Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften: Ein Leitfaden für Berufstätige [1. Aufl.] 9783662619629, 9783662619636

Berufsbegleitende Promotion – Modelle, Vorgehensweise und viele praktische Tipps Dieses Fachbuch gibt (angehenden) ber

236 7 2MB

German Pages XIX, 148 [160] Year 2020

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Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIX
Einleitung (Dennis Kaiser)....Pages 1-10
Grundlegendes zur Promotion (Dennis Kaiser)....Pages 11-32
Überblick Promotionsarten (Dennis Kaiser)....Pages 33-48
Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion (Dennis Kaiser)....Pages 49-82
Ablauf einer Promotion (Dennis Kaiser)....Pages 83-115
Nach der Promotion (Dennis Kaiser)....Pages 117-127
Berufsbegleitende Promotionen aus Unternehmenssicht (Dennis Kaiser)....Pages 129-139
Zusammenfassung und Ausblick (Dennis Kaiser)....Pages 141-145
Back Matter ....Pages 147-148
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Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften: Ein Leitfaden für Berufstätige [1. Aufl.]
 9783662619629, 9783662619636

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Dennis Kaiser

Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften Ein Leitfaden für Berufstätige

Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften

Dennis Kaiser

Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschafts­ wissenschaften Ein Leitfaden für Berufstätige

Dennis Kaiser Berlin, Deutschland

ISBN 978-3-662-61962-9    ISBN 978-3-662-61963-6 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61963-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verar­beitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Für meine wunderbare Frau

Vorwort

Berufsbegleitende Promotion – Wie alles begann Wir befinden uns am Jahreswechsel 2014/2015. Gegen Ende meines Masterstudiums in Frankreich stand ich vor einer ähnlichen Frage, wie der, vor der Sie heute möglicherweise auch stehen: Soll ich promovieren oder lieber erst mal arbeiten? Ich hatte große Freude an der Masterarbeit und konnte mir daher vorstellen, weiterhin wissenschaftlich tätig zu werden. Allerdings wollte ich, trotz einiger Praktika, mein theoretisch erworbenes Wissen auch endlich zur Anwendung bringen und nicht noch länger Zeit (ausschließlich) an der Uni verbringen. Von einer berufsbegleitenden Promotion hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nie gehört. Zu meinem Glück entdeckte ich im Januar 2015 eine ausgeschriebene Stelle mit der Möglichkeit einer berufsbegleitenden Promotion in der Finanzbranche. Diese war als 50/50-Modell (50  % Consultant und 50  % Promotion in Wirtschaftsinformatik) ausgeschrieben. Dies entsprach genau meinen Vorstellungen, ohne dass ich diese vorher hätte konkret formulieren können, da ich nicht wusste, dass solche Modelle überhaupt möglich sind. Ich hätte mir damals schon gewünscht, nicht erst über den Zufall einer Ausschreibung von der Möglichkeit einer berufsbegleitenden Promotion zu erfahren. Zudem hätte ich gerne zur Vorbereitung auf eine so einzigartige Stellenausschreibung mehr Hintergrundinformationen gehabt: Was kann man sich genau darunter vorstellen? Wie wird ein solches Modell praktisch ausgestaltet? Nicht zuletzt hätte ich mir, bei einer Nichtberücksichtigung meiner Bewerbung, eine Möglichkeit gewünscht, eine berufsbegleitende Promotion mithilfe eines Buches wie diesem selbst proaktiv in die Hand nehmen zu können. Mit diesen Gedanken scheine ich nicht allein zu sein. Während meiner Promotionszeit und auch danach häuften sich Gespräche und Begegnungen, in welchen VII

VIII

Vorwort

ich mit wenigen Ausnahmen immer auf Erstaunen über das Modell der berufsbegleitenden Promotion gestoßen bin. Dabei hatten viele Gesprächspartnerinnen und -partner studiert, waren mit einem universitären Umfeld vertraut und erwogen selbst noch eine Promotion. Meine Erfahrungen am Ende des Studiums sowie das Interesse anderer Personen während meiner Promotionszeit zeigten, dass das Thema von größerem Interesse ist. Es regte sich daher bereits während der Promotion der erste Gedanke, die eigenen Erfahrungen nach Abschluss weiterzugeben und anderen diesen Weg erleichtern zu wollen. Am Ende meiner Promotion stellte sich jedoch die Frage, ob nicht mittlerweile bereits Literatur zu diesem Thema existierte. Wenn Sie schon mal in einem großen KulturKaufhaus in Berlin auf der Friedrichstraße im obersten Stockwerk waren, dann finden Sie ein ganzes Regal voll mit Literatur zu Promotionen und Doktorarbeiten, von den Onlineangeboten und -ratgebern ganz zu schweigen. Es stellte sich jedoch heraus, dass es zwar in der Tat viele Bücher zur Promotion und zum Promovieren gibt, jedoch kein einziges explizit zu berufsbegleitenden Promotionen. Meistens wird das Thema kurz abgehandelt, aber bei Weitem nicht ausführlich genug, um eine Hilfestellung bei einem berufsbegleitenden Promotionsvorhaben zu bieten. Insbesondere gibt es zu wenig praktische Hinweise, wie eine berufsbegleitende Promotion sinnvoll geplant, durchgeführt und abgeschlossen werden kann. So machte ich mich (ebenfalls berufsbegleitend) an die Arbeit. Herausgekommen ist eine Mischung aus eigenen Erfahrungen, Recherchetätigkeiten Praxisbeispielen, (bildungs-)politischen Diskussionen sowie Zufällen, die sich im Laufe des Schreibens ergeben haben. Anders als bei anderen Promovierenden, die aus ihrer Doktorarbeit noch ein populärwissenschaftliches Buch machen, handelt es sich dabei weniger um den Inhalt meiner Promotion (digitales Nudging), sondern die Art und Weise, wie die Arbeit entstanden ist (als berufsbegleitende Promotion). Mit den vorliegenden Seiten soll Ihnen als Leserin oder Leser ein informativer, aber auch unterhaltsamer und lesenswerter Einblick in das Thema und den Ablauf einer berufsbegleitenden Promotion gegeben werden. Ich wünsche mir vor allem, dass das Buch Ihnen bei Ihrem berufsbegleitenden Dissertationsprojekt hilft und einen Unterschied für Sie macht. Es soll Ihnen aber auch einen realistischen Blick vermitteln. Deshalb wird es mir auch nicht verwehrt bleiben, Ihnen an manchen Stellen des Buches von einer Promotion abzuraten, wenn gewisse Grundvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Am Ende des Buches sollen Sie für sich eine berufsbegleitende Promotion besser einschätzen und erfolgreich angehen können. Dazu möchte ich Ihnen hier noch einen kurzen Abriss meines persönlichen Werdegangs geben, damit Sie einschätzen können, von wem die Einblicke in diesem Buch stammen. Allem voran habe ich kürzlich eine mehrjährige, berufsbeg­

Vorwort

IX

leitende Promotion am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erfolgreich abgeschlossen. Dort lernte ich durch die Zeit am Lehrstuhl nicht nur das berufsbeg­ leitende Modell, sondern auch das viel häufigere Modell einer Promotion im Rahmen einer Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter aus nächster Nähe kennen. Ich kann Ihnen daher aus erster Hand von meinen gesammelten Erfahrungen berichten. Im Rahmen meiner Promotion habe ich auch andere berufsbegleitende Modelle und Promovierende kennengelernt, deren Geschichten in diesem Buch ebenfalls beispielhaft erzählt werden. Zudem habe ich während der Promotion den Arbeitgeber gewechselt, von einem Unternehmen in der Finanzbranche hin zu einem Bundesministerium. Ich kenne daher die berufsbegleitende Promotion mit zwei ganz verschiedenen Stellen und Branchen, wobei ich den weit überwiegenden Teil aus der Sicht im Unternehmen berichten werde. Außerdem wurde ich während des Studiums von einem der 13 großen Begabtenförderungswerke (s. Abschn. 3.3.2) gefördert und erlangte so Einblicke in die alternative Möglichkeit der Promotionsförderung. Eine Bewerbung auf ein Promotionsstipendium wäre auch mein Plan B gewesen, wenn es mit der oben beschriebenen Stelle nicht funktioniert hätte. Bis heute bin ich der Wissenschaft verbunden und reiche weiterhin (berufsbegleitend) Artikel bei Fachzeitschriften und Konferenzen ein. Im Grunde ist das Buch damit eine Verlängerung meiner berufsbegleitenden Promotionszeit: Begleitend zu meinem Beruf mussten der Stand der Literatur erarbeitet, Quellen recherchiert, einzelne Kapitel geschrieben und das Projekt in einem zeitlichen Rahmen abgeschlossen werden. Ich hoffe, dass das Buch bei Ihnen einen gleichermaßen bleibenden Eindruck hinterlässt, und wünsche Ihnen einen guten Entscheidungs- und Planungsprozess Ihrer berufsbegleitenden Promotion. Berlin April 2020

Dennis Kaiser

Danksagung

Auf dem Cover steht nur ein Autor, aber dieses Buch wäre ohne die Hilfe von zahlreichen Personen niemals entstanden. Allen voran danke ich meiner Frau, ebenfalls Dr. Kaiser, die mich in der Entstehung des Buches, von der Idee bis zum Druck, stets bekräftigt und unterstützt hat. Ohne Dich gäbe es dieses Buch jetzt nicht. Ferner bin ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Alexander Mädche vom Karlsruher Institut für Technologie zu großem Dank verpflichtet, da er mich die vielen Jahre der Promotion so gut betreut und damit überhaupt erst die Grundlage für dieses Buch geschaffen hat. Danke Dir für die wertvollen Hinweise. Bei dieser Betreuung hatten auch Dr. Silvia Schacht und PD Dr. Tobias Vogel einen großen Anteil, die mich nicht nur die Tiefen und Tücken des wissenschaftlichen Arbeitens gelehrt haben, sondern mir auch beigebracht haben, mir immer einen kritischen Blick auf die eigene Tätigkeit und Forschung zu erhalten. Danken möchte ich auch dem Unternehmen, welches mir diese berufsbegleitende Promotion ermöglicht hat. Der Dank gilt hier insbesondere den geschäftsführenden Partnern sowie meiner direkten Führungskraft. Ihr habt mir eine Kombination der beiden Welten immer möglich gemacht und auch auf neue Gegebenheiten flexibel reagiert. Danke Euch allen dafür. Zudem wäre dieses Buch in der jetzigen Form nicht ohne den Springer Gabler Verlag zum Leben erweckt worden. Insbesondere danke ich meiner Lektorin, Frau M. Teichmann, die für meine Anliegen und Fragen immer ein offenes Ohr und eine hilfreiche Antwort hatte und die nach Abgabe des Manuskripts für den letzten Schliff des Buches gesorgt hat. Mein Dank geht aber natürlich auch an das ganze Team, das „hinter den Kulissen“ den Druck, den Vertrieb und das Management des Buches organisiert hat.

XI

XII

Danksagung

Danke auch an meine geschätzte Kollegin Leonie, die sich bereit erklärt hat, das Buch in voller Gänze gegenzulesen und mir wertvolles Feedback gegeben hat, welches das Buch noch mal auf eine neue Ebene gehoben hat. Nicht zuletzt möchte ich noch meiner Familie danken, deren Beitrag zu diesem Buch ganz früh eingesetzt hat. Danke, dass Ihr mich bei meinen Plänen und Vorhaben immer unterstützt und gefördert habt.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung �������������������������������������������������������������������������������������������������  1 1.1 Der Traum der berufsbegleitenden Promotion���������������������������������  1 1.2 Die berufsbegleitende Promotion aus Unternehmensperspektive�����  6 1.3 Kapitelübersicht �������������������������������������������������������������������������������  8 Literatur ����������������������������������������������������������������������������������������������������� 10 2 Grundlegendes zur Promotion ��������������������������������������������������������������� 11 2.1 Überblick und Definition ����������������������������������������������������������������� 11 2.1.1 Promotion und Dr. ��������������������������������������������������������������� 11 2.1.2 Ph. D. und DBA������������������������������������������������������������������� 14 2.2 Zahlen zur Promotion����������������������������������������������������������������������� 16 2.2.1 Nationale Entwicklung��������������������������������������������������������� 16 2.2.2 Internationale Entwicklung ������������������������������������������������� 18 2.2.3 Anzahl und Dauer nach Fachrichtung (national)����������������� 20 2.2.4 Anteil von Promotionen nach Fachrichtung (international)����������������������������������������������������������������������� 22 2.2.5 Promotionsabbruch��������������������������������������������������������������� 23 2.3 Selbsttest Promotion������������������������������������������������������������������������� 25 2.3.1 Allgemeines zum Test ��������������������������������������������������������� 25 2.3.2 Testauswertung��������������������������������������������������������������������� 26 Literatur ����������������������������������������������������������������������������������������������������� 31 3 Überblick Promotionsarten��������������������������������������������������������������������� 33 3.1 Einführung ��������������������������������������������������������������������������������������� 33 3.2 Anstellung an einer Universität oder Fachhochschule��������������������� 35 3.2.1 Universität ��������������������������������������������������������������������������� 35 XIII

XIV

Inhaltsverzeichnis

3.2.2 Fachhochschule ������������������������������������������������������������������� 37 3.3 Promotion auf Stipendienbasis��������������������������������������������������������� 39 3.3.1 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)��������������������������� 39 3.3.2 Begabtenförderungswerke��������������������������������������������������� 40 3.3.3 Nachteile der Promotion auf Stipendienbasis ��������������������� 43 3.4 Berufsbegleitende Promotion����������������������������������������������������������� 44 3.5 Exkurs: Ehrendoktorwürde (Dr. h. c.)����������������������������������������������� 45 3.6 Exkurs: Mehrere Doktortitel������������������������������������������������������������� 45 Literatur ����������������������������������������������������������������������������������������������������� 47 4 Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion ����������������������������������� 49 4.1 Überblick������������������������������������������������������������������������������������������� 49 4.2 Das Blockmodell������������������������������������������������������������������������������� 50 4.2.1 Zeiträume des Blockmodells ����������������������������������������������� 52 4.2.2 Beispielhafte Woche im Blockmodell ��������������������������������� 53 4.2.3 Vor- und Nachteile des Blockmodells ��������������������������������� 55 4.2.4 Tipps zum effizienten Arbeiten im Blockmodell����������������� 57 4.3 Das Wochenmodell��������������������������������������������������������������������������� 58 4.4 Leave-Modell ����������������������������������������������������������������������������������� 61 4.4.1 Überblick ����������������������������������������������������������������������������� 61 4.4.2 Wertung des Leave-Modells������������������������������������������������� 64 4.4.3 Das Leave-Modell in Eigenregie����������������������������������������� 65 4.5 Die klassische Industriepromotion��������������������������������������������������� 66 4.5.1 Überblick und Unterschiede zu anderen Modellen ������������� 66 4.5.2 Ablauf����������������������������������������������������������������������������������� 68 4.5.3 Wertung von klassischen Industriepromotionen ����������������� 68 4.6 Die freie Promotion��������������������������������������������������������������������������� 69 4.7 Förderungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene��������������������������� 71 4.8 Kostenpflichtige Promotionsprogramme ����������������������������������������� 72 4.8.1 Überblick ����������������������������������������������������������������������������� 72 4.8.2 Wertung kostenpflichtiger Promotionsprogramme��������������� 73 4.9 Ausgewählte Praxisbeispiele������������������������������������������������������������� 74 4.9.1 Robert Bosch GmbH ����������������������������������������������������������� 75 4.9.2 SAP SE��������������������������������������������������������������������������������� 75 4.9.3 Duale Promotion in Lehramt an der Universität Bremen����� 76 4.10 Exkurs: Beispielrechnung Arbeitsstunden ��������������������������������������� 76 4.11 Wertung von berufsbegleitenden Promotionen��������������������������������� 79 Literatur ����������������������������������������������������������������������������������������������������� 81

Inhaltsverzeichnis

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5 Ablauf einer Promotion��������������������������������������������������������������������������� 83 5.1 Formen der Doktorarbeit������������������������������������������������������������������� 83 5.1.1 Die Monografie�������������������������������������������������������������������� 84 5.1.2 Die kumulative Promotion��������������������������������������������������� 84 5.1.3 Vor- und Nachteile der jeweiligen Formen��������������������������� 86 5.2 Ablauf im Überblick������������������������������������������������������������������������� 88 5.3 Vorbereitung auf die Promotion ������������������������������������������������������� 91 5.4 Bewerbung und Exposé��������������������������������������������������������������������� 92 5.5 Themenfindung��������������������������������������������������������������������������������� 93 5.6 Die systematische Literaturanalyse��������������������������������������������������� 95 5.7 Datenerhebung und Datenanalyse����������������������������������������������������� 97 5.7.1 Quantitative Datenerhebung������������������������������������������������� 97 5.7.2 Qualitative Datenerhebung��������������������������������������������������� 98 5.7.3 Verfahren der Datenanalyse������������������������������������������������� 99 5.7.4 Statistiksoftware�������������������������������������������������������������������100 5.8 Veröffentlichen – der (Peer-)Reviewprozess�������������������������������������100 5.8.1 Wissenschaftliche Konferenzen�������������������������������������������101 5.8.2 Veröffentlichungsprozess bei Konferenzbeiträgen���������������102 5.8.3 Veröffentlichungsprozess bei Journalpapers �����������������������103 5.8.4 Veröffentlichen aus Sicht der Reviewer�������������������������������108 5.8.5 Exkurs: Lange Publikationslisten erzeugen�������������������������109 5.9 Finalisierung der Doktorarbeit ���������������������������������������������������������110 5.10 Das Rigorosum���������������������������������������������������������������������������������113 Literatur �����������������������������������������������������������������������������������������������������114 6 Nach der Promotion���������������������������������������������������������������������������������117 6.1 Berufsmöglichkeiten�������������������������������������������������������������������������117 6.1.1 Überblick �����������������������������������������������������������������������������117 6.1.2 Wissenschaftliche Laufbahn�������������������������������������������������118 6.1.3 Fachhochschulprofessur�������������������������������������������������������120 6.1.4 Leitungsfunktion in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen���������������������������������������������������������������������������122 6.2 Gehalt und Karriere���������������������������������������������������������������������������122 6.3 Wertung���������������������������������������������������������������������������������������������125 Literatur �����������������������������������������������������������������������������������������������������126 7 Berufsbegleitende Promotionen aus Unternehmenssicht���������������������129 7.1 Gründe für Unternehmen �����������������������������������������������������������������129 7.2 Vertragliche Ausgestaltungsmöglichkeiten���������������������������������������131

XVI

Inhaltsverzeichnis

7.2.1 Gehalt�����������������������������������������������������������������������������������131 7.2.2 Rückzahlungspflichten���������������������������������������������������������134 7.2.3 Forschungsgelder�����������������������������������������������������������������134 7.2.4 Reisekosten���������������������������������������������������������������������������135 7.2.5 Beispiele Vertragsgestaltung������������������������������������������������136 7.3 Beispielhafte Ausschreibung�������������������������������������������������������������136 7.4 Behandlung von Forschungsergebnissen �����������������������������������������137 Literatur �����������������������������������������������������������������������������������������������������139 8 Zusammenfassung und Ausblick�������������������������������������������������������������141 8.1 Zusammenfassung�����������������������������������������������������������������������������141 8.2 Ausblick �������������������������������������������������������������������������������������������144 Stichwortverzeichnis�����������������������������������������������������������������������������������������147

Abkürzungsverzeichnis

AE Associate Editor BA Bundesagentur für Arbeit BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung BWL Betriebswirtschaftslehre COFUND Co-funding of regional, national and international programmes DBA Doctor of Business Administration DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft Dr. h.c. Doctor honoris causa Dr. des. Doctor designatus DZHW Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung FH Fachhochschule HRK Hochschulrektorenkonferenz KIT Karlsruher Institut für Technologie KMK Kultusministerkonferenz KMU Kleine und mittelständische Unternehmen MBA Master of Business Administration Ph.D. Philosophical Doctorate RISE Research and Innovation Staff Exchange VHB Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft VWL Volkswirtschaftslehre WissZeitVG Wissenschaftszeitvertragsgesetz WS Wintersemester

XVII

Über den Autor

Dr. Dennis Kaiser stammt gebürtig aus Hessen und hat selbst berufsbegleitend promoviert. Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und einem Master in Volkswirtschaftslehre und Finanzen in Paris arbeitete er als Consultant im Finanzwesen in Frankfurt und promovierte berufsbegleitend im Blockmodell am Institute of Information Systems and Marketing (IISM) des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Karls­ ruhe. Seit 2018 arbeitet Dennis Kaiser für ein Bundesministerium und lebt in Berlin.

XIX

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Einleitung Die berufsbegleitende Promotion aus Sicht von Promovierenden und Unternehmen

Zusammenfassung

Das erste Kapitel leitet aus der Sicht der Promovierenden das Thema der berufsbegleitenden Promotion ein. Dabei wird ein motivierendes, aber auch realistisches Bild gezeichnet, sowohl für diejenigen, die eine Promotion bisher verworfen haben, als auch für diejenigen, die in einer Promotion ein allzu leichtes Unterfangen sehen. Der zweite Abschnitt des Kapitels beleuchtet das Thema aus Unternehmensperspektive. Hier spielen vor allem die Attraktivität als Arbeitgeber und die Herausforderung, in einer sich ständig wandelnden Welt kontinuierlich das Geschäftsmodell anpassen zu müssen, eine Rolle. Zuletzt wird die Kapitelübersicht mit Kurzzusammenfassungen zu jedem nachfolgenden Kapitel präsentiert.

1.1

Der Traum der berufsbegleitenden Promotion

Viele Menschen träumen im Laufe ihres Lebens von einer Promotion. Der Doktortitel strahlt trotz diverser Plagiatsskandale weiterhin eine große Anziehungskraft aus und verspricht beruflichen Aufstieg. Auch monetär zahlt sich eine Promotion mit einem Gehaltsplus von rund 20 % aus (s. Abschn. 6.2). Insbesondere viele Absolventinnen und Absolventen und Young Professionals, die sich nach dem Hochschul-

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Kaiser, Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61963-6_1

1

2

1 Einleitung

studium für den Berufseinstieg in einem Unternehmen (und damit v­ ermeintlich gegen eine wissenschaftliche Karriere) entschieden haben, erwägen noch den Weg einer Promotion. Dies kann verschiedene Gründe haben: Entweder weil der Doktortitel bessere Karrierechancen bietet, oder weil die wissenschaftliche Freiheit und die intensive Beschäftigung mit einem selbst gewählten Thema eine willkommene Abwechslung zum Arbeitsalltag darstellen. Nicht selten stellte ich in persönlichen Gesprächen fest, dass der Gedanke an eine Promotion bei vielen eine unerfüllte Sehnsucht nach einer verpassten Chance oder einer nie genommenen beruflichen Abzweigung hervorruft. In jedem Fall handelt es sich beim Möchte-­ich-­nochpromovieren? um eine sehr persönliche und tief greifende Frage, die nicht mit einer normalen Berufs- oder Studienwahl vergleichbar ist. Oft werden die Überlegungen einer noch möglichen Promotion jedoch nicht weiterverfolgt, da eine Rückkehr an die Universität mit zahlreichen materiellen und immateriellen Einschränkungen verbunden ist: Man müsste für mehrere Jahre auf eine schlechter bezahlte Stelle wechseln, möglicherweise weg von einer sicheren, unbefristeten Anstellung, ohne dabei die Garantie zu haben, nach einer erfolgten Promotion auf ein vergleichbares oder höheres Level zu kommen. Zudem muss man möglicherweise noch umziehen, da der erhoffte Lehrstuhl selten zufällig in der gleichen Stadt ist, wie die aktuelle Tätigkeit. Außerdem liegt vielleicht auch die eigene Studienzeit schon ein paar Jahre zurück und man traut sich die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens oder der Statistik nicht mehr recht zu (analog zu einer Person, die auf dem zweiten Bildungsweg noch studieren möchte). Nicht zuletzt muss man sich auch auf eine neue Geisteshaltung einlassen, welche geprägt ist von Offenheit, Kreativität und Wissensdrang. Diese steht oft im Gegensatz zu vielen Berufsbildern mit klaren Strukturen, Aufgaben und Hierarchien. So bleibt der Traum der Promotion oft unerfüllt. Dabei gibt es Alternativen zu der klassischen Anstellung am Lehrstuhl und der Rückkehr auf einen studienähnlichen Lebensstandard. Es gibt jedoch auch die andere Seite: Nicht wenige Arbeitnehmende sind trotz zahlreicher Plagiatsfälle immer noch der Meinung, dass sich eine Promotion praktisch im Vorbeigehen abschließen lässt. Sie hören von kostenpflichtigen Angeboten privater Hochschulen oder lassen sich auf dubiose Ghostwriterangebote ein. Sie beginnen typischerweise, sich in ein Thema einzulesen, machen aufgrund anfangs niedriger Hürden zunächst schnell Fortschritte und haben nach kurzer Zeit des Schreibens bereits das Gefühl, einen vermeintlich großen Teil der Arbeit bereits absolviert zu haben. Gestützt wird diese Ansicht noch von privaten Anbietern externer Promotionsprogramme, die suggerieren, dass man eine Promotion praktisch vollständig neben der täglichen Arbeit absolvieren kann. Dies ist oft ein Trugschluss, insbesondere wenn die Einbindung in den akademischen Betrieb und die hilfreichen Momente des regelmäßigen Feedbacks fehlen. In der Folge reduzieren die Arbeitnehmende ihre Arbeitszeit nicht, merken jedoch spätestens beim ­Austausch mit den Doktoreltern, dass die Forschungslücke bereits gedeckt ist, dass sie metho-

1.1  Der Traum der berufsbegleitenden Promotion

3

dische Fehler gemacht haben oder dass sie viel zu früh mit dem Schreiben begonnen haben, ohne eine klare Struktur entwickelt zu haben. Die wissenschaftlichen Standards oder der wissenschaftliche Beitrag werden möglicherweise bei dieser Vorgehensweise vernachlässigt und die Arbeit ist anfällig für Fehler aller Art. Dadurch entsteht Enttäuschung auf allen Seiten: beim Promovierenden, bei dessen privatem und beruflichem Umfeld sowie den Doktoreltern. Ich möchte dies an einem Beispiel verdeutlichen. Dieses ist verkürzt dargestellt, abgewandelt und entstammt einer kurzen Konversation, in der nicht alle Aspekte eines Promotionsvorhabens abgedeckt werden konnten. Das Beispiel ist abstrahiert von einer Anfrage einer Person, die mich um Rat zu ihrem Promotionsprojekt bat. Beispiel

„Ich habe mittlerweile mein Studium abgeschlossen und ein Traineeprogramm begonnen. Ich möchte dabei nebenberuflich promovieren, um mich einfach außerhalb meiner Tätigkeit dort noch weiterzubilden. Dabei möchte ich mich damit befassen, wie Firmen erfolgreich expandieren, worauf sie dabei achten sollten etc. Dabei möchte ich den asiatischen Markt als Beispiel nehmen und im Zuge dessen einen Zusammenhang mit meiner Branche herstellen, indem ich die Marktstrategien auf ihre Vor- und Nachteile analysiere und schlussendlich Handlungsempfehlungen gebe.“ ◄ Gerne können Sie an dieser Stelle einen Selbsttest durchführen. Sie werden im Laufe des Buches immer wieder die Möglichkeit haben, kleinere Fragen und Aufgaben selbst zu beantworten. Dabei geht es nicht um ein „Richtig“ oder „Falsch“, sondern um Annahmen über Promotionsvorhaben und die Festigung des eigenen Promotionswunsches. cc

Überlegen Sie sich, was Sie der Personen bei ihrem Forschungsprojekt raten würden. Finden Sie die Forschungslücke und die methodische Vorgehensweise überzeugend? Auf welche Fallstricke sollte der angehende Promovierende noch achten und wie schätzen Sie die Vereinbarkeit mit dem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis ein? Welche Alternativen zur Promotion würden Sie gegebenenfalls empfehlen? Welche Fragen müssten Sie noch stellen, um eine verlässliche Empfehlung abgeben zu können?

Die Beschreibung weist mehrere Ungereimtheiten auf, die das Vorhaben behindern könnten (oder der verkürzten Darstellung zum Opfer gefallen sind): Zum einen ist eine Promotion keine reine Weiterbildungsmaßnahme, sondern eine eigenständige Tätigkeit, die viel Zeit erfordert. Darüber hinaus möchte sich die Person

4

1 Einleitung

„einfach weiterbilden“. Hier ist eine Promotion nicht geeignet. Promotionen sind aufwendige, mehrjährige Prozesse mit vielen Höhen und Tiefen. Im Laufe dieses Prozesses bildet man sich zwar zwangsläufig weiter, aber dies ist gewissermaßen das Nebenprodukt und eine Promotion ist nicht per se auf die Weiterbildung angelegt. Für diejenigen, die noch nicht sicher sind, ob sie eine Promotion, eine berufsbegleitende Promotion, einen MBA oder ein Fernstudium verfolgen sollen, ist in Abschn. 2.3 ein Selbsttest zur Promotion abgebildet. Dieser kann Ihnen einen ersten Eindruck geben, ob die (berufsbegleitende) Promotion das Richtige für Sie ist. Ferner möchte die Person Handlungsempfehlungen geben. Dies spiegelt die Praxisbrille wider, die wir alle nach mehreren Jahren im Unternehmen aufsetzen und mit der viele Studierende die Business Schools verlassen. Vielmehr geht es in der Wissenschaft jedoch um eine Erweiterung des theoretischen Wissens und eher zweitrangig um konkrete Handlungsempfehlungen. Dennoch könnte sich hier ein Promotionsprogramm mit dem Abschluss des Doctor of Business Administration (s. Abschn. 2.1.2) anbieten, bei dem die Forschung explizit auch (oder vorwiegend) einen praktischen Beitrag leisten soll. Der methodische Ansatz ist, „die Vor- und Nachteile zu analysieren“. Ganz abgesehen davon, dass dies für einen wissenschaftlichen Mehrwert nicht ausreichen dürfte, weist der Ansatz auf eine qualitative Arbeit hin. Dies ist möglich, birgt jedoch andere Herausforderungen: Durch die Fokussierung auf ein Beispiel (hier der asiatische Markt) stellt sich schnell die Frage, ob die gefundenen Ergebnisse verallgemeinert werden können. Spätestens bei der Einreichung bei einem Journal oder der kritischen Prüfungskommission könnte es hier Rückfragen geben. Sowohl diejenigen, die die Promotion aufgrund der Umstände erst gar nicht beginnen, sowie diejenigen, die die Promotion auf die leichte Schulter nehmen, können am Ende nicht zufrieden sein. Wenig bekannt ist dabei jedoch, dass es, vergleichbar mit einem berufsbegleitenden Studium, auch die Möglichkeit zur berufsbegleitenden Promotion gibt. Sie ermöglicht einen Mittelweg zwischen der klassischen Promotion im Rahmen einer universitären Anstellung und dem reinen Berufsleben. Im Vorwort klang bereits an, dass mir in persönlichen Gesprächen oft klar wird, dass Interessierte oder Dritte erstaunt sind, von derartigen Möglichkeiten zu hören, da sie kaum bekannt sind. Dies ist umso erstaunlicher, da es mehrere Modelle mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen gibt, bei denen für (fast) jede persönliche Situation etwas dabei ist. Zwar sei schon jetzt erwähnt, dass auch berufsbegleitende Promotionen nicht zu unterschätzen sind und ebenso viel Selbstdisziplin, Organisationsfähigkeit und Entbehrungen erfordern wie die Promotion als wissenschaftliche  Mitarbeiterin oder Mitarbeiter. Berufsbegleitende Promotionen dürften damit nur für eine bestimmte Zielgruppe interessant sein. Aber nur wer alle verfügbaren Möglichkeiten

1.1  Der Traum der berufsbegleitenden Promotion

5

kennt, kann für sich persönlich eine Abwägung treffen und die passendste Option auswählen. Dieses Buch ist daher vor allem Ratgeber, Leitfaden und Orientierungshilfe. Diejenigen, die bisher die Idee einer Promotion aufgrund des vermeintlich notwendigen Verzichts auf eine praktische Tätigkeit verworfen haben, können mithilfe dieses Buches hoffentlich doch noch zu ihrem Glück kommen. Schritt für Schritt wird gezeigt, welche Modelle es gibt, wie man bei der Suche nach einem Thema und nach Doktoreltern vorgeht, welche Synergien man aus der Kombination von Unternehmen und Forschung ziehen kann und vor allem wie der Promotionsprozess aus der Sicht von (berufsbegleitenden) Promovierenden ausgestaltet ist. Für die zweite Gruppe, die auf eine vermeintlich einfache Promotion setzt, ermöglicht dieses Buch eine kritische Reflexion. Sicher kann man auf ein privatwirtschaftlich orientiertes Angebot eingehen, ohne dass dies später ein Problem darstellt. Das Buch motiviert aber hoffentlich zu Wissensdrang, Erkenntnisgewinn und Neugier und dazu, eine Arbeit abzuliefern, die den eigenen Ansprüchen entspricht und auf die man auch nach Jahren noch stolz sein kann. Das vorliegende Buch füllt damit auch eine Lücke. Bisherige Bücher zum Thema Promotion lassen sich in mehrere Kategorien einteilen: Dazu gehören beispielsweise ganz allgemeine Bücher zum Thema Promotion, die im Detail auf wissenschaftliches Arbeiten oder den Veröffentlichungsprozess eingehen. Auf diese wird vor allem in Kap. 5 öfter verwiesen. Ferner gibt es auch spezielle Promotionsbücher für das Fach Medizin, bei welchem ein Großteil der Studierenden promoviert und deren Promotionsprozess nach einem anderen Schema abläuft. Bisherige Bücher decken jedoch gar nicht oder nur unzureichend die berufsbegleitende Promotion ab. Dies könnte auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass eine berufsbegleitende Promotion nur beschrieben und erläutert werden kann, wenn sie auch absolviert wurde. Die Zahlen von berufsbegleitenden Promotionsvorhaben sind jedoch weiterhin sehr klein. Dies soll unter anderem mit dem vorliegenden Buch und vor allem mit Ihnen geändert werden. Der thematische Fokus des Buches wird dabei auf einer wirtschaftsnahen berufsbegleitenden Promotion in Deutschland liegen. Dazu zählt insbesondere die allgemeine Betriebswirtschaftslehre (BWL) mit allen Subdisziplinen wie Management, Marketing oder Wirtschaftsinformatik sowie verwandten Disziplinen wie Volkswirtschaftslehre (VWL) oder (Wirtschafts-)Psychologie. Dies liegt in der Natur der Sache, da meist privatwirtschaftliche Unternehmen die finanziellen Ressourcen und wettbewerblichen Anreize haben, berufsbegleitende Promotionsstellen auszuschreiben. Ich bin jedoch überzeugt, dass auch der öffentliche Dienst oder andere Institutionen von berufsbegleitenden Promotionsmöglichkeiten profitieren würden. In Kap.  4 wird beispielsweise die berufsbegleitende Promotion für das

6

1 Einleitung

Lehramt des Landes Bremen skizziert. Solche Angebote stellen außerhalb der Privatwirtschaft jedoch eine Ausnahme dar  und sollen in diesem Buch daher auch nicht im Detail thematisiert werden. Lediglich am Rande wird die berufsbegleitende Promotion für die Sozial-, Geistes-, Rechts- und Naturwissenschaften behandelt. Im Grunde kann das Buch für diese Disziplinen 1:1 angewendet werden, sofern man einen Arbeitgeber findet, welcher das Promotionsprojekt fördern würde. Dies ist jedoch oft schwierig, da der unternehmerische Mehrwert für den Arbeitgeber verständlicherweise ersichtlich sein muss. Ein kurzes Beispiel hierzu aus der Praxis: Beispiel

Eine Person aus meinem Umfeld studierte ein geisteswissenschaftliches Fach und arbeitete nach dem Studium einige Zeit in der Finanz-/Versicherungswirtschaft. Sie hatte die Idee einer Promotion nie aufgegeben und wollte ihrem Arbeitgeber ein berufsbegleitendes Modell im geisteswissenschaftlichen Bereich schmackhaft machen. Das Themengebiet der Literaturwissenschaften war jedoch zu weit von der Branche des Unternehmens entfernt, sodass womöglich keine nennenswerten Impulse für die Geschäftstätigkeit erwachsen wären. Daher ist eine berufsbegleitende Promotion in diesem Beispiel nicht zustande gekommen. ◄ Das Beispiel zeigt, dass berufsbegleitende Promotionen auch ihre Grenzen haben und selbst mit den in Kap. 7 dargestellten Argumenten der Arbeitgeber in diesem konkreten Fall wohl nicht zu überzeugen gewesen wäre. Derartige Beispiele werden im Laufe des Buches immer wieder vorkommen, auch um Ihnen zu zeigen, wie vielfältig die Möglichkeiten sind und wo die Grenzen liegen. Auch Promotionen im Ausland werden nur am Rande und im Zusammenhang mit ausländischen Abschlüssen behandelt. Der Fokus wird daher rein auf Deutschland beschränkt sein, was angesichts der Länderhoheit der Bildungspolitik (und damit der Promotionen) bereits herausfordernd genug ist.

1.2

 ie berufsbegleitende Promotion D aus Unternehmensperspektive

Neben der individuellen Perspektive der Promovierenden sind berufsbegleitende Promotionen jedoch auch aus der Sicht von Unternehmen interessant. Im nächsten Schritt werfen wir daher noch ein Blick auf die Unternehmensperspektive. Unternehmen stehen kontinuierlich vor der Herausforderung, die eigene Marktposition durch Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Großen Unter-

1.2  Die berufsbegleitende Promotion aus Unternehmensperspektive

7

nehmen stehen dabei breit aufgestellte Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zur Verfügung, die jährlich zahlreiche Patente anmelden und sich eine Vielzahl an Vollzeitforschenden leisten können. So sind im Bereich Corporate Research bei der Robert Bosch GmbH weltweit rund 1800 Personen beschäftigt (Robert Bosch GmbH 2020) und SAP unterhält weltweit mehr als 100 Forschungs- und Entwicklungszentren. Die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) müssen hingegen auf das vorhandene Humankapital sowie eine gute Personalpolitik vertrauen, da sie oft weniger attraktiv oder schlicht weniger bekannt sind bei jungen Studierenden oder Forschenden. Gerade KMU müssen folglich schwerpunktmäßig über Neueinstellungen oder Weiterbildungen ihre Innovationskraft stärken. Ermöglichen Unternehmen ausgewählten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern berufsbegleitende Promotionsmöglichkeiten, so sichert dies neues Wissen und generiert Impulse für die eigene Geschäftstätigkeit. Nicht ohne Grund bieten bereits viele Weltmarktführer standardmäßig Promotionsstellen in ihren Forschungs- und Entwicklungsabteilungen an (dazu mehr in Abschn. 4.9 und Kap. 7). Dabei ist es irrelevant, ob es sich um ein Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe oder dem Dienstleistungsbereich handelt. Schaut man sich exemplarisch die Partnerunternehmen deutscher Universitäten an, so gibt es oft nur einen regionalen Fokus, aber keine Systematik bei den angebotenen Produkten und Dienstleistungen. Ein möglicher Grund: Auf alle Unternehmen kommen durch Megatrends, wie Klimawandel, Digitalisierung oder den demografischen Wandel, enorme Herausforderungen zu, für die es neue Ansätze und neues Denken benötigt. Zudem sind Unternehmen jeglicher Größe aufgrund des demografischen Wandels gezwungen, jungen Absolventinnen und Absolventen attraktive Karriereangebote zu machen. Neben monetären Aspekten sind diese auch immer mehr qualitative Elemente, wie eine angemessene Work-Life-Balance, Möglichkeiten zum Sabbatical oder innerhalb der Arbeitszeit den eigenen Interessen nachzugehen. So erlaubte es Google beispielsweise seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Beginn, 20 % der Arbeitszeit (d. h. einen Tag pro Woche) für eigene Projekte (die meist natürlich auch dem Unternehmen zugutekommen) aufzuwenden (Müller 2018). Das Prinzip soll sogar für Google-Anwendungen wie Gmail oder Google Street View verantwortlich sein (Müller 2018). Angebote zur berufsbegleitenden Promotion heben einen Arbeitgeber dabei positiv hervor und machen diesen interessant für akademisch interessierte Talente. Diese Talente stellen möglicherweise, je nach Ausrichtung des Unternehmens, eine Zielgruppe dar, die sich normalerweise nicht bei dem Unternehmen bewerben würde. So durchmischen akademisch interessierte Personen auch die eigene Mitarbeiterschaft und sorgen für diversere Teams.

8

1 Einleitung

Nicht zuletzt habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass fehlende Modelle für berufsbegleitende Master oder Promotionen ein Kündigungsgrund für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein können. So haben bei einem mir bekannten Unternehmen innerhalb eines Jahres mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, um berufsbegleitende Promotionsstellen in anderen Unternehmen anzunehmen oder in Vollzeit an einen Lehrstuhl zu wechseln. Das Bedauerliche dabei ist: Viele Arbeitgeber wissen oft schlichtweg nicht um die akademischen Aspirationen oder Weiterbildungsbedürfnisse der eigenen Mitarbeiterschaft, vernachlässigen diese entsprechend und riskieren ungewollt den Abgang. Eigene Angebote können dem vorbeugen. Demnach ist es auch für Unternehmen jeglicher Größe sinnvoll, sich mit dem Thema der berufsbegleitenden Promotionen auseinanderzusetzen. Auch für sie ist das vorliegende Buch ein Leitfaden, wenn sie berufsbegleitende Promotionen ermöglichen wollen. Kap.  7 setzt sich am Ende ausschließlich mit der Unternehmensperspektive auseinander, aber auch Kap. 4 mit der Ausarbeitung der verschiedenen berufsbegleitenden Modelle und Kap.  6 dürften von Interesse für Unternehmen sein.

1.3

Kapitelübersicht

Dieses Buch ist in acht Kapitel gegliedert, die sich wie folgt aufteilen: Kap. 2 beschreibt zunächst die notwendigen Definitionen, Grundlagen und Fakten rund um die Promotion. Dabei werden unter anderem Fakten aus dem In- und Ausland zu Anzahl der Promotionen, Promotionsdauer, Promotion nach Fachbereich und mehr präsentiert. Die Lektüre des Kapitels vermittelt Ihnen ein grundlegendes Verständnis für ein Promotionsvorhaben und lässt Sie die eigenen Ambitionen besser einordnen. Dazu können Sie in diesem Kapitel auch einen Selbsttest ablegen, der Ihnen helfen kann zu entscheiden, ob eine berufsbegleitende Promotion das Richtige für Sie ist. Kap.  3 stellt dann kurz die verschiedenen Arten der Promotion vor und vergleicht diese systematisch. Es handelt sich dabei um die (Vollzeit-)Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter an einer Universität, die strukturierte Promotion, die Promotion auf Stipendienbasis sowie die berufsbegleitende Promotion. Dies ist notwendig, da berufsbegleitende Promotionen nur im Konzert mit den anderen Möglichkeiten und deren Vor- und Nachteilen verstanden und abgewogen werden können. Schließlich sollten Sie am Ende ein klares Bild von den vorhandenen Möglichkeiten und den eigenen Ansprüchen haben. Abgerundet wird das Kapitel durch zwei Exkurse zur Ehrendoktorwürde (Dr.  h.  c.) und zur Möglichkeit, mehrere Doktortitel zu erwerben.

1.3 Kapitelübersicht

9

Kap. 4 widmet sich dann im Detail der berufsbegleitenden Promotion und stellt die verschiedenen Modelle innerhalb dieser Promotionsart vor (Blockmodell, Wochenmodell, Leave-Modell, freie Promotion, Industriepromotion). Das Kapitel ist gewissermaßen das Herzstück des Buches und kann sowohl als Leitfaden für die Planung des Promotionsvorhabens als auch als Nachschlagewerk während der Zeit der Promotion genutzt werden. Die Auflistung der Modelle gibt Ihnen einen Überblick über die vorhandenen Möglichkeiten. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem Blick auf kostenpflichtige Promotionsprogramme, ausgewählte Praxisbeispiele sowie eine Beispielrechnung der Arbeitsstunden, die für eine Promotion in etwa nötig sind. Es folgt Kap. 5, welches den Ablauf einer Promotion aus Sicht eines berufsbegleitend Promovierenden beschreibt. Dieses Kapitel richtet sich vor allem an berufsbegleitend Promovierende, die sich entweder in einer ungünstigen Betreuungssituation befinden oder die sich noch nicht umfassend und abschließend mit dem Ablauf eines Promotionsvorhabens beschäftigt haben. Von der Vorbereitung auf die Promotion über die Themenfindung bis zur Abgabe werden hier alle wichtigen Abschnitte zur Sprache kommen und unter dem besonderen Einschlag der berufsbegleitenden Promotion beleuchtet. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Beginn einer Promotion (Themenfindung und systematische Literaturanalyse) sowie dem Publikationsprozess. Kap. 6 widmet sich abschließend der Zeit nach der Promotion. Welche neuen Berufsfelder erschließen sich mit einer Promotion? Welche Auswirkungen hat eine Promotion auf Gehalt und Karriere? Das Ziel ist dabei, einen motivierenden Ausblick auf die weiteren Berufsmöglichkeiten sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft für promovierte Arbeitnehmende zu geben. Kap. 7 richtet sich vorwiegend an Unternehmen. Es erläutert zunächst, warum es für Unternehmen sinnvoll ist, berufsbegleitende Promotionsmöglichkeiten anzubieten. Ferner gibt es praktische Tipps, wie eine berufsbegleitende Promotionsstelle organisiert und ausgeschrieben werden kann und welche Probleme bei der Behandlung von Forschungsergebnissen auftreten können. Kap. 8 fasst die wichtigsten Punkte des Buches zusammen und gibt einen Ausblick auf mögliche weitere Entwicklungen in diesem Themenfeld. Alle Kapitel lassen sich unabhängig voneinander lesen. Sind Sie beispielsweise nicht an Definitionen und Zahlen rund um die Promotion interessiert, so können Sie Kap. 2 überspringen oder später dahin zurückkehren. Um Wiederholungen und Dopplungen zu vermeiden, wird an einigen Stellen auf andere Kapitel oder ­weiterführende Literatur verwiesen. Ich war zudem bemüht, meine eigenen Ansichten so gut es ging zurückzustellen und diese in den Abschnitten mit der Über-

10

1 Einleitung

schrift „Wertung“ zusammenzufassen, um alles andere so neutral und faktenbasiert wie möglich zu präsentieren. Sind Sie nicht an einer Wertung der dargestellten Inhalte interessiert, so können Sie diese Abschnitte bequem überspringen oder am Ende dahin zurückkehren. Sie werden oft Wörter wie „meist“, „beispielhaft“ oder „in der Regel“ lesen. Dies liegt an der föderalen Struktur der Bildungspolitik in Deutschland, nach welcher die Bildungspolitik in der Hoheit der Bundesländer liegt und dementsprechend für jede Aussage theoretisch 16 verschiedene Antworten möglich sind. In Hessen ist es beispielsweise möglich, an ausgewählten Fachhochschulen zu promovieren, während dies in vielen anderen Bundesländern nur an Universitäten möglich ist. Kurzum: Nicht jede Aussage in diesem Buch lässt sich auf jedes Bundesland oder jede Universität übertragen, sondern soll vor allem informieren, welche Möglichkeiten der berufsbegleitenden Promotion es im Allgemeinen gibt. Was die Seite der Unternehmen angeht, so hängt auch viel von Ihrem Verhandlungsgeschick oder den Gestaltungsmöglichkeiten des Unternehmens ab. Lassen Sie sich hier niemals entmutigen: Unternehmen haben oft mehr Freiräume in der Gestaltung einer Stelle als man zunächst erwarten würde. Zusammenfassung

Sie haben nun einige Beispiele kennengelernt, warum manche Menschen nicht und andere mit möglicherweise falschen Vorstellungen promovieren. Gleichzeitig haben Sie einen ersten Eindruck der Möglichkeiten einer berufsbegleitenden Promotion erhalten und wissen, welche Richtung dieses Buch einschlagen wird. Sie kennen ferner die Unternehmensperspektive und wissen, warum es auch für Unternehmen interessant sein kann, berufsbegleitende Promotionen zu ermöglichen. Abschließend wurde der Aufbau der nachfolgenden Kapitel, von den grundlegenden Informationen zu einer Promotion bis zur Zusammenfassung, erläutert.

Literatur Müller, G.  V. (2018). Google gibt seinen Mitarbeitern Freiräume  – und profitiert davon. ­https://www.nzz.ch/wirtschaft/google-innovation-braucht-freiraeume-ld.1424815. Zugegriffen am 31.03.2020. Robert Bosch GmbH. (2020). Faszination Forschung und Entwicklung. https://www.bosch. com/de/forschung/. Zugegriffen am 31.03.2020.

2

Grundlegendes zur Promotion Von Definitionen, Zahlen, Daten und einem Selbsttest

Zusammenfassung

Dieses Kapitel schafft ein grundlegendes Verständnis für Promotionen im Allgemeinen. Dazu wird zuerst ausführlich auf die Definition einer Promotion eingegangen, deren Elemente in den weiteren Kapiteln immer wieder aufgegriffen werden. Der weitere Teil des Kapitels widmet sich dann nationalen und internationalen Zahlen und Statistiken zu Promotionen. Diese werden in einen größeren Gesamtzusammenhang eingeordnet und auch nach Fachrichtung, insbesondere mit Blick auf die Wirtschaftswissenschaften, analysiert. Ferner wird das Thema des Promotionsabbruchs mit den wenigen verfügbaren Daten behandelt. Abgeschlossen wird das Kapitel durch einen Selbsttest zur Promotion, der Ihnen bei der Entscheidungsfindung einer (berufsbegleitenden) Promotion hilft.

2.1

Überblick und Definition

2.1.1 Promotion und Dr. Lassen Sie uns zunächst mit dem Begriff der Promotion oder Dissertation beginnen. Was verbirgt sich überhaupt dahinter? Laut der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), ein freiwilliger Zusammenschluss der staatlichen und staatlich anerkann-

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Kaiser, Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61963-6_2

11

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2  Grundlegendes zur Promotion

ten Hochschulen in Deutschland, ist die Promotion eine Bestätigung durch die Universität: cc Mit der Promotion bestätigt die Universität die Befähigung zu vertiefter selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit (Hochschulrektorenkonferenz o. J.). In dieser Definition stecken gleich mehrere Elemente (Universität, Befähigung, vertieft, selbstständig, wissenschaftlich und Arbeit), die es sich lohnt, im Detail zu betrachten. Universität schließt andere Institutionen und Akteure (wie beispielsweise Fachhochschulen, Kirchen oder Unternehmen) aus. Bei Fachhochschulen gibt es wenige Ausnahmen, die in Abschn. 3.2.2 behandelt werden. Vielen ist nicht bewusst, dass Kirchen und andere Institutionen (im Ausland) unter bestimmten Umständen Ehrendoktorwürden vergeben können (s. dazu Abschn. 3.5). Lediglich für Unternehmen gibt es keine Ausnahmen: Sie können in keinem Fall, auch nicht bei berufsbegleitenden Promotionen, einen Doktortitel vergeben. Sie können lediglich die Rahmenbedingungen für Promovierende schaffen, damit diese an der Universität (berufsbegleitend) promovieren können. Befähigung heißt, dass ein Promovierender mit der Promotion ein definiertes Set an Fähigkeiten nachweist. Möglicherweise hat der Doktortitel daher Signalwirkung für Unternehmen, da diese sich darauf verlassen können, dass der Promovierende diese speziellen Fähigkeiten mitbringt. Dieses Set wird in der weiteren Definition ausdifferenziert: Vertieft kann interpretiert werden als Abgrenzung zu anderen wissenschaftlichen Arbeiten (wie Bachelor- oder Masterarbeiten) und wird bei kumulativen Promotionen oft gemessen an der Anzahl und Qualität der Publikationen (s. Abschn. 5.1.2). Selbstständig ist selbsterklärend: Die Arbeit darf nicht von einer anderen Person angefertigt werden. Hier taucht übrigens auch das Problem mit Ghostwritern auf. Die reine Beauftragung eines Ghostwriters ist noch weitgehend unkritisch. Erst bei Abgabe der Arbeit versichert der Promovierende, dass es sich um die eigene Leistung handelt, die dann aber nicht selbstständig abgelegt wurde. Ferner ist die Arbeit wissenschaftlich, d. h., sie wurde nach bestimmten, ebenfalls definierten wissenschaftlichen Standards verfasst. Für ausführlichere Informationen, was sich genau dahinter verbirgt, verweise ich auf die einschlägige Literatur zu wissenschaftlichem Arbeiten, für die Sozialwissenschaften beispielsweise auf das Buch „Social Science Research: Principles, Methods, and Practices“ von Bhattacherjee (2012). Nicht zuletzt ist es eine Arbeit. Dies kann ausgelegt werden im Sinne des eingangs erwähnten Beispiels, dass es sich bei einer Promotion nicht um eine reine

2.1  Überblick und Definition

13

Weiterbildungsmaßnahme handelt (obwohl man viel dabei lernt). Ferner kann eine geleistete Arbeit nachgewiesen, nachgeprüft und bewertet werden. Theoretisch denkbar wäre im Gegensatz auch eine vertiefte selbstständige wissenschaftliche Tätigkeit, ohne diese formal niederzuschreiben. Auch die Promotionsordnung der angestrebten Universität ist eine nützliche Quelle für die Anforderungen an eine Promotion. In der Promotionsordnung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) heißt es dabei beispielsweise zur Dissertation: cc Die Dissertation muss ein wissenschaftliches Thema … behandeln. Sie hat die Befähigung zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit und zu klarer Darstellung der Ergebnisse nachzuweisen. Die Dissertation muss einen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt erbringen und das Thema in inhaltlich zusammenhängender Weise darstellen (Karlsruher Institut für Technologie 2018). Auch hier stehen die Selbstständigkeit sowie die Wissenschaftlichkeit im Zen­ trum der Definition. Im Grunde ist dies auch bei Masterarbeiten der Fall, jedoch im reduzierten Umfang. Masterarbeiten sollen zwar die Fähigkeiten zum selbstständigen, wissenschaftlichen Arbeiten nachweisen. Sie sollen aber nur in begrenztem Maße zur Wissensvertiefung in einem speziellen Gebiet beitragen (s. beispielsweise die Prüfungsordnung für den Master in Management der Universität Mannheim vom 02.06.2017). Bei Plagiatsprüfungen für Doktorarbeiten wird daher auch oft an dieser Stelle angesetzt, dass wissenschaftliche Standards (z. B. des Zitierens) nicht eingehalten wurden oder keine eigenständige Leistung erbracht wurde. Interessant an der obigen Definition ist noch der Verweis auf die „klare Darstellung“ und die „inhaltlich zusammenhängende Weise“. Dies impliziert, dass es nicht nur auf die Ergebnisse an sich ankommt, sondern auch darauf, diese adäquat präsentieren und darstellen zu können. Insbesondere vor dem Hintergrund der kumulativen Promotion (Abschn.  5.1.2) ist dies eine zusätzliche Anforderung, da kontinuierlich darauf geachtet werden muss, dass die Einzelstudien später auch in „inhaltlich zusammenhängender Weise“ dargestellt werden können. Liegt diese eigenständige wissenschaftliche Leistung vor und hat ein Promovierender alle Voraussetzungen des Promotionsverfahrens erfüllt, so sind ­Universitäten berechtigt, einen Doktorgrad zu verleihen. Der Grad richtet sich nach dem Fachgebiet. So wird bei wirtschaftswissenschaftlichen Promotionen der akademische Grad eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften (Dr.  rer. pol.) verliehen, bei technischen Promotionen der Doktor der Ingenieurswissenschaften (Dr. Ing.), bei medizinischen Promotionen der Doktor der Medizin (Dr.  rer.  med.) usw. (s. auch ­Abschn. 3.6 für mehrere Doktortitel).

14

2  Grundlegendes zur Promotion

Abschließend noch zwei Hinweise zum allgemeinen Sprachgebrauch des Promovierens und des Doktor-/Professorentitels: Streng genommen ist es nicht möglich, (selbst) zu promovieren, sondern vielmehr wird man promoviert. „Zu promovieren“ wird umgangssprachlich (auch von mir in diesem Buch, um Ihnen den Lesefluss zu erleichtern) verwendet und ist zu verstehen für die Forschungstätigkeit einer Person, die auf eine Promotion hinführt. Ferner ist der Doktortitel formal kein Titel, sondern der höchste zu erlangende akademische Grad. Beim Professorentitel hingegen ist es genau umgekehrt: Es ein Titel und kein akademischer Grad.

2.1.2 Ph. D. und DBA Im angloamerikanischen Raum ist im Gegensatz zu Deutschland der Ph. D. (Philosophical Doctorate) verbreiteter. Dabei handelt es sich nicht (nur) um den akademischen Grad bei geisteswissenschaftlichen Fächern, sondern er dient als Abschluss für praktisch alle Promotionsstudien im englischsprachigen Raum. Die Unterscheidung des Doktortitels nach Fachrichtung scheint etwas typisch Deutsches zu sein. Der Unterschied ist dabei meist, dass ein Ph. D.-Programm verschulter und strukturierter ist und im ersten Jahr noch ähnlich zum Studium Doktorandenseminare besucht werden müssen. Die eigentliche Forschung findet dann in den darauffolgenden drei bis vier Jahren statt. Ein deutscher Doktorgrad kann daher auch nicht automatisch mit einem Ph.  D. gleichgesetzt werden und umgekehrt. Ob ein ausländischer Ph.  D. in Deutschland anerkannt wird, kann mittels einer Datenbank der Kultusministerkonferenz (KMK), der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen, überprüft werden (sogenannte anabin-Datenbank). In einem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 21.09.2001 (i. d. F. vom 26.06.2015) wurde zudem pauschal festgehalten, dass der Ph. D. aus Kanada und den Vereinigten Staaten als Dr. ohne Herkunftsbezeichnung geführt werden darf, wenn: die verleihende Einrichtung von der „Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching“ als „Research University (high research activity)“ oder als „Research University (very high research activity)“ klassifiziert ist (Kultusministerkonferenz 2015).

Für die Anerkennung eines deutschen Doktorgrades im Ausland sind die Bestimmungen des jeweiligen Gastlandes anwendbar. In den meisten Fällen dürfte dies jedoch problemlos möglich sein, insbesondere wenn im Rahmen der Promotion Artikel in Fachzeitschriften oder auf Konferenzen veröffentlicht wurden, die international anerkannt sind.

2.1  Überblick und Definition

15

Bekannt wurde der Unterschied zwischen dem Ph. D. und dem Doktortitel unter anderem bei der Doktorarbeit von Dr. Franziska Giffey, seit 2018 Bundesfamilienministerin. Nach Prüfung ihrer Arbeit durch die Freie Universität Berlin im Jahr 2019 wurden zwar Mängel festgestellt, die jedoch keinen Entzug des Doktortitels nach sich zogen. Interessant dabei ist, dass laut Medienberichten in der eingereichten Arbeit von Dr. Giffey deren Doktormutter als „Prof. Dr. rer. pol. Tanja Anita Börzel“ bezeichnet wurde, obwohl diese am European University Institute (EUI) in Florenz promoviert und laut Medienberichten einen Ph. D. und keinen Dr. erworben hatte (Zenthöfer 2019). Darüber hinaus begegnet einem auch immer häufiger der Doctor of Business Administration (DBA). Leider gibt es keine offizielle Definition des DBA, z. B. von der KMK oder der HRK, sodass man auf die Quellen von privaten Anbietern des DBA zurückgreifen muss. Die Munich Business School beschreibt den DBA beispielsweise als: Forschungsbasiertes Doktoratsprogramm für alle, die sich für angewandte wirtschaftswissenschaftliche Forschung interessieren und dabei selbst einen Beitrag zur Entwicklung von aktuellen Management- und Berufspraktiken in ihrem jeweiligen Spezialgebiet leisten wollen. Ihren wirtschaftlichen Doktorgrad erlangen Sie dabei mittels der Durchführung eines evidenzbasierten Forschungsprojekts und der Verfassung Ihrer Doktorarbeit (Munich Business School 2020).

Der DBA ist dabei nach einem Beschluss der KMK grundsätzlich gleichwertig zu einer Promotion (Demmer 2016). Der DBA ist daher in der bereits angesprochenen anabin-Datenbank ebenfalls unter der Klasse D1 für Promotionen gelistet. Aber was sind jetzt genau Unterschiede und Gemeinsamkeiten eines Ph. D. und eines DBA? Auch hier steht keine neutrale Definition zur Verfügung, sondern lediglich eigene Einschätzungen von privaten Hochschulen. Konsens scheint dabei, dass in beiden Programmen geforscht und publiziert werden muss. Bei einem Ph. D. ist die Forschung jedoch eher theoretisch ausgerichtet (und damit ähnlich zu einem deutschen Doktor), während die Forschung des DBA eher einen praktischen Beitrag leisten soll. Die Munich Business School nennt dies in der obigen Definition beispielsweise „angewandte wirtschaftswissenschaftliche Forschung“ sowie „einen Beitrag zur Entwicklung von aktuellen Management- und Berufspraktiken“ (Munich Business School 2020). Übersehen wird dabei, dass auch ein wirtschaftswissenschaftlicher Ph. D. nie im luftleeren Raum operiert, sondern neben dem theoretischen auch immer einen praktischen Beitrag leisten möchte. Für mich ähneln DBAs daher eher berufsbegleitenden MBA-Programmen, in welchen Sie ebenfalls Kurse absolvieren und eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreiben, die eine praktische Implikation

2  Grundlegendes zur Promotion

16

haben soll. Wenn Sie die Kursinhalte eines MBA und eines DBA der gleichen Hochschule vergleichen, werden Sie auch schnell eine große Übereinstimmung feststellen. Auch werden DBAs, analog zu MBAs, mit dem breiten Netzwerk, der internationalen Erfahrung und den Karriereaussichten beworben. Wissenschaft­ liche Aspekte kommen in der Vermarktung beider Abschlüsse allenfalls am Rande vor. Der DBA wird auch in Abschn. 4.8 nochmals thematisiert, da er (und nicht der Ph. D. oder Dr.) der verliehene Abschluss bei den meisten kostenpflichtigen Promotionsprogrammen ist.

2.2

Zahlen zur Promotion

2.2.1 Nationale Entwicklung Obwohl der Doktortitel immer noch als etwas Exklusives angesehen wird, ist er immer verbreiteter, vor allem in Deutschland. Um dies zu verstehen, helfen ein paar grundlegende Fakten zur Promotion, unter anderem zur Anzahl der Abschlüsse, zum internationalen Vergleich oder zu Abbruchquoten. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Anzahl der abgeschlossenen Promotionen in Deutschland seit Jahren zunimmt (Abb. 2.1). Da keine Registrierungspflicht für Promovierende besteht, ist der Blick auf die abgeschlossenen Promotionen verlässlicher als die Zahl der aktuell eingeschriebenen Promovierenden. 30,000 25,000 20,000 15,000 10,000 5000

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Gesamt

Männer

Frauen

Abb. 2.1  Anzahl abgeschlossener Promotionen in Deutschland pro Jahr gesamt sowie nach Geschlecht. (Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020, Daten-Portal Tab. 2.5.81)

2.2  Zahlen zur Promotion

17

2016 wurden nach Zahlen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in Deutschland fast 30.000 Promotionen abgeschlossen. Dies sind fast 20 % mehr als noch 2001 (knapp 25.000 abgeschlossene Promotionen). Die Gründe für den Anstieg sind vielfältig: Zum einen ist das Bildungssystem heute finanziell besser ausgestattet als noch 2001, was mehr Professuren und Promotionsstellen erlaubt. Ferner studieren immer mehr Personen, was sich nach ca. fünf bis sieben Jahren (durchschnittlicher Studienzeitraum bis zum Master oder Staatsexamen) dann auch in der Zahl der Promovierenden niederschlägt. Dabei ist auch das Differenzierungsmerkmal als Grund denkbar: Wenn quantitativ immer mehr Personen einen Bachelor- oder Masterabschluss haben, verliert der Master in seiner Funktion als Differenzierungsmerkmal, beispielsweise beim Berufseinstieg, an Bedeutung. Daher wird ein gewisser Anteil an Personen zur Promotion übergehen, um sich von „der Masse“ abzuheben. Ein dritter möglicher Grund ist die gestiegene Bedeutung von theoretischem Wissen gegenüber praktischen Erfahrungen. In einer wissensbasierten und datengetriebenen Gesellschaft wird eine längere Ausbildung wichtiger und daher entsprechend in Form von Gehalt und/oder Aufstiegsmöglichkeiten honoriert. Es ist daher anzunehmen, dass sich heutige Studierende, neben dem Interesse an einer wissenschaftlichen Tätigkeit, auch nach diesen neuen Anreizen richten. Wie stark die einzelnen Gründe zu gewichten sind, ist unklar. Schaut man sich jedoch allein den Anstieg der Studierendenzahlen in den letzten Jahren an, +54  % vom Wintersemester (WS) 2000/2001 bis zum WS 2018/2019 (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020), so dürfte ein großer Anteil alleine mit diesem Phänomen erklärbar sein. Dabei gerät vor allem in den Blick, dass der Anteil an abgeschlossenen Promotionen von Frauen für einen Großteil dieser Entwicklung verantwortlich ist. Während 2016, genau wie 2001, rund 16.000 Männer ihre Promotion abschlossen (+0,1 % bzw. elf Promotionen mehr), stieg die Zahl der Frauen von 8750 im Jahr 2001 auf weit über 13.000 im Jahr 2016 (+51 %). Dazu passt, dass die Zahl der Studienanfängerinnen im Zeitraum vom WS 2000/2001 bis zum WS 2007/2008 (angenommen eine 5-jährige Studienzeit bis zum Diplom oder Master sowie eine 4-jährige Promotionszeit, d.  h. Abschluss der Promotion im Zeitraum 2009 bis 2016) um 20  % gestiegen ist (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020). Dies ist genau passend zum Anstieg der Promotionen zwischen 2009 und 2016 um 19 % (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2020). Erst nach der Promotion geht die Schere dann wieder auseinander und es gibt beispielsweise weiterhin deutlich mehr Professoren als Professorinnen. Die aktuelle Datenlage ist unter anderem aufgrund der verschiedenen Modelle (freie Promotion, externe Promotion etc.) lückenhaft, da Promotionen im Zweifel erst spät bei der Universität angemeldet werden. Daher beschreibt der Bundesbe-

18

2  Grundlegendes zur Promotion

richt Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 (Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017) auch weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Datenqualität. Diese werden immer nur mit Verzögerung (d. h. rückblickend auf abgeschlossene Promotionsverfahren) verfügbar sein, aber sie werden den (zukünftigen) Promovierenden in jedem Fall helfen, ein realistischeres Bild von der Dauer einer Promotion und der Betreuung zu erhalten. Um die Datenlage zu verbessern, hat beispielsweise das Land Baden-Württemberg eine Änderung der Hochschul-Datenschutzverordnung Baden-­Württemberg (HSchulDSV BW) beschlossen, welche im Sommer 2019 in Kraft getreten ist. Die Begründung zu Art. 9a dieser Verordnung lautet wie folgt: Mit dem neuen § 9a werden die Daten der Doktorandinnen und Doktoranden erfasst, um den Werdegang vom Studienbeginn bis zur Promotion abbilden zu können. So kann besonders die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses analysiert und verbessert werden. Hierzu sind einerseits Daten zur Identifikation der Doktorandinnen und Doktoranden, zu Verlauf und Abschluss des Studiums sowie promotionsspezifische Daten erforderlich (Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG) 2019).

Die Änderung der Hochschul-Datenschutzverordnung adressiert damit genau die bereits erwähnten Punkte zur besseren Erfassung von Promovierenden.

2.2.2 Internationale Entwicklung Wie verhalten sich diese Zahlen im internationalen Vergleich? Zunächst blicken wir auf die absoluten Zahlen und danach auf die Zahlen im Verhältnis zur Bevölkerung. Im internationalen Vergleich ist Deutschland bei der absoluten Anzahl der Promotionen ganz vorne dabei (Abb. 2.2). Deutschland hatte nach den USA und China im Jahr 2017 die in absoluten Zahlen dritthöchste Anzahl an Promovierenden (OECD 2019). Demnach schlossen in den USA 2017 rund 71.000 Promovierende ihre Promotion ab, gefolgt von rund 57.000  in China, 28.400  in Deutschland und 28.100 im Vereinigten Königreich. Rechnet man alle OECD-Länder zusammen, schlossen dort gesammelt fast 280.000 Promovierende ihre Promotion ab, davon mit 147.000 (53 %) mehr Frauen als Männer (47 %). Generell zeigt sich beim internationalen Vergleich mit Blick auf die Geschlechter ein Frauenfokus: In nur wenigen Ländern schlossen mehr Männer als Frauen die Promotion ab (Finnland, Israel, Italien, Litauen, Mexiko, Polen, Portugal, Spanien). Dabei stechen zwei Nicht-OECD-Länder heraus: In Saudi-Arabien, ein Land, das in Sachen Geschlechtergerechtigkeit noch nicht als gleichberechtigt angesehen werden

2.2  Zahlen zur Promotion

19

70,000 60,000 50,000 40,000 30,000 20,000 10,000 0

Abb. 2.2  Anzahl abgeschlossener Promotionen in ausgewählten Ländern im Jahr 2017. (Quelle: OECD)

kann, gab es nur rund 1000 männliche (20  %), aber rund 4000 (80  %) weibliche Promovierende, die höchste prozentuale Differenz aller betrachteten Länder. Ferner gab es in China rund 12.000 mehr abgeschlossene Promotionen von Frauen als von Männern, die höchste absolute Differenz, die wiederum zugunsten der Frauen ausfiel. Für Deutschland sind die Zahlen widersprüchlich: Laut OECD wurden rund 55% der Promotionen von Frauen abgeschlossen, während Daten die Daten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung einen Frauenanteil von rund 45% ausweisen. Dass Frauen trotz der offensichtlich besseren Ausbildung dennoch in wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Führungspositionen unterrepräsentiert sind, ist eine wichtige Frage, die aber den Rahmen dieses Buches sprengen würde. Ich hoffe jedoch mit diesem Buch zu einer Verringerung des Ungleichgewichts beizutragen. Die Zahlen werden noch besser vergleichbar, wenn man diese ins Verhältnis zur Bevölkerung setzt. Dafür gibt die OECD den Anteil an promovierten Personen zwischen 25 und 64 Jahren an der Bevölkerung für das Jahr 2018 an (Abb. 2.3). Hier ist die Datenlage etwas dünner, aber dennoch stechen Slowenien und die Schweiz mit einem Anteil von jeweils über 3 % weit hervor. Die absolute Anzahl ist hier natürlich deutlich niedriger. Nachfolgend kommen die Spitzenreiter der vorherigen Statistik mit den Vereinigten Staaten, Deutschland und dem Vereinigten Königreich (für China liegen leider keine Daten vor). Am Ende der Skala (hier nicht mehr abgebildet) rangieren vorwiegend Schwellenländer mit hoher Bevölkerung wie Mexiko, Indonesien, Brasilien oder die Türkei. Interessant wäre nun natürlich die Frage, inwieweit der Entwicklungsstand eines Landes mit den Bildungsausgaben und der Forschungstätigkeit zusammenhängt. Hierzu wird auf die weiterführende Literatur verwiesen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt, die möglicherweise nicht über mehrere Jahre zu verallgemeinern ist. Ermutigend für Deutschland sind diese Zahlen dennoch, wenn man davon ausgeht, dass Promo-

20

2  Grundlegendes zur Promotion

4.0% 3.5% 3.0% 2.5% 2.0% 1.5% 1.0% 0.5% 0.0%

Abb. 2.3  Anteil abgeschlossener Promotionen an der 25- bis 64-jährigen Bevölkerung in ausgewählten Ländern im Jahr 2018. (Quelle: OECD)

tionen die (öffentliche) Forschungstätigkeit eines Landes widerspiegeln und damit die Basis für Fortschritt und den Erhalt des zukünftigen Wohlstandes bilden.

2.2.3 Anzahl und Dauer nach Fachrichtung (national) Kehren wir nun nochmal auf die nationale Ebene zurück und blicken auf die Anzahl und Dauer von Promotionen nach Fachrichtung.  Nach Fachrichtung werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die meisten Promotionen in Mathematik und Naturwissenschaften (2016: 8782) sowie Medizin (2016: 7414) abgeschlossen (Statistisches Bundesamt 2017). Lediglich 4794 abgeschlossene Promotionen entfielen 2016 zusammen auf Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Kategorisierung des Statistischen Bundesamtes) ­zusammen. Die Wirtschaftswissenschaften, eine vorwiegende Zielgruppe für berufsbegleitende Promotionen, machten 2016 allein sogar nur 1450 Promotionen deutschlandweit aus, was 5 % aller Promotionen in diesem Jahr entspricht. Auch nach Daten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das in seinem letzten Bericht „Bildung und Forschung in Zahlen 2019“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2019) Promotionsabschlüsse aus dem Jahr 2017 ausgewertet hat, entfielen die meisten Promotionen auf Mathematik und Naturwissenschaften (30,3 % oder rund 8600 Promotionen), gefolgt von Medizin (25,1 % oder rund 7100 Promotionen) und den Ingenieurswissenschaften (16,6 % oder rund 4700 Promotionen). Erst auf Platz 4 kommen die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zusammen (15,5  % oder rund 4400 Promotionen). Hier erfolgte keine separate Auswertung nach den Wirtschaftswissenschaften.

2.2  Zahlen zur Promotion

21

Die Zahlen sind deshalb überraschend, da die Wirtschaftswissenschaften (insbesondere Betriebswirtschaftslehre als einzelnes Fach) zu den am häufigsten studierten Fächergruppen gehören, jedoch offensichtlich nur vergleichsweise wenige Promotionen stellen. Die Gruppe der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften stellte beispielsweise im Wintersemester 2018/2019 31,1 % der Studierenden an Universitäten und sogar 44,5 % der Studierenden an Fachhochschulen (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2019). Auch die Promotionsdauer variiert je nach Fachrichtung und Art der Promotion. Die Zahlen unterscheiden sich hier zwar leicht je nach Quelle, aber der Trend ist identisch. Zunächst die Unterschiede nach Fachrichtung: Promovierende in den Geisteswissenschaften brauchen im Schnitt 5,1  Jahre, in den Ingenieurswissenschaften 5,0 Jahre und den Wirtschafts- bzw. Sozialwissenschaften 4,6 Jahre für die Promotion (Becker 2019). Promovierende in den Naturwissenschaften, der Mathematik und der Psychologie brauchen hingegen durchschnittlich „nur“ 4,3 Jahre (Becker 2019). Andere Quellen, wie der Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, fassen mehrere Studien zusammen und resümieren, dass die Promotionsdauer in den Ingenieurswissenschaften mit 4,4 bis 4,5 Jahren die längste und in den Naturwissenschaften mit durchschnittlich 3,3 bis 3,7 Jahren die kürzeste aller Fächer ist (Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017). Die Geistes- und Sozialwissenschaften werden hier zusammengefasst mit einer durchschnittlichen Promotionsdauer von 3,8 bis 4,2 Jahren. Die Zahlen sind insgesamt mit etwas Unsicherheit behaftet, da bei einer Promotion, anders als bei einem Studium, der Anfangszeitpunkt nicht einheitlich definiert ist. Die meisten Quellen nehmen den Zeitpunkt, ab dem ein Promovierender durch die Universität angenommen wird. Der fachliche Beginn (Erstgespräch mit den Doktoreltern, erste Sichtung der Literatur, Schreiben eines Exposés etc.) kann jedoch vor der Annahme als Promovierender liegen. In Einzelfällen kann die Arbeit bei externen Promotionen auch erst sehr spät im Promotionsprozess angemeldet werden. Ob die Dauer der Promotion von der Promotionsart (z. B. strukturierte vs. unstrukturierte Promotion, s. dazu auch Abschn. 3.2.1) abhängt, ist unklar. Der Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 verweist dabei auf mehrere Studien, die zu keinem eindeutigen Ergebnis kommen, sodass hier die neuere Forschung abgewartet werden muss. Der Hintergrund ist, dass einer der Gründe für die weitere Verbreitung von strukturierten Promotionen die Senkung der durchschnittlichen Promotionsdauer war. In einer referenzierten Studie wird auf eine durchschnittliche (gemessen mit dem Median, nicht dem Mittelwert) Promotionsdauer von 3,6 Jahren bei strukturierten Programmen sowie von 3,8 Jahren bei andere Promotionstypen verwiesen. Allerdings liegen hier die meisten Studien bereits ein paar Jahre zurück.

22

2  Grundlegendes zur Promotion

In jedem Fall muss sich ein zukünftiger Promovierender auf eine lange Phase wissenschaftlicher Tätigkeit einstellen. Keine Aussagen können bei den Durchschnittswerten darüber getroffen werden, wie viel dieser Zeit für die reine Forschung aufgewendet wurde und wie viel für Lehre, Projekte oder andere adminis­ trative Tätigkeiten an der Universität. Dies wird in Kap. 4 nochmals aufgegriffen.

2.2.4 A  nteil von Promotionen nach Fachrichtung (international) Zuletzt ist es interessant, sich den Anteil der abgeschlossenen Promotionen im internationalen Vergleich nach Fachrichtungen anzusehen, erneut mit Daten der OECD (2019). Hierbei (Abb. 2.4) wird deutlich, dass in fast allen Ländern die meisten Promotionen im Bereich „Naturwissenschaften, Mathematik und Statistik“ abgeschlossen werden. Im OECD-Durchschnitt war dies fast jede vierte Promotion. Deutschland gehört hier mit einem Anteil von 29 % zum oberen Drittel. In Frankreich und Israel sind dies 43 % bzw. 40 %, wobei deren Anteil an „Gesundheit und Wohlergehen“ (hier sind für Deutschland die medizinischen Doktorarbeiten verortet) mit 3 % und 5 % sehr gering ist, sodass hier möglicherweise Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den einzelnen Kategorien bestehen. 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%

Kunst und Geisteswissenschaften

Sozialwissenschaften, Journalismus, Information

BWL und Recht

Naturwissenschaften, Mathematik und Statistik

Informations- und Kommunikationstechnologien

Ingenieurswissenschaften, Fertigung und Konstruktion

Gesundheit und Wohlergehen

Abb. 2.4  Anteil abgeschlossener Promotionen nach Fachrichtung in ausgewählten Ländern im Jahr 2017. (Quelle: OECD)

2.2  Zahlen zur Promotion

23

Als einzelnes Land sticht Kolumbien hervor: In Kolumbien gab es im naturwissenschaftlichen Bereich, dem größten Bereich bei fast allen anderen Ländern, keine einzige abgeschlossene Promotion. Hingegen fielen 42 % aller Promotionen 2017 in den Bereich „Betriebswirtschaft und Recht“, der absolute Spitzenwert aller Länder weltweit. Danach folgt mit Mexiko ein anderes lateinamerikanisches Land mit 25 %. In Deutschland entfielen gerade einmal 9 % der abgeschlossenen Promotionen auf den Bereich „Betriebswirtschaft und Recht“. Dies deckt sich in etwa mit den Zahlen aus Abschn. 2.2.3. Die wenigsten Promotionen wurden 2017 OECD-weit im Bereich „Informations- und Kommunikationstechnologien“ abgeschlossen. Nur 4  % der weltweiten Promotionen entfielen auf diesen Bereich. Lediglich in Luxemburg erreicht dieser Bereich einen zweistelligen Prozentsatz (22 %). Luxemburg ist auch aufgrund einer anderen Tatsache im Bereich der Promotionen ein Sonderfall. Es ist zugleich das Land mit dem höchsten Anteil an ausländischen Promovierenden (OECD 2019), was auf die geringe Bevölkerungszahl bei gleichzeitig hochwertigen Universitäten zurückzuführen ist. Es sei erneut darauf hingewiesen, dass es sich um eine Momentaufnahme aus dem Jahr 2017 handelt und möglicherweise nicht über einen längeren Zeitraum zu verallgemeinern ist.

2.2.5 Promotionsabbruch Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch auch, dass viele Promotionen abgebrochen werden. Hier gehen die Zahlen deutlich auseinander: Die Nichtbeendigungsquote auf Grundlage von Daten des Deutsches-Zentrum-für-Hochschul-und-­­Wissenschaftsforschung(DZHW-)Absolventenpanels zehn Jahre nach Hochschulabschluss liegt bei 33  % (Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017). Explizit haben jedoch nur rund 17 % der Promovierenden angegeben, dass sie die Promotion abgebrochen haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es noch einige Promovierende geben muss, die eine Promotion in der Schublade liegen haben, die sie noch nicht aufgegeben, aber auch zehn Jahre nach dem Hochschulabschluss (dies war der Zeitpunkt der dritten Befragungswelle des DZHW-Absolventenpanels) noch nicht finalisiert haben. Die Abbruchquote ist zudem über die Fächergruppen hinweg ungleich verteilt. Während bei den Naturwissenschaften die Abbruchquote bei nur 6 % liegt, beträgt sie bei den Wirtschaftswissenschaften 22 % und bei Psychologie und Pädagogik 26 % (Osel 2013), wobei die Zahlen etwas veraltet sind. Die Dunkelziffer dürfte jedoch noch viel höher liegen, da Promotionsabbrüche i. d. R. nicht immer erfasst werden. Wenn selbst die Anzahl der Promovierenden nur näherungsweise geschätzt werden kann, dann ist die Zahl der Abbrüche noch schwieriger zu bestim-

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2  Grundlegendes zur Promotion

men. Das Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, weist daher auch in seinem Bericht darauf hin: Bis dato besteht keine Registrierungspflicht für Promovierende an Hochschulen. In Deutschland gibt es ferner einen vergleichsweise hohen Anteil an extern und berufsbegleitend Promovierenden, die oftmals nur in loser Verbindung zur Hochschule der Promotion stehen und unter den derzeitigen Bedingungen statistisch schwer zu erfassen sind (Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, S. 88).

Die Zahlen zu Promotionsabbrüchen sind deshalb interessant, da als Grund bei vielen abgebrochenen Promotionen Finanzierungsschwierigkeiten genannt werden. Darüber hinaus können Gründe, wie die psychische Belastung, ein attraktives Alternativangebot, mangelnde Betreuung oder einfach fehlgeschlagene Experimente bzw. nichtsignifikante Ergebnisse, eine Rolle spielen. Meist ist es ein sehr individueller Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum hinziehen kann. Zur Finanzierungssituation ein weiteres Beispiel: Beispiel

Ein Masterabsolvent der Politikwissenschaften wollte nach seinem Abschluss eine Promotion anschließen. Er trat daher eine zunächst auf ein Jahr befristete Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Gelegenheit zur Promotion an einer hessischen Universität an. Diese würde jedoch nur verlängert werden, wenn der Antrag auf Drittmittel bewilligt wird, welchen die Person in dem einen Jahr selbst schreiben sollte. Andernfalls würde die Stelle auslaufen. Zwar wurde dieser nicht bewilligt, jedoch tat sich über Umwege zum Glück eine alternative Finanzierung auf, sodass die Person ihr Promotionsziel weiterverfolgen konnte. ◄ Dies ist zwar etwas extrem, aber sicher kein Einzelfall. In der Tat werden viele Promotionstellen in der Regel nur befristet ausgeschrieben (meist drei Jahre) und decken sich nicht mit der durchschnittlichen Promotionsdauer (4–5 Jahre). Berufsbegleitende Promotionen können daher beim Promotionsabbruch aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten eine Lücke füllen. Aufgrund der Durchfinanzierung durch ein Unternehmen könnte zumindest die Abbruchquote derjenigen

2.3  Selbsttest Promotion

25

gesenkt werden, welche aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten die Promotion nicht beenden. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die angegebene Abbruchquote in Wirtschaftswissenschaften mit 22 % überdurchschnittlich hoch zu sein scheint. Diese wäre auch aus volkswirtschaftlicher Sicht wünschenswert, da die zeitlichen sowie finanziellen Ressourcen des Promovierenden, der Doktoreltern sowie der Universität effizienter allokiert wären.

2.3

Selbsttest Promotion

2.3.1 Allgemeines zum Test Kommen wir nun erneut zu Ihnen. Sie kennen jetzt die grundlegenden Zahlen zur Promotion, aber sind Sie sich sicher, dieses Unterfangen auf sich nehmen zu wollen? Immerhin gäbe es zahlreiche Gründe, nicht zu promovieren (Sie ersparen sich viel Stress, Sie sparen (Lebens-)Zeit und könnten stattdessen Berufserfahrung sammeln oder die Welt bereisen), und noch mehr falsche Gründe zu promovieren (mehr dazu bei der Auswertung des Selbsttestes). Um dies auszutesten, nehmen Sie sich ein Blatt und einen Stift und beantworten Sie die nachfolgenden Fragen zum Selbsttest. Ich empfehle, dabei nicht nur „Ja“, „Nein“ oder eine Zahl zu notieren, sondern sich bei jeder Frage ein paar Minuten Zeit zu nehmen und stichwortartig Ihre Gedanken aufzuschreiben. Versuchen Sie, auch bei jeder Frage ein griffiges Beispiel zu finden, warum dies (nicht) der Fall ist. Das wird Ihnen spätestens beim Exposé die Arbeit erleichtern oder, bei negativem Ergebnis, als Erinnerung dienen, falls Sie doch noch mal schwach werden und nach Promotionsstellen suchen. Der Vollständigkeit halber verweise ich auch auf andere Angebote in diesem Bereich, z. B. von www.academics.de, die einen Test in Zusammenarbeit mit dem Psychologischen Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg entwickelt haben (academics 2019). Auch Hochschulen wie die Hamburg School of Business Administration verweisen auf den Test von academics (Hamburg School of Business Administration o. J.). Dieser ist jedoch nicht auf berufsbegleitende Promotionen ausgerichtet. Der nachfolgende Fragebogen ist daher zweigeteilt: in Fragen zur Promotion im Allgemeinen sowie in Fragen zur berufsbegleitenden Promotion im Speziellen.

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2  Grundlegendes zur Promotion

Selbsttest berufsbegleitende Promotion: Möchte ich (berufsbegleitend) promovieren?

Teil 1: Promotion allgemein 1. Erfüllen Sie die rechtlichen Voraussetzungen (in der Regel Masterabschluss)? 2. Sind Sie an wissenschaftlichem Arbeiten interessiert? Hatten Sie beispielsweise Freude an der Anfertigung Ihrer Bachelor- oder Masterarbeit? 3. Würden Sie sich, Ihre Familie, Freunde und Bekannte Ihnen Organisationsfähigkeit, Planungskompetenz und Selbstständigkeit zuschreiben? 4. Können Sie sich vorstellen, über mehrere Jahre an einem Themenkomplex zu arbeiten? 5. Besitzen Sie eine hohe Frustrationstoleranz? 6. Würden Sie für eine interessante Tätigkeit temporär darauf verzichten, viel Geld zu verdienen und Karriere zu machen? Teil 2: Berufsbegleitende Promotion 7. Sind Sie kinderlos? 8. Haben Sie geregelte Arbeitszeiten? 9. Wie viele Stunden wären Sie bereit und in der Lage, über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren an Abenden und Wochenenden für Ihre wissenschaftliche Arbeit zu verwenden? 10. Haben Sie bereits einen Arbeitgeber, der Sie in Ihrem Vorhaben einer berufsbegleitenden Promotion unterstützt? Oder falls es das Modell noch nie in Ihrem Unternehmen gab: Haben Sie die begründete Ansicht, dass Ihr Arbeitgeber Sie unterstützen würde? 11. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, ein Unternehmen zu gründen? Hinweise zur Auswertung finden Sie im nächsten Abschnitt.

2.3.2 Testauswertung Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass es sich nicht um einen validierten Fragebogen handelt, der wissenschaftlich erstellt und getestet wurde. Vielmehr soll dieser zum Nachdenken und kritischen Reflektieren anregen. Außerdem sollte der Test natürlich nicht Ihr einziges Entscheidungskriterium sein. Viele Punkte werden

2.3  Selbsttest Promotion

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im weiteren Verlauf des Buches noch ausführlicher angesprochen. Daher präsentiere ich nachfolgend nur ein paar Gedanken, die Sie mit Ihren notierten Stichworten vergleichen können. Zur Promotion allgemein: 1. Für eine Promotion in Deutschland ist in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium (Master, Diplom, Staatsexamen etc.) notwendig. In Ausnahmefällen berechtigt auch bereits ein Bachelorabschluss zur Promotion. Meist muss dann gesondert nachgewiesen werden, dass ausreichende Kenntnisse des wissenschaftlichen Arbeitens vorhanden sind (z. B. durch ergänzende Summer Schools oder Tätigkeiten als wissenschaftliche Hilfskraft). Startet man bereits mit einem Bachelor in die Promotion, muss dann aber parallel zu den ersten Promotionsjahren noch der Master „nachgeholt“ werden. Bei einem ausländischen Masterabschluss muss die bereits oben angesprochene anabin-Datenbank konsultiert werden. In der Regel stellt ein Abschluss aus dem EU-Ausland aufgrund der Angleichung im Zuge des Bologna-Prozesses jedoch kein Problem dar. Bei außereuropäischen Abschlüssen kommt es auf den Einzelfall (bzw. die Datenbank) an. Im Ausland kann man oft schon mit einem Bachelorabschluss promovieren und erwirbt im Zuge des Promotionsprozesses ebenfalls noch den Masterabschluss. 2. Die Freude an wissenschaftlichem Arbeiten ist natürlich eine Grundvoraussetzung für die Promotion. Nach zahlreichen Gesprächen erscheint mir die Erfahrung mit der Bachelor- und/oder Masterarbeit ein guter Indikator für eine spätere Promotion zu sein. Hatten Sie nach der Masterarbeit beispielsweise das Gefühl, dass es „jetzt reicht“, dann ist von einer Promotion abzuraten. Nicht notwendig ist hingegen, das gleiche Thema der Bachelor- oder Masterarbeit fortzuführen (s. auch Abschn. 5.3). Ich selbst habe auch in einem ganz anderen Themenbereich meine Doktorarbeit geschrieben. 3. Zu einer Promotion kann zudem nur geraten werden, wenn ein hohes Maß an Selbstständigkeit vorhanden ist. Niemand schreibt den Promovierenden die Schritte vor, die von der Themenfindung bis zur Abgabe zu leisten sind. Fehlendes Wissen, z. B. im Bereich der statistischen Datenanalyse, muss eigenständig erarbeitet oder nachgeholt werden. Diese Fähigkeit ist besonders für berufsbegleitend Promovierende wichtig, da noch mehr als bei am Lehrstuhl angestellten Promovierenden die zwei Welten koordiniert werden müssen und eine selbstständige Aufteilung erfordern. Eng verbunden mit der Selbstständigkeit ist auch die Fähigkeit, zu strukturieren und zu planen. Eine Promotion ist ohne Zweifel ein mehrjähriges Großprojekt, welches ohne gute Planung und Struktur nicht bewältigt werden kann. Insbesondere ist es entscheidend, sich analog zum klassischen Projektmanagement Zwischenziele zu setzen und entsprechende Teilprojekte und Arbeitspakete zu definieren, um diese zu erreichen. Hier sind be-

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2  Grundlegendes zur Promotion

rufsbegleitend Promovierende besonders im Vorteil, da viele Unternehmen projektbasiert arbeiten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Projekterfahrung direkt im wissenschaftlichen Arbeiten zur Anwendung bringen können. 4. Von Personen, die nicht promovieren möchten, ist oft der Satz zu hören, dass diese sich nicht vorstellen können, über mehrere Jahre an einem Thema zu arbeiten. Dies ist in der Sache richtig und ein berechtigtes Argument. Etwas Abwechslung gibt es jedoch im Promotionsprozess, wenn durch eine kumulative Promotion unterschiedliche kleinere Projekte zusammenkommen (s. dazu auch Abschn. 4.2.2, falls Sie sich gerade bei dieser Frage notiert haben, dies überhaupt nicht zu wollen oder können). 5. Ferner ist ein gewisses Maß an Frustrationstoleranz hilfreich (eine Fähigkeit, die man zur Not auch noch während der Promotion ausbilden kann), da die wenigsten Promotionsprojekte linear und ohne Rückschläge verlaufen. Abgelehnte Artikel bei Konferenzen oder wissenschaftlichen Zeitschriften, unzufriedene Studierende und abgebrochene Abschlussarbeiten, Fehler bei der ­Datenerhebung und andere Fehlschläge sind eine nie versiegende Quelle der ständigen Frustration, die verarbeitet werden muss. Es hat sich der Begriff des „Tals der Tränen“ festgesetzt, durch welches alle Promovierenden im Laufe der Promotion einmal gehen müssen. Bei allen wird es zu einem anderen Zeitpunkt auftreten. Erst wenn dieses Tal überwunden ist, wird es steil bergauf in Richtung Abgabedatum gehen. Die erworbene Frustrationstoleranz ist auch eine entscheidende Fähigkeit, warum (ehemalige) Promovierende auf dem Arbeitsmarkt begehrt sind, da diese nicht bei der ersten Herausforderung das Handtuch werfen. 6. Wenn Sie ausschließlich aus Karrieregründen promovieren möchten, dann sollten Sie besser gar nicht promovieren (außer Sie sind Naturwissenschaftlerin oder Naturwissenschaftler und haben dieses Buch versehentlich und trotz des Hinweises im Titel auf die Wirtschaftswissenschaften gekauft). In den allermeisten Fällen verdienen Sie bei normaler Berufstätigkeit besser (da Sie Vollzeit arbeiten) und werden auch schneller befördert (da Sie mehr Berufserfahrung sammeln und sich in Ihrem Unternehmen besser vernetzen und bekannt machen können). Persistent hält sich der Mythos, dass man einen Doktortitel benötigt, um „bis nach ganz oben zu kommen.“ Dies ist meines Erachtens nicht mehr der Fall. Der gesamte Themenkomplex wird in Kap. 6 nochmals genauer beleuchtet. Zum Teil der berufsbegleitenden Promotion 7. Idealerweise haben Sie noch keine Kinder, wenn Sie eine berufsbegleitende Promotion beginnen. Die vielen Ortswechsel sowie die Notwendigkeit, auch

2.3  Selbsttest Promotion

29

abends und am Wochenende in Ruhe an der Promotion zu arbeiten, lassen sich nur schwer mit (kleinen) Kindern im Haushalt vereinbaren. Ich habe größten Respekt vor allen Promovierenden, die eine Promotion, ob berufsbegleitend oder in Vollzeit, mit Kindern erfolgreich abschließen. Oft wird (bei nichtberufsbegleitenden Promotionen) behauptet, dass es die beste Zeit sei, um Kinder zu bekommen. Aus persönlicher Erfahrung kann ich hierzu nichts sagen. Ich bezweifle jedoch, dass die Aussage für berufsbegleitende Promotionen aufgrund des erhöhten Koordinationsaufwands und der ständigen Ortswechsel (je nach Modell) zutreffend ist. 8. Ferner sind geregelte Arbeitszeiten eine wichtige Voraussetzung, um während der Praxisphasen die für die Promotion reservierten Zeiten planen zu können. Insbesondere in der externen Unternehmensberatung mit vielen Reisetätigkeiten sowie vielen Überstunden ist von einer berufsbegleitenden Promotion eher abzuraten, wenn sie nicht im Leave-Modell abläuft (s. Abschn. 4.4). 9. Eng verbunden mit den Fragen zu Kindern und Arbeitszeiten ist die Tatsache, dass Sie auch abends und an Wochenenden an Ihrer Promotion arbeiten werden müssen. Hier kann die Phase des Exposés (mehr dazu in Abschn. 5.4) eine gute Indikation bieten: Müssen Sie sich jedes Mal zwingen, abends noch einen Artikel zu lesen oder erste Ideen aufzuschreiben? Falls Ja, dann wird sich dies im Laufe der Promotion auch nicht verändern. In Anlehnung an Frage 4 müssen Sie sich ggf. darauf einstellen, länger an einem Thema zu arbeiten. Grob sollten Sie sich im Blockmodell wöchentlich 8–10 Stunden parallel zur Praxisphase Zeit für die Forschung nehmen (s. Abschn. 4.10). Denken Sie alternativ auch über eine Reduktion der vertraglichen Arbeitszeit nach. 10. Deutlich leichter sind die Organisation und die Durchführung einer berufsbegleitenden Promotion natürlich, wenn Sie bereits die Unterstützung Ihres Arbeitgebers haben. Ist dies nicht der Fall, ist ein solches Modell nicht ausgeschlossen. Es stellt Sie aber vor die Frage, ob Sie im Zweifel Ihren Arbeitgeber verlassen würden, wenn dieser Ihr Ersuchen nach einer Reduktion der Arbeitszeit oder mehr Flexibilität ablehnt. Eine berufsbegleitende Promotion kann nur funktionieren, wenn beide Institutionen (Arbeitgeber und Universität) den Promovierenden unterstützen. Besser wäre es sogar noch, wenn sich die Doktoreltern und die fachliche Führungskraft im Unternehmen kennen, wie es beispielsweise bei mir der Fall war. 11. Abschließend hat eine Promotion ähnliche Anforderungen wie das Gründen eines Unternehmens: Für beides muss eine Markt- bzw. Forschungslücke gefunden werden, idealerweise nach Durchführung einer systematischen Markt- bzw. Literaturanalyse. Einem Business- bzw. Promotionsplan folgend werden die ersten Schritte Richtung Minimum Viable Product bzw. Paper (MVP) gemacht,

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2  Grundlegendes zur Promotion

wobei das Feedback von Kunden bzw. Reviewern die eigene Idee immer weiter verbessert. Am Ende muss das Produkt bzw. die Forschung verkauft werden, egal ob online (virtueller Marktplatz bzw. Research Gate) oder physisch (Messe bzw. wissenschaftliche Konferenz). Sehr hilfreich ist es daher bei beidem, wenn man auf die Unterstützung von Mentorinnen oder Mentoren bzw. den Doktoreltern bauen kann. Es ist kein Ausschlusskriterium, ein Unternehmen gründen zu wollen, sondern lediglich ein weiterer Indikator für eine Promotion. Haben Sie die meisten der obigen Fragen mit „Ja“ beantwortet, so kann ich Ihnen eine berufsbegleitende Promotion ans Herz legen. Haben Sie nur im ersten Teil Fragen mit „Ja“ und im zweiten Teil vor allem Fragen mit „Nein“ beantwortet, so kommt möglicherweise eine andere Promotionsform für Sie infrage, z. B. mittels einer Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder  Mitarbeiter an einer Universität oder eines Stipendiums. Das nächste Kap. 3 widmet sich daher den verschiedenen Promotionsarten im Detail. Haben Sie vor allem im zweiten Teil viele Fragen mit „Ja“ und im ersten Teil viele Fragen mit „Nein“ beantwortet, so kommt eine Promotion für Sie eher nicht in Betracht. Allerdings scheinen Sie hingegen an berufsbegleitenden Weiterbildungsmöglichkeiten interessiert zu sein, weshalb möglicherweise ein Master of Business Administration (MBA) für Sie infrage kommen könnte. MBAs werden in diesem Buch nicht weiter behandelt und ich verweise Sie gerne auf die reichlich verfügbare Literatur in diesem Bereich. Interessant wird es, wenn Sie in beiden Bereichen einige Fragen mit „Ja“ und einige Fragen mit „Nein“ beantwortet haben. Sie haben grundsätzlich das Interesse an einer Promotion und weisen auch einige Voraussetzungen für die berufsbegleitende Promotion vor (z. B. formale Voraussetzungen erfüllt, Interesse an wissenschaftlichem Arbeiten, aber Freunde und Familie bescheinigen mangelnde Organisationsfähigkeit, Kinder sind schon da, aber Arbeitszeiten sind geregelt). Hier kann kein abschließendes Urteil gebildet werden. Eine ausführliche Beratung mit der Führungskraft im Unternehmen bzw. den betreuenden Doktoreltern ist in jedem Fall anzuraten. Zusammenfassung

Sie haben nun ein grundlegendes Wissen über Promotionen im In- und Ausland. Sie können die Hauptmerkmale von Promotionen (Universität, Befähigung, vertieft, selbstständig, wissenschaftlich und Arbeit) benennen und kennen die zahlenmäßige Entwicklung national, international, nach Fachbereich sowie für Promotionsabbrüche. Mittels des Selbsttests konnten Sie

Literatur

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auch die eigenen Vorstellungen validieren und können nun besser einschätzen, worauf Sie sich bei einer Promotion einstellen können. Aber welche Formen gibt es für die Promotion überhaupt? Wie grenzen sich berufsbegleitende Promotionen von Promotionen in Vollzeit am Lehrstuhl ab? Was sind die Vor- und Nachteile der jeweiligen Promotionsarten und wie erfolgt die Finanzierung? Diese und weitere Fragen werden im nachfolgenden Kapitel beantwortet.

Literatur academics. (2019). Test: Sind Sie der Typ für eine Promotion? https://www.academics.de/ angebote/promotion-test-soll-ich-promovieren. Zugegriffen am 31.03.2020. Becker, J. (2019). Zeitspanne der Promotion: Dauer im Durchschnitt. https://www.academics.de/ratgeber/promotion-dauer?wt_zmc=em.int.aca.mailing.2018_04_03__Young_ Scientist.acade.headline.promotion-dauer.x&utm_medium=em&utm_source=mailing_ aca_int&utm_campaign=2018_04_03__Young_Scientist&utm_content=acade_headline_promotion. Zugegriffen am 31.03.2020. Bhattacherjee, A. (2012). Social science research: Principles, methods, and practices. Zürich: Global Text Project. Bundesministerium für Bildung und Forschung. (2019). Bildung und Forschung in Zahlen 2019: Ausgewählte Fakten aus dem Daten-Portal des BMBF. Bundesministerium für Bildung und Forschung. (2020). BMBF Daten-Portal. https://www. datenportal.bmbf.de/portal/de/index.html. Zugegriffen am 31.03.2020. Demmer, C. (2016). DBA und Doktor gleichwertig. https://www.sueddeutsche.de/karriere/ersehnte-entscheidung-dba-und-doktor-gleichwertig-1.3018469. Zugegriffen am 31.03.2020. Hamburg School of Business Administration. (o. J.). Bewerbungsprozess. https://www.hsba. de/forschung/angebote/promotionsstudium/bewerbung/. Zugegriffen am 31.03.2020. Hochschulrektorenkonferenz. (o. J.). Promotion. https://www.bosch.de/karriere/starten-sie-ihre-karriere/absolventen/promotion/. Zugegriffen am 31.03.2020. Karlsruher Institut für Technologie. (2018). Promotionsordnung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) für die KIT-Fakultät für Wirtschaftswissenschaften zur Erlangung des Doktorgrades der Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. pol.) oder der Ingenieurwissenschaften ­(Dr.-Ing.). https://www.sle.kit.edu/downloads/AmtlicheBekanntmachungen/2018_AB_002. pdf. Zugegriffen am 31.03.2020. Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs. (2017). Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 – Statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten in Deutschland. https://www.bmbf.de/files/buwin_2017.pdf. Zugegriffen am 31.03.2020. Kultusministerkonferenz. (2015). Vereinbarung der Länder in der Bundesrepublik Deutschland über begünstigende Regelungen gemäß Ziffer 4 der „Grundsätze für die Regelung der Führung ausländischer Hochschulgrade im Sinne einer gesetzlichen Allgemeinge-

32

2  Grundlegendes zur Promotion

nehmigung durch einheitliche gesetzlich“. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2001/2001_09_21-Auslaendische-Hochschulgrade.pdf. Zugegriffen am 31.03.2020. Munich Business School. (2020). Doctor of business administration. https://www.munich-business-school.de/dba. Zugegriffen am 31.03.2020. OECD. (2019). Education at a glance 2019: OECD indicators. Paris. https://doi.org/10.1787/ f8d7880d-en Osel, J. (2013). Karriere schlägt Doktorhut. https://www.sueddeutsche.de/bildung/abbruchquote-bei-promotionen-karriere-schlaegt-doktorhut-1.1732141. Zugegriffen am 31.03.2020. Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG). (2019). Änderung der Hochschul-­ Datenschutzverordnung Begründung. https://www.hfg-karlsruhe.de/hochschule/ downloads/datenschutz3_anderungsvo-zur-hochschul-datenschutzverordnung-vom-14.-mai-2019%2D%2D-begrundung.pdf. Zugegriffen am 31.03.2020. Statistisches Bundesamt. (2017). Bildung und Kultur – Prüfungen an Hochschulen. Fachserie 11 Reihe 4.2. Erschienen am 14.07.2017. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. Zenthöfer, J. (20 November, 2019). Unkenntnis bei Grundsätzen des Verwaltungsrechts. https:// www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/plagiate-bei-giffey-berliner-landesregierung-aeussert-sich-erstmals-16494877.html. Zugegriffen am 31.12.2019.

3

Überblick Promotionsarten Die Alternativen zur berufsbegleitenden Promotion

Zusammenfassung

Dieses Kapitel gibt einen allgemeinen Überblick über die verschiedenen Promotionsarten. Neben der berufsbegleitenden Promotion sind dies die Promotion bei einer Anstellung als wissenschaftliche  Mitarbeiterin oder Mitarbeiter an einer Universität sowie die Promotion auf Stipendienbasis, wobei der Fokus in diesem Kapitel auf den letzten beiden Arten liegen wird. Jede Promotionsart wird kurz vorgestellt und dann eingeordnet, um zu zeigen, dass jede Art Vorund Nachteile mit sich bringt. Abschließend werden zwei Exkurse präsentiert zur Ehrendoktorwürde sowie zur Möglichkeit, mehrere Doktortitel zu erwerben und zu führen.

3.1

Einführung

Dieses Buch widmet sich der berufsbegleitenden Promotion (gelegentlich auch als „externe Promotion“ bezeichnet). Es gibt jedoch viele verschiedene Arten zu promovieren. Die gängigsten Arten werden hier dargestellt: (1) Promotion bei Anstellung an einer Universität, (2) Promotion auf Basis eines Promotionsstipendiums und (3) berufsbegleitende Promotion. Tab.  3.1 gibt nachfolgend eine Übersicht über die Kernmerkmale der einzelnen Promotionsarten.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Kaiser, Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61963-6_3

33

Meist zunächst auf 2 Jahre befristet mit Möglichkeit der Verlängerung

Abhängig von Bundesland und Prozentsatz der Stelle; meist Entgeltgruppe 13 (E13) Meist zunächst auf 3 Jahre befristet mit Möglichkeit der Verlängerung

Befristung

Rund 1450 Euro pro Monat bei den in Abschn. 3.3.2 aufgelisteten Förderwerken

Ja bzw. Projektarbeit Ja

Lehrverpflichtung Anbindung an den Lehrstuhl Vergütung

Je nach Modell zwischen 1 und 4 Jahre angestrebte Promotionszeit

Verhandlungsbasis

Nein, aber möglich Nein, aber möglich

Ja

Berufsbegleitende Promotion Arbeitsvertrag mit einem Unternehmen sowie eine Kooperationsvereinbarung Ja, möglicherweise aber erst zu einem späteren Zeitpunkt Nein Meist Ja

Promotionsstipendium Kein Arbeitsvertrag, aber Stipendienzusage eines Förderwerks Ja

Promotionsvereinbarung

Merkmal Vertragsverhältnis

Anstellung an einer Universität als wissen. Mitarbeiter/-in Arbeitsvertrag mit der Universität/dem Bundesland

Tab. 3.1  Tabellarische Übersicht der verschiedenen Promotionsarten. (Quelle: eigene Übersicht)

34 3  Überblick Promotionsarten

3.2  Anstellung an einer Universität oder Fachhochschule

3.2

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 nstellung an einer Universität A oder Fachhochschule

3.2.1 Universität Die wohl häufigste Form zu promovieren ist durch die Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter einer Universität. Laut dem Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 standen im Wintersemester 2014/2015 162.900 der 196.200 Promovierenden (entspricht ca. 83 %) in einem Beschäftigungsverhältnis. In den meisten Fällen dürfte dies die Anstellung an einer Universität sein. Dabei wird eine Stelle an einem Lehrstuhl mit einem thematischen Fokus oder lediglich dem Themenbereich des Lehrstuhls ausgeschrieben und beinhaltet einen Satz wie: „Die Möglichkeit zur Promotion ist gegeben.“ Hierbei handelt es sich dann eigentlich um eine zweigeteilte Stelle: einerseits die Lehrtätigkeiten und administrativen Aufgaben am Lehrstuhl und andererseits die Promotion, welche in eigener Verantwortung zu organisieren ist. Wie genau die Aufteilung erfolgt, wird meist erst im Laufe des ersten Semesters deutlich. Oft ist ein Promovierender für eine bestimmte Vorlesung zuständig oder wird für ein konkretes Projekt eingestellt. Bezahlt wird man de facto für die universitäre Lehre bzw. die projektbezogene oder administrative Arbeit am Lehrstuhl der Doktoreltern. Das Forschungsthema und die entsprechende Forschungslücke (Research Gap) sind dann individuell zu suchen und werden vorher nicht festgelegt (mehr zum Thema Forschungslücke in Abschn. 5.5). Eine Orientierung können angehenden Promovierenden dabei die Forschungsgebiete der zukünftigen Doktoreltern bieten. Selbst wenn ein Promovierender meist relativ frei in seiner Themenwahl ist, so wird dieses allein aus fachlichen Betreuungsaspekten doch im engeren thematischen Umfeld der Doktoreltern angesiedelt sein. Ganz allgemein ist es von Lehrstuhl zu Lehrstuhl unterschiedlich, ob die Promovierenden auf ähnliche Themen „gesetzt“ werden und so Synergieeffekte erzielen oder ob sich jeder das Thema eigenständig aussuchen kann. Zu Ersterem sind mir Lehrstühle bekannt, bei denen die Themenfindung wie folgt abläuft: Es werden langfristig Forschungsthemen aufgebaut, indem neue Promovierende mit erfahrenen Promovierenden, Postdoktorandinnen oder  Postdoktoranden (nachfolgend generisch „Postdocs“) auf einem Thema zusammenarbeiten. Das Thema steht dabei schon fest und der Promovierende wird einfach eingearbeitet. Nach und nach entwickelt dieser dann das Thema weiter und stößt in die bereits grob bekannten Forschungslücken im Detail vor. Das Vorgehen hat den Vorteil, dass sich die P ­ romovierenden nicht monatelang einarbeiten müssen und viel Zeit auf eine Themenfindung aufwenden. Ande-

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3  Überblick Promotionsarten

rerseits ist eine eigenständige Themenfindung eine der wertvollsten Phasen des gesamten Promotionsprozesses. Denn bereits zu diesem führen Zeitpunkt findet eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Thema statt. In jedem Fall ist eine Promotion „auf einer Stelle“ (wie man im Promotionssprech sagt) Fluch und Segen zugleich: Während der regulären Semesterzeiten ist die Woche bereits mit den Lehrtätigkeiten oder Projektarbeiten gut gefüllt und viele Promovierende forschen de facto in ihrer Freizeit. Auch wenn man formal nur zu 50 % oder zu 75 % angestellt ist (und dementsprechend nur den jeweiligen Prozentsatz des Gehalts erhält), wird oft doch unausgesprochen erwartet, Vollzeit für den Lehrstuhl oder das Projekt zu arbeiten. Segen ist dabei jedoch die reguläre Einbindung in den Lehrstuhl sowie die Krankenversicherung (mehr dazu gleich bei der Promotion auf Stipendienbasis). Zudem zahlt man bereits in die Renten- oder Arbeitslosenversicherung ein und die Zeit wird bei einer späteren Anstellung im öffentlichen Dienst in der Regel auf die Erfahrungsstufe oder Dienstjahre angerechnet. Auch bei einer längeren Krankheit oder bei Elternzeit genießt man volle Absicherung. Außerdem bereitet wohl keine Promotionsart so gut auf eine spätere Zeit als Postdoc vor, wie eine Anstellung am Lehrstuhl. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen lernt man die Universitätsverwaltung und die Abläufe im öffentlichen Dienst kennen. Dies ist hilfreich, falls man später selbst Verantwortung als Doktoreltern übernimmt. Ferner ist man in die Lehre involviert, kann dort Erfahrungen sammeln und lernt aus erster Hand, Wissen verständlich zu vermitteln, und dass Universität in Deutschland (im Gegensatz zu vielen Hochschulen in den USA) nicht nur Forschung, sondern auch Lehre bedeutet. Nicht zuletzt lernt man die verschiedenen Anforderungen (Anfragen von Studierenden, eigene Forschung, administrative Aufgaben, Zusammenarbeit mit der Universitätsverwaltung) unter einen Hut bzw. in jede Woche unterbringen. Nachteilig wirkt sich dies jedoch meist auf die Zeit aus, die man der Forschung widmen kann (mehr zu einer beispielhaften Zeitrechnung in Abschn. 4.10). Dabei muss grundsätzlich zwischen zwei Stellen als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter unterschieden werden, die von der Mittelherkunft abhängen. Entweder wird die Person über Mittel des Lehrstuhls finanziert und muss dann in der Lehre arbeiten. Oder sie wird über Drittmittel (d. h. externe Gelder) aus der Privatwirtschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) oder anderen Quellen finanziert, die an ein konkretes Projekt geknüpft sind. In diesem Fall muss die Person Zeit für die Projektarbeit aufwenden. Der Unterschied spielt im ­weiteren Verlauf des Buches keine Rolle, da vor allem wichtig ist, dass die Person weniger Zeit für die eigene Doktorarbeit hat, unabhängig, warum dies der Fall ist.

3.2  Anstellung an einer Universität oder Fachhochschule

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Zudem gibt es strukturierte Promotionsprogramme (auch PhD-Programme genannt) an Graduiertenkollegs oder Graduiertenschulen. Dies sind oft interdisziplinär angelegte Programme, bei denen im ersten Jahr der Promotion noch Kurse belegt werden. Dann folgen 3–4 Jahre Promotions-/Forschungszeit. Vorteilhaft ist dabei, dass die Themenfindung im ersten Jahr parallel zu den Kursen stattfindet und die gesamte Zeit sehr gut durchstrukturiert ist. Ein Beispiel für eine solche Graduiertenschule ist die Graduate School of Economic and Social Sciences (GESS) der Universität Mannheim mit ihrem strukturierten Promotionsprogramm. Strukturierte Programme sind heutzutage fest verankert und sehr gut durch die akademische Literatur und sonstige Berichterstattung abgedeckt. Daher soll dieser Themenbereich an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Das Gegenteil einer strukturierten Promotion ist übrigens eine individuelle Promotion, was nichts anderes bedeutet, als dass diese individuell mit den Doktoreltern und unabhängig von einer Graduiertenschule durchgeführt wird.

3.2.2 Fachhochschule1 Neben der Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter an einer Universität ist es ferner auf zwei Arten möglich, an Fachhochschulen zu promovieren. Zum einen funktioniert dies über sogenannte kooperative Promotionen, bei denen ein Promovierender an einer Fachhochschule als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter angestellt ist und über eine Promotionsvereinbarung noch mit einer Universität verbunden ist. Dies bedeutet, dass der Promovierende zwar schwerpunktmäßig von Doktoreltern an der Fachhochschule betreut wird, aber noch zweite Doktoreltern an der Universität hat, an der auch die formale Promotionsprüfung nach der dortigen Promotionsordnung abgelegt wird. Die Zahl der Promovierenden in kooperativen Promotionsprogrammen ist jedoch überschaubar, weshalb hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Weiterführende Literatur zu kooperativen Promotionen finden Sie im Literaturverzeichnis am Ende dieses Kapitels. Zum anderen vergeben die Bundesländer vermehrt auch einzelnen Fachhochschulen das Promotionsrecht. Eine der ersten Fachhochschulen war nach meinem Kenntnisstand die Fachhochschule Fulda, die mehrere sogenannte Promotionszen­  Fachhochschulen bezeichnen sich heute zunehmend als „Hochschule für angewandte Wissenschaften“ oder im Englischen gar als „University of Applied Sciences“. Jedoch verwendet auch das BMBF noch den Begriff der Fachhochschulen, beispielsweise im bereits zitierten Bericht zu „Bildung und Forschung in Zahlen 2019“. Dem werde ich mich begrifflich daher anschließen. 1

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3  Überblick Promotionsarten

tren mit mindestens zwölf forschungsstarken Professorinnen und Professoren eingerichtet hat (Hochschule Fulda 2020). Auch Nordrhein-Westfalen hat Pläne, den Fachhochschulen vermehrt das Promotionsrecht zu verleihen. Hier können Promovierende direkt an der Fachhochschule nach der dortigen Promotionsordnung promovieren, ohne auf die Kooperationsvereinbarung mit einer Universität angewiesen zu sein. Das Thema eines eigenständigen Promotionsrechts für Fachhochschulen wird in Deutschland sehr emotional diskutiert und die Argumente sind schnell zusammengefasst: Kritiker (meist von den Universitäten) befürchten, dass die Fachhochschulen nicht die gleichen Standards anwenden wie sie selbst und die Promotion dadurch ausgehöhlt und zu einem „Doktor light“ (Pfister 2019) wird. Ferner verweisen Kritiker auf die unterschiedliche Ausrichtung von Universitäten und Fachhochschulen: Universitäten sollen sich auf Wissenschaft und Theorie fokussieren, während Fachhochschulen traditionell immer das Praktische im Blick hatten und anwendungsbezogen für berufliche Tätigkeiten unterrichteten. Dies spiegelt auch die unterschiedliche Gewichtung der Lehre wider, bei welcher Fachhochschulprofessuren beispielsweise einen deutlich höheren Lehrauftrag haben und, so ein weiteres Argument, mehr Forschung überhaupt nicht unterbringen könnten. Natürlich haben sich Fachhochschulen und Universitäten in den letzten Jahrzehnten immer mehr angenähert. Die Argumente der Befürworter (meist von Fachhochschulen) sind daher in etwa wie folgt: Sie brauchen für eine effektive Lehre auch direkten Zugang zu aktueller, eigener Forschung, sie müssen für junge wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktiv bleiben, was nur mit Promotionsrecht möglich sei (Pfister 2019). Ausgewählte Fachhochschulen verweisen zudem zu Recht auf ihre Forschungsleistung und eingeworbenen Drittmittel, die mit einigen Universitäten mithalten können. Ferner wird auf Reduktionen in der Lehre (und somit Freiräume für Forschung) sowie eingehaltene Qualitätsstandards hingewiesen (Pfister 2019). Die Diskussion ist relevant und ich möchte Sie daher darauf aufmerksam machen, ohne eine Lösung zu präsentieren oder ein abschließendes Urteil zu fällen. Ein generelles Problem ist, dass es auch für Promotionen an Universitäten keine einheitlichen Standards gibt. So kann nicht beurteilt werden, ob die Promotionen an Universitäten „schwer“ und an Fachhochschulen „leicht“ sind. So wird es bei einer (volkswirtschaftlich betrachteten) Erhöhung des Angebots zwangsläufig dazu führen, dass sich manche Fachhochschulen weiter „unten“ und manche weiter „oben“ auf der nicht messbaren Qualitätsskala einordnen werden. In diesem Buch werde ich im weiteren Verlauf keine Unterschiede zwischen berufsbegleitenden Promotionen an Fachhochschulen und Universitäten machen. Dies würde bei 16 unterschiedlichen Bildungssystemen und einer hohen Dynamik des Themas einer Mammutaufgabe gleichen. Am Ende liegt die Auswahl zwischen

3.3  Promotion auf Stipendienbasis

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Universität und Fachhochschule bei Ihnen, ganz nach Ihren persönlichen Präferenzen. Ich ermutige Sie daher, sich bei Ihrer Recherche nach einem Promotionsthema und der Auswahl möglicher Lehrstühle auch explizit Fachhochschulen mit Promotionsmöglichkeiten ins Auge zu fassen. Gerade wenn Sie berufsbegleitend promovieren möchte, treffen Sie hier bei Ihren zukünftigen Doktoreltern möglicherweise auf noch mehr Verständnis. Manchmal haben Fachhochschulen auch bessere Kontakte zu Unternehmen und können von sich aus berufsbegleitende Promotionsprogramme vermitteln.

3.3

Promotion auf Stipendienbasis

Darüber hinaus ist auch eine Promotion auf Stipendienbasis verbreitet. Hierbei ist grob zu unterscheiden zwischen einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), meist in Kombination mit einer Position an einem DFG-­ Graduiertenkolleg, einem Stipendium von einem der 13 Begabtenförderungswerke sowie allen weiteren Stipendiengebern. Eine hilfreiche Übersicht aller Stipendienmöglichkeiten findet sich auf der Seite https://www.stipendienlotse.de/ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Datenbank hatte Anfang 2020 beispielsweise über 200 Treffer für Promotionsstipendien in Deutschland. Interessant ist dies für berufsbegleitend Promovierende, da hier auch Stipendien in Verbindung mit Unternehmen auftauchen, wie beispielsweise das von mir zufällig ausgewählte Stipendium der Walter Blohm Stiftung für begabten Nachwuchs aus dem Bereich Luft- und Raumfahrt in Kooperation mit der Airbus Operations GmbH.

3.3.1 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Die DFG ist nach eigenen Angaben „die zentrale Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft in Deutschland. Sie dient der Wissenschaft in all ihren Zweigen durch die Förderung von Forschungsprojekten an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen“ (Deutsche Forschungsgemeinschaft 2019b). Für Promovierende bietet die DFG Stipendien innerhalb von Graduiertenkollegs an. Die DFG definiert einen Promovierenden in einem Graduiertenkolleg als Teil einer Gruppe von Promovierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die gemeinsam an einem Themengebiet forschen. Das häufig interdiszi­ plinäre Thema eines Graduiertenkollegs passt zum Profil der Universität und zu den Forschungsschwerpunkten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die

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3  Überblick Promotionsarten Promotionen betreuen. Graduiertenkollegs bieten Ihnen die Möglichkeit, sich fachlich und interdisziplinär hervorragend weiterzuqualifizieren, zusätzliche Schlüsselkompetenzen für Ihre spätere Karriere zu erwerben, wertvolle Kontakte zu knüpfen und Ihre Promotion zügig abzuschließen (Deutsche Forschungsgemeinschaft 2018).

Das Set-up in einem Graduiertenkolleg hat mehrere Vorteile: Der interdisziplinäre Ansatz fördert den Blick über den Tellerrand und gibt wertvolle Impulse für die eigene Forschung. Zudem wird ein Promovierender häufig von mehreren Wissenschaftlern betreut und ist weniger abhängig von einer Person. Nicht zuletzt sind die Programme auch gut durchstrukturiert, sodass ein Abschluss der Promotion innerhalb von drei bis fünf Jahren möglich ist. Vergütet wird ein Promovierender dabei meist mit einer befristeten E13-Stelle (Deutsche Forschungsgemeinschaft 2019a). Je nach Ausgestaltung des Kollegs kann auch ein Auslandsaufenthalt Teil des Programms sein. Damit verbunden wird ein Promovierender im Laufe der Promotion auch von einem ausländischen Wissenschaftler betreut (Deutsche Forschungsgemeinschaft 2019a). Ein großer Nachteil ist natürlich, dass DFG-Stellen sehr beliebt und daher schwer zu bekommen sind. Ferner sind die geförderten Graduiertenkollegs oft im naturwissenschaftlichen Bereich und daher fachlich eingegrenzt. Zum 17.12.2019 gab es 221 laufende Graduiertenkollegs, 56 davon in Geistes- und Sozialwissenschaften (von welchen wiederum nur eine Hand voll wirtschaftsnahen Themen gewidmet sind) und 165 Kollegs in den Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Ingenieurswissenschaften (Deutsche Forschungsgemeinschaft 2020). Die wirtschaftsnahen Kollegs beschäftigen sich beispielsweise mit Themen wie Digitalisierung und regionaler Ungleichheit (Deutsche Forschungsgemeinschaft 2020) und sind thematisch damit mit Blick auf die Breite der Wirtschaftswissenschaften recht begrenzt.

3.3.2 Begabtenförderungswerke Eine weitere, meist etwas bekanntere Form der Promotionsförderung ist ein Promotionsstipendium durch eines der 13 großen Begabtenförderungswerke: • Politisch, kirchlich, wirtschaftlich und gewerkschaftlich unabhängiges Begabtenförderungswerk –– Studienstiftung des Deutschen Volkes

3.3  Promotion auf Stipendienbasis

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• Politische Begabtenförderungswerke –– Konrad-Adenauer-Stiftung (parteinahe Stiftung der CDU) –– Friedrich-Ebert-Stiftung (parteinahe Stiftung der SPD) –– Hanns-Seidel-Stiftung (parteinahe Stiftung der CSU) –– Heinrich-Böll-Stiftung (parteinahe Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen) –– Rosa-Luxemburg-Stiftung (parteinahe Stiftung von Die Linke) –– Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (parteinahe Stiftung der FDP) • Kirchliche Begabtenförderungswerke –– Evangelisches Studienwerk Villigst –– Cusanuswerk (katholisch) –– Avicenna Studienwerk (muslimisch) –– Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (jüdisch) • Wirtschaftliche/gewerkschaftliche Begabtenförderungswerke –– Stiftung der Deutschen Wirtschaft –– Hans-Böckler-Stiftung Insgesamt förderten die Begabtenförderungswerke im Jahr 2017 fast 30.000 Promovierende (Bundesministerium für Bildung und Forschung o. J.). Das Stipendium wird meist auf zwei Jahre vergeben, mit der Möglichkeit der Verlängerungen. Dies mag zunächst vergleichsweise kurz erscheinen, allerdings muss in der Regel keine Lehrverpflichtung geleistet werden, sodass die volle Zeit der wissenschaftlichen Forschung gewidmet werden kann. Über diesen Zeitraum wird meist ein steuerfreies Stipendium von rund 1350  Euro pro Monat sowie eine steuerfreie Forschungspauschale von 100  Euro pro Monat (insgesamt 17.400  Euro pro Jahr) gezahlt. Zudem gibt es oft ergänzende Zuschläge für Verheiratete oder mit Kindern. Hinzu kommen Zuschüsse für Konferenzen oder Forschungsaufenthalte im Ausland. Die Krankenversicherung muss jedoch eigenständig organisiert werden, was einer der Nachteile ist (s. dazu auch den nachfolgenden Abschn. 3.3.3). Parallel zum Stipendium darf eine wissenschaftliche 25 %-Stelle angenommen werden. Dies gleicht einige der Nachteile der Promotion auf Stipendienbasis aus (Krankenversicherung, Einbindung in den akademischen Betrieb etc.). Im Gegenzug muss der Promovierende eine Lehrverpflichtung wahrnehmen. Die zunächst „verlorene“ Zeit lohnt sich jedoch allein aufgrund des Austausches mit den a­ nderen Promovierenden des Lehrstuhls, an welchem die 25 %-Stelle abgeleistet wird. Ein solches Set-up (Stipendium und 25 %-Stelle) ist also grundsätzlich zu empfehlen.

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3  Überblick Promotionsarten

Ferner gibt es bei den meisten Förderwerken eine ideelle Förderung, welche bei der Bewerbung oft übersehen oder unterschätzt wird. Dabei handelt es sich um Sommerakademien, Kurse zu methodischem Arbeiten, Soft Skills oder Sprachen sowie unterschiedlich ausgestaltete Mentoringprogramme. Die Sommerakademien widmen sich meist einem bestimmten Thema, jedoch bleibt viel Zeit und Raum für den persönlichen Austausch und die Vorstellung der eigenen Forschung. Derartige Angebote werden immer wichtiger, da zahlreiche Probleme nicht vor Fachgrenzen haltmachen und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern. Auch das Netzwerk, welches so entsteht, kann über die Forschungszeit hinaus eine persönliche und berufliche Bereicherung sein. Die Mentoringangebote der ideellen Förderung (Verfügbarkeit abhängig vom Studienwerk) sind besonders wichtig, da der Promovierende auf Stipendienbasis nicht in eine regelmäßige Feedbackstruktur (z. B. im Rahmen von monatlichen Kolloquien) eingebunden ist, die an Lehrstühlen leichter zugänglich ist. Auch kann der Mentor oder die Mentoren, selbst wenn diese aus einem anderen Fachgebiet stammen, zu Fragen der Vorgehensweise, der Methodik oder des Schreibens Hilfestellung geben. Ferner hat man durch die Promotion auf Stipendienbasis enorme persönliche Freiheiten. So ist man örtlich und zeitlich nicht gebunden und kann dem ganz eigenen Rhythmus folgen. Dies ist an vielen Lehrstühlen allein aufgrund der Lehrverpflichtung, Sprechstunden, Kolloquien, Besprechungen etc. nicht in gleichem Ausmaß der Fall. Allerdings geht diese Freiheit auch mit einer noch höheren Anforderung an die Selbstständigkeit einher, da der regelmäßige Austausch fehlt. Insgesamt ist eine Promotion auf Stipendienbasis dennoch empfehlenswert, da die Bedingungen sehr fair sind und die Promotion ermöglichen. Allerdings sind die Auswahlverfahren sehr selektiv und man kann nicht damit rechnen, auch tatsächlich gefördert zu werden. Der Bewerbungsprozess läuft bei den großen Förderwerken ähnlich ab. Zunächst muss die Bewerbung mit einem Lebenslauf, Exposé sowie (Hochschullehrer-)Gutachten etc. eingereicht werden. Dafür muss meist auch bereits eine Vereinbarung mit den Doktoreltern getroffen sein, d. h., eine „Blankoförderung“, mit der man dann auf die Suche nach Doktoreltern geht, ist in der Regel nicht möglich. Doktoreltern zu finden läuft ähnlich ab wie bei der berufsbegleitenden Promotion: Sie können auf bereits bestehende Kontakte aufbauen oder ggf. mit einem Exposé oder einer Forschungsidee auf Doktoreltern zugehen. Oft geben diese eine Zusage, die Arbeit zu betreuen, unter der Voraussetzung, dass die Förderung durch das Stipendium erfolgt. Mit dieser (vorläufigen) Zusage ist dann die Bewerbung bei einem Förderwerk möglich.

3.3  Promotion auf Stipendienbasis

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3.3.3 Nachteile der Promotion auf Stipendienbasis Ein Problem bei der stipendiatischen Finanzierung, das sich 2019 etwas abgeschwächt hat, ist die gesetzliche Krankenversicherung. Der Promovierende ist natürlich nicht über die Stiftung versichert, da mit dieser kein Arbeitsverhältnis besteht. Auch eine Studierendenversicherung kommt nicht in Betracht, da es zwar landläufig Promotions„student“ heißt, diese aber nicht bei Promotionsstipendien greift. Viele Promovierende bewegen sich daher in einer rechtlichen Grauzone, wenn sie während der Promotion noch an einer anderen Universität für ein anderes Fach eingeschrieben und darüber versichert sind. Eigentlich müssten sie korrekterweise eine freiwillige Krankenversicherung bei einem gesetzlichen Krankenversicherer abschließen. Für diese werden aber manchmal mehrere Hundert Euro pro Monat fällig. Es wird derzeit auch an einer Reform gearbeitet, jedoch ist noch unklar, wann diese endgültig umgesetzt werden wird. Ein Zwischenschritt ist nun immerhin, dass die Förderwerke seit Juli 2019 monatlich einen Zuschuss bis zu 100 Euro zur Krankenversicherung gewähren können, wenn seitens des Stipendiaten oder der Stipendiatin keine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht (Cusanuswerk 2020). Zudem fehlt bei einer Promotion auf Stipendienbasis die Anbindung an den Lehrstuhl. Dies ist jedoch aus eigener Erfahrung sehr wertvoll, da man erfahrenere Promovierende um Rat fragen sowie eigene Ideen kurzerhand mit Sparringspartnerinnen und -partnern diskutieren kann und überhaupt auf täglicher Basis berufliche und soziale Kontakte hat. Aus persönlichen Gesprächen mit Promovierenden auf Stipendienbasis weiß ich, dass dies zu Einsamkeit und Demotivation und damit auch zu Qualitätsverlust der eigenen Arbeit führen kann. So bietet es sich an, je nach zeitlichen Möglichkeiten, eine zeitlich beschränkte Lehrverpflichtung anzunehmen oder zumindest in regelmäßigen Abständen an Kolloquien der eigenen Doktoreltern teilzunehmen, um eine Anbindung an einen Lehrstuhl zu gewährleisten. Außerdem beklagen viele Promovierende, dass das Stipendium zwar ein Auskommen ermöglicht, dass sie jedoch weiterhin das Gefühl haben, einen studienähnlichen Lebensstandard fortzuführen. Eigentlich ist, wie eingangs erwähnt, die Promotion eher mit einer Arbeitsstelle als mit einem Studium zu vergleichen, jedoch spiegelt sich dies nicht immer im Lebensstandard wider. Ferner werden in der Zeit des Stipendiums, sofern keine zusätzliche 25 %-Stelle besteht, keine Beiträge in die Arbeitslosen- oder Rentenversicherung eingezahlt, was sich später in einer bedingt niedrigeren Rente niederschlagen kann. Dem entgegensteht, dass Akademikerinnen und Akademiker, insbesondere mit Promotion, ausgezeichnete C ­ hancen

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3  Überblick Promotionsarten

auf dem Arbeitsmarkt haben und sich über zwei Jahre ohne Beiträge in die Arbeitslosen- oder Rentenversicherung meist keine allzu großen Sorgen machen müssen. Interessieren Sie sich für eine Promotion auf Stipendienbasis, so empfiehlt es sich, bei Stipendienmessen oder Vorträgen an Universitäten nochmals mit den verschiedenen Stipendiengebern ins Gespräch zu kommen und die eigenen Vorstellungen mit den Angeboten abzugleichen.

3.4

Berufsbegleitende Promotion

Der berufsbegleitenden Promotion widmet sich der Rest des Buches. Gemeint ist stets eine berufliche Anstellung in einem Unternehmen, welche zeitliche Freiräume bereitstellt für die wissenschaftliche Forschung in einem inhaltlich auf die Berufstätigkeit abgestimmten Forschungsfeld. Eine berufsbegleitende Promotion hat eine Reihe von Vorteilen: So sammelt man bereits während der Promotionsphase Berufserfahrung und kommt nicht erst nach 8–9 Jahren akademischer Ausbildung das erste Mal mit einem privatwirtschaftlichen Unternehmen in Berührung. Zudem ist die praktische Relevanz des Themas sichergestellt, da dieses sich oft aus den realen Gegebenheiten in der Berufstätigkeit ergibt. Die theoretische Relevanz wird automatisch über die Doktoreltern sowie den Publikationsprozess abgedeckt. Eine berufsbegleitende Promotion, wie sie in diesem Buch definiert und vorgestellt wird, ist nicht gleichzusetzen mit Industrieforschung. Bei Industrieforschung, die meist im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich vorzufinden ist, sind Promovierende über den Lehrstuhl angestellt und arbeiten in der Regel an einem konkreten Unternehmensprojekt. Im Rahmen dieses praktischen Projektes suchen sie sich eine wissenschaftliche Forschungsfrage und versuchen, diese mit dem Teil der Daten zu beantworten, den sie verwenden dürfen. Dies ist abzugrenzen vom eigentlichen Industrieprojekt, da diese Daten nicht der Veröffentlichung dienen, um sie nicht auch den Wettbewerbern des Industriepartners zugänglich zu machen. Das Promotionsverfahren bei Industrieforschung ist in mancherlei Hinsicht von einer berufsbegleitenden Promotion abzugrenzen, da oft keine Anstellung im Unternehmen direkt erfolgt und die Promovierenden weniger frei in der Themenfindung sind. Ferner fokussiert dieses Buch auf den wirtschaftswissenschaftlichen Bereich (Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik etc.), in welchem klassische Industrieforschung seltener ist.

3.6  Exkurs: Mehrere Doktortitel

3.5

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Exkurs: Ehrendoktorwürde (Dr. h. c.)

Universitäten können neben den genannten Doktortiteln auch sogenannte Ehrendoktorwürden verleihen (Dr. h. c. von honoris causa). Das Karlsruher Institut für Technologie kann beispielsweise Ehrendoktorwürden der Wirtschafts- oder der Ingenieurwissenschaften „zur Würdigung hervorragender wissenschaftlicher Verdienste um die an der KIT-Fakultät vertretenen Lehr- und Forschungsgebiete … verleihen“ (Karlsruher Institut für Technologie 2018, S. 19). Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat beispielsweise neben ihrem Doktor der Physik auch zahlreiche Ehrendoktorwürden, unter anderem von der Harvard-Universität (Mitchell 2019). Normalerweise können Sie nicht von sich aus einen Ehrendoktortitel initiieren (d. h., in der Regel sind keine Selbstbewerbungen möglich). Vielmehr basiert die Verleihung auf der Entscheidung der Universität, beim Karlsruher Institut für Technologie beispielsweise „entweder auf Vorschlag des Präsidiums im Einvernehmen mit der KIT-Fakultät oder auf Vorschlag der KIT-Fakultät im Einvernehmen mit dem Präsidium“ (Karlsruher Institut für Technologie 2018, S. 19). Neben Universitäten dürfen aber auch kirchliche Institutionen Ehrendoktorwürden verleihen. Der Journalist Armin Himmelrath hatte diesbezüglich 2012 u. a. im Spiegel von seinen Erfahrungen berichtet, mittels Spenden an derartige Institutionen an einen Titel zu gelangen (Himmelrath 2012). Vorweg gegriffen sei hier bereits, dass dieser Titel nicht legal in Deutschland geführt werden darf, auch wenn Sie es schaffen würden, ihn bei einem Einwohnermeldeamt in ihren Ausweis eintragen zu lassen (Himmelrath 2012). Über Ehrendoktortitel wird auch in nichtakademischen Publikationen umfangreich berichtet. Daher möchte ich das Thema an dieser Stelle nicht weiter vertiefen.

3.6

Exkurs: Mehrere Doktortitel

Sie stellen sich zum aktuellen Zeitpunkt vermutlich eher die Frage, wie es möglich ist, überhaupt einen Doktortitel, berufsbegleitend oder nicht, zu erlangen. Die Frage, ob es möglich ist, mehrere Doktortitel zu erlangen, erscheint Ihnen daher möglicherweise als Luxusproblem, aber es kann durchaus eine praktische Implikation vor der (ersten) Promotion haben. Dazu wissen Sie bereits, dass es verschiedene Doktorgrade je nach Fachrichtung gibt, beispielsweise den Dr. rer. med. in der Medizin. Rer. steht dabei für rerum (Ding, Sache, Angelegenheit) und med. für medicinae (Medizin). Bei Promotionen in wirtschaftswissenschaftlichen Fächern (so auch bei mir) wird meistens der Dr. rer. pol. verliehen, wobei das pol. für politicarum steht, was Staatswissenschaften (und nicht Politikwissenschaften) bedeutet (Bibliographisches Institut

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3  Überblick Promotionsarten

GmbH 2020). Wikipedia listet eine unvorstellbare Anzahl an Fachrichtungen auf (Wikipedia, 2020), darunter auch exotische Titel, wie Dr. nat. techn. (Doktor der Bodenkultur). Falls Sie in Volkswirtschaftslehre promovieren, erhalten Sie eventuell alternativ den Dr. oec. In der Praxis spielt dies aber keine Rolle, da man in etwa genauso häufig danach gefragt wird, wie danach, ob man einen Master of Science (M. Sc.) oder einen Master of Arts (M. A.) hat. Sie ahnen jetzt sicher schon, worauf die Antwort hinausläuft. Vorab die Einschränkung, dass dies keine rechtsverbindliche Einschätzung ist. Die Rechtslage scheint jedoch so, dass mehrere Doktortitel im gleichen Gebiet, d. h. mehrere Dr. rer. pol., nicht möglich sind. Hingegen ist es möglich, mehrere Doktortitel aus unterschiedlichen Fachbereichen zu erlangen. Beispielsweise könnte ein Psychiater einen Dr.  rer.  med. (Doktor der Medizin) und einen Dr. rer. nat. (z. B. in Psychologie) erlangen. In der Psychologie sind in den Promotionsordnungen auch beide Titel (Dr. rer. pol. und Dr. rer. nat.) häufig anzutreffen, sodass hier zwei Doktortitel möglich sein könnten. Auch die Promotionsordnung spielt noch eine Rolle. So wurde einem promovierten (Biologie) und habilitierten (Chemie) Apotheker die Zulassung zu einem weiteren Promotionsverfahren in Mathematik/Naturwissenschaften mit Verweis auf die Promotionsordnung verwehrt (tko/LTO-Redaktion 2012). Informieren Sie sich aber in jedem Fall nochmals vor einem etwaigen zweiten Promotionsvorhaben oder nehmen Sie eine gesonderte Rechtsberatung in Anspruch. Dies ist auch die Implikation für Sie: Insofern Sie sehr langfristige Ambitionen auf zwei Promotionen haben, macht es Sinn, bereits vorab in den Promotionsordnungen zu stöbern, welcher Titel am Ende vergeben wird. Wenn Sie dann die einzige Universität Deutschlands auftreiben, die für eine wirtschaftswissenschaftliche Promotion einen anderen Titel als den Dr. rer. pol. verleiht, dann könnten Sie hier Ihre erste Promotion ablegen, da Sie danach deutlich mehr Auswahl haben, wo Sie (theoretisch) Ihre zweite Doktorarbeit anfertigen. Zusammenfassung

Sie haben nun mit der Anstellung als wissenschaftliche  Mitarbeiterin oder Mitarbeiter an einer Universität, der Promotion auf Stipendienbasis sowie der berufsbegleitenden Promotion die häufigsten Promotionsarten kennengelernt. Sie können die jeweiligen Vor- und Nachteile benennen und für sich bereits eine erste Abwägung treffen, welches Modell für Sie am passendsten ist. Sie kennen ferner den Begriff der Ehrendoktorwürde und die theoretische Möglichkeit, mehrere Doktortitel zu erwerben. Das nächste Kapitel wird sich ausschließlich der berufsbegleitenden Promotion widmen.

Literatur

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Literatur Bibliographisches Institut GmbH. (2020). Dr. rer. pol. https://www.duden.de/rechtschreibung/Dr__rer__pol_. Zugegriffen am 31.03.2020. Bundesministerium für Bildung und Forschung. (o. J.). Die Begabtenförderungswerke. https:// www.bmbf.de/de/die-begabtenfoerderungswerke-884.html. Zugegriffen am 02.01.2020. Cusanuswerk. (2020). Förderung von Promovierenden. https://www.cusanuswerk.de/foerderung/ finanzielle-foerderung/foerderung-von-promovierenden.html. Zugegriffen am 31.03.2020. Deutsche Forschungsgemeinschaft. (2018). Wissenschaftliche Karriere: Während der Promotion. https://www.dfg.de/foerderung/wissenschaftliche_karriere/waehrend_der_promotion/index.html. Zugegriffen am 02.01.2020. Deutsche Forschungsgemeinschaft. (2019a). Für Promotionsinteressierte und Promovierende. https://www.dfg.de/foerderung/faq/grako_faq/grako_faq_promovierende/index.html. Zugegriffen am 02.01.2020. Deutsche Forschungsgemeinschaft. (2019b). Was ist die DFG? https://www.dfg.de/dfg_profil/aufgaben/was_ist_die_dfg/index.html. Zugegriffen am 02.01.2020. Deutsche Forschungsgemeinschaft. (2020). Liste der laufenden Graduiertenkollegs. https:// www.dfg.de/gefoerderte_projekte/programme_und_projekte/listen/index. jsp?id=GRK. Zugegriffen am 17.12.2019. Himmelrath, A. (2012). Promotionsbetrug im Selbstversuch – Wie ich mir einen Doktortitel erschummelte. https://www.spiegel.de/lebenundlernen/job/promotionsbetrug-wie-man-sich-einen-falschen-doktortitel-kauft-a-842596.html. Zugegriffen am 31.03.2020. Hochschule Fulda. (2020). Eigenständiges Promotionsrecht. https://www.hs-fulda.de/forschen/promovieren/eigenstaendiges-promotionsrecht. Zugegriffen am 31.03.2020. Karlsruher Institut für Technologie. (2018). Promotionsordnung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) für die KIT-Fakultät für Wirtschaftswissenschaften zur Erlangung des Doktorgrades der Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. pol.) oder der Ingenieurwissenschaften ­(Dr.-Ing.). https://www.sle.kit.edu/downloads/AmtlicheBekanntmachungen/2018_AB_002. pdf. Zugegriffen am 31.03.2020. Mitchell, S. (2019). Harvard awards nine honorary degrees. https://news.harvard.edu/gazette/story/2019/05/harvard-awards-nine-honorary-degrees-at-368th-commencement/. Zugegriffen am 31.03.2020. Pfister, S. (2019). Promotion an Fachhochschulen – „Es darf keinen Doktor light geben“. https://www.deutschlandfunk.de/promotion-an-fachhochschulen-es-darf-keinen-doktor-light.680.de.html?dram:article_id=447743. Zugegriffen am 31.03.2020. tko/LTO-Redaktion. (2012). Promovierter Apotheker darf keinen weiteren Doktor machen. https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/vg-koblenz-promovierter-apotheker-darf-keinen-weiteren-doktor-machen/. Zugegriffen am 31.03.2020. Wikipedia. (2020). Doktor. https://de.wikipedia.org/wiki/Doktor. Zugegriffen am 31.03.2020.

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3  Überblick Promotionsarten

Literatur zu kooperativen Promotionen Hachmeister, C.-D. (2019). Im Blickpunkt: Promotionen als Indikator für die Leistung von Hochschulen. Auswertung von Daten des Statistischen Bundesamtes und des CHE Rankings 2019/2020, Gütersloh, CHE, 2019, 28 Seiten, ISBN 978-3-947793-20-4. Hochschulrektorenkonferenz. (2019). Promotionen von Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und Promotionen in kooperativen Promotionsverfahren. HRK-Umfrage zu den Prüfungsjahren 2015, 2016 und 2017, Statistiken zur Hochschulpolitik 1/2019. Meurer, P. (2018). Zugang von FH-/HAW-Absolventinnen und-Absolventen zur Promotion, kooperative Promotionen und Promotionsrecht (No. 16-2018). Studien zum deutschen Innovationssystem.

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Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion Über Block-, Wochen- und Leave-Modell sowie weitere Promotionsmöglichkeiten

Zusammenfassung

Dieses Kapitel ist das Herzstück des Buches und widmet sich den verschiedenen Modellen der berufsbegleitenden Promotion (das Blockmodell, das Wochenmodell, das Leave-Modell, die klassische Industriepromotion, die freie Promotion und die sonstigen Modelle). Diese werden im Detail vorgestellt und mit zahlreichen persönlichen Beispielen unterlegt. Des Weiteren wird auf kostenpflichtige berufsbegleitende Promotionsprogramme eingegangen, die ihre Tücken haben können, und es werden konkrete Beispiele aus Unternehmen und dem öffentlichen Dienst vorgestellt. Zudem wird eine Beispielrechnung zum notwendigen Zeiteinsatz einer Promotion angestellt, auf die im Laufe des Buches immer wieder verwiesen wurde und wird. Abschließend wird noch ein wertender Blick auf berufsbegleitende Promotionen insgesamt geworfen.

4.1

Überblick

Eine berufsbegleitende Promotion kann in verschiedenen Modellen ausgestaltet werden. Diese sind nicht wissenschaftlich oder rechtlich begründet, sondern basieren vielmehr auf meinen Erfahrungswerten und ausführlichen Recherchetätigkeiten. Natürlich ist es denkbar, dass weitere Modelle, Abwandlungen oder Kombina-

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Kaiser, Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61963-6_4

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

tionen existieren oder in Zukunft geschaffen werden. Folgende Modelle werden nachfolgend im Detail vorgestellt: 1. 2. 3. 4.

Blockmodell, Wochenmodell, Leave-Modell, freie Promotion.

Tab. 4.1 gibt einen vergleichenden Überblick der berufsbegleitenden Promotionsmodelle, die in den nachfolgenden Abschnitten noch genauer dargestellt werden. Gewisse Aspekte der einzelnen Modelle können kombiniert oder ergänzt werden. Die vorgestellten Modelle sind jedoch für die meisten an einer berufsbegleitenden Promotion Interessierten ausreichend, um eine für sich passende Variante zu identifizieren. Alle Modelle haben gemeinsam, dass sowohl eine Anstellung in einem Unternehmen besteht als auch zeitgleich eine Promotion als externer Promovierender an einer Universität absolviert wird. Begonnen wird mit der Vorstellung des Blockmodells.

4.2

Das Blockmodell

Das Blockmodell ähnelt am meisten einem dualen Studium. Oft wird bei diesem Modell daher auch von einer „dualen Promotion“ gesprochen. Der Promovierende verbringt abwechselnd einen festgelegten Zeitraum im Block für seine Promotion am Lehrstuhl (im Folgenden „Promotionsphase“ oder „Theoriephase“) und einen festgelegten Zeitraum im Block beim Arbeitgeber („Praxisphase“). Idealerweise ist er während der Promotionsphasen von den Arbeiten im Unternehmen entbunden, wohingegen es während der Praxisphase nicht auszuschließen ist, dass der Promovierende Teile der Freizeit der Forschung widmet (dazu mehr in Abschn. 4.10). Rechtlich besteht ein Arbeitsvertrag bei einem Unternehmen, welches die Finanzierung übernimmt, sowie eine Promotionsvereinbarung mit der Universität. Die umgekehrte Variante (Vertrag mit der Universität, Freelancer beim Unternehmen) wäre ebenfalls möglich, jedoch bewegt man sich dann mehr im Bereich der in Kap. 3 dargestellten Promotion bei einer Anstellung an einer Universität, bei der aus Gründen der Praxisrelevanz mit einem Praxispartner zusammengearbeitet wird.

Ausgewählte Nachteile

Grad der berufl. Freistellung Distanz Universität und Arbeitgeber Tätigkeit im Unternehmen Ausgewählte Vorteile

Merkmal Rhythmus Praxis und Forschung

Maximale Fokussierung auf die Forschung, Netzwerk und Unterstützung durch Unternehmensberatung

Linientätigkeit Fortlaufende Beschäftigung mit dem Thema, Lebensmittelpunkt an einem Ort

Projektbasiert

Kompakte Fokussierung auf die Forschung, Modell passend zu kumulativen Promotionen Räumliche Distanz, Doppelbelastung während Praxisphasen Täglicher Wechsel zw. Forschung und Praxis Evtl. mangelnde Rücksicht auf Forschungszeit

Projektbasiert

Kurz

Mittel

Zeitdruck auf 1 bis max. 3 Jahre Weitere zeitliche Bindung an die Unternehmensberatung

Unerheblich

100 %

Leave-Modell 1 bis 3 Jahre fortlaufend Forschung

Wochenmodell Wöchentlicher Rhythmus über 3 bis 5 Jahre 50 %

Blockmodell Etwa 4-monatiger Rhythmus über 3 bis 5 Jahre 50 %

Tab. 4.1  Modelle der berufsbegleitenden Promotion im Vergleich. (Quelle: eigene Übersicht)

Unsichere Beschäftigungssituation Fehlende Synergieeffekte zw. Theorie und Praxis

Je nach Set-up, eher unerheblich Maximale Freiheit und Unabhängigkeit

Je nach Set-up, eher mittel

Je nach Set-up, ca. 50 %

Freie Promotion Je nach Set-up, z. B. semesterweise

4.2  Das Blockmodell 51

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

4.2.1 Zeiträume des Blockmodells Die Dauer der Zeiträume kann in der Regel nicht vom Promovierenden selbst gewählt werden, sondern hängt von der konkreten Stelle im Unternehmen und den Vorstellungen der Doktoreltern ab. Als Richtwert können jedoch Blockphasen von je vier bis sechs Monaten erwogen werden. Längere oder kürzere Phasen sollten aus folgenden Gründen vermieden werden: Bei unter vier Monaten ist das Verhältnis von der Einarbeitungsphase zur „Produktivphase“ meist zu gering und involviert, gerade bei Ortswechsel, zu viele Umstellungen. So hat man beispielsweise über einen vierjährigen Promotionszeitraum 16 3-Monats-Phasen (acht im Unternehmen, acht am Lehrstuhl) und muss insgesamt 15 Mal zwischen den beiden Welten wechseln. Dies kann unter Umständen Sinn machen, wenn die Arbeit quartalsweise abhängig ist und beispielsweise immer im 1. und 3. Quartal eines Jahres mehr Arbeit anfällt (z. B. bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für den Jahres- oder Halbjahresabschluss) und eine Praxisphase erlaubt. Dazu ein weiteres Praxisbeispiel: Beispiel

Ein Unternehmen startete mit einer 3-monatigen Blockphase, wechselte dann jedoch auf einen 4-monatigen Rhythmus. Der Promovierende und das Unternehmen hatten festgestellt, dass die Einarbeitungen, sowohl im Unternehmen als auch während der Theoriephasen am Lehrstuhl, einfach zu lange dauerten und sich für beide Seiten nicht rechneten. Der 4-monatige Rhythmus wurde bis zum Ende der Promotion beibehalten. ◄ Bei über sechs Monaten sind die Abwesenheitsphasen vom Unternehmen, aber auch vom Lehrstuhl zu lange. Halten Sie sich vor Augen, dass Sie in diesem Fall sechs Monate lang abends und parallel zur Arbeit im Unternehmen promovieren müssen, ohne Zeiten am Lehrstuhl, die eine Art Ausgleich zu dieser Doppelbelastung darstellen. Dies ist aus eigener Erfahrung über eine so lange Blockphase nicht effizient zu schaffen. Ferner ist oft auch eine Abwesenheit vom Unternehmen über sechs Monate, je nach Branche, eine sehr lange Zeit, in welcher sich die Arbeitswelt schon deutlich weitergedreht hat. Möglicherweise ist die Personalfluktuation über diesen Zeitraum so hoch, dass man die erste Zeit zunächst damit verbringt, die neuen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen. Beispiel

Ein anderes Beispiel beschreibt einen berufsbegleitend Promovierenden in einer Unternehmensberatung, der aus Projektgründen einen ca. 6-monatigen

4.2  Das Blockmodell

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Blockrhythmus hat. Es zeigte sich, dass dies, zumindest in Kombination mit einer Unternehmensberatung, sehr herausfordernd ist und das obere Ende der Zeitskala darstellt. ◄ Außerdem gibt es in der Volkswirtschaftslehre das Prinzip des positiven, aber abnehmenden Grenznutzens, welches hier angewendet werden kann. Eine Promotionsphase von ca. vier Monaten ist ein guter Zeitraum, eine Literaturanalyse durchzuführen oder eine Studie zu planen und zu pilotieren. Jede weitere Woche ist zwar ebenfalls hilfreich für das Promotionsprojekt (positiver Grenznutzen), jedoch weniger hilfreich als die ersten Wochen der Promotionsphase (abnehmender Grenznutzen). Daher ist es insgesamt effektiver, die Wochen über den 4. oder 5. Monat hinaus später nehmen zu können. Wenn man dieses Prinzip gegen die Einarbeitungskosten abwägt, so landet man schlussendlich bei vier bis sechs Monaten Phasenlänge. Wichtig ist vor allem, dass man während der Theoriephasen des Blockmodells von der Arbeit im Unternehmen gänzlich entbunden ist. Sonst fallen viele der Vorteile weg, die dieses Set-up besitzt. Dies ist nicht selbstverständlich, daher sollten sich alle Parteien bereits vor Beginn des Modells darauf verständigen. Später wird der Druck groß sein, bei Ausfällen aufgrund von Krankheit oder Elternzeit auf die vermeintlich freie Ressource des Promovierenden zurückgreifen zu wollen. Eine Promotion kann jedoch als großes Projekt angesehen werden, welches langfristige Planungssicherheit benötigt, um in handhabbare Einzelteile zerlegt zu werden. Ein Herausreißen des Promovierenden wäre hier kontraproduktiv.

4.2.2 Beispielhafte Woche im Blockmodell Eine exemplarische Woche im Blockmodell kann etwa wie folgt ablaufen: Jeden Morgen bietet es sich an, ein bis zwei Stunden lang Artikel (Paper) aus Fachzeitschriften zu lesen. Der Kopf ist noch frisch und regelmäßiges Lesen wird ab dem zweiten Jahr der Promotionszeit oft vernachlässigt. Dabei ist es wichtig, immer auf dem neuesten Stand der Literatur zu sein. Dann hängt der Wochenverlauf davon ab, in welcher Phase der Forschung man sich befindet. Den Rest des Vormittags kann man sich beispielsweise der Datenauswertung oder der Hintergrundlektüre zu statistischen Verfahren widmen, wenn man bereits Daten erhoben hat. Es macht Sinn, diese Tätigkeit auf mehrere Tage zu verteilen, da man sich bei einer Hürde (z. B. Fehler im Code oder statistischer Test, der nicht ausgeführt wird) nicht versteift, sondern am Folgetag mit neuem Blick schneller zu einer Lösung gelangt. Nach der Mittagspause stehen dann regelmäßig Treffen mit Bachelor- oder ­Masteranden an, sofern Abschlussarbeiten betreut werden. Zwar arbeiten diese selbstständig, jedoch

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

sind regelmäßige Statusupdates ratsam, damit diese nicht „in die falsche Richtung laufen“ und auch eigene Fragen adressieren können. Von einer engen Betreuung, die nicht ins Mikromanagement geht, profitieren sowohl der Promovierende als auch die betreuten Studierenden. Ein- bis zweimal wöchentlich stehen Teambesprechungen mit dem Lehrstuhlteam an, in denen beispielsweise Ergebnisse vorgestellt oder neue Forschungsideen besprochen werden. Diese sind sehr wertvoll, da die Doktoreltern, erfahrenere Promovierende oder Postdocs bei Hürden oder Weggabelungen weiterhelfen können. Nicht zuletzt muss während des restlichen Tages auch geschrieben werden. Auch beim Schreiben lassen sich Blockaden nicht durch zwanghaftes Probieren auflösen, sondern dadurch, die Sache zunächst ruhen zu lassen und mit frischem Kopf wieder anzugehen. Grundsätzlich hat man während der Promotionsphasen im Blockmodell praktisch eine ganze 40-Stunden-Woche Zeit für die Forschung, die möglichst effizient genutzt werden sollte. Meist hat man mehrere parallel laufende „Projekte“, sodass man bei einer Studie beispielsweise in der Phase der Literatursuche ist, bei der nächsten bereits die Daten gesammelt hat und auswerten muss und bei der dritten bereits eine Version im Entwurf geschrieben hat, die nun überarbeitet und eingereicht werden muss. So lässt sich eine ausgewogene Woche gestalten, in der die Zeit maximal effizient genutzt wird. Der Vorteil des externen Promovierenden ist hierbei natürlich, dass dieser sich die Zeit frei nach eigenen Produktivitätsleveln einteilen und beispielsweise früh morgens anfangen oder bis spät in die Abendstunden arbeiten kann. Im Gegensatz dazu sind die Tage von Promovierenden mit einer Anstellung an einer Universität durch den Lehrbetrieb bereits weitgehend festgelegt: Vorlesungszeiten richten sich oft nach der Raumplanung, eine Sprechstunde muss angeboten werden und auch etwaige Termine mit der Universitätsverwaltung richten sich nicht nach den eigenen Forschungsplänen. So muss die Forschung um diese festgelegten Stunden herum geplant werden und man muss berücksichtigen, dass nach einem anstrengenden Seminar meist keine Konzentration zum Lesen von Artikeln in Fachzeitschriften mehr vorhanden ist. Lediglich in der vorlesungsfreien Zeit können auch Promovierende mit einer Anstellung ein ähnliches Wochen-Set-up verfolgen, sofern sie in dieser Zeit nicht im Urlaub sind oder Klausuren korrigieren müssen. Nicht selten machen an einer Universität angestellte Promovierende daher während der vorlesungsfreien Zeit den meisten Fortschritt bei ihrer Forschung. Dafür sieht die beispielhafte Woche von berufsbegleitend Promovierenden während der Praxisphasen deutlich eingeschränkter aus: Zunächst sind mehr als 40  Stunden (zuzüglich Mittagspause) bereits durch die Berufstätigkeit geblockt. Hinzu kommen mehrere Stunden Pendelzeit (je nach Wohnlage) pro Woche, die auch für die Forschung genutzt werden sollten. Abends ist das Lesen von Papers

4.2  Das Blockmodell

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dann meist nicht mehr möglich (daher ist es so wichtig, dies in den regelmäßigen Alltag während der Theoriephase einzubauen), sodass nur die Datenauswertung oder die Experimentplanung bleibt. Diese muss jedoch in sehr kleine Schritte unterteilt werden, da man sich am Abend meist nicht mehr als zwei Mal die Woche für je zwei Stunden konzentrieren kann. Der Urlaub ist im Blockmodell gleichmäßig auf Forschungs- und Praxisphasen aufzuteilen, auch wenn es für den Promovierenden natürlich besser wäre, möglichst viel Urlaub während der Praxisphasen zu nehmen. Besonders gegen Ende der Promotion müssen viele Urlaubstage für die Finalisierung der Doktorarbeit aufgewendet werden.

4.2.3 Vor- und Nachteile des Blockmodells Vorweg sei nochmals betont, dass jedes berufsbegleitende Promotionsmodell Vorund Nachteile mit sich bringt. Das Blockmodell hat den Vorteil, dass der Promovierende sich über einen drei- bis viermonatigen Zeitraum hinweg konzentriert mit dem Thema auseinandersetzen kann. Besonders bei einer kumulativen Promotion (s. Abschn. 5.1.2) ist dies ein guter Zeitraum, um ein Experimentaldesign zu entwickeln und zu implementieren, dessen Daten dann während der nächsten Praxisphase ausgewertet werden können. Durch die festgelegten Zeiträume ergibt sich auch schnell eine Struktur, die zu Beginn des folgenden Kap.  5 kurz dargestellt wird. Ferner gilt für alle berufsbegleitenden Modelle, dass der Promovierende bereits Arbeitserfahrung sammelt und in die Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung einzahlt. Damit gleichen sich einige der Nachteile aus, welche aus einer Promotion auf Stipendienbasis entstehen. Der große Nachteil des Blockmodells ist, dass der Promovierende über einen drei- bis viermonatigen Zeitraum hinweg im Unternehmen eingebunden ist und die Beschäftigung mit dem Thema über einen so langen Zeitraum nicht ausbleiben kann. Daher sind lange Abende und Wochenenden für die Promotion freizuhalten, was über den Zeitraum von drei bis fünf Jahren eine enorme körperliche und psychische Belastung darstellt. Allerdings diszipliniert der Rhythmus durch die knapp bemessene Zeit, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Es ist enorm wichtig, die Belastung im Blick zu behalten und sich nicht zu überfordern. Berufsbegleitend Promovierende stehen unter einem noch größeren Zeitdruck als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Stelle an einer Universität, da sie vollständig vom Unternehmen bezahlt werden, welches i. d. R. einen zügigen Abschluss erwartet. Gleichzeitig haben alle Promovierenden

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

den Vorteil, dass sich ihre geleistete Arbeit praktisch direkt in Fortschritten der Forschung niederschlägt. Geht man davon aus, dass ein annähernd (negativ) linearer Zusammenhang zwischen abgeleisteten Stunden und Tagen bis zur Finalisierung der Doktorarbeit besteht, so kann die Versuchung groß sein, möglichst früh, möglichst viele Überstunden zu machen, um die Promotionszeit vermeintlich zu verkürzen. Dabei wird oft die Gesundheit vernachlässigt. Daher ist es für berufsbegleitend Promovierende umso wichtiger, Selbstfürsorge zu betreiben und mit einer aktiven Freizeitgestaltung für Abwechslung und Ausgleich zu sorgen. Mangelnder Ausgleich kann zu einem Teufelskreis führen, durch den sich die Forschungstätigkeit verschlechtert, was wiederum zu mehr Stress und Verunsicherung führen kann. Passen Sie daher immer auf sich und Ihre Mitpromovierenden auf! Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Sie in jeder freien Minute das Gefühl haben werden, jetzt eigentlich etwas für die Forschung tun zu müssen. Aus Sicht des Arbeitgebers (auch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin) bietet sich das Blockmodell vor allem an, wenn die Person in Projektarbeit und nicht in eine klassische Linientätigkeit eingebunden ist. So kann der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin  einfach in ein Projekt ein- und ausgephast werden. Das Modell ist ebenfalls vorzuziehen, wenn der Arbeitgeber und der Lehrstuhl örtlich weit ausei­ nanderliegen. Eine Lohnfortzahlung, auch in Zeiten der Abwesenheit vom Unterneh­ men, ist analog zum dualen Studium notwendig. Dabei sollte die Forschungszeit des Promovierenden für das Unternehmen als Fortbildungszeit angesehen werden. Eine Schwierigkeit sind abschließend noch die wissenschaftlichen Konferenzen (mehr zu wissenschaftlichen Konferenzen in Abschn. 5.8.1 f.). Erstens ist nicht von Anfang an geregelt, wer die Kosten für die Teilnahmegebühr, das Hotel und den Flug übernimmt, da sowohl der Lehrstuhl als auch das Unternehmen theoretisch infrage kommen. Zweitens stellt sich die Schwierigkeit, während der Praxisphasen, in welchen das Unternehmen mit dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin plant, an Konferenzen teilzunehmen. Ein Mittelweg kann sein, dass die Kosten durch das Unternehmen, den Lehrstuhl und den Promovierenden geteilt werden und für Konferenzen während der Praxisphasen zumindest teilweise Urlaub genommen werden muss. Allgemein gilt jedoch: Es können schlicht nicht für alle Fälle (längere Krankheit, Elternzeit, Fortbildungen etc.) Vorkehrungen getroffen werden, sodass immer eine gewisse Bereitschaft bei allen Beteiligten notwendig ist, akzeptable und faire Lösungen zu finden. Bei einer festen Promotionsstelle am Lehrstuhl oder bei der Promotion auf Stipendienbasis sind diese Fälle besser geregelt. Abschließend noch ein Beispiel zu meiner eigenen Promotion im Blockmodell:

4.2  Das Blockmodell

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Beispiel

Ich selbst habe im Blockmodell promoviert. Meine Universität war das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), mein Arbeitgeber war ein Unternehmen in der Finanz-/Versicherungswirtschaft in Frankfurt am Main. Ich habe alle vier Monate zwischen Frankfurt und Karlsruhe gewechselt und bin auch jedes Mal umgezogen (was für den Aufbau eines Lebensmittelpunktes nicht zu empfehlen ist). In Frankfurt war ich immer in Projekten eingesetzt, aus denen ich ein- und ausgephast werden konnte. Ich konnte (und musste) mir mein Promotionsthema ziemlich frei suchen. Begrenzt wurde der Themenhorizont nur durch den Unternehmenskontext sowie durch die Themen, Kontexte und Methoden, die am Lehrstuhl bereits schwerpunktmäßig vertreten waren. Inspiriert wurde mein Thema jedoch durch praktische Herausforderungen, die ich in der Finanz-/Versicherungswirtschaft beobachtete, sodass ich meine ersten beiden (von vier) Studien auch in diesem Kontext durchführte. Nach mehreren Jahren und gegen Ende der Promotion wechselte ich den Arbeitgeber nochmals und verteidigte die Arbeit während meines („Erholungs“-)Urlaubs. Im Rahmen meiner Promotion sind eine Reihe von Publikationen entstanden (Hummel et al. 2016; Hummel et al. 2017a; Hummel et al. 2017b; Hummel et al. 2018a; Hummel et al. 2018b; Hummel und Maedche 2019; Ingendahl et al. 2020). Rückblickend war es eine sehr spannende und intensive Zeit, die ich definitiv weiterempfehlen kann. Eine zweite Promotion (Abschn. 3.6) oder eine Habilitation schloss ich aber für mich aus und verfolge auch keine wissenschaftliche Karriere (Abschn. 6.1.2) mehr. ◄

4.2.4 Tipps zum effizienten Arbeiten im Blockmodell Ein paar Tipps sind bereits gefallen, wie das Blockmodell maximal effizient ausgenutzt werden kann. Abschließend fasse ich diese hier noch mal zusammen und erweitere sie: • Die Blockphasen sollten zwischen vier und sechs Monaten dauern. • Unternehmen Sie unterschiedliche inhaltliche Tätigkeiten an einem Tag zur Abwechslung und zur Auflösung von Denkblockaden. • Setzen Sie sich vor jeder Forschungsphase konkrete Ziele, welche Sie erreichen möchten. Idealerweise setzen Sie sich auch Wochenziele, um den Fortschritt nachverfolgen zu können. • Schnüren Sie Arbeitspakete so, dass während der eigenen Abwesenheit vom Lehrstuhl Paper im Reviewprozess sind (mehr dazu in Abschn. 5.8).

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

• Behalten Sie die eigene Belastung im Blick und planen Sie, insbesondere während der Praxisphasen, ausreichend mentale Auszeiten ein, in denen Sie keinerlei Forschungstätigkeit nachgehen. • Arbeiten Sie mit Co-Autorinnen und -Autoren zusammen, welche in Vollzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt sind. In Praxisphasen können Sie abends an einem Paper arbeiten, dies der anderen Person schicken, die wiederum tagsüber daran weiterarbeitet. So können Sie sich immer die Bälle (bzw. das Paper) zuspielen. Während der Praxisphase kann die andere Person schwerpunktmäßig mehr Zeit investieren und während der Promotionsphase Sie.

4.3

Das Wochenmodell

Neben dem Blockmodell gibt es auch noch das sogenannte Wochenmodell. Dieses entspricht vereinfacht gesagt einem Blockmodell mit Wechseln in jeder Woche. Typischerweise werden abwechselnd zwei bis drei Tage pro Woche im Unternehmen verbracht und die restliche Zeit am Lehrstuhl. In der Folgewoche dreht sich die Anzahl der Tage dann um, sodass langfristig 50 % der Zeit im Unternehmen und 50 % der Zeit am Lehrstuhl verbracht wird. Meist dient der Freitag als „Wechseltag“. Es ist auch möglich, Buch zu führen und dann einen definierten Zeitraum lang weniger Arbeitstage (weniger als zwei sollten es jedoch nicht sein) am Lehrstuhl oder im Unternehmen zu sein. Entsprechende Tage werden dann, z. B. während der etwas ruhigeren Sommermonate mit entsprechend mehr Tagen am Lehrstuhl (bzw. im Unternehmen) ausgeglichen. Theoretisch könnten sich die Tage in einer Woche abwechseln (Montag im Unternehmen, Dienstag am Lehrstuhl, Mittwoch im Unternehmen usw.). Ich rate jedoch zu Blöcken von zwei bis drei Tagen am Stück aufgrund der besseren Möglichkeiten zu planen sowie der bereits im Blockmodell beschriebenen „Startkosten“. Warum ein 50/50-Ansatz (trotz möglicher Gehaltseinbußen) für Promovierende erstrebenswerter ist als ein 80 (Unternehmen)/20 (Lehrstuhl), verdeutlicht folgendes Beispiel: Beispiel

Ein berufsbegleitend Promovierender war für 80 % (vier Tage die Woche) in einer Unternehmensberatung angestellt und hatte einen Tag die Woche für die Forschung (Wochenmodell). Das Unternehmen und der Lehrstuhl waren ­personell verbunden. De facto arbeitete der Promovierende aufgrund von Hochphasen im Projekt aber deutlich mehr für das Unternehmen und musste die For-

4.3  Das Wochenmodell

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schung zunehmend auf das Wochenende oder die Abendstunden verlegen. Hinzu kam, dass man an einem Tag in der Woche immer wieder die „Startkosten“ hat, um sich neu in das Thema einzudenken. Nach einem Jahr wechselte die Person auf eine Vollzeitstelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität und beendete die Promotion ganz regulär. ◄ Ich hatte mit der Person nicht besprochen, auf wie viele Jahre das Programm angelegt war, aber sicher kann man sich auf mindestens fünf Jahre einstellen, wenn man effizient arbeitet. Jeder muss für sich abwägen, ob einem die Forschung oder der Doktortitel über einen so langen Zeitraum die Doppelbelastung wert ist. Im Gegensatz zum Blockmodell bietet das Wochenmodell eine fortlaufende Beschäftigung mit dem Thema. Eine Tätigkeit an Wochenenden bleibt in diesem Modell für Promovierende zwar auch nicht aus, sie ist jedoch nicht so zwingend, wie eine drei- bis viermonatige Abwesenheit vom Lehrstuhl. Auch auf die Teamdynamik wirkt sich eine fortlaufende Anwesenheit am Lehrstuhl sowie im Unternehmen positiver aus. Bei durchgehender Präsenz vor Ort kann man an allen lehrstuhlrelevanten Veranstaltungen (wie Disputationen, Antrittsvorlesungen, Teamevents, lokale Konferenzen etc.) teilnehmen. Ein Nachteil des Wochenmodells ist hingegen, dass man auch während der Lehrstuhltage von beruflichen Terminen in Anspruch genommen wird, Calls führen muss oder unaufschiebbare Fristen hat. Im Gegenzug hat man während der Tage im Unternehmen eher selten Zeit, wissenschaftliche Artikel zu lesen oder sich anderen Aspekten der Promotion zu widmen. Konträr zum Blockmodell bietet sich diese Tätigkeit an, wenn die Person in eine reguläre Linientätigkeit eingebunden ist, die eine wöchentliche Anwesenheit erfordert. Darunter kann alles gefasst werden, was wiederkehrende Tätigkeiten (z. B. Berichtspflichten) oder sonstige vorhersehbare Aufgaben umfasst. Explizit nicht darunter fällt Projektarbeit, die in der Regel weder wiederkehrend noch vorhersehbar ist. Generell gilt zudem, dass das Forschungsthema und die Tätigkeit im Unternehmen idealerweise eng verzahnt sind, sodass mental keine tägliche Umstellung stattfinden muss. Das Wochenmodell ist jedoch nur möglich, wenn der Arbeitgeber und der Lehrstuhl räumlich nah beieinander liegen, da sonst der Zeitverlust durch das Pendeln zu hoch ist. Mir ist auch ein Beispiel aus diesem Bereich bekannt: Beispiel

Eine Person hat eine Stelle im Wochenmodell ausgeübt. Bei diesem lagen der Arbeitgeber und die Universität rund 100  km voneinander entfernt. Zudem führten die 100 km durch ein Ballungsgebiet, welches morgens und abends weder mit Auto noch mit Bahn leicht zu durchqueren war. Die Person entschied

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

sich, in die Nähe des Arbeitgebers zu ziehen, sodass sie zwei bis drei Mal die Woche zwei Stunden pro Weg zum Lehrstuhl brauchte. Die Idee war, bereits in der Bahn wissenschaftliche Artikel lesen und sich so Zeit sparen zu können. Dies hat jedoch aufgrund von Störungen im Betriebsablauf der Deutschen Bahn und der Notwendigkeit, auf der Hälfte der Strecke umzusteigen, nicht so reibungslos funktioniert. Die betreffende Person hat das Promotionsmodell in diesem Set-up nicht zu Ende geführt, sondern ist auf eine feste Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität gewechselt. ◄ Es ist leicht vorstellbar, dass eine konzentrierte Arbeit auf die Promotion unter den oben beschriebenen Umständen deutlich erschwert ist. Selbst wenn die Person in die Mitte zwischen Arbeitgeber und Universität gezogen wäre, hätte sie jeden Tag rund eine Stunde pro Strecke benötigt, was in der Summe über die Woche wohl auf einen ähnlichen Zeitaufwand hinausgelaufen wäre. Obwohl dies ein Extrembeispiel ist, das mir in der Form danach nicht mehr begegnet ist, verstehen Sie vielleicht jetzt auch ein paar der Fragen aus dem eingangs präsentierten Selbsttest besser. Daher kann an dieser Stelle nochmals festgehalten werden, dass ein Promovierender sich das Modell meist nicht aussuchen kann. Im Gegenteil: Es entscheiden oft alleine die regionale Verteilung von Arbeitgeber und Lehrstuhl sowie die Einteilung in Projektarbeit oder Linientätigkeit, welches Modell zu bevorzugen ist (Tab. 4.2). Bei der Kombination aus räumlicher Nähe und Projektarbeit sind beide Modelle möglich. Hier ist die konkrete Ausgestaltung des Projekts entscheidend. Projektarbeit und weite Entfernung sprechen klar für das Block- oder Leave-Modell, ­während Linientätigkeit und räumliche Nähe klar für das Wochenmodell stehen. Bei hoher

Tab. 4.2  Berufsbegleitendes Promotionsmodell nach Entfernung und Art der Tätigkeit. (Quelle: eigene Übersicht)

Art der Arbeit im Unternehmen

Entfernung zwischen Universität und Unternehmen Nah Fern Blockmodell oder Projektarbeit Block- oder Leave-Modell Wochenmodell möglich Linientätigkeit Wochenmodell Leave-Modell (s. Abschn. 4.4) oder freie Promotion (s. Abschn. 4.6)

4.4 Leave-Modell

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räumlicher Entfernung und Linientätigkeit sollte eher ein Leave-Modell in Betracht gezogen werden, welches im nachfolgenden Abschnitt beschrieben wird.

4.4

Leave-Modell

4.4.1 Überblick Ein Sondermodell bieten große internationale Unternehmensberatungen an. Dabei muss die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter zunächst zwei Jahre bei dem Unternehmen angestellt sein und regulär auf Beratungsprojekten beim Kunden arbeiten. Die Unternehmensberatung Bain & Company schreibt beispielsweise auf ihrer Webseite dazu: Beispiel

Unser „Associate-Consultant-Programm“ ermöglicht es Ihnen, sich akademisch weiterzuentwickeln. Dafür stellen wir Sie für ein bis zwei Jahre von der Arbeit frei und unterstützen Sie finanziell (Bain und Company 2020). ◄ Danach folgt eine ein- bis dreijährige Freistellungsphase, in welcher geforscht und die Dissertation angefertigt werden kann. Im Gegenzug verpflichtet sich die Person, (meist zwei) weitere Jahre bei der Beratung zu arbeiten oder das während des Leaves erhaltene Geld anteilig zurückzuzahlen. Die Finanzierung ist dabei über die zwei Jahre Freistellung durch die Unternehmensberatung gesichert. Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter muss sich jedoch eigenständig Doktoreltern und ein Thema suchen. Die Unternehmensberatungen verfügen über ein gutes Netzwerk und können bei der Vermittlung passender Doktoreltern unterstützen. Nicht ohne Zufall häufen sich daher Promovierende von bestimmten Unternehmensberatungen an wenigen ausgewählten Lehrstühlen. Zeitmäßig erscheinen zwei Jahre zunächst sehr kurz verglichen mit der in Kap. 2 dargestellten Promotionszeit von vier bis fünf Jahren. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass externe Promovierende in der Regel keine Lehrverpflichtungen haben, welche grob geschätzt 50 % der Zeit eines angestellten Promovierenden in Anspruch nehmen. Zudem finden die grobe Themenfindung und -absprache, bei guter Planung, meist im zweiten Berufsjahr bei der Unternehmensberatung statt. So kann direkt zu Beginn der Freistellung mit der Forschung begonnen werden. Selbst wenn die Promotion nicht in den zwei Jahren fertiggestellt wird, kann die eigentliche Doktorarbeit am Ende noch b­ erufsbegleitend fertig geschrieben werden. In jedem Fall ist das Leave-Modell jedoch eine organisatorische Herausforderung und arbeitszeitlich meist mehr als eine 40-­Stunden-Woche.

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

Beispiel

Ein konkretes Beispiel des Leave- oder Fellowship-Programms bietet McKinsey in einem Podcast (McKinsey und Company 2020), bei dem Anna zu ihrer Promotion in Betriebswirtschaftslehre im Leave interviewt wird. Formale Vo­ raussetzungen für die Teilnahme sind ein abgeschlossenes Masterstudium (andernfalls muss man im Leave wahrscheinlich einen Master machen) sowie weniger als drei Jahre Berufserfahrung. Man muss außerdem bereits zwei Jahre bei McKinsey auf Projekten gearbeitet haben, bevor man eine ein- bis dreijährige Auszeit für eine Promotion, einen MBA oder ein soziales Projekt nehmen kann. Das erste Jahr ist dabei durchfinanziert und man ist die ganze Zeit über bei McKinsey angestellt. Die Interviewte hat sich unabhängig von McKinsey einen Lehrstuhl gesucht und betont mehrfach, dass man sehr frei in seiner Wahl sei. Sie hat an der TU Dortmund begonnen und ist mit ihrem Doktorvater an die Universität Düsseldorf gewechselt. In der Zeit des Leave kann man auch weiter die (Office-)Infrastruktur der Unternehmensberatung nutzen und auch weiter an internen Themen oder Berichten mitarbeiten. Ferner gibt es regelmäßige Kolloquien mit anderen freigestellten, promovierenden Beratern. Es gibt unternehmensseitig keine Vorgaben, wie viel Zeit man am Lehrstuhl verbringen muss. Nach dem abgeschlossenen Leave kehrt man zu McKinsey zurück und wird wieder regulär in der Klientenarbeit eingesetzt. Zudem wird man um eine Stufe befördert. Zusammenfassend beschreibt sie es als „bezahlte Auszeit mit Verpflichtung“ (McKinsey und Company 2020). ◄ Auch Boston Consulting Group (BCG) hat ein entsprechendes Programm für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Beispiel

„Das Scholarship-Programm von BCG bietet Consultants die Möglichkeit, sich akademisch weiterzubilden. Die Teilnehmer können während einer ein- oder zweijährigen Freistellung einen MBA, einen anderen Master oder eine Promotion absolvieren. BCG hilft bei der Suche nach einem passenden Lehrstuhl, stellt technisches Equipment, begleitet den Prozess und unterstützt die Programm-Teilnehmer finanziell“ (Quelle: von BCG bereitgestellte Informationen). ◄ Für Doktoreltern sind Promovierende des Leave-Modells Fluch und Segen zugleich. Daher betreuen nicht alle Doktoreltern Promovierende im Leave. Einerseits sind diese extern finanziert und stellen zusätzliche Ressourcen dar, welche die Publikationsliste des Lehrstuhls erhöhen und auch mögliche Drittmittel einbringen

4.4 Leave-Modell

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können. Zudem haben diese Promovierenden über das Beratungsunternehmen Zugang zu einem breiten Netzwerk, welches beispielsweise im Rahmen einer quantitativen oder qualitativen Datenerhebung genutzt werden könnte. Darüber hinaus streben diese Promovierenden in Zukunft Führungspositionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft an und sind für den Aufbau eines breiten Netzwerks der Doktoreltern wertvoll. Andererseits dient das Interesse jener Promovierenden (sowie der finanzierenden Unternehmensberatung) meist weniger dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn als vielmehr einer schnellen Erreichung des Doktortitels. Dies kann, muss jedoch nicht, dazu führen, dass ganz pragmatisch lediglich die Minimalanforderungen einer Promotion angestrebt werden. Hier noch ein weiteres Beispiel der Unternehmensberatung Horváth & Partners: Beispiel

„Horváth & Partners fördert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei deren akademischer Weiterqualifizierung. Im Rahmen des Scholarship-Programms unterstützt Horváth & Partners betriebswirtschaftliche Masterstudiengänge, MBA-Programme sowie Promotionsvorhaben. Kriterien für die Aufnahme in das Scholarship Promotions-Programm sind u. a. mindestens zwei Jahre Unternehmenszugehörigkeit sowie ein fachlich wie auch persönlich hohes Entwicklungspotenzial. Inhaltlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frei in der Wahl des Promotionsvorhabens unter Berücksichtigung der Innovationsinteressen von Horváth & Partners. Mit ihren Wurzeln in der Wissenschaft hat Horváth & Partners zahlreiche Verbindungen in die akademische Welt und bietet damit zahlreiche Kontaktmöglichkeiten zu Hochschulen, Lehrstühlen und Professoren. Grundsätzlich steht es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aber frei, sich unabhängig einen Lehrstuhl der eigenen Wahl zu suchen. Um auch den nötigen Freiraum für die zwei- bis drei-jährige Promotion zu schaffen, unterstützt Horváth & Partners neben einer finanziellen Förderung auch durch zeitliche Freiräume, wie beispielsweise unterschiedliche Teilzeitmodelle bis hin zu Auszeitmodellen“ (Quelle: von Horváth & Partners bereitgestellte Informationen). ◄ Insgesamt bietet dieses Beispiel also ähnliche Konditionen, da man ebenfalls zunächst mindestens zwei Jahre für das Unternehmen tätig sein muss, dann jedoch zwei bis drei Jahre für eine Promotion freigestellt wird. Der Unterschied scheint eine größere Flexibilität in den verschiedenen Modellen von Teil- und Auszeit zu sein.

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

4.4.2 Wertung des Leave-Modells Das Leave-Modell ist durchaus Kritik ausgesetzt. So vermuten manche, dass nicht die Forschung oder der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn im Vordergrund steht, sondern der Doktortitel der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters. Durch diesen kann die Unternehmensberatung zukünftig einen höheren Tagessatz beim Kunden verlangen und das Programm als Instrument zur Personalgewinnung und -bindung an das Unternehmen nutzen. Auch die Tatsache, dass den interessierten Personen nur ein bis zwei Jahre zur Verfügung stehen, verdeutlicht bereits den zeitlichen Druck, dem die Person ausgesetzt ist. Was würde passieren, wenn eine Datenerhebung nicht die geplanten Ergebnisse liefert? Was, wenn das Thema aufgrund unvorhergesehener Ereignisse nochmals geändert werden muss? Folgendes hypothetisches Gedankenexperiment, erneut angelehnt an ein reales Beispiel, soll die Kritikpunkte beispielhaft verdeutlichen. Stellen Sie sich vor, eine befreundete Person würde mit folgendem Anliegen auf Sie zukommen: Eine befreundete Person von Ihnen hat bald ihr Leave bei einer Strategieberatung. Sie hat nur zwei Jahre Zeit für die Promotion und ist auf der Suche nach Lehrstühlen oder Doktoreltern, bei denen man in diesem Zeitraum promovieren kann. Die Person möchte jedoch nicht, dass es statistisch zu anspruchsvoll wird. Sie möchte also weniger empirisch, sondern vorwiegend explorativ-qualitativ forschen, indem beispielsweise ein paar Interviews ausgewertet werden. cc

Sie sind nun wieder am Zug! Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit und überlegen Sie sich, was Sie der hypothetischen Person geantwortet hätten. Wie schätzen Sie die methodische Vorgehensweise ein und welche inhaltlichen Erkenntnisse erwarten Sie? Welche Probleme oder Herausforderungen könnten übersehen werden?

Gleich mehrere Punkte können hier hervorgehoben werden: Zum einen der oben bereits angesprochene Zeitdruck. Da eine Promotion nicht immer planbar ist und Experimente nicht immer die gewünschten Ergebnisse liefern, könnte es schwierig werden, innerhalb von zwei Jahren die Promotion zu finalisieren. Zudem scheint die hypothetische Person beim methodischen Ansatz eine klare Vorstellung zu haben: qualitativ statt quantitativ sowie explorativ statt konfirmatorisch. Auf die Methodik wird in Abschn. 5.7 nochmals detailliert eingegangen. Hier sei jedoch bereits erwähnt, dass qualitative Ansätze bei berufsbegleitenden Promotionen be-

4.4 Leave-Modell

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sonders beliebt scheinen. Eine Kombination aus qualitativer und quantitativer Forschung ist jedoch nie verkehrt. Nicht zuletzt schreibt die hypothetische Person interessanterweise kein Wort über das gewünschte Thema, welches eigentlich der Hauptgrund und Hauptaugenmerk bei einem Promotionsprojekt sein sollte. Lediglich schnell und (statistisch) nicht zu anspruchsvoll soll es sein. Dabei scheint es gerade im Leave-Modell eine Häufung im Themenfeld des „Unternehmertums“ oder „Entrepreneurships“ zu geben. Bei manchen Lehrstühlen häufen sich Promovierende aus externen Unternehmensberatungen (vereinzelt sogar mehr als 60 Promovierende gleichzeitig an einem Lehrstuhl). Dies sagt letztendlich nichts über die Qualität der Forschungsarbeit aus. Man kann hervorragende Doktorarbeiten mit einer Fülle an Publikationen lesen, die diesem Modell entstammen. Jedoch liegt manchmal der erwähnte Verdacht nahe, die Anforderungen an die Qualität einer Arbeit gerade so zu erfüllen, um möglichst nach zwei Jahren mit einem Titel wieder gehen zu können. Ferner wirft die Tatsache von mehr als 60 Promovierenden gleichzeitig zumindest Fragen zur Tiefe der Betreuung durch die Doktoreltern auf. Seien Sie sich einfach bewusst, dass die meisten Personen, die im gleichen Fachbereich promoviert haben, schnell den Unterschied zwischen einer gut durchdachten und fundierten Promotion und einem „Schmalspurdoktor“ feststellen können, der nur auf den Erwerb des Doktortitels aus ist. Ferner wird man noch in mehreren Jahrzehnten weltweit Zugriff auf Ihre Arbeit und Publikationen haben können und vielleicht liest sich dann etwas unter Zeitdruck Verfasstes in einem ganz anderen Licht.

4.4.3 Das Leave-Modell in Eigenregie Eine Alternative ist das Leave-Modell in Eigenregie. Dies ist in der Organisation mit einem Sabbatical vergleichbar: Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter erhält eine gewisse Zeit lang einen geringeren Prozentsatz des Gehalts und kann dann während einer Phase der Freistellung (z. B. ein Jahr) während der Forschungszeit auf eine kleine Finanzierung zurückgreifen. Alternativ wird die Finanzierung ­privat angespart und man lässt sich vom Arbeitgeber für ein bis zwei Jahre freistellen. Dies hat gegenüber den anderen Modellen (und vor allem dem zuvor beschriebenen Leave-Modell) ein paar Nachteile, kann jedoch je nach Ausgangslage eine Möglichkeit sein, noch zum Promotionsglück zu kommen. Der wissenschaftliche Ablauf ist dann identisch zum Leave-Modell ohne Eigenregie: frühzeitig Doktoreltern finden, Thema abstimmen, Literaturrecherche etc. Auch hierzu ist mir ein Praxisbeispiel bekannt:

66

4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

Beispiel

Eine Mitarbeiterin in einem Unternehmen hat sich ihre Promotion praktisch komplett eigenständig organisiert. Sie hatte eine volle Stelle bei einem Arbeitgeber und ließ sich mehrfach für mehrere Monate (unbezahlt) freistellen, um Daten erheben oder einfach den theoretischen Teil der Arbeit fortsetzen zu können. Praktischerweise konnte sie die Stelle mit dem Promotionsthema im weitesten Sinne verbinden und so Synergieeffekte schaffen. Insgesamt dauerte ihre Promotion in diesem Modell zwar ungefähr fünf Jahre, aber sie konnte sie erfolgreich abschließen. ◄ Das Beispiel zeigt, wie eine Promotion im Leave in Eigenregie funktionieren kann. Es handelt sich dabei nicht um eine freie Promotion (s. Abschn. 4.6), da die wissenschaftliche und die praktische Tätigkeit sowohl in einem inhaltlichen als auch in einem organisatorischen Zusammenhang standen. Die Nachteile des Leave-Modells in Eigenregie liegen auf der Hand: Die Finanzierung, d. h. der Lebensunterhalt, muss über den Zeitraum eigenständig gesichert werden. Dies ist insbesondere nicht leicht, da Interessierte meist nicht direkt aus dem Studium kommen, sondern oft bereits mehrere Jahre berufstätig waren, sich einen Lebensstandard aufgebaut und eventuell schon eine Familie gegründet haben. Zudem stellt das Leave-Modell in Eigenregie noch höhere Ansprüche an die Eigenmotivation und -organisation als schon eine normale Promotion, da keinerlei (regelmäßige) Anbindung an einen Lehrstuhl besteht und auch nicht auf das Netzwerk einer Unternehmensberatung zurückgegriffen werden kann. Es fordert demnach eine hohe intrinsische Motivation und man muss für sich selbst entscheiden, ob die Einschnitte mit dem Ziel der Promotion in angemessenem Einklang stehen. Daher wird nochmals auf den Selbsttest hingewiesen, den Sie in Kap. 2 möglicherweise schon absolviert haben. Aufgrund dieser Nachteile wird das Thema des Leave-­Modells in Eigenregie nur für eine kleine Zielgruppe innerhalb der interessierten berufsbegleitend Promovierenden überhaupt infrage kommen. Abschließend werfen wir noch ein Blick auf die klassische Industriepromotion sowie die freie Promotion.

4.5

Die klassische Industriepromotion

4.5.1 Überblick und Unterschiede zu anderen Modellen Die klassische Industriepromotion wurde bereits in Abschn. 3.4 kurz erwähnt. Sie kann zwar auch als ein berufsbegleitendes Promotionsmodell angesehen werden, sie ist jedoch von den vorherigen Modellen nochmals zu unterscheiden. Insbeson-

4.5  Die klassische Industriepromotion

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dere da das Thema meist vorausgesetzt ist, bietet sie weniger Flexibilität und ist eher mit einer Tätigkeit in einem Unternehmen gleichzusetzen als mit einer klassischen Promotionsstelle. Für die Leserinnen und Leser dieses Buches ist dieses Modell daher wahrscheinlich weniger interessant, da es kaum mit bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen kombiniert werden kann und eher im naturwissenschaftlich-­ technischen und weniger im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich anzutreffen ist. Nichtsdestotrotz wird es kurz vorgestellt, auch um eine Verwechslung mit den anderen zuvor vorgestellten Modellen zu vermeiden. Bei der klassischen Industriepromotion laufen viele Dinge ähnlich ab zu den anderen berufsbegleitenden Modellen: Man ist an einen Lehrstuhl gebunden, forscht an einem Thema, wird von Doktoreltern betreut, veröffentlicht Artikel und schließt so nach mehreren Jahren die Promotion ab. Entscheidender Unterschied ist dabei jedoch: Man sucht sich sein Thema nicht komplett selbst, sondern arbeitet oft an einer konkreten Fragestellung, welche in weiten Teilen bereits feststeht (Becker 2016). Die Themensuche entfällt somit weitgehend und man kann direkt mit der Literaturrecherche oder methodischen Vertiefung beginnen. Denn oft haben die Doktoreltern das Projekt mit einem Unternehmen „an Land gezogen“ und man arbeitet mehr oder weniger für und mit diesem speziellen Unternehmen. Es könnte sich dabei z. B. um Forschung in Materialwissenschaften handeln, bei der ein Autohersteller auf der Suche nach leichteren und stabileren Materialien für die Rahmen von Autotüren ist. Zwar kann es auch Sinn machen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung an derartigen Themen forschen zu lassen. Manchmal ist es aus unternehmerischer Perspektive jedoch besser, Forschung, die nicht zum Kernbereich des Geschäftsmodells gehört, in Form von Forschungsprojekten outzusourcen. Eine ähnliche Form der Industriepromotion ist das genau entgegengesetzte Set-up: Der Promovierende ist in der Forschungsabteilung des Unternehmens angestellt, in welcher auch die Forschung stattfindet. An einen Lehrstuhl ist der Promovierende lediglich lose angegliedert und verbringt auch physisch die meiste Zeit im Unternehmen. Diese Form spiegelt sich auch in anderen Quellen  wider (Becker 2016), jedoch haben die meisten mir bekannten Beispiele eine engere Anbindung an den Lehrstuhl und die Promovierenden verbringen dort auch mindestens die Hälfte der Zeit. Für den nachfolgenden Ablauf sowie die eben beschriebene Vorgehensweise bei der genaueren Themenfindung macht dies aber keinen Unterschied. Abzugrenzen ist die klassische Industriepromotion von anderen Formen der berufsbegleitenden Promotion jedoch insbesondere durch die enge Themenfestlegung (andere berufsbegleitende Promotionen geben hier lediglich den groben Rahmen vor), die Anstellung an einer Universität und nicht bei einem Unternehmen sowie die Vertraulichkeit der Forschungsergebnisse.

68

4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

4.5.2 Ablauf Für den Promovierenden macht das Modell zunächst keinen Unterschied. Die Forschungsfrage steht in weiten Teilen bereits, sodass zügig mit der Literaturrecherche begonnen werden kann, um die bereits erforschten Aspekte des Themenkomplexes auszuklammern. Dann werden, analog zu jeder anderen Promotion, mehrere Studien oder Experimente durchgeführt, die Daten analysiert und bewertet und in eine schriftliche Ausarbeitung gegossen. Ein großer Unterschied taucht erst wieder bei der Publikation auf, da die gewonnenen Daten meist nur dem auftraggebenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Dadurch entsteht für den Promovierenden das Problem, mit welchen Daten er oder sie einen Artikel füllen kann, der Chancen hat, bei einer Fachzeitschrift angenommen zu werden. Eine Möglichkeit ist dabei, die Hauptdaten, für die sich das Unternehmen interessiert, aufgrund etwaiger Vertraulichkeitsvereinbarungen außen vor zu lassen und stattdessen mit Daten zu Neben- oder Teilaspekten, die für das Unternehmen unerheblich sind, eine Publikation zu erstellen. Vielleicht sind die daraus resultierenden Paper weniger bahnbrechend, aber Promovierende in klassischen Industriepromotionen könnten ihren Fokus dann eher auf die Karriere im Unternehmen als in der Wissenschaft legen. Nach der Promotion besteht bereits ein enger Kontakt zum Kooperationsunternehmen, sodass ein Direkteinstieg hier beiden Seiten viele Vorteile bringt: Der Promovierende kennt das Unternehmen und dessen Forschungsgebiete bereits und kann leicht abschätzen, ob ihn oder sie die Tätigkeit interessiert. Der Promovierende ist auch schon eingearbeitet und mit dem Geschäftsmodell des Unternehmens vertraut, sodass keine Zeit zum Einarbeiten benötigt wird. Einer späteren Übernahme steht so eigentlich nichts im Weg.

4.5.3 Wertung von klassischen Industriepromotionen Die klassische Industriepromotion ist meist nur in bestimmten Bereichen möglich und eher mit der Anstellung an einer Universität zu vergleichen als mit einer berufsbegleitenden Promotion. Kritikwürdig ist die Nutzung von öffentlichen Institutionen wie Universitäten für privatwirtschaftliche Zwecke, die nur einem Unternehmen und nicht der ganzen Volkswirtschaft oder Gesellschaft unmittelbar zugutekommen. Andererseits fördert das Unternehmen die kooperierenden Lehrstühle, sodass Spill-over-Effekte für andere Bereiche entstehen. Für den Promovierenden ist dies in der Regel unerheblich, da es ihm oder ihr ja vor allem um die Forschungstätigkeit, den Erkenntnisgewinn sowie den Abschluss

4.6  Die freie Promotion

69

der Promotion geht. Dazu stünde auch noch ein letztes Modell zur Verfügung, die freie Promotion.

4.6

Die freie Promotion

Die freie Promotion ist streng genommen keine richtige berufsbegleitende Promotion, da prinzipiell keine Einbindung in ein Unternehmen besteht und es damit keine institutionalisierte inhaltliche und organisatorische Verknüpfung zwischen der Promotion und der Berufstätigkeit gibt. Promovierende einer freien Promotion suchen sich Doktoreltern (deren öffentliche Mittel knapp sind und die nicht immer eine Stelle anzubieten haben) und vereinbaren ein Promotionsvorhaben, jedoch ohne eine Stelle am Lehrstuhl, in einem Unternehmen oder ein Stipendium zu erhalten. Vielmehr stellen sie die Finanzierung in eigener Verantwortung sicher, z. B. indem sie parallel in Teilzeit auf einer Stelle arbeiten, die den Lebensunterhalt sichert. Oft ist diese Form der Promotion in Geistes- oder Sozialwissenschaft anzutreffen, da in diesem Bereich die Mittel oft deutlich begrenzter sind als im wirtschafts- oder naturwissenschaftlichen Bereich mit vergleichsweise hohen Drittmitteltöpfen. Ein Vorteil ist die maximale Freiheit, die bei der Kombination der beiden Tätigkeiten entsteht, aber es ist offensichtlich, dass diese Form der Promotion erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt. Zum einen ist da die doppelte Belastung, welche durch die Promotion sowie die parallele Berufstätigkeit, ohne Freistellungsphasen, geprägt ist. Ferner ist die Lebensphase von hoher Unsicherheit geprägt und ein Verlust des Arbeitsplatzes hätte beispielsweise aufgrund der mangelnden Verknüpfung zwischen Unternehmen und Lehrstuhl viel direktere Auswirkungen auf einen möglichen Abbruch der Promotion. Daher sind für diese Promotionsart ein sehr hohes Maß an intrinsischer Motivation, eine hohe Frustrationstoleranz sowie ein langes Durchhaltevermögen nötig. Es muss sich daher intensiv die Frage gestellt werden, wozu die wissenschaftliche Arbeit notwendig ist und ob das Ziel nicht auch auf anderem Weg erreicht werden kann. Zahlen gibt es zu freien Promotionen fast keine, da oft erst zu einem späten Zeitpunkt eine Promotionsvereinbarung mit den Doktoreltern geschlossen wird. Der Promovierende beginnt typischerweise zunächst auf Grundlage einer mündlichen Zusage der Doktoreltern die Arbeit und erst wenn gewisse Zwischenschritte erreicht sind, formalisiert sich das Promotionsverhältnis. Dies setzt natürlich ein bestehendes Vertrauensverhältnis beiderseits voraus. Sicher dürften die Abbruchquoten in diesem Bereich deutlich höher sein, was auf die oben genannten Gründe zurückzuführen ist. Eine genauere Untersuchung dieser Promotionsart wäre in jedem Fall wünschenswert.

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

Theoretisch möglich, praktisch mir jedoch nicht bekannt, ist die Möglichkeit, sich mittels angesparten Vermögens, beispielsweise nach langjähriger Berufstätigkeit, eine Promotion selbstständig zu finanzieren. Einerseits erhält man sich so die zeitlichen Freiheiten, die bei einer Anstellung an einer Universität teilweise verloren gehen. Andererseits muss man jedoch auch auf eine Vergütung verzichten. Die Abwägung der Vor- und Nachteile dieses Modell überlasse ich Ihnen. Lassen Sie uns abschließend noch einen Blick auf den Berufszweig der Politik werfen, da dieser in der medialen Berichterstattung einen breiten Raum einnimmt. Ein Blick auf ausgewählte Lebensläufe von (Spitzen-)Politikerinnen und Politikern zeigt, dass viele berufsbegleitend bzw. frei promoviert haben dürften. Eine Promotion steigert möglicherweise die Chancen im politischen Umfeld. Im 19. Deutschen Bundestag (Wahlperiode von 2017 bis 2021) haben rund 17 % der Abgeordneten einen Doktortitel (Forschung und Lehre 2019), was deutlich mehr ist als der Durchschnitt der Bevölkerung, bei dem in Deutschland nur 1,4  % der 25- bis 64-Jährigen promoviert sind (s. Abschn. 2.2.2). Beim Blick auf die Promotionen nach Partei gehen die Zahlen je nach Quelle auseinander, abhängig davon, ob nur die Doktor- oder auch die Professorentitel gezählt werden (Forschung und Lehre 2019; Statista 2017). In jedem Fall haben die Parteien CSU, CDU, AfD, FDP und Grüne jeweils einen Anteil an promovierten Abgeordneten zwischen knapp 18 % und 22 %, während SPD und Linke zwischen rund 13 % und 15 % liegen (Forschung und Lehre 2019; Statista 2017). So taucht der Doktortitel dann beispielsweise auf dem Wahlzettel oder gelegentlich auf Wahlplakaten auf. Ob eine Promotion in der Politik nach zahlreichen Skandalen um aberkannte Titel noch den gleichen Stellenwert hat, darf bezweifelt werden. So stellte Heinrich Best von der Universität Jena bereits 2012 in einem Working-Paper fest, dass der Anteil der promovierten Akademikerinnen und  ­Akademiker im Deutschen Bundestag zurückgegangen ist und schlussfolgert: „… ist der Ertrag des Doktortitels, ausgedrückt in einem Zuwachs des Anteils von Wählerstimmen, gering …“ (Best 2012, S. 41). Leider sind in diesem Berufsfeld auch ein paar negative Beispiele aufgetaucht und im schlechtesten Fall läuft es nach dem folgenden Schema ab: Ein Politiker oder eine Politikerin  promoviert parallel zu einem Mandat, gelegentlich an einer Universität im Ausland oder an einer lokal verbundenen Institution. Geforscht wird meist qualitativ und nicht quantitativ und die Arbeit wird nach mehreren Jahren abgeschlossen. Sobald die Person ein höheres Amt erreicht, wird die Arbeit von unabhängigen Personen untersucht, die möglicherweise Unregelmäßigkeiten feststellen. Die betroffene Universität prüft dann die Arbeit. Dabei wird entweder der Titel entzogen, der Verdacht verworfen oder gewisse Mängel werden festgestellt, die aber nicht zum Entzug des Doktortitels führen. Wenn dies wiederholt vorkommt, leidet zum einen die Wissenschaft darunter, da der Öffentlichkeit das Thema Promo-

4.7  Förderungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene

71

tion nur im negativen Zusammenhang in Erinnerung bleibt und diese sich fragt, warum die handwerklichen Mängel nicht schon vorher aufgefallen sind. Zum anderen leidet auch das politische System darunter, wenn wiederholt Politikerinnen und Politiker unter den Verdacht des Plagiierens kommen. Dabei gelten auch für Politikerinnen und Politiker, die berufsbegleitend promovieren möchten, die gleichen Hinweise wie für alle anderen Promotionsarten (s. insbesondere Kap. 5). Dazu gehört insbesondere ausreichend Zeit für die Forschung einzuplanen. Einige Lebensläufe von Politikerinnen und Politikern zeigen, dass teilweise über ein knappes Jahrzehnt hinweg die Promotion angefertigt wurde. Dies kann schwerlich funktionieren, da es einerseits erfordert, sich immer wieder neu in das Thema hineinzudenken, und andererseits die Literatur des eigenen Themas sich ständig weiterentwickelt und es zeitintensiv ist, sich immer wieder auf den neuesten Stand der Publikationen zu bringen.

4.7

Förderungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene

Ein weiteres Modell ist das Marie-Curie-Programm der Europäischen Union (der volle Name des Programms ist „Marie Skłodowska-Curie Actions“). Dabei gibt es verschiedene Arten der Marie-Curie-Maßnahmen, wobei insbesondere das Research and Innovation Staff Exchange (RISE) sowie das „Co-funding of regional, national and international programmes“ (COFUND) aus Sicht dieses Buches erwähnenswert sind: • Das RISE (Europäische Kommission o. J.-b) fördert den kurzzeitigen Austausch (von einem Monat bis ein Jahr) von Personal zwischen akademischen, industriellen und kommerziellen Organisationen auf der ganzen Welt. Die Voraussetzungen sind etwas komplex, da man z. B. mindestens drei verschiedene Partner aus drei verschiedenen Ländern benötigt (Europäische Kommission o. J.-b). Indirekt ermöglicht es jedoch eine Industriepromotion, da Forschende (von Promovierenden bis zu erfahrenen Forschenden) Zeit in Unternehmen verbringen können. Das Programm zielt daher eher auf Vollzeitpromovierende mit einer Stelle an einer Universität oder auf Stipendienbasis ab, um diesen mehr Praxiserfahrung zu ermöglichen. • Während bei COFUND (Europäische Kommission o. J.-a), wie der Name selbst schon sagt, nicht der Promovierende direkt unterstützt wird, sondern Organisationen zusätzliche finanzielle Unterstützung für ihre eigenen Programme zur Ausbildung und Karriereentwicklung von Forschenden bereitgestellt wird. Die Bewerbung erfolgt daher auch direkt über die EURAXESS-Datenbank (https:// euraxess.ec.europa.eu/) bei den Förderorganisationen.

72

4.8

4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

Kostenpflichtige Promotionsprogramme

4.8.1 Überblick Ferner gibt es einige kostenpflichtige berufsbegleitende Promotionsprogramme, die nicht einem der bisher dargestellten Modelle zugeordnet werden können. Insbesondere werben private Fachhochschulen mit solchen Programmen. Dabei wird der Doktorgrad meist nicht von der Fachhochschule selbst (diese haben ja nur in Ausnahmefällen ein Promotionsrecht), sondern von einer Partnerinstitution mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union vergeben. Die Rahmenbedingungen sind in der Regel wie folgt: • Die Kosten der Programme liegen bei rund 25.000 bis 30.000 Euro. • Die Studiendauer beträgt je nach Anbieter drei bis vier Jahre. • Die Angebote sind zulassungsbeschränkt und es erfolgt ein Auswahlverfahren, meist mit beiden Institutionen (deutsche Fachhochschule und ausländischer Kooperationspartner). • Während des Programms müssen Kurse belegt, Klausuren geschrieben und Hausarbeiten angefertigt werden, für welche es Credit Points gibt. Bei einem Anbieter muss man beispielsweise im Laufe des Programms 240 Credit Points erbringen, 120 davon bis zum Ende des 4. Semesters. Die Kurse umfassen dabei eine Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten, Statistik, aber auch fachbezogene Kurse zu Marketing oder Management. Die Kurse sind nach Angaben eines Anbieters notwendig, um alle internationalen Anforderungen, die an den Grad Ph. D. geknüpft sind, zu erfüllen. • Die Veranstaltungen sind ein Mix aus Präsenz- und Onlinemodulen, wobei die Präsenzmodule im Block abgehalten werden. • Die Dissertation erfolgt meist als Monografie und muss am Ende veröffentlicht werden. Ferner werden, je nach Anbieter, auch im Rahmen des Promotionsstudiums Publikationen in Fachzeitschriften oder auf Konferenzen erwartet. Dabei unterbreiten die Leitung des Promotionsprogramms und/oder die Doktoreltern Vorschläge zu den wissenschaftlichen Zeitschriften. • Vergeben wird am Ende ein (angelsächsischer) Ph. D. oder DBA, welcher in Deutschland dann als Doktor anerkannt werden kann (Abschn. 2.1.2). Laut Angaben eines Anbieters hat keiner der Promovierenden die Arbeitszeit für das berufsbegleitende Promotionsprogramm reduziert. In einem Video erklärt beispielsweise Prof. Barry Davies von der Universität Gloucestershire (Großbritannien), der auch als Gastdozent an einer privaten Fachhochschule in Norddeutschland lehrt, schlicht, dass man die Herausforderungen nicht unterschätzen

4.8  Kostenpflichtige Promotionsprogramme

73

dürfe und dass die Leute, die ein solches Programm absolvieren, einfach gut darin seien, zu planen und sich zu organisieren (UniGlosGermanAgency 2015). Für eine akademischere Sicht auf solche Programme verweise ich auch auf ein Kapitel einer Publikation der Deutsch-Französischen Hochschule (Thelen 2016).

4.8.2 Wertung kostenpflichtiger Promotionsprogramme Derartige kostenpflichtige Angebote privater Hochschulen klingen zunächst sehr attraktiv. Zwar müssen Sie etwas Geld in die Hand nehmen, aber Sie erhalten dafür ein maßgeschneidertes Promotionsprogramm. Dieses ist jedoch mit Vorsicht zu genießen und dürfte nur für eine spezielle Zielgruppe interessant sein. Der Aufbau des ganzen Systems erinnert eher an ein weiterführendes Studium als an eine eigene wissenschaftliche Tätigkeit, wie sie bereits in Abschn. 1.1 angesprochen wurde. Dazu passt, dass die Angebote auch als Promotions-„Studiengänge“ beworben werden. Ein Anbieter schrieb mir auch, dass es sich dabei um ein klassisches Ph.-D.-Studium handele, wie es auch im angelsächsischen Raum üblich sei. Vom Aufbau des Programms ist dies zutreffend. Das Ganze hat jedoch einen entscheidenden Haken: Die ursprünglichen angelsächsischen Programme sind auf vier bis fünf Jahre Forschung in Vollzeit angelegt. Das passt nicht mit der fehlenden Reduktion der Arbeitszeit zusammen. Hier machen es sich die Anbieter auch zu leicht, einfach auf die gute Organisationskompetenz der Promovierenden hinzuweisen, da auch universitäre Vollzeitpromovierende eine ausgezeichnete Organisationskompetenz besitzen. Einige Anbieter in Deutschland kooperieren mit der Sheffield University in Großbritannien, die ihr DBA-Programm mit vier bis sieben Jahren bewirbt (wobei in der Zusammenfassung auf der Webseite der Sheffield University sogar die sieben Jahren betont werden). Die deutschen Kooperationspartner verweisen auf ihren Webseiten dabei lediglich auf die untere Grenze von vier Jahren und wenn Sie den beispielhaften Zeitplan noch heranziehen, landen Sie bei unter drei Jahren berufsbegleitender Promotionszeit (Munich Business School 2020). Auch bei einem anderen Anbieter ist die berufsbegleitende Promotionszeit (ohne Reduktion der Arbeitszeit) auf drei Jahre angelegt. Dass keiner der Promovierenden die Arbeitszeit reduzieren musste, ist erstaunlich. Rein rechnerisch benötigt eine Promotion rund 4500 Arbeitsstunden (s. Abschn. 4.10), d. h., selbst wenn man jedes Wochenende durcharbeiten würde (16  Stunden bei acht Stunden pro Wochenendtag), was praktisch unmöglich ist, bräuchte man 5–5,5 Jahre. Dazu kommen noch die Kurse und Prüfungen, die man im Rahmen dieser Programme ablegen muss und die bei einer universitären Promotion nicht anfallen. Gehen Sie sogar so weit, dass man wie von mir illustriert, nur acht bis zehn Stunden pro Woche konzentriert nach der Arbeit an der Dissertation

74

4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

sitzen kann, bräuchten Sie berufsbegleitend rund zehn Jahre. Ein Anbieter gab an, dass man mit sechs bis acht Stunden Forschungszeit pro Woche rechnen müsse und das Programm damit in drei Jahren abschließen könne. Wie sieht es mit den Publikationen, einem Schwerpunkt des nächsten Kapitels, aus? Zwar muss am Ende auch eine wissenschaftliche Arbeit angefertigt werden, aber nach meiner Einschätzung muss diese (entgegen der Angaben der Anbieter) nicht zwangsläufig online veröffentlicht werden und unterliegt somit nicht dem selektierenden Peer-Review-Verfahren von Fachzeitschriften oder Verlagen. Ich habe folgenden Test versucht: Die Anbieter solcher Programme werben mit sog. Testimonials von Alumni, welche die Promotion erfolgreich abgeschlossen haben. Folglich müsste man auch die Publikationen dieser Promovierenden finden, da diese für den Abschluss ja nach Angaben der Anbieter veröffentlicht werden müssen. Leider konnte ich bei keinem der von mir betrachteten Anbieter für einen der Testimonials auch nur eine Publikation ausfindig machen. Zuletzt kann man noch beobachten, dass die Testimonials eher mit der interkulturellen Vielfalt der Programme werben als mit der akademischen Tiefe. Zusammenfassend bleibt folgender Eindruck haften: Die Programme werden als Weiterbildung mit interkulturellen Einblicken vermarktet, es müssen Prüfungen abgelegt und die Arbeitszeit muss nicht reduziert werden, die Anbieter selbst sprechen von einem Studium und es fallen (Studien-)Gebühren an. Es werden zwar Publikationen angefordert, aber diese sind nicht einsehbar (Sinn der Publikation ist ja genau, dass diese sich dem Wettbewerb und dem Feedback anderer Forschenden aussetzen muss), dennoch erhält man am Ende einen Ph. D. oder DBA. Ob das Programm für Sie infrage kommt, überlasse ich Ihnen. Meines Erachtens kann eine berufsbegleitende Promotion ohne eine Reduktion der Arbeitszeit nicht möglich sein. Außerdem muss zu jedem Zeitpunkt die Qualität der Arbeit sichergestellt sein, damit nicht (Doktor-)Arbeiten ohne Peer-Review-Verfahren in Umlauf geraten. Der verliehene Doktortitel darf aufgrund des einheitlichen Bologna-­Prozesses auch in Deutschland geführt werden. Behalten Sie aber im Hinterkopf, dass Personaler, Kunden oder sonstige Stakeholder in Ihrem Umfeld mit einer Promotion an einer deutschen Universität einschätzen können, wie viel Wissenschaft in einem solchen Abschluss steckt.

4.9

Ausgewählte Praxisbeispiele

Lassen Sie uns nach der Vorstellung der unterschiedlichen berufsbegleitenden Promotionsmodelle noch einen Blick auf ausgewählte Praxisbeispiele von der Robert Bosch GmbH, der SAP SE sowie der dualen Promotion in Lehramt an der Universität Bremen werfen. Sicher finden Sie durch eigene Recherche noch weitere Ein-

4.9  Ausgewählte Praxisbeispiele

75

zelbeispiele, die nicht in ein etabliertes Promotionsprogramm integriert sind, sondern auf einzeln ausgehandelten Stellen basieren.

4.9.1 Robert Bosch GmbH Als erste Praxisbeispiel ist die Robert Bosch GmbH (nachfolgend nur Bosch) zu nennen, welche ein strukturiertes Promotionsprogramm anbietet (Robert Bosch GmbH 2019). Das Programm dauert drei Jahre und für diese Zeit erhalten die Promovierenden einen befristeten Arbeitsvertrag. Man ist in dieser Zeit eingebunden in ein Unternehmens- oder Forschungsprojekt und forscht berufsbegleitend. Aktuelle Forschungsprojekte beschäftigen sich mit dem Internet der Dinge (IoT), künstlicher Intelligenz (KI) oder Machine Learning (Robert Bosch GmbH 2019). Vorteile des Promotionsprogramms sind die feste Bezahlung, die Einbindung in die Praxis sowie die relativ große Freiheit, sich innerhalb seines Unternehmensbereichs eine wissenschaftliche Forschungsfrage zu suchen. Einziger Nachteil ist, dass Bosch nach meinem Kenntnisstand zu Beginn der Promotion keine Garantie abgibt, nach einem erfolgreichen Abschluss der Promotion übernommen zu werden, sondern es bedarf einer erneuten Bewerbung in einem Fachbereich des Unternehmens. Sicherlich werden die meisten Promovierenden nach Abschluss der Promotion übernommen, aber dies ist dennoch ein wenig verwunderlich, da Bosch viel Zeit und Ressourcen in die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steckt, diese dann jedoch an einem kritischen Punkt nicht langfristig an sich bindet. Zudem sind die Stellen sehr beliebt und der Bewerbungsprozess daher sehr kompetitiv.

4.9.2 SAP SE Ein weiteres Beispiel ist der Softwarekonzern SAP mit Sitz in Walldorf. Interessanterweise bewirbt SAP die eigenen berufsbereitenden Promotionsmöglichkeiten sehr zurückhaltend und man wird bei eigener Recherche nur auf Umwegen darauf aufmerksam. Beispielsweise gibt es seit 2011 mehrere Stellen in Zusammenarbeit mit einem Wirtschaftsinformatiklehrstuhl der Universität Mannheim (Universität Mannheim 2020), bei denen die Promovierenden „sowohl im praktischen Umfeld der SAP als auch am Lehrstuhl und in der Forschungsgemeinschaft“ arbeiten (Universität Mannheim 2020). Ferner bietet das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam in mehreren Fachgebieten Promotionsprogramme an (Hasso-Plattner-Institut 2020), welche in mindestens einem Fall zusammen mit SAP absolviert wurden (Diem 2014). Der Promovierende beschreibt sehr ein-

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

drücklich die Vorteile, aber auch die Doppelbelastung, die eine berufsbegleitende Promotion in der Wirtschaft mit sich bringt. Die mir bekannten berufsbegleitenden Promovierenden bei SAP haben im Wochenmodell (nicht Blockmodell) promoviert und hatten, genau wie bei Bosch, eine eher enge Verknüpfung zwischen dem wissenschaftlichen Forschungsthema und der Arbeit im Unternehmen.

4.9.3 D  uale Promotion in Lehramt an der Universität Bremen Thematisch etwas weiter entfernt von den restlichen Kapiteln dieses Buches ist das Angebot der Universität Bremen. Diese bietet duale Promotionen in Lehramt in Verbindung mit dem Referendariat an (Universität Bremen 2020). Das Programm ist auf vier Jahre angelegt und schließt mit zwei Abschlüssen ab: dem (zweiten) Staatsexamen sowie der Promotion. Das Ziel beschreibt die Universität Bremen als die „Weiterentwicklung und Gestaltung von Unterricht und Schule“ und die engere Verknüpfung von Theorie und Praxis im Lehramt (Universität Bremen 2020). Der Ablauf ist in drei Phasen eingeteilt. Phase 1 dauert zehn Monate und findet auf Stipendienbasis an der Universität Bremen statt (Forschungsphase). Phase  2 umfasst das Referendariat am Landesinstitut für Schule Bremen über 18 Monate. Phase 3 wird wiederum an der Universität verbracht über 20 Monate (Universität Bremen 2020). So verbringt ein Promovierender 2,5  Jahre am Lehrstuhl, wobei unklar ist, ob dafür noch Lehrtätigkeiten abgeleistet werden müssen. Sollte dies nicht der Fall sein und kann sich der Promovierende voll auf die Promotion konzentrieren, so kann die Zeit als ausreichend betrachtet werden. Die erste Kohorte ist im Oktober 2016 gestartet und wird daher erst im Oktober 2020 die Promotion und das Staatsexamen abschließen. Interessant ist, dass das Programm nach Angaben der Universität Bremen (Universität Bremen 2020) von der Möglichkeit der berufsbegleitenden Promotion in den Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften inspiriert wurde. Dies zeigt erneut die Bedeutung der berufsbegleitenden Promotion, welche sowohl auf Promovierenden- als auch auf Arbeitgeberseite ganz bestimmte Bedarfe zu decken scheint.

4.10 Exkurs: Beispielrechnung Arbeitsstunden Aber kann eine berufsbegleitende Promotion genauso schnell durchgeführt werden, wie eine Promotion in Vollzeitanstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter am Lehrstuhl? Viele Personen bezweifeln dies und haben auch grund-

4.10  Exkurs: Beispielrechnung Arbeitsstunden

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sätzliche Zweifel an der Qualität von berufsbegleitenden Promotionen. Dabei ist jedoch wichtig, zunächst festzuhalten, dass die Qualität nicht alleine von den geleisteten Arbeitsstunden abhängt, sondern auch von der Betreuung, den Feedbackmöglichkeiten und der sonstigen Arbeitsbelastung. Allein aus der Dauer einer Promotion können Sie nicht auf die Qualität schließen, wenn Sie nicht wissen, wie viel Zeit effektiv in die Forschung geflossen ist und wie viel in die Lehre, Organisation und Administration. Daher ist es für mich immer wieder überraschend, wenn pauschal bei einer kürzeren Promotionsdauer Zweifel an der Qualität formuliert werden, während eine längere Promotionsdauer als qualitativ hochwertiger angesehen wird. Lassen Sie uns daher zu den Arbeitsstunden ein einfaches Rechenbeispiel durchführen, welches natürlich etwas verkürzt dargestellt ist. Es soll Ihnen dennoch einen überschlagsmäßigen Überblick über die zeitlichen Anforderungen und Möglichkeiten einer berufsbegleitenden Promotion im Blockmodell sowie einer Vollzeitpromotion als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Mitarbeiter am Lehrstuhl vermitteln. Beispiel

Ein berufsbegleitend Promovierender im Blockmodell ist im Wechsel vier Monate im Unternehmen und vier Monate am Lehrstuhl. Über eine durchschnittliche Promotionsdauer von vier Jahren verbringt dieser so rund 24 Monate in Vollzeit am Lehrstuhl, was etwa 440 Arbeitstagen oder bei einem regulären 8-Stunden-Tag rund 3520 Arbeitsstunden entspricht. Dazu muss der berufsbegleitend Promovierende auch während der Praxisphase Zeit in die Promotion investieren. Aus eigener Erfahrung kann man sich unter der Woche während der Praxisphase realistischerweise zwei Mal die Woche für je zwei Stunden konzentrieren, ohne zu sehr das soziale Leben zu vernachlässigen. Hinzu kommen rund vier Stunden pro Wochenende (mehr dazu s. auch in Abschn. 4.2). In Summe sind dies also weitere acht Stunden pro Woche über die anderen beiden Praxisjahre, was etwa weiteren 830 Stunden entspricht. Zudem investiert unser fiktiver Promovierender etwa eine Urlaubswoche pro Jahr (die oben bei den Arbeitstagen bereits abgezogen wurde) in die Doktorarbeit (weitere 160 Stunden über vier Jahre). Insgesamt absolviert ein berufsbegleitend Promovierender seine Promotion in diesem Modell daher in rund 4520 Arbeitsstunden. Da der berufsbegleitend Promovierende extern promoviert, übernimmt dieser in der Regel keine Lehrtätigkeiten und nur wenige administrative Aufgaben. Dies wäre dem Unternehmen, welches den Promovierenden finanziert, auch nur schwer vermittelbar. Ein Promovierender in Vollzeitanstellung am Lehrstuhl hat über vier Jahre gesehen theoretisch 880 Arbeitstage (d. h. rund 7000 Arbeitsstunden) zur Verfügung. Allerdings muss er in dieser Zeit auch die Lehre und administrative Auf-

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

gaben des Lehrstuhls übernehmen. Der Einfachheit auf ein Semester gerechnet: In der Vorlesungszeit (ca. 14  Wochen, z.  B.  Wintersemester 2018/2019 vom 14.10.2018 bis zum 09.02.2019 abzüglich zwei Wochen über Weihnachten, hier nimmt der Vollzeitpromovierende Urlaub) muss der Promovierende Vorlesungen und Übungen halten, Studierendenanfragen beantworten, Klausuren vorbereiten und administrative Tätigkeiten für den Lehrstuhl übernehmen. Typischerweise wird die Person hier im allerbersten Fall 20 Stunden pro Woche sinnvoll in die Forschung stecken können (d. h. rund 280 Stunden). In der vorlesungsfreien Zeit fallen viele dieser Aufgaben weg, allerdings müssen die Klausuren noch korrigiert werden und Vorlesungen für das nächste Semester vorbereitet werden. Das heißt, der Promovierende schafft in diesen verbleibenden acht ­Wochen (im WS 2018/2019 zwei Wochen Anfang Oktober sowie sieben Wochen im Februar/März abzüglich einer weiteren Woche Urlaub) rund 30 Stunden pro Woche für die Forschung, was weiteren 240 Stunden entspricht. Auf das Semester gerechnet sind dies also rund 520 Stunden (280 in Vorlesungszeiten plus 240 in vorlesungsfreier Zeit), was über vier Jahre 4160 Stunden entspricht. Ein berufsbegleitend Promovierender kann pro Jahr also zwei Wochen mehr in die Forschung stecken und müsste theoretisch neun Wochen (oder zwei Monate) früher fertig werden als ein an der Universität angestellter Promovierender. Rechnet man dem Vollzeitpromovierenden (analog zum berufsbegleitend Promovierenden) fairerweise noch eine Woche Urlaub pro Jahr für die Promotion an, so landet man bei 4320 Stunden, was in etwa dem zeitlichen Einsatz des berufsbegleitend Promovierenden entspricht. ◄ Die Annahmen hinter diesen Beispielen dürfen sicherlich hinterfragt werden und unterscheiden sich je nach Einzelfall. Viele Vollzeitpromovierende haben mir jedoch die Tendenz bestätigt bzw. diese noch als zu optimistisch dargestellt. Lehrtätigkeit und administrative Aufgaben nehmen oft noch mehr Zeit in Anspruch, sodass die Forschung manchmal fast gänzlich in die Freizeit und die vorlesungsfreie Zeit verlagert werden muss. Wissenschaftliche Hilfskräfte („Hiwis“) stehen auch nur begrenzt zur Verfügung, um die Promovierenden zu entlasten. Bei diesem Vergleich wird zudem die Tatsache außer Acht gelassen, dass Vollzeitpromovierende sich immer wieder neu in die aktuelle Tätigkeit hineindenken müssen, z. B. wenn man aus einer Vorlesung kommt oder immer wieder durch Anfragen unterbrochen wird. Berufsbegleitend Promovierende profitieren hingegen davon, nur einmal zu Beginn jeder Promotionsphase die „Startkosten“ oder „Fixkosten“ investieren zu müssen und dann im Idealfall nicht mehr aus der Ruhe gebracht zu werden. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass berufsbegleitende Promotionen durchaus in einem gleichen Zeitraum finalisiert werden können wie Vollzeitpromotionen,

4.11 Wertung von berufsbegleitenden Promotionen

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wobei der berufsbegleitend Promovierende jedoch auch während der Praxisphase einen Teil seiner Freizeit in die Promotion investieren muss, was beim Vollzeitpromovierenden nicht angenommen wurde.

4.11 Wertung von berufsbegleitenden Promotionen Dieses Buch soll ein motivierendes, aber auch ein realistisches Bild von berufsbegleitenden Promotionen zeichnen. Dazu gehört auch eine kritische Betrachtung, denn es gäbe auch gute Gründe, sich gegen derartige Modelle auszusprechen, wie die Einschränkung bei den Veröffentlichungen sowie die Verfügbarkeit für bestimmte Fächergruppen. Von den Erkenntnissen der berufsbegleitend Promovierenden profitieren mittelfristig zwar alle, da diese ihr Wissen über (fast) frei zugängliche Publikationen belegen müssen. So kommen mittelfristig auch Konkurrenten des fördernden Unternehmens in den Genuss der Forschung. Kurzfristig, und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem die Daten ausgewertet wurden, bis zur Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift, verbleibt das Wissen jedoch im Unternehmen. Da der Veröffentlichungsprozess gerade bei hochrangigen Fachzeitschriften oft Jahre dauern kann, kann der Diffusionsprozess des Wissens begrenzt sein. Ferner kann schlicht festgehalten werden, dass viele Praktikerinnen und Praktiker keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen lesen. Es gäbe zwar noch die Möglichkeit, die wissenschaftlichen Erkenntnisse nochmals „populärwissenschaftlich“ in bestimmten Fachzeitschriften oder Magazinen aufzubereiten, die auch von Nichtakademikerinnen und-­akademikern gelesen werden. Jedoch nimmt nicht jeder Promovierende diesen Extraaufwand auf sich und die Anzahl derartiger Zeitschriften ist auch begrenzt. Zudem kann es vorkommen, dass nicht alle Ergebnisse veröffentlicht werden, wie beispielsweise bei industriegeförderten Promotionen in den Naturwissenschaften, von deren Ergebnissen am Ende nur ein Teil in Fachzeitschriften landet. Pro­ blematisch ist dabei, wie bereits erwähnt, dass im Rahmen von berufsbegleitenden Promotionen auf öffentliche Institutionen (und damit öffentliche Gelder) zurückgegriffen wird, ohne dass diese immer im gleichen Maße von den Ergebnissen profitieren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn zwar universitäre Labore genutzt, aber nicht alle gewonnen Daten veröffentlicht werden (die Tatsache, dass Unternehmen auch zahlreiche Einrichtungen durch Sponsoring unterstützen, wird an dieser Stelle aus Gründen der Vereinfachung ausgeklammert). Auch kann diskutiert werden, dass berufsbegleitende Promotionen nur in bestimmten unternehmensnahen Fächergruppen, wie Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre oder Maschinenbau, tatsächlich möglich sind. Zwar tragen Absol-

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

vierende dieser Fächergruppen am Ende wahrscheinlich in einem größeren Umfang zum Bruttoinlandsprodukt bei, aus Forschungssicht werden dadurch aber auch mehr Gelder in diese Bereiche allokiert, was aus gesamtgesellschaftlicher Sicht nicht optimal sein muss. Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht stellt sich die Frage, ob es ein idealer Zustand ist, dass es berufsbegleitende Promotionsmodelle überhaupt gibt oder es nicht besser wäre, wenn alle Promotionen im Rahmen von regulären Lehrstuhlanstellungen durchgeführt werden würden. Dies würde die beiden angesprochenen Hürden etwas entkräften. Der einzelne berufsbegleitend Promovierende kann hieran natürlich wenig ändern und es ist völlig legitim, existierende Angebote von berufsbegleitenden Promotionen wahrzunehmen. Man sollte sich jedoch immer bewusst sein, in einer privilegierten Position zu sein, und nicht sparsam mit dem eigenen Wissen umgehen. So können beispielsweise auch vor der Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift bereits Arbeitspapiere (Working-Paper) ohne Peer Review-Prozess hochgeladen werden. Auch kann es möglich sein, eigene Artikel auf Plattformen wie Research Gate zu veröffentlichen, ohne gegen die Copyrights zu verstoßen, beispielsweise indem nicht das PDF des Originalartikels, sondern eine nichtidentische Vorversion hochgeladen wird. Abschließend sei noch übergreifend erwähnt, dass eine Promotion parallel zu einer Vollzeitstelle und ohne Zeiten der Freistellung oder Leaves unter keinen Umständen zu empfehlen ist. Es stellt eine extrem hohe Belastung über einen längeren Zeitraum dar und führt oft zum Abbruch der Promotion. Zudem fehlen die Einbindung in den universitären Betrieb und der akademische Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen. Manche Promovierende lassen sich auch dazu verleiten, eine Lehrstuhlstelle in Vollzeit zu beginnen und nach ein paar Jahren vorzeitig in ein Unternehmen zu wechseln, bevor die Doktorarbeit finalisiert ist. Jedoch ist auch die Finalisierung der Arbeit eine große Herausforderung und insbesondere die letzten Schritte des „Zusammenschreibens“ ziehen sich dann über einen überproportional langen Zeitraum hin. Allen Promotionsarten ist gemein, dass die Promovierenden mehrere Interessen befriedigen müssen. Nicht immer sind die Ziele, die das Unternehmen und die Doktoreltern (oder das Institut bzw. die Universität allgemein) haben, deckungsgleich. So kann es beispielsweise vorkommen, dass das Unternehmen an einer Fragestellung interessiert ist, welche aus praktischer Sicht nachvollziehbar, aus wissenschaftlicher Sicht jedoch theoretisch nicht relevant ist. Versuchen Sie hier erneut, das Beste aus beiden Welten zu vereinen, und bieten Sie Ihrem Arbeitgeber beispielsweise an, die Datenerhebung durchzuführen, wenn dieser die Mittel dafür bereitstellt. Aus jeder Datenerhebung lassen sich meist auch relevante praktische Fragestellungen beantworten, was dem Unternehmen zugutekommt. Gleichzeitig können Sie Ihre Forschung vorantreiben und werden schneller fertig.

Literatur

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Zusammenfassung

Das zurückliegende Kapitel stellte die einzelnen Modelle der berufsbegleitenden Promotion im Detail vor. Sie haben nun das Blockmodell, das Wochenmodell, das Leave-Modell, die klassische Industriepromotion sowie die freie Promotion mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen ausführlich kennengelernt. Das perfekte Modell gibt es dabei nicht, sondern dies ist immer abhängig von Ihren Rahmen- und Randbedingungen. Sie kennen nun ferner Förderungsmöglichkeiten auf EU-Ebene (RISE und COFUND) sowie ausgewählte Praxisbeispiele von Bosch, SAP oder dem Land Bremen. Abschließend wurde eine Beispielrechnung der Arbeitsstunden angestellt, die Ihnen gezeigt hat, dass berufsbegleitende Promotionen durchaus in einem ähnlichen Zeitrahmen abgeschlossen werden können, sowie ein kritischer Blick auf berufsbegleitende Promotionen geworfen. Im nächsten Kapitel wird der Ablauf einer Promotion aus dem Blickwinkel der hier vorgestellten Modelle skizziert.

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4  Die Modelle der berufsbegleitenden Promotion

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5

Ablauf einer Promotion Von der Vorbereitung auf die Promotion bis zur Verteidigung der Doktorarbeit

Zusammenfassung

Dieses Kapitel vermittelt den typischen Ablauf einer Promotion. Beginnend mit der Form der Doktorarbeit (monografisch oder kumulativ) werden die einzelnen Abschnitte von der Vorbereitung auf die Promotion über die Themenfindung und die Datenerhebung bis zum Rigorosum erläutert. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Themenfindung sowie auf den Veröffentlichungsprozess gelegt. Darüber hinaus wird jeder Abschnitt unter dem Blickwinkel von berufsbegleitenden Promotionen kommentiert, um die Vor- oder Nachteile einer berufsbegleitenden Promotion hervorzuheben. Insbesondere, wenn Ihre Betreuungssituation derzeit oder absehbar nicht optimal ist, profitieren Sie auch in diesem Kapitel von zahlreichen praktischen Tipps. Nach Beendigung des Kapitels haben Sie ein grundlegendes Verständnis über den gesamten Ablauf eines Promotionsprojektes.

5.1

Formen der Doktorarbeit

Zunächst kann zwischen zwei Formen der Doktorarbeit unterschieden werden: der Monografie und der kumulativen Dissertation. Beide Formen sind zulässig und angehende Promovierende haben oft keine Wahl, welche Form die eigene Doktor-

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Kaiser, Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61963-6_5

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5  Ablauf einer Promotion

arbeit später haben wird. Dies hängt in erster Linie von der Prüfungsordnung der jeweiligen Universität sowie deren Fakultäten ab. In den meisten Fällen wird dies in den Wirtschaftswissenschaften mittlerweile eine kumulative Promotion sein, weshalb die Monografie nur kurz angerissen wird.

5.1.1 Die Monografie Die Monografie ist die klassische Form einer Dissertation und erstreckt sich in Form eines Buches nicht selten über mehrere Hundert Seiten. Dabei wird ausführlich eine Argumentation aufgebaut, die sich aus bisherigen Veröffentlichungen speist. Natürlich können dabei auch Datenerhebungen und Einzelstudien eine Rolle spielen, jedoch ist die Monografie vor allem noch in geistes- und rechtswissenschaftlichen Fächern verbreitet, die oft weniger quantitativ arbeiten. In den meisten Natur- und Wirtschaftswissenschaften dominiert bereits die kumulative Promotion, die sich auch für separate Datenerhebungen anbietet. Monografien müssen am Ende des Promotionsprozesses bei einem Verlag publiziert und es müssen Pflichtexemplare bei der Deutschen Nationalbibliothek hinterlegt werden. Die meisten Verlage verlangen Gebühren für die Publikation, beteiligen die Autorinnen und Autoren jedoch auch an etwaigen Erlösen aus Verkäufen der Promotionsschrift (im Gegensatz zu Artikeln in Fachzeitschriften, bei denen Sie nicht an Erlösen beteiligt werden). Der Umfang ist jedoch auch ein großer Nachteil der Monografien, sodass die wenigsten Exemplare in voller Länge durchgelesen werden. Ein befreundeter Promovierender der Politikwissenschaften äußerte sogar mal die Vermutung, dass er glaube, dass nicht einmal sein Doktorvater das Werk für die Bewertung ganz lesen würde. Die weniger nutzerfreundliche Aufbereitung macht es natürlich auch schwieriger, die Werke zu zitieren und zu verbreiten. Hier bieten kumulative Promotionen im digitalen Wissenschaftsbetrieb erhebliche Vorteile.

5.1.2 Die kumulative Promotion Eine kumulative Dissertation ist anders als die Monografie zwar auch ein fortlaufender Gesamttext, der sich aber aus mehreren Teilstudien zusammensetzt. Rein formal wird zwar auch ein einziges Dokument angefertigt, welches „die Doktorarbeit“ darstellt, jedoch lassen sich die einzelnen Abschnitte und Studien viel deutlicher erkennen. Diese müssen zudem in Fachzeitschriften oder auf Konferenzen veröffentlicht werden. Hierbei gibt es deutschlandweit keine standardisierten Vor-

5.1  Formen der Doktorarbeit

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gaben, sondern die Universitäten (oft sogar die Institute oder Lehrstühle) entscheiden selbst, wie viele Artikel angefertigt werden und welche Qualität die entsprechenden Fachzeitschriften haben müssen. Dies ist natürlich analog zur Monografie, bei der de facto die Doktoreltern darüber befinden, wann die inhaltlichen und methodischen Voraussetzungen für die Abgabe der Arbeit erfüllt sind. Wissenschaftliche Zeitschriften unterliegen in der Regel einem Ranking. Auf dem Feld der Betriebswirtschaftslehre hat der Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (VHB) ein Ranking der betriebswirtschaftlichen Fachzeitschriften unternommen (Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. 2019). Dabei bewerten die Mitglieder des VHB die einzelnen Zeitschriften. Jene, die die Schwelle von 25 Bewertungen überschreiten, erhalten ein Rating, welches von A+ bis D reicht (A+ ist dabei das beste Rating und D das schlechteste). Nach Angaben des VHB wurden in der dritten Evaluierung im Jahr 2015 64.113 Bewertungen von Zeitschriften durchgeführt (Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. 2019). 651 (von 934) Zeitschriften haben die Schwelle von 25 Bewertungen überschritten und ein Rating erhalten, das sich wie folgt verteilt (Rundungsdifferenzen möglich): • 22 herausragende und weltweit führende wissenschaftliche Zeitschriften im Fach BWL (A+ = 3,4 %), • 72 führende wissenschaftliche BWL-Zeitschriften (A = 11,1 %), • 217 wichtige und angesehene wissenschaftliche BWL-Zeitschriften (B = 33,3 %), • 273 anerkannte wissenschaftliche BWL-Zeitschriften (C = 41,9 %), • 59 wissenschaftliche BWL-Zeitschriften (D = 9,1 %). Es ist offensichtlich, dass der geringste Prozentsatz auf die herausragenden und weltweit führenden wissenschaftlichen Zeitschriften entfällt. Auch innerhalb der einzelnen Kategorien gibt es nochmals Unterschiede, sodass beispielsweise zwischen „angeseheneren“ und „weniger angesehenen“ B-Journals unterschieden werden kann. Je nach Universität sind die Anforderungen an das Ranking der Zeitschrift unterschiedlich. Die meisten Promotionsordnungen verlangen zwei bis drei Publika­ tionen und als (sehr) grobe Daumenregel sollte entweder (i) eine davon in einem A-Journal publiziert werden, (ii) zwei Papers in B-Journals oder (iii) drei Papers in C-Journals. Die dritte Option ist dabei eher die Rückfalloption, falls mehrere Pu­ blikationsversuche bei höherwertigen Fachzeitschriften fehlschlagen. Zwar imponieren lange Publikationslisten (mehr dazu im Exkurs in Abschn. 5.8.5) den meisten Menschen, aber Forschende im gleichen Fachbereich wird schnell den Wert einer

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5  Ablauf einer Promotion

solchen Publikationsliste erkennen. Manche vertreten sogar die Auffassung, lieber von einer Publikation abzusehen, als diese in einem C-Journal zu publizieren. Hier noch ein weiterer Tipp: cc

Als Daumenregel ist es besser, während der Promotion einen oder zwei hochwertige Artikel zu verfassen, als zahlreiche Artikel von niedriger Qualität. Dies ist sowohl im eigenen Sinne als auch im Interesse von Wissenschaft, Gesellschaft und den eigenen Doktoreltern.

Besonders die Doktoreltern haben bereits eine lange Publikationsliste und ein weiterer Artikel in einem C-Journal würde keinen großen Unterschied machen. Daher werden Doktoreltern auch berufsbegleitend Promovierende zu wenigen, aber dafür hochwertigen Artikeln anleiten. Mir ist sogar ein Marketinglehrstuhl bekannt, der im Rahmen der Promotion einen Artikel in einem A-Journal verlangt, bevor der Promovierende die Arbeit einreichen darf. In anderen Bereichen der Wirtschaftswissenschaften wäre dies nicht möglich, da nur ein sehr geringer Teil der Promovierenden während der Promotionszeit oder danach einen Artikel bei einem A-Journal platzieren kann. Allein der Einreichungsprozess kann aufgrund der immer wieder nötigen Überarbeitungen mehrere Jahre dauern.

5.1.3 Vor- und Nachteile der jeweiligen Formen Im Grunde unterscheiden sich die beiden Formen in der Herangehensweise nicht besonders, da auch eine Monografie in Teilstudien heruntergebrochen und analog zur kumulativen Dissertation angefertigt werden kann. Dies ist jedoch meist nicht der Fall und ohne entsprechende Anweisung durch die Doktoreltern (welche im Zweifel selbst eine Monografie angefertigt haben) wird eine Monografie als ein ganzheitliches Projekt angegangen. Die kumulative Promotion hat enorme Vorteile, da das „Megaprojekt Promotion“ in kleinere und leichter abzuarbeitende Arbeitsschritte unterteilt wird. Durch frühzeitiges Publizieren der einzelnen Studien kann sich der Promovierende schon früh Erfolgserlebnisse sichern, die für die weitere Arbeit enorm motivierend sein können. Ferner erhält dieser auch frühzeitig Feedback zum eigenen Thema. Ist er auf dem wissenschaftlichen Holzweg, gibt es das Thema bereits oder geht er die konkrete Fragestellung falsch an, so wird dies schnell beim Feedback (Reviews) von unabhängigen Gutachtern deutlich.

5.1  Formen der Doktorarbeit

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Der Publikationsdruck ist auch ein großer Nachteil der kumulativen Promotion. Ohne Publikationen kann die Arbeit nicht eingereicht und verteidigt werden, sodass hier ein hinreichender Druck auf die Promovierenden entsteht, welche den Publikationsprozess nur bedingt in der Hand haben (mehr dazu in Abschn. 5.8). Der Zwang, Teilstudien im Laufe des Promotionsprozesses publizieren zu müssen, erzeugt zudem den Anreiz, sich nach einem populären Thema zu richten, da diese leichter zu publizieren sind. Auf der anderen Seite gibt es auch die Tendenz zu exotischen Themen, da hier der (Wissenschafts-)Markt noch nicht so abgegrast ist und noch „low-hanging fruits“ zu ergattern sind. In der VWL wuchsen so Bereiche wie die Verhaltensökonomik, Verteidigungsökonomik oder Sportökonomik, da es in diesen Themenfeldern vergleichsweise leichter ist, neue Erkenntnisse zu generieren, als in Kernthemen der VWL wie Inflation, Arbeitslosigkeit oder Wachstum. Es wird daher auch bemängelt, dass insbesondere bei kumulativen Promotionen der Druck besteht, sich nach den Anforderungen der Fachzeitschriften und Konferenzen zu richten und die Forschung nicht nach anderen Kriterien auszurichten sowie nach tiefem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn zu streben. Abschließend zu diesem Abschnitt noch ein vergleichender Blick auf die Monografie und die kumulative Promotion (s. Tab. 5.1). Tab. 5.1  Vergleich von Monografie und kumulativer Promotion. (Quelle: eigene Übersicht) Monografie Später, da oft keine Pflicht, vor Abgabe der Arbeit Artikel zu publizieren Seitenumfang Lang, meist mehrere Hundert Seiten Teilstudien Grundsätzlich möglich, wird aber wenig praktiziert Publikation Publikation als Buch nach Verteidigung der Arbeit

Kriterium Feedback

Leserschaft

Zitationen

Kumulative Promotion Früh, durch zeitnahes Publizieren der Teilstudien Kürzer, meist 150 bis 200 Seiten Ja, besteht meist aus zwei bis vier Teilstudien Publikation der Teilstudien als Artikel vor Verteidigung der Arbeit; dann noch Publikation der eigentlichen Doktorarbeit Größer, da Erkenntnisse „häppchenweise“ verpackt werden und damit schneller zugänglich sind

Gering, da im schnelllebigen Wissenschaftsbetrieb selten noch so lange Texte gelesen und verarbeitet werden Je nach Art der Publikation deutlich Aufgrund der geringeren Leserschaft entsprechend weniger mehr Zitationen; insbesondere systematische Literaturanalysen Zitationen (Abschn. 5.6) oder Metaanalysen werden häufig zitiert

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5  Ablauf einer Promotion

Kumulative Promotionen kommen berufsbegleitend Promovierenden entgegen, da diese besser mit dem verteilten Set-up zwischen dem Unternehmen und dem Lehrstuhl, insbesondere im Blockmodell, zu vereinbaren sind. Dies wird auch im nachfolgenden Ablauf einer berufsbegleitenden Promotion deutlich.

5.2

Ablauf im Überblick

Zunächst der gesamte Ablauf eines berufsbegleitenden Promotionsvorhabens im Überblick: Bevor das Promotionsvorhaben beginnt 1 . Promotionswunsch vorhanden (s. Test in Abschn. 2.3) 2. Vorbereitung auf die Promotion (s. Abschn. 5.3) 3. Bewerbung und Exposé (s. Abschn. 5.4) a. Anfrage von Doktoreltern und Vorstellungsgesprächen b. Absprache mit Arbeitgeber über berufsbegleitende Promotion c. Formale Promotionsvereinbarung mit Doktoreltern/Universität sowie Arbeitgeber 4. Themenfindung (s. Abschn. 5.5) a. Eingrenzung des Themenbereichs b. Erste Sichtung der Literatur c. Erstellung des Exposés und Formulierung der vorläufigen Forschungsfrage Das Promotionsvorhaben beginnt 5. Systematische Literaturanalyse (s. Abschn. 5.6) 6. Festlegung der endgültigen Forschungsfrage 7. Anfertigung der Doktorarbeit a. Studie 1 ––Problemformulierung ––Forschungsfrage ––Bildung von Hypothesen ––Entwicklung und Aufbau eines Forschungsdesigns (z.  B.  Experiment, Fragebogen) ––Datenerhebung und Datenanalyse (s. Abschn. 5.7) ––Falsifizierung der Hypothesen ––Verfassen der Publikation b. Studie 2 ––Problemformulierung

5.2  Ablauf im Überblick

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––Forschungsfrage ––… c. Studie 3 ––Problemformulierung ––Forschungsfrage ––… d. Evtl. Studie 4 ––… 8. Veröffentlichung der Studien (s. Abschn. 5.8) 9. Finalisierung und Abgabe (s. Abschn. 5.9) 10. Rigorosum/Verteidigung (s. Abschn. 5.10) Das Promotionsvorhaben wird abgeschlossen 11. Veröffentlichung der Arbeit 12. Aushändigung/Entgegennahme der Promotionsurkunde 13. Berufsmöglichkeiten nach der Promotion (s. Abschn. 6.1) Je nach Thema oder Fachgebiet kann der Ablauf leicht abweichen. Er folgt bei kumulativen Promotionen jedoch insgesamt diesem Muster. Hierbei wird auch erkenntlich, warum es sich bei einer Promotion weniger um ein Großprojekt, sondern vielmehr um viele kleine Projekte handelt. Die einzelnen Studien bauen aufeinander auf, können jedoch einigermaßen unabhängig voneinander bearbeitet werden. Oft ergibt sich die Forschungsfrage für die Folgestudie erst aus den Erkenntnissen der vorangegangenen Studie. Dabei ist natürlich essenziell, dass die Einzelstudien in einem thematischen Zusammenhang stehen. Sonst tauchen spätestens bei der Finalisierung der Arbeit, bei welcher alle Erkenntnisse zu einem Gesamtdokument zusammengefügt werden müssen, Inkohärenzen auf, die nicht mehr aufzulösen sind. cc

Versuchen Sie immer bereits während der Forschung, die spätere Struktur der Doktorarbeit vor Augen zu haben (s. auch Abschn. 5.9). Stimmen Sie die einzelnen Studien aufeinander ab und stellen Sie sicher, dass diese in einem kohärenten inhaltlichen Zusammenhang stehen.

Für berufsbegleitend Promovierende im Blockmodell steht dabei besonders im Fokus, den Ablauf mit den wechselnden Phasen im Unternehmen oder am Lehrstuhl abzustimmen. Ein beispielhafter Zeitplan aus dem Blockmodell könnte wie folgt aussehen (Tab. 5.2).

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5  Ablauf einer Promotion

Tab. 5.2  Beispielhafter Ablauf einer berufsbegleitenden Promotion im Blockmodell. (Quelle: eigene Übersicht) Phase (Zeitraum) Praxisphase I (Januar bis April) Forschungsphase I (Mai bis August) Praxisphase II (September bis Dezember) Forschungsphase II (Januar bis April) Praxisphase III (Mai bis August) Forschungsphase III (September bis Dezember) Praxisphase IV (Januar bis April) Forschungsphase IV (Mai bis August) Praxisphase V (September bis Dezember) Forschungsphase V (Januar bis April)

Forschungstätigkeit Erste Sichtung der Literatur und Themenfindung Durchführen einer systematischen Literaturanalyse und Verfassen des ersten Papers darüber Basierend auf Literaturanalyse Entwicklung eines Studien-/ Experimentaldesigns Verfeinerung Studien-/Experimentaldesign und Datenerhebung; evtl. erste Auswertung der Daten Durchführung der Datenauswertung und Verschriftlichung des zweiten Papers Finalisierung und Einreichung des zweiten Papers; Entwicklung eines weiteren Studien-/Experimentaldesigns Durchführung der Datenerhebung (z. B. Onlinefragebogen) Datenauswertung und Verschriftlichung des dritten Papers Finalisierung und Einreichung des dritten Papers; Beginn der Dissertationsschrift Evtl. Nacherhebung von Studien-/Experimentaldaten; Wiedereinreichung möglicherweise abgelehnter Studien; Finalisierung der Dissertation

Der Zeitplan ist natürlich stark idealisiert und soll lediglich als grobe Orientierung dienen. Sobald die Themenfindung länger dauert als gedacht oder eine Datenerhebung nicht die erwarteten Ergebnisse liefert, verzögert sich direkt der gesamte Zeitplan. Ferner wird auch ersichtlich, dass während der Praxisphasen ebenfalls viel Zeit in die Forschung investiert werden muss. Andernfalls zieht sich der Zeitplan ebenfalls weiter nach hinten raus (wobei dies dann immer noch im Rahmen der üblichen drei bis fünf Jahre Promotionszeit wäre). Nichtsdestotrotz sollte sich jeder angehende Promovierende am Anfang etwas Zeit nehmen und den groben Zeitplan skizzieren. Im Rahmen eines Exposés wird dies ohnehin von vielen Doktoreltern gefordert. Niemand erwartet, dass am Ende der Promotion auch alles so gelaufen ist, wie im Zeitplan festgehalten, aber die Planung hilft, die eigene Tätigkeit immer wieder zeitlich einzuordnen (und nicht den Mut zu verlieren, dass das Promotionsprojekt vermeintlich unerreichbar erscheint).

5.3  Vorbereitung auf die Promotion

5.3

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Vorbereitung auf die Promotion

Wie kann man sich optimal auf die Promotion vorbereiten? Zu Beginn sei direkt vermerkt, dass dies nur zu einem gewissen Maße möglich ist, da die konkrete Ausgestaltung mit den Doktoreltern abgestimmt werden muss. Da zu einer Zeit, zu der man sich idealerweise bereits vorbereiten möchte, meist die Doktoreltern noch nicht feststehen, die Gefahr groß ist, für die Papiertonne zu arbeiten. So kann man sich beispielsweise in qualitative Forschungsmethoden einarbeiten und dann feststellen, dass am Lehrstuhl nur quantitativ geforscht wird. Oder man schreibt das Exposé mit dem Plan, (PC-)Laborexperimente durchführen zu wollen, landet jedoch an einer Universität, welche über keine entsprechende Infrastruktur verfügt. Ein paar allgemeine Hinweise können jedoch unabhängig von der späteren Ausgestaltung gegeben werden: Machen Sie sich bereits Gedanken über Ihr Fachgebiet und ein mögliches Promotionsthema. Dabei ist vor allem entscheidend, für was Sie sich auch persönlich begeistern können. Kein Thema, für das man nicht brennt, kann mehrere Jahre erfolgreich bearbeitet werden. Dabei sei nochmals darauf hingewiesen, dass eine kumulative Promotion weniger ein Thema hat, sondern sich de facto eher aus mehreren Einzelthemen zusammensetzt. Von daher würde es auch ausreichen, sich zunächst über einen Bereich Gedanken zu machen, aus welchem sich das spätere Thema dann ergibt. Wenn die Promotion von (sehr) langer Hand geplant ist, so lässt sich bereits mit der Masterarbeit der Grundstein für die spätere Promotion legen, indem die Masterarbeit bereits im gleichen Fachgebiet angefertigt wird. Dies ist nicht zwingend notwendig. Ich selbst habe beispielsweise nicht in dem Bereich promoviert, in dem ich auch meine Masterarbeit angefertigt habe. Ist dies jedoch der Fall, so kann in der Masterarbeit bereits die relevante Literatur erarbeitet oder bestimmte Forschungsmethoden (Fragebogenerstellung, Durchführung Laborexperiment etc.) erprobt werden. Idealerweise kann die Masterarbeit dann bereits als erster Baustein der Doktorarbeit verwendet werden. Wichtig ist auch hier ein Blick in die Promotionsordnung, wie das Beispiel des SPD-Fraktionschefs Dr. Rolf Mützenich zeigt. Ihm wurde vorgeworfen, identische Passagen in der Diplom- und der Doktorarbeit verwendet zu haben, ohne dies kenntlich zu machen, woraufhin die Universität Bremen ein Prüfverfahren einleitete (Zenthöfer 2020). Die Vorwürfe wurden aber entkräftet (Stengel 2020). In wenigen Fällen kann auch bereits mit einem Bachelor eine Promotion begonnen werden (s. Abschn. 2.3.2). Man belegt dann in der Regel noch Kurse aus dem

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5  Ablauf einer Promotion

Master parallel zur ersten Forschungstätigkeit. In diesem Fall ist natürlich aus Zeitgründen keine berufsbegleitende Promotion möglich (man absolviert ja schon Master und Promotion gleichzeitig), sodass die besondere Möglichkeit der Themenplanung an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt wird. Die meisten Ratgeber und Blogs zu Promotionen empfehlen zudem, alte Kontakte zu ehemaligen Professorinnen und Professoren sowie Kommilitoninnen und Kommilitonen (von denen möglicherweise welche in der Wissenschaft geblieben sind) wieder aufzunehmen. Dies ist ratsam, jedoch macht es aus Sicht von Doktoreltern kaum einen Unterschied, ob ein Bewerber vor einem Jahrzehnt mal eine Veranstaltung bei ihnen belegt hat. Es kann lediglich der Gesprächsöffner sein, danach werden alle Bewerber gleichbehandelt. Einen Unterschied macht es aber, wenn man früher als wissenschaftliche Hilfskraft (Hiwi) an einem Lehrstuhl war (so war es in meinem Fall). Meist hat man in dieser Zeit zwar wenig direkten Kontakt zum Lehrstuhlinhaber gehabt, kennt jedoch die Abläufe und das Set-up einer Promotion, was einen erheblichen Vorteil darstellt. Auch die Promovierenden, für die man in der Zeit gearbeitet hat, können bei der Bewerbung von den Doktoreltern zur eigenen Leistung während der Hiwi-Zeit befragt werden. Nicht zuletzt ist auch die persönliche Lebensplanung wichtig. Eine berufsbegleitende Promotion ist ein Projekt, dass über einen längeren Zeitraum die volle Aufmerksamkeit verlangt und sich nur bedingt mit parallel laufenden Großprojekten, wie Bau einer Immobilie oder Vergrößerung der Familie, in Einklang bringen lässt. Auch beruflich, wenn Sie zum Beispiel gerade befördert wurden oder dies absehbar ist, könnte ein anderer Zeitpunkt passender sein.

5.4

Bewerbung und Exposé

Bei den meisten berufsbegleitenden Promotionsmodellen muss für die Bewerbung ein Exposé angefertigt werden. Für den Inhalt und die Form eines Exposés wird auf die zahlreichen, frei zugänglichen Quellen verwiesen. Ein einheitliches Standardformat gibt es nicht, sondern dieses hängt auch von den persönlichen Vorlieben der Doktoreltern ab. Im Kern möchten diese von einem angehenden Promovierenden wissen, welche Fragestellung sich dieser vorstellt, und sehen, dass sich die Kandidatin oder der Kandidat bereits mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Der Fokus liegt hier daher auf den praktischen Fragen, die in den Exposératgebern oft nicht diskutiert werden, denn bei Erstellung eines Exposés entstehen mehrere Herausforderungen: Der Standardfall wird sein, dass eine Kandidatin oder ein Kandidat bereits bei einem Unternehmen tätig ist, noch keine Doktoreltern hat und daher ­nebenberuflich

5.5 Themenfindung

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die erste Literaturrecherche durchführen muss. Optimal wäre es natürlich, bereits eine systematische Literaturanalyse durchzuführen (mehr dazu in Abschn. 5.6), daraus Forschungslücken abzuleiten und praktisch bereits mit dem Exposé die Grundlage für die Doktorarbeit gelegt zu haben. Dies ist oft allein aus Zeitgründen nicht möglich, sodass man es in einer reduzierten Form durchführt. Denn die meisten Doktoreltern erwarten, dass man zumindest in groben Zügen bereits Forschungsideen mitbringt und diese haben auch eigene Themenvorstellungen. Eine weitere Herausforderung sind die Breite und die Tiefe eines Exposés. Je mehr Zeit und Ressourcen man bereits in das Exposé investiert, desto spezifischer wird in der Regel die Fragestellung. Dies ist durchaus gewünscht, da die meisten Promovierenden mit einer viel zu großen Idee starten und erst nach einiger Zeit merken, wie der eigene Forschungsbeitrag (vermeintlich) immer kleiner wird. Mit der Spezialisierung fallen jedoch auch potenzielle Lehrstühle weg. Beispielsweise kann sich ein fiktiver Lehrstuhl zwar mit Chatbots beschäftigen, aber nur mit der Wirkung der interaktionellen Ausgestaltung (Ironie, Rechtschreibfehler etc.) auf Nutzer und weniger mit der Verbesserung des dahinterliegenden Algorithmus. Letzteres wäre wahrscheinlich eher in der Informatik verortet und würde einem völlig anderen Literaturstrang folgen. Im Gegenteil reicht es natürlich nicht aus, im Exposé zu erläutern, „etwas mit Chatbots“ machen zu wollen. Die Doktoreltern möchten natürlich Synergieeffekte am eigenen Lehrstuhl nutzen und müssen daher verhindern, dass das Themenspektrum der Promovierenden zu weit auseinandergeht. Der Königsweg liegt wie immer irgendwo dazwischen. So kann es Sinn machen, in beide Fachgebiete reinzulesen und mehrere konkurrierende Fragestellungen oberflächlich aufzuschlüsseln. Dies zeigt den zukünftigen Doktoreltern auch, dass die Kandidatin oder der Kandidat über den Tellerrand geschaut hat und sich bewusst ist, dass sich Forschungsthemen nur selten in eine (Fach-)Schublade stecken lassen.

5.5

Themenfindung

Die Themenfindung klang eben bereits an und sie kann als der schwierigste Schritt der Promotion angesehen werden. Keine Entscheidung der Promotionsphase hat so weitreichende Auswirkungen wie die endgültige Festlegung auf ein Thema. Dabei kann es oft drei bis sechs Monate dauern, bis die endgültige Forschungsfrage feststeht. In manchen Fällen wird auch nach einem Jahr das Thema noch mal umgeworfen. Es lohnt sich, für die Themenfindung ausreichend Zeit einzuplanen. Diese Zeit rechnet sich dann im weiteren Promotionsprozess.

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5  Ablauf einer Promotion

Berufsbegleitend Promovierende sind bei der Themenfindung klar im Vorteil, da sie in ihrer Berufspraxis fortlaufend mit Problemen des Geschäftsmodells konfrontiert sind. Diese lassen sich unter Umständen als Einstieg in das eigene Forschungsthema nutzen. Während einer strukturierten Literaturanalyse können dann bereits die ersten Forschungslücken identifiziert und im weiteren Verlauf der Promotion adressiert werden. Eine Forschungslücke (Research Gap) zu identifizieren, ist ein Kernaspekt der Themenfindung. Dafür empfiehlt sich zu Beginn ein möglichst enger Austausch mit den Dok­ toreltern und etwaigen Postdocs am Lehrstuhl. Diese kennen das Themenfeld seit Jahren (oder sogar Jahrzehnten) und haben ein Gespür dafür, welche Themen und Forschungsfragen vielversprechend sind und welche nicht. Meist ergibt sich über die ersten Wochen ein Pingpong aus Artikel suchen, lesen, Fragestellungen überlegen, Ideen skizzieren, diese mit den Doktoreltern und/oder Postdocs besprechen, um wiederum mit neuen Anregungen auf die Suche nach neuen Artikeln zu gehen. Für (berufsbegleitend) Promovierende gibt es mehrere Tipps, wie man sich die Themenfindung leichter macht: cc

Studieren Sie beim Lesen von Artikeln zunächst die letzten Seiten besonders gut, da hier meist unter der Überschrift „Future Research“ oder „Outlook“ Fragestellungen formuliert werden, die lohnenswert sind, weiter untersucht zu werden. Auf die Einschätzung der Autorinnen und Autoren des jeweiligen Papers ist in der Regel Verlass, da diese meist eine ähnliche Fragestellung im Paper untersucht haben, dafür bereits die Literatur kennen und sicher sind, dass dies eine Fragestellung ist, die noch offen ist.

Als weitere Empfehlung sollten angehende Promovierende die eigenen Ideen möglichst früh schriftlich festhalten und verbalisieren. Hierzu hilft es, sich den Begriff des Minimum Viable Paper (MVP) zu eigen zu machen (Kirchherr 2018). Eigentlich steht MVP für Minimum Viable Product (also Minimalanforderungen für ein lauffähiges Produkt) und wird in der Softwareentwicklung verwendet. Das Minimum Viable Paper wird ausführlich im Buch The Lean PhD behandelt (Kirchherr 2018). Andere Quellen stellten das Minimum Viable Paper sogar bereits früher vor (Horton 2012; Simon 2017). In einem Artikel im Times Higher Education (Marler et al. 2018) wird das Konzept näher beschrieben, sodass Sie für die Idee nicht das ganze Buch lesen müssen. Die Grundidee ist, dass der Perfektionismus viele Promovierende paralysiere und dass es besser sei, halbfertige Manuskripte an die Doktoreltern zu schicken. Damit kann man sich auf die Kernidee der Forschung

5.6  Die systematische Literaturanalyse

95

konzentrieren und verschwendet ferner keine Zeit mit der perfekten Ausarbeitung. Als berufsbegleitend Promovierender hat man hier erneut einen Vorteil, da man auf IT-nahen Projekten im Unternehmen das Konzept des Minimum Viable Paper/Product möglicherweise bereits verinnerlicht hat oder es je nach Unternehmenskultur üblich ist, mit unfertigen, aber innovativen Ideen an die eigene Führungskraft he­ ranzutreten. Hier ein letzter Tipp für den Abschnitt der Literatursuche: cc

Bleiben Sie möglichst nah an der ursprünglichen bzw. aktuellen Forschungsidee. Vermeiden Sie dabei insbesondere, in einem Paper eine vermeintlich interessante Quelle zu entdecken, dieses Paper direkt zu lesen und dann im Ergebnis von einem Paper in das nächste zu springen. Bei manchen betreuten Abschlussarbeiten stellte ich fest, wie weit sich die Studierenden damit von der ursprünglichen Frage entfernt hatten.

Die Themenfindung wird nachfolgend auch in der systematischen Literaturanalyse nochmals aufgegriffen.

5.6

Die systematische Literaturanalyse

Zu Beginn einer Promotion ist es unerlässlich, sich den aktuellen Stand der Literatur anzueignen. Dies bietet mehrere Vorteile: Zum einen wird verhindert, dass ein Themengebiet oder eine konkrete Fragestellung bereits bearbeitet wurde. Wird ein Promotionsvorhaben ohne Literaturanalyse gestartet, so bemerkt man spätestens im Reviewprozess (dazu später mehr), ob die eigene Fragestellung bereits beantwortet oder aus gutem Grund überhaupt nicht erst untersucht wurde. Zum anderen hilft dieser Schritt bei der Identifizierung von Forschungslücken, welche dann bearbeitet werden können. Um sich auf den aktuellen Stand der Literatur zu bringen, bietet sich eine sogenannte „systematische Literaturanalyse“ an. Im Gegensatz zu einer unsystematischen Literaturanalyse zeichnet sie sich durch eine klare und systematische Vorgehensweise aus, die verhindert, dass Studien übersehen werden oder dass unbeabsichtigt ein Bias in der ausgewählten Literatur entsteht (z. B. in Richtung einer bestimmten Methodik oder Theorie). Verwenden Sie beispielsweise nur die Literatur, die Ihnen Google

96

5  Ablauf einer Promotion

Scholar auf der ersten Seite anzeigt, werden Sie sehr wahrscheinlich nur ältere Studien finden, die bereits viel zitiert wurden, da diese vom Algorithmus von Google in der Anzeige priorisiert werden. Für Sie birgt das die Gefahr, dass es bereits neuere, weniger bekannte Studien gibt, die sich Ihrer Forschungsidee bereits gewidmet haben. Zudem verhindern Sie mittels einer systematischen Literaturanalyse das eben beschriebene „Springen“ von Paper zu Paper. Da ein Zwischenergebnis Ihrer Suche eine Liste an relevanten Papers ist, können Sie diese zunächst zielführend abarbeiten. Zahlreiche Quellen beschreiben den Ablauf und die Anforderungen einer systematischen Literaturanalyse bis ins kleinste Detail (z. B. Kitchenham 2004; Okoli und Schabram 2010; vom Brocke et al. 2009), daher wird dies an dieser Stelle nur kursorisch wiederholt. Barbara Kitchenham nennt beispielsweise drei Ziele einer systematischen Literaturanalyse: 1 . bestehende Evidenz zusammenfassen, 2. Lücken in der aktuellen Forschung identifizieren, 3. einen Rahmen/Hintergrund schaffen, um neue Forschungsaktivitäten angemessen zu positionieren. Die Quellen haben alle gemeinsam, dass zunächst eine Problemdefinition oder Forschungsfrage definiert werden muss. Dies ist notwendig, damit die Suche fokussiert und systematisch ablaufen kann. Meist ist dafür bereits ein gewisses Grundverständnis über das zu erforschende Thema notwendig. Sie könnten daher zweigleisig vorgehen: Lesen Sie sich bereits in Ihr Thema ein, um ein Grundverständnis zu erlangen, und führen Sie dann die systematische Literaturanalyse durch. Das Grundverständnis benötigen Sie alleine schon, um die Datenbanken und Suchbegriffe für Ihre Analyse zielführend definieren zu können. Sobald Sie nämlich die Suchanweisung (Search String) formuliert haben, fragen Sie entsprechende Datenbanken (z. B. „Science direct“ für Artikel aus der BWL, VWL, Informatik oder den Sozialwissenschaften oder „IEEE Xplore“ für Artikel aus den Ingenieurswissenschaften und der Informatik) ab und erhalten als erstes Zwischenergebnis eine Liste an auszuwertenden Studien. Nach welchen Kriterien Sie die Studien auswerten, müssen Sie sich bereits zu Beginn überlegen. Bei Barbara Kitchenham können Sie diesen Teil nochmals unter „Development of a review protocol“ nachlesen (Kitchenham 2004, S. 4). Das Ergebnis einer systematischen Literaturanalyse könnte ein Framework oder eine Taxonomie sein. Kollegen und eine Kollegin meines ehemaligen Lehrstuhls (Morana et al. 2017) entwerfen beispielsweise eine Taxonomie zu Designmerkmalen von Hilfesystemen (Guidance Design Features). Dieses Ergebnis könnten Sie bereits versuchen, auf einer wissenschaftlichen Konferenz (s. Abschn. 5.8.2) oder in einem Journal (Abschn. 5.8.3) zu publizieren.

5.7  Datenerhebung und Datenanalyse

97

Für berufsbegleitend Promovierende ist die systematische Literaturanalyse schwieriger durchzuführen als für Vollzeitpromovierende auf einer festen Stelle. Trotz der kochbuchartigen Vorgehensweise der genannten Quellen lauern im Laufe des Prozesses zahlreiche Fallstricke. Daher ist ein ständiger Austausch mit erfahreneren Promovierenden, Postdocs oder den Doktoreltern dringend angeraten. Dies kommt Promovierenden zugute, die täglich am Lehrstuhl vor Ort sitzen und kurze Wege zu den Kolleginnen und Kollegen haben. Sollte an einer Stelle der systematischen Literaturanalyse ein Hindernis auftauchen, z. B. welche Datenbanken abzufragen sind, gerät der gesamte Prozess ins Stocken und man kann ihn nicht fortsetzen, bis das Problem gelöst ist. Ferner handelt es sich hier um eine rein theoretische Übung ohne praktische Anwendungsmöglichkeiten für das Unternehmen. Daher tun sich viele mit der Durchführung dieses notwendigen Schrittes im Promotionsprozess möglicherweise etwas schwerer. Mein Rat wäre noch, sich hier ausreichend Zeit zu nehmen, die Sie nach hinten raus im Promotionsvorhaben mit Zins und Zinseszins wieder einsparen werden. Sobald Sie Ihre Literaturanalyse durchgeführt und eine Forschungslücke gefunden  haben, können Sie sich Ihrem Experimentaldesign und der Datenerhebung widmen. Der Entwurf eines Experimentaldesigns hängt ganz individuell von Ihrer Fragestellung ab. Es ist daher weder möglich noch zielführend, dieses hier ausgiebig zu behandeln. Erneut verweise ich deshalb auf die weiterführende Literatur (z. B. Greenwald 1976; Kirk 2003; List et al. 2011).

5.7

Datenerhebung und Datenanalyse

Bei der Form der Datenerhebung kann zwischen qualitativer Datenerhebung und quantitativer Datenerhebung sowie der Mischform unterschieden werden. Zunächst werden die Ansätze kurz dargestellt und dann die Besonderheiten für berufsbegleitend Promovierende hervorgehoben. Ich empfehle Ihnen jedoch, sich nochmals in ein dezidiertes Methodenbuch einzuarbeiten und verweise dazu ebenfalls auf die reichhaltige Literatur in diesem Bereich.

5.7.1 Quantitative Datenerhebung Die quantitative Datenerhebung ist in den Wirtschaftswissenschaften verbreiteter als die qualitative Datenerhebung. Dabei können Daten mittels Fragebögen (heutzutage online und nicht mehr sog. Paper-Pencil-Methode), Laborexperimenten, Feldexperimenten sowie vielen anderen Methoden erhoben werden. Die Aufzählung ist nicht abschließend, da dies kein wissenschaftliches Methodenbuch ist. Im Kern erhält man am Ende Datenpunkte, die statistisch ausgewertet werden können.

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5  Ablauf einer Promotion

Für berufsbegleitend Promovierende bietet es sich an, im eigenen Unternehmen auf die Suche nach bereits vorhandenen Daten zu gehen. Dies hat mehrere Vorteile und einen entscheidenden Nachteil: Vorteilhaft ist der Zeitaspekt. Eine Datenerhebung muss sorgfältig geplant werden und nimmt daher sehr viel Zeit in Anspruch. Oft werden auch Forschungsgelder eingesetzt, um Teilnehmer zu incentivieren, sodass der Druck hoch ist, dass alles reibungslos abläuft. Die Tage der Datenerhebung können die aufregendsten der ganzen Promotionszeit werden und mit Kolleginnen und Kollegen wird regelrecht mitgefiebert, dass alles reibungslos abläuft. Der monetäre Aspekt ist auch der zweite Vorteil: Die Datenerhebung kostet Geld, entweder da ein Marktforschungsinstitut beauftragt oder Teilnehmer incentiviert werden müssen. Bei vorhandenen Daten fallen diese Kosten weg und können beispielsweise für Folgestudien verwendet werden. Das Problem dabei ist, dass die Daten so genommen werden müssen, wie sie sind, und nicht immer zur Fragestellung passen. Die Fragestellung dann noch anzupassen wäre unsauber, da der Weg Problem, Hypothese, Design, Datenerhebung, Hypothesentests einzuhalten ist. Daher kann der Datensatz für explorative Forschung genutzt werden, die danach in einer Folgestudie untermauert oder widerlegt wird. Oder es können damit Nebenaspekte behandelt werden, die für die eigene Forschung, d. h. die Hauptforschungsfrage, nicht zentral sind, aber das zu untersuchende Phänomen weiter eingrenzen. Untersucht man beispielsweise das Kanalnutzungsverhalten (Online, ­Offline, Mobile etc.) von Privatkunden einer Branche, hilft ein Datensatz zu ­Geschäftskunden nur bedingt weiter. Geklärt werden muss natürlich auch, ob die vorhandenen Daten verwendet und veröffentlicht werden dürfen. Da sie damit auch Wettbewerbern zur Verfügung stehen, dürfen sie keine sensiblen Informationen, Geschäftsgeheimnisse oder Unternehmensstrategien enthalten. Bei persönlichen Daten oder Kundendaten ist eine anonymisierte oder geclusterte Verwertung manchmal möglich, die Abstimmung mit der unternehmensinternen Datenschutzabteilung kann dabei jedoch mühsam sein.

5.7.2 Qualitative Datenerhebung Bei der qualitativen Datenerhebung kommt es anders als bei quantitativer Forschung weniger auf die Masse, sondern vor allem auf den Inhalt an. Bei den qualitativen Forschungsmethoden gibt es beispielsweise Fokusgruppen, Tiefeninter-

5.7  Datenerhebung und Datenanalyse

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views, aber auch Fallstudien (Case Studies) oder schlicht das Beobachten von Verhalten im Feld. Die qualitative Datenerhebung ist in den Wirtschaftswissenschaften seltener und wird meist angewendet, wenn ein Thema neu und unerforscht ist. In diesem Fall ist es deutlich schwieriger, mit gerichteten Hypothesen zu arbeiten, da zu wenig Literatur vorhanden ist, mit welcher die Hypothesen hergeleitet werden können. Ganz praktisch könnte es dann sein, dass man an der Realität vorbei Hypothesen aufstellt, die sich nicht bewahrheiten. Ganz theoretisch stellt sich das Problem, dass sich bei der Herleitung der Hypothesen in der zu schreibenden Publikation Lücken ergeben, die Reviewer kritisieren könnten (s. Abschn. 5.8.4). Daher nutzt man qualitative Forschung, um das Problem einzugrenzen (und dann in einer etwaigen Folgestudie quantitativ anzugehen). Qualitative Forschung hat jedoch auch Nachteile. Ein Nachteil ist die kleine Stichprobengröße und damit die Problematik der Verallgemeinerung. Es stellt sich bei einem gefundenen Ergebnis (z. B. finden Sie in mehreren Tiefeninterviews heraus, dass die befragten Männer neuen Technologien aufgeschlossener gegenüberstehen als die befragten Frauen) die Frage, ob die gefundenen Ergebnisse verallgemeinert werden können oder nur Zufall sind. Im Rahmen von Case Studies könnte man versuchen dies über die Repräsentativität des betrachteten Unternehmens (z. B. Apple) oder Marktes zu lösen, indem argumentiert wird, dass sich andere Unternehmen am Marktführer orientieren. Ganz aufzulösen ist das Problem der Stichprobe jedoch nie. Damit verbunden ist das Problem der Publikation: Qualitative Daten lassen sich meiner Erfahrung nach deutlich schwieriger in hochwertigen Journals publizieren. Für berufsbegleitend Promovierende sind qualitative Forschungsansätze jedoch interessant. Nicht ohne Grund hatten viele Praxisbeispiele, die in diesem Buch dargestellt wurden, vor, eine qualitative Datenerhebung durchzuführen. Qualitative Daten (wie beispielsweise Interviews) sind je nach Set-up leichter im Unternehmen zu erheben oder es ist leichter, die Freigabe der hausinternen Datenschutzabteilung zu erhalten. Ferner sind qualitative Daten schwerer zu widerlegen, da sie nicht so leicht repliziert werden können wie quantitative Daten. Daher betrachte ich persönlich Arbeiten, die rein auf qualitativen Datenerhebungen basieren, grundsätzlich etwas kritischer als Arbeiten, die eine Kombination von qualitativen und quantitativen Daten verwenden.

5.7.3 Verfahren der Datenanalyse Für die Datenanalyse steht eine unüberschaubare Anzahl an (statistischen) Verfahren zur Verfügung. Zunächst richtet sich das Verfahren danach, ob qualitative oder

100

5  Ablauf einer Promotion

quantitative Daten vorliegen. Interviews müssen beispielsweise codiert werden, während quantitative Daten mittels unterschiedlicher statistischer Tests ausgewertet werden. Hier richtet sich der Test nach der Art der Daten (Anzahl abhängiger Variablen, Typ der abhängigen Variablen, Typ der unabhängigen Variablen etc.). Gängige Statistikbücher (Field et al. 2012) oder beispielsweise die Methodenberatung der Universität Zürich (Universität Zürich 2018) bieten hier eine gute Übersicht. Bei den Verfahren der Datenanalyse bestehen keine Unterschiede für berufsbegleitend Promovierende.

5.7.4 Statistiksoftware Für die statistische Datenanalyse stehen mehrere Anwendungen zur Verfügung. Die häufigsten sind SPSS, R und Stata. SPSS und Stata sind nicht frei verfügbar, während R als Open-Source-Lösung kostenfrei erhältlich ist. Die meisten Universitäten haben aber Lizenzen für SPSS und Stata. SPSS kann über ein Menü bedient werden, R lediglich über eine Syntax und Stata über ein Menü und/oder eine Syntax. Für die meisten Personen dürfte, wenn sie nicht bereits mit einem der Programme gearbeitet haben, SPSS am nützlichsten sein. R bietet grundsätzlich mehr Flexibilität, allerdings sind die Eintrittsbarrieren hier deutlich höher, da es programmierähnliche Kenntnisse erfordert. Aus der Erfahrung der Betreuung zahlreicher Abschlussarbeiten haben sich die meisten für SPSS, die wenigsten für Stata und R entschieden. Hilfestellungen gibt es für alle drei Programme ausreichend in Text- und in Bildform. In Textform kann ich die Bücher von Andy Field empfehlen (Field et al. 2012). Diese sind ansprechend, verständlich und umfassend geschrieben und für alle gängigen Statistiksoftwares verfügbar. Im Springer-Verlag wäre ein deutsches Pendant beispielsweise das Buch Moderne Datenanalyse mit R von Sebastian Sauer (2019). Bei der Datenanalyse gibt es für berufsbegleitend Promovierende weder Vornoch Nachteile. Je nach Set-up kann der Zugang zu Statistiksoftware eingeschränkt sein oder man kann bei Fragen nicht auf die an vielen Universitäten verfügbaren Statistikerinnen und Statistiker zugreifen. Insgesamt sind diese Einschränkungen jedoch überschaubar.

5.8

Veröffentlichen – der (Peer-)Reviewprozess

Die meisten Doktorarbeiten sind heutzutage kumulativ, d. h., sie setzen sich aus mehreren Teilstudien zusammen, die jeweils in Fachzeitschriften (Journal) oder auf Konferenzen veröffentlicht werden. Für berufsbegleitende Promotionen gibt es

5.8  Veröffentlichen – der (Peer-)Reviewprozess

101

hier kaum Unterschiede zu Vollzeitpromovierenden, da die wissenschaftlichen Standards für alle Formen der (beruflichen) Anstellung natürlich einheitlich sind.

5.8.1 Wissenschaftliche Konferenzen In manchen Fachgebieten ist es üblich, die eigene Forschung zunächst auf wissenschaftlichen Konferenzen zu präsentieren. Dies kann in Form von Kurzpapieren (sogenannte Research in Progress Papers oder Short Papers) geschehen, für welche je nach Thema noch keine erhobenen Daten benötigt werden. Research in Progress Papers bieten sich insbesondere für systematische Literaturanalysen an, insofern diese einen wissenschaftlichen Mehrwert (z.  B. ein Framework) über die reine Analyse der Literatur hinaus schaffen. Research in Progress Papers werden meist als Poster präsentiert, gehen jedoch nicht immer in die Veröffentlichung der Konferenz (Proceedings) ein. Auch Vorstudien mit kleineren Stichproben bieten sich für Kurzpapiere an, die zwar noch kein verlässliches Bild zeichnen können, aber zumindest eine Richtung vorgeben. Bei Kurzpapieren wird billigend in Kauf genommen, dass sich die Ideen noch nicht bewährt haben. Andererseits kann man anhand dieser Papiere die zukünftigen Trends eines Forschungsgebiets abschätzen, da die Promovierenden auf den entsprechenden Themen ja noch mehrere Jahre weiterforschen und publizieren werden. Alternativ, und verbunden mit deutlich höheren Ablehnungsquoten, können auf Konferenzen vollwertige Papers (sogenannte Full Papers) eingereicht werden. Für diese sind eigens erhobene Daten unerlässlich, die über Vorstudien mit kleinen Stichproben hinausgehen. Ein eigener wissenschaftlicher Mehrwert muss deutlich erkennbar sein und die Forschung wird dann im Rahmen eines Vortrags präsentiert, an welchen sich noch eine Q&A-Session anschließt. Je nach Konferenz, z. B. bei der International Conference on Information Systems, kann sich ein vollwertiges Paper durchaus mit der Publikation in einer Fachzeitschrift vergleichen lassen. Akzeptierte Full Papers werden auch in die Proceedings aufgenommen (sofern mindestens eine Autorin oder ein Autor bei der Konferenz anwesend war und das Paper vorgestellt hat) und bekommen je nach Konferenz eine ISBN-Nummer. In anderen Bereichen (wie dem Finance-Bereich) ist es genau umgekehrt: Hier wird ein Paper verfasst und dieses als Working Paper auf bekannten Plattformen hochgeladen. In der Folge werden zahlreiche Konferenzen besucht und dort die Studie vorgestellt. Die Vorstellung dient der Verbesserung des Papers und dem Bekanntmachen der eigenen Forschung oder Person. Sobald genug Konferenzen besucht wurden, wird das Paper bei einem Journal eingereicht. Insofern kann man vorab schon etwas Lobbying für die eigene Studie betreiben. Wie dann allerdings das bewährte Double-blind-Prinzip, d. h., der Reviewer kennt die Autorinnen und Au-

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5  Ablauf einer Promotion

toren nicht und umgekehrt, eingehalten werden kann, ist mir nicht bekannt. Fast alle Manuskripte werden nach der Double-blind-Methode begutachtet, um einer möglichen Befangenheit vorzubeugen. Konferenzen haben mehrere Vorteile und wenige Nachteile. Die Vorteile sind vor allem, dass die Annahmequote höher ist als bei Fachzeitschriften, sodass gerade junge Promovierende sich schneller Erfolgserlebnisse sichern können. Zudem bekommt man frühzeitig Feedback zur eigenen Forschungsrichtung. So kann verhindert werden, dass man erst nach monate- oder jahrelanger Arbeit bemerkt, dass das eigene Thema in eine „falsche“ Richtung geht oder nicht für ein breiteres Pu­ blikum von Interesse ist. Das Feedback kommt auch schneller, da üblicherweise zwischen Abgabe (Submission) und Entscheidung nur wenige Wochen bis Monate liegen. Bei großen Fachzeitschriften kann eine Einreichung erst nach Monaten (selten sogar bis zu einem Jahr oder länger) mit Feedback zurückkommen.

5.8.2 Veröffentlichungsprozess bei Konferenzbeiträgen Der Prozess eines Konferenzpapers ist wie folgt: Zunächst muss eine geeignete Konferenz identifiziert werden. Dies ist bereits die erste Hürde, da Konferenzen oft sehr spezialisiert sind (z. B. die European Conference on Computer-Supported Cooperative Work der European Society for Socially Embedded Technologies) und qualitativ unterschiedlich anspruchsvoll sind. Insbesondere bei neueren bzw. jüngeren Konferenzen ist die Annahmequote höher, da sich die Konferenz erst einen Namen machen muss und tendenziell mehr Beiträge annimmt. Etablierte Konferenzen sind hingegen mehr auf Qualität bedacht und die Ablehnungsquoten, insbesondere bei Full Papers, sind entsprechend höher. cc

Legen Sie sich bereits zu Beginn eine Liste möglicher Konferenzen und deren Einreichungsfristen an. Am einfachsten ist es dafür, am eigenen Lehrstuhl nach den relevanten Konferenzen zu fragen. Vermerken Sie sich ferner in Ihrer Liste die Akzeptanzquote (­ Acceptance Rate) der vergangenen Jahre, das Rating der Konferenz sowie, je nach Ausrichtung und Fachgebiet, weitere Merkmale.

Die Abgabe erfolgt über eine Onlineplattform. Nach der Einreichungsfrist (Submission Deadline) scannt der Track Chair die eingereichten Publikationen und verteilt sie unter Einbindung der Associate Editors an zwei bis drei Reviewer. Dies sind meist erfahrene Promovierende, Postdocs oder Professorinnen und  Professoren. Die Re-

5.8  Veröffentlichen – der (Peer-)Reviewprozess

103

views werden gesammelt und vom Track Chair mit einer Zusammenfassung und einer Entscheidung (Accept or Reject) an die Autorinnen und  Autoren zurückgesendet. Wird das Conference Paper abgelehnt, so hat man im besten Fall Anregungen für die weitere Forschung. Wenn ein Paper keine handwerklichen Mängel (z. B. Fehler bei Datenerhebung oder -analyse, Berücksichtigung der relevanten Literatur, ordentlich geschrieben und formatiert) vorweist, scheitert es meist an dem wissenschaftlichen Beitrag (Contribution). Das heißt, dass die Vorgehensweise zwar korrekt ist, dass es aber keinen Mehrwert über die bereits bestehenden Arbeiten hinaus bietet. Insbesondere wird vom eingereichten Paper dann keine Theorie weiterentwickelt, keine neuen Erkenntnisse geliefert oder schlicht keine interessante Geschichte präsentiert. Die Bewertung eines Papers, ob es akzeptiert oder abgelehnt wird, hängt manchmal auch einfach vom Reviewer ab. Damit kommt jeder Einreichung auch ein gewisser „Glücksfaktor“ zu. Ich habe selbst schon viele Reviews verfasst und denke, dass der Unterschied zwischen einem gerade akzeptanzfähigen Paper (Weak Accept) und einem gerade abzulehnenden Paper (Weak Reject) manchmal nur marginal ist. Positiv ist dabei anzumerken, dass ein Paper meist von zwei bis drei Reviewern begutachtet wird und so, aufgrund der unterschiedlichen Sichtweise der Reviewer, idealerweise eine umfassende Bewertung der positiven und negativen Aspekte des Papers vollzogen und der „Glücksfaktor“ minimiert wird. Mehr dazu, worauf Reviewer achten, finden Sie in Abschn. 5.8.4. Meist wird man als Autorin oder  Autor auch aufgefordert, geeignete Reviewer vorzuschlagen. Dies wird in ­Abschn. 5.8.3 noch ausführlicher behandelt, sollte aber in jedem Fall w ­ ahrgenommen werden, da es die Akzeptanzchancen steigert. Am Ende muss das Paper meist noch leicht angepasst werden, bevor es endgültig akzeptiert wird. Dies ist jedoch Formsache, da nur wenige Papers in dieser Phase noch abgelehnt werden. Das akzeptierte Paper geht dann in die Veröffentlichung (Proceedings) ein und kann von anderen Forschenden gelesen und zitiert werden.

5.8.3 Veröffentlichungsprozess bei Journalpapers Der Prozess zur Publikation in einer Fachzeitschrift verläuft sehr ähnlich. Zunächst muss die entsprechende Fachzeitschrift ausgewählt werden. Auch hier gibt es eine schier unübersichtliche Anzahl an Möglichkeiten. Jede Zeitschrift veröffentlicht normalerweise Kennzahlen wie Cite Score, Impact Factor (IF), Source Normalized Impact per Paper (SNIP) oder SCImago Journal Rank (SJR), die einen Vergleich ermöglichen. Eine Richtschnur kann auch das bereits erwähnte Ranking des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft (s. Abschn. 5.1.2) sein.

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5  Ablauf einer Promotion

Eine Auswahl zu treffen ist nicht trivial und Hilfe durch die Doktoreltern oder Postdocs ist angeraten. Ist man aufgrund einer schlechten Betreuungssituation auf sich allein gestellt, so kann man sich zunächst an der Selbstbeschreibung der Fachzeitschriften orientieren. Viele Zeitschriften fallen schon alleine vom Fokus heraus. Dies ist jedoch nicht immer leicht: Ich versuchte mal ein Paper beim Journal Decision Support Systems (DSS) einzureichen, welches bereits nach wenigen Tagen antwortete, dass das eingereichte Paper nicht zum Fokus des Journals passe und daher direkt abgelehnt werden müsse. Grundsätzlich empfiehlt es sich, das Paper zunächst möglichst hoch einzureichen, d. h. auf A-Niveau oder in einem guten B-Journal. Da meist viele wertvolle und anstrengende Arbeitsstunden in das Paper geflossen sind, wäre es eine Verschwendung, dieses bei einer schlechter eingestuften Fachzeitschrift zu „verpulvern“. Ferner bekommt man bei einem hochrangingen Journal oft qualitativ besseres Feedback, da die Reviewer erfahrener sind. Es steht hingegen auf einem anderen Blatt, ob sich diese auch die notwendige Zeit nehmen und die Mühe machen, das Paper ausgiebig zu beurteilen. Außerdem ist bei jeder Einreichung, wie bereits oben angedeutet, auch ein Quäntchen Glück notwendig und man kann nie ausschließen, dass die eigene Forschung gerade bei einem ausgewählten Journal einen Nerv trifft. Man muss jedoch einkalkulieren, dass der Reviewprozess bei A-­Journals deutlich länger dauert. Hochrangige Fachzeitschriften erhalten jedes Jahr unzählige Einreichungen aus der ganzen Welt, sodass alleine die Sichtung und erste Bewertung hier bereits einige Zeit in Anspruch nehmen. Ein ehemaliger Kollege von mir musste mal nach rund einem halben Jahr eine Erinnerung an ein A-Journal schicken und erhielt dann nach gut einem Jahr eine Ablehnung. In der Wirtschaftsinformatik sind beispielsweise die renommiertesten Fachzeitschriften im sogenannten Basket of 8 zusammengefasst (Association for Information Systems 2020). Jedoch sollten sich Promovierende nicht zu viele Hoffnungen auf eine Publikation im Basket machen, da die Ablehnungsquoten sehr hoch sind und der Einreichungsprozess aufgrund der geforderten Überarbeitungen Jahre ­dauern kann. Dies ist meist während der Promotionszeit nicht zu leisten, welche an sich ja nur drei bis fünf Jahre dauert. Daher ist es in der Wirtschaftsinformatik eher selten, während der Promotionszeit in einem A-Journal zu publizieren. In anderen Bereichen sieht es ähnlich aus: Im Managementbereich ist das Journal Management Science eine der renommiertesten Fachzeitschriften und es ist ebenfalls eher ungewöhnlich, dort noch während der Promotion ein Paper platzieren zu können. Im Marketingbereich scheint die Skala meines Erachtens etwas nach oben verschoben zu sein. So ist eine A-Publikation während der Promotionszeit möglich und von manchen Doktoreltern sogar für die Abgabe der Doktorarbeit vorausgesetzt. Im Finance-Bereich werden, wie bereits im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, eigene Studien zunächst auf Konferenzen vorgestellt, bevor diese bei

5.8  Veröffentlichen – der (Peer-)Reviewprozess

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Fachzeitschriften eingereicht werden. Zwei Forscher der TU München haben sogar die Fußnoten von Artikeln in hochrangigen Zeitschriften daraufhin analysiert, auf welcher Konferenz diese zunächst vorgestellt werden, und dazu ein Paper veröffentlicht (Reinartz und Urban 2017). In der VWL sind die bekanntesten Journals u. a. das Quarterly Journal of Economics, Journal of Financial Economics, Journal of Economic Literature oder Econometrica. In der VWL ist es im Gegensatz zu anderen Disziplinen deutlich verbreiteter, Artikel vorab als Arbeitspapiere (sog. Working Papers) zu veröffentlichen und diese erst nach einer Feedbackrunde bei einem Journal einzureichen. Die Grenzen zu den Disziplinen verschwimmen jedoch zunehmend, sodass es auch möglich ist, in angrenzenden Fachbereichen zu publizieren. Bei der Submission wird man auch aufgefordert, mögliche Reviewer anzugeben. Hierzu ein weiterer Tipp: cc

Machen Sie von der Möglichkeit Gebrauch, einen Reviewer vorzuschlagen. Dies bietet Ihnen die Möglichkeit, das Paper jemandem vorzulegen, der in diesem Bereich eine Expertise besitzt und das Thema spannend findet.

Manchmal steht ein Paper auch nur deswegen unter einem schlechten Stern, weil es einem Reviewer vorgelegt wird, der keinen Bezug zu dem Thema hat und folglich auch nicht begeistert ist, dieses zu begutachten. Selbstverständlich entspricht es aus Gründen der Befangenheit nicht wissenschaftlichen oder ethischen Standards, Reviewer vorzuschlagen, mit denen man in persönlicher Beziehung steht oder in der Vergangenheit zusammengearbeitet hat. Kleinere Tricks bestehen auch darin, möglichst viele Papers eines potenziellen Reviewers zu zitieren, und diesem damit einen Anreiz zu geben, das Paper zu akzeptieren, um seine eigenen Zitationen (Citations) zu steigern. Der Vollständigkeit halber sei jedoch darauf hingewiesen, dass nie gesichert ist, wer das Paper am Ende begutachtet. So hat ein mir bekannter Promovierender ein Paper bei einem Journal eingereicht, welches ein Experimentaldesign verwendete, das auf einem Paper des Haupteditors (Editor in Chief) basierte. Trotz der Zitierung von fast allen Studien dieses Editors wurde das Paper am Ende abgelehnt. Falls man keine Reviewer parat hat oder das Paper schnell einreichen möchte, so kann auf einen entsprechenden Vorschlag auch verzichtet werden, z. B. durch einen Satz wie: As far as the opportunity to nominate editors and reviewers is concerned, we would like to ask the editor’s office to make the necessary choices based on their expertise.

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5  Ablauf einer Promotion

Prüfen Sie am Ende des Einreichungsprozesses die zusammengestellte PDF-­Version unbedingt nochmals kritisch auf Rechtschreib- und Formatfehler, da auch der optische Eindruck, bei Fachzeitschriften noch mehr als bei Konferenzen, wichtig ist. Neben dem eigentlichen Manuskript muss man in der Regel noch ein Anschreiben (Cover Letter) sowie ggf. separat die Quellen, Highlights oder Autoreninformationen hochladen. In jedem Fall werden die Voraussetzungen immer in eigenen Autoreninformationen (Guide for Authors, Author’s Guide) des Journals zusammengefasst. Das Anschreiben kann man beispielsweise wie folgt ausgestalten: Beispiel

Dear Dr. [EDITOR-IN-CHIEF] We hereby submit the attached manuscript, [TITLE] by [Authors] for consideration and possible publication as a research article in the [JOURNAL]. [EXTRACT OF THE ABSTRACT] We believe this article and the innovative results will be of interest to the readers of the [JOURNAL]. As far as the opportunity to nominate editors and reviewers is concerned, we would like to ask the editor’s office to make the necessary choices based on their expertise. This paper has not been published or submitted for publication at another journal. All authors approved the manuscript and this submission. To the best of our knowledge, no conflict of interest, financial or otherwise, exists. The research data is available upon request. Thank you for receiving our manuscript, we appreciate your time and look forward to hearing from you. Sincerely, [AUTHORS] ◄ Highlights existieren nicht bei allen Fachzeitschriften. Sie beschreiben über die Zusammenfassung (Abstract) hinaus die interessanten Punkte des Papers. Zum Beispiel nutzt das Journal of Behavioral and Experimental Economics (JBEE) solche Highlights. Exemplarisch hat das Paper „How effective is nudging? A quantitative review on the effect sizes and limits of empirical nudging studies“ (Hummel und Maedche 2019) folgende Highlights: • Empirical nudging studies can be categorized along eight dimensions. • Analysis reveals that only 62 % of nudging treatments are statistically significant.

5.8  Veröffentlichen – der (Peer-)Reviewprozess

107

• Nudges have a median effect size of 21 % which depends on the category and context. • Defaults are most effective while precommitment strategies are least effective. • Digital nudging is similarly effective, but offers new perspectives of individualization. Die Autoreninformationen sind die Beschreibungen der Autorinnen und Autoren (meist nicht mehr als ein Absatz) sowie gelegentlich ein Bild. Beispielhaft sei hier das Journal Decision Support Systems (DSS) genannt, welches konsistent am Ende jedes Papers nach den Referenzen die Autoreninformationen inklusive Bild abdruckt. Somit enthalten die meisten Einreichungen bei Fachzeitschriften mehr als nur das Manuskript und diese formalen Voraussetzungen korrekt einzuhalten, stellt die erste Hürde dar. Nach erfolgter Einreichung dauert es meist mehrere Monate, bis die Gutachten (Reviews) vorliegen. Während des gesamten Prozesses kann der Status in der Onlineplattform des Journals verfolgt werden. In jedem Fall lohnt es sich, mehrere kleine Forschungsprojekte parallel zu verfolgen, damit nach Einreichung kein Leerlauf entsteht und auf dem nächsten Projekt weitergearbeitet werden kann (s. dazu auch Abschn. 4.2.2). Abschließend nochmals der Hinweis, dass es im Veröffentlichungsprozess praktisch keinen Unterschied macht, berufsbegleitend oder in Vollzeit zu promovieren. Da lediglich das Paper untersucht wird und die wissenschaftlichen Standards einheitlich sind, bringt es weder Vor- noch Nachteile, ein berufsbegleitend Promovierender zu sein. Ein Tipp jedoch, falls man im Blockmodell (Abschn. 4.2) promoviert: cc

Reichen Sie jeweils zum Ende einer Promotionsphase ein Paper ein, bevor Sie zurück ins Unternehmen wechseln. Da Paper mehrere ­Wochen bis Monate „under review“ sind, liegt eine Antwort meist vor, wenn Sie an den Lehrstuhl zurückkehren.

Problematisch wird es nur, wenn ein Paper während der Praxisphase zurückkommt und überarbeitet werden muss. Bei Konferenzen bleiben dafür meist nur ca. zwei bis drei Wochen Zeit, was einem im wahrsten Sinne des Wortes schlaflose Nächte bereiten kann. Für Promovierende, die im Wochenmodell oder im Leave promovieren, ist der Zeitpunkt der Einreichung weniger relevant. Es versteht sich von selbst, ein Paper möglichst noch vor dem mehrwöchigen Sommerurlaub abzuschicken.

108

5  Ablauf einer Promotion

5.8.4 Veröffentlichen aus Sicht der Reviewer Im Veröffentlichungsprozess ist es auch hilfreich zu wissen, auf was Reviewer achten. So kann die Studie auf die Anforderungen zugeschnitten werden und die Chance auf eine Veröffentlichung erhöht werden. Lassen Sie uns daher abschließend noch mal die Seite wechseln und auf die Rolle der Reviewer blicken. Ein banaler, aber zentraler Punkt ist, dass das Paper verständlich geschrieben ist. Nur wenn ein Reviewer auch versteht, was die Autorinnen und Autoren erreichen wollten und gemacht haben, kann dieser auch eine passende Bewertung oder zumindest konstruktive Hinweise verfassen. Dazu gehört beispielsweise, dass die Forschungsfrage eindeutig identifizierbar und nicht zu allgemein formuliert ist, dass die Datenerhebung lückenlos beschrieben wird (um beispielsweise die Repräsentativität zu beurteilen) oder schlicht dass es fehlerfrei und visuell ansprechend verfasst ist. Als ganz praktischen Hinweis kann ich Ihnen raten, einfache und kurze Sätze zu verwenden. Dies mag kontraintuitiv sein, da viele eine wissenschaftliche Arbeit mit komplexen Satzstrukturen und zahlreichen Fremdwörtern assoziieren. Dies gilt jedoch nicht für wissenschaftliche Artikel in wirtschaftswissenschaftlichen Fächern. Der zweite zentrale Aspekt ist der wissenschaftliche Beitrag oder Mehrwert (Contribution). Die meisten meiner eigenen Artikel wurden, insbesondere bei höherwertigen Fachzeitschriften, mit Verweis auf nicht ausreichenden wissenschaftlichen Mehrwert abgelehnt. Das Konzept des wissenschaftlichen Mehrwerts ist leider schwer quantifizierbar und basiert zum Teil auf subjektiven Einschätzungen. Da eine Studie nur einen kleinen Erkenntnisgewinn generiert (und wissenschaftlicher Fortschritt dann durch eine Vielzahl solcher Erkenntnisgewinne entsteht), kann nie ganz trennscharf bemessen werden, ob dieser kleine Erkenntnisgewinn nun groß genug ist oder nicht. Manchmal wird die Formulierung leider auch verwendet, wenn die Studie wissenschaftlich sauber durchgeführt wurde, aber dem Reviewer einfach thematisch nicht gefallen hat. Daher ist es auch wichtig, bei der Einreichung die Möglichkeit zu nutzen, eigene Reviewer vorzuschlagen. Hier können Ihnen ihre Doktoreltern weiterhelfen. Bei der Studienplanung und der Datenauswertung können diese aufgrund ihrer Erfahrung gut einschätzen, welches Journal-­Niveau angemessen ist. Ein weiterer, gern kritisierter Aspekt ist die Repräsentativität der Ergebnisse. Oft sind Promovierende gezwungen, sich auf einen bestimmten Kontext, eine bestimmte Industrie oder Zielgruppe zu fokussieren. Führt man beispielsweise eine Studie im Bankenumfeld (als typisch für den heutigen Dienstleistungssektor) mit Studierenden als Teilnehmenden durch, so kann durchaus hinterfragt werden, ob die Ergebnisse auch für andere Dienstleistungen oder Nichtstudierende gelten. Hier lohnt es sich, bereits im Artikel argumentativ vorzubauen und etwaige Kritikpunkte vorab zu entkräften.

5.8  Veröffentlichen – der (Peer-)Reviewprozess

109

Als Reviewer schaue ich ferner auch immer darauf, ob die Studie fehlerfrei durchgeführt wurde: Sind die Daten sauber erhoben worden? Im Fall von Fragebögen: Wurden validierte Items verwendet? Ist die statistische Analyse korrekt durchgeführt worden oder hätte ein anderes Verfahren verwendet werden müssen? Diese und viele andere Kriterien müssen einfach stimmen, selbst wenn der restliche Artikel einen überragenden wissenschaftlichen Mehrwert generiert. cc

Wenn Sie eine Absage von einer Fachzeitschrift oder einer Konferenz erhalten, sollten Sie die verschiedenen Gründe in einer Tabelle auflisten und für die Überarbeitung des Artikels adressieren. Machen Sie dies bei jeder Absage, da so ein umfassendes Bild entsteht, woran Ihre Einreichungen scheitern. Wird beispielsweise immer die Sprache oder der Stil kritisiert, so empfiehlt sich dann eventuell ein Kurs in wissenschaftlichem Schreiben.

5.8.5 Exkurs: Lange Publikationslisten erzeugen Sind Sie, aus welchen Gründen auch immer, daran interessiert, eine lange Publikationsliste zu erreichen, so bietet Ihnen dieser letzte Teil zum Veröffentlichungsprozess ein paar Tipps dazu. Ich rate davon ab, da Wissenschaft und Gesellschaft mehr von wenigen, aber fundierten Studien profitieren. Gute Doktoreltern, die meist selbst mit auf den Artikeln stehen, werden Ihnen auch schnell kommunizieren, dass es nicht um Masse, sondern um Klasse geht. Hier dennoch ein paar Hinweise: • Autorenschaft: Der Erstautor oder die Erstautorin hat üblicherweise den Großteil des Artikels beigesteuert sowohl von der Forschungsidee als auch von der Datenerhebung sowie dem tatsächlichen Verfassen des Artikels. Tragen jedoch noch andere Personen etwas zu einem Artikel bei, können diese im Rahmen einer Zweit- oder Drittautorenschaft ebenfalls mitaufgenommen werden. Ein Tipp wäre daher, sich neben der eigenen Forschung konstruktiv in die Arbeit von Kolleginnen und Kollegen einzubringen. Ein Tauschgeschäft bei Autorenschaften („Ich nehme dich mit auf mein Paper, du nimmst mich mit auf dein Paper“) ohne eigenen akademischen Beitrag fliegt hingegen schnell auf, wenn Sie auf den Artikel des Kollegen oder der Kollegin angesprochen werden. • Fachzeitschriften und Konferenzen: Es wurde bereits vorab deutlich, dass die Publikation eines Konferenzbeitrages leichter ist als die eines Zeitschriftenbeitrages. Daher werden Publikationslisten auch oft nochmals in diese beiden Kategorien unterteilt.

110

5  Ablauf einer Promotion

• Full Paper vs. Short Paper: In Abschn. 5.8 wurde bereits der Unterschied zwischen diesen beiden Einreichungsformaten skizziert. Da Short Paper einfacher zu publizieren sind, lässt sich damit schneller die eigene Publikationsliste füllen als mit Full Papers. • Auf die Annahmequote (Acceptance Rate) achten: Die Annahmequote errechnet sich aus dem Quotienten von akzeptierten zu eingereichten Artikeln. Bei großen Konferenzen, wie der International Conference on Information Systems, liegt diese bei etwa 25 % (variiert von Jahr zu Jahr). Für eine andere Wirtschaftsinformatikkonferenz, die Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS), liegt diese Rate bei etwa 50 %. Durch etwas Recherche können Sie daher Ihre Chancen steigern. Seien Sie sich jedoch bewusst, dass auch alle anderen in der Community die Annahmequoten kennen. • Auf kleinen, spezialisierten Konferenzen publizieren: Eng verknüpft mit der reinen Annahmequote ist die thematische Breite der Konferenz. Kleinere, spezialisierte Konferenzen haben eine entsprechend kleinere Zielgruppe und Ihre persönlichen Chancen sind entsprechend höher. Voraussetzung ist natürlich, dass Ihr Beitrag thematisch passend ist. • Artikel für Praxiszeitungen wiederverwenden: Ferner können Sie nach Publikation einer Studie in einer Fachzeitschrift oder Konferenz diese für eine praxis­ orientierte Zeitschrift umschreiben. Sie geben dabei an, dass der Artikel bereits publiziert ist, und bereiten ihn noch mal für eine nichtwissenschaftliche Zielgruppe auf. Zeitschriften zwischen Theorie und Praxis nehmen derartige Beiträge, vor allem wenn diese bereits durch ein Peer-Review-Verfahren gegangen sind, gerne auf. Dies ist wichtig, um wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu tragen, und trägt auch zur gegenseitigen Vernetzung bei. Zurück zur Promotion: Um Ihre Promotion abzuschließen, ist nicht die Anzahl der Artikel relevant, sondern ihr wissenschaftlicher Beitrag. Haben Sie ausreichend wissenschaftlichen Mehrwert beigetragen, so werden Sie zum Rigorosum zugelassen.

5.9

Finalisierung der Doktorarbeit

Sobald die letzte Studie durchgeführt und der dazugehörige Artikel verfasst und eingereicht ist, kann in Absprache mit den Doktoreltern die Finalisierung der Doktorarbeit in Angriff genommen werden. Umgangssprachlich wird dies auch als „Zusammenschreiben“ bezeichnet in Anlehnung an die kumulative Promotion, die bis dato noch aus mehreren Einzelstudien besteht. Die Doktorarbeit selbst ist dabei in etwa wie folgt aufgebaut:

5.9  Finalisierung der Doktorarbeit

1. Formales e. Deckblatt f. Danksagung g. Abstract h. Inhaltsverzeichnis i. Abkürzungsverzeichnis 2. Einleitung 3. Theoretische Grundlagen 4. Thema 1/Kategorie 1 a. Studie 1 (obiger Aufbau von Problem, sign, Ergebnisse, Kurzdiskussion) b. Studie 2 (obiger Aufbau von Problem, sign, Ergebnisse, Kurzdiskussion) 5. Thema 2/Kategorie 2 a. Studie 3 (obiger Aufbau von Problem, sign, Ergebnisse, Kurzdiskussion) b. Studie 4 (obiger Aufbau von Problem, sign, Ergebnisse, Kurzdiskussion) 6. Diskussion 7. Anhang

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Forschungsfrage, ExperimentaldeForschungsfrage, Experimentalde-

Forschungsfrage, ExperimentaldeForschungsfrage, Experimentalde-

Die Studien nochmals in Themen oder Kategorien einzuteilen, gibt Ihnen die Möglichkeit, der Arbeit noch mehr Struktur zu verleihen. Hat man beispielsweise den Einfluss der Vernetzung von Vertriebskanälen auf den Gewinn von Unternehmen untersucht, so kann dies sowohl durch die Perspektive der Konsumenten als auch der Produzenten geschehen. Die Studien der Konsumenten- und der Produzentenperspektive sollten dann separat herausgestellt werden. Den Aufbau zeigt auch beispielhaft das Inhaltsverzeichnis einer zufällig ausgewählten kumulativen Doktorarbeit mit dem Thema „Extracting business value of IT and identifying IT innovation in large institutional settings undergoing regulatory change“ (Pye 2018): Beispiel

1. Einleitung 2. Studie 1 (How Can IT Enable the Simultaneous Pursuit of Green and Business Outcomes?: An Investigation of Smart Grid Technologies) a. Einleitung b. Kontext c. Theoretische Herleitung

112

5  Ablauf einer Promotion

d. Empirische Studie e. Ergebnisse f. Diskussion 3. Studie 2 (Health Information Technology in U.S.  Hospitals: How Much, How Fast?) a. Einleitung b. Theoretische Herleitung c. Konzeptionelles Modell d. Forschungsmodell und Hypothesen e. Empirische Studie f. Analyse und Ergebnisse g. Diskussion 4. Studie 3 (How Do Aspiration Shortfalls Interact with Regulatory Incentives to Drive HIT Innovativeness in U.S. Hospitals?) a. Einleitung b. … Hier wird auch nochmals die Zusammensetzung der einzelnen Studien deutlich. In allen Studien geht es um den Wert der IT. Ferner sind alle Studien laut Beschreibung der Autorin in Umfeldern mit sich verändernden regulatorischen Anforderungen durchgeführt worden (Studien 2 und 3 beide im Gesundheitssektor verortet, Studie 1 im Energiebereich). Für die Behandlung der Studien, die ja bereits alle als eigenständige Artikel eingereicht oder veröffentlicht sind, kann es je nach Promotionsordnung abweichende Anforderungen geben: Beispielsweise kann es erlaubt (oder gar gefordert) sein, die eingereichten und veröffentlichten Artikel 1:1 in die Doktorarbeit zu übernehmen. Von anderen Universitäten ist mir bekannt, dass die Artikel auf Deutsch zusammengefasst werden müssen und die Originalversion im Anhang erscheinen muss. Dies kann am leichtesten bei den Doktoreltern erfragt werden. In jedem Fall müssen die Einleitung, der Theorieteil sowie die Diskussion separat verfasst werden. Hier liegt dann der eigentliche Mehrwert der eingereichten Arbeit (die Studien sind ja bereits separat veröffentlicht worden oder zumindest im Veröffentlichungsprozess). Natürlich muss auf die in den einzelnen Studien verwendete Literatur und Theorie Bezug genommen werden. Ziel ist jedoch, die Gesamtheit der Einzelstudien in einem größeren Zusammenhang dar- und den wissenschaftlichen Beitrag herauszustellen. Für berufsbegleitende Promovierende bietet es sich an, in der eigenen Promotionsordnung nach formalen Vorgaben bei der Strukturierung der Doktorarbeit zu schauen. Alternativ lohnt es sich auch, die Arbeiten von früheren Promovierenden am eigenen Lehrstuhl zu lesen und sich an deren Struktur anzulehnen.

5.10  Das Rigorosum

113

Wichtig ist auch, dass sich die für das Rigorosum eingereichte Version leicht von der letztendlich veröffentlichten Version unterscheidet. Die veröffentlichte Version ist jederzeit weltweit verfügbar und sollte daher keine persönlichen Daten mehr enthalten. Überlegen Sie sich auch, ob jede Person weltweit die eigene Danksagung lesen können sollte. Wie viele Exemplare abgegeben werden müssen und welche formalen Vorgaben für diese gelten, ist wieder von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich. Oft braucht man je ein gedrucktes Exemplar für jeden Prüfer der Prüfungskommission und mehrere Exemplare für die Hochschulverwaltung. Nach bestandener Prüfung müssen die geänderten Versionen erneut in mehrfacher Ausführung an die Prüfungskommission und die Hochschulverwaltung geschickt werden.

5.10 Das Rigorosum Das Rigorosum (auch „Verteidigung“ oder „Disputation“ genannt) ist der krönende Abschluss der Promotion. Der genaue Ablauf und die Anforderungen der Verteidigung sind wiederum der Promotionsordnung der jeweiligen Universität zu entnehmen. Meist muss ein 30- bis 60-minütiger Vortrag gehalten werden, woraufhin eine 60- bis 120-minütige Aussprache folgt. Ob externe Zuhörerinnen und Zuhörer zugelassen sind, kann ebenfalls von Universität zu Universität divergieren. In der Regel sind die Vorträge hochschulöffentlich. Das heißt, dass Angehörige (Studierende, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität) der Prüfung beiwohnen können. Fairerweise wird der Promovierende jedoch vorab noch mal gefragt, ob Zuschauerinnen und Zuschauer erlaubt sind. Die Verteidigung ist formaler und relevanter Bestandteil des Prüfungsprozesses, obgleich mir kein Fall bekannt ist, bei dem ein Promovierender die mündliche Prüfung nicht bestanden hätte. Meist wird mit der schriftlichen Ausarbeitung ein Notenrahmen festgelegt, welcher mit der Verteidigung zum oberen oder unteren Ende der Notenskala ausschlagen kann. Für berufsbegleitend Promovierende gibt es hier keine Besonderheiten zu beachten, da der Prüfungsprozess durch die Promotionsordnung festgelegt ist. Da in den meisten Berufen heutzutage Präsentationen zum Alltag gehören, hat man als berufsbegleitend Promovierender mit Arbeitserfahrung j­edoch den Vorteil, etwas mehr in Übung zu sein. Wenn Sie diesen letzten Schritt erfolgreich absolviert haben, gratuliert Ihnen Ihre Prüfungskommission zu Ihrer bestandenen Promotion. Den Doktortitel dürfen Sie aber erst mit Erhalt der Promotionsurkunde führen. Da zwischen der Verteidigung der Arbeit und dem Erhalt der Urkunde oft mehrere Monate liegen können, gibt es einen eigenen Titel („Dr. des.“) für die Übergangszeit, der aber in der Praxis kaum eine Rolle spielt.

114

5  Ablauf einer Promotion

Zusammenfassung

Kap. 5 stellte den Ablauf eines Promotionsprojektes unter dem besonderen Blickwinkel von berufsbegleitend Promovierenden dar. Beginnend mit den zwei Formen der Doktorarbeit (Monografie und kumulative Promotion) wurde der Ablauf schematisch präsentiert: Vorbereitung auf die Promotion, Bewerbung und Exposé, Themenfindung, systematische Literaturanalyse, Datenerhebung und Datenanalyse, Veröffentlichungsprozess, Finalisierung der Arbeit und Rigorosum. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Beginn einer Promotion (Themenfindung und systematische Literaturanalyse) sowie dem Publikationsprozess. Berufsbegleitend Promovierende haben dabei vor allem in den Bereichen Themenfindung, Datenerhebung und Rigorosum Vorteile, während die systematische Literaturanalyse und der Veröffentlichungsprozess berufsbegleitend etwas schwieriger sein könnten.

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6

Nach der Promotion Berufsmöglichkeiten und Gehalt

Zusammenfassung

Kap. 6 befasst sich mit der Zeit und den Möglichkeiten nach Beendigung der Promotion. Zunächst werden detailliert ausgewählte Berufsmöglichkeiten vorgestellt, die ohne eine Promotion verschlossen bleiben würden. Dazu gehört beispielsweise eine wissenschaftliche Laufbahn als Postdoc mit dem Ziel einer Universitätsprofessur oder einer Fachhochschulprofessur. Ferner werden detailliert die gehaltstechnischen Entwicklungen analysiert, die mit einer abgeschlossenen Promotion einhergehen. Im Schnitt können Sie mit 10 % bis 20 % mehr Gehalt rechnen, je nach Fachgebiet und beruflicher Position. Abschließend wird auf die Kritik der „Doktoritis“ eingegangen und die zunehmende Promotionstätigkeit ohne nachfolgende wissenschaftliche Laufbahnambitionen bilanziert.

6.1

Berufsmöglichkeiten

6.1.1 Überblick Die Karrieremöglichkeiten sind nach abgeschlossener (berufsbegleitender) Promotion sehr vielfältig. In den meisten Fällen hat der (nun ehemalige) Promovierende einen bestehenden Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen, das die Promotion unterstützt hat. In der Regel wird dieser Vertrag einfach wieder auf eine volle Stelle © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Kaiser, Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61963-6_6

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6  Nach der Promotion

aufgestockt. In nur wenigen mir bekannten Fällen wird der Arbeitsvertrag speziell für die Phase der berufsbegleitenden Promotion geschlossen und endet mit der Verteidigung (s. Praxisbeispiel zu Bosch in Abschn. 4.9.1). Meist haben die Angestellten und das Unternehmen ein gemeinsames Interesse an der Fortführung und werden einen neuen Vertrag aushandeln. Da die Person sowohl Berufserfahrung sammeln konnte als auch sich wissenschaftlich weitergebildet hat, sind Tätigkeiten genau an dieser Schnittstelle von Theorie und Praxis interessant, wie beispielsweise Stellen im Corporate Research, Corporate Development, als Knowledge-Analyst (meist bei Unternehmensberatungen) oder in Planungsstäben (zum Beispiel bei öffentlichen Einrichtungen). Die Zahlen des Bundesberichts Wissenschaftlicher Nachwuchs weisen in eine ähnliche Richtung: Langfristig arbeiten 19 % der promovierten Erwerbstätigen unter 45 Jahren an Hochschulen und 81 % im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft. Zudem üben nur 17 % der Promovierten überwiegend eine Tätigkeit in Forschung und Entwicklung aus (Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017, S. 188).

In jedem Fall qualifiziert eine Promotion für (höhere) Managementaufgaben. So haben 42 % der DAX-Vorstände promoviert und vier dieser Vorstände hatten 2018 sogar eine Professur inne (van de Camp 2018). Allerdings holt der MBA auf und die Promotion verliert etwas an Bedeutung. Mit einer Promotion erhalten Sie zudem schneller einen Job. Dies gilt natürlich nicht direkt kausal auf den Einzelfall bezogen, sondern im Durchschnitt. Nach einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit hatten 88  % der Absolvierenden des Jahrgangs 2013 mit Masterabschluss innerhalb von drei bis vier Monaten nach Abschluss einen Job. Mit Promotion lag diese Quote sogar bei 95 % (Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2019). Mit einer Promotion senken Sie umgekehrt auch Ihre Chance, arbeitslos zu werden.

6.1.2 Wissenschaftliche Laufbahn In erster Linie legt eine Promotion die Grundlage für eine wissenschaftliche Laufbahn. Eine Promotion ist eine notwendige Voraussetzung für eine Habilitation sowie eine (universitäre) Professur. Beachten Sie, dass es in einigen Fächern nicht mehr notwendig und üblich ist, zu habilitieren, bevor man eine Professur antreten kann. Dazu gehören die Naturwissenschaften oder die Ingenieurswissenschaften (Wilde 2016) sowie zunehmend die Wirtschaftswissenschaften. Hier reicht oft eine Promotion (als formale Voraussetzung) aus, eine Habilitation kann unter Umstän-

6.1 Berufsmöglichkeiten

119

den sogar schädlich sein (Wilde 2016). Ich werde daher in diesem Buch nicht weiter auf die Habilitation eingehen. Für eine Professur brauchen Sie im Grunde vier Komponenten, die Sie während Ihrer Zeit als Postdoc aufbauen oder erwerben: Publikationen, Forschungsgelder, Lehrtätigkeit und Netzwerk. Diese werden nachfolgend ausdifferenziert: 1. Allen voran benötigen Sie hochwertige Publikationen und Zitationen. Grundsätzlich gilt hier: Je mehr Publikationen, desto besser, aber vor allem auch je höherwertig die Publikationen, desto besser. Daher ist es auch sinnvoll, bereits während der Promotionszeit möglichst viele Forschungsprojekte, auch mit anderen Promovierenden zusammen, auf die Beine zu stellen. Je mehr und je höherwertigere Publikationen Sie am Ende nachweisen können, desto besser sind Ihre Chancen im späteren Bewerbungsprozess. Ferner macht es einen Unterschied, in welchem Themengebiet Sie aktiv sind, da Professuren innerhalb eines bestimmten fachlichen Rahmens ausgeschrieben werden. Haben Sie bisher zum „Einsatz der Atomkraft in der konventionellen Energiegewinnung Deutschlands“ geforscht, sind Ihre Chancen auf eine Professur wahrscheinlich selbst mit Toppublikationen eher schlecht. Bei allem, das mit Data Science, Digitalisierung in Unternehmen, Verwaltung und Gesellschaft zu tun hat, haben Sie deutlich bessere Karten, da hier auch mehr öffentliche und private Gelder allokiert werden. 2. Außerdem müssen Sie Forschungsgelder einwerben. Wenn Sie vorweisen können, dass Sie bereits größere Summen eingeworben und umgesetzt haben, sendet dies ein wichtiges Signal an die Auswahlkommission der Universität, bei der Sie sich bewerben. Diese kann sich hinreichend sicher sein, dass Sie auch in Zukunft weitere Gelder einwerben können. Indirekt verbunden sind hiermit Industriekontakte. Diese machen es in den Wirtschafts-, Ingenieurs- und Naturwissenschaften leichter, externe Gelder zu erhalten. Hier sind auch mal wieder Personen mit einer berufsbegleitenden Promotion im Vorteil, da diese bereits auf ein Netzwerk in einem Unternehmen zurückgreifen können. Natürlich können Sie auch den Weg über ausgeschriebene Drittmittel (z. B. DFG-­Projekte) gehen. 3. Zudem müssen Sie Lehrtätigkeiten nachweisen. Da dies praktisch alle Bewerberinnen und  Bewerber auf Professuren nachweisen können, handelt es sich hierbei lediglich um ein formales, aber nicht um ein differenzierendes Kriterium. 4. Nicht zuletzt hilft Ihnen, wie überall im Leben, ein gutes Netzwerk. Wenn Sie sich in Ihrer Wissenschaftscommunity bereits einen Namen gemacht haben oder durch wissenschaftliche Konferenzen gut vernetzt sind, so kann dies der entscheidende Faktor sein. Nicht nur erhöht dies die Chance, dass jemand in der Auswahlkommission bereits von Ihnen gehört hat, sondern Sie kommen eventuell auch schneller an die Information, wo als nächstes eine Professur ausgeschrieben werden könnte.

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6  Nach der Promotion

Für berufsbegleitende Promovierende liegt die Idee einer wissenschaftlichen Karriere nicht zwangsläufig nahe, da diese bereits eine Stelle im Unternehmen haben, die nach der Promotion fortgesetzt werden kann. Sind Sie dennoch bereits sicher, dass Sie nach der Promotion eine wissenschaftliche Laufbahn anstreben möchten, so kommunizieren Sie dies frühzeitig Ihren Doktoreltern. Diese können Sie dann adäquat fördern, denn die Zeit drängt. Hintergrund ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG), welches in § 2 Absatz 1 beschreibt: Nach abgeschlossener Promotion ist eine Befristung bis zu einer Dauer von sechs Jahren, im Bereich der Medizin bis zu einer Dauer von neun Jahren, zulässig, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt; die zulässige Befristungsdauer verlängert sich in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach Satz 1 und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben.

Vereinfacht gesagt heißt dies, dass man mit Beginn der Zeit als Postdoc „nur“ sechs Jahre Zeit hat, um die oben angesprochenen Komponenten zu erfüllen und eine Professur zu erlangen. Gedacht war das Gesetz zum Schutz des wissenschaftlichen Personals, in der Praxis führte es jedoch meines Erachtens zu einem Up-orout-­Prinzip. Falls Sie nach sechs Jahren noch keine Professur erhalten haben, können Sie nicht mehr befristet angestellt werden, was de facto heißt, dass Sie die Wissenschaft verlassen müssen. Im obigen Auszug sehen Sie auch noch eine Ausnahme: Ging die Promotion beispielsweise sehr schnell, können Sie die Befristungsdauer von sechs Jahren noch verlängern. Eine weitere Ausnahme ist, dass man auch nach den sechs Jahren theoretisch noch über Drittmittel angestellt bleiben kann, aber im Grunde wird es immer schwieriger, eine Professur zu erlangen.

6.1.3 Fachhochschulprofessur Infrage kommt zudem eine Fachhochschulprofessur. In Deutschland gab es im Wintersemester 2018/2019 genau 216 Fachhochschulen (Rudnicka 2020). Viele davon suchen nach geeigneten Professorinnen und Professoren, vor allem im ländlichen Bereich und in technischen Richtungen, wie den Ingenieurswissenschaften (Böddeker 2017). Viele Stellen müssen sogar mehrfach ausgeschrieben werden oder bleiben einfach unbesetzt, da geeignete Kandidatinnen und Kandidaten fehlen (Böddeker 2017). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des anhaltenden Booms der Fachhochschulen sowie des demografischen Wandels, welcher Fachhochschulen noch mehr droht als Universitäten.

6.1 Berufsmöglichkeiten

121

Die Voraussetzungen für eine Fachhochschulprofessur sind vielfältig. Wichtig ist zunächst die abgeschlossene Promotion. Lediglich in Ausnahmefällen und nur wenn die wissenschaftliche Qualifikation auf anderen Wegen nachgewiesen werden kann, wird von einem Doktortitel abgesehen. Darüber hinaus wird oft erwartet, dass Bewerberinnen und Bewerber auf FH-Professuren auch nach Promotionsende noch wissenschaftliche Paper veröffentlicht haben. Manchmal reichen dafür jedoch auch Beiträge in Praxiszeitschriften, die etwas anwendungsorientierter sind. Die zweite wichtige Voraussetzung für eine FH-Professur ist die Berufserfahrung von mindestens fünf Jahren, wobei erst nach Abschluss des Studiums mit der Zählung begonnen wird (und Praktika damit nicht mitgezählt werden). Von dieser Zeit müssen 2–3 Jahre außerhalb des Hochschulbetriebes, d. h. z. B. in einem privaten Unternehmen oder im öffentlichen Dienst, erworben werden. Dies ist notwendig, da Fachhochschulen auf die Vermittlung von anwendungsbezogenem Wissen fokussiert sind und eine reine „Elfenbeinturmkarriere“ diesem Ziel entgegenstehen würde. Die Rolle der Fachhochschulen ist derzeit einem großen Wandel unterworfen und nähert sich den Universitäten, auch in Sachen Promotionsrecht, an (s. Abschn. 3.2.2). Zudem ist der Hochschulbereich Ländersache und weist regionale Unterschiede auf. Daher sind die eben beschriebenen Anforderungen nicht zu verallgemeinern, sondern sollen einen ersten Eindruck vermitteln. Oft reichen die fünf Jahre Berufserfahrung jedoch nicht aus. Verbunden mit der Berufserfahrung ist implizit auch oft die Erwartung, relevante Kontakte und (Forschungs-)Gelder von Unternehmen „mitzubringen“ oder akquirieren zu können. Dies ist natürlich nur möglich, wenn die Person für die angehende FH-Professur vorher bereits eine leitende Funktion in einem Unternehmen innehatte. Ferner hat man mit einer FH-Professur mittelfristig auch Personalverantwortung und idealerweise bereits im Unternehmen Erfahrungen damit sammeln können. Eher selten ist es daher, FH-Professorinnen oder -Professoren Anfang 30 anzutreffen, was theoretisch möglich wäre (Abitur mit 18–19 Jahren, danach fünf Jahre Studium, vier Jahre berufsbegleitende Promotion, zwei Jahre weitere Berufserfahrung, um die Mindestvoraussetzung zu erfüllen). Häufiger ist der Fall, dass diese zunächst regulär promoviert, dann 10–15 Jahre Berufserfahrung gesammelt haben und mit etwa Mitte 40 nochmals aus den verschiedensten Gründen an die Fachhochschule wechseln. Für die meisten ist die FH-Professur daher eher ein Perspektivziel, welches nicht zwangsläufig an eine berufsbegleitende Promotion gebunden ist. Jedoch: Interessanterweise erfüllen Postdocs, die über eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder wissenschaftliche Mitarbeiterin  promoviert haben, diese Voraussetzungen nur in seltenen Fällen. Stößt man aufgrund des Wissenschaftszeitgesetzes also an die Grenze von sechs Postdocjahren, so bleibt diesen Personen aufgrund der mangelnden Berufserfahrung außerhalb des Wissenschafts-

122

6  Nach der Promotion

betriebes der Weg zur FH-Professur meist versperrt. Hier sind Promovierende, die berufsbegleitend promoviert haben und nach Abschluss der Promotion zunächst im Unternehmen weiterarbeiten, klar im Vorteil! Der Alltag an Fachhochschulen ist zu Beginn stark geprägt von Lehrtätigkeiten. Für die Anstellung von Promovierenden oder wissenschaftlichen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen fehlen anfangs oft die Mittel. Nach mehreren Semestern Lehrtätigkeit können dann Freisemester für Forschungstätigkeiten genommen werden. Auch wenn man Drittmittel einwirbt, kann die Lehrtätigkeit zugunsten der Forschung reduziert werden. Geforscht werden kann in allen Bereichen, in denen auch universitäre Forschung stattfindet. Jedoch ist der praktische Anwendungsbezug bei Fachhochschulen meist höher und dafür wird weniger Grundlagenforschung betrieben. Nicht umsonst haben sich viele Fachhochschulen in Hochschule für angewandte Wissenschaften oder vergleichbare Termini umbenannt.

6.1.4 Leitungsfunktion in Forschungsund Entwicklungsabteilungen Abschließend besteht noch die Möglichkeit, eine leitende Position in einer Forschungsoder Entwicklungsabteilung anzustreben. Dies ist insbesondere für Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler interessant, da hier der Masterabschluss oft nicht ausreicht, um in einem Unternehmen hervorgehobene Forschungsfunktionen oder Managementaufgaben einzunehmen. Auch in den Ingenieurswissenschaften kann dies ohne Promotion schwieriger sein. Dies wird hier jedoch nur am Rande erwähnt, da wirtschaftswissenschaftliche Promotionen für Forschungs- und Entwicklungsabteilungen weniger Relevanz haben.

6.2

Gehalt und Karriere

Eine Promotion hat zudem einen großen Einfluss auf das spätere Einstiegsgehalt (Tab. 6.1). Über alle Disziplinen hinweg verdient man mit einer Promotion rund 20 % mehr als mit einem Master- und sogar rund 30 % mehr als mit einem Bachelorabschluss (GEHALT.de 2019). Die Gehaltsunterschiede fallen jedoch nach Fachbereich sehr unterschiedlich aus (Tab. 6.2; GEHALT.de 2019). Demnach wirkt sich eine Promotion in Informatik am positivsten auf das Einstiegsgehalt aus. Am geringsten ist der Unterschied bei den Wirtschaftswissenschaften, wobei auch nochmal in den Subdisziplinen der Wirtschaftswissenschaften differenziert werden muss (Tab. 6.3). Interessant ist hier-

123

6.2  Gehalt und Karriere Tab. 6.1  Übersicht Einstiegsgehälter nach Hochschulabschluss. (Quelle: GEHALT.de) Einstiegsgehalt Akademiker/-innen allgemein Bachelor Master Promotion

Veränderung ggü. niedrigerem Median Abschluss 42.585 € – 46.314 € +8,8 % 55.492 € +19,8 %

Veränderung ggü. niedrigerem Mittelwert Abschluss 45.778 € – 48.416 € +5,8 % 58.164 € +20,1 %

Alle Gehaltsangaben beziehen sich auf das Bruttojahreseinkommen, Tabelle angepasst basierend auf Zahlen von GEHALT.de Tab. 6.2  Gehalt nach Fachbereich mit und ohne abgeschlossene Promotion. (Quelle: GEHALT.de) Fach Informatik Naturwissenschaften Ingenieurswissenschaften Geisteswissenschaften Wirtschaftswissenschaften

Ohne Promotion 48.300 € 46.750 € 49.534 € 36.374 € 45.488 €

Mit Promotion 56.917 € 51.742 € 53.816 € 40.356 € 49.423 €

Veränderung durch Promotion +17,8 % +10,7 % +8,6 % +10,9 % +8,7 %

Alle Gehaltsangaben beziehen sich auf das Bruttojahreseinkommen, Tabelle angepasst basierend auf Zahlen von GEHALT.de Tab. 6.3  Gehalt nach Hochschulabschluss und beruflicher Position. (Quelle: GEHALT.de)

Berufliche Position Pharmareferent/-in Controller/-in IT-Consultant Produktionsingenieur/-in Technische Forschung & Entwicklung Risikomanagement Business Development Softwareentwicklung Backend Versicherungsmathematik Marketingmanager/-in

Veränderung durch Promotion (vgl. mit Bachelor Master Promotion Master) 41.762 € 45.910 € 57.917 € +26,2 % 44.513 € 48.092 € 58.966 € +22,6 % 46.897 € 50.083 € 61.495 € +22,8 % 48.287 € 52.467 € 64.576 € +23,1 % 48.433 € 52.910 € 64.609 € +22,1 % 49.756 € 58.231 € 60.785 € 42.298 € 45.204 € 47.969 € 44.799 € 48.050 € 50.955 €

+4,4 % +6,1 % +6,0 %

46.923 € 53.813 € 57.465 € 36.699 € 41.071 € 44.145 €

+6,8 % +7,5 %

Alle Gehaltsangaben beziehen sich auf das Medianbruttojahreseinkommen, Tabelle angepasst basierend auf Zahlen von GEHALT.de

124

6  Nach der Promotion

bei das gängige Argument, dass eine Promotion in den Wirtschaftswissenschaften kaum Einfluss auf das Gehalt hätte, da bereits mit einem Masterabschluss ein attraktives Einstiegsgehalt gesichert sei. Dies müsste dann analog für Informatikerinnen und  Informatiker gelten, deren Einstiegsmöglichkeiten aufgrund des Fachkräftemangels noch attraktiver sind, was jedoch nicht der Fall ist. Die Differenz bei den Naturwissenschaften kann teilweise dadurch erklärt werden, dass für viele höhere (Management-)Positionen eine Promotion vorausgesetzt wird und daher mit Doktortitel ganz andere Tätigkeiten infrage kommen (s. Abschn. 6.1.4). Auch innerhalb der Wirtschaftswissenschaften gibt es Unterschiede (Focus 2018; GEHALT.de 2018), wie Tab. 6.3 zeigt: Als Pharmareferent/-in, Controller/-in, IT-Consultant oder für Beschäftigte in der technischen Forschung und Entwicklung liegen die Mediangehälter mit einer Promotion jeweils mehr als 20 % über dem Mediangehalt von Masterabschlüssen. In anderen Laufbahnen macht eine Promotion hingegen gehaltlich kaum einen Unterschied (Risikomanagement, Business Development oder Versicherungsmathematik). Hier liegen die Zuwachsraten meist unter 10 % und wiegen nicht die fehlende Praxiserfahrung auf, die durch die Zeit an der Universität „verloren“ geht. Separat davon stellt sich jedoch die Frage, ob nicht ein Einstieg mit einem Master und etwaigen Gehaltserhöhungen ein höheres Einstiegsgehalt mit Promotion mehr als ausgleicht. Steige ich beispielsweise als Pharmareferent/-in (höchster prozentualer Zuwachs zwischen Master und Promotion) mit einem Masterabschluss ein, kann ich in vier Jahren Promotionszeit brutto bereits 183.640 Euro (plus mögliche Gehaltssteigerungen) verdienen. Ein Promovierender verdient in dieser Zeit zwar ebenfalls etwas (je nach Anstellung), muss jedoch mit dem höheren Einstiegsgehalt die Differenz im weiteren Verlauf erst mal ausgleichen. Entscheidend ist im weiteren Verlauf dann die Karriereentwicklung: Wertet das Unternehmen Berufserfahrung im eigenen Sektor höher oder die theoretischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die mit dem Doktortitel verbunden sind? Der Anteil an promovierten Vorstandsmitgliedern würde Letzteres nahelegen, jedoch ist unklar, ob der Zusammenhang mit steigenden Promovierendenzahlen weiterhin Bestand haben wird. Machen wir es noch etwas konkreter mit einem weiteren, mir persönlich bekannten, aber wieder abstrahierten Beispiel: Beispiel

Beide Personen haben zeitgleich an der Universität Mannheim studiert. Die eine Person stieg dann nach dem Bachelor in einem Unternehmen ein, sammelte so Berufserfahrung und stieg bis zum Project Manager (oder einer äquivalenten Position) auf. Die andere Person absolvierte noch einen BWL-Master (zwei Jahre), promovierte berufsbegleitend in Wirtschaftswissenschaften (wei-

6.3 Wertung

125

tere 3–4 Jahre) und war bei Abschluss der Promotion im gleichen Unternehmen als Senior Consultant (oder einer äquivalenten Position) beschäftigt. Dies liegt, je nach Unternehmen, eine Stufe unter der anderen Person. ◄ Natürlich ist dies ein Einzelfall und sagt auch nichts über die weitere Karriereentwicklung aus. Das Beispiel macht jedoch deutlich, dass eine Promotion nicht unmittelbar aus karrieretechnischen Gründen absolviert werden sollte und dass sich eine Promotion nicht in jedem Fall in mehr Euros auf dem Konto auszahlt (wenn Sie mein Buch bis hierhin gelesen haben, dürfte Ihnen aber bereits klar sein, dass dies auch nicht der Grund für eine Promotion sein sollte). Zusammenfassend kann jedoch festgehalten werden, dass sich eine Promotion zumindest nicht in einem niedrigeren Gehalt niederschlägt.

6.3

Wertung

Eigentlich ist eine Promotion der Ausgangspunkt für eine wissenschaftliche Karriere. Daher dürfte es (auch) dieses Kapitel eigentlich so ausführlich nicht geben. Zunehmend mehr Promovierende scheinen von Anfang an keine wissenschaftliche Laufbahn anzustreben, sondern eine Promotion aus Karrieregründen zu absolvieren. Manchmal ist dies unumgänglich, beispielsweise in naturwissenschaftlichen Fächern, in denen man höhere Positionen im Unternehmen praktisch nur mit Promotionen erreichen kann. Vorwerfen kann man dies den Promovierenden nicht. Wenn die Akademisierungsquoten immer weiter ansteigen und der Bachelor bei vielen Arbeitgebern eigentlich kein richtiger berufsqualifizierender Abschluss ist, absolvieren in der Folge auch mehr Studierende einen Master. Wenn dieser Abschluss wiederum als Unterscheidungsmerkmal wegfällt, ist es nicht verwunderlich, wenn mehr ­Personen den nächsthöheren Abschluss anpeilen, ohne selbst akademische Aspirationen zu haben. Hier ist jedoch auch das Ende erreicht, denn der nächste Schritt einer Habilitation dürfte für die Mehrheit zu zeitaufwendig sein und die Professuren sind begrenzt (und stellen sowieso weniger einen Abschluss als vielmehr eine eigene Stelle dar). Dies wird auch von Zahlen belegt: So stieg die Studienanfängerquote von rund 33 % im Jahr 2000 auf rund 57 % im Jahr 2017 (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2019). Die Bruttostudierquote (d.  h. inklusive derer, die eine Studienaufnahme sicher geplant haben) liegt 2015 sogar bei 74 % (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2019). Insbesondere berufsbegleitend Promovierende haben meist keine akademische Laufbahn vor Augen. Seien Sie sich als angehender berufsbegleitend Promovieren-

126

6  Nach der Promotion

der daher bewusst, dass Sie als Inbegriff der sogenannten Doktoritis gesehen werden. Überspitzt formuliert sind dies Promovierende, die keinen wissenschaftlichen Mehrwert bringen (möchten), sondern sich den Doktortitel an ihr Türschild, ihre Visitenkarte und ihren Briefkasten schreiben möchten. Dass Sie mit Ihren wissenschaftlichen Publikationen (insbesondere bei kumulativen Promotionen) sehr wohl zu Erkenntnisfortschritt beitragen, auf den andere Forschende dann aufbauen, wird dabei oft übersehen. Seien Sie sich dennoch bewusst, dass Sie sich in einem System bewegen, von dem viele glauben, dass es eigentlich für eine akademische Laufbahn konzipiert wurde, obwohl dies möglicherweise gar nicht mehr ausschließlich der Fall ist. Zusammenfassung

Nach der Promotion stehen Ihnen viele Türen offen. Sie werden aller Voraussicht nach ungefähr 20 % mehr verdienen, wobei nicht klar ist, ob diese Differenz die fehlende praktische Berufserfahrung ausgleicht. Sie haben zudem neue Berufsmöglichkeiten (wie die wissenschaftliche Laufbahn mit dem Ziel einer Universitäts- oder Fachhochschulprofessur sowie leitende Funktionen in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Unternehmen) und zählen zu einer Gruppe, die allgemein bessere Berufschancen hat und weniger anfällig ist für Arbeitslosigkeit. Dies wissen auch Unternehmen, deren Perspektive im nächsten Kapitel beleuchtet wird.

Literatur Böddeker, M. (2017). Fachhochschulen besetzen keine Professuren ohne Praxiserfahrung. https://www.deutschlandfunk.de/mangel-an-fh-professoren-fachhochschulen-besetzen-keine.680.de.html?dram:article_id=387567. Zugegriffen am 31.03.2020. Bundesministerium für Bildung und Forschung. (2019). Bildung und Forschung in Zahlen 2019: Ausgewählte Fakten aus dem Daten-Portal des BMBF. van de Camp, M. (2018). Das sind die Abschlüsse der Dax-30-Bosse – 90 Prozent von ihnen haben eine Gemeinsamkeit. https://www.businessinsider.de/das-sind-die-abschluesseder-dax-30-bosse-2018-10. Zugegriffen am 31.03.2020. Focus. (2018). Sofort 10.000 Euro mehr Gehalt: In welchen Jobs sich ein Doktortitel richtig lohnt. https://www.focus.de/finanzen/karriere/berufsleben/gehalt/doktortitel-zahlt-sichaus-sofort-10-000-euro-mehr-gehalt-in-welchen-jobs-sich-eine-promotion-richtiglohnt_id_9645339.html. Zugegriffen am 31.03.2020. GEHALT.de. (2018). Doktortitel: Mehr Geld durch Promotion? https://www.gehalt.de/news/ doktortitel-mehr-geld-durch-promotion. Zugegriffen am 31.03.2020.

Literatur

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GEHALT.de. (2019). Mehr Gehalt mit Doktortitel: In diesen Studienfächern lohnt sich die Promotion. https://www.gehalt.de/news/mehr-gehalt-mit-doktortitel. Zugegriffen am 31.03.2020. Konsortium Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs. (2017). Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 – Statistische Daten und Forschungsbefunde zu Promovierenden und Promovierten in Deutschland. https://www.bmbf.de/files/buwin_2017.pdf. Zugegriffen am 31.03.2020. Rudnicka, J. (2020). Anzahl der Hochschulen in Deutschland in den Wintersemestern 2014/2015 bis 2018/2019 nach Hochschulart. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/247238/umfrage/hochschulen-in-deutschland-nach-hochschulart/. Zugegriffen am 31.03.2020. Statistik der Bundesagentur für Arbeit. (2019). Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt – Akademikerinnen und Akademiker. Nürnberg (April 2019). Wilde, A. (2016). Welche Voraussetzungen gibt es für eine Habilitation? https://www.academics.de/ratgeber/habilitation-voraussetzungen. Zugegriffen am 31.03.2020.

7

Berufsbegleitende Promotionen aus Unternehmenssicht Gründe, vertragliche Ausgestaltung und Behandlung von Forschungsergebnissen

Zusammenfassung

Dieses Kapitel geht aus der Unternehmenssicht auf berufsbegleitende Promotionen ein. Zunächst werden dafür Gründe beleuchtet, aus denen Unternehmen berufsbegleitende Promotionen fördern sollten. Dazu gehören unter anderem der Aufbau von neuem Wissen sowie eine höhere Attraktivität als Arbeitgeber. Der Großteil des Kapitels widmet sich dann den vertraglichen Ausgestaltungsmöglichkeiten zum Gehalt, den Rückzahlungspflichten, den Forschungsgeldern, den Reisekosten sowie einer zusammenfassenden beispielhaften Vertragsgestaltung. Abgerundet wird das Kapitel durch einen Blick auf die Behandlung und Veröffentlichung von Forschungsergebnissen.

7.1

Gründe für Unternehmen

Berufsbegleitende Promotionen sind per Definition nur mit einem bestehenden Arbeitsverhältnis möglich. Nicht für alle Arbeitgeber macht es Sinn, eine berufsbegleitende Promotionsstelle auszuschreiben. In der Regel bietet dies aber die Vorteile, die eigene Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen und neues Wissen für das Unternehmen aufzubauen und sich damit einen Wettbewerbsvorteil zu ­verschaffen.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Kaiser, Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61963-6_7

129

130

7  Berufsbegleitende Promotionen aus Unternehmenssicht

Die eigene Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, wird für Arbeitgeber alleine aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland immer wichtiger. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) stellte in der Arbeitsmarktprognose 2030 fest, dass bis 2030 die Zahl der Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Erwerbslose) in Deutschland um 720.000 zurückgehen wird (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016). In einer älteren Version des Berichts ging das BMAS sogar von einem Rückgang um 2,9 Mio. Erwerbspersonen aus (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013). Gleichzeitig steigt der Bedarf an Hochqualifizierten, vor allem aufgrund der Digitalisierung. Der Arbeitsmarktbericht geht davon aus, dass der Bedarf an Hochqualifizierten um 530.000 Personen anwächst (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016). Die Arbeitgeber stehen daher im Wettbewerb um die klügsten Köpfe und müssen diesen attraktive Angebote machen, die über reine Gehaltszahlungen hinausgehen. Der Zweck (Purpose) der Arbeit wird zunehmend wichtiger und junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten auch den eigenen Interessen nachgehen. Ein berufsbegleitendes Promotionsprogramm kann hier einen Unterschied machen, wie bereits in Kap. 1 anhand von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gezeigt wurde, die aufgrund fehlender Promotions- oder Weiterentwicklungsmöglichkeiten das Unternehmen verlassen haben. Gleichzeitig tauchen vor allem aufgrund der Digitalisierung, aber auch aufgrund des voranschreitenden Klimawandels oder der Globalisierung immer neue Herausforderungen auf, auf die Unternehmen sich einstellen und anpassen müssen. Daher ist es zwingend notwendig, konstant neues Wissen aufzubauen. Promovierende forschen in ihrem Thema am Puls der Zeit und kreieren neue Erkenntnisse, die das Unternehmen für sich nutzen kann. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass innovative Unternehmen wie SAP und Bosch Promotionsprogramme anbieten (s. Abschn. 4.9). Bosch hatte 2018 mit 4230 Patenten mit Abstand die meisten Patente beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet (Statista 2019), während SAP als das führende IT-Unternehmen Europas gilt. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sind stärker auf Einzelpersonen angewiesen, da diese sich meist keine eigenen Forschungsabteilungen leisten können. Gerade für diese kann es daher Sinn machen, einzelne berufsbegleitende Promotionsstellen auszuschreiben oder bestehenden Mitarbeiterinnen und  Mitarbeitern solche Möglichkeiten zu eröffnen. Selbstverständlich nehmen Promotionen mehrere Jahre in Anspruch, aber so kann sich das Unternehmen mittelfristig einen Wettbewerbsvorteil sichern und kann darüber hinaus von den methodischen Kenntnissen des Promovierenden profitieren. Auch kann das Unternehmen über die Person des Promovierenden ein Netzwerk in die Welt der Wissenschaft knüpfen und so auf breiterer Ebene von der ­berufsbegleitenden Promotion profitieren. Ich habe es im Unternehmen immer als

7.2  Vertragliche Ausgestaltungsmöglichkeiten

131

sehr bereichernd empfunden, wenn andere Promovierende ihre Forschung vorgestellt haben, und über den persönlichen Kontakt zu anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ergeben sich nicht selten neue Anknüpfungsmöglichkeiten für das Geschäftsmodell des Unternehmens.

7.2

Vertragliche Ausgestaltungsmöglichkeiten

Für Unternehmen stellt sich dann jedoch die Frage, wie der Vertrag mit einem berufsbegleitend Promovierenden ausgestaltet werden kann. Zunächst muss ich da­ rauf hinweisen, dass die hier genannten Vorschläge lediglich als Anregung und weniger als verbindliche rechtliche Empfehlung verstanden werden können. Im Zweifel sollte immer die rechtlich belastbare Auskunft der eigenen Rechtsabteilung eingeholt werden. Bei den Gestaltungsmöglichkeiten spielen unter anderem die Höhe des Gehalts, etwaige Rückzahlpflichten, der Umgang mit Forschungsergebnissen, Forschungsgelder sowie Reisebudgets, beispielsweise für Konferenzen, eine Rolle. Natürlich werden die meisten Personen aus intrinsischen Gründen eine Promotion anstreben und dafür auch bereit sein, teils erhebliche Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Jedoch ist es zu einem gewissen Maße auch eine rationale und abwägende Entscheidung, bei der die vertragliche Ausgestaltung eine maßgebliche Rolle spielt.

7.2.1 Gehalt Beim Gehalt gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten, die alle auf der Annahme eines bereits bestehenden Arbeitsvertrages basieren: eine 50 %ige Zahlung des bisherigen Gehalts, Weiterführung des bisherigen Gehalts (100 %) oder ein prozentualer Anteil dazwischen. 50 % des bisherigen Gehalts entspricht genau der Arbeitszeit, die ein berufsbegleitend Promovierender noch im Unternehmen tätig ist. Dahinter steht die Annahme einer Reduktion der Arbeitszeit im Unternehmen auf 50 %, um in den anderen 50 % der Zeit zu forschen. Es wurde in Abschn. 4.3 dargelegt, warum eine andere Regelung außer 50/50 nicht als sinnvoll erachtet wird. Dem Unternehmen entstehen dadurch praktisch keine Kosten, da die Mitarbeiterin oder  der Mitarbeiter lediglich seine Arbeitszeit reduziert und es im Grunde egal ist, was diese oder dieser in der anderen Hälfte der Zeit macht. Dies ist ganz analog zu Personen, die beispielsweise aufgrund von Kindern die eigene Arbeitszeit reduziert haben. Vertraglich muss dann nur die Art der Freistellung (als Block- oder Wochenmodell) geregelt werden.

132

7  Berufsbegleitende Promotionen aus Unternehmenssicht

Aus Sicht des Promovierenden ist dieses Set-up mit Einschnitten verbunden. Nicht nur verliert diese oder dieser auf einen Schlag die Hälfte des Gehalts, sondern hat noch zusätzliche Kosten, falls sich das Unternehmen und die Universität nicht in der gleichen Stadt befinden. Ferner sind in den meisten Unternehmen Aufstiegsmöglichkeiten an Berufserfahrung geknüpft, sodass die nächste Beförderung erst deutlich später zu erreichen ist. Zudem wird angenommen, dass das Set-up den Erkenntnisgewinn des Promovierenden durch die Promotion nur unzureichend in Gehaltszuwächsen während der Promotionsphase widerspiegelt. Über mehrere Jahre entwickelt sich der Promovierende aufgrund der steilen Lernkurve und der neuen Erfahrungen oft mehr weiter, als wenn er oder sie die entsprechende Zeit im Unternehmen verbracht hätte. Die Person erwirbt einen akademischen Abschluss, mit welchem nachweisbar bestimmte inhaltliche, methodische und personelle Entwicklungen dokumentiert werden können. Das Gehalt ändert sich jedoch über den Zeitraum der berufsbegleitenden Promotion meist nicht und der Vertrag wird nach Beendigung der Promotion oft einfach wieder auf 100 % aufgestockt. Eine betreffende Person, deren Vertrag lediglich auf 50 % reduziert wurde, hätte nach Beendigung der Promotion Anreize, das Unternehmen zu verlassen. Die Promotion zahlt sich bei Jobwechsel aufgrund des höheren Einstiegsgehalts mit einer Promotion (s. Abschn. 6.2) in Gehaltszuwächsen aus, welche die vorherigen Entbehrungen ausgleichen. Diejenigen, die sie erfolgreich absolvieren, wären dann aufgrund der genannten Gründe schwierig zu halten. Ein mir bekanntes Unternehmen hat erst kürzlich von einem 75 %-Modell auf das hier beschriebene 50 %-Modell umgestellt. Nach der Umstellung ist die Nachfrage nach dem Modell natürlich zurückgegangen. Solche Angebote zur berufsbegleitenden Promotion sind für interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter also mit Kosten verbunden, die danach nur schwer ausgeglichen werden können. Widmet man sich dem anderen Extrem, der vollen Fortführung des bisherigen Vertrags (100 % Gehalt) bei gleichzeitig 50 %iger Freistellung für die Promotion, so ergeben sich andere Probleme. Ein derartiges Set-up ist so attraktiv für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass viele beginnen werden, sich Doktoreltern zu suchen, um auf dieses Modell zu wechseln. Als rational denkender und handelnder Mensch würde man sich (etwas überspitzt formuliert) fragen: Warum sollte ich voll arbeiten, wenn ich 50 % meiner Zeit einem Thema widmen kann, das mich interessiert und mit welchem ich nach vier Jahren mit einem Doktortitel belohnt werde? In jedem Fall würde es die Kosten für das Unternehmen deutlich erhöhen. Ein derartiges Modell ist nicht ausgeschlossen, sollte aber harten Restriktionen unterliegen. So sollte nur eine bestimmte Anzahl an Personen daran teilnehmen können, beispielsweise durch ein Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren. Fer-

7.2  Vertragliche Ausgestaltungsmöglichkeiten

133

ner ist dies nur sinnvoll für wissenschaftliche Bereiche, die so wertvoll für das Unternehmen sind, dass sie den Ressourceneinsatz rechtfertigen. Dies kann der Fall sein, wenn sich ein Unternehmen keine eigene Forschungsabteilung leisten kann und durch das Modell die Innovationskraft sichergestellt wird, indem beispielsweise Patente angemeldet werden oder das Wissen an neuen Trends gesichert wird. Unternehmensinterne Forschungsabteilungen funktionieren nach einem ähnlichen Modell. Voll angestellte Personen verbringen hier viel Zeit an Universitäten oder anderweitigen Forschungseinrichtungen und „produzieren“ im klassischen Sinne zunächst nichts, was direkt verkauft und dem Gewinn des Unternehmens zugerechnet werden kann. Selbstverständlich zahlen sich entsprechende Programme langfristig aus, da das erworbene Wissen sich in spätere Innovationen ummünzen lässt. Jedoch ist hier meist das Ausgangsgehalt der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters geringer. Zudem werden diese üblicherweise einem Geschäftsbereich zugeordnet, bei dem sie je nach Auslastung unterschiedlich stark eingebunden sind. Für die meisten Unternehmen wird daher die dritte Variante, eine teilweise Subventionierung des Promotionsmodells die beste Lösung sein. Bei der dritten Variante wird die Arbeitszeit auf 50 % reduziert, der Vertrag (also vor allem das Gehalt) jedoch nur auf beispielsweise 75 % (alternativ 60 %/70 %/80 %). Wie bereits beschrieben, wird so das Modell incentiviert und etwaige Kosten werden ausgeglichen, welche die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter durch das distributive Set-up zwischen Lehrstuhl und Unternehmen erleidet. Zur Illustration ein Rechenbeispiel: Beispiel

Angenommen eine Mitarbeiterin hat ein Jahresgehalt von 50.000 Euro. Bei Reduktion der Arbeitszeit auf 50  % aufgrund eines Promotionsvorhabens wäre eigentlich ein Jahresgehalt von 25.000 Euro angebracht. Durch Incentivierung auf 75  % ergeben sich Zusatzkosten i.  H.  v. rund 12.500  Euro oder rund 50.000 Euro über vier Jahre (plus die Sozialabgaben auf Unternehmensseite). Dies erscheint zunächst viel, vergleicht man es jedoch mit den Kosten, die für Recruiting ausgegeben werden (Annahme: beim 50 %-Modell würde die Mitarbeiterin das Unternehmen bald verlassen und die Stelle müsste nachbesetzt werden) sowie für den potenziellen Gewinn, welchen die Mitarbeiterin zukünftig für das Unternehmen durch ihre Forschungstätigkeit bringt, relativiert sich die Summe erheblich. ◄

134

7  Berufsbegleitende Promotionen aus Unternehmenssicht

7.2.2 Rückzahlungspflichten Wenn sich das Unternehmen dazu entscheidet, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr als 50 % des Gehalts anzubieten, so ist es denkbar, dieses Zugeständnis mit etwaigen Rückzahlpflichten zu verknüpfen. Dies bedeutet, dass sich die berufsbegleitend Promovierenden verpflichten, eine bestimmte Zeit, z. B. die Länge der Promotion, im Unternehmen zu verbleiben. Bei frühzeitigem Verlassen des Unternehmens müssen die Zuschüsse, die über die 50 % hinaus gehen, anteilig zurückgezahlt werden. Dies sichert insbesondere dem Unternehmen zu, dass die Investition, die es in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getätigt hat, nicht umsonst war. Unternehmensberatungen praktizieren dies beispielsweise im Rahmen des Leave-­Modells (Abschn. 4.4). Mir sind einige Unternehmensbeispiele bekannt, welche derartige Rückzahlungsklauseln nicht nutzen. Hier kommt besonderes Vertrauen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber zum Ausdruck, da nicht pauschal angenommen wird, dass diese nach der Promotion sofort das Unternehmen verlassen möchten. Es zeigt den Ansatz, die Personen über eine offene Unternehmenskultur und nicht über ein rechtliches Korsett an das Unternehmen zu binden. Andererseits kenne ich einige berufsbegleitend Promovierende, die vorzeitig, d. h. vor Beendigung der Promotion oder praktisch mit Promotionsende, aus dem Unternehmen ausgeschieden sind  (wie ich selbst auch). Auch wenn die mir bekannten Gründe alle sehr unterschiedlich waren, scheint eine entsprechende Absicherung angemessen zu sein, auch wenn sie nicht zwingend ist.

7.2.3 Forschungsgelder Die Vereinbarung weiterer, begrenzter Forschungsgelder ist, je nach Forschungsbereich, überlegenswert und stellt für das Unternehmen niedrige Kosten, für den Promovierenden aber eine riesige Hilfe dar. Wie in Kap. 5 beschrieben, müssen Promovierende für Vor- und Hauptstudien meist Daten erheben, welche nicht kostenlos zu haben sind. Fragebogen- oder experimentalbasierte Daten werden immer relevanter und keine Studie kommt eigentlich ohne sie aus. Die Gelder des Lehrstuhls sind jedoch oft bereits für die am Lehrstuhl angestellten Promovierenden verplant und die Beantragung von weiteren Forschungsgeldern kostet viel Zeit. Daher sollten sich das Unternehmen und der angehende berufsbegleitend Promovierende überlegen, ob sie bereits zu Beginn Forschungsgelder vereinbaren, mit welchen der Promovierende fest planen kann. Dies beschleunigt die Forschung ungemein und oft ist es möglich, im Fragebogen des Promovierenden neben den Fragen für das Forschungsmodell auch praxisrelevante Fragen einzubauen. So wurden bei einem mir bekannten Beispiel die Nutzerinnen und  Nutzer auch nach der Akzeptanz von

7.2  Vertragliche Ausgestaltungsmöglichkeiten

135

Trends im Geschäftsbereich des Unternehmens gefragt, welche aus Theoriesicht jedoch nicht bedeutsam waren. Dies kommt das Unternehmen deutlich günstiger als die Beauftragung von Marktforschungsinstituten, mit welchen zudem noch zeitaufwendig die zu erhebenden Items abgestimmt werden müssten.

7.2.4 Reisekosten Der letzte Punkt umfasst die Reisekosten. Fakt ist, dass der Besuch von Konferenzen fester Bestandteil einer jeden Promotion ist (s. insbesondere Abschn. 5.8). Dabei fallen drei Kostenblöcke an: Transportkosten, Übernachtungskosten und Anmeldegebühren. Bedeutende wissenschaftliche Konferenzen kosten oft mehrere Hundert Euro Anmeldegebühr. Ohne die Anmeldung zur Konferenz und Vorstellung des eigenen Beitrags dort (Poster oder Vortrag) geht das Paper nicht in die Proceedings ein und kann bei der Publikationsliste nicht berücksichtigt werden. Dies ist jedoch wichtig, um den Mehrwert der eigenen Forschung zu dokumentieren. Lediglich kleinere Konferenzen haben manchmal keine Anmeldegebühr. Die wenigsten hochkarätigen Konferenzen finden dabei in Deutschland statt, sodass auch Übernachtungs- und Transportkosten entstehen. Diese könnten beispielsweise im Rahmen der Reisekostenrichtlinie des Unternehmens abgerechnet werden. Das Hotel ist oft auch vorgegeben, da viele Konferenzen ohnehin in Hotels stattfinden. Die Transportkosten sind variabel. Ein guter Kompromiss wäre daher, dass das Unternehmen die Anmeldegebühr und Teile des Hotels übernimmt (diese Kosten sind oft nicht zu verändern), während der Promovierende oder der Lehrstuhl die Reisekosten zahlt. So werden die entstandenen Kosten gerecht geteilt. Als letzter Punkt könnte vereinbart werden, dass nur Kosten von Konferenzen übernommen werden, an denen der Promovierende einen akzeptierten Beitrag hat (Vortrag oder Poster). Dies ist gängige Praxis an vielen Lehrstühlen. Gelegentlich fahren Promovierende sogar nur zu Konferenzen, wenn sie dort einen Vortrag halten, während Poster von Co-Autorinnen und -Autoren (mit) vorgestellt werden, um die Reisekosten zu minimieren. Vermieden werden sollte, dass die Wahl der Konferenzen von den Kosten oder der Destination abhängig ist. Vielmehr sollte der wissenschaftliche Mehrwert im Vordergrund stehen. Dazu ein Beispiel: Beispiel

Manche Universitäten erstatten keine Reisekosten zu „touristischen Zielen“. Beispielsweise wurde von einer Reise zur Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS), die immer im Januar auf Hawaii (USA) stattfindet,

7  Berufsbegleitende Promotionen aus Unternehmenssicht

136

aufgrund zu hoher Kosten abgeraten, obwohl dies eine anerkannte Konferenz der Wirtschaftsinformatik ist und eine Teilnahme je nach Thema wertvoll wäre. ◄

7.2.5 Beispiele Vertragsgestaltung Zusammenfassend besteht eine Möglichkeit also darin, die vertragliche Arbeitszeit und anteilig das Gehalt zu reduzieren, beispielsweise auf 60 % oder 75 %, und den berufsbegleitend Promovierenden lediglich 50 % der Zeit (unabhängig von Blockmodell oder Wochenmodell) im Unternehmen arbeiten zu lassen. So kann das Modell incentiviert werden und etwaige Kosten, die durch Entfernung zwischen Sitz des Arbeitgebers und Sitz der Universität entstehen, können ausgeglichen werden. Separat kann ein festes Reise- und Forschungsbudget von etwa 1000 Euro pro Jahr festgelegt werden. Die Zeit der vertraglichen Veränderung kann, in Absprache mit den Doktoreltern auf drei bis vier Jahre festgelegt werden mit der Option der Verlängerung. Gleichzeitig wird vereinbart, dass der Promovierende nach Ende der Promotion genauso lange im Unternehmen verbleiben muss, wie er berufsbegleitend promoviert hat. Andernfalls wäre die Differenz zwischen der Anwesenheit im Unternehmen (50 %) sowie der Vergütung (60 % oder 75 %) anteilig zurückzuzahlen. Dies stellt sicher, dass sich die Investition auch für das Unternehmen lohnt.

7.3

Beispielhafte Ausschreibung

Sich über die vertragliche Ausgestaltung Gedanken zu machen, ist ohnehin notwendig, um eine passende Ausschreibung zu verfassen. Nachfolgend wird eine beispielhafte Ausschreibung präsentiert: Beispiel

„Ausschreibung für eine Stelle als [Rolle der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters] bei [Unternehmen] und externer Promovierender an der [Universität] (m/w/d)“ Ort: [Unternehmenssitz sowie Sitz der Universität] Aufgaben: [Aufgabenbeschreibung Unternehmen vergleichbar mit Beschreibung regulärer, nichtpromovierender Stellen] Neben Ihrer Tätigkeit als [Rolle der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters] bei [Unternehmen] unterstützen wir Sie bei einem Promotionsstudium als externer Promovierender an der [Universität]. Dabei fertigen Sie Ihre Dissertation am [Name

7.4  Behandlung von Forschungsergebnissen

137

des Lehrstuhls oder Instituts] an und werden von [Prof. Dr. XY] betreut. Thematisch ist Ihre Arbeit im Bereich [grober Forschungsbereich] im Kontext [evtl. Unternehmenskontext ergänzen, z. B. Industriegüter] angesiedelt. Um sowohl die wissenschaftliche als auch die praktische Relevanz sicherzustellen, wird die Themenfindung gemeinsam abgestimmt. Das Promotionsstudium ist auf [Anzahl der Jahre; es empfiehlt sich drei bis fünf Jahre einzuplanen] Jahre angelegt. Es handelt sich um ein [Beschreibung Modell, z. B. wie folgend] Blockmodell, bei dem die Einsätze im [Unternehmen] und an der [Universität] alle vier Monate wechseln. Während der Forschungsaufenthalte sind Sie dabei direkt vor Ort an der [Universität] tätig. Profil: [Profilbeschreibung analog zu regulären, nichtpromovierenden Stellen sowie ergänzt um Fähigkeiten, die für die Promotionsstelle notwendig sind] ◄ Wichtig ist im Laufe des Bewerbungsprozesses eine enge Abstimmung zwischen den Doktoreltern und dem Unternehmen, wie das Beispiel meines eigenen Bewerbungsgesprächs im Jahr 2015 zeigt: Nachdem ich mich auf eine ähnliche Ausschreibung beworben hatte, wurde ich zur ersten Interviewrunde in das Unternehmen eingeladen. Ich stellte mich auf Fragen zum Unternehmen sowie zur Wissenschaft ein, durchlief jedoch zunächst das normale, standardisierte Auswahlverfahren für das Unternehmen. Als ich am Ende des ersten Tages selbst noch Fragen stellen konnte und wissen wollte, wie das Blockmodell genau abläuft, wurde ich auf die Geschäftsführung des Unternehmens verwiesen. Wenige Wochen später reiste ich für die nächste (und letzte) Bewerbungsrunde, in der dann auch mein zukünftiger Doktorvater mit am Tisch saß, erneut von Paris nach Frankfurt. Nun kamen auch Wissensfragen zum wissenschaftlichen Arbeiten und ich konnte meine organisatorischen Fragen zum Ablauf stellen. Ein Buch, wie dieses, hätte mir für die Vorbereitung enorm geholfen.

7.4

Behandlung von Forschungsergebnissen

Über die Behandlung von Forschungsergebnissen könnte aufgrund der Breite des Themas ein eigenes Buch verfasst werden und es wurde bereits in Abschn. 3.4 und Abschn.  4.5 thematisiert. Zur kurzen Erinnerung verläuft das Dilemma entlang folgender Linie: Promovierende müssen Artikel publizieren, um den wissenschaftlichen Mehrwert unter Beweis zu stellen, welcher für die Promotion notwendig ist. Diese Ergebnisse sind dann öffentlich zugänglich, auch um die Ergebnisse kritisch

138

7  Berufsbegleitende Promotionen aus Unternehmenssicht

prüfen und im Zweifelsfall widerlegen zu können (Falsifizierbarkeit). Sobald die Ergebnisse öffentlich zugänglich sind, können auch alle anderen Unternehmen darauf zurückgreifen und die Erkenntnisse kommen bei allen an. Aus individueller Unternehmensperspektive möchte man hingegen das Wissen im Unternehmen halten, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen und die Investition zu amortisieren, welche man in die Forschung getätigt hatte. Meist haben Unternehmen daher eine enge Vereinbarung mit der betreffenden Universität, wie Forschungsergebnisse behandelt werden. Ist die Vereinbarung locker und können etwaige Ergebnisse problemlos direkt publiziert werden, so haben Unternehmen aufgrund des direkten Kontaktes zum Promovierenden wenigstens für wenige Monate einen Wissensvorsprung, bis das Paper publiziert ist. Aus gesellschaftlicher Sicht ist diese Variante am besten, da alle zeitnah von dem Wissen profitieren können, welches in Zusammenarbeit mit Universitäten entstanden ist, die aus öffentlichen Geldern gefördert werden. Etwas enger gestaltet ist die Möglichkeit, dass der Promovierende kontinuierlich Studien durchführt und die Ergebnisse ausschließlich dem Unternehmen zur Verfügung stellt, bis dieser die Dissertation und die dazugehörigen Artikel einreicht. Der Allgemeinheit wird dieses Wissen ebenfalls zugänglich gemacht, jedoch unter Berücksichtigung einer Zeitverzögerung. Dies ist noch akzeptabel, kann jedoch zu Ineffizienzen führen, wenn Lehrstuhl A bereits eine bestimmte Theorie widerlegen konnte, diese Ergebnisse jedoch noch nicht öffentlich gemacht hat, während Lehrstuhl B noch daran forscht. Lehrstuhl B hätte die eigene Forschung dann besser anderen Fragestellungen widmen sollen. Problematischer wird es vor allem, wenn die Ergebnisse aus Wettbewerbsgründen nicht publiziert werden dürfen. Rechtlich ist dies durchaus zulässig, da das Unternehmen die finanziellen Mittel für die Forschung bereitstellt. Jedoch steht der Promovierende in der Folge vor der Herausforderung, wie er ohne Daten seine Artikel veröffentlichen kann. Meist ist es möglich, einen Teilaspekt zu veröffentlichen und die Hauptergebnisse unter Verschluss zu halten (s. Abschn.  4.5). Dem Unternehmen sollte das Dilemma aber bewusst sein und es sollte gemeinsam mit dem Promovierenden eine für alle Seiten akzeptable Lösung finden. Aus gesellschaftlicher Sicht ist diese Variante offensichtlich die nachteiligste.

Zusammenfassung

Das zurückliegende Kapitel stellte die berufsbegleitende Promotion nochmals aus dem Blickwinkel von Unternehmen dar. Es gibt mit der Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt sowie dem Zugang zu neuem Wissen zwei gewich-

Literatur

139

tige Gründe für Unternehmen, berufsbegleitende Promotionen anzubieten. Zudem wurden die vertraglichen Ausgestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des Gehalts, der Rückzahlungspflichten, der Forschungsgelder sowie der Reisekosten dargestellt und eine beispielhafte Ausschreibung präsentiert. Wichtig ist auch die Behandlung von Forschungsergebnissen, bei der die Vorteile für das Unternehmen und die Zwänge des Promovierenden in Einklang gebracht werden müssen.

Literatur Bundesministerium für Arbeit und Soziales. (2013). Arbeitsmarktprognose 2030 – Eine strategische Vorausschau auf die Entwicklung von Angebot und Nachfrage in Deutschland. Bonn: Bundesministerium für Arbeit und Soziales/Referat Information, Publikation, Redaktion. Bundesministerium für Arbeit und Soziales. (2016). Neue Arbeitsmarktprognose 2030 vorgestellt. https://www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2016/arbeitsmarktprognose.html. Zugegriffen am 31.03.2020. Statista. (2019). Wichtigste Unternehmen nach Anzahl der eingereichten Patentanmeldungen beim Deutschen Patent- und Markenamt im Jahr 2018. https://de.statista.com/statistik/ daten/studie/258128/umfrage/anzahl-der-patentanmeldungen-in-deutschland-nach-unternehmen/. Zugegriffen am 31.03.2020.

8

Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassung

Dieses Kapitel fasst die wichtigsten Punkte des Buches zusammen und gibt einen Ausblick auf mögliche weitere Entwicklungen in diesem Themenfeld. Zu diesen gehören die Ausweitung des Promotionsrechts für Fachhochschulen und damit verbunden auch die weitere Verbreitung von berufsbegleitenden Promotionsprogrammen sowie eine bessere Datenlage über abgeschlossene, aber auch abgebrochene Promotionsvorhaben.

8.1

Zusammenfassung

Das Buch begann mit meiner persönlichen Geschichte und wie ich zum ersten Mal auf die berufsbegleitende Promotion aufmerksam geworden bin. Damals gab es noch kein umfassendes und praxisnahes Buch zu diesem Thema. Im Gegensatz zu mir damals wissen Sie nun praktisch alles, was Sie für eine berufsbegleitende Promotion benötigen: von wichtigen Faktoren der eigenen Motivation bis zu den weiteren Karrierechancen und der Unternehmensperspektive. Ich möchte das Gelernte in diesem Kapitel noch mal Revue passieren lassen und einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen wagen. Sie haben zu Beginn erfahren, wie man eine Promotion definiert und was die Unterschiede zwischen einem Doktor, einem Ph. D. und einem DBA sind. Sie ken© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Kaiser, Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61963-6_8

141

142

8  Zusammenfassung und Ausblick

nen die zahlenmäßige Entwicklung der Promotion auf nationaler (+20 % Promotionen zwischen 2001 und 2016) und die Verteilung auf internationaler Ebene, auf der Deutschland 2017 absolut gesehen die dritthöchste Anzahl an abgeschlossenen Promotionen hatte und auch relativ zur Bevölkerung unter den Top-5-Ländern rangierte. Sie haben zudem erfolgreich den Selbsttest absolviert und fühlen sich in den eigenen Promotionsambitionen bestärkt. Das Buch hat abgesehen von Zahlen jedoch vor allem Wege und Möglichkeiten aufgezeigt, wie Sie Ihren Traum der Promotion erreichen können. Dazu gehören die in Kap. 3 ausführlich dargestellten Möglichkeiten, als wissenschaftlicher Mitarbeiterin oder Mitarbeiter an einer Universität oder Fachhochschule zu promovieren sowie ein Promotionsstipendium der DFG oder eines Begabtenförderungswerks zu erhalten. Dies sind sehr gute Alternativen, falls Sie am Ende zu dem Schluss gekommen sein sollten, dass zumindest eine berufsbegleitende Promotion doch nicht für Sie infrage kommt. Sollten Sie von der Promotion gänzlich Abstand nehmen müssen, so können Sie mit etwas Glück später in Ihrer Karriere noch auf die vorgestellte Ehrendoktorwürde hoffen. Das Herzstück der vorgestellten Wege und Möglichkeiten waren die Modelle der berufsbegleitenden Promotion. Am ausführlichsten sind Sie nun mit dem Blockmodell vertraut, welches vorwiegend Anwendung findet, wenn der Lehrstuhl und das Unternehmen geografisch weit auseinander liegen. Dabei sollten Sie Praxisund Theoriephasen von je zwischen vier und sechs Monaten wählen und kennen bereits eine beispielhafte Woche, die Vor- und Nachteile des Modells sowie einen schematischen Ablauf über drei Jahre berufsbegleitender Promotion (Abschn. 5.2). Eng verknüpft damit ist das Wochenmodell, welches nur gewählt werden sollte, wenn mindestens eine 50/50-Aufteilung besteht und der Lehrstuhl und das Unternehmen geografisch nah beieinanderliegen. Als dritte Option wurde das Leave-Modell präsentiert, sowohl in Zusammenarbeit mit einer Unternehmensberatung als auch in Eigenregie. Das Leave-Modell ist in vielerlei Hinsicht erstrebenswert, jedoch sollten Sie hier insbesondere den Zeitdruck nicht unterschätzen. Als weitere Optionen wurden die freie Promotion behandelt, die streng genommen kein richtiges berufsbegleitendes Promotionsmodell darstellt, sowie die kostenpflichtigen Promotionsprogramme kritisch beleuchtet. Abschließend haben Sie neben den Praxisbeispielen wie Bosch und SAP in Kap. 4 auch gelernt, dass Sie, unabhängig vom gewählten Modell, mindestens rund 4500 Arbeitsstunden für eine Promotion einplanen sollten. Mit dem Wissen über die Modelle im Hinterkopf wurde der gesamte Promotionsprozess, beginnend mit dem Unterschied zwischen der Monografie und der kumulativen Promotion, der Vorbereitung auf die Promotion und der Bewerbung und dem Exposé skizziert. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der systematischen

8.1 Zusammenfassung

143

­ iteraturanalyse, die sowohl nützlich ist, um eine Forschungslücke zu finden, als L auch bereits für eine Publikation verwendet werden kann. Der Publikations- oder Veröffentlichungsprozess war auch gleichzeitig der zweite Schwerpunkt des Kapitels, da Sie über diesen Ihre Forschung bekannt machen oder wertvolles Feedback erhalten können, falls Ihre eingereichten Artikel abgelehnt werden sollten. Vor allem aufgrund der zahlreichen Tipps, die ich Ihnen in diesem Kapitel vermitteln konnte, können Sie dieses Buch auch während Ihres Promotionsprojektes als Nachschlagewerk nutzen. Sobald Sie Ihre Promotion abgeschlossen haben, winken Ihnen neue Karrieremöglichkeiten und ein um ca. 20 % höheres (Einstiegs-)Gehalt. Sie haben gesehen, dass Sie durch eine berufsbegleitende Promotion neue Wege in der Wissenschaft oder auf gewissen Feldern der Wirtschaft (z. B. Forschungs- und Entwicklungsabteilungen) gehen können. Vor allem die Fachhochschulprofessur ist eine Möglichkeit, die Vollzeitpromovierenden aufgrund der mangelnden Berufserfahrung außerhalb der Wissenschaft im Gegensatz zu Ihnen nicht automatisch offensteht. Ganz gleich, warum Sie promovieren möchten: Erweiterte Karrierechancen und eine positive Gehaltsentwicklung sollten nie die alleinigen Gründe dafür sein. Abschließend wurde die Unternehmensperspektive präsentiert. Neben der erhöhten Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt sowie dem Zugang zu neuen Wissensquellen profitieren Unternehmen auch ganz allgemein von einer Vernetzung mit der Wissenschaft. Die vertraglichen Ausgestaltungsmöglichkeiten (Gehalt, Rückzahlungspflichten, Forschungsgelder, Reisekosten etc.) sind dabei sehr vielfältig, setzen jedoch auch unterschiedliche Anreize. Am Ende sollte der Promovierende eine faire Chance auf die Durchführung der Promotion haben und für das Unternehmen sollten ebenfalls die Vorteile die Nachteile überwiegen. Es liegt nun bei Ihnen, sich bei einer Unternehmensberatung zu bewerben und auf das Leave-Modell zu spekulieren, Ihre Stelle zu kündigen, um die Stelle einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin oder eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an einer Universität anzunehmen, sich parallel zum Beruf auf Promotionsstipendien zu bewerben, sich Doktoreltern zu suchen und eine berufsbegleitende Promotion im Block- oder Wochenmodell auf die Beine zu stellen oder sich schlicht bei einem kostenpflichtigen Promotionsprogramm zu bewerben. Alle Wege stehen Ihnen offen und alle Wege führen zum Ziel. Am Ende liegt es bei Ihnen, welcher Weg am besten zu Ihnen und Ihrer persönlichen Situation passt und mit welchem Weg Sie sich auch am wohlsten fühlen. Unabhängig vom gewählten Modell, sollten Sie ein paar allgemeine Hinweise jedoch stets beherzigen: Achten Sie immer auf eine enge Anbindung an einen Lehrstuhl, um über Feedbackmöglichkeiten die methodische und inhaltliche Qualität der Arbeit sicherzustellen. Promovieren Sie nie dauerhaft parallel zu einer vollen beruflichen Tätigkeit. Regelmäßige Zeiten der Freistellung oder eine Re-

144

8  Zusammenfassung und Ausblick

duktion der Arbeitszeit sind dringend empfohlen, um eine regelmäßige, umfassende und tief gehende Beschäftigung mit dem Thema zu gewährleisten, die über wenige Stunden am Abend oder Wochenende hinausgeht. Versuchen Sie zudem für die Sicherstellung der Qualität im Laufe der Promotion auch mal einen Artikel in einer Fachzeitschrift und nicht lediglich am Ende die Dissertation bei einem Verlag zu veröffentlichen. Zuletzt ist es ratsam, je nach Thema und Möglichkeiten, qualitative mit quantitativen Forschungsansätzen zu verbinden. In jedem Fall wünsche ich Ihnen viel Spaß und Erfolg beim Erkunden der unterschiedlichen Möglichkeiten und dem Entdecken Ihres eigenen Weges einer (berufsbegleitenden) Promotion. Ich hoffe, dass mein Versprechen im Vorwort, Ihnen als Leserin oder Leser einen informativen, aber auch unterhaltsamen und lesenswerten Einblick in das Thema und den Ablauf von berufsbegleitenden Promotionen zu geben, bis zur letzten Seite seine Gültigkeit hatte und wünsche Ihnen alles Gute für Ihren wissenschaftlichen Weg.

8.2

Ausblick

Meine Prognose ist, dass berufsbegleitende Promotionsangebote weiter zunehmen werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass immer mehr Fachhochschulen, die eine exzellente Vernetzung mit der Privatwirtschaft haben, das Promotionsrecht zugestanden wird, erhöht sich das Angebot an berufsbegleitenden Promotionsprogrammen. Wichtig wäre auch, unabhängig von der Entwicklung der Fachhochschulen, ein einheitlicher (Mindest-)Qualitätsstandard, der erreicht werden muss, um promoviert zu werden. Ich bin hier nicht sehr optimistisch, da es nicht einmal möglich scheint, sich auf einheitliche Abiturprüfungen zu einigen, deren Ergebnisse deutlich leichter zu messen und zu vergleichen sind als die von Doktorarbeiten. Zudem wird sich meiner Ansicht nach das Promotionsrecht für Fachhochschulen weiter durchsetzen. Durch die engere Verzahnung von Theorie und Praxis werden sich Fachhochschulen forschungsorientierter aufstellen und aus Sicht der Kultusministerien der Länder damit möglicherweise eine Lücke füllen. Für berufsbegleitende Promovierende sind dies gute Neuigkeiten, da dies absehbar das Angebot auch an berufsbegleitenden Promotionen erhöht und auch die Nachfrage nach Profilen, die Forschung und Praxis verbinden, ansteigen wird. Nicht zuletzt wird sich die Datenlage zu Promotionen aufgrund der Änderung der Hochschul-Datenschutzverordnung (s. Abschn.  2.2.1) bald verbessern. Mit mehr Daten können genauere Analysen über Promotionen im Allgemeinen und berufsbegleitende Promotionen im Speziellen erstellt werden, welche die Situation

8.1 Zusammenfassung

145

aller Promovierenden verbessern werden. Insbesondere kann so hoffentlich die Zahl der Promotionsabbrüche durch gezielte Maßnahmen, insbesondere in Bereichen der Finanzierung und Betreuung, gesenkt werden. Falls Sie Anregungen oder Fragen zu diesem Buch haben, so schreiben Sie mir gerne an meine extra eingerichtete E-Mail-Adresse Berufsbegleitende.Promotion@ gmail.com. Mich würde es freuen, von weitere Fallbeispielen zu hören, sowohl von Erfolgsgeschichten als auch von Promotionsabbrüchen. Gerade Letztere sind leider noch viel zu unerforscht. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass Promovierende möglicherweise zu optimistisch an eine Promotion herangehen, wenn sie nicht von Abbrüchen oder, wie viele Personen dies bereits betroffen hat, wissen. Ferner würden mehr Informationen über die Gründe von Promotionsabbrüchen Handlungsoptionen bieten, ob mehr Mittel in die Finanzierung, die Betreuung oder sonstige Felder investiert werden müssten. Gerne stelle ich dann eingesendete Beispiele in einer etwaigen Folgeauflage dieses Buches zur Verfügung.

Stichwortverzeichnis

A Arbeitsmarkt 28, 44, 130

F Fachhochschule 10, 12, 37, 39, 72, 120, 122, 144 Feedback 2, 30, 42, 74, 77, 86, 87, 102, 104

B Beispiel 3, 6, 24, 52, 57–59, 62, 66, 77, 106, 111, 124, 133 Blockmodell 50, 52, 53, 55–57, 59, 60, 77, 89, 90, 107

G Gehalt 1, 26, 28, 36, 124 Graduiertenkolleg 37

C Corporate Research 7, 118

H Habilitation 57, 119, 125

D DBA 4, 14–16, 72–74 Deutsche Forschungsgemeinschaft 39 DFG 36, 40 Dr. rer. pol. 13, 15, 45 E Ehrendoktor 12, 45 Exposé 25, 29, 42, 88, 90, 92, 93

I Industriepromotion 66–68, 71 J Journal 68, 79, 84, 85, 100, 101, 103, 104, 107, 109 K Karlsruher Institut für Technologie 13, 45, 57 Karriere 2, 26, 28, 71, 117, 122, 125 Konferenz 56, 84, 101, 107, 109, 135 Kostenpflichtig 2, 16, 72, 73

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Kaiser, Berufsbegleitend promovieren in den Wirtschaftswissenschaften, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61963-6

147

148 L Leave-Modell 29, 50, 60–62, 64, 65, 107, 134 Lehramt 76 Literaturanalyse 29, 53, 88, 90, 95, 97 M MBA 15, 30, 62, 118 N Naturwissenschaft 118, 124 Netzwerk 42, 51, 61, 119 P Ph. D. 14, 15, 72–74 Postdoc 35, 94, 119–121 Praxisphase 29, 50, 52, 54, 56, 58, 77, 90 Professur 118, 120 Fachhochschulprofessur 38, 120, 122 Promotion Abbruch 23, 24, 69, 81 Dauer 20, 21, 24, 66, 72, 75, 77 freie 60, 66, 69 international 18, 22, 71 kumulativ 12, 28, 84, 86, 87, 91, 110 Monografie 84, 86, 87

Stichwortverzeichnis S Selbsttest 3, 25, 26, 64 Stipendium 33, 39, 41–44, 76 Begabtenförderungswerk 39, 40, 42 U Universität Mannheim 13, 37, 75, 124 Unternehmensbeispiel Airbus 39 Bain & Company 61 Bosch 7, 74, 130 Boston Consulting Group 62 Horváth & Partners 63 McKinsey & Company 62 SAP 7, 74, 75, 130 Unternehmensberatung 29, 52, 58, 61, 63, 65, 66, 134, 143 Unternehmensperspektive 6, 7, 131, 138

W Wertung 64, 68, 73, 79 Wirtschaftswissenschaft 15, 20, 21, 23, 28, 44, 45, 84, 86, 99, 118, 124 Betriebswirtschaftslehre 5, 21, 62, 79, 85, 96 Volkswirtschaftslehre 5, 79, 87, 96 Wirtschaftsinformatik 5, 75, 104, 110, 136 Wochenmodell 50, 58–60, 76, 107