Bet-El - Erinnerungen an eine Stadt: Perspektiven der alttestamentlichen Bet-El-Überlieferung 3161487745, 9783161487743, 9783161577864

Die Überlieferungen über den Ort Bet-El finden sich an 71 Stellen des Alten Testaments. Damit ist Bet-El die zweitwichti

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German Pages 354 [357] Year 2006

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Bet-El: Sinn und Erinnerung
1. Bet-El als Geschichte: Die Aufgabe
2. Bet-El und die Geschichte: Das Ziel
3. Bet-El in der alttestamentlichen Forschung
3.1 Außertextliche und außerbiblische Zeugnisse über Bet-El
3.2 Historische Forschung an Bet-El: Konsens und offene Fragen
3.3 Methodische Anfragen an die historische Analyse der Bet-El-Texte
4. Bet-El zwischen Traum und Trauma: Aufbau und methodisches Vorgehen der Arbeit
1. Kapitel: „Und er nannte die Stätte Bet-El“ (Gen 28,19): Bet-El in der Perspektive von Archäologie und Landeskunde
1. „Unter der Debora-Palme, zwischen Rama und Bethel, im Gebirge Ephraim“ (Ri 4,5): Bētīn/Bet-El im Spiegel seiner Umwelt
1.1 Die Identifikation Bētīns mit dem biblischen Bet-El
1.2. Bētīn/Bet-El in seiner natürlichen Umgebung: Geographische Faktoren
1.2.1 Topographische Bedingungen: Lage, Wasserversorgung und Klima
1.2.2 Böden und natürliche Ressourcen
1.2.3 Landwirtschaftliche Nutzung: Ackerbau und Viehhaltung
1.2.4 Schlussfolgerungen
1.3 Bētīn/Bet-El in seiner kulturellen Umgebung: Siedlungsgeographische Faktoren
1.3.1 Handwerk und Handel
1.3.2 Siedlungsstrukturen in der Region
1.3.3 Verkehr, politische und kulturelle Orientierung
1.4 La longue durée: Zusammenfassung
2. „Bet-El im Westen und Ai im Osten“ (Gen 12,8): Bētīn/Bet-El im Spiegel der Archäologie
2.1 Die Grabungen in Bētīn/Bet-El
2.2 Bētīn/Bet-El in der Perspektive der Archäologie
2.2.1 Chalcolithikum und frühe Bronzezeit: Siedlungsschübe mit langen Unterbrechungen
2.2.2 Mittlere und späte Bronzezeit: Bētīns Glanzzeit?
2.2.3 Eisenzeit I: Zerstörung und Neubeginn
2.2.4 Eisenzeit II: Provinzstadt im Grenzgebiet
2.2.5 Bet-El unter Persern und Griechen
2.2.6 Ausblick: Römische und byzantinische Zeit
2.2.7 Zusammenfassung: Dreitausend Jahre Provinzstadt
3. Spuren einer Stadt: Bētīn in materialer Perspektive
2. Kapitel: „Denn Bet-El wird zunichte werden“ (Am 5,5): Bet-El in der Perspektive der Prophetie
1. „Kommt nach Bet-El und verübt Verbrechen!“ (Am 4,4): Bet-El im Amosbuch
1.1 JHWH suchen: Bet-El im Ersten Amosbuch (Am 4;5)
1.1.1 Am 4,4–5
1.1.2 Am 5,4–6
1.1.3 Zwischen Tod und Leben: Zusammenfassung
1.2 Historische Rückfrage
1.3 Der inszenierte Prophet: Bet-El in den Redaktionen des Amosbuches
1.3.1 Bet-El in der Amazjaerzählung (Am 7,10–17)
1.3.2 Fortschreibungen der prophetischen Worte (Am 3,14; 5,6)
1.3.3 Bet-El und die fünfte Amosvision (Am 9,1–4)
1.4 Zusammenfassung
2. „Ruft laut in Bet-Awen: Dir nach, Benjamin!“ (Hos 5,8)“: Bet-El im Hoseabuch
2.1 Krieg und Kalb: Bet-Awen/Bet-El im Ersten Hoseabuch
2.1.1 Hos 5,8–14
2.1.2 Hos 10,1–8
2.1.3 Bet-El und Bet-Awen in Hos 5; 10
2.2 Historische Rückfrage: Bet-El und die letzten Jahre des Königreiches Israel
2.3 Der rätselhafte Ort: Bet-El in redaktionellen Hoseatexten (Hos 4,15; 12,3–15*)
2.3.1 Bet-El in Hos 4,15
2.3.2 Bet-El in Hos 12
2.3.3 Zusammenfassung
3. Von Bet-El nach Bet-Awen: Bet-El in der Perspektive des Amos- und des Hoseabuches
3. Kapitel: „Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa“ (1 Sam 7,16): Bet-El in der Perspektive der Königebücher
1. „Und er stellte das eine in Bet-El auf“ (1Kön 12,29): Bet-El in der Grundschrift der Königebücher (1Kön 11–14*)
1.1 Herz und Haus: Die Grundschrift in 1Kön 11–14
1.1.1 Entstehungsgeschichtliches Profil des Textes
1.1.2 Das theologische Profil der Grundschrift
1.2 Historische Rückfrage
1.2.1 Erzählte Zeit: Die „Reichsteilung“ in historischer Perspektive
1.2.2 Erzählzeit: Bet-El im 6. Jh.
1.3 Schicksal und Schuld: Zusammenfassung
2. „Und den Altar riss er nieder“ (2Kön 23,15): Bet-El in deuteronomistischen Texten der Königebücher (Ex 32*; 1Kön 12,28.32; 2Kön 22–23*)
2.1 Das Volk, Aaron und das Stierbild: Ex 32*
2.2 Der König am Altar: 1Kön 12,28.32
2.3 Altar und Altäre: 2Kön 22–23
2.3.1 Entstehungsgeschichtliches Profil von 2Kön 23,4–23*
2.3.2 Analyse des Textes
2.4 Historische Rückfrage: Bet-El in persischer Zeit
2.5 Von Bet-El an den Sinai: Zusammenfassung
3. „Da kam einer der Priester und wohnte in Bet-El“ (2Kön 17,28) Bet-El in spät-deuteronomistischen Texten der Königebücher (2Kön 17)
3.1 Löwen, Priester und fremde Herrscher: 2Kön 17,24–33
3.2 Die Bamot-Häuser: Bearbeitungen in 1Kön 12 und 2Kön 23
3.3 König und Kult: Zusammenfassung
4. „Da kam ein Gottesmann aus Juda im Auftrag JHWHs nach Bet-El“ (1Kön 13,1): Bet-El in nach-deuteronomistischen Texten der Königebücher (1Kön 13,1–10; 2Kön 23,16–18)
4.1 König, Gottesmann und Prophet: Die Bet-Eler Prophetenlegende (1Kön 13)
4.2 Der König und die Knochen: 2Kön 23,16–20
4.3 König und Prophet: Zusammenfassung
5. Vom Stierbild zum Altar: Bet-El in der Perspektive der Königebücher
4. Kapitel: „Ich bin der Gott von Bet-El“ (Gen 31,13): Bet-El in der Perspektive der Genesis
1. „Dies ist nichts als das Haus Gottes“ (Gen 28,17): Bet-El in Gen 28
1.1 Entstehungsgeschichtliches Profil des Textes
1.2 Analyse des Textes
1.3 Das theologische Profil der Jakobserzählung
1.4 Israel und JHWH: Zusammenfassung
2. „Und da kam Jakob nach Luz, das im Land Kanaan liegt: Es ist Bet-El“ (Gen 35,6): Bet-El in Gen 35
2.1 Gotteserscheinung und Segen: 35,6–13* P
2.2 Bekenntnis und Altarbau: Gen 35,1–7
2.3 Das Gotteshaus und die Mazzebe: Gen 35,14–15
2.4 Verschleierung und Offenbarung: Zusammenfassung
3. Vom Altar zur Mazzebe: Bet-El in der Perspektive der Genesis
5. Kapitel: „Und alle Söhne Israels zogen hinauf und kamen nach Bet-El“ (Ri 20,26): Bet-El in der Perspektive späterer Texte
1. „Es wohnte aber ein alter Prophet in Bet-El“ (1Kön 13,11): Bet-El und 1Kön 13,11–32
2. „Und es zog hinauf das Haus Joseph, auch sie, nach Bet-El. Und JHWH war mit ihnen“ (Ri 1,22): Bet-El im Richterbuch
2.1 Heiliger Krieg und Ewige Buße: Ri 1,1–2,5
2.2 Bürgerkrieg in Benjamin: Ri 20
2.3 Der äußere und der innere Feind: Zusammenfassung
3. „Wir wollen hinaufsteigen nach Bet-El, wo ich ihm ein Gelübde gelobt habe“ (Jub 31,1): Bet-El in der außerkanonischen Literatur
3.1 Der Priester und die Offenbarung: Bet-El in der Levi-Literatur
3.2 Der Patriarch und sein Gelübde: Bet-El im Jubiläenbuch
4. Von der Lade zur Tora: Bet-El in der Perspektive der späten Texte
Zusammenfassung und Ausblick: Bet-El: Von der Erinnerung zum Sinn
1. Erinnerungen: Bet-El in historischer Perspektive
1.1 Die Spur der Steine: Bētīn/Bet-El in materialer Perspektive
1.2 Die Stimmen der Erinnerung: Die Geschichte Bet-Els in alttestamentlicher Zeit
2. Sinnbildungen: Bet-El in der Perspektive des Alten Testaments
2.1 Krise: Der prophetische Blick auf Bet-El
2.2 Schuld: Der historiographische Blick auf Bet-El
2.3 Verheißung: Der Blick der Jakobserzählung auf Bet-El
2.4 Integration: Der Blick der späten Texte auf Bet-El
3. Der Traum von Bet-El: Ausblick
Literaturverzeichnis
Stellenregister
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Bet-El - Erinnerungen an eine Stadt: Perspektiven der alttestamentlichen Bet-El-Überlieferung
 3161487745, 9783161487743, 9783161577864

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Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski (Tübingen) • Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)

49

Melanie Köhlmoos

Bet-El Erinnerungen an eine Stadt Perspektiven der alttestamentlichen Bet-El-Überlieferung

Mohr Siebeck

MELANIE KÖHLMOOS, geboren 1966; Studium der evangelischen Theologie in Hamburg; 1998 Promotion; 2000-2002 Mitarbeit im DFG-Schwerpunktprogramm „Theatralität" in Münster; 2002-2005 Leitung des DFG-Forschungsprojekts „Beth-El" in Göttingen; 2005 Habilitation in Göttingen.

ISBN 3-16-148774-5 ISBN-13 978-3-16-148774-3 ISSN 0940-4155 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

978-3-16-157786-4 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019 © 2006 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Josef Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester von der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Habilitationsschrift angenommen. Für den Druck habe ich sie leicht überarbeitet. Die Beschäftigung mit dem Ort Bet-El ergab sich eher zufallig im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Inszenierung des Propheten in der biblischen Literatur. Seit der ersten Begegnung mit Arnos in der Maske des Priesters hat mich die Frage nicht mehr losgelassen, wie und warum ein biblischer Prophet ein Heiligtum mit dem Untergang bedrohen kann. So selbstverständlich dem modernen Menschen die Religionskritik geworden ist, so skandalös erscheint sie im Zusammenhang des Denkens in biblischer Zeit. Die Frage, wie das Heiligtum von Bet-El innerhalb und außerhalb der biblischen Texte in Erscheinung tritt, wurde so zum Forschungsprojekt für eine Qualifikationsarbeit. Die alttestamentliche Überlieferung über Bet-El beginnt mit einem Traum des Erzvaters Jakob. Dass ihre Erforschung nicht immer traumhaft war, versteht sich von selbst. Viele haben dazu beigetragen, dass die Arbeit niemals zum Alptraum geworden ist. Ihnen allen gilt mein tiefer Dank. Besonderen Dank schulde ich denjenigen, deren Unterstützung über die kollegiale Mitarbeit in der alttestamentlichen Forschung hinausging, vor allem aber den beiden, denen die Frage nach der Geschichte einer Stadt im mittelpalästinischen Bergland im Wortsinne fern steht: Prof. Dr. Gerhard Pape von der Fachhochschule Osnabrück (Fakultät für Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur) und Dr. Wolfgang Hein vom Universitätsklinikum Köln. Ihre geduldige Beantwortung aller Fragen hat Bet-El für mich erst ein Gesicht gegeben. Ich danke außerdem der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die mit der Finanzierung des Forschungsprojekts „Beth-El" die Arbeit überhaupt erst möglich gemacht hat und durch die Gewährung eines Heisenberg-Stipendiums die zügige Drucklegung ermöglichte. Mein weiterer Dank gilt Prof. Dr. Hermann Spieckermann, Prof. Dr. Bernd Janowski und Prof. Dr. Mark S. Smith für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Forschungen zum Alten Testament". Die Arbeit ist meiner Mutter gewidmet, die ihre Fertigstellung nicht mehr erleben durfte. Umso dankbarer bin ich für die unermüdliche Unterstützung durch meinen Mann, Pastor Frank Muchlinsky, der auf jede nur erdenkliche Weise dafür gesorgt hat, dass mir das „Tor des Himmels" immer offen stand.

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

Einleitung: Bet-El: Sinn und Erinnerung

1

1. 2. 3. 3.1 3.2 3.3 4.

Bet-El als Geschichte: Die Aufgabe Bet-El und die Geschichte: Das Ziel Bet-El in der alttestamentlichen Forschung Außertextliche und außerbiblische Zeugnisse über Bet-El Historische Forschung an Bet-El: Konsens und offene Fragen Methodische Anfragen an die historische Analyse der Bet-El-Texte Bet-El zwischen Traum und Trauma: Aufbau und methodisches Vorgehen der Arbeit

1. Kapitel: „Und er nannte die Stätte Bet-El" (Gen 28,19): Bet-El in der Perspektive von Archäologie und Landeskunde 1. 1.1 1.2.

1.3

1.4

1 3 5 5 5 11 14

19

„Unter der Debora-Palme, zwischen Rama und Bethel, im Gebirge Ephraim" (Ri 4,5): BëtînlBet-El im Spiegel seiner Umwelt 20 Die Identifikation Bëtïns mit dem biblischen Bet-El 21 BëtînlBet-El in seiner natürlichen Umgebung: Geographische Faktoren 23 1.2.1 Topographische Bedingungen: Lage, Wasserversorgung und Klima 23 1.2.2 Böden und natürliche Ressourcen 26 1.2.3 Landwirtschaftliche Nutzung: Ackerbau und Viehhaltung 29 1.2.4 Schlussfolgerungen 32 Sê/in/Bet-El in seiner kulturellen Umgebung: Siedlungsgeographische Faktoren...33 1.3.1 Handwerk und Handel 33 1.3.2 Siedlungsstrukturen in der Region 37 1.3.3 Verkehr, politische und kulturelle Orientierung 40 La longue durée: Zusammenfassung 43

2.

„Bet-El im Westen und Ai im Osten" (Gen 12,8): 2?êi;/j/Bet-El im Spiegel der Archäologie 2.1 Die Grabungen in ße/iw/Bet-El 2.2 BêtïnlBet-El in der Perspektive der Archäologie 2.2.1 Chalcolithikum und frühe Bronzezeit: Siedlungsschübe mit langen Unterbrechungen 2.2.2 Mittlere und späte Bronzezeit: Bëtïns Glanzzeit? 2.2.3 Eisenzeit I: Zerstörung und Neubeginn 2.2.4 Eisenzeit II: Provinzstadt im Grenzgebiet 2.2.5 Bet-El unter Persern und Griechen 2.2.6 Ausblick: Römische und byzantinische Zeit 2.2.7 Zusammenfassung: Dreitausend Jahre Provinzstadt

45 45 49 49 50 56 65 77 80 80

VIII 3.

Inhaltsverzeichnis Spuren einer Stadt: Betin in materialer Perspektive

2. Kapitel: „Denn Bet-El wird zunichte werden" (Am 5,5): Bet-El in der Perspektive der Prophetie 1. 1.1

1.2 1.3

1.4

„Kommt nach Bet-El und verübt Verbrechen!" (Am 4,4): Bet-El im Amosbuch JHWH suchen: Bet-El im Ersten Amosbuch (Am 4;5) 1.1.1 Am 4,4-5 1.1.2 Am 5,4-6 1.1.3 Zwischen Tod und Leben: Zusammenfassung Historische Rückfrage Der inszenierte Prophet: Bet-El in den Redaktionen des Amosbuches 1.3.1 Bet-El in der Amazjaerzählung (Am 7,10-17) 1.3.2 Fortschreibungen der prophetischen Worte (Am 3,14; 5,6) 1.3.3 Bet-El und die fünfte Amosvision (Am 9,1-4) Zusammenfassung

„Ruft laut in Bet-Awen: Dir nach, Benjamin!" (Hos 5,8)": Bet-El im Hoseabuch 2.1 Krieg und Kalb: Bet-Awen/Bet-El im Ersten Hoseabuch 2.1.1 Hos 5,8-14 2.1.2 Hos 10,1-8 2.1.3 Bet-El und Bet-Awen in Hos 5; 10 2.2 Historische Rückfrage: Bet-El und die letzten Jahre des Königreiches Israel 2.3 Der rätselhafte Ort: Bet-El in redaktionellen Hoseatexten (Hos 4,15; 12,3-15*) 2.3.1 Bet-El in Hos 4,15 2.3.2 Bet-El in Hos 12 2.3.3 Zusammenfassung

82

84 85 85 86 90 94 97 102 103 110 115 120

2.

3.

Von Bet-El nach Bet-Awen: Bet-El in der Perspektive des Arnos- und des Hoseabuches

3. Kapitel: „Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa" (lSam 7,16): Bet-El in der Perspektive der Königebücher „Und er stellte das eine in Bet-El a u f ' (lKön 12,29): Bet-El in der Grundschrift der Königebücher (lKön 11-14*) 1.1 Herz und Haus: Die Grundschrift in lKön 11-14 1.1.1 Entstehungsgeschichtliches Profil des Textes 1.1.2 Das theologische Profil der Grundschrift 1.2 Historische Rückfrage 1.2.1 Erzählte Zeit: Die „Reichsteilung" in historischer Perspektive 1.2.2 Erzählzeit: Bet-El im 6. Jh 1.3 Schicksal und Schuld: Zusammenfassung

121 122 123 126 131 133 139 139 142 149

150

153

1.

154 155 156 163 168 169 172 179

Inhaltsverzeichnis 2.

2.1 2.2 2.3

2.4 2.5

„Und den Altar riss er nieder" (2Kön 23,15): Bet-El in deuteronomistischen Texten der Königebücher (Ex 32*; lKön 12,28.32; 2Kön 22-23*) Das Volk, Aaron und das Stierbild: Ex 32* Der König am Altar: lKön 12,28.32 Altar und Altäre: 2Kön 22-23 2.3.1 Entstehungsgeschichtliches Profil von 2Kön 23,4-23* 2.3.2 Analyse des Textes Historische Rückfrage: Bet-El in persischer Zeit Von Bet-El an den Sinai: Zusammenfassung

„Da kam einer der Priester und wohnte in Bet-El" (2Kön 17,28) Bet-El in spät-deuteronomistischen Texten der Königebücher (2Kön 17) 3.1 Löwen, Priester und fremde Herrscher: 2Kön 17,24-33 3.2 Die Bamot-Häuser: Bearbeitungen in lKön 12 und 2Kön 23 3.3 König und Kult: Zusammenfassung

IX

183 184 187 190 191 193 195 199

3.

202 202 208 210

4.

„Da kam ein Gottesmann aus Juda im Auftrag JHWHs nach Bet-El" (lKön 13,1): Bet-El in nach-deuteronomistischen Texten der Königebücher (lKön 13,1-10; 2Kön 23,16-18) 213 4.1 König, Gottesmann und Prophet: Die Bet-Eler Prophetenlegende (lKön 13) 214 4.2 Der König und die Knochen: 2Kön 23,16-20 220 4.3 König und Prophet: Zusammenfassung 225 5.

Vom Stierbild zum Altar: Bet-El in der Perspektive der Königebücher

226

4. Kapitel: „Ich bin der Gott von Bet-El" (Gen 31,13): Bet-El in der Perspektive der Genesis

230

1. 1.1 1.2 1.3 1.4

„Dies ist nichts als das Haus Gottes" (Gen 28,17): Bet-El in Gen 28 Entstehungsgeschichtliches Profil des Textes Analyse des Textes Das theologische Profil der Jakobserzählung Israel und JHWH: Zusammenfassung

231 232 235 241 247

2. 2.1 2.2 2.3 2.4

„Und da kam Jakob nach Luz, das im Land Kanaan liegt: Es ist Bet-El" (Gen 35,6): Bet-El in Gen 35 Gotteserscheinung und Segen: 35,6-13* P Bekenntnis und Altarbau: Gen 35,1-7 Das Gotteshaus und die Mazzebe: Gen 35,14-15 Verschleierung und Offenbarung: Zusammenfassung

250 251 255 265 267

3.

Vom Altar zur Mazzebe: Bet-El in der Perspektive der Genesis

270

5. Kapitel: „Und alle Söhne Israels zogen hinauf und kamen nach Bet-El" (Ri 20,26): Bet-El in der Perspektive späterer Texte 1.

„Es wohnte aber ein alter Prophet in Bet-El" (lKön 13,11): Bet-El und lKön 13,11-32

273 273

X

Inhaltsverzeichnis

2.

„Und es zog hinauf das Haus Joseph, auch sie, nach Bet-El. Und JHWH war mit ihnen" (Ri 1,22): Bet-El im Richterbuch 2.1 Heiliger Krieg und Ewige Buße: Ri 1,1-2,5 2.2 Bürgerkrieg in Benjamin: Ri 20 2.3 Der äußere und der innere Feind: Zusammenfassung

277 278 283 287

3.

„Wir wollen hinaufsteigen nach Bet-El, wo ich ihm ein Gelübde gelobt habe" (Jub 31,1): Bet-El in der außerkanonischen Literatur 3.1 Der Priester und die Offenbarung: Bet-El in der Levi-Literatur 3.2 Der Patriarch und sein Gelübde: Bet-El im Jubiläenbuch

291 292 295

4.

301

Von der Lade zur Tora: Bet-El in der Perspektive der späten Texte

Zusammenfassung und Ausblick: Bet-El: Von der Erinnerung zum Sinn

304

1. Erinnerungen: Bet-El in historischer Perspektive 304 1.1 Die Spur der Steine: Betln/Bct-YA in materialer Perspektive 304 1.2 Die Stimmen der Erinnerung: Die Geschichte Bet-Els in alttestamentlicher Zeit..306 2. 2.1 2.2 2.3 2.4

Sinnbildungen: Bet-El in der Perspektive des Alten Testaments Krise: Der prophetische Blick auf Bet-El Schuld: Der historiographische Blick auf Bet-El Verheißung: Der Blick der Jakobserzählung auf Bet-El Integration: Der Blick der späten Texte auf Bet-El

309 309 311 314 315

3.

Der Traum von Bet-El: Ausblick

316

Literaturverzeichnis

318

Stellenregister

338

Einleitung

Bet-El: Sinn und Erinnerung

1. Bet-El als Geschichte: Die Aufgabe Bet-El ist die zweitwichtigste Stadt Israels im Alten Testament. Dies ist zumindest die Wahrnehmung, welche sich aus der statistischen Beobachtung ergibt: Mit 71 Belegen nimmt Bet-El in der Häufigkeit die zweite Stelle nach Jerusalem ein. Folgt man der Anordnung der biblischen Bücher bzw. der historischchronologischen Reihenfolge, die diese Anordnung suggeriert, ergeben die einzelnen Belege hintereinander gelesen eine im Wesentlichen kohärente Geschichte Bet-Els. Die Geschichte beginnt mit Abraham, der in oder bei Bet-El seine erste Verheißung im Land Kanaan erhält und in Bet-El einen Altar baut (Gen 12,8f.; 13,3f. 14-17). Abrahams Enkel Jakob erlebt an derselben Stätte eine Offenbarung JHWHs, der die Verheißung erneuert. Jakob errichtet eine Mazzebe und gelobt, nach Bet-El zurückzukehren, wenn Gott ihn behüten wird (Gen 28,10-22). Dieses Gelübde löst Jakob nach der Versöhnung mit Esau ein und baut in Bet-El einen Altar (Gen 35,1-15). Während der Landnahme verteilt Josua Bet-El unter die Stämme (Jos 16,1-4; 18,1128). Die Eroberung der Stadt wird zusätzlich berichtet (Ri 1,22-26). Die Prophetin Debora hat in der Richterzeit ihren Sitz bei Bet-El (Ri 4,5). In Bet-El entscheidet sich das Kriegsglück der Stämme bei ihrer Strafaktion gegen Benjamin. In dieser Zeit steht die Lade in Bet-El; Aarons Enkel Pinhas versieht dort seinen Dienst (Ri 20,1-48). Samuel besucht Bet-El bei seinen Runden durch Israel (lSam 7,16), und die Reise dreier Männer nach Bet-El gehört zu den Ereignissen im Zusammenhang mit Sauls geheimer Salbung (lSam 10,3). Nach der Teilung der Königreiche Juda und Israel errichtet Jerobeam I. von Israel in Bet-El ein goldenes Stierbild und legt damit den Grundstein für die Unheilsgeschichte des Nordreichs (lKön 12,25-33). Vor allem aber ruft diese Maßnahme Propheten auf den Plan. Schon Jerobeam selbst erlebt, dass ein Gottesmann die Zerstörung seines Altars in Wort und Zeichen ankündigt (lKön 13). Die Propheten Elia und Elisa haben ihren Stützpunkt in Bet-El (2Kön 2,2.3.23), äußern sich aber nicht über den Ort. Dies tun erst Arnos und Hosea, die Stadt und Stierbild unter das Verdikt des Unheils stellen - Hosea nennt den Ort nie anders als Bet-Awen (Am 4,4; 5,5; Hos 5,8; 10,5). Arnos erlebt die Konfrontation mit dem königlich bestallten Priester Amazja von Bet-El (Am 7,10-17). Mit dem Untergang des Nordreichs ist Bet-Els Geschichte noch nicht beendet. Der assyrische König genehmigt nach einer Löwenplage die Wiederaufnahme des kultischen Betriebs in Bet-El (2Kön 17,24-28). Erst Josia von Juda zerstört das Heiligtum von BetEl endgültig (2Kön 23,15). In exilischer Zeit hat es möglicherweise ein Nachspiel des

2

Einleitung

Kultes in Bet-El gegeben (Sach 7,2). Die letzte Nachricht über Bet-El im hebräischen Alten Testament berichtet von der Rückkehr der Exulanten nach Bet-El zu Beginn der persischen Zeit (Esr 2,28 = Neh 7,32).

In summa ergibt die biblisch gelesene Geschichte Bet-Els ein Bild von bemerkenswerter Kontinuität und Geschlossenheit, das im Alten Testament seinesgleichen sucht. Tatsächlich ist in dieser Hinsicht nur Jerusalem mit Bet-El zu vergleichen, wobei indes Bet-El lange vor Jerusalem die Bühne der Geschichte Israels betritt. Bet-Els Geschichte lässt sich denn auch als Geschichte der Konkurrenz der beiden Städte und ihrer Heiligtümer lesen, die Jerusalem am Ende - nicht zuletzt wegen allerlei Verfehlungen in BetEl - für sich entscheiden konnte. Auf jeden Fall ist Israels Geschichte als Geschichte des Volkes JHWHs in der alttestamentlich bezeugten Geschichte Bet-Els paradigmatisch abgebildet, von Abraham bis zur Rückkehr aus dem Exil. Dieses Bild Bet-Els, das die alttestamentlichen Texte zeichnen, rechtfertigt eine monographische Untersuchung, die nach der Entstehung, den literarischen und den theologischen Konturen dieses Bildes fragt. Ohne Zweifel ist die gesamte Geschichte Bet-Els das Ergebnis eines Überlieferungs-, Sammlungs- und Kompositionsprozesses, bei dem die Textwerdung kaum in der Reihenfolge der erzählten Ereignisse stattgefunden hat. Es ist also zu fragen, wie und unter welchen Bedingungen dieses Gesamtbild Gestalt gewann. Die Frage ist umso dringender, als die Geschichte Bet-Els bei aller Kontinuität doch Lücken und Widersprüche aufweist. Die Geschichte Bet-Els ist auf einzelne Episoden reduziert. Für lange Zeiten - zum Beispiel während der Entstehung des Königtums unter Saul und David und während der Geschichte des Nordreichs zwischen Jerobeam I. und der assyrischen Eroberung - lässt sich nichts über Bet-El erfahren. Sachlich finden sich einige Diskontinuitäten, die Fragen aufwerfen. Die Diskontinuitäten beginnen bereits in der Vätergeschichte. Der Ort Bet-El ist bekannt (Gen 12; 13), bevor er benannt wird. Diese Benennung findet gleich zweimal statt (Gen 28,19; 35,15). Jakob scheint von Abrahams Altar nichts zu wissen, und in der Jakobserzählung bleibt das Verhältnis von Altar und Mazzebe unklar. Die Erzählung von Jerobeam I. in Bet-El (lKön 12) nimmt mit keinem Wort auf die Vätergeschichte Bezug, sondern Jerobeam wiederholt die Ursünde des „Goldenen Kalbes" aus Ex 32. Die Stierbilder werden von Arnos nicht erwähnt. Bet-El fallt bei ihm ganz „grundlos" der Vernichtung anheim, die sich für Hosea keine zwanzig Jahre später aber aus eben jenem Stierbild ableitet. Uber dessen Schicksal verlautet nichts mehr. Josia zerstört einen Altar. Dieser Altar wird auf Jerobeam zurückgeführt. Man erfährt nichts über sein Verhältnis zu Abrahams und Jakobs Altären. Auch in territorialer Hinsicht ist manches unklar. Bet-El wird einmal Ephraim zugewiesen, einmal Benjamin (Jos 16; 18; Hos 5), einmal dem Nordreich (lKön 12; 2Kön 17), dann dem Südreich bzw. Juda (2Kön 23; Esr 2; Neh 7), ohne dass der biblische Text die Ereignisse berichtet, die zu diesen Zuweisungen führen.

Bet-El und die Geschichte: Das Ziel

3

Aus dem Fluss der historischen Ereignisse hat die alttestamentliche Bet-ElTradition jene ausgewählt, die in irgendeiner Weise signifikant waren und blieben, hat scheinbar Irrelevantes nicht überliefert und das Eine oder Andere wohl auch fiktiv konstruiert. Das Historische in seinem Verhältnis zur Fiktion zu bestimmen, Gründe für Lücken zu finden und diese gegebenenfalls zu füllen, gehört damit zur Aufgabe der vorliegenden Arbeit wesenhaft hinzu.

2. Bet-El und die Geschichte: Das Ziel Die alttestamentlichen Bet-El-Texte von Gen 12 bis Neh 7 überliefern vergangene Ereignisse in Bet-El oder im Zusammenhang damit und fügen diese Ereignisse in eine literarische, chronologische und theologische Abfolge. Bet-El ist somit ein Thema der alttestamentlichen Geschichtsschreibung. Die Untersuchung des literarischen und theologischen Werdegangs der gesamten Überlieferung zu Bet-El hat diesen historiographischen Aspekt zu berücksichtigen. In diesen historiographischen Schwerpunkt gehört die Prophetie insofern hinein, als sie das Wort Gottes über Bet-El an eine bestimmte historische Stunde bindet und ihm darin geschichtsprägende Mächtigkeit zuweist. Die eingangs gemachte Beobachtung, dass die Bet-El-Tradition eine (narrative) Geschichte schildert, ist dabei von Bedeutung. Die Texte von der Genesis bis ins Nehemiabuch reihen die Ereignisse nicht nur einfach in der - vermuteten oder tatsächlichen - chronologischen Reihenfolge aneinander, sondern ordnen sie so an, dass sie ein Gesamtbild ergeben: In Bet-El vollzieht sich ein paradigmatischer Ablauf der Geschichte Israels als Volk JHWHs zwischen der Verheißung Gottes und dem Abfall Israels von Gott, zwischen der Ankunft Abrahams und der Rückkehr der Exulanten. Die Bet-El-Tradition als Ganze hat damit den Charakter einer SinnfigurDoch nicht nur die Synthese aller Uberlieferungen über Bet-El zu einer Geschichte Bet-Els im Kontext des Alten Testaments ist ein Prozess der Sinnbildung. Jede einzelne Überlieferung über Bet-El im Umfeld ihres literarischen und theologischen Kontextes ist das Dokument eines einzelnen Sinnbildungsprozesses. Er bildet den Teil eines größeren Traditionsstroms, der schließlich mit vielen anderen in das hebräische Alte Testament ausmündete, und auch dieses ist nur der vorläufige Abschluss sich weiter vollziehender Sinnbildungsprozesse über die Geschichte Israels mit seinem Gott.

1 Zum Konzept der „Sinnfigur" oder „Sinnkonfiguration" vgl. zuletzt JÖRN RÜSEN, Zerbrechende Zeit. Über den Sinn der Geschichte, Köln/Weimar/Wien 2001, 7-42.

4

Einleitung

An der Basis einer Sinnfigur steht jeweils eine Erinnerung an ein vergangenes Ereignis. Es wird aber nur erinnert, weil und wenn es sich in der Identitätsbildung als relevant, wirkmächtig und leistungsfähig erweist. Erinnert wird auf Sinn hin. Das gilt für Individuen wie für Gemeinschaften. Bet-Els Geschichte wurde mit Sinn aufgeladen und so überliefert. Darin liegt die Bedeutung Bet-Els für das Alte Testament und gleichzeitig seine Problematik für die alttestamentliche Wissenschaft. Das Alte Testament erinnert nicht Samaria als zweitwichtigste Stadt seiner Geschichte, obwohl dies in historischer Perspektive sicher sachgemäß wäre, sondern eben BetE1 und eröffnet damit die Möglichkeit, die Geschichte einer Stadt und ihrer Bedeutung für Israel nachzuvollziehen. Andererseits gibt es hier vieles, was nicht erzählt wird, und vieles, was nie stattgefunden hat. Erzählt wird, was für die jeweilige Gegenwart und darüber hinaus Orientierung ermöglicht und Sinn stiftet. Der Horizont ist Bet-Els Sinn in der Geschichte des Gottesvolkes, und dieser Horizont konfiguriert die Erinnerungen und ihre Auswahl. Das Werden und die Bedingungen dieser Sinnfigur namens Bet-El nachzuzeichnen ist das Ziel dieser Arbeit. Insofern Bet-Els Sinn und der Sinn der Geschichte Israels theologische Konfigurationen der Texte sind, ist es vor allem ein exegetisches Ziel. Die alttestamentlich bezeugte Geschichte Bet-Els auf ihr Ereignispotential zu befragen, wäre die Aufgabe einer Historikerin. Für die Exegetin ist dieses Ereignispotential eine Art Szenerie, vor der sich die Geschichte Bet-Els abspielt und die sie nach dem Willen ihrer Verfasser an jeder Stelle transzendiert. Das hat Konsequenzen für den Untersuchungsgegenstand wie für die Methode. An der empirischen Stadt Bet-El und ihrer Geschichte, soweit sich beides überhaupt ermitteln lässt, ist diese Arbeit nur in zweiter Linie interessiert. Tatsächlich lässt sich vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Quellenlage fragen, wie weit ein solches Projekt überhaupt erfolgreich sein kann. Gefragt wird hier vielmehr nach der literarischen und theologischen Verfasstheit der Texte über Bet-El und zwar jeweils als einzelne Einheiten wie auch im Zusammenhang ihres literarischen, theologischen und entstehungsgeschichtlichen Kontextes. Zu ermitteln ist für jeden einzelnen Text und seinen Kontext das jeweils individuelle „Bet-El-Potential" als Bestandteil seines ebenfalls individuellen, aber großräumigeren theologischen und literarischen Sinnpotentials. Trotz der eben gemachten Einschränkungen sind gleichzeitig die Konturen der Geschichte Bet-Els zu ermitteln. Es soll derart gezeigt werden, wie und unter welchen Voraussetzungen Erinnerungen an Bet-El zu kleineren und größeren Sinnfiguren werden konnten. Außerdem ist darzustellen, wie sich die Komposition der gesamten alttestamentlich bezeugten Geschichte Bet-Els gestaltet hat.

Bet-El in der alttestamentlichen

Forschung

5

3. Bet-El in der alttestamentlichen Forschung 3.1

Außertextliche

und außerbiblische

Zeugnisse über Bet-El

Da Bet-El überwiegend ein Thema der alttestamentlichen Geschichtsschreibung bildet, war und ist der wissenschaftliche Zugang zu Bet-El in erster Linie historisch orientiert. Für die historische Untersuchung des Ortes Bet-El stehen an textlichem Quellenmaterial nur die biblischen und nachbiblischen Belege zur Verfügung, d.h. die Texte des Alten Testaments, Apokryphen, Pseudepigraphen, Flavius Josephus und frühchristliche Pilgerberichte. Unter dieser Perspektive der alttestamentlichen Wissenschaft auf Bet-El kann es als besonderer Glücksfall gelten, dass sich das textliche Zeugnis mit einer materialen Hinterlassenschaft korrelieren lässt. Die Ortslage Betin im Westjordanland wird mit guten Gründen mit dem biblischen Bet-El identifiziert. Die Grabungen in Betln!Bet-El (1934-1960) unter der Leitung von William Foxwell Albright und James Leon Kelso konnten zwar die Identifikation nicht zweifelsfrei bestätigen, und auch das Heiligtum, das in den Texten eine so große Rolle spielt, ließ sich nicht finden. Trotzdem lieferte die Grabung ausreichend Material, um archäologische Ergebnisse der Textbefragung zur Seite treten zu lassen. Albright und Kelso sahen die textlichen Aussagen über Bet-El noch überwiegend im Sinne einer Einszu-Eins-Relation bestätigt. Ihre Schlussfolgerungen müssen heute in vielfacher Hinsicht modifiziert werden. Trotzdem und trotz massiver Kritik an der Grabung und ihren Ergebnissen gilt das Grabungsergebnis jedoch im Allgemeinen als verlässlich genug für eine vorsichtige Korrelation mit dem biblischen Text. Außerhalb des Alten Testaments ist textlich eine Gottheit namens BetEl belegt 2 . Seit der Mitte des 7. Jhs. ist der Gott Bet-El überwiegend in aramäischen Texten bezeugt, besonders wichtig sind hierbei die Texte aus dem ägyptischen Elephantine. Bei einer Reihe alttestamentlicher Texte ist der Bezug auf den Gott Bet-El möglich, aber unsicher (Gen 31,13; 35,7; Am 3,14; 5,4; Hos 10,15; Sach 7,2; Jer 48,13). Vor allem ist unklar, ob sich zwischen dem Gott Bet-El und dem palästinischen Ort eine Beziehung herstellen lässt. 3.2

Historische Forschung an Bet-El: Konsens und offene Fragen

Vor dem Hintergrund der Bedeutung, die die alttestamentliche Überlieferung dem Ort Bet-El und seinem Heiligtum zuschreibt, ist es nicht verwunderlich, dass Bet-El ein vielfach verhandeltes Thema alttestamentli2 Überblick bei KLAUS KOENEN, Bethel. Geschichte, Kult und Theologie, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 2003 (OBO 192), 81-86.

6

Einleitung

eher Wissenschaft ist. Zwar ist Bet-El bislang nur dreimal monographisch untersucht worden 3 , findet aber Berücksichtigung in vielen Untersuchungen zur Religionsgeschichte Israels, besonders des Bilderverbots und seiner Geschichte 4 , zur Genesis 5 , zum Deuteronomistischen Geschichtswerk 6 sowie in Lexika und Enzyklopädien und in den Darstellungen der Geschichte Israels. Dabei besteht in vieler Hinsicht ein weitgehender Konsens über die Geschichte Bet-Els. Ihre Eckpunkte - und damit auch die wichtigsten historisch analysierten Texte - bilden Gen 28; lKön 12; 2Kön 23 sowie Ex 32. Aus ihnen lässt sich als Geschichte Bet-Els entnehmen, dass das Heiligtum von Bet-El irgendwann vor dem 10. Jh. v. Chr. gegründet wurde und dass Gen 28 seine Ätiologie bewahrt. Jerobeam I. hat dieses Heiligtum durch die Aufstellung eines Jungstierbildes zum königlichen Heiligtum erhoben, um das Nordreich politisch und theologisch zu legitimieren und zu vereinen. Nach der assyrischen Eroberung des Nordreichs ging Bet-El an judäisches Territorium über; möglicherweise hat sich Josias Religionspolitik auch auf Bet-El erstreckt. Nach dem Exil verlor Bet-El seine Bedeutung für Israel. Es lässt sich leicht erkennen, dass diese historische Analyse Bet-Els sich an dem Rahmen orientiert, den die alttestamentlichen Texte von Gen 28 bis Neh 7 spannen. Innerhalb des eben beschriebenen ungefähren Forschungskonsens gibt es jedoch eine ganze Reihe von Differenzen und offenen Fragen. Bei genauem Hinsehen gibt es tatsächlich nur einen einzigen Konsens hinsichtlich der Geschichte Bet-Els, nämlich die sogenannte „Reichsteilung" (lKön 12). Darüber, dass Bet-El bei der Gründung des Nordreichs 3

FRANCISCO OSCAR GARCIA-TRETO, Bethel. The History and Traditions of an Israelite Sanctuary, Diss. Princeton 1967; HENRIK PFEIFFER, Das Heiligtum von Bethel im Spiegel des Hoseabuches, Göttingen 1999 (FRLANT 183); K. KOENEN, Bethel. 4 Vgl. CHRISTOPH DOHMEN, Das Bilderverbot. Seine Entstehung und seine Entwicklung im Alten Testament, Frankfurt (Main) 2 1987 (BBB 62); JOACHIM HAHN, Das „Goldene Kalb". Die Jahwe-Verehrung bei Stierbildern in der Geschichte Israels, Frankfurt/M. u.a. 2 1987 (EHS.T 154); CHRISTOPH UEHLINGER, Exodus, Stierbild und biblisches Kultverbot. Religionsgeschichtliche Voraussetzungen eines biblisch-theologischen Spezifikums, in: Freiheit und Recht. Festschrift für Frank Crüsemann zum 65. Geb u r t s t a g . H G . v o n CHRISTOF HARDMEIER, RAINER KESSLER u n d ANDREAS RUWE, G ü t e r s loh 2003, 42-77. 5

Vgl. besonders ERHARD BLUM, Die Komposition der Vätergeschichte, NeukirchenVluyn 1984 (WMANT 57); JOHANNES TASCHNER, Verheißung und Erfüllung in der Jakoberzählung (Gen 25,19-33,17). Eine Analyse ihres Spannungsbogens, Freiburg u.a. 2000 ( H B S 27). 6

Vgl. besonders JÖRG DEBUS, Die Sünde Jerobeams. Studien zur Darstellung Jerobeams und der Geschichte des Nordreichs in der deuteronomistischen Geschichtsschreibung, Göttingen 1967 (FRLANT 93); TLMO VE1JOLA, Verheißung in der Krise. Studien zu Literatur und Theologie der Exilszeit am Beispiel des 89. Psalms, Helsinki 1982 ( A A S F . B 220), bes. 179-210.

Bet-El in der alttestamentlichen

7

Forschung

zu dessen zentralem und königlich autorisiertem Heiligtum wurde, besteht weitreichende Einigkeit 7 . Dieses Heiligtum hatte der Ausstattung wie der Funktion nach Bestand bis zum Untergang des Nordreichs im Jahr 720 v. Chr. (vgl. Am 7,10-17; Hos 10,5). Es besteht darüber hinaus ein weitgehender Konsens darüber, dass sich das „Staatsheiligtum" von Bet-El in Kontinuität zu einem früheren Heiligtum befindet, dessen Ätiologie Gen 28,10-22; 35,1-7 bewahren. Das zentrale Heiligtum der Stämme aus Ri 1920 wird hingegen in der Regel nicht zur Vorgeschichte des Nordreichsheiligtums in Bet-El gerechnet 8 . Wie bereits erwähnt, stehen die Überlieferungen über das Heiligtum von Bet-El in der Genesis und in lKön 12 in einem Spannungsverhältnis zueinander. Mehrheitlich wird daher angenommen, dass erst Jerobeam I. in Bet-El ein Stierbild aufstellte 9 , d.h. also dass die Theologie des „Staatsheiligtums" neben das ältere Jakob-Heiligtum trat oder es ersetzte 10 . Ob Jerobeams Stierbild von Anfang an eine Verknüpfung mit dem (Gott des) Exodus eignete, ist umstritten". Auch darüber, wie die weiteren Maßnahmen Jerobeams - Kalenderreform, Etablierung eines Jahresfestes, Bestallung nicht-levitischer Priester - historisch zu bewerten sind, ist keine Einigkeit zu erzielen. D.h. in historischer Perspektive wählte Jerobeam I. mit Bet-El ein bereits bestehendes Heiligtum als Standort seines königlichen Heilig7

Vgl. K. KOENEN, Bethel, 39-48; H. PFEIFFER, Heiligtum, 26-34; C. UEHLINGER, Exodus, 57; E. BLUM, Komposition, 178-184; DERS., Noch einmal: Jakobs Traum in Bethel - Genesis 28,10-22, in: Rethinking the Foundations. Historiography in the Ancient World and in the Bible. Essays in Honour of John van Seters. ED. by. STEPHEN L. MCKENZIE and THOMAS RÖMER, Berlin/New York 2000 (BZAW 294), 33-54, hier 50; RAINER ALBERTZ, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, Göttingen 2 1996 (GAT 8), 220f.; ZIONY ZEVIT, The Religions of Ancient Israel. A Synthesis of Parallactic Approaches, London/New York 2001, 448-454. F.O. GARCIA-TRETO, Bethel, 274-302 bezweifelt nicht die Historizität des Ereignisses, verortet das Reichsheiligtum jedoch in von ihm postulierten Bet-El bei Sichern. 8

V g l . K . KOENEN, B e t h e l , 1 3 5 .

9

Vgl. R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 220f.; H. PFEIFFER, Heiligtum, 26-42; C. UEHLINGER, Exodus, 57; Z. ZEVIT, Religions, 448-454; Anders K. KOENEN, Bethel, 141-149, der davon ausgeht, dass es in Bet-El bereits vor Jerobeam I. die Tradition des stiergestaltigen Exodusgottes gab, dessen Ätiologie sich in Ex 32,1-6 findet. 10

Vgl.

H.

PFEIFFER, H e i l i g t u m ,

3 7 f . ; Z . ZEVIT, R e l i g i o n s ,

259-262;

TRYGGVE

METTINGER, Israelite Aniconism: Development and Origins, in: KAREL VAN DER TOORN (HG.), The Image and the Book, Iconic Cults, Aniconism, and the Rise of Book Religion in Israel and the Ancient Near East, Kampen 1997 (Contributions to Biblical Exegesis and Theology 21), 173-204, hier 192-203. 11 Dafür votieren K. KOENEN, Bethel, 141-149, jedoch ohne Bezug auf Jerobeam; R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 220f.; E. BLUM, Komposition, 202f. Für H. PFEIFFER, Heiligtum, 36-42 werden in Stierbild und Exodus königliche und „Volks"theologie miteinander verknüpft. Zu einem möglichen Zuwachs der Exodus-Tradition zum Stierbild vgl. C. UEHLINGER, Exodus, 57.

8

Einleitung

tums aus und führte dort die Verehrung des stiergestaltigen Exodusgottes ein. Diese Maßnahme war in gezielter Antithese zu Jerusalem konzipiert und hat auf längere Sicht die ältere Tradition von Jakob in Bet-El verdrängt 12 . Für die Zeit nach 720 ist der Konsens wesentlich geringer. Ob 2Kön 17,24-33 ein Quellenwert zukommt, wird kontrovers diskutiert 13 . Noch umstrittener ist, ob - und wenn ja, wie - 2Kön 23,15-20 als Quelle der Geschichte Bet-Els gelten darf. Hier tritt zur Analyse der Vorgänge um das Bet-Eler Heiligtum zunächst die Frage, auf welcher territorialen Grundlage Josia in Bet-El agieren konnte, denn Bet-El müsste eigentlich zur assyrischen Provinz Samerina gehören. Die Ansichten sind hier geteilt. Nach der einen weisen 2Kön 23,15-20 und Josias Tod bei Megiddo auf eine gezielte Expansionspolitik unter Josia 14 , nach der anderen konnte Juda sich zwischen Hiskias und Josias Regierungszeit eines Teils des alten Nordreichsterritoriums bemächtigen, ohne dass dieser Vorgang konkrete Spuren in den Texten hinterlassen hätte 15 . Völlig unklar ist hingegen in der Forschung, wieviel vom Bericht über Josia in Bet-El überhaupt als quellenhafte Information zu gelten hat: Das Spektrum der Meinungen reicht hier von einer Maximallösung 16 , über eine reduzierte Sicht, die Josia immerhin die

12

V g l . R . ALBERTZ, R e l i g i o n s g e s c h i c h t e , 2 2 0 f . ; K . KOENEN, B e t h e l , 4 4 - 4 8 ; Z . ZEV1T,

R e l i g i o n s , 4 4 8 - 4 5 4 . A n d e r s H . PFEIFFER, H e i l i g t u m , 2 6 - 3 1 . 13

Der Text galt lange als antisamaritanische Polemik aus spätnachexilischer Zeit, vgl. ERNST WURTHWEIN, Die Bücher der Könige. 1. Kön 17-2. Kön 25, Göttingen 1984 (ATD 11/2) 400-403; SHEMARYAHU TALMON, Biblische Überlieferungen zur Frühgeschichte der Samaritaner, in: DERS., Gesellschaft und Literatur in der Hebräischen Bibel. Gesammelte Aufsätze Bd. I, Neukirchen-Vluyn 1988 (Information Judentum 8), 132-151; MORDECHAI COGAN, "For we, like you, worship your God". Three Biblical Portrayals of Samaritan Origins: VT 38 (1988), 286-292; zuletzt K. KOENEN, Bethel, 50.59. Für eine spätnachexilische Entstehung, allerdings ohne Samaritaner-Bezug votiert R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 578f. RICHARD C. STEINER, The Aramaic Text in Demotic Script: The Liturgy of a New Year's Festival imported from Bethel to Syene by Exiles from Rash: JAOS 111, 362-363 und DERS., COS I, 308f. liest den Text als Quelle der Herkunft der Träger von Papyrus Amherst 63. Als relativ zuverlässig bewerten BOB BECKING, From Apostasy to Destruction. A Josianic View on the Fall of Samaria (2Kings 17,2123), in: MARC VERVENNE/JOHAN LUST, Deuteronomy and Deuteronomic Literature. Festschrift C.H.W. Brekelmans, Leuven 1997 (BEThL 138), 279-297 und ANTTI LAATO, Josiah and David Redivivus. The Historical Josiah and the Messianic Expectations of Exilic and Postexilic Times, Stockholm 1992 (CB.OT 33), 54-56 den Text. 14

R . ALBERTZ, R e l i g i o n s g e s c h i c h t e , 3 1 6 f . ; A . LAATO, J o s i a h , 7 9 f . ; HANS WALTER

WOLFF, Das Ende des Heiligtums von Bet-El, in: Archäologie und Altes Testament. Fests c h r i f t f ü r K u r t G a l l i n g z u m 8. J a n u a r 1 9 7 0 HG. v o n A . KUSCHKE u n d ERNST KUTSCH,

Tübingen 1970, 287-298 vorsichtig a u c h K . KOENEN, Bethel, 55-58. 15 Vgl. dazu C. UEHLINGER, Exodus, 57f. 16 A. LAATO, Josiah, 52-56; H.W. WOLFF, Ende, 287-298.

Bet-El in der alttestamentlichen

9

Forschung

Zerstörung des Bet-Eler Heiligtums zuweist 17 , bis zu einer völligen Bestreitung jeglichen Quellenwerts 18 . Hält man den Bericht über Josia im Wesentlichen für historisch zuverlässig, ergibt sich eine Reihe von Anschlussfragen. Die erste bezieht sich auf die Zeit zwischen 720 und der Regierungszeit Josias. Es muss erklärt werden, warum Josia gegen Bet-El vorging, obwohl das Heiligtum kein „Staatsheiligtum" mehr war. In der Regel wird auch ohne Bezugnahme auf 2Kön 17 angenommen, dass der kultische Betrieb in Bet-El nach 720 weiterging, d.h. dass Josia in Bet-El das Anliegen der Kultzentralisation durchsetzte 19 . Gesteht man 2Kön 17 einen Quellenwert zu, schließt sich die Lücke ohnehin 20 . Da das Alte Testament nicht berichtet, dass die Assyrer Bet-El und/oder sein Heiligtum erobert und zerstört hätten, wird außerdem erwogen, ob es nicht nach 720 einen Kult beim Stierbild gegeben hätte, das möglicherweise erst später zerstört wurde. Zwar weist Hos 10,5 auf ein Verschwinden des Stierbilds im Zusammenhang mit den Assyrern, aber eindeutig ist das nicht 21 . Ein noch weiterhin bestehendes Stierbild als Ziel der Maßnahmen Josias wäre allerdings kaum unerwähnt geblieben. Trotzdem wird nicht vollständig deutlich, wogegen Josia sich in Bet-El wirklich wandte. Die zweite Frage im Anschluss an die historische Bewertung der Reform Josias betrifft die Zeit nach 587/6. Sach 7,2 berichtet von kultischen Aktivitäten im Zusammenhang mit Bet-El noch im Jahr 518. Es ergibt sich das Problem, wie eine Wiederaufnahme des kultischen Betriebs in Bet-El

17

R . ALBERTZ, R e l i g i o n s g e s c h i c h t e , 3 2 3 ; K . KOENEN, B e t h e l , 5 9 ; CHRISTOF HARD-

MEIER König Joschija in der Klimax des DtrG (2Reg 22f.) und das vordtr. Dokument einer Kultreform am Residenzort (23,4-15*), in: RÜDIGER L u x (HG.), Erzählte Geschichte. Beiträge zur narrativen Kultur im alten Israel, Neukirchen-Vluyn 2000 (BThS 40), 81-145, hier 121-129. 18 ERNST WORTHWEIN, Die Josianische Reform und das Deuteronomium. Ernst Käsemann zum 70. Geburtstag, in: DERS., Studien zum deuteronomistischen Geschichtswerk, Berlin/New York 1994 (BZAW 227), 188-216; DERS., ATD, 418-420; HERMANN SPIECKERMANN, Juda unter Assur in der Sargonidenzeit, 113-116; CHRISTOPH LEVIN, Josia im Deuteronomistischen Geschichtswerk, in: DERS., Fortschreibungen. Gesammelte Studien zum Alten Testament, Berlin/New York 2003, 198-216; im Prinzip auch C. UEHLINGER, Exodus, 57, obwohl die territoriale Grundlage prinzipiell gegeben war. H. PFEIFFER, Heiligtum, 80 lässt die Frage offen. Einen Sonderweg geht W. BOYD BARRICK, The King and the Cemeteries. Toward an New Understanding of Josiah's Reform, Leiden/Boston/Köln 2002 (VT.S 88), 46-50, der die Szene von 2Kön 23,15-20* für historisch hält, aber annimmt, sie sei nachträglich von Jerusalem nach Bet-El verlegt worden. 19

R . ALBERTZ, R e l i g i o n s g e s c h i c h t e ,

3 2 3 ; K . KOENEN, B e t h e l ,

59; H.

PFEIFFER,

Heiligtum, 80. 20

V g l . H . PFEIFFER, H e i l i g t u m , 8 0 .

21

V g l . C . UEHLINGER, E x o d u s , 5 7 ; JUHA PAKKALA, J e r o b o a m ' s S i n a n d B e t h e l i n

lKgs 12:25-33: BN 112 (2002), 86-94, hier 89f.

10

Einleitung

nach Josia begründet werden kann. Tatsächlich geben die Befürworter der Historizität von 2Kön 23 hier keine klare Antwort, allenfalls dass die aus Sach 7,2 zu erschließenden Trauerriten nicht im Widerspruch zur Kultzentralisation standen 22 . Das Problem löst sich verhältnismäßig leicht, wenn man annimmt, dass die Zerstörung des Jerusalemer Tempels und die Deportation seiner Priesterschaft eine Lücke schufen, die Bet-El ausfüllte. Diese Ansicht wird gegenwärtig vielfach vertreten. Nach der einen Variante etablierte sich in Bet-El ein Interim zu Jerusalem 23 , nach der anderen war der exilische Kult in Bet-El tatsächlich als Ersatz Jerusalems konzipiert 24 . In jedem Falle aber trat Bet-El während der Exilszeit in die Rolle des zentralen Heiligtums ein. Die Bedeutung der josianischen Reform muss in diesem Zusammenhang verständlicherweise als relativ gering eingeschätzt werden. In dieser Sicht der Dinge macht der Bau des Zweiten Tempels in Jerusalem Bet-Els Bedeutung für Israel ein Ende 25 . Die Diskrepanzen in der historischen Forschung zu Bet-El ergeben sich in der Hauptsache aus den eingangs erwähnten Diskontinuitäten der alttestamentlichen Bet-El-Überlieferung. Hinzu kommt, dass unter den Voraussetzungen historischer Analyse der biblische Text anders gelesen werden muss, als es seine Komposition narrativ und theologisch verlangt. Historische Zäsuren, wie die assyrische Eroberung, müssen gegebenenfalls gegen den Text (re-) konstruiert werden, wohingegen historische Einschnitte, die der Text setzt, unter Umständen für wesentlich weniger bedeutend gehalten werden müssen als der Text suggeriert. Als relativer Konsens aller methodisch und inhaltlich so divergenten Forschungsergebnisse zu Bet-El kann gelten, dass Bet-Els Geschichte auf weite Strecken von der Konkurrenz zu Jerusalem bestimmt war und dass diese Konkurrenz sowohl die Erinnerung an als auch den Sinn über Bet-El konfiguriert. Dabei fallt der Abschluss der Sinnbildung über Bet-El im Wesentlichen auch mit dem Ende seiner historisch bedeutenden Rolle zusammen.

22

Vgl. R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 579; K. KOENEN, Bethel, 62f. Vgl. JOACHIM SCHAPER, Priester und Leviten im a c h ä m e n i d i s c h e n Juda. Studien zu Kult- und Sozialgeschichte Israels in persischer Zeit, T ü b i n g e n 2 0 0 0 (FAT 31), 170-172; im Prinzip a u c h K. KOENEN, Bethel, 62f. 24 H. PFEIFFER, Heiligtum, 229; JOSEPH BLENKINSOPP, T h e J u d a e a n Priesthood during N e o - B a b y l o n i a n and A c h a e m e n i d Periods: A H y p o t h e t i c a l Reconstruction: C B Q 60 (1998), 25-43, hier 30-32; DERS., Bethel in the N e o - B a b y l o n i a n Period, in: ODED LIPSCHITS/JOSEPH BLENKINSOPP (HG.), J u d a h and the Judeans in the N e o - B a b y l o n i a n P e r i o d , W i n o n a Lake/In. 2003, 9 3 - 1 0 5 ; YAIRAH AMIT, E p o c h and Genre: T h e Sixth Century and the G r o w t h of H i d d e n Polemics, in: O. LIPSCHITS/J. BLENKINSOPP (HG.), Judah, 135-151. 23

25 JOSHUA SCHWARTZ, Jubilees, Bethel, and the T e m p l e of Jacob: H U C A 56 (1985), 63-85, hier 72-79 erwägt eine erneute Interimsrolle Bet-Els w ä h r e n d der M a k k a b ä e r kämpfe.

Bet-El in der alttestamentlichen

3.3

11

Forschung

Methodische Anfragen an die historische Analyse der

Bet-El-Texte

Die historische Befragung alttestamentlicher Texte behandelt sie als Quellentexte. Dieser Quellenwert wird derzeit kontrovers diskutiert, doch im Allgemeinen gilt, dass sich bei Berücksichtigung des zeitlichen Unterschiedes zwischen einem Ereignis und seiner Textwerdung sowie der Tendenz der Texte das Ereignis relativ zuverlässig rekonstruieren lässt. Im Falle der historischen Bet-El-Texte, vor allem bei lKön 12 und 2Kön 23 kommt dieses Verfahren ausgiebig zur Anwendung, zeitigt aber Probleme. Für l K ö n 12 steht die deuteronomistische Verfasstheit des Textes außer Zweifel und wird bei der Analyse des Textes auch in Rechnung gestellt. Trotz dieser Tendenz, die wesenhaft zur Struktur des Textes gehört, lässt sich nach allgemeiner Ansicht aus l K ö n 12,25-32 ein „unpolemischer" Text isolieren, dem verlässlicher Quellenwert zukommt. Methodisch geschieht dies durch eine Art Subtraktionsverfahren, doch gelangen beispielsweise Pfeiffer 2 6 und Koenen mit Hilfe desselben Verfahrens zu unterschiedlichen historischen Ergebnissen. Das Subtraktionsverfahren ist daher alles andere als methodisch überprüfbar, wenn auch durch außertextliche Parameter meist hinreichend zu kontrollieren 2 8 . Doch selbst dann - das lehrt die nicht enden wollende Kontroverse um 2Kön 22-23 - gelangt man nur selten zu einem konsensfähigen Quellenzeugnis. Die in jedem Fall zugrundeliegende methodische Überlegung lässt sich mit Christoph Dohmen dahingehend zusammenfassen, dass „die deuteronomistische Geschichtsschreibung bei größtmöglicher Treue zu ihren Quellen dennoch die Freiheit besaß, theologische Schlüsse aus der Historie zu ziehen, und diese auch in ihrer Darstellung soweit deutlich zu machen, dass das innere (theologische) Moment vor das äußere (historisches Faktum) zu treten vermochte." 2 9

Es wird solcherart bei der historischen Analyse biblischer Texte postuliert, dass der biblischen Literatur derselbe Rationalitätstyp zugrundeliegt wie ihrer neuzeitlichen Analyse, nämlich eine Scheidung von Ereignis und Interpretation, sowie dass der Verfasser sich dieser Scheidung bewusst ist und sie im Text markiert. Dieses Postulat stellt eine Vermischung narrativer Geschichtsschreibung mit nicht-narrativer Geschichtsdeutung dar 30 . Da 26

27

H . PFEIFFER, H e i l i g t u m , 2 6 - 3 1 .

K. KOENEN, Bethel, 41-44. Vgl. HERBERT NLEHR, Die Reform des Joschija. Methodisch, historische und religionsgeschichtliche Aspekte, in: WALTER GROSS (HG.), Jeremia und die deuteronomistische Bewegung, Weinheim 1995 (BBB 98), 33-55; CHRISTOPH UEHLINGER, Gab es eine joschijanische Kultreform? Plädoyer für ein begründetes Minimum, in: W. GROSS (HG.), Jeremia, 57-90; CHRISTOF HARDMEIER, Zur Quellenevidenz biblischer Texte und archäologischer Befunde. Falsche Fronten und ein neues Gespräch alttestamentlicher Literaturwissenschaft und Archäologie, in: DERS. (HG.), Steine - Bilder - Texte. Historische Evidenz biblischer und außerbiblischer Quellen, Leipzig 2001 (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 5), 11-24. 29 CHRISTOPH DOHMEN, Das Heiligtum von Dan. Aspekte religionsgeschichtlicher Darstellung im Deuteronomistischen Geschichtswerk: BN 17 (1982), 17-22, hier 22. 30 Vgl. JÖRN ROSEN, Zerbrechende Zeit, 90. 28

12

Einleitung

Geschichtsschreibung wesenhaft nicht in der Konservierung historischer Fakten oder Erinnerungen, sondern in deren Überlieferung um ihres Sinnes willen besteht, müssen die literarische Gestalt und die (theologische) Tendenz des Textes in seine historische Interpretation einbezogen werden. Jeder einzelne Text über Bet-El, vom kurzen Einzelwort bis zur durchkomponierten Legende, spiegelt in Gehalt und Gestalt die Bedingungen seiner Erzählzeit wider, für die er verfasst ist. Diese Bedingungen konditionieren den Sinngehalt des jeweiligen Textes, dem die historischen Erinnerungen zugeordnet werden und auf den hin sie erwähnt oder auch verschwiegen werden. D.h. jeder alttestamentliche Text über Bet-El ist im historischen Sinn durchaus eine Quelle, jedoch nicht immer auch zwangsläufig eine Quelle zur Geschichte Bet-Els, am wenigsten eine Quelle über Bet-El in der erzählten Zeit. Es ist keine neue Einsicht, dass die biblischen Texte die Dimension der Ereignisgeschichte ihrem literarischen und theologischen Konzept unterordnen und anpassen. Nichts anderes geschieht in Sinnbildungsprozessen, in denen die Erfahrung der Gegenwart die Wahrnehmung und Darstellung der Vergangenheit konfiguriert. In einem solchen Prozess wird in der Rückschau auf die Vergangenheit dasjenige Ereignis ausgewählt, das sich als Geburtsstunde der Gegenwart erweist. Für die alttestamentlichen Texte gilt in besonderem Maße, dass Vergangenheit Projektion ist. Sie sind darum nicht a priori unhistorisch, selbst dann nicht, wenn die dargestellte Vergangenheit eine komplette Fiktion ist. Vielmehr repräsentieren die Texte immer einen Prozess historischen Denkens. Bei einer historischen Analyse der alttestamentlichen Bet-El-Texte ist daher in einem ersten Schritt auf dem W e g der Textanalyse die Gegenwart des Textes zu suchen, vor deren Hintergrund die tatsächliche oder vermeintliche Erinnerung an Bet-El plausibel werden kann. Erst dann kann diese Erinnerung historisch kontextualisiert werden, sei es als Teil der Erzählzeit, als Teil der erzählten Zeit oder jeder anderen dazwischen. Es ist dabei ein Trugschluss, anzunehmen, jeder Verweis auf Bet-El müsse grundsätzlich eine historische Erinnerung enthalten. Bet-El ist für die Geschichte Israels zweifellos ein bedeutender Ort, aber auch ein sensibler. (Mindestens) einmal hat sich hier das Ereignis der politischen Spaltung und der religiösen Fehlentwicklung abgespielt. Es gibt keinen Grund zu bestreiten, dass hinter l K ö n 12,25-33 die Erinnerung an ein Ereignis steht, nämlich die religionspolitische Maßnahme eines Königs, mit der ein Territorium markiert werden soll. Doch dieses Ereignis setzt eine Menge an Reflexion frei, die nicht mehr an aktuelle Ereignisse in Bet-El gebunden sein muss. Eine wie prägende Kraft die „Sünde Jerobeams" für die alttestamentliche Textwerdung entfaltete, zeigt sich daran, dass sich die Erinnerung von ihrer Zeit, ihrem Ort und ihrem Hauptakteur vollständig emanzipieren konnte und als „Goldenes Kalb" in

Bet-El in der alttestamentlichen

Forschung

13

Israels klassischer Heilszeit zu dessen bleibendem Menetekel wurde. Demgegenüber erwecken übermäßige Detaillierungen in Texten über BetE1 weniger den Eindruck historisch plausibler Erinnerungen als vielmehr den, die Erfahrung von Bet-El durch eine Kumulation von „Ereignissen" für immer neue theologische Diskurse fruchtbar zu machen. Das gilt für lKön 12 und die Vielzahl der Maßnahmen Jerobeams ebenso wie für Josias Reform in 2Kön 23 oder Jakobs Begegnung mit Gott in Gen 35,1 -15 31 . Bet-El selbst als empirischer Ort und/oder empirisches Heiligtum muss dabei schon lange nicht mehr Gegenstand einer Auseinandersetzung sein. Im Diskurs der alttestamentlichen Theologie und Literatur spätestens seit der mittleren Perserzeit eignet sich Bet-El vor allem als Topos eines komplexen Sinninventars. Wie „Waterloo", „1968" oder selbst „Auschwitz" generiert Bet-El literarische, theologische und historiographische Diskurse, die das Weiterwirken textlicher Zusammenhänge bezeugen, nicht aber materiale Erinnerungen konservieren. Hier bei jeder Erwähnung Bet-Els nach Verweisen auf einen konkreten Vorgang zu suchen, unterschätzt Geschichtsschreibung als Sinnbildung zugunsten eines faktenorientierten Missverständnisses. Mit dem hier eingeschlagenen Weg wird eine historische Befragung der Texte ungleich schwieriger als beim Subtraktionsverfahren, und nicht immer gelingt die Applikation der Erinnerung auf eine historische Situation. Trotzdem handelt es sich um ein textgemäßes Verfahren, das im Falle Bet-Els umso dringender erforderlich ist, als ein verlässliches textexternes Korrelat zur textlichen Überlieferung fehlt. Ein zweites methodisches Problemfeld in der bisherigen Forschung an Bet-El tut sich in der Frage nach dem historischen und chronologischen Ablauf der Ereignisse auf. Im Allgemeinen wird vorausgesetzt, dass die Anordnung der biblischen Bet-El-Texte in etwa auch der historischchronologischen Reihenfolge der Ereignisse entspricht. Dass dieses Bild im Bereich der Ereignisse der vorköniglichen Zeit durchaus nicht korrekt ist, ist lange bekannt und gewinnt in der Forschung gegenwärtig wieder an Relevanz 32 . Trotzdem wird es für Bet-El noch immer postuliert, zumindest im Verhältnis von Gen 28 und lKön 12, obwohl sich daran eine Reihe von Problemen anschließt. Auch die Annahme, dass die biblische Anordnung der Ereignisse immer in historisch-chronologischer Reihenfolge erfolgt, trägt in den narrativen Diskurs des Alten Testaments eine neuzeitlich31 Vgl. dazu die Forschungsübersicht bei HANS A. RAPP, Jakob in Bet-El. Gen 35, 1-15 und die jüdische Literatur des 3. und 2. Jahrhunderts, Freiburg/Basel/Wien 2001

(HBS 29), 46-49. 32

KONRAD SCHMID, Erzväter und Exodus. Untersuchungen zur doppelten Begründung der Ursprünge Israels innerhalb der Geschichtsbücher des Alten Testaments, Neukirchen-Vluyn 1999 (WMANT 81), 3f.; REINHARD G. KRATZ, Die Komposition der erzählenden Bücher des Alten Testaments. Grundwissen der Bibelkritik, Göttingen 2000 (UTB 2157), 269f.

14

Einleitung

rationale Ordnungskategorie ein, die den biblischen Texten weder sachlich noch entstehungsgeschichtlich entspricht. Auf die alttestamentlichen BetEl-Texte angewandt heißt das, Kontinuität und Diskontinuität der Traditionen von Bet-El literarisch wahrzunehmen und den Sinn ihrer Anordnung im Rahmen des Alten Testaments literarisch, theologisch und historisch zu begründen 33 , ohne sie a priori in das Korsett eines historischen Nacheinanders zu zwingen. Schließlich zeigten die anfangs gemachten Beobachtungen, dass die historische Analyse der Bet-El-Texte bei ihrer Quellenauswahl ausgesprochen selektiv verfahrt. Ein großer Teil der Bet-El-Tradition wird hierbei nicht berücksichtigt. Das heißt, dass allein unter historischem Gesichtspunkt die Sinnfigur Bet-El nicht vollständig zu erfassen ist. Dieser Versuch soll in dieser Arbeit unternommen werden. Als besonders sensible Aspekte dieser Sinnfigur erweisen sich dabei die Frage nach dem zeitlichen und sachlichen Verhältnis von Gen 28,10-22 und lKön 12,25-33, der Wert der historischen Zäsur, die mit 2Kön 23,15-20 gesetzt wird, sowie das Weiterwirken von Traditionen über Bet-El nach dem Ende des Heiligtums.

4. Bet-El zwischen Traum und Trauma: Aufbau und methodisches Vorgehen der Arbeit Es gilt als geschichtswissenschaftliche Voraussetzung, dass Sinnbildung eine Reaktion auf eine Krise darstellt 34 . Krisen-, zumindest aber Kontingenzerfahrung bildet den Ausgangspunkt dafür, dass Erinnerung überhaupt stattfindet. Sinnhafte Erinnerung, unter anderem Geschichtsschreibung, vollzieht sich unter dem Horizont der Identitätsbildung und der Orientierung. D.h. die Krise wird erinnert und gedeutet, um vergleichbare Erfahrungen zu vermeiden (oder zu wiederholen) und um sich selbst in ein Verhältnis zu Zeit, Raum und Personen zu setzen. Im Falle Israels ist die Krise, die die Erinnerung in Gang setzt, eine Katastrophe 35 . Der Fall Samarias im Jahr 720 v. Chr. brachte die Geschichte des Königreiches Israel derart nachhaltig zum Abbruch, dass die Überlebenden kurzfristig in ein religiöses, soziales und kulturelles Niemandsland gerieten. Dieses Trauma ist der Beginn der Selbstbesinnung Israels auf dem Weg von einem Kleinkönigtum zwischen anderen zum erwählten Volk JHWHs. In und an Bet-El lässt sich die Bewältigung dieses Traumas exemplarisch nachvollziehen. Dabei entwickeln sich im Zusammenhang mit Bet-El drei Arten der Krisenbewältigung: die Behauptung der Treue 33

Vgl. dazu auch J. RÜSEN, Zerbrechende Zeit, 91. Vgl. zum Folgenden J. RÜSEN, Zerbrechende Zeit, 148-163. 35 Vgl. zum Folgenden REINHARD G. KRATZ, Israel als Staat und als Volk: ZThK 97 (2000), 1-17. 34

Bet-El zwischen Traum und Trauma

15

JHWHs über alle Krisen hinweg (Gen 28), die Bewältigung des Traumas in der Kategorie der Schuld (Deuteronomistisches Geschichtswerk) und die Erinnerung an die Prophetie als der Stimme, die die Krise angekündigt hatte (Am; Hos). Die drei Modelle stehen in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zueinander und entwickeln sich theologisch und literarisch zunächst getrennt voneinander, bis sie - in Reaktion auf weitere Krisen nachexilisch aufeinander zu wachsen und miteinander verbunden werden. Keines dieser Modelle ist älter als das 8. Jh. v. Chr. Die auslösende Erinnerung ist die Errichtung eines Stierbildes in Bet-El durch einen König von Israel. Diese Erinnerung ist jedoch rasch von dem immer weiter anwachsenden Sinn überlagert worden, den die alttestamentliche Literatur produziert hat, um ihren Verfassern und ihrem Publikum Sinn zu erschließen und Orientierung zu geben. Das Verhältnis von Sinn und Erinnerung in seiner literarischen und theologischen Ausgestaltung der Bet-El-Tradition soll in dieser Arbeit untersucht werden. In der alttestamentlichen Tradition über Bet-El werden Stadt und Heiligtum nicht immer trennscharf voneinander abgegrenzt. Aus diesem Grund wird eine solche Trennung auch in dieser Arbeit nicht vollzogen. Außerdem geht diese Untersuchung davon aus, dass es in Bet-El ein Heiligtum gegeben hat, auch wenn dessen positiver Nachweis fehlt. Der anspruchsvolle Name Bet-El ist programmatisch genug, um die Existenz einer kultischen Einrichtung anzunehmen; überdies lässt sich kein Grund dafür angeben, dass das Heiligtum eine komplette Fiktion der Texte ist. Gleichwohl ist die Überfülle kultischer Elemente und Kultgegenstände in Bet-El - Altar, Mazzebe, Stierbild, Priester, Bamah und Aschera - wahrscheinlich ein Indiz für die jeweilige Neukonstruktion des Heiligtums im Rahmen eines neu akzentuierten textlichen Diskurses. Gerade diese Elemente des Heiligtums in ihrer jeweiligen Differenzierung sollen hier in ihrer Qualität als Inventar verschiedener Sinnbildungsprozesse wahrgenommen werden. Das erste Kapitel ist der ausführlichen Darstellung der Grabungsergebnisse in Betin gewidmet. Zwar lassen sie sich nicht zum Beweis historischer Ereignisse in Bet-El heranziehen, doch ergibt sich aus ihnen das Bild einer Stadt, auf die sich die Erinnerungen der Texte beziehen könnten. Ihr Profil ist zu ermitteln. Dabei tritt dem nicht immer ganz eindeutigen archäologischen Befund in Betin eine Darstellung der geographischen, ökonomischen und verkehrsgeographischen Bedingungen des Ortes zur Seite, die zuverlässiger als der archäologische Befund allein verdeutlichen können, warum Bet-El für die Geschichte Israels und Judas eine Rolle gespielt hat und von Zeit zu Zeit auch zum Zankapfel zwischen Nachbarstaaten werden konnte.

16

Einleitung

Der größere Teil der Arbeit befasst sich mit den Texten über Bet-El. Sie sollen unter der Frage nach ihren Entstehungsbedingungen und ihrem Sinnpotential erfasst werden. Dabei sind in dieser Arbeit nur die Texte über Bet-El berücksichtigt, in denen Bet-El im Textgefügte eine signifikante narrative und inhaltliche Rolle spielt 36 . Die Textanalyse ermittelt das „Bet-El-Potential" des jeweiligen Textes, d.h. die Rolle und Funktion BetEls in Gestalt, Gehalt und Strategie der einzelnen Einheit. Das Bild BetEls, das die Textanalyse ergibt, wird in den Rahmen des theologischen und literarischen Nah- und Fernkontextes der jeweiligen Einzeleinheit gestellt. Das Gesamtbild Bet-Els, das sich auf diesem Weg aus dem Text eruieren lässt, kann dann in einem weiteren Schritt und unter Einbeziehung des gesamten Kontextes einer historischen Rückfrage unterzogen werden. Unter diesen methodischen Voraussetzungen beschäftigt sich das zweite Kapitel mit dem Bild Bet-Els bei den Propheten Arnos und Hosea. In diesen Büchern sind die ältesten Bet-El-Texte zu suchen, die noch vor der Katastrophe auf die inhärente Gefahr der historischen Stunde hingewiesen haben. Wir haben es demnach mit der Initialzündung und dem Motor der alttestamentlichen Sinnfigur namens Bet-El zu tun. Im Rahmen der beiden Bücher, sowohl einzeln als auch im Bezug aufeinander, ist das Thema BetEl fortgeschrieben worden, wobei zum Teil Impulse anderer Sinnkonfigurationen eingeflossen sind. In der Zuspitzung auf die Rolle der Prophetie in Bet-El behalten Arnos und Hosea aber ein gewisses Eigenprofil. Darüber hinaus zeigt sich an den beiden prophetischen Büchern, dass Bet-Els Konkurrenz zu Jerusalem der Sinnbildung über Bet-El nicht von Anfang an inhärent ist, sondern dass die Kritik an Bet-El aus der Erinnerung an politische Entscheidungen allein des „Nordreichs" während des 8. Jhs. erwächst. Im dritten Kapitel wird das Bet-El-Bild der Königebücher untersucht. Deren charakteristische Geschichtsschreibung reagiert direkt auf die Impulse aus der Prophetie und entwickelt ihr Bild von Bet-El als dem Ort, an dem Israels Schuld ihre exemplarische Gestalt gewann. Der zentrale Text im Rahmen der deuteronomistischen Sinnfigur ist lKön 12,25-33, der mit den Stufen deuteronomistischer Traditionsbildung schrittweise fortgeschrieben wurde. In den Königebüchern ist jene Sinnbildung über Bet-El zu finden, die für das Alte Testament lange Zeit dominant gewesen ist. Ihre Bedingungen werden durch die Herrschaft der Perser in Palästina konstituiert, wo auch der entstehungsgeschichtliche Hintergrund der Texte zu suchen ist. Es sind die Bet-El-Texte der Königebücher, die Bet-El zur Konkurrentin Jerusalems aufbauen und dieses Element noch in ihrer Textwerdung behalten, als Bet-El diese Rolle längst ausgespielt hat. Bis in späteste 36 Nicht berücksichtigt im Sinne umfangreicherer Textanalysen sind Gen 31,13; Jos 7,2; 8,9.12.17; 12,9.16; 16,1.2; 18,13.22; Ri 4,5; lSam 7,16; 10,2; Kön 2,2.3. 23; 10,29; Jer 48,13; IChr 7,28; 2Chr 13,19.

Bet-El zwischen Traum und Trauma

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Textstufen bleibt Bet-El jedoch das Menetekel für die Folgen einer Abweichung von Jerusalem und dessen Gott. Das vierte Kapitel ist den beiden Bet-El-Kapiteln der Genesis gewidmet und soll zeigen, dass auch die Ätiologien Bet-Els auf die Krise von 720 reagieren, teils in einer Affirmation der Treue JHWHs zu seinen Verheißungen, teils in einer Unterordnung unter die Prinzipien des Monotheismus und des Bilderverbots. Dabei geht ein Grundbestand positiver Bet-ElTradition in Gen 28; 35 den umfangreichen Nachbearbeitungen voraus und bildet den Grund für deren Auseinandersetzung mit Bet-El. Vor allem Gen 35 als eine Komposition von Textbausteinen aus späterer persischer Zeit lässt erkennen, dass der Ort Bet-El mehr und mehr an Bedeutung für Juda verlor. Er wird daher aus der Bindung an die Katastrophe gelöst und gewinnt ein neues Profil für Bet-Els Sinn in Israels Geschichte mit JHWH. Nicht nur wegen der Rezeption der einschlägigen Bet-El-Belege in der nach-alttestamentlichen Literatur steht die Darstellung der Bet-ElTradition der Genesis am Schluss der hier vorgelegten exegetischen Analysen der drei großen mit Bet-El verbundenen Sinnbildungsprozesse. Die getrennte Betrachtung der drei Literaturkomplexe Prophetie, Deuteronomismus und Genesis bewährt sich bei der Frage nach Bet-El allemal besser als die Anordnung der Texte in ihrer entstehungsgeschichtlichen Reihenfolge. Trotz aller Interdependenzen und gegenseitiger Beeinflussung bewahren die drei Komplexe je und je ihr eigenständiges Profil in der Sinnbildung über Bet-El. Das gilt auch und gerade für die Genesis, die verglichen mit dem quantitativen und qualitativen Schwergewicht der deuteronomistischen Bet-El-Uberlieferung eine gewisse Widerständigkeit zeigt. Diese wird indes am deutlichsten, wenn sie vor dem Hintergrund von Prophetie und Deuteronomismus gelesen wird. Die hier vorgelegte Anordnung des Stoffes hat daher keineswegs das Ziel, den Kanon gewissermaßen „umkehren" zu wollen, weder entstehungsgeschichtlich noch theologisch. Im Gegenteil: In dieser Anordnung erst wird der eröffnende Charakter der Bet-El-Uberlieferung in der Genesis besonders deutlich. Im fünften Kapitel geht es um die Texte, die das Thema Bet-El unter Zugrundelegung aller drei vorigen Sinnkonfigurationen - der Prophetie, der Königebücher und der Genesis — fortschreiben. Sie finden sich in Ri 12; 19-20; lKön 13 und in der außerkanonischen Levi-Literatur sowie im Jubiläenbuch. Hier kommt im 3. Jh. v. Chr. die Bet-El-Tradition an ihr relatives Ende, obwohl sich in den Königebüchern wahrscheinlich noch spätere Texte finden lassen. Jedoch zeigen die in diesem Kapitel dargestellten Bet-El-Texte, dass die Auseinandersetzung um Bet-El auch textlich zur Ruhe kommt und Bet-El seinen neuen Sinn in einer Integration der Texttraditionen finden kann.

18

Einleitung

Die textliche und theologische Analyse der Sinnfigur namens Bet-El reicht damit nicht wesentlich über die kanonischen Grenzen des hebräischen Alten Testaments hinaus. Außerhalb dieser Grenzen findet sich allerdings eine ganze Reihe von Zeugnissen über Bet-El, so in IMakk 9,50; Tob 2,6 37 , im Jubiläenbuch 38 , im Testament Levis 39 , in Qumran 40 und bei Flavius Josephus 41 . Alle Belege gehören in den Bereich der auslegenden Literatur, d.h. den jeweiligen Büchern liegt bereits das ganze hebräische Alte Testament - oder doch der allergrößte Teil davon - vor. Entsprechend rezipieren die genannten Werke die alttestamentlichen Sinnfiguren, deren Konturen im Großen und Ganzen festliegen. Hiervon sind lediglich die Makkabäerbücher und Josephus' Bericht über den Makkabäeraufstand auszunehmen: In diesen Texten finden sich tatsächlich zusätzliche Informationen über Bet-El und zwar auffallenderweise nicht als sinnhafte Konstruktion, sondern als Notizen über Ereignisse in oder im Zusammenhang mit Bet-El. Demgegenüber zeigen sich die Bet-El-Belege im Jubiläenbuch und im Testament Levis als Rezeptionen der biblischen Sinnfigur Bet-El und als deren Weiterentwicklung: Vor allem das Jubiläenbuch bildet in seiner ganz eigenen Weise die Summe der alttestamentlichen Sinnbildung über Bet-El und soll daher mit dem Charakter eines Ausblicks in die Untersuchung der Texte einbezogen werden.

37

Nach der Rezension G1. Jub 13,5.15; 27,19.26; 31,1.3; 32,1.9; 44,2; 45,4. 39 TestLev 7,4; 9,9 sowie in den aramäischen Fragmenten des TestLev. 40 lQGenAp 19,8; 11QT 19 29,7-10; 5Q 13 41 Ant I 284.342; V 82f.130.159; VI 32.55; VIII 226.228.230.284; XIII 15; Bell IV 551. 38

1. Kapitel

,Und er nannte die Stätte Bet-El" (Gen 28,19): Bet-El in der Perspektive von Archäologie und Landeskunde Die meisten biblischen und nachbiblischen Texte über Bet-El beziehen sich auf eine konkrete Stadt. Sie wird mit guten Gründen mit dem modernen Betin identifiziert, dessen archäologische Untersuchung eine Stadt aus der betreffenden Zeit zutage brachte. Somit besteht nicht nur die Möglichkeit, die (biblischen) Erinnerungen an Bet-El zu analysieren, sondern auch die konkreten Spuren zu untersuchen, die die Stadt hinterlassen hat. Diese Spurensuche steht am Anfang der vorliegenden Untersuchung und besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil befasst sich mit den Umweltbedingungen BetiniBet-Els: geographische Lage, Klima, Ressourcen usw. und den daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für das Profil einer Stadt des palästinischen Berglands in biblischer Zeit. Dass Betin/Bet-El unter der Perspektive seiner Realia ein ganz eigenartiges und vielschichtiges Bild ergibt, ist in den Untersuchungen Bet-Els bisher zu wenig berücksichtigt worden. Zusätzlich gilt in der neueren (Palästina-) Archäologie, dass ein vollständiges Bild einer Kultur nicht allein durch die Befragung ihrer materialen Hinterlassenschaft gewonnen werden kann. Diese bietet nur einen Ausschnitt, der in der Regel mit Hilfe der biblischen Texte gelesen werden kann und damit auch immer der Gefahr der signifikanten Fehlinterpretation unterliegt. Gerade die archäologische Untersuchung Betins bietet dafür ein besonders eindrückliches Beispiel. Gefordert ist daher die Einbeziehung von Datenmaterial, das als Ergänzung und Korrektiv sowohl der Archäologie als auch der Exegese herangezogen werden kann. Geographie, Klimakunde, Biologie, Ökonomie, Anthropologie und Soziologie stellen dieses Datenmaterial zur Verfügung und sind bei der Untersuchung eines Ortes bzw. einer Region zu berücksichtigen 1 .

1

V g l . HERMANN MICHAEL NIEMANN, V o n O b e r f l ä c h e n , S c h i c h t e n u n d

Strukturen.

Was leistet die Archäologie für die Erforschung der Geschichte Israels und Judas?, in: CHRISTOF HARDMEIER (HG.), Steine - Bilder - Texte. Historische Evidenz biblischer und außerbiblischer Quellen, Leipzig 2001 (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 5), 79121, hier 85-89 (Lit.).

20

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Der zweite Teil dieses Kapitels wird die archäologische Erforschung Be//«/Bet-Els darstellen und würdigen. Bei allen Kontroversen um die Leistung und den Ertrag der Archäologie für die Exegese, die gelegentlich auf ein Plädoyer für die Trennung der Disziplinen hinauszulaufen scheinen 2 , bleibt doch der Beitrag der Archäologie zum Verständnis der Texte unhintergehbar: Sie liefert das materiale Zeugnis zum Verständnis der Kultur, d.h. der Lebenswelt der Texte. Ohne das Grabungsergebnis in Betin bleibt die biblische Geschichte Bet-Els ein historiographisches Konstrukt, sie hängt in der Luft. Die Archäologie ist in der Lage, diesem Konstrukt gewissermaßen Bodenhaftung zu verleihen und es an empirische Phänomene wie Mauern, Häuser und Kochtöpfe zu binden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Archäologie nicht immer in der Lage ist, Ereignisse in den materialen Resten einer Kultur abgebildet zu finden. Dazu bedarf es in der Regel neben dem materialen Bestand zusätzlich jener Zeugnisse, die ein bestimmtes Ereignis mit einem materialen Gegenstand verknüpfen können. Solche Botschaften sind im Falle Bet-Els möglicherweise in den textlichen Erinnerungen konserviert und daher Gegenstand der Textanalyse. Was Archäologie hingegen leisten kann, ist die Gewinnung von materialen Strukturen einer Lebenswelt, in der Menschen gelebt haben 3 .

1. „Unter der Debora-Palme, zwischen Rama und Bethel, im Gebirge Ephraim" (Ri 4,5): BetinlBet-El im Spiegel seiner Umwelt Unter der Voraussetzung der Identität Betins mit dem biblischen Bet-El gibt es eine bemerkenswerte Konvergenz zwischen dem textlichen und dem außertextlichen Befund: Die archäologische Untersuchung Betinl BetEls zeigt eine außergewöhnlich lange kontinuierliche Besiedlung des Ortes. Sie reicht von der Bronze- bis in die byzantinische Zeit. Dem korrespondiert der textliche Befund, der Bet-El fortlaufend von der Landnahme bis in die römische Zeit erwähnt. Unabhängig von Aspekten der Ereignisgeschichte ist Betins lange Besiedlungsdauer ein Ereignis an sich. Der Ort hat die kulturellen Umbrüche und politischen Wechselfälle der Zeit zwischen der Bronze- und der frühchristlichen Zeit, d.h. mehr als drei Jahrtausende, nahezu unbeschadet überstanden. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Überlebensfahigkeit Betins mit dessen Umweltbedingungen zusammenhängt. Diese Umweltbe2 Stellvertretend für die Fülle einer fast uferlosen Kontroverse sei hingewiesen auf zwei Studien zum Thema, in denen Positionen und Literatur dargestellt werden: C. HARDMEIER, Quellenevidenz, 11-24; H. M. N I E M A N N , Von Oberflächen, 79-121. 3 Vgl. dazu auch H. M. NIEMANN, Von Oberflächen, 92f.

21

Bet-El im Spiegel seiner Umwelt

dingungen sind im Folgenden genauer zu untersuchen, um die Voraussetzungen Bëtïns nicht nur für seine Dauer, sondern möglicherweise auch für seine Bedeutung näher zu erfassen. Die Untersuchung vollzieht sich in zwei Schritten: Zunächst werden unter dem Stichwort „natürliche Umgebung" jene Faktoren zu erfassen sein, die ße/m/Bet-Els Entstehung bedingen und sein genuines Uberleben sichern: Ressourcen und Boden sowie deren Nutzung 4 . Ein zweiter Schritt soll unter der Überschrift „kulturelle Umgebung" zeigen, auf Grund welcher Voraussetzungen 5ë/T«/Bet-El im Gefüge Palästinas seine Rolle spielen konnte. Diese beiden Aspekte sind die Grundbedingungen der Geschichte im Pendelschlag der longue durée5. 1.1

Die Identifikation

Bëtïns mit dem biblischen

Bet-El

Die biblischen Texte geben eine Reihe von Hinweisen, auf Grund derer der Ort Bet-El lokalisiert werden kann. Gen 12,8; Jos 7,2; 8,9; 12,9 verorten Bet-El westlich von Ai. Bet-El liegt außerdem in unmittelbarer Nähe des „Weges zur Wüste" (Jos 8,11-15). Schließlich lag Bet-El ausweislich Jos 16,1-4; 18,21-28; Ri 1,22-26 im Grenzgebiet der Stammesgebiete Josephs und Benjamins. Weitere Angaben sind älteren christlichen Traditionen zu entnehmen. Nach Eusebius 6 und dem Pilger von Bordeaux 7 liegt Bet-El an der Straße von Jerusalem nach Neapolis/Sichem und zwar 12 Meilen nördlich von Jerusalem und 28 Meilen südlich von Sychar = 'Askar%. Die Lokalisierung des biblischen Bet-El wird indes dadurch erschwert, dass Gen 28,19; 35,6; Ri 1,23 Bet-El mit Luz identifizieren, Jos 16,1 f. Bet-El und Luz unterscheidet und Jos 18,13 Luz mit Bet-Awen identifiziert. Das letztere scheint nach Hos 4,15; 5,8; 10,5 mit Bet-El identisch, hingegen nach Jos 7,2; lSam 13,5; 14,23 ein von Bet-El unterschiedener Ort 9 , der wohl in derselben Gegend zu suchen ist. Das Bet-El von lSam 30,27 wird in der griechischen Textüberlieferung mit BaiÔooup wiedergegeben, in der lateinischen teils mit Bethel, teils mit Bethor. Möglicherweise ist es identisch mit Betul von Jos 19,14. In jedem Fall liegt dieser Ort in Juda.

4 Ich danke Herrn Prof. Dr. Gerhard Pape, Fachhochschule Osnabrück, Fakultät für Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur, herzlich für die Zusammenarbeit. 5 FERNAND BRAUDEL, Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II., 3Bde. Frankfurt/Main 1998 (stw 1354). 6 40,20-24, vgl. dazu K. KOENEN, Bethel, 4. 7 HERBERT DONNER, Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die ältesten Berichte christlicher Palästinapilger (4.-7. Jh.), Stuttgart 1979, 53f. 8 Zu weiteren frühchristlichen Lokalisierungen vgl. K. KOENEN, Bethel, 5 (Lit.). 9 LXX liest in lSam 13,5 BtuGuu; in lSam 14,23 sind in der griechischen Texttradition unterschiedliche Lesarten überliefert, vgl. dazu GÖTZ SCHMITT, Bet-Awen, in: RUDOLPH COHEN/GÖTZ SCHMITT, Drei Studien zur Archäologie und Topographie Altisraels, Wiesbaden 1980 (BTAVO B 44), 33-75, hier 58f.

22

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Luz und Bet-El sind mit ziemlicher Sicherheit identisch. Dabei ist es unerheblich, wann und ob der Ort jemals umbenannt wurde 1 0 . Dass im Hoseabuch Bet-Awen für Bet-El steht, ist wahrscheinlich, hingegen sind die Lokalisierungen in Jos 7,2; lSam 13,5; 14,23 eher das Ergebnis gelehrter Spekulation als vertrauenswürdige Ortsangaben. Die Entfernungen sind ohnehin minimal. Für diese Untersuchung spielen die drei Texte keine Rolle, für die verbleibenden Texte wird von der grundsätzlichen Identität Luz', Bet-Els und Bet-Awens ausgegangen.

Die von der textlichen Tradition gegebenen Voraussetzungen erfüllt die Ortslage Betin. Seit der Mitte des 19. Jhs entstand dort ein arabisches Dorf. Betin (OIG 1728 1482) liegt auf dem Rücken des zentralpalästinischen Gebirges etwa 16 km nordöstlich von Jerusalem und jeweils ca. 3 km von el-Blre im Südwesten, Der Dibwän im Südosten und Burqä im Süden. Der Ort ist damit Teil des palästinensischen Autonomiegebietes (Westjordanland) und gehört zum Distrikt Ramallah11. Die Identifikation Betins mit dem biblischen Bet-El geht auf den amerikanischen Forschungsreisenden Edward Robinson (1794-1863) zurück, der bei seiner ausgedehnten Erkundung Palästinas im Jahre 1838 diese Region bereiste und eine noch unbesiedelte Ruinenstätte vorfand, die die lokale Tradition mit dem Namen Betin bezeichnete 12 . Für die Identifikation mit dem biblischen Bet-El spricht außer den Angaben der Tradition noch die Kontinuität des Namens Bet-El im arabischen BetTnn. Die Identifikation Betlns mit Bet-El wird nur von zwei Forschern ernsthaft in Frage gestellt. David Palmer Livingston lokalisiert das biblische Bet-El im Bereich des heutigen el-Blre an der Stätte Ras et-Tahüne (1702 1462), weil sich der in Gen 12,8 erwähnte Berg bei Bet-El in Betin nicht finden lasse und Betin nicht mit den Entfernungsangaben Eusebs zur Deckung zu bringen sei. Diese Bedingungen träfen aber gemeinsam mit den bereits genannten auf Ras et-Tahüne zu 1 4 . Livingstons Vorschläge zum Problem Betin/Bet-El stehen im Zusammenhang mit seiner - biblizistisch orientierten - Theorie zur Landnahme Israels, die mit einer Reihe chronologischer und topographischer Spekulationen ver-

10

Zur Unterscheidung zwischen Stadt und Heiligtum Bet-El vgl. den Überblick bei K. KOENEN, Bethel, 20-22. Zur Bezeugung des Ortes Luz in der nachbiblischen Tradition vgl. auch CLAUDIA NAUERTH, Es stand ein Mandelbaum in Luz. Zur Bedeutung der Bezeichnung „Bethel, einst Luz": DBAT 21 (1985), 28-42. 11 Die Stadt Ramallah selbst liegt 5 km westlich von Betin. 2 km nördlich vom arabischen Betin liegen die jüdischen Siedlungen Bethel 1 und Bethel 2 sowie das Flüchtlingslager Galasun. 12 EDWARD ROBINSON, Biblical Researches in Palestine, Mount Sinai and Arabia Petraea, 3Bde, Boston 1841, hier Bd. I, 448-451. 13 Vgl. dazu K. KOENEN, Bethel, 5. 14 DAVID PALMER LIVINGSTON, The Location of Biblical Bethel and Ai Reconsidered: WThJ 33 (1970/71), 20-44; DERS., Traditional Site of Bethel Questioned: WThJ 34 (1971), 39-50; DERS., The Last Word on Bethel and Ai: BarR 15/1 (1998), 11; DERS., Further Considerations on the Location of Bethel at El-Bireh: PEQ 126 (1994), 154-159.

23

Bet-El im Spiegel seiner Umwelt

bunden ist 15 . Vor allem die topographischen Annahmen Livingstons sind von Anson F. Rainey gründlich widerlegt worden 16 . Aufgrund einer exegetischen Analyse der biblischen Bet-El-Texte und einer ReEvaluation der Grabung in Betin plädiert Francisco Garcia-Treto für zwei biblische Ortslagen namens Bet-El, von denen eines bei Ai lag. Das hauptsächlich in den Texten erwähnte Bet-El, das das Heiligtum beherbergte, liege hingegen bei Sichern am Garizim 17 . Es spricht jedoch nichts für eine Verteilung der Texte auf zwei Ortslagen. Die von Garcia-Treto herangezogene samaritanische Tradition von „Bethel" auf dem Garizim beruht auf einem falschen Verständnis des „Bethel" genannten Sachverhalts 18 . Weitere Lokalisierungen Bet-Els finden sich vor allem in der rabbinischen und frühchristlichen Literatur und beruhen auf schriftgelehrten Spekulationen. Sie sind daher nicht als wissenschaftlich verwertbare Auskünfte zu nutzen 19 .

Es gibt keine Gründe, an der Identifikation Betins mit Bet-El zu zweifeln. Daneben gibt es keinen tragfähigen Alternativvorschlag, der sich außer auf die Texttradition auch auf ein archäologisches Ergebnis stützen könnte. Da indes die Identifikation des biblischen Bet-El bis heute nicht zweifelsfrei vollzogen ist, muss bei der Beziehung des textlichen auf das materiale Zeugnis große Vorsicht walten: Alle Schlussfolgerungen stehen unter dem Vorbehalt der Hypothese. 1.2

Retln/Bet-El in seiner natürlichen Geographische Faktoren

1.2.1 Topographische

Umgebung:

Bedingungen: Lage, Wasserversorgung

und Klima

5eif«/Bet-El liegt auf dem Rücken des zentralpalästinischen Gebirges. Von Samaria aus gesehen, gehört Betini Bet-El zu dessen südlicher Mittelregion {Southern Central Range20). Von Juda aus betrachtet, lässt sich Betin!BetEl dem judäischen Gebirge zuordnen, dessen nördlicher Abschnitt (von Betin!Bet-El bis Khirbet Selün!Silo) auch als „Berge von Bet-El" bezeich15

JOHN J. BIMSON, Redating the Exodus and the Conquest, Sheffield 2 1981 (JSOT.

S 5 ) . K ü r z e r e D a r s t e l l u n g : JOHN J. BIMSON/DAVID PALMER LIVINGSTON, R e d a t i n g t h e

Exodus: BArR 13/5 (1987), 50-53.66-68. 16 ANSON F. RAINEY, Bethel is still Beitin: WThJ 33 (1971), 175-188; DERS., John J. Bimson: Redating the Exodus and Conquest: A Review: IEJ 30 (1980), 249-251; DERS., Queries and Comments. Rainey on the Location of Bethel and Ai: BArR 14/5 (1988), 67f. Zur Auseinandersetzung mit Bimson und Livingston vgl. außerdem K. KOENEN, Bethel, 10f.; UTA ZwiNGENBERGER, Dorfkultur der frühen Eisenzeit in Mittelpalästina, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 2001 (OBO 180), 121-125. 17 F. O. GARCIA-TRETO, Bethel, 44-58. 18 Vgl. dazu HANS G. KIPPENBERG, Garizim und Synagoge. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur samaritanischen Religion der aramäischen Periode, Berlin/New York 1971 ( R G W 30), 188-200. 19 Vgl. dazu ausführlich K. KOENEN, Bethel, 7-9 (Lit.). 20

ISRAEL FLNKELSTEIN/ZVI LEDERMAN/SHLOMO BUNIMOVITZ, H i g h l a n d o f

Cultures. The Southern Samaria Survey. The Sites, 2 Bde. Tel Aviv 1997, 105.

Many

24

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

net wird 21 . Das ostwestlich verlaufende Emeq Shilo bzw. Wädl Der Ballüt bildet die natürliche Grenze zur Northern Central Range, dem Hochland von Samaria, das Wädl Gilyän bildet die südliche Begrenzung der Region, die in die Ebene von Gibeon und den Jerusalem-Sattel übergeht 22 . Zwischen diesen beiden Tälern nimmt der Gebirgsrücken, der die Wasserscheide des Gebirges bildet, einen gewundenen, S-förmigen Verlauf, biegt zunächst nach Osten ab und wendet sich dann im Tal von Ayyalon wieder scharf nach Westen. Der Gebirgsrücken ist in diesem Abschnitt ca. 3 km breit und mit einer durchschnittlichen Höhe von ca. 900 m höher als die Region südlich des Wädl Gilyän. In seiner Mitte liegt Zentralpalästinas höchste Erhebung, der 1016 m hohe Teil Asür (Ba'al Hazor). Die NordSüd-Achse des zentralen Gebirges wird in den Bergen von Bet-El von einer Reihe ostwestlich verlaufender Erosionstäler durchschnitten, die tiefe Canons bilden und das Gebirge in isolierte Höhenzüge aufteilen 23 . In diesem Gelände sind die Siedlungsbedingungen sehr erschwert. 5eii«/Bet-El liegt auf einer Höhe von 870 m ü. NN 24 . Unmittelbar südlich von Bet-El beginnt das Gelände abzufallen. Der Abfall ist dabei in direkter Nord-Süd-Richtung etwas steiler als nach Südwesten: Das 3 km südlich gelegene Burqä liegt auf einer Höhe von 750 m, das südwestlich gelegene el-Bire etwa auf derselben Höhe wie Betin/Bet-E\2s. Erst dann beginnt auch auf dieser Achse ein Abfall, der bei Jerusalem eine Höhe von 700 m erreicht. Geographisch liegt Betin/Bet-El somit in einer Art Grenzregion, die die höhergelegenen und geographisch uneinheitlichen Berge von Bet-El von der flacheren und ebeneren Region von Gibeon und Jerusalem trennt 26 . Das unmittelbare Gelände Betlns liegt in einer kleinen Mulde zwischen der Formation el-qal'at27 im Norden und einer ähnlichen Formation im Osten. Die weitere Umgebung ist durch kleinere Kuppen, Täler und Felsformationen uneinheitlich 28 . Der Osten des Geländes ist durch mehrere 21 DAVID C. HOPKINS, The Highlands of Canaan. Agricultural Life in the Early Iron Age, Sheffield 1985 (SWBAT3), 66 im Anschluss an YEHUDA KARMON, Israel. Eine wissenschaftliche Länderkunde, Darmstadt 1983 (WL 22), 203f. 22

D . C . HOPKINS, H i g h l a n d s , 6 1 .

23

Y. KARMON, Israel, 203f.

24

I. FINKELSTEIN/Z. LEDERMAN/S. BUNIMOVITZ, H i g h l a n d , 5 1 8 .

25

V g l . d i e K a r t e b e i ISRAEL FLNKELSTEIN/YLTZHAK MAGEN ( H g . ) ,

Archaeological

Survey of the Hill Country of Benjamin, Jerusalem 1993. 26 Vgl. dazu auch H. BRODSKY, Bethel, 710-712. 27 So W.F. Albright bei JAMES L. KELSO, The Excavation of Bethel (1934-1960), Cambridge 1968 (AASOR 39). 2. G. STERNBERG, Studien aus dem Deutschen evangelischen Institut fur Altertumswissenschaft in Jerusalem. 27. Bethel: ZDPV 38 (1915), 1-40, hier 12 verzeichnet den Namen der Felsformation als el-qal'at dschauisch. 28

G . STERNBERG, B e t h e l ,

12; J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 2 f . ; U .

D o r f k u l t u r , 1 8 5 ; I. FINKELSTEIN/Y. MAGEN, B e n j a m i n .

ZWINGENBERGER,

Bet-El im Spiegel seiner

25

Umwelt

Flusstäler gekennzeichnet: Das südöstlich gelegene Wädi el-Gäye gehört zu den Ausläufern eines zum Jordan fuhrenden Wadisystems. Das Wädi Seybbän bzw. Wädi et-Tahüne verläuft zunächst südlich und biegt dann nach Osten ab, wo es sich ebenfalls mit jordanwärts führenden Tälern vereinigt 29 . In nord- und südwestlicher Richtung verlaufen verschiedene Täler 30 . Eine markante Westgrenze gibt es nicht; im Westen verläuft nur ein flaches, schmales Tal. Albright nimmt an, dass die Talsohle durch Auswaschung angestiegen ist und in antiker Zeit tiefer und stärker trennend war 31 . Da Betin in einer Mulde liegt, ist die freie Sicht eingeschränkt. Von der höchsten Erhebung der Umgebung aus ist die freie Sicht südöstlich nach et-TelllAi und südwestlich nach En-Nebi Samwil und Rämalläh möglich, also bis ca. 3 km in beide Richtungen. Der Ort selbst bietet keine freien Sichtmöglichkeiten 32 . Solange das Gelände noch bewaldet war, also mindestens bis in die Eisen-I-Zeit, dürfte die Fernsicht noch stärker eingeschränkt gewesen sein. Dass es in einem so problematischen Gelände überhaupt zu einer Siedlung kam, noch dazu einer frühzeitigen und langfristigen, ist ungewöhnlich. Sehr wahrscheinlich verdankt Betin/Bet-El seine Entstehung und sein Überleben dem Wasserreichtum der Gegend. Spätestens in byzantinischer Zeit wurde die Wasserversorgung direkt im Ort gewährleistet, und zwar durch eine Teichanlage im Südwesten und einen Brunnen im Nordosten 33 . Beide zu diesen Anlagen gehörenden Quellen lagen in vorbyzantinischer Zeit knapp außerhalb von Betin/Bet-El. In südwestlicher Richtung liegen vier Quellen in unmittelbarer Nähe des Ortes sowie drei nordwestlich, in östlicher Richtung noch eine weitere 34 . Die Wasserversorgung Betins ist somit für lange Zeit ausreichend gewesen: Zisternen und Wasserspeicher stammen erst aus römischer Zeit oder später 35 . Betin ist wie das ganze zentralpalästinische Gebirge vom jahreszeitlichen Wechsel zwischen regenreichen Wintern und trockenen Sommern geprägt. Die Jahresdurchschnittsmenge an Niederschlag liegt bei 694 mm 36 . Die Regenzeit liegt zwischen Oktober und April, die größten Niederschlagsmengen werden zwischen Dezember und Februar erreicht

29 J.L. KELSO, Excavation, 2. Dort wird das Wädi et-Tahüne siert; G. STERNBERG, Bethel, 4; K. KOENEN, Bethel, 4. 30 G. STERNBERG, Bethel, 4. 31 J.L. KELSO, Excavation, 2. 32 U. ZwiNGENBERGER, Dorfkultur, 185. 33 G. STERNBERG, Bethel, 6f.; J.L. KELSO, Excavation, 42f. 34 I. FLNKELSTEIN/Y. MAGEN, Benjamin (Karte). 35 J.L. KELSO, Excavation, 41. 36

im Osten Bethels lokali-

A n g a b e n a c h : PASSIA. T H E PALESTINIAN ACADEMIC SOCIETY FOR THE STUDY OF

INTERNATIONAL AFFAIRS (WWW.PASSIA.ORG) f ü r d e n D i s t r i k t R a m a l l a h ( 1 9 6 7 - 1 9 9 8 ) .

26

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

(116-143 mm) 3 7 . Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 16-17° C, im Sommer 22-26° C, im Winter 8-10° C 38 . Die Niederschlagsmenge nimmt nach Süden merklich ab: In Teil en-NasbelM\zpa und Jerusalem liegt sie bei 600 mm/Jahr oder sogar darunter. Die Niederschlagsmenge hat - in Verbindung mit weiteren Parametern - Bedeutung für die landwirtschaftliche Nutzung des Geländes und damit für die Lebensgrundlage der Region. Diese Bedingungen sollen im nächsten Abschnitt untersucht werden. An dieser Stelle ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass unter geographischer und klimatischer Perspektive Betin günstige Bedingungen für eine dauerhafte und ungefährdete Besiedlung hat. Vor allem die unabhängige Wasserversorgung dürfte den Ausschlag für die erste Besiedlung in der Bronzezeit gegeben haben, die ungewöhnlichen topographischen Bedingungen wie die unübersichtliche Lage sind demgegenüber offensichtlich von geringerer Bedeutung. 1.2.2 Böden und natürliche

Ressourcen

Betins Boden wird aus cenomanen Gesteinsformationen gebildet: Der Kalkstein der Amminadab-Formation verwittert zur mediterranen Terra rossa', sie ist in Bet-El durchsetzt mit dem lehmigen Mergel der MozaFormation 39 . Die in einem Drei-Kilometer-Radius gelegenen Taleinschnitte tragen Schwemmlandböden 40 . Betin verfügt damit über für die Landwirtschaft nutzbaren Boden. Vor allem die regionstypische Terra rossa weist einen ausreichenden Mineraliengehalt auf. Allerdings lässt sie sich schwer bearbeiten: Sie ist flach, von grober bis steiniger Beschaffenheit, wird in der Trockenzeit extrem hart und in der Regenzeit schlammig. Südlich von Betin wird die Terra rossa von der leichter zu bearbeitenden Rendzina abgelöst. Der lehmige Mergel in Betin bietet die Möglichkeit zur Gewinnung von Ton zur Keramikproduktion sowie Lehm zum Hausbau. Hinsichtlich der Vegetation gehört Betin mit dem gesamten Bergland Israel-Palästinas zur ostmediterranen Vegetationszone. Boden- und klimatische Bedingungen lassen hier die typische Berglandvegetation entstehen, die aus Wald bzw. Buschwald/Macchia besteht. In ihm dominieren immergrüne Kalliprinoseichen (Quercus coccifera), Palästina-Pistazien (Pistacia palaestinä) und Aleppokiefern (Pinns halepensis), die in der Lage sind, mit ihren Wurzeln den Kalksteinboden zu durchdringen. Die Bäume sind mit einer Reihe weiterer Pflanzen vergesellschaftet, so dass eine vielfaltige 37

Angabe nach:

THE EXECUTIVE ACTION TEAM

(EXACT).

MULTILATERAL WORKING

GROUP ON W A T E R RESOURCES. WATER D A T A B A N K S PROJECT (WWW.EXACT.ME.ORG):

Overview of Middle East Water Resources. 38 EFRAIM ORNI/ELISHA EFRAT, Geography of Israel, Jerusalem 39

40

1964, 98-113.

I. FINKELSTEIN/Z. LEDERMAN/S. BUNIMOVITZ, H i g h l a n d , 7 4 . 7 9 f . U. ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 185.

Bet-El im Spiegel seiner

Umwelt

27

Vegetation entsteht 41 . Der Waldbestand in Betin liefert eine Reihe natürlicher Ressourcen, in erster Linie Holz. Zumindest in der frühen Eisenzeit und wahrscheinlich auch davor war dies ein wichtiges Baumaterial 42 . Außerdem ist der Wald mit einer Reihe nutzbarer Pflanzen vergesellschaftet. Der mehrfache Bezug auf Bet-Els „früheren" Namen Luz 43 deutet auf das Vorhandensein von Mandelbäumen (Prunus amygdalis), die wild in Buschwald und Macchia vorkommen können 44 . Auch der Apfelbaum gedeiht unter diesen Bedingungen 45 . Unter den Pflanzen, die die Gesellschaft des Baumbestandes bilden, ist außerdem der Gemeine Hagedorn (Crataegus), der essbare Früchte trägt. Die Gesellschaftspflanzen eignen sich darüber hinaus als Ziegenweide. Der Waldbestand der Region um Betin bietet also von Anfang an die Möglichkeit zur Nutzung durch den Menschen, zu der neben Nahrung und Holz auch weitere Produkte gehören. Der Waldbestand der Region bildet einen Lebensraum für Wildtiere. Über Fleisch hinaus liefern sie auch Knochen und Häute 46 . Zu den jagdbaren Tieren gehören Dam- und Rotwild sowie Rehe, wahrscheinlich auch Wildziege und Wildschwein, dazu Vogelarten wie Tauben, Steinhuhn und Singvögel 47 . Durch die höhere Lage und den höheren Niederschlag dürfte die Region um Betln ursprünglich dichter bewaldet gewesen sein als der unmittelbar angrenzende Südabfall, wo mit stärkerer Dominanz von Macchia bzw. Garrigue zu rechnen ist. Der Waldbestand ist nicht völlig flächendeckend, sondern mit Grasland durchsetzt, bietet also natürliche Voraussetzungen für Viehhaltung, wohingegen Macchia und Garrigue zu 100 % den Boden bedecken und daher aufwändiger gerodet werden müssen, um landwirtschaftliche Nutzflächen zu gewinnen 48 . Bei allen positiven Voraussetzungen, die der Waldbestand um Betin bietet, ist jedoch auch mit Schwierigkeiten zu rechnen. Zunächst besteht durchgehend die Gefahr von Waldbränden, die die Siedlungen zerstören können. Betin hat in seiner langen Geschichte mindestens einen verheerenden Brand erlitten: Im Übergang von der Bronze- zur frühen Eisenzeit wurde der Ort fast vollständig durch Feuer zerstört 49 . Auch früher und spä41 Vgl. ausfuhrlich MICHAEL ZOHARY, Vegetation of Israel and Adjacent Areas, Wiesbaden 1982 (BTAVO AI), 59f. 65f. 42 J.L. KELSO, Excavation, 32. 43 Gen 28,19; 35,6; Jos 16,2; 18,13; Ri 1,23.26. 44 MICHAEL ZOHARY, Flora Palaestina. Part II. Platanaceae to Umbelliferae, Jerusalem 1992, 21 f. 45 MICHAEL ZOHARY, Pflanzen der Bibel, Stuttgart 1995, 70. 46 Vgl. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 304f. 47 FREDERICK S. BODENHEIMER, Animal and Man in Bible Lands, Leiden 1960, 49f.56-58. 48 D.C. HOPKINS, Highlands, 114. 49 Vgl. J.L. KELSO, Excavation, 32, der dieses Feuer auf die Landnahme zurückfuhrt.

28

„ Und er nannte die Stätte Bet-El"

ter finden sich immer wieder Brandspuren. Feuer dürfte auch zu den nicht zu unterschätzenden Voraussetzungen für die Entwaldung der Region um Betin zu zählen sein, seien sie zufallig verursacht oder absichtlich gelegt, um bessere Bedingungen für Jagd, Siedlung und Landwirtschaft zu erzielen. Somit ist der größere Teil der Entwaldung durch menschlichen Eingriff in das Waldland verursacht 50 . Es ist damit zu rechnen, dass der Waldbestand um Betin/Bet-El mit der Zeit signifikant zurückgegangen ist. Eine Art Entwaldung könnte bereits in der Mittebronzezeit eingesetzt haben, als Bétin/Bet-El seine erste städtische Phase erlebte, und hat wohl mit wachsender Siedlungsdichte auch in der Region in der Eisenzeit immer mehr zugenommen. Zwischenzeitliche Phasen des Bevölkerungsrückgangs - für Betin/Bet-El eventuell im frühen 11. und im 7.16. Jh. v. Chr. - führen zwar zu einer gewissen Erholung des Waldbestandes, doch auf lange Sicht wandelt sich der nachwachsende Baumbestand zu Garrigue bzw. Batha. Die endgültige systematische Entwaldung setzt vermutlich erst in römischer oder byzantinischer Zeit ein. Bei dem hohen Aufkommen an Niederschlag in Betin ist seit der systematischen Rodung des Waldbestandes das Problem der Bodenerosion gegeben gewesen, die eine immer schwierigere landwirtschaftliche Nutzung zur Folge hat. Terrassierung des Geländes ist in der Lage, diesem Problem zu begegnen. Mit ihr lässt sich die Verringerung der Nutzfläche aufhalten und sogar eine größere Anbaufläche gewinnen. In Verbindung mit konsequenter Wasserversorgung wäre Betin damit in der Lage gewesen, relativ sicheren landwirtschaftlichen Ertrag zu gewährleisten. Heute wird diese Technik in Betin auch angewandt, Terrassen aus biblischer Zeit sind aber in Z?éíf«/Bet-El nicht nachgewiesen 51 . Entwaldung und Erosion wurden wahrscheinlich erst nach der byzantinischen Zeit zu einem lebensbedrohlichen Problem, als das Verfahren der Terrassierung aufgegeben wurde 52 . Anscheinend wurde Bétin im Mittelalter endgültig verlassen, wohl auch, weil die Ressourcen nicht mehr ausreichend waren. Heute ist die Region durch den typischen Batha-Bewuchs gekennzeichnet. Von den natürlichen Ressourcen aus gesehen bietet Bétin ausreichende Voraussetzungen für eine subsistente Landwirtschaft. Diese war mit großer Sicherheit die langfristige Lebensgrundlage Bet-Els und soll im nächsten Abschnitt detailliert beschrieben werden.

50

Vgl. I. FINKELSTEIN/Z. LEDERMAN/S. BUNIMOVITZ, Highland, 88.101. (Lit.); NlLI LLPHSCHITZ, Palaeobotanical Remains from Mount Ebal: Tel Aviv 13-14 (1986-1987), 190f.; RAM GOPHNA/NILI LIPHSCHITZ/SIMCHA LEV-YADUN, Man's Impact on the Natural Vegetation of the Central Coastal Plain of Israel during the Chalcolithic Period and the Bronze Age: Tel Aviv 13 (1986), 71-84. 51

V g l . U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 3 0 5 - 3 0 8 .

52

D.C. HOPKINS, Highlands, 122.

Bet-El im Spiegel seiner Umwelt

1.2.3 Landwirtschaftliche

29

Nutzung: Ackerbau und Viehhaltung

Im Unterschied zu anderen Grabungen in der Region des südlichen Mittelpalästina — z. B. Khirbet SelünlSilo und Khirbet ed-DawwäraSi - ist die landwirtschaftliche Produktion in Betin/Bet-El durch die Ausgräber nicht systematisch untersucht worden. Die heutigen landwirtschaftlichen Prozesse in Betin lassen sich nicht auf die biblische Zeit übertragen, da sich durch Erosion und Entwaldung das Gesicht des Ortes und seine agrarischen Bedingungen entscheidend gewandelt haben. Trotzdem steht genügend Datenmaterial zur Verfügung, um die landwirtschaftlichen Bedingungen Be/¡Tw/Bet-Els transparent werden zu lassen. Grundsätzlich ruht die landwirtschaftliche Produktion in Z?eii«/Bet-El, wie fast überall in Palästina, auf zwei Säulen, dem Ackerbau und der Kleinviehhaltung. Unter den Ackerbauprodukten nimmt das Getreide den weitaus größten Raum ein. Das bedeutendste Getreide in ganz Israel ist der Weizen (Triticum aestivum), der mit dem ersten Regen gesät und im Juni/Juli geerntet wird 54 . Hinsichtlich der klimatischen und Bodenbedingungen ist Betin jedoch nicht ideal für den Weizenanbau. Die besten Bodenbedingungen dafür bieten wasserführende Tonböden mit hohem Nitratgehalt 55 , die sich eher in et-Tell/Ai als in Betin finden56. Für einen sicheren Ertrag an Weizen ist in Betin außerdem der Winter zu kalt und der Regen zu stark 57 . Insofern ist für Betln mit einem größeren Anteil von Gerste (Hordeum distichum) zu rechnen. Gerste kann auf Kalksteinboden kultiviert werden und wegen ihrer kurzen Lebensdauer auch im Bergland und sogar bei großer Höhe sicheren Ertrag bringen 58 . Gerste liefert überdies quantitativ einen höheren Ertrag als Weizen, muss aber, da ernährungsphysiologisch weniger wertvoll, in größerer Menge konsumiert werden. Sie wird gleichzeitig mit dem Weizen gesät, aber bereits im März/April geerntet, d.h. sie steht früher zur Verfügung als Weizen. Der fehlende Nitratgehalt des Bodens lässt sich indes durch (tierischen) Dünger ausgleichen, so dass ein Anbau von Weizen in Betin grundsätzlich möglich ist, aber niemals einen hohen Ertrag liefern wird. Möglicherweise wurden in Betln beide Getreidearten kultiviert, um Ernteverluste auszugleichen 59 . Für das gesamte ephraimitische Bergland gilt, dass Saat und Ernte früher stattfin-

53 54

V g l . U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 3 0 8 - 3 1 4 . M . ZOHARY, P f l a n z e n , 74.

55

ODED BOROWSKI, Agriculture in Iron Age Israel, Winona Lake/In. 1987, 89.

56

U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 1 8 0 f . 3 0 6 .

57

Nach O. BOROWSKI, Agriculture, 89f. liefert Weizen den höchsten Ertrag bei hohen Wintertemperaturen, 500-700 mm durchschnittlichem Niederschlag und moderatem Frühregen. 58

O . BOROWSKI, A g r i c u l t u r e , 9 I f .

59

D. C. HOPKINS, Highlands, 241-243.

30

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

den als in Benjamin und in Juda - der Unterschied beträgt etwa drei bis vier Wochen 60 . In Verbindung mit tierischen Produkten lässt sich der Nahrungsbedarf mit Getreide decken. Trotzdem wäre zu erwägen, ob zum Getreideanbau in Betin zusätzlich noch die Kultivation von Linsen trat. Bei ausreichendem Niederschlag gedeiht die Linse (Lens culinaris) bis 1200 m Höhe. Sie wird im Winter geerntet 61 und in Israel im Feldbau kultiviert. Weitere Hülsenfrüchte können in Betin wegen des Kalksteinbodens nicht angebaut werden 62 . Damit ist die Ernährungsgrundlage bei pflanzlichen Produkten in Betin zwar sicher und vom ernährungsphysiologischen Standpunkt aus auch ausreichend, im Vergleich zu anderen Gebieten, die Weizen und eine größere Vielfalt an Hülsenfrüchten produzieren können, aber eher ärmlich. Eine Erweiterung der pflanzlichen Ernährungsgrundlage ist in Betin nur in sehr geringem Umfang möglich. Der Ort liegt oberhalb der Ölbaumgrenze 63 , für Feigen ist der Boden von ungeeigneter Beschaffenheit und die Niederschlagsmenge zu hoch. Die nahegelegenen Taleinschnitte bieten die Gelegenheit zu Obst-, Öl- und Weinbau in geringem Umfang. Die Grabung in Betin!Bet-El forderte eine Anlage zur Olivenölgewinnung aus der späten Bronzezeit bzw. frühen Eisenzeit zutage, so dass die Ölproduktion am Ort erwiesen ist. Gemüseanbau spielt in der Antike eine geringe Rolle in der Landwirtschaft. So wird die pflanzliche Ernährung in Betin!Bet-El hauptsächlich durch Getreide und evtl. Linsen gedeckt worden sein. Hinzu kamen wahrscheinlich kleinere Mengen von Baum- und Gartenfrüchten sowie Wildpflanzen. Heute wird in Betin weniger Getreide als Gartenfrüchte und Wein angebaut 64 , was sich der nach wie vor zuverlässigen Wasserversorgung verdankt, jedoch kaum die Bedingungen in vorchristlicher Zeit reflektiert. Zur Textilherstellung benötigte Pflanzen 65 , vor allem Flachs, können in Betin!Bet-El nicht kultiviert werden. Kleidung und andere Textilien bestanden daher aus Schafwolle, Ziegenhaar und Leder. 60 Die Verlegung des Erntefesttermins durch Jerobeam I. (lKön 12,30) trägt möglicherweise diesem Umstand Rechnung, vgl. SHEMARYAHU TALMON, Die Kalender- und Kultreform Jerobeams I., in: DERS., Gesellschaft und Literatur in der Hebräischen Bibel. Gesammelte Aufsätze Bd. 1, Neukirchen-Vluyn 1988 (Information Judentum 8), 56-79, hier 62-65. 61

M . ZOHARY, P f l a n z e n , 8 1 .

62

Die sonst vielfach verbreiteten Leguminosen Kichererbse (Cicer aretinum), Erbse (Pisum sativum), Puffbohne (Vicia faba) und die als Viehfutter genutzte Wicke (Vicia ervilia)

b e n ö t i g e n T o n b ö d e n , v g l . O . BOROWSKI, A g r i c u l t u r e , 9 4 - 9 6 ; BARUCH ROSEN,

S u b s i s t e n c e E c o n o m y i n I r o n A g e I, in: ISRAEL FLNKELSTEIN/NADAV N A ' A M A N ,

From

Nomadism to Monarchy. Archaeological and Historical Aspects of Early Israel, Jerusalem/Washington D.C., 1994, 339-351, hier 342. 63

U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 3 9 .

64

J.L. KELSO, E x c a v a t i o n , 3.

65

O . BOROWSKI, A g r i c u l t u r e , 9 9 ; B . ROSEN, S u b s i s t e n c e E c o n o m y , 3 4 1 .

Bet-El im Spiegel seiner Umwelt

31

Kleinviehhaltung bildet die zweite Säule der Landwirtschaft des palästinischen Berglands. Dabei stellen Ackerbau und Viehhaltung keine voneinander getrennten Bereiche dar, sondern stehen in einem Wechselverhältnis zueinander. Das Vieh ergänzt das Nahrungsangebot durch Milchprodukte und Fleisch 66 und liefert mit Wolle, Haaren, Leder, Knochen und Horn weitere Produkte des täglichen Bedarfs. Vor allem Ziegen gedeihen auch bei spärlichem Nahrungsangebot, d.h. mit ihnen kann ein Ernteausfall überbrückt werden. Kleinvieh benötigt kein zusätzliches Weideland, vielmehr kann das Abweiden von Dorn-, Kraut- und Bathabewuchs sowie von Feldrändern und Stoppelfeldern die notwendigen Voraussetzung zur ackerbaulichen Nutzung des Landes schaffen. In Betin!Bet-El fand vermutlich mobile Viehwirtschaft statt, die durch den lokalen Quellenreichtum noch erleichtert wird. Überdies wird das Land durch durchziehende Viehherden gedüngt, so dass Viehhaltung zur Bodenverbesserung beiträgt 67 . Das Verhältnis von Schafen und Ziegen in Betin/Bet-El lässt sich nicht sicher bestimmen. Der Grabungsbericht verzeichnet nur - zufallig entdeckte - Ziegenknochen 6 8 . Nach Kelsos Angaben fanden sich darüber hinaus auch Rinderknochen 6 9 . Das Rind wird in Palästina vor allem als Arbeitstier gehalten. Sein Einsatz beim Pflügen und Dreschen erleichtert den Ackerbau erheblich und verbessert so dessen Ertrag 70 , so dass auch bei der Rinderhaltung Ackerbau und Viehhaltung miteinander interagieren. Indes ist die Rinderhaltung ungleich aufwändiger als die Kleinviehhaltung, da Rinder Weideland und - während der Arbeitszeit - zusätzliches Futter benötigen, das auf Kosten des für die menschliche Ernährung benötigten Getreides produziert werden muss 71 . Für Betin lässt sich die Relation zwischen Rinderhaltung und Getreideanbau nicht sicher nachweisen, denn es wurde nur eine einzige Pflugschar gefunden 7 2 , die mit den Rinderknochen außerdem in keinem zeitlichen Zusammenhang steht. Ob und in welchem Ausmaß in BetTn weitere Nutztiere gehalten wurden, lässt sich nicht feststellen. In Frage kommen Esel, Pferde, Hunde, Schweine und Geflügel, die jedoch gegenüber Klein- und Rindvieh von geringer Bedeutung sind. Man wird von ihrer Haltung ausgehen können, jedoch ist Zucht in größerem Umfang - etwa als Erwerbszweig - kaum anzunehmen 7 3 . 66

Vgl. B. ROSEN, Subsistence Economy, 343-348. Vgl. D.C. HOPKINS, Highlands, 206f. Ob das Prinzip der Bodenverbesserung durch Düngung in biblischer Zeit vollständig entwickelt war, bleibt offen (S. 202-208). 68 J.L. KELSO, Excavation, 17. 69 J.L. KELSO, Excavation, 26. 70 Vgl. B. ROSEN, Subsistence Economy, 343. 71 Vgl. dazu B. ROSEN, Subsistence Economy, 347. 72 J.L. KELSO, Excavation, 127 (Nr. 1020). 73 Vgl. dazu insgesamt B. ROSEN, Subsistence Economy, 340f. Eine gewisse Ausnahme bildet der Esel, insofern er als Transporttier zur Überbrückung größerer Entfer67

32

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Das InteraktionsVerhältnis zwischen Ackerbau und Viehhaltung zeigt exemplarisch, ein wie komplexes System die Landwirtschaft im zentralpalästinischen Bergland bildet. Diese Komplexität ist den schwierigen geographischen und klimatischen Bedingungen geschuldet. 1.2.4

Schlussfolgerungen

Die geographischen und klimatischen Bedingungen sind im gesamten palästinischen Bergland ähnlich. Das Uberleben der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Region hängt davon ab, wie die unregelmäßige Wasserversorgung, der schwierige Boden und die Bodenerosion gemeistert werden. Diese Faktoren nötigen die Bevölkerung bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu einer planvollen Risikominimierung 74 durch eine gezielte Wahl des Siedlungsplatzes, variationsreiche Landwirtschaft, nachhaltige Vorratswirtschaft und ständige Verbesserung des Ertrags durch den Einsatz technischer Mittel und praktischer Erkenntnisse 75 . In der Region zwischen Betin/Bet-El und Khirbet .S'e/ww/Silo sind die Voraussetzungen für Siedlung und Uberleben noch einmal erschwert. Zu den allgemeinen Problemen der Wasserversorgung und der Bodenbedingungen kommt hier das extrem zerklüftete Gelände, das kaum jemals zusammenhängende nutz- oder besiedelbare größere Flächen bietet 76 . In Betin ist der relative Wasserreichtum der erste Schritt zur Risikominimierung und zur Sicherung der Lebensgrundlage, obwohl auch hier immer mit der Gefahr der Dürre zu rechnen ist. Überdies ist der Terra-rossa-Boden ein schwer zu bewirtschaftendes Terrain, dessen Ertrag nicht zu hoch zu veranschlagen ist 77 . Dass Betin unter seinen schwierigen Bedingungen so eine lange Siedlungsgeschichte aufweist, zeigt, dass die Probleme verhältnismäßig gut gemeistert wurden. Wenn sogar Olproduktion 78 und Rinderhaltung stattfinden konnten, liegt ein Hinweis darauf vor, dass die Bedingungen optimal genutzt wurden. D.h. die Grundzüge der „Überlebensstratenungen eingesetzt werden kann. ADAM ZERTAL, The Water Factor during the Israelite Settlement Process in Canaan, in: MICHAEL L. HELTZER/EDWARD LLPINSKI (HG.), Society and Economy in the Eastern Mediterranean (ca. 1500-1000 B.C.). Proceedings of the International symposium held at the University of Haifa from the 28 th of April to the 2"d of May, Leuven 1988 (OLA 23), 341-352, hier 350f. hat dies vor allem für die Wasserversorgung früheisenzeitlicher Siedlungen im Bergland plausibel gemacht. 74 D.C. HOPKINS, Highlands, passim. 75 Vgl. D.C. HOPKINS, Highlands, 265-269, bes. 266f. 76

77

V g l . I. FLNKELSTEIN/Z. LEDERMAN/S. BUNIMOVITZ, H i g h l a n d , 1 0 5 . 1 1 4 .

JEFFREY R. ZORN, Estimating the Population Size of Ancient Settlements: Methods, Problems, Solutions, and a Case Study: BASOR 295 (1994), 31-48, hier 43 berechnet einen durchschnittlichen Jahresertrag von 800 kg Gerste bzw. 650 kg Weizen pro Hektar Anbaufläche. Seine Berechnungen basieren jedoch auf Zahlen aus moderner Zeit. Für vorchristliche Zeiten ist ein deutlich geringerer Ertrag zu veranschlagen. 78 B. ROSEN, Subsistence Economy, 345.

Bet-El im Spiegel seiner

Umwelt

33

gien" 79 wurden in Betin!Bet-El anscheinend bereits in der Bronzezeit etabliert und in nachfolgenden Epochen - vor allem durch technischen Einsatz und ständig verbesserte Vorratswirtschaft — kontinuierlich optimiert. Beim/Bet-El war somit zu einer dauerhaften dörflichen, gelegentlich sogar städtischen Existenz in der Lage. Man wird trotz dieser Beobachtungen 5efirc/Bet-Els Größe und Bevölkerungszahl nicht zu hoch ansetzen dürfen. Vor der byzantinischen Zeit, als der Ort signifikant vergrößert wurde, bedeckte 5eii«/Bet-El einigermaßen konstant eine Fläche von 1,7 ha 80 . Damit könnten in Betin!Bet-El ca. 425 Personen gelebt haben 81 . Diese Zahl benötigt eine Anbaufläche für Getreide von etwa 113 ha 82 , die in der unmittelbaren Umgebung auch zur Verfügung stehen. Diese geschätzte Bevölkerungszahl wird über Beifn/Bet-Els Geschichte hinweg nicht unbedingt konstant gewesen sein. Verbesserte Techniken in der landwirtschaftlichen Produktion wie etwa Terrassierung des Geländes, nachhaltige Vorratswirtschaft, Außenkontakte und eine gute Infrastruktur machen es möglich, dass ße/m/Bet-El mit der Zeit gewachsen ist. Genaue Daten stehen nicht zur Verfügung. 1.3

Betln/Bet-El in seiner kulturellen Umgebung: Siedlungsgeographische Faktoren

1.3.1 Handwerk und Handel Betin!Bet-Els geographische und topographische Bedingungen sowie seine Ressourcen ermöglichen die Grundversorgung des Ortes mit Lebensmitteln. Auch für alle weiteren Gegenstände des täglichen Bedarfs stehen die Rohstoffe damit zur Verfugung (Stein, Holz und Lehm/Ton), oder werden im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion erzeugt (Wolle, Leder, Knochen, Horn). Sämtliche Produktionszweige sind in ¿?e/7«/Bet-El nachgewiesen: Holz- und Steinbearbeitung durch die entsprechenden Werkzeuge bzw. erzeugte Gegenstände, Keramik durch Gefäße sowie Poliersteine und eine Töpferscheibe, Textil- und Lederverarbeitung durch Nadeln, Spindeln und Spinnwirtel sowie Webgewichte und einen Färbebottich 83 . 79

B. ROSEN, Subsistence Economy, 339. Die Berechnung ergibt sich aus der Gesamtfläche des ausgegrabenen Terrains, das Kelso zu Folge von der Stadtmauer umschlossen war, vgl. J.L.KELSO, Excavation, PI. 120; K. KOENEN, Bethel, 28. WILLIAM G. DEVER, Art. Beitin: ABD I (1992), 651f. und U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 154 rechnen mit 1,6 ha. 80

81

Z u g r u n d e g e l e g t ist h i e r d a s M o d e l l v o n I. FLNKELSTEIN/Z. LEDERMAN/S. BUNIMO-

VITZ, Highland, 121-124. Eine höhere Schätzung bietet sich auf Grund der schwierigen Siedlungsbedingungen in Betin/Bet-El nicht an. Berechnungen auf der Basis der Wohnfläche (vgl. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 515) sind in Betin/Bet-El wegen des problematischen Ausgrabungsergebnisses nicht möglich. 82 Nach dem Modell von JEFFREY R. ZORN, Estimating, 43. 83 J.L. KELSO, Excavation, 112.117.118.120.123.126-128; PI. 12b.

34

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Gibt es auf diesem Weg auch sichere Anzeichen für handwerkliche Produktion in BetTn!Bet-El, so lässt sich doch nicht erkennen, ob sich ein Handwerkerstand für alle oder zumindest einige Bereiche etablieren konnte. Prinzipiell gilt für alle Bereiche der handwerklichen Produktion in Beizw/Bet-El, dass technische Spezialkenntnisse oder eine ständig ausgeübte Tätigkeit nicht erforderlich waren 84 , so dass alles Handwerk grundsätzlich neben der Landwirtschaft stattfinden konnte. Andererseits ist die Herausbildung spezieller Handwerkszweige in Be/fw/Bet-El nicht völlig ausgeschlossen. Für die Bronzezeit verzeichnen die Ausgräber einen hohen technischen Standard des Bauwesens 85 , so dass sich zumindest für diese Periode ein Bauhandwerk vermuten lassen könnte. In derselben Zeit findet sich auch besonders gut ausgeführte Keramik, die sogar ein eigenständiges Dekor entwickelt 86 . D.h. auch die Töpferei könnte während der Bronzezeit in BetTn!Bet-El in spezialisierten Händen gelegen haben. Die Qualität dieser handwerklichen Produkte nimmt nach der Bronzezeit in BetTn!Bet-El wieder signifikant ab, und dieser Zustand hält bis in die Eisen-II-Zeit an. Trotzdem fand sich in Betln/Bet-FA eine Töpferscheibe in eisen-I-zeitlichem Zusammenhang 8 7 , so dass sich erwägen ließe, ob BetTn/Bet-El auch weiterhin über ein spezialisiertes Keramikhandwerk verfügte. Die reichhaltigen Tonvorkommen in der Umgebung mögen dies erleichtert haben; es fehlen jedoch genauere Daten, auch für spätere Epochen 88 . Positive Hinweise auf ein spezialisiertes Handwerk würden BetTn!Bet-El ein eher städtisches Profil verleihen. Für die Bronzezeit lässt sich dies vermuten, für spätere Zeiten fehlen aber sichere materiale Hinweise. Es lassen sich aber zu keiner Zeit Anzeichen für eine gezielte Uberschussproduktion handwerklicher Produkte finden. D.h. es bleibt unklar, inwieweit sich in 5e/F«/Bet-El ein Handwerk als Produktionszweig etablieren konnte, der ein differenziertes soziologisches Profil und/oder größeren Aktionsradius des Ortes zur Folge gehabt hätte. Die meisten Werkzeuge und Geräte bestehen in BetTn! Bet-El bis in die Eisen-II-Zeit hinein überwiegend aus Knochen, Stein und Flint 89 . Auch diese Gegenstände wurden also aus lokalen Rohstoffen und wohl vor Ort hergestellt, d.h. auch ausgeübte handwerkliche Tätigkeiten blieben für lange Zeit auf einem sehr einfachen technologischen Standard. Trotzdem findet sich eine Anzahl von Gegenständen aus Metall. Dabei werden Bronze und Eisen ausweislich der Funde in Se/zw/Bet-El überwiegend für Waffen

84

85 86 87

88 89

V g l . U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 4 2 8 - 4 3 3 .

J.L. KELSO, Excavation, 23-36. J.L. KELSO, Excavation, 59. J.L. KELSO, Excavation, 66. Vgl. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 424f. J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 1 1 7 . 1 2 0 . 1 2 3 . 1 2 6 - 1 2 8 .

Bet-El im Spiegel seiner

Umwelt

35

und Schmuck verwendet, erst relativ spät erscheinen auch Werkzeuge aus Metall 90 . Es fehlen jedoch jegliche Hinweise auf ein Metallhandwerk in 5eiiw/Bet-El. Zwar hat Kelso einen früheisenzeitlichen Schmelztiegel identifizieren wollen, doch alle weiteren benötigten Geräte wie etwa Schmelzöfen oder Ambosse fehlen. Es ist daher wenig wahrscheinlich, dass sich in Betini Bet-El jemals ein Metall- bzw. Schmiedehandwerk etabliert hat. Die Metallgegenstände sind von außen nach Betin/Bet-El gelangt. Außer den Gegenständen aus Metall lassen sich Außenkontakte Beifn/Bet-Els aus einer Reihe weiterer Gegenstände erschließen. Relativ charakteristisch für .ße/Tw/Bet-El sind Mörser aus Basalt, von denen insgesamt sechs aus allen archäologischen Perioden gefunden wurden, außerdem als Einzelfund eine spätbronzezeitliche Schale aus demselben Material 91 . Basalt kommt nur östlich des Toten Meeres und in Galiläa vor. Ob für die genannten Gegenstände lediglich der Rohstein nach Betm!Bet-El importiert wurde oder ob die Geräte fertig dorthin gelangten, lässt sich nicht mehr feststellen. Gleiches gilt für die zu Schmuckzwecken verwendeten Materialien Karneol und Paste: Sie finden sich in BetTnlBet-El kontinuierlich in allen Perioden und bilden unter den Edelmaterialien die am häufigsten verwendeten 9 2 . Karneol kommt sowohl in Ägypten als auch in Mesopotamien vor, Paste ist ein weit verbreitetes Produkt. Die Bezugsquellen könnten sich mit der Zeit geändert haben. Ebenso wahrscheinlich ist, dass Betin/Bei-El seine Schmucksteine 93 nicht direkt aus den Herkunftsländern bezog, sondern von Handelsplätzen an der Mittelmeerküste oder aus den Zentren der späteren Staaten Israel und Juda 94 . Für die Bronzezeit lassen sich jedoch umfangreiche Kontakte mit Ägypten bzw. dem ägyptisch beeinflussten Raum annehmen. Aus dieser Zeit findet sich in £e/z«/Bet-El eine relativ große Menge ägyptischer Produkte, nämlich Gegenstände aus Alabaster, Fayence und Fritte 95 , die auch gestalterisch ägyptischen Einfluss zeigen. Sind die zur Schmuckherstellung genutzten Materialien zwar ein relativ sicheres Indiz für Außenkontakte BetiniBet-Els - in der Bronzezeit vor allem mit dem ägyptischen Kulturraum - so lässt sich doch über die Art dieser Kontakte wenig sagen. Am ehesten denkbar ist eine Art von Handel. 90

J.L. KELSO, Excavation, 113.124f. 126-128. J.L. KELSO, Excavation, 123f. 92 Vgl J.L. KELSO, Excavation, 114f. Von den 57 Perlen aus Edelmaterial (Glas, Fayence, Paste, Fritte, Muscheln, Halbedelsteine) sind 14 aus Karneol und sieben aus Paste. 93 Es sind insgesamt nur sehr wenige Gegenstände, von denen auch nicht bekannt ist, für wie lange Zeit sie in Gebrauch waren. Es finden sich ausweislich der Fundliste bei J.L. KELSO, Excavation, 114f. vier Perlen aus Steatit, je drei aus Muschel, Achat und Quarz und j e eine aus Koralle, Elfenbein, Hämatit, Topas und Bernstein. 94 Zur frühen Eisenzeit vgl. dazu U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 507-511. 95 J.L. KELSO, Excavation, 114f.118.123f. 91

36

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Grundsätzlich gilt aber, dass es in Betln/Bet-El bis zur hellenistischen Zeit keine Hinweise auf ein Handelssystem gibt. Es fehlen Aufzeichnungen, die eisen-II-zeitlichen Gewichte, die auf ein Standardsystem bei Maßen und Gewichten weisen, sind spärlich, und auch ein vereinzelter /m/£-Stempel sagt zu wenig aus. Erst griechische Krughenkel lassen den Schluss auf Weinhandel in größerem Umfang zu. Aufgrund seiner Verkehrsbedingungen bietet sich Betin/Bet-El als Handelsplatz an. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass Betln/Bet-El jemals mit Palästinas Hauptexportgütern Olivenöl und Getreide gehandelt hätte. Auf die Nahrungsmittel ist der Ort zu allen Zeiten zu stark selbst angewiesen gewesen. Trotzdem verfugt Betln/Bet-El über zum Handel geeignete Rohstoffe, nämlich Holz, Stein und Ton 96 sowie eventuell natürlich vorkommende Rohstoffe in kleinerem Umfang wie Harz, Färbematerial oder zu medizinischen und kosmetischen Zwecken benötigte Pflanzen 97 . Man wird indes nur in recht geringem Maßstab von Handel sprechen können. Tatsächlich dürfte es sich dabei um einfache Tauschverfahren gehandelt haben, die nicht auf die Erzielung von Mehrwert in Form von Waren oder gar Geld ausgerichtet waren. Insofern entsprechen diese Kontakte Betln/BetEls weniger den Bedingungen des Handels als der Kommunikation bzw. der Deckung des unmittelbaren Bedarfs 98 . Vor diesem Hintergrund sind im Bereich des Handels prinzipiell drei Ebenen zu unterscheiden. Die erste lässt sich lokal bestimmen. Auf weite Strecken seiner Geschichte bildet Betin/Bet-El die einzige stadtförmige Siedlung in einem größeren Umkreis. In diesem System übernimmt Bef/"«/Bet-El die Rolle eines städtischen Zentrums für seinen ländlichen Umkreis: Es kann handwerkliche Produkte an Nomaden oder Kleinbauern abgeben und dafür landwirtschaftliche Güter erhalten, die das Nahrungsangebot ergänzen. Die zweite Ebene des Handels lässt sich unter regionaler Perspektive erfassen. Die Region ist dabei schwer einzugrenzen, hier soll ein Fünf- bis Zehn-Kilometer-Radius vorausgesetzt werden, d.h. in etwa die Region, die außerhalb des beanspruchten Ackerlandes liegt, aber bequem zu Fuß erreicht werden kann 99 . In diesem Radius sind sowohl Kontakte von derselben Art wie unter lokaler Perspektive denkbar, außerdem aber auch der Austausch veredelter Güter bzw. lokal gebundener Rohstoffe. Als bei-

96

J.L. KELSO, Excavation, 3 weist darauf hin, dass noch zu Zeiten der Ausgrabung Steine aus den Steinbrüchen bei Betin nach Jerusalem und Amman geliefert wurden. Anders aber U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 511. 97 HELGA WEIPPERT, Palästina in vorhellenistischer Zeit. Mit einem Beitrag von Leo Mildenberger, München 1988 (Handbuch der Archäologie: Vorderasien II Band II), 325. 98 Vgl. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 507f. 99 Vgl. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 486f.

Bet-El im Spiegel

seiner

Umwelt

37

spielhaftes Indiz für diese Art Handel lässt sich das Verhältnis zwischen Seim/Bet-El und Khirbet Raddäna in der frühen Eisenzeit heranziehen: In Khirbet Raddäna wurde Keramik aus Ton gefunden, der am ehesten in ße/m/Bet-El vorkommt, wohingegen in Khirbet Raddäna positive Hinweise für Metallverabeitung vorliegen. Der Warenaustausch zwischen den beiden Orten hätte sich dann im Horizont von Ton bzw. Keramik aus Beizw/Bet-El gegen Metall (-Gegenstände) aus Khirbet Raddäna bewegt' 00 . In gleicher Weise ist ein Austausch Bet-Els mit südlichen und westlichen Ortschaften denkbar, die in der Lage waren, Öl und Wein zu liefern. Beffw/Bet-Els Gegenleistung bestünde hierbei wieder in Ton bzw. Keramik und evtl. Stein und steinernen Gegenstände. Eine dritte Ebene des Warenaustauschs schließlich hat prinzipiell eine großräumige Perspektive, die Gesamtpalästina, Ägypten, Syrien, Mesopotamien, die ostjordanischen Gebiete und die griechischen Inseln umfasst. Sowohl für einzelne Zeitabschnitte als auch für eine längere Zeit ließen sich Beziehungen Sefw/Bet-Els mit weiter entfernten Regionen vermuten. Die ägyptischen bzw. ägyptisierenden Gegenstände der Bronzezeit, die Gegenstände aus Basalt, ein vereinzeltes südarabisches Siegel aus der Eisen-Ii-Zeit, griechische Krughenkel und wenige Glasobjekte aus hellenistischer Zeit weisen insgesamt auf recht weitreichende Beziehungen Be?f«/Bet-Els. Da es sich bei den Objekten in Betin!Bet-El durchgängig nicht um Gegenstände des täglichen Bedarfs handelt, lässt sich in diesem Bereich von Handelsbeziehungen sprechen. Dabei kann außer dem eben erwogenen Rohstoffhandel noch zusätzlich vermutet werden, dass Betini BetEl am Zwischenhandel der Gesamtregion beteiligt war und als Wegstation genutzt werden konnte. Der Bestand an Gütern, die Betin!Bet-El im Austausch für Waren und Dienstleistungen erworben haben könnte, ist sehr gering. Es bleibt daher weiterhin wahrscheinlich, dass ße/m/Bet-El wirtschaftlich überwiegend auf Subsistenz bzw. eine kleinräumige ökonomische Kommunikation zentriert blieb. Trotzdem konnte sich der Ort in der Siedlungsstruktur des palästinischen Berglands und auch vor größerer Perspektive behaupten. 1.3.2 Siedlungsstrukturen

in der Region

Wie gezeigt, sind die Siedlungsbedingungen im palästinischen Gebirge schwierig. Infolgedessen liegt Betin/Bet-El in einer relativ dünn besiedelten Region Palästinas. Doch diese grundsätzliche Wahrnehmung lässt sich zeitlich und räumlich differenzieren. Nach Norden liegt Betini Bet-El kontinuierlich relativ isoliert. Dieser Sachverhalt ist der problematischen Geländestruktur geschuldet: Die Berge

100

Vgl. U. ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 4 0 8 f .

38

„ Und er nannte die Stätte Bet-El "

von Bet-El bieten nördlich von Betin kaum besiedelbares Terrain 101 . Auf dem Gebirgsrücken bildet erst Khirbet Sellin!Silo (1775 1625) eine größere Siedlung; es liegt von Betin/Bet-El etwa 16 km entfernt 102 . Abseits des Gebirgsrückens und bereits im Ubergang zur Wüste befinden sich mit Khirbet Mergame (1816 1554) und Khirbet Gib 'it (1846 1598) zwei weitere nördliche Nachbarsiedlungen Betin/Bet-Els. Beide haben offensichtlich erst in der späteren Eisenzeit den Stand größerer Dörfer oder gar Städte erreichen können 103 . Ein ähnliches Bild ergibt Betin/Bet-Els östliche Umgebung. Hier gibt es allein mit Jericho eine dauerhafte und größere Siedlung. Als Oasenstadt im Jordangraben weist Jericho indes völlig andere Voraussetzungen auf als 5e/m/Bet-El 104 und liegt relativ weit entfernt von Betini Bet-El (fast 20 km). Dagegen muss et-Tell/Ai (1748 1470) zu JSeizw/Bet-Els unmittelbarer Umgebung gezählt werden. Ca. 3 km östlich von ¿?e/i«/Bet-El weist etTelllAi in etwa dieselben Bedingungen auf wie Betini Bet-El - bis auf die Wasserversorgung, die in et-Tell/Ai durch Zisternen sichergestellt wird 105 . Et-Tell/Ai bestand mit Unterbrechungen von der Frühbronze- bis in die Eisen-I-Zeit und wurde dann aufgegeben 106 . Während der bronzezeitlichen Phase(n) bestand et-Tell/Ai anscheinend niemals gleichzeitig mit BeiZn/Bet-El107. Erst in der Eisen-I-Zeit existierten beide Orte nebeneinander, jedoch auf niedrigerem Niveau als während der Bronzezeit und auch nicht für lange. Die Gegend ist offensichtlich nicht in der Lage, auf engem Raum zwei Siedlungen ausreichend zu versorgen 108 . Betin/Bet-Els bessere Wasserversorgung und verkehrsgünstigere Lage trugen dazu bei, dass der Ort länger Bestand hatte als et-Tell/Ai. Z?e/i«/Bet-Els Westen bietet denselben Befund. Nur Khirbet Raddäna bildet während der Eisen-I-Zeit einen Ort in Betini Bet-Els näherer und weiterer westlicher Umgebung 109 , wobei sich Kontakte zwischen den bei101 102

V g l . D . C . HOPKINS, H i g h l a n d s , 6 1 . Vgl.

AHARON KEMPINSKI/ISRAEL FINKELSTEIN,

Shiloh: N E A E H L

IV

(1993),

1364-1370; ISRAEL FINKELSTEIN, Shiloh. The Archaeology of a Biblical Site, Jerusalem 1993; U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 150-153.182-184.231-239.280-284.308-314.417422.473f.526-532. 103 AMIHAI MAZAR, Marjameh, Khirbet el-: NEAEHL III (1993), 965f.; Zvi ILAN, Giv'it, Horvat: NEAEHL II (1993), 524f.; U. ZwiNGENBERGER, Dorfkultur, 126-129. 104

V g l . KATHLEEN KENYON/GIDEON FOERSTER/EHUD NETZER/RACHEL HACHLILI,

Jericho: NEAEHL II (1993), 674-697. 105

U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 1 8 0 - 1 8 2 .

106

JOSEPH A. CALLAWAY, Ai: NEAEHL I (1993), 39-45.

107

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 4 5 .

108

V g l . J . R . ZORN, E s t i m a t i n g , 4 5 .

109

Vgl.

JOSEPH A .

CALLAWAY,

Ai,

1253f.;

JOSEPH A .

CALLAWAY/ROBERT

E.

COOLEY, A Salvage Excavation at Raddana, in Bireh: BASOR 201 (1971), 9-19; U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 1 7 6 - 1 7 8 .

Bet-El im Spiegel seiner Umwelt

39

den Orten vermuten ließen. Doch auch hier währte die Phase der Nachbarschaft nicht lange, vermutlich aus denselben Gründen wie im Verhältnis zwischen ße/7«/Bet-El und et-TelllAi. Problematisch ist das Bild für Ras et-Tahüne (1702 1462) und Khirbet Nisiye (1717 1449) 110 . Sofern hier überhaupt eine klare Aussage getroffen werden kann, haben diese beiden Orte erst in der späteren Eisenzeit ihr jeweiliges Profil erhalten. Khirbet Nisiye ist anscheinend von der persischen Zeit an von einiger Bedeutung gewesen 111 . Der Befund für die Siedlungsstruktur nördlich, östlich und westlich von Betin!Bet-El zeigt: Betln/Bct-E) liegt in dieser Region weitgehend isoliert in nicht oder kaum besiedeltem Gelände 112 . Langfristige Siedlungen liegen von Betin!Bet-El verhältnismäßig weit entfernt. In der Region hat es zu verschiedenen Zeiten Siedlungsschübe gegeben, so in der Mittelbronzezeit, am Beginn der Eisen-I- und in der Eisen-II-Zeit, aber erst in der späteren Eisen-II-Zeit kann man von einer dichteren Besiedlung in _ße/F«/Bet-Els westlicher Nachbarschaft sprechen, wohingegen der Norden und der Osten weiterhin unbesiedelt bleiben. Im allernächsten Umkreis von etwa 3 km hat sich Seif«/Bet-El gegenüber anderen Siedlungen (et-Tell, Khirbet Raddänä) gewissermaßen durchsetzen können, weil es langfristig über die besseren Bedingungen verfügte. In der unmittelbaren Umgebung sind mehrere Siedlungen auf engstem Raum dauerhaft nicht lebensfähig. Um Betin!BetEl gibt es vor der römischen Zeit nur sehr vereinzelte Siedlungsspuren 113 . Das bedeutet für ßefin/Bet-El in nördliche, östliche und westliche Richtung nur eine eingeschränkte Infrastruktur, allerdings auch - wenn auch in eingeschränkten Maße - eine größere Menge an nutzbarer Fläche. Dieses Bild der isolierten Lage 5eim/Bet-Els wandelt sich im Blick auf Siedlungsstrukturen südlich des Ortes. Südlich des Wädi Gilyän beginnt eine Region, deren Gelände insgesamt einheitlicher und demzufolge leichter besiedelbar ist, obwohl auch hier Wasser, Boden und Geländeformationen noch immer von erheblicher Bedeutung für die einzelnen Ortschaften sind. Hier liegen innerhalb einer Reichweite von ca. 10 km von Betini Bet-El Teil en-Afasiie/Mizpa, er-Ram!Rama, el-Gib/Gibeon, Teil elFüllGibea, Geba VGeba, und Khirbet el-Hära eZ-Fö^a/Michmas sowie weitere Ortschaften, die nicht biblisch identifizierbar sind: Khirbet Teil el'Askar (1767 1430), En-Nebi Samwil (1672 1378), Khirbet Erha, Khirbet ed-Dawwära (1778 1415). Jerusalem ist 16 km von Betin!Bet-El entfernt, ungefähr gleich weit wie Khirbet Selün!Silo. Kaum einer der aufgeführten Orte hat eine so lange und kontinuierliche Siedlungsgeschichte aufzuwei110 111

V g l . U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 1 2 1 - 1 2 6 . U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 123.

112

W e i t e r e S i e d l u n g s s p u r e n i m Ü b e r b l i c k : U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 6 2 - 7 7 .

113

V g l . I. FINKELSTEIN/Y. MAGEN, B e n j a m i n , N r s . 7 5 - 8 1 . 8 3 - 9 1 . 9 3 - 9 5 . 1 9 5 . 2 0 4 . 2 0 5 .

„ Und er nannte die Stätte

40

Bet-El"

sen wie Betin/Bet-E\. Tatsächlich zeigen nur el-Gib/Gibeon und Jerusalem größere Siedlungsspuren in der Mittelbronzezeit oder sogar davor. Mit der Eisen-I-Zeit sind jedoch alle genannten Orte besiedelt und entwickeln sich im Lauf der Eisen-II-Zeit zu größeren Dörfern oder Städten weiter, wohingegen es nur wenige Siedlungsabbrüche gibt 114 . Da das relativ flache Gelände dieser Region weit weniger erosionsgefährdet ist als die zerklüfteten Berge von Bet-El, ist ein Nebeneinander mehrerer Ortschaften eher möglich als in der Umgebung von Betin/Bet-El. Die Gegend unmittelbar südlich von Betin/Bet-El lässt sich daher cum grano salis als „Ballungsraum" bezeichnen, der nicht nur durch viele, sondern auch durch verhältnismäßig große Ortschaften gekennzeichnet ist 115 . Dass i?e/»?/Bet-El mit den einzelnen Orten Kontakt hatte, lässt sich nicht sicher nachweisen. Trotzdem wird eine ökonomische und soziale Kommunikation 5e?f«/Bet-Els mit seiner südlichen Nachbarschaft stattgefunden haben; sie war vermutlich auch einfacher als die Orientierung nach Norden. Nach Süden hatte Betin/Bet-El damit eine Infrastruktur, die ihm in die anderen Richtungen fehlte. Tatsächlich lässt sich dies auch verkehrgeographisch zeigen. 1.3.3 Verkehr, politische

und kulturelle

Orientierung

Wie erwähnt, liegt Betln!Bet-El auf dem Rücken des zentralen Gebirgszuges, der Palästina in ungefährer Nord-Süd-Richtung durchzieht. Palästinas wichtigste Binnenlandverbindung in Nord-Süd-Richtung folgt dieser geographischen Gegebenheit 116 . Sie verläuft von Bethlehem über Jerusalem, Gibea, Mizpa, Bet-El und Silo nach Sichern. Ihr südliches Ende ist der Negev in Beerseba, nach Norden führt sie bis nach Damaskus. Mit der Lage an dieser Route ist ßeim/Bet-El in dieser Richtung verkehrsgünstig gelegen. Trotzdem bildet der Weg entlang der Wasserscheide keine leichte Verkehrsverbindung. Vor allem auf dem Abschnitt zwischen Khirbet Selün!Silo und 5eizra/Bet-El ist zerklüftetes Gelände mit unregelmäßigen, aber starken Auf- und Abstiegen zu bewältigen. Erst südlich von Bet-El wird das Gelände wieder einheitlicher. Die Gebirgsroute ist für Israel-Palästinas Binnenlandverkehr von einiger Bedeutung, denn sie stellt die Verbindung der zentralen Orte des Hinterlandes her. Hier liegt Betln/Bet-El in exponierter Lage zwischen zwei größeren Einschnitten. Das Wädl Gilyän trennt BetmlBet-El vom südlichen Siedlungsraum; der Höhenzug des Teil Asür bildet die Grenze zur Region von Khirbet Selün!Silo. Insgesamt ist Betln!Bet-El Trennung nach Norden 114 115

U. ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 112f.; I. FlNKELSTEIN/Y. MAGEN, B e n j a m i n . V g l . U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 4 8 9 f .

116 Vgl. D A V I D A. D O R S E Y , Baltimore/London 1991, 132ff.

The Roads and Highways

of Ancient

Israel,

Bet-El im Spiegel seiner Umwelt

41

stärker. Die ca. 15 km von BetTnlBet-El nach Khirbet SelünlSilo sind auf Grund des Geländes kaum in dem halben Tagesmarsch zu bewältigen, den man für biblische Zeiten sonst veranschlagen kann 117 . Dagegen ist das ca. 8 km von Z?e/m/Bet-El entfernte Teil en-Nasbe/M\zpa wesentlich leichter zu erreichen. BetTnlBet-Els Lage auf der Gebirgsroute macht den Ort damit zu einer wichtigen Station des Binnenlandverkehrs in Nord-Süd-Richtung. Östlich von Bet-El verläuft eine Nebenroute der zentralen Nord-SüdVerbindung von Jerusalem über Anatot, Geba, Michmas, Rimmon, Ophra und Ba'al Hazor nach Silo. Sie bildet keine leichtere Wegstrecke über den Gebirgskamm, verbindet aber die weiter östlich gelegenen Orte mit Jerusalem und Silo 118 . Die westliche Hauptroute und die östliche Nebenroute werden durch eine Straße verbunden, die von Bet-El über Ai nach Michmas verläuft. Äeizw/Bet-El bildet somit in nordsüdlicher Richtung einen Verkehrsknotenpunkt für die Orte auf der westlichen und der östlichen Seite des Gebirgskamms bzw. das nördliche Ende eines Straßensystems, das die benjaminitischen Städte verbindet. Wann dieses Wegesystem historisch Gestalt gewann, ist nicht klar; die daran beteiligten Orte sind bis auf Beizw/Bet-El und Jerusalem überwiegend erst in der Eisenzeit besiedelt 119 . Wichtiger für BetTnl Bet-Els Außenkontakte und auch für seine langfristige Dauer ist seine Einbindung in ein ost-westliches Verkehrssystem. Der Südabfall bei BetTnl Bet-El bietet die Möglichkeit einer Ost-WestVerbindung, die vom Jordangraben zum Mittelmeer verläuft. Dieser Weg bildet eine relativ einfach zu bewältigende Strecke und bietet sich daher als Verkehrsverbindung an120. SeiF«/Bet-El ist auf diese Weise direkt mit Jericho verbunden und auf ebenso direktem Weg mit Aphek; dieser Weg verläuft fast ausschließlich durch Wadis und vermeidet steile Auf- und Abstiege 121 . Von Aphek aus sind sämtliche philistäischen und phönizischen Küstenstädte sowie die Via Maris zu erreichen 122 . Diese Route zum Mittelmeer bildet die nördliche Nebenroute zu einer weiter südlich verlaufenden Strecke von Gibeon nach Unter-Beth-Horon, die sich dann nach Gezer und Lod/Lydda verzweigt und ins Verkehrsnetz der Küstenebene einmündet. Die nördliche Neben- und die südliche Hauptroute werden durch eine kleine Straße von Bet-El nach Gibeon miteinander verbunden 123 . Diese Straße dürfte relativ jung sein und zwei ursprünglich unabhängige Routen 117 118

D.A. DORSEY, Roads, 12f. Vgl. dazu HANS WILDBERGER, Jesaja. I. Teilband: Jesaja 1-12, Neukirchen-Vluyn

1972 ( B K X / 1 ) , 430-432. 119 120 121 122 123

Vgl. D.A. DORSEY, Roads, 139. Vgl. G. STERNBERG, Bethel, 4. D.A. DORSEY, Roads, 171. Karte bei D.A. DORSEY, Roads, 164. D.A. DORSEY, Roads, 171.

42

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

zwischen Jordangraben und Mittelmeer miteinander verbinden. Die Nordroute über Bet-El ermöglicht Kontakte zwischen Bet-El und Jericho bzw. Bet-El und der Mittelmeerküste, sie ist auch für größere Handelszüge geeignet. Sie ist damit wahrscheinlich der Grund für 5e/f»/Bet-Els großräumige Außenkontakte seit der Bronzezeit: Sie ermöglicht den Kontakt mit den ägyptischen Handelsplätzen und Verwaltungsniederlassungen an der Küste ebenso wie Kontakte mit dem ostjordanischen Raum. Durch 5eii«/Bet-Els gute Verkehrsanbindung nach Benjamin erklären sich die material nachweisbaren Kontakte dieser Region untereinander. Angesichts der schwierigen Bedingungen der Gebirgsroute ist es wahrscheinlich, dass Seiin/Bet-El hier die Rolle einer Wegstation gespielt hat. Für einzelne Reisende oder kleinere Gruppen bietet sich 5eiz«/Bet-El als Rastplatz an. BetiniBet-Els Lage im nord-südlichen Verkehrsnetz Palästinas erklärt demnach weitestgehend seine Orientierung nach und vielleicht auch seine Bedeutung für Juda. 5eiz«/Bet-El bildet somit einen regelrechten Verkehrsknotenpunkt im Wegenetz Israel-Palästinas: Aller Verkehr von Beerseba nach Damaskus sowie von Jericho ans Mittelmeer verläuft über ße/i«/Bet-El 124 . Diese Lage muss zu ßeizw/Bet-Els Ressourcen gerechnet werden und dürfte zu Dauer und Bedeutung des Ortes in erheblichem Maße beigetragen haben. Ist Beiz«/Bet-El durch seine Verkehrsanbindungen derart in das Gefüge SyrienPalästinas integriert, so zeigt der Ort gleichzeitig aber auch eine Art Grenzlage. Das Wädi Gilyän scheint in etwa die politische Grenze zwischen Juda und Israel gebildet zu haben; ße/w/Bet-El bildet Israels südlichste Stadt unmittelbar vor dieser Grenze. Obwohl ein erheblicher Teil der biblischen Bet-El-Überlieferung auf eben diesen Sachverhalt abhebt, ist die Zuordnung 5e/F«/Bet-Els zum Norden jedoch problematisch. Die von der biblischen Überlieferung geschilderten Grenzen einmal vorausgesetzt 125 , ergibt sich dass ßeilw/Bet-El an der äußersten Peripherie des Nordreichs lag. Nicht nur, dass die Verbindung zwischen Khirbet SelünlSilo und ßei/w/Bet-El bereits erheblich erschwert ist, Khirbet Selünl Silo ist zusätzlich durch das Wädi Der Bellüt von Israels Zentralregion, dem Dreieck Sichern - Samaria - Tirza, getrennt. Von daher ist fraglich, ob das Nordreich jemals oder für längere Zeit mehr als einen nominellen Zugriff auf Betini Bet-El gehabt hat. Betin! Bet-Els Verkehrsverbindungen werden sicherlich Samarias Interesse geweckt haben, jedoch auch das jeder anderen Zentralmacht, und es stellt sich die Frage, auf welchem Weg die dreißig Kilometer zwischen 5e?f«/Bet-El und Samaria dauerhaft zu überbrücken waren, so dass Samaria in 5eif«/Bet-El hätte Präsenz zeigen können. 124

125

V g l . H . BRODSKY, A B D , 7 1 1 .

Zum Problem vgl. RAZ KLETTER, Pots and Polities: Material Remains of Late Iron Age Judah in Relation to its Political Borders: BASOR 314 (1999), 19-43, hier 24-28.

Bet-El im Spiegel seiner

Umwelt

43

Tatsächlich ist material eine exklusive Orientierung BetiniBet-Els nach Norden nicht nachzuweisen, und auch das Stammesgebiet von Benjamin überschreitet die Grenze zwischen den beiden Königreichen Juda und Israel. Insgesamt ist der Kontakt ßefzw/Bet-Els in das Kernland von Benjamin leichter, und hier hat .ßeiw/Bet-El auch eine für sein Überleben relevante Infrastruktur gehabt. 1.4

La longue duree:

Zusammenfassung

„Das Land aber ist groß und schön und einige seiner Teile sind eben - die im sogenannten Samaria und die, welche an Idumäa angrenzen - andere aber sind gebirgig. Sie benötigen Landwirtschaft und Pflege des Bodens, damit sie dadurch Fruchtbarkeit erlangen. Und da das geschieht, wird in dem ganzen obengenannten Gebiet in Fülle angebaut. In Städten aber, die groß sind und demzufolge wohlhabend, kommt es zu großer Bevölkerung, das Land aber wird vernachlässigt. (...) Groß ist nämlich der Fleiß der Landwirte. Ihr Land ist nämlich dicht bepflanzt mit Ölbäumen und Getreide und Hülsenfrüchten, außerdem viel Wein und Honig. Dattelpalmen und andere Fruchtbäume sind zahllos bei ihnen. Auch vielerlei Vieh (gibt es) und reichlich Weideland dafür. Deshalb haben sie mit Recht bemerkt, dass das Gebiet viele Menschen braucht und das Verhältnis von Städten und Dörfern sinnvoll gestaltet. Eine große Menge an Gewürzen und Edelsteinen und Gold wird durch die Araber ins Land gebracht: Zur Bearbeitung und zum Handel ist das Land nämlich geeignet, und die Stadt beherbergt viel Kunst und Handwerk und ermangelt nicht der Güter, die übers Meer gebracht werden. (...) (Das Land) ist umgeben von natürlichen Schutzwällen, so dass es schwierig ist, dort einzufallen, zumal in Menge, weil die Pässe schmal sind, flankiert von Abhängen und tiefen Schluchten. Auch das Gebirge, das das ganze Land umschließt, ist rauh." 1 2 6

So schildert der Verfasser des Aristeasbriefes das Land Judäa und dessen Lebensbedingungen. Die Darstellung zielt auf Jerusalem als Judäas Mitte und ist literarisch stilisiert 127 . Die wirtschaftlich stabile Situation des 2. Jhs. v. Chr. ist deutlich erkennbar 128 . Trotzdem lassen Arist §§ 107ff. noch die vielfaltigen Probleme der Lebensbedingungen im palästinischen Bergland erkennen, die in den vorigen Abschnitten für BetinlBei-E\ und seine Region im Einzelnen erfasst wurden: Die Gebirgslage, der schwierige Boden und die konstante Mühe, die aufgewandt werden muss, um den Ertrag zu erzielen. Unter diesen Voraussetzungen ist jedoch an einigen Stellen der Region eine erfolgreiche Siedlungsgeschichte möglich, die von Landwirtschaft, Handel und Handwerk gleichermaßen profitiert, obwohl Betin!Bet-El sicher nicht so üppig leben konnte, wie der Aristeasbrief es darstellt 129 . 126

Arist §§ 107-118*. Vgl. Vgl. MOSES HADAS (HG.), Aristeas to Philocrates (Letter of Aristeas), New York 1951 (Jewish Apokryphal Literature 4), 48; NOAH HACHAM, The Letter of Aristeas: A New Exodus Story: JSJ 36 (2205), 1-20, hier 11-14. 127

128

GERBERN S. OEGEMA, A r i s t e a s b r i e f : J S H R Z V I , 4 9 - 6 5 , h i e r 5 7 .

129

Ähnliche Notizen finden sich auch JosAnt V 77-79; Jub 13,5-6.

44

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Betin!Bet-El war für die Dauer seiner Besiedlung eine ländliche Stadt, zu einigen Zeiten möglicherweise auch nur ein urbanisiertes Dorf. Seine langfristige Lebensgrundlage wurde durch die Landwirtschaft gesichert, die sich unter den schwierigen Bedingungen des Geländes und seiner klimatischen und Bodenbedingungen vollzog. Dass Betin über eine auffallend reiche Wasserversorgung verfügte, war dabei die Grundlage seiner Uberlebensstrategien. Betin war für die Dauer seiner Besiedlung zu einer relativ sicheren Selbstversorgung mit Lebensmitteln und Bedarfsgütern in der Lage, sofern die Bedingungen nicht zu schwierig und die Bevölkerung nicht zu groß wurde. Durch seine Voraussetzungen konnte Betin schon verhältnismäßig früh, nämlich in der Bronzezeit, zu einer eigenständigen Stadt werden und von dieser Zeit an die Rolle eines Zentrums für Siedlungen in seiner unmittelbaren Umgebung einnehmen. Auf längere Sicht waren die Bedingungen in Betin so günstig, dass der Ort in der Lage war, Nachbarorte wie et-TelllAi und Khirbet Raddäna zu überleben. Nach Norden - und das heißt auch im Zusammenhang des Reiches Israel und seiner assyrischen und babylonischen Nachfolgeprovinzen - liegt Betin!Bet-El isoliert. Es bildet die äußerste Südgrenze dieser Region und hat mit deren Zentren praktisch keine Verbindung. Umso besser sind spätestens seit der frühen Eisenzeit die Kontakte nach Süden, d.h. nach Benjamin. Hier lagen nicht nur wesentlich mehr Siedlungen in erreichbarer Nähe, sondern hier etablierten sich auch Handels- und Verkehrskontakte nach Süden, Osten und Westen. Die Lebenssituation in ßeii«/Bet-El konnte sich daher mit verbesserter Infrastruktur im Verkehrssystem kontinuierlich weiter entwickeln, so dass der Ort auch in schwierigen Zeiten lebensfähig blieb. Diese Lage Betlns und seine Rolle als Verkehrsknotenpunkt dürfte in allen Zeiten seit der späten Eisenzeit ein Interesse Judas, der Assyrer, Babylonier, Perser, Griechen und Römer am Besitz der Stadt geweckt haben: Uber Bet-El ließen sich Handelskontakte und Tributzahlungen sowohl in Nord-Süd-, als auch in Ost-West-Richtung abwickeln. Andererseits liegt 5eif«/Bet-El in so schwierigem Terrain, dass es selten die Aufmerksamkeit großer Heere erregen konnte. Hiermit sind wir bei der Dimension der Ereignisgeschichte angelangt, die nicht ohne die Korrelation mit dem textlichen Zeugnis untersucht werden kann. Bet-Els Lage in geographischer wie verkehrstechnischer Hinsicht sichert das Überleben des Ortes sowie eine gewisse Sicherheit. Reich ist Bet-El jedoch - soweit erkennbar - nie geworden. Das Leben im palästinischen Bergland war zu keiner Zeit leicht, und Betin!Bet-El ist nicht in der Lage, eine große Bevölkerung zu ernähren. Wenn die biblische Uberlieferung eine große Bedeutung Bet-Els für Israel suggeriert, so muss dieses Bild nicht grundsätzlich falsch sein, doch die Erwartungen, die es weckt, sollten nicht zu hoch gesteckt werden. Bet-Els Fläche umfasst maximal die

Bet-El

im Spiegel

der

45

Archäologie

zweier moderner Fußballplätze. Auf dieser Fläche hat sich ein wichtiger Teil der Geschichte des biblischen Israel abgespielt. Das materiale Bild Äeim/Bet-Els soll im Folgenden dargestellt werden.

2. „Bet-El im Westen und Ai im Osten" (Gen 12,8): 2?e/7>z/Bet-El im Spiegel der Archäologie Nachdem im vorigen Abschnitt deutlich geworden ist, unter welchen Grundvoraussetzungen sich das Leben in Betini Bet-El in biblischer Zeit abspielte, ist nun zu fragen, welche materiale Gestalt dieses Leben annahm. In einem chronologischen Durchgang soll die Geschichte BetiniBetEls nachgezeichnet werden, wie sie sich an Hand des archäologischen Ergebnisses präsentiert. Der hier vorgelegte archäologische Uberblick über Betini Bet-El deckt die Zeit vom Chalcolithikum bis in die hellenistische Zeit ab. Die nachfolgenden Epochen der römischen und byzantinischen Zeit werden nur kurz gestreift. Diese Anordnung hat ihren Grund in der Schwerpunktsetzung der vorliegenden Arbeit. Sie ist auf die Untersuchung Bet-Els in der Zeit konzentriert, auf die sich die biblischen Texte beziehen. Die römische und byzantinische Zeit in Betin lässt sich nicht mehr mit biblischen Erinnerungen an Bet-El verknüpfen und wird daher außerhalb der Darstellung stehen. Im Hinblick auf die oben gemachten Überlegungen unterbleibt eine Rekonstruktion der Geschichte Bet-Els, die auf die Korrelation mit dem biblischen Text angewiesen wäre. In dieser Arbeit soll gerade die relative Eigenständigkeit von Spuren (materiales Zeugnis) und Erinnerungen (Texte) erwiesen werden. Statt einer geschichtlichen Rekonstruktion werden die materialen Spuren Betini Bet-Els im Rahmen ihrer jeweiligen archäologischen Epoche dargestellt und auf ihre Funktion und kulturelle Rolle befragt 130 . Die Spuren ergeben für Betin durchgehend das Bild einer überwiegend von der Landwirtschaft geprägten Kleinstadt an der Peripherie der kulturellen und Machtzentren Israel-Palästinas. 2.1

Die Grabungen in BetTn/Bei-£7

Noch vor der Grabung in Betin unternahm G. Sternberg im Februar und März 1913 eine Erkundung des Geländes, die er in einer umfangreichen Beschreibung niederlegte. Von archäologischem Interesse waren dabei zunächst die noch sichtbaren byzantinischen Ruinen sowie Höhlen östlich des Ortes und die nahe gelegene Stätte Burg Betin (1792 1474)131. Anders 130 Ich danke Herrn P D Dr. Erasmus Gass, Universität Tübingen, Theologische Fakultät, für die freundliche Mithilfe. 131 G. STERNBERG, Bethel, 6-11.14f. 18-22.

Katholisch-

46

„ Und er nannte die Stätte Bet-El "

als Robinson fünfundsiebzig Jahre vor ihm fand Stemberg Betin besiedelt vor; er schätzte die Bevölkerung auf ca. 250 Personen 132 . 1927 unternahm William Foxwell Albright eine Sondierungsgrabung in BetlnUi. Albright leitete die erste Kampagne im Jahr 1934 134 . Ihr folgten drei weitere Kampagnen: 1954, 1957 und 1960 unter der Leitung von James Leon Kelso. Vorläufige Berichte wurden fortlaufend im Bulletin of the American Schools of Oriental Research veröffentlicht 135 . 196 8 publizierte Kelso den Abschlussbericht 136 . Die Grabung öffnete auf einer Gesamtfläche von 170 m Länge und 100 m Breite, d.h. 17.000 m 2 oder 1,7 ha insgesamt neunzehn unterschiedlich große unzusammenhängende Areale, die überwiegend im Norden der besiedelten Ortschaft Betin liegen. Die meisten dieser Areale sind nicht mehr als „small trial trenches between the houses of the village" 137 . Hinzu kommen Oberflächenuntersuchungen der Höhlenanlage östlich von Betin sowie von Burg BetTn und Khirbet el-MaqätirI38. Die ergiebigsten Gebiete waren die Areale A und B aus der Kampagne von 1934, E und F (1954) sowie L und M (1960). Man fand den äußersten Nord-, West- und Ostrand der Siedlung in vorbyzantinischer Zeit mit großen Abschnitten der Stadtmauer und einer Toranlage sowie mehrere Häuserkomplexen. Nach der bereits 1934 erfolgten Entdeckung der Stadtmauer ¿?e?m/Bet-Els war es eines der Hauptziele der folgenden Kampagnen, den Mauerverlauf möglichst genau zu verfolgen. Dabei konnten 1957 ein weiteres Stück der Westmauer (Areal G) und 1960 ein Stück der Südmauer gefunden werden 139 .

132

G. STERNBERG, Bethel, 4f. Die Siedlung ist nach seinen Nachforschungen durch Abwanderung aus Burqä entstanden und soll 1913 vor „etwa 60 bis 70 Jahren" stattgefunden haben, also kurz nach der Reise Robinsons. 133 WILLIAM FOXWELL ALBRIGHT, A Trial Excavation in the Mound of Bethel: BASOR 29 (1928), 9-11. 134 WILLIAM FOXWELL ALBRIGHT, The Kyle Memorial Excavation at Bethel: BASOR 56 (1934), 2-15, hier 2f. 135 W. F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 2-15; DERS., The First Month of Excavation at Bethel: BASOR 55 (1934), 23-25; DERS., Observations on the Bethel Rep o r t : B A S O R 5 7 ( 1 9 3 5 ) , 2 7 - 3 0 ; JAMES LEON KELSO, T h e S e c o n d C a m p a i g n at B e t h e l :

BASOR 137 (1955), 5-11; DERS., The Third Campaign at Bethel: BASOR 151 (1958), 3-8; DERS., The Fourth Campaign at Bethel: BASOR 134 (1961), 5-19. 136 Außerdem publizierte Kelso eine Reihe von Zwischenberichten und Kurzdarstellungen, die jedoch zu den Berichten in BASOR nichts Wesentliches beitragen können: JAMES LEON KELSO, Excavations at Bethel: BA 19 (1956), 37-43; DERS., Chronique archéologique. Béthel: RB 65 (1958), 264f.; DERS., Béthel la ville aux faux sanctuaires: BTS 47 (1962), 8-15; DERS., Bethel: EAEHL I (1975), 190-193; DERS., Bethel: NEAEHL I (1993), 192-194. 137 HANAN ESHEL, A Imlk Stamp from Beth-El: IEJ 39 (1989), 60-62, hier 61 Anm. 9. 138

J.L.KELSO, E x c a v a t i o n , 7f.

139

Sie ist nicht im Übersichtsplan verzeichnet, vgl. J.L. KELSO, Excavation, 14.

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

47

Ein Problem aller Kampagnen in Betin bildete die Tatsache, dass der Ort eine moderne Siedlung beherbergt, die in den dreißig Jahren der Grabung kontinuierlich weiter wuchs. Bei jeder neuen Kampagne mussten Albright und Kelso mit den Bewohnern um die Grabungserlaubnisse verhandeln, was gelegentlich nicht ohne Schwierigkeiten verlief 140 . Beim Bau und der Vergrößerung ihrer Stadt verwendeten die Bewohner und Bewohnerinnen von Betin zudem die Steine der älteren Ruinen als Baumaterial 141 . Als besonders problematisch erwies sich in diesem Zusammenhang die zwanzigjährige Pause zwischen der ersten und der zweiten Kampagne. Während dieser Zeit hatten die Bewohnerinnen und Bewohner massiv in die Bestände der Grabung von 1934 eingegriffen 142 . Durch die Kollision der Bedürfnisse der Bevölkerung Betins mit den Anliegen der Archäologen ist vor allem die Aussagekraft jüngerer materialer Reste von der Perserzeit an außerordentlich eingeschränkt. Ein Gesamtbild der vormodernen Siedlung .ßei/n/Bet-El ist praktisch nicht mehr zu gewinnen. Eine angemessene Wahrnehmung und Darstellung des archäologischen Befundes in .Seim/Bet-El wird außerdem durch die mangelhafte Publikation erschwert. Die Vorberichte der Kampagnen von 1957 und 1960 konnten nur mit Verzögerungen publiziert werden 143 . Der Abschlussbericht ist im Wesentlichen auf der Basis der Vorberichte zusammengestellt 144 . Dabei wurden vorläufige Annahmen oder Ergebnisse der einzelnen Kampagnen, die sich in den Vorberichten finden, nicht immer diskutiert oder korrigiert. Zudem stimmen die Zuordnungen von Loci und Grabungsjahren in den Vorberichten, dem Textteil des Abschlussberichtes und den Zeichnungen nicht überein; im Abschlussbericht finden sich viele Druckfehler und fehlerhafte Verweise. Die Fotografien des Abschlussberichts, besonders von Keramik und Kleinfunden, sind schlecht reproduziert und daher wenig aussagekräftig. Vor diesem Hintergrund ist die genaue Zuordnung von Funden zu einem zeitlichen und/oder Fundkontext außerordentlich schwierig. Schließlich - und hier liegt das hauptsächliche Problem der Wahrnehmung 5eif«/Bet-Els unter archäologischer Perspektive - leidet die Grabung unter methodischen Schwächen und der biblizistischen Orientierung von Albright und Kelso. Eine Stratifizierung der einzelnen Befunde hat nicht stattgefunden; Keramik und Architekturelemente werden nicht aufeinander bezogen 145 , sondern einzeln typologisch erfasst. Bei der Interpretation der 140 Vgl. W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 2f.; J.L. KELSO, Third Campaign, 3; DERS., Fourth Campaign, 15; DERS., Excavation, 14. 141 Diesen Sachverhalt bemerkt (und beklagt) bereits G. STERNBERG, Bethel, 5. 142 J.L. KELSO, Excavation, 6. 143 J.L. KELSO, Third Campaign, 3; DERS., Fourth Campaign, 5. 144 Vgl. dazu WILLIAM G. DEVER, Archaeological Methods and Results: A Review of Two Recent Publications: Or 40 (1971), 459-471, hier 462f. 145

Vgl. U. ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 155.

48

„ Und er nannte die Stätte Bet-El"

eisenzeitlichen Befunde von Betm/Bei-El haben Albright und Kelso in hohem Maße die alttestamentlichen Texte als Deutungsgrundlage benutzt. William Dever macht in seiner scharfen Kritik am Grabungsbericht die biblizistische Orientierung der Ausgräber als durchgängige methodische Schwäche der Grabung in Betin/Bet-El und ihrer Präsentation geltend und wirft ihr vor, sie sei "an uncritical (and probably even unconscious) mixture of fact and fancy, a parade example of what Martin Noth characterized as 'improper search for direct Biblical connections'. (...) If description and interpretation had been kept separate, or at least, were not so inextricably entangled, we might be able to get at the evidence itself and reinterpret it. In fact, that is often impossible." 146 Bei der Darstellung der Befunde vom 12. Jh. v. Chr bis 587 v. Chr. diktiert der biblische Bericht tatsächlich die Interpretation der Befunde bei Kelso und Albright. In methodischer Hinsicht hat Dever in seiner Kritik der Arbeit von Albright und Kelso aber nur die Ergebnisse der Früh- und Mittelbronzezeit sowie die vermeintliche Keramik des 6. Jhs. einer Revision unterzogen und äußert sich nicht detailliert zur Präsentation des eisenzeitlichen Befunds und seiner Ergebnisse. Tatsächlich hält er Kelsos Interpretation der Eisen-I-Zeit trotz der bemängelten biblizistischen Orientierung im Wesentlichen für verlässlich 147 . Sie ist ihrerseits erst von Finkelstein und Zwingenberger in Frage gestellt worden 148 .

Seit der letzten Kampagne in BetTnlBet-El haben sich in der Palästinaarchäologie ebenso wie in der alttestamentlichen Wissenschaft die Forschungsschwerpunkte verschoben. Vor allem die spätere Eisenzeit und die persische Zeit sind in den Vordergrund der Forschung gerückt. Diese Epochen spielen in der archäologischen Untersuchung BetTnlBet-Els, die auf die Erforschung der früheren Epochen konzentriert war, nur eine relativ geringe Rolle. Aus diesem Grund ist das Ergebnis in 5efi«/Bet-El nicht nur veraltet, sondern gerade im Bereich wichtiger Abschnitte der Geschichte 5efm/Bet-Els ausgesprochen unscharf. Nach dem Abschluss der Arbeiten in 5efm/Bet-El im Jahre 1960 ist die Arbeit am Ort nie wieder aufgenommen worden. Seine Lage in den seit 1967 umkämpften Gebieten erschwert die Arbeit noch zusätzlich zu den durch die moderne Besiedlung des Ortes aufgeworfenen Problemen. Die derzeitige politische Lage im Westjordanland lässt vermuten, dass mit einer Wiederaufnahme archäologischer Forschung in 5efi«/Bet-El für längere Zeit nicht zu rechnen ist. Die Darstellung des Befundes von BetTnlBet-El hat die methodischen und technischen Schwierigkeiten der Grabungen von Albright und Kelso zu berücksichtigen, die eine archäologische Betrachtung des Ortes zwar

146

147

W . G . DEVER, M e t h o d s , 4 6 4 .

W.G. DEVER, Methods, 468. ISRAEL FINKELSTEIN, The Archaeology of the Israelite Settlement, Jerusalem 1988, 73; U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 155; vgl. auch K. KOENEN, Bethel, 36. 148

Bet-El im Spiegel der

49

Archäologie

erheblich erschweren, aber nicht völlig unmöglich machen 149 . Die kritischen Anfragen an dieses Ergebnis von Dever, Finkelstein und Zwingenberger sollen dabei berücksichtigt werden 150 . Dabei ist nicht nur zu beachten, dass die Ergebnisse vorläufig sind, sondern auch und in viel stärkerem Maße, dass die Grabung nur ein unvollständiges Bild des Ortes ergibt. Sollte es noch einmal möglich sein, den Süden Betins archäologisch zu untersuchen, könnte sich das Bild vollständig verändern. 2.2

Betin/Bet-El in der Perspektive der

Archäologie

2.2.1 Chalkolithikum und frühe Bronzezeit: Siedlungsschübe Unterbrechungen

mit langen

Nach Ansicht der Ausgräber reichen die Besiedlungsspuren in BetTn!Bet-El bis ins 4. Jt. v. Chr. zurück. In der untersten Schicht von Areal A wurden Keramikreste aus dem späten Chalkolithikum gefunden, die auf eine Besiedlung schließen lassen, obwohl keine Architekturreste nachzuweisen waren. In Areal L wies der felsige Untergrund Spuren auf, die von den Ausgräbern als Blutspuren identifiziert wurden. Verschiedene Kleinfunde und eine elliptische Grube von 55 cm Länge und 15 cm Tiefe führten zur Interpretation des Felsgrundes als „kanaanäischem" Opferplatz aus der Mitte des 4. Jts. 151 Die Datierung der Keramikreste ist unsicher, sie könnten auch aus der frühen Bronzezeit stammen 152 . Hinsichtlich der Spärlichkeit der Funde ist die Zuweisung des Felsgeländes zu einer „kanaanäischen ElOpferstätte" zu weitreichend und außerdem religionsgeschichtlich kaum gedeckt 153 . Erst am Ende der Frühbronzezeit (2400-2200 v. Chr.) war 5eiw/Bet-El wieder besiedelt. Doch auch diese Besiedlung lässt sich nur aus Keramik-

149

V g l . U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 111.

150

Vgl. außerdem H. WEIPPERT, Palästina; EPHRAIM STERN, Archaeology of the Land of the Bible. Vol. II: The Assyrian, Babylonian, and Persian Period 732-332 BCE, New York u.a. 2001; R. KLETTER, Pots, 19-54. 151 J.L. KELSO, Excavation, 20f. 152 Die Scherben sind im vorläufigen Bericht von W. F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 3 f. frühbronzezeitlich datiert. Die chalkolithische Datierung ergibt sich aus einem späteren Vergleich mit Keramik der Tulül Abu el- 'Alayiq bei Jericho, vgl. J.L. KELSO, Excavation, 20. Laut W.G. DEVER, Methods, 463 ist eine weiterhin frühbronzezeitliche Datierung möglich. 153

V g l . K . KOENEN, B e t h e l , 34; W . G . DEVER, M e t h o d s , 4 6 4 ; WOLFGANG ZWICKEL,

Der Tempelkult in Israel und Kanaan. Studien zur Kultgeschichte Palästinas von der Mittelbronzezeit bis zum Untergang Judas, Tübingen 1994 (FAT 10), 19f. Das Testverfahren zur Identifikation von Blutspuren, das von Kelso angewandt wurde, hielt darüber hinaus einer näheren Überprüfung nicht stand: DUANE L. NEWLANDS, Sacrificial Blood at Bethel?: PEQ 104 (1972), 155.

50

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

resten erschließen, die sich im Süden und Nordwesten des Geländes fanden 154 . Architekturreste fanden sich nicht, Kelso zufolge sind sie der mittelbronzezeitlichen Befestigung zum Opfer gefallen 155 . Die nachfolgende Besiedlungslücke bis ins 19. Jh. v. Chr. führt Kelso auf „nomadic irruptions from the east" 156 zurück. Als Fazit über die Besiedlung Bet-Els im 4. und 3. Jt. v. Chr. (Chalkolithikum und frühe Bronzezeit) lässt sich festhalten, dass der Ort Siedlungsspuren aufweist, die mehrere unterbrochene Zeitabschnitte repräsentieren. Da sich keine Architekturreste nachweisen ließen, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass Bet-El in dieser Zeit überhaupt eine dauerhafte Siedlung oder gar ein Dorf gewesen wäre. Möglicherweise handelte es sich bloß um einen zeitweisen Lagerplatz. 2.2.2 Mittlere und Späte Bronzezeit: Betlns Glanzzeit? Die bedeutendste bauliche Anlage Bet-Els aus der Mittleren Bronzezeit ist die umfangreiche Mauer, die den Ausgräbern zu Folge das gesamte Gelände umgab. Sie stammt aus der Mittelbronze-II-B-Zeit (ab 1650 v. Chr.) und war - mit nur wenigen Neubauten und Reparaturen - ununterbrochen bis ins 6. Jh. in Gebrauch 157 . Mit dieser Befestigung beginnt Bet-Els Geschichte als Stadt, die kaum mehr von Siedlungslücken unterbrochen war. In der Mittelbronze-I- und Mittelbronze-II-A-Zeit (19. und 18. Jh. v. Chr) war Bet-El kontinuierlich besiedelt. Hier konnten erstmals auch Spuren von Häusern nachgewiesen werden, deren Gestalt jedoch unklar bleibt 158 . Schon für diese Siedlung nimmt Kelso eine Befestigungsmauer an, die er jedoch nicht nachweisen kann 159 . Deswegen ist eher von einem unbefestigten Dorf auszugehen 160 . Kelso vermutet, dass diese Siedlung durch ein Erdbeben zerstört wurde. Reste der Stadtmauer aus der Mittelbronze-II-B-Zeit wurden im Norden (Areal F), Osten (Areale A, I), Süden, Westen (Areale G, N) und Nordwesten (Areale L, M) gefunden. Das klarste Bild ergibt Areal F. Von der Mauer sind hier 20,5 m Länge erhalten, die in ungefährer Ost-West-Richtung 154

J.L. KELSO, Excavation, 54f.

155

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 2 2 .

156

J.L. KELSO, Excavation, 45. J.L. KELSO, Excavation, 11.18. Kelso selbst relativiert diese Wahrnehmung indes teilweise, indem er auf einen recht erheblichen eisen-II-zeitlichen Mauerabschnitt verweist und mit Zerstörungen älterer Bestandteile in hellenistischer Zeit rechnet (S. 36). U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 475 macht darauf aufmerksam, dass die Datierung der Mauer insgesamt wenig zuverlässig ist. 158 J.L. KELSO, Excavation, 22. Zur Datierung der Keramik vgl. W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 4f. 159 J.L. KELSO, Excavation, 10. 160 So W.G. DEVER, Methods, 466 in seiner Revision des Befundes. 157

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

51

verlaufen. Die Mauer war einfache Wallmauer, bis zu 3,38 m dick und bestand aus sorgfaltig bearbeiteten Steinen. Direkt westlich befand sich ein Vorsprung von 1 m Breite, von dem nur Fundamentreste erhalten sind. Kelso interpretiert diesen Vorsprung als Turm, dessen Steine möglicherweise für den Neubau der Stadtmauer in byzantinischer Zeit verwendet wurden. Der Westseite der Nordmauer war außerdem ein massives Glacis vorgelagert 161 . Spuren der Mauer lassen sich noch weiter verfolgen, ihr Plan ist aber meist weniger klar als im Nordteil 162 . Weitere Turmanlagen lassen sich vermuten, sind jedoch nicht sicher nachweisbar 163 . Die Kampagne von 1960 forderte in Areal L eine Struktur zu Tage, die Kelso als Toranlage interpretierte 164 . Drei Stufen führten zu dem 2,5 m breiten Durchgang, das Tor wird von zwei parallelen langrechteckigen Kammern gebildet. Die gesamte Anlage hatte einen Boden aus Stampflehm 165 . Die Form der Toranlage als U ist sonst nicht belegt 166 , möglicherweise handelt es sich um einen außen vorgelagerten Turm mit Durchgang 167 . Außerdem gab es ein Nordost-Tor, das wegen technischer Schwierigkeiten nur oberflächlich untersucht werden konnte und nicht im Plan verzeichnet ist 168 . In der von der Mauer umgebenen Siedlung wurden mehrere Häuser nachgewiesen, deren genauer Grundriss unklar bleibt 169 . Am deutlichsten tritt die Struktur des sogenannten „Patrician House" hervor (Areal F) 170 . Es handelt sich um ein Hofhaus, dessen zentraler Hof 8,6 x 4,25 m misst. Wie viele Räume diesen Hof umgeben, ist nicht deutlich. Im Haus befanden sich zwei Getreidegruben. An der Südseite des Hofes befinden sich zwei Pfeiler von unklarer Funktion. In diesem Gebäude - überwiegend in Locus 403 - fanden sich Keramik und Kleinfunde der Mittelbronze-II-Zeit 171 . Das Haus hat im in Frage kommenden Zeitraum einmal einen Brand erlitten 172 . Ein weiteres Gebäude 25 m südlich des Nordwest-Tores (Areal P)

161

J.L. KELSO, Excavation, lOf.; Pis. 93 c.97a.b. Vgl. zum südlichen Teil der Westmauer J.L. KELSO, Excavation, 14f. 163 J.L. KELSO, Excavation, 15; vgl. dazu W.G. DEVER, Methods, 467. 164 J.L. KELSO, Excavation, 13. Das Rhomboid wird von einer 14,6 m langen Nord-, einer 9,7 m langen Ost- und einer 9,2 m langen Westmauer gebildet; die Wände waren zwischen 1,5 und 1,75 m dick. Vgl. auch PI. 101. 165 J.L. KELSO, Excavation, 13. 166 Vgl. K. KOENEN, Bethel, 32; H. WEIPPERT, Palästina, 221-225. 162

167

S o K . KOENEN, B e t h e l , 3 2 .

168

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 1 1 .

169

Vgl. J.L. KELSO, Excavation, Pl. 2. (Text S. 24); Pl. 91a (Text S. 25). J.L. KELSO, Excavation, Pl. 91b. 171 Keramik: Krug, Vorratskrug, zwei Schalen (J.L. KELSO, Excavation, 109); Krughenkel (S. 112; PI. 72); Webstuhlgewicht (S. 112). Flint: ein Messer, eine Sichelklinge, ein Schaber (S. 117; PI. 115:13.) 172 J.L. KELSO, Excavation, 25. 170

52

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

deutete Kelso als Palast oder Tempel 173 . Von ihm ist allerdings nur eine Ecke erhalten, die sich durch auffallend sorgfaltige Mauertechnik auszeichnet 174 . Außerhalb dieses Gebäudes fanden sich die Reste eines Kultständers aus Keramik 175 , ein Stierbein aus Ton, zwei Krugfragmente mit Schlangenmotiv 176 und auffallend viele Rinderknochen 177 . Somit ergibt sich - wenn auch fragmentarisch - für Bet-El im 17.-15. Jh. v. Chr. das Bild einer befestigten Stadt, deren Grundriss und genaue Ausmaße unbekannt sind. Wenn die Mauerreste im Süden und Westen aussagekräftig sind, ergeben sich 1,7 ha als maximale Fläche. Das Bauwesen lässt auf einen hohen technischen Standard schließen. Die Keramik wurde dagegen in außerordentlich schlechtem Erhaltungszustand aufgefunden, Material und Verarbeitung sind aber recht hochwertig 178 . Die Siedlung der Mittelbronze-II-C-Zeit weist Brandspuren auf; es ist daher möglich, dass die letzte Siedlung dieser Periode durch Feuer zerstört wurde 179 . Im Großen und Ganzen fügt sich ße/z«/Bet-El in das Gesamtbild der Mittelbronze-II-Zeit in Palästina. Besonders die Form der Stadtmauer als Wall mit und ohne Glacis und die Bauform des Hofhauses finden sich in weiteren Siedlungen dieser Periode 180 . Auch dass 5efi«/Bet-El erst verhältnismäßig spät, nämlich ab dem 17. Jh., in die Kultur der Mittelbronzezeit eintritt, passt in das Gesamtbild dieser Epoche. Die mittelbronzezeitliche Kultur steht im Zusammenhang mit den Interessen Ägyptens und Nordsyriens an Palästina und breitet sich von der Küste ins Landesinnere aus. Dieser Vorgang nahm einige Zeit in Anspruch 181 . Dabei hat im Landesinneren die mittelbronzezeitliche Stadtkultur nicht zu so imposanten Stadtgründungen geführt wie an der Küste, in Hazor und Megiddo 182 . Kelso zufolge war 5eif«/Bet-El zwischen 1550 und 1400 unbesiedelt. Dies ist allein aus dem Fehlen signifikanter Keramik für die Spätbronze-IZeit 183 erschlossen. Die Spätbronzezeit beginnt damit in Betin/Bet-E\ um 1400 und dauert bis zu einer großen Zerstörung im 13. Jh. Sie lässt sich noch einmal in zwei Phasen unterteilen. Die erste (15.-13. Jh.) ist durch importierte und bemalte einheimische Keramik gekennzeichnet; in der 173

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 2 6 .

174

J.L. KELSO, Excavation, 26; PI 109.

175

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , P l . 8 1 , 2 .

176

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , P l . 1 1 9 a .

177

J.L. KELSO, Excavation, 26. J.L. KELSO, Excavation, 55. Die einzelnen Gefaßtypen sind aufgelistet und detailliert beschrieben S. 56-60. Vgl. auch W.G. DEVER, Methods, 466f. 179 J.L. KELSO, Excavation, 24f. verzeichnet Brandspuren in Loci 307, 308 und 410. 180 Vgl. H. WEIPPERT, Palästina, 218f. (Mauern); 227 (Hofhaus). 178

181

V g l . H . WEIPPERT, P a l ä s t i n a , 2 0 6 - 2 1 1 .

182

V g l . H . WEIPPERT, P a l ä s t i n a , 2 1 8 f .

183

J.L. KELSO, Excavation, 28.

Bet-El im Spiegel der Archäologie

53

zweiten Phase (13. Jh.) nimmt die Qualität der Keramik deutlich ab 184 . Zwischen den beiden Phasen liegen Brandspuren und möglicherweise ein damit in Zusammenhang stehendes Erdbeben 185 . Im Großen und Ganzen setzen sich im spätbronzezeitlichen Betin/Bet-El die Tendenzen der Mittelbronzezeit fort. Aus dieser Periode stammt ein großes fragmentarisch erhaltenes Hofhaus in Areal A (ca. 13,5 x 13,5 m) 186 , das in beiden Phasen der Spätbronzezeit in Benutzung war 187 . Hier sind um den zentralen quadratischen Hof mindestens fünf teilweise sehr große Räume gruppiert, die teils Zugänge zum Hof haben, teils als Durchgangsräume gestaltet sind. Im Unterschied zum mittelbronzezeitlichen Hofhaus aus Areal F fehlen hier jedoch die Lagergruben. In diesem Gebäude und dem unmittelbar anschließenden Locus 58 fanden sich große Mengen spätbronzezeitlicher Keramik, vor allem Schalen, Krüge und Kochtöpfe 1 8 8 , ein Flintmesser 189 und knöcherne Spindeln 190 . Eine ähnliche Struktur zeigt das Gebäude von Areal B (ca. 1 0 x 1 5 m) 191 . Auch hier fehlen die Lagergruben. Ein besonders auffallender Sachverhalt sind die Kanalisationsrohre in diesem Gebäude 192 . Der Keramikbefünd entspricht in etwa dem des Hauses aus Areal A 193 . In Areal E schließlich befand sich eine aus vier Räumen bestehende Anlage. Ihr mittlerer Raum (305) 194 enthielt einen 1 m breiten Steinmörser, ein Steinbecken von 2 x 1 m Größe und 60 cm Tiefe sowie eine Steinbank. Kelso deutet diese Anlage als „Olive Oil Factory" 195 und verweist dazu auf beträchtliche Mengen von Pressrückständen nördlich dieses Raums 196 . Die spätbronzezeitliche Keramik in Betini Bet-El umfasst wenig importierte 197 , dafür umso mehr einheimische bemalte Ware. Ihre Mustervielfalt bleibt unter dem Landesstandard 198 , typisch für Bet-El sind Dekore aus

184

J.L. KELSO, Excavation, 28. J.L. KELSO, Excavation, 28.31. 186 Zu den Maßen vgl. J.L. KELSO, Excavation, Pl. 3; W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, Fig. 6. 187 J.L. KELSO, Excavation, Pl. 3a.22a. 188 J.L. KELSO, Excavation, 98-100. 189 J.L. KELSO, Excavation, 117. 190 J.L. KELSO, Excavation, 123. 191 Näherungswerte nach dem Plan bei J.L. KELSO, Excavation, Pl. 3b. 192 J.L. KELSO, Excavation, 29 und PI. 18.19. 193 J.L. KELSO, Excavation, 98-100. 194 J.L. KELSO, Excavation, Pl. 85. 195 J.L. KELSO, Excavation, 30. 196 Im Vorbericht wird nicht völlig klar, ob Kelso die Olivenpresse der Spätbronzeoder der Eisen-I-Zeit zuordnet (J.L. KELSO, Second Campaign, 6f.). 197 J.L. KELSO, Excavation, Pl. 37. 198 J.L. KELSO, Excavation, 59. 185

54

„ Und er nannte die Stätte Bet-El "

konzentrischen Kreisen, Wellenlinien oder Schachbrettmustern 199 . Unter den Formen dominieren Vorratskrüge (nur fragmentarisch) 200 , Kochtöpfe und flache Schalen, außerdem lassen sich einige Krüglein und Pilgerfläschchen finden 201 . Unter den Kleinfunden treten drei Stücke deutlich hervor. Das erste wurde 1934 im Schutt außerhalb der Nordmauer entdeckt. Es handelt sich um ein knapp 4 cm großes Rollsiegel aus Fritte. Die Abrollung des gesamten Motivs beträgt 6 cm und zeigt auf der linken Seite eine männliche Figur mit einem Krummschwert in der erhobenen rechten Hand und einem Speer in der Linken. Auf der rechten Seite steht eine weibliche Figur mit bebänderter Atef-Krone und langem Gewand. Sie hält einen Speer in der rechten Hand 202 . Die beiden Figuren sind einander zugewandt, so dass die beiden Speere den Rahmen für eine im Zentrum der Komposition befindliche Inschrift bilden, die in Hieroglyphenschrift den Namen '-s-t-r-t (Astarte) zeigt. Die spätbronzezeitliche Datierung des Siegels ist unumstritten, ebenso der ägyptische Einfluss auf die Darstellung, die zwei figürlich dargestellte und eine durch Schrift repräsentierte Gottheit zeigt 203 . Unklar ist allerdings, wie die Komposition genau zu lesen ist. Albright versteht die Beischrift als Identifikation der weiblichen Figur, die demnach als Astarte zu interpretieren ist. Die ihr gegenüber stehende männliche Figur ist Ba'al. Astarte wird von ihm als fertility goddess204 eingeordnet, doch über die Zuordnung von Astarte und Ba'al im Rahmen dieser Komposition äußert er sich nicht 205 . Sowohl die Identifikation der männlichen Figur mit Ba'al als auch die der weiblichen mit Astarte sind kontrovers. W.J. Fulco vermutet in der linken Figur ebenfalls eine weibliche Gottheit, nämlich Astarte mit einer kriegerischen Konnotation 206 . Diese Deutung ist wenig wahrscheinlich. Zwar ist auf einem zeitgenössischen Skarabäus eine weibliche Gottheit mit Krummschwert in der erhobenen Rechten dargestellt, doch ist sie ikonographisch klar als Frau zu erkennen 207 , wohingegen die linke Figur des Siegels von ßei;«/Bet-El durch das kurze Gewand männlich konnotiert ist. Somit stellt diese linke 199

J.L. KELSO, Excavation, Pl. 35. J.L. KELSO, Excavation, Pl. 82. 201 J.L. KELSO, Excavation, 59f. 202 W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 8 erwägt ein Anch-Symbol in der linken Hand der Figur. Ähnliches Material bei OTHMAR KEEL/CHRISTOPH UEHLINGER, Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen, Freiburg/Basel/Wien 1992 (QD 134), 97f. (Abb. 107.108). 200

203

V g l . H . WEIPPERT, P a l ä s t i n a , 3 0 7 ; O . K E E L / C . UEHLINGER, G ö t t i n n e n , 9 8 . W . F .

ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 8 erwägt für die Herkunft: "Either made in Egypt for Asiatic consumption or, more likely, manufactured at Gaza or another town under strong Egyptian influence." Tatsächlich lässt sich aber weder sagen, woher das Siegel stammt, noch, wie es nach Bet-El gekommen ist, vgl. K. KOENEN, Bethel, 88f. 204 W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 8. 205 J.L. KELSO, Excavation, 85f. 206 WILLIAM J. FULCO, The Canaanite God Resep, New Haven 1976, 9f. 207 O. KEEL/C. UEHLINGER, Göttinnen, 98 (Abb. 110).

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

55

Figur eine männliche Gottheit vom Typ des smiting God dar, entweder Resef oder Ba'al. Die beiden Gottheiten sind hinsichtlich ihrer Darstellung kaum zu unterscheiden 208 . Die ägyptische bzw. ägyptisierende Darstellung des Siegels spricht für eine Ba'al-Gottheit, näherhin für Ba'al-Seth 2 0 9 . Die Identifikation der weiblichen Figur hängt davon ab, ob man die zentrale Inschrift als deren Namen oder die Repräsentation einer dritten, nur durch die Schrift repräsentierten Gottheit auffasst. Gegen die Zusammenschau von Figur und Schrift, die vielfach vertreten wird 2 1 0 , spricht die Komposition. Für sie ist die Symmetrie des Aufbaus von zentraler Bedeutung, so dass von einer Göttertrias auszugehen ist 211 . Die weibliche Figur stellt dann wahrscheinlich Anat dar 2 1 2 . Die beiden figürlich dargestellten Gottheiten evozieren durch ihre Bewaffnung eine kriegerische Konnotation 2 1 3 . Die Konnotation der schriftlich präsenten Astarte bleibt offen. Das Siegel gibt keinen Aufschluss über generelle Merkmale der im Bet-El der Spätbronzezeit ausgeübten Religion 214 . Noch weniger ist es als Indiz für religionsgeschichtliche Kontinuitäten einer in ßeim/Bethel verehrten Göttertrias heranzuziehen 215 .

Bei den beiden weiteren wichtigen spätbronzezeitlichen Artefakten aus Se/m/Bet-El handelt es sich um einen ca. 15 cm großen knöchernen Sistrumgriff, der von einem Hathorkopf gekrönt wird (Areal A, Locus 58) 216 . Trotz des ägyptischen Motivs ist er wahrscheinlich palästinischer Herkunft 217 . Aus demselben Areal (Locus 52) stammt ein 2 cm großer Skarabäus aus Steatit mit unbearbeiteten Elytra. Er zeigt einen Horus auf einem «/-Zeichen mit zwei Uräen vor sich 218 . Die Herkunft ist nicht bekannt. 208

V g l . O . K E E L / C . UEHLINGER, G ö t t i n n e n , 1 2 9 f . IZAK CORNELIUS, T h e I c o n o g r a p h y

of the Canaanite Gods Reshef and Baal. Late Bronze and Iron Age I Periods (c. 1500 1000 BCE), Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1994 (OBO 140), 174, bemerkt, dass Resef meist nicht mit erhobener Hand und Speer dargestellt wird. Zumindest für die erhobene Hand spricht indes der Resef aus Megiddo, vgl. O. KEEL/C. UEHLINGER, Göttinnen, 130132 (Abb. 139). Eine funktionale Unterscheidung zwischen Resef und Ba'al trifft K. KOENEN, Bethel, 87. 209

V g l . O . K E E L / C . UEHLINGER, G ö t t i n n e n , 9 8 ; K . KOENEN, B e t h e l , 8 7 .

210

W.J. FULCO, Canaanite God, 9f.; I. CORNELIUS, Iconography, 173f.; URS WINTER,

Frau und Göttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild in Israel und in dessen Umwelt, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 2 1987 (OBO 53), 230. 211

H . WEIPPERT, P a l ä s t i n a , 3 0 8 ; O . K E E L / C . UEHLRNGER, G ö t t i n n e n , 9 8 ; K . KOENEN,

Bethel, 87f. 212 Zu vergleichbaren Darstellungen der Anat im in Frage kommenden Zeitraum vgl. O. KEEL/C. UEHLINGER, Göttinnen, 97-99; zu einer vergleichbaren Darstellung einer Gottheit durch Namenszug mit flankierenden Gottheiten S. 98. 213

I. CORNELIUS, I c o n o g r a p h y , 174.

214

Vgl. K. KOENEN, Bethel, 88f.

215

So ERNST AXEL KNAUF, Zur Herkunft und Sozialgeschichte Israels. „Das Böckchen in der Milch seiner Mutter": Bib 69 (1988), 153-169, hier 155f.; DERS., RGG 4 I, 1375f. mit der Annahme, dass diese Göttertrias (bei ihm: Baal-Hadad/Astarte/Atart) noch im 8. Jh. verehrt worden und auch in Elephantine nachweisbar sei. 216

J.L. KELSO, Excavation, 86.

217

W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 8f.

218

J.L. KELSO, Excavation, 86; PI. 44.1.

56

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Wie schon der mittelbronzezeitliche deckt sich auch der spätbronzezeitliche Befund in ße?/«/Bet-El mit dem Gesamtbild Palästinas in der untersuchten Epoche. Insgesamt setzt die Spätbronzezeit Tendenzen fort, die aus der Mittelbronzezeit stammen, wie das Hofhaus und Formen der Keramik 219 . Die Späte Bronzezeit ist dann im Allgemeinen durch einen Niedergang des kulturellen Niveaus gekennzeichnet, vor allem in ihrer letzten Phase. Auch damit fügt sich Betin!Bet-El in das Bild der Region. Der ägyptische Einfluss in Palästina, der sich an anderen Orten in der Architektur zeigt, lässt sich in Bet-El nur an den Kleinfunden beobachten 220 . Die archäologische Untersuchung des bronzezeitlichen i?eii«/Bet-El ergibt somit das Bild einer Stadt von bescheidenem Wohlstand. In der Architektur lässt sich sogar von einem hohen kulturellen Niveau sprechen, was sich allerdings bei Keramik und Kleinfunden nicht in vollem Umfang bestätigen lässt. Im Großen und Ganzen kann Betin/Bet-El in das Gesamtbild Palästinas in der Bronzezeit eingeordnet werden: Es hat Teil an dessen Struktur als Addition von vereinzelten Stadtkulturen an zentralen Punkten des Landes. Indes ist im gesamten Landesinneren diese „Stadtkultur" eher bescheiden. Die Städte sind kleiner als die Städte an der Küste und in den Ebenen und weniger prächtig ausgestattet. Man darf Betini Bet-El nicht mit Megiddo oder Hazor vergleichen, eher gleicht es Khirbet Selün/Silo, Teil Baläta/Sichern, Teil el-Fär'a Nord/Tirza oder Jerusalem. Hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie in ßefiw/Bet-El: Befestigungsanlagen mit Türmen, Glacisanlagen und Toren, großzügige Hofhäuser, gut ausgeführte Haushaltskeramik und einige hochwertige Kleinfunde 221 . Unter diesen bronzezeitlichen Städten ist BetinlHe\.-E\ mit seinen maximal 1,7 ha Fläche eine der kleineren. 2.2.3 Eisenzeit I: Zerstörung und Neubeginn Den Übergang von der Spätbronze- zur Eisen-I-Zeit kennzeichnet in Beim/ Bet-El eine enorme Feuersbrunst. Sie zerstörte das gesamte Areal B und hinterließ eine 1,5 m hohe Zerstörungsschicht 222 . Auch in den Arealen E, F und M will Kelso dieses Feuer nachweisen 223 . Nach dem Brand wurden die dort liegenden Gebäude mit vollständig verändertem Bauplan neu errichtet. Auch in Areal A wurde neu gebaut; wie stark der Brand hier ge219 220 221

H. WEIPPERT, Palästina, 267. Vgl. dazu H. WEIPPERT, Palästina, 269. V g l . ROLAND DE VAUX/PIERRE DE MIROSCHEDJI/ALAIN CHAMBON, F a r ' a h , T e i l el-

(North): N E A E H L II, 4 3 3 - 4 4 0 , hier 4 3 7 - 4 3 9 ; BENJAMIN MAZAR/YIGAL SHILOH/NAHMAN AVIGAD/HILLEL GEVA, Jerusalem: N E A E H L II, 6 9 8 - 8 0 4 , hier 7 0 1 f . ; EDWARD F. CAMP-

BELL, Sheehem (Tell Balâtah): NEAEHL IV, 1345-1354, hier 1349-1352; A. KEMPINSKI/I. FINKELSTEIN, Shiloh, 1365-1367. 222 J.L. KELSO, Excavation, 32. 223 J.L. KELSO, Excavation, 30 (Areale E, F); 17 (Areal M).

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

57

wirkt hat, lässt sich dem Grabungsbericht jedoch nicht entnehmen 224 . Kelso datiert den Brand auf ca. 1240-1235 v. Chr. und bringt ihn in Zusammenhang mit dem „Israelite conquest" 225 . Auf Grund der biblizistischen Orientierung Kelsos und Albrights einerseits und einer gewandelten Forschungslage zur frühen Eisenzeit in Palästina andererseits ist die angemessene Wahrnehmung der Ergebnisse in 2?eiz«/Bet-El problematisch. Kelso grenzt - im Anschluss an seinen Lehrer Albright - die Eisen-IZeit auf den Zeitraum 1240-900 v. Chr ein 226 . Dabei geht in 5eizw/Bet-El die Eisen-I- relativ bruchlos in die Eisen-II-Zeit über 227 . Dieser chronologische Ansatz Kelsos und Albrights ist mit der herkömmlichen Datierung der Epoche nicht ganz deckungsgleich, nach welcher das Ende der Eisen-IZeit bereits um 1000 v. Chr. anzusetzen ist und danach ein relativer Einschnitt zu beobachten sei 228 . D.h. was bei Kelso die letzte Phase der EisenI-Zeit repräsentiert, nämlich „Iron Age I Phase 4b" muss nach der heute üblichen Chronologie bereits zur Eisen-II-Zeit gerechnet werden 229 . Kelso unterteilt die Eisen-I-Zeit in Berfn/Bet-El in fünf aufeinanderfolgende Phasen, nämlich 1 (vor 1200 v. Chr.), 2 (1200-1100 v. Chr.) 3 (1100-1025 v. Chr.) 4a (1025 bis nach 1000 v. Chr.) und 4b (Mitte bis Ende des 10. Jhs. v. Chr.) 230 . Phasen 1 bis 3 unterscheiden sich durch Varianten in der Architektur. Sie sind durch Brandschichten voneinander getrennt 231 . Die Charakteristika von Phase 4 werden widersprüchlich wiedergegeben. Einerseits stellt Kelso fest, dass das architektonische Hauptcharakteristikum der früheren drei Phasen, nämlich der Pfeiler, in Phase 4 fehlt und statt dessen Mauerwerk aus kleinen Steinen verwendet wird 232 . Andererseits bemerkt er: "In phase 4 there was a change in ceramics only" 233 . Darüber hinaus verzeichnet er eine häufige Kontinuität zwischen Phase 3 und der Architektur der Eisen-II-Zeit. Tatsächlich ergibt eine Lektüre der historischen Gesamtinterpretation ße/iw/Bet-Els in Kapitel 10 des Ausgrabungsberichts, dass die kleinteilige Einteilung der Eisen-I-Zeit in 224

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 3 2 f .

225

J.L. KELSO, Excavation, 32.

226

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , x i v .

227

J.L. KELSO, Excavation, 36. Vgl. die Übersicht bei U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 17; H. WEIPPERT, Palästi-

228

n a , 3 5 5 ; YOHANAN AHARONI/RUTH AMIRAN, A N e w S c h e m e f o r t h e S u b - D i v i s i o n o f t h e

Iron Age in Palestine: IEJ 8 (1958), 171-184, hier 171f. Daran anschließend: I. FINKELSTEIN, Archaeology, 15; AMIHAI MAZAR, Archaeology of the Land of the Bible. 10,000 - 586 B.C.E., New York u.a. 1990, 295; DERS., Iron Age Chronology. A Reply to I. Finkelstein: Levant 29 (1997), 157-167. 229 K. KOENEN, Bethel, 38f. berücksichtigt diese Problematik nicht, wenn er die historischen Dimensionen der Reichsteilung und ihrer Folgen unter der Uberschrift „Eisenzeit II" behandelt. Kelso verhandelt die Regierung Jerobeams I. aber selbst im Zusammenhang mit der Eisen-II-Zeit (J.L. KELSO, Excavation, 37). 230

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , x i v .

231

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 3 5 .

232

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 3 2 .

233

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 3 5 .

58

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Bet-El unter dem Systemzwang der Korrelation der materialen Zeugnisse mit dem biblischen Text erfolgt 2 3 4 . Die materiale Hinterlassenschaft Be/;«/Bet-Els liest Kelso als Beleg für die Eroberung Bet-Els durch Josua (Jos 18,22) und eine kurzfristige „israelitische" Siedlungsperiode, in der Bet-El zum Zentralheiligtum der Stämme wurde (Ri 20,18). Dies muss der „historische" Hintergrund für Phase 1 sein. Es folgte der „Bürgerkrieg" zwischen Ephraim und Benjamin (Ri 20), der eine „kanaanäische Revolte" nach sich zog, in der Bet-El erneut zerstört wurde. Die Lade wurde von Bet-El nach Silo verlegt. Bet-El war kurzfristig wieder kanaanäisch besiedelt (Phase 2). Für diese historische Rekonstruktion gibt Kelso keinen biblischen Beleg an. Ri 1,22-26 zeigt dann die Rückeroberung Bet-Els, bei der Bet-El an Joseph, d.h. an Ephraim fiel (Phase 3). In die Kriege zwischen Saul und den Philistern wurde Bet-El nur noch punktuell einbezogen ( l S a m 13: Phase 4a). Es ist offensichtlich, dass sich der materiale Befund in Betin!Bet-El und das biblische Zeugnis über die Landnahme mit ihren Folgen nur unter Zwang miteinander korrelieren lassen. So zeigt sich an Betin/Bet-El in der frühen Eisenzeit exemplarisch das Problem einer biblizistisch orientierten Palästinaarchäologie und ihrer hermeneutischen VorausSetzungen .

Unter archäologischer Perspektive lässt sich die kleinteilige Phaseneinteilung der Eisen-I-Zeit in Betin/Bet-El kaum halten, zumal bei Berücksichtigung der interpretatorischen Widersprüche. So muss der Gesamtbefund unter dem großräumigeren Zeithorizont „Eisen-I-Zeit" bzw. „frühe Eisenzeit" betrachtet werden 236 . Der Brand, der den Beginn der frühen Eisenzeit in Betin/Bet-El markiert, hat offenbar keine Auswirkungen auf die Stadtmauer gehabt, sondern nur auf die Gebäude innerhalb der Mauer. Kelso nimmt an, das Feuer sei durch eine von außen eindringende Armee verursacht worden. In den Befestigungsanlagen Betin!Bet-Els lässt sich ein solcher Angriff von außen jedoch nicht nachweisen. Im Abschnitt der Westmauer in Areal C gibt es angeblich eine Bresche, die sofort, aber unfachmännisch (von den eingedrungenen „Israeliten") repariert worden sein soll 237 . In Areal G scheint eine früheisenzeitliche Struktur auf ein älteres Mauersegment aufgebaut worden zu sein; Kelso hält das Gebäude für einen Turm, der die Zerstörungslücke jedoch nicht vollständig schließt 238 . Auch in Areal F wurde möglicherweise über die alte Mauer hinweggebaut 239 . Weitere eisen-I-

234

Vgl. zum Folgenden J.L.KELSO, Excavation, 49-50.

235

V g l . HELGA WEIPPERT/MANFRED WEIPPERT, D i e V o r g e s c h i c h t e I s r a e l s in n e u e m

Licht: ThR 56 (1991), 341-390, hier 342f.; U. ZwrNGENBERGER, Dorfkultur, 534. 236 Die geringfügigen Detailänderungen rechtfertigen keine Separierung einzelner Besiedlungsschichten, vgl. I. FlNKELSTEIN, Archaeology, 73; U. ZwrNGENBERGER, Dorfkultur, 155.239f.; K. KOENEN, Bethel, 36. 237

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 16.

238

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 15.

239

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 12.

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

59

zeitliche Eingriffe ließen sich nicht finden240. Im Großen und Ganzen scheint es, als ob 5eim/Bet-Els Mauer weitestgehend intakt blieb, zumindest soweit, dass sie das Stadtbild weiterhin prägen konnte 241 . Die Ursache des verheerenden Brandes und der möglicherweise damit zusammenhängenden Zerstörungen an der Stadtmauer lassen sich nicht klären. Mit Sicherheit jedoch kennzeichnet der Brand am Ende der Spätbronzezeit einen kulturellen Umbruch in 5eif«/Bet-El. Die spätbronzezeitlichen Hofhäuser aus Areal A, B und F wurden mit vollständig verändertem Bauplan neu gebaut; über den Brandschichten in diesen Bereichen sowie über der Anlage von Areal E entstanden in angeblich mehreren Bauphasen neue Haustypen. Der Unterschied der eisen-I-zeitlichen zur spätbronzezeitlichen Bauweise in Äe/iw/Bet-El ist nicht zu leugnen, wenn er auch aufgrund der methodischen Prämissen schwer deutbar bleibt. In Areal A wurde - unter Verwendung einiger Mauern aus der spätbronzezeitlichen Bebauung 242 - ein annähernd quadratisches neues Gebäude von ca. 12 x 12 m errichtet 243 . An der Ostseite befindet sich ein 1,6 m breiter Durchgang, der auf eine Anlage aus mehreren Räumen (S 35, S 34 N, S 34 G 244 ) im Norden führt. Die südliche Wand des Durchgangs setzt sich im Inneren des Hauses fort, ein Durchgang an dessen westlichem Ende führt in zwei oder drei weitere Räume (S 40, S 32). Die Raumunterteilung erfolgt durch die für die Eisen-I-Zeit charakteristischen Pfeiler, bei denen allerdings unklar bleibt, ob sie eine tragende Funktion erfüllt haben. Holzreste weisen auf eine Bedachung des Gebäudes 245 . Sein Boden war

240 In der Sondierungsgrabung versuchte Albright, einen Mauerabschnitt im Bereich des modernen mädafah-Gebäudes früheisenzeitlich zu datieren (W.F. ALBRIGHT, Triai Excavation, 11). Diese Interpretation ist später anscheinend stillschweigend aufgegeben worden. 241 Tatsächlich ist die Geschichte der bronzezeitlichen Mauer von Bëtïn/Bet-E\ unklar. Der Bericht Kelsos erweckt den Eindruck, die Mauer sei weiter in Verwendung geblieben, lässt aber offen, wie sich die Überbauungen in Areal F und G in diese Ansicht integrieren lassen. Wie U. ZwiNGENBERGER, Dorfkultur, 475 betont, ist die Datierung der Mauersegmente in der Regel nur über Keramikreste vollzogen und daher unsicher. Wie es scheint, ist jedoch nicht in den Torverlauf eingegriffen worden, und die Gebäudekomplexe in Areal A, B und E orientieren sich anscheinend am (spät-) bronzezeitlichen Stadtplan. Mit I. FlNKELSTEIN, Archaeology, 261 f. ist daher zu festzuhalten, dass 1) Keine eisen-I-zeitlichen Befestigungen gefunden werden konnten und 2) Unklar bleibt, ob die gesamte Maueranlage von BëttnlBet-El als Befestigung erhalten blieb. Anders

U. ZwiNGENBERGER, D o r f k u l t u r , 475; K. KOENEN, Bethel, 33. 242 J.L. KELSO, Excavation, 32. Welche Mauerzüge weiter verwendet worden sind, ist trotz Skizzen (PI. 4 oben) und Fotografien (PI. 21.a.b.23) nicht genau zu erkennen. 243 Angabe nach U. ZwiNGENBERGER, Dorfkultur, 240. Die Skizze bei J.L. KELSO, Excavation, Pl. 4 oben ergibt 11,75 m Breite und 11,4 m Länge. 244 J.L. KELSO, Excavation, Pl. 4 oben. 245 J.L. KELSO, Excavation, 32.

60

„ Und er nannte die Stätte Bet-El "

teilweise gepflastert. Die Anlage enthielt außerdem zwei Öfen in Raum 38, eine Grube in Raum S 34 G sowie eine nicht deutbare halbrunde Installation an der Westseite 246 . Die Räume enthalten Reste von Haushaltsgefäßen, vor allem von Kochtöpfen und Vorratskrügen sowie Reibsteine und in Raum S 40 eine Töpferscheibe aus Kalkstein 247 . Bei der Struktur, die über dem älteren Hofhaus in Areal B liegt 248 , ist nicht deutlich, ob die ca. 12 x 10,5 m große Anlage überhaupt ein einziges Gebäude darstellt 249 . In der Wand zwischen Raum 147 und 152/153 findet sich eine Reihe aus mindestens vier Pfeilern, sie sind in einer späteren Bauphase durch eine leicht nach Osten verschobene massive Mauer ersetzt worden 250 . Östlich der Anlage befinden sich zwei Lagergruben. Die gesamte Anlage fallt durch reichhaltige Kleinfunde auf 251 . Beim Bau der eisen-I-zeitlichen Anlage in Areal E wurden Steine aus der vorangehenden Periode verwendet, die „Olive oil factory" wurde dabei zerstört 252 . Die Anlage weist ebenfalls weitere Brandspuren auf. Anscheinend wurde der Gebäudekomplex während des untersuchten Zeitraums mehrfach umgebaut 253 , dabei soll in Raum 304 eine spätbronzezeitliche Mazzebe verbaut worden sein 254 . Das neue Gebäude enthält vier zusammenhängende Räume von jeweils ca. 4 m 2 Grundfläche, aber keine Pfeiler 255 . Die Böden bestanden teils aus Stampflehm, teils waren sie gepflastert. Es gibt keine Lagergruben, dafür aber drei Öfen in den Loci 303, 304 und 3 0 7 256 . Keramik und Kleinfunde der Anlage sind sehr spärlich 257 . Nach den Umbauten der vierten Bauphase war der Gebäudekomplex bis in die Eisen-II-Zeit in Verwendung 258 . In Areal F schließlich findet sich ein Gebäudekomplex, der dem von Areal E im Grundriss ähnelt. Hier findet sich aber wieder eine Pfeilerreihe, und alle Räume haben ein Steinpflaster 259 . In allen untersuchten Gebäuden ist die Mauertechnik auf deutlich geringerem technischen Standard als in der Bronzezeit 260 . D.h. der kulturelle Umbruch in Bëtïn!Bet-El scheint mit einem Niedergang verbunden zu sein. 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260

J.L. KELSO, Excavation, 32f. und PI. 4 oben. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 241 f. J.L. KELSO, Excavation, 33 und PI. 4 unten. Rekonstruktionsversuch bei U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 242f. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 243. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 243f. J.L. KELSO, Excavation, 33. J.L. KELSO, Excavation, 33f. und PI. 86a. J.L. KELSO, Excavation, 34 und PI. 89b. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 245 (Skizze); J.L. KELSO, Excavation, 33. J.L. KELSO, Excavation, 33f. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 246. J.L. KELSO, Excavation, 35. Vgl. J.L. KELSO, Excavation, 35. Pl. 92b; U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 246f. J.L. KELSO, Excavation, 32.

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

61

Soweit erkennbar, verringert sich die bebaute Fläche erheblich, in Areal A von 182,5 m 2 auf 144 m 2 , in Areal B von 150 m 2 auf 126 m 2 , das Gebäude von Areal E bedeckt 78 m 2 , das von Areal F ist sogar nur 32m 2 groß 261 . Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Tradition des bronzezeitlichen Hofhauses nicht fortgesetzt wird, sondern sich stattdessen eine neue Bauform etabliert, die in Z?e/i«/Bet-El im Wesentlichen durch Pfeilerbauweise, einen dezentralen Hof und kleinere Räume gekennzeichnet ist. Zusätzlich zu den veränderten Haustypen kommt im Betini Bet-El der frühen Eisenzeit eine weitere bauliche Neuerung hinzu. In Areal C, d.h. dem Abschnitt der Westmauer, in dem eine früheisenzeitliche Bresche liegen soll, fand sich eine Anlage aus drei Silos. Eines davon teilt sich zwei Mauerzüge mit der Stadtmauer und hat eine Tiefe von 2 m, ein weiteres von ovaler Form hat eine Tiefe von 2,3 m. Die Abdeckung der Silos setzt den Verlauf der Stadtmauer fort. In diesem Bereich bestand die Keramik überwiegend aus Resten von Vorratskrügen 262 . Die Keramik von Betini Bet-El während der Eisen-I-Zeit zeigt ein ähnliches Bild wie die Architektur: Einige Formen aus der späten Bronzezeit werden übernommen, es kommen allerdings erkennbare neue Formen hinzu, und im Ganzen nimmt die Qualität der Arbeiten im Vergleich zur Spätbronzezeit noch einmal deutlich ab 263 . Insgesamt dominiert die Haushaltskeramik: Vorratskrüge und Kochtöpfe, Schüsseln und Terrinen, Kannen und Kännchen, die sich der Form nach während der Eisen-I-Zeit kontinuierlich weiterentwickeln 264 . Kochtöpfe und Schalen setzen zunächst spätbronzezeitliche Vorbilder fort und entwickeln dann eigenständige Formen 265 . Besonders charakteristisch sind die Vorratskrüge, die in Betini BetEl wie auch anderswo einen ähnlichen kulturellen Einschnitt markieren wie die neuen Haustypen 266 . Sie entsprechen dem Typ des collared-rimjar267 u n ( j e r s c h e i n e n in Se/;«/Bet-El in zwei Formen: Krüge mit hohem Hals und profiliertem Rand sowie Krüge mit „heavy rolled hm" und konkaver Unterseite 268 . An Kleinfunden von Betin!Bet-El während der Eisen-I-Zeit hebt sich vor allem ein Krughenkel heraus, der in Form eines männlichen Kopfes

261 Vgl. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 245-247. Sie errechnet für das früheisenzeitliche ßei;«/Bet-El eine bebaute Gesamtfläche von 5400 m 2 . 262

J.L. KELSO, E x c a v a t i o n , 16f.

263

V g l . J.L. KELSO, E x c a v a t i o n , 63.

264

V g l . U . ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 3 6 7 f .

265

J.L. KELSO, E x c a v a t i o n , 6 4 und U . ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 3 6 7 .

266

Vgl. den Überblick zur Diskussion bei U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 370-373.

267

H . WEIPPERT, P a l ä s t i n a , 3 9 7 .

268

J.L. KELSO, Excavation, 63 und PI. 56.61. Kelso verteilt die beiden Krugtypen auf zwei aufeinanderfolgende zeitliche Phasen.

62

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

gestaltet ist269. Die Gestalt ist ca. 20 cm hoch und trägt eine hohe, zylinderförmige Kopfbedeckung, die am unteren Rand mit Punkten dekoriert ist. Aus dem unteren Teil der Kopfbedeckung ist die - nur angedeutete - Nase herausmodelliert, die Augen sind aufgesetzt. Kelso datiert das Objekt ohne Begründung auf 1100 v. Chr. Seine Funktion ist unklar, und bislang haben sich auch keine exakten Parallelen finden lassen270. Der Fund einer Töpferscheibe von 15,8 cm Durchmesser und mit 11,6 cm hohem Drehzapfen weist daraufhin, dass die Keramik in Betini Bet-El zumindest teilweise auf der Scheibe hergestellt wurde271. Relativ auffallend ist der Bestand an Metallgegenständen während der Eisen-I-Zeit in 5eif«/Bet-El. Nach der Auflistung von Zwingenberger272 handelt es sich um siebenundzwanzig Gegenstände, teils aus Bronze, teils aus Eisen: Werkzeuge, Waffen, überwiegend bronzene Schmuckstücke sowie zwei Gegenstände aus Kupfer. Vor allem der hohe Anteil eiserner Gegenstände ist auffallend. Es ist unklar, ob es sich hierbei um einheimische Produktionen handelt. Kelso listet unter der Keramik einen kleinen Napf auf, den er als Schmelztiegel identifiziert273. Der Gesamtbefund zur Eisen-I-Zeit in Betini Bet-El lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die spätbronzezeitliche Stadt im Übergang zur Eisen-I-Zeit und danach unter erheblichen Zerstörungen durch Feuer zu leiden hatte. Diese veränderten das Siedlungsbild erheblich. Mit dem Aufkommen des neuen Haustyps zeigt der Ort kulturell ein verändertes Gesicht. Er wurde außerdem kleiner und wohl auch dörflicher. Die Befestigungsanlagen blieben soweit erkennbar zum großen Teil intakt. Die nach der großen Zerstörung der spätbronzezeitlichen Schicht in Befzw/Bet-El errichtete Siedlung lässt unter archäologischen Gesichtspunkten einige Merkmale eisen-I-zeitlicher Orte im palästinischen Bergland erkennen. Ein grundsätzliches Kennzeichen dieser Phase bildet das gegenüber der Spätbronzezeit abnehmende kulturelle und technische Niveau. Gleichzeitig kommen neue Bau- und Keramiktypen auf. Das Vierraum- bzw. Pfeilerhaus und der Krug mit dem Halswulst sind die hauptsächlichen Charakteristika dieser Phase274, zusätzlich wäre das Aufkommen polierter Keramik275 zu nennen. Diese Formen markieren die eisen-I-zeitliche Kultur des zentralen Berglandes, die von der Küste noch einmal signifikant unter-

269 270 271 272

J.L. KELSO, Excavation, 65 und PI. 44:7. Vgl. I. FINKELSTEIN, Archaeology, 287-291. Vgl. J.L. KELSO, Excavation, 66; U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 424. U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 4 2 5 .

273

J.L. KELSO, Excavation, 64 (Pl. 60:13). Vgl. ausführlich H. WEIPPERT, Palästina, 352-406. 275 Vgl. T R U D E DOTHAN, The Philistines and their Material Culture, Haven/London/Jerusalem 1982, 54; U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 368. 274

New

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

63

schieden ist 276 . Insofern ist nicht nur die Eisen-I-Zeit als eigenständiger Kulturabschnitt gekennzeichnet, sondern das palästinische Bergland muss in diesem zeitlichen Abschnitt auch als eigener Kulturraum betrachtet werden. Als Typen sind das Vierraum- bzw. Pfeilerhaus eines der grundlegenden Merkmale dieses Kulturraums, das in seiner tatsächlichen Ausprägung aber erheblich variiert 277 . Auch in ¿?eiz«/Bet-El sind die Grundrisse nicht einheitlich und darüber hinaus schwer erkennbar. Sie unterscheiden sich jedoch vom bronzezeitlichen Hofhaus signifikant darin, dass der Hof nicht mehr den zentralen Teil des Gebäudes bildet, sondern tendenziell an dessen Peripherie verlegt wird. Typisch ist außerdem die Unterteilung der Räume durch Pfeilerreihen 278 . Obwohl die Entstehung des Vierraumhauses vor allem unter historisch-ethnologischen Gesichtspunkten diskutiert wird 279 , hat der tendenziell langräumige Grundriss mit dem dezentralen Hof doch wahrscheinlich eher funktionale Gründe 280 . Das architektonische Novum der Pfeilerreihen könnte sich tatsächlich aus den Zeltstangen des Nomadenzeltes herleiten, d.h. „ethnische" Vorgaben aufgreifen. Sie tragen jedoch nicht nur - in Analogie zum Zelt - die hölzerne Dachkonstruktion 281 , sondern bilden möglicherweise auch das Skelett eines oberen Stockwerks, das zum Schlafen dient, während das Erdgeschoss für Arbeit, Vieh und Lagerung reserviert ist. Eine solche Bauweise hat indes nichts mehr mit nomadischen Vorbildern zu tun, sondern bildet ein Kennzeichen dörflicher Lebensweise. Dieselben Bedingungen spiegelt der collared-rim jar wider. Die in der Regel etwa 1 m hohen Gefäße dienen der Lagerung von Öl, Wein oder Getreide 282 . Der charakteristische Halswulst hat dabei keine spezifische Funktion, sondern bildet nur eine Besonderheit der Gestaltung. Nicht nur hinsichtlich seiner Funktion weist der collared-rim jar auf eine agrarisch ge276 277

Vgl. H. WEIPPERT, Palästina, 383-386. V g l . H . WEIPPERT, P a l ä s t i n a , 3 9 3 f . ; U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r ,

256f.;

VOLKMAR FRITZ, Die Entstehung Israels im 12. und 11. Jahrhundert v. Chr., Stuttgart/Berlin/Köln 1996 (BE 2), 98f. 278 Vgl. VOLKMAR FRITZ, Bestimmung und Herkunft des Pfeilerhauses in Israel: ZDPV 93 (1977), 30-45, hier 43f.; H. WEIPPERT, Palästina, 395; I. FINKELSTEIN, Archaeology, 254; U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 259. 279

I. FINKELSTEIN, A r c h a e o l o g y , 2 5 4 - 2 5 7 ; U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 2 6 0 f . ;

YLGAL SHILOH, The Casemate Wall, the Four Room House, and Early Planning in the Israelite City: BASOR 268 (1987), 3-15. 280

281

H . WEIPPERT, P a l ä s t i n a , 3 9 5 ; U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 2 6 5 .

Für Betini Bet-El in Areal A vermutet. Vgl. V. FRITZ, Bestimmung, 41-45. Möglicherweise wurde in ihnen auch Wasser gelagert, das in kleineren Gefäßen von einer Quelle transportiert wurde, so dass die Krüge Zisternen ersetzten oder ergänzten, so der Vorschlag von A. ZERTAL, Water Factor 350f., der auf weite Zustimmung gestoßen ist (vgl. B. ROSEN, Subsistence Economy, 340; U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 372). 282

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„ Und er nannte die Stätte

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prägte Gesellschaft, in der Vorratshaltung eine wichtige Rolle spielt. Die erhebliche Größe der Krüge macht es außerdem wahrscheinlich, dass sie vor Ort hergestellt und nur in sehr geringer Anzahl gehandelt wurden 283 . Das weist auf einen Kontext von Subsistenzwirtschaft, die ihren Bedarf mit möglichst geringem Außenkontakt deckt. In diesen Zusammenhang gehören vermutlich auch die außerhalb der Häuser befindlichen Silos in Äe/Frc/Bet-El (Areal B und C). Es ist typisch für die Eisen-I-Zeit, dass die Vorräte in gegrabenen oder - selten - ausgemauerten Gruben gelagert werden, nicht in eigens dafür errichteten Gebäuden 284 . Diese außerhalb von Wohnhäusern angelegten Gruben - außer in Betini Bet-El noch in etTelUAi, Khirbet Raddäna und Khirbet SelünlSilo285 - bilden die einzigen „öffentlichen" Anlagen eisen-I-zeitlicher Siedlungen im Bergland. Mit der frühen Eisenzeit wird Betln/Bet-El somit zum Dorf, das überwiegend auf Subsistenzwirtschaft basiert, wohingegen man in BetiniBetEls bronzezeitlicher Phase auch größerräumige Wirtschaftskontakte annehmen kann. Außerdem verliert BetiniBet-El seinen städtischen Charakter. Im Kontext seiner Umgebung ist 2?eiz>j/Bet-El durchaus durchschnittlich zu nennen. Die Siedlungen des zentralen Berglandes von Khirbet Selün!Silo bis Gilo und von et-TelllA\ bis Khirbet Raddäna zeigen in etwa dasselbe Gesicht. Variationen sind den jeweils unterschiedlichen Umweltbedingungen wie Geländebeschaffenheit, Wasser und anderen Ressourcen geschuldet. Diese Dorfkultur des zentralen Berglandes ist in ihren jeweiligen Einzelerscheinungen zwar überaus bescheiden, in summa aber auffallend, insofern es sich um eine signifikante Zunahme von Siedlungen, in den meisten Fällen sogar um Neugründungen handelt. D.h. zum ersten Mal in seiner Geschichte befand sich i?e/z)?/Bet-El innerhalb eines Siedlungsnetzes und lag nicht isoliert. Trotzdem — oder deswegen? - vollzog sich in 5eizn/Bet-El ein kultureller, zumindest aber technischer und wirtschaftlicher Wandel. In der älteren Diskussion wird der kulturelle Umbruch der Eisen-I-Zeit häufig mit neuen Bevölkerungselementen in Verbindung gebracht, die sich im Bergland niederließen und deren ethnisches bzw. soziales Profil sich in ihrer materialen Kultur widerspiegelt 286 . Tatsächlich aber führt eine eher funktionale Betrachtungsweise weiter, die zeigen kann, dass die neue Kultur des Berglandes ihr Leben nach dessen Erfordernissen gestaltete 287 . Das entbindet nicht von der Frage nach der Herkunft dieser neuen Elemente, 283 DOUGLAS L. ESSE, The Collared Rim Store Jar. Scholarly Ideology and Ceramic Typology: SJOT 2 (1991), 99-116, hier 107f. 284 Vgl. B. ROSEN, Subsistence Economy, 343. 285

V g l . U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 3 7 4 - 3 7 8 .

286

Vgl. dazu H. WEIPPERT/M. WEIPPERT, Vorgeschichte, 343-362.

287

V g l . U . ZWINGENBERGER, D o r f k u l t u r , 5 4 I f .

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65

doch ist das archäologisch ermittelbare Bild des Siedlungsprozesses zumindest in Mittelpalästina zu vielgestaltig für ein monokausales Erklärungsmuster, sei es Landnahme, Sesshaftwerdung oder Abwanderung aus den Städten. Man wird von einem pluriformen Bild ausgehen müssen 288 , wobei die nachlassende Dominanz der Großmächte und die Kontinuität der Stadtkultur in der Küstenebene zumindest teilweise eine Rolle spielten. Trotz des Wandels, den Betln!Bet-El in der frühen Eisenzeit erkennbar durchmacht, lässt sich indes das Element der Kontinuität nicht übersehen. BetinlBet-E\ bildet in der genannten Region ja gerade keine neue Siedlung, sondern besteht als Siedlung weiter 289 , deren Gesicht sich zwar verändert, die aber den Umbruch der Epoche überlebt. Im zentralen Bergland ist dieser Sachverhalt einzigartig. Die Gründe liegen offensichtlich in den im vorigen Abschnitt geschilderten Umweltbedingungen, die entweder zu einem Weiterleben der Bevölkerung unter neuen Bedingungen führten oder nach einem kurzfristigen Siedlungsabbruch den Ort zur Wiederbesiedlung geeignet erscheinen ließen. So lässt sich als Fazit formulieren, dass nach einer verheerenden Brandkatastrophe sich in £e/m/Bet-El deren Überlebende mit neuen Bevölkerungselementen mischten und Betin/Bet-El in die eisen-I-zeitliche Dorfkultur hineinwuchs. 2.2.4 Eisenzeit II: Provinzstadt

im Grenzgebiet

Im Unterschied zu den vorigen Epochen ist die Eisen-II-Zeit in Betini BetEl nicht durch einen erkennbaren Einschnitt von der vorangehenden Epoche abgesetzt. Vielmehr entwickelt sich der Ort kontinuierlich weiter, bis er im 6. Jh. v. Chr vollständig zerstört wurde. Echte Neuerungen, die die Abgrenzung einer eigenständigen Kulturepoche rechtfertigen, gibt es nicht; zu nennen wäre nur die Einführung der Läufer-Binder-Mauertechnik 290 sowie das Aufkommen polierter Keramik 291 . Allem Anschein nach gewann BetinlBeX-E\ seinen städtischen Charakter mit der Zeit wieder zurück, erreichte den höchsten technischen Standard seit der Bronzezeit allerdings erst "in the days of Jeroboam II" 292 , d.h. im 8. Jh., für welche Zeit Kelso auch umfangreiche Arbeiten an der Stadtmauer annimmt. Unter der Voraussetzung, dass Kelsos Datierungen in etwa zutreffen, deckt sich sein Profil der Eisen-II-Zeit in 5eii«/Bet-El mit Finkelsteins Periodisierungskonzept, wonach das 10. und das 9. Jh. v. Chr. eine Übergangsphase zwischen der Eisen-I und Eisen-II288

U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 549-551. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 533 erwägt eine kurzfristige Siedlungspause im Zusammenhang mit der Zerstörung. Einen positiven Nachweis gibt es dafür nicht. 290 J.L. KELSO, Excavation, 36. 291 Zumindest bei den Schalen, vgl. J.L. KELSO, Excavation, 103f. 292 J.L. KELSO, Excavation, 36. 289

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„ Und er nannte die Stätte

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Zeit bilden und die Eisen-II-Zeit erst mit dem 8. Jh. anzusetzen sei. Finkelstein hat den Befund in ße?;«/Bet-El in den Termini dieses Konzepts erfasst 293 . Insgesamt ist zu sagen, dass das Bild BetTn!Bet-Els mit seinem signifikanten Umbruch um 1200 und dem kontinuierlichen Entwicklungsgang über einen längeren Zeitraum hinweg im Konzept von Finkelstein klarer erfasst ist als in jenen Periodisierungen, die im 10. Jh. v. Chr. noch einmal einen tieferen Einschnitt ausmachen 294 . Da aber Kelsos Datierungen in 5ei;«/Bet-El alles andere als sicher sind, wird man sich auf die Skizzierung von Entwicklungslinien beschränken müssen, ohne sie zeitlich vereindeutigen zu können.

Die mittelbronzezeitliche Stadtmauer, die während der Eisen-I-Zeit von geringer Bedeutung war, wurde in der Eisen-II-Zeit anscheinend wieder stärker als Befestigungsmauer verwendet. Sie trägt im Bereich des Areals A, im Osten der Nordmauer, Spuren von Reparaturen 295 sowie eine Struktur aus Ecksteinen, die einen Turm vermuten lässt und möglicherweise aus dem 8. Jh. stammt 296 . In diesem Abschnitt wurde die Mauer anscheinend vollständig neu gebaut 297 . Die eisen-I-zeitlichen Häuser von Areal A und B blieben in der EisenII-Zeit in Benutzung, wurden aber (ohne Pfeilerbauweise) mehrfach umgebaut: Insgesamt erscheinen nun mehr, aber kleinere Räume. Außerdem wurde im Haus von Areal A eine mit Steinen ausgepflasterte Vorratsgrube gefunden. Eine ähnliche Geschichte lässt sich für Areal E verfolgen; hier werden außerdem die Stampflehmböden während der Eisen-II-Zeit gepflastert 298 . Die Grundfläche der Bauten ändert sich dabei nicht wesentlich. In Areal H gibt es anscheinend einen eisen-II-zeitlichen Neubau 299 . Das Gebäude sitzt auf einem Steinfundament auf, in den unteren Lagen werden kleinere Steine verwendet, in den oberen größere. In diesem Gelände will Kelso die Spur eines Erdbebens entdeckt haben 300 . 293 I. FLNKELSTEIN/Z. LEDERMAN/S. BUNIMOVITZ, Highland, 18.29; ähnlich auch ISRAEL FINKELSTEIN, The Campaign of Shoshenq I to Palestine. A Guide to the 10th Century BCE Polity: ZDPV 118 (2002), 109-135. Ein Periodisierungskonzept hat Finkelstein mit der "Low Chronology" vorgeschlagen: ISRAEL FINKELSTEIN, The Archaeology of the United Monarchy: An Alternative View: Levant 28 (1996); DERS., Hazor and the North in the Iron Age: A Low Chronology Perspective: BASOR 314 (1999), 55-70. Zur Diskussion vgl. ZIONY ZEVIT, Three Debates about Bible and Archaeology: Bib 83 (2002), 1-27, hier 19-26; A. MAZAR, Chronology, 157-167. 294 Vgl. die Übersicht bei U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 16. 295 J.L. KELSO, Excavation, 12. Kelso datiert diese Reparaturen ins 8./7. Jh. 296 J.L. KELSO, Excavation, 36. 297 W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 14. Im Süden des Geländes fand sich ein Segment der eisen-II-zeitlichen Mauer, das indes kein klares Bild ergibt. Das untersuchte Areal erscheint nicht auf dem Gesamtplan, sondern nur in der Beschreibung bei J.L. KELSO, Excavation, 17f. und der zugeordneten PI. 103. Auf Grund der schlechten Reproduktion lassen sich hier keine genauen Aussagen über die Struktur treffen. 298 J.L. KELSO, Excavation, 36. 299 J.L. KELSO, Excavation, PI. 94b.

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Archäologie

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Kelso die Spur eines Erdbebens entdeckt haben 300 . Zur Bauweise in Be/zw/Bet-El während der Eisen-II-Zeit formuliert er summarisch, dass bereits in der ersten Phase (10.19. Jh.) in Läufer-Binder-Technik gemauert wurde, was sich anscheinend in den späteren Phasen fortsetzt. Gleichzeitig finden sich aber auch schwache Mauerzüge 301 . Trotzdem weist die Pflasterung von Vorratsgruben und Fußböden zusätzlich auf eine zunehmende Konsolidierung der bescheidenen Zustände aus der vorangehenden Epoche. Die Keramik während der Eisen-II-Zeit ist durch die Einführung des polierten Uberzugs gekennzeichnet. Die Formen setzen die Traditionen der letzen Phase der Eisen-I-Zeit fort. Es dominiert weiterhin die Haushaltskeramik, bei der Bet-El wenig eigenständige Formen aufweist. Im Unterschied zum Tell Bet Mirsim bemerkt Kelso in Bet-El den Gebrauch flacherer Schalen sowie den 'inverted-everted rim ' 302 . Es wurden kaum Spuren von Samaria-Ware und keine assyrische Keramik gefunden 3 0 3 . Kelsos Mitarbeiter Lawrence A. Sinclair will eine eigenständige Entwicklung der Keramik in 5e/f«/Bet-El im 6. Jh. beobachtet haben. Diese Keramik stellt angeblich eine Degeneration eisen-II-zeitlicher Formen dar bzw. bildet den Ubergang zwischen der Eisen-II- und der Perserzeit und lässt sich angeblich in allen Gefaßformen nachweisen 304 . Charakteristisch ist das Aufhören spiralförmiger Politur 305 . Die Datierung der in Frage kommenden Stücke lässt sich nicht sicher belegen. Vielmehr sprechen ihre Fundkontexte und auch die zum Vergleich herangezogenen Stücke für eine frühere Datierung 306 . Ein klares Bild ist hier nicht zu gewinnen 307 . Unter den Kleinfunden ist zunächst eine Zunahme der eisernen Gegenstände zu verzeichnen: Pfeilspitzen, (Areal B) 308 , ein Messer aus demselben Areal 309 sowie eine Pflugschar aus Areal E 310 . Bronze, Flint und Knochen blieben aber weiterhin in Gebrauch, vor allem bei Ahlen, Spindeln, Spateln und Schmuckstücken 311 . Mörser sind, wie schon in der Bronzezeit, überwiegend aus Basalt. 300

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 3 7 .

301

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 3 6 .

302

J.L. KELSO, Excavation, 66. J.L. KELSO, Excavation, 66. Auf das Fehlen von Samaria-Ware weist auch W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 14 mit besonderem Nachdruck hin. 304 J.L. KELSO, Excavation, 70-76. 305 J.L. KELSO, Excavation, 71.75. 306 Vgl. W.G. DEVER, Methods, 469. Zum Grab Nr. 14 von Bet-Semes vgl. E. STERN, Archaeology, 342f. 303

307

V g l . d a z u E . STERN, A r c h a e o l o g y , 3 4 2 ; ODED LLPSCHITS, T h e H i s t o r y o f t h e B e n -

jaminite Region under Babylonian Rule: TA 26 (1999), 155-190, hier 157. 308 J.L. KELSO, Excavation, 113. 309

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 1 2 6 .

310

J.L. KELSO, Excavation, 127.

311

V g l . d i e F u n d l i s t e n b e i J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 1 2 2 - 1 2 8 .

68

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Unter den weiteren Kleinfunden sind zwei Siegel hervorzuheben. Aus dem Schutt von Areal G stammt das Fragment eines Tonsiegels 312 . Ursprünglich vermutlich rechteckig mit den Maßen ca. 8 x 11 cm, ist nur noch der dreieckig abgebrochene untere Teil erhalten. Auf der Rückseite trägt es den Rest eines Griffs, der nachträglich auf das Siegel gesetzt wurde und annähernd mit der Längsachse verläuft. Das Siegel ist mit einem rotbraunen Überzug versehen und poliert. Die Vorderseite trägt eine altsüdarabische Inschrift, von der zwei fragmentarische Zeilen erhalten sind. Gus van Beek rekonstruiert die Inschrift als „Hamiy'an der Delegierte". Wie die Form vermuten lässt, diente das Siegel zum Stempeln weicher Materialien wie Leder, Ton, Gummi oder Harz. Nach Ansicht von Kelso und van Beek wurden damit Behälter für Weihrauch gesiegelt, der mit dem Karawanenhandel von Südarabien nach Bet-El kam und dort für den Kult im Tempel Jerobeams verwendet wurde. Das Siegel wurde hypothetisch in das 9. Jh. datiert 313 . Sowohl die Fundumstände als auch die Echtheit des Siegels sind zweifelhaft. Außerdem ist es bis heute verschwunden, so dass sich aus dem Gegenstand keine weiteren Schlüsse ableiten lassen 314 . Unabhängig von seiner schwierigen Geschichte ist das südarabische Siegel kaum ein hinreichendes Indiz für einen Weihrauchhandel überhaupt und noch weniger dafür, dass dieser in größerem Umfang und zu kultischen Zwecken stattgefunden hätte 315 . Auf Grund seiner Verkehrslage kommt Z?e/iw/Bet-El als Station des Ost-West-Handels zwischen der philistäischen Küste und Arabien zwar durchaus in Betracht, es ist jedoch wahrscheinlicher, dass Beff«/Bet-El in diesem Handel lediglich eine Bedeutung als Station oder Karawanserei hatte, als dass es selbst ein Handelzentrum gewesen wäre. Das zweite Siegel aus Betini Bet-El, das Aufschluss über seine Geschichte während der Eisen-II-Zeit geben könnte, ist ein von den Bewohnern des Ortes erworbenes Konoidsiegel von ungewisser Größe 316 . Es zeigt im Zentrum eine nach links gewandte Figur mit erhobenen Armen. Auf der

312 J.L. KELSO, Excavation, 89 und PI. 118. Beschreibung nach GUS W. VAN BEEK/ALBERT JAMME, An Inscribed South Arabian Clay Stamp from Bethel: BASOR 151 (1958), 9-19. 313 G.W. VAN BEEK/ALBERT JAMME, Clay Stamp, 14-16; J.L. KELSO, Excavation, 89. 314 Literatur: ALBERT JAMME/GUS W. VAN BEEK, The South-Arabian Clay Stamp from Bethel again: BASOR 163 (1961), 15-18; YIGAL YADIN, An Inscribed SouthArabian Clay Stamp from Bethel?: BASOR 196 (1969), 37-45; Gus W. VAN BEEK/ALBERT JAMME, The Authenticity of the Bethel Stamp Seal: BASOR 199 (1970), 59-65; JAMES LEON KELSO, A Reply to Yadin's Article on the Finding of the Bethel Seal: BASOR 199 (1970), 65; RAY L. CLEVELAND, More on the South Arabian Clay Stamp found at Beitin: BASOR 209 (1973), 33-36; ALBERT JAMME, The Bethel Inscribed Seal Again: A Vindication of Mrs. Theodore Bent: BASOR 280 (1990), 89-91. 315

V g l . K . KOENEN, B e t h e l , 4 5 f .

316

J.L. KELSO, Excavation, 37 und Fig. 1.

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

69

linken Seite, also vor der Figur, steht ein Räucherständer, auf der rechten Seite, d.h. hinter der Figur, befindet sich ein Spaten, das Kultsymbol des Gottes Marduk. Die erhobenen Arme deuten eine Gebetshaltung an, das Geschlecht der Figur ist unbestimmbar 317 . Kelso datiert das Siegel in das 6. Jh. und schließt auf die Präsenz von Babyloniern in Bet-El 318 während der Exilszeit. Da die Herkunft des Siegels völlig unklar ist, muss es für weitergehende Schlüsse jedoch ausfallen 319 . Eine weitere Gruppe von Kleinfunden könnte für die Geschichte Bet-Els in der Eisen-II-Zeit aufschlussreicher sein. Zunächst sind zwei oder drei Fragmente von Pfeilerfigurinen 320 zu nennen. Es handelt sich durchgängig um Torsi. Alle Figurenfragmente kommen aus zeitlich unklaren Kontexten, doch ist die Pfeilerfigurine ein Artefakt des 8. und 7. Jhs. Da sie überwiegend in Juda belegt ist, sind Funde auf dem Gebiet des ehemaligen Israel auffallend. Es sind jedoch insgesamt nur sehr wenige, die außerdem schlecht erhalten sind 321 . Ein ähnliches Bild bieten beschriftete Gewichtssteine, von denen in Betln!Bet-El eines (vermutlich ein Schekel-Gewicht) gefunden wurde 322 . Sie sind überwiegend in Juda verbreitet 323 und gehören vermutlich dem 7. Jh. an. Schließlich wurde 1986 im Süden von BétlnlBetEl ein /m//c-Krugstempel gefunden. Er trägt einen vierflügligen Skarabäus und die Inschrift l[m]l[k] hb[rn]i2A. In der Region stammen die weitaus meisten //w/A-Stempel dieses Typs aus Teil en-Nasbe/Mizpa (15), ElGib/Gibeon (13) und Teil e/-Fw/Gibea (5)32S. Betin bildet bisher den nördlichsten Fundort. Auf Grund der Konzentration dieses Siegeltyps in Lachis 317

Der leicht vorspringende Oberkörper deutet auf eine Frau; allerdings sind die Umrisse der Figur so roh ausgeführt, dass es sich dabei auch um einen Gewandbausch handeln könnte, vgl. K. KOENEN, Bethel, 61. 318 J. L. KELSO, Excavation, 37. 319 Vgl. auch K. KOENEN, Bethel, 61f. 320 J.L. KELSO, Excavation, 83 nennt eine typische eisen-II-zeitliche Figurine (PI. 45:15) sowie zwei Pfeiler ohne genauere Zuordnungsmöglichkeit. Auf S. 88 ist zudem ein "Astarte Torso" (Nr. 1011) verzeichnet, der aber nicht abgebildet ist. 321 Übersicht in: R. KLETTER, Pots, 28-32 (Lit.). Ob dieser Befund ausreicht, um die Pfeilerfigurinen auf assyrischen Einfluss zurückzuführen (O. KEEL/C. UEHLINGER, Göttinnen, 228 im Anschluss an Holladay), muss vor dem Hintergrund des spärlichen Befundes aus dem Norden offen bleiben. 322 J.L. KELSO, Excavation, 84 und PI. 44:6. R. KLETTER, Pots, 35 vermerkt drei dieser Gewichte in Betin!Bet-El, die weiteren in Kelsos Bericht beschriebenen eisen-IIzeitlichen Gewichtssteine sind aber eckig. Falls es sich dabei nicht um „ Gerah "Gewichte handelt, repräsentieren sie ein anderes als das judäische Gewichtssystem. Die gefundenen Gewichte sind nicht abgebildet. 323 Karte bei R. KLETTER, Pots, 35. 324 Fundkontext und Abbildung bei H. ESHEL, Stamp, 60. Auf der Abbildung ist der Skarabäus gut zu erkennen, die Inschrift hingegen weniger gut. 325 Vgl. PETER WELTEN, Die Königs-Stempel. Ein Beitrag zur Militärpolitik Judas unter Hiskia und Josia, Wiesbaden 1969 (ADPV), 57-61.

70

„ Und er nannte die Stätte Bet-El"

und Teil Batas wird er in der Regel in das 8. Jh. datiert 326 , doch können diese Stempel und die damit gesiegelten Krüge auch danach noch weiter in Gebrauch gewesen sein 327 . Eine Datierung dieses Einzelfunds lässt sich daher nicht gewinnen. Er ist auch wenig aussagekräftig, zumal nicht klar ist, wie und warum er nach Betin gelangt ist. Die zuletzt genannte Fundgruppe - Pfeilerfigurinen, Gewichtssteine, /w/A>Stempel - könnten insgesamt den Schluss nahelegen, dass Betin/Bet-El vom Ende des 8. Jhs. an weiter besiedelt war. Kelso möchte dies ausschließen, da sich aus dem in Frage kommenden Zeitraum angeblich keine Keramik nachweisen lässt. Er nimmt daher mit dem biblischen Bericht (2Kön 17,23-24) eine Besiedlungslücke zwischen der assyrischen Eroberung (722/20) und dem Ende der assyrischen Zeit an 328 . Falls die Revision der Datierung des Keramikbefundes durch Dever zutrifft und die zuletzt erwähnten fragmentarischen Kleinfunde eine Aussagekraft besitzen, ist Kelsos Schlussfolgerung nicht zutreffend, und Betini Bet-El war bis zur Zerstörung im 6. Jh. weiter besiedelt, wenn auch möglicherweise nur dünn. Genauer Aufschluss ist hier nicht zu gewinnen. Will man den materialen Befund in Betin/Bet-El für die Eisen-II-Zeit zusammenfassen, ergibt sich, dass der Ort nach der dörflichen Phase der frühen Eisenzeit seinen eher städtischen Charakter wieder zurückgewann. Er zeigt eine gewisse Konsolidierung, die Mauer wurde repariert, der technische Standard nahm wieder zu, Neubauten wurden errichtet. Kelso formuliert summarisch, BetlnfBet-El hätte in der Eisen-II-Zeit eine große Bevölkerung gehabt und könnte prosperierend gewesen sein. Die Bevölkerungszahl lässt sich notorisch schwer schätzen 329 , und die Grundfläche der bekannten Bauten vergrößert sich nicht signifikant. Die Mauertechnik verbessert sich zwar gegenüber die frühen Eisenzeit, liegt aber anscheinend unter dem Landesstandard 330 . Im Gesamtbild Israels und Judas verzeichnet die Eisen-II-Zeit, vor allem in ihrer zweiten Phase (ab dem 8. Jh.), einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Er zeigt sich an verbesserter Technik des Bauwesens und der landwirtschaftlichen Produktion 331 , am Import und der einheimi326

V g l . A . MAZAR, A r c h a e o l o g y , 4 5 7 f . ; NADAV NA'AMAN, S e n n a c h e r i b ' s C a m p a i g n

to Judah and the Date of the LMLK-Stamps: VT 29 (1979), 61-86, hier 79-82. 327 Vgl. E. STERN, Archaeology, 174f. 328 J.L. KELSO, Excavation, 37. 329 J. R. ZORN, Estimating 44f. hat ein Modell für Tell en-NasbelMizpz vorgelegt, das mit maximal 900 Personen rechnet. Betini Bet-El hat in etwa dieselbe Fläche und ähnliche, wenn nicht bessere Ressourcen. Eine solche Bevölkerungszahl würde indes der Bevölkerungsdichte des heutigen Berlin-Charlottenburg entsprechen und scheint zu hoch angesetzt. 330

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 3 6 .

331

Vgl. dazu H. WEIPPERT, Palästina, 634-639.

71

Bet-El im Spiegel der Archäologie

sehen Produktion von Luxusartikeln wie Fayence- und Glaswaren, Elfenbeinschnitzereien und Silberschmuck 332 , am Uberhang eiserner gegenüber bronzener Metallgegenstände 333 und am Zunehmen inskribierter Siegel 334 . In Sei/w/Bet-El lässt sich die allgemeine Prosperität der Epoche vor allem am technischen Standard sowie an den eisernen Gegenständen zeigen. Luxusartikel sind hingegen ausgesprochen rar. Unter der Keramik fehlt die Samaria-Ware, und auch sonst finden sich kaum auffallende Stücke 335 . Elfenbein, Glas, Fayence oder Silber gibt es kaum, lediglich einige Perlen 336 . Beschriftete Siegel fanden sich nicht. Vor diesem Hintergrund ist Vorsicht geboten, wenn man für das eisen-II-zeitliche Bet-El von Wohlstand sprechen will 337 . Hinsichtlich kleiner Luxusgegenstände, vor allem Toilettenartikel und Schmuck, die auf einen breiteren Wohlstand weisen, ist das benachbarte Teil en-Nasbe/Mix^a wesentlich ergiebiger, im Vergleich dazu nimmt sich BetTn/Bet-El recht bescheiden aus 338 . 5en«/Bet-Els Bedeutung spätestens seit der Eisen-II-Zeit wird in der Regel aus dem biblisch bezeugten Heiligtum abgeleitet. Exkurs: Heiligtümer

in Betin und das Heiligtum

von Bet-El

Von einem Heiligtum in Bet-El berichten direkt oder indirekt Gen 28,10-22; 35,7f.l4f.; Ri 20,26-28; lKön 12,28-33; 2Kön 17,28; 23,15-20; Am 4,4-6; 7,13; Hos 4,15. Die endtextliche Anordnung suggeriert ein kontinuierliches Bestehen des Bet-Eler Heiligtums von Jakob (Gen 28) bis Josia (2Kön 23). Das Heiligtum wird in den Texten niemals beschrieben. Vielmehr werden - mit alleiniger Ausnahme von Am 7,13 - lediglich Ausstattungselemente eines Heiligtums genannt, nämlich: Die nicht näher beschriebene Statue eines Jungstieres (lKön 12), ein Altar (Gen 35,7f; lKön 12,32f.; 2Kön 23,15f.), eine Mazzebe (Gen 28,10-22; 35,14f.) und die Lade (Ri 20,26). Das Heiligtum wird einmal als Bamah bezeichnet (2Kön 23,15). Bet-Els Heiligtum bzw. Heiligtümer zu finden gehörte zu den Primärzielen der Grabung in Bei« 3 3 9 . Für das mittelbronzezeitliche Betin/Bet-El rekonstruierte Kelso drei Heiligtümer. Das erste ist jener offene Opferplatz, der schon in chalkolithischer Zeit in Benutzung war, jedoch in der Mittelbronze-I-Zeit durch einen Tempel überbaut wurde. Die Anlage liegt unter dem späteren Nordwest-Tor 340 . Ihre Interpretation als Heiligtum 332

H . WEIPPERT, P a l ä s t i n a , 6 4 8 - 6 6 0 . 6 7 9 .

333

H. WEIPPERT, Palästina, 6 8 0 .

334

H . WEIPPERT, P a l ä s t i n a , 6 7 4 - 6 7 8 ; O . K E E L / C . UEHLINGER, G ö t t i n n e n , 2 0 4 ( L i t . ) .

335 Nr. 2250 (PI. 79,1); Nr. 3128 (PI. 84,1) und Nr. 3065b (PI. 84,2), vgl. J.L. KELSO, Excavation, 68f. 336 Darunter immerhin eine aus Bernstein. J.L. KELSO, Excavation, 115. 337 J.L. KELSO, Excavation, 50.52; K. KOENEN, Bethel, 43.48. 338

V g l . CHESTER CHARLTON M C C O W N , T e l l e n - N a s b e h . V o l . I: A r c h a e o l o g i c a l a n d

Historical Results, Berkeley/New Haven 1947, 148-155.265-272. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass Teil en-Nasbe über Gräber und damit über traditionell reichhaltigere Fundkonzentrationen verfügt. 339 J.L. KELSO, Excavation, 4. 340 J.L. KELSO, Excavation, 22f.

72

„ Und er nannte die Stätte Bet-El "

ergibt sich für Kelso aus der Kontinuität zum offenen Heiligtum des Chalkolithikums sowie aus einer Reihe von Keramik- und Flintresten. Dass diese Deutung indes nicht zutrifft, hat Dever wahrscheinlich machen können. Wahrscheinlich handelt es sich hier eher um den Vorgängerbau der Toranlage 341 . Das zweite vermeintliche Heiligtum befand sich unmittelbar nördlich des Nordwest-Tores und besteht aus einem offenen Platz von ca. 28 x 5 m Größe. Etwas nordwestlich davon könnte sich eine Mazzebe befunden haben 3 4 2 . Kelso deutet die Anlage als Tempelplatz. Da dies jedoch durch keine weiteren Indizien gestützt wird, dürfte Devers Annahme, es handele sich um einen Torplatz, mehr Wahrscheinlichkeit für sich haben 3 4 3 . Das dritte Heiligtum ist möglicherweise das Gebäude aus Areal P, doch ist es zu fragmentarisch, um eine genaue Aussage treffen zu können 3 4 4 . Dass in eisenzeitlichem Kontext kein Heiligtum in Betini Bet-El nachzuweisen war, führt Kelso auf die unvollständige Grabung zurück. Alternativ erwägt er, dass das Heiligtum möglicherweise Umbauten der Stadt in späterer Zeit zum Opfer gefallen sei 3 4 5 . Allerdings haben sich bislang - mit Ausnahme von Teil Arad und Teil es-Seba' - in keiner Stadt Israel/Palästinas Tempelneubauten aus der Eisenzeit finden lassen 346 . Bereits bestehende Heiligtümer sind indes anscheinend weiter genutzt worden 347 . Mit dem Bericht von lKön 12,25-30* lässt sich dieser Befund insofern verknüpfen, als die Archäologie die Annahme unterstützt, dass Jerobeam nicht einen neuen Tempel gebaut, sondern ein älteres Heiligtum durch die Stiftung des Stierbildes gewissermaßen umgewidmet hätte 3 4 8 . In Betin/Bet-El lässt sich allerdings auch diese Möglichkeit nicht archäologisch nachweisen. Falls es in Bet-El also ein Heiligtum gegeben hat, so ist es bislang noch nicht nachgewiesen, und zwar weder ein älteres, das von Jerobeam weiter genutzt wurde, noch einen Neubau. Schon Sternberg hatte 1913 Jerobeams Heiligtum außerhalb der Ortschaft Betin/Bet-El vermutet und in diesem Zusammenhang die nahe gelegene Stätte Burg Betin untersucht 349 . Eine genauere Überprüfung durch Kelso und Albright ergab aber keine Reste aus der Eisen-II-Zeit 350 . Aufgrund des negativen archäologischen Befundes sind Vermutungen über Betin!BetEls Heiligtum seit der Eisenzeit nur über Analogieschlüsse möglich. lKön 12,29 berichtet von einem zweiten Stierbild in Dan. Tatsächlich hat die Ausgrabung in Teil elQädVDan eine Anlage (Areal T) zu Tage gefördert, die der Ausgräber Avraham Biran mit lKön 12 in Verbindung bringt 351 . Es handelt sich dabei um eine Anlage von ca. 7 x 18 m 3 5 2 . Nach ihrer Errichtung im 10. Jh. wurde sie weiter verwendet und mehrfach umgebaut. Die kultische Interpretation von Areal T in Teil el-QädilT>&n ist allerdings umstritten, obwohl das Gelände durchaus auch kultisch genutzt worden ist 353 . Falls sich die

341

W . G . DEVER, M e t h o d s , 4 6 5 ; K . KOENEN, B e t h e l , 3 4 .

342

J.L. KELSO, Excavation, 25f. und PI. 101. W.G. DEVER, Methods, 468; vgl. auch K. KOENEN, Bethel, 35. Vgl. K. KOENEN, Bethel, 35.

343 344 345

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 3 7 .

346

Zu diesem Befund vgl. H. WEIPPERT, Palästina, 447f. Ebd. und W. ZWICKEL, Tempelkult, 236-239.281-284. Vgl. exemplarisch K. KOENEN, Bethel, 42f. (Lit.). Vgl. G. STERNBERG, Bethel, I3f.

347 348 349 350

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 7 .

351

AVRAHAM BIRAN, Biblical Dan, Jerusalem 1994, 165-181. A. BIRAN, Biblical Dan, 182. Vgl. dazu W. ZWICKEL, Tempelkult, 254-256 (Lit.).

352 353

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

73

kultische Interpretation von Areal T in Teil el-Qädi/Daii noch belegen lässt, wäre für BetTn/ Bet-El immerhin eine Analogie gewonnen: So oder ähnlich könnte das Heiligtum in BetTn!Bet-El ausgesehen haben. Angesichts des Erscheinungsbildes von Bet-El ist allerdings für das 10. Jh. und danach kein großes Heiligtum oder gar ein monumentaler Tempel zu erwarten. Denkbar ist auch, dass das Heiligtum des 10. Jhs. kein geschlossenes Bauwerk war, sondern eine offene Anlage. Dafür lässt sich der Textbefund insofern in Anspruch nehmen, als die einschlägigen Texte niemals von einem Tempelgebäude (¡TD bzw. I73,N) sprechen und 2Kön 23,15 das Heiligtum von Bet-El als Bamah bezeichnet. Auch die aufgeführten Ausstattungselemente lassen sich mit dem Erscheinungsbild einer Bamah in Verbindung bringen 354 . Als archäologische Analogie bietet sich in diesem Falle die sogenannte „Bull Site" Dahret et-Tawlle an. Die Stätte hat besonders durch eine dort gefundene Stierfigur Aufmerksamkeit erregt. Sie stammt vermutlich aber bereits aus dem 12. Jh. 3 5 5 Eine weitere mögliche Parallele zum Heiligtum von Bet-El könnte Raum 49 in Teil ed-DuwerlLachis sein. Hier findet sich in der unbefestigten Ortschaft des 10. Jhs. ein 2,3 x 3,3 m großer Raum, der sich kultisch interpretieren lässt 356 . Ähnlich wie in Dahret et-Tawlle gehört auch in Teil ed-Duwerl Lachis eine offene Kultanlage zu dem aufgefundenen Raum 3 5 7 . Als Sonderfall einer solchen offenen Kultstätte lässt sich die 1,5 m hohe Basaltstele betrachten, die im Bereich des eisenzeitlichen Stadttores von et7e///Bethsaida gefunden wurde. Sie war auf einem Podium errichtet und zeigt eine Mischgestalt mit menschlichem Körper und Stierkopf 358 . Kulteinrichtungen im Stadttor sind aus eisenzeitlichem Kontext bekannt, sie bilden allem Anschein nach eine „eigene Gattung des öffentlichen Kults in Palästina/Israel" 359 . Doch auch diese Anlagen sind auf Grund ihrer architektonischen Ausgestaltung und ihrer Lage schwer nachweisbar 360 , obwohl der Fund von ei-7'e///Bethsaida neue Interpretationsmöglichkeiten für das Heiligtum Jerobeams eröffnet. Weitere Überlegungen zum Tempel Jerobeams können erst nach neuen Ausgrabungen in ßeii>?/Bet-El angestellt werden. Bis dahin muss für dieses Heiligtum weiterhin das Fazit von Kelso gelten: "Until the temple is found it is not wise for a serious historian to speculate about it." 3 6 1

Unabhängig von der Frage, ob das biblische Bet-El tatsächlich mit Betin zu identifizieren ist, indiziert der programmatische Name Bet-El das Vorhandensein eines Heiligtums. Dass Betin als Ortschaft über ein Heiligtum, gleich welchen Erscheinungsbilds, verfügte, ist ebenfalls wahrscheinlich. BetTn war seit der Mittelbronzezeit eine stadtförmige Siedlung; es ist kaum 354

Vgl. MATTHIAS GLEIS, Die Bamah, Berlin/New York 1997 (BZAW 251), 80-94. Vgl. BENJAMIN MAZAR, The "Bull Site" - An Iron Age Open Cult Place: BASOR 247 (1982), 27-42; H. WEIPPERT, Palästina, 407f.; W. ZWICKEL, Tempelkult, 212-215. 356 YOHANAN AHARONI, Investigations at Lachis. The Sanctuary and the Residency (Lachis V), Tel Aviv 1975 (PIAr 4), 26-32; vgl. auch H. WEIPPERT, Palästina, 477-479; W. ZWICKEL, Tempelkult, 277-280. 357 Vgl. W. ZWICKEL, Tempelkult, 278f. 358 MONIKA BERNETT/OTHMAR KEEL, Mond, Stier und Kult am Stadttor. Die Stele von Bethsaida (et-Tell), Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1992 (OBO 161), 22-44. 355

359

M. BERNETT/O. KEEL, M o n d , 45-74.

360

M . B E R N E T T / O . KEEL, M o n d , 4 5 .

361

J.L. KELSO, Excavation, 51.

74

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

anzunehmen, dass seine Bewohnerinnen und Bewohner ihr religiöses Leben allein in der Form von Hauskulten und individueller Religiosität gestaltet hätten. Vermutungen über die Art des Kultes und seine materiale Basis bleiben jedoch notwendigerweise Spekulation - übrigens nicht nur für BetinlBet-El: Vor ähnlich ungelösten Fragen steht die Forschung auch in Khirbet SelünlSilo362, in Samaria 363 und - nicht zuletzt - in Jerusalem 364 . Im Falle ßeim/Bet-Els ist indes davon auszugehen, dass die Bedeutung des Ortes nicht primär seinem Heiligtum zu verdanken ist, sondern umgekehrt: .ßeiin/Bet-Els Lebensfähigkeit und wachsende Bedeutung zog (irgendwann) auch die Einrichtung eines Heiligtums nach sich. Gegenüber der frühen Eisenzeit wandelt sich in der Eisen-II-Zeit das Siedlungsbild in der Region zwischen Khirbet Selünl Silo und Jerusalem. Eine Reihe früheisenzeitlicher Dörfer wird aufgegeben, die Ortschaften, die bestehen bleiben, entwickeln sich zu städtischen Siedlungen weiter. Hierbei werden ihre Befestigungen verstärkt 365 , die Wasserversorgung zentralisiert 366 und öffentliche bzw. repräsentative Bauten errichtet 367 . Soweit erkennbar, werden diese Maßnahmen erst ab dem 9. Jh. v. Chr. vollzogen, möglicherweise auch noch später. .Beiw/Bet-El ist anscheinend zumindest durch die Renovierung seiner Mauer in den Rahmen dieser Entwicklung gestellt Die Keramik in 5eim/Bet-El lässt eine gewisse Mischung nördlicher und südlicher Typen 368 beobachten. Bei den Kochtöpfen findet sich sowohl die gedrungene Form mit nur angedeutetem Knick, der aus Hazor und Samaria bekannt ist 369 als auch der ballonformige Typ aus Lachis und EnGedi 370 . Dagegen fehlt der sackförmige Typ des Südens 371 . Die torpedo362

Vgl. U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 448-452. Vgl. H. WEIPPERT, Palästina, 622f.; H. PFEIFFER, Heiligtum, 142-152. 364 Vgl. B. MAZAR u.a., Jerusalem, 701-712; R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 196f. 365 So eventuell in El-GiblGibeon, sicher in Teil en-Nasbe/Mizpa, Teil el-Fül!Gibea und Khirbet el-Mergame, vgl. zusammenfassend HERMANN MICHAEL NIEMANN, Herrschaft, Königtum und Staat. Skizzen zur soziokulturellen Entwicklung im monarchischen Israel, Tübingen 1993 (FAT 6), 119-121.140-143. 366 So in El-Gibl Gibeon, vgl. H. WEIPPERT, Palästina, 546f. 367 Zu Tell en-Nasbe/Mizpa: H. WEIPPERT, Palästina, 553f.; J.R. ZORN, Nasbeh, llOOf. 368 Diese Beobachtung ist nur mit Einschränkungen gültig; H. WEIPPERT, Palästina, 641 weist auf die grundsätzliche Verwandtschaft palästinischer Keramikfamilien hin. Spätestens ab dem 1.16. Jh. wird die Differenzierung dann noch schwieriger. 369 Vgl. RUTH AMIRAN, Ancient Pottery of the Holy Land. From its Beginnings in the Neolithic Period to the End of the Iron Age, Ramat Gan 1969, 277 und PI. 75,17-18. 23-24 mit J.L. KELSO, Excavation, PI 65,1. 370 Vgl. R. AMIRAN, Pottery, 76,11.18 mit J.L. KELSO, Excavation, PI. 65,5. Zu Tell en-Nasbe/Mizpa vgl. JOSEPH CARSON WAMPLER, Tell en-Nasbeh. Vol. II: The Pottery, Berkeley/New Haven 1947, 30, PI. 47. 363

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75

Archäologie

förmigen Krüge 372 des Nordens kommen in Betln!Bet-El nicht vor und fehlen auch in Teil en-Nasbe!M\z$dL. Lampen tauchen in _ße/m/Bet-El sowohl mit flachem als auch mit Scheibenfuß auf 373 . Vor dem Hintergrund von Keramik und Kleinfunden lässt sich vermuten, dass das israelitischjudäische Grenzgebiet zur Zeit der Autonomie beider Königreiche an der materiellen Kultur beider Länder Teil hatte und deren Peripherie bildete. Im Grenzgebiet des südlichen Ephraim und in Benjamin scheint sich eine Art gemischter Grenzkultur zu bilden 374 . Zwar ist der Bestand an typisch judäischen Gegenständen sehr gering, doch ist Betin/Bet-El für Pfeilerfigurinen und Gewichtssteine bisher der nördlichste Fundort 375 . Inwiefern Beiz«/Bet-El während der eisen-II-zeitlichen Periode einem Königreich zugehörte, lässt sich daher archäologisch nicht klären. Das gilt nicht nur für die Keramik und die Kleinfunde, sondern ebenso für die verstärkte Befestigung. Ob sie im Zusammenhang mit Maßnahmen einer zentralen Autorität - und wenn ja: welcher - steht, oder ob Betln!Bet-El einfach einem Trend folgt, ist nicht erkennbar. Dass Betini Bet-El in Israel oder Juda eine Funktion als „feste Grenzstadt" 376 , „Bollwerk" 377 oder gar Festungsort mit stationierter Garnison 378 gehabt hätte, ist aus dem materialen Befund nicht zu belegen. Die sukzessive Eroberung Israels durch die Assyrer und dessen Umwandlung in die assyrischen Provinzen Megiddo, Gilead und Dor seit 738 v. Chr. führte zu einer Veränderung archäologisch interpretierbarer Strukturen im Land: Die Zerstörungen während der einzelnen Kriegszüge führten zu Siedlungsabbrüchen und Entvölkerungen vor allem in der Provinz Megiddo 379 . Nach Süden zu ändert sich das Bild. Im nördlichen Samaria wurden zwar Städte zerstört, jedoch relativ rasch wieder aufgebaut, und in ihrem Umkreis entstanden zahlreiche Neusiedlungen 380 . D.h. das Dreieck Sichern - Samaria - Tirza behielt seine Zentrumsrolle bei. Hier lässt sich auch der materiale Einfluss assyrischer Kultur nachweisen 381 . In der dün-

371

R. AMIRAN, Pottery, 227.

372

H . WEIPPERT, P a l ä s t i n a , 6 4 4 ; R . AMIRAN, P o t t e r y , P l . 7 9 , 2 ; 8 1 , 4 - 7 .

373

V g l . d a z u R . AMIRAN, P o t t e r y , 2 9 1 u n d PI. 1 0 0 ; J . L . KELSO, PI. 6 5 , 2 1 . 2 3 .

374

Vgl. schon W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 14: "It is very interesting to note that Bethel, though belonging to the Northern Kingdom, was much more closely associated with the south ... practically all the pottery was identical with contemporary pottery of Judah." Vgl. auch H. ESHEL, Stamp, 61. 375 Vgl. die Karten bei R. KLETTER, Pots, 31.35. 376

H . M . NIEMANN, H e r r s c h a f t , 1 4 3 .

377

WOLFGANG ZWICKEL, B e t h e l : C a l w e r B i b e l l e x i k o n , B d . I ( 2 0 0 3 )

378

K . KOENEN, B e t h e l , 4 4 .

379

E. STERN, Archaeology, 48-50. E. STERN, Archaeology, 50f.

380 381

E . STERN, A r c h a e o l o g y , 5 1 .

181.

76

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

ner besiedelten Region der Southern Central Range lassen sich weder Zerstörungen durch die Assyrer noch der Einfluss assyrischer Kultur beobachten. Der südlichste Ort Israels, der wahrscheinlich von den Assyrern zerstört wurde, ist Khirbet el-Mergame382. Zwar muss das Fehlen einer Zerstörung nicht bedeuten, dass die Assyrer eine Stadt nicht erobert hätten 383 , doch findet sich in 5e/m/Bet-El eben auch keine Spur assyrischer Präsenz. Möglicherweise befand sich der Süden Ephraims im System der assyrischen Provinzen in Israel ebenfalls in peripherer Position. Vom 7. Jh. an finden sich verstärkt judäische Gegenstände auf dem Gebiet des ehemaligen Königreiches Israel bzw. im Territorium der assyrischen Provinz Samerina. Allem Anschein nach konnte Juda sein Gebiet nach Norden erweitern. Dafür sprechen möglicherweise der /m/A-Henkel aus ¿?eizra/Bet-El384, die anscheinend zu Juda gehörige Siedlung Khirbet Gib 'it 385 sowie ein weiterer Siegelabdruck aus Arubbot in Ephraim 386 . BetEl könnte somit an judäisches Territorium gefallen sein, wann und unter welchen Bedingungen, ist jedoch unklar. Hier muss neben die Befragung des materialen Zeugnisses die Textanalyse treten. Die babylonische Zeit in Palästina ist hinsichtlich des materialen Befundes nur schwer als Kulturepoche abzugrenzen. Vielmehr scheinen die assyrische, babylonische und persische Zeit fast bruchlos ineinander überzugehen 387 . Während Jerusalem und die südlich angrenzende Hügelregion unter schwersten Zerstörungen durch die Babylonier zu leiden hatten, blieb die Region nördlich von Jerusalem, d.h. das traditionelle Stammesgebiet von Benjamin, unzerstört. Beobachten lässt sich dies vor allem in Teil en-Nasbe, das nicht nur nicht zerstört, sondern allem Anschein nach sogar ausgebaut wurde 3 8 8 . Der archäologische Befund in Teil en-Nasbe wird häufig mit dem textlichen Zeugnis in Verbindung gebracht, nach dem in Mizpa die Provinzverwaltung für Juda bis in die persische Zeit residierte 3 8 9 . Indes fehlen in Teil en-Nasbe klare Anzeichen babylonischer Präsenz, und auch die Identifikation mit dem biblischen Mizpa ist gelegentlich angezweifelt worden. In den weiteren Orten der Region, vor allem in el-Gib und Teil el-Fül ist der Befund noch unklarer als in Teil en-Nasbe. Für beide Orte ist geltend gemacht worden, dass auch

382

Vgl. A. MAZAR, Marjameh, 965f. Vgl. dazu H. WEIPPERT, Palästina, 611. 384 Vgl. H. ESHEL, Stamp, 6If. 385 Vgl. Z. ILAN, Giv'it, 524; E. STERN, Archaeology, 138. 386 Vgl. dazu K. KOENEN, Bethel, 57. 387 Vgl. dazu E. STERN, Archaeology, 307-309.319.342. 388 Vgl. zuletzt JEFFREY E. ZORN, Tell en-Nasbeh and the Problem of the Material Culture of the Sixth Century, in: ODED LLPSCHITS/JOSEPH BLENKINSOPP (HG.), Judah and the Judeans in the Neo-Babylonian Period, Sheffield 2003, 413-447. 383

389

O . LIPSCHITS, H i s t o r y , 1 5 6 - 1 6 2 ; JEFFREY R . ZORN, N a s b e h , T e l l e n - : N E A E H L III

(1993), 1098-1102, hier 1102.

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

11

sie Teil der neuen Metropolregion in babylonisch-frühpersischer Zeit waren 3 9 0 , doch in beiden Orten ist der archäologische Befund hochproblematisch, und für el-Gib ist nicht einmal ein Siedlungsplan erkennbar 3 9 1 . So bleibt der Befund in Teil en-Nasbe zu isoliert, um daraus Schlüsse auf die Geschichte der Region ableiten zu können. Was die Annahme einer intakten, möglicherweise prosperierenden Region Benjamin unterstützen könnte, sind die M(W)SH-Stempel, die sich überwiegend hier fanden 3 9 2 und deren Herkunft aus dem 6. Jh. wahrscheinlich ist 3 9 3 . In Se/irc/Bet-El fanden sich jedoch keine, und auch die Siedlungsgeschichte nach dem 6. Jh. ist dort eher unklar. So lässt sich Bet-El nur mit größter Vorsicht in die Hypothese von der Bedeutung Benjamins in babylonischer Zeit einordnen.

2.2.5 Bet-El unter Persern und

Griechen

Das Bild, das ¿?eizw/Bet-El in persischer Zeit abgibt, ist unklar, da sich die Angaben über perserzeitliches Material in den Vorberichten und im Abschlussbericht erheblich unterscheiden. Laut Albrights Bericht über die Kampagne von 1934 3 9 4 erfolgte nach der Zerstörung des 6. Jhs. eine relativ schnelle Neubesiedlung ße/zVBet-Els, allerdings im Süden des Ortes. Für die sehr einfachen Gebäude wurden Trümmer und Schutt verwendet. Diese Siedlung bestand Albright zufolge für eine kurze Zeit während des 6. Jhs. Sie wurde zerstört. In Areal B fanden sich architektonische Strukturen aus dem 4. Jh. und zwar noch vom Ende der Perserzeit, so dass sich für Albright zwei persische Phasen BetiniBet-Els ergeben: eine am Anfang der persischen Epoche und eine am Ende. Diesen Strukturen werden weder Keramik noch Kleinfunde zugeordnet 3 9 5 . Die Kampagne von 1954 forderte östlich des madäfah-Gebüudes zwei bearbeitete, aber stark verwitterte Steine von j e 95 cm Durchmesser zutage 39 ^. Albright vermutete in ihnen Säulenbasen aus achämenidischer Zeit 3 9 7 , so dass vorläufig der Schluss zu ziehen war, in diesem Areal hätte sich ein großes Gebäude befunden 3 9 8 . Im Abschlussbericht wird auf diesen Fund und seine möglichen Implikationen nicht mehr eingegangen. Kelso weist vielmehr die Strukturen aus Areal B bereits der hellenistischen Zeit zu 3 9 9 und verzeichnet als einzigen Fund aus dem 5. Jh. ein griechisches Keramikfragment 4 0 0 . Somit stehen für die Zeit zwischen der Mitte des 6. und der Mitte des 4. Jhs. keine materialen Zeugnisse aus BetinfBet-E\ zur Verfugung. 390

Vgl. E. STERN, Archaeology, 321-323; O. LLPSCHITS, History, 158f. Vgl. JAMES B. PRITCHARD, Gibeon: NEAEHL II (1993), 511-514; NANCY L. LAPP, Fûl, Tell el: NEAEHL II (1993), 445-448. Zusammenfassung bei U. ZWINGENBERGER, Dorfkultur, 111-121. 392 30 in Tell en-Nasbe, 4 in el-Gib, 4 in Jerusalem und einige vereinzelte an weiteren 391

O r t e n , vgl. JEFFREY R . ZORN/JOSEPH YELLIN/JOHN HAYES, T h e m(w)sh-Stamp

ons and the Neo-Babylonian Period: IEJ 44 (1994), 161-183, hier 162-166. 393 J.R. ZORN/J. YELLIN/J. HAYES, m(w)sh-Stamp Impressions, 170-182. 394 Vgl. zum Folgenden W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 14. 395 W.F. ALBRIGHT, Kyle Memorial Excavation, 14f. 396 J.L. KELSO, Second Campaign, 9 mit Fig. 3. 397 J.L. KELSO, Second Campaign, 10. 398 J.L. KELSO, Second Campaign, 9. 399

J.L. KELSO, E x c a v a t i o n , 38.

400

J.L. KELSO, Excavation, 80. Abbildung PI. 37:10.

Impressi-

78

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Vor dem Hintergrund des archäologischen Ergebnisses der Region, vor allem aus Teil en-Nasbe/Mizpa, Teil el-Fül und en-Nebi Samwllm und der Angaben aus Esr 2; Neh 7 ist eine Wiederbesiedlung BétínlBet-El wahrscheinlich, doch genauere Angabe lassen sich hier nicht treffen 402 . Seit dem 4. Jh., d.h. seit dem Übergang von der persischen zur hellenistischen Zeit, finden sich in Bétínl Bet-El wieder Spuren kontinuierlicher Besiedlung unter städtischen Vorzeichen. Sie sind überwiegend in Areal B und C nachgewiesen; einige Spuren hellenistischer Architektur fanden sich aber auch außerhalb der Grabungsareale westlich von Areal F 403 . Das hellenistische Serift/Bet-El wird von Kelso in drei Phasen unterteilt: Phase 1 deckt den Zeitraum von Alexander dem Großen bis zum Beginn des Makkabäeraufstandes ab; Phase 2 entspricht der hasmonäischen Periode; Phase 3 gehört der römischen Zeit an, die mit Vespasian endet 404 . Die Phaseneinteilung wird außer durch Keramik 405 auch durch Münzen vorgenommen 406 . Das bzw. die Gebäude in Areal F fallen vor allem durch massive Mauern, tiefe Fundamente, Drainagerohre und Steinpflaster auf. Der Grundriss des Gebäudekomplexes aus Phase 1 ist schwer zu erkennen; hier scheinen mehrere Häuser aneinander gebaut worden zu sein 407 . Auch für Phase 2/3 ist nicht zu erkennen, ob der vielräumige Komplex von ca. 16 x 16 m ein Haus oder mehrere umfasst. Kelsos Schluss, das hellenistische 5éíF«/Bet-El sei wieder eine prosperierende Stadt gewesen 408 , ist angesichts des spärlichen Befundes. Was insgesamt auffallt, ist dass in hellenistischer Zeit anscheinend auch außerhalb der Stadtmauer gebaut wurde: zwei Gebäude in Areal F befinden sich nördlich der Nordmauer 409 . Im Anschluss an JosAnt XIII 1,3; IMakk 9,50 postuliert Kelso eine umfangreiche (Neu-) Befestigung 5e/f«/Bet-Els durch Bakchides, also um 160410. In der Befestigungsmauer selbst ist diese Maßnahme jedoch nicht nachzuweisen 411 . 401

Vgl. E. STERN, Archaeology, 432-434. Vgl. dazu die Daten aus Surveys in der Region bei DIANA EDELMAN, The Origins of the 'Second Temple'. Persian Imperial Policy and the Rebuilding of Jerusalem, Sheffield 2005, Kap. 5, S. 30-33.44f.47-50. Das Buch lag mir zur Zeit der Drucklegung der Arbeit nicht vor; ich danke Prof. Edelman dafür, dass sie mir die einschlägigen Manuskriptseiten zur Verfügung stellte. 403 J.L. KELSO, Excavation, 44. 404 J.L. KELSO, Excavation, 38. 405 J.L. KELSO, Excavation, 77. 406 J.L. KELSO, Excavation, 38. 407 J.L. KELSO, Excavation, PL. 7. 408 J.L. KELSO, Excavation, 40. 409 J.L. KELSO, Excavation, 11.52. 410 J.L. KELSO, Excavation, 39.51. 411 J.L. KELSO, Excavation, 2.39. Möglicherweise gehörte indes die vereinzelte Stätte Rujm Abu 'Ammar nordöstlich von Bëtln!Bet-El zu jenen Befestigungsanlagen. 402

Bet-El im Spiegel der Archäologie

79

Die Keramik aus ßei/VBet-El während der hellenistischen Periode entspricht dem Landesstandard und enthält fast ausschließlich Haushaltskeramik einheimischer Produktion: mit Glanzton überzogene Vorratskrüge, Krüge, Kochtöpfe und Lampen 412 . Es fehlen die Sigillata des Späthellenismus 413 , ebenso die sonst in Palästina nachweisbaren Glasgegenstände 414 . Vier gestempelte Krughenkel aus verschiedenen Fundkontexten 4 1 5 gehören wahrscheinlich dem 2. Jh. an 416 . Eine Reihe von Münzen lassen eine zuverlässige Datierung hellenistischer Funde zu 417 . Unter ihnen befinden sich sieben silberne aus ptolemäischer und seleukidischer Zeit. Im Großen und Ganzen und unter Berücksichtigung des eher spärlichen Befundes bietet Betini Bet-El in hellenistischer Zeit erneut das Bild einer Provinzstadt, diesmal unter griechischen bzw. griechisch beeinflussten Vorzeichen. Dabei ist zu beachten, dass sich der hellenistische Einfluss auf die materiale Kultur nur in der typischen Glanztonkeramik und in den Münzen zeigt 418 . Vor allem die Formen der Keramik setzen ältere Traditionen fort, die sich im Grunde schon vor der Perserzeit im Land etabliert hatten. Die Haushaltskeramik entspricht in ihren Formen noch weitgehend der vorhellenistischen Zeit 419 . D.h. Se/Fw/Bet-El war auch unter hellenistischen Bedingungen kulturell und wirtschaftlich im Wesentlichen eigenständig; lediglich die Krughenkel mit griechischer Inschrift weisen auf Handelskontakte mit Griechenland 420 . Es fehlen jegliche Hinweise darauf, dass i?eizH/Bet-El in irgendeiner Weise planmäßig hellenisiert worden wäre 421 . Auch Kleinfunde, die einen hellenistischen Einfluss zeigen, gibt es in Betin/Bet-E\ nicht. Die Stadt kehrte damit zu ihrem Status als Provinzstadt zurück. Dabei dürfte es territorial und politisch während der ptolemäischen und seleukidischen Zeit zum Jerusalemer Territorium gehört haben. Mit Sicherheit war es auch Kriegsschauplatz während der Makkabäerkriege, doch dafür gibt es nur Textzeugnisse. Hinsichtlich der materialen Kultur geht in Betin/Bet-El die hellenistische nahtlos in die römische Zeit über.

412 J.L. KELSO, Excavation, 77-80. PI. 68-71; vgl. dazu HANS-PETER KUHNEN, Palästina in griechisch-römischer Zeit, München 1990 (Handbuch der Archäologie. Vorderasien II, Bd. 2), 82. 413

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 8 7 ; v g l . H . - P . KUHNEN, P a l ä s t i n a , 8 3 .

414

H . - P . KUHNEN, P a l ä s t i n a , 83.

415

J.L. KELSO, Excavation, 121; PI. 47,7.8.9. J.L. KELSO, Excavation, 77.

416 417

J . L . KELSO, E x c a v a t i o n , 3 8 ; PI. 4 7 .

418

Vgl. H.-P. KUHNEN, Palästina, 81.84f. Vgl. H.-P. KUHNEN, Palästina, 82 (Lit.). Es handelt sich wahrscheinlich um Weinkrüge, vgl. H.-P. KUHNEN, Palästina, 82.

419 420 421

V g l . z u m G e s a m t b i l d H . - P . KUHNEN, P a l ä s t i n a , 4 3 - 5 6 .

80

„ Und er nannte die Stätte

2.2.6 Ausblick: Römische und byzantinische

Bet-El"

Zeit

Betln/Bet-El bestand bis in byzantinische Zeit fort. Wie lange die Besiedlung andauerte, ist nicht bekannt. Obwohl die römische und die byzantinische Zeit in Betini Bet-El interessante Spuren hinterlassen haben, können die letzten 1000 Jahre des Ortes hier nur noch im Überblick präsentiert werden. Trotzdem ist auf einige wichtige Entwicklungen in der Spätzeit Bet-Els kurz hinzuweisen. In römischer Zeit lässt sich erstmals seit der Eisen-I-Zeit wieder eine echte bauliche Neuerung nachweisen, nämlich der Bau von Zisternen 422 . Es ist unklar, zu welchem Zeitpunkt während der gut dreihundert Jahre währenden römischen Zeit in Bettn!Bet-El diese Baumaßnahme stattgefunden hat. Da die Wasserversorgung in Betin/Bet-El offensichtlich immer ausreichend war, um den Bedarf der Bevölkerung zu decken, weist der Bau von Zisternen auf eine signifikante Zunahme an Einwohnern. Dafür kommen ausweislich der Textquellen nur zwei Perioden in Frage, nämlich der jüdische Krieg (69-73 n. Chr) und der Bar-Kochba-Aufstand. Beide Male war eine römische Garnison in Bet-El stationiert 423 . Möglicherweise gehört der Zisternenbau zum jüdischen Krieg unter Vespasian. Es ist das einzige Mal in Betin!Bet-Els archäologisch dokumentierbarer Geschichte, bei dem der Eingriff einer zentralen Verwaltung in die Struktur des Ortes einigermaßen sicher angenommen werden kann. Kelso zufolge hat die Eroberung Bet-Els durch Vespasian vor allem das Nordost-Tor der Stadt zerstört 424 . Die byzantinische Zeit brachte eine groß angelegte Umgestaltung Ben«/Bet-Els mit sich 425 . Die Stadtmauer wurde neu gebaut, die Stadt dabei nach Osten erweitert und mit einer Straße versehen. Bei diesem Umbau erhielt die Stadt ein neues Tor. Die im Süden des Ortes gelegene Quelle wurde in ein 66 x 93 m großes Becken geleitet. In und um 5eif«/Bet-El entstanden in byzantinischer Zeit mehrere Kirchen. Die letzte scheint aus dem 12. Jh. zu stammen. Sie bildet das letzte Bauwerk 5eif«/Bet-Els vor dessen Neubesiedlung im 19. Jh. 2.2.7 Zusammenfassung:

Dreitausend Jahre

Provinzstadt

Die archäologische Untersuchung l?efz«/Bet-Els ergibt eine Besiedlung des Ortes vom Chalkolithikum bis ins christliche Mittelalter, also fast dreitausend Jahre, mit nur wenigen Unterbrechungen. ¿Jeiirc/Bet-Els Entwicklung vom Dorf zur städtischen Siedlung beginnt in der späten Mittelbronzezeit mit dem Bau der Stadtmauer. Sie hat das Gesicht der Stadt vom 17. Jh. v. Chr bis in die byzantinische Zeit entschei422 423 424 425

J.L. KELSO, Excavation, 42f. JosBell VI 9,9. J.L. KELSO, Excavation, 12. Vgl. zum Folgenden J.L. KELSO, Excavation, 41-44.

Bet-El im Spiegel der

Archäologie

81

dend geprägt. Von diesem Zeitpunkt an bestand Betin als Stadt. Dabei fällt Betins „Stadtgründung" mit seiner Glanzzeit zusammen. 5eiira/Bet-Els erste städtische Periode zwischen dem 17. und dem 13. Jh. v. Chr zeigt einen hohen technischen und kulturellen Standard. Nicht nur die Mauer, sondern auch der Hausbau weisen auf eine - in bescheidenem Umfang - Urbane Kultur. BetTnlBet-E\ war nicht nur wirtschaftlich subsistent, sondern sogar in der Lage, Luxusgüter wie Olivenöl zu produzieren. In der Keramik entwickelte sich für kurze Zeit eine eigenständige Tradition des Dekors. Kleinfunde wie Schmuck, Siegel und andere Gegenstände zeigen einen gewissen Wohlstand ebenso an wie weitreichende Außenkontakte. Nach Ansicht von Kelso und Albright hat Betin das Niveau der ausgehenden Bronzezeit nie wieder erreicht. Der Ubergang von der Spätbronze- zur Eisen-I-Zeit kennzeichnet in Be/¿»/Bet-El einen der stärksten kulturellen Umbrüche. Der Ort wurde von einer wirtschaftlich, kulturell und möglicherweise auch politisch autonomen Stadt zu einem rein auf die Landwirtschaft zentrierten Dorf. Den städtischen Charakter hat BetTn mit der Zeit zurückgewinnen können, seine kulturelle Eigenständigkeit jedoch - zumindest in biblischer Zeit - nie. Dieser Umbruch verdankt sich kaum ethnischen Verschiebungen nach Art der Landnahme allein, sondern den sich wandelnden politischen und kulturellen Bedingungen in Zentralpalästina: Im Verlauf der frühen Eisenszeit wuchs Betin in das Gefüge sich bildender Herrschaftsgefüge oder Königreiche hinein. In diesen Staaten Israel und Juda, später in den Provinzen Assurs, Babylons und der Perser sowie in der hellenistischen Zeit liegt 5e/m/Bet-El die meiste Zeit über an der Peripherie, d.h. außerhalb des unmittelbaren Interesses der Machtzentren. An der materialen Kultur der Zentren hat BetTn! Bet-El nur geringen Anteil. Der Ort war anscheinend nie so bedeutend, dass es die Präsenz einer Zentralmacht erfordert hätte. 5eim/Bet-El lag bis auf die alleinige Ausnahme des jüdischen Krieges unter Vespasian meist im Hinterland militärischer Operationen. Dabei zeigt sich vor allem, dass zumindest in der Zeit der „geteilten Reiche", möglicherweise aber auch noch in assyrischer Zeit .BeiZn/Bet-El zwar im Grenzbereich zwischen Israel und Juda bzw. Samerina und Juda lag, was gelegentlich verstärkte Befestigungsmaßnahmen nach sich zog, dass diese Grenze aber niemals so stark trennend war, dass sich die materiale Kultur 2?eim/B et-Eis als Teil Israel sASamentta,? signifikant vom benachbarten Juda unterschieden hätte. Eher zeigt sich kulturell eine Durchlässigkeit dieser Grenze, die ihrerseits auch wieder ein Indiz der peripheren Rolle des Berglands im Gefüge Palästinas ist. Eine Festung bzw. ein Truppenstützpunkt war BetTn!Bet-El wohl erst in römischer Zeit.

82

„ Und er nannte die Stätte

Bet-El"

Erst in byzantinischer Zeit erlebt Betini Bet-El noch einmal einen kulturellen Umbruch. Die Stadt wird vergrößert und neu gestaltet; in ihr und ihrer Umgebung werden Kirchen errichtet, und sie wird zum Ziel christlicher Pilger 426 . Dieser Umbruch verdankt sich der Rezeption biblischer Erinnerungen an Bet-El, vor allem der Traditionen von Jakob und Abraham, die Bet-El zum Wallfahrtsort machen. Das Heiligtum bzw. die Heiligtümer, die in den Texten die Bedeutung Bet-Els kennzeichnen, haben in Be/m/Bet-El keine archäologisch erfassbaren Spuren hinterlassen. Nicht nur ließen sie sich trotz intensiver Suche nicht finden, sondern BetTn/Bet-Els materiale Kultur weist auch sonst keine Indizien dafür auf, dass die Stadt ein „Reichsheiligtum" und dessen Personal beherbergt haben und Ziel von Wallfahrern gewesen sein könnte.

3. Spuren einer Stadt: Betin in materialer Perspektive Bet-El hat in der Geschichte des alttestamentlichen Israel zweifellos eine Rolle gespielt. Einen wichtigen Stellenwert nimmt in der historischen Rückfrage das materiale Zeugnis von Betin ein. Die Identifikation des biblischen Bet-El mit der Stätte BetTn lässt sich bislang nicht zweifelsfrei bestätigen. In Betin fehlt jedes Zeugnis dafür, dass es sich tatsächlich um BetEl handelt. Insofern sind die archäologischen und landeskundlichen Ergebnisse nur unter Vorbehalt zu lesen. Betin ist ein Ort von überraschend langer Dauer gewesen: Seine Spuren reichen bis ins 3. vorchristliche Jahrtausend zurück, die Stadt hat bis in die byzantinische Zeit bestanden. Liest man den Befund von BetTn ohne Korrelation mit dem Textzeugnis über Bet-El, so lässt sich an Betin exemplarisch die Geschichte einer Provinzstadt des palästinischen Berglandes nachzeichnen, die das Auf und Ab der Geschichte Palästinas auf ihre Weise gemeistert hat. Phasen des (relativen) Wohlstands und einer gewissen Urbanität wechseln mit Besiedlungspausen und Zeiten dörflicher Existenz, eigenständige kulturelle Traditionen stehen einmal mehr, einmal weniger neben Einflüssen oder Artefakten anderer Kulturen. Mit Beginn des Ersten Jahrtausends v. Chr. ist Betin mehr und mehr in das Gefüge der sich bildenden Staaten Palästinas, später dann in den Sog der auswärtigen Besatzungsmächte geraten. Betins lange Dauer verdankt sich dabei - zumindest in materialer Betrachtung - vor allem seinen Ressourcen: Wasser und Verkehr. Die Stadt war in der Lage, nicht nur sich selbst zu versorgen, sondern seinen Beitrag in der kulturellen und gesellschaftlichen Kommunikation des Landes zu leisten.

426

Vgl. dazu K. KOENEN, Bethel, 65f.

Spuren einer

Stadt

83

Betin zeigt eine gewisse Insellage: isoliert vom Norden, vom Süden immer noch deutlich getrennt, dabei aber durch die Lage an zwei Wasserscheiden von Bedeutung für den Verkehr und die Kommunikation der Länder und Kulturen in der Region. Durch die Lage im quellenreichen Sattel ist Betin zum Uberleben auf eine Infrastruktur durch weitere Siedlungen nie angewiesen gewesen. Tatsächlich hatte es seine Glanzzeit offenbar zu jener Zeit, als es noch weitgehend allein das Gebirge beherrschte. Politisch ist es erst später von Relevanz geworden, und auffallenderweise scheint Betin seit der Eisenzeit material nie mehr als den Status einer Provinzstadt gehabt zu haben. Dem Sog der Texte, die für Bet-El von einem bedeutenden Ort sprechen, kann man sich kaum entziehen, doch Betins Spuren zeigen, dass diese Bedeutung nicht unbedingt mit Pracht oder großem Wohlstand verbunden war. Auch Bet-Els Heiligtum - das bis heute nicht nachgewiesen ist - hat das Profil der Stadt anscheinend nicht nachhaltig geprägt. Vom Standpunkt des materialen Zeugnisses allein aus betrachtet, ist Betins Lebensfähigkeit das eigentliche Ereignis, nicht so sehr seine Beteiligung an den Ereignissen der biblischen Geschichte. Ohne Hilfe der textlichen Erinnerungen lassen sich solche ohnehin nicht nachweisen. Unter der Voraussetzung der Identität Betins mit dem biblischen Bet-El lässt sich vermuten, dass die Lage des Ortes als Verkehrsknotenpunkt im palästinischen Bergland und ein gewisses Aufkommen an Rohstoffen wie Wasser, Holz und Stein im Zusammenhang der „Staatenbildung" zu einem Interesse der Staaten Israel und Juda sowie der späteren Besatzungsmächte an BetinlBet-E\ führten. Wirklich nachweisbar ist dies nicht, hat aber seine Ergänzungen in den Texten. Diese sollen im Folgenden detailliert untersucht und gegebenenfalls an das Zeugnis von Betin rückgebunden werden.

2. Kapitel

„Denn Bet-El wird zunichte werden" (Am 5,5): Bet-El in der Perspektive der Prophetie Bet-El ist ein Thema der Verkündigung der Propheten Arnos und Hosea. Die prophetischen Bet-El-Worte aus dem 8. Jh. gehören zu den frühesten Belegen für Bet-El als Sinnfigur in der alttestamentlichen Tradition. Aus diesem Grund beginnt die Analyse der Bet-El-Uberlieferungen mit diesen beiden Prophetenbüchern. In je unterschiedlicher Weise bilden die Worte des Arnos und des Hosea die Initialzündung für den größeren Teil der alttestamentlichen Bet-ElÜberlieferung, die Bet-El zum „Haus des Unheils" macht und in ihm den Grund für den Untergang des Nordreiches sieht. Als Motor der gesamten alttestamentlichen Kritik an Bet-El erweist sich das Wort des Arnos *?X"rP3 •pK1? rprr, „Bet-El wird zu Unheil werden" (Am 5,5). Bei Arnos wird dies als religiös-kultische Konsequenz sozialen Fehlverhaltens in Aussicht gestellt. Hosea hat das Wort aufgenommen und es königskritisch zugespitzt (Hos 5,8; 10,5). In diesen beiden Wahrnehmungen Israels in der Stunde seines Untergangs liegt der Beginn aller alttestamentlichen Sinnbildung über die Katastrophen Israels und Samarias. Bet-El ist somit von vornherein ein Topos der textlichen Uberlieferung. Da in den beiden prophetischen Büchern jedoch zeitgenössische Stimmen sprechen, deren Worte zudem zeitnah gesammelt und komponiert worden sind, können das Arnos- und das Hoseabuch als Quellen der Geschichte Bet-Els im 8. Jh. gelesen werden. Dabei treten Konturen der Stadt Bet-El hervor, die sich mit dem Befund der Realien zur Deckung bringen lassen. Doch gleichzeitig enthalten die prophetischen Worte über Bet-El auch weitere historisch relevante Auskünfte über Bet-El und sein Heiligtum. Gleichwohl geht es den Propheten und ihren Tradenten nicht primär um Erinnerung, sondern um Sinn. Bet-Els Sinnpotential im Augenblick der Krise verkörpert sich in der Person des Propheten, zuerst in Arnos, dann in Hosea.

Bet-El im

Amosbuch

85

1. „Kommt nach Bet-El und verübt Verbrechen!" (Am 4,4): Bet-El im Amosbuch Arnos ist der früheste Zeuge Bet-Els im Alten Testament und gleichzeitig der bedeutendste. Sein Wort über Bet-Els Schicksal hat buchstäblich Schule gemacht und nicht nur ins Hoseabuch, sondern auch - zumindest der Sache nach - in die Königebücher hineingewirkt. Das Bet-El-Wort des Arnos p x S r r r r gehört in das älteste Gut des Amosbuches. Spätere Fortschreibungen haben es weiter ausgeschrieben, präzisiert und konkretisiert. Auf Grund seiner Wirkung auf die Hoseaüberlieferung ist das Bet-El-Wort des Arnos in das Amosbuch zurück gelangt und hat mit der Amazjaerzählung die exemplarische Prophetenerzählung für Bet-El generiert. D.h. bereits im Amosbuch ist Bet-El nicht nur ein Thema für das prophetische Wort, sondern der Prophet in Bet-El wird in die entstehende Sinnfigur eingezeichnet. Der Weg des Themas Bet-El vom prophetischen Spruchgut bis in die spätesten Bearbeitungen des Amosbuches soll in diesem Abschnitt nachgezeichnet werden. 1.1

JHWH suchen: Bet-El im Ersten Amosbuch (Am 4;5)

Dem Amosbuch liegen Einzelworte zu Grunde, die ausweislich der BuchÜberschrift auf den Propheten Arnos aus Thekoa zurückgehen. Weder die genaue historische Situation dieser Einzelworte noch ihre kommunikative Abzweckung sind bekannt, doch geben die Struktur und der Wortlaut der Einzelworte von Am 3-6* gute Gründe zu der Annahme, dass ihnen Spruchgut zu Grunde liegt 1 . Diese anfangliche Ausgestaltung des späteren Prophetenbuches soll hier als „Erstes Amosbuch" bezeichnet werden. Bereits dieses enthält eine Komposition älterer Amosworte mit ihrer jeweiligen Interpretation Arnos hat auf die inhärente Krise seiner Zeit und seiner Gesellschaft aufmerksam gemacht. Eine konkrete Mahnung, Warnung oder Drohung liegt nicht auf der Linie der Einzelsprüche, eher will der Prophet auf die Folgen hinweisen, die Israels Fehlverhalten notwendigerweise zeitigen wird. Bet-El spielt in diesen Sprüchen eine wichtige Rolle. Die Verkündigung des Propheten Arnos hat ihre grundlegende Gestalt bald nach 720 erhalten, als Sammler und Tradenten die Einzelworte zu einer Komposition zusammenstellten, die den Zusammenbruch des Staates

1

Zum Problem der Mündlichkeit prophetischer Worte vgl. JÖRG JEREMIAS, Prophetenwort und Prophetenbuch. Zur Rekonstruktion mündlicher Verkündigung der Propheten: JBTh 14 (1999), 19-35; REINHARD G. KRATZ, D i e Worte des Arnos von Tekoa, in: MATTHIAS KÖCKERT/MARTTI NLSSINEN (HG.), Propheten in Mari, Assyrien und Israel, Göttingen 2 0 0 3 (FRLANT 201), 54-89, hier 54-61.

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„Denn Bet-El wird zunichte werden "

sowohl ankündigte als auch deutete 2 . In dieser Komposition wird Bet-El geradezu zur Mitte des Amosbuches. In Am 4,4-5 und 5,5-6 wird deutlich, worin die Krise bestand, wie sie zur Katastrophe wurde und welche Perspektiven sich danach ergaben. 1.1.1 Am

4,4-5

Am 4,4-5 bildet ein kurzes Einzelwort: Am 4,4-5 (4) Kommt nach Bet-El und verübt Verbrechen, nach Gilgal (und) verübt noch mehr Verbrechen! Und bringt am Morgen eure Schlachtopfer, am dritten Tag eure Zehnten (5) und räuchert vom Gesäuerten ein Dankopfer und ruft freiwillige Gaben aus - lasst hören! Denn so liebt ihr es, ihr Söhne Israels - Ausspruch (des Herrn) JHWHs.

Der kleine Spruch bildet nach dem rnrp'DiO von V. 3 einen Neuansatz und schließt selbst mit dieser Formel ab. Am 4,4-5 bildet eine geschlossene Einheit 3 , die bis auf das zugesetzte ^IX in der Gottesspruchformel keinen Anlass zu diachronen Scheidungen gibt. In einer Kette von fünf Imperativen ruft Am 4,4-5 zu kultischen Handlungen auf, die zugleich als „Verbrechen" interpretiert werden. V. 4 fordert zunächst ungenannte Adressaten dazu auf, nach Bet-El und Gilgal zu kommen (xia) und dort den unerklärten a s s zu verüben. In V. 4b beginnen die eigentlichen Aufrufe zu kultischem Handeln, zuerst in einem Wortspiel mit X13 zur Darbringung von Schlachtopfern, dann von Zehnt2 Der Terminus „Erstes Amosbuch" wird hier gewählt, um die etwas problematischen Implikationen des gängigeren Begriffs „Ur-Amosbuch" zu vermeiden. Darüber hinaus wird man davon ausgehen müssen, dass es eine uninterpretierte Spruchsammlung, die den Ausgangspunkt des Amosbuches gebildet hätte (vgl etwa HANS WALTER WOLFF, Dodekapropheton 2. Joel und Arnos, Neukirchen-Vluyn 1969 (BK XIV/2), 130; DIRK U. ROTTZOLL, Studien zur Redaktion und Komposition des Amosbuches, Berlin/New York 1996 (BZAW 243), 285f.; AARON SCHART, Die Entstehung des Zwölfprophetenbuchs. Neubearbeitungen von Arnos im Rahmen schriftenübergreifender Redaktionsprozesse, Berlin/New York 1998 (BZAW 260), 98f.), nie gegeben hat. Zur Rekonstruktion der ältesten Bestandteile des Amosbuches vgl. unterschiedlich JÖRG JEREMIAS, Der Prophet Arnos, Göttingen 1995 (ATD 24,2), XVI-XVIII; VOLKMAR FRITZ, Amosbuch, AmosSchule und historischer Arnos, in: Prophet und Prophetenbuch. Festschrift für Otto Kai-

s e r z u m 6 5 . G e b u r t s t a g HG. v o n VOLKMAR FRITZ, KARL-FRIEDRICH POHLMANN u n d

HANS-CHRISTOPH SCHMITT, 1989 (BZAW 1985), 29-43, hier 40-43; D. U. ROTTZOLL, Studien, 285f.; A. SCHART, Entstehung, 98f.; R.G. KRATZ, Worte, 54-89. 3

Am 4,6-13 bilden eine Fortschreibung, die in kultischen Redeformen bleibt, jedoch über den formalen und inhaltlichen Rahmen der Toratravestie hinausgeht, vgl. zur Diskussion INA WILLI-PLEIN, Vorformen der Schriftexegese im Alten Testament. Untersuchungen zum literarischen Werden der auf Arnos, Hosea und Micha zurückgehenden Bücher im hebräischen Zwölfprophetenbuch, Berlin 1971 (BZAW 123), 27; JÖRG JEREMIAS, Die Mitte des Amosbuches (Am 4,4-13; 5,1-17), in: DERS., Hosea und Arnos. Studien zu den Anfängen des Dodekapropheton, Tübingen 1996 (FAT 13), 198-213.

Bet-El im Amosbuch

87

abgaben. Die Opfer bzw. Gaben werden in eine zeitliche Reihenfolge gebracht, die drei Tage umfasst 4 . Die Reihe wird in V. 5a mit Dankopfer (rnin) und freiwilligen Gaben abgeschlossen. Bis auf das Dankopfer stehen alle Gaben bzw. Opfer im Plural und werden mit dem Suffix 2. m. PI. versehen. Erst in V. 5b erfolgt eine Anrede, nämlich ^Nntir also das ganze Volk. Die abschließende Gottesspruchformel qualifiziert den Textzusammenhang als Wort JHWHs. Am 4,4-5 ist ausgesprochen dramatisch angelegt. Die Qualifikation kultischen Tuns als „Verbrechen", die durch das wiederholte N13 noch betont wird, zielt in gleichem Maße auf den Schrecken wie auf den Widerspruch des Publikums. Der Effekt wird dadurch gesteigert, dass die ganze kultische Feier mit ihren Einzelhandlungen unter das Verdikt des Verbrechens gestellt wird. V. 5b hat dann den Charakter einer Enthüllung: Alle Israeliten lieben, was in JHWHs Augen Verbrechen darstellt. Diese Art der schrittweisen Enthüllung eines Skandalons ist für die Einzelworte im Amosbuch nicht ungewöhnlich, sie gleicht formal und dramaturgisch dem Leichenlied, dem Klageruf und den Weherufen von Am 55. Inhaltlich transportiert Am 4,4-5 in der Umdeutung des Kultischen zum „Verbrechen" einen erheblichen Sarkasmus. Auf der formalen Ebene wird dies noch verstärkt, weil Arnos seine scharfen Worte in das Gewand der Priestertora kleidet 6 . Den Schluss bildet in Am 4 nicht die sonst übliche Zustimmung JHWHs zu den Opfern, sondern der Verweis auf die Motivation der Kultteilnehmer. Die priesterliche Tora ist ein performativer Akt. Sie setzt durch die Ansprache der Laien und die Vermittlung der Reaktion Gottes den kultischen Akt in Gang und sichert seinen geregelten Vollzug. Gerade wenn Laien beteiligt sind, ist das Wissen um das richtige Opfer unerlässlich, ebenso die Zustimmung der Gottheit, weil sonst der kultische Lebenszusammenhang auf dem Spiel steht. Der rituell unkundige Laie wird derart über seine Begegnungsmöglichkeiten mit dem Heiligen aufgeklärt, und so wird er vor Gefahr und das Heilige vor Profanierung geschützt. Die Travestie von Am 4,4-5 verkehrt die Priestertora nicht nur inhaltlich in ihr Gegenteil. Der als Priester maskierte Prophet inszeniert hier einen gott-losen Kult. Indem er mit der Stimme Gottes kultisches Handeln als Verbrechen bezeichnet, stellt er die Begegnung mit dem Heiligen unter negative Vorzeichen. Sie

4

Zum distributiven Verständnis von n p i b und D,B,t nw'bwb vgl. H. W. WOLFF, BK XIV/2, 259; I. WILLI-PLEIN, Vorformen, 30. 5 Vgl. MELANIE KÖHLMOOS, Der Tod als Zeichen. Inszenierung des Todes in Am 5: BN 107/108 (2001), 65-77. 6 Vgl. grundsätzlich JOACHIM BEGRICH, Die priesterliche Tora, in: DERS., Gesammelte Studien zum Alten Testament. HG. von WALTHER ZLMMERLI, München 1964 (TB 21), 232-260, hier 239.

88

„Denn Bet-El wird zunichte werden "

finden ihren Ausdruck in Am 5, dem zentralen Kapitel des Amosbuches. Somit gibt Am 4,4-5 im Rahmen der Buchkomposition den Weg für Kap. 5 frei 7 . Tatsächlich ist die Toratravestie mit Am 4,5 noch nicht abgeschlossen, sondern die Aufforderung zum UttiB-Üben in Bet-El und Gilgal bildet nur ihren ersten Teil. Erst in 5,21 f. kommt dieser Auftritt zu seinem Ziel. Am 5,21-24 (21) Ich hasse, ich verwerfe eure Feste, und ich will eure Festversammlungen nicht riechen! (22) ... 8 , und eure Mincha will ich nicht annehmen, und das Schäläm 9 eures Mastviehs will ich nicht anblicken! 10

Hier erst folgt die tatsächliche Reaktion JHWHs in Gestalt eines negativen Kultbescheids, der die gesamte Toratravestie abschließt: JHWH lehnt die Opfer samt ihrem Festrahmen ab. Die vierfache Negation der Verben dreimal davon in betonter Schlussposition - weist darauf, dass JHWH sich dem kultischen Kontakt entzieht. Dem gesamten Kultbescheid steht das „Ich hasse" CnKJto) JHWHs voran. Es ist dem n r a n x p p von 4,5 diametral entgegengesetzt und mithin die endgültige Reaktion JHWHs auf den UüS-Charakter des Kultes. Somit konstatieren 5,21-23 in direkter Fortsetzung von 4,4-5 den Abbruch der Beziehung zwischen JHWH und Israel im Kult und demzufolge auch im Alltag, dessen SJCS-Charakter seinerseits den Kult vergiftet hat. In der Maske des Priesters demaskiert der Prophet in Am 4,4-5.21 f. das Gesicht des Kultbetriebs. Was immer die Teilnehmenden antreibt, für JHWH ist es BfflS, „Verbrechen". Dieses Verbrechen besteht nicht in fremdreligiösen Praktiken 11 . Vielmehr weist der Begriff jjtöa in die Sozialkritik des Arnos. Die detaillierte Aufzählung von Unrechtstaten (vgl. Am 2,6-8; 3,9-11; 4,1-3; 6,1-7*) wird

7 Im jetzigen Buchaufbau ist dieser Zusammenhang durch die Einfuhrung von 4, 6-11.12f. gesperrt (vgl. zur Komposition J. JEREMIAS, Mitte, 198-213). 8 V. 22a ni^S! ,l?"l'?l>n-0!< "O ist ein (priesterlicher) Zusatz. 9 Vgl. dazu INA WILLI-PLEIN, Opfer und Kult im alttestamentlichen Israel. Textbefragungen und Zwischenergebnisse, Stuttgart 1993 (SBS 153), 32. 10 Zur Abtrennung von V. 23 vgl. GUNTHER FLEISCHER, Von Menschenverkäufern, Baschankühen und Rechtsverkehrern. Die Sozialkritik des Arnos in historisch-kritischer, sozialgeschichtlicher und archäologischer Perspektive, Weinheim 1989 (BBB 74), 151;

D . U . ROTTZOLL, S t u d i e n , 1 9 5 f . 11 So HANS M. BARST AD, The Religious Polemics of Arnos. Studies in the Preaching of Arnos 2,7B-8; 4,1-13; 5,1-27; 6,4-7; 8,14, Leiden 1984 (VT.S 34), 57. Die von Barstad beigebrachten Belege für ein derartiges Verständnis von SJtiS in der Prophetie sind nicht unbedingt zwingend, allenfalls Jer 2,8; 3,13; Ez 20,38 lassen sich dafür geltend machen. Auch das Verbrennen von Gesäuertem ist nicht grundsätzlich ein „kanaanäischer" Brauch (S. 55), vgl. die einschlägigen Weisungen in Lev 2,1; 7,11.

Bet-El im Amosbuch

89

in Am 4,4f. im Begriff saja summiert 12 . So zeigt sich die theologische und kultische Dimension sozialen Unrechts. Wenn das alltägliche Leben vom Verbrechen geprägt ist, kann kaum ein sachgemäßer Kult stattfinden, der eben dieses alltägliche Leben feiert. Die Perspektive des Propheten umgreift das ganze Israel, das sich in der denkbar größten Weise von JHWH entfernt hat 13 . D.h. die Toratravestie von Am 4,4-5; 5,21f. formuliert keine allgemeine Kultkritik, obwohl kultisches Handeln hier allerschärfster Kritik unterzogen wird. Mit der Toratravestie werden Bet-El und Gilgal zu den Orten, an denen sich VWB in seiner ganzen katastrophalen Qualität konkretisiert. Die Israeliten tragen den jjtös des Alltags nach Bet-El vor JHWH. Auf das, was in und durch Israel geschieht, reagiert JHWH mit Hass und der Verweigerung seiner Zustimmung. Ein gottloses Leben steht so im Horizont eines gott-losen Kults. Am 4,4-5; 5,21-22 ist ein Bestandteil des Ersten Amosbuches 14 . Wahrscheinlich liegt der Spruch als Einheit der literarischen Komposition sogar voraus. Für Mündlichkeit spricht die performative Dimension der Toratravestie; für seine Entstehung vor 720 lässt sich geltend machen, dass dem eminent kritischen Potential der Travestie keine klare Zukunftsansage entspricht. Immerhin eröffnet JHWHs verweigerte Zustimmung zum Kult in Bet-El und Gilgal die Perspektive auf den Abbruch des Kultbetriebs. Mit dieser Zielsetzung haben die Kompositoren des Ersten Amosbuches 5, 21-22 von 4,4-5 abgetrennt und die prophetische Toratravestie zum Rahmen von Kapitel 5 gemacht. Für die Toratravestie selbst ist Bet-El einer 12 Die Texte sind zumindest in ihrem jeweiligen Grundbestand Bestandteile des Ersten Amosbuches; ihnen liegen wahrscheinlich Einzelsprüche zu Grunde, vgl. J . J E R E M I A S , ATD, 18f.24f.37.46.83-89; D.U. R O T T Z O L L , Studien, 61-71.125-132.143-168; R.G. K R A T Z , Worte, 84. Nicht inhärent ist ihnen der Terminus BTÍS. Er ist möglicherweise erst durch Am 4,4f. zum Mottovers von Am 1-2 geworden. 13 D.U. R O T T Z O L L , Studien, 1 0 8 - 1 1 2 . 1 8 7 und A. S C H A R T , Entstehung, 7 0 erwägen die Zufügung der Anrede SKTÍ" durch redaktionelle Hand. 14 H.W. W O L F F , BK, 256; J . J E R E M I A S , ATD, 48; D.U. R O T T Z O L L , 185-187.284; A. S C H A R T , Entstehung, 98. J A C Q U E S V E R M E Y L E N , D U Prophète Isaïe à l'Apocalyptique. Isaïe I-XXV, miroir d'un demi-millénaire d'expérience religieuse en Israël. Tome II, Paris 1978, 519-601, hier 550f. postuliert eine deuteronomistische Herkunft auf Grund der Erwähnung nicht-jahwistischer Kultbräuche. Deuteronomistische Sprache ist in Am 4,4-5; 5,21 f. aber nicht zu erkennen. P E T E R W E I M A R , Der Schluß des Amos-Buches. Ein Beitrag zur Redaktionsgeschichte des Amos-Buches: BN 16 (1981), 60-100, hier 97f. rekonstruiert an Hand von Am 9,8a.9*-10 eine judäische Redaktion, die durch die Einfügung von Mahnworten in das Amosbuch die unbedingte Gerichtsbotschaft fur Israel in eine bedingte Gerichtsbotschaft für Juda umwandelt; 4,4-5 sei ein solches Mahnwort. Eine Verbindung zwischen 9 . 8 a . 9 M 0 (vgl. S. 84-88) und 4,4-5 vermag ich nicht zu erkennen, außerdem ist 4,4-5 kein Mahnwort. Zu G. F L E I S C H E R , Menschenverkäufer vgl. D.U. R O T T Z O L L , Studien, 186f. R.G. K R A T Z , Worte, 72 hält Am 4,4-5 auf Grund des kompositioneilen Zusammenhangs mit 4,6-13 und des kultkritischen Potentials für redaktionell. Das Verhältnis von Am 4,4-5 und 4,6-13 ist aber eher umgekehrt.

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der Orte, an dem Israels Weg in eine (ungenannte) Katastrophe theologisch sinnfällig wird. Die Konsequenz findet sich in Am 5,4-6. 1.1.2 Am 5,4-6 Am 5,1-17 bildet die Mitte des Amosbuches und wird formal und inhaltlich durch die Antithese von Tod und Leben für Israel bestimmt. Diese Zentralposition ist dem Kapitel vom Beginn der Buchkomposition an inhärent, wobei im Verlauf der Fortschreibung des Amosbuches die Schwerpunkte der Argumentation immer neu bestimmt worden sind. Im jetzigen Text bildet die Doxologie JHWHs den Mittelpunkt einer in etwa konzentrischen Komposition 15 . In dieser Komposition liegt jedoch thematisch ein linearer Argumentationsfortschritt, der den Zusammenhang zwischen Schuld und Tod aufbricht 16 . Im Verlauf dieser Argumentation wird in Vv. 4-6 Bet-El auf die Seite des Todes gebracht. Am 5,1-17* (1) Hört dieses Wort, das ich über euch anstimme - eine Leichenklage, Haus Israel: (2) Gefallen ist, steht nicht mehr auf, das Mädchen Israel. Es liegt hingestreckt auf seiner Erde, keiner hilft ihm auf. (3) Denn so hat (der Herr) JHWH gesprochen: Die Stadt, die auszieht mit Tausend, wird übrig behalten Hundert, und die auszieht mit Hundert, wird übrig behalten Zehn 1 7 . (4) (Denn 1 8 ) so hat JHWH gesprochen zum Haus Israel: Sucht mich und lebt! (5) und sucht nicht Bet-El, und geht nicht nach Gilgal (...) 1 9 , denn Gilgal wird wahrlich fortgehen, und Bet-El wird zunichte werden.

15 Forschungsgeschichte bei D. U. ROTTZOLL, Studien, 215-219; vgl. auch J. JEREMIAS, Tod und Leben in Am 5,1-17, in: DERS., Hosea und Arnos. Studien zu den Anfängen des Dodekapropheton, Tübingen 1996 (FAT 13), 214-230, hier 214-218. Die konzentrische Struktur von Am 5,1-17 ist jedoch insofern problematisch, als sie teils durch Formelemente (Leichenklage, Aufforderung zum Suchen), teils inhaltlich (Recht, Rest) bestimmt wird (vgl. vor allem bei D.U. ROTTZOLL, Studien, 217). Die Entsprechungen der einzelnen Teile sind nicht immer ganz exakt: Das von D.U. ROTTZOLL, Studien, 217f.; A. SCHART, Entstehung, 74f. benannte Thema des Restes erscheint explizit nur in V. 15, auf den sich V. 3 nicht ganz eindeutig beziehen lässt. Vv.7.10-13 entsprechen sich nicht durch das Thema „Recht im Tor", sondern nur durch „Recht", das Tor ist erst in V. 15a präsent; zwischen Vv. 7.10-13 besteht ein kompositorisches Ungleichgewicht. Überdies verdeckt die Suche nach kompositorischen Entsprechungen den sachlichen und formalen Zusammenhang zwischen Vv. 1-17 und 18 ff. 16

V g l . J. JEREMIAS, A T D , X X ; A. SCHART, E n t s t e h u n g , 74f.

17

V. 3 steht in mehrfacher Spannung zu V. 2 und ist von der Qinah ursprünglich unabhängig, vgl. D.U. ROTTZOLL, Studien, 227; R.G. KRATZ, Worte, 75f. Tatsächlich will sich V. 3 nicht recht in den Kontext fügen lassen, wird hier aber in der Komposition belassen. Zum abschließenden ^NnitT m? 1 ? vgl. J. JEREMIAS, ATD, 59f. 18 Das 'S lässt sich textgeschichtlich als Wiederholung des Anfangs von V. 3 verständlich machen, anders D.U. ROTTZOLL, Studien, 223f. 19

Zu V. 5 a ß vgl. J. JEREMIAS, A T D , 6 6 f .

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(6) ( . . . ) 2 0

(7) Die umkehren 21 zu Wermut das Recht und die Gerechtigkeit - zu Boden haben sie sie geworfen 22 : (12) Denn ich weiß, wie zahlreich eure Verbrechen sind und wie zahlreich eure Sünden Feinde des Unschuldigen, Bestechliche, und den Elenden, im Tor haben sie ihn zurückgestoßen! (14) Sucht Gutes und nicht Böses, damit ihr lebt, dann wird JHWH 2 3 mit euch sein, wie ihr sagt. (15) Hasst Böses und liebt Gutes und richtet im Tor das Recht auf, vielleicht wird sich JHWH erbarmen eines Restes Josephs. (16) Darum: So hat JHWH gesprochen: Auf allen Plätzen Trauerfeier, und auf allen Straßen rufen sie: Weh! Weh! Und sie rufen den Bauern zum Trauern und zur Trauerfeier die Klagekundigen 24 . (17) Und in allen Weinbergen Trauerfeier! Denn ich durchschreite deine Mitte, hat JHWH gesprochen.

In dieser ersten Fassung von Am 5,1-17*, die später vielfach erweitert und umgestaltet wurde, sind Einzelsprüche und Worte der Gestalter des Ersten Amosbuches zu einer literarischen Komposition ausgestaltet worden. Ihr Ziel ist es, die Katastrophe von 720 zu erklären und zu deuten. Sie nimmt im vorliegenden Text die Gestalt des Todes an. Israel ist tot, und die Überlebenden müssen sich in dieser Lage einrichten. Den Rahmen des Textes bilden die zwei Todestexte 5,1 -2.16-17 25 , die dem Kapitel die Gestalt einer Trauerfeier geben. Beiden liegt wahrscheinlich jeweils ein prophetisches Wort zugrunde. In der Qinah von V. 2 performiert Arnos den Tod des (noch) ungefährdeten Israel. Diese Inszenierung ist die Konsequenz aller kritischen Worte des Propheten. Fortgeführt

20

21

Z u V . 6 v g l . J. JEREMIAS, A T D , 6 7 .

Vor dem unvermittelten Partizip O'psnn wird häufig und ohne Anhalt an der Texttradition ein erstes I n konjiziert (H.W. WOLFF, BK, 269; WILHELM RUDOLPH, Joel Arnos - Obadja - Jona, Gütersloh 1971 (KAT XIII/2), 194f.; I. WILLI-PLEIN, Vorformen, 33 u.a.), V. 7 hinter V. 12 umgestellt (D.U. ROTTZOLL, Studien, 239f.) oder in Vv. 7. 10-12 erhebliche diachrone Scheidungen vorgenommen (J. VERMEYLEN, Prophète, 552554). Einfacher ist die Annahme von J. JEREMIAS, ATD, 67f., nach der die Einfügung des hymnischen Abschnitts in Vv. 8-9 V. 7 von Vv. 10-12 abgetrennt hat. Das Partizip ist dann in Entsprechung zu V. 12b aufzufassen. 22 Vv. 8-9 gehören einer eigenständigen Redaktion des Amosbuches an. V. 10 ist sowohl durch die 3. Person als auch durch inhaltliche Züge (Ausgrenzung des Redlichen statt wirtschaftlicher bzw. sozialer Vergehen, vgl. H.W. WOLFF, BK, 289f.) sowie sprachliche Merkmale ("im Qal Part, überwiegend in den typisierten Klagen der Psalmen vgl. Ps 28,3; 58,4; 63,12; 101,7; 109,20) vom Kontext deutlich unterschieden. Auf derselben Linie liegt V. 13. Vv. 10.13 bilden daher wohl eine weisheitlich akzentuierte Klammer um die Komposition. 23 Das Epitheton niNaa^n^N in Vv. 14-16 ist ein späterer Zusatz. 24 Vgl. BHS. 25 Zur Analyse vgl. M. KÖHLMOOS, Tod, 67-71.

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und begründet wird der Tod Israels dann in Vv. 16-17 mit dem Gotteswort, das die Trauerfeier in und für Israel ankündigt. Dessen Pointe ist, dass JHWH selbst Israel getötet hat, d.h. JHWH hat die durch Israel vergiftete Beziehung mit dem Volk konsequent abgebrochen. In der prophetischen Verkündigung hatte diese Todesimagination noch einen Gegenwartsbezug; erst die Ereignisse von 720 stoßen ihre Neuinterpretation als Voraussage an. Dabei tritt neben die Aktualisierung der unbestimmten Todesansage von V. 2 durch die Thematik des Krieges (V. 3) und des Restes (V. 15b) auch die Frage des Weiterlebens. Israel ist als soziale und politische Größe nicht mehr existent. Unter welchen Voraussetzungen sollen die Überlebenden weiterleben? Dieser Frage sind die Vv. 4-15 gewidmet, die durch rrn, „leben", miteinander verknüpft sind. Ihr Ziel ist die Zusage von V. 14b. Konsequenterweise - vor allem auch im größeren Rahmen von 4,4-5; 5,21-24 - wird JHWHs Mit-Sein mit Israel vom Kult entkoppelt. Entsprechend erscheint in Am 5,4-5.6 wieder das Thema Bet-El. In V. 4 wird Israel aufgefordert, JHWH zu „suchen" (ttrn), um zu „leben" (ITH). Damit wird gleich zu Beginn des Kapitels der Neuanfang, der als „Leben" bestimmt ist, an JHWH selbst gebunden. Dies hält als gemeinsamer Nenner alle unterschiedlichen Möglichkeiten der Rückkehr zu JHWH zusammen. In V. 4b entstammt das Wort v m "OliTR möglicherweise erneut priesterlichem Reden 26 . Doch wird es durch die Fortsetzung in V. 5a dem kultischen Kontext entzogen: tö~n mit Bezug auf JHWH und 2i~n mit dem Ziel eines Heiligtums stehen in Antithese zueinander. D.h. die Möglichkeit der Gottsuche besteht für alle Überlebenden, die sich nicht mehr als Volk und Staat Israel konstituieren können. Aus diesem Grund soll (und kann) Bet-El nicht mehr „gesucht" werden 27 . Die Vorgänge in Bet-El und Gilgal haben ja maßgeblich zu Israels Tod beigetragen. Dieser Gedankengang wird abgeschlossen mit dem wirkungsgeschichtlich bedeutendsten Wort des Arnos zu Bet-El: "px1? r r r r 'rtrrpni n b r nba baban ">3. Während Gilgal entvölkert werden soll 28 und damit materialiter als Kultstätte nicht mehr in Betracht kommen wird, wird sich Bet-Els Qualität verändern und zwar derart, dass JHWH nicht mehr anwesend gedacht wer-

26

J . JEREMIAS, A T D , 6 5 .

27

Am 5,4 ist die einzige alttestamentliche Stelle, an der l i m einen Ortsnamen zum Objekt hat. Aus diesem Grund rekonstruiert OTTO EISSFELDT, Der Gott Bethel, in: DERS., K l e i n e S c h r i f t e n z u m A l t e n T e s t a m e n t I. H G . v o n RUDOLF SEELHEIM u n d FRITZ MAASS,

Tübingen 1962, 206-233, hier 220f. eine Kontroverse um die zwei Gottheiten JHWH und Bethel. Der Duktus der Argumentation in Am 5 gibt diese Möglichkeit jedoch nicht her, vgl. auch H.M. BARSTAD, Polemics, 77. 28 Nur in Am 5,5 und Jer 1,3 wird n^a absolut und mit einer Stadt als Subjekt verwendet. Was auch immer konkret gemeint sein mag, Am 5,5ba will darauf hinaus, dass die Bevölkerung Gilgal verlassen wird, sei es freiwillig, sei es gezwungen.

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93

den kann. Die Chiffre dafür ist px, „Unheil (-smacht)" 29 . Eine konkrete Vorstellung - etwa von Zerstörung oder Eroberung - verbindet sich damit nicht. Vielmehr konnotiert der Satz die Idee einer Kontamination des Ortes, die einen Kult entweder wirkungslos oder unmöglich macht, zumindest aber in einen Gegensatz zum Leben bringt. Die beiden Sprüche über Gilgal und über Bet-El liegen somit in der Fluchtlinie der Toratravestie, die 4,4 damit beginnt, dass der Kult Israels als (Folge von) MÜS bezeichnet wird. Am deutlichsten wird diese Gleichung in der Dramaturgie Bet-Els: Auf UtiS folgt ]1K, eine Beziehung zwischen JHWH und Israel ist nicht mehr möglich. Damit ist ein ontologischer Sachzusammenhang angedeutet, nicht eine Schuld-Strafe-Relation. Mit dieser Ankündigung wird die kultischtheologische Konsequenz der Todverfallenheit Israels auf den Begriff gebracht. Sie konkretisiert sich an und in Bet-El. Damit liegt im Spruch über Bet-El ¡ r r r ^KTPai Am 5,5 der Keim aller späteren Bet-El-Kritik im Arnos- und im Hoseabuch 30 und der Sache nach auch in anderen Texten. Der Prophet unternimmt eine semantische Umkehrung von Vorstellungen der Anwesenheit Gottes an diesem Kultort, allerdings mehr im Sinne einer theologischen Reflexion als personaler Art. Der Bet-El betreffende Teil gewinnt seine Kraft aus dem unerwarteten Gegensatz von und ]'i< zwei Kategorien, die sich eigentlich ausschließen. Ein Gotteshaus kann schlechterdings nicht sein. Ein Profil des Gottes oder Kultes von Bet-El wird daran indes nicht erkennbar 31 . Das konkrete Schicksal sowohl Bet-Els als auch Gilgals bleiben ebenfalls offen. Am 5,5b steht im Horizont einer ungenannten Katastrophe und gewinnt seine Wirkung vor allem aus seiner Formulierung. Als Teilkomposition von Am 5* ist Am 5,4-5 eine Kombination aus Spruchmaterial und Worten der Gestalter. Vv. 4-5a bilden dabei den für die Komposition geschaffenen Rahmen von V. 5b 32 . In einer Nachahmung priesterlichen Redens wird die Katastrophenmeldung für Bet-El und Gilgal, die prinzipiell für sich stehen könnte, zu einer Warnung, die die Alternative „JHWH oder Bet-El" aufmacht. Dem Einzelwort V. 5b ist diese Polarität (noch) nicht inhärent. Erst die Komposition erstellt hier die ursächliche Verknüpfung von Kult und Katastrophe, wobei Bet-Els Nichtigkeits29

Vgl. ROLF KNIERIM, T H A T I , 81-84; K.-H. BERNHARD, ThWAT I, 151-159. Das Wort ist in Hos 4,15; 5,8; 10,5 präsent. 31 Somit liegt im Bet-El-Spruch im strengen Sinne kein Wortspiel oder eine Persiflage des Ortsnamens vor (so z.B. W. RUDOLPH, KAT, 189.191), sondern eher eine Art (poetisch geformter) Aphorismus. Mit dieser Einschränkung lässt sich sagen, dass die Wiedergabe von JULIUS WELLHAUSEN, Die kleinen Propheten, Berlin 3 1898, 81: „und Bethel wird des Teufels werden" nach wie vor kongenial ist. Zur Theologie von Bet-El in 30

A m 5 v g l . K . KOENEN, B e t h e l , 1 8 3 f . 32

J . VERMEYLEN, P r o p h è t e , 5 5 1 ; P . WEIMAR, S c h l u ß , 9 6 ; G . FLEISCHER, M e n s c h e n -

v e r k ä u f e r , 1 0 1 - 1 0 4 ; R . G . KRATZ, W o r t e , 7 2 .

94

„Denn Bet-El wird zunichte werden "

Charakter durch die Abwesenheit JHWHs bedingt ist. Das ist ein Reflex des Untergangs und ein Versuch seiner theologischen Bewältigung auf Grund des prägnanten, aber material unkonkreten Einzelspruchs 33 . Am 5, 1-5 bieten somit einen ersten abgeschlossenen Argumentationszusammenhang, der Gegenwart und Zukunft Israels unter dem Stichwort „Tod und Leben" darstellt. Der zweite Gang umfasst Vv. 7-15* und entfaltet dieselbe Thematik unter dem Gesichtspunkt des Verhaltens. V. 7 bringt Israels Schuld auf den Begriff der Verkehrung von Recht und Gerechtigkeit 34 . V. 12a zieht daraus die Summe: JHWH weiß um die Menge der Verbrechen (CPiTi'E). So wird noch einmal klar, worauf die Dramaturgie von Toratravestie (4,4-5), Qinah (5,2) und Unheilsansage an Bet-El (5,5) hinauswollen, nämlich das Aufbrechen des konkreten Verbrechenszusammenhangs, der im Kult seine sinnfällige Gestalt gewinnt. Entsprechend folgen die Mahnungen, Gutes zu suchen und zu lieben, um JHWHs Beistand zu erfahren. Hier wird - vermutlich durch die Gestalter des Ersten Amosbuches - eine Größe gesucht, die geeignet ist, den Gegenbegriff zu DttiS zu bilden, und auf die Rechttun folgt wie auf SJ'iia. Nur so können Recht und Gerechtigkeit (wieder) Raum gewinnen (vgl. 5,24), und dem „Rest Josephs" kann eine Hoffnungsperspektive eröffnet werden 35 . Das alte Israel ist indes unwiderruflich tot. JHWHs tödliche Gegenwart hat es endgültig getroffen (5,16-17) 36 . 1.1.3 Zwischen Tod und Leben:

Zusammenfassung

Das Erste Amosbuch verbindet eine Reihe einzelner Worte zu einer geschlossenen, theologisch reflektierten Komposition. Die Worte, die mutmaßlich der Komposition vorausliegen, weisen sich durch ihre prägnante Formulierung, ihre situative Offenheit sowie ihre performative Dimension aus 37 . Das spricht dafür, dass diese Worte tatsächlich mündlichen Ursprungs sind und in einer wie immer gearteten Verkündigungssituation 33

Es ist hingegen nicht erkennbar, dass Am 5,4-5 im Horizont der Zentralisationsforderung stünde, wie R.G. KRATZ, Worte 72 nahelegt. Die Perspektive, dass JHWH anderswo eine legitime Heimat hätte, scheint hier wie auch in 4,4-5; 5,21 f. nicht auf. 34 Vgl. J. JEREMIAS, ATD, 67-73. Am 5,7 hat seine Nachwirkungen in Hos 10,4. 35 Vgl. ausführlich J. JEREMIAS, Tod, 224-230. Dabei ist auffällig, dass V. 14b zusagt o r n a « "ltiK? ODnN nirr P " , n , 1 . Eventuell liegt hier ein Bezug auf Gen 28,15 vor. Doch würde man dann eher einen Bezug auf Jakob als auf Joseph erwarten. 36

37

V g l . d a z u M . KÖHLMOOS, T o d , 71 f.

Das gilt nicht nur für die Toratravestie und die Qinah, sondern darüber hinaus auch für die Weherufe (5,18-20, evtl. 6,1-7, vgl. dazu J. JEREMIAS, ATD, 83f.) und die rhetorischen Fragen (3,3-6; 6,12-13). Inwieweit die Botenformel zum prophetischen Auftritt gehört, kann hier nicht erörtert werden, vgl. dazu ANDREAS WAGNER, Prophetie als Theologie. Die so spricht JaAwe-Formeln und das Grundverständnis alttestamentlicher Prophetie, Göttingen 2004 (FRLANT 207), 287-294.

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öffentlich geäußert wurden. Diese Situation ist nicht mehr rekonstruierbar. Zwar lassen sich in der Komposition des Ersten Amosbuches die zugrunde liegenden Einzelsprüche noch mit einiger Wahrscheinlichkeit isolieren, doch die Stimme des Propheten ist dabei schon entscheidend durch ihre erste Interpretation gefiltert, so dass die Rückfrage nach dem historischen Arnos einigermaßen problematisch ist. Erkennbar ist, dass die Gestalter des Ersten Amosbuches (mündliche) Zeitansagen aufgegriffen haben, die Israel am Rande der Katastrophe darstellten. Die Katastrophe selbst ist dabei nicht immer klar erkennbar, wohl aber ihre Dimension als „Ende" oder „Tod" Israels in seiner Beziehung zu JHWH. Dass hiermit bereits die Vorwehen der Ereignis von 720 angesprochen sind, ist wahrscheinlich. Gleichwohl handelt es sich hier nicht um Vorhersage, sondern um Katastrophenmeldung 38 . Angesichts der formalen und inhaltlichen Unterschiede mancher Einzelworte 39 lässt sich sogar fragen, ob wirklich alle auf dieselbe Quelle zurückgehen, oder ob nicht im Verlauf der Überlieferung auch anonyme Worte dem Propheten Arnos zugewachsen sind 40 . Gleichwohl hat Arnos bei seinen Zeitgenossen offenbar einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen. Die Überschrift Am 1,1 (OiOIJ 1- )--t) ist unter den Prophetenbuchüberschriften singulär und bezeugt die Hochschätzung dieser Worte als Zeitansage, ohne dass sie als Gotteswort hätten legitimiert werden müssen 41 . Tatsächlich sind die rekonstruierbaren Einzelworte sowohl als Anklage (vgl. etwa Am 5,7) als auch als Ankündigung (Am 5,2) von nicht zu überbietender Prägnanz. Dem Propheten war es offensichtlich darum zu tun, die inhärente religiöse Gefahr einzufangen, in die sich Israel durch wirtschaftliches und soziales Verhalten brachte: Ausbeutung der wirtschaftlich Schwachen, Rechtsbruch und unverantwortliches Luxusleben sind U'iiS, „Verbrechen" und ziehen unweigerlich den Tod nach sich. Da diese Haltung ganz Israel vergiftet (Am 5,7), ist auch ganz Israel dem Tod geweiht.

38 Vgl. R.G. KRATZ, Worte, 84f.; DERS., Die Propheten Israels, München 2003, 56f. Ähnlich auch CHRISTOPH LEVIN, Arnos und Jerobeam I., in: DERS., Fortschreibungen. Gesammelte Studien zum Alten Testament, Berlin/New York 2003 (BZAW 316), 256264, hier 262-264. Levin setzt die Einzelsprüche des Amosbuches gleichzeitig mit Hosea an. Hosea scheint aber bereits einen Schritt weiter. Nach D.U. ROTTZOLL, Studien, 285 ist das in Am 1,1 erwähnte Erdbeben der Bezugspunkt sowohl der Einzelsprüche als auch der Komposition des Ersten Amosbuches („Ur-Amosbuch"). Die literarischen Lösungen Rottzolls sind jedoch gelegentlich gezwungen. 39 3,12; 5,2.3.19. 40 Gerade bei Am 5,5b lässt sich erwägen, dass es sich möglicherweise um ein „geflügeltes Wort" handelt. Es könnte sogar die Abzielung der Toratravestie auf Bet-El und Gilgal veranlasst haben. 41 Dies wird in die Buchdramaturgie verlegt, vgl. A. WAGNER, Prophetie, 292.

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Im Zuge der Komposition, Redaktion und Fortschreibung ist der Prophet weitgehend hinter seinem Buch verschwunden. Trotzdem lassen sich Themen der Verkündigung des Propheten erkennen, die für seine Rezeption von erheblicher Bedeutung geworden sind, und zu ihnen gehört das Profil Bet-Els. Arnos verkündigt radikal, unmissverständlich und unumkehrbar das Ende Israels, das im Grunde bereits vollzogen ist 42 . Dieses Ende ist konkret als Tod Israels und damit als Ende der Beziehung zwischen Israel und seinem Gott JHWH zu erfassen; Am 5,2.16-17; 8,2 bringen dies zum Ausdruck. Es ist dabei JHWH selbst, der das Ende, d.h. Israels Tod hinaufführt in der trotz allem unaufgebbaren Beziehung zwischen Israel und JHWH scheint die theologische Norm des Arnos zu liegen. Israel aber ist es, das seinen Tod zu verantworten hat. Israel verkehrt das Recht zu „Wermut", macht es also ungenießbar und stampft die Gerechtigkeit in den Boden. Daraus folgt ein in toto als Verbrechen (JJffla) bezeichnetes Handeln, das jede kultische Kontaktaufnahme unmöglich macht. Bet-El ist hier und das heißt zunächst nirgendwo - kann JHWH sich noch finden lassen. Aus diesem Grund bilden die Bet-El-Worte Am 4,4-5; 5,4-5.21-24 die Mitte des Ersten Amosbuches. Neben Gilgal erscheint Bet-El als privilegierter Ort der Beziehung zwischen JHWH und Israel und somit als Garant und Indikator der Integrität dieser Beziehung. Zwischen Kult und Alltag besteht für Arnos offensichtlich eine enge Beziehung. Ist letzterer gestört, kann auch ersterer nicht funktionieren und umgekehrt. Hier wird sichtbar, dass JHWH selbst vom Verbrechen Israels tangiert ist und zwar jenseits theologischer Normen: Ein unter den Vorzeichen des Uttis begangener Kult bringt diesen selbst in die Unheilsdimension. Deswegen ist Israels UttiQ letztlich die Ursache dafür, dass Bet-El zu wird und JHWH jenseits des Kultes gesucht werden muss. Dieses Profil ergibt sich indes erst aus der Komposition des Ersten Amosbuches. Die Notwendigkeit der JHWH-Suche wird dabei erst reflektiert und in geworden war, konkrete Forderungen umgesetzt, als Bet-El wirklich zu nämlich nach dem Untergang des Königreiches Israel. Erst hier wurde offensichtlich, wie Recht der Prophet mit seiner Todesansage gehabt hatte; doch erst jetzt wird aus dem Tod Israels das Gericht und der Prophet zum Unheilspropheten. Das Erste Amosbuch hat dieser Situation Rechnung getragen in der Komposition des Buches, die die „Logik der Todesbot-

42

Vgl. zum Folgenden auch: RUDOLF SMEND, Das Nein des Arnos, in: DERS., Die Mitte des Alten Testaments. Gesammelte Studien I, München 1986 (BEvTh 99), 85-103; J. JEREMIAS, ATD, XVII; HANS-PETER MÜLLER, Ein Paradigma zur Theorie der alttestamentlichen Wissenschaft. Arnos, seine Epigonen und Interpreten: NZSyTh 33 (1991), 112-138, hier 112-114.

Bet-El im Amosbuch

97

schaft" 4 3 darstellt und entfaltet. Im Gesamtaufriss des Ersten Amosbuches läuft die detaillierte Schilderung von Israels Verfehlungen und die damit verbundene Gerichtsankündigung (Kap. 1-4*) auf die komprimierte Todesbotschaft (Kap. 5) zu, so wie diese die Folgen des visionär geschauten Gotteshandelns (Kap. 7-9*) vorwegnimmt. Dabei ist die Verkündigung des Arnos durch seine Tradenten erweitert und fortgeschrieben worden, auch im Hinblick auf Bet-El. Diese Fortschreibungen sind gesondert zu untersuchen. Vorher ist zu fragen, ob sich den Bet-El-Worten des Ersten Amosbuches Hinweise auf die historische Stunde entnehmen lassen. 1.2

Historische

Rückfrage

Nach den Angaben Am 1,1 ist der Prophet, auf dessen Worte das Buch zurückgeht, in der Regierung Jerobeams II. von Israel (787-747) und Usija/Asarjas von Juda (787-736) in Erscheinung getreten. Die auffallend präzise Zeitangabe 'liiHn „zwei Jahre vor dem Erdbeben" engt zwar diese Zeit auf eine kurze Wirkungszeit des Propheten ein und ist wahrscheinlich ältester Bestandteil der Überschrift des Amosbuches, ermöglicht aber keine präzisere Datierung 44 . Das gleiche gilt auch für den Synchronismus Jerobeam Il./Usija, der sich deuteronomistischer Redaktionsarbeit verdankt 45 . Dieser Redaktion ist es offensichtlich darum zu tun, Arnos vor Hosea einzuordnen 46 , doch ein exaktes Datum der Einzelworte des Amosbuches ist daraus nicht zu gewinnen. Am 7,10-17 fallt für die historische Rekonstruktion aus. Die Verweise der Einzelworte auf ihre zeitgeschichtliche Situation sind eher vage. Zusammengenommen ergeben sie drei wesentliche Aspekte, die zur Datierung Anhalt geben, nämlich erstens ein wirtschaftlicher Aufschwung, von dem zumeist und hauptsächlich die städtische Bevölkerung und die Hauptstadt profitierten 47 , zweitens der Rückblick auf militärische Erfolge und Gebietsgewinne, auf die Am 6,13f. anspielt 48 und drittens das Bewusstsein einer diffusen, aber tödlichen Bedrohung für Israel, die in der Todesmetaphorik Gestalt gewinnt 49 . Falls Am 6,14 verlässlich ist 50 , spiegelt sich in diesem Aspekt der wachsende assyrische Druck etwa seit Be43

44

J. JEREMIAS, A T D 2 4 , 2 , X I X f .

Vgl. JÖRG JEREMIAS, „Zwei Jahre vor dem Erdbeben", in: DERS., Hosea und Arnos. Studien zu den Anfängen des Dodekapropheton, Tübingen 1996 (FAT 13), 183-197. 45 Vgl. ausfuhrlich A. SCHART, Entstehung, 39-46. 46 Hos 1,1 nennt nur Jerobeam als König von Israel, lässt die auf ihn folgenden Könige jedoch aus, obwohl Hosea die letzten Jahre des Königreiches Israel offensichtlich erlebt hat, vgl. JÖRG JEREMIAS, Der Prophet Hosea. Göttingen 1983 (ATD 24/1), 23. 47 Am 4,1-3; 6,1-6. 48 Vgl. R.G. KRATZ, Worte, 80f.94f. 49 Vgl. Am 3,12.15; 5,2.3.16-17.19; 6,13-14; 8,2. 50 Vgl. R.G. KRATZ, Worte, 84f.; Anders C. LEVIN, Arnos, 262f.

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ginn der 30er Jahre des 8. Jhs. 51 Allerdings fehlt den Sprüchen das Bild der politischen und militärischen Wirren seit Mitte der 30er Jahre, wie es das Hoseabuch prägt 52 . Wahrscheinlich sind die Einzelworte des Amosbuches damit etwa um 740 anzusetzen. Die wirtschaftliche Prosperität ebenso wie die Gebietsgewinne des Königreiches Israel, die die prophetischen Worte durchscheinen lassen, verdanken sich in historischer Perspektive der assyrischen Westexpansion, von der Israel einige Zeit profitieren konnte, bis Assur Israel als autonomes Königreich dann doch liquidierte. Die assyrische Politik befreite Israel zu Beginn des 8. Jhs. zunächst von der Dominanz der Aramäer von Damaskus. Die Geschichtsschreibung in 2Kön 13-14 schreibt Jerobeam II. dabei den größeren Anteil an Israels territorialer Behauptung zu. Aufgrund der problematischen Quellenlage für die Zeit Adad-Niraris III. und seiner Nachfolger Salmanassar IV. (781-772), Assur-Dan III. (771-754) und Assur-Nirari V. (753-745) können die Ereignisse nicht vollständig rekonstruiert werden 5 3 . Anscheinend setzte die Befreiung Israels von den Aramäern schon unter Joas ein: Seit 805, spätestens seit 796, stand Aram-Damaskus unter der Kontrolle Adad-Niraris III. 5 4 Mit diesen Verhältnissen rechnen 2Kön 13.5.25 5 5 . Somit übernahm Jerobeam II. von seinem Vater bereits stabile außenpolitische Verhältnisse und die Möglichkeit, das Territorium noch weiter auszudehnen. Die Unterwerfung Hatarikkas - verbunden mit einer weiteren Aktion gegen Damaskus - durch Salmanassar IV. (773) machte für Jerobeam den Weg nach Hamat frei 5 6 , Israel vergrößerte sein Territorium nach Nordosten 5 7 .

51 Zur Westexpansion Tiglat-Pilesers III. vgl. ROLAND LAMPRICHS, Die Westexpansion des neuassyrischen Reiches. Eine Strukturanalyse, Kevelaer/Neukirchen-Vluyn 1995 ( A O A T 2 3 9 ) , 112-129. 52 Der sogenannte syrisch-ephraimitische Krieg ist aus den Einzelworten des Amosbuches m.E. nicht hinreichend erkennbar (so aber C. LEVIN, Arnos, 263f., der in Arnos außerdem einen Judäer sieht, der sich gegen Israel wendet). 53 Überblick bei R. LAMPRICHS, Westexpansion, 98-111. 54 Er ist der Israels von 2Kön 13,5, vgl. MENAHEM HARAN, The Rise and Decline of the Empire of Jeroboam ben Joash: VT 17 (1967), 266-297, hier 269f.; MANFRED WEIPPERT, Die Feldzüge Adadniraris III. nach Syrien. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen: ZDPV 108 (1992) 42-67, hier 59. Die Datierung der Westfeldzüge Adad-Niraris III. ist indes umstritten. Üblicherweise werden an Hand der Eponymenchronik fünf solcher Feldzüge rekonstruiert (805, 804, 803, 802, 796. Überblick bei GOTTHARD G.G. REINHOLD, Die Beziehungen Altisraels zu den aramäischen Staaten in der israelitischjudäischen Königszeit, Frankfort/Main u.a. 1989 (EHS 368), 182-193). M. WEIPPERT, Feldzüge, 46-53 reduziert die Feldzüge auf drei (805, 802, 796). 55 In ihnen wird die Tributpflichtigkeit Joas' gegenüber Adad-Nirari nicht erwähnt, vgl. COS II, 2.114F (Teil el-Rimah-Stele). 56 Ob die Inschrift des Zakkur von Hamat (vgl. COS II 2.35) erst in diesen Zusammenhang gehört (so G.G.G. REINHOLD, Beziehungen, 188f.) oder noch zu den Feldzügen Adad-Niraris zu zählen ist, kann hier offen bleiben. R. LAMPRICHS, Westexpansion, 101 f. rechnet mit 805; M. WEIPPERT, Feldzüge, 57f. erst mit 796.

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Aus den Quellen geht demnach nicht ganz klar hervor, ob schon Joas oder erst Jerobeam II. die nördlichen und östlichen Gebietserweiterungen vornehmen konnte. Wahrscheinlich vollzogen sie sich in mehreren Schüben. Ob sich diese Rückgewinne als kriegerische Eroberungen oder in friedlicher Form ausgestaltet haben, muss ebenso offen bleiben wie die Frage, wie weit Israel in aramäisches Gebiet vorgedrungen ist 58 . 2Kön 14,25 bezeichnet die südliche Ausdehnung der Gebietsgewinne Israels mit dem Begriff n i n i ? n C^ IS), „bis zum Steppenmeer", d.h. bis zum Toten Meer. Gemeint ist der südliche Jordangraben am Nordrand des Toten Meeres mit der Gegend von Jericho 59 . Wie weit östlich des Jordan diese Ausdehnung reichte, geht aus der sehr allgemeinen Angabe nicht hervor. Zieht man die Angaben aus Am 6,13 hinzu, konnte Jerobeam II. Zugriff auf einen Abschnitt der Königsstraße und/oder ihrer westlichen Parallele zwischen Rabbat-Ammon und Astarot-Karnaim gewinnen 60 .

Mit dieser Ausdehnung gewann Israel nicht nur politischen Handlungsspielraum. Darüber hinaus fiel dem Königreich ein großer Teil des Handelsweges zwischen Damaskus und Südarabien zu, und demzufolge vergrößerte sich das wirtschaftliche Spektrum erheblich. Die Gebietszuwächse haben wichtige Handelswege nach Syrien, in den ostjordanischen Raum und an die Küste gesichert bzw. für Israel erst wirklich erschlossen. Die gehandelten Güter Israels sind dabei einheimische Rohstoffe wie Holz, Getreide, Wein und Ol; doch gerade der Südosten Israels bildet auch einen Knotenpunkt für den Transithandel, d.h. profitiert von den neu erschlossenen Verkehrswegen. In diesem Zusammenhang gewinnt Bet-El - unabhängig von seiner Bedeutung als Kultort - eine (neue) Bedeutung für Israel und auch als Stadt. Bet-El bildet einen Verkehrsknotenpunkt in Zentralpalästina, über den sowohl der Nord-Süd als auch der Ost-West-Transit geradezu notwendig verlaufen musste 61 . Zwar lässt sich archäologisch nicht nachweisen, dass dieser Sachverhalt auch zu zunehmendem Wohlstand Bet-Els führte, doch eine wichtige Rolle im neuen „Großreich" Israel spielte Bet-El allemal. 57 nnn Nia1?!? weist entweder in die Gegend des Libanon oder in die Biqä'. Unabhängig von der Frage, ob nnn K I ^ E als Landschaftsbezeichnung oder als Ortsname aufzufassen ist, werden unterschiedliche Lokalisierungen erwogen: Der Nordausgang der

B i q ä ' b e i M . HARAN, R i s e , 2 8 3 f . ; H . DONNER, G I s r , 2 8 3 ; YOHANAN AHARONI, D a s L a n d

der Bibel. Eine historische Geographie, Neukirchen-Vluyn 1984, 72-74 u.ö. gegen MARTIN NOTH, Das Reich von Hamath als Grenznachbar Israels, in: DERS., Aufsätze zur biblischen Landes- und Altertumskunde. Bd. 2: Beiträge altorientalischer Texte zur Ges c h i c h t e I s r a e l s . H G . v o n HANS WALTER WOLFF, N e u k i r c h e n - V l u y n 1 9 7 1 , 1 4 8 - 1 6 0 , 1 5 9 ,

der eine südlichere Lokalisierung vorschlägt. Da 2Kön 14,25 ausdrücklich die Restitution eines von Israel beanspruchten Gebiets festhält (a'Bin Km), ist die Zuweisung zum Gebiet der Jordanquellen bzw. des Libanon insgesamt wahrscheinlicher. 58 M. HARAN, Rise, 284-289 rechnet mit einer Ausdehnung bis in die Gegend von Aleppo. Vorsichtiger argumentieren H. DONNER, GIsr, 282; M. WE1PPERT, Feldzüge, 59. 59 Vgl. Dtn 4,49; Jos 3,16; 2Kön 25,4f. 60

V g l . Y . AHARONI, L a n d , 5 5 f . K r i t i s c h C . LEVIN, A r n o s , 2 6 3 .

61

S. Kapitel 1 dieser Arbeit.

100

„Denn Bet-El wird zunichte werden "

Das gleiche gilt für Gilgal, dessen gleichberechtigte Nennung neben Bet-El in den einschlägigen Amosworten kaum anders zu erklären ist als unter den hier skizzierten Gesichtspunkten 62 . Die wirtschaftliche Lage Israels im 8. Jh. führte zu sozialen Verschiebungen. Unter den Bedingungen politischer Stabilität wuchs die Bevölkerung 63 . Dies hatte unter den geographischen Voraussetzungen Israels langfristig Versorgungsengpässe bei Grundnahrungsmitteln zur Folge, die durch ein problematisches Erbrecht noch verschärft worden sein mögen. Ein verstärkter Handel mit Nahrungsmitteln entzog diese dem einheimischen Konsum bzw. die Volkswirtschaft ging von der subsistenten Produktion zur Uberschusswirtschaft über, ohne diesen Uberschuss auch wirklich liefern zu können. Vor diesem Hintergrund ist die soziale Schiefläge Israels zu lesen, die Arnos konsequent anklagt 64 . Möglicherweise haben das Königshaus und sein unmittelbares Umfeld direkt an den neuen Wirtschaftswegen partizipiert; aus dem Amosbuch geht dies jedoch nicht klar hervor. Denkbar ist, dass Jerobeam seine Autonomie bereits mit Lieferungen an Assyrien bezahlen musste. Dass der Frieden und Wohlstand Israels u.a. durch Billigung oder sogar Förderung der Assyrer zustande gekommen waren, ist nicht im Fokus der prophetischen Verkündigung 65 . Arnos spricht seine Worte also vor dem Hintergrund eines einerseits prosperierenden, andererseits aber bereits gefahrlich instabilen Israel. BetEl ist ihm dabei nur als Kultort im Blick, d.h. dem Amosbuch sind keine klaren Hinweise auf die Geschichte der Stadt Bet-El im frühen 8. Jh. zu entnehmen. Bet-Els Rolle für Israels Volkswirtschaft und damit für die Einzelworte des Amosbuches lässt sich jedoch durchaus erschließen. Es ist sicher nicht zufallig, dass die Orte, die am stärksten von der neuen Prosperität Israels profitierten, auch zur Zielscheibe der theologischen Kritik an eben dieser Prosperität und ihrer Folgen werden. Im Vordergrund von Am 4; 5 steht jedoch allein der Kultbetrieb. Es lässt sich Am 4; 5 nicht entnehmen, dass Bet-El ausschließlich den Charakter eines „Reichs"-, Staats- oder königlichen Heiligtums gehabt hätte. Dabei ist es kaum von 62 Über Gilgal ist wenig bekannt. Selbst die Lokalisierung ist bis heute nicht sicher, wahrscheinlich liegt der Ort bei den Jordanfurten in der Gegend von Jericho (Vgl. grundsätzlich KURT GALLING, Bethel und Gilgal: ZDPV 66 (1943), 140-155, hier 144f.; DERS., Bethel und Gilgal: ZDPV 67 (1944), 21-43, hier 21-25. KLAUS-DIETRICH SCHUNCK, Benjamin, Untersuchungen zur Entstehung und Geschichte eines israelitischen Stammes, Berlin 1963 (BZAW 86), 39-44. Neuerer Lokalisierungsvorschlag bei MANFRED GÖRG, Art. Gilgal: NBL I (1991), 844f.) In diesem Fall gehört es in das südöstliche Hinterland des Reiches Jerobeams II. und könnte von daher neue Bedeutung gewonnen haben (Vgl. auch H.M. NIEMANN, Herrschaft, 188f.). 63 Vgl. zum Folgenden G. FLEISCHER, Menschenverkäufer, 371-383. 64 Zum weiteren Hintergrund vgl. G. FLEISCHER, Menschenverkäufer, 355-370. 65

Z u A m 4 , 3 v g l . D . U . ROTTZOLL, S t u d i e n , 1 4 3 - 1 4 6 ; J . JEREMIAS, A T D , 4 5 f .

Bet-El im Amosbuch

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Belang, dass Arnos das Stierbild nicht erwähnt. Bedeutsamer ist schon, dass Bet-El in Am 4,4-5; 5,4-5 in Parallele zu Gilgal steht, das kaum den Rang eines Staatsheiligtums innehatte. Der kultische Betrieb scheint in beiden Orten vergleichbar gewesen zu sein. Auf der literarischen Ebene verdankt sich die Auswahl der beiden Orte ohnehin ihrer Abzielung auf das Unheilswort Am 5,5, so dass prinzipiell offen bleibt, welche Rolle BetEl und Gilgal im Königreich Israel gespielt haben mögen. Die kultischen Vorgänge von Am 4,4-5; 5,21-22 zeigen wenig staatskultisches Gepräge, sie weisen insgesamt eher auf ein Jahresfest einer bäuerlichen Gemeinschaft, wie es schon lSam 1-2; 9 zugrunde liegt. Noch lKön 12 zeigt, dass der Schlachtopfervollzug die primäre Motivation für einen Besuch des Heiligtums darstellte. Am 4; 5 haben unidentifizierte Feste im Blick. Mit der Einnahme der priesterlichen Rolle zeigt Arnos die theologische Perspektive des Vorgangs auf, die - von JHWH verweigerte - Kontaktaufnahme mit Gott. Insofern darf man hier von einem Reflex Bet-Eler Theologie sprechen, die jedoch über das für jeden Kult Charakteristische nicht hinaus geht. Als einziger historisch verwertbarer Hinweis kann der Bezug auf die Zehntabgaben (nVlfoya) in Am 4,4 gelten. Bei ihm handelt es sich um die israelitische Form der Abgabe an Priester und Heiligtum, d.h. um eine sozusagen „indirekte" Gabe an JHWH. War in Juda der Erstertrag die Grundlage priesterlicher Einkünfte (vgl. Dtn 18,1-8), so in Israel anscheinend der Zehnte, den außer Am 4,4 auch Gen 28,22 mit Bet-El in Verbindung bringt. Eine Verbindung des Bet-Eler Zehnten mit einem königlich reglementierten Abgabensystem geht jedoch aus Am 4,4 in keiner Weise hervor. Vielmehr weist Gen 28,22 daraufhin, dass die Zehntpraxis in Bet-El dem königlichen Zugriff auf das Heiligtum gerade vorausliegt®®. Dass vom Zehnten nur ein Teil für den priesterlichen Unterhalt verwendet und ein weiterer Teil von den Kultteilnehmern verzehrt 67 oder an das Königshaus abgeführt wurde 68 , ist denkbar, lässt sich den Texten aber nicht entnehmen.

Das Bild vom Kultort Bet-El, das sich bei Arnos abzeichnet, ist allein auf den priesterlich vermittelten Kontakt zwischen JHWH und den Kultteilnehmern zugespitzt. Der Prophet geht so weit, den Vorgängen in Bet-El 66

Die Zuordnung des Zehnten zum königlichen Abgabensystem bei FRANK CRÜSE-

MANN, D e r Zehnte in der israelitischen Königszeit: W u D

18 (1985), 21-47; UDO

RÜTERSWÖRDEN, Von der politischen Gemeinschaft zur Gemeinde. Studien zu Dt 16,1818,22, Bonn 1987 (BBB 65), 129-131; K. KOENEN, Bethel, 45 beruht auf dem Postulat, dass Bet-El seit Jerobeam I. ausschließlich ein Staatsheiligtum gewesen sei, sowie auf der Annahme, dass der Zehnte mit dem Königtum eingeführt worden sei. 67 Vgl. etwa OTTO ElSSFELDT, Erstlinge und Zehnten im Alten Testament. Ein Beitrag zur Geschichte des israelitisch-jüdischen Kultus, Leipzig 1917 (BZAW 22), 49; H.W. WOLFF, B K , 2 5 9 . 68

U . RÜTERSWÖRDEN, G e m e i n s c h a f t , 1 2 6 .

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„Denn Bet-El wird zunichte werden "

und Gilgal gewissermaßen „nationale" Bedeutung zu unterstellen, indem sich dort JHWH und die Israeliten begegnen. Inwieweit dies mit konkreter Theologie Bet-Els zusammenhängt, lässt sich schlechterdings nicht sagen. Das Heiligtum von Bet-El dürfte zur Zeit des Arnos eine überregionale Bedeutung gehabt haben. Auch dies legt die Anrede an ganz Israel in der Toratravestie von Am 4,4 nahe. Ob dies der Geltung Bet-Els als Staatsheiligtum zu verdanken ist, geht aus dem Text nicht hervor. Die kultischen Vorgänge von Am 4 - Schlachtopferfeiern, Zehntabgabe und Feste - stehen im Zusammenhang der kultischen Einbettung des Alltagslebens, das in Bet-El vor allem agrarisch geprägt ist. Die „Wallfahrten" nach Bet-El und Gilgal sind schlichte Erntefeste und/oder Schlachtopferfeiern im Jahreszyklus, denen es um den Kontakt mit JHWH als dem Garanten des Ertrags, um Dank und um Festfreude zu tun ist69. Dass das Königshaus ein spezielles Interesse daran gehabt hätte, diesen Kult zu fördern, geht aus Am 4; 5 nicht hervor, ist aber nicht völlig ausgeschlossen. So lässt sich den Sprüchen über Bet-El in Am 4; 5 die Existenz eines Heiligtums in Bet-El entnehmen, das über eine institutionalisierte Priesterschaft verfugte und mindestens eine regionale Bedeutung innehatte. Als Haus Gottes bildet es für Arnos die Schnittstelle zwischen Israel und seinem Gott. Insofern der materielle Ertrag des Volkes - oder zumindest großer Teile davon - durch Verbrechen erwirtschaftet ist, gerät der gesamte Kult in den Sog des Verbrechens und somit des Todes. Es ist an Arnos, dieses Verhältnis aufzudecken und als dessen Konsequenz Bet-Els Unheilscharakter anzusagen. Die Zentrierung Bet-Els auf Israel und JHWH zeigt allerdings einen Zusammenhang Bet-Els mit Israels Nationalreligion an; sie gewinnt im Amosbuch jedoch keine klaren Konturen. Eine wie immer geartete staatskultische Prägung Bet-Els, falls überhaupt vorhanden, vermochte auch im 8. Jh. nicht, Bet-Els regional-agrarischen Charakter aufzuheben oder zu überlagern. Bet-El als „Staatstempel" wird erst für die Bearbeiter des Amosbuches interessant. 1.3

Der inszenierte Prophet: Bet-El in den Redaktionen des Amosbuches

Das Erste Amosbuch entstand als Reaktion auf den Untergang des Königreiches Israel um 720. Danach wurden Worte des Propheten zu einer literarischen Komposition zusammengestellt, die der theologischen Reflexion dient: Israels Verfehlungen waren Schuld, der Untergang ist Gericht. Ein Weiterleben des „Restes Josephs" (5,15) ist möglich, jedoch nur unter dem Bewusstsein der Schuld, im radikalen Verzicht auf alte Handlungsmuster und in der Hoffnung auf JHWHs Treue jenseits des Gerichts (5,14f.). In 69 I. WILLI-PLEIN, Opfer, 130f.; CORINNA KÖRTING, Der Schall des Schofar. Israels Feste im Herbst, Berlin/New York 1999 (BZAW 285), 76-87; DIES., Art. Wallfahrt I. Altes Testament: TRE 35 (2003), 416-418.

Bet-El im Amosbuch

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dieser literarisch-theologischen Reflexion, die im Namen des Propheten geschieht, liegt der Anfang historischer Sinnbildung über Israel unter den Bedingungen der Katastrophe. Hier gewinnt die Bedeutung der historischen Stunde des 8. Jhs. - Aufstieg und Fall Israels - erstmalig literarische Gestalt. Das Erste Amosbuch ist wahrscheinlich sehr bald nach 720 verfasst worden, vermutlich sogar noch auf dem Boden des ehemaligen Nordreichs. Nur so lässt sich erklären, dass es noch keinerlei judäische Perspektive zeigt. Auch dass es sich auf das Schicksal des einstigen „Hauses Israel", des jetzigen „Restes Josephs" konzentriert, spricht für eine Entstehung in Israel. Schließlich ist dem Ersten Amosbuch noch die Perspektive des radikalen Abbruchs inhärent, der die Komposition dominiert 70 und nur sehr zögerlich in Kap. 5 von einer Hoffnungsperspektive konterkariert wird. Neben der genuin theologischen Reflexion der Katastrophe begründet das Erste Amosbuch eine zweite literarisch-theologische Tradition, die in vielfacher Hinsicht Maßstäbe setzt: Sie verknüpft die Botschaft unaufgebbar mit dem Propheten. Dies geschieht nicht nur, indem sie die Rolle des Propheten vom „Katastrophenmelder" zum An- und Verkündiger verschiebt, sondern mehr noch dadurch, dass er zum Verkündiger des Wortes Gottes wird. In diesem Prozess beginnt der Prophet hinter seinem Buch zu verschwinden. Dabei ist die Figur des Propheten nicht unbedingt eine Fiktion, eher schon eine Inszenierung. Gerade im Amosbuch nimmt diese Inszenierung eine unverwechselbare Gestalt an und ist immer wieder mit Bet-El verknüpft. 1.3.1 Bet-El in der Amazjaerzählung

(Am 7,10-17)

Im Ersten Amosbuch ist Bet-El ein privilegierter Kultort. An ihm bündelt sich Israels JJtöS, so dass von dort aus die Vernichtung Israels ihren Ausgang nimmt. Arnos drückt diesen Gedanken aus, indem er sich (sprachlich) als Priester maskiert, um den Kult zu demaskieren. Die Perspektive auf Bet-El ist die eines Kultorts für ganz Israel, insofern eine „nationalreligiöse". Konturen des Heiligtums von Bet-El im Zusammenhang mit Staat und König lassen sich aber noch nicht ausmachen. Das ändert sich mit Am 7,10-17. In der Erzählung von Amazja und Arnos wird Bet-El eindeutig und unmissverständlich als königliches Heiligtum bezeichnet. An dieser Qualität Bet-Els entzündet sich der Konflikt zwischen Priester und Prophet. 70

Mit J. JEREMIAS, ATD, X I X ; A. S C H A R T , Entstehung, 98f. ist davon auszugehen, dass diese Erstkomposition bereits Teile des späteren Völkerspruch- und des Visionszyklus enthielt, beide wohl noch nicht zu Fünferzyklen ausgebaut. Entscheidend ist die Gesamtdramaturgie, die von kb (Am 2,6) zu '»nto 1 1i3jrl?N f p n (Am 8,2) verläuft.

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„Denn Bet-El wird zunichte werden "

Am 7,10-17: (10) Und es sandte Amazja, der Priester Bet-Els, zu Jerobeam, dem König Israels, folgendermaßen: „Verschworen hat sich Arnos gegen dich inmitten des Hauses Israel, das Land vermag nicht zu fassen alle seine Worte. (11) Denn so hat Arnos gesprochen: Durch das Schwert wird Jerobeam sterben, Israel aber wird wahrlich fortgehen aus seinem Land weg." (12) Da sprach Amazja zu Arnos: „Seher, geh, verschwinde 71 ins Land Juda und iss dort Brot und prophezeie dort. (13) Bezüglich Bet-El 72 aber fahre nicht fort zu prophezeien, denn Königsheiligtum ist es und Reichsgebäude ist es!" (14) Arnos antwortete und sprach zu Amazja: „Kein Prophet bin ich, noch Prophetensohn bin ich 73 . Denn Rinderzüchter bin ich und Sykomorenritzer 74 . (15) Und es nahm mich JHWH von hinter dem Kleinvieh weg, und JHWH sprach zu mir: Geh, prophezeie zu meinem Volk Israel! (16) Jetzt aber: Höre das Wort JHWHs, der du sprichst: Prophezeie nicht gegen Israel! (,..) 75 : (17) Darum - so hat JHWH gesprochen: Deine Frau - in der Stadt wird sie zur Hure werden, und deine Söhne und Töchter - durch das Schwert werden sie fallen, und dein Land - durch das Los wird es verteilt werden, und du - in unreinem Land wirst du sterben, und Israel wird wahrlich fortgehen aus seinem Land weg!"

Am 7,10-17 ist ein einheitlicher Text, der mit Ausnahme von V. 16b keinen Anlass zu diachronen Scheidungen bietet 76 . Die Erzählung schließt unvermittelt an die dritte Vision an (7,7-8.9) und schildert in zwei Szenen (Vv. 10f.; Vv. 12-17) einen Konflikt zwischen Amazja und Arnos. Amazja 7I

Vgl. J. GAMBERONI, ThWAT I, 779; BrSynt, 107; W. RUDOLPH, KAT,250.255. Bet-El steht absolut als Objekt zu Kaan1? "lill ^OirrKb, vgl. dazu GK 118 f.;

72

W . RUDOLPH, K A T , 255. ACHIM BEHRENS, Prophetische Visionsschilderungen im Alten

Testament. Sprachliche Eigenarten, Funktion und Geschichte einer Gattung, Münster 2002 (AOAT 292), 90f. schlägt „Was Bethel anlangt" vor. Tatsächlich fügt sich diese Übersetzung besser in den Kontext des Amosbuches, das nirgends behauptet, Arnos sei in Bet-El aufgetreten. Auch LXX hat hier eiç. In diesem Falle müsste in MT jedoch ein b ausgefallen sein, denn K33 Nif. wird nirgends transitiv gebraucht. 73 Der vielfach unternommene Versuch, V. 14b präterital aufzufassen (s. die Literatur bei ARMIN LANGE, Vom prophetischen Wort zur prophetischen Tradition. Studien zu Traditions- und Redaktionsgeschichte innerprophetischer Konflikte in der Hebräischen Bibel, Tübingen 2003 (FAT 34), 59f.) lässt sich nicht halten. Es gibt auch keinen Grund, K^RU «Vi explikativ zu X'ARKB aufzufassen (so zuletzt J. JEREMIAS, ATD, 105). So seit HANS-JOACHIM STOEBE, Der Prophet Arnos und sein bürgerlicher Beruf: WuD 5 (1957), 160-181; vgl. J. JEREMIAS, ATD 109f.; H.W. WOLFF, BK, 353.361f. 75 V. 16b mit dem seltenen ^£¡0 und pniiT ist eine Ergänzung auf Grund von Am 7,9. 76 J. VERMEYLEN, Prophète, 565f. rechnet mit deuteronomistischer Herkunft oder Bearbeitung von 10-15. I. WILLI-PLEIN, Vorformen, 49 streicht V. 17bßy; ERNST WÜRTHWEIN, Amos-Studien, in: DERS., Wort und Existenz. Gesammelte Studien zum Alten Testament, Göttingen 1970, 68-110, hier 80 streicht NIRP—Dl JJOSi nnin in V. 16a. Mit einer komplexen Wachstumsgeschichte rechnet OSWALD LORETZ, Die Entstehung des Amos-Buches im Licht der Prophetien aus Mari, Assur, Ishchali und der ugaritischen Texte. Paradigmenwechsel in der Prophetenforschung: UF 22 (1992), 179-215, hier 191-193.

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Bet-El im Amosbuch

macht zunächst Meldung an Jerobeam über staatsfeindliche Umtriebe des Propheten (~iüp V. 10b). Der Priester belegt seine Anzeige mit einem Amos-Zitat (V. 11), das sich allerdings nicht in den Arnos-Worten finden lässt. In der zweiten Szene stellt Amazja Arnos selbst zur Rede. Er redet den Propheten mit ntn, „Seher", an und weist ihn aus Israel aus (V. 12). Das zeitliche und sachliche Verhältnis zwischen Amazjas Meldung an Jerobeam und der Ausweisung des Arnos bleibt offen - man hat es hier mit einer textlichen Leerstelle zu tun 77 . Amazja ergänzt die Ausweisung des Propheten in V. 13 um ein Auftrittsverbot, das Bet-El betrifft. Der Priester untersagt Arnos prophetische Auftritte in bzw. mit Bezug auf Bet-El mit der B e g r ü n d u n g xin

hd^od rrai «in

-p'rr-pr:

Vv. 14-17 enthalten

die Reaktion des Arnos auf Amazjas Befehle. Sie geht dabei in keiner Weise auf das ein, was der Priester ihm gesagt hat, sondern verschiebt die Thematik 78 . Arnos verweist zunächst darauf, dass er kein institutionalisierter Prophet und kein Mitglied einer Prophetengruppe sei. Vielmehr übt er einen Beruf aus. Die Tendenz dieser beiden Aussagen geht darauf, dass Arnos keinerlei Weisungsinstanz untersteht 79 , weder (als X ^ j ) einem aufsichtführenden Priester (vgl. Jer 20,1; 29,26), noch a l s ^ m r ] ? ) einem Gildenvorsteher, noch jemandem, der seine materielle Existenz bestimmt. Damit bestreitet er Amazja jede Weisungsbefugnis und präsentiert sich in jeder Hinsicht als autonom. In V. 15 stellt Arnos dieser Autonomie den Auftrag JHWHs entgegen, als Prophet aufzutreten. Es folgt in Vv. 16-17 eine Gerichtsansage an Amazja. Hier - und nur hier - entspricht das Wort aus eigenem Mund des Arnos dem, was von ihm gesagt wurde:

77

Vgl. dazu ausführlich, E. WÜRTHWEIN, Amos-Studien, 77-80; W. RUDOLPH, KAT,

2 5 3 - 2 5 5 ; H . W . WOLFF, B K , 3 5 7 f ; J. JEREMIAS, A T D , 1 0 8 f . ; GERHARD PFEIFER, D i e

Ausweisung des lästigen Ausländers Arnos 7,10-17: ZAW 96 (1984), 112-118, hier 113f. Tatsächlich kommt es dem Text hier auf narrative Detaillierung gar nicht an, vgl. CHRISTOF HARDMEIER, Alttestamentliche Exegese und linguistische Erzählforschung. Grundfragen der Erzähltextinterpretation am Beispiel von Arnos 7,10-17: WuD 18 (1985), 49-71, hier 65. 78 Vgl. C. HARDMEIER, Exegese, 68. 79 Der Verweis des Arnos auf seinen Beruf wird häufig so verstanden, dass Arnos seine wirtschaftliche Unabhängigkeit betont, d.h. sich von der Prophetie als Broterwerb a b s e t z t ( s o J. JEREMIAS, 109; W . RUDOLPH, K A T , 2 5 6 ; C . HARDMEIER, E x e g e s e , 6 8 ;

YAIR HOFFMANN, Did Arnos Regard Himself as a Nabi?: VT 27 (1977), 209-212, hier 211; ZLONY ZEVIT, A Misunderstanding at Bethel. Arnos VII 12-17: VT 25 (1975), 183790, hier 784). Die Rinderzucht ist aber ein zusätzliches Gewerbe, das von der einfachen Viehhaltung unterschieden ist, und dasselbe gilt für die Maulbeerfeigenzucht. D.h. im Unterschied zum (Klein-) Bauern, der von Sippe, Dorfgemeinschaft oder Schuldherr abhängig ist, befindet sich Arnos in autonomer Position. Ungeachtet dieser Probleme ist der Verweis in Am 7,14 eine literarische Figur, vgl. dazu HERMANN SCHULT, Am 7 15a und die Legitimation des Außenseiters, in: Probleme biblischer Theologie. Gerhard von R a d z u m 7 0 . G e b u r t s t a g . HG. v o n HANS WALTER WOLFF, M ü n c h e n 1 9 7 1 , 4 6 2 - 4 7 8 .

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„Denn Bet-El wird zunichte werden "

inanx n b r n'^3 S n ü r i (vgl. V. 11). Mit V. 17 ist die Amazjaerzählung im Grunde abgeschlossen. Auf sie folgt die vierte Vision des Arnos (8,1-3). Da es jedoch keinen narrativen Abschluss von 7,10-17 gibt, muss 8,1-3 als intendierte Fortsetzung der Amazjaerzählung gelesen werden. Der narrative Bogen in Am 7,10-17 spannt sich von V. 11, dem falschen Amos-Zitat, zu V. 16, dem tatsächlichen Wort JHWHs, die beide den gleichen Inhalt haben, nämlich die Deportationsankündigung. Der Priester, der in Verkennung (oder Entstellung?) der tatsächlichen Verhältnisse Arnos und damit JHWH - einen Maulkorb verpassen wollte, hat dafür die Strafe zu gewärtigen 80 . Hinter dieser spannungsgeladenen Erzähldramaturgie verbirgt sich ein personaler Konflikt bzw. die Geschichte wird erzählt, um diesen Konflikt darzustellen. In der Amazjaerzählung stehen sich König und Priester einerseits und JHWH und sein Prophet andererseits als Antagonisten gegenüber. Ausgetragen wird der Konflikt zwischen den beiden Bevollmächtigten, Amazja und Arnos. Der Antagonismus wird durch die beiden Befehle an Arnos Kaan Dtih r n w . fix' 1 ?!* (V. 12) und Kaan ^ Stato1' (V. 15)81 textlich entfaltet und in V. 16 zugunsten JHWHs aufgelöst: taan a b nax nnx rnrr—qt unui. Innerhalb dieser Personenkonstellation spielt der König keine aktive Rolle. Er wird vielmehr von seinem Priester „verkörpert" und zwar durch das Redeverbot für Arnos. Schon die Ausweisung rnirr fix" 1 ?« ^ T n a konnotiert einen politischen Akt, mit dem Arnos regelrecht des Landes verwiesen und also sowohl dem Zugriff als auch dem Anspruch Jerobeams entzogen wird 82 . Entscheidend ist indes die Rolle Bet-Els. Die Begründung des Redeverbots zeigt an, dass Arnos' Reden in oder über Bet-El einer Verschwörung gegen den König gleichkommt. Dabei drückt die solenne Formulierung ton HD^pa mal ton ^ p - t f n p ö Amazjas Rolle als königlich bestallter Kultfunktionär adäquat aus. Mit ihr wird Bet-El in aller Form zum „Haus des Königreichs" deklariert 83 und der Priester zum Bevollmächtigten des Königs. Dabei geht es jedoch nicht um Bet-El als eigenständiges Thema der Erzählung. Vielmehr führt Arnos' Antwort auf das eigentliche Thema, nämlich seine Vollmacht und den nim'ian. In V. 14 formuliert Arnos seine institutionelle Autonomie in derselben feierlichen Formulierung wie der Priester. Um diese Mitte in Vv. 13-14 legen sich 80

Vgl. auch A. SCHART, Entstehung, 117f. Vgl. Z. ZEVIT, Misunderstanding, 784. A. BEHRENS, Visionsschilderangen, 90. 82 Vgl. besonders das politische Exil der Gegner Salomos Hadad, Rezon b. Eljada und Jerobeam b. Nebat (!) lKön 11,17.23.40. Dagegen spielt es im gesamten Text von Am 7 keine Rolle, dass Arnos selbst Judäer sein soll. 83 Vgl. zur deklaratorischen Formel H.-J. FABRY, ThWAT II, 365f. Dass diese Formulierungsform gehäuft in Zusammenhängen priesterlichen Redens auftaucht, mag Zufall sein. Im Kontext der Toratravestien des Amosbuch scheint dieser Anklang jedoch eher beabsichtigt. 81

Bet-El im

Amosbuch

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rahmenartig die beiden Zitationsformeln mit der Deportationsansage 84 . Dass in der Klimax der Erzählung nicht der König bedroht wird, sondern der Priester, ist nur konsequent. Das angebliche Wort des Arnos ist in Wirklichkeit ein Wort JHWHs, das der Priester durch sein Verhalten überhaupt erst provoziert hat. Der Priester als „Staatsfunktionär" trägt die Verantwortung für Israels Schicksal. Die Amazjaerzählung hat in ihrer ebenso kompakten wie komplexen Gestalt vor allem ein (geschichts-) theologisches Interesse, nämlich die Antwort auf die Frage, wer Israels Geschick lenkt: Der König oder JHWH und welche Rolle Priester und Prophet auf dieser Bühne spielen. Ein historisches oder gar biographisches Ziel liegt völlig außerhalb der Reichweite des Textes 85 . In dieser Gestalt ist die Amazjaerzählung ein literarischer Entwurf aus der Zeit nach Arnos. Dass Am 7,10-17 ein historisches Ereignis zugrundeliegt, lässt sich am Text nicht erweisen 86 . Eine Erinnerung an einen Konflikt zwischen Arnos und Autoritäten des Königreiches Israel als historischer Ausgangspunkt für Am 7 sollte man indes nicht zu schnell suspendieren 87 : diese Konstellation hat ein langes Leben bis in die späten Textgestalten von lKön 13; 2Kön 23 und den nachchristlichen Prophetenviten. Bet-El könnte sogar die Heimat dieser Überlieferung(en) sein, ist jedoch als Schauplatz der Amazjaerzählung nicht relevant. In ihrer vorliegenden Gestalt ist Am 7 vielmehr für das Amosbuch konzipiert. Mit ihrer Hilfe soll Arnos als wahrer Prophet erwiesen werden. Diese Intention hat eine doppelte Stoßrichtung: Zum einen wird Arnos als Prophet innerhalb des Amosbuches begründet, zum zweiten wird Arnos hier in charakteristischer Weise mit Hosea verknüpft. Im Amosbuch ist Am 7,10-17 zunächst für den unmittelbaren Nahkontext zwischen der dritten und der vierten Vision konzipiert 88 . Dafür spricht die Wiederholung des ^DN ti, d.h. wie in 12,30 werden König und Volk als Einheit betrachtet und sündigen gemeinsam: niiy T5J3 unrt konnotiert hier die Trennung der beiden Staaten. Eine spät-deuteronomistische Bearbeitung hat dieses Urteil noch verstärkt und den Verweis auf JHWHs Zorn und die Sünden der Vorfahren nachgetragen. Das Urteil über Judas Fehlverhalten erhält eine zweifache Ausführung. Zunächst folgt in 14,23a die unmittelbare Begründung dieses Urteils durch nina Dnb Harro: Damit wird dem Haus JHWHs in Jerusalem eine Mehrzahl von Heiligtümern zur Seite

31

Vgl. auch J. PAKKALA, Sin, 87-89; C. UEHLINGER, Exodus, 64. Über Pakkala und Uehlinger hinaus ist indes zu betonen, dass das Anliegen des Textes nicht in der Kritik am Konkurrenzkult auf-, sondern weit darüber hinaus geht. 32 HANS-DETLEF HOFFMANN, Reform und Reformen. Untersuchungen zu einem Grundthema der deuteronomistischen Geschichtsschreibung, Zürich 1973 (AThANT 66), 70; E. THEODORE MULLEN, The Sins of Jeroboam: A Redactional Assessment: CBQ 49 (1987), 212-232, hier 214-218.

Bet-El in der Grundschrift der

Königebücher

163

gestellt, d.h. auch Juda macht sich der kultischen Zersplitterung schuldig 33 . Die politische Folge der Trennung der beiden Reiche findet sich in der Abschlussformel über Rehabeams Regierung, nämlich in der Notiz über den Bruderkrieg in 14,30. Zwischen den mehrfach erweiterten Ausblick auf Judas Anteil an der „Reichsteilung" und die Abschlussformel für Rehabeam tritt in 14,25-28 die kurze Erzählung über Schoschenqs Palästinafeldzug, bzw. seinen Angriff auf Jerusalem. Er bildet in sich eine geschlossene kleine Einheit. Mit dem ägyptischen Bericht über Schoschenqs Palästinafeldzug stimmt lKön 14,25-28 nicht überein und lässt sich nur unter Zwang mit diesem zur Deckung bringen 34 . Es entsteht der Eindruck, als vollzöge sich in lKön 14 ein Vorspiel zur Eroberung Jerusalems durch die Babylonier: Die Schuld Judas bringt Jerusalem in ernste Gefahr 3 5 . Angesichts der Unsicherheiten bezüglich des historischen Ereignisses lässt sich jedoch keine Klarheit über den Sinn des Textes gewinnen.

Die Grundschrift hat auch im Abschnitt über Rehabeams Regierung die Ätiologie der Trennung der beiden Reiche zum Zentrum. Wie jedoch die Kriegsnotiz anzeigt, bleiben die beiden Staaten nicht gänzlich voneinander getrennt, sondern in unterschiedlichster Weise miteinander verflochten und aufeinander bezogen, hier zunächst in der Form des Krieges. Diese Interdependenz der beiden Teilreiche wird im Folgenden zur narrativen und diskursiven Grundstruktur der Königebücher. 1.1.2 Das theologische Profil der

Grundschrift

lKön 11,26-14,31* bilden einen Text mit charakteristischer literarischer Struktur und theologischem Profil. Dass diesem Text eine zusammenhängende Quellenschrift zu Grunde liegt, ist eher unwahrscheinlich. Die Annahme fortlaufender israelitischer und judäischer Königslisten 36 hat jedoch angesichts der Parallelen aus Mesopotamien viel für sich 37 . lKön 12,2530* ist jedoch überwiegend eine geschichtstheologische Spekulation und als solche ein Kernstück deuteronomistischer Geschichtsschreibung. Deuteronomistisch an lKön 12 im Sinne eines sprachlichen und/oder sachlichen Zusammenhangs mit dem Deuteronomium ist dabei dreierlei: die Einheitsfiktion, das Bild Jerusalems und die Rolle des Herzens. 33

Die weiteren Vorwürfe in V. 23b stammen aus spät-deuteronomistischer Hand. Vgl. dazu E. WORTHWEIN, ATD11/1, 183. 35 Vgl. auch ALFRED MARX, De Shishaq ä Sheshak. A propos de IRois XIV 25-26: VT 49 (1999), 186-190. 36 So SCHOSCHANA R. BIN-NUN, Formulas from Royal Records of Israel and Judah: VT 18 (1968), 414-432, hier 427f. 34

37

Ü b e r s i c h t : D . O . E D Z A R D / A . K . GRAYSON/H. OTTEN, R L A V I , 7 7 - 1 3 5 ; S . R . BLN-

NUN, Formulas, 423; D.O. EDZARD, RLA VI, 77; A.K. GRAYSON, RLA VI, 86. Eine neuere Rekonstruktion einer solchen Chronik liegt vor bei CHRISTOF HARDMEIER, Umrisse eines vordeuteronomistischen Annalenwerks aus der Zidkij azeit. Zu den Möglichkeiten computergestützter Textanalyse: VT 40 (1990), 165-184. Unklar ist, ob eine solche Liste neben den einfachen Daten auch noch Angaben über wichtige Ereignisse der jeweiligen Regierungszeit enthalten hat.

164

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

Sowohl durch die Kontexteinbettung als auch durch die Entfaltung der Motive Jerobeams wird deutlich, dass der Text Israel und Juda als Einheit betrachtet. Vor allem Jerobeams Befürchtung, das Herz des Volkes möchte zu seinem „Herrn" 38 und das Königtum zum Haus Davids „zurückkehren" (aiBi) zeigt, dass die Einheit Israels als normative Vorstellung über dem Text steht. Mit 12,27 wird narrativ entfaltet, was in der weiteren Königsgeschichtsschreibung gerafft und in kurzen Formeln evoziert wird. In der Perspektive der Geschichtsschreibung erscheint die Einheitsfiktion in zwei Ausprägungen, nämlich in den Synchronismen der Königschronologie und in der Bewertung der einzelnen Könige. Die Synchronismen sind das auffälligste Indiz für eine Betrachtung der beiden Teilstaaten unter dem Gesichtspunkt der Einheit und damit für den fiktiven Charakter dieser Einheit: Die synchronistische Zeitrechung ist nur sinnvoll, wenn die Bezogenheit der beiden Staaten aufeinander behauptet werden soll 39 . Als Grundlage einer wertneutralen Chronologie ist sie wenig nützlich. Dasselbe Anliegen kennzeichnet die (synchronistischen) Überschriften der Prophetenbücher des D-Corpus. Auch die Bewertungen der einzelnen Könige transportieren den normativen Anspruch der Einheit Israels. Für Israel wird das deutlich am ständigen Rückbezug aller Israelkönige auf die „Sünde Jerobeams", die lKön 12,30a zitiert 40 . Bei diesen Zitierungen wird so gut wie niemals auf das Stierbild von Bet-El bzw. auf die beiden Stierbilder in Bet-El und Dan rekurriert 41 . Die „Sünde Jerobeams" geht also nicht allein in religiöser Apostasie auf, sondern bildet ein komplexeres System: die Loslösung von Juda/Jerusalem 42 . Auf der Seite Judas hat der Rekurs auf die „Sünde Jero38

Die Notiz lässt sich nicht literarkritisch eliminieren, vgl. J. HAHN, Kalb, 268. Vgl. R.G. KRATZ, Komposition, 164; DERS., Israel, 8f. 40 Im Einzelnen: l K ö n 15,26.34; 16,18.26 (ab hier mit Bezug auf Jerobeam b. Nebat). 31 (ab hier nKtjn regelhaft im Plural); 22,53; 2Kön 3,3; 10,29.31; 13,2.11; 14,24; 15,9.18.24.28. Mit Bezug auf das Volk: 2Kön 13,6; 17,22. Die Formulierungen variieren erheblich, es lassen sich aber zwei Grundtypen erkennen, nämlich (1) „er wandelte auf dem Weg Jerobeams (und in seiner/seinen Sünde/n)" lKön 15,26.34; 16,26.31; 22,53; 2Kön 13,2 und (2) „er wich nicht von den Sünden Jerobeams" 2Kön 3,3; 13,2.11; 14,24; 15,9.18.24.28. Der auffallige Sachverhalt, dass sich Typ (1) überwiegend in l K ö n findet, Typ (2) dagegen vornehmlich in 2Kön, hat H. WEIPPERT, Beurteilungen, 301-339 zur Annahme unterschiedlicher Redaktionen der Königebücher geführt. Die Lösung hat - mit Unterschieden im Detail - ihre Nachfolger gefunden. Dagegen konnte ERIK AURELIUS, Zukunft jenseits des Gerichts. Eine redaktionsgeschichtliche Studie zum Enneateuch, Berlin/New York 2003 (BZAW 319), 24-29 nachweisen, dass die Grenze nicht so schematisch gezogen werden kann und plädiert für eine kontextuelle Lösung. 41 Ein expliziter Bezug findet sich nur bei ersten Bewertung Jehus 2Kön 10,29, die jedoch gegenüber der ursprünglichen 10,31 einen Nachtrag spät-deuteronomistischer Hand darstellt (vgl. E. WÜRTHWEIN, ATD 11/2, 343). 42 R.G. KRATZ, Komposition, 157; J. PAKKALA, Sin, 90; Z. ZEVIT, Religion, 448f. 39

Bet-El in der Grundschrift

der Königebücher

165

beams" sein Gegenstück in der Erwähnung der Bamot. In der Verwendung von "no konvergieren die Bamot- und die Formel der „Sünde Jerobeams" 43 . Dabei ist es auffällig, dass die Erwähnung der Bamot im judäischen Königsschema unabhängig von der allgemeinen religiösen Wertung des jeweiligen Königs ist 44 : Sie findet sich bei den Königen, denen sonst zugestanden wird, sie hätten „das Rechte in den Augen JHWHs" ( , 3 , ?3 "ittivi rnrr) getan. So zeigt sich, dass der Bewertungsmaßstab Judas nicht allein in der Kultzentralisation besteht. Das judäische Schema ist komplexer und hat einen mehrfachen Haftpunkt in lKön 11-14*. Der Kult auf den Bamot ist allein die Sache des Volkes. Dass nicht der König, sondern Juda die Bamot eingerichtet hat, berichtet lKön 14,23a. Die Bamotformel reicht in ihrem Ursprung aber noch hinter die Regierung Rehabeams zurück: Jerobeam befürchtet nach 12,27, dass „dieses Volk" die Schlachtopfer in Jerusalem zum Anlass für den Abfall nehmen möchte. Mit n?n Ci?n nbir~cx D'nat nitUl)b ist das Thema des Schlachtopfers durch das Volk gegeben, das sich in der Bamotformel mit der Formulierung DTiarp DJJH "lir rriDaa nnöjiOi regelmäßig wiederholt. Bet-El und Dan bekommen so ihre judäische Ergänzung in den Bamot; gleichzeitig wird in 12,27; 14,22a.23a deutlich, dass die „Sünde Jerobeams" nicht allein in der Teilung besteht, sondern in der Trennung Israels und Judas voneinander. In jeder Bewertungsformel für Juda und Israel werden die beiden Staaten an ihren Anfang zurückgeführt. Dieser Anfang ist der Grund für das jeweilige Ende beider Staaten: Die Katastrophe Samarias wird in 2Kön 17,22-23 45 eindeutig auf Israels Festhalten an der „Sünde Jerobeams" bezogen 46 . Erstmalig in der Geschichte des Nordreiches seit der Teilung werden König und Volk wieder parallelisiert, und es wird deutlich, dass auch in Israel das Volk die Sünden seiner Könige nach- und mitvollzieht. Von der Trennung fuhrt damit ein gerader Weg in die Katastrophe, die mit dem Untergang Samarias noch nicht beendet ist. Der Fall Samarias wird vielmehr zum Menetekel für Jerusalem. Die unheilvolle Einheit von Volk und König ist im Falle Judas bereits am Beginn der Trennung ausgesprochen worden, so dass die Katastrophe Judas nur noch eine Frage der Zeit ist. Judas Geschichte endet 2Kön 25,21 ähnlich wie 2Kön 17,22f.: inniN bsn rnirv Sri 4 7 . Die 43 Vgl. H. WEIPPERT, Beurteilungen, 319-322; E. AURELIUS, Zukunft, 30-32; IAIN W. PROVAN, Hezekiah and the Book of Kings. A Contribution about the Composition of the Deuteronomistic History, Berlin/New York 1988 (BZAW 172), 85ff. 44 Vgl. zum Folgenden auch R.G. KRATZ, Israel, 10. 45 Zum Wachstum vgl. E. AURELIUS, Zukunft, 71-95. 46 Vgl. FRANK MOORE CROSS, The Themes of the Book of Kings and the Structure of the Deuteronomistic History, in: DERS., Canaanite Myth and Hebrew Epic. Essays in the History of the Religion of Israel, Cambridge/Mass. 1973, 274-289, hier 280-282. 47 Vgl. 2Kön 17,23b: rwn Di'n 1JJ rniïiN i n n i K b s a b r i . Die Formulierung ist in beiden Fällen und in Jer 52,27 ein Erbe aus Am 7,11.17.

166

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

knapp einhundertdreißigjährige Geschichte Judas nach 720 erweist sich somit nur noch als Nachspiel, das ungeachtet des Rechttuns einiger Könige genauso in den Untergang führt wie Israels Festhalten an der „Sünde Jerobeams" 48 . Deuteronomistisch im Sinne eines gedanklichen Zusammenhangs mit dem Deuteronomium ist diese Einheitsfiktion der Königebücher insofern, als sich die Forderung der „Reichseinheit" mit dem Hauptgebot des Deuteronomiums, der Alleinverehrung JHWHs, verknüpfen lässt. Diese Einheitsvorstellung gewinnt im Deuteronomium seine konkreteste Gestalt in den „Du"-Anreden an Israel, die ihr Zentrum in Dtn 6,5 haben. Indes ist dieser Zusammenhang zwischen dem Deuteronomium und den Königebüchern ein sachlicher, kein literarischer: Die Reichseinheit der Königebücher ist aus dem Deuteronomium und seinen Forderungen abgeleitet 49 bzw. die Rolle Jerusalems als politisches und kultisches Zentrum Israels wird mit der Einheitsforderung parallelisiert. Diese Übersetzung hängt mit dem Übergang der Forderungen des Deuteronomiums in das Medium der Geschichtsschreibung zusammen 50 . In ihr gewinnt die Eigenart der ersten deuteronomistischen Geschichtsschreibung ihr charakteristisches Eigenprofil: Der Gedanke der (verspielten) Reichseinheit als Grund des Untergangs ist nirgends so stark betont wie in den Königebüchern 51 . lKön 1114* ist ihr zentraler Text. Die Grundschrift der Königebücher tritt hier mit dem gleichen Anliegen - neben das prophetische D-Corpus. Offenkundiger ist die Verbindung zwischen Deuteronomium und lKön 12 hinsichtlich der Bedeutung Jerusalems. Doch auch hier lässt sich die Akzentsetzung der Königebücher beobachten. Aus lKön 12,25-30* geht hervor, dass Jerobeam die Weisung von Dtn 12,13f. missachtet und sich seinen eigenen Ort zum Opfern erwählt bzw. sein Volk vom Opfern in Jerusalem abhalten will. In lKön 12 ist allein vom Schlachtopfer (nat) die Rede 52 , wohingegen Dtn 12 dem Brandopfer (rtbiu) den Vorrang einräumt.

48

Die Nüchternheit des Abschlusses des Königebücher ab 2Kön 23,31 ist häufig als Indiz dafür gesehen worden, dass er nicht zum Erstentwurf des Werkes gehört, der triumphaler geendet hätte, vgl. z.B. F.M CROSS, Themes, 288; S.L. MCKENZIE, Trouble, 137; H. WEIPPERT, Beurteilungen, 333f.; DIES., Geschichtswerk, 235. Dass diese Hypothese nicht mit dem Text zur Deckung zu bringen ist, hat zuletzt E. AURELIUS, Zukunft, 50-57 zeigen können. 49 Vgl. NORBERT LOHFINK, Die Kultreform Joschijas von Juda 2Kön 22-23 als religionsgeschichtliche Quelle, in: DERS., Studien zum Deuteronomium und zur deuteronomistischen Literatur II, Stuttgart 1991 (SBAB 12), 209-227, bes. 223. 50

V g l . R . G . KRATZ, K o m p o s i t i o n , 166f. G . GARY N . KNOPPERS, T w o N a t i o n s u n d e r

God. Vol. I, Atlanta/Ga. 1994 (HSSM 53), 92.112. 51 Vgl. R. G. KRATZ, Komposition, 158-161. 52 Die auffallige Formulierung von lKön 12,27 ( c n a i nillJJ) ist darauf zurückzuführen, dass das missverständliche Verb rt3T vermieden werden soll.

Bet-El in der Grundschrift der

Königebücher

167

Trotzdem geht es Dtn 12 nicht nur um das Brandopfer, sondern um alle Opfer, die von den Opfernden gemeinsam im Heiligtum verzehrt werden. Mit der Verbindung von nar und Jerusalem wird der Grundakkord des späteren Bamot-Themas angeschlagen. Damit bezieht sich lKön 12 der Sache nach auf das Deuteronomium, gibt ihm aber seinen eigenen Akzent. Dazu gehört auch das Bild Jerusalems als gleichzeitiges rnrr'iva und TH rra, d.h. die begriffliche Fixierung der geforderten Reichs- und Kulteinheit. Ähnlich wie die Einheitsfiktion wird das Thema Jerusalem als Zentrum von Kult und Königtum nach lKön 12 zu Formeln gerafft und damit an lKön 12 angebunden. Dies geschieht durch die konsequente Nennung der Residenz in den Königsschemata. Die Residenz der judäischen Könige von Rehabeam bis Zidkia ist Jerusalem. Da aber bis Hiskia sich der judäische Kult (auch) auf den Bamot vollzieht, ist Jerusalem im überwiegenden Teil der Geschichte Judas allein die Heimat des T n rra. So trägt Juda auch und gerade in kultischer Hinsicht die Sünde fort, die mit Jerobeam und Rehabeam beginnt. Im israelitischen Königsschema wird ebenfalls die Residenz genannt. In Israel gibt es natürlicherweise kein Regieren des Königs bei JHWH in Jerusalem. Das Nordreich bleibt in sich uneinheitlich. lKön 12,25-30 sind im Zusammenhang zu betrachten und schildern die Entstehung des Nordreiches als Zerschlagung der politischen und religiösen Einheit Israels in zwei Königreiche, drei Residenzen und drei Kultorte, nicht als die gottgewollte Einheit von Herz und Haus in Jerusalem. Nicht nur die Verbindung zwischen Dtn 12 und lKön 12 weisen für lKön 12 in das Umfeld deuteronomistischen Denkens. Als drittes Element ist auf die Rolle des Herzens hinzuweisen. Das „Sprechen im Herzen" finden sich als Indiz verfehlten theologischen Denkens noch Dtn 7,17; 8,17; 9,4. An jeder dieser Stellen wird die religiöse Fehlkalkulation umschrieben mit dem na« und drückt vor allem eine Gottvergessenheit aus, die fatale Folgen haben kann 53 . Das Herz überhaupt ist sowohl in der deuteronomischen als auch in der deuteronomistischen Literatur dem Bewusstsein der Einzigkeit JHWHs zugeordnet, die bekannteste Belegstelle ist Dtn 6,554. Jerobeams innerer Monolog von lKön 12,26ff. entspricht damit der vom Deuteronomium in Aussicht gestellten Gefahr der Herzensverirrung, die von der Liebe zu JHWH aa^'^Da zur Befragung des eigenen Herzens übergeht. In der Grundschrift der Königebücher ist Salomo der Ausgangs- und Bezugspunkt dieser Denkfigur, vor allem in lKön 3,4-4,l 55 . Demnach sind Salo53 54

Vgl. H.-J. FABRY, ThWAT IV, 424. Vgl. MOSHE WEINFELD, Deuteronomy and the Deuteronomic School, Oxford 1972,

334f. 55 Grundbestand: Vv. 4a.5.6aa*.7*.9a.lIa.l2aba.l3abß*.14b.l5ab*. Analysen: DAVID M. CARR, From D to Q. A Study of Early Jewish Interpretations of Solomon's Dream in Gibeon, Atlanta/Ga. 1991 (JBL.MS 44), 13ff.; PEKKA SÄRKIÖ, Die Weisheit und Macht

168

„ Und er machte die Runde über Bet-EI, Gilgal und Mizpa "

mo und Jerobeam wie Typus und Antitypus aufeinander bezogen. Jerobeam erscheint als Salomos Gegenbild, als Anti-Salomo. Sein Herz ist fehlgeleitet anstatt auf JHWH gerichtet. Der enge Bezug zwischen Salomo und Jerobeam zeigt, dass die beiden in deuteronomistischer Perspektive zwei Seiten derselben Medaille repräsentieren, wobei auch Salomo nicht nur positiv erscheint. Dafür spricht vor allem die Verankerung des Beginns der Geschichte Jerobeams im letzten Akt der Geschichte Salomos. Am Ende seiner Herrschaft gleitet Salomo das vereinigte Großreich aus den Händen 5 6 . Trotzdem ist Salomo im Erstentwurf der Königebücher auf weite Strecken der Inbegriff des Herrschers, der Israels auf JHWH und Jerusalem bezogene Einheit verwirklicht hat. 1.2

Historische

Rückfrage

Vor dem Hintergrund der Textanalyse von l K ö n 11-14* und der literarisch-theologischen Konturen der Grundschrift der Königebücher ist es unwahrscheinlich, dass der Text auf Quellenmaterial in größerem Umfang zurückgreift. Vielmehr wird zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte Israels das vorliegende Bild der Geschichte der beiden Reiche als Konstruktion entworfen. Die Analyse der Prophetentexte 5 7 hat dabei das 8. Jh. als einen entscheidenden Haftpunkt der Erinnerungen an Bet-El ergeben. Hier ließen sich zeitnahe Texttraditionen über Bet-El sowohl als königliches als auch als regionales Heiligtum finden. Demgegenüber treten in der Grundschrift der Königebücher erzählte Zeit und Erzählzeit stärker auseinander. Aus diesem Grund ist die historische Rückfrage an den Text in zwei Schritten zu vollziehen. Nach der Vorgabe von l K ö n 11-14* ist die Frage zu stellen, in welchem historischen Umfeld die „Reichsteilung" und die vom Text geschilderten Ereignisse zu suchen sind. Neben die historische Rückfrage an die erzählte Zeit tritt die Rückfrage an die Erzählzeit. Zu fragen ist, unter welchen histori-

Salomos in der israelitischen Historiographie. Eine traditions- und redaktionskritische Untersuchung über lKön 3-5 und 9-11, Helsinki/Göttingen 1994 (SFEG 60), 19ff.; STEFAN WÄLCHLI, Der weise König Salomo. Eine Studie zu den Erzählungen von der Weisheit Salomos in ihrem alttestamentlichen und altorientalischen Kontext, Stuttgart/Berlin/Köln 1999 (BWANT 141), 32ff. (Forschungsgeschichte: 33-37); E. WÜRTHWEIN, ATD 11/1, 30-35. 56 Der Grund ist auch hier, dass Salomos Herz fehlgeleitet wird (lKön 11,1-25*). In lKön 11 bilden Vv. 1.3.14-22*.23-25* den Grundbestand (P. SÄRKIÖ, Weisheit, 212ff. Anders E. WÜRTHWEIN, ATD 11/1, 131 ff.). Der Grund der Schwierigkeiten Salomos liegt auch hier wieder in seinem Herzen: Die Liebe zu seinen Frauen statt zu JHWH kostet ihn das Gebiet, zu dem er bisher beste Beziehungen hatte, nämlich Aram (10,29; 11,23ff.). Erst die theologische Deutung dieser Liebe Salomos und ihrer religiösen Konsequenzen ist späterer deuteronomistischer Entwurf. 57 Vgl. Kap. 2 dieser Arbeit.

Bet-El in der Grundschrift

der

169

Königebücher

sehen Bedingungen die Sinnbildung über Israels Königsgeschichte stattfand und die Grundlagen der Sinnfigur namens Bet-El festlegte. 1.2.1 Erzählte Zeit: Die „Reichsteilung"

in historischer

Perspektive

Die Entstehung der beiden autonomen Königreiche Israel und Juda verdankt sich nach dem Willen der alttestamentlichen Textüberlieferung einem einzigen Ereignis, nämlich der „Reichsteilung". Ihr Ergebnis sind zwei in ihrem Territorialbestand in etwa festgelegte Königreiche, die den Bestand des davidisch-salomonischen Einheitsreiches unter sich aufteilen. Unter der Voraussetzung, dass die alttestamentlichen Königschronologien in etwa stimmen, datiert die Entstehung der beiden autonomen Teilreiche ins 10. Jh. 58 Mit dem Verweis auf den Palästinafeldzug des Pharao Schoschenq in lKön 14,25-28 liefert der biblische Text offenbar ein extern verifizierbares Datum der berichteten Ereignisse. Exkurs: Der Palästinafeldzug Schoschenqs als Quelle der Geschichte Bet-Els A m Bubastidenportal des Amun-Tempels von Karnak berichtet ein Pharao Schoschenq v o n seinem Palästinafeldzug 5 9 . Die Inschrift könnte eine wichtige Quelle der Geschichte Palästinas sein, wenn sie sich datieren ließe. Problematischerweise ist sie nicht datiert. Ihre meist vollzogene Zuweisung zu Schoschenq I. ( 9 4 5 - 9 2 4 ) 6 0 ergibt sich aus l K ö n 14,25: Das fünfte Regierungsjahr Rehabeams von Juda ist 927, 926 oder 925. Indes stimmen die Karnak-Liste und l K ö n 14,25-28 inhaltlich nicht überein. Auch das Datum von l K ö n 14 kann als fragwürdig gelten. Das fünfte Jahr Rehabeams fallt im System der biblischen Chronologie exakt ins Jahr 4 0 nach dem Tempelbau und erscheint damit als Eckdatum für die Chronologie der Könige Israels und Judas eher problematisch 6 1 . D i e s e Probleme gelten auch im Hinblick auf die Karnak-Liste. Relief und Inschrift sind konventionell und daher nicht unbedingt eindeutig 6 2 . Außerdem ist die Chronologie der ägyptischen Dritten Zwischenzeit unklar; die fünf Pharaonen mit Namen Schoschenq sind teilweise namentlich vollständig identisch 6 3 . Vor diesem Hintergrund ist es daher möglich, dass der Palästinafeldzug auch unter Schoschenq II. (890) oder Schoschenq III. ( 8 3 5 - 7 9 5 ) stattgefunden hat 6 4 .

58 Überblick zur Forschung bei GERSHON GALIL, The Chronology of the Kings of Israel and Judah, Leiden/New York/Köln 1996 ( S H C A N E 9), 1-11. 59 Im Folgenden als Karnak-Liste bezeichnet. Darstellung: THE CHICAGO EPIGRAPHIC SURVEY, Reliefs and Inscriptions at Karnak. III: The Bubastite Portal, Chicago 1954. 60 Auf der Grundlage der „kurzen" Chronologie, vgl. KENNETH A. KITCHEN, The Third Intermediate Period in Egypt ( 1 1 0 0 - 6 5 0 ) , Warminster 1973, 467. 61 FRANK CLANCY, Shishak/Shoshenq's Travels: JSOT 86 (1999), 3-23, hier 20. 62 Schon JULIUS WELLHAUSEN, Israelitische und jüdische Geschichte, Berlin 9 1958, 68 bezweifelt die Historizität des Feldzugs. 63 Vgl. AIDAN DODSON, A new King Shoshenq confirmed?: GM 137 (1993), 53-58. 64 Vgl. F. CLANCY, Travels, 20. Schoschenq IV. ( 7 9 5 - 7 8 3 ) und Schoschenq V. (7777 4 0 ) dürften zu spät regiert haben, um noch derart nachhaltig in Palästina einzugreifen.

170

Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

Näherer Aufschluss ist nur über die in der Karnak-Liste genannten Orte zu gewinnen 6 5 . Jerusalem ist dort nicht erwähnt. Entgegen älterer Ansicht findet auch Tirza keine Erwähnung 6 6 , und ebenso fehlt Samaria. Dagegen scheint Schoschenq in der Region um Bet-El operiert zu haben, vgl. die Erwähnung Mahanaims (Nr 22), Gibeons (Nr. 23), Beth-Horons (Nr. 24), Pnuels (Nr. 53) und Zemaraims (Nr. 57). Unklar ist Nr. 59. Es könnte mit Nr. 58 (Migdal-xxx) einen zusammengesetzten Namen bilden oder ist möglicherweise als Luz zu lesen, könnte dann also auf Bet-El deuten 6 7 . Indes lässt sich der Ortsname „Luz" für Bet-El erst in priesterschriftlichen Texten sicher belegen. Offensichtlich diente der Feldzug der Sicherung bzw. Rückgewinnung wirtschaftlicher und geopolitischer Interessen Ägyptens an Palästina 6 8 . Im Negev und an der philistäischen Küste scheint Schoschenq auch regionale politische Zusammenschlüsse zerschlagen bzw. bestehende Vasallitätsverhältnisse neu geordnet zu haben 6 9 . Anscheinend hat sich Schoschenq überwiegend auf kleinere Orte konzentriert und den Angriff auf größere Zentren vermieden 7 0 . Möglicherweise operierte Schoschenq abseits bestehender königlich kontrollierter Gebiete an deren Peripherie. Dabei hat die Region des südlichen Ephraim bzw. nördlichen Benjamin ein gewisses Interesse auf sich gezogen. Die in der Karnak-Liste erwähnten benjaminitischen Orte liegen sämtlich im Gebiet des ostwestlichen Verbindungsweges von Jericho an die Küste. Der südliche Teil dieser Verkehrsverbindung geriet durch den Feldzug unter ägyptische Kontrolle. Sollte Nr. 59 tatsächlich auf Bet-El hinweisen, wäre auch der nördliche Verbindungsweg zwischen Jordan und der Küste von Schoschenq erobert worden. Ein Zugriff auf Verbindungen zum Jordangraben und eventuell ins Ostjordanland dürfte im ägyptischen Interesse gelegen haben. Wahrscheinlich spielten geopolitische Erwägungen dabei eine Rolle. Auch wenn Jerusalem, Tirza und/oder Samaria dieser ägyptischen Operation nicht erkennbar im Wege standen, hat Schoschenq hier möglicherweise territoriale Neuordnungen vorgenommen 7 1 .

65

Rekonstruktionen der Route bei K.A. KITCHEN, Period, 442-447 (mit älterer Literatur); GÖSTA W. AHLSTRÖM, Pharao Shoshenq's Campaign to Palestine, in: ANDRÉ LEMAIRE/BENEDIKT OTZEN (HG.), History and Traditions of Early Israel. Studies presented to Eduard Nielsen, Leiden/New York/Köln 1993, 1-15, hier 7-13; F. CLANCY, Travels, 920; NADAV NA'AMAN, Israel, Edom and Egypt in the 10th Century B.C.E.: Tel Aviv 19 (1992), 71-93; BENJAMIN MAZAR, The Campaign of Pharao Shishak to Palestine: VT.S 4 (1957), 57-66; I. FLNKELSTEIN, Campaign, 109-135. 66 Für einen Vorstoß Schoschenqs auf Tirza wird meist Nr. 59 [x]-r/l-s-z in Anspruch genommen (B. MAZAR, Campaign, 60f., so auch K.A. KITCHEN, Period, 434.438f.; G. W. AHLSTRÖM, Campaign, 11 f.). Indes wäre es der einzige Ort in jener Region (I. FlNKELSTEIN, Campaign, 110; N. NA'AMAN, Israel, 80f.) Damit ist die Hypothese hinfällig, Jerobeam hätte seine Residenz auf Grund des Feldzugs Schoschenqs von Sichem/Tirza nach Pnuel verlegt (exemplarisch: H. DONNER, GIsr, 241). 67 N. NA'AMAN, Israel, 80f.; I. FlNKELSTEIN, Campaign, 123. F. CLANCY, Travels, lOf. fügt den Lesarten für Nr. 59 die Möglichkeit „Helez" hinzu. 68

69

V g l . z u m F o l g e n d e n a u s f ü h r l i c h I. FlNKELSTEIN, C a m p a i g n , 109-135.

I. FlNKELSTEIN, Campaign, 115-117. Nach Angabe der Karnak-Liste waren jedoch auch die philistäischen Städte, Gezer, Bet-Sean und Megiddo Ziel der ägyptischen Aktivitäten: Sie haben Schoschenq angeblich keinen Widerstand geleistet. F. CLANCY, Travels, 5f. rechnet hier allerdings mit einem Traditionsmotiv. Zum archäologischen Befund vgl. den Uberblick bei I. FlNKELSTEIN, Campaign. 71 I. FlNKELSTEIN, Campaign, 114-117:120-122.125; H. WEIPPERT, Palästina, 557. 70

Bet-El in der Grundschrift der

Königebücher

171

Ein Palästinafeldzug eines ägyptischen Pharao mit Namen Schoschenq hat daher mit einiger Wahrscheinlichkeit stattgefunden, wobei er zeitlich zwischen der Mitte des 10. und dem Beginn des 8. Jhs. möglich ist. Insofern lässt er sich nicht als Quelle für lKön 11-14* heranziehen, sondern zeigt erneut - und diesmal aus der Außenperspektive - die Bedeutung der Region um Bet-El für die Interessen auch der Nachbarmächte Palästinas.

Alles in allem lässt sich erkennen, dass die politisch-militärischen Gebilde Palästinas im 10./9. Jh. noch keine ausgeformten Territorialstaaten darstellten. Es lässt sich hingegen nicht erkennen, dass Schoschenq in Palästina ein einheitliches politisches System im Sinne des davidischsalomonischen Reiches zum Gegner hatte, das sich dem Pharao systematisch widersetzte und dessen Erbe die beiden Teilreiche gewesen wären. Eher scheint Israel-Palästina im 10. Jh. noch die Heimat verschiedener, unterschiedlich großer regionaler Zusammenschlüsse gewesen zu sein, über die sich nicht viel sagen lässt. Möglicherweise haben die ägyptischen Aktivitäten die Bildung größerer territorialstaatlicher Verbände angestoßen bzw. Zugriffe Samarias auf die Jesreelebene und Jerusalems in Richtung Philistäa ermöglicht 72 . Mit Hilfe des Feldzugs Schoschenqs nach Palästina lässt sich erkennen, dass die Region um Bet-El eher als Niemandsland 73 zu betrachten ist denn als Teil eines Staates in den von lKön 12 markierten Grenzen. Der territoriale Kern des späteren Königreiches Israel wird in derselben Region gelegen haben wie seine spätere Metropolregion, nämlich in Zentralsamaria, wo Jerobeam I. mit Sichern seine (erste) Residenz errichtete 74 . Von hier aus hat das spätere Nordreich sich wahrscheinlich zunächst nach Norden und zur Küste hin ausgedehnt, bevor es Zugriff auf das Bergland von Bet-El unternahm. Im Hinblick auf das 10. Jh. treten der biblische Bericht und das materiale Zeugnis in Bet-El weit auseinander. Der Text suggeriert die Gründung eines Staates in einem klar abgegrenzten Territorium und eine zentralisierte königliche Regierung. Das archäologisch gewonnene Bild der Region um Bet-El im in Frage kommenden Zeitraum ergibt einen anderen Befund. Zentral organisierte Verwaltungsmaßnahmen im Sinne von Bauten oder Versorgungseinrichtungen ließen sich im 10./9. Jh. an keiner Stelle zweifelsfrei nachweisen. Stattdessen ist die 72

Neuordnung der philistäischen R e g i o n und A u s g r e i f e n Zentralsamarias auf die Jesreelebene, vgl. I. FINKELSTEIN, Campaign, 129. 73

In seiner Rekonstruktion geht I. FINKELSTEIN, Campaign, 125 davon aus, dass Schoschenq das benjaminitische Gebiet Jerusalem zur Nutznießung überließ. Das würde bedeuten, dass die Region um Bet-El in dieser Zeit eher nach Juda/Jerusalem orientiert war. Die Rekonstruktion dieses Anspruchs Jerusalems auf Benjamin ist ansprechend, aber hypothetisch. 74 An Wahl und Wechsel der Residenzen Jerobeams hat sich eine Reihe historischer Überlegungen über die Art und die Verfassung des israelitischen Königtums geknüpft (Ausführlich: JOHANNES P.J. OLIVIER, In Search of a Capital for the Northern Kingdom: J N W S L 11 ( 1 9 8 3 ) , 1 1 7 - 1 3 2 ) .

172

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

Region von einer Vielzahl urbanisierter Dörfer im Umkreis zentraler Verkehrsverbindungen besiedelt. Die Dörfer stehen untereinander im Austausch und zeigen eine regional geprägte Kultur; Bet-El bildet den nördlichen Hauptort dieser Region. Dieser Befund spricht gegen ein organisiertes Staatswesen zumindest im Grenzland bzw. für noch Undefinierte Staatsgrenzen. Ausweislich der biblischen Textüberlieferung blieb die Region um Bet-El noch für eine längere Zeit zwischen Israel und Juda umstritten. Die endgültige Grenzziehung zwischen den beiden Königreichen im Bereich des Wädl Gilyän mit Mizpa, Geba und Rama auf der Süd-, Michmas und Bet-El auf der Nordseite ist nach l K ö n 15,16-22 ein Ereignis des 9. Jhs. Das dürfte tatsächlich der früheste Zeitpunkt sein, um so etwas wie Staatsgrenzen anzusetzen. Kulturell blieb diese Grenze aber durchlässig; ein eiserner Vorhang ist sie nicht gewesen. Falls Bet-El wirklich so früh an das Königreich Israel gefallen ist, muss gefragt werden, ob sich darin mehr ausdrückt als ein nomineller territorialer Anspruch oder ein kurzfristiges Ereignis. Auf jeden Fall fehlt die sichere Quelle. Die „Reichsteilung" ist daher in historischer Perspektive als ein lang andauernder Prozess zu begreifen, der in der biblischen Darstellung im Interesse der theologischen Zielsetzung auf ein Ereignis zusammengedrängt und in frühere Zeiten zurückprojiziert wird. Die ideale Geographie von l K ö n 12,25-30* schreibt eine Erinnerung fest, die ins 8. Jh. gehört. Erst hier gewann, wie die historische Rückfrage an die Arnos- und Hoseatexte zeigen konnte, das Reich Israel die Mittel und die Möglichkeit zu solcher Ausdehnung seines Herrschaftsgebiets. Anders gesagt: Der Jerobeam von l K ö n 12 ist Jerobeam II., nicht Jerobeam I. Er war der König Israels, der in der Lage war, die in l K ö n 12 beschriebenen Maßnahmen durchzuführen. Tatsächlich lässt sich die historische Herrscherpersönlichkeit nicht exakt fixieren. Entscheidend ist ohnehin allein der Vorgang, der mit dem Gründungsvater des Nordreichs verbunden wird. Die Erinnerung an ein Großreich Israel, das sich in einer Konfrontation mit Juda befand, ist daher zur Zeit der Abfassung der Grundschrift der Königebücher nur etwa zweihundert Jahre alt. Ihr spezifisches Profil ist durch die Bücher Arnos und Hosea vermittelt und wird im Interesse der theologischen Zielsetzung des Werks in das 10. Jh. zurückprojiziert. 1.2.2 Erzählzeit: Bet-El im 6. Jh. Mangels eindeutigen Quellenmaterials muss die Geschichte Bet-Els immer hypothetisch bleiben. Das gilt in besonderem Maße für die Zeit nach 720, denn hier geben auch die Texte nur sehr vage Hinweise. Zur Zeit der sukzessiven assyrischen Eroberung des Königreiches Israel (738-720) gehörte Bet-El zum territorialen Bestand dieses Staates, wie sich an Hos 10 erweisen lässt. Von der assyrischen Präsenz nach 720 lassen sich in Bet-El keine

Bet-El in der Grundschrift

der

Königebücher

173

Spuren finden. Auch das Schicksal des Stierbildes bleibt unklar. Hos 10,5 baut seine Kritik - wie gezeigt - darauf auf, dass das Stierbild den Assyrern ausgeliefert wurde. Falls es im Zusammenhang mit der assyrischen Eroberung Israels verschwunden ist, wäre eine Verschleppung des Bildes wahrscheinlicher als seine Zerstörung 75 . Dass jedoch die Assyrer überhaupt in der Region um Bet-El operierten, lässt sich nicht belegen. Die einschlägigen Texte aus dem Arnos- und dem Hoseabuch zeigen nur, dass Bet-El von der assyrischen Besatzung Israels in Mitleidenschaft gezogen wurde. Allerdings muss aufgrund von Am 7,10-17 vermutet werden, dass die Bet-Eler Priesterschaft - zumindest die des königlichen Heiligtums - in assyrischer Zeit tatsächlich deportiert wurde. In aller Regel wurden in assyrischer und babylonischer Zeit Kulte auch im eroberten Gebiet wieder aufgenommen 7 6 . Für Bet-El ist dies schon deswegen anzunehmen, weil dort schon vor der Etablierung des Königsheiligtums mit dem Stierbild ein regional bedeutendes Heiligtum bestand. An diese Tradition hat das Bet-Eler Heiligtum nach dem 8. Jh. wahrscheinlich angeknüpft. Nach dem Desaster von 720 ist dagegen eine Kontinuität des Heiligtums mit dem Stierbild wenig wahrscheinlich 77 . Die Erinnerungen an dieses neukonstituierte Heiligtum haben sich in Gen 28; 35 erhalten, sie zeigen eine Diskontinuität zum königlichen Heiligtum des Königreiches Israel. Der „Nachkriegskult" von Bet-El war der Bewältigung der neuen Situation gewidmet; denkbar ist, dass er auch assyrische oder andere religiös-kultische Impulse von Umsiedlern aufnahm, doch darüber fehlen Nachrichten. Texte, die sich dahingehend interpretieren lassen, stammen eindeutig aus späterer Zeit 78 . Bet-El ist irgendwann zwischen dem 8. und dem 6. Jh. an judäisches Territorium gefallen. Die Heimkehrerliste von Esr 2,20-35 = Neh 7,25-35 repräsentiert hierfür den Terminus ad quem. Der Vorgang, der zu dieser territorialen Neuordnung führt, lässt sich nicht genau bestimmen. Mit dem 75

Einen assyrischen Eingriff in das Heiligtum von Bet-El könnte man im Rahmen einer Plünderung sehen, bei dem das gesamte Kultinventar einschließlich der Priester abtransportiert wurde, vgl. ANGELIKA BERLEJUNG, Notlösungen - Altorientalische Nachrichten über den Tempelkult in Nachkriegszeiten, in: ULRICH HÜBNER/ERNST AXEL KNAUF (HG.), Kein Land für sich allein. Studien zum Kulturkontakt in Kanaan, Israel/Palästina und Ebirnäri für Manfred Weippert zum 65. Geburtstag, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 2 0 0 2 (OBO 186), 196-230, hier 198-200. 76 A. BERLEJUNG, Notlösungen, 207-220. 77 Es erscheint daher kaum plausibel, dass ein zerstörtes oder deportiertes Stierbild in Bet-El durch ein neues ersetzt wurde (A. BERLEJUNG, Notlösungen, 213-216). Falls es im Bet-El des späten 8. Jhs. eine materiale Präsenz der Gottheit gegeben hat, kommt eher die Mazzebe v o n Gen 28; 35 in Betracht. Falls das Stierbild die assyrische Eroberung überlebt haben sollte, ist auch eine spätere Zerstörung prinzipiell denkbar (J. PAKKALA, Sin, 9 0 - 9 2 ; C . UEHLINGER, E x o d u s , 5 7 ) . 78

Anders B. BECKING, From Apostasy, 279-281.

174

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

/m/Ar-Stempel aus Betin ist das 8. Jh. als frühestmöglicher Termin bestimmt, doch auf welche Kontakte Bet-Els mit Juda/Jerusalem das Artefakt hinweist, bleibt unsicher 79 . 2Kön 23,15 (16-20) lässt sich nicht für eine gezielte Annexion Bet-Els durch Josia geltend machen. Der Vers setzt BetEls Zugehörigkeit zu Josias Herrschaftsgebiet schon voraus. Im Josuabuch erscheint Bet-El in den Stämmelisten Jos 16,1-4; 18,11-14 und markiert die Grenze Benjamins. Beim literarischen Wachstum der Listen ist mit einem erheblichen Anteil schriftgelehrter Arbeit jenseits deuteronomistischer Traditionsbildung zu rechnen 8 0 . Hier ist eine historische Rückfrage kaum möglich. Schärfere historische Konturen zeigen die Städtelisten Jos 15,21-62 (Juda); 18,21-26 (Benjamin); 19,2-8 (Simeon); 19,40-46 (Dan). Sie dienen verwaltungstechnischen und/ oder demographischen Zwecken. Bet-El erscheint hier als Stadt in Benjamin. Albrecht Alt hat aus den Listen eine Distrikteinteilung eines Groß-Juda in der Zeit Josias rekonstruiert 8 1 , zuletzt hat Nadav Na'aman die Juda- und die Benjaminliste als ursprünglich zusammengehöriges Dokument wieder in die Josiazeit datiert 8 2 . Obwohl dabei der historische Hintergrund für eine Nordexpansion Judas unter Josia durchaus zutreffend beschrieben ist 83 , repräsentiert die Städteliste Benjamins in Jos 18,21-28 eher eine andere Zeit. Jerusalem gehört eigentlich nicht zum benjaminitischen Gebiet. Dass die Königsstadt in einen Verwaltungsdistrikt integriert wird, der noch dazu geographisch angeordnet ist, scheint unwahrscheinlich 8 4 . Die Städteliste Benjamins spiegelt daher Verhältnisse der babylonischen oder gar erst der frühen persischen Zeit. Das Listenmaterial des Josuabuches stellt in seiner literarischen Konfiguration eine Sinnfigur eigener Art dar 8 5 , die nachexilischer Herkunft ist. Die literarische Konfiguration, die den staatlichen Horizont ja gerade ausblenden will, hat hier die Ursprünge der Einzellisten gründlich verwischt. 79 Vgl. K. KOENEN, Bethel, 51. Nach NADAV NA'AMAN, The Kingdom of Judah under Josiah, in: DERS., Ancient Israel and its Neighbors. Interaction and Counteraction. Collected Essays Vol. I., Winona Lake/In., 2005, 329-398, hier 331 gehören die Imlk-Krüge in den Zusammenhang des Palästinafeldzugs Sanheribs. Dass Hiskia sich bei seiner Revolte der verkehrstechnisch und strategisch wichtigen Region um Bet-El bemächtigte, ist möglich, doch bleibt der Stempel aus Betin ein Einzelstück, das kaum Aufschluss gibt. 80 Vgl. MARTIN NOTH, Studien zu den historisch-geographischen Dokumenten des Josuabuches, in: DERS., Aufsätze zur biblischen Landes- und Altertumskunde. Bd. 1: Archäologische, exegetische und topographische Untersuchungen zur Geschichte Israels.

HG. v o n HANS WALTER WOLFF, N e u k i r c h e n - V l u y n 1971, 2 2 9 - 2 8 0 , hier 2 2 9 - 2 4 1 ; VOLK-

MAR FRITZ, Das Buch Josua, Tübingen 1994 (HAT 1/7), 154-160. Kritisch: ENZO CORTESE, Josua 13-21. Ein priesterschriftlicher Abschnitt im Deuteronomistischen Geschichtswerk, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1990 (OBO 94). 81 ALBRECHT ALT, Judas Gaue unter Josia, in: DERS., Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel II, München 3 1964, 276-288. Zur Diskussion vgl. N. NA'AMAN, Kingdom, 331-334. 82 N. NA'AMAN, Kingdom, 339. 83 N. NA'AMAN, Kingdom, 361-369. 84 Vgl. dazu auch N. NA'AMAN, Kingdom, 336.347. 85 Vgl. V. FRITZ, HAT 1/7, 14-17; CHRISTOPH LEVIN, Das System der zwölf Stämme Israels, in: DERS., Fortschreibungen. Gesammelte Studien zum Alten Testament, Berlin/New York 2003 ( B Z A W 3 1 6 ) , 111-123.

Bet-El in der Grundschrift

der

Königebücher

175

Zu Beginn des 7. Jhs. gerieten auch Juda und Jerusalem massiv unter assyrischen Druck und wurden in das assyrische Tributsystem eingegliedert. So ergibt sich vom 7.Jh. an keine trennscharfe Grenzlinie zwischen der assyrischen Provinz Samerina und dem nur noch teilautonomen Juda. Da Bet-El an der Peripherie Samerlnas, aber im Aktionsradius Jerusalems liegt, ist wahrscheinlich, dass die Hinwendung Bet-Els nach Juda durch Jerusalem veranlasst war: Eine Nutzung der Bet-Eler Verkehrswege war für Hiskia und seine Nachfolger genauso von Vorteil wie für die Könige Israels. Nach 701 widmeten die Assyrer diesem recht abgelegenen Teil ihres Großreichs keine militärische Aufmerksamkeit mehr 86 . Assurs Kräfte blieben weitgehend auf die Küste konzentriert. Von dieser pax Assyriaca profitierte nicht zuletzt Jerusalem selbst 87 . Mit dem Nachlassen des assyrischen Drucks auf Palästina gewannen die Könige Judas wieder größeren politischen Handlungsspielraum 88 . Für den gesamten Zeitraum zwischen dem 8. und dem späten 7. Jh. ist über Bet-El nicht viel in Erfahrung zu bringen. Sehr wahrscheinlich war seine Bedeutung für Juda vor allem strategischer und wirtschaftlicher Natur. Im Zuge des Aufschwungs Jerusalems und mit der Erfahrung von 701 im Rücken 8 9 hat sich jenes Bewusstsein der Zentrumsrolle Jerusalems für Juda herausgebildet, auf das die exilischen Bet-El-Texte zielen. Mit dem zunehmenden Problem der außenpolitischen Optionen Judas am Ende der assyrischen Zeit - Anlehnung an Ägypten, Assur oder Babylon - geriet indes auch die Erinnerung an Israels Schicksal wieder in den Blick: Die Rolle Bet-Els bei dessen Untergang wird von den prophetischen Texten Am 7,10-17; Jer 48,13 reflektiert. Den größten historischen Einschnitt in dieser Region bildet zweifelsohne die Eroberung und Zerstörung Jerusalems 597 und 587/6. Material und demographisch haben sich Jerusalem und Juda von der babylonischen Eroberung bis weit in die persische Zeit nicht erholt 90 . Entscheidend für die Frage nach Bet-El sind indes die politischen Folgen, die sich in den Literatur widerspiegeln. Die Eroberung und Zerstörung Jerusalems war eine gezielte Strafaktion der Babylonier gegen die Stadt und das Königshaus. Gleichzeitig unternahmen die Babylonier eine Neuordnung der späteren Provinz, indem sie eine probabylonische Führungsschicht unter Führung Gedaljas in Mizpa 86

Vgl. aber zu Jes 10 H. WLLDBERGER, BK X / l , 430-432.

87

V g l . N . NA'AMAN, K i n g d o m , 3 3 6 f .

88

N. NA'AMAN, Kingdom, 361-369. 89 Vgl. ODED LlPSCHITS, Judah, Jerusalem and the Temple 586-539: Transeuphratene 22 (2001), 129-142, hier 129f. 90 Vgl. O. LlPSCHITS, Judah, 133.140f.; DERS., Demographic Changes in Judah bet w e e n t h e S e v e n t h a n d F i f t h C e n t u r i e s B . C . E . , in: ODED LIPSCHITS/JOSEPH BLENKINSOPP

(HG.), Judah and the Judeans in the Neo-Babylonian Period, Sheffield 2003, 323-376.

176

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

etablierten 91 . Demzufolge blieb Benjamin von der babylonischen Kriegführung verschont und wurde sogar gezielt zur neuen Metropolregion Judas aufgebaut 92 . Die politische Tragweite dieser Entscheidung ist kaum zu überschätzen und wirkt noch lange in der Geschichtsschreibung nach. Im Land verbliebene Davididen und ihre Parteigänger waren nicht geneigt, die Entscheidung der Babylonier widerstandslos zu akzeptieren: Gedalja wurde ermordet (vgl. Jer 40-41). Die exilische und frühnachexilische Literatur des Alten Testaments reflektiert die gesamte Situation auf je unterschiedliche Weise 93 . Wie stark Bet-El von der neuen babylonischen Politik profitieren konnte, ist nicht deutlich. In Betini Bet-El lässt sich material kein Aufschwung nachweisen, allenfalls eine kontinuierliche Besiedlung. Die traditionell schwierigen Lebensbedingungen, die für Bet-El eine große Ausdehnung verhindern, müssen auch für diese Phase in Rechnung gestellt werden. Sie mögen aber dadurch erleichtert worden sein, dass Bet-El für diesen Zeitraum, d.h. zwischen dem 6. und der Mitte des 5. Jhs., im Kontext einer Region mit guter Infrastruktur stand. Für Bet-El als Stadt gilt erneut, dass seine Verkehrswege eine gewisse Bedeutung gesichert haben mögen. Von hier aus ist nicht nur Samaria erreichbar, das Zentrum der Region, sondern auch Jericho und damit der von Juda abgeschnittene Osten 94 . Zu berücksichtigen bleibt in jedem Fall, dass auch diese Region nicht völlig aus der babylonischen Kontrolle entlassen wurde. Im Jahr 582 fand noch einmal eine Deportation aus Juda statt 95 , und Bet-El wurde in dieser Zeit auch einmal schwer zerstört. Die Städteliste von Benjamin Jos 18,21-28 könnte in diesen Zusammenhang der babylonischen Besatzung gehören. Da Text- und materiales Zeugnis letztlich nicht vollständig zur Deckung zu bringen sind, bleibt jede Rekonstruktion hypothetisch 96 . Ganz offensichtlich fanden hier kultische Begehungen statt - möglicherweise nicht unwidersprochen (Hos 4,15; Am 5) - aber sicher, um die Trauer und Verunsicherung der Nachkriegszeit zu bewältigen. Insofern nimmt Bet-El nach 587 dieselbe Rolle ein wie nach 720, allerdings in privilegierterer politischer Position. Nicht belegen lässt sich indes, dass Bet-El in der Exilszeit die Rolle des zentralen Heiligtums für Juda innehatte. 91 2Kön 25; Jer 37-40: R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 366-373; O. LLPSCHITS, History, 156-162; DERS., Judah, 132. 92 Vgl. O. LlPSCHITS, Judah, 131; D. EDELMAN, Origins, Kap. 5, S. 30-33.44f.47-50. Zu Mizpa: J.R. ZORN, Problem, 412-447. 93 Vgl. CHARLES E. CARTER, Ideology and Archaeology in the Neo-Baby Ionian Period: Excavating Text and Tell, in: ODED LIPSCHITS/JOSEPH BLENKINSOPP (HG.), Judah and the Judeans in the Neo-Babylonian Period, Sheffield 2003, 301-322. Anders HANS M. BARSTAD, The Myth of the Empty Land, in: O. LIPSCHITS/J. BLENKINSOPP (HG.), Judah, 3-20. 94 O. LlPSCHITS, History, 180. 95 Jer 52,30. Die Deportierten könnten die Heimkehrer von Esr 2; Neh 7 sein. 96 J.R. ZORN, Problem, 414 rechnet nicht mit einer Zugehörigkeit Bet-Els zu Benjamin.

Bet-El in der Grundschrift

der

177

Königebücher

Exkurs: Sach 7,2 und der Kult in Bet-El während der

Exilszeit

Die Diskussion um Bet-El in der Exilszeit wird entscheidend von der Interpretation von Sach 7,2 bestimmt. Nach Ansicht einer Reihe von Forschern belegt der Vers, dass Bet-El im 6. Jh. Judas Zentralheiligtum darstellte. Sach 7,1-14 9 7 berichtet von einer Anfrage an die Priester und Propheten des Jerusalemer Tempels. Gefragt wird, ob und wie noch Trauergottesdienste außerhalb Jerusalems gefeiert werden können, da sich der Zweite Tempel bereits im Bau befindet. Im Datierungssystem des Sacharjabuches datiert die Begebenheit ins Jahr 518. Eine Antwort der Jerusalemer ist nicht überliefert, stattdessen zielt die Antwort des Propheten ganz im Stil vorexilischer bzw. früh-deuteronomistischer Prophetentexte auf den Vorrang rechten Verhaltens vor kultischen Akten 9 8 . In Sach 7,2-3a wird die Anfrage folgendermaßen eingeleitet: iSK'lto ^ N ' r r a n ^ ü ' l niNas rnrrTrn 1 ? -ras D ^ n ä r r b K i o K b n i r r ' « " n « ni^n 1 ? v ü j k i ^ S n - n n i . Dabei ist ausgeschlossen, dass Bet-El das Ziel der Delegation ist. Dies ist vielmehr eindeutig der Jerusalemer Tempel 9 9 . Das ungezwungenste Verständnis des schwierigen Satzes ergibt sich, wenn man die Stadt Bet-El als Subjekt des Satzes auffasst, die die beiden Männer Sarezer und Regem-Melech sowie dessen Gefolgsleute mit der Anfrage betraut. Zwar bleibt der Ortsname als Subjekt von ungewöhnlich 1 0 0 , doch diese Lesart bietet die wenigsten sprachlichen Probleme und fügt sich auch gut in den näheren und weiteren Kontext des Sacharjabuches 1 0 1 . Mithin kann Sach 7,2 die Beweislast für das exilische Zentralheiligtum in Bet-El schon textlich nicht recht tragen. Obwohl Bet-El selbst keine privilegierte narrative Rolle

97

Z u r T e x t a b g r e n z u n g v g l . HENNING GRAF REVENTLOW, D i e P r o p h e t e n

Haggai,

Sacharja, Maleachi, Göttingen 1993 (ATD 25/2), 74; ROBERT HANHART, Dodekapropheton 7.1: Sacharja 1-8, Neukirchen-Vluyn 1998 (BK XIV/7.1), 452-461.482f. 98 Das JHWH-Wort V. 9 bietet eine Kombination aus Motiven aus Arnos, Hosea, Mic h a u n d d e m D e u t e r o n o m i u m , v g l . H . GRAF REVENTLOW, A T D 2 5 / 2 , 7 4 - 7 6 . V g l . a u ß e r -

dem YAIR HOFFMAN, The Fasts in the Book of Zechariah and the Fashioning of National R e m e m b r a n c e , in: ODED LIPSCHITS/JOSEPH BLENKINSOPP ( H G . ) , J u d a h a n d t h e J u d e a n s in

the Neo-Babylonian Period, Sheffield 2003, 169-218, hier 169f. 99 Bet-El lässt sich zwar als adverbieller Akkusativ geltend machen, der Kontext ist hier aber ausschlaggebend, vgl. J. SCHAPER, Priester, 170. Weniger Gewicht hat indes das kontextuelle Argument von R. HANHART, BK, 464, nach dem Bet-El deswegen nicht als Ziel in Frage kommt, weil es im Sacharjabuch sonst keine Rolle spielt. Auch die genannten Personen sind dort nicht belegt. Vom Bet-El als Ziel der Delegation geht zuletzt J. BLENKINSOPP, Priesthood, 32f. DERS., Bethel, lOOf. aus. 100

J. BLENKINSOPP, P r i e s t h o o d , 3 3 ; K . KOENEN, B e t h e l , 6 3 .

101

V g l . a u c h T . VEIJOLA, V e r h e i ß u n g , 1 9 5 f ; WILHELM RUDOLPH, H a g g a i - S a c h a r j a

1-8 - Sacharja 9-14 - Maleachi, Gütersloh 1976 (KAT 13/4); J. SCHAPER, Priester, 170; Y. HOFFMAN, Fasts, 200f. Zieht man Bet-El zum Personennamen Sarezer (was nicht ausgeschlossen ist), ergibt ebenfalls die Frage nach der Singularform des Verbs "[bli (H. GRAF REVENTLOW, ATD 25/2, 74 votiert für ein distributives Verständnis; ähnlich auch R. HANHART, BK 464fi). Versteht man dagegen Bet-El nicht primär als Ortsname, sondern als Gemeinschaft, erklärt sich sowohl der Singular als auch das „Ich" der Anfrage (vgl. auch Ri 20,23.28). Dass Sach 7,2 somit Sach 8 vorbereitet (T. VEIJOLA, Verheissung, 196) lässt sich nicht mit dem Verweis auf den Universalismus von Sach 8 entkräft e n ( R . HANHART, B K , 4 6 4 ) .

178

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

in Sach 7 spielt, ist der literarische und theologische Duktus des Kapitels zu beachten 1 0 2 . Als Gesamttext ist Sach 7 das Ergebnis einer nachexilischen Komposition, in der die bis dahin - d.h. bis in die Entstehungszeit des Sacharjabuches - bestehende Praxis unterschiedlicher Fasten- und Trauerriten in der Konstruktion eines einheitlichen Trauerfastens ganz Israels während der Exilszeit aufgefangen wird. Während der Exilszeit wurden Fastenriten als Gedenkfeiern zu unterschiedlichen Terminen und aus unterschiedlichen Anlässen begangen: zum Gedenken der Bresche in der Stadtmauer im 4. Monat (Jer 52,6-7), zum Gedenken der Tempelzerstörung im Monat Ab (Jer 52,12-13; 2Kön 25,8-9), zum Gedenken der Ermordung Gedaljas im 7. Monat (Sach 7,5; 8,19) und zum Gedenken der Belagerung Jerusalems im 10. Monat (Sach 8,19; Jer 52,4). In Sach 7 werden im Rückblick auf die gesamte Exilszeit (mtf a^syti HT) alle Fastenriten auf das Gedenken der Tempelzerstörung zugespitzt"". Dieses Fasten ist in der Perspektive Sacharjas bis zur endgültigen Restauration beizubehalten 104 . D.h. Sach 7 reflektiert nicht die Existenz eines mit Jerusalem konkurrierenden Zentralkults in Bet-El, sei er interimistisch durch die Flucht der Jerusalemer Priester nach Bet-El konzipiert gewesen 1 0 5 , sei er durch ein Erstarken der Bet-Eler Aaroniten veranlasst 106 . Vielmehr spiegelt sich in Sach 7 das Bestreben, vielfaltige kultische Praktiken aus der Exilszeit nachexilisch zu vereinheitlichen.

Insofern ist ein Kult in Bet-El während der frühnachexilischen Zeit mit Hilfe von Sach 7 durchaus zu belegen 107 . Das Leben war ja auch unter den Bedingungen der babylonischen Besatzung nicht überall unterbrochen. So haben an jeder intakten Kultstätte die üblichen Riten und Begehungen stattgefunden. Das gilt in besonderem Maße für die unzerstörte benj amini tische Region, aber auch sonst überall dort, wo sich - eventuell nach einer Übergangszeit - wieder Strukturen des Zusammenlebens etablieren konnten. Dabei ist damit zu rechnen, dass unter dem Eindruck des Zusammenbruchs Jerusalems lokale Kulte und Religionsformen (wieder) an Boden gewannen, wie dies auch für die politischen Strukturen vorauszusetzen ist. Das bedeutet aber, dass der von der Grundschrift der Königebücher historisch reflektierte Verlust der Einheit als Problem im Lande bestehen blieb' 08 . Hier hat die Bamotformel der Königsbücher ihren Sitz, die mit Rauch- und Schlachtopfern des Volkes die kultische Betätigung benennt, die auch abseits des Jerusalemer Tempels durchgeführt werden konnte 109 . Die liturgische Ausgestaltung dieser Riten bleibt weitgehend im Dunkeln.

102

Vgl. zum Folgenden Y. HOFFMAN, Fasts, 174-207 Y. HOFFMAN, Fasts, 205f. 104 Y. HOFFMAN, Fasts, 172f.207f. 105 Vgl. ROBERT H. KENNETT, The Origin of the Aaronite Priesthood: JThSt 6 (1905), 161-168. 106 J. BLENKINSOPP, Priesthood, 30f.; DERS., Bethel, 101-104 107 Dagegen H.W WOLFF, Ende, 291; K. KOENEN, Bethel, 52-59. 108 Vgl. auch R.G. KRATZ, Ort, 119f. 109 Vgl. dazu J. SCHAPER, Priester, 165f. 103

Bet-El in der Grundschrift der

Königebücher

179

Hier ist - j e nach Ortstradition und Zustand der Kultstätte - ein recht breites Spektrum möglich 110 . Der so skizzierte Nachkriegskult im Juda der Exilszeit dürfte kaum auf Bet-El beschränkt gewesen sein, wenn er sich dort nach dem Willen der Textüberlieferung auch bündelt. Vor allem aber handelt es sich dabei nicht um eine gezielte Konkurrenz zu Jerusalem, sondern allenfalls um ein Interim. Soweit aus der Grundschrift der Königebücher, Am 5,6; 4,6-11 und Hos 4,15 historische Rückschlüsse möglich sind, hatte der Kult in Bet-El während der Exilszeit den Sinn und das Ziel, ein Weiterleben unter den Bedingungen der Exilszeit zu gestalten. Der dezentrale Kult der Exilszeit ist ein Ergebnis historischen Zufalls und religiöser Notwendigkeit. Man darf daher voraussetzen - da für Bet-El materiale Zeugnisse fehlen - dass dem nunmehr wieder in den Horizont des Lokalkultes eingebundenen Kult in Bet-El das Element der Klage und der Trauer zuwuchs, zumindest bis zum Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels. Auch ein Opferkult - zumindest mit Sehlachtopfern - ist denkbar. Der Gott dieses Kultes ist JHWH als der Gott Israels, zumindest in der Perspektive der Texte. Die ständige Bedrohung durch die Babylonier blieb die Gefahr, welcher der Kult in der Exilszeit zu begegnen hatte (vgl. Am 5,6) U 1 und er berief sich auf JHWH. Zwischen diesem Nachkriegskult und der Entstehung der Grundschrift der Königebücher besteht ein sachlicher Zusammenhang, aber kein literarischer. Die Grundschrift der Königebücher wurde von politischen Eliten getragen, deren theologische Reflexion keine kultischen Elemente aufnahm. Impulse aus dem Kult in Bet-El aus der Exilszeit finden sich daher nur im Amosbuch und in der vorpriesterlichen Vätergeschichte. 1.3

Schicksal und Schuld:

Zusammenfassung

Aus der Textanalyse geht hervor, dass l K ö n 12,25-30* Teil eines geschichtstheologischen Systems sind, das dazu dient, das Trauma von Samaria und die Katastrophe Jerusalems zu verstehen und zu deuten. Die „Reichsteilung" spielt dabei als Grund der Unheilsgeschichte Israels eine wichtige Rolle. Es ist die Trennung der beiden Bruderstaaten voneinander, der sie beide in ihre Katastrophe führt. Dazu werden Jerobeams Motive ausführlich erzählt und zu einer Ätiologie des Nordreichs ausgebaut: Das Territorium zwischen Dan und Bet-El, Sichern und Pnuel entstand bei der Gründung Israels und ging mit diesem unter. Bet-El hat in diesem Staat die Rolle eines königlichen Heiligtums und markiert gleichzeitig die Südgrenze des Reiches. Dies sind die Eckpunkte der Erinnerung an Bet-El im Rahmen der Grundschrift des Deuteronomistischen Geschichtswerks. Da 110 Vgl. A. BERLEJUNG, Notlösungen, 207-220; R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 385-387; T. VEIJOLA, Verheißung, 177-196. 111 Vgl. dazu A. BERLEJUNG, Notlösungen, 196f.

180

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

diese nicht vor dem 6. Jh. verfasst wurde und in lKön 11-14* wahrscheinlich wenig Quellenmaterial verarbeitet ist, erfüllt die Darstellung der „Reichsteilung" in lKön 11-14* die Bedingungen des Fiktiven, ist indes keine komplette Erfindung, sondern eine Konstruktion. Demnach ist es zur Aufstellung des Stierbildes nicht schon bei der Gründung des Nordreiches gekommen noch geht ihr eine noch ältere Kultbildtradition in Bet-El voraus. Vielmehr ist die Erinnerung an den bis: nicht älter als Hos 10,5. Die hoseanische Königskritik lässt Aufstieg und Fall des Königreiches Israel im bw von Bet-Awen konkret werden, worin seinerseits Am 5,5 nachwirkt. lKön 12 hat die Erinnerung an den b r j als Symbol für die Ursache für den Zusammenbruch Israels - den König nämlich - zur Gründungslegende des Nordreiches ausgebaut. Das Stierbild behält hier seine primäre religiöse Funktion: Es markiert das königliche Territorium, das jedoch von vornherein unter dem Verdikt des Untergangs steht. Diese Korrelation wird bei jedem Verweis auf die Sünde Jerobeams in Erinnerung gerufen und in 2Kön 17 schließlich ihrer Konsequenz zugeführt. In der starken Zuspitzung auf den Zusammenhang zwischen Königtum und Untergang bewahrt die deuteronomistische Grundschrift der Königsbücher das Erbe der hoseanischen Königskritik 112 . Der Untergang des Königreiches Israel und dessen Aufarbeitung in den prophetischen Büchern gibt den Anstoß zum Sinnbildungsprozess nach dem Untergang Jerusalems. Dabei wird jedoch die doppelte Erfahrung zur gemeinsamen Erfahrung, und an die Stelle der verfehlten Gotteserkenntnis durch Israel und seine Könige tritt das Schuldigwerden Judas und Israels an dem einen JHWH. Aus der Schicksalsgemeinschaft Israels und Judas wird die Schuldgemeinschaft der getrennten Reiche, die ursprünglich eines waren. Maßstab der Bewertung der Könige ist das mit dem Deuteronomium zusammenhängende Festhalten an der Reichs- und Kulteinheit. Dazu wird in 1 Kön 12 der Erinnerung an den einen bis in Bet-El die Fiktion des zweiten bis in Dan zur Seite gestellt. Spätestens hier ist die Erinnerung vollständig im Sinn aufgegangen, und Bet-El wird vor allem des Symbolwerts seines Namens wegen im Text als Sinnfigur eingesetzt. Es steht nun dem Haus Davids und dem Haus JHWHs in Jerusalem diametral entgegen. Dem bis kommt in diesem Aufriss nur noch dienende Funktion zu. In der Grundschrift der Königebücher liegt der Anfang der systematischen Geschichtsschreibung im Alten Testament. Sie greift auf vorliegende Uberlieferungsmaterialien zurück, die wohl noch zu keiner zusammenhängenden Geschichtsdarstellung ausgebaut waren 113 . Dazu wird auch das nicht mehr rekonstruierbare - annalistische Material der Königreiche Israel und Juda gehört haben, das einerseits die Abfolge der einzelnen Könige 112

V g l . R . G . KRATZ, I s r a e l , 11.

113

Vgl. dazu R.G. KRATZ, Komposition, 174-190.

Bet-El in der Grundschrift

der

Königebücher

181

mit ihrer relativen Chronologie, andererseits aber auch Aufzeichnungen über grundlegende Ereignisse bereitstellte. Auf dieser Basis wurde der synchronistische Königsrahmen geschaffen, der mit dem theologischen Urteil das literarisch-theologische Grundgerüst der Grandschrift der Königsbücher bildet. Dieser Rahmen ist in den Königebüchern nur um geringe, aber signifikante Episoden 114 ausgeschrieben worden, zu denen auch lKön 11 f. gehört. Der abgedeckte Zeitrahmen ist die Königszeit von Salomo bis zum Untergang Jerusalems; ein Ausblick auf die Begnadigung Jojachins (2Kön 25,27-30) fehlt noch. Mit diesem Zeitrahmen, der die Königszeit zum Gegenstand und Ziel der Darstellung macht, bleibt die frühexilische Zeit nach wie vor der sinnvollste historischer Rahmen für die Entstehung der Grundschrift der Königsbücher. Die bis dahin niemals dagewesene Erfahrung Judas von der Eroberung und Plünderung Jerusalems und der Deportation seiner Bewohnerschaft bildet das grundlegende Trauma Judas. Der Kultur- und Traditionsabbruch betraf vor allem Jerusalem und seine Eliten. Der Verlust von Tempel und Königtum ist von ihnen als die eigentliche Katastrophe empfunden worden. Dabei steht die Erfahrung im Vordergrund, dass eben gerade die Eliten und darin hauptsächlich das Königtum versagt haben. Ihr Versagen ist historisch plausibel zu machen und gleichzeitig eine Perspektive für das Weiterleben zu gewinnen. Damit hat die deuteronomistische Geschichtsschreibung das Erbe jener Tradition angetreten, die in Reflexion der Ereignisse von 720 die Bücher Arnos und Hosea generiert hat. Dass im Zusammenhang babylonischer Politik eine Verlagerung des administrativen, wirtschaftlichen und - möglicherweise - religiösen Zentrums Judas von Jerusalem nach Benjamin stattgefunden hat, das bis in die spätere nachexilische Zeit Bestand hatte, ergänzt das Problem der Niederlage noch um das aktuell bleibende Bewusstsein verlorener Einheit, umso mehr dadurch, dass diese Zentrumsverlagerung mit einem innerjudäischen Konflikt um die richtige außenpolitische Option einherging. Dieses Problem wird auch in späteren Zeiten immer wieder aktuell werden. Tatsächlich ist die Eroberung Jerusalems und Judas durch die Neubabylonier nicht die einzige traumatische Katastrophe auf dem Boden Israels und Palästinas. Ihr gehen die Eroberung Samarias und die Liquidation des Nordreiches Israel durch die Assyrer im Jahr 722 voraus. In historischer Perspektive ist diese Eroberung die größere Katastrophe: Die Deportation der Bevölkerung war wesentlich umfangreicher, die Ansiedlung neuer Bevölkerungsgruppen führte zum Verlust nationaler Identität, und die Autonomie des ehemaligen Nordreiches war für immer verloren. Die Flucht einer erheblichen Anzahl von Israeliten nach Juda/Jerusalem und ebenso die Vergrößerung judäischen Territoriums um einen Teil des vormaligen 114

Vgl. die Rekonstruktion bei E. WÜRTHWEIN, A T D 11/2, 504-513.

182

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

Gebietes Israels führte aber zu einer Vermischung von Judäern und Israeliten, die das Trauma von Samaria in den Erinnerungsschatz Judas einbrachte 115 . Die beiden Völker, die bis dahin historisch und politisch unterschiedliche Wege gegangen waren, verfugten über eine Reihe gemeinsamer sozialer, historischer und kultureller Charakteristika. Auf der Grundlage dieser gemeinsamen Erfahrungen konnte sich ein Gemeinsamkeitsbewusstsein entwickeln, dessen Anfange noch in der Zeit zwischen 722 und 587/6 liegen. Nach 587/6 wird dieses Gemeinschaftsbewusstsein vor dem Hintergrund der gemeinsamen Erfahrung des Untergangs umgesetzt in ein Bewusstsein nationaler und religiöser Einheit, das zur normativen Grundlage der Grundschrift der Königebücher und der verwandten Literatur wird. Diese Einheit Israels und Judas unter JHWH ist fiktiv, bildet aber die erste Möglichkeit, den Geschichtsverlauf, d.h. beide Untergänge, als schuldhaftes Versagen gegenüber JHWH zu begreifen und dementsprechend zu verarbeiten. Dabei wird die historische und politische Eigenständigkeit des ehemaligen Nordreichs gewissermaßen auch geschichtstheologisch beseitigt. Samaria überlebt nur als abtrünniger Teil des einen Israel 116 und um den Preis der Fiktion der Bruderschaft. Von dieser Fiktion ist die Grundschrift der Königebücher geprägt. Hier spielt Bet-El eine zentrale Rolle. Nach der Reichsteilung und der Errichtung Bet-Els als eines der beiden „Reichsheiligtümer" wird Bet-El in der Grundschrift der Königebücher nicht wieder erwähnt, sieht man einmal von der unergiebigen Nachricht lKön 16,34a ab. Auch auf Jerobeams Stierbilder wird an keiner Stelle der Grundschrift wieder explizit Bezug genommen. Die stetige Erwähnung der „Sünden Jerobeams b. Nebat" verweist auf die politische und religiöskultische Teilung Israels, für die die Stiere in Bet-El nur der symptomatische Ausdruck sind. Sowohl die politische Teilung als auch die religiöse Zersplitterung Israel/Judas blieben bis in die nachexilische Zeit erhalten. Aus diesem Grund bleibt Bet-El weiterhin ein Thema historischer Sinnbildung. Nach dem Exil wurden jedoch die Akzente neu gesetzt.

115

Vgl. zum Folgenden auch REINHARD G. KRATZ, Die Redaktion der Prophetenbücher, in: DERS./THOMAS KRÜGER (Hg.), Rezeption und Auslegung im Alten Testament und in seinem Umfeld. Ein Symposion aus Anlass des 60. Geburtstages von Odil Hannes Steck, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1997 (OBO 153), 9-27, hier 19f. 116 Vgl. R. G. KRATZ, Redaktion, 20; DERS., Israel, 8-12.

Bet-El in deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

183

2. „Und den Altar riss er nieder" (2Kön 23,15): Bet-El in deuteronomistischen Texten der Königebücher (Ex 32*; lKön 12,28.32; 2Kön 22-23*) Die geschichtstheologische Grundlage, die in der früh-deuteronomistischen Literatur gelegt wurde, wird in der Folgezeit weiter aus- und fortgeschrieben; Deuteronomium und Geschichtsschreibung wachsen im Verlauf dieses Prozesses zusammen. Bei der Fortschreibung der einzelnen Bücher zum späteren Geschichtswerk wandeln sich die theologischen Schwerpunkte. „Israel" wird neu definiert und wird zum Volk JHWHs, das seine grundlegende Gestalt im Exodus und am Sinai bekam. D.h. in dieser Literatur geht Israels Einheit endgültig jedem politischen Akt voraus und hat sich jenseits der Politik in der Treue zu JHWH zu bewähren. Damit wandelt sich das Sinnpotential von der Ätiologie der Katastrophe, auf die die Grundschrift der Königebücher zielte, zum Paradigma für die Bedingungen eines Lebens unter persischer Herrschaft. Das Kontinuum liegt dabei darin, in der Frühzeit Israels die Bedingungen für die Jetztzeit zu erblicken. Gleichzeitig werden die historischen Eckpunkte der theologischen Geschichtsschreibung neu bestimmt. Die Geschichte Israels als „Volk JHWHs" bekommt seinen programmatischen Beginn im Exodus und am Sinai, ihr Ende liegt nicht im Abbruch des Exils, sondern im programmatischen Aufbruch unter Josia. In diesen Rahmen wird die Bet-El-Überlieferung integriert. Die Vorgabe der Grundschrift der Königebücher von lKön 12* wird im eben skizzierten deuteronomistischen Horizont umgeschrieben. Dramaturgisch bekommt Jerobeams Tat eine Vorgeschichte in Ex 32* und eine Nachgeschichte in 2Kön 22-23*. Auf diese Weise wird die „Trennung" Israels von Juda zu einem einzelnen Akt einer groß angelegten Darstellung der Geschichte Israels. Charakteristischerweise ist der Bezug auf Bet-El selbst in diesen Texten eher gering, so sehr das Stierbild auch theologisch aufgewertet wird. Es steht (weiterhin) für einen Riss, der durch Israel geht, verliert aber seine historische Heimat. Das Ziel der deuteronomistischen BetEl-Texte ist es, auch Bet-El die Chance des Neubeginns zu gewähren. Die genuin deuteronomistische Traditionsbildung und Textproduktion nach ihrer Frühphase ist ein heterogenes Phänomen, dessen einzelne theologische und literarische Schwerpunkte in sich noch einmal diachron zu differenzieren sind. Dieser Versuch ist hier für die zentralen Bet-El-Texte Ex 32*, 2Kön 23 und lKön 12,26-32* mit der Konzentration auf die Frage nach Bet-El zu unternehmen.

184

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

Das Volk, Aaron und das Stierbild: Ex 32*

2.1

Die Erzählung vom Goldenen Kalb Ex 32 erzählt von Israels exemplarischem Sündenfall. Der Text verlegt mit einer neuen Ätiologie den b i s von Bet-El an den Sinai. Zwangsläufig ist Ex 32* keine Bet-El-Erzählung, gleichwohl zielt die Herstellung des Goldenen Kalbs (Vv. 1-6) auf das Stierbild von Bet-El. Ex 32,1-6 (1) Und es sah das Volk, dass Mose zauderte, vom Berg herabzusteigen. Und das Volk versammelte sich b e i 1 1 7 Aaron, und sie sprachen zu ihm: „Auf, mach uns Götter, die vor uns hergehen 1 1 8 ! Denn dieser Mann Mose, der uns heraufgeffihrt hat aus dem Land Ägypten - wir wissen nicht, was aus ihm geworden ist!" (2) Und Aaron sprach zu ihnen; „Reißt die goldenen Ringe ab, die eure Söhne und Töchter an den Ohren tragen, und bringt sie mir!" (3) Und das ganze Volk riss sich die goldenen Ringe ab, die sie an den Ohren trugen, und brachte sie zu Aaron. (4) Und er nahm (sie) aus ihrer Hand und bearbeitete es mit einem Meißel und machte einen gegossenen Jungstier daraus 1 1 9 . Und er sprach: „Dies sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägypten geführt haben!" 1 2 0 (5) Und Aaron sah es und baute einen Altar davor (und Aaron rief und sprach: „Ein Fest für JHWH ist morgen! " ) 1 2 1 (6) Und sie standen auf am Morgen und brachten Brandopfer dar (,..) 1 2 2 . Und dann setzte sich das Volk nieder, um zu essen und zu trinken. Und danach standen sie auf, um sich zu belustigen.

Die Herstellung des Goldenen Kalbs bildet den ersten Akt der Erzählung Ex 32* 123 . Er wird fortgesetzt durch Moses Strafaktion, Aarons Rechtfertigung und Moses Fürbitte und endet mit JHWHs aufgeschobenem Zorn (Vv. 15aa*. 19-20.21-24.30-34*). Damit eröffnet die Erzählung von vornherein die Perspektive auf den Untergang, den das Stierbild verursacht hat und erweist sich darin als abhängig von der Grundschrift der Königebü117

in MT zu bs verschrieben. Bei ~>m ist sowohl der Singular als auch der Plural möglich (GK 145i). Die Formulierung ist wahrscheinlich bewusst doppeldeutig. 119 Zu V. 4 ausführlich CHRISTOPH DOHMEN, Bilderverbot, 68-74. 120 Das einzelne Stierbild widerrät einer Plural-Auffassung des Präsentationsrufs. Die Pluralfassung ist nachträglich durch lKön 12 veranlasst. 121 Das funktionslose Fest ist ein Nachtrag aus l K ö n 12,32. 122 Zu den Schelamim vgl. JAN CHRISTIAN GERTZ, Beobachtungen zu Komposition 118

u n d R e d a k t i o n i n E x o d u s 3 2 - 3 4 , in: MATTHIAS KOCKERT/ERHARD BLUM ( H G . ) , G o t t e s

Volk am Sinai. Untersuchungen zu Ex 32-34 und Dtn 9-10, Gütersloh 2001 (VWGT 18), 88-106, hier 91. 123 Zur Textrekonstruktion vgl. ERIK AURELIUS, Der Fürbitter Israels. Eine Studie zum Mosebild im Alten Testament, Lund 1988 (CB.OT 27) 460; HANS-CHRISTOPH SCHMITT, Die Erzählung vom Goldenen Kalb Ex 32* und das Deuteronomistische Geschichtswerk, in: DERS., Theologie in Prophetie und Pentateuch. Gesammelte Schriften. H g . v o n ULRIKE SCHORN u n d MATTHIAS BÜTTNER, B e r l i n / N e w Y o r k 2 0 0 1 ( B Z A W 3 1 0 ) ,

311-325, hier 312; J. C. GERTZ, Beobachtungen, 94. Schmitt und Gertz haben Aurelius' bewährte Rekonstruktion um Vv. 21-24 ergänzt.

Bet-El in deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

185

eher, mithin von lKön 12*. Gleichzeitig enthält Ex 32* die Perspektive auf den Neubeginn Israels, der sich in der Treue zu JHWH und seinen Geboten ausdrückt. D.h. Ex 32* ist von Anfang an nicht nur auf die Herstellung des Stierbildes ausgerichtet, sondern auf dessen Zerstörung und die Alternative zum Bild: den am Sinai gestifteten Kult. Ex 32,1-6* gibt sich als Neufassung von lKön 12,25-30* zu erkennen 124 . Nicht nur das Material des bis stammt aus lKön 12. Auch die narrative Grundstruktur der Jerobeam-Erzählung schimmert noch durch. Auch in Ex 32* geht es um eine religiöse Fehlkalkulation, die ohne Rücksicht auf JHWHs Willen durchgeführt wird und sich eben darin als fatal erweist 125 . Anders als in lKön 12* geht in Ex 32* der Impuls zur Herstellung des Bildes direkt vom Volk aus. Wunschgemäß „macht" ( n t o ) Aaron den Gott. In Vv. 2-4 wird die schlichte Herstellungsnotiz zu einem Vorgang ausgeschrieben, der einen erheblichen Teil Polemik transportiert. Die Ohrringe als Ausgangsmaterial machen das entstehende Bild materialiter zur Repräsentationsfigur des Exodus. Ist schon dieser Sachverhalt nicht ohne Ironie formuliert 126 , so erinnert der sorgfältige Herstellungsprozess durchaus an den Spott, den Deuterojesaja über solche Tätigkeit und ihr Ergebnis ausgießt, umso mehr als Aaron sich in seiner Rechtfertigung (V. 24) noch von der Herstellung distanziert. Hier kommt eine Traditionslinie zum Abschluss, die mit Hoseas Kritik an einem verscherbelten Kultbild begann 127 . Der Bet-Eler b:si ist auf diesem Weg endgültig schon bei seiner Entstehung diskreditiert, indem er nicht nur als Gabe endet, sondern aus Beutegut hergestellt 128 wird und seine Herstellung nicht einmal mehr einer Herzensverirrung entspringt, sondern einer schuldhaften Verwechslung zwischen Gott und Bild. In Vv. 5-6 verlässt Ex 32* das Vorbild von lKön 12*. Indem Aaron dem byj einen Altar baut, wird unmissverständlich ein ketzerischer Kult inauguriert, der in einer regulären Opferzeremonie endet. Der Präsentationsruf - in der Erstfassung von Ex 32,4 noch singularisch formuliert bildet den Übergang: Das Bild ist der Gott, der ab sofort kultisch verehrt wird. Die Szene schließt in V. 6 mit einer Nachahmung der Bundesszene von Ex 24,9-11. Somit inszeniert Ex 32,1-6* insgesamt Israels Ursünde als Abfall vom Gott des Exodus in allen Einzelheiten 129 Alles, was bisher im Exodus und am Sinai normativ festgelegt wurde, erscheint hier wie in 124 Vgl. E. AURELIUS, Fürbitter, 94-100; H.-C. SCHMITT, Erzählung, 313f. Dabei wird indes ein mögliches diachrones Wachstum von lKön 12 zu wenig berücksichtigt. 125 J.C. GERTZ, Beobachtungen, 93. 126 E. BLUM, Studien, 54; J.C. GERTZ, Beobachtungen, 93f. 127 Ähnlich noch E. AURELIUS, Fürbitter, 91-93. 128 So J.C. GERTZ, Beobachtungen, 93. Anders ERHARD BLUM, Studien zur Komposition des Pentateuch, Berlin/New York 1990 (BZAW 189), 54. 129 Zu den Einzelelementen vgl. J.C. GERTZ, Beobachtungen, 89.

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„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

einem Zerrspiegel 130 . Wie zur Bestätigung wird der ganze Vorgang - nicht nur das Stierbild - in Vv. 21.20.31 als nbna nxtpn bezeichnet. So sehr Ex 32* auf die Grundschrift der Königebücher zielt und lKön 12* als Prolog vorausgeht, so klar ist zu erkennen, dass hier eine neue Stufe theologischer Sinnbildung erreicht ist. Das Stierbild wird von Bet-El an den Sinai verlegt und verliert so seinen Erinnerungswert an einen Sachverhalt des 8. Jhs. Das Stierbild wird vollständig aus seinem historischen Kontext herausgelöst und in die neue Konstellation Israel - Mose - Sinai eingebunden. Wie schon in lKön 12,25-30* ist der Vorgang selbst Angeld auf den Untergang. Im Unterschied zu lKön 12 wird dieser Konnex nicht einfach im Verlauf der Historie eingelöst, sondern sofort in Aussicht gestellt. Zwar kann Mose den Zorn JHWHs vorläufig abwenden, doch im Prinzip ist mit der Errichtung des Goldenen Kalbs das Verhältnis zwischen Israel und seinem Gott von Grund auf gestört, ein vollständiges Anknüpfen an den uranfänglichen Sinai wird nie mehr gegeben sein 131 . Die Reflexion über Israel tritt somit in eine neue Phase: Nicht mehr die Einheit des Gottesvolkes ist im Stierbild verraten worden, sondern Gott selbst 132 . Dementsprechend wird das Stierbild nicht mehr zum Symbol der historischen Teilung, sondern Sinnbild einer fatalen Einheit Israels in seiner Neigung zum Abfall. D.h. nicht mehr eine politische Einheit ist zerbrochen, sondern die grundsätzlich theologische zwischen JHWH und seinem Volk. Aus diesem Grund kehrt sich in Ex 32* die Rollenverteilung von lKön 12,25-30* um. Aarons Rolle in Ex 32* ist einigermaßen problematisch und nicht ganz konsistent 133 . Schon diese Anlage transportiert eine gelinde Kritik, so dass eine Isolierung einer tendenzneutralen Aaron-Überlieferung in Ex 32* nicht recht gelingen will 134 . Das Vorbild für den Aaron von Ex 32* ist der Jerobeam von lKön 12,25-30* 135 , kaum umgekehrt 136 . Falls Aarons Priestertum in Ex 32* überhaupt eine Rolle spielt 137 , dann das Priestertum in Israels Ursünde zu integrieren und zwar unter Berücksichtigung seiner dezidiert priesterlichen Aufgaben. Aaron stellt auf jeden Fall Israels gottgewolltes „allgemeines Priestertum" nachhaltig in Frage 138 . 130 131 132

133

E. AURELIUS, Fürbitter, 70.75f.; E. BLUM, Studien, 54. Vgl. E. BLUM, Studien, 54-56. V g l . dazu C. UEHLINGER, Exodus, 63f.

Zu den Einzelheiten vgl. E. BLUM, Studien, 55f. Versuche bei R. H. KENNETT, Origins, 166-168; R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 225; K. KOENEN, Bethel, 141-149; C. UEHLINGER, Exodus, 63f. 135 E. AURELIUS, Fürbitter, 77. 136 Zur vermeintlichen Ätiologie der Aaroniten in Ex 32* vgl. R. H. KENNETT, Origins, 161-168. Außerdem FRANCIS S. NORTH, Aaron's Rise in Prestige: ZAW 66 (1954), 191-199; MOSES ABERBACH/LEIVY SMOLAR, Aaron, Jeroboam, and the Golden Calves: JBL 86 (1967), 129-140; R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 224 (Lit.); J. SCHAPER, Priester, 170-173; J. BLENKINSOPP, Priesthood, 30-32; K. KOENEN, Bethel, 147f. Anders aber: AELREDCODY, A History of OT Priesthood, Rom 1969 (AnBib 35), 148. 137 Vgl. dazu J.C. GERTZ, Beobachtungen, 88-95. 138 Vgl. auch E. BLUM, Studien, 56. 134

Bet-El in deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

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Vor diesem Hintergrund bildet 1 Kön 12 den zweiten Akt einer Sündengeschichte. Ex 32* ist als Teil einer Komposition „KD" 139 den Geschichtsbüchern vorangestellt worden. In diesem Werk tritt die Perspektive auf eine gelingende Geschichte mit Gott gleichberechtigt neben die Bewältigung der Katastrophe140. Dieses Thema hat weiterhin seinen Sitz in den Königebüchern. 2.2

Der König am Altar: IKön

12,28.32

In Abhängigkeit von Ex 32* wird IKön 12,25-30 bearbeitet. Der älteren Gründungserzählung des Nordreichs wird ein neuer theologischer Schwerpunkt gegeben. Diese Bearbeitung verknüpft die Jerobeam-Episode nicht nur mit dem Sinai, sondern weist auch bereits auf die Herrschaft Josias (2Kön 22-23) voraus. Der ältere Entwurf der Grundschrift der Königebücher wird so in das größere Geschichtswerk integriert. Dabei verliert die Jerobeam-Perikope deutlich an Bezügen zu Bet-El. IKön 12,26-32*; 13,34 (26) Dann sprach Jerobeam in seinem Herzen: „Jetzt wird das Königtum zurückkehren zum Haus Davids. (27) Wenn dieses Volk hinaufzieht, um Schlachtopfer darzubringen im Haus JHWHs in Jerusalem, wird das Herz dieses Volkes zu ihrem Herrn, zu Rehabeam, dem König von Juda, zurückkehren." (28) Und der König ging mit sich zu Rate, und machte zwei goldene Jungstiere. Und dann sprach er zu ihnen: „Genug damit, dass ihr nach Jerusalem hinaufzieht! Siehe, Deine Götter, Israel, die Dich aus dem Land Ägypten heraufgefiihrt haben!" (29) Und er stellte den einen in Bet-El auf, und den anderen gab er nach Dan. (30) Und so geriet diese Sache zur Sünde. 141 (32) Und es machte Jerobeam ein Fest (...)142, wie das Fest, das in Juda war. Und er stieg hinauf auf den Altarw um zu opfern den Jungstieren, die er gemacht hatte144. 13,34 Und so wurde diese Sache zur Sünde des Hauses Jerobeam (es auszutilgen und zu vernichten vom Angesicht der Erde hinweg).

139

Konturen ausfuhrlich bei E. BLUM, Studien, 101-207; DERS., Die literarische Verbindung von Erzvätern und Exodus. Ein Gespräch mit neueren EndredaktionsH y p o t h e s e n , in: JAN CHRISTIAN GERTZ/KONRAD SCHMID/MARKUS WITTE (HG.), A b -

schied vom Jahwisten. Die Komposition des Hexateuch in der jüngsten Diskussion, Berlin/New York 2002 ( B Z A W 3 1 5 ) , 119-156, bes. 151-155. 140 Vgl. E. BLUM, Studien, 189-207. 141 V. 31 bildet weitere nacheinander gewachsene Fortschreibungen. 142 Der Termin des (Laubhütten-) Festes findet sich in Lev 23. Es handelt sich daher um eine spätere Terminierung, vgl. H.-D. HOFFMANN, Reform, 68f.; J. HAHN, Kalb, 288-292. 143 «w TTQ3 nilil p unterbricht den Satzzusammenhang und verortet das Opfer für beide Stiere direkt in Bet-El. Die Glosse will offenbar eine textliche Vereindeutigung herstellen. A n d e r s B H S ; M . NOTH, B K , 2 6 6 ; E. WÜRTHWEIN, A T D 11/1, 162; A. SCHENKER, T e x t -

geschichte, 36f. 144 Der Abschluss des Verses gehört in denselben Horizont wie V. 31.

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„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

Die Bearbeitung fügt den Präsentationsruf (V. 28b), Fest, Altar und Opfer (V. 32*) und die Abschlusswertung (13,34) in den älteren Erzählentwurf ein. Die Einzelelemente sind teils aus Ex 32*, teils aus 2Kön 23 entlehnt. Der Präsentationsruf V. 28b fügt sich nicht ganz spannungsfrei in den vorgegebenen Zusammenhang. Die Dramaturgie um die Leitworte „Herz" und „Haus" wird unterbrochen, und die Singularanrede an Israel ist nicht kohärent mit der Pluralanrede an das Volk 145 . In dieser Textanordnung, bei der die Identifikation der Bilder direkt auf ihre Herstellung folgt, wirkt das Vorbild von Ex 32* so stark nach, dass es die ältere Erzählgestalt überlagert. So wird das theologische Proprium von Ex 32* nach lKön 12 transportiert: Die Stierbilder sind nunmehr explizit als Götterbilder zu verstehen, nicht mehr (nur) als die Ersetzung eines zentralen Heiligtums. Indem indes der Gott des Exodus mit zwei Stierbildern identifiziert wird, tritt zur Missachtung des Bilderverbots mindestens implizit der Bruch des Ersten Gebots. D.h. Jerobeam wiederholt nicht einfach die Episode des Goldenen Kalbs, sondern seine Herrschaft markiert einen neuen Akt in Israels Unheilsgeschichte: den Abfall vom Ersten und Zweiten Gebot in der Königszeit. In der Perspektive der deuteronomistischen Textüberlieferung ist dieser Sachverhalt vor allem im historischen Sonderweg des Nordreichs in seiner Gesamtheit vollzogen. In Verbindung mit dem (älteren) V. 30 erscheint nun das ganze Nordreich mit dem Abfall von JHWH infiziert und Jerobeam als derjenige, der Israel zu diesem Abfall verführt hat. Trotzdem ist der Abfall nicht Sache des Nordreichs allein. Ab lKön 12 beginnt die prinzipiell gleichgeartete kultische Geschichte der geteilten Reiche, die in Juda wie in Israel zur Einrichtung kultisch inkriminierter Gegenstände führt 146 . D.h. religiös sind Israel und Juda weiterhin ein Volk, im Anspruch JHWHs wie im Abfall von ihm. Im Unterschied zu Ex 32* spielt das Volk in lKön 12,25-32 keine aktive Rolle mehr. Der Impuls zur Herstellung der Bilder geht nach wie vor vom König aus, der sich den Willen des Volkes zu eigen macht. Damit behält der theologische Entwurf der Königebücher gegenüber der Darstellung in Exodus bis Numeri in „KD" weiterhin einen eigenen Akzent. Zwar agiert Jerobeam in lKön 12,25-32 als Repräsentant eines Volkes, das prinzipiell zum Abfall von JHWH neigt, aber er allein gibt dem Willen seines Volkes überhaupt die Möglichkeit dazu. So wird Jerobeam hier zum exemplarischen Ketzerkönig, und diese Rolle bildet den Anknüpfungspunkt für Josia in 2Kön 22-23. Dem solcherart neu akzentuierten Vorgang von Vv. 25-30 wird in V. 32 eine neue Szene hinzugefügt. Die Wiederaufnahme markiert hier hinreichend die Fortschreibung. Das Leitwort von V. 32 ist n t o , das den Vers 145

Das Problem wird in der Regel unter Verweis auf die Verwendung einer liturgischen Formel gelöst: R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 223; K. KOENEN, Bethel, 143f. 146

V g l . H . SPIECKERMANN, J u d a , 1 6 0 - 2 2 6 .

Bet-El in deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

189

rahmt und sachlich an die vorige Szene zurückbindet 147 . Jerobeam baut gerade keinen Altar, um seine Stierbilder einzuweihen, und das Fest hat kein Vorbild in Ex 32*. Überdies wird der Bezug auf das Volk in V. 32 vollständig aufgegeben. Jerobeam „macht" das Fest, besteigt den Altar und opfert den Jungstieren. Diese Szene bildet nicht nur einen narrativen Neuansatz nach V. 30, sondern markiert auch einen qualitativen Unterschied zu Vv. 25-30*. Waren Jerobeams Maßnahmen in der Grundschrift noch durch einen Bezug zu seinem Volk und durch das Gegenüber zum TH ITH motiviert, so agiert der König in V. 32 in splendid Isolation. Er macht das Fest, ohne dass es jemand feiert und opfert ganz allein. Bei Jerobeams in muss es sich daher um ein (falsches) Passa handeln, nicht nur, weil es seine Ergänzung, vielmehr Aufhebung, in Josias Passa in 2Kön 23,21-23 hat, sondern auch weil es nur im Passa einen theologischen Konnex zum Exodus gibt. Demnach inszeniert der deuteronomistische Jerobeam von l K ö n 12,32 keine exakte Wiederholung des Bundesbruchs von Ex 32*, sondern zelebriert eine vollständig pervertierte Exodus-Erinnerung, fast eine Parodie. Diese läuft auf eine Neukonstituierung Israels hinaus, das eine falsche Exoduserinnerung zum Gründungsdatum hat. Erst damit ist in der Bearbeitung von lKön 12 der Bruch zwischen Juda und Israel vollzogen, der sich - darin der Grundschrift der Königebücher folgend - bis zum Ende in ihren Königen verkörpert. Dementsprechend muss zur grundsätzlichen theologischen Wertung von V. 30a die neue Bewertung von 13,34 treten. Der Altar als der Ort, an dem Jerobeams verfehltes Passa vollzogen wird, erscheint unvermittelt 148 . Es gibt keine textlich kohärente Möglichkeit, Jerobeam den Bau dieses Altars zuzuweisen. Auch der exakte Standort des Altars bleibt in lKön 12,32 in der Schwebe, weil es weiterhin um die theologische Signifikanz der „Reichsteilung" als Gesamtereignis geht. Nach der Logik des Textes sind natürlich nur zwei Standorte möglich: Dan und Bet-El, aber der Text legt sich hier nicht fest. Da Jerobeam sein Fest für beide Stierbilder feiert, kann und soll es keinen Ort geben, an dem die Szene stattfindet. Ähnlich wie schon im Grundentwurf markieren Bet-El und Dan das Territorium des abtrünnigen Nordreichs in toto. Für eine Theologie, die die Verirrung des gesamten Nachbar- und Brudervolkes geschichtstheologisch bearbeiten will, kann ein einzelner Ort - Samaria einmal ausgenommen - keine echte theologische Relevanz mehr haben. l K ö n 12,25-32 hat demnach nur noch ein abgeleitetes Bet-El-Potential.

147

148

V g l . H . - D . HOFFMANN, R e f o r m , 3 5 1 f.

Vv. 32-33 sind mit ihren vielen Wiederholungen und Nachträgen unübersichtlich und nur ansatzweise wiederherzustellen, vgl. dazu M. NOTH, BK, 268f.; WALTER DIETRICH, Prophetie und Geschichte. Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung zum deuteronomistischen Geschichtswerk, Göttingen 1972 (FRLANT 108), 115. Trotzdem ist 13 "¡T53 n t o sinnvoll und verständlich; zur Konjektur von BHS gibt es keinen Anlass.

190

2.3

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

Altar und Altäre: 2Kön 22-23

Den Faden, der in l K ö n 12 angeknüpft wird, spinnt 2Kön 22-23 weiter. Die Bedeutung Bet-Els für 2Kön 22-23 ist ebenso gering wie für lKön 12,25-32. Trotzdem wird das volle Profil der sich abzeichnenden Sinnbildung über Bet-El in der deuteronomistischen Bearbeitung erst von 2Kön 22-23 her verständlich. 2Kön 23,4-23* (4) Und es befahl der König Hilkijahu, dem Oberpriester (und den Zweitpriestern) herauszubringen aus dem Tempel JHWHs alle Geräte, die gemacht worden waren für Ba'al und für Aschera und für das ganze Heer des Himmels (...). (5) Er machte ein Ende den Kemarim-Priestern, die die Könige Judas eingesetzt hatten (und die Rauchopfer darbrachten auf den Bamot in den Städten Judas und in der Umgebung Jerusalems 1 4 9 ) sowie denen, die Rauchopfer darbrachten für Ba'al und für die Sonne und für den Mond und für die Konstellationen und für das ganze Heer des Himmels. (6) Und dann brachte er hinaus die Aschera aus dem Haus JHWHs (...) und verbrannte sie am Fluss Kidron. (7) Und dann riss er die Häuser der Geweihten nieder, die im Haus JHWHs waren (wo die Frauen ... für (die) Aschera webten) 1 5 0 . (8) Und dann ließ er alle Priester aus den Städten Judas kommen. Und profanierte die Bamot, (auf denen die Priester Rauchopfer dargebracht hatten) von Geba bis Beerseba und riss nieder die Tor-Bama, die im Tor Josuas (des Stadtobersten) war (links vom Stadttor) 1 5 1 . (9) (...) 1 5 2 (10) Und profanierte den Tophet im Tal Ben-Hinnom (,..) 1 5 3 . (11) Und dann machte er ein Ende den Pferden, die die Könige Judas gestiftet hatten für die Sonne (,..) 1 5 4 . Und die Wagen der Sonne verbrannte er

149

MT IBj? 1 ! ist zum Plural oder zum Infinitiv zu ändern (BHS).

150

Zur Z w e c k b e s t i m m u n g v g l . C. FREVEL, A s c h e r a , 6 8 0 - 6 9 9 .

151

I n d e m G e f ü g e -VIIN -ISTFA TZRN ^ K B I T ^ - I O S

T»RN$

YMIRR -IJJIÖ T E — ¿ K

ist

mindestens eine Lokalisierung als sekundär zu betrachten, unklar ist allerdings, welche. Zur Problematik der „Tor-" bzw. „Bocksgeisterhöhe" vgl. JOHN A. EMERTON, The 'High Places of the Gates' in 2Kings XXIII 8: VT 44 (1994), 455-467; DERS., The Biblical High Place in the Light of Recent Study: PEQ 129 (1997), 116-132. 152 V. 9 bildet einen Zusatz zu V. 8a, vgl. H. SPIECKERMANN, Juda, 94-97; KLAUS KOCH, Gefüge und Herkunft des Berichts über die Kultreformen des Königs Josia. Zugleich ein Beitrag zur Bestimmung hebräischer „Tempora", in: Alttestamentlicher Glaube und biblische Theologie. Festschrift für Horst Dietrich Preuß zum 65. Geburtstag HG. VON JUTTA HAUSMANN UND HANS-JÜRGEN ZOBEL,

Stuttgart/Berlin/Köln

1992,

80-92, hier 89. 153 Die Zweckbestimmung -^b 1 ? f : T S ' 1J3T1K UTK "raiin 1 ? "nba 1 ? (GK 114 ss) erweist sich durch ihre Partikelhäufung als späte Formulierung im Zusammenhang mit Jer 7,31; Lev 28,21. 154 V. 1 laß-8 ist von einem nicht mehr erkennbaren Grundbestand aus weiter gewachsen. Zum Versuch einer genauen Integration der genannten Ortlichkeiten in den Tempelu n d P a l a s t b e z i r k v g l . MORDECHAI COGAN/HAYIM TADMOR, I I K i n g s . A N e w T r a n s l a t i o n

with Introduction and Commentary, 1988 (AB 11), 127. Auch die genaue Zuordnung des o n o Netan-Melech ist bislang nicht gelungen (vgl. H. SPIECKERMANN, Juda, 108f.; C. UEHLINGER, K u l t r e f o r m , 7 4 f . ) Z u r T e x t g e s c h i c h t e v o n V v . 1 1 - 1 2 v g l . A .

Textgeschichte, 67-73.

SCHENKER,

Bet-El in deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

191

mit Feuer. (12) Und die Altäre auf dem Dach 1 5 5 , die die Könige Judas gemacht hatten, und die Altäre, die Manasse gemacht hatte (in beiden Vorhöfen des Hauses JHWHs) 1 5 6 , riss der König nieder (...). (13) Und die Bamot, die gegenüber von Jerusalem lagen (...), die Salomo, der König Israels, gebaut hatte (fiir Astoret, das Scheusal der Sidonier, und für Kemosch, das Scheusal Moabs, und für Milkom, den Gräuel der Ammoniter), profanierte der König. (14) (...) 157 (15) Und auch den Altar (...) 158 , den Jerobeam b. Nebat gemacht hatte, welcher Israel zur Sünde verleitet hatte, auch jenen Altar (...) riss er nieder (,..) 159 . (16-20) (...) 160 (21) Und es befahl der König dem ganzen Volk folgendermaßen: „Macht das Passa 1 6 1 für JHWH, euren Gott, wie geschrieben steht in diesem Buch des Bundes!" (22) Denn es war kein Passa gemacht worden wie dieses seit den Tagen der Richter, die Israel gerichtet hatten, und alle Tage der Könige Israels und der Könige Judas. (23) Vielmehr: Im achtzehnten Jahr des Königs Joschijahu wurde dieses Passa gemacht in Jerusalem.

2.3.1 Entstehungsgeschichtliches

Profil von 2Kön

23,4-23*

Reform und Passa Josias bilden nach der Tempelinstandsetzung, dem Buchfund, dem Orakel der Prophetin Hulda und dem Bundesschluss den fünften und letzten Akt der Ereignisse im achtzehnten Jahr Josias von Juda. Die Ereignisse sind das Ergebnis eines längeren Kompositions- und Redaktionsprozesses, der vom Königsrahmen und einem minimalen Grundbestand des Reformberichtes seinen Ausgang genommen hat (2Kön 22,1-2*; 23,5*. 11*. 12*; 23,25-30*) 162 . Dieser war der einzige Bestandteil der Darstellung Josias in der Grundschrift der Königebücher. Die Erinnerung an die antiassyrisch bestimmten Maßnahmen Josias 163 machen seine Regierungszeit anschlussfahig für den großen deuteronomistischen Geschichtsentwurf, der in ihm sein Ziel hat: In Josia kündigt sich historisch erstmals die Verbindung von Einheit, Kultreinheit und Freiheit an. Alle

155

156

Z u i n x n ^ I I vgl. B H S ; C. UEHLINGER, K u l t r e f o r m , 79.

Zur Frage nach den rnrrTP? n l l ä n vgl. H. SPIECKERMANN, Juda, 109f.; H.-D. HOFFMANN, Reform, 249f. 157 V. 14 hängt thematisch in der Luft, soll aber anscheinend die Ausstattung der salomonischen Bamot näher erläutern. Textgeschichte: A. SCHENKER, Textgeschichte, 34. 158 noan ist sekundäre Apposition zu naran. Der Relativsatz, der den Altar in Bet-El stehen lässt, ist wie in lKön 12,32 eine nachträgliche Vereindeutigung. 159 Der Vers ist noch zusätzlich aufgefüllt, vgl. H. SPIECKERMANN, Juda, 113f. 160 Vv. 16-20 sind spätere Fortschreibungen des Bet-El-Verses. 161 Vgl. PLERFELICE TAGLIACARNE, „Keiner war wie er". Untersuchungen zur Struktur von 2Kön 22-23, St. Ottilien 1989 (ATSAT 31), 278f. 162 Vgl. H. SPIECKERMANN, Juda, 85-87.107-109; C. UEHLINGER, Kultreform, 70-81; K. KOCH, Gefüge, 90; C. HARDMEIER König Joschija, 134-136. Hardmeier setzt jedoch (121-124) eine recht umfangreiche vor-deuteronomistische Stufe voraus, die deuteronomistisch überformt wurde. Anders C. LEVIN, Josia, 205f. 163 C. UEHLINGER, Kultreform, 70-81. Einen grundsätzlich anderen religionsgeschichtlichen Hintergrund postuliert W. B. BARRICK, King, 182-216.

192

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

weiteren Elemente sind nachträgliche Fortschreibungen 164 . Dabei repräsentiert der Abschnitt vom Fund des Buches (22,3-11*) literarisch das Ziel und den Höhepunkt der Perikope. Er fungiert als „Belegerzählung" für alle folgenden Maßnahmen 165 . Das bedeutet in entstehungsgeschichtlicher Perspektive, dass zwar ein Grundbestand des Reformberichts unabhängig vom Buchbericht usw. entstanden ist, spätere Stufen von 2Kön 23,4-23* den weiteren Kontext aber voraussetzen und ohne diesen nicht mehr gelesen werden können (und sollen) 166 . Dabei sind die einzelnen Abschnitte des Reformkontextes literarisch und theologisch derart nachhaltig miteinander verknüpft und verklammert worden, dass eine Frage nach deren Vorstufen aussichtslos und auch wenig ertragreich ist 167 . In 2Kön 22-23 bildet der Abschnitt über Josias Kultreinigungsmaßnahmen 23,4-23* das am stärksten bearbeitete Textstück. Trotzdem lassen sich in 2Kön 23,4-23* eine Reihe von Fortschreibungen und Zusätzen erkennen, die sehr späten deuteronomistischen und nach-deuteronomistischen Horizonten entstammen. Vv. 16-19.20.21 stellen eine bzw. mehrere Bet-El-Szenen dar, die teils von 23,15, teils von l K ö n 13 abhängen. Die komplexen und teilweise unklaren Lokalisierungen einzelner Kultstätten in Vv. 8 b . l l a ß . l 3 a ß dürften nachträgliche Versuche darstellen, den jeweiligen Ort räumlich näher zu präzisieren. Sie bilden in allen drei Fällen einen überschießenden, teilweise sprachlich sperrigen Textbestand. V. 13aß ist nachweislich eine späte Lokalisierung (vgl. Sach 14,4). Ob diese Zusätze derselben Hand entstammen, lässt sich ebenso wenig entscheiden wie ihr literarisch-theologischer Horizont. In den Vv. 4b.6.12b.l5b wird Josias jeweilige Maßnahme, die sonst in einem Zug erfolgt, zu einer mehrstufigen Handlung 1 6 8 erweitert, in der zunächst der Tempel, dann ganz Jerusalem und in V. 4bß sogar Juda schrittweise und fast rituell vom unreinen Objekt befreit werden. Die einzelnen Maßnahmen sind bei gleichbleibendem Sprachmaterial inhaltlich und strukturell recht divergent 1 6 9 , so dass eine literarisch homogene Entste164 Vgl. C. HARDMEIER König Joschija, 115; E. WÜRTHWEIN, Reform, 202; C. UEHLINGER, Kultreform, 70f.; K. KOCH, Gefüge, 82. W.B. BARRICK, King, 111-132. 165 C. HARDMEIER, König Joschija, 112-115. 166 C. HARDMEIER, König Joschija, 102-112. 167 Vgl. dazu unterschiedlich C. HARDMEIER, König Joschija, 112-115; E. WÜRTHWEIN, Reform, 444-464; ERIKEYNIKEL, The Reform of King Josiah and the Composition of the Deuteronomistic History, Leiden 1996 (OT.S 33), 326-355; H. SPIECKERMANN, Juda, 153-160; C. LEVIN, Josia, 213-215. 168 H.-D. HOFFMANN, Reform, 220f. 169 V. 4 erstellt eine vierstufige Handlungsfolge; die Verbrennung findet statt f i n n lirnp n i m ö n V. 6 ist ebenfalls vierstufig, aber die Verbrennung findet statt • p n p b m a . V. 12 hat ein dreistufiges Modell, dessen Mittelglied textlich unklar ist, vgl.

d a z u H . - D . HOFFMANN, R e f o r m , 222; E. WÜRTHWEIN, A T D , 4 5 3 ; P. TAGLIACARNE,

Keiner, 225; H. SPIECKERMANN, Juda, 111. In jedem Fall ist in diesem Vers die Reihenfolge von Vernichtung und Abtransport vertauscht, der Kidron ist hier die endgültige Lagerstätte. Der textlich ebenfalls schwierige V. 15 hat erneut ein dreistufiges Modell (yn:, r p B , pp"l), dem noch die Verbrennung der Aschera folgt. Außerdem ist die Konstruktion von n/22 mit r | T i und pp~l ungebräuchlich.

Bet-El in deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

193

hung der Verse nicht zweifelsfrei angenommen werden kann. Trotz deuteronomistischer Formulierungen ( p p l , fH3 mit Kultobjekt), die auf einen Zusammenhang mit Dtn 9,21 weisen, liegt deutlich ein Einfluss priesterlicher Vorstellungen über Reinheit und Unreinheit vor 1 7 0 . 2Kön 23,4b.6.12.15 präludieren die hiskianische Tempelreinigung in 2Chr 29,5.15-19 und sind daher - vermutlich in sich noch einmal differenziert - im Grenzbereich spät-deuteronomistisch/früh-chronistischen Denkens anzusiedeln. Problematisch ist der thematische Komplex Bamot - Priester - "itäp, der sich in Vv. 5.8aaß findet. In den Königebüchern werden die Bamot zumeist als Stätten des (Schlacht-) Opfers und des Räucherns bestimmt, außerdem wird dies von Laien vollzogen. In 2Kön 23,5.8 steht ~lt3p Pi. ohne r a t und nur mit bestimmten Priestern als Subjekt. Wahrscheinlich handelt es sich hier um eine Kombination aus dem deuteronomistischen Bamot-Thema' 7 ' und der aus der priesterlichen Literatur stammenden exklusiven Zuspitzung des Räucherns auf die Priester 172 . Alle diese Zusätze dienen der jeweils unterschiedlichen Ausgestaltung der Maßnahmen Josias zur „totalen Reform" 1 7 3 .

2.3.2 Analyse des Textes 2Kön 23,4-23* gliedert sich in zwei Teile, die beide mit is 1 ! eingeleitet werden: Die Reinigung des Landes Vv. 4-15* und die Passafeier Vv. 2123. Der gesamte Bericht ist auf den König zentriert, der erst am Abschluss wieder mit seinem Namen genannt wird. So wird Josias paradigmatische Qualität unterstrichen. Er ist der König schlechthin. In Vv. 4-15* lassen sich noch einmal zwei Teile unterscheiden. Die einzelnen Maßnahmen Josias werden in zwei räumlich bestimmte Abfolgen gebracht. Der erste Teil (Vv. 4-10*) schildert Josias Aktionen vom Tempel ausgehend bis nach ganz Juda; der zweite Teil (Vv. 11-20*) verläuft vom Tempel aus ins (ehemalige) Nordreich. So transportiert die Textanordnung eine von Josia vollzogene Neuordnung des Raumes 1 7 4 . Die beiden Teile sind syntaktisch unterschiedlich gestaltet. Im ersten Teil begegnen ausschließlich Verbalsätze mit wayyiqtol oder weqatal, im zweiten Teil (ab V. I I b ) invertierte (w e -x-qatal) Sätze. Der erste Teil hebt somit auf das Handeln des Königs ab; dabei markieren die weqatal-Sätze offenbar den Abschluss eines Sachabschnitts 175 . Der zweite Teil (Vv. 11-15) konzen170

DAVID PEARSON WRIGHT, The Disposal of Impurity. Elimination Rites in the Bible and in Hittite and Mesopotamian Literature, Atlanta/Ga. 1987 (SBL. DS 101), 279-287. 171 In V. 5b noch um die Fremdgötter-Thematik ergänzt. 172 Ex 30; Num 7, vgl. dazu R.E. CLEMENTS, ThWAT VII, 17f. 173 Vgl. H.-D. HOFFMANN, 265-269. 174 Vgl. auch K. KOCH, Gefüge, 90. 175 Gegen die vfqatal- Formen als Indiz für Diachronie (Literatur: H. SPIECKERMANN, Juda, 120f.; vgl auch HELMUT HOLLENSTEIN, Literarkritische Erwägungen zum Bericht über die Reformmaßnahmen Josias 2Kön xxiii 4ff.: VT 27 (1977), 321-336, hier 325f; E. WÜRTHWEIN, ATD 11/2, 456-459; E. AURELIUS, Zukunft, 13-18) oder als sprachgeschichtlicher Hinweis für eine Entstehung des Textes unter aramäischem Einfluss (H. SPIECKERMANN, Juda, 128-130) sind sprachliche Argumente geltend gemacht worden. K. KOCH, Gefüge, 86 unterscheidet die beiden „Tempora" aspektuell. Die Hypothe-

194

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

triert sich mit der Formulierung in invertierten Sätzen auf die Objekte der Maßnahmen Josias176. Dabei stellt die konsequente Inversion in Vv. 11b15* der narrativen Sequenz von Handlungen in Vv. 4-10 eine Abfolge von Einzelszenen gegenüber177. Parallel zur räumlichen Dramaturgie des Reformberichts verläuft eine zeitliche. Mit Ausnahme von Vv. 8.10 wird jede von Josia beseitigte Einrichtung durch einen rückverweisenden Attributsatz historisch situiert. 2Kön 23 erstellt jeweils eine exakte Relation aus einer Aktion Josias und der Maßnahme des Vorgängers. Auch hier ist der zweite Teil vom ersten qualitativ unterschieden. Josia macht ab V. 12 Einrichtungen namentlich genannter Vorgänger rückgängig. In Verbindung mit der Struktur der invertierten Sätze ergeben sich hier drei aufeinanderfolgende Szenen, in denen Josia zum Antitypus seines jeweiligen Vorgängers wird. Das vorangestellte Objekt stellt die Verbindung zwischen dem, der es errichtete, und dem, der es zerstörte, her. Mithin geht es in Vv. 12b-15 weniger um konkrete Maßnahmen, sondern um die geschichtstheologische Systematik der Beziehung Josia/Manasse, Josia/Salomo und Josia/Jerobeam178. Damit tragen die Vv. 12b-15 das geschichtstheologische Hauptgewicht des Reformberichts. Im ersten Teil gibt es einen anderen Schwerpunkt. Die BamotNotiz von V. 8 ist eindeutig auf Hiskias Abschaffung der Bamot bezogen. Entscheidend ist, dass Josias Profanierung der Bamot über ihre Entfernung oder Abschaffung hinausgeht179. Somit überbietet Josias Kultpolitik die seines Urgroßvaters Hiskia, indem er zu Ende bringt, was dieser angefangen hatte. Charakteristischerweise kommt dieser Aspekt der Geschichtstheologie ohne namentlichen Bezug auf den betreffenden König aus180. Die zeitliche Dramaturgie von 2Kön 23,4-23* erreicht ihr Ziel und Ende erst im Passa von Vv. 21-23. Hier überbietet Josia die Zeit der Könige und der Richter und schließt damit direkt an die Zeit Moses und/oder Josuas se ist jedoch auf semantischem Weg gewonnen und bewährt sich nicht in allen Fällen (Vv. 6b.7.14). C. HARDMEIER, König Joschija, 125.139 postuliert für w'qatal in Prosatexten die sachlogische Funktion der Aufzählung ohne zeitlichen Folgezusammenhang. Für 2Kön 23 lässt sich dies nicht systematisch erweisen, weil Hardmeier mit einer Überformung einiger älterer w'qatal-Formen durch wayyiqtol rechnet (S. 125-129). Eine vollständig plausible Erklärung der v/gaiaZ-Formen in 2Kön 23 steht daher weiterhin aus. 176 C. HARDMEIER, König Joschija, 139. Anders K. KOCH, Geftige, 86f. 177 Vgl. RÜDIGER BARTELMUS, Einführung in das Biblische Hebräisch - ausgehend von der grammatischen und (text-) syntaktischen Interpretation des althebräischen Konsonantentexts des Alten Testaments durch die tiberische Masoretenschule des Ben Ascher - mit einem Anhang: Biblisches Aramäisch für Kenner und Könner des Biblischen Hebräisch, Zürich 1994, 206. 178 Vgl. auch K. KOCH, Geffige, 88. 179 C. LEVIN, Josia, 204; H.-D. HOFFMANN, Reform, 229f. 180 Vgl. H.-D. HOFFMANN, Reform, 229f. Anders E. WÜRTHWEIN, Reform, 210; H . HOLLENSTEIN, E r w ä g u n g e n , 3 3 2 ; W . B . BARRICK, K i n g , 1 8 4 .

Bet-El in deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

195

an. Er schafft mit seinen Maßnahmen die Bedingungen für ein Leben im Land, das den Versuchungen des Abfalls von JHWH nicht mehr erliegen kann 181 und wiederholt somit die Situation vor dem Eintritt ins Land. Damit dieses Passa gefeiert werden kann, bedarf es der Aufhebung des „falschen" Passa Jerobeams aus l K ö n 12,32 und der damit verbundenen Maßnahmen. Konsequenterweise bezieht sich 2Kön 23,15 auf lKön 12,32 zurück. Die Zerstörung des Altars durch Josia schafft die Bedingung für das zentralisierte Passa des geeinten Volkes. Auch hier bleibt der Ort des Handelns - diesmal Josias Handelns - in der Schwebe. Wie in l K ö n 12 wird auf Bet-El allenfalls in verdeckter Form angespielt. Dem Text kommt es eher darauf an, Josias Maßnahmen auch für das ehemalige Nordreich zum Programm zu erheben, wobei dessen Territorium ungeklärt bleibt. Die Vorgänge von l K ö n 12, in denen Bet-El (und Dan) Chiffre für eben dieses Reich war, müssen in 2Kön 23,15 sachlich für die Ortsangabe eintreten. Dabei hebt 2Kön 23,15 nicht mehr auf die Stierbilder ab, sondern allein auf den Altar, der hier eindeutig auf Jerobeam zurückgeführt wird. Er tritt für das Nordreich in den idealen Grenzen von l K ö n 12 ein. Die Stierbilder werden so zur historischen Epoche, die mit 2Kön 17,16.21 abgeschlossen ist. Der Altar konnotiert darüber hinaus Israels Einheit als Gottesvolk, das sich nicht in historisch zufällige Grenzen fassen lässt. Ihm gilt die Chance des Neubeginns. 2.4

Historische

Rückfrage: Bet-El in persischer

Zeit

Der weitaus größte Teil deuteronomistischen Literaturschaffens gehört der persischen Zeit an. Das Sinnpotential dieser Literatur zielt auf ein geschichtstheologisch orientiertes Programm für das entstehende Judentum unter achämenidischer Herrschaft. Im Rahmen dieser Sinnbildung birgt Bet-El kein aktuelles Konfliktpotential mehr, im Gegenteil: Es hat anscheinend historisch seine Rolle ausgespielt und wird jetzt stillschweigend in den Neubeginn mit einbezogen. Gleichwohl ist nach Bet-Els Rolle im perserzeitlichen Yehud zu fragen, um die Bedingungen zu klären, die zu diesem literarisch-theologischen Friedensschluss mit Bet-El fuhren. Das materiale Zeugnis in Bet-El - daran ist hier noch einmal zu erinnern - gibt für diese Frage nicht den geringsten Aufschluss. Die persischen Herrscher haben die Territorialstruktur Palästinas übernommen, die noch aus assyrisch-babylonischer Zeit stammt. Die Einrichtung der Provinz Yehud als Teilbereich der Satrapie Transeuphratene ist dabei schon relativ früh - gegen Ende des 6. Jhs. - vollzogen worden 182 . 181

Vgl. R.G. K R A T Z , Komposition, 207. Zur Diskussion vgl. A R N D T M E I N H O L D , Serubbabel, der Tempel und die Provinz Juda, in: C H R I S T O F H A R D M E I E R ( H G . ) , Steine - Bilder - Texte. Historische Evidenz biblischer und außerbiblischer Quellen, Leipzig 2001 (Arbeiten zur Bibel und ihrer Ge182

196

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

Diese Provinz war indes kaum ein eigener „Staat" 183 , sondern eine Verwaltungseinheit, von deren innerer Organisation weniger bekannt ist als die biblische Überlieferung suggeriert 184 . Das Interesse der persischen Zentralmacht, das auf die Gewinnung materieller 185 und militärischer 186 Ressourcen zielte, musste auf verwaltungstechnischem Weg durchgesetzt werden, und dem diente die Einrichtung der Provinz. Zumindest ein Teilbestand dieser Provinz einschließlich Bet-Els lässt sich den Heimkehrerlisten Esr 2,20-35=Neh 7,25-35 entnehmen. Der doppelt überlieferte Text steht zwar sowohl im Esra- als auch im Nehemiabuch in einem literarisch und theologisch ausgebauten Kontext 1 8 7 , doch liegt der jeweiligen Komposition ein offenbar für persische Verwaltungszwecke zusammengestelltes Dokument zugrunde. Die aufgezählten Städte Gibeon 1 8 8 , Bethlehem, Netofa, Anatot, Bet-Asmawet, Kirjat-Jearim, Kefira, Beerot, Rama, Geba, Michmas, Bet-El und Ai folgen keiner sachlogisch oder territorial ausgerichteten Anordnung. Die Einleitung weist diese Städte als Bestandteil eines Verwaltungsbezirks ( n a n a ) ohne Namen aus. Es handelt sich offensichtlich um einen Teil der späteren persischen Provinz Yehud, ist aber mit dieser nicht deckungsgleich 1 8 9 . Kurt Gallings Annahme, es handele sich hier um ein Dokument des 6. Jhs., bleibt schlüssig, obwohl ein Datum der Liste fehlt.

Wenn die persischen Herrscher die babylonische Territoriumsgliederung übernahmen, ist die Zugehörigkeit Bet-Els zu Yehud wahrscheinlich (vgl. auch Esr 2; Neh 7). D.h. das benjaminitische Gebiet, das in der exilischen Zeit Israels Zentrum gewesen war, wurde zumindest administrativ wieder Juda untergeordnet. Trotzdem hat die Region weiterhin eine wichtige Position innegehabt. Durch ihre Zentrumsrolle in babylonischer Zeit war Benjamin wesentlich besser entwickelt als Jerusalem und dessen unmittelbare Umgebung. Verkehrstechnisch und wirtschaftlich blieben Benjamin und schichte 5), 193-217; JOACHIM SCHAPER, Numismatik, Epigraphik, alttestamentliche Exegese und die Frage nach der Verfassung des achämenidischen Juda: ZDPV 118 (2202), 150-168, hier 160f.; ANDRÉ LEMAIRE, Das achämenidische Juda und seine Nachbarn im Lichte der Epigraphie in: REINHARD G. KRATZ (HG.), Religion und Religionskontakte im Zeitalter der Achämeniden, Gütersloh 2002 (VWGT 22), 210-230; REINHARD G. KRATZ, Statthalter, Hohepriester und Schreiber im perserzeitlichen Juda, in: DERS., Das Judentum im Zeitalter des Zweiten Tempels, Tübingen 2004 (FAT 42), 93119, hier 95-102. 183

184

S o A . MEINHOLD, S e r u b b a b e l , 2 1 7 .

R.G. KRATZ, Statthalter, 100. 185 Vgl. J. SCHAPER, Priester, 137-152. 186 D. EDELMAN, Origins, Kap. 5. 187 Zu den literarischen Fragen vgl. KURT GALLING, Studien zur Geschichte Israels im persischen Zeitalter, Tübingen 1964, 89-108; CHRISTIANE KARRER, Ringen um die Verfassung Judas. Eine Studie zu den theologisch-politischen Vorstellungen im EsraNehemia-Buch, Berlin/New York 2001 (BZAW 308), 58-67. 188 In Neh 7,25 Priorität gegenüber Gibbar Esr 2,20, vgl. K. GALLING, Studien, 96. 189 K. GALLING, Studien, 93f. Anders K. KOENEN, Bethel, 60.

Bet-El in deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

197

Bet-El daher weiterhin von Bedeutung 190 . Dabei gab Mizpa seine Position als temporäre Hauptstadt wieder an Jerusalem ab, bleib allerdings ein eigenständiger Verwaltungsbezirk ("[Ss) 191 . Der Übergang der Provinzverwaltung von Mizpa nach Jerusalem wird einige Zeit gedauert haben. Die auffallende Notiz, nach der Mizpa und Gibeon direkt dem Satrapen von Transeuphratene unterstanden (NDD 1 ? N S ^ r n p j n n n r i - n r nn?) 192 weist zudem möglicherweise auf eine administrative Sonderstellung des benjaminitischen Gebiets hin, eine Art exemter Position 193 , die sich der alten Zentrumsrolle verdanken könnte. D.h., die politischen Verhältnisse in Yehud waren mindestens während der ersten persischen Periode noch alles andere als klar geordnet: Die Zuständigkeiten der unterschiedlichen Funktionäre waren noch kaum festgelegt, sondern unterschiedlichen Interessen zugeordnet. Dem entspricht, dass auch die innere Organisation der Provinz noch im Aufbau begriffen war. Erst die Entwicklung Jerusalems durch den Mauerbau und die damit verbundenen Reorganisationsmaßnahmen Mitte des 5. Jhs. haben hier zu einer gewissen Klärung geführt. D.h. unbeschadet der Existenz der Provinz Yehud und möglicherweise der Zugehörigkeit Benjamins dazu, hat die wirtschaftlich bedeutende Region Benjamin noch zusätzlich ihre eigenen Regelungen erfordert. Diese Unklarheit findet sich noch in der chronistischen Phrase „Juda und Benjamin" wieder 194 . Tatsächlich liegt in dieser politischen Uneinheitlichkeit ein erhebliches Konfliktpotential. Die Vorgänge um die J ü d i s c h e " Kolonie im ägyptischen Elephantine zeigen zur Genüge, dass die Perser im Konfliktfall vor allem im politisch-verwaltungstechnischen Interesse einer funktionierenden Provinz handelten und zwar auch gegen lokale und regionale Strukturen 195 . Auch die Beteiligung von Gibeonitern und Leuten aus Mizpa und Jericho an Nehemias Mauerbauprojekt (Neh 3,2.15.19) zeigt deutlich, dass die Loyalität zu Jerusalem mit der Zugehörigkeit zu einem Verwaltungsbezirk nicht 190 Die Interpretation des einschlägigen Datenmaterials ist kontrovers. Während O. LIPSCHITS, Judah, 349 von einem raschen Niedergang Benjamins in persischer Zeit und demzufolge einen Aufschwung Jerusalems ausgeht, liest D. EDELMAN, Origins, Kap. 5, S. 32f. die Daten als Indiz für eine gezielte Entwicklung Benjamins durch die Perser. Man wird hier mit einem fließenden Übergang rechnen müssen, auf jeden Fall gehört die Notiz von „Bet-El und seinen Tochterstädten" (¡TTfi33"nKl i K T ^ T S ) 2Chr 13,19 in diesen Zusammenhang. 191 Neh 3,15. Nach Neh 3,19 könnte dieser Bezirk aus zwei Teilen bestanden haben. 192 Neh 3,7. 193

S o K . GALLING, S t u d i e n , 9 7 .

194

Vgl. 2Chr 11,5.23; 15,2.9; 17,7; 25,5.

195

V g l . INGO KOTTSIEPER, D i e R e l i g i o n s p o l i t i k d e r A c h ä m e n i d e n u n d d i e J u d e n v o n

E l e p h a n t i n e in: REINHARD G . KRATZ ( H G . ) , R e l i g i o n u n d R e l i g i o n s k o n t a k t e i m Z e i t a l t e r

der Achämeniden, Gütersloh 2002 (VWGT 22), 150-178, hier 150-158; REINHARD G. KRATZ, Der zweite Tempel zu Jeb und zu Jerusalem, in: DERS., Das Judentum im Zeitalter des Zweiten Tempels, Tübingen 2004 (FAT 42), 60-78, hier 65-67.

198

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

deckungsgleich war. Insgesamt blieben die politischen Verhältnisse in Palästina auch in der Perserzeit und weit darüber hinaus ausgesprochen heterogen und Benjamin mit Bet-El bis in die Makkabäerzeit eine politisch sensible Region. Auch im Hinblick auf religiös-theologische Optionen und Entwürfe ist das Israel der Perserzeit kein einheitliches Gebilde. Die innere religiöse und ideologische Kohäsion }uda/Yehuds war keineswegs so stark, wie die biblische Überlieferung suggeriert. Gleichwohl war das Projekt des Zweiten Tempels geeignet, dem noch heterogenen Gemeinwesen ein religiöstheologisches Zentrum zu geben 196 , auch wenn sich mit diesem Projekt unterschiedlichste theologische und durchaus auch materielle und politische Interessen verbanden. Der Bau des Zweiten Tempels in Jerusalem ist zweifelsohne mit massiver persischer Unterstützung zustande gekommen und gegen Widerstände einheimischer Gruppen durchgesetzt worden 197 . Bei diesen Widerständen spielte auch die Frage der Zugehörigkeit Benjamins eine nicht unerhebliche Rolle 198 , wie insgesamt das ganze Bauprojekt von politischen und administrativen Interessen abhing 199 . Im Großen und Ganzen lief der Bau des Zweiten Tempels wie auch die damit direkt oder indirekt verknüpfte Autorisation der Tora aus der Jerusalemer Perspektive auf die Anerkennung des Jerusalemer Alleinvertretungsanspruchs des (entstehenden) Judentums hinaus. D.h. es lag im Interesse Jerusalems, andere Kulte oder Heiligtümer - zumindest in unmittelbarer Nachbarschaft - dem Jerusalemer Anspruch unterzuordnen, zumal neben dem theologischen Problem auch massive wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel standen 200 . Hinter dem Projekt des Tempelbaus stand eine großkönigliche Autorisierung 201 . Mithin markiert eine Zustimmung zu diesem Projekt auch und nicht zuletzt die Loyalität gegenüber dem Perserkönig 202 . Auf diesen Horizont zielt die textliche Konstruktion von 2Kön 23,4-23*. Der Josia des Textes beseitigt jene Einrichtungen, die mit dieser Loyalität nicht zur Dekkung zu bringen sind, vor allem jene kultischen Gegenstände und Einrich-

196

Vgl. dazu INA WILLI-PLEIN, Warum musste der Zweite Tempel gebaut werden?,

in: BEATE EGO, ARMIN LANGE, PETER PILHOFER ( H G . ) , G e m e i n d e o h n e T e m p e l . C o m -

munity without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, Tübingen 1999 (WUNT 118), 57-76. Für eine Datierung des Tempelbaus unter Artaxerxes I. (so D. EDELMAN, Origins, Kap 1-3) sehe ich keine zwingende Notwendigkeit. 197

V g l . I. WILLI-PLEIN, W a r u m , 6 9 ; R . G . KRATZ, T e m p e l , 6 8 - 7 1 .

198

Vgl. die auch Esr 4,1 verwendete Phrase von den

199

V g l . R . G . KRATZ, T e m p e l , 6 5 - 7 3 . 7 6 - 7 8 .

200

rrnrr n s .

Vgl. dazu J. SCHAPER, Priester, 141-148; D. EDELMAN, Origins, Kap. 6. Zur Diskussion um die Datierung vgl. R. G. KRATZ, Tempel, 67-69; D. EDELMAN, Origins, Kap. 1-3. 202 Vgl. I. WILLI-PLEIN, Warum, 64. 201

Bet-El in deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

199

tungen, die in den Zusammenhang assyrisch-babylonischer Religiosität gehören. Auch das Zentralisationsprogramm zielt in diese Richtung; sein Gegenüber sind die kultischen Strukturen, die sich in ¡uda/Yehud und Benjamin in babylonischer Zeit etablierten. In Bet-El sind dies mindestens jene Fastenriten, auf die Sach 7,2 anspielt. Tatsächlich ist für Bet-El weder material noch textlich ein klares Profil zu erkennen. Immerhin belegt Sach 7,2, dass ein Teil der Einwohnerschaft Bet-Els bereit war, die Kompetenz Jerusalems anzuerkennen. Auf längere Sicht hat der Zweite Tempel die religiöse Vielfalt in JuAzJYehud zumindest in Jerusalems unmittelbarem Umfeld, und damit auch in Bet-El, eingeebnet, ob durch gezielten Druck oder schlicht durch seine Sogwirkung, muss offen bleiben. Auch der zeitliche Rahmen dieser Vereinheitlichung kultisch-religiösen Lebens bleibt unklar. Gleichwohl war der Jerusalemer Anspruch auch nach dem Tempelbau und der Autorisation der Tora noch lange Zeit eher theoretisch und wohl auch nicht sehr weitreichend. An der Lösung des Konflikts auf Elephantine waren die Jerusalemer Autoritäten soweit erkennbar nicht beteiligt 203 . Dabei ist der tatsächliche Betrieb eines (hypothetischen) Heiligtums in Bet-El während der Perserzeit kaum noch zu eruieren. 2.5

Von Bet-El an den Sinai:

Zusammenfassung

In Ex 32*; lKön 12,25-32; 2Kön 22-23 erreicht das Thema Bet-El eine neue Stufe. War es in der Grundschrift der Königebücher (lKön 12, 25-30*) vor allem der Ort, an dem Israel seine gottgewollte Einheit verraten hatte, so wird Bet-El in den späteren deuteronomistischen Texten mit der Reinheit des JHWH-Glaubens verknüpft. Dies alles zielt nicht mehr auf die Bewältigung einer Katastrophe, sondern auf den neuen Anfang der Perserzeit. Dabei ist die Episode vom Goldenen Kalb Ex 32 die erste textliche Reflexion des Themas Bet-El im deuteronomistischen Textentwurf. Ihr Grundentwurf (Vv. l-6*.15aa*.19-20*.21-24.30-34) verwandelt die politische Ursünde des Königreiches Israel in die theologische Ursünde ganz Israels. Die bildhafte Repräsentation des Exodusgottes ist der Verrat an seiner Unvergleichlichkeit. Dieser erste Abfall Israels wird unzweifelhaft in die Katastrophe führen. Somit bleibt die Signifikanz der Tradition von lKön 12 für die Geschichte Israels erhalten - und aus diesem Grund wird der Präsentationsruf lKön 12,28 in die Jerobeam-Perikope eingefügt doch aus der Ätiologie des Untergangs wird das Paradigma der Gottesbeziehung. Mit Bet-El hat das direkt kaum noch etwas zu tun. Die Erinnerung an eine Maßnahme eines israelitischen Königs im Augenblick der tiefsten politischen Krise ist fast vollständig hinter dem Sinn verschwun203

Vgl. dazu I. KOTTSIEPER, Religionspolitik, 171 f.; R.G. KRATZ, Tempel, 67.

200

„ Und er machte die Runde über Bet-EI, Gilgal und Mizpa "

den, den diese Episode für Israels geschichtliche und theologische Reflexion hat. Der literarischen Funktion nach ist die Erzählung vom Goldenen Kalb eine paradigmatische Antizipation aller Krisen Israels bis zur endgültigen Katastrophe. In jeder noch kommenden krisenhaften Situation steht die Treue zum Gott des Exodus auf dem Spiel. Aus diesem Grund verfallen ganz Israel, dann später die geteilten Reiche, immer denselben kultischen Verirrungen der Bilder und des Fremdgötterdienstes. Mit dieser Zielsetzung wird lKön 12 zu einer Art Wiederholung der Affaire des Goldenes Kalbs umgeschrieben. In dieser Neufassung der Jerobeam-Perikope (lKön 12,25-32) agiert der König in der Rolle Aarons und des Volkes und riskiert damit auf lange Sicht - und wider besseres Wissen - die Existenz des von ihm gegründeten Königreichs. Diese „große Sünde" (n^Tn rtKtpn) Jerobeams wird in 2Kön 17,16.21 noch einmal explizit erwähnt. Danach verschwinden die Stierbilder aus der Textüberlieferung. Damit hat auch in lKön 12 ihr Sinngehalt die historische Erinnerung an Bet-El überholt. Von der älteren Sinnbildung über Bet-El bleibt in diesem Aufriss soviel erhalten, dass das Nordreich diesen Weg als erstes mit dem Untergang bezahlen musste. Grundsätzlich aber verschiebt sich die Sinnbildung über das Stierbild so, dass es vom Indikator der Teilung Israels in zwei Königreiche zum Symbol der Einheit Israels in seiner Tendenz zum Abfall von JHWH wird. In der Reform Josias 2Kön 23,4-24* spielt Bet-El eine relativ geringe Rolle. Dass Josia auch dort sein Werk vollzieht, wird nur in dem einen Vers 2Kön 23,15* greifbar, in dem der als Ort der Bilderverehrung bestimmte Altar abgerissen wird. Die Voraussetzungen dafür hat das textliche Gesamtkonzept der Bet-El-Tradition geschaffen, die das Kalb bereits an den Sinai verlegt und Jerobeams Politik zu einem Rückfall in den exemplarischen Götzendienst erklärt hat (lKön 12,28.32*). Josias Heimholung der verirrten Israeliten hat jedoch noch einen weiteren Aspekt: In der ersten Passafeier seit der Landnahme holt er die Exodustradition als Israels Gründungsdatum in die theologische Praxis Israels zurück. Auch dies hatte - in der Konzeption des Textes - Jerobeam seinem Volk vorenthalten. Das Element der Trennung Israels in zwei Reiche, das die Bet-El-Überlieferung der Grundschrift der Königebücher so nachhaltig prägt, spielt in den hier untersuchten Texten kaum noch eine Rolle. Vorrangig ist, dass Israel JHWHs Volk war und ist und dass dies auch für das ehemalige Nordreich - oder zumindest für Teile davon - gilt. Eine Zugehörigkeit Benjamins und Bet-Els zu Juda/Yehud ist dabei vorausgesetzt, diese ist aber eher religiös bestimmt und wird von verwaltungsmäßigen Partikularinteressen möglicherweise überlagert. Der Josia von 2Kön 23,15 verwirklicht in jedem Fall einen persisch autorisierten Anspruch auf Bet-El und Benjamin.

Bet-El in deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

201

Insgesamt ist in Ex 32*; lKön 12,26-32; 2Kön 22-23 Bet-El zum Inventar einer größeren Sinnkonfiguration geworden, in der Erstes und Zweites Gebot, Kulteinheit und Kultreinheit, Exodus und Sinai eine weit größere Rolle spielen als der eine Ort Bet-El. Dementsprechend wird Bet-El auch kaum noch erwähnt, im Prinzip nur dann, wenn die ausgeschriebene Vorlage es verlangt. Trotzdem hat das Bet-El-Bild dieser Texte Elemente, die im ein Eigenprofil verleihen, nämlich den Altar und die Rolle des Königs. Jerobeam agiert in Fest und Opfer priesterlich und repräsentiert somit eine aus Jerusalemer Sicht falsche Autorisation eines Kultes für das Volk JHWHs. Dem steht Josia als König im Sinne des Buches und des Exodus gegenüber. In dieser Zuspitzung wird die Frage der Legitimation bzw. Autorisation eines religiösen Profils „Israels" aufgefangen, die von politischen Gegebenheiten nicht zu lösen ist. Könige - auch fremde Herrscher führen das Volk religiös in den Untergang oder in die Freiheit. Das ist eine späte Nachwirkung der Ausgangskonfiguration des 8. Jhs., wird aber neu zugespitzt. Josia verkörpert in 2Kön 22-23 den Führer eines Israel unter persischer Herrschaft. Seine Reform setzt die Einrichtungen und Entwicklungen der babylonischen Zeit außer Kraft, welche ein Erbe der Katastrophe Judas und Jerusalems darstellen. D.h. es wird erneut Politik in Bet-El mit einer - im weitesten Sinne - außenpolitischen Option verbunden. Jerobeams ehemaliges Nordreich steht hier für alles, was von der babylonischen Besatzung profitiert hat und daher beseitigt werden muss, um den Weg für ein persisches Juda freizumachen. Hinter allen diesen Texten steht daher die Struktur der achämenidischen Herrschaft in Palästina, wird aber theologisch dem Bewusstsein untergeordnet, dass Israel seine Freiheit wie seine Katastrophen JHWH allein verdankt. Die hier untersuchten Texte Ex 32*; lKön 12,25-32; 2Kön 22-23* gehören unzweifelhaft in einen literarischen und theologischen Zusammenhang, entstammen aber kaum derselben Hand. Ex 32 ist eine direkte bilderkritische Weiterentwicklung des Grundentwurfs von lKön 12,25-30 und gehört der deuteronomistischen Komposition („KD") der Vorgeschichte Israels in Exodus bis Numeri an. Die deuteronomistischen Bearbeitungen der Königebücher sind noch nach diesem Entwurf anzusetzen, wieviel später, lässt sich auf Grund der schmalen Textbasis nicht feststellen 204 . Der gesamte hier analysierte Textbereich ist unter den Bedingungen der achämenidischen Herrschaft verfasst und für die Voraussetzungen eines Lebens in Yehud, die die Perser schufen. In den Vordergrund der gesamten LiteraE. BLUM, Studien, 221-228, hat zeigen können, dass KD noch unabhängig von der priesterschriftlichen Konzeption der Vorgeschichte Israels ist; dies bewährt sich auch und gerade an Ex 32*. Für die Texte der Königebücher lässt sich die priesterliche Literatur aber nicht als Parameter heranziehen. Der Abstand zwischen „KD" und der davon abhängigen Bearbeitung der Königebücher sollte nicht zu groß angesetzt werden.

202

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

tur der persischen Epoche tritt die Klärung des theologischen Eigenprofils Israels mit einer Zentrierung auf den Tempel in Jerusalem. Dabei wird besonders an 2Kön 22-23* deutlich, dass Jerusalem mit seinem - durch das Gesetz normierten - Tempel die konkurrenzlose Rolle des geistigen und geistlichen Zentrums für ganz Israel beansprucht. D.h. die historischen Voraussetzungen für die gesamte Textgruppe lassen sich am ehesten von 2Kön 22-23* aus eruieren. Dass Jerusalems Anspruch durchaus nicht mit der Wirklichkeit konform ging, sondern dass es noch für längere Zeit konkurrierende Heiligtümer gab, darf vorausgesetzt werden, wobei niemals ganz geklärt werden kann, wie viel Konkurrenz zu Jerusalem beabsichtigt war und wie viel davon Projektion der Deuteronomisten ist.

3. „Da kam einer der Priester und wohnte in Bet-El" (2Kön 17,28): Bet-El in spät-deuteronomistischen Texten der Königebücher (2Kön 17) Im Rahmen der bisher analysierten Sinnbildung über Bet-El in den Königebüchern gehört Bet-El zwar dem Nordreich an, doch um dessen originäre Zugehörigkeit zu Israel wird immer wieder neu gerungen. Diese Tendenz ändert sich mit der Aufnahme von 2Kön 17,24-33 in den Geschichtsentwurf. Bet-El als Teil des Nordreichs wird zur Heimat der Ketzerei. Für diesen Teil der Sinnfigur namens Bet-El ist 2Kön 17,24-33 der zentrale Text, der jedoch durch Fortschreibung von l K ö n 12 und 2Kön 23 in die Gesamtdarstellung der Königebücher integriert wird. 3.1

Löwen, Priester und fremde Herrscher: 2Kön

17,24-33

Im Anschluss an die umfangreiche Reflexion über den Untergang des Königreiches Israel schildert 2Kön 17,24-41, wie das Leben in jenem Gebiet nach 720 weiterging. Erneut wird Bet-El hier zum wichtigsten Heiligtum der Region. 2Kön 17,24-33 (24) Und es ließ der König von Assur (Leute) kommen aus Babel und aus Kuta und aus Awwa und aus Hamat und Sepharwajim 205 und ließ (sie) wohnen in den Städten Samarias anstatt der Israeliten. Und sie nahmen Samaria in Besitz und wohnten in seinen Städten. (25) Und da geschah es, als sie anfingen, dort zu wohnen: Sie fürchteten JHWH nicht. Und es ließ JHWH die Löwen unter ihnen los, und die töteten sie. (26) Und da sprachen sie zum König von Assur folgendermaßen: „Die Völker, die du weggeführt hast und hast sie wohnen lassen in den Städten Samarias: Sie kennen nicht das Recht des Landesgottes. Und da ließ er die Löwen unter ihnen los und siehe - die töten sie (weil sie 205

Qere n ^ i s o n i .

Bet-El in spät-deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

203

das Recht des Landesgottes nicht kennen) 2 0 6 ." (27) Und da befahl der König von Assur folgendermaßen: „Lasst dorthin einen von den Priestern gehen, die ich von dort weggeführt habe 2 0 7 . Und sie mögen gehen und dort wohnen 2 0 ", und er möge sie lehren das Recht des Landesgottes." (28) Und es kam einer von den Priestern, die weggeführt worden waren aus Samaria, und wohnte in Bet-El. Und er lehrte sie, wie sie JHWH fürchten sollten. (29) Und dann machte jedes Volk sich seine Götter, und sie brachten (sie) in die BamotHäuser 2 0 9 (...) 2 1 0 , jedes Volk in ihren Städten, in denen sie wohnten. (30) Und die Männer Babels machten Sukkot-Benot, und die Männer K u t s 2 " machten Nergal, und die Männer Hamats machten Aschima. (31) Und die Awwiter machten Nibhaz und Tartaq, und die Sepharwiter verbrannten 2 1 2 ihre Söhne im Feuer für Adrammelech und Anammelech, die Götter 2 1 3 Sepharwajims 2 1 4 . (32) Und sie fürchteten JHWH und machten aus ihrer Zahl Bamot-Priester, und die arbeiteten für sie in den Bamot-Häusern 2 1 5 . (33) JHWH fürchteten sie und ihren Göttern dienten sie nach dem Recht der Völker, von denen sie weggeführt worden waren.

2Kön 17,24-33 216 bilden den ersten Teil der Komposition Vv. 24-41, der sich in einen Bericht (Vv. 24-33) und eine Reflexion (Vv. 34-41) gliedert. Damit ahmt der gesamte Textabschnitt die Gliederung von 2Kön 17,1-23 nach und übernimmt aus diesem Teil auch die gliedernde Formel DVH nrn 217 . Sprachlich ist 2Kön 17,24-33 eigenartig formuliert. Der Text zeigt

206 HBN3 hier kausal (Num 27,14; Ri 6,26; lSam 28,18; Mi 3,4, vgl. Joüon 170 k). Außerdem ist die Formulierung „sie kennen das Recht des Landesgottes nicht" hier als Nominalsatz mit suffigiertem 'px + Partizip gestaltet, im Unterschied zu V. 25. 207 Lies mit Luc. und Targum DTP1? an statt MT 208 Der Subjektwechsel ist nicht erklärlich, vgl. M. COGAN/H. TADMOR, 2Kings, 208. 209 n i n a n r r a s : Cstr.-Verbindung mit pluralischem Nomen rectum wie bei nlDN rpa. 210 Der Satz ist eine spätere Glosse; 211 Abweichende Schreibweise ni3 statt n n i s (V. 24). 212 Im Unterschied zu den we-jc-^aiaZ-Formulierungen Vv. 30-3la ist V. 31b ein partizipialer Nominalsatz. 213 Qere. 214 Qere. 215 Cstr.-Verbindung wie in V. 29. 216 Literatur: E. AURELIUS, Zukunft, 71-95; B. BECKING, Apostasy, 279-297; MARC BRETTLER, Ideology, History and Theology in 2Kings xvii 7-23: VT 39 (1989), 268-282; PAULINE A. VIVIANO, 2Kings 17: A Rhetorical and Form-Critical Analysis: CBQ 49 (1987), 548-559; CHRISTIAN FREVEL, Vom Schreiben Gottes. Literarkritik, Komposition und Auslegung von 2Kön 17,34-40: Bib 72 (1991), 23-38; JOHANNES PETER FLOSS, Jahwe dienen - Göttern dienen. Terminologische, literarische und semantische Untersuchung einer theologischen Aussage zum Gottesverhältnis im Alten Testament, Köln/Bonn 1975 (BBB 45), 421-433. 217 P.A. VIVIANO, 2Kings 17, 549; M. COGAN/H. TADMOR, 2Kings, 213. Allerdings bestehen Schwierigkeiten bei der Zuordnung von ntn Ql'n "1SJ in V. 34. Nur hier wird die Formel, die sonst einen Abschluss markiert, zu Beginn einer Texteinheit eingesetzt. Wahrscheinlich ist der Ubergang durch die spätere Anfügung von Vv. 34-41 veranlasst, vgl. dazu C. FREVEL, Vom Schreiben, 29-31.

204

„ Und er machte die Runde über Bet-El, Gilgal und Mizpa "

erheblichen aramäischen Einfluss 218 und hat im problematischen Subjektwechsel von V. 27 eine unerklärliche Eigenart. Hier spricht eine eigenständige Stimme. Die narrative Dramaturgie von 2Kön 17,24-33 ist dreiteilig: V. 24 formuliert die Einleitung, Vv. 25-28 bilden den ersten Teil, Vv. 29-33 den zweiten Teil des Berichts über die assyrische Besatzung. V. 24 schildert die Umsiedlungsmaßnahmen des "iHiiiT^bo. Dieses Subjekt und die Thematik setzen den Erzählfaden von Vv. 6.23 fort: Auf die Umsiedlung der Israeliten nach Assur folgt die Umsiedlung der Leute aus Babel usw. nach Samaria. Die Analogie zwischen "HD "HJ; (V. 6) und •piptti (V. 24) sowie die Wiederholung von affl'l betonen diesen Zusammenhang. Der Bevölkerungsaustausch ist vollständig, wie ^Nniir nnn zu verstehen gibt. In der Perspektive des Textes hat derselbe "TOX"}1?!?, nämlich Salmanassar V., Samaria belagert und erobert, seine Bewohner deportiert und eine neue Bevölkerung angesiedelt. Dabei wurden die Israeliten in mehrere Gebiete zerstreut 219 , wohingegen die Umgesiedelten (weitgehend) aus derselben Region stammen, nämlich Südbabylonien 220 . Mit ¡Tiaa u ü ' l •p-inia-nx V. 24b wird die Handlung einen Schritt weiter getrieben und die Anbindung an die Vorgaben von Vv. 23 vollzogen. Die Neusiedler nehmen Samaria in Besitz ('piparnK ItZiTl). 2Kön 17,24 ist die einzige Stelle im Deuteronomistischen Geschichtswerk, in der fremde Völker Subjekt von aiT sind. Die Fortfuhrung von 12h'] durch deutet eine Anknüpfung an die deuteronomistische Landnahmetheologie an. Die Voraussetzung für die Inbesitznahme des Landes ist die Vertreibung Israels inonx SüO von V. 23. Die Völker, die JHWH vormals vertrieben hatte (vgl. V. 8), kehren nun zurück. Dabei ist die Stoßrichtung von r r i y a laun ynatöTiK liiT] eine doppelte. Mit Blick auf Israel bedeutet es, dass ein anderes Volk Israels Stelle einnimmt. Mit Blick auf die Neusiedler hat deren „Landnahme" aber nicht dieselbe Qualität. Sie nehmen das Land nur durch einen königlichen Rechtsakt in Besitz 221 . Trotzdem ist JHWH auch aus der Landnahme der Neusiedler nicht ausgeklammert. Der neue Abschnitt Vv. 25-28 greift auf die theologische Vorlage von V. 24 zurück. Vv. 25-28 bilden einen eigenen Abschnitt, der durch den handelnden Tra'N"^'??? mit V. 24 verbunden ist. Die Leitformulierung ist nirPTiK KT, 218 Dies zeigt sich vor allem im Gebrauch von rpn mit Partizip als Ersatz eines wayyiqtol (Vv. 25.28.29.32.33.41). Im hebräischen Alten Testament findet sich diese Konstruktion nur in Neh 2,13.15; 2Chr 24,12; 30,10; 36,16; sie geht vermutlich auf aramäischen Einfluss zurück (so häufig im aramäischen Teil des Danielbuches, vgl. BL §81 r-t). Auch das suffigierte "K mit Partizip ist eine späte Erscheinung, vgl. C. FREVEL, Vom Schreiben, 25. 219 Vgl. dazu B. BECKING, Fall, 61-73. 220 Vgl. B. BECKING, Fall, 95-102; M. COGAN/H. TADMOR, 2Kings, 221f. unter der Voraussetzung, dass mit Hamat A-ma-a in Elam gemeint ist. 221 N. LOHFINK, ThWAT III, 967 beschränkt 17,24 auf diesen Aspekt.

Bet-El in spät-deuteronomistischen

Texten der

Königebücher

205

die in Vv. 25.28 den Abschnitt rahmt und so das thematische Grundmotiv anschlägt 222 : Es geht in 2Kön 17,25-28 um das Zustandekommen von JHWH-Furcht im besetzten Gebiet Samaria 223 . Sie wird aus einer doppelten Perspektive geschildert. Der Erzähler spricht in den beiden Rahmenabschnitten vom RNRP-NN K T ( V V . 25.28). Die Neusiedler und der König von Assur sprechen dagegen vom flKH tssttili (Vv. 26f.). Da die Neusiedler zum Einen wissen, dass es sich beim f-)*cl\n/Bet-El in materialer

Perspektive

Bet-El hat in der Geschichte des alttestamentlichen Israel zweifellos eine Rolle gespielt. Zwar sind die Erinnerungen an historische Ereignisse in Bet-El und im Zusammenhang damit nur wenige und niemals mit Sicherheit zu eruieren, doch einige Konturen lassen sich bestimmen. Die Identifikation Betins mit dem biblischen Bet-El lässt sich nicht zweifelsfrei durchführen. Außerdem treten das materiale Zeugnis Betins und das biblische Zeugnis über Bet-El schon insofern auseinander, als das Alte Testament Bet-El überwiegend unter der Perspektive des Heiligtums erinnert, das sich archäologisch in Betin nicht nachweisen ließ. Das materiale Zeugnis von Betin ergibt vielmehr das Bild einer Provinzstadt im palästinischen Bergland, deren Ressourcen und Lage eine lange Überlebensdauer gewährleisten konnten und den Schluss nahelegen, dass eben diese Lage im Grenzgebiet zwischen Juda und Israel und als Verkehrsknotenpunkt im palästinischen Bergland die Stadt zum Gegenstand des Interesses

Erinnerungen:

Bet-El in historischer

Perspektive

305

der Staaten und Besatzungsmächte in Palästina machen konnten. Diese material gewonnenen Beobachtungen wurden in der vorliegenden Untersuchung der Analyse der Texte zugrundegelegt. Bet-El gewann seine Bedeutung für Israel/Juda vor allem aus seiner Lage. Dass die Bewohnerschaft Betin/Bet-Els Strategien entwickelt hatte, um die schwierigen Umweltbedingungen des Ortes zu meistern, trug zusätzlich zur langen Kontinuität der Siedlung bei. Im Gegensatz zu Jerusalem war Betin/Bet-El jedoch nie sehr groß. Tatsächlich hat Jerusalem Betin/Bet-El schon im 8./7. Jh., vollends ab der späten Perserzeit, an Größe und Bedeutung deutlich überholt. Aus diesem Grund hat Betin/Bet-El seine historisch bedeutende Rolle irgendwann an Jerusalem abgeben müssen. Eine gewisse wirtschaftliche und strategische Bedeutung hat Betin/.Bet-El jedoch noch lange behalten. Obwohl Betin/Bet-Els Rolle in der Geschichte Israels und Judas in materialer Perspektive nicht an seinem Heiligtum hängt und ein solches auch für keine Epoche nachzuweisen war muss doch angenommen werden, dass es eines gab. Es gibt keine Möglichkeit, das Heiligtum für eine komplette Fiktion der Texte zu halten. Ein Ort wie Betin/Bet-El muss schon deswegen ein Heiligtum gehabt haben, weil Heiligtümer zum Leben der Gesellschaft im Alten Vorderen Orient wesentlich dazugehören. Wo das Heiligtum von Bet-El lag und wie es aussah, wird sich indes kaum noch archäologisch nachweisen lassen. Es lässt sich nur textlich rekonstruieren, was jedoch seine prinzipielle Historizität nicht im Mindesten in Zweifel zieht. Die archäologische Untersuchung Betins erfolgte unter der Voraussetzung der Identität mit Bet-El; die historische Korrektheit des Textzeugnisses zu belegen, war eines der Ziele der Grabung von William Foxwell Albright und James Leon Kelso. Auch wenn dieses Ziel nicht erfüllt werden konnte und die Grabung und die Interpretation ihrer Ergebnisse häufig in problematischer Weise beeinflusst hat, so ergibt sich in Betin doch die Möglichkeit, eine exemplarische Provinzstadt Palästinas in biblischer Zeit zu studieren und ihre Spuren für die Nachwelt zu konservieren. Tatsächlich liegen die Bedingungen dafür in den hermeneutischen Voraussetzungen der Arbeit von Albright und Kelso. Ihr Textzugang geht davon aus, dass die chronologische Reihenfolge der biblisch berichteten Ereignisse in etwa der historischen Reihenfolge entspricht und dass außerdem die Bibel Erinnerungen aus sehr früher Zeit konserviert. Auf diese sehr alten Erinnerungen bzw. ihren materialen Nachweis richtete sich die Grabung in Be?zw/Bet-El, was dadurch gesichert wurde, sind die Spuren eines vorbiblischen Betin/Bet-El. Vom bronze- und früheisenzeitlichen Bet-El haben die biblischen Texte nichts überliefert. Zur Zeit, da die biblischen Texte über Bet-El entstanden, hatte der Ort Betin/Bet-El seine Glanzzeit sogar schon lange hinter sich. So konserviert die Ausgrabung in Beim/Bet-El Spuren einer Stadt, von der sich sonst keine Erinnerungen erhalten hätten.

306

Zusammenfassung

und Ausblick

Es sind zudem diese Spuren, die zur Analyse des Profils des Ortes entscheidend beitragen und somit auch den Ausgangspunkt für die historische Untersuchung Bet-Els und seiner Texte liefern konnten Man kann Albrights und Kelsos Zugang kritisch als „biblizistisch" wahrnehmen, und wirklich trauen ihre Voraussetzungen historisch den Texten mehr zu als sie leisten können. Unter der Voraussetzung der grundsätzlichen Richtigkeit des biblischen Zeugnisses war das ¿?e/f«/Bet-El der späten Eisenzeit und nachfolgender Epochen von geringem Interesse für die Archäologen, so dass hier das Profil des Ortes nicht mehr klar erkennbar ist. Doch auch äußere Einflüsse haben hier viele Spuren nachhaltig verwischt. Aufschluss über das Betin/Bet-El der genuin biblischen Zeit lässt sich daher kaum und nur mit allergrößter Vorsicht gewinnen. 1.2

Die Stimmen der Erinnerung: Die Geschichte Bet-Els in alttestamentlicher Zeit

Die Interpretation des textlichen Zeugnisses über Bet-El steht vor der Aufgabe, Erinnerungen und damit verbundene Sinnbildungen in einer bestimmten historischen Stunde plausibel zu machen. Unter dieser Perspektive ließ sich aus den textlichen Zeugnissen der Schluss ziehen, dass das Alte Testament keine zuverlässigen Erinnerungen an Bet-El bewahrt, die älter sind als das 8. Jh. Als einziger Beleg lässt sich Am 4,4f. heranziehen, der zu bezeugen scheint, dass Bet-El vor 720 ein Kultort von überregionaler Bedeutung war, der über eine Priesterschaft verfugte und an dem Feste gefeiert wurden. Das Heiligtum von Bet-El diente damit der kultischen Vergewisserung des Alltagslebens in der Region; diese Rolle ist nicht anders als die jedes Landheiligtums im eisenzeitlichen Palästina/Israel. Über die verehrte(n) Gottheit(en) Bet-Els in jener Zeit und über die Ausgestaltung des Kultbetriebs lässt sich wenig in Erfahrung bringen. Es wurden Opfer dargebracht, und die Priesterschaft wurde durch den Zehnten erhalten. Nicht viel später als zur Zeit des Arnos, möglicherweise gleichzeitig mit ihm, ist Bet-El außerdem zum königlichen Heiligtum erhoben worden. Als Hintergrund für diese Ereignisse im letzten Drittel des 8. Jhs. dient das Erste Hoseabuch. Es lässt sich den einschlägigen Texten, vor allem Hos 10 entnehmen, dass einer der letzten Könige Israels die Figur eines b w , eines Jungstiers, in Bet-El aufstellte. Diese Götterfigur, von der nicht bekannt ist, welche Gottheit sie repräsentieren sollte, diente zur Markierung des königlichen Anspruchs der Könige von Israel auf Bet-El und sein Territorium, wie sich dadurch nahelegt, dass Hosea den bis sowohl als „Kalb von Bet-Awen/Bet-El" (Hos 10,5) als auch als „Kalb von Samaria" (Hos 8,6) bezeichnen kann. Hos 10 lässt außerdem erkennen, dass der bw in engem Zusammenhang mit der Politik der Könige Israels stand, die sich unter dem Druck der assyrischen Westexpansion zu behaupten versuchten. Mög-

Erinnerungen:

Bet-El in historischer

Perspektive

307

licherweise stand der blV ursprünglich nicht in Bet-El, sondern wurde aus Samaria in diesen abseits gelegenen Ort evakuiert. Möglich ist auch, dass der König Israels auf Bet-El Zugriff gewinnen konnte, um von dort aus Tributzahlungen an die assyrischen Könige abzuwickeln. Allem Anschein nach ist der bis von Bet-El in die Hände der Assyrer gelangt; die alttestamentliche Überlieferung berichtet auffalligerweise nichts von seinem Schicksal. Hos 5 lässt außerdem erkennen, dass die Region in Benjamin, zu der auch Bet-El gehörte, in derselben Zeit in ihrer territorialen Zuordnung noch nicht endgültig zugewiesen, sondern unter dem Druck der politischen Situation zwischen Israel und Juda umkämpft war. Die Staatsgrenzen waren somit in jener Zeit nicht trennscharf definiert, und diese Unsicherheit der Zugehörigkeit Bet-Els zieht sich noch weit bis in die nachexilische Zeit hinein. Auch die Nachfolgeregionen der beiden Staaten, die Provinzen Samaria und luda/Yehud waren nicht durch einen eisernen Vorhang getrennt, sondern blieben politische Nachbarn, kulturell und religiös entwickelte sich ein Bewusstsein der Zusammengehörigkeit. Historisch wurden Provinzgrenzen ohnehin je nach politischer Opportunität gesetzt und überschritten, sowohl „Staat" als auch „Grenze" sind für die untersuchte Zeit anachronistische Begriffe. Die Identität der Bewohner Israels, Judas und Benjamins ist überdies je länger umso weniger „national" definiert. Bet-El tritt zwar als Teil des Königreiches Israel und Teil des Territoriums von Benjamin ins Bewusstsein der Texte, wächst aber sehr schnell in das Gottesvolk Israel hinein, dessen Geschichte die Texte schreiben. Nach 720 hat Juda Zugriff auf Bet-El erhalten können, möglicherweise aus denselben Gründen wie Israel, nämlich zur Sicherung von Verkehrsund Versorgungswegen. Diese „staatliche" Zuordnung hat sich nach 720 jedoch nicht mehr in religiösen Maßnahmen ausgedrückt. Trotzdem blieb das Heiligtum von Bet-El bestehen und gewann seine eher regional ausgerichtete Bedeutung zurück. In Bet-El wurden, so lässt sich Am 5; Sach 7,2 entnehmen, weiterhin Gottesdienste gefeiert, die nach 720 und nach 587/6 auch der Bewältigung der Eroberung in kultischem Zusammenhang dienten. Die babylonische Eroberung und Zerstörung Jerusalems im Jahr 587/6 war eine gezielte Strafaktion gegen Jerusalem, in deren Folge die Verlegung des administrativen Zentrums Judas in das intakt gebliebene und verkehrsgünstigere Benjamin steht. Inwieweit Bet-El als Teil Benjamins von dieser politischen Maßnahme tatsächlich profitieren konnte, lässt sich den Texten nicht entnehmen. Wahrscheinlich aber trat Bet-El, ähnlich wie Mizpa, zumindest für eine gewisse Zeit in die Lücke ein, die Jerusalems Zerstörung gerissen hatte. Möglicherweise kam dem Heiligtum von Bet-El in exilischer Zeit die Rolle des Interims Jerusalems zu, doch weder die Texte noch der materiale Befund in BetTn sind eindeutig genug, um hier einen sicheren Schluss zuzulassen. Mit Sicherheit ist diese Bedeutung des

308

Zusammenfassung

und Ausblick

Heiligtums von Bet-El nicht einer beabsichtigten Konkurrenz zu Jerusalem geschuldet, genausowenig wie die königlichen Maßnahmen im 8. Jh. BetEl wuchs seine Bedeutung zu und mag auch von dortigen Theologen reflektiert und behauptet worden sein, aber die Konkurrenz zu Jerusalem stellt eine (sinnhafte) Behauptung jerusalemisch geprägter Texte dar, die die historischen Konturen des Ereignisses übermalt hat. Die zwei Jahrhunderte der Perserherrschaft sind textlich und theologisch Israels produktivste Epoche. Auch die Traditionen über Bet-El haben ihre fast endgültige Form gefunden. Auf die Situation des perserzeitlichen Yehud ist der größte Teil alttestamentlicher Literatur in Pentateuch, Geschichtsschreibung und Prophetie ausgerichtet. In dieser Zeit, frühestens mit dem Bau des Zweiten Tempels, spätestens mit dem Wiederaufbau Jerusalems, dürfte Bet-El sein Heiligtum aufgegeben haben. Schon Sach 7,2 zeigt, dass zumindest Teile der Bewohnerschaft Bet-Els bereit waren, den Jerusalemer Suprematsanspruch anzuerkennen. Zwar hat es auch noch in späteren Zeiten mit Jerusalem konkurrierende Heiligtümer gegeben, doch in unmittelbarer Nachbarschaft Jerusalems ist das wenig wahrscheinlich. Dennoch sind kultische Einrichtungen von Umsiedlern aus dem Ausland in Bet-El sehr wahrscheinlich. Auf eine solche bezieht sich der schwer datierbare Text 2Kön 17,24-33. Er ist unter historischer Perspektive die letzte Erinnerung an Bet-El, die noch im Alten Testament vorliegt. Die Zunahme der Textproduktion über Bet-El in hellenistischer Zeit scheint nahezulegen, dass der Ort an Bedeutung wieder gewinnen konnte. Insofern Betins Infrastruktur für diese Zeit wieder von größerem Belang war, ist auch eine historische Bedeutung Bet-Els wahrscheinlich, doch zu diesem Zeitpunkt befand sich Bet-El längst in einem Netzwerk einer gut entwickelten Region und verlor so seine Insellage, die ihm vom 8. bis zum 6. Jh. eine so zentrale Rolle zugewiesen haben. Die entsprechenden Texte berichten ohnehin von Ereignissen aus vorköniglicher Zeit, so dass eine Korrelation mit dem Geschehen seit dem 3. Jh. kaum möglich ist. Es ist denkbar, dass Bet-El während der Zerstörung Jerusalems im 5. Syrischen Krieg erneut die Ausweichfunktion für Jerusalem hatte. Ri 20 könnte darauf schließen lassen. Nach Ausweis der Makkabäerbücher spielte Bet-El während der Makkabäerkriege eine Rolle als Stützpunkt des Bakchides (IMakk 9,50). Die alttestamentlichen Erinnerungen an Bet-El decken die Zeit vom 8. bis ins 2. Jh. v. Chr. ab. Sie bilden keinen kontinuierlichen Ablauf ab, sondern dieser ist häufig hypothetisch und nur in Umrissen zu rekonstruieren. Bet-Els Zeit als königliches Heiligtum blieb wahrscheinlich nur eine kurze Episode, davor und danach hatte Bet-El die Rolle eines Regionalheiligtums in einer verkehrstechnisch wichtigen Stadt im Grenzbereich zwischen Juda und Israel. Die Episode des königlichen Heiligtums war jedoch der Ausgangspunkt der Sinnbildung über Bet-El in theologischer Hinsicht.

Sinnbildungen:

Bet-El in der Perspektive des Alten Testaments

309

2. Sinnbildungen: Bet-El in der Perspektive des Alten Testaments Das Alte Testament zeichnet von Bet-El das Bild einer Stadt und ihres Heiligtums, die kontinuierlich von der Väterzeit bis zur Regierung Josias eine Rolle in der Geschichte Israels gespielt haben. Diese abgebildete Kontinuität ist das Ergebnis eines längeren Textwerdungsprozesses, der im 8. Jh. begann und ungefähr im 2. Jh. endete. Vor allem aber ist die große Sinnkonfiguration von Bet-El als paradigmatischer Ort der Geschichte Israels das Ergebnis der Komposition der Texte, die drei unterschiedliche Sinnbildungsprozesse repräsentieren. Sie beginnen in etwa gleichzeitig und entwickeln sich zunächst getrennt voneinander, bis sie in später persischer und früher hellenistischer Zeit aufeinander zuwachsen. 2.1

Krise: Der prophetische

Blick auf Bet-El

Am Anfang der Sinnbildung über Bet-El steht die Erinnerung an Bet-El, die in den Büchern Arnos und Hosea aufbewahrt wird, also der Sinnbildungsprozess im Zusammenhang mit der Prophetie. Es ist nur eine relativ geringe Textmenge, die hier im Hinblick auf Bet-El relevant ist, ihre Bedeutung für die Sinnbildung über Bet-El kann jedoch kaum überschätzt werden. Eine kleine Anzahl prophetischer Aussprüche gehört ins 8. Jh. Am 4,4f. wurde bereits erwähnt. Die dortige Kritik an Bet-El leitet direkt über zur Voraussage des Arnos „Denn Bet-El wird zunichte werden" (^N'rra •px1? rrrp Am 5,5) In diesen beiden Worten liegt die Initialzündung der Sinnbildung über Bet-El. Bei Arnos ist diese Aussage noch die Einsicht in die kultischen Konsequenzen einer Gesellschaft am Rande des Scheiterns. Kult, der auf Verbrechen basiert, wird von Gott materialiter unmöglich gemacht werden: durch Zerstörung. Arnos' Wort über Bet-El hat eine derartige Wirkung gehabt, dass Hosea es im Augenblick des Zusammenbruchs aufgreifen konnte und Bet-El in Hos 5,8; 10,5 nicht mehr anders als BetAwen bezeichnet. Doch anders als bei Arnos hängt bei Hosea der Unheilscharakter Bet-Els am bli) von Bet-El. Er ist das Symptom und die Ursache des (drohenden) Untergangs, Symbol für Israels mangelnde Gotteserkenntnis und die verfehlte Politik von Königen und Priestern. Im Horizont von Sinnbildungsprozessen betrachtet, stellt die (biblische) Prophetie einen ganz eigenen Umgang mit Kontingenzen und Krisen dar, die Erinnerungen und Sinn generieren. Der Prophet reagiert nicht nach der Krise, sondern währenddessen. Der Prophet bringt die Welt in Unordnung, indem er auf das Kontingente der vorfindlichen Wirksamkeit hinweist. Im Falle der Propheten Arnos und Hosea hat die kurz auf sie folgende Katastrophe die Wahrheit und also die sinnhafte Qualität ihrer Wahrnehmungen

310

Zusammenfassung

und Ausblick

erweisen können. Aus diesem Grund werden ihre Worte erinnert und im Rahmen der prophetischen Bücher kommentiert und tradiert. Hinsichtlich Bet-El bilden Arnos und Hosea zusätzlich den Motor des Hauptstroms der Bet-El-Überlieferung. Die prophetische Auseinandersetzung mit Bet-El und dem Untergang des Königreiches Israel wird dabei zunächst während des 8. und 7. Jhs. in den beiden prophetischen Büchern selbst geführt. Sie werden im Rahmen der theologischen Bewältigung des Untergangs Israels aufeinander bezogen und ihre ursprünglich unterschiedlichen Botschaften miteinander korreliert. Nicht zufallig generiert diese Korrelation einen weiteren wichtigen Text über Bet-El. In der Amazjaerzählung Am 7,10-17 wird noch einmal festgehalten, dass es eine verfehlte Politik war, die Israel und dem Heiligtum von Bet-El ein Ende machte. Gegenüber den prophetischen Einzelworten neu ist der Aspekt, dass der Prophet diese Einsicht öffentlich geäußert hat. In Am 7,10-17 wird Arnos der (historisch wohl richtige) Platz desjenigen gegeben, der als erster Unheilsprophet in den Konflikt mit König und Priestern geriet. Tatsächlich trägt dieser Arnos bereits Züge Hoseas bzw. in den Worten des Arnos an Amazja klingt die Königskritik Hoseas nach. Mit dieser kleinen Prophetenerzählung entsteht auch in den prophetischen Büchern so etwas wie ein Geschichtsbewusstsein, indem die ehemalige Zeitansage in einer historischen Stunde verankert wird. Hinsichtlich der prophetischen Bücher hat der prophetische Konflikt mit Bet-El keine großen Nachwirkungen mehr gehabt; diese Konstellation wandert in die Königebücher aus. Trotzdem muss die letzte Vision des Arnos Am 9,1 (2-4) zur Geschichte dieser Bet-El-Tradition gezählt werden. Hier wird mit einer Offenheit auf beide, Jerusalem und Bet-El, gezeigt, woher der Prophet sein Wissen und seine Autorität gehabt hatte: Von JHWH selbst, der auch selbst die Vernichtung seines Volkes beschlossen hat. Am 9,1 (2-4) gehört indes schon zu späteren Texten, die ohne die weitere Tradition, vor allem nicht ohne Gen 28, zu denken sind. Die Erfahrung mit der Prophetie war nicht nur für die nachlaufende Erkenntnis über die Geschichte des Königreiches Israel von Bedeutung. In dem Moment, als Juda im Begriff war, denselben Weg zu gehen wie Israel, erhoben auch dort Propheten ihre Stimme, und die Erinnerung an die Propheten Israels wurde - besonders im Zusammenhang mit Bet-El - aktiviert. Aus dem späten 7. und frühen 6. Jh. stammen Am 5,4-6; Hos 4,15. Das Schicksal Bet-Els wird hier als warnendes Beispiel für Jerusalem eingesetzt. Die Entstehung dieser Worte verdankt sich einer gemeinsamen Redaktion nicht nur des Arnos- und Hoseabuches, sondern einer redaktionellen Gesamtsicht auf die spätvorexilische Prophetie der Bücher Arnos, Hosea, Micha, Zephanja und Jeremia. Israel und Juda sind in dieser Perspektive kurz vor und nach 587 eins in Schicksal und Schuld. Tatsächlich

Sinnbildungen:

Bet-El in der Perspektive des Alten

Testaments

311

hat nur diese auch historisch vollzogene „Einigung" der beiden ehemals autonomen Königreiche Bet-El überhaupt vor dem Schicksal des Vergessens bewahrt. 2.2

Schuld: Der historiographische

Blick auf Bet-El

In direktem Anschluss an die eben skizzierte prophetische Bet-El-Tradition der spätvorexilischen Zeit ist die Überlieferung über Bet-El in den Königebüchern zu sehen; tatsächlich ist sie ein Erbe der Prophetie. Anders als diese hat sie einen dezidiert historischen Blick auf die Ereignisse. Mit lKön 12, später mit 2Kön 17 und 2Kön 23 wird die Grundlage der historischen Auseinandersetzung mit Bet-El im Rahmen deuteronomistischer Literatur und Theologie gelegt, die Ereignisse in Bet-El aus ihrem ursprünglichen geschichtlichen Zusammenhang herauslösen und zu Ereignissen einer konstruierten (Un-) Heilsgeschichte machen. Diese Historiographie setzt erst mit dem Untergang Jerusalems und Judas im Jahr 587/6 ein. Judas Katastrophe ist strukturell der Katastrophe Israels einhundertdreißig Jahre früher vergleichbar: In letzter Konsequenz ist der Verlust Jerusalems auf das Versagen von Jerusalemer Königen zurückzufuhren. Bewältigt wird diese Erfahrung im Rahmen der deuteronomistischen Geschichtsschreibung der Königebücher und im Horizont der Schuld. Den Verfassern steht indes von vornherein das Groß-Juda der spätvorexilischen Zeit vor Augen, dessen beide Traumata - Samarias und Jerusalems Untergang eine historisch und theologisch plausible Begründung erhalten müssen. So konstruiert lKön 12 das Ereignis der „Reichsteilung". Die Trennung der gottgewollten Einheit wird zum Grund für ihre Katastrophen. Den Anfang macht hierbei noch im 6. Jh. der Grundentwurf von lKön 12 (lKön 12,25-27*.28a. 29-30a). Es ist der zentrale Text der Grundschrift der Königebücher und beschreibt die Trennung des ehemals unter dem „Haus Davids" und am „Haus JHWHs in Jerusalem" geeinten Volk in zwei Königreiche, drei Residenzen und drei Heiligtümer. Die Trennung des Nordens vom Süden, die „Sünde Jerobeams", wird zum Grund für den Untergang Samarias, doch Juda hat die Trennung mitverschuldet und so sein eigenes Trauma erleben müssen. Hier wirkt noch sehr stark die frühe Prophetie nach, besonders die Kritik Hoseas an seinen zeitgenössischen Königen. In der Grundschrift von lKön 12 hat das Stierbild noch keine Korrelation mit dem Ersten oder Zweiten Gebot, sondern markiert lediglich das Territorium des Nordreichs. Unter der Frage nach Sinnbildungsprozessen betrachtet, findet in lKön 12 ein wichtiger Schritt statt, indem eine aktuelle Jetztzeit, bzw. im Falle des Stierbilds von Bet-El eine erst kurz zurückliegende Vergangenheit in eine frühere historische Stunde zurückprojiziert wird und so die Bedingungen zum Verständnis der Erzählzeit schafft. Aus Jerobeam II., der - etwas

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idealtypisch gesprochen - im frühen 8. Jh. das Königreich Israel zu seiner größten Blüte und territorialen Ausdehnung führte und somit die Bedingungen für die Worte des Arnos schuf, wird in lKön 12 der Gründungsvater des Nordreichs, der Jerobeam I. des 10. Jhs. In dieser konstruierten historischen Stunde sieht die deuteronomistische Geschichtsschreibung von nun an Israels größte Schuld; im Rahmen der Königebücher ist Bet-El dieses Stigma niemals wieder losgeworden. Der wird von einem partikularen Symbol zu einer geschichtstheologischen Sinnfigur. Dass Bet-El zumindest die Eroberung durch die Babylonier überlebte und von Jerusalems Zerstörung in gewisser Weise profitieren konnte, mag das Problem der verratenen Einheit Israels für die frühen deuteronomistischen Autoren noch verschärft haben; in der Kritik an Bet-El drückt sich aber wesentlich das niemals gelöste Problem der brüchigen Einheit Israels aus, an dem die alttestamentlichen Autoren wahrhaft gelitten haben, weil sie es als widergöttlich betrachteten. Tatsächlich wird Bet-El in der Perspektive der deuteronomistischen Geschichtsschreibung recht bald zumindest teilweise aus der Bindung an das Nordreich entlassen, doch diese Integration in das ganze Gottesvolk ist keine Exkulpation Bet-Els, im Gegenteil. In den politisch ruhigeren Verhältnissen der Perserzeit, noch an deren Anfang (6J5. Jh.), wird die Sinnfigur der „Reichsteilung" ausgebaut zur theologischen Ursünde des Gottesvolks, des Goldenen Kalbs vom Sinai (Ex 32*), dessen Implikationen der ständigen Gefahr Israels für sich selbst nur durch eine konsequente Unterordnung unter das Gesetz und die Begegnung mit JHWH in Jerusalem abgewendet werden können. Jerobeams Stierbild wird bei dieser gewandelten Perspektive auf Israels Geschichte als Gottesvolk zur Wiederholung der Affaire des Goldenen Kalbs, die Jerobeam-Episode wird fortgeschrieben durch lKön 12,28.32. Diese Fortschreibung ist etwas später anzusetzen als Ex 32 und zielt außer der Kontinuität der Unheilsgeschichte auch auf eine neue Zäsur in Israels Geschichte. In der Perserzeit wird den alttestamentlichen Autoren klar, dass Israel sich nicht nur im Horizont von Schuld erfassen lässt, sondern dass ihm auch ein Neuanfang gewährt wurde. Nach dem Verständnis der Verfasser der biblischen Texte waren nicht die achämenidischen Herrscher die Garanten des neuen Anfangs im Zweiten Tempel - so wenig das Alte Testament diesen Zusammenhang verschweigt - sondern JHWH. Voraussetzung ist indes, dass Israel sich des Unheilszusammenhangs bewusst wird und sich von den Symbolen des Untergangs trennt. Außer in Ex 32 gewinnt diese Perspektive Gestalt in der Kultreform Josias, in die auch Bet-El mit einbezogen wird (2Kön 23,423*). Die beiden exemplarischen Könige Israels und Judas, Jerobeam und Josia stehen von nun an in einem Verhältnis von Typus und Antitypus. Vom ätiologischen Ausgangspunkt der Katastrophe - der „Reichsteilung",

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in der das Stierbild Jerobeams I. den Grundstein für den Untergang legte verlagert sich das Interesse der Texte sukzessive auf Josias Kultreform. Sie wird zum paradigmatischen Ende aller Irrwege Israels und Judas und zwar derart, dass in der Wahrnehmung alttestamentlicher Geschichtsschreibung danach kein Kult außerhalb Jerusalems mehr möglich war. Historisch dürfte dies erst später in persischer Zeit auch für Bet-El der Fall gewesen sein, tatsächlich ist Bet-El aber nach dem 5. Jh. niemals wieder zur Konkurrentin Jerusalems geworden, selbst wenn spätere Texte dies gelegentlich zu suggerieren scheinen. In Josias Reform zeichnet sich ein gewisser Friedensschluss deuteronomistischer Theologie mit Bet-El ab. Auch wenn „Josia" Bet-Els Altar zerstört hat, gilt doch diese Aktion nur Israels Wohl. Israel musste von der Versuchung des Abfalls befreit werden, um zu JHWHs Volk zu werden, und diese Verheißung gilt auch Bet-El. In diesen Zusammenhang gehört auch der spät-deuteronomistische Text Gen 35,1-7, der vermutlich ans Ende der persischen Zeit gehört und in Bet-El programmatisch Heil und Unheil vorwegnimmt. Er ist ohne die Vorgaben von Gen 28 und Gen 35,6-13 P nicht zu denken. Gleichwohl behauptet sich die Erfahrung von Schuld im Zusammenhang mit Bet-El auch und gerade in den Königebüchern. Aktiviert wird diese Sinnkonfiguration jedoch erst wieder in hellenistischer Zeit, angestoßen ist sie von der Auseinandersetzung mit den „Völkern", d.h. mit der Gemengelage von ethnischen und religiösen Bevölkerungselementen in Juda und Samaria. Die Erinnerung an Bet-Els Zugehörigkeit zum Nordreich wird hierbei umgesetzt in die Figur Bet-Els als Teil bzw. Einfallstor nach Samaria. Erneut wächst lKön 12 um weitere Elemente an, diesmal um lKön 12,31-32, wo Jerobeam zusätzlich zum Stierbild und der Teilung auch noch die Berufung ketzerischer und götzendienerischer Priester unterstellt wird. Die historische Stunde dieses Vorgangs ist erneut an anderer Stelle zu suchen. 2Kön 17,24-33 bewahrt zumindest im Kern die Erinnerung an einen Synkretismus in Bet-El, der auf die Ansiedlung von Fremden zurückgeht und möglicherweise sogar eine großkönigliche Autorisation hatte. Der Text wird indes eingestellt in Israels große Unheilsgeschichte und trennt Samaria vom orthodoxen Juda. Dementsprechend wird in die Josia-Perikope die Zerstörung der samarischen Heiligtümer durch Josia eingetragen (2Kön 23,15*. 19). Der Riss, der hier durch Israel geht, ist indes längst nicht mehr territorial, sondern grenzüberschreitend in der Treue oder Untreue zu JHWH vermacht. Das Goldene Kalb ist aus diesem Grund von Bet-El an den Sinai verlegt worden. Seine Wirkung entfaltet die Polemik gegen „Samaria", d.h. gegen Synkretismus und Hellenisierung auch weiterhin. In diesen Zusammenhang gehört noch der erste Teil der BetEler Prophetenlegende ( l K ö n 13,1-10), der - ebenfalls in hellenistischer

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Zeit - die Erinnerung an Am 7 wiederbelebt und den Konflikt zwischen Priester, König und Prophet nach Bet-El zurückträgt, sowie Am 3,14, der die Auseinandersetzung mit Samaria dorthin zurückbringt, wo die Sinnbildung über Bet-El begann, ins Amosbuch. Den zeitlichen Abschluss bildet Josias Massaker in Bet-El 2Kön 23,16-20, der schon der Makkabäerzeit angehört. 2.3

Verheißung: Der Blick der Jakobserzählung

auf Bet-El

Der dritte Sinnbildungsprozess über Bet-El vollzieht sich im Horizont der Vätergeschichte, es ist die Sinnfigur der Verheißung. Schon die Uberlebenden der Katastrophe von 720 erfassten ihren Zusammenhalt unter dem radikalen Verzicht auf nationale und königliche Konturen in der Rückführung auf den gemeinsamen Vater Jakob. Hier ist der Impuls hoseanischer Königskritik produktiv in einen Neuansatz zur Identitätsfindung umgesetzt worden. Das Sinnpotential der Jakobserzählung behauptete sich indes bis in die exilische Zeit ohne Bezug auf Bet-El. Die Vätergeschichte erfasst noch vor der deuteronomistischen Traditionsbildung das Gemeinsamkeitsbewusstsein der beiden Bruderstaaten im Horizont ihrer Ursprünge. Erst in exilischer Zeit reflektiert dabei ein einzelner tempeltheologisch geprägter Autor dieses Sinnangebot auch für Bet-El und verfasst die Erzählung von Jakobs Traum in Bet-El Gen 28,10-22*, die als dezidierte Reaktion auf Am 5,5 zu verstehen ist. Möglicherweise bildet dieser Text die „Ätiologie" des exilisch-nachexilischen Heiligtums von Bet-El. Wenn Bet-El jemals theologisch in Konkurrenz zu Jerusalem getreten ist, dann deswegen, weil der Vätertradition mit ihrer Behauptung des „Trotzdem" und ihrem Verzicht auf eine geschichtstheologische Zuspitzung des Glaubens Israels in Konkurrenz zu deuteronomistischen Entwürfen im Sinne des „Nie wieder" tritt. Eine solche Auseinandersetzung um die theologische Relevanz der Bet-ElTradition im Spannungsfeld zwischen den Vätern und der deuteronomistischen Tradition spiegelt um das 5J4. Jh. Hos 12 wider; die deuteronomistische Tradition konnte Bet-El nur als Prolepse von Sinai und Josia in ihren Gesamtentwurf integrieren (Gen 35,1-6). Unter den eigenen Vorzeichen, aber mit derselben Tendenz - die Einordnung Bet-Els in die Geschichte des Gottesvolkes - nimmt sich auch die priesterschriftliche Literatur in Gen 35,6-13* der Bet-El-Tradition an. Im Anwachsen der theologischen Bedeutung der Vätergeschichte für die alttestamentliche Geschichtsschreibung zeichnet sich mehr und mehr eine „Versöhnung" mit Bet-El ab. Ohne aus der Verantwortung für die Schuld entlassen zu werden, wird BetEls Bedeutung für die Geschichte Israels und JHWHs anerkannt. Den Grund dafür legt ganz eigenständig gegenüber den großen Sinnfiguren über Bet-El ist die Traumoffenbarung Jakobs in Bet-El. Sie bildet die Reaktion auf alle Versuche, das „Haus Gottes" historisch oder geschichts-

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theologisch zu vereinnahmen und verdankt sich einem großen Widerspruch zu Arnos' so nachhaltig wirksamer Unheilsankündigung für Bet-El. BetEls Qualität liegt in der Perspektive dieses Textes in seiner unzerstörbaren und alles transzendierenden Eigenschaft, als „Tor des Himmels" und „Haus der Gottwesen" auf Gott zu verweisen, der sich nur im Traum als JHWH offenbart. 2.4

Integration: Der Blick der späten Texte auf Bet-El

Mit Ausnahme der Prophetie, in der Bet-El niemals aus der Kritik entlassen wird, zeichnet sich in allen anderen Diskursen über Bet-El im Zuge der späteren Perserzeit eine Versöhnung mit Bet-El ab. Zwar behauptet sich die Schuldfigur einigermaßen nachhaltig, doch im Großen und Ganzen wird Bet-El sukzessive auch geschichtstheologisch in die Geschichte des Gottesvolkes integriert, die neben Schuld auch Verheißung enthält. Dieser Prozess geht mit Bet-Els nachlassender Bedeutung für Israel/Juda einher. In diesem Zusammenhang entstehen in der späten hellenistischen Zeit Texte, die Bet-El in die heilvolle Geschichte Israels integrieren. Die Prophetenlegende von Bet-El bekommt ihren Abschluss in lKön 13,11-32 und rezipiert so zum letzten Mal Arnos als den Vater der Sinnbildung über BetEl. In der Endfassung des Textes wird die prophetische Gestalt zum Zeugen des Wortes Gottes in Bet-El, der das Wort Gottes über seinen Tod hinaus bezeugt. Gleichzeitig mit Bet-El als Chiffre für Samaria und damit für den fundamentalen Abfall Israels von JHWH kann das Richterbuch (Ri 1-2; 19-21) Bet-Els Zugehörigkeit zum „wahren Israel" behaupten. Hier verzweigt sich nicht nur die Bet-El-Tradition, sondern sie spiegelt den Riss wider, der spätestens seit der frühen hellenistischen Zeit durch Juda-Israel geht und sich an der Treue zu JHWH bemisst. In diesem Zusammenhang wird Bet-El zum Schlagwort in wechselnden Diskursen, die sowohl - von der Genesis ausgehend - Bet-Els Zugehörigkeit zur Orthodoxie behaupten können als auch - im Anschluss an die Prophetie und die Königebücher Bet-Els fortwährende Rolle als ewige Heimat der Abtrünnigkeit festhalten. Hier hat sich Bet-El von historischen Erinnerungen emanzipiert und bezeugt das Weiterwirken komplexer Diskurse. Bet-El wird zum Textereignis. Bereits im 3. Jh. beginnt in der griechischen Textüberlieferung und der Levi-Literatur die neben- und nachalttestamentliche Rezeption Bet-Els, die in dieser Arbeit nur gestreift werden konnte. Charakteristischerweise ist die Bet-El-Tradition der Genesis die Matrix für diese - durchgängig positiven - Bilder Bet-Els. Die gewissermaßen historisch korrekte Auseinandersetzung mit Bet-El unter dem Vorzeichen von Schicksal und Schuld findet im Alten Testament statt und wird in letzter Konsequenz so bewältigt, dass Bet-El Jerusalem unterliegt und ein Paradigma für Israels Versa-

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gen und Verrat an JHWH bleibt. Nach und neben dem Hauptstrom hebräischer theologischer Literatur behauptet sich Bet-El im Wortsinne als „Haus Gottes", zunächst als Heimat des levitischen Priestertums, am Ende, in Jub 31-32 als Heimat der Tora. Gerade das Jubiläenbuch ist in der Lage alle Bet-El-Traditionen einer Synthese zuzuführen und in den Träumen Jakobs die große Verheißung Gottes zu finden, die er als Schöpfer und Herr Israels am Anfang der Welt ausgesprochen hat und am Ende der Zeiten wahrmachen wird. Charakteristischerweise hat dieser Blick auf Bet-El keine Aufnahme in das kanonische Alte Testament mehr gefunden, dessen Sinnbildung über Bet-El im Wesentlichen von der Linie der Prophetie und des Deuteronomismus bestimmt wurde, jedoch dem Traum in Bet-El den Ehrenplatz der ersten großen Bet-El-Erzählung einräumt. Tatsächlich wird dies zur Voraussetzung dafür, dass Bet-El „transportabel" wird. Die samaritanische Tradition verlegt Bet-El an den Garizim und schreibt so das Konkurrenzpotential der Jakobserzählung (im Kontext des Pentateuch) gegenüber anderen Theologien des Alten Testaments zum letzten Mal fest. Die rabbinische Literatur konnte dagegen in Bet-El Jerusalem und den Sinai erkennen 1 .

3. Der Traum von Bet-El: Ausblick Das Alte Testament erzählt eine lineare Geschichte Bet-Els, die mit Abraham beginnt, mit Josia endet und deren Nachspiel in der Rückkehr der Exulanten liegt. In diesem Pendelschlag von Ankunft, Verheißung, Schuld, Vertreibung und Heimkehr erreicht die alttestamentliche Sinnbildung über Bet-El ihre Endgestalt, die mit dem kanonischen Bild der Geschichte JHWHs mit Israel deckungsgleich ist. Die hier vorgelegte Analyse der einschlägigen Texte konnte zeigen, dass nahezu jedes mit Bet-El verbundene Ereignis eine theologischliterarische Konstruktion darstellt. Das heißt, die Geschichte Bet-Els im Horizont der Texte ist nicht mit der abgebildeten historischen Stunde deckungsgleich. Als Sinnbildung hat die Erinnerung an Bet-El unterschiedlichste Erinnerungen aktiviert, manchmal konstruiert und somit ein Bild geschaffen, das historische Kontinuität suggeriert und doch alles andere als kontinuierlich und mit der Empirie in Betin nicht zur Deckung zu bringen ist. Dabei lässt sich im Entstehungsprozess der einzelnen Bet-ElTraditionen und ihrer Synthese gewissermaßen eine Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen beobachten: Auf dieselbe Krise reagieren Prophetie, Königebücher und Genesis ungefähr zur selben Zeit, aber mit der Aktivierung und/oder Konstruktion unterschiedlicher Erinnerungen. Sie alle verlegen 1

Belege bei K. KOENEN, Bethel, 203-205.

Der Traum von Bet-El

317

Bet-El in eine - nähere oder fernere - Vergangenheit, deren chronologische Anordnung den eigentlichen Abschluss der Sinnbildung darstellt. Die Analyse der Bet-El-Texte innerhalb und außerhalb des Alten Testaments gibt somit Aufschluss über die Bedingungen, die zur Dokumentation geschichtlicher Prozesse im Alten Testament fuhren und Aufschluss über diese Dokumentation selbst. Bet-El hat im Grunde kaum einen Eigenwert für die historische Erkenntnis, umso mehr kann eine Befragung der Bet-ElTexte im Horizont der Sinnbildung zum Verständnis des Entstehen des Alten Testament beitragen. Trotzdem ist nichts an Bet-El unhistorisch. Die biblischen und nachbiblischen Traditionen über Bet-El dokumentieren die Entstehung des historischen Denkens in Israel. Dass es sich im Wesentlichen der Sinnbildung über Krisen und Katastrophen verdankt, ist ein Grundzug historischen Denkens, ohne dass deswegen Sinnbildung allein im Nachdenken über die Krise zu suchen ist. Das Alte Testament bleibt daher nach dem Votum von Gerhard von Rad ein Geschichtsbuch. Seine Lektüre ist jedoch nicht mit der Rekonstruktion von „Fakten" zu verwechseln. Es schreibt vielmehr Geschichte, „wie sie eigentlich gewesen", und in diesem „eigentlich" liegt sein Sinn und seine Wahrheit: Abgebildet wird die Geschichte Gottes mit den Menschen. Die Wiederkehr der Veränderung zu beschreiben, d.h. sinnhafte Kontinuitäten in scheinbar sinn-loser Kontingenz zu finden, ist das Ziel jeder Geschichtsschreibung. Sie hat auch und nicht zuletzt ihre Wurzeln im Alten Testament. Auch Israels Helden ändern sich, JHWHs Treue bleibt in Gericht und Neuanfang. Bet-El bildet darin einen wichtigen Teil. Sein theologischer Gehalt geht indes immer über jede historische und exegetische Frage hinaus. Trotzdem ist es kein Zufall, dass Gen 28,10-22 den Anfang der Texte über Bet-El bildet und ebensowenig Zufall, dass er der meistrezipierte Text der gesamten Bet-El-Tradition geworden ist. Im Traum von Bet-El manifestiert sich die Erinnerung daran, dass die Geschichte Gottes mit den Menschen nicht materialiter erfasst werden kann, sondern die Welt immer nur das Gleichnis dieser Geschichte bildet. Das Geheimnis von Bet-El bleibt daher letztlich in den Texten beschlossen und erschließt sich nur dem, der mit Jakob träumt. ,Die Welt ist nicht der Ort Gottes, Gott ist der Ort der Welt." (Midrasch Bereschit rabba 68 zu Gen 28,11)

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28,10-22 28,11 28,12 28,13 28,14 28,15

28,16 231 2; 3; 230; 246; 263; 296 21; 22; 263 1 2; 263; 247; 296 231 1; 246; 263 1; 230; 246 252; 253 251 144 144; 241; 242 246 263 255 244; 246 241 144; 241; 242; 245 243 27,46-28,9 253; 255 28 6; 13; 15; 17; 71; 119; 144; 146; 147; 148; 173 218; 230; 231; 234; 235 236; 239; 240; 241; 242 245; 250; 255; 264; 266 267; 268; 270; 272; 291 292; 294; 295; 296; 297 298; 301; 310; 313 1; 7; 14; 71; 230-250; 255; 270; 293; 294; 314; 317 230; 233; 234; 235; 236; 239; 241 230; 233; 234; 235; 236; 238 118; 147; 233; 234; 235; 237; 246; 296 147; 234; 147; 232; 234; 235; 237; 246; 250; 257; 259; 296

28,17 28,18 28,19

28,20-22 28,20-21 28,22 29-36 29-31 29 29,31 29,33 29,35 30,24 30,27-28 30,37 31 31,3 31,13 31,44-48 31,42 31,49 31,44-54 32-33 32 32,2-3 32,10-13 32,23-33 32,30 33 33,17 33,18-20 33,18 33,20 34

232; 233; 234; 235; 237; 239; 240; 241; 297 230; 232; 233; 235; 237; 239; 240; 297 232; 233; 234; 235; 241; 266; 272 2; 19; 21; 114; 232; 234; 235; 236; 240; 253 232; 234; 262; 265; 272; 302 235; 245; 264 101; 235; 265; 270 245 240; 241 242 243 243 243 243 243 254 230; 242; 262 243; 244; 257; 259 230; 249; 262 266 259 243 244 242 144; 241; 242; 244; 242;243 257 144; 242; 268 145 245 242 257 244;251 257, 258; 263; 264 257; 292

236; 272; 236; 236; 233; 266; 267;

245

339

Stellenregister 35

35,15 35,16-20 35,23-26 35,27-29 37,1 48,3

17; 146; 149; 173; 226; 230; 244; 250; 252; 257; 258; 259; 260; 261; 262; 264; 266; 267; 268; 269; 270; 272; 290; 291; 292; 293; 296; 297; 299 1; 13; 230; 267; 293; 298 7; 233; 235; 250; 255; 256; 257; 258; 259; 260; 261; 263; 264; 265; 267; 268; 269; 271; 313; 314 256 255; 256 255; 256; 258 256; 257; 258; 259; 262; 263; 264; 256; 258; 261; 264; 267 256 21; 250; 253; 254; 256; 261; 267 250; 251; 252; 255; 271; 313;314 5; 71; 114; 244;256; 258; 262; 263; 264; 265; 267; 269; 71; 251; 254; 147; 256; 257; 258; 298 251; 258 252; 252 251 251; 252 251; 252; 253; 258 71; 250; 265; 266; 267; 270 2; 266 243 253 253 252 230; 254

Exodus 1,7 6,2-9 17,5 19,10 19,14 23,20-33 24,9-11

252 253 262 258 258 283; 287 185

35,1-15 35,1-7

35,1-5 35,1 35,2 35,3 35,4 35,5 35,6 35,6-13 35,7

35,8 35,9-13 35,9 35,10 35,11 35,12 35,13 35,14-15

32

32,1-6 32,7-14 32,8 32,24 33,1-6 33,1-2

6; 110; 132; 183; 184; 185; 186; 187; 188; 189; 199; 201; 211; 228; 258; 261; 263; 268; 269; 312 184; 185; 269 261 185 287 283

Leviticus 6,3

217

Numeri 20,12 27,14

276 276

Deuteronom ium 6,5 166; 167 7,1-11 287 7,1-5 282 7,17 167 8,17 167 9 269 9,4 167 9,21 193 12,13-14 166 18,1-8 101 Josua 1-3 2 6 7-8 7,2 8,9 8,11-15 9 12,9 15-19 15,21-62 15,63 16,1-19,49 16 16,1-4 16,If. 18 18,11-28 18,11-14

282 281 281 284 21 21 21 282 21 281 174 281 281 2 1; 21; 174 21; 253 2 1 174

340 18,13 18,21-28 18,22 18,28 19,2-8 19,14 19,40-46 23,4-16 24 24,3-13 24,13 24,19 24,26-28 Richter 1-2 1,1 1,1-2,5 1,22-26 1,22 1,23 2,6-16,31 2,6-3,6 2,17 4,5 6,24 17-21 17-18 18,13-18 19-20 19 20 20,1-29 20,4-6 20,11-29 20,18 20,23 20,26-28 20,26 20,30-48 1 Samuel 1-2 7,1-12 7,16 9

Stellenregister 21; 253 21; 174; 58; 281 281 174 21 174 282 257; 258; 260; 261; 264; 269 260 261 260 261

17; 290; 291; 315 286 274; 278; 279; 280; 287; 301 1; 21; 58; 278; 281; 282; 283; 284; 287; 288 278; 279; 280 279 276; 286 260 261 1; 254; 276 262 287; 289 288 288 7; 17; 273; 290; 291; 302 19, 284 1; 58; 277; 283; 284; 289; 290 284;285 284 284; 285; 286 285 286 71; 286 71 284

101 266 1 101

10,3 13 13,5 14,23 30,27 31,11-13

1; 262 58 21 21 21 223

2 Samuel 5,15 6 16,15-17,16 20,1

158 288 158 158

1 Könige 3,4-4,1 11-14

167 154; 155; 158; 162; 165 166; 168; 171; 180; 226 11,14-22 156 11,23-25 156 11,26-14,31 155; 163 11,26-14,20 155 11,26 155; 156; 157; 160 157 11,27-28 11,29-39 158;218 11,40 157 12-13 153;218 12 2; 6; 7; 11; 13; 71; 110; 114; 138;158; 162; 163 166; 167; 171; 172; 180 183; 185; 186; 187; 188 189; 190; 195; 199; 200 202; 208; 210; 211; 217 219; 221; 222; 227; 228 229; 230; 231; 264; 269 288; 290; 311; 312; 313 12,1-20 157; 158 12,2 157 12,20 157; 162 12,25-33 1; 11; 12; 14; 226 12,25-30* 72; 157; 161; 162; 163; 166; 172; 179; 185; 186 227 12,25 159 12,26-27 160 12,27-28 161 12,27 160; 164; 165 12,28 132; 183; 187; 188; 199 200; 228; 312 12,29 72; 153; 154; 160; 161 12,30 160; 162; 164; 188; 189

341

Stellenregister 12,31-32 12,31 12,32 13

13,1-32 13,1-10

13,11-32 13,34 14,1-18 14,19-20 14,21-31 14,22 14,23 14,25-28 14,25 14,30 15 15,16-22 16,34 20,35-37

208; 209; 210; 211 208 209 208 209 1; 17; 107; 110; 119; 192; 213 214; 216; 218; 219; 220 223; 225; 226; 275; 276 277 215 275 213 214; 217; 218; 219; 220; 225; 226; 229; 276; 277 225 273; 274; 275; 276; 277 301; 315 187 188;189 158 219 157 162 157 162 162 165 162 165 163 169 169 157; 163 138 172 182 276

2 Könige 2,2f. 1; 216 2,23 1; 216 5,1-19 216 5,15-16 216 13-14 98 13.5 98 13,25 98 14,25 99 15 134 17 9; 110; 153; 180; 223; 229; 311 17,1-23 204 17.6 204 17,8 204 17,16 195 17,21 195; 200 17.22-23 165; 200 17.23-24 70 17.23 204 17.24 204 17.24-41 202; 209

17,24-33

8; 202; 203; 204; 209; 210; 211 17.24-28 1 17.25-28 205; 206; 207; 210; 211 17.26-27 206; 206 17.27 204 17.28 71; 202; 206; 210; 211 17.29 203; 206; 207; 208 17,29-33 204 17.30 203; 207 17.31 203; 207 17.32 207 17.33 207 17,34-41 203; 207; 210 22-23 11; 183; 187; 188; 190; 192; 199; 201; 202 22,1-2 192 22.3-11 192 23 2; 6; 10; 11; 13; 71; 107; 153; 217; 220; 224; 225; 229; 276; 311 23.4-23* 190; 191; 192; 193; 194; 198 23,4-20 223; 224 23,4-15 193; 217; 226 23,4-10 193 23.4 190; 192; 193; 217; 221; 222 23.5 135; 192; 193 23.6 190; 192; 193 23,8 190; 191; 192 23.10 191 23,11-20 191 23.11 190; 191; 192; 193 23.12 191; 192; 193; 194; 217 23.15-20 8; 14; 71; 153; 220 23,15 1; 71; 114; 174; 183; 192; 195; 200; 209; 210; 211; 217; 220; 221; 228; 313 23.16-20 174; 213; 220; 221; 222; 223; 225; 225; 314 23,16-18 213; 215 23,19 209; 210; 211; 217; 220; 221 23,21-23 189; 193; 194; 228 23,25-30 191 25,21 165 25,8-9 178 25.27-30 181

342

Stellenregister

Jesaja 6 7

117 134

Jeremía 4,2 5,2 4,4 14,16 20,1 21,11-12 29,26 40-41 41,4-7 48,13 52,4 52,6-7 52,12-13

141 141 111 111 105 111 105 170 289 5; 176; 248; 249 178 178 178

Ezechiel 8-11 9,5-8

118 118

Hosea 1-3 1,2 1,1 4-14 4-11 4-5 4,4-19 4,15

5 5,5-6 5,8-6,6 5,8-14 5,8-11 5,8 6,6 7,1-2 7,8-11 8 8,1-6 8,1-4 8,6 8,9-10

277 277 113 122 143; 148 132 140; 149 21; 71; 121; 139; 140; 141; 149; 150; 151; 176; 179; 310 2; 129; 130; 132; 133; 134; 151 126 124; 125; 133; 134 123; 124; 125; 126; 133 125 1; 21; 84; 121; 123; 124; 133; 134; 311 125 129 129 151 132 130;135 130 129

8,11 8,13 9,3-4 9,7-9 9,10-11,11 9,10 9,13 10

12,3-15 12,3-7 12,4 12,5 12,7 12,10 12,13-14 13 13,4 13,10-11 14,2-4

129 133 132 150 126 126; 129 129 110; 126; 129; 133; 138; 151; 306 121; 126; 127; 130; 131; 133; 127; 129 1; 7; 9; 21; 85; 128; 130; 135; 139; 173; 180; 128; 130; 133 5; 149 144; 148 129 143 121; 139; 142; 145; 146; 147; 150; 230; 253; 271; 314 139; 142; 143; 143 142; 144; 145 122; 142; 144; 143; 144; 145; 132 143 130 132 131 112

Amos 1-4 1-2 1,1 2,4-5 2,6-8 2,10 2,11-12 3-6 3,1 3,7 3,9-11

97 119 95; 97; 112; 119 113 88 113 113 85; 119 113 113 88

10,1-8 10,2 10,5

10,5-6 10,15 11 11,1-4 12-14 12

131; 132; 162; 172; 128; 129; 135; 151 121; 123; 136; 137; 306

143; 144; 148; 149; 268; 269; 147

145; 146 146; 147

343

Stellenregister 3,13-14 3,14 4-5 4 4,1-3 4,4 4,4-6 4,4-5 4,6-11 4,12-13 5

5,1-17 5,1-2 5,2 5.4 5.4-6 5.5-6 5.5

5.6 5.7-15 5.7 5.8-9 5,14-15 5,15 5,16-17 5,21-24 5,21-22 5.25 5.26 6,1-7 6,13-14 7-9 7 7,1-3 7,4-6 7,7-8 7,1-8,3 7,10-17

110; 113; 114; 115; 119; 120; 121 5 108; 150 85; 87; 137; 138 88; 114 85; 86; 93; 101; 102; 109; 141 71 86; 87; 88; 89; 96; 101; 120; 270 112; 114; 121; 143; 179 119 85; 87; 88; 89; 93; 97; 100; 101; 102; 103; 126; 176 90, 91 91 95; 96 5; 90; 92; 126; 240 90; 92; 111; 248

86 1; 84; 93; 94; 101; 109; 110; 119; 120; 121; 122; 126; 133; 141; 150; 152; 180; 230; 309; 314 110; 111; 112; 114; 141; 179 94 95 119 102 91 92; 102 91 92; 94; 96 92; 96 89; 101 113 113 88 97; 99 97; 151; 218; 225; 277 107; 109; 110; 119; 219; 226 117 117 104; 108; 117 116 1; 7; 97; 103; 104; 105; 106; 107; 108; 1009; 110; 138; 150; 151; 152; 173;

7.12 7.13 8,1-3 8,2 8.14 9,1-4 9,1

Micha 1 1,1 1,2-6 1,8-9 2,1-4 3,1-4 Zephanja 1-3 1 1,1 1.4 1.5 Sacharja 7.1-14 7.2-3 7,2

176; 310 104; 105; 106; 96 141 115; 115; 121;

218; 219; 272; 276; 105; 106; 108; 276 106; 276 108; 117

116; 117; 310 116; 117; 118; 119; 151; 250

141 113 112 112 112 112

112 141 113 135 141

7,5 8.19 14,4

177 177 2; 5; 9; 10; 149; 177; 199; 307; 308 178 178 192

Maleachi 2,4-7

293

Psalmen 20 75

249 249

Threni 2.20

223

Daniel 1

224

Esra 2

2; 78

344 2,20-35 2,28 4-6 4 7 Nehemia 1 2-6 3,2 3,7 3,15 3,19 7 7,25-35 7,32 11 13

Stellenregister 173; 196 2 205 210 206

205 210.198 198 198 198 198 2; 6; 78; 289 173; 196 2 289 210

2 Chronik 10 13,4-12 17,7-9 19,4 29-30 29,5 29,15-19 34-35

158 212 212 212 218 194 194 218

Aristeasbrief §§ 107-118 43-44 Testament 7,4-9,4 Jubiläen 19,23-31 27,19-27 31.1-4 32.2-15 32,17-20 32,16-24

Levis 292; 293; 298

295 295; 296 297 298 298 299; 300

Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski, Mark S. Smith und Hermann Spieckermann Alphabetische Übersicht

Barthel, Jörg: Prophetenwort und Geschichte. 1997. Band 19. - : siehe Hermisson, Hans-Jürgen. Baumann, Gerlinde: Die Weisheitsgestalt in Proverbien 1-9. 1996. Band 16. Bodendorfer, Gerhard und Matthias Miliard (Hrsg.): Bibel und Midrasch. Unter Mitarbeit von B. Kagerer. 1998. Band 22. Chapman, Stephen B.: The Law and the Prophets. 2000. Band 27. Diße, Andreas: siehe Groß, Walter. Ego, Beate: siehe Janowski, Bernd. Ehrlich, Carl S. / White, Marsha C. (Hrsg.): Saul in Story and Tradition. 2006. Band 47. Emmendörffer, Michael: Der ferne Gott. 1997. Band 21. Finlay, Timothy D.: The Birth Report Genre in the Hebrew Bible. 2005. Band 11/12. Finsterbusch, Karin: Weisung für Israel. 2005. Band 44. Frevel, Christian (Hrsg.): Medien im antiken Palästina. 2005. Band 11/10. Groß, Walter: Die Satzteilfolge im Verbalsatz alttestamentlicher Prosa. Unter Mitarbeit von A. Diße und A. Michel. 1996. Band 17. Hanhart, Robert: Studien zur Septuaginta und zum hellenistischen Judentum. 1999. Band 24. Hardmeier, Christof: Erzähldiskurs und Redepragmatik im Alten Testament. 2005. Band 46. Hausmann, Jutta: Studien zum Menschenbild der älteren Weisheit (Spr lOff). 1995. Band 7. Hermisson, Hans-Jürgen: Studien zu Prophetie und Weisheit. Hrsg. von J. Barthel, H. Jauss und K. Koenen 1998. Band 23. Huwyler, Beat: Jeremia und die Völker. 1997. Band 20. Janowski, Bernd und Ego, Beate (Hrsg.): Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte. 2001. Band 32. Janowski, Bernd und Stuhlmacher, Peter (Hrsg.): Der Leidende Gottesknecht. 1996. Band 14. Jauss, Hannelore: siehe Hermisson, Hans-Jürgen. Jeremias, Jörg: Hosea und Amos. 1996. Band 13. Kagerer, Bernhard: siehe Bodendorfer, Gerhard. Kakkanattu, Joy Philip: God's Enduring Love in the Book of Hosea. 2006. Band 2/14. Kiuchi, Nobuyoshi: A Study of Hata' and Hatta't in Leviticus 4-5. 2003. Band 11/2. Knierim, Rolf P.: Text and Concept in Leviticus 1:1-9. 1992. Band 2. Köckert, Matthias: Leben in Gottes Gegenwart. 2004. Band 43. Köhlmoos, Melanie: Das Auge Gottes. 1999. Band 25. - : Bet-El - Erinnerungen an eine Stadt. 2006. Band 49. Koenen, Klaus: siehe Hermisson, Hans-Jürgen. Körting, Corinna: Zion in den Psalmen. 2006. Band 48. Kratz, Reinhard Gregor: Kyros im Deuterojesaja-Buch. 1991. Band 1. - . Das Judentum im Zeitalter des Zweiten Tempels. 2004. Band 42. Lange, Armin: Vom prophetischen Wort zur prophetischen Tradition. 2002. Band 34. Liess, Kathrin: Der Weg des Lebens. 2004. Band 11/5. MacDonald, Nathan: Deuteronomy and the Meaning of „Monotheism". 2003. Band II/l.

Forschungen zum Alten Testament Maritila, Marko: Collective Reinterpretation in the Psalms. 2006. Band 11/13. Michel, Andreas: Gott und Gewalt gegen Kinder im Alten Testament. 2003. Band 37. - : siehe Groß, Walter. Miliard, Matthias: Die Komposition des Psalters. 1994. Band 9. - : siehe Bodendorfer, Gerhard. Miller, Patrick D.: The Way of the Lord. 2004. Band 39. Müller, Reinhard: Königtum und Gottesherrschaft. 2004. Band II/3. Niemann, Hermann Michael: Herrschaft, Königtum und Staat. 1993. Band 6. Otto, Eckart: Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. 2001. Band 30. Perlitt, Lothar: Deuteronomium-Studien. 1994. Band 8. Podella, Thomas: Das Lichtkleid JHWHs. 1996. Band 15. Pola, Thomas: Das Priestertum bei Sacharja. 2003. Band 35. Rosei, Martin: Adonaj - Warum Gott 'Herr' genannt wird. 2000. Band 29. Ruwe, Andreas: „Heiligkeitsgesetz" und „Priesterschrift". 1999. Band 26. Sals, Ulrike: Die Biographie der „Hure Babylon". 2004. Band H/6. Schapen Joachim: Priester und Leviten im achämenidischen Juda. 2000. Band 31. Schenker, Adrian (Hrsg.): Studien zu Opfer und Kult im Alten Testament. 1992. Band 3. Schmidt, Brian B.: Israel's Beneficent Dead. 1994. Band 11. Schöpflin, Karin: Theologie als Biographie im Ezechielbuch. 2002. Band36. Seeligmann, Isac Leo: The Septuagint Version of Isaiah and Cognate Studies. Edited by Robert Hanhart and Hermann Spieckermann. 2004. Band 40. - : Gesammelte Studien zur Hebräischen Bibel. Herausgegeben von Erhard Blum mit einem Beitrag von Rudolf Smend. 2004. Band 41. Spieckermann, Hermann: Gottes Liebe zu Israel. Band 33. Steck, Odil Hannes: Gottesknecht und Zion. 1992. Band 4. Stuhlmacher, Peter: siehe Janowski, Bernd. Süssenbach, Claudia: Der elohistische Psalter. 2005. Band II/7. Sweeney, Marvin A.: Form and Intertextuality in Prophetic and Apocalyptic Literature. 2005. Band 45. Vos, Christiane de: Klage als Gotteslob aus der Tiefe. 2005. Band 11/11. Weber, Cornelia: Altes Testament und völkische Frage. 2000. Band 28. Weippert, Manfred: Jahwe und die anderen Götter. 1997. Band 18. Weyde, Karl William: The Appointed Festivals o f Y H W H . 2004. Band H/4. White, Marsha C.: siehe Ehrlich, Carl S. Widmer, Michael: Moses, God, and the Dynamics of Intercessory Prayer. 2004. Band II/8. Willi, Thomas: Juda - Jehud - Israel. 1995. Band 12. Williamson, Hugh: Studies in Persian Period History and Historiography. 2004. Band 38. Wilson, Kevin A.: The Campaign of Pharaoh Shoshenq I into Palestine. 2004. Band II/9. Young, Ian: Diversity in Pre-Exilic Hebrew. 1993. Band 5. Zwickel, Wolfgang: Der Tempelkult in Kanaan und Israel. 1994. Band 10.

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