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German Pages 144 [131] Year 2014
Stephan Berry
Berufsziel: Römischer Kaiser Ausbildung – Bewerbung – Karriere
Bildnachweis Coverabbildung: Marmoruntergrund: © MG1408 – fotolia.com Schrift rolle: © arturaliev – fotolia.com Lorbeerkranz: Photo: Andreas Praefcke
© 2013 Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt / Mainz ISBN: 978-3-8053-4554-5 Lektorat: Christoph Nettersheim, Nürnberg Gestaltung: Janß GmbH Print- und Digitalmedien, Pfungstadt Umschlaggestaltung: Katja Holst, Frankfurt am Main Druck: CPI books GmbH, Ulm Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany on fade resistant and archival quality paper (PH 7 neutral) · tcf Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8053-4706-8 eBook (epub): 978-3-8053-4707-5 Weitere Publikationen aus unserem Programm fi nden Sie unter: www.zabern.de
Inhalt
1 Bin ich der Richtige? Das Berufsbild und seine Anforderungen Mit alten Sprachen punkten: Schulbildung und Fremdsprachenkenntnisse Bewerber mit Migrationshintergrund
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2 Karrierewege zum Kaiserpurpur Karriere auf der Überholspur: die Usurpation Chancen für begabte Quereinsteiger
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3 Der optimale Führungsstil: Delegieren ist alles! Die rechte Hand des Chefs Darf ich mich als Gott anbeten lassen?
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4 Vergütung: Grundgehalt und Boni Anlagetipps für Profis Zusätzliche Incentives – Dienstwohnungen und Dienstwagen
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5 Der Dresscode: Mit kurzen Hosen ins Büro? Darf ich eine Krone tragen? Der Streit um des Kaisers Bart
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6 Im Job unterwegs auf drei Kontinenten – die Reisetätigkeit Sorgfältige Reiseplanung zahlt sich aus Der Ernstfall: Als Kaiser im Feld Kann ich berufliche und private Reisen kombinieren?
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7 Auch für Kaiser ein heikles Thema: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Kann ich den Job erben, wenn mein Vater bereits Kaiser ist? Das kommt in den besten Familien vor Darf ich störende Verwandte einfach umbringen?
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8 Freizeit und Hobbys Work-Life-Balance und Zeitmanagement Achtung, Fettnapf!
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9 Einige Tipps zum Schluss: So überzeugen Sie mit der optimalen Bewerbungsmappe Material Schrift Lebenslauf Statue
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Nachwort des Herausgebers
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Liste der römischen Kaiser von Augustus bis Constantin
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Liste der Usurpatoren und Gegenkaiser bis zum Ende der Severer
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Literatur
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Bildnachweis
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Der Senat und das Volk von Rom suchen zum nächstmöglichen Termin einen geeigneten Bewerber für den Posten als
Römischer Kaiser (m) Die Stelle ist durch den gewaltsamen Tod des bisherigen Amtsinhabers vakant geworden. Sie ist zunächst befristet zu besetzen bis zur ersten großen Meuterei unter den Legionen. Nach Evaluierung der Regierungsperformance bis zu diesem Zeitpunkt sind anschließend eine Entfristung der Stelle und die Umwandlung in ein lebenslanges Beschäftigungsverhältnis möglich.
Wir erwarten: • eine führungsstarke, durchsetzungsfähige und dennoch umsichtige Persönlichkeit, die die Volksmassen ebenso zu begeistern vermag, wie sie die Soldaten führen und nötigenfalls im Zaum halten kann; • einschlägige Berufserfahrungen auf zivilem und militärischem Gebiet im Rahmen einer senatorischen Laufbahn (Stichworte consul / proconsul, praetor, legatus legionis, legatus Augusti pro praetore usw.); • exzellentes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen in Latein und Griechisch, in beiden Sprachen ferner die Fähigkeit zu spontan gehaltenen, würdevollen Reden, dazu Grundkenntnisse auf juristischem, historischem, philosophischem und mythologischem Gebiet; • die Bereitschaft auch zu länger andauernden Dienstreisen in alle Provinzen des Imperiums, die umliegenden Klientelkönigreiche und angrenzende Gebiete des Barbaricums.
Wir bieten: • einzigartige Gestaltungsmöglichkeiten und herausfordernde Führungsaufgaben in einem der bedeutendsten Imperien der Weltgeschichte; • angemessene Bezahlung aus Grundgehalt und zusätzlichen Boni; • großzügig bemessene Dienstwohnungen in Rom und anderen Orten des Imperiums; • eine vergoldete Quadriga als Dienstwagen; • ein junges, dynamisches und kreatives Team aus Rittern, Freigelassenen und Sklaven, das Ihnen bei der Erledigung der Regierungsroutine zur Seite steht. • Nach Ableben des Stelleninhabers ist eine Erhebung unter die Götter möglich.* Schriftliche Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen richten Sie bitte an
Senat und Volk von Rom c / o Die amtierenden Consuln Senatsgebäude, Forum Romanum 22–24, Rom, Italien, Römisches Reich Eine Rücksendung der Bewerbungsunterlagen ist nur möglich, wenn ein adressierter und ausreichend frankierter Rückumschlag beigelegt wurde. Bitte beachten Sie, dass in der Winterpause der gesamte Schiffsverkehr auf dem Mittelmeer eingestellt wird, in dieser Zeit erfolgt grundsätzlich keine Rücksendung. * Optional; ist ggf. mit dem Senat separat auszuhandeln und nicht regulärer Bestandteil des Beschäftigungsverhältnisses.
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Bin ich der Richtige? Das Berufsbild und seine Anforderungen
Eine beliebte Frage im Bewerbungsgespräch: „Wie würden Sie die Position eines römischen Kaisers definieren?“ – Der Bewerber ist geschockt, fängt an zu stammeln … er erkennt plötzlich, dass er über diesen so wichtigen Punkt noch nie richtig nachgedacht hat. Auch die vielen zur Vorbereitung auf das Gespräch gelesenen Bücher, das wird dem Bewerber jetzt im Rückblick klar, haben diese Frage eigentlich nie recht beantwortet. Was tun? Lassen Sie sich von den Personalern nicht aufs Glatteis führen, und reagieren Sie souverän und gelassen, falls Sie tatsächlich mit dieser Frage konfrontiert werden: Niemand kann exakt definieren, was ein römischer Kaiser ist! Man kann sich aber durchaus einer Antwort annähern, indem man sich verschiedene Aspekte und Anforderungen des Kaisertums vor Augen führt. Das wollen wir in diesem Kapitel ausführlich tun (die Frage, wie man tatsächlich Kaiser wird, wird im folgenden Kapitel 2 behandelt). Dabei wird hoffentlich auch klar, dass Augustus, der erste Kaiser, diese Frage bewusst in der Schwebe gehalten hat – darin liegt eines der Geheimnisse seiner langen und erfolgreichen Amtszeit. Sich an seinem Regierungsstil ein Vorbild zu nehmen ist übrigens sicher nicht verkehrt, wenn Sie tatsächlich einer seiner Nachfolger werden sollten. Beginnen wir mit der Frage, was ein Kaiser nicht ist. Dieser Umweg, wie Sie gleich sehen werden, ist durchaus hilfreich, um in das Thema einzusteigen. Erstens: Ein Kaiser ist kein Consul auf Lebenszeit. Das alte Oberamt der Republik ist zwar ein Posten ganz an der Spitze des Staates. Augustus war auch wirklich zeitweise Consul, zum Teil sogar etliche 9
Jahre ununterbrochen (was nach der republikanischen Verfassung gar nicht zulässig war), aber er hat klugerweise darauf verzichtet, dieses Amt für sich zu monopolisieren. Die Consuln – und andere Magistrate der Republik – existieren daher weiter, parallel zur kaiserlichen Herrschaft, und die begehrte Ehre eines Consulats steht weiterhin den Spitzen der Senatorenschaft offen, auch wenn heute keine konkrete Macht mehr damit verbunden ist. (Auch als Kaiser können Sie hin und wieder den Consulat bekleiden, aber eben nicht permanent – und da Consuln immer paarweise amtieren, haben Sie auch gleich noch eine praktische Möglichkeit, bewährte Mitarbeiter besonders auszuzeichnen, indem Sie ihnen eine gemeinsame Amtsperiode zusammen mit Ihnen selbst zuerkennen.) Zweitens: Ein Kaiser ist kein Dictator. Dieses Amt war ursprünglich geschaffen worden, um in Krisenzeiten eine straffe Führung aller staatlichen Angelegenheiten zu ermöglichen. Es wies eine enorme und praktisch unbeschränkte Machtfülle auf, beispielsweise konnte ein Dictator ohne Gerichtsverfahren Personen hinrichten lassen, ohne dass man ihn später für seine Handlungen zur Rechenschaft ziehen konnte. Einzige wesentliche Einschränkung war in der republikanischen Verfassung eine strikte Begrenzung der Amtszeit auf sechs Monate. Iulius Caesar erkannte, welches Potenzial dieses Amt für einen angehenden Alleinherrscher bot – leider erkannten das auch seine Gegner: Am 14. Februar 44 v. Chr. ließ er sich zum Dictator auf Lebenszeit ernennen, am 15. März wurde er von erbosten Senatoren ermordet. In den Wirren nach Caesars Ermordung wurde das Amt abgeschafft, und es spricht für die Klugheit des Augustus, dass er nicht einmal ansatzweise versuchte, den Posten für seine Zwecke wieder einzuführen. Drittens: Ein Kaiser ist kein König. Zu der Rufmordkampagne, die seine Gegner inszeniert hatten, gehörte auch die Behauptung, Caesar wollte sich zum König machen. Seit der Vertreibung des letzten Königs um 500 v. Chr. war der Königstitel in Rom ausgesprochen verhasst, er stand im öffentlichen Bewusstsein für Willkürherrschaft und Tyrannei. Erfahrungen aus jüngerer Zeit, die man mit den Königen des griechischen und iranischen Ostens gemacht hatte, hatten auch nicht 10
dazu beigetragen, den Stern des Königtums wieder heller erstrahlen zu lassen: Zum Hauptthema Tyrannei waren jetzt in der öffentlichen Meinung Roms auch die Aspekte Dekadenz, Korruption und Wahnsinn hinzugekommen. Kein Wunder, dass Augustus mit peinlichster Sorgfalt jeden Anschein vermied, er wolle als König herrschen! Ob der gescheiterte Caesar, sein Großonkel und Adoptivvater (s. Stammbaum I), dies tatsächlich noch geplant hatte, wird sich nie mit letzter Sicherheit klären lassen – im Licht des hier Gesagten dürfte es aber unwahrscheinlich sein. Was ist also ein Kaiser? Die Herrschaft des Augustus basierte letztlich auf folgender Konstruktion: Die Republik befand sich in einer außerordentlich schweren Krise (und das tat sie nach rund hundert Jahren wiederholter Bürgerkriege tatsächlich), sodass nur eine Ausnahmepersönlichkeit wie Caesars Erbe in der Lage war, sie zu retten. Gleich im ersten Satz seines Tatenberichts fasst Augustus bündig zusammen, wodurch sein Aufstieg an die Spitze des Staates begründet wurde: „Im Alter von neunzehn Jahren habe ich als Privatmann aus eigenem Entschluss und aus eigenen Mitteln ein Heer aufgestellt, mit dessen Hilfe ich den durch die Willkürherrschaft einer bestimmten Gruppe versklavten Staat befreite.“ (Augustus, Res Gestae 1; Übers. E. Weber). Augustus rettete den Staat nicht kraft eines der herkömmlichen Ämter – die bestehen ja unabhängig vom Kaiser bis heute, und insofern ist es auch unrichtig zu sagen, er habe die Republik „abgeschafft“ –, sondern dank seiner überragenden persönlichen Fähigkeiten und seiner Stellung innerhalb der Bürgerschaft. Der lateinische Begriff auctoritas bringt diese persönlichen Qualitäten auf den Punkt, die Griechen verwenden analog den Begriff charisma. Deshalb ist es auch nicht nur eine Frage der Kosmetik, wenn wir Ihnen in diesem Ratgeber immer wieder einschärfen werden, dass ein Kaiser kein König ist: Einerseits werden Sie sehr viel mächtiger sein, weil Sie als Kaiser über ein Reich gebieten, das die Königreiche in der Nachbarschaft in den Schatten stellt. Andererseits ist nur ein König wirklich Herr im Haus – er ist tatsächlich Eigentümer seines Reiches, etwa so, wie einem Eigentümer-Unternehmer seine Firma gehört. Als Kaiser hingegen fungieren Sie als eine Art Angestellter der Republik, 11
die Sie nur treuhänderisch leiten – auch der Spitzenmanager einer großen Aktiengesellschaft, und sei er noch so mächtig, bleibt technisch gesehen ein Angestellter der Firma, selbst wenn er sich wie der Eigentümer auff ührt. Dies hat übrigens unmittelbare Konsequenzen für Ihre persönlichen Perspektiven: Ein König kann, wie jeder Unternehmer, eine Pechsträhne haben, ohne deswegen sofort seinen königlichen Status oder sein Reich zu verlieren. Sie als Kaiser müssen jedoch mit einer Kündigung rechnen (in der Regel verbunden mit dem gewaltsamen Exitus des Amtsinhabers), wenn die Geschäfte des Imperiums unter Ihre Ägide schlecht laufen. Die Herrschaft des Augustus ließ sich nicht durch eine exakt definierte Funktionsstelle im Staatsapparat festlegen, sondern nur umschreiben durch ein ganzes Bündel von Ehrentiteln und Beinamen einerseits und Amtsgewalten andererseits. Die ehrenden Titel und Namen erhöhen dabei den Träger, betonen also seine auctoritas, ohne konkrete Befugnisse zu beinhalten. Die Amtsgewalten andererseits beschreiben Befugnisse, ohne dass der Kaiser auch den entsprechenden Posten tatsächlich dauerhaft innehat und so monopolisiert. (Der wichtigste Posten, den Sie als Kaiser tatsächlich permanent bekleiden werden – und zwar im vollen Umfang, nicht nur als abgeleitete Amtsgewalt –, ist der des obersten Priesters, also des pontifex maximus.) Die Elemente im Einzelnen: Ehrentitel und Namen Imperator: Ursprünglich wurde ein siegreicher Feldherr von seiner Armee noch auf dem Schlachtfeld zum Imperator ausgerufen, diese Akklamation war auch die rechtlich notwendige Voraussetzung für die Bewilligung eines Triumphzuges durch den Senat. Augustus hat den Imperatortitel quasi zu seinem Vornamen gemacht und damit die Sieghaftigkeit seiner Herrschaft betont. Caesar: Diesen Beinamen (cognomen) hat Augustus schon mit der Adoption von Iulius Caesar übernommen. Obwohl die Iulii Caesares, wenn man ehrlich ist, ein recht unbedeutender Zweig der Iulier waren, hat der Ruhm ihres letzten Abkömmlings dazu geführt, dass das cognomen nach seinem Tod zum Inbegriff des Herrschers 12
geworden ist. Und da Iulius Caesar zum Gott erklärt wurde (zu technischen Details der Prozedur siehe Kapitel 3), konnte Augustus sich auch Divi filius nennen, also Sohn eines Gottes. Augustus: wörtlich „der Erhabene“, ein Ehrentitel, der in römischen Ohren auch deshalb gut klingt, weil er zum Beispiel Assoziationen zum Verb augere (vermehren, vergrößern) weckt, und zu auch auctoritas. Mittlerweile rangiert er im Prestige sogar noch vor „Caesar“. Pater Patriae: Als „Vater des Vaterlandes“ wurde Augustus dafür geehrt, dass durch ihn gewissermaßen die Republik neu gegründet oder wiedergeboren wurde. Außerdem, ein praktischer Nebeneffekt, deutet der Titel an, dass das ganze Volk seiner Autorität unterstellt ist, so wie jede einzelne Familie ihrem Familienoberhaupt untersteht. Princeps: Diese Anrede bedeutet zunächst einfach „der Erste“ und beinhaltet wiederum keinen konkreten Bezug zu Ämtern oder Befugnissen, kam in ihrer Unbestimmtheit also den Bedürfnissen des Augustus sehr gelegen. Zudem erzeugt die Anrede erwünschte Assoziationen zum princeps senatus noch aus der Zeit der Republik: Dieser Anführer des Senats war auch ein ehrenvoller Posten, der sich nicht durch eine besondere Macht auszeichnete, sondern in erster Linie den ranghöchsten und erfahrensten Senator heraushob. Amtsgewalten imperium consulare: Mit der Amtsgewalt eines Consuls hatte Augustus dessen weitreichende Befugnisse, ohne dass man ihm ankreiden konnte, das Amt in tyrannischer und verfassungswidriger Weise dauerhaft mit Beschlag zu belegen. imperium proconsulare: Bereits in der Republik hatte es sich als nötig erwiesen, Provinzen durch sogenannte Promagistrate verwalten zu lassen, da die Anzahl der regulären Magistrate nicht ausreichte. Ein Proconsul hatte dabei die gleichen Befugnisse wie ein Consul – aber nur innerhalb seiner jeweiligen Provinz. Mit der permanenten Amtsgewalt eines Proconsuls wurde nun Augustus 13
die Statthalterschaft über alle Provinzen angetragen, die als noch unbefriedet galten, sprich: über jene Provinzen, in denen substanzielle Truppenkontingente stationiert waren. Damit wurde Augustus de facto zum Oberbefehlshaber der römischen Armee – obwohl de jure ein solcher Posten gar nicht existierte. Es gehört aus Herrschersicht zum besonderen Charme des augusteischen Arrangements, dass ein machtpolitisch so zentraler Punkt wie der Oberbefehl gewissermaßen nur im Kleingedruckten der staatlichen Ordnung untergebracht ist. tribunicia potestas: Die Amtsgewalt der Volkstribunen schließlich ist ein ausgesprochenes Multifunktionselement im Baukasten der augusteischen Ordnung. Erstens besaß Augustus damit das berühmte Vetorecht der Tribunen, das Amtshandlungen anderer Magistrate unterbinden kann. Zweitens hatte er das Recht zu Gesetzesinitiativen, und drittens, da er wie ein Volkstribun eine Beschützerrolle hatte, wurde noch einmal unterstrichen, dass er der Patron des ganzen Volkes war. Es gibt sogar die Auffassung, dass diese tribunizische Amtsgewalt geradezu der Inbegriff kaiserlicher Macht ist. Tacitus schreibt dazu: „Diese Bezeichnung für die höchste Stellung hat Augustus aufgebracht, um nicht den Titel König oder Diktator anzunehmen und sich dabei doch durch irgendeinen Titel über die übrigen Staatsämter zu erheben.“ (Tacitus, Annalen 3.56; Übers. W. Sontheimer). Die Nachfolger des Augustus haben noch einige Jahrzehnte mit den verschiedenen Bestandteilen der Kaisertitulatur experimentiert, wie auch aus der Kaiserliste am Ende des Buches zu entnehmen ist. Im Laufe der ersten einhundert Jahre hat sich jedoch eine Konvention herausgebildet: Wenn Sie mit bürgerlichem Namen Max Mustermann heißen, dann würden Sie nach der Erhebung zum Kaiser Imperator Caesar Max Mustermann Augustus heißen. Erweiterungen aus jüngerer Zeit sind die Zusätze Pius (= der Fromme, der Pflichtbewusste), Felix (= der Glückliche, im Sinne von „einer, dem alles gelingt“) und Invictus (= wörtlich der Unbesiegte, im Sinne von „der Unbesiegbare“). Damit werden Sie als Kaiser – wenn alles rund läuft im Bewer14
bungsverfahren – voraussichtlich den Namen Imperator Caesar Max Mustermann Pius Felix Invictus Augustus tragen. Auch in anderer Hinsicht ist eine Standardisierung erfolgt, die für Sie als angehenden Kaiser ausgesprochen praktisch sein wird: Während die ersten Nachfolger des Augustus sich noch um die diversen Titel und Amtsgewalten einzeln bemühen mussten, hat sich mittlerweile ein All-inclusive-Paket durchgesetzt: Vespasian war der erste Kaiser, dem in einem Gesetz (der lex de imperio Vespasiani), die Befugnisse seiner Vorgänger als kompletter Block übertragen wurden. Doch so erfreulich die erfolgte Standardisierung in formaler Hinsicht ist, so deutlich muss man andererseits darauf hinweisen, dass in inhaltlicher Hinsicht ein Problem besteht, das bis heute nicht befriedigend gelöst ist: Wenn man sich auf die Argumentation einlässt, dass Augustus als eine Ausnahmepersönlichkeit in einer Ausnahmesituation der Republik zu Hilfe kam, dann fragt sich natürlich, auf welcher Grundlage die späteren Kaiser herrschen – die Ausnahmesituation kann ja schon aus logischen Gründen schlecht als Normalfall gelten. Bereits Tiberius, der unmittelbare Nachfolger des Augustus, laborierte an diesem Problem, ohne eine wirklich überzeugende Lösung zu finden. Wir werden uns mit den praktischen Konsequenzen in Kapitel 2 näher befassen, wenn es um die Frage geht, wie ein Bewerbungsverfahren konkret abläuft. Im vorliegenden Kapitel wollen wir jedoch noch einen Blick auf die persönlichen Voraussetzungen werfen, die Sie mitbringen müssen, um den Job zu bekommen und erfolgreich zu meistern. Wie Ihnen hoffentlich klar geworden ist, hängt angesichts der staatsrechtlich eher schwammig definierten Kaiserrolle viel von Ihrer eigenen auctoritas und Ihren Soft Skills ab: Nur ein erfolgreicher Kommunikator (was zum Beispiel Tiberius überhaupt nicht war) kann auch ein erfolgreicher Kaiser sein!
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Mit alten Sprachen punkten: Schulbildung und Fremdsprachenkenntnisse Welche persönlichen Voraussetzungen braucht man also, um sich erfolgreich als Kaiser zu bewerben? Einige Aspekte sind schnell aufgezählt: Sie müssen ein männlicher und volljähriger römischer Bürger sein; eine Altersgrenze nach oben existiert nicht (Nerva wurde zum Beispiel mit 65 Jahren Kaiser, Galba sogar mit 71). Sie sollten nach Möglichkeit dem Senatorenstand angehören und eine entsprechende Laufbahn absolviert haben – auf diesen Punkt kommen wir im nächsten Kapitel ausführlich zu sprechen. Und Sie sollten sich guter körperlicher und geistiger Gesundheit erfreuen (vgl. auch Kapitel 6 zu den physischen Beanspruchungen im Zusammenhang mit Reisetätigkeit). Praxistipp: Diagnose Caesarenwahn? Gelehrte haben viele Betrachtungen über den sogenannten „Caesarenwahn“ angestellt, eine psychische Erkrankung, die aus der unbeschränkten Macht und gottgleichen Stellung eines Kaisers resultieren soll. Die vergröberte und populäre Version dieser Sichtweise besagt, dass eigentlich fast alle bisherigen Kaiser „verrückt“ waren. Deshalb hier ein wichtiger Hinweis: Wenn bei Ihnen Schizophrenie oder andere psychotische Vorerkrankungen diagnostiziert wurden, dann verbessert das mit Sicherheit nicht Ihre Chancen im Auswahlverfahren. Sie sollten derartige medizinische Details also auf keinen Fall in Ihren Bewerbungsunterlagen preisgeben – Geisteskrankheit ist keine Voraussetzung, um den Posten zu bekommen! Im Prinzip gehören die Phänomene, die unter das Label Caesarenwahn fallen, auch eher in das Gebiet des Reputation Management als das der Psychiatrie: Kaiser, die aus der Rolle fallen und nicht die üblichen Spielregeln der politischen Kommunikation einhalten, werden schnell als „verrückt“ abgestempelt. Gerade Caligula, der oft als einer der wahnsinnigsten in einer langen Reihe von wahnsinnigen Kaisern dargestellt wird, belegt dies: Dass der Kaiser der unumschränkte Herr über das gesamte Imperium ist, war schon 16
unter seinen Vorgängern Augustus und Tiberius hinreichend klar. Caligula beging jedoch den Fehler, seine gesamte Umgebung permanent an dieses Faktum erinnern zu wollen, oft sogar in ausgesprochen geschmackloser Weise. Wie sehr er dabei den Bogen überspannt hat, zeigt sich daran, dass er schließlich von Soldaten ermordet wurde, und seine Frau und seine Tochter gleich mit. – Ein ganz außergewöhnlicher Vorgang, entwickelt die Leibwache doch normalerweise eine tief empfundene Loyalität zum Amtsinhaber und seiner Familie. Das Stichwort politische Kommunikation, das gerade gefallen ist, beschreibt einen wesentlichen Aspekt Ihrer Rolle als Kaiser: Augustus war ein begnadeter Kommunikator, der seine überragende Machtposition vor allem dadurch erringen und erhalten konnte, dass er alle Misstöne im Verhältnis zum empfindlichen Senat vermied. Wer jedoch, wie der eben erwähnte Caligula, als Kommunikator scheitert, der scheitert unweigerlich als Kaiser überhaupt. Und das Fundament, das Ihnen den souveränen Umgang mit den Spielregeln der politischen Kommunikation ermöglicht, ist eine solide Schulbildung (lat. humanitas bzw. griech. paideia). Nicht technisches Fachwissen ist für Sie als Kaiser das Entscheidende, kein spezielles Know-how in Verwaltungsdingen und dergleichen (dafür gibt es schließlich Personal, das Ihnen zur Hand geht), sondern in erster Linie die gründliche Kenntnis der Klassiker. Auf Ihrem Lehrplan sollten vor allem folgende Autoren gestanden haben (wenn es hier Lücken aus der Schulzeit gibt, müssen diese rechtzeitig vor dem Bewerbungsgespräch geschlossen werden): Lateinische Autoren – Cicero, Sallust, Terenz und Vergil gehören zu den wichtigsten Schulautoren, ihr Stil gilt als vorbildlich, und sie sind Essentials für einen Mann von Bildung! Die Aeneis von Vergil beschreibt die Vor- und Frühgeschichte Roms, eine Art Sequel zu Homers Troianischem Krieg; seine Georgica sind offiziell ein Lehrgedicht über die Landwirtschaft. Realiter jedoch sind beide Werke 17
vor allem Lobgesänge auf das goldene Zeitalter des Augustus – und hervorragende Quellen von Zitaten zu jeder Gelegenheit! – Livius – umfassende, wenn auch manchmal etwas ideologielastige Einführung in die Geschichte Roms; sein umfangreiches Werk ist sehr schnell in den Rang eines Klassikers erhoben worden. – Weitere Autoren, die in der Schule weniger oft vorkommen, die wir Ihnen jedoch ans Herz legen wollen, sind: Iulius Caesar – sehr präziser Stil, unbedingt als Vorbild zu empfehlen, falls Sie selbst einmal Feldzugsberichte verfassen sollten; Ovid – seine Metamorphosen sind ideal, um die Kenntnisse in Mythologie aufzufrischen (seine schlüpfrige Liebeskunst hingegen eignet sich nicht als Zitatefundus für offizielle Anlässe!). Griechische Autoren – Homers Ilias über den Troianischen Krieg und die daran anschließende Odyssee sind die griechischen Klassiker schlechthin; wenn Sie sich aus Zeitmangel auf einen einzigen griechischen Autor beschränken wollen, dann muss es Homer sein! – Demosthenes – der größte Redner, den Athen (manche sagen sogar: die Welt) je hervorgebracht hat. Zugegeben, die athenische Demokratie war berüchtigt für die törichten und unüberlegten Beschlüsse der Volksversammlung, woran Demosthenes als Demagoge keinen geringen Anteil hatte. Aber vom rein rhetorischen Standpunkt her war er eine Spitzenkraft, aus seinen Schriften können Sie gewiss noch manches lernen. – Zur Abrundung empfehlen wir die Philosophen Platon und Aristoteles sowie einige Historiker – Herodot (Perserkriege) und Thukydides (Peloponnesischer Krieg zwischen Athen und Sparta), dazu Polybios, der als erster Grieche ausführlich über das römische Militärwesen geschrieben hat. Wenn Ihnen dieses Pflichtprogramm umfangreich und abschreckend vorkommt, sollten Sie auch das Positive dabei sehen, bevor Sie kapitulieren: Im Prinzip reichen zwei Sprachen vollkommen aus, nämlich 18
Latein und Griechisch, um alle Anforderungen des Kaiserjobs zu meistern. Zwar werden im Imperium etliche weitere Sprachen gesprochen, und verschiedene Ihrer Vorgänger haben tatsächlich auch einige davon beherrscht; Septimius Severus etwa sprach auch Punisch, und Claudius hat sogar ein wissenschaft liches Werk über die etruskische Sprache verfasst. Aber das ist Beiwerk, das für einen Kaiser überflüssig ist. Selbst von den Barbaren, mit denen Sie auf diplomatischer Ebene zu tun haben werden, kann man Kenntnisse in Latein oder Griechisch erwarten. Nur zwei Sprachen also, aber die müssen sitzen! Latein allein reicht nicht, vor allem der griechischsprachige Osten Ihres Reiches wird von Ihnen erwarten, dass Sie sich auch in der Sprache Homers flüssig ausdrücken können. Selbst ein Kaiser wie Tiberius, der als schwierig und wenig populär galt, konnte wenigstens einige Pluspunkte gutmachen, weil er das Griechische so perfekt beherrschte. Denn eines sollten Sie sich einprägen: Kommunikation ist das Kerngeschäft des Kaisertums. Das perfekte Beherrschen der beiden Hauptsprachen der Elite im Imperium; die Fähigkeit, auch aus dem Stegreif formvollendete Reden zu halten; das mühelose Erkennen von gelehrten Anspielungen in den Reden anderer und das ebenso mühelose Erwidern mit literarischen Zitaten – wer hier nicht im Stoff steht und stilsicher auftritt, hat keine Chance als Kaiser. Im Einzelnen erwartet Sie vor allem Folgendes: Kommunikationsanlässe im Regierungsalltag – Reden vor den Senatoren – Empfang von Gesandtschaften – Ansprachen an das Volk (in Rom und anderswo) – Ansprachen an die Soldaten – Anrufung der Götter bei religiösen Veranstaltungen – Beantwortung von Bittgesuchen und Eingaben (mündlich und schrift lich) – Administrative Korrespondenz mit Statthaltern, Provinziallandtagen, Städten Wenn Sie sich schon immer gefragt haben, was die vielfältig angebotenen Rhetorikkurse für Führungskräfte eigentlich bringen, dann haben 19
Sie jetzt eine Antwort. Dabei ist in jedem Fall eine sorgfältige Zielgruppenanalyse nötig: Senatoren wollen anders angesprochen werden als die plebs urbana der Hauptstadt; Soldaten schätzen keine ellenlangen Homerzitate in den Ansprachen, die sie über sich ergehen lassen, dafür kommt es gut an, wenn Sie sie als Kameraden (commilitones) ansprechen – was sich wiederum gegenüber den Senatoren verbietet. Viele Anlässe sind planbar, etwa offizielle Auftritte im Senat. Daneben werden Ihre Untertanen aber erwarten, dass Sie auch zu anderer Gelegenheit ein offenes Ohr für ihre Anliegen haben und entsprechend darauf eingehen. Fallbeispiel: Hadrian und die Bittstellerin Cassius Dio berichtet, dass Hadrian einmal auf einer Reise von einer Frau angesprochen wurde, die ein Anliegen vorbringen wollte. Hadrian erklärte, er habe keine Zeit, und ritt weiter. Da rief ihm die Bittstellerin hinterher: „Dann sei auch nicht Kaiser!“, woraufhin Hadrian kehrtmachte und ihr eine Audienz gewährte. – Eine hübsche Anekdote, die uns misstrauisch machen sollte, gerade weil sie so hübsch ist (und in fast identischer Form auch von anderen Herrschern berichtet wird). Aber egal, ob wahr oder erfunden, worauf es hier ankommt, ist, dass diese Episode die Essenz der Erwartungen beschreibt, die man dem Herrscher entgegenbringt. Auf die konkreten Anliegen, die man an Sie herantragen wird, gehen wir auch in Kapitel 4 noch ein. Hier wollen wir einen anderen Punkt hervorheben: Wie das Beispiel der Bittstellerin deutlich macht, erwarten Ihre Untertanen von Ihnen vor allem, dass Sie auf Ihre vielfältigen mündlichen und schrift lichen Anfragen reagieren. Privatpersonen rufen den Kaiser als Berufungsinstanz in Rechtsstreitigkeiten an (wenn sie sich nicht sogar direkt an ihn wenden, unter Umgehung der örtlichen Gerichte), Statthalter bitten um Klärung strittiger Verwaltungsfragen, von Erdbeben heimgesuchte Städte rufen nach finanzieller Hilfe für den Wiederaufbau – und so weiter. Der Großteil der Korrespondenz, der Einzelfallentscheidungen und der Gesetzgebung, 20
die von Ihren Vorgängern erhalten sind, ist als Reaktion auf solche Anfragen entstanden. Gerade für jüngere Männer voller Tatendrang, die mit dem Kaiserjob vor allem aktives Gestalten und entschlossenes Durchregieren assoziieren, kann dies zu Problemen führen. Wenn Sie ernsthaft an diesem Posten interessiert sind, müssen Sie der Tatsache ins Auge sehen, dass Ihre Regierungstätigkeit überwiegend passiv und reaktiv statt proaktiv sein wird. Kaiser, die sich berufen fühlen, den Zustand der Welt durch groß angelegte Reformen und umfassende Gesetzgebung umkrempeln zu wollen, stoßen sehr schnell auf den Widerstand der öffentlichen Meinung. Fallbeispiel: Domitian und die Weinstöcke Suetonius berichtet in seiner Vita Domitians über einen der wenigen Versuche eines Kaisers, durch ein Reformgesetz einen Übelstand auszumerzen: „In einem Jahr, in dem es eine Überfülle von Wein, aber zu wenig Getreide gegeben hatte, war er der Meinung, durch übertriebenen Weinbau komme der Ackerbau zu kurz, und er erließ eine Verordnung, dass niemand mehr in Italien neue Rebberge anlegen dürfe und in den Provinzen mindestens die Hälfte der Reben vernichtet werden müsse.“ (Suetonius, Domitian 7; Übers. A. Lambert). Klugerweise verzichtete er darauf, die Durchsetzung zu erzwingen; schließlich musste die Regelung unter dem Druck der öffentlichen Meinung ganz zurückgenommen werden: „Als er das Edikt über die Abholzung der Weinberge widerrufen ließ, war wahrscheinlich der Hauptgrund der, dass eine Schmähschrift verbreitet wurde, in der folgende griechische Verse zu lesen waren: ,Frisst du mich auch bis zur Wurzel, genug trag ich immer noch Früchte, Um dir zu spenden den Wein, wirst einst geopfert du, Bock.‘“ (Suetonius, Domitian 14; Übers. A. Lambert). Wenn es Sie schmerzt, dass Sie der Welt nicht Ihren Stempel durch gesetzgeberische Reformvorhaben aufdrücken werden, dann tröstet es 21
Sie vielleicht, dass selbst Augustus in diesem Punkt an seine Grenzen gelangte: Die von ihm auf den Weg gebrachten Ehegesetze haben die sittlichen Verhältnisse innerhalb der Senatorenschaft nicht messbar verbessert, aber ihm selbst dafür den Spott eingebracht, dass seine eigene Familie und sein Freundeskreis diese Bestimmungen auch nicht erfüllten.
Bewerber mit Migrationshintergrund Wie bereits erwähnt, ist das römische Bürgerrecht unerlässlich, wenn Sie Kaiser werden wollen. Es gibt aber keine Vorstellungen von einem „reinblütigen Römer“, keine spezielle „römische Rasse“ oder dergleichen – solange Sie Bürger und in der römischen Kultur fest verwurzelt sind, sind Ihre Hautfarbe und Ihre spezielle ethnische Herkunft relativ unwichtig. Wichtig ist vielmehr, dass Sie nicht durch betont barbarische Tracht oder allzu fremdartige religiöse Vorlieben (vgl. Kapitel 8) ein anstößiges, „unrömisches“ Bild abgeben sollten. Die Geschichte der Kaiser zeigt, wie der Kreis der akzeptablen Kandidaten im Laufe der Jahrhunderte immer größer wurde, obwohl das Imperium Romanum keine Integrationsbeauftragten oder ähnliche Institutionen aufweist: Herkunft früherer Kaiser: – Das iulisch-claudische Haus (27 v. Chr.–68 n. Chr.; s. Stammbaum I) stammte noch aus dem alten, stadtrömischen Hochadel der Republik. – Das flavische Haus (69–96 n. Chr.; s. Stammbaum II) stammte schon nicht mehr aus Rom, sondern aus dem ländlichen Italien. Und während die Iulier noch ihre Abstammung direkt auf die Göttin Venus zurückführten, war der Großvater von Flavius Vespasianus ein Inkassobüro-Besitzer namens Flavius Petro aus Reate, einem Ort, der nicht gerade zu den Hot Spots der italischen Geschichte gehört (Hannibal soll damals mit seiner Armee hier durchgezogen sein, viel mehr Ereignisse weist die Lokalgeschichte nicht auf). 22
– Die Adoptivkaiser Traian und Hadrian (98–138 n. Chr.) waren als „Spanier“ die ersten Kaiser aus der Provinz. (Allerdings gehen ihre Familien nicht auf iberische Ureinwohner zurück, sondern sind Nachfahren italischer Kolonisten, die schon vor Jahrhunderten in Spanien angesiedelt und dabei mit dem römischen Bürgerrecht ausgestattet wurden). – Inzwischen ist die ethnische Vielfalt bei den Kaisern ähnlich groß wie im Imperium insgesamt: Septimius Severus (193– 211 n. Chr.; s. Stammbaum III) aus Nordafrika war punischer Abstammung; Elagabal und Severus Alexander (218–235 n. Chr.) stammten aus Syrien; Maximinus Thrax (235–238 n. Chr.) war ein Thraker und Philippus Arabs (244–249 n. Chr.) ein Araber. – Insbesondere im dritten Jahrhundert kamen etliche Kaiser (und Usurpatoren) vom Balkan, so Claudius Gothicus, Aurelian, Probus und Diocletian. Gerade die Völker Illyriens, die vor Urzeiten einmal als berüchtigte Piraten die Adria unsicher gemacht haben (was auch der Grund für das erste römische Eingreifen auf dem Balkan war), stellen mittlerweile ihre Energien in den Dienst des Römischen Reiches und haben seinen Zusammenhalt in der unruhigen Soldatenkaiserzeit gesichert. Ethnische Beinamen wie Arabs oder Thrax werden übrigens normalerweise nicht von den Betreffenden selbst geführt, sondern ihnen von den Zeitgenossen, und vor allem der Nachwelt, als praktische Identifizierungsmöglichkeit beigelegt. Wenn Sie allerdings tatsächlich Wert darauf legen sollten, selbst Ihre ethnische Herkunft herauszustellen, so beachten Sie bitte unbedingt die Regeln der römischen Namensbildung: Beinamen auf „-icus“ sind immer Siegertitel, keine Herkunftsbezeichnung! Ein „Germanicus“ ist also kein Germane, sondern jemand, der über die Germanen triumphiert hat (dass gerade dieser Siegertitel bei Kaisern häufig vorkommt, zeigt, wie oft es Ärger mit diesen Leuten aus dem Norden gibt). Deshalb heißt es auch Philippus Arabs und nicht Arabicus, Maximinus Thrax und nicht Thracicus, denn diese Kaiser haben ja nicht ihre eigenen Völker besiegt. 23
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Karrierewege zum Kaiserpurpur
Kapitel 1 sollte deutlich gemacht haben, dass keine wirklich präzise Stellenbeschreibung für den Job römischer Kaiser existiert – und das hat auch Konsequenzen für die Bewerberauswahl: Ein genau geregeltes und transparentes Bewerbungsverfahren gibt es leider nicht. Die Bewerbung kann ausgesprochen chaotisch ablaufen, bis hin zum Bürgerkrieg, und Sie als Bewerber sollen sich dieser Tatsache immer bewusst sein. Bei der Auswahl eines neuen Kaisers kann es zu Tumulten und Gewalttätigkeiten kommen, die sogar alles in den Schatten stellen, was Bewerber in anderen Branchen im Assessment-Center erleben. Die Grundlage, auf der Sie den Job antreten werden, ist in der Theorie der consensus universorum, die Zustimmung aller, zu Ihrer Bewerbung. Das hört sich nicht nur vage an, es ist auch vage. Mit der Einwohnerschaft der Hauptstadt sollten Sie sich jedenfalls gut stellen, vor allem aber sind es zwei Instanzen, die konkret über Ihre Einstellung entscheiden: die Soldaten und der Senat. Nach der Akklamation zum imperator durch die Soldaten wird Ihre Ernennung von den Senatoren formell bestätigt. Der Senat hält sich aus dem operativen Regierungsgeschäft weitestgehend heraus, er wacht aber über Ihre Leadership Performance und ist gewissermaßen der Aufsichtsrat des Imperium Romanum. Die Soldaten sind überwiegend in den verschiedenen Armeen und Garnisonen des Reiches verstreut; besondere Bedeutung für die Kaiserwahl haben daher die Gardeeinheiten in Rom (vor allem die cohortes praetoriae; nach deren Auflösung durch Constantin d. Gr. die scholae palatinae). Sie bilden gewissermaßen die Personalvertretung des römischen Heeres und sind entsprechend selbstbewusst, was die 25
Mitbestimmungsrechte bei der Auswahl eines neuen Kaisers angeht. Sogenannte Senatskaiser, die gegen den ausdrücklichen Willen der Soldaten ihr Amt antreten, kommen meist auf eher kurze Regierungszeiten im Bereich von einigen Tagen bis Monaten. Relativ gute Chancen haben Bewerber, die schon Söhne oder andere Verwandte des vorherigen Kaisers waren (siehe Kapitel 7) oder als dessen „rechte Hand“ bereits zu seinen Lebzeiten an der Macht teilhatten (dazu mehr in Kapitel 3). Für alle anderen, die sich von außen auf eine solche Stelle bewerben, wollen wir hier kurz darstellen, welche Karriereplanung Sie am ehesten zum Ziel bringen wird. Im Idealfall ist dies ohne Bürgerkrieg möglich, wenn es keine Parallelbewerbungen anderer Kandidaten gibt. Sie sollten aber grundsätzlich der Tatsache ins Auge sehen, dass auch erst die Waffen sprechen könnten, bevor eine endgültige Auswahl erfolgt. Als beste Grundlage für eine aussichtsreiche Bewerbung ist eine vorangegangene erfolgreiche Laufbahn als Senator anzusehen. Und während man zu Zeiten der Republik grundsätzlich nur Senator sein konnte, indem man dem Senat auch tatsächlich angehörte, hat sich mit Beginn der Kaiserzeit die Situation gewandelt: Der Deal, den Augustus mit dem Senat aushandelte, umfasste zwar einerseits eine weitgehende politische Entmachtung des Gremiums, andererseits aber eine gesellschaft liche Aufwertung. Es bildete sich nunmehr ein eigener Senatorenstand (ordo senatorius) heraus, der nicht nur die aktiven Senatsmitglieder umfasst, sondern auch ihre gesamten Familien. Söhne von Senatoren werden also bereits als (zukünftiger) Senator geboren. Das Rückgrat einer Senatorenkarriere sind zwar immer noch die vier klassischen Ämter des cursus honorum, aber in der Ausgestaltung haben sich auch hier Unterschiede ergeben. Eine typische Laufbahn, mit der Sie zielgerichtet auf den Posten des Kaisers hinarbeiten, würde in etwa folgende Stationen umfassen: Senatorische Ämterlaufbahn in der Kaiserzeit – Erstes ziviles Amt vor Eintritt in den Senat – Mitarbeit in der Zwanzigmännerkommission (vigintiviri, Mindestalter 17 Jahre, Dauer ein Jahr). Diese Kommission agiert nicht gemeinsam, 26
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sondern zerfällt in unabhängige Teile. Das geringste Ansehen haben triumviri capitalis, die Dreimänner zur Aburteilung und Hinrichtung von Verbrechern; das höchste Ansehen genießen die triumviri monetalis, die die Münzprägung beaufsichtigen – versuchen Sie nach Möglichkeit, hier unterzukommen! Erste Erfahrungen auf militärischem Gebiet als Militärtribun bei einer Legion (tribunus militum, Mindestalter 18 Jahre, Dauer ein bis mehrere Jahre). Eintritt in den Senat – Beginn des cursus honorum: Quaestor (Mindestalter 25 Jahre, Dauer ein Jahr); Aedil oder alternativ Volkstribun (Mindestalter für beide 27 Jahre, Dauer ein Jahr); Praetor (Mindestalter 30 Jahre, Dauer ein Jahr). Diverse Ämter in der Pause zwischen Praetur und Consulat (= eingeschoben in den cursus honorum), meist drei Stufen von je einem bis drei Jahren Dauer, z. B.: Assistent eines Statthalters; Aufseher über eine Fernstraße in Italien (curator viarum); Befehlshaber einer Legion (legatus legionis); Statthalter (proconsul oder legatus Augusti pro praetore); Vorsteher einer der beiden staatlichen Kassen (praefectus des aerarium Saturni oder des aerarium militare – vgl. Kapitel 4). Abschluss des cursus honorum: Consul (Mindestalter 33 Jahre für Patrizier / 43 Jahre für Plebeier, Dauer ca. drei Monate). Im Anschluss diverse weitere Ämter in Rom (z. B. curator aquarum – Leiter der städtischen Wasserversorgung; Stadtpraefect – der Ranghöchste im Senat und quasi sein Sprecher gegenüber dem Kaiser); weitere Statthalterposten in den Provinzen; erneuter Consulat – oft als besondere Auszeichnung zusammen mit dem Kaiser.
Wie Sie sehen können, gibt es eine Vielzahl von senatorischen Ämtern mit teils mehr ziviler, teils eindeutig militärischer Ausrichtung. Wenn Sie ernsthaft am Kaiser-Job interessiert sind, dann sollten Sie sich vor allem auf den militärischen Zweig konzentrieren und sich als vir militaris profilieren. Die entscheidende Hürde ist das erste eigene Kommando als Legionslegat, wer sich hier bewährt, kann hoffen, einige 27
Jahre später als Statthalter den Oberbefehl über eine ansehnliche Armee zu erhalten. Wenn dann die Stelle des Kaisers vakant wird, ist die Stunde für Ihre Bewerbung gekommen: Ihr Führungstalent haben Sie bewiesen, und die Truppen, die Sie zum Kaiser ausrufen, verleihen der Bewerbung Gewicht. Dann der Einzug in Rom, jubelnde Menschenmassen, der erste Auftritt im Senat, Bestätigung der Imperatorakklamation – alles erledigt? Fast, denn eine Kleinigkeit fehlt noch. Bewerbern auf Führungspositionen wird zwar generell geraten, sich im gesamten Bewerbungsverfahren entschlossen und zupackend zu zeigen. Für einen angehenden Kaiser gilt an dieser Stelle, kurz vor dem Ziel, jedoch eine besondere Etikette: Man erwartet von Ihnen, dass Sie sich zunächst weigern, den Posten tatsächlich zu übernehmen! Diese Weigerung (recusatio imperii) ist ein fester, ritualisierter Bestandteil Ihrer Ernennung. Die Senatoren werden Sie jedoch bedrängen, denn schließlich sind Sie und nur Sie (zumindest in der Theorie) derjenige, der kraft seiner überragenden auctoritas (vgl. Kapitel 1) berufen ist, den Staat zu führen. Nach angemessenem Zögern – üblich sind maximal drei Tage – geben Sie endlich dem Senat nach und akzeptieren den Posten. Absurd, finden Sie? – Es geht schlicht um den Beweis, dass Sie sich der Bürde des Amtes bewusst sind, dass Sie keineswegs aus bloßer Gier nach Macht und Ruhm danach streben und es nur aus Pflichtbewusstsein übernehmen.
Karriere auf der Überholspur: die Usurpation Erscheint es Ihnen zu langwierig, auf eine frei gewordene Kaiserstelle zu warten? Wollen Sie Ihr Glück mit einer Initiativbewerbung versuchen, obwohl aktuell keine Stelle ausgeschrieben ist? – Ja, es gibt eine Möglichkeit, um die Dinge zu beschleunigen. Allerdings ist das Risiko auf einen letalen Ausgang dabei sehr hoch; die Rede ist von der sogenannten Usurpation. Neben den regulären, gewissermaßen offiziellen Kaisern verzeichnet die römische Geschichte eine Reihe von Usurpatoren und Gegen28
kaisern – mit den Feinheiten dieser Unterscheidung wollen wir uns hier nicht belasten, daher benutzen wir nur den Begriff Usurpator. Was also ist genau ein Usurpator? Das ist zunächst jemand, der von einer geeigneten Machtbasis aus – meist dem Kommando über größere Truppenteile – versucht, den bisherigen Kaiser zu verdrängen und mit Gewalt an die Macht zu kommen. Dieses Kriterium trifft aber auch auf verschiedene Kaiser zu, die durchaus als offiziell anerkannt sind. Vespasian, der von den ägyptischen und syrischen Legionen zum imperator ausgerufen wurde, obwohl Vitellius noch regierte, ist das Paradebeispiel. Nicht der gewaltsame Griff nach der Macht ist somit das entscheidende Kriterium, sondern der Erfolg: Wer mit seinem Usurpationsversuch Erfolg hat, hat offenbar den divinus consensus, also die Gunst der Götter, und ist somit gar kein Usurpator, sondern derjenige, der das Reich zu Recht regiert. Einen Usurpator erkennt man daran, dass er gescheitert ist und nicht die offizielle Bestätigung durch Armee und Senat (beides ist nötig – siehe oben!) erhalten hat. Die UsurpatorenListe am Ende dieses Ratgebers zeigt, wie sich bereits in der Zeit der severischen Kaiser die Umsturzversuche häufen; danach werden die Verhältnisse so chaotisch, dass wir auf die Aufzählung der (ca.) 50 weiteren Usurpatoren im dritten Jahrhundert verzichtet haben. Was Sie dieser Liste ebenfalls entnehmen können, ist die generell sehr kurze Zeit, nach der ein Usurpationsversuch niedergeschlagen wird: Zwei Jahre sind die Höchstgrenze, meist handelt es sich nur um wenige Monate. Wenn dies alles Sie nicht abschreckt und Sie eine Turbokarriere per Usurpation zumindest versuchen wollen, dann hilft Ihnen die folgende kleine Checkliste – wenn das Risiko ohnehin hoch ist, sollte man in der Vorbereitung zumindest nichts Wesentliches vergessen: To-Do-List Usurpation 1. Überzeugen Sie sich, dass die Akzeptanz des bisherigen Stelleninhabers zerrüttet ist und selbst seine engsten Mitarbeiter überlegen, sich beruflich umzuorientieren. Ohne diese Ausgangslage ist Ihr Versuch in jedem Fall aussichtslos! 29
2. Arbeiten Sie darauf hin, dass Sie als Statthalter, Oberbefehlshaber o. Ä. eine größere Anzahl von Soldaten befehligen. (Usurpatoren, die sich stattdessen auf Volksaufstände, Räuberbanden usw. als Machtbasis verlassen, sind chancenlos.) 3. Gewinnen Sie das Vertrauen Ihrer Truppe – ideal ist die Kombination aus persönlichen Leader-Qualitäten (auctoritas / charisma) und finanziellen Anreizen – und lassen Sie sich zum imperator akklamieren. 4. Seien Sie als Netzwerker aktiv und schmieden Sie eine breite Interessenkoalition aus Senatoren und hochrangigen Rittern, die auf Sie setzen und bereit sind, ihre eigenen strategischen Ziele in einer Allianz unter Ihrer Führung zu verfolgen. 5. Last, but not least, wenn Sie in Rom angekommen sind, müssen Sie auch noch das Vertrauen der plebs urbana gewinnen (dito für Konstantinopel, falls Sie dort residieren).
Chancen für begabte Quereinsteiger Gesellschaft liche Wertemuster können sich bekanntlich wandeln, selbst in einer so konservativen Gesellschaft wie der römischen: Was vor einiger Zeit noch undenkbar war – ein Ritter als Kaiser –, gilt mittlerweile als akzeptabel. Während in den ersten beiden Jahrhunderten der Kaiserzeit alle Herrscher aus dem Senatorenstand kamen, hat das turbulente dritte Jahrhundert, als man andauernd neue Talente für die Spitze des Staates suchte, auch begabten Rittern den Zugang zu diesem Amt eröffnet. Die Idee war eigentlich nicht neu: Bereits unter Tiberius hatte der Ritter Seianus, Befehlshaber der Praetorianergarde, zielstrebig auf dieses Amt hingearbeitet. Durch Einheirat in das Kaiserhaus hoffte er, Tiberius’ Nachfolger zu werden. Allerdings kamen mit Seianus’ Hinrichtung diese Pläne zu einem vorzeitigen Ende. Einen Ritter als Princeps konnte sich damals noch niemand vorstellen, und die intrigante Beseitigung mehrerer Verwandter des Tiberius hat auch nicht die Akzeptanz des Anwärters in der Öffentlichkeit verbessert. 30
Nach diesen Erfahrungen folgte zunächst eine Pause von zwei Jahrhunderten, bis mit Macrinus das erste Mal tatsächlich ein Ritter zum Kaiser akklamiert wurde. Auch dieses Experiment war nur kurzfristig erfolgreich: Macrinus wollte die severische Dynastie ablösen, hatte aber übersehen, dass es noch männliche Familienmitglieder der Severer gab, von denen Elagabal dann auch erfolgreich seinen Anspruch auf die Herrschaft anmeldete. Dennoch war die kurze Regierung des Macrinus ein Wendepunkt, und seit dem endgültigen Ende der Severer sind zahlreiche Ritter in das höchste Staatsamt gelangt, sodass die senatorische Karriere nicht mehr den exklusiven Zugang darstellt: Philippus Arabs und Carus gehören dazu, und ebenso viele aus der Riege kompetenter Truppenführer vom Balkan, etwa Claudius Gothicus, Aurelian, Probus und Diocletian. Fallbeispiel: Diocletian Einer der fähigsten und bedeutendsten Ihrer Vorgänger, dessen Reformen das Reich in einer schweren Krise stabilisierten, hat ganz unten angefangen: Der um 240 n. Chr. geborene Diokles war zunächst einfacher Soldat – manche sagen sogar, er sei ursprünglich ein freigelassener Sklave gewesen (schon der Name ist griechisch, nicht römisch!). Durch seine überragende Kompetenz auf militärischem Gebiet erreichte er verschiedene wichtige Kommandeursposten, damit einher ging die Verleihung der Ritterwürde. Als Kaiser Numerianus 284 n. Chr. ermordet wurde, war Diokles Befehlshaber der Leibwache, und diese Position war das entscheidende Sprungbrett, um sich unter dem Namen Gaius Aurelius Valerius Diocletianus von den höchsten Offizieren zum Kaiser ausrufen zu lassen. Von solchen Aufsteigerstorys darf man sich aber nicht blenden lassen: Es wäre naiv, wenn man glaubt, dass heutzutage einfach jeder Kaiser werden kann, weil die Anforderungen so gelockert wurden. Gerade das Beispiel Diocletian zeigt, dass dem nicht so ist. Denn egal, ob Sie die klassische Senatorenlaufbahn einschlagen oder alternative Karrie31
rewege als Ritter verfolgen, Sie sollten sich in jedem Fall in eine Position nahe den Schalthebeln der Macht manövrieren, damit Ihre Bewerbung überhaupt wahrgenommen wird, wenn der Tag X gekommen ist und die Stelle des Kaisers vakant wird.
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Der optimale Führungsstil: Delegieren ist alles!
Ein Chef, der immer alles selbst erledigen will, bekommt durch seinen Führungsstil über kurz oder lang Probleme: Gerade in größeren Unternehmen oder Behörden muss dieser Ansatz dazu führen, dass man sich verzettelt, ja schlimmstenfalls sogar die eigentlichen Führungsaufgaben vernachlässigt. Obendrein wirkt ein solches Verhalten auf Mitarbeiter demotivierend, und es führt zu einem bedenklichen Mangel an Eigeninitiative, wenn am Ende der Chef sowieso alles alleine entscheidet. Speziell im Römischen Reich erhalten diese Probleme ein besonderes Gewicht: Die schiere Ausdehnung des Imperiums, verbunden mit dem eher trägen Informationsfluss von und nach der Zentrale, erfordern es, dass Sie sich als Kaiser weitgehend auf einen Führungsstil einlassen, der als Laisser-faire-Stil bezeichnet wird. Ihre Memos an die Mitarbeiter im Außendienst sind zum Teil Wochen oder sogar Monate unterwegs, was es schon technisch unmöglich macht, dass Sie permanent ins Tagesgeschäft in den Provinzen eingreifen. Wir haben bereits in Kapitel 1 darauf hingewiesen, dass ein „Durchregieren“, welches alle Aspekte des Lebens im Imperium umkrempeln will, ohnehin mit den Erwartungen Ihrer Untertanen kollidieren würde: Diese sind vollauf zufrieden, wenn Sie sich auf die Abwehr gelegentlich einfallender Barbaren konzentrieren und ansonsten auf die Verteilung von Wohltaten beschränken. Dementsprechend hat auch Augustus von Anfang an die Senatoren eingebunden, als er sein neues System kaiserlicher Herrschaft etablierte. Der Senat verlor zwar seine Rolle als Machtzentrum, kritische Entscheidungen wie über Krieg und Frieden traf nun der Kaiser mehr 35
oder weniger im Alleingang. Aber die Senatoren blieben als Heerführer und Provinzstatthalter unverzichtbar, und die großen Entfernungen im Imperium machten es nötig, dass der Kaiser diesen Bevollmächtigten einen erheblichen Teil der administrativen Aufgaben delegierte. Deshalb entstand in Rom auch keine wirkliche Regierungszentrale, keine Ministerialbürokratie mit Tausenden Mitarbeitern oder dergleichen. Einige wenige staatliche Posten mit reichsweiter Verantwortung wurden geschaffen, etwa der praefectus vehiculorum, der das Transportwesen beaufsichtigt. Im Wesentlichen regierte Augustus das Reich aber so, wie jeder Aristokrat seinen Haushalt und seine Güter verwaltet, mit einem relativ kleinen Stab aus Sekretären und Verwaltern. Die kaiserlichen Sekretäre – zunächst Freigelassene, später aus dem Ritterstand – waren daher über lange Zeit mit die wichtigsten Funktionäre der Regierung. Der ab epistulis, was wörtlich „der von den Briefen“ bedeutet, war beispielsweise für die Korrespondenz des Princeps zuständig, und zwar speziell für die offizielle mit Statthaltern und Städten; daneben gab es den Posten a libellis, der für die Bittgesuche von Privatleuten zuständig war. Weitere Sekretäre hießen etwa a legationibus (Gesandtschaften), a cognitionibus (Rechtsstreitigkeiten), a memoria (Archiv) und a rationibus (Vermögensverwaltung). Sie können den Göttern danken, dass seit Augustus’ Tagen, insbesondere durch die Reformen unter Diocletian und Constantin, die kaiserliche Zentralregierung nicht nur deutlich ausgebaut, sondern auch professionalisiert wurde. Sie werden daher als Kaiser einen Regierungsapparat zur Verfügung haben, der zwar immer noch recht klein ist, aber diesen Namen zumindest halbwegs verdient. Dazu gehört unter anderem, dass die eigentlichen Regierungsfunktionen abgetrennt wurden von der Palastverwaltung, die für die Hofhaltung zuständig ist. Letztere untersteht dem praepositus sacri cubiculi, wörtlich „Vorstand des heiligen Schlafzimmers“ (was aber auch die übrigen Gemächer des Kaisers einschließt). Die Zentralverwaltung hingegen wird vom magister officiorum geleitet, dem unter anderem eine Reihe von spezialisierten Büros (scrinia) untersteht. Hier leben in neuer Form die alten Posten wie der ab epistulis weiter, und wie früher spielt 36
der Aspekt der Korrespondenz eine zentrale Rolle (vgl. auch Kapitel 1 zu diesem Punkt): Das scrinium epistolarum ist für den offiziellen Schrift verkehr zuständig, das scrinium libellorum für private Bittschriften usw. Doch trotz des mittlerweile gewachsenen administrativen Apparates in der kaiserlichen Zentrale kann nicht alles von hier aus geregelt werden. Sie werden, wie alle Ihre Vorgänger, darauf angewiesen sein, dass Sie vertrauenswürdige Mitarbeiter finden, die in verantwortungsvoller Art und Weise die Dinge vor Ort managen. Besonders empfehlenswert ist es, wenn Sie neben einer größeren Zahl von Statthaltern etc. noch einen besonders herausgehobenen Mitarbeiter haben, der als Ihr Bevollmächtigter mit besonderer Autorität auftreten kann und nötigenfalls auch für „Feuerwehreinsätze“ in Krisenregionen bereit steht.
Die rechte Hand des Chefs Ende des dritten Jahrhunderts wurde von Diocletian die sogenannte Tetrarchie eingeführt, bei der das Reich von zwei gleichberechtigten Seniorkaisern (Augusti) regiert wurde, denen jeweils als Juniorpartner ein Caesar zugeordnet war. In der Praxis erwies sich dieses spezielle System mit vier Herrschern als überkomplex und unpraktikabel, weshalb es wieder aufgegeben wurde. Das grundlegende Prinzip gilt jedoch weiterhin und bestand auch schon all die Jahrhunderte zuvor: Für einen einzelnen Herrscher ist das Imperium eigentlich zu groß, sodass es geboten scheint, Mitregenten an der Herrschaft zu beteiligen, als Juniorpartner oder rechte Hand des eigentlichen Herrschers. Als Kaiser kann man nicht überall zugleich sein, und solche Mitregenten können unschätzbar wertvoll sein, gerade wenn mehrere Krisenherde gleichzeitig besondere Aufmerksamkeit erfordern. Üblicherweise ist derjenige, der auf diese Weise an der Macht beteiligt wird, auch der designierte Nachfolger (siehe dazu auch Kapitel 7). Es kann sich um einen leiblichen Sohn handeln, sofern Sie in der 37
glücklichen Lage sind, einen solchen zu haben. Aber auch andere verwandtschaft liche Bindungen kommen in Frage, etwa durch Adoption oder indem Sie den Kandidaten mit einer jungen Dame aus Ihrer Familie verheiraten. In formaler Hinsicht wird, neben der Verleihung des Caesartitels, der Juniorkaiser durch die Übertragung einiger Amtsbefugnisse ausgezeichnet, die auch der Seniorkaiser innehat (z. B. imperium proconsulare, tribunicia potestas; s. Kapitel 1). Offenkundig kann es Ihre eigene Arbeitsbelastung erleichtern, wenn Sie einen Teil der Regierungsverantwortung solcherart delegieren können. Daneben gibt es aber noch weitere Vorteile: Viele Führungskräfte haben das Bedürfnis, die Dinge auch über ihre eigene Amtszeit hinaus zu regeln und durch die Kür eines Nachfolgers die Zukunft mitzugestalten. Diese Chance bietet sich Ihnen in optimaler Weise, wenn Sie rechtzeitig Ihren Nachfolger aufbauen. Zudem hat es eine abschreckende Wirkung auf Usurpatoren, wenn klar ist, dass es nicht reicht, eine einzige Person an der Spitze des Reiches zu beseitigen. Fallbeispiele für Mitregentschaft – Augustus hat zunächst seinen engsten Weggefährten Agrippa an der Macht beteiligt; nach dessen Tod wurde sein Stiefsohn Tiberius der zweite Mann im Staat. – Tiberius seinerseits hat seinen Neffen und Adoptivsohn Germanicus in der Rolle des Nachfolgers aufgebaut. – Vespasian hatte, was bei Kaisern selten ist, leibliche Söhne, von denen Titus als der Ältere schon zu Vespasians Lebzeiten als designierter Nachfolger und Teilhaber auftrat. – Unter Marcus Aurelius gab es erstmals zwei formal gleichberechtigte Augusti, wobei der neun Jahre jüngere Lucius Verus allerdings faktisch der Juniorpartner unter der Anleitung des Älteren war. Auffallend oft haben Ihre Vorgänger übrigens ihre Juniorpartner als Generalbevollmächtigte in den Osten des Imperiums geschickt – und das ist kein Zufall: Wer sich ein bisschen mit Politik und Zeitge38
schichte auskennt, weiß schließlich, dass der Nahe Osten eine der weltweit wichtigsten Krisenregionen ist. Hier leben viele selbstbewusste und unruhige Völker auf engem Raum, Ägypter, Araber, Judäer, Syrer, Armenier, dazu zahlreiche Griechen. Und hier im Osten grenzt das Imperium an seinen wichtigsten Gegner: Jahrhundertelang regierten die Parther als römischer Erzfeind große Teile des alten Perserreiches; seit dem dritten Jahrhundert wurden sie abgelöst durch die viel dynamischere und aggressivere Dynastie der Sassaniden. Dieser kritischen Region sollte deshalb stets Ihre besondere Aufmerksamkeit gelten, auch im Hinblick auf eventuelle innerrömische Schwierigkeiten. Schon in den Bürgerkriegen der späten Republik spielte die Kontrolle über diese Weltgegend eine wichtige Rolle; sie diente Pompeius als Machtbasis gegen Caesar und danach Marcus Antonius gegen Octavian (den späteren Augustus). Wegen seiner geostrategischen Bedeutung beherbergt der nahöstliche Raum bis heute zahlreiche römische Truppen, die für einen ambitionierten Befehlshaber das Sprungbrett zur Macht sein können. Die Tabelle am Ende des Buches zeigt eine Häufung von Usurpationen im Raum Syrien. Auch legitime Kaiser sind auf dem gleichen Weg ins Amt gelangt, etwa Vespasian, der von den Truppen Ägyptens, Syriens und Judäas zum imperator ausgerufen wurde. Praxistipp: Wegloben statt Demontieren Es kann vorkommen, dass Ihrem Mitarbeiter seine umfassenden Befugnisse zu Kopf steigen und er Aktivitäten entfaltet, die kontraproduktiv sind oder sogar Ihren ausdrücklichen Direktiven widersprechen. Im Prinzip können Sie natürlich mit einer Abmahnung oder noch drastischeren Maßnahmen reagieren, allerdings empfiehlt sich meist ein subtileres Vorgehen. Ein offener Konflikt mit Ihrer rechten Hand fällt in der öffentlichen Wahrnehmung auch auf Sie selbst zurück. Hinzu kommt, dass ein Nachfolger, der unter Umständen über Jahre hinweg systematisch aufgebaut wurde, eine Investition darstellt, die man als Kaiser nicht gerne komplett abschreiben möchte. Deshalb ist es günstiger, eine Methode anzuwenden, die als „Wegloben“ bekannt ist: Finden Sie andere, un39
verfänglichere Aufgabenfelder für den Betreffenden, die es ermöglichen, dass er dort seine Energien zum Nutzen des Imperiums einsetzt. Tiberius war gut beraten, als er diese Methode bei seinem Neffen Germanicus anwandte und ihn 16 n. Chr. aus Germanien abberief, um ihn mit Triumphzug und Consulat zu ehren und ihm anschließend neue Aufgaben im Orient zu übertragen. Germanicus hatte sich in den Kopf gesetzt, eine aggressive Eroberungsstrategie in Germanien wieder aufzunehmen, obwohl dies längst nicht mehr offizielle römische Politik war und seine eigenen Feldzüge außer hohen Spesen auch keine dauerhaften Effekte bewirkt hatten. Tiberius war sich darüber im Klaren, dass deutliche Kritik an Germanicus unweigerlich als Neid auf dessen Kriegsruhm gedeutet würde, und so war die ehrenvolle Abberufung eine elegante Alternative.
Darf ich mich als Gott anbeten lassen? Viele Führungskräfte und Vorgesetzte spielen sich als Götter auf, aber nur der römische Kaiser ist auch tatsächlich einer – wahr oder falsch? Unwahr ist diese Aussage insofern, als nach offizieller römischer Auffassung der lebende Kaiser kein Gott ist. Kaiser wie Domitian, die tatsächlich göttliche Ehren für sich verlangten, sind die Ausnahme und galten schon ihren Zeitgenossen als „schlechte“ oder „verrückte“ Herrscher – kein nachahmenswertes Beispiel. Offiziell gilt deshalb der sogenannte Kaiserkult nicht dem Herrscher selbst, sondern dem genius Augusti, also seinem Schutzgeist. Die griechische Mentalität weicht allerdings von der römischen Sichtweise ab. Göttliche Verehrung für herausragende Personen, insbesondere Könige, hatte schon eine lange Tradition im griechischen Osten; nach der Schlacht von Actium 31 v. Chr. und dem Sieg über den Rivalen Marcus Antonius wurde Octavian von den Einwohnern der östlichen Provinzen spontan als Gott geehrt. Inoffiziell war auch die öffentliche Meinung in Rom nicht unempfänglich für diese Verehrung, Vergil preist in seinen Georgica (vgl. Kapitel 1) ganz unver40
hohlen Augustus als Gott unter Göttern. Aber in der gewissermaßen amtlichen Deutung des Kaiserkultes gilt diese Verehrung nicht der Person des Herrschers selbst, Augustus gestattete deshalb auch keine entsprechenden Tempelbauten in Rom oder Italien. Etwas anderes ist die Erhebung unter die Götter nach dem Tod des Herrschers, die consecratio. Auch hier gelten, wie es dem römischen Wesen entspricht, strenge Regeln: Die Vergöttlichung des Verstorbenen, also die Erklärung zum „Divus“, erfordert einen formellen Senatsbeschluss, der wiederum an das Vorliegen eindeutiger Indizien gebunden ist: Nach dem Tod Iulius Caesars beispielsweise, dem als Ersten diese Ehrung widerfuhr, sah man seinen Aufstieg zum Himmel in Form eines auff älligen Sterns; Augustus’ Geist war in Form eines Adlers zum Himmel aufgestiegen, während der Körper verbrannt wurde. Zu den „guten“ Kaisern, denen diese Ehrung zugebilligt wurde, gehören zum Beispiel auch Vespasian, Titus, Traian und Marcus Aurelius. Die Bewilligung oder Verweigerung seiner Apotheose ist so ziemlich die einzige Gelegenheit, bei der die Senatoren dem Herrscher einmal die Meinung sagen können – und sei es auch nur posthum –, und sie haben von dieser Möglichkeit auch durchaus Gebrauch gemacht. Im schlimmsten Fall, wenn ein Kaiser sich extrem unbeliebt gemacht hat, droht sogar die damnatio memoriae, die offizielle Auslöschung jeglichen Andenkens an den Verstorbenen. Dabei werden seine Statuen geschleift, sein Name wird aus Inschriften getilgt und dergleichen mehr. Fallbeispiel: Antoninus Pius Antoninus, der Nachfolger Hadrians, hat sich den Beinamen Pius erworben, weil er nach Hadrians Tod unermüdlich für dessen Konsekration kämpfte. In der Endphase von Hadrians Regierung hatte es dynastische Zwistigkeiten gegeben, denen einige hochrangige Senatoren zum Opfer gefallen waren – der Senat reagiert auf Hinrichtungen seiner Mitglieder manchmal überempfindlich, und im konkreten Fall wollte man dementsprechend die Vergöttlichung Hadrians verhindern. Antoninus war gezwungen, seine Zuflucht zur Erpressung zu nehmen. Wenn Hadrian keine Ehrung 41
verdient, so sein Argument, dann wäre Antoninus’ Adoption durch den angeblichen Tyrannen gleichermaßen fragwürdig – in Ermangelung eines eigenen Alternativkandidaten für den Kaiserpurpur musste der Senat schließlich einlenken. Im dritten Jahrhundert ist der Kult der verstorbenen Augusti allerdings zurückgegangen. In Folge der Vielzahl von teilweise sehr kurzlebigen Kaisern, Gegenkaisern und Usurpatoren war es schon schwierig, den Überblick über den oder die aktuell regierenden Kaiser zu behalten; eine intensive Beschäftigung mit den verstorbenen Herrschern hatte da nur noch eine niedrige Priorität. Gleichzeitig kam eine neue Form kaiserlicher Außendarstellung auf, die den Akzent gegenüber früheren Vorstellungen verschoben hat: Einzelne Kaiser haben jetzt für sich jeweils ein besonders enges Verhältnis zu einem bestimmten Gott zum Programm erhoben, Aurelian etwa wählte den Sonnengott Sol Invictus, Diocletian Iupiter, Maximian Hercules und Constantin der Große schließlich den Gott der Christen. Wir wagen an dieser Stelle keine Prognose über die weitere religiöse Entwicklung im Imperium, und niemand kann vorhersagen, welche neuen Formen von Religion vielleicht zukünftig aktuell sein werden. In jedem Fall sollten Sie der Tatsache ins Auge sehen, dass die traditionellen Kulte für den genius Augusti und den zum Divus erhobenen Exkaiser sich überlebt haben und Sie dementsprechend bei der religiösen Komponente Ihrer PR-Arbeit mit dem Stil der Zeit gehen müssen.
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Vergütung: Grundgehalt und Boni
Was verdient man eigentlich so als Kaiser? – Eine Frage, mit der man nicht gleich zu Beginn des Bewerbungsgesprächs herausplatzen sollte, die aber verständlicherweise für den Bewerber von einigem Interesse ist. Die Antwort, die wir hier geben können, muss allerdings recht vage bleiben – es führt kein Weg daran vorbei, nach der Erhebung zum Kaiser müssen Sie sich von den Buchhaltern Ihres Vorgängers die Bücher vorlegen lassen, um in der konkreten Situation selbst zu entscheiden, wie es aktuell um die Finanzen des Imperiums steht und was für Sie persönlich dabei „zu holen“ ist. Eine rationale, transparente und modernen Erfordernissen genügende Buchhaltung gehört leider nicht zu den Stärken des Imperium Romanum, das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Zumindest ein grober Überblick über die verschiedenen staatlichen Kassen und die Struktur von Einnahmen und Ausgaben ist aber möglich. Die gesamten Einnahmen des römischen Staates liegen schätzungsweise in der Größenordnung um eine Milliarde Sesterzen pro Jahr. Bereits im ersten Jahrhundert n. Chr. hat sich als allgemeine Rechtsauffassung durchgesetzt, dass der Kaiser über diese sämtlichen Einnahmen frei verfügen kann. Daraus folgt jedoch nicht, dass diese Gesamtsumme für Sie persönlich als Gehalt zur Verfügung steht! Mindestens 75 Prozent des Staatshaushaltes sind nämlich allein für die Armee fest verplant. Und das liegt wiederum nicht daran, dass die römische Armee überdimensioniert wäre, im Gegenteil: Die rund 300 000 bis 450 000 Mann reichen nur mit Mühe aus, um die sehr langen Außengrenzen des Imperiums zu überwachen und zu verteidigen, wobei auch noch Aufgabenfelder im Inneren wie Polizei, Zoll, Personenschutz, Gefangenenbewachung, Marktaufsicht und Ähn45
liches hinzukommen. Wenn Sie versuchen sollten, am Verteidigungshaushalt Abstriche vorzunehmen, um mehr Mittel für andere Gebiete (Verwaltung, Infrastruktur / öffentliche Bauten usw.) freizustellen, handeln Sie sich sehr ernste Sicherheitsprobleme ein: Dies betrifft entweder die Sicherheit des Reiches als Ganzes, wenn Sie die Mannschaftsstärke der Armee reduzieren wollen, oder Ihre eigene Sicherheit wäre unmittelbar gefährdet, falls Sie die Armeeangehörigen mit einer äußerst unpopulären Absenkung des Soldes konfrontieren würden. Auf der Einnahmeseite existieren verschiedene Kassen, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisen und die eine gewisse Differenzierung zwischen dem römischen Staat und dem Kaiser zulassen. An zentralen staatlichen Kassen gibt es zwei, die von Praefecten aus dem Senatorenstand verwaltet werden. Gespeist werden diese Kassen aus einer Vielzahl von Steuern (Grund-, Kopf-, Erbschafts-, Verkaufsund Freilassungssteuer), Zöllen und Abgaben. Die althergebrachte Staatskasse des römischen Volkes ist im Keller des Saturntempels untergebracht und heißt dementsprechend aerarium Saturni. Augustus richtete zusätzlich eine spezielle Kasse für die Versorgung der ehemaligen Soldaten ein, das aerarium militare. Es gibt für Ruheständler keine Rentenversicherung oder Pensionen im Römischen Reich. Aber Soldaten erhalten am Ende ihrer Dienstzeit eine einmalige Abfindung, die es ihnen ermöglichen soll, im Zivilleben eine gesicherte Existenz aufzubauen. Das aerarium militare wurde bei seiner Gründung sehr kritisch aufgenommen, da es erstens neue Steuern mit sich brachte und zweitens durch seine klare Zweckbindung der freien Verfügung des Senates entzogen ist. Die Alternative wäre jedoch gewesen, dauernd Leute von ihrem Land zu vertreiben, um dort die Veteranen anzusiedeln – eindeutig noch unpopulärer, und so hat sich die Öffentlichkeit allmählich mit dieser Sonderkasse abgefunden. Daneben gibt es zwei Hauptkassen, die dem Kaiser direkt unterstehen. Sie werden deshalb auch von Funktionären verwaltet, die nur Ritter oder sogar Freigelassene sind und rechtlich nicht als Staatsdiener gelten, sondern als eine Art Privatsekretäre des Herrschers. Man unterscheidet dabei den fiscus (wörtl. „Korb“), der dem Kaiser 46
gewissermaßen in seiner öffentlichen Funktion zur Verfügung steht, und das patrimonium, das den Privatbesitz des Kaisers umfasst. Die regelmäßigen Einnahmen von fiscus und patrimonium basieren im Wesentlichen auf Landbesitz, worunter landwirtschaft lich genutzte Domänen fallen, aber ebenso Bergwerke und Steinbrüche. Die Erträge können jeweils sowohl aus der direkten Bewirtschaftung mit eigenem Personal stammen, als auch als Pachtzins für verpachtetes Eigentum anfallen. An den fiscus gehen daneben auch Sondereinnahmen, die durchaus beträchtlich sein können: Herrenlose Erbschaften (bona vacantia) von Personen, die ohne Erben verstorben sind, fallen an den fiscus. Dies gilt ebenso für sogenannte hinfällige oder verfallene Erbschaften (bona caduca), bei denen vielleicht mögliche Erben existieren, aber kein rechtsgültiges Testament. Auch die Vermögen von verurteilten Verbrechern (bona damnatorum) werden vom fiscus eingezogen – das Wort „konfiszieren“ (confiscare) leitet sich von exakt diesem Zusammenhang her. In das patrimonium sind über die Jahrhunderte die Vermögen aller vorherigen Kaiserdynastien eingeflossen, wenn diese jeweils ohne Erben ausstarben. Gegen Ende des zweiten Jahrhunderts wurde deshalb noch einmal ein echter kaiserlicher Privatbesitz (res privata oder auch ratio privata) definiert, der dem Kaiser unmittelbar gehörte und vom patrimonium abgegrenzt war, das mehr den Charakter eines offiziellen Krongutes haben sollte. Diese Unterscheidung hat man später wieder als sinnlos aufgegeben, und die Verhältnisse sind in der Tat auch so schon unübersichtlich genug: Über die genaue Abgrenzung von fiscus und patrimonium sind sich selbst die klügsten Köpfe nicht immer im Klaren, und auch die Aufgabenverteilung zwischen fiscus – den der Kaiser als Staatsorgan verwaltet – und den eigentlichen Staatskassen ist schwammig. Sie werden deshalb hoffentlich Verständnis haben, wenn wir uns an dieser Stelle nicht auf eine konkrete Zahl festlegen wollen, was die zu erwartende Höhe Ihres zukünftigen Gehaltes angeht. Historiker vergangener Jahrhunderte wie Tacitus oder Cassius Dio haben leider viel Energie darauf verwendet, uns detailliert über Palastintrigen und die 47
(tatsächlichen oder angeblichen) Verfehlungen Ihrer Vorgänger zu informieren; eine gründliche Aufstellung der kaiserlichen Besitztümer und der Renditen, die sich damit erzielen lassen, interessierte diese Autoren jedoch nicht. Was die Bonuszahlungen angeht, die Ihre regelmäßigen Einkünfte ergänzen, so haben Sie es teilweise selbst in der Hand, in welcher Höhe sie ausfallen: Ein Teil dieser Geschenke hat zwar den steuerähnlichen Charakter von regelmäßigen Abgaben; das gilt insbesondere für die goldenen Kränze (aurum coronarium), die Sie zu Regierungsjubiläen, bei Heiraten in Ihrer Familie usw. von den Städten des Reiches „geschenkt“ bekommen. Darüber hinaus bestehen die Boni aber im Wesentlichen in persönlichen Zuwendungen an Sie wie Erbschaften oder echten Geschenken. Inwieweit Sie hier von Personen der Oberschicht bedacht werden (und nur deren Beiträge zählen wirklich), hängt hauptsächlich von Ihrem Social Standing ab – ein guter Ruf macht sich bezahlt!
Anlagetipps für Profis Wenn Sie sich von unnötigen Kriegen, gigantomanen Palastbauten und ähnlichen Formen der Geldverschwendung fernhalten, sollten Sie als Kaiser in der Regel recht substanzielle Überschüsse in fiscus und patrimonium erwirtschaften. Wir wollen deshalb an dieser Stelle einige Hinweise geben, wie Sie diese Mittel sinnvoll – und krisenfest – anlegen können. In einer agrarisch geprägten Gesellschaft wie dem Römischen Reich wird jeder, der zu größeren Summen Bargeld kommt, dieses bevorzugt in Land investieren, der verbreitetsten und auch beständigsten Form von Geldanlage. Der Reichtum von Senatoren besteht in der Regel aus Grundbesitz; wenn es also heißt, Senator X sei soundso viel Millionen Sesterzen schwer, dann bezieht sich das nicht primär auf Kisten voller Münzen, die bei ihm zu Hause herumstehen, sondern hauptsächlich auf seine Immobilien. Aber auch jeder neureiche Freigelassene wird ebenso danach streben, seine Gewinne aus Handelsaktivitäten in Grundbesitz umzuwandeln. 48
Diese Anlagestrategie ist langfristig und risikoarm und daher grundsätzlich nicht verkehrt. Als Kaiser sind Sie allerdings ohnehin schon der bei weitem größte Grundbesitzer im Imperium, sodass weitere Zukäufe von Land nicht sonderlich originell wären. Eine Diversifizierung Ihres Portfolios wäre möglich durch Investition in kommerzielle Aktivitäten; potente Investoren sind in Handel und Gewerbe generell gerne gesehen. Dagegen spricht zum einen das gesellschaft liche Stigma solcher Betätigungen, das es für einen Kaiser nicht wünschenswert erscheinen lässt, sich mit „Krämern“ einzulassen. Hinzu kommt ein erheblich größeres Risiko der Anlagen, verglichen mit dem Agrarsektor. Das gilt insbesondere für den Seehandel, der einen besonders hohen Kapitalbedarf hat und die Anleger mit Traumrenditen um 30 Prozent lockt. Bekanntlich gehen aber hohe Renditen immer mit hohem Risiko einher, und die Seedarlehen machen hier keine Ausnahme: Im maritimen Handel kann man buchstäblich ein ganzes Vermögen versenken; Stürme, Piraten, Schiffskollisionen, Riffs und dergleichen machen den Totalverlust der Investition zu einer durchaus realen Möglichkeit. Wir empfehlen daher die Investition in das, was man auch mit dem Begriff „soziales Kapital“ beschreiben könnte. Mit anderen Worten: Verteilen Sie Wohltaten! Je beliebter Sie sind und je größer und zuverlässiger die Schar Ihrer Getreuen ist, desto sicherer sind Sie vor Palastrevolten, Verschwörungen, Usurpationen und anderen Unannehmlichkeiten. Investitionen in soziales Kapital sind Investitionen in Ihre persönliche Sicherheit; Geiz gilt als typisches Merkmal des verhassten Tyrannen. Denn das ist der springende Punkt: Ihre Umgebung erwartet dieses Verhalten ohnehin von Ihnen; es gibt sogar gleich mehrere lateinische Begriffe, die kaiserliche Freigebigkeit näher bestimmen: gratia meint zunächst allgemein Gnade oder Gunst, die der Kaiser gewährt. Die Errichtung von großzügigen Bauten für die Allgemeinheit, etwa Thermen, aber auch die Veranstaltung von prächtigen Spielen, öffentlichen Banketten usw., all das fällt unter den Begriff munificentia. Wieder eine andere Nuance von Großzügigkeit beschreibt liberalitas, die sich auf direkte Geldzuwendungen an Individuen, aber auch ganze Städte bezieht. 49
Auch sollten Sie Wert darauf legen, als jemand zu erscheinen, der von sich aus großzügig ist, dem nicht jede kleine Vergünstigung mühevollst abgerungen werden muss. Wir müssen an dieser Stelle noch einmal auf Kapitel 1 zurückkommen, wo gesagt wurde, dass ein erheblicher Teil Ihrer Regierungstätigkeit im Reagieren auf Anfragen bestehen wird, die aus allen Teilen des Imperiums an Sie herangetragen werden. Hier lässt sich jetzt präzisieren, worum es bei diesen Anliegen hauptsächlich gehen wird: zum einen auch um Entscheidungen in Rechtsfragen, zum anderen aber vorrangig um finanzielle Interessen. Selbst da, wo nicht unmittelbar Bargeld fließen soll, sind häufig materielle Aspekte involviert: Ein Procurator wünscht die Versetzung auf eine höher dotierte Stelle; jemand möchte für seine Verwandtschaft eine Steuerbefreiung oder ähnliche Privilegien; eine Stadt möchte anlässlich eines Festes einen Markt abhalten und wünscht eine Befreiung von den fälligen Abgaben – und so weiter. Speziell in Ihrer engeren Umgebung wird man erwarten, dass Nähe zum Kaiser sich im wahrsten Wortsinn auszahlt: Wer unter den Freunden oder Verwandten des Kaisers eine Spitzenposition einnimmt, ist infolge kaiserlicher Großzügigkeit auch Spitzenverdiener, so die einfache Formel. Ein bekannter Fall ist Seneca, der Mentor und Berater Neros. Bis heute hält sich sein Ruhm als Philosoph; tatsächlich ist er wohl eher ein gutes Beispiel für funktionierendes Selbstmarketing als für echte stoische Genügsamkeit: Seine Freundschaft zu Nero brachte ihm innerhalb von wenigen Jahren ein Vermögen von 300 Millionen Sesterzen ein. Eine derartig exorbitante Summe ist nicht die Norm, aber auch kein Einzelfall: Gnaeus Cornelius Lentulus brachte es durch seine Freundschaft mit Augustus sogar auf 400 Millionen. Übrigens fließt auch bei solchen Transaktionen nicht notwendigerweise Bargeld, praktischer ist die Schenkung von Land, gerade wenn es sich um größere Summen handelt. Peanuts im Bereich bis ca. 100 000 Sesterzen können allerdings in bar ausgereicht werden. Dafür stehen Ihnen spezielle Bedienstete zur Verfügung, die dispensatores, die sich immer in Ihrer Nähe befinden, wenn Sie sich in der Öffentlichkeit aufhalten. Neben Bargeld und Land gibt es eine ganze Palette weiterer Geschenkideen, sodass Sie die Gabe ganz auf den jeweiligen Anlass und 50
Empfänger abstimmen können: In Frage kommen etwa ungeprägtes Edelmetall, teurer Wein oder andere Luxusgüter wie Weihrauch, aber auch Kunstwerke oder selbst exklusive Kleidung, speziell Purpurstoffe, die bekanntlich nicht ganz billig sind. Als Kaiser werden Sie daher permanent von einer Schar von parasitären Individuen umgeben sein, die auf eine begünstigte Stellung im Umkreis des Herrschers hoffen. Der griechische Autor Plutarch (ca. 45–120 n. Chr.) hat eine Schrift mit dem Titel „Wie man den Schmeichler vom Freund unterscheidet“ verfasst, die bezeichnenderweise einem Herrscher gewidmet war, dem König Antiochos Epiphanes von Kommagene, einem Freund Plutarchs. Ein zentraler Rat des Philosophen, der sicher für alle Führungskräfte und ganz besonders für jeden römischen Kaiser von Bedeutung ist, lautet: Vertraue nicht den Leuten, die dir immer nur nach dem Munde reden und alles loben, was du tust; ein echter Freund wird auch Kritik üben! Das Problem der Schmeichler trat zwangsläufig bereits mit Beginn der Kaiserzeit auf, und schon die beiden ersten Herrscher Augustus und Tiberius entwickelten eine gründliche Abscheu gegen solche Personen. Daneben gibt es allerdings noch einen viel weiteren Kreis von Empfängern, die mit Ihren Gaben bedacht sein wollen: Regelmäßige Empfänger kaiserlicher Zuwendungen – An erster Stelle steht die hauptstädtische Bevölkerung (plebs urbana), die schon seit der Republik ein Anrecht auf verschiedene Spenden geltend macht – Bargeld, aber auch kostenlose Verteilung von Lebensmitteln. Für publikumswirksame Gesten der Großzügigkeit bieten sich vor allem festliche Anlässe wie Triumphe, Regierungsjubiläen usw. an. – Keineswegs vergessen sollten Sie ferner die Soldaten, die neben dem regulären Sold auch Sonderzuwendungen (donativa) in bestimmten Abständen erwarten – bereits zu Beginn Ihrer Herrschaft und dann wieder zu markanten Zeitpunkten wie Regierungsjubiläen, Geburten im Kaiserhaus usw. Kaiser wie Galba oder Pertinax, die bei den donativa zu sparsam waren, konnten sich folgerichtig nur sehr kurzer Regierungszeiten erfreuen. 51
– Neben diesen beiden Empfängerkreisen, die eher zu den niederen Schichten gehören, gibt es auch eine spezielle Zielgruppe in der Oberschicht: verarmte Senatoren, deren Status in Gefahr ist, weil ihr Vermögen unter den Senatorenzensus gerutscht ist (die von Augustus festgelegte Untergrenze von einer Million Sesterzen). Wer hier als Kaiser unbürokratisch Hilfe leistet, schafft sich loyale Anhänger im Senat. – Um Notlagen anderer Art geht es bei der Unterstützung von Städten und Gemeinden, die unter Erdbeben und ähnlichen Katastrophen zu leiden hatten. Da es keine Versicherungen oder staatlichen Hilfsfonds für derartige Fälle gibt, sind Mittel aus dem Vermögen des Princeps oft die einzige Möglichkeit, damit solche Städte wieder auf die Beine kommen. Im Jahr 17 n. Chr. verwüstete ein nächtliches Erdbeben zwölf wichtige Städte der Provinz Asia, und Tiberius zeigte sich spontan großzügig: „Weil das Unheil Sardes am schlimmsten heimgesucht hatte, fand es auch das größte Mitleid: zehn Millionen Sesterzen versprach ihnen der Caesar und erließ ihnen alle Zahlungsverpflichtungen an die Staatskasse oder an den Fiskus auf fünf Jahre. Magnesia am Sipylos galt als die Stadt, die den nächstgrößeren Schaden erlitten hatte, und fand die entsprechende Unterstützung.“ (Tacitus, Annalen 2.47; Übers. W. Sontheimer). Wie Sie aus diesem Fallbeispiel entnehmen können, ist es durchaus legitim, den Bedarf im Einzelfall genau zu prüfen, anstatt einfach Geld nach dem Gießkannenprinzip an alle Anspruchsberechtigten zu verteilen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum Sie als Kaiser zwar sehr wohlhabend sind, aber wiederum nicht so reich, dass Sie praktisch der Privateigentümer des gesamten Imperiums wären: Das kaiserliche Vermögen von fiscus und patrimonium ist zwar über die Jahrhunderte kumulativ gewachsen; als Princeps sind Sie der Erbe aller Ihrer Vorgänger, die ihrerseits durch Erbschaften und andere Zuflüsse immense Mittel erworben haben – aber ein Großteil dieses Vermögens ist im Laufe der Zeit auch wieder abgeflossen. Aus dem 52
Tatenbericht des Augustus wurde zum Beispiel errechnet, dass allein dieser Princeps rund 2,4 Milliarden Sesterzen aus seinem Vermögen unters Volk gebracht hat. Als Kaiser sind Sie der zentrale Netzknoten in einem umfassenden System zur Umverteilung von Reichtum – manche Leute sehen darin geradezu eine Hauptfunktion des Herrschers. Wer an dieser Rolle keinen Gefallen findet, wird am Kaiserjob insgesamt nur wenig Freude haben. Dabei sollten Sie allerdings immer darauf achten, dass die Verteilung Ihrer Zuwendungen in einer würdigen Weise vonstattengeht und nicht zum Spektakel ausartet, das Sie selbst als Exzentriker dastehen lässt. Von Caligula wird zum Beispiel berichtet, dass er ganze Tage damit zubrachte, auf dem Dach der Basilica Iulia am Forum zu stehen und eigenhändig Münzen zur gierigen Menge herabzuwerfen – eine Geldzuwendung für die Öffentlichkeit lässt sich auch stilvoller (und effizienter) organisieren.
Zusätzliche Incentives – Dienstwohnungen und Dienstwagen Auf dem Palatinhügel in Rom warten großzügig geschnittene Wohnräume auf Sie und Ihre Familie. Schon immer war der Palatin die angesagteste Gegend Roms; in der Zeit von Augustus bis Nero sind die kaiserlichen Residenzen allmählich so gewachsen, dass sie schließlich den ganzen Hügel einnehmen. Die Begriffe Palatium bzw. Palast sind seitdem geradezu synonym für herrscherliche Residenzen geworden. Die gesamte Anlage umfasst ca. zehn Hektar, die zwar nicht ausschließlich Ihren privaten Wohnraum bilden, aber auch nach Abzug der notwendigen Flächen für Repräsentation und Servicebereiche wie Küchen, Latrinen etc. bleibt immer noch ausreichend Raum für stilvolles Wohnen. Der Palatin wird Ihnen als Dienstwohnung mietfrei zur Verfügung stehen, allerdings sollten Sie die üblichen Nebenkosten wie Heizung (Bäder!), Beleuchtung und Gebäudereinigung einkalkulieren, die bei Apartmentkomplexen dieser Größenordnung durchaus ins Gewicht fallen. Hervorzuheben sind vor allem folgende Gebäude: 53
Bauten auf dem Palatin – Augustus wohnte anfänglich am Südhang des Hügels, dem Zirkus zugewandt, in einem relativ bescheidenen Haus, das allerdings durch den direkten Privatzugang zum unmittelbar benachbarten Apollotempel deutlich aufgewertet wurde. – Dieses Haus des Augustus ist mittlerweile durch neuere Bebauung überdeckt, aber der Apollotempel und die dazugehörige Doppelbibliothek für griechische und lateinische Autoren existieren noch und ermöglichen es Ihnen, in Stunden der Muße Ihren literarischen Interessen nachzugehen. – Nördlich schließt sich die deutlich größere Domus Tiberiana an (Grundfläche ca. 118 × 132 Meter), die trotz ihres Namens erst unter späteren Kaisern fertiggestellt wurde; Tiberius selbst hatte in diesem Bereich lediglich die schon vorhandenen Privathäuser erworben und genutzt. – Seine endgültige Gestalt – trotz einiger Umbauten im Detail in späterer Zeit – erhielt der Palatin mit der Domus Flavia unter Domitian. Dazu gehören ein innerer Teil als Wohnbereich, die Domus Augustana, sowie zwei Gebäude, die den gesellschaftlichen Verpflichtungen des Kaisers dienen (mehr dazu in Kapitel 8): die Aula Regia, eine Audienzhalle von ca. 29 × 33 Metern, und das Triclinium für abendliche Empfänge, das ähnliche Dimensionen aufweist. Natürlich gibt es kaiserliche Residenzen nicht nur auf dem Palatin, sondern auch an weiteren Stellen im Stadtgebiet. Die Domus Aurea, Neros Goldenes Haus, ist allerdings nicht mehr verfügbar, was sicher zu bedauern ist, bedenkt man den Ausstattungskomfort, der hier geboten wurde. Nero hatte den großen Brand von Rom im Jahr 64 n. Chr. genutzt, um im weitgehend zerstörten Innenstadtbereich einen neuen, alles Bisherige übertreffenden Palast von ca. 50 Hektar Grundfläche zu errichten, inklusive Tierpark und künstlicher Seenlandschaft. Allerdings war diese Umwidmung des ehemals öffentlichen Stadtzentrums in eine rein private Wohnanlage so unpopulär, dass spätere Kaiser die Anlage schleifen ließen und durch die Errich54
tung von Zweckbauten für die Allgemeinheit (Amphitheatrum Flavium = „Colosseum“, Titus- und Traiansthermen) deutlich andere Akzente setzten. Dennoch gibt es weiterhin außer dem Palatin noch weitere Residenzen in Rom, die Ihnen zur Verfügung stehen werden: Stadtrömische Kaiserresidenzen außerhalb des Palatins – Die Horti Sallustiani sind eine Gartenanlage, die ursprünglich Iulius Caesar gehörte, danach dem Historiker Sallust, dann seit Tiberius dem Princeps. Diverse Kaiser wie Nero, Vespasian, Nerva, Hadrian, Aurelian, Diocletian und Constantin lebten hier zumindest zeitweise, was nicht heißt, dass sie auf dem Rasen kampierten: Zu den Gärten gehören auch geeignete Wohngebäude. – Die Domus Pinciana am Westhang des Pinciushügels, von Claudius konfisziert und seitdem kaiserlicher Besitz. Ein echtes Juwel, insbesondere da auch die Gärten des Lucullus in die Anlage einbezogen wurden – und der war bekanntlich der Fachmann schlechthin in Fragen des erlesenen Geschmacks. – Ein Palast mit eigenem Zirkus auf dem ager Vaticanus, außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes. Seit Kaiser Constantin, der bekanntlich gegenüber der neuen Religion der Christen sehr aufgeschlossen war, dort eine Basilika zu Ehren eines gewissen Petrus errichten ließ, ist die Anlage allerdings nicht mehr als Wohnraum zu nutzen. – Das sogenannte Sessorium, ein ausgedehnter Palast im Südosten der Stadt mit eigenem Zirkus, Amphitheater und Thermen. Begonnen unter Septimius Severus um das Jahr 200 n. Chr., diente die Anlage zum Beispiel auch Helena, der Mutter Constantins, als Residenz. – Maxentius ließ an der Via Appia eine Villa errichten, vermutlich der jüngste in der langen Kette kaiserlicher Residenzbauten in und um Rom. Zudem gibt es weitere Paläste in Italien und, seit neuerer Zeit, auch in anderen Städten des Imperiums (siehe Karte I und II). Bei den 55
Villen in Italien war zunächst der Aspekt der Erholung und der reizvollen Umgebung ausschlaggebend für die Wahl des Ortes. Allerdings gibt es eine gewisse Häufung in der Nähe Roms, vor allem an der Küste Latiums, was sich zwanglos mit den praktischen Erfordernissen der Kommunikation und der leichten Erreichbarkeit erklären lässt. Dies gilt erst recht für die Residenzen außerhalb Italiens, die vor allem nach strategischen Gesichtspunkten – Nähe zu gefährdeten Grenzen und wichtigen Verkehrsrouten – angelegt wurden. Im ungünstigsten Fall, also bei länger andauernden militärischen Krisen, müssen Sie tatsächlich damit rechnen, dass Sie die Hauptstadt nur zu Kurztrips aufsuchen können, weil Ihre Anwesenheit anderswo erforderlich ist. Kaiserliche Villen in Italien – Die Villa von Primaporta gehörte ursprünglich Augustus’ Frau Livia, sie ist berühmt durch eine Statue des Augustus, die vermutlich das Idealbild eines römischen Kaisers mehr als jedes andere Bildwerk beeinflusst hat. – Auf Capri verbrachte die kaiserliche Familie ebenfalls schon zu Augustus’ Zeiten gerne die heißen Sommermonate. Tiberius hat dann die Insel systematisch mit gleich zwölf Villen überzogen, von denen die Villa Iovis die größte und bekannteste ist; hier verbrachte er seine letzten Lebensjahre. – Tiberius ließ auch in Spelunca (Sperlonga) an der Küste Latiums eine eher bescheidene Villa anlegen, die aber durch ihre Grotte mit erstklassigen Skulpturen die Bewunderung aller Kunstkenner erregt. – Die sicher originellste und mit 126 Hektar auf jeden Fall größte aller kaiserlichen Villen wurde unter Hadrian in Tibur (Tivoli) bei Rom errichtet. – Weitere Villen befinden sich in Alba Longa (Castel Gandolfo), Antium (Anzio), Anxur (Terracina), Aricia (Riccia), Baiae (Bacoli), Centumcellae (Civitavecchia), Circeii (San Felice Circeo), Misenum (Miseno), Pausilypum (= „ohne Leiden“; Posillipo) und Tusculum (bei Frascati). 56
– Mediolanum (Mailand) war unter Diocletian Regierungssitz und wurde auch später noch als Residenzstadt von Kaisern genutzt. Kaiserpaläste außerhalb Italiens – Antiochia in Syrien war schon vor der römischen Kaiserzeit eine angesagte Location; in römischer Zeit entwickelte sich speziell der Villenvorort Daphne mit seinen berühmten Quellen zu einem Magneten für zahlungskräftige Touristen. Diocletian schließlich ließ eine permanente Kaiserresidenz in Antiochia errichten. – Weitere Paläste existieren in Augusta Treverorum (Trier), Nikomedeia (Izmit, Türkei), Romuliana (Gamzigrad, Serbien), Sirmium (Sremska Mitrovica, Serbien) und Thessaloniki; als Alterssitz ließ sich der abgedankte Kaiser Diocletian einen Palast in Salona (Split, Kroatien) errichten. – Mit der Neugründung des griechischen Byzantion am Bosporus als Konstantinopolis durch Constantin den Großen wurde schließlich nicht nur ein weiterer Palast errichtet, sondern eine mit Rom gleichberechtigte zweite Hauptstadt geschaffen. Wie Sie sehen können, ist durch die jahrhundertelange Bautätigkeit Ihrer Vorgänger die Ausstattung mit Dienstwohnungen fast überall im Reich exzellent und übertrifft vermutlich alles, was Sie erwartet hätten. Bei einem anderen Incentive Ihres zukünft igen Arbeitgebers verhält es sich leider genau umgekehrt, hier dürfte die Realität hinter den Erwartungen vieler Bewerber erheblich zurückbleiben. Die Rede ist von der vergoldeten Quadriga, die als Dienstwagen zur Verfügung gestellt wird. Dieser vierspännige Wagen wird allerdings nur zu zeremoniellen Zwecken genutzt, also beim Triumphzug, und das mit gutem Grund. Falls Sie zu den Bewerbern gehören, die davon träumen, in tollkühner Fahrt mit einem solchen Streitwagen durch das Imperium zu brausen, so sollten Sie einmal ganz nüchtern die praktische Seite bedenken – es hat eben seine Gründe, dass derartige Gefährte ansonsten nur noch im Zirkus Verwendung finden: Stellen 57
Sie sich doch einmal vor, wie es ist, in einem Fahrzeug ohne jede Polsterung oder Federung längere Strecken über holperiges Straßenpflaster zu rasen – im Stehen! Das ist Gift für Hüft- und Kniegelenke, und kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee, solcherart zu reisen, auch wenn man immer wieder Schauspieler sieht, die als „Römer“ genau dies zu tun scheinen. Wenn Sie also einmal weite Strecken zurücklegen müssen (und das werden Sie, siehe Kapitel 6!), dann tun Sie dies zu Fuß, auf dem Pferderücken, in der Sänfte oder im (halbwegs) bequemen Reisewagen – aber bestimmt nicht im Streitwagen.
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Der Dresscode: Mit kurzen Hosen ins Büro?
„Der Römer trägt keine Hosen“ – wenn Sie im Bewerbungsgespräch mit solchen verzopften Weisheiten aufwarten, wird man zu dem Ergebnis kommen, dass Sie sich in Modefragen offensichtlich von Ihrer Großmutter beraten lassen. Keine gute Voraussetzung, um den begehrten Kaiserjob zu bekommen … Werfen wir also einen Blick auf das Thema Mode und äußeres Erscheinungsbild, denn diese Aspekte sind in der Tat zentral für einen Posten, der derart mit Repräsentation und öffentlichem Auftreten verbunden ist. Es gibt vermutlich kaum ein anderes Thema rund um diesen Beruf, das so von absurden Klischees und groben Fehleinschätzungen überwuchert ist wie die Frage, was man als Kaiser (und als hochrangiger Römer überhaupt) denn trägt. Fantasievolle künstlerische Darstellungen haben sicher erheblich dazu beigetragen, vor allem aber die Schauspielerei: Alles, was Sie in Ihrem bisherigen Leben an Verkörperungen „römischer Kaiser“ durch Schauspieler gesehen haben, sollten Sie schleunigst vergessen, wenn Sie sich daran machen, Ihre eigene imperiale Garderobe zusammenzustellen. Grundsätzlich machen Sie nichts falsch, wenn Sie Extreme vermeiden: Sie sollten gediegene Kleidung von guter Qualität tragen – keine Fetzen, die irgendwie asketisch-philosophisch wirken sollen, aber auch keine exorbitant teuren orientalischen Luxusgewänder. Im Prinzip gilt für Sie derselbe Dresscode wie für einen wohlhabenden, in geordneten Verhältnissen lebenden und grundsoliden Bürger, etwa einen Senator. Die Basis Ihrer Garderobe wird immer eine Tunica sein, die früher klassisch kurzärmelig oder ganz ärmellos war, mittlerweile aber als tunica manicata oder Dalmatica auch viel in langärmeligen Varianten 61
getragen wird. Die Frage der Farbe ist schnell geklärt: Der gut gekleidete Herr trägt Weiß. Gewänder in knalligen Farben, womöglich noch mit auff älligen Mustern, sind nach römischer Auffassung etwas für Frauen, Eunuchen oder Barbaren – Sie möchten sicher nicht, dass es hier zu Verwechslungen kommt! Und was die Stoffe angeht: Wie schon angedeutet, sollten es Tuche von wirklich guter Qualität sein, aber keine Extravaganzen wie Seide aus China, Brokat oder golddurchwirkte Stoffe. Unter der Tunica können Sie problemlos eine Hose tragen, ohne damit einen Skandal zu verursachen. Hosen wurden anfänglich im ersten Jahrhundert bei den Soldaten populär, beeinflusst durch das Vorbild der gallischen bracae. Im Verlauf der Jahre breitete sich ihr Gebrauch aus; Traian war um 100 n. Chr. der erste Kaiser, der die bracae auch an der gesellschaft lichen Spitze salonfähig machte. Die nur knielange Kurzvariante, die in diesen früheren Zeiten noch vorherrschte, ist mittlerweile allerdings weniger verbreitet als die knöchellange Form. Für Hosen ist die Palette der zulässigen Farben recht breit, Sie können sie in Weiß, Rot oder auch dunklen Farben tragen. Wenn Sie allerdings für bestimmte Präsentationsformen, etwa die Anfertigung von Kolossalstatuen, auf ein wirklich klassisches Erscheinungsbild Wert legen, dann gilt auch heute noch der kniefreie und hosenlose Look der Vorväter als Muss. Über die Tunica gehört eigentlich die Toga, wiederum weiß und bei Ihnen, als dem Kaiser, zusätzlich mit dem breiten Purpursaum der höheren Magistrate verziert. Allerdings ist die Toga ein extrem unpraktisches Kleidungsstück, nicht nur beim Tragen, sondern bereits beim Anlegen, was gar nicht ohne die Hilfe von geschultem Personal möglich ist. Dieses Textil ist daher so sehr aus der Mode gekommen, dass es nur noch bei sehr förmlichen Anlässen Pfl icht ist und vermutlich innerhalb der kommenden Jahrzehnte ganz aussterben wird. Die Alternative besteht in diversen Umhängen und Mänteln, denen zwar lange der Ruch des Griechischen oder Barbarischen anhaftete, die aber inzwischen als tragbar gelten, auch für Kaiser. Am elegantesten ist dabei zweifellos das schräg getragene pallium, das mit einer Spange auf der rechten Schulter geschlossen wird. Hier kommen auch 62
dunkle Farben in Frage, allerdings empfehlen sich ein sattes Schwarz, Blau oder Purpur eher als undefinierbare Braun- und Olivtöne, die leicht den Gedanken an Sklavenkleidung aufkommen lassen. Andere Regeln gelten allerdings für Festtage und Staatsakte. Hier darf der Aufzug, im Gegensatz zur Alltagskleidung, auch einmal etwas auff älliger sein. Insbesondere als Triumphator am Tag der Siegesfeier werden Sie goldbestickte Purpurgewänder tragen, die mehr kosten, als die meisten Ihrer Untertanen in ihrem ganzen Leben verdienen. Das ist in Ordnung, solange Sie bereit sind, hinterher die reich verzierte tunica palmata und toga picta des Triumphators wieder abzulegen, um nicht dauerhaft alle Welt an Ihren exaltierten Status erinnern zu wollen. Weitere Dinge, die Sie auch besser vermeiden sollten, sind in einer kleinen Hitliste zusammengestellt: Die Top 3 der schlimmsten Fashion-Sünden Platz 3: Behängen Sie sich nicht mit Klunkern! Dass Sie als römischer Kaiser so ziemlich der reichste Mann der Welt sind, wissen ohnehin alle. Das müssen Sie nicht auch noch durch geschmacklosen Schmuck zum Ausdruck bringen; ein Römer mit Stil trägt so etwas nicht (Ausnahme: der Siegelring, der für Ihre Amtsgeschäfte tatsächlich unerlässlich ist). Platz 2: Spazieren Sie nicht nackt herum! Vielleicht haben Sie Statuen Ihrer Vorgänger gesehen, die diese nackt oder halbnackt zeigen – diese sogenannte heroische Nacktheit ist das Kennzeichen von Göttern und Halbgöttern (eben Heroen); ein Kaiser kann sich so darstellen lassen im Rahmen eines mythologischen Rollenspiels, bei dem es zur Identifikation mit einem bestimmten Gott kommt. Das ist noch lange kein Grund, im wirklichen Leben nackt auf dem Forum herumzuturnen, womöglich noch in Gegenwart ausländischer Gesandter! Platz 1: Unterarm-Manschetten in die Tonne! Falls Sie sich in Vorbereitung auf das Bewerbungsgespräch eigens ein Paar Manschetten aus Leder oder gar Metall für die Unterarme besorgt haben, dann gibt es nur eins: Entsorgen Sie die Dinger schnellstmöglich und diskret, niemand im Römischen Reich trägt etwas derart 63
Lächerliches! „Aber ich habe doch schon ganz viele Schauspieler damit gesehen!“ – zu diesem Punkt ist oben bereits alles gesagt. Falls es zum Äußersten kommt und Sie als Feldherr in den Krieg ziehen müssen (vgl. auch Kapitel 6), dann benötigen Sie natürlich auch auf diesen Anlass abgestimmte Garderobe. Dazu gehört insbesondere der Feldherrenmantel, das paludamentum. Es wird (wie das zivile pallium) über der rechten Schulter mit einer Fibel geschlossen und ist normalerweise scharlachrot, bei Ihnen als Kaiser allerdings purpurn. Hinzu kommt als Abzeichen des kommandierenden Offiziers die Feldbinde, die ungefähr auf Taillenhöhe um Ihren Panzer geknotet wird und farblich zum paludamentum passen sollte. Vorsicht: Der komplizierte Knoten ist nicht ganz ohne; wenn Sie nicht direkt vor einer Schlacht längere Zeit vor dem Spiegel vertrödeln wollen, sollten Sie das Zuknoten der Feldbinde in die Hände eines erfahrenen Sklaven legen. Der Panzer, den Sie tragen werden, ist ein Muskelpanzer. Er ist, wie fast alle Teile der römischen Offiziersaurüstung, militärtechnisch eigentlich veraltet, ist aber durch lange Tradition geheiligt und sieht vor allem viel besser aus als die eher funktionale Ausstattung der einfachen Soldaten. Getragen wird er aber, trotz seiner eleganten Optik, nur, wenn es wirklich nötig ist, also im Krieg und wenn Feindberührung zu erwarten ist. Wenn Sie mit Darstellungen vertraut sind, wonach im Römischen Reich auch in Friedenszeiten ständig schwergepanzerte Soldaten durch die Gegend scheppern, so müssen Sie auch dies wieder auf das Konto der künstlerischen Freiheit verbuchen: Die Rüstung ist schwer, engt die Bewegungsfreiheit ein, scheuert und es wird – insbesondere im sonnigen Osten oder in Afrika – ekelhaft heiß darin. Allein aus technischen Gründen trägt man daher den Panzer nur, wenn man wirklich muss, das gilt vom Kaiser bis hinab zum letzten Hilfstruppensoldaten. Im Alltag bleibt die Rüstung im Schrank, und das hat auch gesellschaft liche Gründe: Man würde sich komplett unmöglich machen, wenn man damit bei zivilen Anlässen auftauchen würde, sei es eine Rede vor dem Senat, sei es ein Gastmahl im Palast (vgl. Kapitel 8). 64
Praxistipp: Gold oder Bronze – keine Frage des Geldes Falls Sie der Gedanke beflügelt, als Kaiser könnten Sie endlich eine von den „goldenen Rüstungen“ tragen, über die man immer wieder liest, so müssen wir Sie leider enttäuschen: Das könnten Sie sich zwar ohne weiteres leisten, ist aber trotzdem nicht empfehlenswert. In der Praxis handelt es sich immer um vergoldete Bronze, was letztlich genauso aussieht, aber einige entscheidende Vorteile bietet. Bei gleicher Materialstärke würde ein Panzer aus massivem Gold mehr als doppelt so viel wiegen wie einer aus Stahl oder Bronze, und obendrein, da Gold sehr weich ist, wäre die Schutzwirkung viel schlechter. Wenn Sie also auf einem echt goldenen Brustpanzer bestehen sollten, macht in der Armee unweigerlich das Gerücht die Runde, dass der Oberbefehlshaber ein Kindskopf ist.
Darf ich eine Krone tragen? Germanische Kleinkönige und andere barbarische Fürsten mögen großen Wert darauf legen, sich permanent mit einer Krone als Herrschaftsabzeichen zu schmücken – für einen römischen Kaiser stellt sich die Situation allerdings anders dar. Es gibt keine festgelegte amtliche Kopfbedeckung, die als Abzeichen – oder gar als notwendige Voraussetzung – der kaiserlichen Herrschaft vom Princeps dauerhaft zu tragen wäre. Wenn es Ihnen beliebt, können Sie sich fast immer barhäuptig präsentieren und so den bürgerlichen Charakter Ihrer Regierung unterstreichen, was insbesondere beim Senat sehr gut ankommt (natürlich gibt es Ausnahmen, beim Opfer für die Götter ist zum Beispiel der Kopf selbstverständlich mit der Toga zu bedecken, wie es auch jeder andere tut). Die verschiedenen Kronen und Kränze, die Sie als Kaiser tragen können, sind deshalb eher als Ehrenzeichen zu verstehen, nicht als Amtsinsignien. Sie werden vom Senat zuerkannt und sind gewissermaßen das visuelle Äquivalent zu Ehrentiteln wie Augustus und Pater Patriae, die auch keine konkrete Amtsbefugnis umschreiben (vgl. Kapitel 1). 65
Da ist zum einen der Lorbeerkranz (corona laurea) aus Zweigen des Lorbeerbaumes, der ursprünglich vom siegreichen Feldherren beim Triumphzug getragen wurde. Schon Caesar wurde das Recht verliehen, ihn dauerhaft zu tragen, und seit Augustus gehört er zum Standardzubehör der Kaiser. Praktisch ist eine Ausführung in Gold (corona aurea), die zwar in der Anschaff ung etwas kostspieliger ist als eine aus echtem Pflanzenmaterial, aber dafür auch dauerhafter. Aber Vorsicht: Gold ist, wie weiter oben schon gesagt, sehr weich, und die corona aurea verbiegt leicht – auf diesen Lorbeeren dürfen Sie sich nicht ausruhen! Warum Lorbeer? Plinius der Ältere berichtet ausführlich über die Verwendung von Lorbeer, einschließlich eines recht speziellen Einsatzgebietes unter Tiberius: „Der Lorbeer ist Friedensspender, so dass ihn vor sich zu halten sogar zwischen bewaffneten Feinden ein Zeichen der Waffenruhe ist. Von den Römern wird er vor allem als Bote der Freude und der Siege an die Briefe und an die Lanzen und Speere der Soldaten geheftet und er schmückt die Rutenbündel der Feldherren. […] Der Lorbeerbaum [wird] unter den von Menschenhand gepflanzten und in die Häuser aufgenommenen Bäumen als einziger nicht vom Blitz getroffen. […] Kaiser Tiberius soll sich bei einem Gewitter jeweils gegen die Furcht vor Blitzen mit einem Lorbeerkranz geholfen haben.“ (Plinius, Naturgeschichte 30.133–135; Übers. R. König). Der andere wichtige Kranz ist die corona civica aus Eichenlaub. Augustus erhielt sie im Jahr 27 v. Chr. vom Senat verliehen, seitdem ist sie wie der Lorbeerkranz ein typisches Accessoire der Kaiser. Die Bezeichnung Bürgerkrone oder Bürgerkranz verweist auf die ursprüngliche Funktion: Die corona civica diente früher als militärische Auszeichnung für jemanden, der das Leben von Mitbürgern gerettet hatte. Spötter haben angemerkt, dass diese Krone sich etwas merkwürdig ausnehme bei Augustus, der durch Bürgerkriege und Abrechnung mit politischen Gegnern so viele Römer in den Hades befördert hat. Wenn Sie mit einer ähnlichen Situation konfrontiert werden, sollten Sie un66
bedingt versuchen, durch geeignete Pressearbeit die Deutungshoheit zu behalten: Es ist ja gerade das Beenden eines Bürgerkrieges, das den Mitbürgern das Leben rettet und somit diese Auszeichnung rechtfertigt! Im Gegensatz zum Lorbeerkranz muss aber bei der corona civica vor einem schweren Fauxpas gewarnt werden: Diese sollten Sie keinesfalls in einer Ausfertigung aus massivem Gold tragen, das Eichenlaub darf lediglich mit Gold (und ggf. Edelsteinen) verziert sein! Es besteht sonst die Gefahr einer Verwechslung mit der massiv goldenen corona Etrusca. Diese wird, wie der Name besagt, den etruskischen Königen zugeschrieben – was imagemäßig schon schlimm genug wäre –, sie wird aber ansonsten nur von Jupiter getragen, niemals von Sterblichen. (Auch beim Triumphzug wird sie lediglich über den Kopf des Triumphators gehalten, nicht tatsächlich aufgesetzt.) Ebenfalls ist vom Tragen eines diadema abzuraten, also jenes Stirnbandes, das ein Erkennungszeichen hellenistischer Könige war – ein Kaiser, das kann man nicht oft genug betonen, ist kein König. Fallbeispiel: Die Stirnbandaffäre In die angespannte Zeit vor Caesars Ermordung fällt auch die mysteriöse Stirnbandaff äre. Anlässlich eines Festes hatte jemand seine Statue mit einem Diadem bekränzt; später wurde es auch Caesar selbst angeboten, ihm sogar von seinem Weggefährten Marcus Antonius eigenhändig auf den Kopf gesetzt – in aller Öffentlichkeit und entsprechend skandalträchtig. Ungeklärt ist, welche Intentionen der ganzen Inszenierung zugrunde lagen: Waren es fanatische Caesar-Anhänger, die tatsächlich hofften, er würde sich zum König aufschwingen? Oder waren es vielmehr seine Gegner, die ihn mit einer gezielten PR-Kampagne kompromittieren wollten? Verständlich ist jedenfalls, dass Caesar das Diadem nicht nur ablehnte, sondern obendrein ausgesprochen ungehalten war. Vielleicht sind Sie auf diese Episode schon in einer popularisierenden Fassung gestoßen, worin stattdessen von einer „Krone“ die Rede war – 67
das ist eindeutig Unsinn, eine corona wäre als militärische Tapferkeitsauszeichnung verstanden worden und hätte niemals solch einen Skandal verursacht wie das königliche diadema. Einschränkend muss jedoch festgestellt werden, dass sich Moden und gesellschaft liche Wertvorstellungen ändern können: Seit Constantin der Große sich 324 n. Chr. als erster Kaiser mit einem Diadem geschmückt hat, könnte man sagen, dass auch diese Kopfbedeckung mittlerweile für einen römischen Imperator als akzeptabel gilt. Wir glauben allerdings, dass sich darin ein bedauerlicher Mangel an gutem Geschmack offenbart – man muss schließlich nicht jede Mode mitmachen und womöglich wie ein Perserkönig aussehen wollen. Wenden wir uns zum Schluss dieses Abschnitts noch einem ganz praktischen Aspekt der kaiserlichen Kopfbedeckungen zu: Praxistipp: Hut oder Kapuze? Verschiedene Ihrer Vorgänger gingen grundsätzlich barhäuptig, um ihre Abhärtung und soldatische Tugend zu demonstrieren, zum Beispiel Hadrian oder Septimius Severus. Allerdings sollte man mit seiner Gesundheit sorgsam umgehen, und ein petasus, also ein breitkrempiger Reisehut, kann gerade unterwegs ein wertvoller Schutz vor stechender Sonne ebenso wie vor strömendem Regen sein. Mit dem Tragen des petasus wären Sie in bester Gesellschaft, Augustus hat es getan und der Götterbote Hermes tut es ebenfalls. Kapuzenmäntel hingegen gelten als vulgär und typische Unterschichtenkleidung. Sie kämen, wenn überhaupt, nur als Notlösung in Germanien oder anderen Gegenden mit extrem schlechtem Wetter in Frage. Dort tragen die Eingeborenen zwangsläufig solche Kleidung; Caracalla, der in modischen Dingen offenbar schlecht beraten war, verdankt seinen Spitznamen einem gleichnamigen Barbarenmantel mit Kapuze, den er mit Vorliebe trug.
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Der Streit um des Kaisers Bart Abschließend zu diesem Kapitel noch einige Worte zum Thema Haarund Barttracht. „Der Römer trägt keinen Bart“ – diese Weisheit gehört in dieselbe Mottenkiste, in der auch schon „Der Römer trägt keine Hosen“ gelandet sein sollte. Richtig ist, dass sich bis Traian alle Kaiser bartlos präsentierten; der jugendliche König Alexander von Makedonien hatte alle Welt mit seinem bartlosen Äußeren bezaubert, und schon seit 300 v. Chr. waren auch die Römer, einschließlich ihrer Führungsschicht, der Mode aus dem Osten gefolgt. Aber seit Hadrians Zeiten hat sich die Öffentlichkeit an den Anblick bärtiger Kaiser gewöhnt. Über seine Entscheidung, sich als erster Princeps mit Bart zu präsentieren, kursieren zwei Versionen: Nach der einen habe er eine hässliche Narbe am Kinn gehabt, die ihn zu dieser Neuerung veranlasst habe, nach der anderen – wesentlich positiver gestimmten – sei es seine große Liebe zur Philosophie gewesen, die den Ausschlag gegeben habe. Unbestreitbar ein intensives Interesse an Philosophie hatten seine ebenfalls bärtigen Nachfolger Antoninus Pius und Marcus Aurelius, denen man den Philosophenbart deshalb auch problemlos abnimmt. Hadrian selbst war auf diesem Gebiet aber eher ein Dilettant, und eine ganz andere Deutung scheint noch wahrscheinlicher: Bei den Soldaten seiner Zeit war der Bart schon längst Mode, Hadrian hat sich daran orientiert und so seine Verbundenheit mit dem Militär demonstriert. Seit dem dritten Jahrhundert ist noch eine weitere Variante aufgekommen, die erstmalig bei Caracalla anzutreffen ist: der kurz gestutzte Bart, der nun unzweideutig ein strenges, soldatisches Aussehen mit sich bringt. Wie Sie sehen, gibt es bartmäßig verschiedene Möglichkeiten, aus denen Sie je nach persönlichen Vorlieben eine Auswahl treffen können. Mindestens genauso wichtig ist aber die Frage Ihrer Frisur: Die Haartrachten von Kaisern sind generell eher streng und schlicht; lange Haare sind das Kennzeichen von Germanen, Persern und anderen Barbaren; Extravaganzen wie Zöpfe, aufgetürmte Haarknoten und dergleichen verbieten sich grundsätzlich. Auch die Mode, sich die Haare mit 69
Goldstaub zu pudern, wie es etwa Gallienus tat, empfehlen wir nicht zur Nachahmung. Die überwiegend schlichte Haarmode kann oberflächliche Betrachter zu der Einschätzung verführen, die kaiserlichen Frisuren sähen ohnehin alle fast gleich aus, mal mit mehr, mal mit weniger Locken. Doch dem ist nicht so, und es sind die Details, auf die es ankommt, insbesondere der Fall der Stirnlocken. Dabei ist wichtig, dass es für jeden Kaiser jeweils nur einen oder einige wenige Typen von charakteristischer Frisur gibt. Lassen Sie sich daher unbedingt von einem erstklassigen Stylisten typmäßig beraten, bevor Sie sich auf eine Frisur festlegen: Es geht hier nicht bloß um die Frage, ob Ihnen Ihr eigener Anblick gefällt, wenn Sie morgens in den Spiegel sehen. Vielmehr wird Ihr standardmäßig festgelegtes Erscheinungsbild überall im Römischen Reich anzutreffen sein, in Form von Tausenden von Statuen und Hunderttausenden oder Millionen von Münzen, die Ihr Porträt zeigen! Ein gelegentlicher Wechsel des kaiserlichen Erscheinungsbildes ist möglich, etwa zu bestimmten Zäsuren während Ihrer Regierungszeit. Ein permanentes Verändern des offiziellen Aussehens jedoch erweckt einen unsteten, hektischen Eindruck und sollte daher vermieden werden. Verschiedene Ihrer Vorgänger waren zudem mit dem Problem des altersbedingten Haarausfalls konfrontiert, sodass auch dazu einige Worte angebracht erscheinen. Kahlköpfigkeit wird zum Beispiel von Tiberius, Caligula, Galba, Otho und Domitian berichtet. Man kann dem mittels einer Perücke (capillamentum) oder eines Toupets (galericulum) abhelfen. Wenn Sie sich in Ihrer Eitelkeit getroffen fühlen, ist ein solcher Haarersatz sicher besser als die – im wahrsten Wortsinn – durchsichtigen Versuche Iulius Caesars, die kahle Stelle zu verbergen: Fallbeispiel: Iulius Caesar „Über seine Glatze war er sehr ärgerlich, da sie seinen Gegnern oft Anlass zu Witzen bot. Deshalb pflegte er seine Haare vom Scheitel nach vorn zu bürsten, und von allen Ehren, die ihm von Senat und Volk zuerkannt waren, nahm er keine lieber an und machte von keiner häufiger Gebrauch als von dem Vorrecht, im70
mer einen Lorbeerkranz tragen zu dürfen.“ (Suetonius, Caesar 45; Übers. A. Lambert). Auf jeden Fall raten wir auch auf dem Gebiet der Perückenmode von Extravaganzen ab: Selbst wenn das Goldblond der Germanen gerade wieder einmal der letzte Schrei sein sollte, ein Kaiser sollte sich niemals wie Caracalla mit einer knallblonden Perücke zeigen, das wirkt affektiert und aufgesetzt! Vielleicht ertragen Sie Ihr Schicksal aber auch einfach mit der gleichen stoischen Gelassenheit wie Domitian, der, obwohl selbst glatzköpfig, dennoch eine Schrift mit dem Titel „Die Haarpflege“ verfasste und einem Freund widmete.
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Im Job unterwegs auf drei Kontinenten – die Reisetätigkeit
Sie sollten grundsätzlich davon ausgehen, dass Sie als Kaiser einen beträchtlichen Teil Ihrer Zeit mit beruflichen Reisen verbringen werden. Die Anlässe sind vielfältig: Es gibt Reisen mit überwiegend zivilem Hintergrund, auf denen Sie die verschiedenen Provinzen und Städte Ihres ausgedehnten Imperiums kennenlernen werden. Einen eindeutig militärischen Hintergrund haben die Feldzüge, die Sie unter Umständen führen müssen. Aber auch in Friedenszeiten sollten Sie militärische Angelegenheiten nicht vernachlässigen. Regelmäßige Inspektionen von Kastellen und Wachtürmen am germanischen Limes und anderen Grenzen des Reiches verhindern, dass sich bei den dort stationierten Einheiten Schlendrian breitmacht. Hinzu kommt der positive Effekt, dass Sie durch solche Truppenbesuche die emotionale Bindung der Soldaten an Ihre Person stärken können, was die Wahrscheinlichkeit von Usurpationsversuchen deutlich mindert (siehe auch Kapitel 2). Fallbeispiele: – Bereits der erste Kaiser, Augustus, hat von seinen rund 40 Regierungsjahren ungefähr ein Fünftel, nämlich 8 ½ Jahre, auf Reisen verbracht, wobei er mit Ausnahme von Africa und Sardinia alle Provinzen seines Reiches besucht hat. – Das Reisepensum, das allein innerhalb eines einzigen Jahres von manchem Ihrer Vorgänger absolviert wurde, lässt sich exemplarisch an den Bewegungen Diocletians im Jahr 290 n. Chr. aufzeigen (s. Karte III): Am Jahresanfang, nach einem Feldzug an der unteren Donau, war er in Sirmium auf dem Balkan. Im 73
Frühjahr reiste er nach Osten und erreichte Antiochia Anfang Mai, wo er einen kurzen Feldzug gegen die Araber führte. Danach kehrte er nach Sirmium zurück, wo er einen Teil der zweiten Jahreshälfte verbrachte, bevor er für ein Gipfeltreffen nach Mailand reiste – eine Rundreise von mehr als 3000 Meilen. – Der vermutlich leidenschaft lichste Reisende in der langen Kette Ihrer Vorgänger war Hadrian, der mehr als die Hälfte seiner Regierungszeit unterwegs war: In mehreren ausgedehnten Reisen (117–118, 121–125, 127, 128–132 und 134–136 n. Chr.) hat er Italien und fast sämtliche Provinzen besucht, wobei sein Interesse an den jeweiligen örtlichen Verhältnissen einer der wichtigsten Gründe war (s. Karte IV). – Ein kaiserlicher Reisender, bei dem eher die sportlichen und musischen Interessen im Vordergrund standen, war Nero, der im Jahr 66 n. Chr. eine Griechenlandtournee absolvierte. Er nahm mit überragendem Erfolg an allen bedeutenden Wettkämpfen der griechischen Welt teil – den Pythischen, Isthmischen, Nemeischen und Olympischen Spielen – und wurde auch als Sänger und Tragöde in sämtlichen Wettbewerben zum Sieger erklärt. Das letztgenannte Beispiel, die Griechenlandreise Neros, wirft einige Fragen hinsichtlich angemessener bzw. unangemessener Betätigungen für einen Kaiser auf, darauf gehen wir in Kapitel 8 noch näher ein. Hier jedoch sollen jetzt zunächst die ganz praktischen Aspekte kaiserlicher Reisen betrachtet werden: Der Transport der mehr als 1800 (!) Siegerkränze, die Nero bei den diversen Wettkämpfen gewann, stellte gewiss eine logistische Herausforderung dar – andererseits sind kaiserliche Reisen noch mit ganz anderen Problemen verbunden, auf einige Kränze mehr oder weniger kommt es da auch nicht an.
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Sorgfältige Reiseplanung zahlt sich aus Reisen von Kaisern erfordern nämlich grundsätzlich eine minutiöse Vorbereitung, wobei der Planungshorizont sich eher in der Größenordnung von Jahren als von Tagen oder Wochen bewegen sollte – mal eben spontan zum Shoppen nach Alexandria, das verbietet sich für einen Augustus aus einer Reihe von Gründen. Ein Aspekt ist dabei der Umstand, dass außer Ihnen (und eventuell Ihrer Gattin) auch noch weitere Menschen an einer solchen Reise teilnehmen müssen: Gehen Sie realistischerweise von einigen Tausend Personen aus. Dazu gehören natürlich zunächst die vielen Sklaven und Freigelassenen, die für die verschiedensten Verrichtungen rund um den kaiserlichen Haushalt benötigt werden – selbstverständlich auch auf Reisen. Ferner werden Sie von Ihren hochrangigen Mitarbeitern aus dem Senatoren- und Ritterstand begleitet, die ihrerseits ebenfalls Anspruch auf Begleitung durch angemessen zahlreiches Dienstpersonal haben. Für den notwendigen militärischen Schutz des ganzen Reisezuges sind zudem mindestens rund tausend Mann zu veranschlagen. Und, was leicht übersehen wird, eine so große Reisegruppe benötigt natürlich auch eine ausreichende Anzahl von Trossknechten, die sich um Gepäck, Fuhrwerke und Zugtiere kümmern. Beachten Sie in diesem Zusammenhang unbedingt, dass der römische Staat keinen eigenen Fuhrpark und keine eigene Post unterhält, auf die Sie einfach zurückgreifen könnten. Die Institutionen, die unter den Begriffen vehiculatio oder cursus publicus bekannt sind, bezeichnen keine spezielle staatliche Infrastruktur, sondern lediglich Dienstverpflichtungen der lokalen Einwohner, die jeweils an den Straßen wohnen. Fuhrwerke für staatliche Transportaufgaben werden also immer nur fallweise requiriert, und das macht auch deutlich, dass Sie entsprechend lange im Voraus planen müssen, damit die nötige Transportkapazität entlang Ihrer Reiseroute rechtzeitig bereitgestellt werden kann. Natürlich besitzen Sie als Kaiser auch eine Anzahl eigener Fuhrwerke und Sänften, vielleicht sogar mit Edelsteinen verzierte Exemplare wie Elagabal, aber dieser private Fuhrpark wird bei weitem nicht für die gesamte Reisegesellschaft ausreichen. 75
Ebenfalls rechtzeitig bereitgestellt werden müssen auch die Unterkünfte. In der Regel werden Sie und die hochrangigen Personen aus Ihrem Umfeld in mehr oder weniger komfortablen Privathäusern untergebracht sein; Übernachtungen im Zelt sollten bei sorgfältiger Reiseplanung die Ausnahme bleiben. Die Eigentümer dieser Häuser schätzen es verständlicherweise, wenn sie vorab eine diesbezügliche Information erhalten. Noch dringlicher ist die Vorausplanung im Hinblick auf die Lebensmittel: Für die Teilnehmer Ihrer Reisegruppe sind erhebliche Mengen an Brotgetreide usw. nötig, ferner muss Futter für die zahlreichen Zugtiere vorhanden sein. Damit genügend Zeit für Erzeugung und Anlieferung an den vorgesehenen Reisestationen bleibt, sollten Sie als Faustregel eine Ankündigung ein Jahr zuvor herausgeben; bei Reisen durch Regionen mit ungünstigen landwirtschaft lichen Verhältnissen ist es zudem erforderlich, die benötigten Nahrungsmittel direkt im Konvoi mitzuführen. Aus der Sicht Ihrer Untertanen ist kaiserlichen Reisen aus diesen Gründen eine gewisse Ambivalenz zueigen: Einerseits ist es eine große Ehre, einen Besuch des Herrschers in den Mauern der eigenen Stadt feiern zu können, andererseits sind damit aber nicht unerhebliche materielle Belastungen verbunden. Sie sollten sich daher bemühen, durch Umsicht und Mäßigung diese Belastungen auf das unerlässliche Minimum zu reduzieren – Versäumnisse auf diesem Gebiet führen unweigerlich dazu, dass Ihre Umfragewerte in den Keller gehen! Fallbeispiele: Domitian und Traian In seiner Lobrede auf Traian lobt Plinius der Jüngere ausdrücklich dessen Verhalten bei einer Rückreise nach Rom: „Dein Rückmarsch verlief ruhig und ohne besonderen Aufwand […]. Kein Vater einer Tochter, kein Ehemann zitterte vor deiner Ankunft. […] Um die Gestellung von Fahrzeugen gab es kein lautstarkes Hin und Her; nie war das Quartier nicht fein genug; die Verpflegung war für alle gleich.“ (Plinius, Panegyrikus 20.2–3; Übers. W. Kühn). Traians Verhalten hebt ihn somit positiv von seinem Vorgänger Domitian ab, wie Plinius weiter ausführt: „Ganz anders dagegen unlängst die Durchreise eines anderen Princeps – wenn das über76
haupt eine Durchreise war und nicht eine Plünderung! Denn der besorgte sich Quartier durch Zwangsausweisung, ließ rechts und links alles verbrannt und verwüstet zurück, als sei eine Naturkatastrophe über das Land hereingebrochen.“ (Plinius, Panegyrikus 20.4; Übers. W. Kühn).
Der Ernstfall: Als Kaiser im Feld Einige wenige Ihrer Vorgänger, etwa Tiberius und Antoninus Pius, sind so gut wie gar nicht gereist; dafür mag persönliche Reiseunlust ein Grund gewesen sein, aber als offizielle Begründung wurden tatsächlich die finanziellen Belastungen für die Bevölkerung genannt, wie wir sie gerade dargestellt haben. Das ist gut und schön, solange die Dinge auch von der Zentrale aus geregelt werden können. Die beiden als Beispiel Genannten hatten ausgesprochenes Glück, weil in ihrer jeweiligen Regierungszeit keine größeren Barbareninvasionen stattfanden. Es gibt aber auch Fälle, in denen es unerlässlich ist, den Komfort der Palastmauern zu verlassen! Bewerber ohne besondere Neigung zu militärischer Betätigung stellen sich oft die bange Frage: „Muss ich denn überhaupt persönlich Feldzüge leiten? Kann ich das nicht meinen Untergebenen überlassen?“ Eine allgemeine Antwort auf diese Frage lässt sich nicht geben, verschiedene Kaiser haben diesen Punkt ganz unterschiedlich gehandhabt. Aber bevor wir das Für und Wider im Einzelnen abwägen, wollen wir noch einem wichtigen Missverständnis entgegentreten: Selbst wenn Sie als Kaiser ins Feld ziehen, heißt das nicht, dass Sie selbst in vorderster Reihe im Schlachtgetümmel stehen werden! Der makedonische König Alexander der Große verspürte tatsächlich den starken Drang, sich durch persönliche Tapferkeit im direkten Nahkampf auszuzeichnen, und mit diesem Enthusiasmus hat er auch etliche Herrscher und Heerführer angesteckt, die nach ihm kamen. Der römische Weg der Feldherrenkunst ist jedoch ein anderer: Ein römischer Feldherr agiert auf der Führungsebene, als ein Manager, der eben nicht jeden Handgriff selbst erledigen muss. Er lenkt das 77
Schlachtgeschehen aus einer übergeordneten Perspektive; Überblick und nüchterne Vorausplanung sind gefragt, nicht brillante Fechtkunst. Das wirkt sich auch positiv auf die Mortalitätsstatistik aus: Wie Ihnen sicher bewusst ist, sind zwar etliche Ihrer Vorgänger eines unnatürlichen Todes gestorben, verursacht wird dies jedoch in der Regel durch familiäre Zerwürfnisse oder Meinungsverschiedenheiten mit den Mitarbeitern: Der Tod eines römischen Kaisers auf dem Schlachtfeld ist ziemlich selten und unwahrscheinlich, sodass wir diesen Aspekt gar nicht weiter betrachten. Was nun die grundsätzliche Frage des persönlichen Oberbefehls im Feld angeht, so wollen wir mit der folgenden Checkliste versuchen, Ihnen eine Handreichung für die Entscheidung im konkreten Fall zu geben: Kriterienkatalog pro und contra persönlicher Oberbefehl 1. Bedrohungsanalyse: Die Notwendigkeit, selbst einen Feldzug zu führen, wird durch äußere Faktoren mitbestimmt. Wenn die Barbaren sich aktuell ruhig verhalten, liegt es ganz bei Ihnen, ob Sie eine Vergrößerung des Imperiums für sinnvoll erachten, die Sie dann nach Geschmack selbst durchführen oder aber delegieren können. Bei heftigen Angriffen der Barbaren – insbesondere, wenn sie an mehreren Fronten gleichzeitig erfolgen – wird es hingegen dringlicher, durch persönliches Eingreifen Ihre Tatkraft und Entschlossenheit unter Beweis zu stellen. 2. Reputation Management und Außendarstellung: Das Konzept der Sieghaftigkeit ist zentraler Bestandteil des Berufsbildes „Römischer Kaiser“. Diese militärische Komponente ist bereits im Imperator-Titel enthalten; viele Kaiser haben zusätzlich Siegertitel wie Germanicus, Parthicus etc. getragen (vgl. Kapitel 1), eine praktische Alternative sind universelle Siegerbeinamen (Victor, Triumphator), die keine spezifische ethnische Komponente beinhalten. Allerdings ist die Wirkung solcher Beinamen umso besser, je mehr Ihre Untertanen wissen, dass sie auch der Realität entsprechen und Sie „Ihre“ Siege nicht nur durch die Hand Ihrer Generäle errungen 78
haben. Dies sind gewichtige Gründe, selbst ins Feld zu ziehen. Dagegen spricht unter PR-Aspekten andererseits die Möglichkeit, eventuell eine Niederlage zu erleiden. Militärische Desaster wirken sich stets sehr ungünstig auf den Ruf von persönlich kommandierenden Kaisern aus, dies kann – insbesondere, wenn es sich um schwierige Gegner handelt – durchaus ein Grund sein, einen Feldzug lieber zu delegieren. 3. Berufserfahrung: Sehr wichtig ist ferner die Frage, ob Sie bereits in Ihrer beruflichen Laufbahn vor der Erhebung zum Kaiser einschlägige Erfahrung als Heerführer erworben haben (ein Punkt, den Sie ggf. auch in Ihren Bewerbungsunterlagen herausstellen sollten!). Dies traf beispielsweise auf Augustus, Tiberius, Vespasian und Hadrian zu, die alle nach dem Regierungsantritt nicht mehr auf diesem Gebiet tätig wurden. Andere Kaiser, die in ihrem Vorleben keine derartigen Qualifikationen erworben hatten, sahen sich später einem erheblichen Erwartungsdruck ausgesetzt, die Belege für eine entsprechende Befähigung nachzureichen, zum Beispiel Caligula, Claudius, Nero, Domitian oder Traian. 4. Gesundheitliche Risiken: Auch wenn weiter oben gesagt wurde, dass der Tod durch unmittelbare Feindeinwirkung unwahrscheinlich ist, sollten Sie die gesundheitliche Seite nicht außer Acht lassen, insbesondere, falls Sie schon ein höheres Lebensalter erreicht haben. Reisen sind generell strapaziös, unter den erschwerten Bedingungen eines Feldzuges (Übernachtungen sehr oft im Zelt, selbst im Winter!) gilt dies in besonderem Maße. Traian verstarb im Alter von 63 Jahren während seines Partherfeldzuges; Marcus Aurelius hat den Abschluss seines Marcomannenfeldzuges ebenfalls nicht miterlebt, auf dem er mit nur 58 Jahren starb. Die Belastungen werden gerade dann besonders groß sein, wenn Sie darauf Wert legen (wie vor Ihnen z. B. Traian oder Septimius Severus), sich den Soldaten als einer der ihren zu präsentieren, der alle Strapazen mit seinen Männern teilt und Hunderte von Meilen marschiert. Wenn Sie nun beschließen, sich tatsächlich in eigener Person an die Spitze einer Armee zu stellen, dann sollten Sie noch zwei wichtige 79
Punkte beachten. Erstens ist die Logistik einer solchen Unternehmung noch kritischer als bei einer rein zivilen Reise, und die gründliche Vorbereitung des Zuges ist daher ein absolutes Muss. Bedenken Sie, dass der Feldzug Sie in der Regel in trostlose und barbarische Gegenden führen wird, in denen die benötigten Nahrungsmittel gar nicht oder jedenfalls nicht freiwillig zur Verfügung gestellt werden. Und die Anzahl der mitreisenden Personen liegt um mindestens einen Faktor 10 höher als bei einer zivilen Reise! Beispielrechnung Armeelogistik Wenn Sie von einem Tagesbedarf von rund einem Kilogramm Weizen pro Mann ausgehen, dazu zwei Kilo Gerste und zehn Kilo Heu pro Pferd, dann resultiert daraus selbst für eine mittelgroße Armee von 25 000 Soldaten, darunter 5000 Reiter, ein täglicher Bedarf von 35 Tonnen Getreide und 50 Tonnen Heu. Der zweite Punkt, auf den wir abschließend hinweisen wollen, ist Ihnen aus dem täglichen Leben bekannt in Gestalt der schönen Maxime: „Wenn du etwas machst, dann mach es richtig!“ Wenn Sie einen Feldzug persönlich leiten, dann sollten Sie unbedingt den Eindruck vermeiden, es handele sich um eine reine Show-Veranstaltung. Eine solche Show wird schnell zur Lachnummer, und eine entsprechende Beschädigung Ihrer Reputation kann sich sehr nachteilig auswirken. Fallbeispiel: Die Britannien-Expedition Caligulas Im Jahr 40 n. Chr. beschloss Caligula eine Eroberung Britanniens, die er allerdings bereits im Anfangsstadium abbrechen musste: Die Truppen, die man an der Kanalküste zusammengezogen hatte, erhielten schließlich den Befehl, am Strand Muscheln zu sammeln. Hintergrund dieser rätselhaften Episode ist vermutlich eine Meuterei unter den Soldaten, die sich weigerten, sich übersetzen zu lassen; durchgesickerte Gerüchte über die Küche und das Wetter in Britannien könnten eine Rolle gespielt haben, aber das ist Spekulation – fest steht hingegen, dass Caligula hier entscheidende 80
Schwächen auf dem Gebiet der Personalführung erkennen ließ. Seine Zustimmungswerte, die zu diesem Zeitpunkt ohnehin eher schlecht waren – selbst seine Schwestern hatten sich kürzlich an einem Umsturzversuch beteiligt –, sind dadurch verständlicherweise noch weiter abgestürzt (vgl. seine Ermordung im folgenden Jahr).
Kann ich berufliche und private Reisen kombinieren? Die Antwort ist in diesem Fall ein klares Ja! – Als Kaiser sind Sie niemandem Rechenschaft schuldig, und niemand wird nach Abschluss der Reise eine Spesenabrechnung von Ihnen verlangen. Aus welchen Beweggründen Sie eine Reise unternehmen, beruflichen oder rein privaten, wird nicht gefragt. Mehr noch: Sie können auf Staatskosten auch Ihre Frau mitnehmen, und Ihre Freunde obendrein. Wenn Sie nun vermuten, dass es bei einer so großzügigen Regelung einen Haken an der Sache geben muss, dann liegen Sie allerdings richtig. Die Trennung von beruflichen und privaten Belangen ist bei einem Kaiser praktisch unmöglich; der Herrscher ist eigentlich niemals Privatmann. Dazu trägt auch bei, dass es in Rom keinen großen Regierungsapparat, keine Ministerialbürokratie oder Ähnliches gibt, die auch in Ihrer Abwesenheit weiterlaufen. Wo Sie sind, da ist auch der Sitz der Regierung, deshalb sind Sie als Kaiser praktisch immer im Dienst. Das gilt selbst dann, wenn Sie keine Reisen mit offiziellem Programm unternehmen, sondern nur eine Ihrer Villen aufsuchen, wo Sie sich vielleicht eine Auszeit gönnen wollen. Das erklärt auch, warum Sie auf allen Reisen von Ihren engsten Freunden begleitet werden, denn dabei handelt es sich zugleich um Ihre engsten Mitarbeiter wie den praefectus praetorio usw. (siehe auch Kapitel 3). Innerhalb des größeren Kreises von amici, den Freunden, ist dieser innere Zirkel durch die Bezeichnung amicus et comes, also „Freund und Begleiter“, noch einmal herausgehoben. Solche Ihnen nahestehenden Personen, die auch unterwegs in Ihrer Nähe bleiben, werden auch als Ihre contubernales bezeichnet, was aber eher meta81
phorisch zu verstehen ist: Zwar wird auf das contubernium, die Zeltgemeinschaft der Soldaten angespielt, aber deren Reisekomfort – acht Mann schlafen dicht an dicht im engen Lederzelt – entspricht zum Glück nicht der Ausstattungsstufe Ihrer eigenen Unterbringung. Die Tatsache, dass Sie eigentlich immer im Dienst sind, berührt ferner den Punkt der Erreichbarkeit – bekanntlich ein zentraler Aspekt für alle Führungskräfte in herausragender Position. Stellen Sie sicher, dass Sie auch auf Reisen erreichbar bleiben und auf wichtige Entwicklungen reagieren können! Tiberius, der die letzten zehn Jahre seiner Regierung komplett in der Sommerfrische auf Capri verbracht hat und von Rom praktisch völlig abgekapselt war, ist hier ganz klar das Negativbeispiel. Ein Positivbeispiel ist das Verhalten Neros beim großen Brand von Rom im Jahr 64 n. Chr.: Bei Beginn der Katastrophe hielt er sich gerade in Antium auf, rund 60 Kilometer südlich der Hauptstadt. Als die Schreckensnachricht in der kaiserlichen Villa eintraf, eilte er sofort nach Rom, wo er mit großer Tatkraft die Koordination der Löscharbeiten übernahm und Maßnahmen zur Soforthilfe für obdachlos gewordene Einwohner anordnete. (Möglicherweise sind Ihnen anders lautende Darstellungen vertraut, wonach Nero auf den Brand von Rom lediglich mit einem ebenso geschmacklosen wie talentfreien musikalischen Auft ritt reagiert hat – das sind böswillige Erfindungen, die zwar einen hübschen Effekt ergeben, wenn sie durch einen Schauspieler von Weltrang verkörpert werden, mit den historischen Fakten haben sie aber nichts zu tun.) Übrigens ist auch Ihren Untertanen die Unterscheidung von „beruflichen“ und „privaten“ Reisen des Kaisers herzlich egal. In welcher Stadt auch immer Sie eintreffen, man wird von Ihnen erwarten, dass Sie mehr oder weniger das gleiche Ritual über sich ergehen lassen. Dieser gesellschaft lichen Verpflichtung können Sie sich nicht entziehen, Ausreden wie etwa „Wir hatten eine anstrengende Reise und standen lange im Stau“ sind nicht akzeptabel. Das Wort adventus bedeutet ja eigentlich nichts weiter als „Ankunft“, aber aufgrund der großen Bedeutung, die dem feierlichen Einzug des Kaisers zukommt, hat es auch die technische Bedeutung dieses Ankunfts- und Begrüßungsrituals angenommen: Feierliche 82
Dankopfer, Ansprachen der Blüte der lokalen Rhetorenzunft, vielleicht auch musische Darbietungen durch die Jugend des Ortes gehören dazu. Bitte beachten Sie dabei, dass nicht jeder das Geld für eine kostspielige Ausbildung in der Ferne hat, und gerade in kleineren Orten entspricht das Niveau des Dargebotenen unter Umständen nicht dem, was Sie aus Städten wie Rom, Athen oder Antiochia gewohnt sind. In diesem Fall ist stoische Ruhe, nicht beißender Spott gefragt. Mit stoischer Ruhe sollten Sie sich in jedem Fall für das wappnen, was nach Abschluss des offiziellen Teils der adventus-Zeremonie unvermeidlich folgen wird: Scharen von Bittstellern werden Sie umringen, um in mündlicher oder schrift licher Form ihre Bitten und Forderungen vorzubringen (Einzelheiten dazu wurden bereits in Kapitel 1 besprochen). Und dieser Personenkreis wird sich nicht nur aus Ortsansässigen rekrutieren: Die zahlreichen Gesandtschaften aus allen Teilen des Reiches und dem Ausland, die ihre mehr oder weniger berechtigten Anliegen vortragen möchten, werden in der Regel weder Kosten noch Mühen scheuen, um Ihnen hinterherzureisen. Auch dies ist eine zwangsläufige Konsequenz aus der Tatsache, dass sich der römische Regierungssitz immer am konkreten Ort Ihres Aufenthaltes befindet. Oder, wie es der Historiker Herodian um 240 n. Chr. bündig formuliert hat: Rom ist da, wo der Kaiser ist.
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Auch für Kaiser ein heikles Thema: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Die Familie kann ein wichtiger Quell der Freude und Entspannung sein, familiäre Probleme können aber auch sehr belastend wirken und im schlimmsten Fall sogar die Leistungsfähigkeit im Job gefährden. Umgekehrt können sich aber auch Belastungen, die ein fordernder Job mit sich bringt, negativ auf das familiäre Umfeld auswirken. – Was hier in allgemeingültigen Formulierungen daherkommt, die mehr oder weniger jeden Arbeitnehmer betreffen, gilt für einen Kaiser in ganz besonderem Maße: Familienangelegenheiten sind in diesem Fall automatisch auch Staatsangelegenheiten, und deshalb wollen wir hier einen Blick auf einige wichtige Herausforderungen und potenzielle Konflikte werfen, die sich daraus ergeben können. Beginnen wir mit Ihrer Gattin. Über Ehefrauen von Kaisern kursieren häufig Klatsch und Gerüchte; manchmal will es scheinen, als ob alle Kaiserinnen nymphomane Ehebrecherinnen seien. Solche Klischees sind nach dem Vorbild der Valeria Messalina geformt, der dritten Frau des Claudius. Messalina hat in der Tat ein recht lockeres Leben geführt, war darin aber keineswegs typisch. Die wirklichen Problemfelder liegen anderswo. Da ist zum Beispiel die Frage der Berufstätigkeit. Wenn Sie bisher eine moderne Ehe führten, in der beide Partner ganz selbstverständlich eigene Karrieren verfolgten, dann wird sich Ihre Frau leider umstellen müssen, sobald Sie Kaiser werden. Berufstätigkeit von Frauen ist im Römischen Reich ja durchaus akzeptiert; viele Frauen gehen ganz selbstverständlich einer Tätigkeit etwa als Hebamme, Ärztin oder Lehrerin nach oder leiten eigene Unternehmen. Dies gilt jedoch 85
nicht für die Aristokratie, zu der Sie und Ihre Familie spätestens mit der Kaiserakklamation gehören werden. In diesen Kreisen – und das gilt für Männer wie Frauen – hat man keinen „Brotberuf“, den man des Geldes wegen ausübt: Das ist etwas für Leute niederen Standes, die dergleichen nötig haben. Praxistipp: Was ist mit gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften? Als Römer leben Sie in einer toleranten Gesellschaft, die mit Beziehungen unter Männern grundsätzlich kein Problem hat. Trotzdem müssen Sie bei entsprechender Veranlagung dem Beispiel von Kaisern wie Traian oder Hadrian folgen, die sich ebenfalls zu Jünglingen hingezogen fühlten und dennoch auch Ehefrauen hatten. Die Erfordernisse der dynastischen Stabilität machen solche Kompromisse leider unumgänglich. Ihre Frau kann also keine eigene berufliche Karriere außerhalb des Palatins verfolgen, sie kann aber auch nicht an Ihren Regierungsgeschäften teilhaben. Der Augusta-Titel, in Analogie zum männlichen Augustus, kann Ihrer Frau verliehen werden (und auch anderen weiblichen Verwandten, etwa Mutter oder Schwester), aber darüber hinaus gibt es keine spezielle weibliche Kaiser(innen)-Titulatur: Es gibt keine weibliche Form zu „Caesar“, und Ihre Frau ist auch ganz gewiss keine „imperatrix“ oder dergleichen. Die Öffentlichkeit reagiert hochgradig allergisch auf Kaisergattinen, die sich in die Politik einmischen oder gar das Kommando über Truppen übernehmen. (Das gilt übrigens für andere hochrangige Amtsträger genauso; ein Statthalter, der seiner Frau eine Beteiligung bei der Verwaltung seiner Provinz einräumt, macht sich schlicht unmöglich). Fallbeispiel: Livia Die ebenso kompetente wie durchsetzungsfähige Livia hat sicher manch wichtige politische Entscheidung mitgestaltet, aber ihr großer Einfluss erwies sich als Hypothek in der öffentlichen Wahrnehmung gleich zweier Kaiser, ihres Mannes Augustus und anschließend ihres Sohnes Tiberius. Wenn Sie also eine kluge Gattin 86
(oder Mutter) haben, deren Meinung Sie schätzen, dann lassen Sie sich ruhig von ihr beraten – aber unbedingt diskret und so, dass in der Öffentlichkeit nicht der fatale Eindruck eines „Weiberregiments“ entsteht! Übrigens existiert eine gewisse Hintertür, sodass Ihre Frau nicht gezwungen ist, ihre Tage mit untätigem Herumsitzen auf dem Palatin zu verbringen. Das strenge Verbot einer Erwerbstätigkeit für Angehörige der Oberschicht lässt eine Ausnahme zu, die als akzeptabel und standesgemäß gilt: die Landwirtschaft. Ihre Frau kann also problemlos ihre eigenen Güter verwalten, wobei sie zusätzlich von einer Sonderregelung profitiert: Die erwachsenen weiblichen Angehörigen des Kaiserhauses sind, im Gegensatz zu den meisten anderen Römerinnen, in Finanzdingen autonom und keiner männlichen Vormundschaft unterworfen. Fallbeispiel: Domitia Longina Der Begriff der „akzeptablen Erwerbsquelle Landwirtschaft“ kann praktischerweise recht großzügig ausgelegt werden, sodass alles, was in irgendeiner Form aus dem Boden kommt, darunter fällt – selbst Ton für Töpferwaren und Ziegel. Domitia Longina, die Frau Domitians, besaß zum Beispiel Ziegeleien, deren Produkte ihr auch als Witwe noch ein beträchtliches Einkommen verschafften.
Kann ich den Job erben, wenn mein Vater bereits Kaiser ist? Wenn Sie zufällig der Sohn eines Kaisers sind, haben Sie sich diese Frage bestimmt schon gestellt. Sie wird auch dann für Sie relevant, falls Sie selbst Kaiser werden und gerne eine entsprechende Vorsorge für Ihren Sohn treffen möchten. Die Antwort ist zunächst etwas verwirrend: ja und nein. Beginnen wir mit den Gründen, die eine Erbfolge eigentlich ausschließen. Wenn man sich klarmacht, dass die kaiserliche Herrschaft auf der Idee eines 87
Ausnahme-Individuums beruht, das in einer prekären Situation der Republik zu Hilfe geeilt ist, dann kann dieser Ausnahmestatus offensichtlich nicht einfach automatisch durch Erbfolge auf den Sohn übergehen (vgl. Kapitel 1). Auch wenn man die „magistratsähnliche“ Position eines Princeps betont, spricht das gegen die Erblichkeit des Amtes: Die Consuln, Praetoren oder Censoren der Republik von einst konnten ihren Posten selbstverständlich auch nicht erben, sondern mussten ihn immer für sich selbst erringen. Deshalb gibt es im rechtlichen Sinn in Rom auch keine Dynastie, also keine speziell zum Herrschen berufene Familie. Wenn wir in diesem Ratgeber gelegentlich von „Dynastie“ sprechen, ist damit immer nur eine Familie gemeint, die faktisch regiert. Die jeweils herrschende Kaiserfamilie ist also, juristisch betrachtet, nur ein Haushalt unter vielen – allerdings mit einem Vermögen und einem Glanz, die alle anderen weit in den Schatten stellen. Womit wir bei den Assets wären, die sich eben doch vererben lassen. Als Sohn eines verstorbenen Kaisers haben Sie nämlich ein Bündel von Startvorteilen gegenüber allen Mitbewerbern, sodass man Sie eigentlich nicht übergehen kann: Ihre Career Assets als kaiserlicher Prinz – Sie erben den (hoffentlich) prestigeträchtigen Namen Ihres Vaters. Wenn Ihr Vater unter die Götter erhoben wird, sind Sie zudem automatisch Divi filius, also Sohn eines Gottes. – Sie werden neuer Vorstand der kaiserlichen Familie und übernehmen den Platz Ihres Vorgängers in einem ausgedehnten, imperiumsweiten Netzwerk von Freunden und Klienten. – Sie sind Haupterbe des nicht unbeträchtlichen kaiserlichen Privatvermögens, aus dem Sie diverse Erbschaften und Legate für Verwandte und Anhänger auszahlen, ebenso die Summen, die der Erblasser für das Volk und die Soldaten vorgesehen hat. Allein der letzte Punkt in der Liste sollte ausreichen, Ihnen einen erheblichen Popularitätsschub zu verschaffen. Gerade die Soldaten sind meist sehr anhänglich gegenüber der kaiserlichen Familie und wünschen in der Regel einen Erben des Verstorbenen als neuen Herrscher. 88
Die juristische Feinheit, dass es streng genommen keine rechtmäßige Dynastie gibt, ist für diese Männer eher von untergeordneter Bedeutung; die erwähnten finanziellen Anreize tragen dazu bei, letzte Zweifel zu beseitigen. Die Senatoren ihrerseits sind sich der juristischen Aspekte nur zu bewusst und werden erwarten, dass Sie als Erbe auf jeden Fall die etablierte Prozedur der Bestätigung durch den Senat abwarten, bevor Sie tatsächlich als neuer Kaiser auftreten. Wenn Sie sich nicht durch grobe PR-Fehler völlig unmöglich machen, sollte diese Ernennung jedoch eine formale Hürde bleiben, denn in der Regel werden die Senatoren sich dem Votum der Soldaten anschließen. Der Unmut von mehreren Tausend schwerbewaffneten Praetorianern ist ein Argument, das man nicht leichtfertig ignoriert. Hinzu kommt, dass die Existenz eines Erben das gesamte Bewerbungsverfahren enorm vereinfacht und abkürzt. Aus Senatssicht kann es daher ratsam erscheinen, sogar einem Bewerber mit suboptimalen Qualifi kationen den Zuschlag zu geben, wenn sich dadurch eine längere Vakanz des Kaiserpostens mit ihren Begleiterscheinungen wie Chaos und Bürgerkrieg vermeiden lässt. Aus all diesen Gründen wird die Herrschaft tatsächlich relativ oft innerhalb einer Familie weitergegeben. Neben leiblichen Söhnen können die Erben andere Verwandte sein, etwa Neffen, die zudem häufig durch Adoption auch den Status eines Sohnes erhalten. Als dritte Variante bietet sich die Adoption eines Außenstehenden an, wenn keine geeigneten Blutsverwandten zur Verfügung stehen. Üblicherweise werden solche Nachfolger in spe schon frühzeitig der Öffentlichkeit vorgestellt, insbesondere indem sie durch Verleihung des Caesar-Titels als Juniorregenten ausgezeichnet werden (vgl. Kapitel 3). Als Kaiser sollten Sie hier unbedingt rechtzeitig Vorsorge treffen, gerade bei einer kinderlosen Ehe, weil die Existenz eines potenziellen Nachfolgers eine stabilisierende Wirkung auch auf Ihre eigene Herrschaft hat! Zur Orientierung eine kleine Übersicht über die Herrschernachfolge in den ersten beiden Jahrhunderten der Kaiserzeit (iulisch-claudische bis severische Dynastie; s. a. Stammbaum I–III): 89
Fallbeispiele zur Nachfolge Leibliche Söhne als Nachfolger: Vespasian – Titus; Marcus Aurelius – Commodus, Septimius Severus – Caracalla und Geta. Andere Blutsverwandte mit Adoption: Claudius – Nero (Großonkel – Großneffe); Traian – Hadrian (Großonkel – Großneffe), Antoninus Pius – Marcus Aurelius (Onkel – Neffe); Elagabal – Severus Alexander (Cousins). Andere Blutsverwandte ohne Adoption: Tiberius – Caligula (Großonkel – Großneffe); Caligula – Claudius (Neffe – Onkel); Titus – Domitian (Brüder); Caracalla – Elagabal (Cousins zweiten Grades). Adoption Außenstehender (incl. angeheirateter Verwandter): Augustus – Tiberius; Nerva – Traian; Hadrian – Antoninus Pius; Antoninus Pius – Lucius Verus. Ein eher ungewöhnlicher Fall ist Septimius Severus, der lediglich behauptete, von Marcus Aurelius adoptiert worden zu sein (der zu diesem Zeitpunkt seit 15 Jahren tot war und nicht widersprechen konnte). Nach dem Ende der severischen Dynastie werden die Verhältnisse etwas unübersichtlicher, weil im dritten Jahrhundert Kaisermord und Usurpation bedauerlicherweise sehr um sich gegriffen haben. Aber auch unter diesen Bedingungen haben Kaiser immer noch versucht; ihre Söhne als Nachfolger zu etablieren: Gallienus war der Sohn von Valerian und hat wiederum seine eigenen Söhne als Nachfolger proklamiert; nach dem Tod von Claudius II. Gothicus wurde sein Bruder Quintillus von den Truppen zum Kaiser ausgerufen, und auch Carus ernannte seine Söhne Carinus und Numerian zu Nachfolgern. Es ist auch ein natürlicher Wunsch, den eigenen Sohn, Neffen oder Enkel als Nachfolger zu sehen, so natürlich, dass kaum ein Herrscher sich darüber hinwegsetzen wird. Fallbeispiel: Die Adoption des Tiberius in den Medien Augustus hat Tiberius erst recht spät adoptiert, und dies wird oft als ein Hinweis auf Misstrauen und Ablehnung gegenüber dem ungeliebten Stief- und Schwiegersohn gedeutet. Tatsache ist jedoch, dass in all den Jahren davor noch geeignete leibliche Ver90
wandte des Augustus lebten – sein Neffe Marcellus, seine Enkel Lucius Caesar und Gaius Caesar –, die er verständlicherweise weder übergehen konnte noch wollte. Daher wurde Tiberius erst adoptiert, nachdem mit dem Tod von Gaius das ganze dynastische Arrangement Makulatur war. Trotzdem ist ein solcher Vorgang ein gefundenes Fressen für die Medien, wie alles, was nach Skandal und Zerwürfnis im Kaiserhaus aussieht. Vor allem Tacitus walzt in seiner Darstellung genüsslich tiberiusfeindliche Gerüchte aus und deutet an, Augustus wollte durch die bewusste Wahl eines unfähigen Nachfolgers seinen eigenen Stern umso heller leuchten lassen. Wenn Sie also den Eindruck haben, Vorgänge in Ihrer eigenen Familie könnten Gegenstand von negativ gefärbter Berichterstattung werden, sollten Sie mit einer geeigneten Kommunikationsstrategie rechtzeitig gegensteuern!
Das kommt in den besten Familien vor Wie wir gerade gesehen haben, gibt es durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der leibliche oder adoptierte Sohn dem Vater als Kaiser folgt. Die Existenz eines solchen Erben ist ein Faktor, der für politische Stabilität sorgen kann, und er kann günstigstenfalls sogar – statistisch betrachtet – das Leben des regierenden Kaisers verlängern, weil er potenzielle Usurpatoren davon abschreckt, ihr Glück auf gewaltsame Weise zu versuchen. Damit sich diese positiven Effekte entfalten können und Ihrer Dynastie tatsächlich eine gesicherte Zukunft winkt, muss allerdings eine wichtige Voraussetzung erfüllt sein: Der innerfamiliäre Frieden muss intakt sein. Dies ist leider nicht immer der Fall; Streit kann es natürlich in jeder Familie geben, aber Streit im Kaiserhaus ist immer auch eine Staatsaff äre, mit potenziell dramatischen Folgen. Und die Nachfolge des Herrschers ist dabei eine der wichtigsten Quellen von Unstimmigkeiten überhaupt: Da das römische Kaisertum im rechtlichen Sinn keine Erbmonarchie ist, kann es natürlich auch keine formelle 91
Regelung der Erbfolge geben – mit dem Resultat, dass der Kreis derer, die ein Anrecht zu haben glauben, recht groß sein kann. Und dies betrifft nicht nur Ihre eigenen männlichen Nachkommen, wenn Sie einmal Kaiser sind, also Söhne, Neffen, Enkel etc. – da es keine explizite Erbfolgeregelung gibt, ist auch die Erbfolge über die weibliche Linie nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Ehrgeizige Frauen in Ihrer Familie können deshalb eine beträchtliche Dynamik entfalten, wenn sie die Herrschaft zwar nicht für sich selbst anstreben (was technisch ausgeschlossen ist, s. o.), aber für ihre Söhne. Praxistipp: Schwiegersöhne nur nach gründlicher Prüfung akzeptieren Eine weitere Quelle von familiären Verwicklungen sind die Männer, die von außen in die kaiserliche Familie einheiraten. Wir wollen nicht zynisch sein und echte Liebe grundsätzlich für ausgeschlossen halten, nicht einmal im römischen Hochadel. Aber wenn Heiratskandidaten um Ihre Schwester, Tochter oder Enkelin herumschwirren wie die Fliegen um den Honig, dann sollten Sie sich eine gesunde Skepsis bewahren. Vielleicht ist es ja doch mehr als nur die schönen Augen der jungen Dame, was diese Männer anzieht: Man muss nicht gerade über die Geistesgaben eines Archimedes verfügen, um den Plan auszuhecken, sich über eine solche Heirat in eine komfortable Position im Herzen der Macht zu manövrieren. Ein Beispiel für einen ehrgeizigen Möchtegern-Schwiegersohn, der eine ohnehin schon schwierige Familienkonstellation noch schwieriger gemacht hat, ist Seianus, der Praetorianerpraefect des Tiberius. Als Mann aus dem Ritterstand wäre er eigentlich niemals für den Kaiserpurpur qualifiziert gewesen, aber durch Einheirat ins Kaiserhaus hoffte er, dieses Handicap auszugleichen. Dabei schreckte Seianus nicht einmal vor Mord zurück, Agrippina und zwei ihrer Söhne, die ihm im Weg standen, wurden auf perfide Weise beseitigt. Letztlich erwiesen sich all diese Maßnahmen als nicht zielführend, und Seianus wurde selbst hingerichtet, bevor seine Pläne reifen konnten. 92
Interessant für uns ist an dieser Stelle jedoch, wie es überhaupt so weit kommen konnte: Seianus hatte nämlich auf geschickte Weise bestehende Spannungen innerhalb des iulisch-claudischen Hauses ausgenutzt; speziell Agrippina und ihr Anhang waren Tiberius ohnehin schon ein Dorn im Auge, als Seianus seine Intrige startete. Die zerrütteten Verhältnisse in der Familie des Tiberius sind geradezu das Paradebeispiel für die Art von familiären Spannungen, die Sie als Kaiser rechzeitig erkennen und eindämmen müssen, wenn Sie nicht eines Tages mit unkontrollierbaren Eskalationen konfrontiert sein wollen. Bereits der Doppelname „iulisch-claudische“ Dynastie zeigt einen entscheidenden Grabenbruch an, der Augustus und seine leiblichen Verwandten, also die Iulier, von jenen trennte, die nur claudisches Blut in ihren Adern hatten, allen voran Tiberius und seine Mutter Livia. Als Tiberius 4 n. Chr. von Augustus adoptiert wurde, musste er gleichzeitig seinerseits seinen Neffen Germanicus adoptieren und zum Erben bestimmen. Der Affront für Tiberius bestand darin, dass sein leiblicher Sohn Drusus dadurch in der Erbfolge hinter seinen Adoptivbruder Germanicus zurückgesetzt wurde. Der Grund für Augustus’ Vorgabe ist ganz simpel: Germanicus war der Sohn von Antonia, einer Nichte des Augustus – somit ein echter Iulier, was für Drusus eben nicht galt. Die beiden Stiefbrüder haben sich dem Vernehmen nach trotzdem gut verstanden und keine offen ausgelebte Rivalität gezeigt. Das kann man allerdings über ihre Ehefrauen nicht sagen, die einander in herzlicher Feindschaft zugetan waren. Hier kommen nun jene Komplikationen ins Spiel, die das Studium des weit verzweigten iulisch-claudischen Hauses so faszinierend machen: Drusus’ Ehefrau Livilla war eine Schwester des Germanicus – die beiden Stiefbrüder waren also auch verschwägert –, und sie war, wie ihr Bruder, eine Iulierin. Germanicus’ Gemahlin Agrippina war aber ebenfalls eine Iulierin, was bedeutete, dass die Nachkommen aus dieser Ehe auf beiden Elternseiten iulischer Abstammung waren. Obendrein war Agrippina eine Enkelin des Augustus, sie war also von allen hier involvierten Personen mit Abstand die „iulischste“, wenn eine solche Steigerung gestattet ist. Und das ließ sie auch die übrige Verwandtschaft deutlich 93
spüren; der Anspruch ihrer Söhne, eines Tages die Herrschaft zu übernehmen, schien ihr völlig unanfechtbar. Der frühe Tod der beiden Stiefbrüder (Germanicus starb schon 19 n. Chr., Drusus vier Jahre später, während Tiberius selbst noch bis 37 n. Chr. lebte) hat auch keineswegs dazu geführt, die Angelegenheit zu entschärfen, im Gegenteil: Agrippina witterte hinter dem Tod ihres Mannes ein Mordkomplott und sah sich nun als Opfer und als verzweifelte Kämpferin für die Ansprüche ihrer Nachkommen. Der Zwist zwischen Tiberius und dem Haus Germanicus (sprich Agrippina) überschattete seine gesamte Regierung und hat erheblich zu dem Bild eines finsteren Tyrannen beigetragen, das sich die Nachwelt von ihm macht. Seine drei Nachfolger waren alle Verwandte von Germanicus: Caligula war Germanicus’ Sohn, Claudius sein Bruder und Nero sein Enkel. In den Jahrzehnten ihrer Herrschaft wurde ungeniert tiberiusfeindliche Propaganda verbreitet. Praxistipp: Keine unkontrollierten Buchveröffentlichungen von Verwandten Wenn Sie erfahren, dass jemand aus Ihrer Familie an Memoiren o. Ä. arbeitet, sollten Sie sich unbedingt vor der Veröffentlichung das Manuskript vorlegen lassen, um eventuelle kontraproduktive Passagen entschärfen zu können. Wesentlich für das negative Tiberiusbild, das bis heute in den Medien kursiert, waren die Memoiren von Agrippina der Jüngeren, einer Tochter von Germanicus und Agrippina der Älteren, die darin ganz der voreingenommenen Sichtweise ihrer Mutter folgt. Tacitus beispielsweise gibt offen zu, dass er diese Tendenzschrift für seine eigene Darstellung verwendet hat.
Darf ich störende Verwandte einfach umbringen? Wie man obigen Ausführungen entnehmen kann, kommen Konflikte in kaiserlichen Familien leider mit einer gewissen Regelmäßigkeit vor. Nicht jeder Zwist führt zwangsläufig zum Tod einer Konfliktpartei, 94
und die Häufigkeit von Morden wird oft übertrieben dargestellt. Bedenken Sie dabei den Stand der medizinischen Wissenschaft im Römischen Reich: Viele Infektionen und innere Erkrankungen lassen sich nicht sicher diagnostizieren (geschweige denn therapieren). Da kommt schnell der Verdacht eines Gift mordes auf, weil andere Erklärungen nicht auf der Hand zu liegen scheinen – oder geflissentlich ignoriert werden. Fallbeispiel: Der Tod des Claudius Nach einer verbreiteten Darstellung wurde Claudius von seiner vierten Frau Agrippina der Jüngeren vergiftet. Bei nüchterner Betrachtung der überlieferten Fakten lassen sich die Symptome aber schwerlich mit den verfügbaren Giften erklären, während ein Schlaganfall als Todesursache wesentlich plausibler erscheint. Doch unbestreitbar gibt es Verwandtenmorde, und in bestimmten Situationen erscheinen sie geradezu unvermeidbar. Wir wollen uns daher mit der Frage beschäftigen, inwieweit diese radikale Methode der Problemlösung für einen Kaiser akzeptabel ist. Also: Darf ein Princeps störende Verwandte einfach umbringen? – Die Antwort lautet „ja und nein“ und zeigt so schon an, dass das Problem vielschichtig ist. Rein formaljuristisch scheint die Sachlage klar: Princeps legibus solutus est, schreibt der Jurist Ulpian um 200 n. Chr., womit er den Konsens unter den Rechtsgelehrten auf den Punkt bringt: Der Kaiser steht über den Gesetzen (wörtl.: ist von den Gesetzen befreit). Somit kann ein Kaiser, rechtlich gesehen, gar nichts falsch machen. Hinzu kommt, dass die öffentliche Meinung Verwandtenmorde in begrenztem Umfang durchaus toleriert, soweit sie der Stabilisierung der Dynastie dienen. Da bei einem Kaiser Familienangelegenheiten zwangsläufig Staatsangelegenheiten sind, wird man Verständnis haben, wenn Sie einen notorischen Unruhestifter und Querulanten, wie es ihn in jeder Sippe geben kann, eliminieren müssen. Es gibt aber auch gute Gründe, von diesen scheinbar unbegrenzten Handlungsspielräumen nur in kontrollierter Weise Gebrauch zu 95
machen. Der Kaiser steht zwar über den Gesetzen – aber dennoch gilt es als schicklich, dass auch er sich, soweit möglich, an sie hält. Nicht ohne Grund werden moderatio (Mäßigung, Selbstbeherrschung) und clementia (Milde, Gnade) unter die Herrschertugenden gezählt! Ein wahlloses Wüten unter Ihrer Verwandtschaft wird in jedem Fall Ihre Popularität sehr ungünstig beeinflussen. Noch handfester sind die Nachteile, die sich für Ihre eigene Sicherheit ergeben: Wenn Ihre engere Umgebung zu dem Ergebnis kommt, dass Sie ein unkontrollierbares Risiko darstellen, werden Sie über kurz oder lang mit einer Gegenstrategie konfrontiert, die im Wesentlichen darauf hinausläuft, dass Sie selbst eliminiert werden. Im ungünstigsten Fall kann das den Untergang der ganzen Dynastie bedeuten, wenn – nach Ihren eigenen Säuberungen – keine passenden männlichen Erben mehr zur Verfügung stehen. Fallbeispiel: Das Ende der Flavier Als Domitian Kaiser wurde, hegte er bereits aufgrund vorangegangener familiärer Querelen einen Groll gegen Flavius Sabinus, seinen Cousin. Sabinus war mit Iulia verheiratet, der Nichte Domitians, und gehörte somit eindeutig zum inneren Machtzirkel der flavischen Dynastie (s. Stammbaum II). Zusätzlich machte Domitian ihn zum Consul und zeichnete ihn dadurch besonders aus – nur um ihn kurz darauf, aufgrund eines läppischen Vorfalls, töten zu lassen: Der Herold hatte Sabinus versehentlich als „Imperator“ statt als „Consul“ ausgerufen. Daneben existierte noch ein zweiter Cousin, Sabinus’ jüngerer Bruder Flavius Clemens; der kinderlose Domitian adoptierte dessen Söhne im Kleinkindalter als mögliche Nachfolger und gab ihnen die Namen „Domitian“ und „Vespasian“. Die Freude über eine gelungene Nachfolgeregelung im flavischen Haus währte nicht lange; unter Umständen, die noch obskurer sind als die alberne Heroldsaff äre um seinen Bruder, wurde auch Flavius Clemens getötet (das weitere Schicksal von Domitian junior und Vespasian junior ist unbekannt). Doch damit hatte Domitian das Fass zum Überlaufen gebracht und seine Umgebung kam zu dem Ergebnis, dass er aus Gründen der Selbsterhaltung 96
nicht mehr tragbar war. Und mit der Ermordung des Kaisers, in die vielleicht sogar seine Frau verwickelt war, endete auch die Dynastie. Wie Sie sehen, reicht es in der Praxis nicht aus, sich auf die juristische Rechtfertigung zurückzuziehen. Für den Fall der Fälle wollen wir Ihnen daher mit der folgenden Auflistung eine Handreichung geben, die Ihnen eine qualifizierte Entscheidung erleichtern soll: Checkliste Verwandtenmord – wie, wann und warum? – Prüfen Sie zunächst, ob eine Tötung wirklich unvermeidlich ist. In vielen Fällen genügt das mildere Mittel der Verbannung (die auch den Vorteil hat, ggf. reversibel zu sein). Zwangsweises Exil von Verurteilten hatte eine lange Tradition schon in der Republik; Augustus hat anlässlich von ernsten Erziehungsproblemen mit seiner Tochter Iulia die spezielle Variante ad insulam, also Verbannung auf eine Insel, geschaffen, die seitdem für Verbannungen Standard ist. – Vermeiden Sie auch, vorschnell auf Denunziationen zu reagieren, und prüfen Sie immer erst die möglichen Motive, die sich hinter den Einflüsterungen Dritter verbergen könnten! Im Jahr 326 n. Chr. ließ Constantin seinen Sohn Crispus aus erster Ehe umbringen. Constantins zweite Frau Fausta hatte schwere Vorwürfe gegen ihren Stiefsohn erhoben; wenige Tage nach Crispus’ Ermordung wurde aber auch Fausta beseitigt – die Gründe der Angelegenheit sind obskur, aber folgende Vermutung sei gestattet: Vielleicht war es Fausta mit einer grundlosen Anklage schlicht darum gegangen, einen Rivalen zu beseitigen und ihren eigenen Söhnen den Weg zur Macht zu ebnen. – Wenn Sie zum Äußersten entschlossen sind, dann wählen Sie eine einfache und schnelle Variante – lassen Sie die Finger von überambitionierten und überkomplexen Mordplänen! Nero hat versucht, seine Mutter Agrippina mittels eines speziellen zerlegbaren Schiffes umzubringen, durch fingierten Schiff97
bruch also. Allerdings gelang es Agrippina, sich schwimmend an Land zu retten, wo sie später auf konventionelle Art erschlagen wurde. Ungeachtet aller Rechtfertigungen, die Nero vorbringen mochte, hat dieser absurde Verlauf der Operation sein eigenes Ansehen deutlich gemindert. – Bedenken Sie die Popularität der Zielperson! Viele Kaiser leiden darunter, wenn potenzielle Rivalen um die Macht deutlich charismatischer wirken als sie selbst. Das ist verständlich, aber die Entscheidung, den Betreffenden zu töten, kann auf fatale Weise „nach hinten losgehen“ – durch die Beseitigung eines in der Öffentlichkeit beliebten Familienmitgliedes sinkt die eigene Beliebtheit nur noch weiter! Diesen Fehler beging zum Beispiel Caracalla, als er seinen Bruder und Mitkaiser Geta, den Liebling der Massen, tötete (s. Stammbaum III). – Lassen Sie sich, sofern irgend möglich, noch vor (!) der Tat juristisch beraten, um eventuelle rechtliche Komplikationen abschätzen zu können. Caracalla hat den Juristen Papinian aufgefordert, den Mord an Geta nachträglich als Notwehr zu rechtfertigen, was dieser verweigerte. Dadurch entstand eine unschöne Situation, die Caracalla unter Zugzwang setzte und nur dadurch bereinigt werden konnte, dass auch Papinian dauerhaft von seinen Aufgaben entbunden wurde, um dem von ihm geschätzten Geta im Totenreich Gesellschaft zu leisten. – Wenn es schon unvermeidlich erscheint, dann ist der Zeitpunkt am Beginn Ihrer Herrschaft am günstigsten für einen Mord, weil die Öffentlichkeit dann am ehesten versteht, dass die Tat nötig ist, um einen reibungslosen Herrscherwechsel zu garantieren (was durchaus auch im allgemeinen Interesse liegt). Nach dem Sieg über Marcus Antonius und Kleopatra ließ Octavian (der zukünftige Augustus) seinen potenziellen Rivalen Caesarion töten, den leiblichen Sohn Caesars, ohne dass ihm das später groß angekreidet wurde. Ebenso wurde bei Tiberius’ Regierungsantritt der letzte überlebende Enkel des Augustus, genannt Agrippa Postumus, geräuschlos beseitigt, 98
ohne dass das einen Skandal verursachte; Augustus selbst hatte übrigens Agrippa Postumus wegen seines schwierigen Charakters als gänzlich ungeeignet für öffentliche Ämter bezeichnet und auf eine Insel verbannt.
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Freizeit und Hobbys
„Ist meine Freizeitgestaltung nicht Privatsache? Was gehen den Arbeitgeber denn meine Hobbys an?“ – Viele Bewerber reagieren ausgesprochen unwillig auf den Gedanken, ihre persönlichen Interessen und Aktivitäten außerhalb der Arbeitszeit könnten bei der Vergabe des Kaiserpostens eine Rolle spielen. Wenn Sie jedoch dieses Buch bis hierher aufmerksam durchgearbeitet haben, dann sollte es für Sie kein Geheimnis mehr sein, dass diese Einstellung leider fehl am Platze ist: Als Kaiser sind Sie im Prinzip immer im Dienst, und das heißt auch, dass Sie praktisch immer unter den Augen der Öffentlichkeit agieren. Oder, in den Worten von Plinius dem Jüngeren: „Zu den Begleiterscheinungen einer hohen Stellung gehört vor allem dies, dass sie nichts verborgen, nichts geheim bleiben lässt, und gar im Falle der Principes öffnet sie nicht nur das Haus, sondern selbst die Privaträume und innersten Gemächer, und sie bringt alle Geheimnisse ausführlich zur Kenntnis der Öffentlichkeit.“ (Panegyrikus 83.1; Übers. W. Kühn). Auch der Versuch, dieses Problem durch einen radikalen Rückzug „ins Private“ zu lösen, kann nicht empfohlen werden: Fallbeispiel: Tiberius auf Capri Tiberius hat, aus Unwillen über die Verhältnisse in Rom, die letzten zehn Jahre seiner Regierung zurückgezogen auf Capri verbracht. Der Öffentlichkeit, insbesondere den Einwohnern der Hauptstadt, war allerdings nicht plausibel zu machen, welche Gründe hinter diesem Exil standen. Stattdessen machten abenteuerliche Gerüchte über ausgefallenste sexuelle Perversionen die Runde, mit denen der Kaiser angeblich seine Tage ausfüllte. Als Princeps müssen Sie immer damit rechnen, dass Klatschkolum101
nisten vom Schlage eines Suetonius nur darauf warten, Ihr Verhalten in derartiger Weise in den Schmutz zu ziehen. Deshalb sollten Sie auch in Ihrer „privaten“ Lebensführung grundsätzlich so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten. In den folgenden Abschnitten des Kapitels wollen wir deshalb zwei wichtige Aspekte näher betrachten: Zuerst wollen wir den Tagesablauf eines römischen Kaisers unter die Lupe nehmen und überlegen, welche Phasen darin denn – wenn überhaupt – die Bezeichnung „Freizeit“ verdienen. Als zentrale Botschaft, das sei schon vorab verraten, sollte dabei hängen bleiben, dass die vielfältigen Aufgaben des Herrscheramtes nur durch effizienzoptimiertes Zeitmanagement zu meistern sind. Im zweiten Abschnitt des Kapitels werden wir uns dann mit den Hobbys und privaten Interessen befassen. Wie Ihnen das Beispiel mit Tiberius hoffentlich gezeigt hat, können Sie nicht davon ausgehen, dass Sie mit der Haltung „Als Kaiser kann ich doch machen, was ich will“ auf Gegenliebe in der öffentlichen Meinung stoßen werden.
Work-Life-Balance und Zeitmanagement Die Beziehung zwischen Patron und Klient hat bereits zu Zeiten der Römischen Republik das gesamte gesellschaft liche Leben strukturiert, und jeder Aristokrat wurde im Atrium seines Hauses gleich morgens von einer mehr oder weniger großen Schar von Anhängern begrüßt, die alle darauf hofften, vom Patron auch persönlich angesprochen zu werden (nach Möglichkeit verbunden mit einer kleinen materiellen Aufmerksamkeit). Augustus hat, wie wir in Kapitel 1 schon angesprochen haben, die Formen der Republik in vielfältiger Weise übernommen und weiterentwickelt. Dabei spielte auch der morgendliche Empfang, die salutatio, eine zentrale Rolle, und diese Gepflogenheit hat sich für die Kaiser bis heute erhalten. Gegenüber den Aristokraten früherer Epochen hat sich allerdings mit Beginn des augusteischen Zeitalters ein nicht unwesentlicher Unterschied ergeben: Als Kaiser sind Sie im Prinzip 102
der Patron aller freien Einwohner des Reiches! Diese wohnen, den Göttern sei Dank, nicht alle in Rom, aber selbst in der Hauptstadt allein kämen mehrere Hunderttausend Klienten zusammen, was auch in den großzügig bemessenen Räumlichkeiten des Palatins die salutatio in ihrer klassischen Form unmöglich macht. Es hat sich deshalb als günstig erwiesen, die öffentlichen Morgenempfänge des Kaisers nur an Festtagen für das ganze Volk freizugeben (und zu hoffen, dass nicht wirklich alle kommen). Auch an den normalen Tagen bleibt der Kreis der Teilnehmer immer noch relativ groß: Für Senatoren, die nicht gerade mit einem Amt in den Provinzen betraut sind (vgl. Kapitel 3), besteht Residenzpflicht in Rom. Allein dieser Personenkreis umfasst mehrere Hundert Personen, hinzu kommen noch weitere, etwa die führenden Vertreter der Ritterschaft. Die unter Domitian angelegte aula regia (vgl. Kapitel 4) ist bei diesen Anlässen gut gefüllt, trotz ihrer monumentalen Abmessungen. Dies hat zwei wichtige Konsequenzen: Zum einen müssen Sie für die salutatio eine ausreichende Zeit einplanen, als Richtwert sollten Sie von mindestens einer Stunde ausgehen. Viele Kaiser empfinden den Vorgang daher als lästig, Hadrian beispielsweise hat für bestimmte Tage im Voraus angekündigt, dass er an ihnen alleine bleiben möchte, um dem Ritual zu entgehen. Solche Lösungen sind im begrenzten Umfang möglich, aber der komplette Rückzug nach dem Vorbild des Tiberius (s. o.) ist nicht zu empfehlen, dies sollte noch einmal betont werden: Die Möglichkeit eines direkten Kontaktes zum Herrscher stellt eine wertvolle vertrauensbildende Maßnahme dar, die sich positiv auf die Stabilität Ihrer Herrschaft auswirkt! Neben dem Zeitbedarf ist das zweite Problem, dass vertrauliche Gespräche verständlicherweise in diesem großen Rahmen nicht möglich sind. Deshalb ist es üblich, dass der Kaiser seine engsten Vertrauten gleich morgens noch im Schlafzimmer empfängt und erst dann den offiziellen Teil der salutatio absolviert. Und noch davor ist bereits ein weiterer Punkt des täglichen Arbeitspensums zu erledigen, denn noch vor den kaiserlichen Freunden werden die diversen Sekretäre vorgelassen, die einen Kurzbericht über ihre jeweiligen Ressorts geben. 103
Wie Sie sehen, sind Sie bereits unmittelbar nach dem Aufwachen im Dienst, und das Grundprinzip gilt für den gesamten Tagesablauf: Die vielfältigen Anforderungen, die mit der Führungsposition des Kaisers einhergehen, lassen sich überhaupt nur dadurch bewältigen, dass auch private Situationen und sogenannte Freizeit mit beruflichen Angelegenheiten verknüpft werden. Neben dem morgendlichen Empfang ist das abendliche Dinner der zweite Fixpunkt Ihres Tagesablaufes, und auch diese cena ist – selbst wenn es sich nach Ihrer eigenen Auffassung nur um „ein gemütliches Abendessen mit Freunden“ handelt – in den Augen Ihrer Untertanen eine Staatsangelegenheit. Wir kommen gleich darauf zurück, aber werfen wir zuerst einen Blick auf die Zeit dazwischen. Die Stunden des Vormittags und des Nachmittags, die von den Verpflichtungen von salutatio und cena eingerahmt sind, werden ebenfalls für vielfältige Aufgaben benötigt und stehen keineswegs als reine Freizeit zur Verfügung. Wie Sie diese Stunden im Einzelnen aufteilen, kann durchaus variieren, aber grundsätzlich kehren folgende Aufgabenfelder regelmäßig wieder, die zum Teil schon in Kapitel 2 ausführlicher vorgestellt wurden: Wichtige Elemente im Tages- und Wochenplan – Büroarbeit und Aktenstudium (insbesondere Lesen und Beantworten von Briefen) – Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, Empfang von Gesandtschaften (im Senat oder Palast) – Sonstige Auftritte im Senat – Teilnahme an religiösen Feierlichkeiten – Besuch von öffentlichen Spielen und Vorführungen, insbesondere Eröffnung von Zirkusspielen und Gladiatorenkämpfen usw. Um die Mittagszeit sollten Sie sich allerdings eine gewisse Auszeit gönnen, schon allein, um Ihre Leistungsfähigkeit auch am Nachmittag sicherzustellen. Üblich ist eine leichte Mittagsmahlzeit (prandium), eine Art zweites Frühstück mit etwas Brot, kaltem Braten und 104
dergleichen. Daran schließen sich vielleicht ein kleiner Ausritt oder andere sportliche Aktivitäten an; andere Kaiser ziehen sich zur Ruhephase in das Schlafzimmer zurück, unter Umständen auch mit Damenbesuch. Welche Dispositionen Sie hier auch im Einzelnen treffen: Sie sollten unbedingt im Tagesablauf eine zweite Arbeitsphase am Nachmittag einplanen, anders lässt sich die Vielzahl Ihrer Aufgaben kaum bewältigen. Auch das festliche Mahl am Abend – neben cena ist auch die Bezeichnung convivium, also Gastmahl, gebräuchlich – leitet sich von den aristokratischen Traditionen der Republik ab. Im Gegensatz zur morgendlichen salutatio beschäftigen diese abendlichen Zusammenkünfte am Kaiserhof allerdings in außerordentlichem Maße die Fantasie von Leuten, die selbst noch nie daran teilgenommen haben. Diese Gastmähler pflegt man sich gerne in Begriffen von Ausschweifung und Orgien vorzustellen; Tänzerinnen in unterschiedlichen Stadien der Entkleidung, die sich zuckend zu aufpeitschender Musik bewegen, spielen beispielsweise in solchen Fantasien eine prominente Rolle. Die Wirklichkeit ist allerdings erheblich nüchterner. In diesem Zusammenhang ein eindringlicher Hinweis. Bewerbern, die vor allem deshalb Kaiser werden möchten, „weil da jeden Abend die krasse Fete abgeht“, empfehlen wir dringend, möglichst rasch einen Termin mit dem Berufsberater zu vereinbaren: Lassen Sie sich über alternative Karrierewege im Bereich Theater oder Zirkus informieren. Ernsthafte Anwärter auf den Kaiserpurpur sollten sich hingegen vergegenwärtigen, dass mit diesem Posten folgendes grundsätzliches Paradox verbunden ist: Einerseits sind Sie der unumschränkte Herr über die (zivilisierte) Welt, dies ist kein Bürojob „von neun bis fünf“, und so werden Sie als Augustus in gewisser Weise permanent im Dienst sein, wie wir es schon mehrfach dargestellt haben, weil Sie Ihre kaiserliche Rolle nicht einfach ablegen können. Auf der anderen Seite erwartet man genau dies von Ihnen, dass Sie sich zu bestimmten Anlässen als normaler Bürger unter seinesgleichen geben, mit dem man zwanglosen Umgang wie mit jedem anderen pflegen kann. Gerade das abendliche convivium ist hierfür die Gelegenheit par excellence. Ihre Gäste werden, neben Familienangehörigen, die Spit105
zen der Gesellschaft sein, insbesondere Senatoren, und man erwartet von Ihnen, dass Sie die üblichen Umgangsformen der Senatorenschicht beherrschen. Dazu gehört, dass Sie bei der Bewirtung einen gewissen gehobenen Standard bieten müssen; allzu aufdringlich zur Schau getragene Sparsamkeit wird man Ihnen als Geiz ankreiden. Aufgewärmte Essensreste vom Vortag sind also sicher nicht akzeptabel (Tiberius machte sich durch diese Praxis unbeliebt) – aber Sie sollten es mit dem Tafelluxus eben auch nicht übertreiben und keine bombastischen Schlemmereien bieten, denn dann gelten Sie als Vielfraß oder, schlimmer noch, als jemand, der in Geschmacksfragen dekadente orientalische Potentaten nachahmt. Bei aller exklusiven Qualität des Gebotenen muss immer auch eine gewisse vornehme Schlichtheit erkennbar bleiben. Dies gilt für Speisen und Getränke ebenso wie für Musik, Poesie und andere Elemente im Rahmenprogramm. Zentraler Aspekt des convivium ist dabei die gepflegte Geselligkeit, die es Ihren Gästen ermöglicht, sich zwanglos zu unterhalten, vor allem natürlich mit Ihnen als dem Gastgeber. Sie sollten sich also heiter und aufgeräumt geben, aber nicht albern oder gar zu bösartigen Scherzen aufgelegt. Fallbeispiele: Caligula und Domitian beim Diner Über Caligula berichtet Suetonius Folgendes: „Während eines Festessens brach er plötzlich in Lachen aus. Als die neben ihm sitzenden Consuln ihn freundlich fragten, worüber er denn lache, erwiderte er: ‹Worüber sonst, als dass ich euch beiden auf einem Wink von mir den Kopf abhauen lassen kann?’“ (Suetonius, Caligula 32; Übers. A. Lambert). – Bedenken Sie, dass Caligula mit solchen Scherzen, die auf seine engste Umgebung bedrohlich wirken mussten, zu seinem eigenen gewaltsamen Ende beigetragen hat. Ein Gastmahl ist nicht der angemessene Rahmen für Morddrohungen. Domitian hingegen wurde ein anderer Vorwurf gemacht: Er hat sich meist schon mittags gründlich sattgegessen und so die abendliche cena zu einem bloßen Imbiss herabgewürdigt, wenn er sie nicht sogar ganz ausfallen ließ. – Problematisch ist dabei, wie Sie hoffentlich 106
nach den obigen Ausführungen selbst ableiten können, dass es in den Augen der Öffentlichkeit eben nicht nur um eine Mahlzeit geht, sondern um eine gesellschaft liche (und damit für den Kaiser berufliche) Verpflichtung, der sich Domitian entzogen hat.
Achtung, Fettnapf! Falls die bisherigen Ausführungen bei Ihnen den Eindruck erweckt haben, dass man vom Kaiser Umgangsformen wie von jedem anderen Senator erwartet – Sie liegen richtig. Deshalb ist auch der gesamte Bereich Hobbys und private Interessen sensibel und eben nicht „rein privat“. Für Sie als Kaiser gilt daher eine Grundregel, die auch andere Aristokraten befolgen müssen: Das Decorum wahren! Sie mögen sich ruhig für Musik, Drama oder Lyrik interessieren, Sie können auch gerne Ihre Fitness verbessern, indem Sie Training als Gladiator absolvieren – aber bitte alles hinter verschlossener Tür! Grundsätzlich zu vermeiden sind alle öffentlichen Auftritte, bei denen Sie sich als Sänger, Tänzer oder Schauspieler auf der Bühne produzieren, als Wagenlenker durch den Zirkus rasen oder womöglich als Gladiator im Amphitheater kämpfen, alles vor den Augen des Volkes. Damit würden Sie sich gemein machen mit jenen Berufsgruppen, deren Tätigkeiten als ehrlos, unanständig, weibisch oder griechisch (oder eine beliebige Kombination dieser Attribute) gelten. Fallbeispiele: Kaiser als Gladiatoren Verschiedene Ihrer Vorgänger konnten der Versuchung nicht widerstehen, selbst in der Arena zu kämpfen. Notorische Beispiele sind etwa Caligula, Commodus, Caracalla – Ihnen sollte zu denken geben, dass sie ausnahmslos zu den „schlechten“ Kaisern gezählt werden, die man oft sogar als „verrückt“ einstuft. Fallbeispiel: Nero und die Musik Unauslöschlich in das Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt ist das Bild eines krächzenden Nero, der sich mit unbeholfenem Ge107
klampfe auf der Leier selbst begleitet. Die Behauptung der Chronisten, Nero habe schlecht gesungen, ist aber nur eine zusätzliche Gehässigkeit, um das Bild dieses Kaisers noch stärker zu verfinstern. Der entscheidende Punkt ist vielmehr, dass er überhaupt gesungen hat. Egal ob talentiert oder nicht – ein Kaiser produziert sich nicht in der Öffentlichkeit! Das Beispiel Nero verweist noch auf ein zweites Problem kaiserlicher Auftritte, zusätzlich zu dem Umstand, dass sich dergleichen für Angehörige der Führungsschicht grundsätzlich nicht schickt: Nero hat in Griechenland sämtliche Wettbewerbe gewonnen, an denen er teilnahm – eine logische Konsequenz aus der Tatsache, dass er der Kaiser war (vgl. Kapitel 6). Denn wie könnte der Kaiser in einem Wettbewerb verlieren – damit wäre er der Lächerlichkeit preisgegeben! Nun wissen die Menschen andererseits ganz genau, dass niemand auf allen Gebieten der Beste sein und immer gewinnen kann: Auf die öffentliche Meinung in Rom wirkte es sich ausgesprochen ungünstig aus, dass Nero auch als Wagenlenker zum Sieger erklärt wurde, obwohl er in Olympia aus seinem Gefährt geschleudert worden war. Ein Kaiser, der immer gewinnt, ist also genauso lächerlich wie einer, der eine Niederlage einstecken muss. Daraus kann es nur eine Konsequenz geben: Ein Kaiser nimmt gar nicht erst an Wettbewerben teil. An dieser Stelle muss allerdings eine Einschränkung gemacht werden: Die harten Urteile über Kaiser, die in der Öffentlichkeit aus der Rolle fallen, stammen großenteils von Autoren, die selbst Senatoren sind, etwa Tacitus, Plinius der Jüngere oder Cassius Dio, oder als hochrangige Ritter dieselben Wertmaßstäbe teilen, wie etwa Suetonius. Beim Volk können Sie mit derartigen Auftritten durchaus eine gewisse Popularität erringen. Hier liegt also ein Zielkonflikt vor, der Sie zu einer Prioritätensetzung zwingt: Ist Ihnen die Zustimmung der Volksmassen Ihrer eigenen Zeit wichtiger, oder sind Sie (im Sinne der Nachhaltigkeit) mehr an langfristigem Nachruhm interessiert? Bedenken Sie, dass eine Einstufung als „schlechter Kaiser“ durch pikierte Historiker Ihnen im ungünstigsten Fall für Jahrhunderte 108
oder Jahrtausende anhängen kann, unabhängig davon, wie Ihre tatsächliche Regierungsbilanz ausfällt. Als möglichen Mittelweg empfehlen wir folgenden Kompromiss: Halten Sie sich von eigenen Auft ritten in der Arena fern, aber geben Sie dem Volk zu erkennen, dass Sie zumindest als Zuschauer seine Begeisterung für spannende Wagenrennen und Kämpfe teilen. Dies mag im Einzelfall nicht unbedingt der Realität entsprechen, gerade Kaiser mit umfassender militärischer Erfahrung wie Tiberius, Vespasian oder Marcus Aurelius hatten in der Vergangenheit ein geringes Interesse an blutigen Gladiatorenspektakeln. Aber zu Ihrer Rolle als Princeps gehört nun einmal, dass Sie sich für alle sichtbar bei den Spielen präsentieren – die Sie übrigens (als sogenannter editor) auch ausrichten müssen, zumindest in der Hauptstadt Rom! Prächtige Spiele beweisen Ihre Großzügigkeit; Knauserei an dieser Stelle wirkt sich sehr negativ auf Ihr Image aus. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Augustus, der in seinem Tatenbericht aufzählt: „Dreimal habe ich in meinem eigenen Namen Gladiatorenspiele veranstaltet und fünfmal in dem meiner Söhne oder Enkel; bei diesen Spielen kämpften etwa zehntausend Menschen. Zweimal bot ich dem Volk ein Schauspiel mit von überall herbeigeholten Athleten in eigenem Namen, ein drittes Mal im Namen meines Enkels. Andere Spiele habe ich viermal in eigenem Namen veranstaltet, anstelle von anderen Beamten dreiundzwanzigmal. […] Tierhetzen mit afrikanischen Raubtieren habe ich in meinem Namen oder in dem meiner Söhne und Enkel […] für das Volk sechundzwanzigmal durchführen lassen, wobei ungefähr dreitausendfünfhundert Tiere erlegt wurden.“ (Augustus, Res Gestae 22; Übers. E. Weber). Praxistipp: Was erwartet mich im Zirkus? Im Zusammenhang mit Ihrem Auftreten als editor von Zirkusspielen wollen wir noch auf einen wichtigen Nebenaspekt hinweisen. Einige Gelehrte haben die Auffassung vertreten, die Massen in Rom seien in der Kaiserzeit „entpolitisiert“ worden, woran Zerstreuung und Ablenkung durch öffentliche Spektakel einen wesentlichen Anteil gehabt haben sollen. Sie sollten solche Meinungen nicht für bare 109
Münze nehmen, sonst steht Ihnen eventuell eine unangenehme Überraschung bevor. Gerade die großen Menschenmengen, die im Zirkus zusammenkommen, sind sich ihrer Bedeutung nur zu bewusst – in der Theorie ist immer noch das Volk die Quelle politischer Legitimität, und daran erinnert man sich bei solchen Anlässen durchaus! Verschiedene Ihrer Vorgänger sind daher im Zirkus mit teilweise sehr entschiedenen Forderungen der Massen konfrontiert worden, denen sie sich nicht entziehen konnten. Sie sollten auf solche Situationen vorbereitet sein und ggf. souverän reagieren können. (Ein Massaker an unzufriedenen Zuschauern ist technisch machbar, letztlich aber kontraproduktiv und daher nicht zu empfehlen.) Am besten stellen Sie sich die Situation analog zu einer Aktiengesellschaft vor: Solange die Eckdaten des Unternehmens gut sind, wird der Vorstand weitgehend freie Hand bekommen. Bei schwacher Kursentwicklung muss ein Spitzenmanager jedoch bei der Aktionärsversammlung mit dem geballten Unmut der Anleger rechnen, die sich daran erinnern werden, dass sie selbst letztlich die Eigentümer des Unternehmens sind. Verlassen wir die Arena und wenden uns dem Bereich der Religion und des Übernatürlichen zu. Sie sollten eine angemessene Frömmigkeit im Rahmen des Herkömmlichen an den Tag legen; Verhöhnung der Religion kommt ebenso wenig gut an wie religiöse Exzesse. Wenn Sie religiöse Vorlieben haben, die besonders ausgefallen sind oder bei Ihrer Umgebung eventuell Befremden auslösen, sollten Sie damit nicht in aufdringlicher Weise an die Öffentlichkeit gehen. Commodus hat sich beispielsweise als zweiter Hercules gesehen und genau wie der Halbgott mit Löwenfell und Keule ausstaffiert; er soll sogar Menschen mit seiner Keule erschlagen haben. Es kann nicht überraschen, dass die öffentliche Meinung kein Verständnis für derartige Überspanntheiten hatte. Der Aufruf zur Mäßigung gilt insbesondere für Bewerber, die vielleicht den Drang verspüren, als Kaiser völlig neue Kulte zu etablieren. „Aber hat nicht auch Constantin genau das getan, indem er das Chris110
tentum zur Staatsreligion gemacht hat?“ – Eine beliebte Frage, die Ihnen vielleicht sogar als Fangfrage im Bewerbungsgespräch gestellt wird. Die Antwort lautet nämlich: Nein, hat er nicht. Constantin hat lediglich eine Duldung des Christentums neben den älteren Kulten ausgesprochen, dadurch wurde keine neue „Staatsreligion“ etabliert. Sein Vorgehen war auch insofern konservativ, als er damit nur das bestehende Toleranzedikt seines Vorgängers Galerius aus dem Jahr 311 n. Chr. noch einmal bekräftigt hat. Als Negativbeispiel mit hoffentlich abschreckender Wirkung sollten Ihnen die Erfahrungen eines anderen Kaisers dienen: Fallbeispiel: Der syrische Gott Elagabal in Rom Kaiser „Elagabal“ (eigentlich Marcus Aurelius Antoninus) versuchte 218 n. Chr. in jugendlichem Überschwang, seinen heimatlichen Gott Elagabal als neuen Hauptgott in Rom zu installieren und gleichzeitig das Kaisertum in eine Art orientalisches Priesterkönigtum umzuwandeln. Diese Maßnahme stieß auf äußerst wenig Gegenliebe, obwohl der Kaiser sogar eine spezielle PR-Strategie einsetzte: Bereits während der Anreise nach Rom hatte er ein Bild von sich vorausgeschickt, das ihn im exotischen Priesterornat zeigte. Der erhoffte Akzeptanzeffekt blieb aus, mit nur 18 Jahren wurde er schließlich auf der Latrine erschlagen. Sein neuer Kult wurde sofort eingestellt, einziger langfristiger Effekt des Experimentes ist, dass dieser glücklose Kaiser selber bis heute mit dem Namen seines Gottes als Elagabal bezeichnet wird. Ein verwandtes Feld, auf dem Sie sich ebenfalls von Exzessen fernhalten sollten, ist die Astrologie. In Maßen ist die Beschäftigung mit dem Einfluss der Gestirne für einen Kaiser durchaus akzeptabel. Nero hatte im großen Speisezimmer seines neuen Palastes (Domus Aurea, vgl. Kapitel 4) eine rotierende Decke einbauen lassen, die den Lauf der Himmelskörper wiedergab. Auch Hadrian steht im Ruf, großes Interesse an der Astrologie gehabt zu haben, und ein ähnliches Planetarium, das ebenfalls astrologischen Zwecken diente, befand sich vermutlich in der Kuppel des sogenannten „Teatro Marittimo“ in seiner 111
großen Villenanlage in Tibur. Sie sollten als Kaiser jedoch den Eindruck sklavischer Abhängigkeit von Ihren astrologischen Beratern vermeiden. Tiberius beispielsweise war ständig von seinem Astrologen Thrasyllus umgeben, was keinen guten Eindruck machte, insbesondere weil dessen Voraussagen erwiesenermaßen eine niedrige Trefferquote hatten. Praxistipp: Astrologie im Bewerbungsverfahren? Bewerber, deren Auswahlverfahren noch offen ist, stehen häufig unter einer gewissen Anspannung und würden gerne wissen, ob sie denn nun den Job bekommen werden oder nicht. – Das ist sicher verständlich, aber Sie sollten sich trotzdem auf keinen Fall mit Astrologie einlassen, bevor Sie den Posten des Kaisers angetreten haben! Wenn Sie das Horoskop des noch amtierenden Herrschers stellen lassen – was auf die Frage hinausläuft, wann er denn endlich stirbt –, wird Ihnen das als Hochverrat angekreidet werden. Auch Fragen nach Ihren eigenen Chancen auf das Amt, und seien sie noch so geschickt verklausuliert, können in gleicher Weise ausgelegt werden: Unter Tiberius wurde Scribonius Libo wegen Verschwörung gegen die Staatsführung angeklagt; er hatte unter anderem von seinem Astrologen wissen wollen, ob er „genug Geld haben würde, um die ganze Via Appia mit Münzen zu pflastern“. Völlig indiskutabel für einen Princeps ist die Beschäftigung mit Magie. Das Praktizieren von Nekromantie, also Totenbeschwörung, gilt als typisches Kennzeichen des „schlechten“ und „wahnsinnigen“ Kaisers. Eine Kosten-Nutzen-Analyse ergibt zudem, dass die tatsächliche Performance der Totengeister in der Regel erheblich hinter den Erwartungen zurückbleibt, die von geschäftstüchtigen Magiern geweckt werden, während umgekehrt der potenzielle Imageschaden für Sie als Herrscher enorm wäre: Wenn durchsickert, dass Sie Zuflucht zu magischen Mitteln genommen haben, kann daraus nur geschlussfolgert werden, dass Sie selbst offensichtlich überzeugt sind, die Gunst der Götter verloren zu haben. Deutlicher kann man eine Einladung zur Usurpation gar nicht formulieren (vgl. Kapitel 2)! 112
Fallbeispiel: Nero und der Geist Agrippinas Ein Kaiser, der sich ausführlich mit Magie und Totenbeschwörung eingelassen hat, ist Nero. Suetonius berichtet darüber; auch Plinius diskutiert den Fall ausführlich in Buch 30 seiner Naturgeschichte: Er kolportiert, dass Nero an der Magie sogar noch mehr Interesse als am Lyraspiel gehabt habe! Insbesondere versuchte er, den Totengeist seiner ermordeten Mutter zu besänftigen (vgl. Kapitel 7); letztlich musste er jedoch feststellen, dass all diese Bemühungen vollkommen fruchtlos waren. Nach so vielen Warnungen und Mahnungen ist es an der Zeit, auch einige positive Empfehlungen auszusprechen. Hinreichend würdevoll, und damit als kaiserliches Hobby gut geeignet, ist zum Beispiel die Beschäftigung mit Geschichtsschreibung oder Philosophie (vgl. auch Kapitel 1 zu Fragen der Bildung). Der größte Philosoph unter Ihren Vorgängern war sicher Marcus Aurelius, der mit seinen „Selbstbetrachtungen“ in der Tradition stoischer Philosophie einen echten Klassiker hinterlassen hat. Darin findet sich zum Beispiel die Aufforderung: „Treib es nicht, als wenn du tausend Jahre zu leben hättest! Dein Schicksal hängt schon über dir. Solange du lebst, solange du noch die Möglichkeit hast, werde gut!“ (Marcus Aurelius, Selbstbetrachtungen 4.17; Übers. W. Capelle). Neben der Einsicht in zeitlose Wahrheiten hat die Philosophie auch noch einen positiven Nebeneffekt, der für einen Herrscher durchaus wertvoll sein kann: Marcus Aurelius schätzte sie auch als Gegengift zum Pomp der kaiserlichen Hofhaltung, zum Ehrgeiz, der Eitelkeit und der Kleingeisterei seiner Höflinge. Wenn Ihnen dies zu trocken erscheint, und Sie vielleicht mehr die körperliche Betätigung schätzen, dann empfehlen wir die Jagd (venatio) als Alternative. Sie ist die perfekte Verkörperung von virtus (Mannhaftigkeit), einer urrömischen Tugend, die von jedem Princeps in der Tat erwartet wird. Seit Traian ist die Jagd eine beliebte Freizeitbeschäft igung für Kaiser; sein Nachfolger Hadrian war mit so viel Eifer bei der Sache, dass sogar ein eigenständiger Posten mit der Verantwortung für die kaiserlichen Jagdgewänder (a veste venatoria) geschaffen werden musste. Verwandte Hobbys, die körperlich etwas 113
weniger fordern und dennoch ebenfalls akzeptabel sind, bilden Fischzucht und Fischfang. Gerade Kaiser in etwas vorgerücktem Lebensalter, die sich der direkten Konfrontation mit Löwen, Bären oder Elefanten eventuell nicht mehr gewachsen fühlen, können im Angelsport einen (fast) gleichwertigen Ersatz finden. Doch wenn wir am Schluss dieses Kapitels eine Empfehlung geben sollten, welches Hobby denn nun das beste ist für einen Kaiser, dann fällt unsere Wahl ganz eindeutig auf die Beschäft igung mit der Architektur. Sie kann, wenn das Wortspiel gestattet ist, geradezu als Königsdisziplin unter den kaiserlichen Zeitvertreiben gelten. Kein anderes Hobby vereint in so idealer Weise kurz- und langfristige Effekte: Langfristig können Sie sich durch Ihre Monumente unsterblichen Ruhm erwerben, und Ihre Bauten stehen vermutlich noch in Jahrhunderten (vorausgesetzt, Sie haben nicht aus Kostengründen minderwertigen Beton verwenden lassen). Damit können Sie auch für zukünftige Generationen Präsenz zeigen, und zwar, und das ist das Bemerkenswerte daran, unabhängig von den eventuell sehr missgünstigen Aufzeichnungen der Historiker Ihrer eigenen Zeit. Gleichzeitig können Sie aber auch mit Architektur bei Ihren Zeitgenossen positive Effekte erzielen: Große Bauprojekte schaffen Arbeitsplätze und kurbeln die Wirtschaft an. Das gilt grundsätzlich für alle Bauten, aber wir empfehlen hier insbesondere Investitionen in Gebäude mit öffentlicher Nutzung, weil Sie so zudem Ihre Großzügigkeit gegenüber dem Volk demonstrieren können (wie Sie vielleicht in Kapitel 4 gesehen haben, ist das Imperium ohnehin schon recht gut mit Palästen zur Nutzung durch den Kaiser selbst ausgestattet). An Bauprojekten, die der Allgemeinheit zugute kommen, haben Ihre Vorgänger speziell folgende gefördert: Bauvorhaben mit erkennbarem Mäzenatentum – Verkehrsinfrastruktur: Straßen, Brücken, Tunnel, Häfen. – Vergnügungsstätten: Zirkusbauten, Amphitheater, Thermen. – Bauten für kulturelle Zwecke: Theater, Tempel, Bibliotheken. – Sonstige öffentliche Bauten: Basiliken, Markthallen, Foren, Wasserleitungen, Getreidespeicher. 114
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Einige Tipps zum Schluss: So überzeugen Sie mit der optimalen Bewerbungsmappe Material
Für Ihre Bewerbungsunterlagen verwenden Sie ausschließlich Papyrus oder Pergament feinster Qualität. Und zwar neue, noch unbeschriebene Bögen: Sparsamkeit ist eine wichtige Tugend für römische Kaiser, trotzdem punkten Sie nicht beim Senat, wenn sich auf der Rückseite Ihrer Bewerbungsunterlagen die Abrechnungen Ihres Hausverwalters oder des Gemüsehändlers finden. Von allen anderen Beschreibmaterialien ist dringend abzuraten. Gravierte Bronzetafeln etwa würden Ihnen sofort als zu extravagant angekreidet, und ebenso verbietet es sich, den Text in Marmor zu meißeln. Wer meint, Marmortafeln dienten bei den Römern für den alltäglichen Schrift verkehr, verrät damit jedem Personaler sofort, dass er seine Romkenntnisse ausschließlich aus Asterixbänden gewonnen hat – keine gute Voraussetzung, um an die Spitze des Imperiums zu gelangen. Und so, wie von zu extravaganten Alternativen zu Papyrus oder Pergament abzuraten ist, so muss ebenso vor zu schäbigen Materialien gewarnt werden: Beschriftete Tonscherben sind zum Beispiel vollkommen tabu – das Recycling gebrauchter Amphoren ist grundsätzlich löblich, aber wer hier knausert, spart eindeutig an der falschen Stelle. Indiskutabel sind ebenso Bleifolien mit eingeritztem Text – die Assoziation zu Fluchtäfelchen mit eingeritzten Zaubersprüchen muss sich dem Senat geradezu aufdrängen. Eigentlich sollte es sich mittlerweile bei allen Bewerbern herumgesprochen haben: Solche Bewerbungsmappen landen ungelesen im Papierkorb! 117
Schrift Verwenden Sie eine ruhige, würdevolle Schrift, die sich an der Capitalis Quadrata orientiert, wie sie für monumentale Inschriften an öffentlichen Gebäuden üblich ist. Ihr Textverarbeitungssystem stellt mit Sicherheit eine Reihe von halbwegs geeigneten Schriften zur Verfügung, etwa Times Roman oder Garamond. VERWENDEN SIE AUSSCHLIESSLICH GROSSBUCHSTABEN, Kleinbuchstaben sind im Römischen Reich unbekannt! ABSTAENDE ZWISCHEN DEN WOERTERN MUESSEN NICHT UNBEDINGT SEIN, SINDABER EINEENOR MEHILFEBEIDER LEKTUER EU NDDESHALBSICHERNICHTVERKEHRT. Dringend abgeraten wird von allen Effektschriften oder Schriften, die auf irgendeine Weise besonders lässig oder „cool“ wirken sollen:
Lebenslauf Tabellieren Sie Ihre Ämter in chronologischer Reihenfolge, sowohl die eigentlichen Magistraturen des Cursus Honorum als auch die übrigen Ämter wie etwa die Tätigkeit in der Zwanzigmännerkommission, die sich als typische Karrierestationen von Senatoren herausgebildet haben (siehe auch Kapitel 2). Ob Sie dabei mit den frühesten oder den spätesten Karrierestationen beginnen, bleibt Ihnen überlassen. In jedem Fall sollten Sie einige Sorgfalt auf die Datierung verwenden: Jahresangaben „nach Christus“ wären ein Fauxpas! Wenn Sie tatsächlich eine fortlaufende Jahreszählung bevorzugen, dann müssen Sie auf das varronische System der Zählung ab urbe condita zurückgreifen, also in Jahren seit der Gründung der Stadt Rom. Sehr viel umständlicher, aber in den Augen Ihres zukünftigen Arbeitgebers auch weitaus passender ist die Jahresangabe nach den eponymen Consuln, also 118
dem Consulpaar, das dem betreffenden Jahr den Namen gibt. Also zum Beispiel: – 763 AUC = Unter den Consuln P. Cornelius Dolabella und C. Iunius Silanus (= 10 n. Chr. – hier nur zur Orientierung!) – 764 AUC = Unter den Consuln M. Aemilius Lepidus und T. Statilius Taurus (= 11 n. Chr.) Falls Sie die Namen nicht ohnehin im Kopf haben, empfehlen wir die Konsultation der fasti consulares, der Liste mit den ehemaligen Amtsinhabern. Aus Sicht vieler Bewerber ist der Lebenslauf der heikelste Punkt der ganzen Bewerbungsmappe, insbesondere wenn militärische Kampferfahrung oder andere Essentials der Stellenbeschreibung fehlen. Hier gilt grundsätzlich: Versuchen Sie solche Schwachpunkte zu überspielen, es kommt vor allem darauf an, die eigenen Stärken gezielt hervorzuheben! Fallbeispiel: Die Performance Traians während der Saturninus-Revolte Traian wurde 98 n. Chr. Kaiser trotz eines ernsten Handicaps, denn er hatte zu diesem Zeitpunkt noch keinen einzigen Feldzug eigenverantwortlich geführt und erst recht keine Schlacht geschlagen. Seine Bewerbungsunterlagen sind nicht erhalten, aber eine Lobrede seines Freundes Plinius (Panegyrikus, 100 n. Chr.) gibt einen Einblick, wie sich dieses Problem durch eine gezielte Kommunikationsstrategie überspielen ließ. Traian hatte nämlich seinerzeit eine Legion von Spanien bis nach Germanien geführt, um an der Niederschlagung des Saturninus-Aufstandes von 89 n. Chr. mitzuwirken, und diesen Aspekt stellt Plinius geschickt in den Fokus. Nun galt der damals noch regierende Domitian als ausgesprochen schlechter Kaiser, nach dieser Logik war der Statthalter Saturninus eigentlich im Recht und Traian wiederum, der gegen Saturninus kämpfen wollte, stünde dadurch in einem eher ungünstigen Licht. 119
Doch indem Plinius den Zuhörern politisch-moralische Haarspaltereien erspart, kann er sich auf seine Message konzentrieren: die unerhörte Anstrengung des Marsches und die übermenschliche, fast göttliche Geschwindigkeit, mit der Traian seine Truppen den weiten Weg marschieren lässt. Gut, man könnte einwenden, die Straßen und Brücken auf dem Weg waren eigentlich in exzellentem Zustand, ganz zu schweigen davon, dass Traian trotzdem erst am Ort des Geschehens eintraf, als andere die Revolte schon längst niedergeschlagen hatten. Aber getreu der Leitlinie „Stärken herausstellen!“ hält Plinius sich nicht mit Nebenaspekten auf, sondern macht den Marsch an sich zum zentralen Feature seiner Präsentation.
Statue Damit sich Ihr zukünft iger Arbeitgeber ein Bild von Ihnen machen kann, sollten Sie Ihrer Bewerbung eine Statue von hoher künstlerischer Qualität beifügen. Denn auch in diesem Fall gilt: Wer hier spart, spart an der falschen Stelle! Beauftragen Sie unbedingt eine renommierte Werkstatt aus Rom, Rhodos oder Athen. Insbesondere der komplizierte Faltenwurf einer Toga bringt drittklassige Provinzkünstler sehr schnell an die Grenzen ihres Könnens: Sie wollen schließlich als würdevoller Togaträger dastehen – und nicht wie jemand aussehen, der gerade in einen Rübensack steigt. Das Stichwort Toga deutet auch schon an, welcher Statuentypus zu bevorzugen ist, denn das in Kapitel 5 über den Dresscode Gesagte gilt sinngemäß auch hier. Nur der zivil wirkende Typus des togatus garantiert wohlwollende Betrachtung durch den Senat. Viele Bewerber wählen leider Nacktdarstellungen, weil sie sich dadurch optimale Aufmerksamkeit versprechen. Fragt sich nur, ob diese Aufmerksamkeit in die gewünschte Richtung geht: Die überdeutliche Anspielung auf göttlichen oder zumindest halbgöttlichen Status wirkt unweigerlich als Provokation. Und das gilt genauso für Panzerstatuen, mit denen Sie Ihre Qualitäten als Feldherr herausstellen. Finger weg davon! 120
Nachwort des Herausgebers
Man darf durchaus von einer kleinen Sensation sprechen: Der einzige aus der Antike überlieferte Bewerbungsratgeber für angehende römische Kaiser liegt mit diesem Buch erstmals in einer deutschen Übersetzung vor und wird dadurch einem größeren Lesepublikum zugänglich. Erhalten ist das unter dem Namen Berufsziel: Römischer Kaiser (in der Fachwelt meist abgekürzt als BRK) publizierte Werk nur in einer Abschrift aus dem Mittelalter, vom antiken Original gibt es keine Spur und der Autor ist unbekannt. Immerhin kann man erschließen, dass der Text offensichtlich vollständig ist, jedenfalls stimmen das Inhaltsverzeichnis und die erhaltenen Kapitel überein. Die mittelalterliche Kopie hat eine bewegte Geschichte: Sie stammt vermutlich aus einer Benediktinerabtei irgendwo am nordwestlichen Ausläufer des Apennins, also im Raum Piemont-Ligurien, und gelangte später, unter nicht geklärten Umständen, in die Klosterbibliothek des Stifts Melk in Österreich. Heute befindet sich das Manuskript im Besitz eines privaten Sammlers, der anonym bleiben möchte, der aber großzügigerweise Zugang gewährt und so die vorliegende Übersetzung möglich gemacht hat. Leitlinie bei der Übertragung ins Deutsche war vor allem die gute Verständlichkeit für Leser des einundzwanzigsten Jahrhunderts, auch solche ohne größere Vorkenntnisse. Geografische Namen wurden daher in der Regel modernisiert oder mit ihren heutigen Äquivalenten ergänzt, und Zeitangaben erfolgen im vertrauten System der christlichen Zeitrechnung, das bei den Römern nicht gebräuchlich war. (Der Text des BRK geht in Kapitel 9 übrigens selbst kurz auf den Punkt Zeitangaben ein.) 121
Wie der antike Originaltitel und der Autor sind auch Ort und Zeit der Abfassung des BRK unbekannt. Eine Eingrenzung ist trotzdem möglich: Alle inhaltlichen Einzelheiten wie Fallbeispiele oder Einträge in der Kaiserliste enden mit der Zeit von Constantin d. Gr., sodass eine Abfassung zu seinen Lebzeiten oder kurz danach wahrscheinlich ist, also grob gesagt in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts. Allerdings sind im BRK auch viele Angaben zu früheren Abschnitten der römischen Geschichte zu finden, insbesondere die Begründung des Kaisertums durch Augustus nimmt einen recht breiten Raum ein. Diese Kompositionsmethode ist keineswegs unüblich für spätantike Texte. Nehmen wir die Notitia Dignitatum, frei übersetzt Auflistung der Ämter. Das spätrömische Staatshandbuch listet die höchsten Posten in Armee und Verwaltung auf. Einige Gelehrte haben davor gewarnt, die aufgeführten administrativen und militärischen Strukturen in allen Punkten für bare Münze zu nehmen, wobei das wichtigste Problem jedoch die zeitliche Einordnung des Materials ist. Denn für die Notitia Dignitatum gibt es keinen definierten Stichtag, sondern unterschiedliche redaktionelle Schichten: Die geschilderten Verhältnisse in der Westhälfte des Reiches beziehen sich ungefähr auf das Jahr 425 n. Chr., die im Osten auf einen Zeitpunkt mindestens ein Vierteljahrhundert früher. Noch ausgeprägter ist die zeitliche Diskrepanz bei der sogenannten Tabula Peutingeriana, der mittelalterlichen Kopie (gegen 1300) einer antiken Karte, die das römische Straßennetz zeigt. Genau wie beim BRK sind Name, Urheber, Zeit und Ort der Entstehung des antiken Originals nicht bekannt. Da aber Konstantinopel und spätantike christliche Pilgerstätten eingetragen sind, ist eine Endredaktion im vierten Jahrhundert anzunehmen – was jedoch den Verfasser nicht gehindert hat, zum Beispiel auch Pompeji in das römische Straßennetz einzutragen, obwohl die Stadt zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahrhunderten unter der Asche des Vesuvs verschwunden war. Ähnlich unbekümmert ist der spätrömische Militärtheoretiker Vegetius bei der Abfassung seiner Abhandlung Über das Kriegswesen (De Re Militari) vorgegangen. Schon die Frage, wann er selbst gelebt 122
und geschrieben hat, ist umstritten: Im Angebot ist ein Datum um 383 n. Chr., aber 450 n. Chr. ist ebenso denkbar. Was jedoch mehr als einen modernen Militärhistoriker zur Verzweiflung getrieben hat, ist vor allem sein Umgang mit den Quellen aus ganz unterschiedlichen Epochen, bis zurück in die frühe Kaiserzeit und die Republik. Vegetius hat aus den verschiedenen Vorlagen die detaillierte Beschreibung einer antiqua legio destilliert, die er seinen Zeitgenossen für Militärreformen als Vorbild empfiehlt – aber in welches Jahrhundert diese „alte Legion“ gehörte, bleibt leider offen. Diese Beispiele sollten deutlich gemacht haben, dass die gewisse zeitliche Unschärfe im BRK also geradezu typisch für derartige spätantike Dokumente ist – und als weiterer Beleg dafür zu gelten hat, dass es sich beim BRK um einen authentischen Text handelt und nicht um eine moderne Fälschung, wie einige Spötter behaupten! Der anonyme Autor des BRK hat sich übrigens bemüht, anders als etwa Vegetius, für den Leser halbwegs deutlich zu machen, von welcher Zeit jeweils die Rede ist: Hinweise wie etwa „Augustus, der erste Kaiser“ verweisen auf die frühe Kaiserzeit, während dort, wo von „Erweiterungen aus jüngerer Zeit“ gesprochen wird, auf Verhältnisse der constantinischen Epoche Bezug genommen wird. Für den modernen Leser ist dies kein Schaden, im Gegenteil: Es bietet sich ihm so ein Überblick über gewisse Entwicklungstendenzen in den ersten dreieinhalb Jahrhunderten kaiserlicher Herrschaft. Dies fügt sich hervorragend zu aktuellen Trends in der historischen Forschung, die stärker als früher die Kontinuitäten in diesem Zeitraum betonen. Die ältere Vorstellung, wonach das von Augustus begründete Regierungssystem (Principat) unter Diocletian von einer völlig anderen und neuartigen Herrschaftsform, dem Dominat, abgelöst wurde, gilt mittlerweile als überholt. Ebenso aufgegeben wurde die Vorstellung, dass Diocletian auch im militärischen Bereich schlagartig neue Organisationsformen geschaffen habe. Auf politischem wie militärischem Gebiet zeichnet sich vielmehr eine allmähliche Evolution der spätrömischen Strukturen ab, die lange vor Diocletian im dritten Jahrhundert beginnt und (mindestens) bis in die Zeit Constantins reicht. 123
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Autor des BRK insbesondere einen Punkt mehrfach herausstellt, der auch aus moderner Perspektive eine Konstante des römischen Kaisertums darstellt – und zwar weit über die hier behandelte Epoche hinaus, bis zum Ende des „byzantinischen“ Reiches (das sich selbst immer als römisch begriffen hat): Gemeint ist die Tatsache, dass über anderthalb Jahrtausende am Gedanken der Souveränität des Volkes festgehalten wurde, wonach der Kaiser nur ein Bevollmächtigter, aber eben nicht der Eigentümer des Staates war. Ausgesprochen modern wirkt es also, dass der Kaiser dem Leistungsprinzip unterworfen war – auch wenn die meisten Führungskräfte heutzutage die Methode des Wechsels an der Spitze mittels Mord und Totschlag vermutlich ablehnen dürften.
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Liste der römischen Kaiser von Augustus bis Constantin
Der „bürgerliche Name“ ist jener, der vor dem Herrschaftsantritt bzw. vor der Adoption durch den Vorgänger getragen wurde. Die geläufige Kurzform der Kaisernamen ist fett gedruckt, Spitznamen / inoffizielle Namen sind dabei in runde Klammern gesetzt. Variierende Namensbestandteile in eckigen Klammern; weitere Zusätze zur vollständigen Titulatur wie die Zählung der Consulate, PontifexTitel, Pater Patriae, später angenommene Siegerbeinamen usw. sind weggelassen. „DI“ steht für den Herrschaftsbeginn (dies imperii); gemeint ist hier der reale Herrschaftsantritt, auch wenn vorher schon nominell Mitregentschaft bestand; „Abd.“ für Abdankung. Alle Daten ab Nero sind als „n. Chr.“ aufzulösen. Usurpatoren, sogenannte Gegenkaiser und Sonderreiche sind nicht aufgeführt (zu den Finessen der Unterscheidung von legitimen Kaisern und Usurpatoren vgl. Kapitel 2). Persönliche Daten von Kaisern sind ab der Soldatenkaiserzeit zum Teil nur unsicher / unvollständig bekannt. „Imp.“ = Imperator, „Caes.“ = Caesar, „Aug.“ = Augustus, „P. F.“ = Pius Felix, „P. F. I.“ = Pius Felix Invictus.
Bürgerlicher Name
Herrschertitulatur
Daten
Iulisch-Claudische Dynastie Gaius Octavius (= Gaius Iulius Caesar Octavianus ab 44 v. Chr.; Octavianus nicht verw.)
Imp. Caes. Divi fi lius Augustus
* 63 v. Chr. – DI 27 v. Chr. – † 14 n. Chr.
125
Bürgerlicher Name
Herrschertitulatur
Daten
Tiberius Claudius Nero
Tiberius Caes. Aug.
Gaius Caesar Germanicus
Gaius Caes. Aug. Germanicus (Caligula)
Tiberius Claudius Nero Germanicus
Tiberius Claudius Caes. Aug. Germanicus
Lucius Domitius Ahenobarbus
Nero Claudius Caes. Aug. Germanicus
* 42 v. Chr. – DI 14 n. Chr. – † 37 n. Chr. * 12 n. Chr. – DI 37 n. Chr. – † 41 n. Chr. * 10 v. Chr. – DI 41 n. Chr. – † 54 n. Chr. * 37 – DI 54 – † 68
Erstes Vierkaiserjahr Servius Sulpicius Galba (= Lucius Livius Ocella Sulpicius Galba) Marcus Salvius Otho Aulus Vitellius
Servius [Sulpicius] Galba Imp. Caes. Aug.
* 3 v. Chr. – DI 68 – † 69
Imp. Marcus Otho Caesar Aug. Aulus Vitellius Germanicus Imp. Aug.
* 32 – DI 69 – † 69 * 12/15? – DI 69 – † 69
Flavier Titus Flavius Vespasianus Titus Flavius Vespasianus Titus Flavius Domitianus
Imp. Caes. Vespasianus Aug. Imp. Titus Caesar Vespasianus Aug. Imp. Caes. Domitianus Aug.
* 9 – DI 69 – † 79 * 39 – DI 79 – † 81 * 51 – DI 81 – † 96
Adoptivkaiser und Antonine Marcus Cocceius Nerva
Imp. Nerva Caes. Aug.
Marcus Ulpius Traianus
Imp. Caes. Nerva Traianus Aug. Germanicus Imp. Caes. Traianus Hadrianus Aug.
Publius Aelius Hadrianus
126
* 30 – DI 96 – † 98 * 53 – DI 98 – † 117 * 76 – DI 117 – † 138
Bürgerlicher Name
Herrschertitulatur
Titus Aurelius Fulvus Boionius Arrius Antoninus
Imp. Caes. Titus Aelius Hadrianus Antoninus Aug. Pius Marcus Annius Verus Imp. Caes. Marcus Aurelius Antoninus Aug. Lucius Ceionius Commodus Imp. Caes. Lucius Aurelius Verus Aug. Lucius Aurelius Commodus Imp. Caes. [Lucius / ab 180: Marcus] Aurelius Commodus Antoninus Aug.
Daten * 86 – DI 138 – † 161 * 121 – DI 161 – † 180 * 130 – DI 161 – † 169 * 161 – DI 180 – † 192
Zweites Vierkaiserjahr Publius Helvius Pertinax Marcus Didius Severus Iulianus
Imp. Caes. Publius Helvius Pertinax Aug. Imp. Caes. Marcus Didius Severus Iulianus Aug.
* 126 – DI 193 – † 193 * 137 – DI 193 – † 193
Severer Lucius Septimius Severus
Imp. Caes. Lucius Septimius Severus Pertinax Aug. Lucius Septimius Bassianus Imp. Caes. Marcus Aurelius Severus Antoninus Pius Aug. (Caracalla) Publius Septimius Geta Imp. Caes. Publius Septimius Geta Aug. Marcus Opellius Macrinus Imp. Caes. Marcus (gehört nicht zur Sever. Dyn.) Opellius Severus Macrinus P.F. Aug. Varius Avitus Imp. Caes. Marcus Aurelius Antoninus P.F.I. Aug. (Elagabal) Bassianus Alexianus Imp. Caes. Marcus Aurelius Severus Alexander P.F. Aug.
* 146 – DI 193 – † 211 * 188 – DI 211 – † 217
* 189 – DI 211 – † 211 * 165 – DI 217 – † 218 * 203 – DI 218 – † 222 * 208 – DI 222 – † 235
127
Bürgerlicher Name
Herrschertitulatur
Daten
Soldatenkaiser Gaius Iulius Verus Maximinus
Imp. Caes. Gaius Iulius Verus Maximinus P.F.I. Aug. (Maximinus Thrax) Marcus Antonius Gordianus Imp. Caes. MarcusAntonius Sempronius Gordianus Sempronius Romanus Romanus Africanus P.F. Aug. (Gordianus I.) Marcus Clodius Pupienus Imp. Caes. Marcus Clodius Maximus Pupienus Maximus Aug. Decimus Caelius Calvinus Imp. Caes. Decimus Balbinus Caelius Calvinus Balbinus P.F. Aug. Marcus Antonius Imp. Caes. Marcus Gordianus Antonius Gordianus P.F.I. Aug. (Gordianus III.) Marcus Iulius Philippus Imp. Caes. Marcus Iulius Philippus P.F.I. Aug. (Philippus Arabs) Gaius Messius Quintus Imp. Caes. Gaius Messius Traianus Decius Quintus Traianus Decius P.F.I. Aug. Gaius Vibius Trebonianus Imp. Caes. Gaius Vibius Gallus Trebonianus Gallus P.F.I. Aug. Marcus Aemilius Imp. Caes. M. Aemilius Aemilianus Aemilianus P.F.I. Aug. Publius Licinius Valerianus Imp. Caes. Publius Licinius Valerianus P.F.I. Aug. Publius Licinius Egnatius Imp. Caes. Publius Licinius Gallienus Egnatius Gallienus P.F.I. Aug. Marcus Aurelius Claudius Imp. Caes. Marcus Aurelius Claudius P.F.I. Aug. (Claudius II. Gothicus) Lucius Domitius Aurelianus Imp. Caes. Lucius Domitius Aurelianus P.F.I. Aug. 128
* ca. 173 – DI 235 – † 238 * ca. 158 – DI 238 – † 238
* ca. 164 – DI 238 – † 238 * ? – DI 238 – † 238 * 225 – DI 238 – † 244 * 204 – DI 244 – † 249 * 190 – DI 249 – † 251 * 206 – DI 251 – † 253 * ca. 207 – DI 253 – † 253 * ca. 200 – DI 253 – † 260 * 218 – DI 253 – † 268 * 214 – DI 268 – † 270 * 214 – DI 270 – † 275
Bürgerlicher Name
Herrschertitulatur
Daten
Marcus Claudius Tacitus
Imp. Caes. Marcus Claudius Tacitus P.F. [Invictus] Aug. Imp. Caes. Marcus Annius Florianus P.F. [Invictus] Aug. Imp. Caes. Marcus Aurelius Probus P.F.I. Aug. Imp. Caes. Marcus Aurelius Carus P.F.I. Aug. Imp. Caes. Marcus Aurelius Carinus P.F.I. Aug.
* ca. 200 – DI 275 – † 276
Marcus Annius Florianus
Marcus Aurelius Probus Equitius Marcus Aurelius Carus Marcus Aurelius Carinus
* ? – DI 276 – † 276 * 232 – DI 276 – † 282 * ca. 224 – DI 282 – † 283 * ? – DI 283 – † 285
Tetrarchie und Constantinische Dynastie Diocles
Maximianus
Imp. Caes. Gaius Aurelius Valerius Diocletianus P.F.I. Aug. Imp. Caes. Marcus Aurelius Valerius Maximianus P.F. Aug.
Iulius? Constantius Chlorus Imp. Caes. [Gaius oder Marcus] Flavius Valerius Constantius Aug. (Constantius I. Chlorus) Gaius Maximinus?
Severus
Marcus Valerius Maxentius
Imp. Caes. Galerius Valerius Maximianus P.F.I. Aug. Imp. Caes. Flavius Valerius Severus P.F. Aug. (Severus II.) Marcus Aurelius Valerius Maxentius P.F.I. Aug.
* ca. 240 – DI 284 – Abd. 305 – † 316 * ca. 250 – DI 286 – Abd. 305, erneute Herrschaft 306 – † 310 * ca. 250 – DI 305 – † 306
* ca. 250 – DI 305 – † 311 * ? – DI 306 – † 307 * ca. 280/287 – DI 306 – † 312
129
Bürgerlicher Name
Herrschertitulatur
Daten
Gaius Flavius Valerius Constantinus
Imp. Constantinus P.F.I. Aug. (Constantin der Grosse) Imp. Caes. Gaius Valerius Licinianus Licinius P.F.I. Aug. Imp. Caes. Galerius Valerius Maximinus P.F. (Maximinus Daia)
* 272? – DI 306 – † 337
Licinius
Maximinus Daia
130
* ca. 265 – DI 308 – † 325 * ? – DI 310 – † 313
Liste der Usurpatoren und Gegenkaiser bis zum Ende der Severer
Einige als fiktiv geltende Figuren wurden ausgelassen; da ab der Soldatenkaiserzeit die Verhältnisse sehr unübersichtlich werden, endet die Auflistung mit der Severischen Dynastie.
Wer? L. Arruntius Camillus Scribonianus C. Iulius Vindex L. Clodius Macer C. Nymphidius Sabinus Fonteius Capito Lucceius Albinus Iulius Sabinus Terentius Maximus L. Antonius Saturninus C. Avidius Cassius Maternus C. Pescennius Niger D. Clodius Albinus
Gegen welchen Kaiser?
Wann?
Wo?
Claudius
42 n. Chr.
Dalmatien
Nero Nero Galba
68 68 68
Gallien Nordafrika Rom
Galba Vitellius Vespasian Titus
68 69 70 79
Niedergermanien Nordafrika Gallien Kleinasien
Domitian
89
Obergermanien
Marcus Aurelius Commodus Septimius Severus
175 185–187 193–194
Syrien Gallien Syrien
Septimius Severus
195–197
Britannien
131
Wer?
Gegen welchen Kaiser?
Wann?
Wo?
Seleucus Gellius Maximus ? Verus L. Seius Sallustius Taurinus
Elagabal Elagabal Elagabal Severus Alexander Severus Alexander
221 219 219 227 231
Niedermoesien Syrien Syrien Rom Syrien
132
Literatur
Quellen Von den antiken Schriftstellern gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Ausgaben und Übersetzungen, die hier nicht alle aufgezählt werden können. Deshalb werden nur Autoren und Werktitel angegeben, und auch dies nur in einer kleinen Auswahl wichtiger Quellen: Anonymus („Scriptores Historiae Augustae“), Kaisergeschichte (Historia Augusta). Augustus, Meine Taten (Res Gestae Divi Augusti). Aurelius Victor, Die Kaiser (Caesares). Cassius Dio, Römische Geschichte (Historiá Rhomaiké). Herodianos, Geschichte des Kaisertums nach Mark Aurel (Tês metà Márkon basileías Historíai). Marcus Aurelius, Selbstbetrachtungen (Tôn eis heatòn bibliá). Plinius der Jüngere, Briefe (Epistulae). Plinius der Jüngere, Panegyricus. Seneca, Die Verkürbissung des Kaisers Claudius (Apocolocynthosis). Suetonius, Die römischen Kaiser (De vita XII Caesarum libri VIII). Tacitus, Agricola (De vita et moribus Iulii Agricolae). Tacitus, Annalen (Ab excessu divi Augusti). Tacitus, Historien (Historiae). Velleius Paterculus, Römische Geschichte (Historia Romana).
Moderne Literatur – Übersichtsdarstellungen Bowman A., Cameron A. und Garnsey P. (2005) The Cambridge Ancient History Vol. 12: The Crisis of Empire, AD 193– 337. Cambridge. 133
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Bildnachweis Alle Abbildungen vom Verfasser.
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Informationen Zum Buch Wie werde ich römischer Kaiser? Und was verdiene ich dabei? Darf ich mich als Gott verehren lassen? Wie steht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Stephan Berrys Bewerbungsratgeber für künftige Kaiser gibt mit viel Augenzwinkern Tipps und Tricks für jeden, der auf der Karriereleiter ganz nach oben möchte. Sein Buch beantwortet nicht nur Fragen rund um die Bewerbung, den Berufsalltag und die Karriereplanung, sondern zeichnet auch mithilfe von Fallbeispielen ein umfassendes Bild einer bedeutenden antiken Berufsgruppe. Und zeigt das Leben der Caesaren einmal anders: als ein Job, der auch nicht immer einfach ist, sich aber alles in allem lohnt – aber nur, wenn man schon bei den Gehaltsverhandlungen keinen Fehler macht!
Informationen Zum Autor Dr. Stephan Berry, Jahrgang 1967, lebt und arbei-tet als freier Wissenschaftsautor in Berlin. Zuletzt erschien von Ihm »Antike im Labor. Kleopatra, Ötzi und die modernen Naturwissenschaften« im Verlag Philipp von Zabern.