Wenn man die Marktforschungsinstitute in den Beratungsgedanken einbezieht, ergibt sich daraus ein Dreieck marktforscherischer Beratung.
Betriebliche Marktforschung
Methodik
Marktforschungsinstitut
Beratung in der Marktforschung Ganzheitliche Beratung vor dem Hintergrund des gesamten Studienportfolios und des Wissens über das eigene Unternehmen
Wissensgenerierung und -transfer aus der eigenen oder anderen Branchen im Rahmen einzelner Studien Endverbraucher der Marktforschungserg ebnisse
Fallweise: Externe Partner
Unternehmensspezifika
Abb. 7.4: Dreieck der marktforscherischen Beratungsleistung (Ottawa, Marco)
Der beratende Aspekt bei der Vorbereitung einer Studie zwischen betrieblicher Marktforschung und Institut umfasst die Information des Instituts über Spezifika des beauf-
7.2 Steigerung des Mehrwerts | 245
tragenden Unternehmens, seiner Produkte, Märkte und Kunden. Im Gegenzug berät das Institut vor allem in methodischer Hinsicht. Gegenüber dem internen Kunden der Marktforscher, hier als Endverbraucher der Marktforschungsergebnisse bezeichnet, besteht die Beratungsleistung des Instituts in der studienbezogenen Informationsgenerierung und der daraus resultierenden Ableitung von Handlungsempfehlungen. Dazu kann auch noch die Analyse der Unternehmenskultur gehören, eine Aufgabe, die von einem Marktforschungsinstitut als Außenstehendem besser und neutraler als von einer betrieblichen Marktforschung durchgeführt werden kann. Es kann zudem das zu beratende Unternehmen unbefangener als ein Firmenangehöriger betrachten und muss nur in eingeschränktem Maß Rücksicht auf die unternehmensinterne Politik des Kunden nehmen. Eine ganzheitliche Beratung wird in der Regel nur Instituten möglich sein, die das beauftragende Unternehmen gut kennen. Da aber gerade größere Unternehmen für verschiedene Aufgabenstellungen mehrere unterschiedliche Institute beschäftigen, ist die ganzheitliche Beratung, bezogen auf das gesamte Studienportfolio und das tiefgreifende Verstehen des eigenen Unternehmens, ureigenste Domäne der betrieblichen Marktforschung. Aus eigener Erfahrung können die Autoren berichten, dass bei besonders komplexen Beratungsleistungen, die in engen Zusammenhang zu einzelnen (Grundlagen)studien stehen, durchaus auch eine gemeinsame Beratung durch betriebliche Marktforschung und Institut Sinn machen kann. Fallweise können auch noch externe Dritte hinzugezogen werden, wenn es beispielsweise darum geht, aus der Marktforschung gewonnene Handlungsempfehlungen im Unternehmen zu implementieren. Zu solchen Dienstleistern können reinrassige Unternehmensberatungen aber auch Werbeagenturen oder Designer gehören. An dieser Stelle ist es notwendig die Beratungsleistung durch betriebliche Marktforschung und Unternehmen an den unter Kapitel 1.7 aufgeführten für die Beratung relevanten Kenntnisse und Fähigkeiten eines (betrieblichen) Marktforschers zu spiegeln: Tab. 7.1: Vor- und Nachteile marktforscherischer Beratung durch betriebliche Marktforschungen und Marktforschungsinstitute (Ottawa, Marco)
Kategorie
Betrieb
Institut
Ausbildung und methodische Kenntnisse fallweise
fallweise
Kennen des eigenen Unternehmens
+
–
Kennen der Marktforschungsbranche
fallweise
fallweise
Glaubwürdigkeit
+/–
+
Soft Skills
fallweise
fallweise
246 | 7 Mehrwert betrieblicher Marktforschung
In den meisten Kategorien hängt die Beurteilung von den Kenntnissen und Fähigkeiten des einzelnen Marktforschers ab, unabhängig davon, ob er in einem Unternehmen oder einem Institut arbeitet. Ein eindeutiger und nach Ansicht der Autoren ausschlaggebender Vorteil der Beratung durch betriebliche Marktforscher ergibt sich aus dem besseren Verständnis des zu beratenden Unternehmens. Das schließt, wie oben dargestellt, eine Beratung durch Institute nicht zwingend aus, doch sollte diese nur subsidiär, etwa im Bereich methodischer Beratung oder Handlungsempfehlungen aus neutraler Position, erfolgen. Demgegenüber wird ein Institut tendenziell als glaubwürdiger wahrgenommen. Resümierend spricht nach Ansicht der Autoren vieles dafür, das Leistungsspektrum der betrieblichen Marktforschung um explizite Beratungsleistungen zu erweitern. Dazu müssen aber vor allem drei Kriterien erfüllt sein: – Offenheit der betrieblichen Marktforscher für das Beratungsgeschäft – Qualifikation der betrieblichen Marktforscher in Sachen Beratung – Feste Einbindung in die Prozesse und die Wertschöpfungskette des eigenen Unternehmens Dies beinhaltet auch, dass die Mitarbeiter sich aus einer passiv-rezeptiven Haltung hinaus bewegen und pro-aktiv Kundenbeziehungen zu neuen Kunden aufbauen und dass sie von sich aus eine stärkere Vernetzung in die Fachbereiche hin treiben und Schritt für Schritt mehr auch mit in die Umsetzung der Themen hineingehen. (Wiedenfeld 2012)
So kann der betriebliche Marktforscher „Vom Zulieferer zum Partner“ (Spangenberg 2014, S. 40) werden. Da Partnerschaften in der Regel auf längere Zeiträume ausgelegt sind, muss die Beratungsleistung des betrieblichen Marktforschers kontinuierlich und nicht nur fall- bzw. studienweise erbracht werden. Tiefes und wertschöpfendes Verständnis für das Geschäft seiner internen Kunden entsteht nur auf mittlere bis lange Sicht. Für eher traditionell denkende und handelnde Marktforschungsabteilungen bedeutet diese ursprünglich als Ausweitung diskutierte Veränderung u. U. eine komplette Neudefinition der eigenen Aktivitäten, kann aber im Idealfall maßgeblich dazu beitragen, die eigenen Arbeitsplätze zu sichern. Weiterführende Literatur Bamberger, Ingolf/Wrona, Thomas (2012): Konzeptionen der strategischen Unternehmensberatung. In: Bamberger, Ingolf/Wrona, Thomas (Hrsg.): Strategische Unternehmensberatung. Wiesbaden: Gabler, S. 2–43. Goldschmidt, Stefan/Wagner, Christian (2012): 10 Praxis-Tipps: Erfolgreicher Wandel vom betrieblichen Marktforscher zum internen Berater. Online im Internet: http://www.planunganalyse.de/news/pages/protected/show.php?id=6448&sortierid=1&currPage=1&timer=1¶ms=1 (abgerufen am 07.11.2012). Hesseler, Michael (2011): Unternehmensethik und Consulting. Berufsmoral für professionelle Beratungsprojekte. München: Oldenbourg.
7.3 Erfolgskontrolle in eigener Sache | 247
Roleff, René (2001): Marketing für die Marktforschung. Gestaltungsempfehlungen für eine marktund managementorientierte Beratungsdienstleistung. Wiesbaden: Deutscher UniversitätsVerlag.
7.3 Erfolgskontrolle in eigener Sache Unterstellen wir, eine betriebliche Marktforschung hat sich zur Beratung entschlossen, nimmt regelmäßig an den Jours Fixes der wichtigsten von ihr betreuten Bereiche teil und glaubt, dadurch einen Mehrwert für ihr Unternehmen zu erzielen. Um diese Aussage zu verifizieren, bietet sich eine Analyse der Stärken und Schwächen bezogen auf die in der betrieblichen Marktforschung des jeweiligen Unternehmens notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse an. Diese sollte in einem ersten Schritt mitarbeiterbezogen durchgeführt werden, um dann in einem zweiten Schritt zu einem Abteilungsergebnis aggregiert zu werden. Wird diese Einschätzung aber auch von ihren internen Kunden geteilt? Vornkahl (1997, S. 194 f.) sieht vor allem die Nutzung von Marktforschungsergebnissen als Qualitätskriterium für die Arbeit von Marktforschern an. Das scheint u. E. zu wenig auf die der Ergebnislieferung vorangehenden Arbeitsschritte einzugehen. Um diese systematisch einschätzen zu können, bedarf es einer validen Zufriedenheitsmessung, Selbstreflexion und Evaluation der eigenen Tätigkeit. Unternehmensinterne Kundenzufriedenheitsbefragungen für dienstleistende Abteilungen wie Personal, Einkauf oder Controlling sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Sie sollen unter anderem unter der Prämisse, dass „die externe Servicequalität (…) ein Spiegelbild der internen Servicequalität“ (ServiceRating 2009) ist, zugleich auf interne und externe Kundenzufriedenheit einzahlen. Es spricht also nichts dagegen, eine solche Befragung auch für den internen Dienstleister Marktforschung durchzuführen. Das methodische Rüstzeug dafür sollte in der betrieblichen Marktforschung vorhanden sein. Egal, ob man sich für eine Onlinebefragung oder Einzelexplorationen entscheidet, ein betrieblicher Marktforscher wird eine solche Befragung methodisch ohne Schwierigkeiten meistern können. Das Problem liegt hierbei allerdings in der Befragung durch den Dienstleister selbst. Gerade wenn eine persönliche Befragungsmethodik wie Einzelexplorationen gewählt wird, ist damit zu rechnen, dass dem Interviewer, der gleichzeitig Gegenstand des Interviews ist, um ihn nicht zu verletzen, nicht die volle Wahrheit gesagt wird. Aus diesem Grund halten die Autoren allenfalls eine Onlinebefragung in Eigenregie für ethisch und methodisch akzeptabel. Auch wenn die betriebliche Marktforschung dafür Geld in die Hand nehmen muss, ist eine Kundenzufriedenheitsbefragung in eigener Sache besser durch ein Institut durchzuführen, das die nötige Neutralität mitbringt und den Probanden ehrliche Antworten ermöglicht. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, wenn sich die betriebliche Marktforschung regelmäßig im Sinne einer Qualitätssicherung oder Evaluation auf den Prüfstand stellt, denn erst die Ergebnisse einer
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solchen Erhebunglassen valide Rückschlüsse auf den tatsächlichen (materiellen wie ideellen) durch die betriebliche Marktforschung erzielten Mehrwert zu. Sie können dann beispielsweise in eine SWOT-Analyse der eigenen Abteilung übertragen werden.
8 Aktuelle Trends und Ausblick Als langjährige Akteure und Beobachter der (deutschen) Marktforschungsbranche nehmen die Autoren aktuell insbesondere fünf Trends wahr (vgl. auch Research & Results 2015 und Scheffler/Wachter 2014): 1. Stetige Ausbreitung von Methoden und Angeboten 2. Zunehmende Verbreitung der Do-it-yourself-Marktforschung 3. Steigende Bedeutung des Datenschutzes 4. Stagnierende, z. T. auch sinkende Budgets 5. Marktforscher als Berater Der erste Punkt scheint auf den ersten Blick nicht neu zu sein. Wenn man sich jedoch wichtige Neuerungen der letzten Jahre wie Social Media Analysen oder Big Data anschaut, wird deutlich, dass dabei die IT eine immer stärkere Rolle einnimmt als bei der klassischen Marktforschung, was auch ein verändertes Anforderungsprofil des betrieblichen Marktforschers in Richtung Datenanalyst und die Implementierung von IT-Prozessen im Rahmen der digitalen Transformation mit sich bringt. Neue Methoden und Angebote wie die genannten Social Media Analysen und Big Data konkurrieren zu tradierten marktforscherischen Aktivitäten und liefern doch statt skalierter Antworten in wachsendem Maß zunächst einmal vermeintlich authentischere, wenn auch unstrukturiertere, Originalbeiträge. Dieses Thema „zwischen“ Marktforschung, IT und Customer Relationship Management beschäftigt immer mehr Unternehmensbereiche und Firmen aus den beiden letztgenannten Bereichen. Es besteht die Gefahr, dass das Thema Social Media Monitoring von CRM und IT unter Hinweis auf Big Data als größeres Ganzes, mit dem sich die Marktforschung aufgrund des individuellen Personenbezugs ohnehin nicht beschäftigen dürfe, okkupiert und aus der Zuständigkeit der Marktforschung genommen wird. Die quasi Monopolstellung der Marktforscher über Quellen, Methoden und Daten wird nun durch eine Fülle anderer Informationsströme aufgeweicht. (Halemba 2013)
Wenn man Wills/Williams (vgl. 2004, S. 1 f.) folgt, ist Marktforschung ohnehin nur ein Teil des Customer Insight als größerem Ganzen, das sich neben der Marktforschung beispielsweise auch anderer Quellen wie Datenbanken, Rückmeldungen aus dem Vertrieb oder Wettbewerbsbeobachtung bedient. Zu erwarten ist vermutlich ein „kooperatives cross-funktionales Arbeiten verschiedener Organisationsfunktionen“ (Baumann 2011, S. 14), was auch Raum und Daseinsberechtigung für die betriebliche Marktforschung lässt.
250 | 8 Aktuelle Trends und Ausblick
Den Gefahren für die betriebliche Marktforschung steht aber auch eine Reihe von Chancen gegenüber. Zu nennen ist hier eine permanent weiter wachsende Anzahl von Forschungsmethoden, die eine immer differenziertere Forschungstätigkeit ermöglichen. Daneben ist gerade bei neuen Methoden die Expertise der betrieblichen Marktforschung hinsichtlich deren Beurteilung von nicht zu unterschätzender Bedeutung für das gesamte Unternehmen, übersteigen diese doch häufig die methodischen Kenntnisse der marktforscherischen Anforderer und „Endverbraucher“. Das Zitat von Halemba zur Aufweichung der Monopolstellung der Marktforschung kann auch auf die „Do-it-yourself“-Marktforschung ausgeweitet werden, unter der die Autoren Marktforschung, die kostenlos oder sehr preisgünstig ohne die Einschaltung von betrieblicher oder Institutsmarktforschung durchgeführt werden kann, verstehen. Diese „Marktforschung“, wie sie etwa Google Trends oder SurveyMonkey repräsentieren, kann den Anschein erwecken, schneller und preiswerter als klassische Marktforschung zu Ergebnissen zu gelangen. Die Ergebnisse derartiger Recherchen oder „Studien“ halten marktforscherischen Ansprüchen nicht unbedingt stand, liefern aber dem unwissenden Dritten Ergebnisse, die er zwar nicht beurteilen, aber glauben und verbreiten kann (vgl. Scheffler/Wachter 2014, S. 9). Der betriebliche Marktforscher ist hier gefordert, nicht zu verdammen, sondern seine internen Kunden über diese Methoden und Analysemöglichkeiten aufzuklären. Wo es Sinn macht und methodisch vertretbar ist, spricht nichts dagegen, sich ihrer auch als betrieblicher Marktforscher zu bedienen (vgl. Dreßen 2014). Ungeachtet aller aktuellen Diskussionen um die Spionageaktivitäten der NSA einerseits und den leichtsinnigen Umgang mit persönlichen Daten in Social Networks andererseits ist die zunehmende Bedeutung des Datenschutzes zumindest in Deutschland eine maßgebliche gesellschaftliche Rahmenbedingung mit massivem Einfluss auf die betriebliche Marktforschung. Nicht nur im Zusammenhang mit Big Data nehmen die Autoren in den letzten Jahren zudem in verstärktem Maß Forschungsaufträge ohne Anonymisierung der Probanden wahr. Die so gewonnenen Daten sollen zum Teil einer Zweitverwertung zugeführt werden. So können zum Beispiel im Rahmen einer Studie zu technischen Störungen an Autos Probanden gebeten werden, im Rahmen einer Befragung freiwillig ihre Kontaktdaten zu hinterlassen. Im Nachgang der Studie bietet die forschende Automobilfirma den Kunden eine kostenlose Schadensbeseitigung an, aus der sie selbst Wissen über Schadensmuster ziehen kann. Sowohl Proband als auch forschendes Unternehmen ziehen Vorteile aus dieser Vorgehensweise, und dennoch steht sie im Widerspruch zum Standesrecht der Marktforschung, das die Verquickung von Marktforschung mit weiteren Aktivitäten verbietet: Marktforscher dürfen niemals zulassen, dass die in einem Projekt erhobenen personenbezogenen Daten für irgendeinen anderen Zweck als Marktforschung verwendet werden. (ICC/ ESOMAR 2007)
8 Aktuelle Trends und Ausblick | 251
Die Lösung dieses Dilemmas für betriebliche Marktforscher kann u. U. in einer Aufteilung der Forschungsaktivitäten in „klassische“, dem Standesrecht vollständig entsprechende, und „graue“ Marktforschung liegen. Große Institute, z. B. TNS Infratest mit InfraLive, leben eine solche Zweiteilung vor. Die Autoren nehmen auch in den Anfragen an die betriebliche Marktforschung eine zunehmende Nachfrage nach derartigen Forschungen wahr. Um mit Scheffler zu sprechen (adm 2013, S. 4), wird es „zukünftig notwendig sein, das Profil der wissenschaftlichen Markt- und Sozialforschung mit ihren gesetzlichen Privilegien zu schärfen und zugleich für akzeptierte ethische und methodische Standards dieser anderen Aktivitäten zu sorgen.“ Dieser Beitrag zeichnet prägnant die aktuelle Situation insbesondere der deutschen Marktforschung nach (vgl. a. a. O., S. 5–8). Dass er nichts an Aktualität verloren hat, bestätigen Scheffler/Wächter (2014, S. 5 f.). Daneben sinkt oder stagniert, wie schon erwähnt, die Bereitschaft von Unternehmen, Geld für Marktforschung auszugeben, was auch durch die sinkenden Umsätzen und Margen der größeren Marktforschungsinstitute im Rahmen der Quartalsund Jahresberichterstattung abgebildet wird. Was im Hinblick auf die zahlreichen neuen und zum Teil auch kostensenkenden Onlinemethoden kein Problem darstellt, kann andererseits die Handlungsfähigkeit der betrieblichen Marktforschung einschränken und oftmals keinen Raum lassen, neue Methodiken auszuprobieren oder innovative Themen anzugehen. Gleichzeitig hat der starke Wettbewerb zwischen Instituten in den letzten Jahren zu einem deutlichen Preisverfall geführt (vgl. zu dem Aspekt der Preisentwicklung bei CATI-Studien Ermert 2013). Was eigentlich im Interesse eines betrieblichen Marktforschers sein müsste, erweist sich schnell als Eigentor, da die immer weiter sinkenden Kosten für ein telefonisches Interview zu Lasten der Qualität gehen. Über CATI wird es auch zunehmend schwieriger, Probanden für Marktforschungsstudien zu finden (vgl. Hochschule Pforzheim 2013, S. 18). Die Budgetfrage bietet aber auch Chancen für die betriebliche Marktforschung, so etwa die Möglichkeit, sich von langjährigen „Controlling-Studien“, deren markforscherischer Wert teilweise zweifelhaft ist, deren Kosten jedoch hoch sind, zu trennen. Stattdessen kann das Geld in zukunftsträchtige Themen reallokiert werden. Auch das Insourcing von Forschung, etwa durch die eigenständige Durchführung von Onlineforschung, kann den Wert der betrieblichen Marktforschung steigern. Marktforscher richten sich zunehmend stärker strategisch aus (vgl. Göb 2010, S. 212). Daneben werden sie zunehmend als Berater gesehen und gefordert (vgl. Hochschule Pforzheim 2013, S. 20), was nicht nur als Bedrohung des traditionellen Tätigkeitsfelds des betrieblichen Marktforschers, sondern vor allem auch als Chance für diese Disziplin gesehen werden kann. Diese Chancen sollten betriebliche Marktforscher nutzen und den möglichen Einschnitten in ihr Tätigkeitsfeld durch das Erschließen und Besetzen neuer Bereiche, ohne die alten aufzugeben, zu begegnen. Entscheidend für die Zukunft der betrieblichen Marktforschung scheint den
252 | 8 Aktuelle Trends und Ausblick
Autoren die Offenheit der betrieblichen Marktforscher für Neues zu sein. Sie sollten ihre tätigkeitsimmanente Neugierde dazu nutzen, sich nicht nur auf Informationslieferanten und Zahlenanalysten reduzieren zu lassen, oder, im schlimmsten Fall, sich selbst darauf zu beschränken, sondern den gesamten internen und externen Geschäftsprozess ihres Unternehmens als Sparringspartner und sofern nötig auch als Berater kritisch zu beobachten und zu hinterfragen. Basis dafür ist die Fundierung ihrer forscherischen Tätigkeit auf bewährten wissenschaftlichen Standards und Methoden gepaart mit dem Mut, neue Methoden wie etwa Social Media Analysen oder neue Aufgaben wie Beratungsleistungen in ihr Portfolio aufzunehmen. So ließe sich auch „das Vorurteil vom unkreativen Datensammler, der keine Ahnung vom Tagesgeschäft hat“ (Fetzer/Schuh 2013, S. 66) leichter entkräften. In jedem Fall sollte die betriebliche Marktforschung Themen aufgreifen, bevor es Dritte tun und ihre Arbeit damit Stück für Stück entbehrlicher machen. Die betriebliche Marktforschung ist – und das dürfte nach der Lektüre des Buches deutlich geworden sein – auf der einen Seite Mittler „zwischen den Welten“ der innerbetrieblichen Anforderer und der externen Anbieter und Dienstleister, auf der anderen Seite aber auch selbst die „Marktforschung im Unternehmen“. Mit zunehmender Komplexität des Marktgeschehens wachsen – augenscheinlich – die Ansprüche an die betriebliche Marktforschung: Big Data, Social Media, unbewusste Wahrnehmung, Neuroökonomie, Emotionserkennung und viele andere wohlklingende Begrifflichkeiten dominieren gerade die Diskussion. Aber wer führt denn eigentlich die Diskussion? Sind es die betrieblichen Marktforscher, die Anforderer aus den Unternehmen oder nicht doch zuletzt doch die externen Anbieter, die sich in einem Bereich, in dem die Luft immer dünner wird, positionieren müssen? Der betriebliche Marktforscher wird hier immer mehr zum „Gatekeeper“, der mit methodischem Sachverstand Experte für die neuen Themen werden muss und gefordert ist, eine Bewertung dahingehend vorzunehmen, was eigentlich überhaupt zentrale Themen sind und ob diese das eigene Unternehmen tatsächlich weiterbringen. Diese Bewertungs- und Informationsfunktion für die internen Auftraggeber und Kunden wird sich sicherlich als profilbildend für das Berufsbild in der Zukunft erweisen. Die betriebliche Marktforschung wird auf diese Art und Weise eher zu einer Art „Think Tank“, die Innovationen auf den Prüfstand stellt und für das Unternehmen bewertet, aber auch eigene methodische Herangehensweisen aus Perspektive des Unternehmens zur Beantwortung der Zukunftsfragen des Unternehmens entwickeln wird. Das setzt auf der einen Seite eine Art Stabsstellenfunktion voraus, auf der anderen Seite aber auch eine stärkere Integration in die entsprechenden Prozesse. Einen weiteren Aspekt müssen wir bei der Definition der „betrieblichen Marktforschung der Zukunft“ aber auch noch berücksichtigen: Die fortschreitende Technisierung, die immer besser werdenden CRM-Ansätze und unternehmenseigenen Datenbanken sowie der Aufbau immer größerer (und zum Teil qualitativ hochwerti-
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ger) „Communities“ erlauben den Unternehmen in einem immer größeren Umfang, selbst marktforscherisch im „eigenen Feld“ tätig zu werden. Hier wird die betriebliche Marktforschung immer stärker zum „Qualitätsstifter und -sicherer“, was aber in Anbetracht dessen, dass ein Customizing der Vorgehensweisen und eine stärkere Bindung dieser Aktivitäten an die Unternehmen auch unter dem Aspekt der Kundenbindung und Differenzierung zu den Entwicklungsschritten in eine digitale Zukunft gehört. Zu fragen ist allerdings, ob der Begriff „betriebliche Marktforschung“, wie schon 2006 von Frieser (vgl. 2006, S. 124) angesprochen, noch zeitgemäß ist, da er unter Umständen nach den vorstehenden Ausführungen zu den Anforderungen an eine betriebliche Marktforschung ein veraltetes Bild dieser Profession suggeriert. Ob allerdings Schlagwörter wie Business Intelligence, Customer Insight oder Market Insight die Lösung sind, sei bezweifelt. Entscheidend ist vielmehr die Bereitschaft der betrieblichen Marktforscher, sich den aktuellen Anforderungen ihres Unternehmens zu stellen, auch wenn dabei manch alter Zopf abgeschnitten werden muss. U. E. schafft es nur ein „Mind Change“, den neuen Themen und Anforderungen der betrieblichen Marktforschung gerecht zu werden, um dieser weiterhin die Existenzberechtigung zu erhalten. Letztendlich – und das sei als abschließender Punkt genannt – kann die betriebliche Marktforschung diese Zukunftsaufgaben nur dann lösen, wenn eine Positionierung innerhalb der Unternehmen entsprechend dieser Aufgaben stattfindet, die betriebliche Marktforschung innerhalb und über die Unternehmen, etwa über einen intensiveren Austausch zwischen den betrieblichen Marktforschungen verschiedener Unternehmen, hinaus stärker vernetzt wird und betriebliche Marktforschung als eigenständige (wissenschaftliche) Disziplin verstanden wird.
A Methoden in der betrieblichen Marktforschung A.1 Einleitung Im ersten Kapitel wird ausführlich auf die Definition von betrieblicher Marktforschung, die Spezifika eines betrieblichen Marktforschers sowie das Qualifikationsprofil und Weiterbildungsmöglichkeiten eingegangen. Während die Definition von betrieblicher Marktforschung im EingangsKapitel „operational“ die betriebliche von Institutsmarktforschung abgrenzt, lohnt vielleicht noch ein Blick auf eine allgemeinere Definition von Marktforschung, die z. B. wie folgt lauten kann: In der Marktforschung berühren sich die praktischen Interessen einer entscheidungsorientierten Unternehmensführung und die wissenschaftlichen Interessen einer empirisch gestützten Theoriebildung wie in fast keiner anderen betriebswirtschaftlichen Disziplin. Der Marktforscher möchte Informationen über konkrete Nachfrager und Märkte gewinnen, um eine entscheidungsorientierte Führung von Unternehmen zu ermöglichen. Der Wissenschaftler abstrahiert von dem Einzelfall eines konkreten Unternehmens und möchte das Verhalten der Marktteilnehmer so allgemein wie möglich erklären. Zu diesem Zweck versucht er, die Erklärungskraft entsprechender Theorien zu steigern. (vgl. Olbrich/Battenfeld/Buhr 2012, S. 3)
Hier wird die Marktforschung explizit als wissenschaftliche Disziplin im Austausch mit den praktischen Interessen der Unternehmensführung bezeichnet. Diese Form der Marktforschung findet man allerdings eher in der Wissenschaft an betriebswirtschaftlichen (universitären) nationalen wie internationalen Lehrstühlen. Die Verortung dieser Form der Marktforschung findet jedoch häufig im Bereich Marketing bzw. dem Marketing nachgestellt statt. Ebenfalls findet sich eine wissenschaftliche Betrachtung von Themen der Marktforschung in der Wirtschaftspsychologie und hier besonders im Bereich der Konsumentenpsychologie. Einige betriebliche Marktforscher werden sicherlich im Rahmen eines betriebswirtschaftlichen, sozialwissenschaftlichen oder (wirtschafts-)psychologischen Studiums mit dieser Form der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Marktforschung in Kontakt gekommen sein, viele aber als Quereinsteiger eher nicht. Weiterhin besteht aber auch das Problem, dass es keinen sehr ausgeprägten Transfer zwischen „wissenschaftlicher“ und „angewandter“ Marktforschung gibt und transdisziplinäre Projekte eher die Ausnahme als die Regel sind. Berücksichtigt man weiterhin die Arbeitsbedingungen und Praxisanforderungen der betrieblichen Marktforschung, so bleiben nur wenig Zeit und Ressourcen für eine empirisch fundierte (zum Teil auch experimentelle) Tätigkeit, die wissenschaftlichen Standards genügt.
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Verlässt man die eher wissenschaftliche bzw. universitäre/hochschulgebundene Marktforschung, so gibt es durchaus pragmatischere und der betrieblichen wie der Institutsmarktforschung eher angemessene Definitionen von Marktforschung. So beschreiben Hamman/Erichson (2000, S. 32) Marktforschung als eine systematische, empirische Untersuchungstätigkeit mit dem Zweck der Informationsgewinnung oder -verbesserung über objektiv oder subjektiv bedingte Markttatbestände und -phänomene als Grundlage beschaffungs- und absatzpolitischer Entscheidungen.
In dieser eher pragmatischen und anwendungsorientierten Definition werden sich mit aller Wahrscheinlichkeit die betrieblichen Marktforscher und zahlreiche Institutsmarktforscher leichter wiederfinden. Entscheidend ist hier der Hinweis auf die systematische und empirische Untersuchungstätigkeit. Viele der Methoden, die für diese Form der Untersuchungstätigkeit verwendet werden, stammen aus der wissenschaftlichen Forschung bzw. werden dort verwendet (z. B. der ganze Bereich der sozialwissenschaftlichen Erhebungs- und Auswertungsmethoden). Die im deutschsprachigen Raum festzustellende stärkere Anwendungsorientierung bei der Beschäftigung mit Marktforschung findet sich auch bei Betrachtung der entsprechenden Zeitschriften, die in diesem Bereich angeboten werden (http://www.marktforschung.de/index.php?id=105). Diese Anwendungsorientierung kann aber dann problematisch werden, wenn neue Methoden und Befunde aus der Wissenschaft kaum Berücksichtigung finden bzw. lange brauchen, um in das Instrumentarium der Marktforschung aufgenommen zu werden. Im Folgenden soll versucht werden, wissenschaftliche Designs, Anforderungen und Methoden mit den Anforderungen und Methoden der Marktforschungspraxis so zu verbinden, dass es dem betrieblichen Marktforscher möglich ist, die ihm zur Verfügung stehenden Methoden und Angebote von externen Dienstleistern auf einen „Mini-Prüfstand“ zu stellen und so die eine oder andere objektivierbare Angabe mit der eigenen Intuition – oder aber auch den Versprechungen der jeweiligen Anbieter – sowie den Anforderungen aus dem eigenen Unternehmen abzugleichen. Da wir versuchen, die weiteren Überlegungen möglichst wenig formal und gut verständlich zu formulieren, muss darauf hingewiesen werden, dass viele Sachverhalte stark (auch formal) vereinfacht dargestellt werden. Die wissenschaftlichen Fachkollegen seien um Nachsicht gebeten, der an tiefergehender Information interessierte betriebliche Marktforscher auf die angegebene weiterführende Literatur verwiesen. Die Abfolge der methodischen Betrachtungen in den folgenden Unterkapiteln ist willkürlich.
A.2 Aspekte der Stichprobe | 257
A.2 Aspekte der Stichprobe Eine der Kernfragen in der betrieblichen Marktforschung ist die nach der Stichprobengröße – hierbei kann es sich zum einen um eine Mindeststichprobengröße handeln, zum anderen aber auch um die Forderung nach einer „belastbaren“ (richtigen) Stichprobengröße. Die Fragen nach der Stichprobengröße lassen sich auf den ersten Blick lapidar mit der Aussage „je größer, desto besser“ beantworten. Dies kann dadurch begründet werden, dass mit steigender Stichprobengröße die Präzision der Ergebnisse (Schätzung) steigt. Das hilft aber nur weiter, wenn man Informationen über die Größe der Grundgesamtheit hat, Statistik verwendet und ggfs. eine Vorstellung davon hat, wie stark eigentlich ein beobachtbarer Effekt (z. B. eine Reichweitenveränderung, ein Unterschied in der Zahlungsbereitschaft zwischen verschiedenen Nutzergruppen etc.) sein sollte. Aus diesen Gründen soll sich der Frage nach der richtigen Stichprobengröße bzw. Mindeststichprobengröße über andere Konzepte genähert werden: – Prävalenz und Inzidenz von Merkmalen, – Anforderungen aus der Statistik und – Bestimmung der „optimalen“ Stichprobengröße. Prävalenz: Wie viele Untersuchungseinheiten gibt es eigentlich? Ein Kriterium, das für die Kostenkalkulation eine entscheidende Rolle spielt, ist die Wahrscheinlichkeit, mit der Mitglieder der gesuchten Zielgruppe anzutreffen sind. Aus der Medizin lassen sich hier die Kennziffern Prävalenz (Anzahl der Erkrankten) bzw. Prävalenzrate (Anzahl der Erkrankten/alle Individuen in der Untersuchung) heranziehen, die diese Informationen zur Verfügung stellen (vgl. Bonita/Beaglehole/Kjellström, 2008) und inzwischen in den Bereich der Marktforschung Einzug gehalten haben. Gleichbedeutend mit Prävalenz und Prävalenzrate wäre die Frage, wie viele Personen ein Smartphone einer bestimmten Marke besitzen bzw. wie groß der prozentuale Anteil ist (wobei hier immer gut überlegt werden muss, auf welche Prozentuierungsbasis der Anteil bezogen wird). Häufig werden Prävalenz und Inzidenz im täglichen Marktforschungssprachgebrauch verwechselt. Bei der Inzidenz handelt es sich um die Personen, die in einem bestimmten Zeitraum neu erkrankt sind, bei der Inzidenzrate ebenfalls wieder um einen an einer Prozentuierungsbasis relativierten Anteil (vgl. zur Verwendung der Begriffe im sozialwissenschaftlichen Kontext bzw. im Bereich der Evaluation Bortz/Döring 2006, S. 110–111). In Bezug auf die Marktforschung würde die Inzidenz die Frage danach beantworten, wie viele Personen sich ein Smartphone in einem bestimmten Zeitraum zugelegt haben bzw. wie groß der entsprechende prozentuale Anteil ist. Bei der Anzahl der zu befragenden Personen spielt meistens die Prävalenz („Gesamtkunden“) eine größere Rolle als die Inzidenz („Neukunden“), da von dieser Kennziffer abhängt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, in einem Befragtenpool
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(z. B. eines Onlinepanels oder einer Face-to-Face-Befragung auf der Straße) einen „Merkmalsträger“ zu finden. In der Regel gilt, dass mit steigender Prävalenz die Kosten pro Befragung/Interview geringer werden. TIPP: Häufig werden von Marktforschungsanbietern Prävalenzen nur abgeschätzt und als Kalkulationsgrundlage verwendet. Dies führt dann in dem einen oder anderen Fall zu Nachforderungen und einem zum Teil deutlich höheren Kostenapparat. Das lässt sich vermeiden, wenn die Institute z. B. im Rahmen einer ihrer regelmäßigen Bus-Befragungen die Prävalenz empirisch ermitteln. Nach unseren Erfahrungen übernehmen größere Institute diese empirisch gestützte Abschätzung, die der Erstellung eines meist realistischen Kostenvoranschlages dient, für langjährige Kunden auch ohne weitere Kosten. ■
Zusammenfassend erlaubt die Bestimmung der Prävalenz noch nicht die Definition der „richtigen“ Stichprobengröße, ist aber ein relevanter Baustein zur Planung von empirischen Untersuchungen vor allem bei knappen Budgets. Durch eine adäquate Abschätzung der Kosten pro Fall kann vermieden werden, am Ende einer Studie nur deutlich weniger Probanden als für z. B. tragfähige statistische Aussagen notwendig aus Budgetgründen berücksichtigen zu können. Andererseits können aber auch bei kleinen und sehr schwer erreichbaren Populationen Kosten-Nutzen-Überlegungen angestellt werden, ob sich die Rekrutierung einer Stichprobe überhaupt lohnt und nicht ggfs. (kontrollierte) Einzelfallstudien sinnvoller sein könnten. Ab wann „funktioniert“ Statistik? Betrachtet man lediglich die deskriptive bzw. beschreibende Statistik und möchte keine Versuche unternehmen, im Rahmen der Inferenzstatistik von der empirischen Stichprobe auf eine zugrundeliegende Population „hochzurechnen“, dann gibt es keine Mindeststichprobengröße. Bei Verwendung der schließenden Statistik bzw. der Inferenzstatistik kann man bei Mittelwerten aufgrund von mathematischen Grenzwertsätzen (vgl. zum sogenannten „Zentralen Grenzwerttheorem“ und zu vertiefender Literatur Bortz/Schuster 2010, S. 85–86) mit gutem Gewissen davon ausgehen, dass ab einer Mindeststichprobengröße von N = 30 (pro Untersuchungsgruppe) die gängigen Voraussetzungen der Statistik in Bezug auf Verteilungsannahmen erfüllt sind. Ab dieser Stichprobengröße verteilen sich – vereinfacht gesagt – Mittelwerte und Differenzen von Mittelwerten analog zu einer Normalverteilung. Und das gilt (asymptotisch) sogar unabhängig von der Verteilung in der Grundgesamtheit. TIPP für Fortgeschrittene: Lassen Sie sich nicht einreden, dass bei Stichproben größer N = 30 eine statistische Prüfung auf Normalverteilung erfolgen muss bzw. eine Normalverteilung der Merkmale Voraussetzung für die Anwendung von Statistik ist. Dieser Fehler wird häufig von Sozialwissenschaftlern begangen, die keine tiefergehende Ausbildung in Statistik genossen haben. Bei hinreichender Stichprobengröße ist die Verteilung der Rohdaten mehr oder weniger irrelevant. ■
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TIPP für Fortgeschrittene: Besondere Vorsicht ist auch geboten, wenn im Fall von kleinen Stichproben oder Voraussetzungsverletzungen plötzlich „moderne“ Verfahren wie das Bootstrap-Verfahren oder sogenannte „Jackknife“-Schätzer angewendet werden (vgl. Efron/Tibshirani 1993). Die Anwendung dieser Verfahren ist statistisch hochkomplex und kann ohne ausführliche Voruntersuchungen nicht vorgenommen werden. Gerade im Bereich der Marktforschung hat sich eine Verwendung dieser Verfahren etabliert, die in einigen Fällen schon fast als fahrlässig bezeichnet werden kann. Die Bewertung der Angemessenheit der Anwendung dieser Verfahren kann nur von einem erfahrenen Statistiker vorgenommen werden. ■
Natürlich gilt für statistische Verfahren, dass sie (ggfs. mit Einschränkungen) ebenfalls bei kleineren Stichproben (N < 30) angewendet werden können – aber hier sollte man generell etwas vorsichtiger sein, da ein Schluss von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit unter Umständen nur eingeschränkt möglich ist bzw. (wie z. B. bei vielen nichtparametrischen Tests) Aussagen über „mittlere Rangplätze“ in Bezug auf eine interessierende Variable und nicht über deren z. B. Mittelwerte getroffen werden. Generell hat sich in der Praxis gezeigt, dass eine Anwendung nichtparametrischer Verfahren bei kleinen Stichproben bzw. Voraussetzungsverletzungen zu Ergebnissen führt, die nur in seltenen Fällen innerhalb eines Unternehmens sinnvoll kommunizierbar sind. Berechnung der „optimalen“ Stichprobengröße Aus den Humanwissenschaften gibt es einen Ansatz, der eine statistische Berechnung der optimalen Stichprobengröße erlaubt und auch vom betrieblichen Marktforscher ohne größere statistische Vorkenntnisse vorgenommen werden kann. Die einzige Voraussetzung besteht darin, dass der betriebliche Marktforscher in der Lage ist, eine Hypothese über die Stärke des erwarteten Effekts (z. B. einer Kampagne) abzuleiten. Die Berechnung der optimalen Stichprobengröße kann EDV-gestützt mit dem Tool G*Power 3 (vgl. Faul/Erdfelder/Lang/Buchner 2007) vorgenommen werden, das häufig im Rahmen der (experimentellen) Untersuchungsplanung eingesetzt wird. Ein Download ist z. B. auf der Webseite http://www.psycho.uni-duesseldorf.de/abteilungen/aap/gpower3/download-and-register möglich. In einem vereinfachten Fall kann der Anwender hier eine Irrtumswahrscheinlichkeit (die Wahrscheinlichkeit, sich bei Interpretation eines Unterschiedes als signifikant zu irren), die sogenannte Power (die Wahrscheinlichkeit, „richtig“ auf einen Unterschied zu schließen) und die Stärke eines Effekte (Konvention sind hier 0,2 = schwacher Effekt, 0,5 = mittlerer Effekt und 0,8 = starker Effekt) sowie das verwendete Testverfahren (wodurch auch determiniert wird, ob es sich um eine oder mehrere Untersuchungsstichproben handelt) und ob es sich um die Untersuchung an einer oder mehreren Stichproben handelt eingeben und erhält eine entsprechend „optimale“ Stichprobengröße als Ergebnis. In Bezug auf die Irrtumswahrscheinlichkeit wird oft der Wert von 5 % verwendet, bei der Power ein Wert von 80 %. Ein Überblick über die Berechnungen der Teststärke findet sich beispielsweise in Cohen (1998).
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Beispiel: Die Auswirkungen einer Werbekampagne auf die monatlichen Ausgaben für Mobiltelefonie sollen untersucht werden. Eine Gruppe von Personen wird vor dem Start der Kampagne befragt, eine zweite Gruppe nach dem Start der Kampagne. Wenn der betriebliche Marktforscher davon ausgeht, dass die Kampagne sicherlich nur einen relativ schwachen Effekt (0,20) auf das Ausgabenverhalten haben wird, dann wären insgesamt zwei Stichproben (Messung an der ersten Stichprobe vor der Kampagne und Messung an der zweiten Stichprobe nach der Kampagne) der Größe N = 310 (also insgesamt 620 befragte Personen) notwendig, um diesen Effekt zu identifizieren (bei einem mittleren Effekt, der aber eher als unrealistisch zu bezeichnen ist, wären insgesamt 102 Personen zu befragen, bei einem starken Effekt 42 Personen). Bei einer Wiederholungsbefragung der gleichen Personen müssten zur Identifikation eines schwachen Effektes1 N = 272 Personen zweimal befragt werden.
Abb. A.1: Berechnung der optimalen Stichprobengröße auf Basis von einer Effektgröße von 0,2, einem Alpha-Fehler von 0,05, einer Power von 0,8 und einem Test von zwei unabhängigen Stichproben bzw. der wiederholten Messung einer Stichprobe (Screenshots aus dem Programm G*Power 3)
|| 1 Unabhängig von der Definition eines „starken“, „mittleren“ und „schwachen“ Effektes kann eine bestimmte Effektgröße bei Kenntnis der Varianzen der abhängigen Variablen auch exakt berechnet werden. Das kann dann sehr sinnvoll sein, wenn z. B. bestimmte Steigerungen von Absatzmenge oder Umsatz erwartet werden und diese numerischen Werte dann als δ-Wert bei den Berechnungen verwendet werden sollen. Dabei ist immer wieder für den Laien erstaunlich, wie gering diese Werte häufig werden.
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Eine Anwendung dieser eher aus den Sozialwissenschaften und der medizinischen Forschung kommenden Berechnungsgrundlagen ist nach unserer Auffassung in der betrieblichen Marktforschung bei der Planung von Studien sehr hilfreich – auf der einen Seite kann vermieden werden, dass Effekte wegen zu kleiner Stichproben nicht sichtbar werden, auf der anderen Seite ist die Obergrenze der Stichprobengröße brauchbar zu approximieren. Stichprobenarten In der (mathematischen) Statistik wird normalerweise immer von „echten“ Zufallsstichproben (mit Zurücklegen) ausgegangen. Auch in der Marktforschung wird der Begriff der „Zufallsstichprobe“ häufig (allerdings meistens nicht korrekt) verwendet. Das Ziehen einer Zufallsstichprobe wird in der folgenden Abbildung veranschaulicht:
Einstufige Stichprobe Stichprobe
Grundgesamtheit Abb. A.2: Ziehung einer (einstufigen) Zufallsstichprobe (Rietz, Christian)
Definiert ist eine Zufallsstichprobe darüber, dass jedes Element der Grundgesamtheit eine von Null verschiedene (gleiche) Wahrscheinlichkeit hat, in die Stichprobe zu gelangen (vgl. zur Zufallsstichprobe auch Bortz/Schuster 2010, S. 80–81). Normalerweise wird dabei auch von Stichproben mit Zurücklegen (also jedes ausgewählte Element kommt wieder zurück in die Urne und kann theoretisch erneut ausgewählt werden) ausgegangen. Auch wenn die Relevanz der „echten“ Zufallsstichprobe in der Statistik inzwischen relativiert wurde (vgl. z. B. Bortz/Schuster 2013, S. 81), so ist das Konzept der
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Zufallsstichprobe für die Marktforschung aus mehreren Gründen mehr oder weniger irrelevant (über die „Ziehung mit Zurücklegen“ soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden): – Nur selten kann eine Population exakt in der Form beschrieben werden, dass das Konzept der Wahlurne, aus der die Elemente gezogen werden, realisiert werden kann (nicht für alle Nutzer einer Dienstleistung liegen alle Kontaktdaten vor), – häufig sind Populationen nur teilweise bekannt, da das interessierende Merkmal nicht bei allen Elementen erhoben wurde (z. B. Kaufabsicht) und – selbst wenn Elemente nach dem Modell der Wahlurne gezogen werden könnten, nimmt nicht jedes Element an einer Untersuchung teil (z. B. Antwortverweigerer) Die Ansätze aus den Sozialwissenschaften, einer Zufallsstichprobe möglichst ähnliche Stichproben, beispielsweise über Einwohnermeldeamtsstichproben, zu ziehen, sind in der betrieblichen Marktforschung bedingt durch den hohen Aufwand ebenfalls so gut wie nie realisierbar. Das gilt ebenso für diverse Formen der mehrstufigen Ziehung von Zufallsstichproben. Exkurs: Die Anwendbarkeit von Inferenzstatistik wird kaum dadurch beeinflusst, ob eine Zufallsstichprobe vorliegt oder nicht, wenn man von der Grundidee ausgeht, dass sich zu jeder Stichprobe prinzipiell eine Population definieren lässt. Werden z. B. an einem Freitagnachmittag persönliche Interviews zu dem Design eines Prototypen eines Hybridfahrzeugs in der Frankfurter Innenstadt durchgeführt, wobei jeder erreichbare Passant angesprochen wird, kann auf die Grundgesamt der Personen generalisiert werden, denen diese selektive Passantenstichprobe entspricht. An dieser Stelle wird dann deutlich, dass z. B. statistische Konfidenzintervalle über die Ausgabebereitschaft für ein Hybridfahrzeug für die zugrundeliegende Population berechnet werden können, es aber schwierig sein dürfte, diese Population zu bestimmen/zu definieren (vgl. zu diesem Gedankengang auch Bortz/Schuster 2010, S. 81). ■
Entscheidend für die betriebliche Marktforschung ist eher, dass die Stichprobe „repräsentativ“ ist. Repräsentativität bedeutet im engeren Sinne, dass eine Stichprobe in Bezug auf alle Merkmale ein Miniaturabbild der zugrundeliegenden Population darstellt. Eine Repräsentativität in Bezug auf die meisten Merkmale der Population wird auch als sogenannte „globale Repräsentativität“ bezeichnet (vgl. Bortz/Döring 2006, S. 398). Da aber normalerweise die Populationsverteilungen aller Merkmale einer Stichprobe nur selten bekannt sind, ist diese „echte“ Repräsentativität mangels Wissen über die Grundgesamtheit nicht überprüfbar. Hier behilft man sich dahingehend, dass Stichproben für bestimmte Merkmale der Grundgesamtheit repräsentativ sind. Diese Stichproben werden dann als „(merkmals-)spezifisch repräsentativ“ bezeichnet (Bortz/Döring 2006, S. 397). Wenn z. B. die Alters- und Geschlechtsverteilung von Kunden bekannt ist, sollte die Stichprobe
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so gezogen werden, dass sich Alter und Geschlecht entsprechend dieser Vorgabe in der Stichprobe verteilen. TIPP: Es ist immer sehr sinnvoll, sich Gedanken darüber zu machen, nach welchen Kriterien eine Stichprobe repräsentativ sein soll (und häufig wird dadurch z. B. im Marketing ein für den betrieblichen Marktforscher wichtiger Prozess initiiert). Wenn z. B. eine über Onsite-Rekrutierung gewonnene Ad-hoc-Stichprobe, die nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit ist, im Fokus einer Erhebung steht (wenn z. B. über ein Nachrichtenportal die Meinung zu innovativen Kommunikationstools in sozialen Netzwerken erfragt werden soll), hat diese Stichprobe nur wenig Wert für die Marktforschung. ■
Repräsentativität setzt aber nicht zwangsläufig große Stichproben voraus: Auch bei kleinen Stichproben ist immer darauf zu achten, dass die Merkmale der relevanten Grundgesamtheit (Nutzer, Zielgruppe) ungefähr den Verhältnissen in der Grundgesamtheit entsprechend abgebildet werden. Stichproben können ein- oder mehrdimensional repräsentativ sein: Das bedeutet z. B. für Alter und Geschlecht, dass die Stichproben entweder univariat für Alter oder für Geschlecht repräsentativ sind, es kann aber auch bedeuten, dass die Stichprobe einer bivariaten Verteilung Alter × Geschlecht entsprechend verteilt ist. Je nach Anzahl der Merkmale, die für Repräsentativität relevant sind, kann es hier schnell zu komplexen Tabellen kommen, die dann als Grundlage für die Stichprobenziehung dienen. Letztendlich hängt die Wahl aber vor allem davon ab, ob nur über die einzelnen Merkmale (nur über z. B. Alter oder nur über Geschlecht) Aussagen abgeleitet werden sollen oder auch über Kombinationen der Merkmale. Wie schnell ein Stichprobenplan für eine repräsentative Stichprobenziehung komplex werden kann, verdeutlicht das Beispiel in der folgenden Tabelle A.1. Sind Stichproben nicht repräsentativ (gibt es beispielsweise zu viele Personen in der Gruppe der 20–29jährigen Befragten), so können diese so gewichtet werden, dass die Stichprobe der Grundgesamtheit entspricht. Dies geschieht über die Multiplikation der einzelnen Probanden mit sogenannten Fallgewichten. In der Praxis sollte man allerdings nur dann gewichten, wenn es unbedingt notwendig ist – denn jede Form der Gewichtung hat Auswirkungen auf die Verwendung statistischer Verfahren und kann im Fall von sehr hohen Fallgewichten auch zu Artefakten führen. Andererseits erlauben die Verfahren der Gewichtung aber auch, dass Zellen, die „normalerweise“ relativ wenig besetzt sind, im Rahmen eines Oversampling überproportional viele Fälle aufweisen, um auch in diesen Zellen (die aber für das Marketing sehr relevant sein können) statistisch belastbare Aussagen ableiten zu können.
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Tab. A.1: Stichprobenplan für die Ziehung einer repräsentativen Stichprobe Alter (in Klassen) x Geschlecht x Schulabschluss bei Realisierung einer Stichprobe der Größe N = 1000 basierend auf Angaben aus der amtlichen Statistik (Rietz, Christian)
Diskutiert werden kann – über die Repräsentativität und die Überlegungen zu Zufallsstichproben hinausgehend – ob es sinnvoll ist, häufig befragte und/oder „verzerrte“ Stichproben (z. B. Bus-Stichproben, Mitglieder von Communities) oder jeweils „frische“ Stichproben zu wählen (wobei das natürlich in Bezug auf Onlinepanel jeweils auch nur wieder relativ ist). Sollte es Anhaltspunkte dafür geben, dass eine Stichprobe aufgrund der häufigen Befragungen oder der hohen Selektivität (z. B. ausgesuchte Kundencommunities) einen tatsächlichen „Bias“ aufweist (also verzerrt ist), der für die Aussagen auf Basis der Befragung (Generalisierbarkeit) relevant ist, so sollte der betriebliche Marktforscher versuchen, diesen Tatbestand zu überprüfen (z. B. über den Vergleich mit Probanden, die über zufällig generierte Telefonnummern gewonnen und nur einmal befragt wurden). Stark verzerrte Stichproben führen sonst zu ebenso verzerrten Ergebnissen und Fehlentscheidungen. Exakter können die Einflüsse der verschiedenen Stichproben auf die jeweiligen Befragungsergebnisse allerdings nur mit sehr aufwändigen Methodenstudien untersucht werden (so kann z. B. die Frage geklärt werden, ob sich Personen ohne Internetzugang von Personen mit Internetzugang unterscheiden, ob Probanden ohne Festnetzanschluss „anders“ sind als Personen mit Festnetzanschluss etc.). Leider gibt es hier auch keine generell verallgemeinerbaren Befunde, da das eventuelle Vorliegen von Verzerrungen natürlich immer vom jeweiligen Befragungsgegenstand abhängt – und diesbezüglich gibt es eine Vielfalt von Unterschieden. Um also etwaige Vorurteile oder Stereotype z. B. von Entscheidern („also meine Oma hat kei-
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nen Internetanschluss“) zu entkräften, ist der betriebliche Marktforscher gezwungen, tatsächlich (kleinere) Methodenstudien durchzuführen. Zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit dem Konzept der Repräsentativität sei auf von der Lippe/Kladobra (2002) verwiesen. Ein Überblick findet sich in Bortz/Döring (2006) sowie bei Davern (2008). Prinzipiell gilt: Je mehr Vorüberlegungen in die Planung der Untersuchungsstichprobe einfließen (auch bezüglich der Merkmale, für die die Stichprobe repräsentativ sein soll) und je besser die „Qualität“ der Probanden ist, desto valider und generalisierbarer sind die Ergebnisse! Exkurs: Stichprobenziehung in der qualitativen Forschung Auch in der qualitativen Forschung werden fundierte Überlegungen zur Ziehung der Stichproben angestellt bzw. Stichprobenpläne verwendet (vgl. Hussy/Schreier/Echterhoff 2013, S. 193–199). Hierbei wird unterschieden in die „Bottom-up-Verfahren“, bei denen sich die Struktur der Stichprobe erst im Verlauf der Untersuchung ergibt, und die„Top-down-Verfahren“, bei denen vor Beginn der Stichprobenziehung bereits ein Stichprobenplan vorliegt. Bei den „Bottom-up-Verfahren“, die im Rahmen der gegenstandsbezogenen Theoriebildung („grounded theory“) entwickelt wurden, besteht das Ziel der Stichprobenziehung darin, ein Phänomen in größtmöglicher Variabilität abzubilden. Hierzu werden in einem ersten Schritt Fälle nach dem Prinzip der maximalen Ähnlichkeit ausgesucht und diese in einem zweiten Schritt um Fälle mit einer möglichst großen Differenz in dem abzubildenden Merkmal ergänzt. Wenn sich dann aus der Einbeziehung weiterer Fälle keine Hinweise auf zusätzliche Einflussfaktoren ergeben, gilt die Stichprobe als theoretisch gesättigt (daher wird dieses Vorgehen im qualitativen Bereich auch als „theoretische Stichprobenziehung“ bezeichnet). Bei den „Top-down-Verfahren“ gibt es einen Stichprobenplan, der auch unter Aspekten der Repräsentativität einer qualitativen Stichprobe generiert worden und auch hierarchisch gestaltet sein kann. Eine weitere Variante dieser Verfahren besteht in der Planung von „typischen Fällen“, „Extremfällen“, „intensiven Fällen“ und „abweichenden Fällen“ in Bezug auf einen bestimmten Gegenstandsbereich, wobei sich die Zugehörigkeit eines Falls zu einer der Fallgruppen aus einem – wie auch immer gearteten – Abgleich mit der Grundgesamtheit ergibt. ■
Abschließend soll noch kurz auf die Datenfusion als Spezialfall der Stichprobenbildung eingegangen werden. Diese vor allem im Bereich der Medienforschung häufig eingesetzte Technik verbindet Datensätze aus unabhängigen Befragungen (z. B. zum TV-Konsum und zur Nutzung von Printmedien). Dies geschieht dadurch, dass in beiden Datensätzen gemeinsame „Bindeglieder“ identifiziert werden (z. B. Alter, Geschlecht, Mediennutzung, soziodemografischer Status etc.) und die einzelnen Merkmalsträger aus den Datensätzen anhand dieser Merkmale „zusammengebaut“ werden. Durch diese Technik ist es also möglich, Aussagen über die gemeinsame Nutzung von TV und Printmedien zu geben, was auf Basis der Einzeldatensätze nicht möglich gewesen wäre. Voraussetzung ist allerdings, dass die Bindeglieder einen bedeutsamen Einfluss auf die jeweiligen Variablen haben. Eine Spezialanwendung der Datenfusion ist das Ersetzen von fehlenden Angaben durch Verwendung anderer Datensätze. Vertiefend sei auf König/Stahl/Wiegand (2005) verwiesen.
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A.3 Messen Eine der Tätigkeiten, die in der betrieblichen Marktforschung häufig anfallen, ist das Erstellen bzw. Revidieren von Erhebungsinstrumenten. Erhebungsinstrumente können z. B. Online- oder Paper-Pencil-Fragebögen sein, halbstandardisierte Interviewleitfäden für telefonische Interviews, Protokollbögen für die Ergebnisse von Mystery Shopping-Vorgängen oder auch z. B. Kennzahlen im Social Media Bereich. (Fast) jede Erfassung mit einem Erhebungsinstrument oder einer Kennzahl stellt letztendlich einen Messvorgang dar, der nach Bortz/Schuster (2010, S. 13) wie folgt definiert werden kann: Ein Messvorgang lässt sich allgemein dadurch charakterisieren, dass einem Objekt bezüglich der Ausprägung einer Eigenschaft eine Zahl zugeordnet wird.2
Um zu vermeiden, dass „irgendwie“ oder „unsystematisch“ Zahlen zugeordnet werden, hat sich in den Sozialwissenschaften eine sogenannte „Messtheorie“ etabliert, die auf Stevens (1946) zurückgeht. Die Messtheorie fordert, dass die Zuordnung von Zahlen zu den Eigenschaften der Objekte bestimmten Regeln folgt. Ziel ist, dass die zugeordneten Zahlen in ihrer Struktur etwas über die erfassten bzw. gemessenen Eigenschaften aussagen. Diese Regeln führen dazu, dass Messungen auf vier verschiedenen sogenannten Skalenniveaus erfolgen können, wobei die Skalenniveaus definieren, wie die Zahlen, die den Eigenschaften der Objekte zugeordnet werden, interpretiert werden können. Die Skalenniveaus sind – Nominalskala, – Ordinalskala, – Intervall- und – Kardinal- oder Verhältnisskala. Die Wahl des „richtigen“ Skalenniveaus ist aus mehreren Gründen von hoher Relevanz, da die Art der statistischen Kennwerte, die bestimmbar sind, von dieser Wahl abhängt. Weiterhin gibt es häufig kleine „Fehler“, die zu einem niedrigeren Skalenniveau führen – und damit auch zu einer schlechteren Interpretierbarkeit der Befunde.
|| 2 Die Literatur ist sich nicht einig darüber, ob sich anstelle von Zahlen im Rahmen eines Messvorganges auch z. B. Symbole zuordnen lassen. Nach Auffassung der Autoren ist dies – auch bei Berücksichtigung der Skalenniveaus – durchaus möglich. Ein Beispiel sind die Smiley-Skalen, bei denen der Mundwinkel des Smiley-Icons als ordinalskaliert betrachtet werden kann. Ähnliches gilt auch für die häufig verwendeten Treppen- oder Thermometerskalen. Selbst die Zuordnung von Eigenschaften zu Symbolen („Welches Tier wird durch die Marke symbolisiert?“) kann dementsprechend als nominalskaliert betrachtet werden.
A.3 Messen | 267
Da nicht allen betrieblichen Marktforschern die Details, die mit diesen Skalenniveaus bzw. den Messungen auf den Skalenniveaus verbunden sind, bekannt sind, sollen die Skalenniveaus im folgenden Exkurs dargestellt werden. Exkurs: Die Skalenniveaus im Detail Nominalskala Bei den Messvorschriften einer Nominalskala werden die kategorialen Eigenschaften von Objekten so auf Zahlen abgebildet, dass gleiche Zahlen gleiche Eigenschaften und ungleiche Zahlen ungleiche Eigenschaften kennzeichnen. Ein Beispiel für eine Nominalskala ist die Messung der Variablen Geschlecht: Die „1“ kann hier die Ausprägung „männlich“ der Variablen Geschlecht bedeuteten, die „2“ die Ausprägung „weiblich“ (natürlich sind auch alle andere Zahlen denkbar). Entscheidend ist für die Interpretation dieser Variablen, dass klar ist, dass alle Personen mit der Ausprägung „1“ männlich sind, alle Probanden mit der Ausprägung „2“ weiblich. Daraus resultiert weiterhin, dass ein Proband mit der Ausprägung „1“ nicht weiblich sein kann. Ein weiteres Beispiel für die Nominalskala sind die Haar- oder Augenfarbe, die Zuordnung zu Bundesländern oder auch der genutzte Telefonprovider oder die Lieblingsautomarke. Ausgewertet werden können bei einer Nominalskala Häufigkeiten (absolute und relative Häufigkeiten), und es gibt einfache Verfahren, um die Zusammenhänge zwischen zwei nominalskalierten bzw. einer nominalskalierten und einer anders skalierten Variablen zu bestimmen (Chi-QuadratVerfahren). Multivariat stehen ebenfalls einige Analyseansätze zur Verfügung, die allerdings vom Laien nicht oder nur schwer interpretiert werden können. Ordinalskala Bei einer ordinalskalierten Variablen sagen die Messwerte nicht nur etwas über Gleichheit oder Unterschiedlichkeit von Objekten aus, sondern erlauben auch noch Aussagen über die Reihenfolge der Objekte: Wenn man z. B. „misst“, wer als erster, zweiter oder dritter bei einem Autorennen ins Ziel kommt (ohne die Zeit zu stoppen), dann würde dem Erstplatzierten die Zahl „1“, dem Zweitplatzierten die Zahl „2“ und dem Drittplatzierten die Zahl „3“ zugewiesen. In der Marktforschung können solche Rangplätze z. B. bei der Bewertung der Attraktivität von Produkten oder verschiedener Marken vergeben werden. Problematisch ist hierbei allerdings, dass wir nie wissen, wie groß denn der „tatsächliche“ Unterschied ist. Bei Person 1 hat beispielsweise die Marke A den ersten Rangplatz und die Marke B den zweiten. Da für diese Person 1 aber fast ausschließlich Marke A in Frage kommt, ist der Abstand zur Marke B „groß“. Person 2 hingegen hat sich nach langem Überlegen ebenfalls für Marke A auf dem ersten Rangplatz entschieden, bei ihr folgt aber Marke B als ernsthafte Alternative mit geringem Abstand. Den tatsächlichen Abstand können wir aber der Bewertung mit dem ersten oder zweiten Rangplatz nicht entnehmen. Weiterhin lassen sich die Differenzen zwischen den Rangplätzen aus dem genannten Grund nicht numerisch sinnvoll interpretieren. Auch Ratingskalen (z. B. stimme zu, stimme eher zu, stimme eher nicht zu, stimme nicht zu) werden häufig als ordinalskaliert betrachtet, da viele Marktforscher davon ausgehen, dass zwischen „stimme zu“ und „stimme eher zu“ in „Wirklichkeit“ ein anderer psychologischer Abstand liegt als zwischen „stimme eher zu“ und „stimme eher nicht zu“. Diese etwas puristische Sichtweise macht allerdings das Leben (und die Auswertung und Interpretation von Daten) unnötig schwer, da streng genommen auf Ordinalskalenniveau maximal der Modalwert und der Median berechnet werden können. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass es nur wenig statistische Verfahren gibt, mit denen man ordinalskalierte Daten auswerten kann und diese Verfahren als „Mittelwert“ häufig einen mittleren Rangplatz betrachten. Und die Kundenkommunikation über mittlere Rangplätze gestaltet sich nach unseren Erfahrungen als eher schwer wenn nicht gar unmöglich.
268 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
Intervallskala Bei der Intervallskala geht man davon aus, dass die Differenz zwischen zwei Messwerten numerisch interpretierbar ist. Wenn z. B. die oben genannte Zustimmungsskala (1 = stimme zu, 2 = stimme eher zu, 3 = stimme eher nicht zu und 4 = stimme nicht zu) betrachtet wird, so gehen wir bei Intervallbzw. allen genannten Skalen davon aus, dass die Abstände zwischen 1 und 2 genauso groß sind wie die Abstände zwischen 2 und 3 bzw. 3 und 4. Ein weiteres Beispiel ist die Bestimmung der Körpergröße: Die Differenz zwischen einer Person mit einer Körpergröße von 190 cm und einer weiteren Person mit einer Körpergröße von 180 cm beträgt 10 cm und ist genauso groß wie die Differenz zwischen 120 cm und 130 cm. Eine Intervallskala ist Voraussetzung dafür, dass überhaupt Mittelwerte (und entsprechend Varianzen und Korrelationen) berechnet werden können. Bei einer Intervallskala gibt es keinen „echten“ Nullpunkt (so kann z. B. eine Intelligenz von „Null“ nicht gemessen werden), bei der Kardinal- bzw. Verhältnisskala gibt es einen echten Nullpunkt. Kardinal- bzw. Verhältnisskala Eine Kardinal- oder Verhältnisskala ist eine Intervallskala mit einem absoluten Nullpunkt. Während bei Variablen wie dem Alter, dem Blutdruck oder der Intelligenz kein „echter“ Nullpunkt existiert (keine befragte Person kann – streng genommen – Null Jahre alt sein bzw. einen Blutdruck von Null haben und Intelligenz ist unterhalb einer bestimmten Schwelle nicht mehr messbar), sind die Anzahl von Mobilfunkverträgen, die Anzahl getrunkener Tassen Kaffee bzw. die Anzahl der Geschwister kardinalskaliert. ■
Skalenniveaus und Statistik Wie schon erwähnt determinieren die Skalenniveaus, auf denen Variablen gemessen werden, die Möglichkeiten der uni- bzw. der bi- und multivariaten statistischen Auswertung. Tab. A.2: Skalenniveaus und Möglichkeiten der univariaten statistischen Auswertung (Rietz, Christian)
Skalennivau
Nominalskala
Maße der zentralen Tendenz/Lagemaße
Prozentwerte, Modus Prozentwerke, Modus, Median, Rangplätze
Streuungsmaße/ Dispersionsmaße
Ordinalskala
Intervallskala und höher Prozentwerte, Modus, Median, Mittelwert Spannweite, Varianz, Standardabweichung
Mittelwerte, die neben Prozentwerten normalerweise die Basis der Kommunikation von Erhebungsergebnissen darstellen (und auch die Grundlage für die Berechnung von Kovarianzen und Korrelationen sind, die vielen multivariaten statistischen Verfahren zugrunde liegen), sind erst ab Intervallskaleniveau berechen- und interpretierbar. Das wirft natürlich die Frage auf, wie mit den Ergebnissen von Erhebungen auf klassischen Ratingskalen zu verfahren ist, die – wie häufig argumentiert wird – „nur“ ordinalskaliert sind.
A.3 Messen | 269
„Ich bin mit meiner Freizeit zufrieden“
1. stimmt nicht
stimmt völlig
1
2
3
4
5
6
7
2. stimmt nicht
1
2
3
4
5
6
7
stimmt völlig
3. stimmt nicht
1
2
3
4
5
6
7
stimmt völlig
3. stimmt nicht
o
o
o
o
o
o
o
stimmt völlig
Abb. A.3: Beispiel für Ratingskalen (aus Mummendey/Grau 2008, S. 83)
Streng genommen dürften hier nur Prozentwerte, der Modus (der Wert, der am häufigsten vorkommt), der Median (der Wert, der eine geordnete Verteilung in zwei gleichgroße Hälften teilt) und beim Gruppenvergleich mittlere Rangplätze berechnet werden. All diese Kennwerte sind außerhalb bestimmter Fachrichtungen (z. B. der pharmazeutischen Industrie) weniger bekannt bzw. nur schwer zu kommunizieren. Weiterhin lassen sich statistische Verfahren wie die Korrelation, die (multiple) Regression etc. erst ab Intervallskalenniveau sinnvoll berechnen3. Einen „Klassiker“ zur Illustration dieses Grundproblems stellen die Schulnoten dar: Fast jeder ist davon überzeugt, dass Schulnoten „eigentlich“ nur ordinalskaliert sind, wobei eine Argumentation darauf abzielt, dass zwischen 15 und 14 Punkten ein „größerer“ Abstand auf Ebene der Objekte liegt als zwischen beispielsweise 9 und 10 Punkten. Würde man dieser Argumentation folgen, dann dürften keine Durchschnittsnoten (Mittelwerte) mehr berechnet werden. Berechnet man Mittelwerte, geht man andererseits bereits stillschweigend davon aus, dass Schulnoten intervallskaliert sind.
|| 3 Es gibt diverse Verfahren für nichtparametrische (z. B. ordinalskalierte) Daten, die allerdings nur sehr eingeschränkt vergleichbar interpretiert werden können (mit Ausnahme des nichtparametrischen Korrelationskoeffizienten).
270 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
Kann man die Existenz eines Skalenniveaus beweisen? Häufig führt man gerade in der Marktforschung Diskussionen darüber, ob Variablen ordinal- oder schon mindestens intervallskaliert sind (vor allem bei Ratingskalen) – und diese Diskussion wird zum Teil auch recht dogmatisch ausgetragen. Letztendlich kann aber für sozialwissenschaftliche Skalen kein (mathematischer) Beweis eines Skalenniveaus geführt werden. Daher gibt es in der Literatur häufig Verweise auf die sogenannte Per fiat-Messung (vgl. z. B. Bortz/Schuster 2010, S. 23): Die übliche Forschungspraxis verzichtet auf eine empirische Überprüfung der jeweiligen Skalenaxiomatik. Die meisten Messungen sind Per-fiat-Messungen (Messungen „durch Vertrauen“), wie z. B. Messungen mit Fragebögen, Tests, Ratingskalen etc. Man nimmt an, diese Instrumente würden das jeweilige Merkmal metrisch messen, sodass der gesamte statistische „Apparat“ für metrische Daten eingesetzt werden kann (…).
Das bedeutet, dass der (betriebliche) Marktforscher das jeweilige Skalenniveau definiert. Die Per-fiat-Messung erspart daher viele unnötige Diskussionen über „richtige“ Skalenniveaus und stellt sicher, dass statistische Analyseverfahren eingesetzt werden können, deren Ergebnisse intern kommunizierbar sind. TIPP: Entscheiden Sie sich im Zweifelsfall (z. B. bei Ratingskalen) eher für eine Intervall- als für eine Ordinalskala. Über die Per-fiat-Messung ist dieses Vorgehen legitimierbar und der betriebliche Marktforscher ist in der Lage, mit bekannten statistischen Kennwerten zu argumentieren. ■
Was kann man beim Messen falsch machen? Unnötige Kategorienbildung Häufig findet man in Erhebungsinstrumenten Bereichsangaben wie z. B. „bis 18 Jahre/19 bis 28 Jahre/29 bis 38 Jahre/39 bis 50 Jahre/51 bis 65 Jahre/älter als 65 Jahre“. Abgesehen davon, dass eine solche Variable in einem Erhebungsinstrument relativ viel Platz einnimmt, hat diese Variable lediglich „echtes“ Ordinalskalenniveau: Fragen nach dem mittleren Alter lassen sich faktisch nicht beantworten (das gleiche gilt auch, wenn das Alter in Jahren angegeben werden soll und es dann noch z. B. eine zusätzliche Kategorie „65 und älter“ gibt). Abgesehen davon, dass bei der Antwortskala auch noch unterschiedlich breite Kategorien zu beobachten sind, kann diese Skala nur als Gruppierungsvariable verwendet werden. Ähnliche Probleme ergeben sich auch, wenn das Einkommen in Einkommensklassen abgefragt wird: Auch hier sind keine Aussagen darüber möglich, welches mittlere Einkommen z. B. Bewohner unterschiedlicher Bundesländer haben. Als Konsequenz und auf Basis von zahlreichen Studien kann daher nur die Empfehlung ausgesprochen werden, Variablen in der jeweiligen Maßeinheit ohne Vorkategorisierungen zu erfassen – jede Form der Kategorisierung kann dann im Nachgang erfolgen.
A.3 Messen | 271
„Falsche“ Antwortmöglichkeiten Betrachten wir die Frage nach dem besuchten Schultyp mit den folgenden Ausprägungen: (1) Hauptschule, (2) Realschule, (3) Gymnasium und (4) anderer Schule. Selbst eine „ordinale“ Ordnung der aus der Schulform abgeleiteten Schulabschlüsse ist durch die vierte Kategorie, in der ein „anderer“ Schulabschluss angegeben werden kann, nicht mehr möglich. Hier wäre es wesentlich sinnvoller gewesen, entweder die Alternative „anderer Schulabschluss“ über eine offene Nennung dieses anderen Schulabschlusses zu qualifizieren und/oder tatsächlich alle möglichen Schulabschlüsse als Antwortmöglichkeiten anzugeben. Zusätzlich hätte eine Antwortkategorie „keine Angabe“ sinnvoll sein können. Fehlende Möglichkeiten für „keine Angabe“ In vielen Fragebögen gibt es Skalen mit einer Mittelkategorie (ungeradzahlige Skalen), die häufig als „garbage“-Kategorie dahingehend interpretiert werden kann, dass sich hier sowohl tatsächlich „mittlere Bewertungen“ als auch „keine Angabe“ oder „keine Meinung“ sammeln. In diesem Fall hat eine solche mehrstufige Variable, die im Sinne einer Per-fiat-Messung durchaus noch als intervallskaliert hätte definiert werden können, lediglich nur noch Nominalskalenniveau. Das lässt sich dadurch vermeiden, dass auf der einen Seite Skalen ohne Mittelkategorie verwendet werden (eine Ausnahme sind Skalen, auf denen eine Veränderung erfragt wird) und auf der anderen Seite die Befragten noch die Möglichkeit haben, beispielsweise mit „keine Angabe“ oder „kann ich nicht beurteilen“ zu antworten. Eine Mittelkategorie ist hingegen sinnvoll, wenn Veränderungen erfasst werden und die Mittelkategorie dann als „keine Veränderung“ bezeichnet ist. Extreme Antwortkategorien Um Ratingskalen idealerweise als intervallskaliert betrachten zu können, ist es notwendig, von einer Gleichabständigkeit zwischen den Antwortkategorien auszugehen. Betrachtet man die möglichen Antwortkategorien „exzellent/eher gut/eher schlecht/furchtbar“, „sehr gut/eher gut/eher schlecht/sehr schlecht“ und „gut/eher gut/eher schlecht/schlecht“, so zeigt sich „gefühlt“ zwischen den Kategorien der Skalen jeweils ein anderer Abstand. Generell führt die (extreme) verbale Stützung von Endkategorien dazu, dass diese seltener angekreuzt werden und gefühlt „weiter“ von den beiden inneren Kategorien entfernt sind. Hier gibt es leider kein Allgemeinrezept – aber im Rahmen des Pretests kann durchaus überprüft werden, wie die Probanden die Entfernungen zwischen den Kategorien einschätzen. Ungleichgewichtige Skalen Ein Klassiker, gerade z. B. aus dem Bereich der Finanzmarktforschung, sind Skalen, bei denen sich positive und negative Kategorien ungleich verteilen. So wird z. B. die Zufriedenheit mit einem Versicherer mit den Antwortalternativen (1) hervorragend,
272 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
(2) sehr gut, (3) gut, (4) noch gut) und (5) unzufrieden erfasst. Hier stehen vier eher positive Ausprägungen einer (!) negativen Ausprägung gegenüber. Und damit steht eigentlich schon fest, wie eine Befragung ausfällt.
A.4 „Qualität“ einer Messung: Objektivität, Reliabilität und Validität Egal wie (von der Beobachtung über indirekte Assoziationstests und Emotionserkennung bis hin zur Magnetresonanztomografie), wie oft (einmal, mehrmals) und wo (vom ökologisch validen heimischen Kontext bis hin zum Labor) gemessen wird und Daten erhoben werden, gibt es drei Mindestgrundanforderungen an Messungen bzw. Messinstrumenten, die erfüllt sein müssen: Objektivität, Reliabilität und Validität (vgl. weiterführend zur Entwicklung von Erhebungsinstrumenten Moosbrugger/Kelava 2012). Während die Objektivität und die Reliabilität eher „technische“ Anforderungen darstellen, ist die Validität das Kernstück jeder Messung. Validität selbst ist ein sehr weiter Begriff, der im Weiteren noch ausdifferenziert wird. Im vorliegenden Kontext betrachten wir vor allem die Aspekte Konstrukt- und Kriteriumsvalidität. Für den betrieblichen Marktforscher ist es wichtig, sich über die Objektivität, Reliabilität und vor allem Validität der von ihm verwendeten Messverfahren zu informieren – denn letztendlich nützt der größte apparative Aufwand nichts, wenn z. B. die Aktivierung des Rabattzentrums im Gehirn nichts mit dem tatsächlichen Kaufverhalten am Point of Sale zu tun hat und somit kein valider Indikator für das tatsächliche Kaufverhalten ist. Im Folgenden sollen die drei Kernkonzepte bzw. sogenannten „Testgütekriterien“ Objektivität, Reliabilität und Validität an einem Fragebogen zur Konsumfreude illustriert werden (vgl. zu den Testgütekriterien Moosbrugger/Kelava 2012, S. 8–18). Objektiv ist das Verfahren, wenn es unabhängig vom Testdurchführenden, von der Testsituation und der Testauswertung misst4. In Bezug auf den Fragebogen zur Konsumfreude bedeutet das theoretisch (faktisch ist die Objektivität nur schwer zu überprüfen), dass beispielsweise – unterschiedliche Durchführungsmodi (Paper pencil, Online-Erhebung, standardisiertes Interviews, unterschiedliche durchführende Personen), – unterschiedliche Erhebungssituationen (z. B. morgens, mittags oder abends, zuhause oder am Arbeitsplatz) und – unterschiedliche Auswertungsmodi (automatisch im Online-Fragebogen, über eine Schablone etc.)
|| 4 In der Literatur wird in Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität unterschieden. Aus Gründen der Einfachheit wird im Folgenden aber nur von Objektivität gesprochen.
A.4 „Qualität“ einer Messung: Objektivität, Reliabilität und Validität | 273
bei derselben Person immer zum gleichen Ergebnis führen. Je standardisierter ein Erhebungsinstrument, die Erhebungsdurchführung und die Auswertung, desto objektiver wird ein Erhebungsinstrument – hier der Fragebogen zur Konsumfreude – sein. Unabhängig von dem gewählten Beispiel spielt die Objektivität eines Erhebungsinstrumentes aber auch eine große Rolle bei Beobachtungen von Testpersonen bei qualitativen Interviews oder Gruppendiskussionen oder bei weniger eindeutigen Bewertungsaufgaben wie Mystery Shoppings. Hier stoßen wir auf das in den Sozialwissenschaften bekannte Problem, dass man faktisch fast unendlich viel in einer Situation beobachten kann, die Wahrnehmung letztendlich aber sehr selektiv ist. Um diesem Problem, das sich in mangelnder Objektivität niederschlagen kann, zu begegnen, sollte man Beobachtungs- und Bewertungssituationen als wissenschaftliche Beobachtung durchführen (vgl. hierzu auch Hussy/Schreier/Echterhoff 2012, S. 62–64) und definieren, – was beobachtet wird (Definition interessierender Merkmale/Ereignisse), – welche Aspekte jeweils mehr oder weniger relevant sind, – welchen Interpretationsspielraum der Beobachtende hat, – wann, wie lange und wo eine Beobachtung erfolgt und – auf welche Weise das Beobachtete registriert und protokolliert wird. Ohne eine Definition dieser Punkte (wenigstens im Ansatz) ist eine Objektivität von Erhebungsinstrumenten nur eingeschränkt gegeben. Reliabilität bedeutet, dass ein Verfahren „ohne Messfehler“ misst. Das bedeutet, dass z. B. unser Fragebogen für Konsumfreude bei der gleichen Person immer zum selben Messergebnis führt. Das ist die Grundidee der Reliabilität – die theoretisch unendlich wiederholte Messung immer desselben Merkmals, die immer zum gleichen Ergebnis führt. Während man sich das bei (psychologischen) Messinstrumenten im Rahmen einer häufig wiederholten Messung immer nur schwer vorstellen kann, lässt sich Reliabilität plausibel an einer Badezimmerwaage veranschaulichen: Die Waage hat dann als Messinstrument eine hohe Reliabilität, wenn man z. B. morgens zehnmal direkt nacheinander darauf steigt und bei jeder Messung ein identisches Ergebnis erhält. Die Reliabilität als Kriterium ist wichtig, ist aber normalerweise bei gut entwickelten und standardisierten Messinstrumenten relativ hoch. Eine hohe Objektivität ist eine notwendige Bedingung für Reliabilität. Während Objektivität statistisch nur schwer bzw. nicht ermittelt werden kann, gibt es für die Reliabilität einige statistische Ansätze zur Schätzung5. Eine hohe Reliabilität wiederum ist notwendige Voraussetzung für die Validität eines Erhebungsinstrumen-
|| 5 Schätzmethoden zur Bestimmung der Reliabilität sind die z.B. Test-Retest-Reliabilität, die Testhalbierungsreliabilität, die Paralleltestreliabilität und die interne Konsistenz (vgl. zur intensiveren Beschäftigung mit diesen Schätzern Moosbrugger/Kelava 2012, S. 11-13).
274 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
tes. Bei Überlegungen zur Reliabilität muss man berücksichtigen, ob man ein relativ stabiles Merkmal („trait“) oder ein situationsabhängiges Merkmal („state“) erfassen möchte. Gerade bei situationsabhängigen Merkmalen (z. B. Prüfungsangst) ist die Bestimmung der Reliabilität deutlich schwieriger als bei stabilen Merkmalen. Validität kann nach Moosbrugger/Kelava (2012, S. 13) wie folgt definiert werden (wobei „Test“ synonym für jede Form von Erhebungsinstrument gebraucht werden kann): Ein Test gilt dann als valide („gültig“), wenn er das Merkmal, das er messen soll, auch wirklich misst und nicht irgendein anderes.
Hohe Validität würde also für das Erhebungsinstrument zur Erfassung der Konsumfreude zuerst einmal bedeuten, dass wirklich Konsumfreude und nichts anderes (z. B. situative Euphorie, soziodemografischer Status oder Einkommen, Alter, Zugehörigkeit zu bestimmten Lebensstilen etc.) gemessen wird. Dieser Aspekt der Validität wird mit Konstruktvalidität bezeichnet. Wenn die Konstruktvalidität gesichert ist, muss in einem zweiten Schritt nach der Kriteriumsvalidität gefragt werden: Es muss überprüft (und idealerweise sichergestellt) werden, ob das Merkmal „Konsumfreude“ auch tatsächlich etwas mit für den betrieblichen Marktforscher relevanten tatsächlichen Verhaltensweisen zu tun hat. Führt eine hohe Konsumfreude tatsächlich zu höheren Ausgaben am Point of Sale oder zu mehr Interesse an Advertising-Aktionen? Ist hohe Konsumfreude eine Eigenschaft, die zu größerem Interesse an Innovationen führt? Validität6 kann statistisch mit Korrelations- und Regressionsrechnung überprüft und dokumentiert werden. TIPP: Fordern Sie als betrieblicher Marktforscher von den Anbietern der diversen Messinstrumente und Tools einen „Beweis“ (idealerweise statistisch), dass das zu messende Merkmal (z. B. eine per Videokamera identifizierte Emotion oder die Kennziffer eines Social Media Trackings) tatsächlich das misst, was gemessen werden soll (erlebte Emotionen oder Nutzungsaspekte im Bereich von Social Media) und tatsächlich mit den interessierenden Größen (affektive Produktbewertung, Umsatz) in korrelativer Beziehung steht. Ohne diesen Nachweis ist die Verwendung von Messinstrumenten, Tools und Kennziffern wenig sinnstiftend bzw. eine Fehlallokation von Ressourcen. ■
Weitere Formen der Validität sind neben der Konstrukt- und Kriteriumsvalidität die interne, externe und ökologische Validität (vgl. A1.6). Generell gilt, dass Überlegungen zur Validität in der Marktforschung viel zu selten angestellt werden. Viele Tools, Segmentierungen und KPIs würden einer empirischen Überprüfung ihrer Kriteriumsvalidität nicht Stand halten. || 6 Auf die weiteren Formen der testtheoretischen Validität wie Inhaltsvalidität und Augenscheinvalidität wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, da die Konstrukt- und Kriteriumsvalidität die „wichtigeren“ Kriterien sind.
A.5 Variablen | 275
A.5 Variablen Gemessen werden in der – qualitativen und quantitativen – empirischen Forschung Variablen, wobei sich Variablen dadurch auszeichnen, dass sie theoretisch mindestens zwei Ausprägungen annehmen können7 (z. B. schön oder hässlich, weiblich oder männlich, Lieblingsfarben, Einkommen, Zustimmung in verschiedener gradueller Abstufung etc.). In der empirischen Forschung werden diese Variablen häufig in unabhängige und abhängige Variablen unterteilt. Diese Unterteilung ist nicht nur für den Statistiker, der z. B. eine Regressionsanalyse durchführen möchte, relevant, sondern kann auch in der betrieblichen Marktforschung eine große Hilfe bei der Konzeption und Auswertung von Studien sein. Warum ist diese Unterscheidung wichtig? In der betrieblichen Marktforschung stößt man häufig auf die bekannte „Henne-Ei-Problematik“ – mal erklärt die Kundenzufriedenheit die -bindung, mal ist es umgekehrt. Mal verursacht der Kauf eines Gerätes eine hohe Kundenbindung, mal führt eine hohe Kundenbindung zum Vertragsabschluss. Den Autoren sind zahlreiche Studien und Auswertungen aus der betrieblichen Marktforschung bekannt, bei denen diese Unterscheidung nicht getroffen wurde und bei denen dann die entsprechenden Interpretationsprobleme auftreten. Um die Fragen nach Ursache und Wirkung nach der Datenerhebung und -analyse zu vermeiden, ist es schon in der Konzeptionsphase einer Studie sinnvoll zu überlegen, welches die abhängigen Variablen oder Zielvariablen sind und welche unabhängige Variablen diese abhängigen Variablen oder Zielvariablen erklären. Im einfachsten Fall einer abhängigen und einer unabhängigen Variablen ergibt sich die folgende Beziehung:
UV
erklärt/beeinflusst
AV
„Rest“ nicht durch die UV erklärter Anteil der AV
Abb. A.4: Unabhängige und abhängige Variable (Rietz, Christian)
Die unabhängige (erklärende) Variable (UV) beeinflusst/erklärt die abhängige (zu erklärende) Variable (AV) in der durch den Pfeil indizierten Vorhersagerichtung. Exkurs: Zwischen der UV und AV kann es auch noch „zwischengeschaltete“ Variablen geben, die Mediatorvariablen genannt werden. Über diese Variablen wird der Einfluss der UV auf die AV
|| 7 Im Unterschied dazu können sogenannte Konstanten jeweils nur eine Ausprägung annehmen.
276 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
„transportiert“ (so wirkt z. B. der Preis eines Produktes als UV über die Moderatorvariable Konsumbereitschaft auf den tatsächlichen Abverkauf als AV – niedriger Preis führt zu hoher Konsumbereitschaft, die dann wiederum zu Kauf führt). Unabhängig davon gibt es aber auch sogenannte Moderatorvariablen, die nicht zwischen UV und AV liegen, sondern sich auf den Einfluss zwischen UV und AV auswirken. So kann beispielsweise das in Form eines Fragebogens gemessene Gesundheitsbewusstsein von Konsumenten (UV) Einfluss auf die monatliche Gesamtsumme haben, die in Bioläden ausgegeben wird (AV). Dieser Einfluss zeigt aber eine Interaktion mit dem Monatseinkommen, da sich dieser Zusammenhang sich nur bei höheren Einkommensklassen deutlich zeigt (Gesundheitsbewusstsein wirkt also auf die Ausgaben in Bioläden, das aber in Abhängigkeit vom Monatseinkommen in unterschiedlicher Stärke). Die Berücksichtigung von Mediator- und Moderatorvariablen bei der statistischen Datenauswertung ist allerdings nicht ganz einfach und setzt die Verwendung elaborierterer Methoden voraus. ■
Auf die abhängige Variable selbst wirkt ein weiterer Pfeil, der Rest (oder das Residuum) – das bedeutet, dass sich die abhängige Variable additiv aus dem Einfluss der unabhängigen Variablen und einem Rest zusammensetzt, der nicht durch die abhängige Variable, sondern durch andere Variablen erklärt wird. Dieser Rest ist kein – wie irrtümlich häufig angenommen wird – Messfehler, sondern besteht aus Anteilen, die theoretisch durch weitere unabhängige Variablen, die nicht Bestandteil des Modells sind, erklärt werden können. In der Konsequenz bedeutet das, dass eine AV zu 100 % erklärt werden könnte, wenn man alle UV kennen würde, die einen Erklärungsanteil leisten können. Die Vorhersage einer AV durch mehrere UV ist in der folgenden Abbildung skizziert, wobei der Doppelpfeil zwischen den beiden UV darauf hinweist, dass es auch ungerichtete Beziehungen (siehe unten) zwischen den unabhängigen Variablen geben kann.
UV1
erklärt/beeinflusst
Wechselseitige Beziehung UV2
AV
„Rest“ nicht durch die UV1 und UV2 erklärter Anteil der AV
erklärt/beeinflusst
Abb. A.5: Zwei unabhängige und eine abhängige Variable (Rietz, Christian)
Natürlich gibt es auch – wie z. B. bei eher exploratorischen (Korrelations-)Studien – den Fall, dass es nicht möglich ist, Variablen in unabhängige (UV) und abhängige Variablen (AV) zu unterscheiden. So gäbe es z. B. bei einer Analyse von Schuhgröße und Körpergröße nur wenig sinnvolle Anhaltspunkte dafür, je eine der beiden Variablen als AV oder UV zu klassifizieren. Der „ungerichtete“ Zusammenhang zwi-
A.5 Variablen | 277
schen Variablen wird häufig als Korrelation bezeichnet und lässt sich (wie auch in die Beziehung zwischen den beiden unabhängigen Variablen in Abb. A.6) mit einem Doppelpfeil veranschaulichen.
V1
wechselseitige Beziehung
V2
Abb. A.6: Gegenseitige „Beeinflussung“/Korrelation zwischen zwei Variablen (Rietz, Christian)
Im Fall von korrelierenden Merkmalen kann man zwar Aussagen der Art „A und B hängen zusammen“ treffen, nicht aber „A beeinflusst B“. Ein Beispiel für die Darstellung des Zusammenhangs zwischen mehreren Variablen ist eine Korrelationsmatrix. Die Korrelation einer Variablen mit sich selbst ist immer 1.0
V1
V2
V3
V4
V1
1.0
0.62
-0.32
0.07
V2
0.62
1.0
-0.11
0.75
V3
-0.32
-0.11
1.0
-0.27
V4
0.07
0.75
-0.27
1.0
Symmetrie: Die Korrelation V1*V4 entspricht der Korrelation V4*V1 – daher braucht man eigentlich nur die Werte oder- oder unterhalb der Diagnoalen. Abb. A.7: Korrelationsmatrix (aus Hussy/Schreier/Echterhoff 2013, S. 156)
Wann ist nun eine Variable unabhängig oder abhängig (oder nichts von beidem): Variablen haben normalerweise kein „Schildchen“, auf dem unabhängig oder abhängig steht, denn letztendlich entscheidet der Marktforscher selbst, ob eine Variable eher erklärend ist oder erklärt werden soll. Befunde, nach denen z. B. 53 % der Weiterempfehlungsbereitschaft durch Zufriedenheit erklärt werden können und Zufrieden-
278 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
heit der stärkste Prädiktor für die Weiterempfehlungsbereitschaft ist, resultieren daraus, dass die Zufriedenheit einen Status als unabhängige Variable bekommt. Betrachtet man hingegen ein Erklärungsmodell, in dem Weiterempfehlungsbereitschaft und Kundenzufriedenheit abhängige Variablen sind, so wird sich schnell zeigen, dass andere erklärende Variablen eine Rolle spielen. Um also triviale (und dann auch nur schwer „vernünftig“ kommunizierbare) Befunde zu vermeiden, sollte sich der betriebliche Marktforscher dezidierte Gedanken über den Status der Variablen machen. Der Status von Variablen als UV oder AV kann sich aber auch über die Zeit oder je nach Fragestellung ändern: So kann z. B. der Absatz eines Produktes auf der einen Seite abhängige Variable sein und durch unabhängige Variablen wie z. B. soziodemografische Variablen erklärt werden, im Rahmen einer anderen Fragestellung aber kann der Absatz eines bestimmten Produktes als unabhängige Variable z. B. die Bewertung der Nachhaltigkeit eines Unternehmens als abhängige Variable erklären. Aber auch aus Gründen der Ökonomie ist es sinnvoll, sich – wenn möglich – vor Beginn einer Studie darüber Gedanken zu machen, welche Variablen abhängig sind, also „erklärt“ werden sollen, und welche unabhängigen „erklärenden“ Variablen zu berücksichtigen sind: Wenn man sich bei der Planung einer Studie, auch gemeinsam mit den internen Auftraggebern, dezidiert überlegt, welche Variablen mit welchem Status erhoben werden sollen, reduziert sich die Anzahl der Studienvariablen im Normalfall deutlich. Als weitere Folge gestalten sich dann auch die (statistischen) Auswertungen sowie die Berichtlegung und Interpretation deutlich effizienter und häufig anzutreffende Aussagen über nicht begründbare Zusammenhangsgefüge werden deutlich seltener. Von diesen Überlegungen unabhängig aber sind die exploratorische Studien, die weder eine Definition der abhängigen noch der unabhängigen Variablen erlauben.
A.6 Reaktivität als Grundproblem der Marktforschung Stellen Sie sich vor, Sie werden z. B. auf der Straße angesprochen und nach Ihren Hygienegewohnheiten (Wechsel der Unterwäsche, Häufigkeit des Duschens pro Woche, Wechsel der Handtücher in der Küche etc.) befragt? Würden Sie – stellen Sie sich dazu noch einen wirklich sympathischen Interviewer vor – alle Fragen korrekt beantworten? Dieses kleine Beispiel verdeutlicht das allgemeinere Problem der sogenannten „Reaktivität“, die z. B. wie folgt definiert wird (vgl. Hussy/Schreier/Echterhoff 2013, S. 57): Reaktivität bei (…) Datenerhebungen bedeutet die Veränderung bzw. Verzerrung der erhobenen Daten schon aufgrund der Kenntnis der untersuchten Personen darüber, dass sie Gegenstand einer Untersuchung sind.
A.6 Reaktivität als Grundproblem der Marktforschung | 279
Das Problem der Reaktivität stellt sich in allen Bereichen der empirischen (quantitativ wie qualitativ orientierten) Marktforschung, in denen Menschen der Untersuchungsgegenstand sind. Alleine das Bewusstsein darüber, beobachtet oder untersucht zu werden, kann das Verhalten und Erleben der Untersuchten beeinflussen. Eine Konsequenz daraus können z. B. sozial erwünschte Antworten sein, aber auch das Verschweigen von Tatsachen oder andere Formen von Antwortverzerrungen. Exkurs: Die Hawthorne-Experimente Im Rahmen der Hawthorne-Experimente, die von 1927 bis 1932 in den Hawthorne-Werken in den USA durchgeführt wurden, ging es unter anderem um den Einfluss von Arbeitsbedingungen auf die Produktivität. In einem der zahlreichen Experimente wurden zwei Gruppen beobachtet: In der einen Gruppe wurde die Beleuchtung verändert (verbessert), in der anderen Gruppe erfolgte keine Änderung der Beleuchtung. Die Produktivität in der Gruppe mit veränderter Beleuchtung stieg – die der Gruppe mit unveränderter Beleuchtung aber auch! Die Veränderung des Verhaltens wird häufig dadurch erklärt, dass alleine der Faktor, dass die „Kontrollgruppe“ sich darüber bewusst war, Gegenstand einer Untersuchung zu sein, zu einer Verhaltensänderung geführt hat. Weitere Hinweise zu den Hawthorne-Experimenten und zu einer sozialpsychologischen Sichtweise finden sich in Kauffeld (2011, S. 20–21). ■
Da sich Reaktivität bei jedem Menschen unterschiedlich zeigt, ist es auch faktisch nicht möglich, durch Reaktivität bedingte Antwortverzerrungen (statistisch) zu kontrollieren – der betriebliche Marktforscher muss also immer davon ausgehen, dass es diese Verzerrungen gibt. Insgesamt gibt es nach Hussy/Schreier/Echterhoff (2013, S. 59) fünf verschiedene Methoden, um Reaktivität zu reduzieren: – Untersuchte in Unkenntnis darüber lassen, dass sie untersucht werden, – Untersuchten Anonymität zusichern, – Untersuchten eine Coverstory mitteilen, – Verwendung nichtreaktiver Messverfahren (physiologischer Messungen) und – Verwendung indirekter/impliziter Messverfahren. Die erste und die dritte Alternative sind anwendbar, jedoch sind hier ethische Anforderungen zu berücksichtigen – und gerade die Verwendung einer Coverstory kann schnell dazu führen, dass Probanden sich getäuscht fühlen (und es gibt auch nur wenig systematische Hinweise, welche Auswirkungen diese Maßnahme auf Reaktivität hat). Die zweite Alternative, das Zusichern von Anonymität, ist dabei ein vielversprechender Weg, denn Anonymität kann hier tatsächlich zu einem offeneren Antwortverhalten führen (in der betrieblichen Marktforschung kann man dies beispielsweise bei Mitarbeiterbefragungen erleben, in deren Rahmen weder Alter noch Geschlecht und ein beruflicher Status des Bewertenden abgefragt werden). Nichtreaktive Messverfahren gehen davon aus, dass biophysiologische Prozesse nur wenig durch Reaktivität beeinflusst werden. Unabhängig davon, ob man diesen Standpunkt teilen möchte, stellt sich aber – und das in der Werbewirkungsforschung
280 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
schon seit Jahrzehnten – die Frage, für was eigentlich Veränderungen in diesen Maßen indikativ sind. Die gleiche Frage ist ebenfalls bei der Verwendung indirekter/impliziter Messverfahren zu nennen (vgl. z. B. das Anwendungsbeispiel in Ottawa 2009), die – so der Anspruch – unbewusste Wahrnehmungen und „Verknüpfungen“ beispielsweise zwischen Attributen und Markenkernen erkennbar werden lassen sollen. Auch hier stellt sich die Frage, welchen „Wert“ es hat, wenn der betriebliche Marktforscher weiß, dass die Probanden ein Markenkernattribut 10 ms schneller „erkennen“ als eines, das nicht zum Markenkern gehört. Alternativ hierzu haben sich in den letzten Jahren sehr viele weitere Möglichkeiten ergeben, Daten z. B. über Smartphones (Bewegungsdaten, GPS, Temperatur, Außengeräusche) oder Sensoren wie ein kaum spürbares Datenpflaster zu sammeln. Der Vorteil dieser Datenerhebungen im „normalen“ Kontext der Personen besteht neben einer geringeren Reaktivität in einer höheren „ökologischen“ Validität. Generell sollte sich der betriebliche Marktforscher des individuell nicht oder nur kaum kontrollierbaren Problems der Reaktivität bewusst sein und dieses bei der Überlegung, welche Formen von Befragung (z. B. online vs. face-to-face) oder Untersuchungsdesigns (Labor- vs. Felduntersuchung) angewendet werden sollen, berücksichtigen. Eine Darstellung von Messverfahren, bei denen Reaktivität nicht oder nur eine geringe Rolle spielt, findet sich in Benz (2010).
A.7 Kausalität, Untersuchungspläne und interne und externe Validität Häufig möchte man, gerade in der betrieblichen Marktforschung, Veränderungen in z. B. dem Kaufverhalten oder der Weiterempfehlungsbereitschaft gerne auf Produktinnovationen, verbesserten Service oder neue Preismodelle zurückführen. Es geht also darum, Veränderungen in einer abhängigen Variablen „kausal“ auf eine unabhängige Variable zurückführen zu können. Generell gibt es drei (sogenannte notwendige, aber nicht hinreichende) Voraussetzungen für die Interpretation einer Ursache als kausal für eine Wirkung (vgl. auch Cook/Campbell 1979): – Eine Ursache geht dem Effekt zeitlich voraus, – es gibt einen Zusammenhang (Kovariation) zwischen Ursache und Effekt und – es gibt keine plausiblen Alternativerklärungen für den beobachteten Effekt außer der in Frage stehenden Ursache. Alle drei Punkte müssen als Grundlage für eine kausale Interpretation eines Effektes, z. B. die Auswirkungen einer Preissenkung auf Neuverträge im Mobilfunkbereich, berücksichtigt und überprüft werden.
A.7 Kausalität, Untersuchungspläne und interne und externe Validität | 281
Die Ursache geht dem Effekt zeitlich voraus Prinzipiell ist die Forderung, dass eine Ursache (z. B. eine Preissenkung) einem Effekt (z. B. einer steigenden Zahl von Neuverträgen) vorausgeht, trivial. Problematisch an dieser Forderung ist allerdings, dass immer definiert werden muss, welcher Zeitraum zwischen dem Effekt und einer sichtbaren Folge liegen kann. Im Rahmen einer breiten und zeitlich limitierten Kampagne werden sichtbare „Erfolge“ sicherlich in einem kurzen Zeitraum vom Kampagnenstart bis zum Kampagnenende zu erwarten sein. Inwiefern es längerfristige Auswirkungen gibt, bleibt zu untersuchen. Bei einer langfristigen Preissenkung eines Basistarifs z. B. ist eher davon auszugehen, dass sich die Effekte langsamer zeigen werden und ggfs. nachhaltiger sind. Je nach „Ursache“ also können der Zeitraum bis zum Einsetzen einer Wirkung und die Nachhaltigkeit der Wirkung unterschiedlich sein. Zusammenhang zwischen Ursache und Effekt Bevor eine kausale Interpretation zulässig ist, muss die Beziehung von Ursache und Effekt bewiesen werden. Um beispielsweise die Steigerung der ungestützten Markenbekanntheit auf die Veränderung eines Logos kausal zurückzuführen, muss der Beleg geführt werden, dass diese Form von Intervention (Veränderung des Logos) generell dazu führt (oder auch dazu geführt hat), dass die ungestützte Markenbekanntheit steigt. Bei vielen Interventionen im Bereich des Marketings fehlt diese Information häufig bzw. es gibt lediglich empirisch nicht belegte Annahmen, die bestimmte Auswirkungen von Maßnahmen formulieren (z. B. steigende Markenbekanntheit, steigender Absatz etc.). An dieser Stelle kann es oft hilfreich sein, die Auswirkungen von geplanten (oft auch größeren) Maßnahmen in kleineren (experimentellen) Untersuchungen im Sinne eines Pretests zu untersuchen. Keine plausiblen Alternativerklärungen Generell ist der Ausschluss von Alternativerklärungen die „Achillesferse“ einer kausalen Interpretation. Gerade in Hinblick auf die komplexen Märkte und diversen komplementären oder auch konkurrierenden Kommunikationskanäle wird es immer schwieriger, Veränderungen in beispielsweise der ungestützten Markenbekanntheit oder von Churnrates kausal und isoliert auf einzelne Marketingmaßnahmen bzw. eine Marketingstrategie zurückzuführen. Gerade bei Betrachtungen der immer größeren Marktumfelder und der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen (häufig auch kurzfristigen) Veränderungen gelingt es nur selten, die Wirkung eines Effektes als kausal und unbeeinflusst von Umfeldeffekten herauszuarbeiten.
282 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
Der optimale Weg zum Nachweis von Ursache-Wirkungs-Beziehungen: Das Experiment Im Folgenden soll mit dem klassischen Experiment der ideale Plan zur Feststellung einer kausalen Beziehung zwischen Ursache und Wirkung vorgestellt werden, wobei natürlich zu berücksichtigen ist, dass es im Kontext der betrieblichen Marktforschung primär darum geht, die Grundideen auf die eigene marktforscherische Tätigkeit zu übertragen. Generell ist ein Experiment durch zwei Hauptcharakteristika definiert: – Es gibt eine Kontrollgruppe und (mindestens) eine Experimental- oder Treatmentgruppe und – die Zuteilung zu den Gruppen erfolgt zufällig („Randomisierung“).
T
AV
C
Zeit
O1
O2
Abb. A.8: Experimentelles Design (O1 = erster Erhebungszeitpunkt, O2=zweiter Erhebungszeitpunkt, T=Treatment, C=Kontrollgruppe) (Rietz, Christian)
Der experimentelle Untersuchungsplan löst die drei genannten Probleme der Kausalitätsinterpretation: – Durch die Berücksichtigung eines Messzeitpunktes vor dem Treatment oder vor der Maßnahme kann eine „Nullmessung“ vorgenommen werden. Veränderungen können auf diese Art und Weise also erfasst werden. – Durch die Berücksichtigung einer Kontrollgruppe, die dem Treatment nicht ausgesetzt wird, kann zum einen gezeigt werden, ob eine Wirkung tatsächlich auf das Treatment zurückzuführen ist (die Kovarianz zwischen Ursache und Wirkung), denn sonst dürfte die Veränderung nicht nur „exklusiv“ in der Treatmentgruppe zu beobachten sein. Zum anderen dient die Kontrollgruppe auch dazu, andere Effekte (z. B. das Ausstrahlen von Kampagnen der Konkurrenz oder wirtschaftliche
A.7 Kausalität, Untersuchungspläne und interne und externe Validität | 283
Veränderungen) als Erklärung für die Wirkung auszuschließen, denn ansonsten würden wir ja auch in der Kontrollgruppe Veränderungen beobachten. Idealerweise erfolgt die Zuteilung von Probanden zur Experimental- und zur Kontrollgruppe per Zufall (die sogenannte „Randomisierung“). So lassen sich weitere Effekte, die mit der Zugehörigkeit zu Kontroll- bzw. Treatmentgruppe verbunden sind, kontrollieren (wenn z. B. eine Marketingmaßnahme nur in Großstädten stattfindet und die Kontrollgruppe aus einer ländlichen Region stammt, dann ist hier nur eine bedingte Vergleichbarkeit und insofern eine eingeschränkte Interpretation eines Effektes möglich). Exkurs: Randomisierung bedeutet nicht die Ziehung einer Zufallsstichprobe, sondern impliziert, dass Untersuchungsteilnehmer zufällig auf zwei verschiedene Gruppen verteilt werden. Wenn beispielsweise die Auswirkung einer neu gestalteten Onlinerechnung auf die Anzahl der Kontakte zum Callcenter überprüft werden soll, würde Randomisierung bedeuten, dass beispielsweise N = 1000 Kunden per Zufall auf zwei Bedingungen (Bedingung 1: Unveränderte Gestaltung der Rechnung, Bedingung 2: Veränderte Gestaltung der Rechnung) verteilt werden. Die Grundstichprobe von N = 1000 muss also keinesfalls eine Zufallsstichprobe sein, zufällig ist nur die Verteilung auf die beiden Gruppen. ■
Das Experiment in der (betrieblichen) Marktforschung Häufig gilt es – eine längerfristige Zeitplanung vorausgesetzt – die Auswirkungen von Maßnahmen auf die Wahrnehmung des Konsumenten bereits im Vorfeld einer geplanten Maßnahme im Rahmen von kleineren Vorstudien (Pilotstudien, Ex-AnteStudien) zu untersuchen. In diesem Kontext ist es häufig möglich, „echte“ experimentelle Designs durchzuführen. Hierbei muss unterschieden werden zwischen einem Feld- und einem Laborexperiment, wobei beide Formen in der betrieblichen Marktforschung realisiert werden können (das Laborexperiment, wenn es zum Beispiel um die Wahrnehmung eines Markenkerns im Rahmen der impliziten Wahrnehmung geht, ein Feldexperiment, wenn z. B. die als Beispiel angeführte Umgestaltung einer Onlinerechnung geplant wird). Der Vorteil besteht darin, dass mit relativ geringem Aufwand eine Abschätzung vorgenommen werden kann, ob überhaupt ein Effekt durch eine Maßnahme bewirkt wird und – wenn ja – wie stark ausgeprägt der Effekt dann tatsächlich ist. Betrachten wir ein anderes Beispiel: Wenn z. B. eine Webseite umgestaltet werden soll, so können auch hier mit einer vorläufigen Version Usability Tests (oder weiterreichend sogar eine Testung der User Experience, vgl. zu diesem Bereich Krahn 2012) vorgenommen werden. Hier kann auch wieder eine Experimental- und eine Kontrollgruppe gebildet werden, die jeweils bestimmte Aufgaben auf der alten und der neuen Webseite lösen oder generelle Einschätzungen beider Webseiten z. B. vor oder nach der Nutzung abgeben sollen. Diese „Aufgaben“ können sowohl in
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einer neutralen „Laborumgebung“ (Laborstudie) als auch im vertrauten häuslichen Setting (Feldstudie) durchgeführt werden. Vorteile von Laborstudien Bei Laborstudien kann man von einer sogenannten höheren „internen Validität“ ausgehen. Das bedeutet, dass in der Laborbedingung viele „störende“ Bedingungen (z. B. leises oder lautes Umfeld, Unterschiede in Beleuchtung oder Temperatur, Ablenkung durch weitere Reize wie z. B. Parallelmediennutzung) „kontrolliert“ bzw. ausgeschlossen werden können. Als Konsequenz kann man dann davon ausgehen, dass Befunde (z. B. in Bezug auf die Bedienungsfehler einer neuen interaktiven Oberfläche) mit einer großen Wahrscheinlichkeit tatsächlich auf die neue Oberfläche und nicht auf irgendwelche Rahmenbedingungen oder sogenannte Störvariablen zurückzuführen sind. Wenn man also die theoretische „Nettowirkung“ einer Intervention ermitteln möchte (neues Benutzerinterface, neue Verpackung etc.), dann kann über eine Laborstudie sicherlich eine brauchbare Schätzung dieses Effektes vorgenommen werden. Vorteile von Feldstudien Während es bei der Laborstudie auf der einen Seite sehr vorteilhaft sein kann, dass viele „Störvariablen“ kontrolliert werden können, findet das tatsächliche Leben aber „im Feld“ statt. Und so kann es dann durchaus sein, dass ein Effekt, der sich bei gut kontrollierten Störvariablen zeigt, nicht mehr sichtbar ist, wenn die Personen in ihrem vertrauten Umfeld agieren. Ein Umgang mit einer Software im Rahmen einer Usability-Testung im Labor kann durchaus anders sein, wenn die Rahmenbedingungen denen der häuslichen Nutzung oder der Nutzung über ein mobiles Endgerät „unterwegs“ entsprechen. Waren, deren z. B. Verpackung oder Design im Labor deutlich positiver bewertet wurden, können in einem „natürlichen“ Umfeld ganz anders wirken oder rezipiert werden. Findet sich hingegen im Feld ein deutlicher Effekt z. B. bei der Positionierung von Waren oder bei der Rezeption von Werbung, so kann dieser Effekt aber im Vergleich zur Laboruntersuchung nicht so eindeutig auf das Treatment zurückgeführt werden, sondern durch die zahlreichen intra- und interpersonellen Störvariablen zustande gekommen sein. Andererseits kann aber so argumentiert werden, dass ein Effekt, der „trotz“ der Störvariablen „überlebt“, eher als stabil und generalisierbar betrachtet werden kann. Das führt insgesamt dazu, dass Feldstudien eine höhere sogenannte „externe Validität“ zugewiesen wird – die Ergebnisse einer Feldstudie sind daher eher z. B. auf ähnliche und andere Situationen oder Personen generalisierbar. Durch die rasante technologische Entwicklung der letzten Jahre stehen inzwischen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, Daten bei den Probanden im „normalen“ Kontext, z. B. abends vor dem Fernseher, beim Spiel mit Freunden oder am Arbeitsplatz zu erheben (zum Teil über mobile Endgeräte, zum Teil über Sensoren wie Bewegungsarmbänder oder
A.7 Kausalität, Untersuchungspläne und interne und externe Validität | 285
„Datenpflaster“). Neben der schon erwähnten Reduktion der Reaktivität kann mit diesen Daten viel einfacher auf das Verhalten von Probanden generalisiert werden als durch eine Laborstudie. Natürlich sind den Autoren die Probleme bekannt, die mit dem Durchführen von Experimenten in der betrieblichen Marktforschung verbunden sind. Auf der einen Seite gibt es häufig einen hohen Zeitdruck, auf der anderen Seite fehlen aber auch einfach die Ressourcen. Wir können aber trotzdem nur empfehlen, geplante Maßnahmen durch kleine Experimente (je nach Indikation im Labor oder im Feld) abzusichern, da nur diese Technik Rückschlüsse auf die tatsächliche kausale Wirkung einer Maßnahme erlaubt. Mit dem Experiment lassen sich viele Maßnahmen so ohne großen Aufwand in einem kontrollierten Design auf den Prüfstand stellen und Fehlinvestitionen vermeiden. Ein experimentelles Vorgehen ist nicht zwangsläufig an große Stichproben gebunden. So gibt es z. B. im Bereich der Einzelfallforschung auch experimentelle Pläne (vgl. Kern 1997). Vom Experiment zum Quasi-Experiment Leider ist es häufig nicht möglich, eine Randomisierung (alle möglichen Probanden werden quasi zusammengeworfen und dann per Zufall auf die Experimental- und die Kontrollgruppe verteilt), praktisch durchzuführen, da viele Maßnahmen komplette Kundengruppen betreffen. Um aber auch in solchen Situationen zu einer möglichst guten Aussage über die Wirkung einer Intervention zu kommen, gibt es einige Techniken, die man anwenden kann, um die Kontroll- und die Experimentalgruppe trotzdem möglichst „vergleichbar“ zu machen. Prinzipiell ist im Kontext der betrieblichen Marktforschung vor allem die Technik des sogenannten Parallelisierens sinnvoll anwendbar8. Parallelisieren würde bedeuten, dass man aus Stichproben Personen oder Gruppen zu „Paarlingen“ zusammenfasst, die sich strukturell in Bezug auf mögliche Einflussvariablen möglichst wenig unterscheiden. So können die Kunden aus ländlichen Regionen (ohne Kampagne) und Großstädten (mit Kampagne) dahingehend verglichen werden, dass aus beiden Gruppen z. B. 35–49jährige Besserverdienende mit zwei Kindern herausgegriffen und die Effekte der Kampagne auf dieser Ebene verglichen. Wenn keine Versuche unternommen werden können, zu randomisieren oder die Stichproben zu parallelisieren, dann wird ein Design mit „natürlicher“ Kontrollund Experimentalgruppe als sogenanntes „Quasi-Experiment“ bezeichnet. In vielen Fällen der betrieblichen Marktforschung wird man sich in diesem Feld bewegen, da die „Kontrollgruppen“ häufig die Gruppen „ohne Intervention“ sind und sich meistens organisch ergeben.
|| 8 Strenggenommen bezieht sich diese Technik auf die Untersuchungsplanung und die Konstruktion von Kontroll- und Experimentalgruppe, soll hier aber auch auf die Ex-Post-Analyse übertragen werden.
286 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
Unabhängig davon ist aber jeder Versuch, eine Kontrollgruppe mit zu berücksichtigen, unter dem Aspekt der Gültigkeit der ableitbaren Aussagen methodisch besser als ein Plan ohne Kontrollgruppe. Vorexperimentelle Anordnungen Wenn es nicht möglich ist, eine Kontrollgruppe zu berücksichtigen, spricht man von einer sogenannten vorexperimentellen Anordnung. Um hier Aussagen über eine Wirkung machen zu können, bedient man sich häufig der sogenannten „reflexiven“ Kontrolle (vgl. zu Untersuchungsplänen auch Rossi/Freeman/Lipsey 1999, S. 343– 363). Hier erlaubt ein Vergleich von Vor- und Nachtestwerten zwar auf den ersten Blick eine Abschätzung der Programmwirkung – dieser Vergleich muss aber an verschiedenen Parametern (Effekt der Vortestung, Entwicklungen im Markt, Reifung etc.) bei der Interpretation relativiert werden, so dass eine „echte“ Kausalaussage nicht bzw. nur sehr eingeschränkt möglich ist. Andererseits ermöglicht es die vorexperimentelle Anordnung, unter kontrollierten Bedingungen zu überprüfen, ob eine geplante Maßnahme überhaupt einen Effekt hat. Je eindeutiger die klassischen Begründungen für eine Kontrollgruppe (wie z. B. zeitliche Reifung, zwischenzeitliches Geschehen) ausgeschlossen werden können, desto höher ist der Aussagewert dieses Designs. Die Praxis und Qualitätskriterien für empirische Untersuchungen Freund/Holling (2007, S. 88) formulieren die Probleme in der Praxis treffend wie folgt: Häufig erschweren organisatorische Auflagen die Wahl des besten verfügbaren Untersuchungsplanes oder machen sie gar unmöglich; in solchen Fällen ist es umso bedeutsamer, die wichtigsten Validitätsgefährdungen der Gütekriterien für (Quasi-)Experimente zu identifizieren und nach Möglichkeit bei der Planung zu berücksichtigen.
Letztendlich kann man in der Praxis nur anstreben, ein „möglichst gutes“ Design für die Untersuchung der Auswirkungen von Maßnahmen, die Gegenstand der Fragen an die betriebliche Marktforschung sind, zu wählen (wobei der Grundgedanke der experimentellen Absicherung im Rahmen von kleinen Pilotstudien sicherlich noch keine hinreichende Verbreitung gefunden hat)9. Unter dem Aspekt des „möglichst guten“ Designs sollte der betriebliche Marktforscher die Aspekte der internen
|| 9 Vertiefend soll in diesem Kontext auf das Prinzip der „generalized causal inference“ hingewiesen werden, das verschiedene Kriterien zur Verfügung stellt, an denen die Qualität der kausalen Generalisierbarkeit überprüft werden kann bzw. die eine Abschätzung erlauben (vgl. Holling 2009, S. 16–17).
A.7 Kausalität, Untersuchungspläne und interne und externe Validität | 287
und externen Validität berücksichtigen10 und hier quasi eine Art „Checkliste“ abarbeiten, die es erlaubt, die Übertragbarkeit der in einer empirischen Marktforschung gewonnenen Befunde zu bewerten (vgl. zur internen und externen Validität z. B. Hussy/Schreier/Echterhoff 2013, S. 137–140)11. Interne Validität bezeichnet die „Qualität“ der Aussage darüber, ob Veränderungen in der abhängigen Variablen (z. B. Senkung der Churnrate) mit einer unabhängigen Variablen (z. B. attraktive Konditionen bei Vertragsverlängerung) einhergehen. Hierbei geht man davon aus, dass die interne Validität bei Laboruntersuchungen generell höher ist, da hier viele Einflussfaktoren, die „normalerweise“ eine Entscheidung beeinflussen, kontrolliert werden können. Aber auch Untersuchungsbedingungen außerhalb des Labors, bei denen zahlreiche externe „Störvariablen“ kontrolliert werden können, haben eine höhere interne Validität. Je kontrollierter also die Untersuchungsbedingung (und gleichbedeutend weniger Störeinflüsse), desto klarer kann die Veränderung einer abhängigen Variablen auf die unabhängige Variable zurückgeführt werden. Letztendlich bezieht sich die interne Validität auf das dritte Kriterium für eine kausale Interpretation, dass keine plausiblen Alternativerklärungen für den beobachteten Effekt außer der in Frage stehenden Ursache bestehen dürfen. Im Kontext von experimentellen Plänen kann die interne Validität auch dadurch gefährdet werden, dass keine Randomisierung vorgenommen wird bzw. werden kann. In diesem Fall bieten sich als Techniken zur Kontrolle von Störvariablen die Elimination, das Parallelisieren, die systematische Variation, die zufällige Variation, das Randomisieren und im Fall von potenziellen Untersuchungsleitereinflüssen Blind- und Doppelblindversuche an (vgl. vertiefend Hussy/Schreier/Echterhoff 2013, S. 122–125). Auf das Parallelisieren wurde bereits eingegangen. Unter externer Validität versteht man die Möglichkeiten, von den Ergebnissen einer Studie (die natürlich eine möglichst hohe interne Validität aufweisen sollte) auf andere Personen, Situationen oder Variablen zu generalisieren. Betrachtet werden sollten also – die Populations-, – die Situations- und – die Variablenvalidität.
|| 10 Der Begriff der Validität ist bereits im UnterKapitel A1.4 behandelt worden. Die Betrachtungen der internen und externen Validität stellen eine Ausweitung bzw. weitere Differenzierung des Validitätskonzeptes auf die Interpretierbarkeit empirischer Untersuchungen dar. 11 Hussy/Schreier/Echterhoff (2013) stellen das Konzept der internen und externen Validität am Beispiel des Experimentes dar. Diese Überlegungen lassen sich aber (vgl. auch Holling 2009) auf andere empirische Situationen übertragen.
288 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
Wenn beispielsweise die Experimental- und die Kontrollgruppe nicht repräsentativ für alle adressierten Kunden sind, so lassen sich auch keine belastbaren Aussagen von der empirischen Studie auf alle adressierten Kunden übertragen. Dies ist z. B. der Fall, wenn nur bestimmte Kunden (z. B. Onsiterekrutierung über eine Webseite, die nicht von allen Kunden genutzt wird) und nicht alle Kunden erreicht werden, auf die eine Maßnahme abzielt. Unter dem Aspekt der Situationsvalidität steht die Frage im Vordergrund, ob die in einem bestimmten Setting durchgeführte Maßnahme auch auf andere Settings oder Situationen übertragen werden kann. Lassen sich beispielsweise Marketingmaßnahmen während Open-Air-Konzerten auf kleinere Veranstaltungen übertragen bzw. haben Rabatte für Auslandsgespräche vor und nach der Ferienzeit ähnliche Auswirkungen? Unter dem Aspekt der Variablenvalidität ist sicherzustellen, dass eine bestimmte Form der Intervention (z. B. ein Rabatt in Form von Frei-SMS) auch auf andere ähnliche Interventionen übertragen werden kann (z. B. ein Rabatt in Form einer verringerter Grundgebühr). Zusammenfassend erlaubt die Überprüfung der internen Validität vor allem die Eindeutigkeit der Rückführung eines Effektes auf eine Intervention und die der externen Validität eine Aussage über die Generalisierung der Maßnahme. Beide Aspekte sollten im Rahmen einer empirischen – übrigens quantitativen wie qualitativen – Untersuchung diskutiert und dokumentiert werden.
A.8 Konfidenzintervalle Eines der wichtigsten Konzepte für die Kommunikation von Marktforschungsergebnissen ist neben der Signifikanz (vgl. das folgende Kapitel A1.8) das Konfidenzintervall (häufig auch Vertrauensbereich, Sicherheitsbereich oder Schwankungsbreite genannt). Was ist ein Konfidenzintervall? Normalerweise werden in der Marktforschung Stichproben gezogen (z. B. N = 500 Kunden aus insgesamt 2.500.000 Kunden) und auf Basis dieser Stichproben (z. B. eine Stichprobe der Größe N = 500) sollen Aussagen gemacht werden, die auf die Grundgesamtheit (alle 2.500.000 Kunden) generalisiert werden können. Die Werte, die auf Basis von einzelnen Stichprobenergebnissen ermittelt werden, sollen als sogenannte „Punktschätzer“ dazu dienen, den Wert in der Population zu schätzen. Das Prinzip des Konfidenzintervalls soll an folgendem Gedankenexperiment verdeutlicht werden, das auf einer Grundgesamtheit von z. B. 2.500.000 Kunden eines Mobilfunkproviders basiert und eine Erkenntnis darüber liefern soll, wie viele Minuten die Kunden dieses Providers täglich über ein mobiles Endgerät in sozialen Netzwerken verbringen. Befragen wir jetzt beispielsweise vier Stichproben der Größe N = 500, so ergibt sich in der ersten Stichprobe ein Mittelwert von 90,2 Minuten,
A.8 Konfidenzintervalle | 289
in der zweiten Stichprobe ein Mittelwert von 59,8 Minuten, in der dritten Stichprobe ein Mittelwert von 72,1 Minuten und in der vierten Stichprobe ein Mittelwert von 81,4 Minuten. Es ergibt sich also eine Verteilung der Mittelwerte (eine sogenannte Stichprobenkennwerteverteilung) mit vier Messwerten. Genauso kann man sich aber auch die 1000malige Ziehung oder 10000malige Ziehung von Stichproben aus der Grundgesamtheit vorstellen. Jeder Stichprobenmittelwert soll aber nun eine Aussage über die Population erlauben. In dem Beispiel zeigt sich, dass auf Basis der vier Stichprobenmittelwerte (als vier Punktschätzer) andere Aussagen über die Population gemacht werden bzw. der Populationsmittelwert jeweils unterschiedlich geschätzt wird. Jetzt kennt man natürlich in den meisten Fällen den „wahren“ Mittelwert nicht (denn sonst gäbe es ja keine Notwendigkeit, ihn über die Mittelwerte der einzelnen Stichproben zu schätzen). Um jetzt trotzdem auf Basis der Stichprobenmittelwerte (die ja in unserem Beispiel zwischen 59,8 und 90,2 Minuten in sozialen Netzwerken auf Smartphones verbrachter Zeit variieren) oder auch nur auf Basis eines einzigen Stichprobenmittelwertes eine Aussage über den unbekannten Wert in der Grundgesamtheit zu machen, stellt die Statistik das Konfidenzintervall zur Verfügung (die Ableitung des Konfidenzintervalls ist nicht ganz unkompliziert, aber das Ergebnis ist dann wiederum relativ einfach zu interpretieren). Hierzu muss man sich als Gedankenmodell die theoretisch unendlich häufige Ziehung von Stichproben aus einer Grundgesamtheit und die sich dann ergebende Stichprobenkennwerteverteilung vorstellen (deren Mittelwert dem Populationsmittelwert entsprechen würde). Dann ließe sich statistisch ein Bereich berechnen, in dem sich z. B. 95 % oder 99 % aller Mittelwerte der Stichprobenkennwerteverteilung befinden würden. Davon ausgehend lässt sich aber wiederum für jeden einzelnen der Stichprobenmittelwerte ein Bereich bzw. ein Intervall berechnen, in dem sich der Populationsmittelwert mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (meist 95 % oder 99 %) befindet. Dieser Bereich, in dem sich der Populationsparameter mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit befindet, nennt man das Konfidenzintervall (z. B. das 95 %ige oder 99 %ige Konfidenzintervall). Der Schritt vom Stichprobenmittelwert als „Punktschätzer“ zur „Intervallschätzung“ ist statistisch (unabhängig von der Herleitung) relativ schlicht, da die „Einzelkomponenten“, die für die Berechnung des Konfidenzintervalls notwendig sind, entweder relativ einfach zu berechnen sind oder meistens sogar von Statistikprogrammen direkt ausgegeben werden. Die Berechnung eines Konfidenzintervalls setzt voraus: (1) Den Stichprobenmittelwert, (2) die Stichprobenvarianz, (3) die Stichprobengröße und (4) eine Festlegung, welches Konfidenzintervall (z. B. das 95 %ige oder 99 %ige) man berechnen möchte. Beispiel: Im Rahmen der oben genannten Studie wird eine Stichprobe der Größe N = 500 (3) gezogen, deren Mittelwert 87,3 Minuten durchschnittliche tägliche Verweildauer in sozialen Netzwerken (1) beträgt. Die Stichprobenvarianz (2)
290 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
beträgt 9230. Aus der Festlegung des Konfidenzintervalls (4) resultiert ein sogenannter z-Wert, den wir zur Berechnung des Konfidenzintervalls benötigen. Bei einem Konfidenzintervall von 95 % beträgt er 1,96, bei einem Konfidenzintervall von 99 % 2,58. Das Konfidenzintervall berechnet sich nun als Stichprobenmittelwert +/– (z-Wert * Wurzel(Varianz/Stichprobengröße)12). Im vorliegenden Fall ergibt sich bei einem 95 %igen Konfidenzintervall 87,3 +/– 1,96 * (Wurzel(9230/500)) = 87,3 +/– 1,96 * 4,30 = 87,3 +/– 8,4. Das bedeutet, dass der dieser Stichprobe zugrundeliegende Populationsmittelwert der Zeit, die die Population täglich in sozialen Netzwerken verbringt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen 78,9 und 95,7 Minuten liegt. Im Falle des 99 %igen Konfidenzintervalls liegt dann der Populationsmittelwert mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % zwischen 87,3 +/– 11,1 Minuten bzw. zwischen 76,2 und 98,4 Minuten. Zu weiteren Details der Berechnung und zur Herleitung vergleiche Bortz/Schuster 2010, S. 92–95. Das Konfidenzintervall um einen Punktschätzer ist unabdingbar, wenn die „Qualität“ einer Schätzung bewertet werden soll. Wenn eine Wahlprognose für eine Partei z. B. 23 % bei einer Schwankungsbreite von +/– 4 % (95 %iges Konfidenzintervall) lautet, dann bedeutet das, dass „in Wirklichkeit“ zwischen 19 % und 27 % ihre Stimme dieser Partei geben würden; würde die Bereitschaft, für eine innovative Dienstleitung 12,60 Euro zu bezahlen und das 99 %ige Konfidenzintervall +/– 5,20 Euro betragen, dann wäre die Grundgesamtheit der Konsumenten mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % bereit, „in Wirklichkeit“ zwischen 7,40 Euro und 17,80 Euro für diese innovative Dienstleistung auszugeben. Natürlich gibt es breitere und schmalere Konfidenzintervalle: je schmaler ein Konfidenzintervall ist, desto präziser ist die Vorhersage bzw. desto kleiner ist der Bereich, in dem sich der unbekannte Populationsmittelwert befindet. Generell hängt die Breite des Konfidenzintervalls von den drei Einflussgrößen „Sicherheit“ (z-Wert), Varianz und Stichprobengröße ab. Die Auswirkungen der Stichprobengröße auf die Breite des Konfindenzintervalls sollen anhand der Daten aus dem Beispiel zur Nutzung sozialer Netzwerke verdeutlicht werden.
|| 12 Der Term Wurzel (Varianz/Stichprobengröße) wird auch als Standardfehler bezeichnet. In SPSS lässt sich der Standardfehler auch direkt, z. B. bei der Häufigkeitenanalyse, anfordern und insofern reduziert sich die Berechnung des Konfidenzintervalls.
A.9 Signifikanz | 291
Tab. A.3: 99 %iges Konfidenzintervall für die tägliche Nutzung sozialer Netzwerke in Minuten in Abhängigkeit von der Stichprobengröße (Mittelwert 87,3 Minuten, Varianz 9230, 99 %iges Konfidenzintervall mit einem z-Wert von 2.58), (Rietz Christian)
N
Konfidenzintervall Untergrenze
Konfidenzintervall Obergrenze
50
52,25
122,35
100
62,51
112,09
500
76,22
98,38
1000
79,46
95,14
Gerade bei kleinen Stichprobengrößen zeigt sich, dass die Konfidenzintervalle sehr groß werden und die Schätzung des Populationsmittelwertes für die Nutzung sozialer Netzwerke durch die Stichprobe sehr unpräzise ist. Je nachdem, wofür ein Ergebnis einer Marktforschung benötigt wird, kann es – gerade wenn es um Planung geht – unabdingbar sein, statistische Kennwerte wie den Mittelwert mit dem jeweiligen Schwankungsbereich bzw. Konfidenzintervall zu berichten. Gerade bei kleineren Stichprobengrößen kann ohne Konfidenzintervall nur schwer abgeschätzt werden, wie „gut“ das Stichprobenergebnis eigentlich ist bzw. in welchem Bereich sich der Populationswert, über den über die Stichprobenergebnisse Erkenntnisse gewonnen werden sollen, befindet. Andererseits muss der betriebliche Marktforscher aber auch überlegen, wie gut die Schätzung und das Konfidenzintervall eigentlich sein müssen. Wenn irgendeine Information oder eine grobe Abschätzung der Varianz der relevanten Merkmale vorliegt, kann der betriebliche Marktforscher auch hier die Stichprobengröße ermitteln, die er für ein bestimmtes Konfidenzintervall benötigt – und manchmal ist die Stichprobengröße deutlich kleiner, manchmal aber auch deutlich größer als erwartet.
A.9 Signifikanz Eines der zentralen Konzepte der Statistik und natürlich auch des Reportings in der betrieblichen Marktforschung ist die „Signifikanz“ – aber was ist Signifikanz, ab wann kann man von einem signifikanten Ergebnis sprechen und wann wird überhaupt eine Signifikanzüberprüfung vorgenommen? Die Frage danach, wann Signifikanzüberprüfungen vorgenommen werden, soll als erste beantwortet werden: Generell spielt das Konzept der Signifikanz eine Rolle, wenn Daten aus einer oder mehreren Stichproben vorliegen und auf die zugrundeliegende(n) Population(en) geschlossen werden soll. Ein gängiger Fall einer solchen Fragestellung liegt beispielsweise vor, wenn zwei repräsentative Stichproben männlicher und weiblicher Kunden eines Telekommunikationsanbieters erhoben wurden
292 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
und sich ein deutlicher Mittelwerteunterschied in Bezug auf die Bereitschaft, in den nächsten zwölf Monaten IPTV (Internet Protocol Television) anzuschaffen (Skala 1 = Anschaffung konkret geplant, 2 = Anschaffung eher geplant, 3 = Anschaffung eher nicht geplant, 4 = Anschaffung nicht geplant), festgestellt wird. Kann nun aus diesem Stichprobenergebnis (Mittelwert der männlichen Konsumenten 1,6; Mittelwert der weiblichen Konsumenten 2,5) darauf geschlossen werden, dass „alle“ Männer generell positiver gegenüber der Anschaffung von IPTV eingestellt sind als Frauen? Ein solcher „tatsächlicher“ Unterschied könnte Auswirkungen vom Marketing über die User Experience bis hin zur Produktentwicklung haben. Um festzustellen, inwieweit ein Stichprobenunterschied auf die zugrundeliegende Population generalisiert werden kann, wird ein sogenannter Signifikanztest durchgeführt. Was sind jetzt aber Signifikanz oder empirisches oder theoretisches Signifikanzniveau? Zuerst einmal muss man sich vor der Beantwortung dieser Frage vor Augen halten, dass jede Form des Schlusses von einer Stichprobe auf eine Grundgesamtheit einen Wahrscheinlichkeitsschluss darstellt – wir können also nie mit 100 %iger Wahrscheinlichkeit von einer Stichprobe auf die (normalerweise) unbekannte Grundgesamtheit schließen, sondern immer nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit13. Dabei kann man Fehler machen, die mit α- und β-Fehler bezeichnet und in der folgenden Abbildung veranschaulicht werden sollen: Tab. A.4: Fehler bei der Entscheidung (Rietz Christian)
„Wirklichkeit“ – Population
Stichprobe
Kein Unterschied/kein Zusammenhang
Unterschied/Zusammenhang
Kein Unterschied/ kein Zusammenhang
OK
β-Fehler/Fehler 2. Art
Unterschied/Zusammenhang
α-Fehler/Fehler 1. Art
OK (1–β = „Teststärke“)
Einen α-Fehler würde man also begehen, wenn man auf Basis des Stichprobenergebnisses behaupten würde, dass Männer positiver gegenüber der Anschaffung von IPTV eingestellt sind als Frauen und sich das aber dann, wenn man tatsächlich
|| 13 An dieser Stelle muss aber darauf hingewiesen werden, dass sich ein Signifikanztest bei Totalerhebungen (also wenn bei allen Merkmalsträgern bzw. der gesamten Population Daten erhoben worden sind) erübrigt, da die „Stichprobe“ hier ja direkt der Population entspricht. Bei Totalerhebungen können also Unterschiede und Zusammenhänge ohne Signifikanzüberprüfung als „bedeutsam“ interpretiert werden.
A.9 Signifikanz | 293
„alle“ Männer und Frauen befragen würde, als unrichtig erweisen würde14. Einen βFehler würde man analog begehen, wenn man auf Basis eines Stichprobenergebnisses behaupten würde, dass es keinen Unterschied in der Anschaffungsbereitschaft zwischen Männern und Frauen gibt, in „Wirklichkeit“ (also bei allen Männern und Frauen) ein solcher Unterschied aber beobachtbar wäre. Exkurs: Nullhypothese und Alternativhypothese Bei jedem inferenzstatistischen Test werden zwei verschiedene Hypothesen aufgestellt: Die Alternativhypothese (H1), in der normalerweise formuliert wird, dass es einen Unterschied zwischen Gruppen oder einen Zusammenhang zwischen Variablen gibt (wobei man in zweiseitige Hypothesen, die davon ausgehen, dass es „irgendeinen“ Unterschied oder Zusammenhang gibt, und einseitige Hypothesen, bei denen man entweder davon ausgeht, dass eine Gruppe „besser“ und nicht „schlechter“ ist als eine andere bzw. es einen entweder positiven oder negativen Zusammenhang gibt, differenziert) und die Nullhypothese (H0), die in der Regel (komplementär zur H1) behauptet, dass es keinen Unterschied zwischen Gruppen oder Zusammenhang zwischen Variablen gibt. Diese Hypothesen werden auf der Basis von Populationsparametern (also den statistischen Kennwerten in der Population) formuliert, da von Stichproben auf die Population generalisiert werden soll. Beispiele für solche Hypothesenformulierung im Fall von Mittelwerten (μ) oder Korrelation (ρ) sind: H0: μ1 = μ2 und H1: μ1 ≠ μ2
oder H0: ρ = 0 und H1: ρ ≠ 0.
Je nach Anzahl der Gruppen oder Formulierung der Hypothesen (einseitig bzw. zweiseitig) können die statistischen Hypothesen auch noch etwas anders aussehen. Normalerweise wird der betriebliche Marktforscher aber weniger mit den statistischen Hypothesen als vielmehr mit „dem“ Signifikanzniveau zu tun haben, das dann immer als Wahrscheinlichkeit für das Beibehalten der statistischen Nullhypothese verstanden werden kann. ■
In der Regel basieren die Ergebnisse fast immer auf Signifikanzprüfungen auf einem Test der Nullhypothese – eine Signifikanz ist also als die Wahrscheinlichkeit zu interpretieren, mit der die Nullhypothese zutrifft15 und es keinen Unterschied zwischen Gruppen oder Zusammenhang zwischen Variablen gibt. In der Regel gibt es Konventionen für Signifikanz: Bei einem Signifikanzniveau zwischen 1 % und 5 % (also dem Risiko einer „Fehlentscheidung“ zwischen 1 % und 5 %) spricht man von einem „signifikanten“ Ergebnis, bei einem Signifikanzniveau || 14 Bortz/Schuster (2010, S. 100) definieren den Fehler 1. Art bzw. α-Fehler und den Fehler 2. Art bzw. β-Fehler wie folgt: „Ein Fehler 1. Art wird begangen, wenn eine richtige Nullhypothese zugunsten der Alternativhypothese abgelehnt wird. Ein Fehler 2. Art wird begangen, wenn eine falsche Nullhypothese beibehalten wird.“ 15 Statistische Profis können natürlich auch die Alternativhypothese als Testgrundlage wählen. Das ist jedoch relativ kompliziert, da dann meistens nonzentrale bzw. nichtzentrale Verteilungen berücksichtigt werden müssen, die nicht tabelliert vorliegen (vgl. zu dieser Thematik auch Bortz/Schuster 2010, S. 112).
294 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
kleiner als 1 % von einem „sehr signifikanten“ Ergebnis (vgl. zu dieser „Konvention“ auch Bortz/Schuster 2010, S. 101). Wie geht man jetzt damit in der Praxis der betrieblichen Marktforschung um? Hier ist zu beachten, dass das gewählte Signifikanzniveau davon abhängen sollte, wie „sicher“ man dabei sein möchte, einen Unterschied zwischen Gruppen oder Zusammenhang zwischen Variablen festzustellen. Je größer die Sicherheit sein soll, desto geringer wird das Signifikanzniveau (und desto größer müssen – vereinfacht gesprochen – auch die Unterschiede oder Zusammenhänge in den Stichproben sein). Daher ist es sinnvoll, sich schon vor der Interpretation von Signifikanzen Gedanken darüber zu machen, welche Tragweite die Entscheidung hat, die aus den Ergebnissen resultiert. Bei Entscheidungen mit einer großen Tragweite können daher auch kleinere Signifikanzniveaus (z. B. kleiner 0,01 %) gewählt werden (vgl. zusammenfassend zum Thema Signifikanztests auch Bortz/Schuster 2010, S. 97–116). Als Faustregel kann gelten, dass das Signifikanzniveau immer dann besonders klein sein sollte, wenn von der statistischen Entscheidung z. B. hohe Investitionen abhängen. Wenn etwa ein neues Design auf dem Prüfstand der Marktforschung steht, dann sollte die kostenintensive Umstellung auf dieses neue Design erst dann erfolgen, wenn man sich wirklich sehr sicher (kleines Signifikanzniveau, z. B. 0,1 %) ist). Möchte man in einem Datensatz eher exploratorisch (z. B. im Rahmen einer Korrelationsanalyse) erkunden, mit welchen soziodemografischen Variablen eine bestimmte Produktpräferenz in Beziehung steht, dann dürfte auch ein Signifikanzniveau von 5 % ausreichend sein. Wie sieht das jetzt in der Praxis aus? Normalerweise wird man ein Signifikanzniveau definieren und dann das empirische Ergebnis (den sogenannten p-Wert oder die exakte Irrtumswahrscheinlichkeit) mit dem Signifikanzniveau vergleichen oder direkt interpretieren, wobei der p-Wert sich der Ausgabe von Statistikprogrammen oder Excel meistens problemlos entnehmen lässt, wenn man nach „Signifikanz“ oder „p-Wert“ sucht. Der Begriff der Irrtumswahrscheinlichkeit ist immer etwas irreführend, da mit dieser Irrtumswahrscheinlichkeit die Wahrscheinlichkeit bezeichnet wird, mit der ein empirisches Ergebnis unter Gültigkeit der Nullhypothese eintrifft. Je geringer diese Wahrscheinlichkeit, die dem Alpha-Fehler entspricht, desto eher wird man sich für die Alternativhypothese entscheiden und behaupten, dass es in der Population einen Zusammenhang bzw. Unterschied gibt.16
|| 16 Diese Entscheidung ist auf eine gewisse Art und Weise eine Paradoxie: Man entscheidet sich eigentlich nicht „direkt“ für die Alternativhypothese, sondern nur dann, wenn das Eintreffen eines empirischen Ergebnisses bei Gültigkeit der Nullypothese sehr unwahrscheinlich ist. Es gibt auch die Möglichkeit, die Alternativhypothese direkt zu testen – das wird aber schnell ziemlich kompliziert.
A.9 Signifikanz | 295
zu vergleichende Gruppenmittelwerte
p-Wert t-Test(„Signifikanz“) bei Annahme inhomogener (ungleicher) Varianzen
p-Wert t-Test(„Signifikanz“) bei Annahme homogener Varianzen
p-Wert Levene-Test auf homogene Varianzen Abb. A.9: Ergebnisausgabe eines Mittelwertevergleichs (t-Test) in SPSS (Rietz, Christian)
In der Abbildung zum Mittelwertevergleich geht es um ein Beispiel, in dem die mittlere Anzahl von Freunden auf Facebook bei männlichen Befragten (262 Freunde) und weiblichen Befragten (210 Freunde) verglichen werden sollen (vgl. in der oberen Tabelle „Gruppenstatistiken“). Bei Durchführung eines t-Tests wird zuerst ein Test auf Überprüfung der Varianzhomogenität (der sogenannte Levene-Test) als Voraussetzungsprüfung vorgenommen, der zu einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,019 (erster roter Pfeil) führt. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass beide Gruppen aus Populationen mit gleichen Varianzen stammen, lediglich 1,9 % beträgt. Auf Basis dieser geringen Wahrscheinlichkeit für gleiche Varianzen würde man sich dann dafür entscheiden, von ungleichen Varianzen ausgehen. Das führt dann dazu, dass man den Mittelwertevergleich in der zweiten Zeile der zweiten Tabelle („Varianzen sind nicht gleich“) interpretieren würde. Hier findet man jetzt die Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,258 – das bedeutet, man würde auf Basis des Stichprobenergebnisses mit einer Wahrscheinlichkeit von 25,8 % davon ausgehen, dass sich männliche und weibliche Befragte in der Population bezüglich der Anzahl der Freunde auf Facebook nicht unterscheiden. Aufgrund der hohen Irrtumswahrscheinlichkeit würde man die Nullhypothese beibehalten und von keinem Unterschied zwischen Männern und Frauen ausgehen.
296 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
Abb. A.10: Ergebnisse einer Korrelationsanalyse als SPSS-Ausgabe (Rietz, Christian)
Abb. A.11: Ergebnisse einer multiplen Regressionsanalyse als SPSS-Ausgabe (Rietz, Christian)
Ähnlich wie bei dem Beispiel des Mittelwertevergleichs dient bei der Korrelation ebenfalls die Bezeichnung „Signifikanz“ der Identifikation des p-Wertes bzw. des exakten Signifikanzniveaus. Die Korrelation zwischen „Weiterempfehlung des Studienganges“ und „Gesamtbewertung des Studiums“ beispielsweise hat ein exaktes Signifikanzniveau von kleiner 0,00017 – somit ist es sehr unwahrscheinlich, dass man sich mit der Aussage, dass es zwischen beiden Variablen einen in der Population bedeutsamen Zusammenhang gibt, irrt. Das Signifikanzniveau von 0,974 der Korrelation zwischen „Weiterempfehlung des Studienganges“ und „Bewertung: Bibliothek“ bedeutet, dass man sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,4 % irren
|| 17 Der p-Wert kann aber nie exakt den Wert Null erreichen, sondern ist immer etwas größer (es gibt also – wie schon ausgeführt – keine 100%ige Sicherheit bei der Entscheidung für oder gegen eine Hypothese). Da in dem Beispiel „nur“ drei Nachkommastellen gewählt wurden, kann der p-Wert z. B. 0,000025 betragen.
A.9 Signifikanz | 297
würde, wenn man davon ausginge, dass es zwischen diesen beiden Variablen einen Zusammenhang in der Population gibt. Auch bei dem Ausschnitt der Ergebnisse einer multiplen Regression, der sich auf die Koeffizienten bezieht, kann die Interpretation übernommen werden. Der pWert für die Koeffizienten der Regressionsgleichung a (Konstante) und die „Steigungen“ b1 (Bewertung: Berufsaussichten) und b2 (Alter) kann der letzten Spalte „Sig.“ entnommen werden. Hier sehen wir, dass das exakte Signifikanzniveau für a bei 1 % liegt und das für b1 deutlich kleiner ist – wir würden uns also mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit irren, wenn wir behaupten würden, dass die Koeffizienten a und b1 in der Population von Null verschieden sind. Die unabhängige Variable „Alter“ mit dem Koeffizienten b2 hingegen hat einen exakten p-Wert bzw. eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,343 – die Behauptung, dass das „Alter“ einen signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable „Gesamtbewertung: Studium“ hat, wäre mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 34,3 % verbunden – und auf dieser Basis würde man die Entscheidung treffen, dass diese unabhängige Variable in der Population keinen Einfluss hat. Zusammenfassend ist die Interpretation von Signifikanzen unter Verwendung des Konzepts der Irrtumswahrscheinlichkeit („die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in Stichproben gefundene Ergebnis bei Annahme keines Unterschiedes/Zusammenhanges in der Population“) eigentlich auch relativ einfach vom statistischen Laien zu bewerkstelligen – man sollte sich allerdings vorher Gedanken darüber machen, welche Irrtumswahrscheinlichkeit man in Kauf nehmen würde. Zuletzt soll noch auf die Frage nach der „praktischen Bedeutsamkeit“ eingegangen werden: Fast jeder betriebliche Marktforscher kennt das (statistisch leicht erklärbare) Phänomen, dass bei hohen Stichprobengrößen auch kleinste Unterschiede oder Zusammenhänge signifikant werden. So können beispielsweise Unterschiede von 2,20 und 2,23 auf einer Schulnotenskala (1=sehr gut, 6=mangelhaft) im Rahmen von großen Studien signifikant werden. Soll der Marktforscher aber auf dieser Zahlenbasis schon direkt auf einen Unterschied schließen und diesen kommunizieren? An dieser Stelle kommt das Konzept der „praktischen Bedeutsamkeit“ oder „Effektstärke“ zum Tragen, in dessen Rahmen auftretende Effekte auf eine gemeinsame Metrik „standardisiert“ und somit vergleichbar gemacht werden. So kann ein signifikanter Effekt, z. B. mit einer Varianzaufklärung von 1 %, als Maß der praktischen Bedeutsamkeit, mit 10 % oder 50 % verbunden sein. Der betriebliche Marktforscher muss dann – unabhängig von der Signifikanz – die Stärke der Effekte als praktisch bedeutsam oder eher irrelevant bewerten können. Zu weiteren Details sei auf das online abrufbare Paper von Lind (2012) verwiesen. Ergänzend muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Darstellung in diesem Kapitel sehr stark vereinfacht gewesen ist. Der statistische „Profi“ wird natürlich Hinweise auf die Effektstärke, die Teststärke und damit verbunden die Kontrolle des β-Fehlers, spezifische Alternativhypothesen und andere Konzepte vermissen.
298 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
Hierzu sei beispielsweise auf Bortz/Schuster (2010) oder die Darstellungen in Holling/Schmitz (2010) verwiesen.
A.10 Anwendung statistischer Verfahren Häufig wird der betriebliche Marktforscher mit den Ergebnissen von statistischen Verfahren konfrontiert, die ihm nur grob oder überhaupt nicht bekannt sind. Teilweise liegt das daran, dass diese Verfahren nicht Bestandteil der Ausbildung sind, teilweise aber auch daran, dass viele Institute gerne eine „black box“ in Bezug auf die Statistik als Alleinstellungsmerkmal generieren oder unnötig komplizierte Verfahren verwenden, um ihre „Kompetenz“ unter Beweis zu stellen. Unabhängig von den konkreten Verfahren haben die betrieblichen Marktforscher ein Recht auf einen transparenten und auf Wunsch auch nachvollziehbar zu gestaltenden Einsatz von statistischen Methoden. Denn was man selbst nicht verstanden hat, kann man auch nur schlecht oder nicht in Präsentationen oder Entscheidern gegenüber erklären. Es gibt in der Literatur zum Thema Marktforschung einige Überblicke über die Anwendung statistischer Verfahren (z. B. in Olbrich/Battenfeld/Buhr 2012, Kapitel 4.5; Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2009, Teil 3; Kuß/Eisend 2010, Kapitel 6–8; Weis/Steinmetz 2008, Kapitel H), aber letztendlich ist der betriebliche Marktforscher kein Statistiker, der in der Lage ist zu beurteilen, ob Verfahren angemessen eingesetzt und Ergebnisse entsprechend interpretiert worden sind. Einige prototypische Missverständnisse oder Probleme können z. B. sein: – Bei Faktorenanalysen gibt es (von wenigen Verfahren wie konfirmatorischen Analysen abgesehen) so gut wie keine Möglichkeit, die „richtige“ Anzahl von Faktoren zu bestimmen. Eine von einem auswertenden Institut z. B. „errechnete“ Lösung mit drei Faktoren ist statistisch nicht von Lösungen mit anderen Faktorenzahlen zu unterscheiden. Es gibt also kein Kriterium, nach dem entschieden werden kann, ob eine Faktorenlösung gut oder schlecht ist. – Clusteranalysen erlauben häufig mehr oder weniger beeindruckende Segmentbildung. Unbekannt ist aber häufig, dass Clusterlösungen ohne Berücksichtigung eines „Außenkriteriums“ wie z. B. Nutzungshäufigkeit gebildet werden und die Interpretation der entsprechenden Segmente lediglich ex post auf Basis von Plausibilitäten und Mittelwerteunterschieden vorgenommen wird. Hier wären kriteriumsorientierte Segmentierungsverfahren wie z. B. CHAID-Analysen eine bessere – aber nur wenig bekannte – Alternative. – Es werden nichtparametrische Verfahren verwendet und Signifikanzen auf Ebene von Mittelwerten berichtet. – „Plötzlich“ werden bei statistischen Analysen aus für den betrieblichen Marktforscher nur im Ansatz nachvollziehbaren Gründen (meistens werden „Voraussetzungsverletzungen“ oder „kleine Stichproben“ genannt) Verfahren wie
A.11 Qualitative und quantitative Verfahren | 299
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Bootstrap-Ansätze oder Jackknife-Schätzer verwendet. Abgesehen davon, dass auch für diese Verfahren (zum Teil strenge) Voraussetzungen existieren, sind häufig auch echte Fehlanwendungen zu beobachten, da die Verwendbarkeit dieser Verfahren ebenfalls im Einzelfall in aufwändigen Methodenstudien zu prüfen ist. Bei modellprüfenden Verfahren (z. B. Strukturgleichungsmodellen, loglinearen Modellen) ist nicht oder nur sehr eingeschränkt erkennbar, ob es sich um „passende“, „weniger passende“ oder „nicht passende“ Modelle handelt bzw. nach welchen Kriterien Entscheidungen für oder gegen bestimmte Modelle gebildet werden. Es werden Modelle mit neuronalen Netzen eingesetzt, wobei zum Teil „einfache“ Diskriminanzanalysen einfacher interpretierbare und ähnlich gute Ergebnisse hervorbringen würden. Es werden „ungenaue“ Bezeichnungen wie „predictive analytics“ verwendet, hinter denen zum größten Teil Verfahren stehen, die auf regressionsanalytischem Vorgehen basieren (vgl. zu dieser Verfahrensklasse Finlay 2014; Siegel 2013).
Selbst bei Verwendung entsprechender Lehr- und Einführungswerke (wie z. B. Bortz/Schuster 2010; Backhaus/Erichson/Plinke/Weiber 2011; Backhaus/Erichson/ Weiber 2011) dürfte es dem statistischen Laien eher schwerfallen, die Indikation der Verwendung der entsprechenden Verfahren zu prüfen bzw. die Richtigkeit der Ergebnispräsentation zu kontrollieren bzw. auch den aktuellen Stand der methodischstatistischen Entwicklungen einzuordnen. Wir möchten daher an dieser Stelle den dringenden Rat aussprechen, bei über das normale Alltagsgeschäft hinausgehenden statistischen Analysen und Ergebnisberichten die Hilfe eines methodischen Beraters im Sinne einer Supervision in Anspruch zu nehmen – denn letztendlich steht der betriebliche Marktforscher auch für diese Aspekte der Marktforschung in der Verantwortung.
A.11 Qualitative und quantitative Verfahren Noch vor zehn Jahren war die Welt in Bezug auf die Unterscheidung zwischen qualitativen und quantitativen Verfahren übersichtlich strukturiert: Auf der einen Seite standen die „klassischen“ qualitativen Verfahren wie Tiefeninterviews, Gruppendiskussionen oder Einzelfallstudien, auf der anderen Seite die üblichen quantitativen Verfahren wie große Fragebogenstudien, standardisierte persönliche Befragungen oder Analyse von Verhaltensdaten. Diese klare Dichotomie, die auch über verschiedene „Schulen“ (im qualitativen Bereich seien exemplarisch die Tiefenpsychologie, die morphologische Markt- und Medienforschung, die Ethnografie oder die Grounded Theory genannt) operationalisiert werden konnte, existiert in diesem Sinne im Jahr 2015 nicht mehr.
300 | A Methoden in der betrieblichen Marktforschung
Aus einer methodologischen Sichtweise ist dies dadurch bedingt, dass klassische qualitative und quantitative Ansätze durch die sogenannte „Mixed Modes“Sichtweise als immer integrierter und komplementär verstanden werden (vgl. hierzu auch Hussy/Echterhoff/Schreier 2013, Kapitel 5 bis Kapitel 10, oder Mayring 2010). Selbst in der ursprünglich rein qualitativ ausgeprägten ethnografischen Forschung wird inzwischen ausdrücklich von der Berücksichtigung qualitativer und quantitativer Daten ausgegangen. Parallel zur Entwicklung im methodologischen Bereich sind natürlich qualitative und quantitative Ansätze – vor allem durch die Verwendung von onlinegestützten Verfahren und Ansätzen – auch deutlich günstiger und deutlich „breiter“ geworden. Qualitative Studien (auch international) sind inzwischen über onlinegestützte Plattformen – auch onlinegestützte Gruppendiskussionen oder Produktpräsentationen – schnell und kostengünstig zu realisieren. Gleiches gilt für quantitative Studien selbst mit sehr schwierig erreichbaren Zielgruppen. Besonders positiv wirken sich diese Entwicklungen auch auf die Verwendung von „gemischten Plänen“ aus: Auf eine qualitative Marktforschung zu einem neuen Produkt folgt „schnell“ eine quantitative Validierung und eine qualitative Schlussphase sammelt entsprechende O-Töne zu den Quantifizierungen der quantitativen Phase ein. Ebenso lassen sich auch parallel mit unterschiedlichsten qualitativen und quantitativen Erhebungsmodi Daten erheben, zu einem Gesamtbild integrieren und dann ebenfalls – bei Bedarf – weiter validieren. Durch die Onlineforschung entstehen hier Möglichkeiten zu einem „Methodencrossover“, die noch vor fünf oder zehn Jahren in diesem Umfang nicht denkbar gewesen wären und die es in der Marktforschung erlauben, neue und unkonventionelle Wege komplementär zu den klassischen Methoden des Erkenntnisgewinns zu beschreiten.
B Die Situation der Marktforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz In Deutschland gibt es, soweit die Zahlen auch nach acht Jahren noch Gültigkeit besitzen, rund 56.000 Markt- und Sozialforscher, von denen sich 21.000 hauptamtlich mit Markt- und Sozialforschung beschäftigen (BVM 2007).
37% 63%
Hauptamtliche Marktforscher * Nebenberufliche Marktforscher **
* Dazu zählen Institutsmarkt -und Sozialforscher „Hauptsächlich mit Marktforschung beschäftigt“, freiberufliche Markt- und Sozialforscher sowie Marktforscher in Unternehmen, die sich hauptsächlich mit Marktforschung beschäftigen. ** Marktforscher in Unternehmen, die in den letzten 12 Monaten empirische Marktforschungsstudien inhaltlich konzipiert, durchgeführt und ausgewertet haben, sich aber nicht hauptsächlich mit diesen Aufgaben beschäftigen sowie Institutsmarkt- und Sozialforscher „Auch in der Marktforschung tätig“. Abb. B.1: Verteilung der deutschen Marktforscher auf haupt- und nebenamtlich Tätige (Ottawa 2013b, Kapitel 2, S. 3 nach BVM 2007)
Scheint das Bild des Marktforschers zumindest in Deutschland nicht zuletzt auch durch die Aktivitäten des BVM bzw. die Beiträge und Publikationen auf marktforschung.de stark durch die Institutsmarktforschung geprägt zu werden, sprechen die in der folgenden Abbildung aufgeführten Zahlen für eine Dominanz der betrieblichen Marktforscher (BVM 2007).
302 | B Die Situation der Marktforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz
42.000 = 75%
In der Marktforschung tätige Personen in Unternehmen In der Markt- und Sozialforschung tätige Personen in Instituten/Freie Markt- und Sozialforscher
14.000 = 25%
Abb. B.2: Verteilung der deutschen Marktforscher auf Betriebe und Institute (Ottawa 2013b, Kapitel 2, S. 7 nach Schulze-Holz 2009)
In Österreich arbeiteten 2010 1.500 festangestellte Marktforscher in Instituten (VMÖ 2011). Für die Schweiz und Liechtenstein liegen vergleichbare Zahlen nicht vor.
B.1 Berufsverbände für Markt- und Sozialforscher Bevor einzelne Verbände vorgestellt werden, sei darauf hingewiesen, dass es im deutschsprachigen Raum keinen Verband gibt, der sich explizit den Belangen der betrieblichen Marktforschung widmet. Die USA sind mit der Marketing Research Association (MRA) weiter. Unter www.marketingresearch.org bietet die MRA ihren rund 3.000 Mitgliedern eine Vielzahl an Angeboten von lokalen Chapters über Jobbörse bis zur Institutssuche an. In Deutschland, Österreich und der Schweiz scheint es dafür bislang keinen hinreichenden Bedarf zu geben. Dafür spricht auch, dass sich nur 14 % der betrieblichen Marktforscher im deutschen Sprachraum in Fachverbänden engagieren (vgl. Verführt 2014, S. 84).
B.2 Deutschland Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e. V. (BVM) Der 1965 gegründete und derzeit rund 1.500 Mitglieder umfassende BVM hat die folgenden Kernaufgaben: – Erhöhung des Ansehens der Marktforscher und der Marktforschung – Erhöhung der Qualität von Forschern und der Forschung – Führen der Berufsrolle – Interessenvertretung deutscher Markt- und Sozialforscher
A.11 Qualitative und quantitative Verfahren | 303
Sein Angebot umfasst u. a. Fortbildungen, Kongresse, Fachtagungen, Regionalgruppen sowie Fachgruppen, nämlich – NEON, das sich mit digitaler Forschung wie Social Media Research, Onlineforschung, Big Data, Crowdsourcing, Co-Creation oder Mobile Research beschäftigt, – AKQua (Arbeitskreis Qualitative Markt- und Sozialforschung), der sich, wie schon der Name sagt, mit qualitativer Markt- und Sozialforschung beschäftigt, – forUM Forum Unternehmens-Marktforscher, das sich dem Erfahrungsaustausch und dem Netzwerken betrieblicher Marktforscher widmet. Der BVM bietet als Dienste u. a. Rechtsberatung, eine Online-Jobbörse, den Download von Richtlinien und Leitfäden sowie das jährlich erscheinende BVMHandbuch an. Daneben lobt er alljährlich den Preis der Deutschen Marktforschung für herausragende marktforscherische Arbeiten und Studien in Deutschland aus und versucht über die Initiative Markt- und Sozialforschung, das Ansehen und die Akzeptanz der Marktforschung, z. B. über den Tag der Marktforschung, zu fördern. Daneben unterhält er Datenbanken über Gerichtsurteile zur Markt- und Sozialforschung (http://www.bvm.org/urteilssuche) und Anbieter von Marktforschungsdienstleistungen (www.marktfoschungsanbieter.de). Die Geschäftsstelle des BVM befindet sich in der Friedrichstr. 187 in 10117 Berlin. Im Internet ist er unter www.bvm.org zu erreichen. (Quelle: www.bvm.org, Datenabzug 31.03.2015)
Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. (ADM) Der ebenfalls 1955 gegründete ADM ist als Berufsvereinigung der deutschen Marktforschungsinstitute für betriebliche Marktforscher nicht so bedeutsam wie der BVM. Zu seinen Kernaufgaben zählen: – Lobbyarbeit für Institute – Kampf gegen unlauteren Wettbewerb – Selbstkontrolle – Durchsetzung von Standesregeln und Qualitätsstandards – Führen der Sperrliste mit Menschen und Institutionen, die nicht von Marktforschern kontaktiert werden wollen Für betriebliche Marktforscher ist die beim adm angesiedelte Beschwerdestelle bei Verstößen gegen das Standesrecht, auf die in Kapitel 2.3.4 tiefer eingegangen wurde, von Bedeutung. Die Geschäftsstelle des ADM befindet sich im Langer Weg 18 in 60489 Frankfurt am Main. Im Internet ist er unter www.adm-ev.de zu erreichen. (Quelle: www.adm-ev.de, Datenabzug 31.03.2015)
304 | B Die Situation der Marktforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Plattform Unternehmens Marktforscher (PUMa) Eine reine Interessenvertretung betrieblicher Marktforscher stellt PUMa dar, die 2003 von einigen betrieblichen Marktforschern unter Beihilfe der Zeitschrift planung & analyse gegründet wurde. Die mittlerweile 600 Marktforscher aus dem deutschsprachigen Raum) umfassende Plattform hat folgende Kernaufgaben: – Förderung des Austauschs unter betrieblichen Marktforschern – Fortbildung betrieblicher Marktforscher – Plattform zu Anfragen betrieblicher Marktforscher Zu den Angeboten von PUMa gehören quartalsweise Plena zur Vorstellung neuer Methoden und zum Austausch unter betrieblichen Marktforschern sowie eine Stellenbörse. Nahezu täglich werden Anfragen zu Methoden, Instituten oder anderen Themen per Wiki oder Mailverteiler von PUMa-Mitgliedern an PUMa-Mitglieder gestellt und für gewöhnlich binnen weniger Tage beantwortet. Die Ergebnisse werden dann allen Mitgliedern zur Verfügung gestellt. PUMa ist über den Deutschen Fachverlag GmbH, Mainzer Landstraße 251 in 60326 Frankfurt am Main oder im Internet unter www.planung-analyse.de/betrieblmafos/puma/pages erreichbar. (Quelle: www.planung-analyse.de/betrieblmafos/puma/ pages, Datenabzug 31.03.2015)
Deutsche Gesellschaft zur Online-Forschung e. V. (DGOF) Die DGOF versteht sich als Interessenvertretung der deutschen Onlineforscher. Ihre Aufgabenschwerpunkte liegen auf den folgenden Gebieten: – Förderung der Onlineforschung – Nachwuchsförderung – Definition von Methoden- und Qualitätsstandards. Angebote der DGOF umfassen u. a. Workshops zur Onlineforschung, Fach- und Regionalgruppen sowie die Herstellung von Kontakten zwischen angewandter Onlineforschung und Lehre. Jährlich findet mit der GOR eine internationale Tagung zur Onlineforschung statt. Die Adresse der DGOF lautet Hans-Böckler-Str. 163 in 50354 Hürth bzw. www.dgof.de. (Quelle: www.dgof.de, Datenabzug 31.03.2105)
A.11 Qualitative und quantitative Verfahren | 305
B.3 Deutschsprachiges Ausland Verband der Marktforscher Österreichs (VMÖ) Analog zum deutschen BVM vertritt der VMÖ die österreichischen Marktforscher, wobei sein Schwerpunkt ebenfalls auf der Institutsmarktforschung liegt. Seine Kernaufgaben sieht der VMÖ vor allem in: – Förderung des Ansehens der Marktforschung in der Öffentlichkeit – Wahrung der Wissenschaftlichkeit der Marktforschung Seine Angebote umfassen u. a. die Bereitstellung von Standesregeln, Seminaren und Fortbildungen, der Definition von Ausbildungsstandards und eine Jobbörse. Der VMÖ ist unter Postfach 71 in A-1013 Wien und www.vmoe.at erreichbar. (Quelle: www.vmoe.at, Datenabzug 31.03.2105)
Verband der Schweizer Markt- und Sozialforschung (VSMS) Der VSMS bietet u. a. Seminare, das Jahrbuch der Markt- und Sozialforschung und eine Stellenbörse an. Er stellt daneben Standesregeln für die Markt- und Sozialforschung bereit. Zu erreichen ist er unter Gruebengasse 10 in CH-6055 Alpnach bzw. www.vsms-asms.ch. (Quelle: www.vsms-asms.ch, Datenabzug 31.03.2015)
B.4 Internationale Verbände European Society for Opinion and Market Research (ESOMAR) Die 1977 gegründete ESOMAR sieht ihre Kernaufgaben in der: – Lobbyarbeit – Festlegung grundlegender Forschungs- und Verhaltensstandards – Weiterentwicklung der Markt- und Sozialforschung Zu ihren Angeboten gehören u. a. internationale Workshops und Seminare, Weiterbildung, eine internationale Jobbörse sowie der Download von Forschungsergebnissen. Beschränkte ESOMAR ihre Aktivitäten anfangs auf Europa, umfasst sie inzwischen Mitglieder aus mehr als 130 Ländern und kann somit als der Weltverband für
306 | B Die Situation der Marktforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Markt- und Meinungsforschung angesehen werden. Der ESOMAR-Codex ist die international gültige Richtschnur für Standards der Markt- und Sozialforschung. ESOMAR ist unter Atlas Arena, Aziëbuilding – 5th floor, Hoogoorddreef 5 in NL1101 BA Amsterdam oder www.esomar.org zu erreichen. (Quelle: www.esomar.org, Datenabzug 31.03.2015)
Mystery Shopping Providers Association (MSPA) Bezugsbereich des mit mehr als 300 Mitgliedern in seinen Regionen Europa, Asien/Pazifik, Nordamerika und Südamerika weltweit agierenden 1998 gegründeten Verbandes ist das Mystery Shopping. Seine Kernaufgaben sieht er in der: – Festlegung grundlegender Standards – Festlegung ethischer Grundlagen – Lobbyarbeit Seine Angebote bestehen u. a. aus internationalen Workshops und Seminaren, Weiterbildung und der Download-Möglichkeit von Publikationen. MSPA ist unter www.mysteryshop.org zu erreichen. (Quelle: www.mysteryshop.org, Datenabzug 31.03.2015)
The European Research Federation (EFAMRO) EFAMRO ist ein europäisches Netzwerk für Marktforschung. Seine Ziele definiert EFAMRO wie folgt: „efamro’s mission is to: – Influence legislation and public opinion in favour of research – Promote best practice – Enforce compliance with the principles of international standards – Advise the European research industry – Publish information about the European research industry“ EFAMRO ist neben Asia Pacific Research Committee (ARPC) und Americas Research Industry Alliance (ARIA) Teil des Global Research Business Network (GRBN). Gegenüber der EU tritt EFAMRO als Interessenvertretung der europäischen Marktforschungsindustrie auf, wobei der aktuelle Aufgabenschwerpunkt auf der Modernisierung des europäischen Datenschutzrechtes liegt. Derzeit hat EFAMRO 15 Mitgliedsverbände aus ebenso vielen Ländern. Von den deutschsprachigen Organisationen der Marktforschung sind der ADM und der VSMS-ASMS Mitglieder von EFAMRO. Der Verband ist unter www.efamro.eu oder Bastion Tower, level 20, Place du Champ de Mars 5, B-1050 Brüssel erreichbar. (Quelle: www.efamro.eu, Datenabzug 31.03.2015)
A.11 Qualitative und quantitative Verfahren | 307
B.5 Zeitschriften, Marktforschungsportale, und sonstige Netzwerke von Marktforschern planung & analyse planung & analyse unterhält sowohl ein Onlineportal (www.planung-analyse.de), als auch eine in acht Ausgaben pro Jahr erscheinende Zeitschrift. planung & analyse ist eine Fachzeitschrift für Marktforschung und Marketing, welche sich je Ausgabe bestimmten Themenschwerpunkten widmet, aber auch allgemeine Fachartikel enthält. Das Portal bietet u. a. einen guten Überblick über die deutsche Institutslandschaft, einen Omnibusfahrplan, einen Terminkalender für Seminare und Kongresse rund um die Marktforschung sowie ein Print-Archiv mit Artikeln aus der Zeitschrift. Daneben publiziert planung & analyse einen wöchentlichen Online-Newsletter, welcher Personalnachrichten, Neuigkeiten aus Instituten sowie ausgewählte Studienergebnisse vorstellt. Jährlich publiziert planung & analyse ein Handbuch, welches einen Überblick über zahlreiche deutsche Marktforschungsinstitute und deren Leistungsspektrum bietet. Daneben enthält das Handbuch auch einen Überblick über die einschlägigen Standesorganisationen der deutschen Marktforschung. Außerdem publiziert planung & analyse auch einen Katalog der Feldinstitute. (Quelle: www.planung-analyse.de, Datenabzug 31.03.2015)
Research & Results Ähnlich wie planung & analyse publiziert auch Research & Results in verschiedenen Medien. Davon ist zunächst das Portal (www.researchresults.de) zu nennen, welches u. a. Fachartikel, einen Veranstaltungskalender und Anbieter von Marktforschungsleistungen wie Bussen oder Studios vorstellt. Die Zeitschrift Research & Results versteht sich als Fachzeitschrift für Media-, Marktund Werbeforschung. Sie bietet neben fachbezogenen Artikeln u. a. einen Stellenmarkt, Terminkalender sowie Fortbildungsangebote. Auch Research & Results bietet einen wöchentlichen Online-Newsletter an, der v. a. Personalnachrichten, Neuigkeiten aus Instituten, unter htp://www.contextonline.de einen Stellenmarkt sowie aktuelle Studienergebnisse vorstellt. Research & Results ist auch der Ausrichter der gleichnamigen alljährlich im Herbst in München stattfindenden Fachmesse für Marktforschung. (Quelle: www.research-results.de, Datenabzug 31.03.2015)
308 | B Die Situation der Marktforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz
marktforschung.de Im Gegensatz zu den beiden Vorgenannten handelt es sich bei marktforschung.de (www.marktforschung.de) um ein reines Onlinemedium, das vor allem Fachartikel, eine Anbietersuche, einen Stellenmarkt, Studienausschreibungen, Studien sowie eine Rubrik zu Ausbildung und Studium für angehende Marktforscher anbietet. Marktforschung.de bietet einen werktäglich erscheinenden Newsletter an, der neben aktuellen Nachrichten aus der deutschen Marktforschungsszene auf Stellenausschreibungen und Webinare hinweist. (Quelle: www.marktforschung.de, Datenabzug 31.03.2015)
The Research Club Der Research Club ist eine weltweite Initiative, deren Ziel es ist, Marktforschern in einem geselligen Umfeld die Möglichkeit zu bieten, sich besser miteinander zu vernetzen. Sein Motto lautet: “The principles of the Research club are very simple – we want to get as many people as we can from the research industry connected in a relaxed and enjoyable environment” (www.researchclub.com, Datenabzug 31.12.2012.) Nach eigener Aussage hat er derzeit mehr als 8.500 Mitglieder. Die Website (www.theresearchclub.com) informiert u. a. über Veranstaltungen des Research Club sowie über internationale Stellenausschreibungen. (Quelle: www. theresearchclub.com, Datenabzug 31.03.2015)
Weiterführende Literatur Welker, Martin/Werner, Andreas/Scholz, Joachim (2005): Online-Research. Markt- und Sozialforschung mit dem Internet. Heidelberg: dpunkt.
Abkürzungsverzeichnis ADM ASI AV BDSG BetrVG BMFSFJ BVM BVDW CRM CSR DGOF EU GfK IPTV IT NEON NPS NSA PUMa TKG USP UV VMÖ
Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e. V. Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e. V. Abhängige Variable Bundesdatenschutzgesetz Betriebsverfassungsgesetz Bundesministerium für Familie, Frauen und Jugend Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e. V. Bundesverband Digitale Wirtschaft Customer Relationship Management Corporate Social Responsibility Deutsche Gesellschaft für Onlineforschung e. V. Europäische Union Gesellschaft für Konsumforschung Internet Protocol Television Informationstechnologie Fachgruppe New Market Research des BVM Net Promotor Score National Security Agency Plattform Unternehmens Marktforscher Telekommunikationsgesetz Unique Selling Proposition Unabhängige Variable Verband der Marktforscher Österreichs
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Präsentationen und Vorträge Baumann, Stefan (2011): 2020 – Im Zeitalter der Agilität. Die neuen Rollen des Marktforschers. Vortrag auf dem BVM-Kongress 2011 Berlin. GfK (2013): If you can make it here, can you make it anywhere? 48. Kongress der Deutschen Marktforschung. Global Intelligence Alliance (GIA) (2013b): Global Market Intelligence Survey 2013. GIA Conference Dusseldorf May 14, 2013. Kerler, Jörg (2013): Analyst Benchmarking. An Approach to Prioritization, Segmentation and Pricing Comparison. Telekom Deutschland GmbH. Löffler, Ute (2006): Konzeption von Erhebungsprogrammen bei quantitativen Untersuchungen. Ottawa, Marco (2014): Bessere Beratung ohne Berater! Sind wir fit für den Wandel in der Marktforschung? Vortrag auf dem YouGov Fachsymposium 2014 Köln. Schneider, Anna (2014): Come Insight – mit innovativer qualitativer Online-Forschung näher am Menschen. YouGov Fachsymposion 2014 Köln. Spangenberg, Stefan (2014): Gestern Marktforscher, heute …? Überlegungen zur Neuausrichtung der betrieblichen Marktforschung. Vortrag auf dem T&M Client Day. 24.09.2014. Wills, Steve/Williams, Pauline (2004): Insight as Strategic Asset – The Opportunity and the Stark Reality. MRS Conference 2004.
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