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German Pages 60 [62] Year 1961
SITZUNGSBERICHTE DER DEUTSCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU B E R L I N Klasse für Sprachen, Literatur und
Kunst
Jahrgang 1960 Nr. 4
MARTIN
RAMM
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BEMERKUNGEN ZUR PROBLEMATIK DER SCHRIFTREFORM IN JAPAN
AKADEMIE-VERLAG
196 0
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BERLIN
Vorgetragen und für die Sitzungsberichte angenommen in der Sitzung der Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst am 28. 5.1959, ausgegeben am 4.11. 1960
Copyright 1960 by Akademie -Verlag, Berlin Alle Rechte vorbehalten Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8; Leipziger Straße 3-4 Lizenz-Nr. 202 • 100/41/60 Gesamtherstellung: IV/2/14 • VEB Werkdruck Gräfenhainichen • 1350 Bestellnummer 2010/60/V/4 Preis: D M f l , Printed in Germany ES 7 1
Die Frage, wann die Japaner mit der damals schon uralten und hochentwickelten chinesischen Schrift bekannt wurden, läßt sich nicht genau beantworten. Wir wissen nur, daß schon seit dem 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zwischen Südwest-Japan und seinen Nachbarländern auf dem Festland Beziehungen bestanden haben. Die erste Bekanntschaft mit chinesischer Literatur sollen zwei Gelehrte aus dem koreanischen Staat Kudara, Achiki und Wani, vermittelt haben, die das Lunyü und das Ch'ientzuwen als Tributgeschenk ihres Königs überbrachten. Dieses Ereignis, dessen Datierung umstritten ist und das nach Wedemeyer um 375—378 anzusetzen wäre, betrachtet man gewöhnlich als die offizielle Übernahme der chinesischen Schrift durch Japan, das vorher jedenfalls ein völlig schriftloses Dasein geführt hatte. Die Beschäftigung mit den chinesischen Schriftzeichen blieb noch lange ein Monopol von Amtsschreibern, zu denen man wohl ausschließlich naturalisierte chinesische und koreanische Schriftkundige machte. Erst nach der Einführung des Buddhismus, verIn den Fußnoten wurden folgende Abkürzungen verwendet : KG KKJ KGJ MBS MSOS MN NGNVO
Kokugogaku Kokugo Kyöiku Jiten Kokugogaku Jiten Meiji Bunkashi Mitteilungen des Seminars für Orientalische Sprachen Monumenta Nipponica Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens/Hamburg
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MAETIN RAMMING
bunden mit einem neuen Einstrom von Kulturgütern, dieses Mal in der Gestalt von buddhistischen Schriften in chinesischer Übersetzung, begann das Studium der chinesischen Schrift sich über den anfangs sicherlich sehr kleinen Kreis von Auserwählten hinaus auszubreiten. Seit 607 unterhielt J a p a n auch direkte Beziehungen zu China, und dieser Verkehr zwischen beiden Ländern wurde in den folgenden Jahrhunderten ziemlich regelmäßig fortgesetzt. Ein Gesandter, der zu jenen Zeiten nach China ging, war — anfangs wenigstens — stets von einer großen Anzahl von Studienpriestern und Gelehrten begleitet, die meist längere Zeit, manchmal sogar Jahrzehnte lang in China blieben. Umgekehrt kamen viele chinesische Mönche als Lehrmeister nach J a p a n . Nach der Neuordnung des gesamten Regierungs- und Verwaltungssystems in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts wurde das Studium der chinesischen Sprache und Schrift, der klassischen Schriften und Geschichtswerke Chinas in J a p a n noch intensiver betrieben. Chinesisch war bald die Sprache aller höheren Bildung, die Sprache des gesamten amtlichen und privaten Schriftverkehrs, aller öffentlichen Dokumente, Gesetze und Verordnungen. Wir dürfen annehmen, daß im 9. Jahrhundert schon viele Japaner die chinesische Schrift mit ihren Tausenden von komplizierten Zeichen vollkommen beherrscht haben, hat es doch damals schon japanische Literaten gegeben, die sogar nach chinesischem Zeugnis Bedeutendes im Verfassen chinesischer Gedichte und Essays geleistet haben. Über die Art und Weise, wie die Japaner chinesische Werke gelesen haben, lassen sich natürlich nur Vermutungen anstellen. Anfangs sind die Zeichen eines chinesischen Textes sicherlich nach chinesischer Manier, d. h. in der Reihenfolge, in der sie standen, heruntergelesen worden, und zwar in der aus China übernommenen Aussprache. Diese Methode muß sich als unpraktisch erwiesen haben, denn man ging später dazu über, den chinesischen Text auf Japanisch zu lesen, mit anderen Worten, ihn auch gleich ins Japanische zu übersetzen. Für die einzelnen Zeichen mußten da-
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bei gleichbedeutende Wörter eingesetzt, die im Japanischen notwendigen Partikeln usw. hinzugefügt und unter Umständen auch die Wortstellung der japanischen Syntax entsprechend geändert werden. Während also sonst Lesen und Übersetzen zwei verschiedene Vorgänge zu sein pflegen, ging hier beides gleichzeitig vor sich. Dem hohen Ansehen, das damals alles Chinesische genoß, und seinem überragenden Einfluß auf allen Gebieten ist es wohl zuzuschreiben, daß verhältnismäßig sehr spät, erst in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts die ersten Versuche unternommen wurden, längere zusammenhängende japanische Texte mit Hilfe der chinesischen Schriftzeichen niederzuschreiben. In dieser ersten Phase des Aufbaues eines eigenen, neuen Schriftsystems hatten die Japaner natürlich ungeheure Schwierigkeiten rein technischer Natur zu überwinden. Denn so gut sich die chinesischen Schriftzeichen für die Wiedergabe der ursprünglich einsilbigen und isolierenden chinesischen Sprache eigneten, so wenig tauglich erwiesen sie sich als ein Instrument zum Aufzeichnen von mehrsilbigen Wörtern einer Sprache vom agglutinierenden Typus wie das Japanische. Ganz grob skizziert stellt sich der Umformungsprozeß ungefähr folgendermaßen dar. Die japanische Bezeichung für ein chinesisches Wortschriftzeichen ist kanji. 1 ). Von der Möglichkeit, japanische Namen und Wörter phonetisch mit kanji wiederzugeben, haben die Japaner verhältnismäßig früh Gebrauch gemacht. Schon in den Inschriften aus dem 6. Jahrhundert finden wir Namen wie Shikishima oder Soga Iname mit kanji phonetisch wiedergegeben. Man hatte dabei nur ein Verfahren nachzuahmen, das in China seit alters her zur Wiedergabe von Fremdnamen und bei der Übertra1
) Kanji. Kan = chin. chan allgemein für „China". Wann diese Bezeichnung, die wohl japanischen Ursprungs ist, aufkam, ist unbekannt. Nach dem Daigenkai kommt sie erstmalig im Tsurezuregusa (14. Jahrhundert) vor.
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gung der buddhistischen heiligen Schriften ins Chinesische üblich war. Kanji, die ohne Berücksichtigung ihres Bedeutungswertes einfach als Lautzeichen verwendet wurden, nannte man in Japan Kana. Auch die Bezeichnung Manyögana wurde gebraucht, weil die Verwendung von zahlreichen Lautzeichen dieser Art für das Manyöshü charakteristisch war. 1 ) Man unterschied zwei Arten der Manyögana; meist waren es Zeichen, bei denen zur Bezeichnung der Lautsilbe eine On-Lesung genommen wurde (Ongana), seltener solche, bei denen eine Kun-Lesung gebraucht wurde (Kungana)2). Ein großer Nachteil der Manyö-Schreibweise bestand darin, daß man sich zur Wiedergabe einer bestimmten Lautsilbe nicht eines konventionellen Zeichens bediente, sondern verschiedene gleich oder ähnlich lautende Zeichen vielfach durcheinander gebrauchte, deren Zahl zwischen einem halben Dutzend als unterste Grenze und fast einem halben Hundert variierte! Die Silbe ,,to" z.B. wurde auf 14 verschiedene Arten geschrieben. Auch im Kojiki und im chinesisch geschriebenen Nihonshoki wurden Manyögana-Lautzeichen verwendet, vor allem zur Fixierung des Wortlautes von etwa zweihundert archaischen Gedichten. Zu erwähnen wäre noch, daß wir es in den Semmyö und Norito mit einer leicht modifizierten Schreibweise zu tun haben, die wir insofern als Fortschritt im Vergleich zur Schreibweise des Kojiki bezeichnen können, als hier bereits Verbalsuffixe, Postpositionen usw. durch Zeichen in kleinerer Schrift kenntlich gemacht sind. Für den gewöhnlichen Gebrauch war die ManyöSchreibweise jedenfalls noch viel zu umständlich. Mit der Zeit machte sich daher immer mehr das Bestreben geltend, durch Beschränkung der großen Zahl der Alternativschreibungen auf dem Kana entstanden aus karina. Etwa: zur Ausübung phonetischer Funktionen e n t l e h n t e Schriftzeichen. ') Ongana: yama (jJj ) mit den Zeichen jfa fl^, Kungana: Yamato ^P ) mit den Zeichen ^ fa] {¡Sjj; umschrieben.
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Wege der Elimination der komplizierteren Manyö-Zeichen den Prozeß des Schreibens zu vereinfachen, was schließlich zur Entstehung einer ganz neuen Art von Schriftzeichen führte. Im Laufe des 9. Jahrhunderts entwickelten sich aus der Manyögana zwei Silbenschriften, die unter den Bezeichnungen Hiragana und Katakana bis auf den heutigen Tag im Gebrauch sind. 1 ) Die Zeichen der alten Hiragana waren im Grunde genommen nichts anderes als stark gekürzte Kursivformen bestimmter ManyöZeichen, während im Falle der Katakana-Zeichen die Zeichenbildung meist in der Weise erfolgte, daß ein einzelner Teil eines ungekürzten Manyö-Zeichens zu einem selbständigen Silbenzeichen abgewandelt wurde. 2 ) Es gab in der Hiragana bedeutend weniger Alternativformen als in der Manyögana; immerhin betrug die Gesamtzahl der Hiragana-Zeichen früher mehrere hundert. Erst 1900 wurden durch eine für die Elementarschule bestimmte Verordnung des Unterrichtsministers Standardtypen für den Druck — je ein Zeichen für die entsprechende Silbe — eingeführt. Für einige dieser Hiragana-Zeichen mußten allerdings später neue Lettern eingeführt werden. Die älteren Varianten der Hiragana (die sogenannte Hentaigana) kommen heute noch vereinzelt in privaten Briefen, auf Firmenschildern usw. vor. Die Katakana, die in alten Zeiten hauptsächlich als Lesehilfe in chinesischen Texten diente, spielte in der Meiji-Zeit eine ziemlich wichtige Rolle (in Leitartikeln der Zeitungen, in Gesetzestexten, im Staatsanzeiger Kampö, in gelehrten Werken usw.); sie ist aber gegenwärtig zu einer Hilfsschrift von untergeordneter Bedeutung herabgesunken. 3 ) Die Bezeichnung Hiragana soll erst während der Edo-Zeit aufgekommen sein (Lewin: Abriß der Japanischen Grammatik, 23). 2 ) Das Hiragana-Zeichen '; V) % fi214
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