Beiträge zur Kenntniß der Motive der Preußischen Gesetzgebung: Band 1 [Reprint 2020 ed.] 9783111433172, 9783111067650


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Beiträge zur Kenntniß der Motive der Preußischen Gesetzgebung: Band 1 [Reprint 2020 ed.]
 9783111433172, 9783111067650

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Perträge jur Kenntniß der

Motive der

Preußischen Gesetzgebung. AuS amtlichen Oliellen bearbeitet und mit höherer Genehmigung heransgegeben vom

Ober - Landesgerichts -Rath

Dr. Loewenberg.

Erster Band.

Berlin. Verlag von Veit und Comp.

1848.

Ad veram civilem, sapientiam — id maxime necessarium, res quasque quam altissime posse repetere: et quum jura civilia non omnia simul et semel enata et absoluta fuerint, sed primo ortum, dein tem­ pore et rerum usu ita volente frequenter incrementa, mutationes et nonnisi sensim perfectionem acceperint, eorum occasiones, causas, origines, progressus, vicissitudines comperta habere. Anton. Schulting in praefat, jurisprudent. Antejustinian.

Vorrede.

Nachgerade ist man zurückgekommen von den theils nur begonnenen, theils nicht vollständig ausgeführten Versuchen, sogenannte Systeme des Preußischen Rechts zu schreiben. Immer mehr hat, zumal in neuester Zeit, die Ansicht Raum gewonnen, daß die erschöpfende Bearbeitung un­

seres Rechtsgebietes eine Aufgabe bleibet, welche mit vollkommenem Erfolge erst zu lösen ist, wenn die einzelnen Theile und Materien desselben nach ihren verschiedenen Seiten hin und in ihren wech­ selseitigen Beziehungen zu einander umfassend ent­ wickelt seyn werden, sowohl durch wissenschaftliche Forschung, als durch praktische Beleuchtung. Daß dieses Ziel noch unerreicht geblieben, liegt wohl hauptsächlich darin, daß, mit verhältnißmäßig nur wenigen Ausnahmen, die legislativen Verhand-

IV

fangen und Motive, welche ein so treffliches und sicheres Mittel der Interpretation abgeben, bisher nicht zur Oeffentlichkeit gelangt sind, dadurch aber eine wahrhaft doktrinelle Auslegung der Gesetze zum Theil unmöglich war. Indem man sich meist darauf beschränkt sah, aus dem bloßen Texte der Verordnungen deren Gründe auszuziehen, bildete sich zwar eine in der Jurisprudenz nur zu be­ kannte Verschiedenheit der Meinungen, mit der­ selben jedoch nicht immer eine aus der Tiefe des Gegenstandes geschöpfte, ihn nach allen seinen Rich­

tungen durchdringende Kenntniß desselben, welche allein fruchtbringend für die Praxis, anregend und förderlich für die Wissenschaft werden kann.

Die legislative Seite — sagt ein berühm­ ter Rechtslehrer — ist für das Studium eines Gesetzes von höchster Wichtigkeit; sie zeigt dessen Geist und sichert dessen richtige Auslegung und Anwendung in vorkommenden Fallen. Ein Ge­ setz, scheine es auch noch so vollkommen, ist doch noch lange nicht so vollendet, daß nicht viele Fälle sich darbieten, welche entweder in den Worten

des Gesetzes nicht entschieden, oder bei welchen diese nicht einer verschiedenen Auslegung oder An-

Wendung fähig sind. Der Geist belebt und schützt gegen Irrthümer, in welche oft der Buchstaben führt. Deswegen sind auch die^Diskussionen eine

wichtige und von den Gerichten zu beachtende Quelle der Interpretation, soweit aus denselben die Absicht des Gesetzes mit einer Klarheit hervorleuch­ tet, welche man bei Gesetzen ohne jene Quelle oft vermißt. Diese Wahrheit kann Deutschen Rechts­ gelehrten und Justizbeamten nicht oft genug gesagt werden.

Wer nicht mit wissenschaftlichem Sinn

die Gesetze auffaßt, nicht eindringt in deren Geist, nicht das lebendige Bild ihrer Entstehung vor Augen hat, der wird des auswendig gelernten Buchstabens Sklave und in seiner Beschränktheit oft ungerecht, indem er die höchste Gerechtigkeit zu üben wähnt! Die Ueberzeugung hiervon ist es, welche das gegenwärtige Werk hervorgerufen hat. Dasselbe liefert, außer der quellenmäßigen Entwickelung meh­ rerer der wichtigsten Gesetze aus, den letzten Jahr­ zehnten, neben einigen Aufsätzen, welche zugleich auf die Materialien des Allgemeinen Landrechts tiefer eingehen, die vollständigen Vorarbeiten zu zwei größeren Theilen unserer Legislation, dem

VI

Anhänge zu dem Allgemeinen Landrechte und zu

der Allgemeinen Gerichtsordnung.

Die nicht dank­

verehrende Güte

des Chefs der

bar genug zu

Justiz hat es gestattet, dergestalt zur Publizität

zu bringen, was dieser, nicht zum Vortheile der vaterländischen Rechtspflege,

war.

bis jetzt verborgen

Bei der Ausführung.wird sich Mancherlei

erinnern lassen, wie dies in wissenschaftlichen Din­ gen nicht anders seyn kann und — soll. Indessen kann der Zweck des Buches schon als erfüllt gel­

ten,

wenn es nur dazu dient,

daß

den darin

niedergelegten Quellen nähere Aufmerksamkeit ge­ widmet und deren Inhalt zu weiteren Studien

benutzt wird.

Geschrieben im April 1843.

Inhalt des ersten Bandes.

Seite

Die Rechtsregel: Locus regit actum, kommt in Bezug auf die Gültigkeit der Form einer Handlung auch nach Preußischen Gesetzen zur Anwendung................................. 1 II. Die Dispofltions-Befugniß des Benefizial-Erben .... 62. III. Die neuesten Verjährungs-Gesetze, A. Das Gesetz vom 31. März 1838., wegen Einführung kür­ zerer Verjährungsfristen . ............................. 77. B. Das Gesetz vom 18. Zuni 1840., über die Verjährungs­ Fristen bei öffentlichen Abgaben..................... 119. C. Die Deklaration des §, 54. Tit. 6. Th. I. des Allg. Land­ rechts, vom 31. März 1838............................... 139. D. Die Deklaration vom 18. Mai 1839., wegen der Verjäh­ rung der bei den vormaligen Reichsgerichten unerledigt ge­ bliebenen Prozesse................................................ 161. E. Das Gesetz vom 31. März 1841., wegen Deklaration und näherer Bestimmung des §. 164. der GemeinheitstheilungSOrdnung vom 7. Zuni 1821............................ 167. IV. Die Berechtigung und Verpflichtung des Fiskus hinsichtlich der Zinsen....................................... 203 V. Bon den Zuwendungen an die todte Hand........................... 213. VI. Vom Widerrufe der Testamente -.................................. 253 VII. Extrakt aus den Materialien des Allg. Landrechts zu den §§. 150. bis 159. Tit. 16. Th. 1.................................................. 285. VIII. Das Gesetz vom 19. Juli 1832., betreffend die Laudemien rc. von Rustikalstellen in Schlesien........................ 292. IX. Die Uebernahme von Pfand- und Hypothekenschulden . • 309. I.

VIII Seite

X

Ueber die Erwerbung und Ausübung der Realrechte auf Grund­ stücke, insbesondere der Hypolhekenrechte, bei nicht vollständig eingerichtetem Hypothekenwesen...................... 338. XI. Ueber die Nothwendigkeit gerichtlicher Taxen und Versteigerun­ gen bei den Auseinandersetzungen überlebender Ehegatten mit den Erben des verstorbenen, wenn stch unter diesen Minder­ jährige befinden.............................................. 365. XII. Die Deklaration vom 22. Juni 1839., betreffend daS gesetz­ liche Erbrecht der Kinder und weitern Abkömmlinge der vor dem Erblasser verstorbenen Geschwister desselben, tmgleichen auch der Halbgeschwister und deren Abkömmlinge im Herzogthume Schlesien........................................................... 431. XIII. Ueber Familienschlüffe bei Familien-Fideikommissen, FamilienStiftungen und Lehnen................................ 462. XIV. Ueber die persönliche Fähigkeit zur Ausübung der Rechte der Standschast, der Gerichtsbarkeit und des Patronats . . 542. XV. Ueber Parochieen und deren Erlöschen 551. XVI. Ueber das Schutzgeld.................................................. 562. XVII. Ueber die Rechtsverbindlichkeit eines Verzichtes auf den Rechts­ weg bei Verträgen der Privatpersonen mit Staatsbehörden . 576. XVIII. Ueber die Zulässigkeit des Rechtsweges in Beziehung auf po­ lizeiliche Verfügungen..................................... 596. XIX. Die Deklaration vom 31. März 1839., über die Anwendung der §§. 12. und 13. des Anhanges zur Allg. Gerichtsordnung. 611. XX. Bon der Realjurisdiktion über veräußerte Theile eines eximirten Landgutes.............................................. 625. XXL Ueber die Zulässigkeit der RestktutionSklage gegen ein mit der Nichtigkeitsbeschwerde vergeblich angefochtenes Erkenntniß. 641. XXII. Ueber Verträge zahlungsunfähiger Schuldner zum Nachtheil der Gläubiger.............................................. 672. XXIII. Ueber die Exekution in Aktivforderungen deS Schuldners. 693. XXIV. Ueber die Befreiung der Pfand- und Hypotheken-Gläubiger von der Einlassung in den KonkprS und erbschaftlichen Liquidations. Prozeß............................................. 736.

Die Rechtsregel: Focus regit actum, kommt in Bezug auf die Gültigkeit der Form einer Handlung auch nach Preußi­ schen Gesetzen znr Anwendung.

jUie am 13. April 1H33. in Paris verstorbene Geheime Räthin von K

eine Preußische Unterthanin, errichtete daselbst

°) In den Motiven zu dem vom Revisor vorgelegten Ent­ würfe zum Allgemeinen Landrechte Th. II. Tit. 5. und Tb. I, Einleitung und Tit. 1., wird Seite 110—112. Folgendes bemerkt: Auffallend scheint es, daß die §§. 28. seq. (der Einleitung) sofort zu den statutis realibus übergehen, also die staluta mixta, oder die Be­ stimmungen, welches Orts Gesetze über die rechtlichen Folgen einer Handlung, abgese­ hen von den persönlichen Eigenschaften des Handelnden, entscheiden sollen, gänzlich außer Acht sind gelassen worden. Denn die bisher abgehandcltcn Paragraphen sprechen zwar von der Gültigkeit der Handlungen oder Ge­ schäfte, aber nur in sofern sie von persönlichen Eigenschaften abbängt. Nach welchen Gesetzen die Wirksamkeit der Handlungen an und für sich zu beur­ theilen sey, ist unerwähnt geblieben. Nur in einzelnen Materien finden sich dahin einschlagende Verfügungen, z. B. Th. I. Tit. 5. §. 111., daß die Form eines Vertrages nach den Gesetzen des Orts, wo er geschlossen worden, zu beurtheilen sey; ferner umgekehrt Th. II. Tit. 1. §. 170., daß Trauungen im Auslande diesseitige Ehehindernisse nicht beseitigen u. s. w. Selbst im Titel von Handlungen (Th. I. Tit. 3. 42. und 43.) steht nur, daß sie nach den Gesetzen der Zeit zu beurtheilen sind, zu wel­ cher sie geschehen waren, aber nicht, nach welches Orts Gesetzen. Der Mangel ist wegen der unerlaubten Handlungen unter andern in 1

2 am 20. Dezember 1830. ein Testament und am 3. Mai 1832.

ein

Kodizill,

beide

in holographischer Form,

und deponirte

einem Aufsätze in den Jahrbüchern, Bd. 30. S. 97 — 99. (cf. Simon und v. Strampfs's Nechtssprüche, Bd. I. S. 422. und 423. Note) ge­ rügt worden. Freilich streifen Form und Inhalt der Handlung und Be­ schränkung der Dispofitionsfähigkelt oft nahe an einander, z B. bet der Certioration der Weiber, die eine Bürgschaft übernehmen. Dergleichen Zweifel lassen sich durch Gesetze nicht heben, am wenigsten gehört es in die Einleitung, zu bestimmen, was bei einzelnen Geschäften als Form der Hand­ lung und was als Beschränkung der persönlichen Eigenschaft anzusehen sey. Aber darüber, welches Orts Gesetze über die rechtliche Wirksamkeit der Hand­ lung an und für sich entscheiden sollen, scheinen allgemeine Grundsätze nicht fehlen zu dürfen. Hier kann jedoch m. E. nur die von den Rechtslehrern einstimmig an­ erkannte Regel aufgestellt werden: daß die Gesetze des Orts entscheiden, wo die Handlung vorgenommen worden. Die Ausnahmen müssen bei den besonderen Materien verordnet werden. Dahin gehören z. B. die Vorschriften: 1) daß eine im Auslande vollzogene Trauung, wenn auch die Ehe nach dortigen Gesetzen gültig wäre, keine rechtliche Wirkung hat, wenn sie nach diesseitigen unstatthaft war (Th. II. Til. 1. §. 170.); 2) daß die Rechte der Eheleute nicht nach den Gesetzen des Orts, wo die Ehe vollzogen worden, sondern wo fie nach der Vollziehung den ersten Wohnsitz nehmen, zu beurtheilen sind (Th. II. Tit. 1. §§. 350. 496.); 3) die von mir vorgcschlagene Bestimmung, daß über die Ansprüche aus unehelichen Schwängerungen die Gesetze des Orts, wo der Prozeß schwebt, entscheiden sollen (§. 255. des n. E. 2. Serios zu Tit. 1. Th. II.); 4) daß ein schriftlicher Vertrag darum nicht stempelsret wird, weil er im Auslande geschlossen worden; 5) wenn man etwa in Ansehung der Testamente zu bestimmen für gut finden sollte, daß bei auswärts errichteten immer die Beobachtung der­ jenigen Gesetze genüge, nach welchen das Testament am leichtesten be­ stehen könne; 6) wenn man die Einklagung auswärts kontrahirter Spielschulden verbie­ ten wollte (cf. Weber über die natürliche Verbindlichkeit §. 62. not. 2.) u. s. w. Zwar haben die Rechtslehrer auch dergleichen spezielle Ausnahmen un­ ter allgemeine Gesichtspunkte zu bringen gesucht, indem sie aufstellen:

3 diese letztwilligen Verfügungen bei der Preußischen Gesandt­

schaft in Paris, von wo dieselben nach dem Tode der Frau

1) daß ein auswärts, zwar nicht nach deu statutis mixtis, wohl aber nach den statutis pcrsonalibus errichtetes Geschäft in foro domi­ cilii aufrecht zu erhalten, dagegen 2) ein nach den statutis mixtis gültiges in foro domicilii als ungül­ tig zu behandeln sey, wenn es, um die einheimischen Gesetze zu chikaniren, auswärts errichtet ward, oder die auswärtigen Gesetze zu Handlungen berechtigen, welche der einheimischen Verfassung schlecht­ hin widerstreiten. (Thibaut System. §. 36.) Allein solche Abstraktionen sind zu gesetzlichen Dispositionen nicht brauch­ bar, weil sie ohne die speziellen Beziehungell nichts erklären, und nur zu Mißdeutungen Anlaß geben. Denn wann kann die Absicht angenommen werden, die Gesetze zu chikaniren? Was widerspricht ihnen schlechthin, und was nicht schlechthin? Der Satz unter Nr. 1. würde in Ansehung der Verträge dem Allgemeinen Landrcchte (Th. I Tit. 5. §. 111.) geradehin widersprechen. Ich habe daher die allgemeine Regel nur mit dem Zusatz begleitet: „sofern nicht für einzelne Fälle etwas Anderes verordnet ist/' Demgemäß hatte der Revisor in seinen Entwurf zur Einleitung einen 17. dahin ausgenommen: „Die rechtliche Wirksamkeit der Handlungen, abgesehen von den per­ sönlichen Eigenschaften des Halldelnden, richtet sich nach den Gesetzen des „Orts, wo sie vollzogen worden, sofern nicht für einzelne Fälle in den „Gesetzen etwas Anderes verordnet ist." Zn dem späteren Entwürfe des bürgerlichen Gesetzbuches heißt es §. 59.: „Die von einem Inländer außerhalb Landes vorgenommenen Hand­ lungen sind sowohl in formeller, als in materieller Rücksicht gültig, wenn „sie den inländischen oder den am Orte der Errichtung oder Abschließung „des Geschäfts geltenden ausländischen Gesetzen entsprechen, oder weder „ein diesseitiges, noch ein Gesetz des Auslandes ihrer Gültigkeit entgegen? „sieht," wobei in den Motiven S. 13. bemerkt wird, daß hierin die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts beibehalten (?) wären. — Im Uebrigen vergl. in Betreff der Literatur über den vorliegenden Gegenstand die Ergänzungen und Erläuterungen der Preußischen Rechtsbücher, SupplementBand zu den Ergänzungen des Allgemeinen Landrechts, Erste Abtheilung, S. 52—55., die Juristische Wochenschrift, Jahrg. 7. S. 421. und

4 von K

an das Gericht zil N. gelangten lind von diesem

sodann publizirt wurden. Zn dem Testamente hatte die Erblasserin ihren einzigen minderjährigen Sohn zu ihrem Universalerben eingesetzt, und

zu dessen Vormündern den rc. von G

und den re. von

ernannt, beide Vormünder auch bei ihrer

W

Verwaltung, sowohl hinsichtlich der Person des Ku­

randen, als des Vermögens, soweit es zulässig, von der obervormundschaftlichen Aufsicht befreiet. Der Nachlaß bestand aus dem Gute S

einigen

liquiden Kapttalsforderungen und einem weitaussehenden An­ sprüche an die Erben des Fürsten S....

Nach Einleitung der Vormundschaft erklärte das Pupil­ len-Kollegium zu N...., die in dem Testamente

der Frau

von K.. angeordnete Befreiung der verwaltenden Vormünder nicht für rechtsgültig annehmen zu können, und gründete sich hierbei hauptsächlich auf den §. 682. Tit. 18. Th. II. des

Allgemeinen Landrechts, wonach eine solche Befreiung nur durch eine gerichtliche Erklärung, oder in einem förmlichen, ge­

richtlich aufgenommenen oder niedergelegten Testa­

mente verordnet werden dürfet) Zst diese Ansicht richtig? — Auf den ersten Blick scheint es so.

Der Grundsatz des gemeinen Rechts, daß. jedes Rechts­

geschäft in Bezug auf die Form nach dcir Gesetzen des Orts

zu beurtheilen sey, woselbst solches vorgenommen worden ist,

folg., Insbesondere Anm. 1., Zahrg. 8. S. 249. 349. und folg., das Arns­ berger Archiv, Bd. 8. Heft 3. S. 385. und folg. *) Vgl. §. 169. Tit. 12. Th. I. des Allgcm. Landrechts.

5 findet sich in den Preußischen Gesetzen nirgends allgemein

und gebietend ausgesprochen. Die Bestimmnng, »reiche die Einleitung zum Allgemeiner»

Landrechte im

33. enthält, bezicht" sich mir auf die durch

Provinzial-Gesetze und Statuten angeordnetcn äußerli­

chen Feierlichkeiten einer Handlung und setzt voraus, daß solche unter der Gerichtsbarkeit, für welche das Gesetz gegeben

ist, und von solchen Personen, welche dieser Gerichtsbarkeit unterworfen sind, vorgenommen »verdc. 40. und 42. Tit. 3. und die

Die

94. und 95.

Tit. 4. Th. I. sprechen nur von der Nythwendigkeit der gesetz­

lichen Form überhaupt und von der Zeit, wonach die Rechtmäßigkeit und

Gültigkeit

einer Handlung

nicht aber von dem Orte,

zu bcurtbeilen ist,

welcher die Gesetzmäßigkeit dieser

Form zu regeln habe. 111. und 115. Tit. 5. Th. I. handeln lediglich

Die

von Verträgen. Spezielle Bestimmungen finden sich sodanr» noch im Tit. 1. Th. II. §. 170., wegen der iin Auslande vollzogenen Trau­

im Tit. 1. Th. H. §. 350. und §. 496.,

ungen,

wegen

der Rechte der Eheleute, und im Tit. 8. Th. II. §. 936.

und

937., wegen der Wechsel, außerdem aber in dem

Gesetze vom 3. April 1823.*), wegen der letztwilligen Verord­

nungen

der Gesandten und der zur Gesandtschaft gehörigen

Personen. Wenn man diese Vorschriften mir als, die Regel bestä­

tigende Ausnahmen betrachtet,

so

kann man sich zu der

Meinung Hinneigen, daß in allen übrigen Fällen bei Rechts-

’) Gesetzsammlung für 1823.

S. 40—41.

6 geschästen und

Willenserklärungen,

welche im Bereiche der

Herrschaft der Preußischen Landesgesetze ihre Wirkung äußern

sollen, diejenigen Formen streng beobachtet seyn müssen, welche hierin vorgeschrieben sind.

Selbst dann aber, wenn airf die Prozeßordnung zurück­

gegangen wird, welche Tit. 10. §. 115. bestimmt: Wenn über die Gültigkeit einer Urklinde in Ansehung der

Form gestritten wird, und die Gesetze des Orts, wo die­ selbe verbindliche Kraft erhalten hat, von den Gesetzen des Orts, wo der Prozeß schwebt, abweichen, so entscheiden

die ersteren; läßt es sich behaupten, daß dadurch allein zu Gunsten der An­

sicht noch Nichts entschieden werde,

daß die von der verstorbene» Frau von K.... in ihrem zu Paris errichteten holographischen Testamente festgesetzte Be­ freiung der ernannten Vormünder von der obervormundschaft­

lichen Aufsicht für rechtsgültig angesehen werden müsse.

Denn,

wenngleich

einem in Frankreich errichteten holo­

graphischen Testamente mit einer in Preußen gerichtlick aufgenommcnen, oder gerichtlich niedcrgelegten letztwilligcn Dispo­

sition in Bezug auf die äußere Form gleiche Kraft beigelcgt

werde, so werde der materielle Inhalt desselben, insoweit zu

dessen

Form

Rechtsgültigkcit

vorgeschriebcn sey,

in 'den

Gesetzen

eine spezielle

durch die Beobachtung jener allge­

meinen Testaments-Form noch keinesweges validirt. Um sich bei Anwerldung des gemeinrechtlichen Prinzips: locus regit actum, in Bezug auf den vorliegenden Fall kon­

sequent zu bleiben, müsse man die Frage aufwcrfen: welche Form denn das Französische Gesetzbuch für die von

einem Erblasser angeordnete Befreiung des Vormundes von

der obervormundschaftlichen Aufsicht festgesetzt habe. Vergebens sehe man sich aber nach einer desfallsigen Vor­ schrift um, weil nach Französischen Gesetzen eine solche Be­

freiung nicht zulässig sey. *) So wie mithin die von der Frau von K.... gemachte

Anordnung

in Frankreich nicht zum Vollzüge

gekommen

seyn würde, so könne sie auch hinsichtlich der diesseits konstituirten Vormundschaft nicht für rechtsgültig

angesehen

werden,

weil es ihr an der äußeren gesetzlichen Form gebreche, welche die Preußischen Gesetze dahin vorschreiben: daß die Befreiung eines Vormundes von der obervormund­ schaftlichen Aufsicht nur in einem gerichtlich aufgenomme­

nen oder niedergelegten Testamente, oder durch eine gericht­ liche Erklärung angeordnet werden könne.

Diese Vorschrift festzuhalten, gebiete auch die Nothwen­

digkeit um so mehr,

als es

stratious-Maaßregel handele,

sich für

darin von deren

einer Admini-

strenge Beobachtung

die obervormundschaftlichen Behörden verantwortlich bleiben. Die Rücksicht

endlich,

daß

ein Preußischer Unterthan,

welcher genöthigt sey, sich in Frankreich aufzuhalten, hiernach außer Stande seyn würde, den von ihm ernannten Vormund von der obervormundschaftlichen Alifsicht zll befreien, erscheine

bei der gewiß geringen Anzahl der vorkommenden Fälle theils

zu unerheblich, um von dem Gesetze eilte Abweichung zu ge­ statten, theils werde sie — was den speziellen Fall betreffe — dadurch entkräftet, daß der re. von K.... der Weg zur

Erlaiigutig der Rechtssörmigkeit ihrer gemachten Anordtiung,

°) Art. 450. und folgende des Code civil.

8 — sey eS vermittelst eines notariellen Testaments, oder eines

separaten notariellen, d. h. authentischen Akts, in Frankreich überall eröffnet gewesen *), da die Handlungen der sogenann­ ten freiwilligen Gerichtsbarkeit dort den Notarien ausschließ­

lich überwiesen seyen, und den von denselben aufgenommenen

Akten in dieser Beziehung gleiche Wirkling mit den gerichtli­ chen beigelegt werde. So vielen Schein der Richtigkeit diese Ausführung ge­ währt, so sprechen indessen doch folgende Gründe für die ent­

gegengesetzte Meinung: daß nämlich die von der Frau von K. in dem zu Paris

errichteten holographischen Testamente angeordnete Befreiung der Vormünder ihres Sohnes von den diesseitigen gesetzli­ chen Einschränkungen, auch für die Preußische Vor­

mundschafts-Behörde als verbindlich zu erachten

sey. Den Grundsatz des gemeinen Rechts, daß die Form eines

Rechtsgeschäfts nach den Gesetzen des Orts zu beurtheilen sey,

woselbst das Rechtsgeschäft vorgenommen worden ist, erkennt auch das Preußische Recht an. Die oben angeführte Vorschrift der Prozeßordnung Tit. 10.

115. insbesondere enthält eine materielle Bestimmung dar­

über, nach welchen Gesetzen die Form der schriftlichen Willenserklä­ rungen und Verträge zu beurtheilen ist, nämlich eine negative:

daß solche nicht nach den Gesetzen des Ortö, wo der Pro­ zeß schwebt, zu beurtheilen sey,

und eine positive: daß darauf die Gesetze des Orts, wo die

*) Art. 971. und 1317. de« Code civil.

9 oder der Vertrag verbiiibliche Kraft erhalten haben, znr An­

wendung kommen sollen. Durch Kombination

der

Borschriften

des

Allgemeinen

Landrechts mit dieser Disposition der Prozeßordnung gelangt man zu dem Resultate,

daß

der gemeinrechtliche Grundsatz:

locus regit actum, auch bei uns der vorherrschende sey. Dies ist in den Motiven über den Gesetz-Entwurf,

die

Testamente der Preußischen Gesandten an fremden Höfen be­

treffend, anerkannt worden Zst aber ein Rechtsgeschäft irgendwo gültig vorgenommen, so muß es auch allenthalben Gültigkeit äußer», insoweit nicht

besondere Ausnahmen ausdrücklich bestimmt worden sind.

Wendet maii diese Grundsätze auf das holographische Te­ stament der Frau von K...

an, so folgt daraus, daß jenes

Testament ein rechtsgültiges Testament ist, indem nach Fran­ zösischem Rechte, unter dessen Herrschaft cs errichtet wurde, cm vou der Hand des Testirers ge-

und nmerschrlebenes Testa­

ment volle Gültigkeit hat, wenn auch keine sonstige Förmlich­

keit dabei beobachtet worden ist. eS allenthalben,

Es folgt ferner daraus,

daß

also auch in Preußen, Gültigkeit haben

muß, wenn nicht eine ausdrückliche gesetzliche Ausnahme nach­

gewiesen werden kann. Als eine solche ausdrückliche Ausnahme wird nun zwar der §. 682. Tit. 18. Th. II. des Allgemeinen Landrechts —

wonach die von einem Testator angeorhriete Befreiung des Vor­

mundes von den vormundschaftlichen Einschränkungen durch eine

"1 Das diesen Motiven vorangegangene Promemoria, worin zu­ gleich die Materialien des Allg. Landrechts in Betreff der §§. 22—43.

der Einleitung benutzt sind,

so wie

ein Auszug

aus

den

selbst, werdetl unter A. und 1L S. 13. und folg, beigefügt,

Motiven

10 gerichtliche Erklärung, oder durch ein gerichtlich aufgenommenes oder niedergelegtes Testament geschehen soll — angeführt.

Al­

lein dieser Paragraph enthält keine Ausnahme von der oben dargethanen Regel.

Wer in Preußen den Vormund von den Einschränkun­ gen befreien will, muß diese seine Willensmeinung vor Ge­ richt abgeben, ohne Zweifel deshalb, damit über den Willen

des Testators auch nicht der leiseste Zweifel obwalten könne,

damit der Wille des Disponirenden gewiß sey.

Daraus folgt

aber nicht, daß, wer außerhalb Preußens eine solche Wil­

lenserklärung macht, sich gleichfalls dazu der Gerichte bedienen

müsse. Wird die im Auslande gemachte Willensäußerung nach dortigem Gesetze für über allen Zweifel erhaben, für gewiß er­

achtet, so muß diese Gewißheit allenthalben, mithin auch im Znlande, ihre Wirkung äußern. Zn Frankreich giebt es keine gerichtlichen Testamente; sie

sind dort eine gänzlich unbekannte Form des TestirenS, und es kann daher das betreffende Preußische Gesetz dort gar keine An­ wendung finden.

Das in Frankreich errichtete holographische

Testament hat mit den» in Preußen gerichtlich errichteten, oder

niedergelegten gleiche Kraft.

Ist also in jenen holographischen

Testamente der Vormund von den Einschränkungen befreit, so

muß diese Befreiung eben so gültig seyn, als wäre sie in Preu­ ßen vor Gericht geschehen. Nur Gewißheit über den Willen des Disponirenden hat der Preußische Gesetzgeber gewollt. Durch

das holographische Testament aber wird die nämliche Gewißheit (nach der Gesetzgebung, unter welcher es errichtet wird) hervor­

gebracht, wie durch das gerichtliche Testament in Preußen.

Die Preußische Gesetzgebung verlangt für die in Frage stehende Festsetzung nur die Beobachtung der höchsten Form

11 der letztwilligen Bestimmung.

Diese ist aber in Frankreich im

holographischen Testamente ebenfalls vorhanden.

Wenn man auch bei der Materie über die Kollision der Gesetze einen Unterschied macht zwischen der Frage über die

Form und der Frage über Inhalt und Wirkung *), so än­

dert eine solche Unterscheidung im vorliegenden Falle doch Nichts, weil es sich hier nur von der Form handelt, da die Vor­

schrift des §. 682. Tit. 18. Th. II. des Allgemeinen Landrechts nichts Anderes, als die Form betrifft.

aber verordnet der

Hinsichtlich dieser Form

115. Tit. 10. der Prozeßordnung, daß

die Gesetze des Orts entscheiden sollen, wo das Rechtsgeschäft zu Stande gekommen ist.

Zn Betreff dieser Form wieder zu

unterscheiden zwischen allgemeiner und spezieller Form,

dafür geben die Gesetze nirgends einen Stützpunkt.

Zn der

vorliegenden Sache reduzirt sich eigentlich Alles auf die Frage: Zst die in Frankreich durch ein dort gültiges holographisches Testament von der Testircrin angeordnete Befreiung der Vor­

münder .von der Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts

deshalb ungültig, weil dabei nicht die von dem Allgemei­ nen Landrechte

vorgeschriebene gerichtliche Form beobachtet

worden?

Diese Frage aber muß in Gemäßheit der klaren Vorschrift des §>. 115. Tit. 10. der Prozeßordnung verneint werden. Wollte man diese Grundsätze nicht anerkenncu, so wür­

den die Preußischen Unterthanen, welche sich in Ländern be­ finden, in denen die Gerichte sich mit der Auf- oder Annahme

der Testamente nicht befassen, gar keine Testamente machen kön-

*) Vgl. die §§. 1. und 6. des Gesetzes vom 3. April 1823. Sammlung für 1823. S. 40. und 41.)

(Gesetz-

12 neu **).

Sie würde» von der Wohlthat der Testamentifaktion,

die den Unterthanen iit allen zivilisirten Staaten durch die Ge­

setze zugesichert worden ist, geradezll ausgeschlossen seyn.

Es

kann zwar nicht in Abrede gestellt werden, daß es möglich ist, die hiesigen Gesetze dadzirch zu umgehen, daß ein hiesiger Un­ terthan sich in's Ausland, namentlich nach Frankreich, begiebt und dort ein holographisches Testament errichtet.

Der Umstand

aber, daß sich ein Gesetz im Einzelnen umgehen läßt, kann nicht bewirken, daß man nun dem Gesetze eine andere Inter­ pretation giebt, als welche im Sinne des Gesetzgebers gelegen

hat und den Rechtsgrundsätzen gemäß ist.

Er kann nur da­

hin führen, daß, wenn von einer solchen Umgehung großer Nachtheil zu besorgen ist, Maaßregeln vorschreibt.

der Gesetzgeber

selbst abwehrende

Die Umgehung kann möglicher Weise

auch dadurch bewirkt werden, daß ein Preußischer Unterthan

sein Testament außerhalb Landes vor einem Gerichte nieder­ legt.

Es würde daher ans diesem Grunde folgen, daß Preu­

ßische Unterthanen im Auslande überhaupt nicht testiren dürf­ ten, welches aber eine sehr bedeutende und oft sehr nachtheilige Beschränkung ihrer bürgerlichen Freiheit seyn würde. Eben so we­

nig läßt sich sm vorliegenden Falle mit Grund behaupten, daß die von K

mittelst eines notariellen Testaments oder

Akts die Befreiung der Vormünder habe anordnen können. Denn einer solchen Form und Anordnung würde sich mit eben dem

Grunde, wie der holographischen, der Einwand haben entgegen­ setzen lassen, daß sie nicht gerichtlich getroffen worden sey.

*) Außer den Gesandten giebt es auch andere, im Preußischen Staal« dienstc stehende, kommissarisch im Austande fungircndc Beamte, z. B. die Zollvereins-Bevollmächtigten, Stations-Kvniroleurc und Sekretaire, welche hierbei sehr intercsflrt sind.

A

Promemoria Uber die Form, welche bei Aufnahme und Aufbewahrung der Testamente der Königlichen, an fremden Höfen beglaubigten Gesandten und andern zur Gesandt­

schaft gehörigen Personen zu beobachten ist.

^E^egen des Zusammenhanges der gegenwärtig geltenden Ge­

richtsverfassung mit den früheren Legislationen soll zuvörderst

(ins diese zurückgegangen werden.

1. Römisches Recht. Zn den Römischen Gesetzen befindet

sich blos folgende

hierher gehörige Stelle:

Item qui apud externes legatione funguntur, possunt faccre testamentum. L. 13. §. 1. D. qui test. fac. poss. Die Glosse bemerkt hierbei:

daß die Gesandten in dem Staate, an welchen sie gesandt sind, ihre Testamente in der Form machen können, welche

durch die Gesetze ihres Wohnorts vorgeschrieben sind,

secundum civitatis suae Jura, (secundum suas leges, scilicet jure suo) womit auch Bartolus, Ferretus und Cujacius über­ einstimmen.

14 Wenn im Sten Buche 7ten Titels der Pandekten und

im lOten Buche 63sten Titels des Kodex von Legatis die Rede ist, so werden zwar in der Regel nicht solche Gesandten ver­ standen, die ein unabhängiges Volk an das andere schickt, son­

dern solche städtische oder Provinzial-Abgeordnete des Römi­ schen Reichs, welche von einer Stadt oder einer Provinz, in

ihren öffentlichen Angelegenheiten,

an den Kaiser

oder das

Volk gesandt wurden, welche Ulpian 1. 1. v. de legal. legati municipales nennt. Indeß in 1. 13. §>. 1. D.

Qui test, facere possunt,

ist, wie auch das „apud Externes“ zu erkennen giebt und

Gothofred bemerkt, wirklich von den Gesandten im völker­ rechtlichen Sinne die Rede, — qui apud externes non

subditos imperio romano legatione funguntur.

Ä. Gemeines Recht, feit der Ausbildung des Völkerrechts durch Hugo Grotius. Seit Hugo

Grotius

die

völkerrechtlichen Berhältniffe

und hierbei auch die Beziehungen, in welchen die Völker mit

einander durch die Gesandten stehen, einer genaueren Untersu­

chung und Bearbeitung unterworfen hat, haben sich besonders über diesen Gegenstand, sowohl in Absicht der rechtlichen Hand­

lungen der Gesandten überhaupt,

als ihrer Testamente ins­

besondere, drei Hauptmeinungeü gebildet.

Eine vierte hier­

von verschiedene Ansicht wird nur von Wenigen vertheidigt. Erste Meinung. Die erste Meinung

besteht darin: daß sowohl die

Gesandten, als ihr Gefolge ihre Testamente bloß

ex

jure gentium, oder, wie Andere es ausdrücken, ex jure naturali zu machen berechtigt seyen.

15

Sie sollen gültig seyn, wenn mir der Wille des Testa­ tors durch zwei, über alle Einwendungen erhabene Zeugen, oder seinem ganzen Inhalte nach durch die eigenhändige

Schrift bewiesen werden kann, ohne daß es irgend einer For­

malität, blos der Solennität wegen, bedarf. Der Grund dieser Meinung wird von ihren Vertheidigern dahin angegeben, weil nicht blos die Gesandten, sondern auch

ihr Gefolge nicht den Gesetzen des Staats, bei welchem jene akkreditirt find, unterworfen seyen. Zu dieser Meinung bekennen sich

1) Hugo Grotius, der sie an mehreren Orten aufgestellt hat: im L. II. de jure belli et pacis, Cap. 18. §. 4.

et 8., in den Respons. Jurisc. Holland., pari. 3. Vol. 2.

Consil. 241. pag. 705. et seq.;

2) der Kanzler Hert in der Dissertation de Collisione legum, Sect. 4. §. 31.;

3) Voet in seinem Kommentar ad Pandectas, Lib. XXVIII. Tit. 1. §. 14. Es heißt daselbst: „mililare insuper testamentum Juris civilis solennibus

haudquaquam adstringi dicetur in tit. de testam. mi­ litari.

Qua tarnen occasione adnotandum, exemplo

militum in expeditione occupatorum etiam legatos ad exteras gentes missos eowumque comites

ac ministros non inutiliter testari, durante absentia et in locis peregrinis commoratione, secun-

dum simplicem Juris gentium solennitatem neglectis solennibus tum loci, in quomorantur, tum domicilii, unde absunt legalionis causa: in

16

quam senlentiam etiam rcsponsuni ab Hugone Grolio in Resp. Jurisc. Holl. pari. 3. Vol. 2. consil. 341. (re vera 241.) pag. 705. seq. Zweite Meinung. Die zweite Mein«ng gehet dahin: daß die Gesand­ ten, nrcht aber ihr Gefolge, nach jenem jure naturali

et gentium testiren dürften.

Diese Ansicht wird

von Wildfogcl in einer eigenen Dissertation de tcsta-

mento legati, welche zu Zena 1711. erschienen ist, vertheidigt.

Zu ihrer Unterstützung führt er hauptsächlich zwei

Gründe an, von denen aber wohl nur der zweite einige Be­

rücksichtigung verdienen könnte, nämlich:

1) weil das Gefolge der Gesandten den letztem zwar in Ab­ sicht der Unverletzlichkeit,

nicht aber in Ansehung aller

übrigen Privilegien gleichgestellt sey; 2) weil insbesondere das Gefolge der Jurisdiktion der Ge­

sandten unterworfen sey, die letztem aber bei Ausübung der Gerichtsbarkeit sich nach den vaterländischen Gesetzen

richte» müßten, welche daher von allen zum Gefolge ge­

hörigen Personen beobachtet werden müßten.

Dritte Meinung. Die Vertheidiger der beiden ersten Meinungen gehen also

gemeinschaftlich von der Grundansicht ans,

daß tm Gefolge

des natürlichen Völkerrechts, wie sich solches ausgebildet hat

und ausbilden mußte, die Gesandten eine gänzliche Immunität

von allen, für die Bürger des Staats, bei dem sic ibre Re­

gierung vorstellen, geltenden Gesetzen genießen. Diese Grundansicht bestreiten andere Rechtsgelchrte, und

diese mußten daher auch bei den Folgen, namentlich in der

17 Lehre von den Testamenten der Gesandten und ihres Gefolges, von jenen beiden ersten Meinungen abweichen.

Sie nehmen an, daß die Gesandten an sich keine größere Freiheit und Immunität genießen, als jeder Fremde, der sich

in freundschaftlicher Absicht in einem Staate, dem er nicht als Bürger zugehört, aufhält.

Hieraus folgern sie,

daß auch die Unverletzlichkeit,

die

Freiheit und die Exemtionen der Gesandten nicht nothwendig aus dem Völkerrechte hergeleitet werden können, sondern daß

jene Gerechtsame nur insofern den Gesandten zu Theil wer­ den, als der Staat, welcher sie angenommen hat, ihnen solche freiwillig zugesteht, daß diese Bewilligung jederzeit wider­

rufen werden könne, und auf keine Weise dem Gesandten oder seiner Regierung ein Recht zum Widersprüche gegen eine solche

abändernde Bestimmung zustehe. Zunächst käme es daher auf die Bedingungen an, un­

ter welchen der Staat die Gesandten angenommen habe.

Wenn

dieser sie in jeder Hinsicht von den einländischen Gesetzen be­

freit habe, so sey es allerdings richtig, daß sie auch bei den Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und bei der Errich­

tung ihres letzten Willens nicht den Gesetzen des Staats, bei dem sie beglaubigt sind, unterworfen seyen.

Hieraus folge nun aber noch keinesweges, daß ihre Testa­

mente blos nach dem Naturrechte gelten.

Man habe hier of­

fenbar die Exterritorialität der Gesandten, welche sich doch im­ mer nur auf das Verhältniß zu dem Staate beziehe, bei dem sie ihre Regierung vertreten, tem verwechselt.

mit dem Verhältniß zu der letz­

Blos in Beziehung auf jenen Staat vettrete

er feinen Monarchen; im Verhältniß zu letzterm wohne ihm

auch, was die völkerrechtlichen Ailgelegenheiten beider Staate»

18 anlange,

kein

repräsentativer Karakter bei.

Noch bei

weitem mehr mußte er in allen übrigen Privatrechtshandlungen in Beziehung auf seinen Monarchen blos als Privatmann beurtheilt werden.

Deshalb müßte er solche, falls sie gelten

solltm, auch nach dessen Gesetzen einrichten. Unzweifelhaft gehörte auch die Errichtung eines Testaments

zu diesen Privathandlungen, und deshalb müßte er, wenn der Staat, bei dem er akkreditirt ist, ihm die Zmmunität von den «inländischen Gesetzen gestattet, hierbei die Formalitäten und Ge­

setzt des Staats, dem er angchört, zur Anwendung bringen. Diese Meinung findet man ausgeführt in der Abhand­ lung de jure legationis principum imperii, deren Verfasser

unter dem Namen Presbeuta aufgetreten ist, ferner in der Schrift des Diet. Herrm. Kemmerich über diesen Gegenstand, endlich in einer Dissertation de legato testatore von Kay­ ser, Gießen 1740.

Vierte Meinung. Eine vierte Ansicht hat nur wenige Vertheidiger ge,

funden.

Sie gehet dahin, daß man die Form und den In­

halt, oder (nach dem Sprachgebrauche der Rechtslehrer, und besonders bei der Lehre von Testamenten) die äußere und innere Form unterscheiden müßte.

Zn Absicht der erstem

müßte auch der Gesandte sich nach den Gesetzen des Staates

richten, wo er residirt, und selbst des Orts, wo der Akt zu Stande kommt, nach der Rechtsregel: Locus regit actum.

Zn Absicht der innernForm, derjenigen gesetzlichen Er­

fordernisse, welche sich auf den Znhalt beziehen, müßte der Ge­ sandte die Gesetze und Gewohnheiten des Staates, dem er ange­ hört, und bei Grundstücken, des Orts, wo sie gelegen, befolgen.

Diese Meinling vertheidigt

19

1) Prost de Royer in seiner Edition des Dictionnaire der Arrdts de Brillon, sub voce: „Ambassadeur“, No. 64. Auch dürfte 2) Hommel hicher gerechnet werden.

Nachdem er Observ.

409. p. 463. im Allgemeinen bemerkt hat:

„In contrqctibus aliisque actibus et rebus gestis inspiciendus est locus actus, non domicilii, nec rei sitae. Testamenta secundum solemnitatem loci, ubi testator scripsit vel nuncipavit, condita ubique valent;“ so fügt er pag. 466. hinzu:

„Hoc adeo placuit, ut etiam legatus publicus, etsi legibus illius civitatis, in qua commoratnr, jure gentium non subjiciatur, tarnen in celebrandis contractibus aut condendo testamento iis subjaceat.“

S

Preußisches Recht, a. ältere-.

Bor Einführung des Allgemeinen Landrechts mußte die Frage:

welche Form der Aufnahme und Aufbewahrung von Testa­ menten int Auslande von den Preußischen Gerichtshöfen für

rechtsbeständig anzuerkennen sey,

lediglich nach dem gemeinen Rechte entschieden werden. Welche von den vorher vorgetragenen vier Meinungen von dem Geheimen Ober-Tribunale angenommen wurde, läßt sich

mit einiger Wahrscheinlichkeit aus einem älteren Rechtsfalle, des Kaufmanns Splittgerber in London wider den Obri-

ften Grafen von Lusi,

20 wobei eine analoge Frage znr Sprache kam, entnehmen.

Die

Klage ward im Zahre 1788. bei dem Kammergerichte angesiellt und betraf eine Forderung, welche aus dem angeblich er­

haltenen Auftrage, öffentliche Fonds oder Stocks zu kaufen, hergeleitet ward.

Unter andern Einwendungen ward auch vom Beklagten

entgegengesetzt: daß er sich zur Zeit des Geschäfts als Preußischer Ge­ sandter am Englischen Hofe zu London aufgehalten habe.

Es ward hierbei insbesondere von dem Appellationssenate des

Kammergerichts angenommen,

daß dieser Umstand auf die Entscheidung keinen Einfluß habe, weil er bei seinem Berhältniffe mit Splittgerber nicht

als Gesandter, nicht vermöge seines öffentlichen Karakters in einer auf die Gesandtschaft Bezug habenden

Angelegenheit, sondern lediglich als Privatmann gehandelt habe, und es bekannt sey, daß die Privatgeschäfte ei­

nes Gesandten ebenfalls nach den in loco contractus geltenden Gesetzen beurtheit werden müß­

ten.

(cf. Klein'S Annalen, Bd. 26. 229.)

Wenn auch die vier Allegate, welche zur Rechtfertigung dieser Behauptung angeführet worden, nämlich:

Henr. a Cocceji, Diss. de legato sancto, Cap. IV. §. 4., Idem, in Comment, ad Hug.* Grot., L. II. cap. XV1IL, Vattel, Droit des gens, L. IV. ch. IX. §. 12., L. P. de Wolff, Jus gentium, §. 1058. p. 838. das thema probandum nicht beweisen, so leidet eS doch

nach den Kleinschen Annalen S. 207. keinen Zweifel, daß das Geheime Ober-Tribunal dieser Ansicht selbst beigetreten sey.

21

b. nach dem Allgemeinen Landrechte. Was nun das Allgemeine Landrecht anlangt, so werden in der Einleitung zu demselben Bestimmungen über die Frage

gegeben: wen die Gesetze verbinden,-und zwar

a. überhaupt, von §. 22—27., b. insbesondere 1) bei beweglichen Sachen, von §. 28—31.,

2) bei unbeweglichen Sachen §. 32., 3) bei der Form der Handlungen §. 33., welcher lautet:

Provinzialgesetze

und

Statuten,

welche die äußer­

liche Feierlichkeit einer Handlung bestimmen, gelten nur bey

Handlungen, die unter der GerichtsbaMt, für welche das Gesetz gegeben ist, von den ihr unterworfenen Personen vor­ genommen werden; 4) in Ansehung der Fremden §. 34—43., welche lauten:

34. Auch Unterthanen ftemder Staaten,

welche in hiesigen

Landen leben, oder Geschäfte treiben, müssen nach obigen Be­

stimmungen beurtheilt werden. §. 35.

Doch wird ein Fremder, der in hiesigen Landen Verträge über daselbst befindliche Sachen schließt,

in Ansehung seiner

Fähigkeiten zu handeln, nach denjenigen Gesetzen beurtheilt, nach welchen die Handlung am besten bestehen kann.

36,

Den Gesandten und Residenten auswärtiger Mächte,

so wie den in ihren Diensten stehenden Personen, bleiben ihre Befreiungen, nach dem Völkerrechte und den mit den verschie­ denen Höfe» obwaltenden Verträgen, vorbehalten.

22 H. 37. Eingeborne Vasallen und Unterthanen, welche mit Erlaub­

niß des Landesherrn von einem fremden Hofe beglaubigt wor­ den, bleiben in ihren Privathandlungen den Landesgesetzen un­

terworfen.

38. Die vom Staate an fremden Höfen beglaubig­

ten Gesandten werden nach den Gesetzen der einländi­ schen Gerichtsbarkeit, unter welcher sie zuletzt, vor dem Antritte der Gesandtschaft, ihren Wohnsitz gehabt haben, be­

urtheilt.

39. Sind aber dieselben Ausländer, so gelten in Ansehung

ihrer, wenn sie in hiesigen Landen belangt werden, die Vor­ schriften des hiesigen gemeinen Rechts.

40. Wem die Gesetze auf der einen Seite Berbindlichkeiteu auflegen, dem kommen sie auf der andern Seite durch ihren

Schutz auch wieder zu Statten.

41. Fremde Unterthanen haben also, bey dem Betriebe erlaub­

ter Geschäfte in hiesigen Landen, sich aller Rechte der Einwoh­

ner zu erfreuen, so lange sie sich des Schutzes der Gesetze nicht unwürdig machen.

H. 42. Die Verschiedenheit der Rechte auswärtiger Staaten macht von dieser Regel noch keine Ausnahme,

H. 43, Wenn aber der fremde Staat, zum Nachtheil des Frem­ den überhaupt, oder der hiesigen Unterthanen insbesondere, be-

23

schwerende Verordnungen macht, oder dergleichen Mißbräuche wissentlich gegen diesseitige Unterthanen duldet, so findet das Wiedervergeltungs-Recht statt.

Außer diesen allgemeinen Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts ist noch das Anschreiben des Kabinets-MinisteriumS

an den Groß-Kanzler vom 29. November 1784. zu bemerken, nach welchem die Gesandten und Konsuln bei der Pforte

und in der Levante in den Streitigkeiten der einzel­

nen Unterthanen, so wie der Proteges ihres Staats un­ ter sich, und auch nach den Privilegien und Kapitulationen verschiedener Nationen, mit fremden Klägern, die nicht zu

ihrer Nation gehören, die Gerichtsbarkeit haben, und dieselbe durch ihre sogenannten Kanzler, d. i. Zustiziarien und Aktuarien, ausüben.

Obgleich nun dieses Schreiben blos von der GerichtSbar--keit in Streitigkeiten spricht, so giebt doch das Institut der Zustiziarien und Aktuarien

bei den Gesandtschaften und den Konsuln bei der Pforte und in der Levante hinlänglich zu erkennen, daß auch bei Handlun­

gen der freiwilligen Gerichtsbarkeit der dortigen Preußischen Unterthanei» oder Proteges, sofern solche in der Folge von Preu­

ßischen Gerichtshöfen zu beurtheilen- sind, darauf zu sehen ist, ob den Preußischew Gesetzen Genüge geleistet sey.

Den Preu­

ßischen Gesandten an andern fremden Höfen ist keine Juris­

diktion in Handlungen der freiwilligen.Gerichtsbarkeit beigelegt. Blos in Absicht der Vollmachten kommt eine Bestimmung

vor,

welche der Vollständigkeit wegen hier zu erwähnen ist.

Im §. 46. des ersten Anhanges zum Allgemeinen Landrechte wird festgesetzt:

Die von den Preußischen Gesandten und Residenten

24 an auswärtigen Höfen attestirten Vollmachten sind den ge­

richtlichen gleich zu achten.") Mit Ausnahme der für die Gesandtschaften bei der Pforte

und in der Levante ganz speziell getroffenen Einrichtung, welche

sogar als Ausnahme von der entgegengesetzten Regel angesehen

werden könnte, bleiben von den oben angeführten gesetzlichen Vorschriften blos die

38. und 39. der Einleitung zur Ent­

scheidung der vorliegenden Frage übrig. Preußische Gesandte an fremden Höfen sollen mithin hier nach den Gesetzen der einländischen Gerichtsbarkeit, unter welcher sie zuletzt vor dem Antritte der Ge­ ihren

sandtschaft

Wohnsitz

gehabt haben,

oder,

wenn sie Ausländer sind, nach den Vorschriften des Preußischen gemeinen Rechts beurtheilt werden.

Diese

sind allerdings etwas allgemein gefaßt, und sie

können nur in Verbindimg mit andern Vorschriften der Allge­

meinen Gerichtsordnung richtig interpretirt werden. Um zur Ueberzeugung zu gelangen,

ob nicht die Ge­

schichte der Entstehung jener gesetzlichen Vorschrif­ ten Andeutung zu ihrer richtigen Interpretation liefere, sind

die im Büreau des Justiz-Ministeriums befindlichen Materia­ lien zum Allgemeinen Landrechte nachgesehen worden.

Es hat sich hierbei Folgendss ergeben:

Im gedruckten

Entwürfe des Allgemeinen Gesetzbuchs befinden sich ih der Ein­

leitung zum ganzen Werke ”) blos folgende, den

22—43,

") Vgl. die Kablnetsordre vom 11. November 1829. (Gesetzsammlung für 1830. S. 2.) wegen der Konsuln und Konsularagenten. Vgl. die erste Abtheilung des ersten Theils, S. 20.

25 der Einleitung zum Allgemeinen Landrechte entsprechende Be­ stimmungen :

24. Auch Fremde, die nur eine Zeit lang im Staate sich auf­ halten, müssen während dieses Aufenthaltes ihre Handlungen

nach den allgemeinen Gesetzen des Staats einrichten.

25. Fremde, welche unter dem Schutze des Staats Geschäfte

treiben, müssen dabei die in den Gesetzen

des Staats vorge­

schriebene Form beobachten.

26, Den Gesandten und Residenten auswärtiger Mächte,

so wie auch den in ihren Diensten stehenden Personen, bleiben ihre Exemtionsrechte nach den obwaltenden Verträgen und dem Völkerrechte vorbehalten.

27. Bey Anwendung der Gesetze muß zuvörderst auf die vor­ handenen Privilegien, nach diesen auf die Statuten, sodann

auf die Provinzialgesetze, und in deren Ermangelung auf die Vorschriften dieses Allgemeinen Gesetzbuchs gesehen werden.

H. 28. Die persönlichen Eigenschaften und Befugnisse ei­

nes Menschen werden nach den Gesetzen seines Wohnorts be­ urtheilt, auch alsdann, wenn er sich eine Zeit lang außerhalb

desselben befindet, oder auswärts Geschäfte treibt.

29. Nach eben diesen Gesetzen wird das bewegliche Vermö­ gen eines Menschen beurtheilt, es mag fich solches in oder au­

ßer seinem Wohnorte befinden.

26 31. Nach Provinzialgesetzen und Statuten, welche blos die

äußerliche Form oder Feierlichkeit einer Handlung bestimmen,

können nur solche Handlungen beurtheilt werden, welche die dergleichen Gesetzen unterworfenen Personen in dem Bezirke der

Provinz, oder des Ortö vornehmen. 32.

Bei Anwendung der Gesetzt soll den Fremden überall glei­ ches Recht mit den Königlichen Unterthanen angedeihen, inso­

fern nicht das Retorsions-Recht wider sie stattfindet.

Vorschrift en üb er die Privatrechts-Berhältnisse der Preußischen Gesandten an fremden Höfen feh­

len im Entwürfe. Zm Band 72. der Materialien Bl. 30v- ad §>. 25. wird

nur folgendes Monitum gemacht: a. dieser

würde durch Beispiele zll erläutern seyn;

b. auch könnte hier festgesetzt werden, ob unsere Gesandte an auswärtigen Höfen ihre Verträge und Te­

stamente nach unsern Gesetzen, oder nach den

Gesetzen des Landes, wohin sie geschickt, rinzurichten verpflichtet sind.

Der Geheime Zustizrath (nachmalige Geheime Ober-Tri­

bunals-Präsident) von Grolman äußerte über den §. 25.

im Allgemeinen: *) „Es läßt sich bezweifeln, ob ein Hamburger, der in Berlin

sein Testament macht, und ob zwei Hamburger, welche über Waaren, die in Hamburg liegen, in Berlin einen Kontrakt schließen, dabei schlechterdings die hier vorgeschriebene Form be-

°) a. a. £>. der Materialien.

27 obachten müßten, und ob, wenn sie die Hamburgsche Form be­

obachtet haben, ihr Geschäft ungültig sey.

Zch glaube nicht,

daß man dieses behaupten könne, der §>. würde also wohl ei­

ner Einschränkung bedürfen.

Ferner ist der §. nicht vollständig.

Er bestimmt nur,

was für Gesetze in Ansehung der Form des Geschäfts gelten

sollen; wonach die Materialien des Geschäfts entschieden wer­

den sollen, wird nicht festgesetzt, und dieses ist doch eben so nöthig.

Sollen die Dispositiones im §. 28 — 31. auch auf

Fremde gehen, so müßte dieses ausdrücklich verordnet werden.

Zn den §>§. 30. und 31. wird nur von Provinzialgesetzm und Statuten geredet, woraus man schließen muß, daß

nur von verschiedenen Rechten in den Königlichen Landen, nicht

von den verschiedenen Rechten auswärtiger Länder gehandelt

worden.

Die Bestimmungen sind auch nicht vollständig genug,

wovon man sich überzeugen wird, wenn man die Abhandlung des Huber,

de conflictu legum diversarum in diversis

imperiis liefet, welche sich in seinen praelectionibus ad Dig. post tit. 3. lib. 1. findet. Endlich dürfte auch noch festzusetzen seyn, was für Rech­ ten Königliche Unterthanen unterworfen wären, welche

sich in auswärtigen Landen aufhalten und daselbst Ge­

schäfte vornehmen." Hiernächst fügte er zum vorgedachten Monitum folgende

Bemerkung hinzu:

zu a.

Das Gesetzbuch würde zu weitläuftig werden, wenn

dasselbe überall Beispiele anführen sollte.

zu b.

Was hier verlangt wird, gehört überhaupt

zur Bestimmung der Rechte über Geschäfte Kö­

niglicher Unterthanen in auswärtigen Lande».

28 Suarez *) dagegen beurtheilt,

in seinem ausführlichen

Vortrage über sämmtliche Monita, das ebenerwähnte Monitum mit den Worten:

ist unerheblich,

und eben dahin fiel auch das Conclusum des Groß-Kanzlers von Carmer aus.

Zn Absicht der allgemeinen Erinnerungen des Ge­ heimen Raths von Grvlman dagegen äußerte sich Sua­

rez **) dahin: die Monita des Herrn von Grolman sind von Erheb­ lichkeit.

Sie enthalten eigentlich Folgendes:

1) Es sey nicht angegeben, nach welchen Gesetzen dergleichm,

von Fremden unter dem Schutze des Staats betriebene

Geschäfte, quoad materialia zu beurtheilen sind. Eigentlich sollen wohl, wie auch Herr von Grolman

vermuthet, die §§. 28. und 31. auch auf dergleichen Fremde gehen; es würde solches aber allerdings deutlicher gesagt wer­ den müssen, und würde ich daher post §. 25. inseriren:

Zn wiefern aber im übrigen dergleichen Geschäfte nach de» Gesetzen des Staats, oder des auswärtigen Wohnortes zu beurtheilen, muß nach den Vorschriften

28. 31. bestimmt

werden. Herr von Grolman erinnert ferner: 2) Die Bestimmungen der

28. 31. wären nicht vollstän­

dig genug, und bezieht sich deshalb auf Hub er's Prae-

lectiones; ich kann gar nicht finden, worin die Unvoll-

ftändigkeit liegen solle.

•) Band 80. Bl. 5. ") a. a. £>. Bl. 6"

29

3) Es muffe bestimmt werden, was für Rechten Königliche Unterthanen unterworfen sind, welche sich in auswärti­ gen Ländern aufhalten und daselbst Geschäfte vorneh­ men. Ich stibmittire: ob es einer solchen -Bestimmung bedürfe, und ob dieselbe hierher gehöre. Allenfalls würde sie dahin zu suppliren seyn: Nach gleichen Grundsätzen sind die von hiesigen Untertha­ nen in auswärtigen Landen vorgenommenen Handlungen und Geschäfte, in sofern sie zur Entscheidung einländischer Gerichtshöfe gelangen, zu beurtheilen. Der Herr von Grolman hatte endlich seine vorher allegirten Bemerkungen mit folgenden Vorschlägen m Betreff der Bestimmungen über die Beurtheilung der Fremden gegeschloffen °): „Ueberhaupt kommt es mir schwer vor, vollständige und bestimmte Vorschriften über die Gesetzmäßigkeit der Handlungen der Fremden zu geben. Vielleicht kann Folgendes Gelegenheit zu näheren Bestimmungen geben. a. Handlungen der Fremden, welche sie vorgenommen ha­ ben, ehe sie in die hiesigen Lande gekommen sind, werden nach den Gesetzen ihres Wohnortes beurtheilt. Sind sie denselben gemäß, so sollen sie auch in hiesigen Landen gültig seyn, wenn sie gleich sonst in hiesiigen Landesgesetzen verboten wären. Z. E., wenn ein Türke mit mehreren Weibern in's Land käme, müßte man ihm solches erlauben, obgleich die Polygamie ver­ boten ist. *) Band 72. Bl. 35'- 36.

30 b.

Ihre künftigen Handlungen und Geschäfte

aber müssen

sie, so lange sie sich im Staate aufhalten, so einrichten, daß sie den Vorschriften der Gesetze nicht zuwider sind.

c. Bei Geschäften, welche sie mit hiesigen Einwohnern trei­

ben, müssen sie die in den Gesetzen des Orts ihres gegenwär­ tigen Aufenthalts vorgeschriebene Form beobachten.

d. Ein Gleiches muß geschehen, wenn sie entweder mit an­

dern Fremden, oder einseitig, Geschäfte über Gegenstände ab­

schließen, welche sich im Staate befinden.

e. Sind aber dergleichen Gegenstände außerhalb des Staats

befindlich, so sollen die Geschäfte ihre Kraft behalten, wenn

sie auch nur nach den Vorschriften des gemeinschaftlichen Wohn­ orts, oder in Emiangelung desselben, nach den gemeinen deut­

schen Rechten eingerichtet sind. f.

Streitigkeiten,

welche über das Geschäft selbst,

nicht

blos über dessen Form entstehen, sind, wenn der Gegen­ stand desselben sich zur Zeit des abgeschlossenen Geschäfts im

hiesigen Lande befindet, nach hiesigen Gesetzen, sonst aber nach den Gesetzen des Wohnorts des. Fremden zu entscheiden.

Ein Gleiches findet statt, wenn Fremde, welche sich nicht

im Lande aufhalten, mit hiesigen Unterthanen Geschäfte treiben, oder auch einseitig Dispositiones machen.

h. Zedoch ist in diesem Falle das Geschäft gültig,

es mag

31 dabei die in hiesigen Landen, oder die in dem Wohnorte de« Fremden vorgeschriebene Form beobachtet seyn.

i. Zst ein Geschäft, von

der Beschaffenheit,

daß

es

znm

Theil in hiesigen, und zum Theil in auswärtigen Landen voll­ bracht werden muß: so sind bei jenem die hiesigen, bei diesem die auswärtigen oder die hiesigen Gesetze zu beobachten.

k.

Hat ein Fremder zwei Wohnplätze oder Handlungen, so ist auf die Wohnung oder Handlung zu sehen, in Ansehung

deren das Geschäft geschlossen ist. I.

Läßt sich dieses nicht bestimmen,

so

gelten

die Rechte

des Wohnorts wider ihn, welche ihm am nachtheiligsten sind.

m. Hat ein Fremder noch keinen bestimmten Wohnort,

so

ist der Ort seiner Herkunft, oder, wenn dieser nicht auSgemit-

telt werden kann,

sein Aufenthaltsort zur Zeit des gemachten

Geschäfts für seinen Wohnort zu halten. n. Alles,

was bisher verordnet ist,

findet auch in Anse­

hung hiesiger Unterthanen statt, wenn die Provinzialgesetze oder Statuta von einander abweichen.

o. Auch

sollen

dieselbigen

Grundsätze

angewandt

werden,

wenn hiesige Unterthanen in fremde Länder reisen und daselbst

Geschäfte treiben." Suarez") läßt

sich über

*) Band 80. Bl. 6. und 6*

diese Vorschläge

in

seinem,

32 sämmtliche Monita erstatteten Vortrage folgendergestalt

über

auS: ad a,

Wenn dieser Satz sich nicht schon von selbst versteht,

könnte er wohl ausgenommen werden.

ad b, ist schon da ad §. 24. ad c, simililer §. 25

ad d, ist

unrichtig.

Wenn

ein Hamburger mit einem Lü­

becker in Leipzig über eine in Berlin befindliche bewegliche Sache kontrahirt, so kann es doch wohl nicht auf die

Berliner Gesetze ankommen. ad e, ist überflüssig.

Die Form eines jeden Geschäfts

ist nach den Gesetzen des Orts zu beurtheilen, wo es vollzogen worden.

ad f,

ist unrichtig;

ad g, ist da, vid.

2L

ad h, ist unrichtig.

ad i, ist unverständlich. Es kommt auf den Ort an, wo das Geschäft vollendet worden.

ad k, ist da; ad I, similiter;

ad m, similiter, item ad n — o. Demgemäß machte er folgende Vorschläge zur anderweitigen Fassllng der

24. 25. und 26. des gedruckten Entwurfs"):

Auch Fremde,

die eine Zeit lang im Staate sich anf-

halten, müssen während dieses Aufenthaltes ihre Handlungen, soweit solche der Beurtheilung und Entscheidung einländischer

•) a. a. £). Bl. T-.

33 Gerichtshöfe unterworfen sind, nach den allgemeinen Gesetzen des StaatS einrichtm.

hFremde,

welche unter dem Schutze des Staats Geschäfte

treiben, müssen dabey die in

den Gesetzen des Staats vorge­

schriebene Form beobachten.

Zn

wie fern

aber

Geschäfte

diese

selbst

lind

das

im

Lande befindliche Vermögen solcher Fremden nach den Gesetzen des Staats, oder des auswärtigen Wohnortes zu beurtheilen,

muß nach den Vorschriften des

Fremde, die in

— bestimmt werden.

hiesigen Landen

eine

eigene

Handlung

oder anderes fortdauerndes Gewerbe errichten, sind in Anse­ hung desselben und aller sich darauf beziehenden Handlungen

und Geschäfte, den Gesetzen des Staats unterworfen.

Nach

gleichen Grundsätzen (§.) sind die

von

hiesigen

Unterthanen in auswärtigen Landen vorgenommenen Handlun­

gen, und ihr daselbst befindliches Vermögen, bey den hiesigen Gerichten zu beurtheilen.

Den Gesandten und Residenten auswärtiger Mächte, so­ wie den in ihren Diensten

stehenden Personen,

bleiben ihre

Exemtions-Rechte nach den obwaltenden Verträgen und dem

Völkerrechte vorbehalten.

H. Eingeborne Vasallen und Unterthanen,

welche

mit

Er­

laubniß des Landesherrn von einem auswärtigen Hofe akkre-

3

34 ditirt find, bleiben, bey ihren Pnvathandlungen, den LandeSgesetzen unterworfen. Bei der Umarbeitung des gedruckten Entwurfes wurden indeß die betreffenden Bestimmungen von Suarej") dahin gefaßt: 47. Auch Fremde, die eine Zeit lang im Staate sich aufhalten, muffen während dieses Aufenthaltes ihre Handlungen, so weit als solche der Beurtheilung einländischer Gerichtshöfe unterworfen sind, nach dm allgemeinm Gesetzen des StaatS einrichten. 48. Fremde, welche unter dem Schutze des Staats Geschäfte treiben, müssen dabey die in den allgemeinen Gesetzen deS StaatS vorgeschriebene Form beobachtm. * tz. 49. Zn wie fern aber das Innere dieser Geschäfte und das Vermögen der Fremden (§§>. 47. 48.) nach den Gesetzen deS Staats, oder deS auswärtigen Wohnorts, in den einländischm Gerichtshöfen zu beurtheilen sind, muß nach den Vorschriften 37.-45. bestimmt werden. H. 50. Doch gelten bey Verträgen eines Fremden, die innerhalb Landes über eine daselbst befindliche Sache geschloffen worden, allemal die Gesetzt desjenigen Otts, wo der Vertrag zu Stande gekommm ist. H. 51. Nach den, 47.—50. vorgeschriebenen Grundsätzen •) Band 81. Bl. 2'- und 3.

35

müssen auch die von hiesigen Unterthanen in auswärtigen Lan­ den vorgenommenen Handlungen, und deren daselbst befindliches Vermögen, in den Erkenntnissen der hiesigen Gerichtshöfe beur­ theilt werden. 52. Den Gesandten und Residenten auswärtiger Mächte, so wie den in ihren Diensten stehenden Personen, bleiben ihre Exemtionen nach den obwaltenden Verträgen und dem Völker­ rechte vorbehalten. H. 53. Eingeborne Vasallen und Unterthanen, welche mit Er­ laubniß des Landesherr» von einem ftemden Hofe akkreditirt sind, bleiben in ihren Privathandlungen den LandeSgefetzen un­ terworfen. H. 54. Nach eben diesen Gesetzen sind auch die Kö­ niglichen an fremden Höfen akkredtrten Gesandten und Residenten in den hiesigen Gerichtshöfen zu beurtheilen. H. 55. UebrigenS soll den Fremden gleiches Recht mit den Kö­ niglichen Unterthanen angedeihen, in sofern nicht das RetorsionS-Recht wider sie statt findet. Dieser ersten Redaktion des umgearbeiteten Entwurfes, ist, wie Bl. 5. der ZnhaltSanjeige des LXXXIften Bandes der Materialien unter Note b. bemerkt wird, eine zweite Bearbeitung der Einleitung von einem andern Verfasser, wahrscheinlich von Klein, gefolgt, welche jedoch verloren gegangen ist. Suarez'S 3»

36 Monita zu dieser zweiten Redaktion sind erhalten worden, nnd be­ finden sich a. a. £). Bl. 10. 11. nnd 12.

Daselbst heißt es nun Bl. 12. ad b.: Die §§. 47. 48. 49. 50. (jener ersten Snarez'schen

Redaktion) werden durch diesen Satz nicht erschöpft.

Ueber-

Fremde, die in hiesigen Lan­

flüssig sind sie gewiß auch nicht.

den leben, sind nicht in allen Stücken nach den hiesigen

Gesetzen zu beurtheilen; z. E. der Engländer, welcher hier testirt,

muß

allenfalls quoad

die hiesigen

solemnitates

Gesetze beobachten,

externas

quoad solemnia

interna hingegen ist er daran keinesweges gebun­ den.

Er braucht seinen Kindern keine Legitim« zu hinterlas­

sen, und wenn in den hiesigen Gerichten über sein Testament ein Streit entsteht, so muß solcher nach den Englischen

Gesetzen entschieden werden.

Item mit Wechseln.

Es erfolgte noch der Versuch einer dritten Redaktion"),

aus welcher jedoch hier zu bemerken ist, daß der §. 34. der Einleitung des Allgemeinen Landrechts:

„Provinzialgesetze und Statuten, welche die äußerliche Feierlich­ keit einer Handlung bestimmen, gelten nur bey Handlungen,

die unter der Gerichtsbarkeit, für welche das Gesetz gegeben ist, von den ihr unterworfenen Personen vorgenommen werden

damals lautete:

„Gesetze, welche die äußere Feierlichkeit einer Hand­ lung bestimmen, gelten nur unter der Gerichtsbarkeit, für

welche sie gegeben sind." Hierzu machte Suarez**•) ") folgende Bemerkung:

•) Band 81. Bl. 15*. *•) a. a. ß. Bl. 23*. ad §. 38.

37 er submittire: ob solcher §. das, was darin eigentlich ge­ sagt werden soll, deutlich genlig exprimire.

Der Sinn sey

eigentlich:

Solemnitates externae per legem statutariam prae-

scriptae gelten nur auf Handlungen, welche a) von Personen, die dem Statute unterworfen find, und zwar b) in

loco, wo

das

Statutum

obwaltet,

vorgenommen

werden.

Diese Bemerkung ward pom Groß-Kanzler gut geheißen.

Nunmehr erhielten die betreffenden Bestimmungen die Ge­ stalt, in welcher sie den Mitgliedern der Gesetz-Kommis­

sion ad rnonendum mitgetheilt wurden, und welche, bisauf unbedeutende Verschiedenheiten,

bereits mit der Füssling

des

Allgemeinen Gesetzbuchs, jetzt des Allgemeinen Landrechts, 33. bis 43.

übereinstimmt. Der jetzige §. 36.:

„Den Gesandten und Residenten auswärtiger Mächte, so wie den in ihreir Diensten stehenden Personen, bleiben ihre Befreiungen, nach dem Völkerrechte und den mit den ver­

schiedenen Höfen obwaltenden Verträgen, vorbehalten;" war damals §. 40. und zu diesem §. warf der Geheime Ober. Tribunals-Rath Lamprecht — Mitglied der Gesetz-Kommission — Band LXXXIII. Bl. 128. die Frage.auf:

Müssen nicht Gesandte, wenn sie Handlungen vornehmen,

wobei die hiesigen Gesetze

eine gewisse Form

vorschreiben,

z. E. bei Kontrakten, Testamenten, diese Gesetze beobachten?

Suarez erwähnt jedoch, in seiner Revision der Moni-

torum der Mitglieder der Gesetz-Komission, diese Frage gar

38 nicht.

keine wesentli­

Wie denn überhaupt die gedachten

chen Veränderungen mehr erlitten. Das Resultat dieser Zusammenstellung geht folglich da­

hin, wie es die Absicht des Gesetzgebers sey: 1) daß in Beziehung auf die äußere Form — so, lemnilas externa — überall im Ein- und AuS,

lande die Gesetze des Orts zu beobachten seyen, wo ein Geschäft zu Stande kömmt;

2) daß hiervon nur eine Ausnahme gelte,

sofern die äu­

ßerlichen Feierlichkeiten einer Handlung per legem statutariam vorgeschrieben sind; diese gelten nur bei Hand­

lungen, welche a) von Personen, die dem statuto unterworfen sind, und zwar b) in loco, wo das Statut obwaltet, vorgenommen werden;

3) daß die nämlichen Bestimmungen (sub No, 1, et 2.)

sowohl von Fremden,

die im Einlande Rechtsgeschäfte

schließen, 4) als von Etnländern, die im Auslande dergleichen vornehmen, gelten;

5) daß mithin diese

Gesetze über die äußere Form eines

Rechtsgeschäfts, insbesondere der Testamente, auch auf di« Preußischen Gesandten, die an fremden Höfen be­ auftragt sind, Anwendung leiden; daß aber

6) sofern die Rechte und Pflichten der Gesandten, und mithin auch, wenn die Rechtsbeständigkeit und Wirkung des Inhalts der Rechtsgeschäfte zu beurtheilen find,

a) wenn sie Einländer sind, auf die Gesetze des einlän­ dischen Gerichts, unter welchem sie zuletzt vor dem An­ tritte der Gesandtschaft ihren Wohnsitz gehabt haben,

39

b) wenn - sie Ausländer sind, auf die Vorschriften des Preußischen gemeinen Rechts zurüchugehen sey.

Dieses Resultat, auf welches die Einsicht-der Mate­ rialien zum Allgemeinen Landrecht« und die historische Untersuchung des Verfahrens bei der -Bearbeitung dieses Gesetz­

buchs geleitet hat, ergiebt sich auch, wenn man von den Ma­ terialien zum Allgemeinen Landrecht« ganz abstrahirt. Das Allgtmeine Landrecht allein entscheidet zwar die Frage: nach welchen Gesetzen die äußere Form, die Förmlichkeiten

eines Testaments, einzurichten sind,

an keinem Orte mit Bestimmtheit.

Der §. 26. der Einleitung disponirt zwar: „Ist der Ort seiner Herkunft unbekannt, oder außerhalb

der Königlichen Lande, so gelten die Vorschriften des

allgemeinen Landrechts,

oder die besondern Gesetze

seines

jedesmaligen Aufenthaltes, so wie nach den einen, oder den

andern, eine von ihm unternommene Handlung am füglichsten bestehen kann;"

und der §. 27.:

„Hat Jemand einen doppelten Wohnsitz, so wird seine Fä­ higkeit zu handeln, nach den Gesetzen derjenigen von beiden

Gerichtsbarkeiten beurtheilt, welche die Gültigkeit des Geschäf­

tes am meisten begünstigen;" allein beide §>§. sprechen, sowie überhaupt die §>§>. 23. bis 27.

der Einleitung, nicht von den Gesetzen über die äußere Form, sondern von denen, nach welchen die persönlichen Eigen­

schaften und Befugnisse eines Mmschen und seine Fä­ higkeit, zu handeln, zu beurtheilen sind. Die §§. 28. und 31. beziehen sich auf die Gesetze, welche in Ansehung des beweglichen Vermögens, der

32. auf die-

40 jenigen,. welche in Ansehung des unbeweglichen Vermögens eines Menschen gelten sollen.

Der §>. 33. hat zwar die ge-

gesetzlichen Vorschriften über die äußerlichen Feierlichkeiten

einer Handlung zum Gegenstände, aber nur diejenigen, die in

Provinzialgesetzen und Statuten enthalten sind. Der §. 111, Tit. 5. Th. I. setzt fest: „Die Form eines Vertrages ist nach den Gesetzen des Orts, wo er geschlossen worden, zu beurtheilen;"

allein dieser §. spricht nur von Verträgen.

Eine ähnliche Bestimmung fehlt im

12ten

Titel

des

ersten Theils, welcher die Lehre von Testamenten vorträgt, Wenn der §. 519. a. a. O. disponirt: „Ueberhaupt sind letztwillige Verordnungen im zweifelhaften

Falle so zu deuten, wie sie nach den Vorschriften der Ge­

setze am besten bestehen können;"

so gilt diese Vorschrift, wie schon das Rubrum „Auslegungs­ regeln" ergiebt, nach der Absicht des Gesetzgebers von dem In­

halte. Eben so wenig ist eine dergleichen allgemeine Bestimmung, 111. Tit. 5, in Beziehung auf Kontrakte vor­

als der

schreibt, im dritten Titel des ersten Theils von Handlungen

und im vierten von Willenserklärungen zu finden. Die

40 — 41. Tit. 3. Th. I. a. a. O. und

und 95. Tit. 4. Th. I. daselbst

94.

enthalten zwar mancherlei

Bestimmungen über die Gesetze, welche die Form einer Hand­

lung anordnen, z. B-, in wiefern mit der Verabsäumung der Form die Nichtigkeit verbunden sey. Frage entschieden:

nach welcher Zeit

Auch wird dort die

41 die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit einer Handlung

beurtheilt

werden muß.

42. Tit. 3. Nach welchem Orte aber die Form einer Handlung zu beurtheilen

sey; diese

gemeinen Landrechte.

allgemeine

Bestimmring

fehlt im All­

Die Allgemeine Gerichtsordnung enthält

dagegen im zehnten Titel des elften Theils §. 115. die Bestim­

mung:

„Wenn über die Gültigkeit einer Urkunde in Ansehung der Form gestritten wird, und die Gesetze des Orts, wo die­

selbe verbindliche Kraft erhalten

hat,

von den Gesetzen des

OrtS, wo der Prozeß schwebt, abweichen, so entscheiden die

ersteren."

Zn Verbindung mit diesem § 39.

der Einleitung

zum

müssen die

Allgemeinen

38. und interpretirt

Landrechte

werden, und sie gewähren dann das nämliche Restiltat, auf

welches die obige historische Untersuchung geleitet hat, näm­

lich: 1) daß jene beiden §§>. sich entweder ganz und gar nicht auf

die äußere Form der Rechtsgeschäfte beziehen,

oder daß

sie wenigstens nicht den Sinn haben: daß die äußere Form der Kontrakte und Testamente, welche

die Preußischen Gesandten in den Landen des Staats, bei

welchem sie beglaubigt

sind, errichten,

nach

den Gesetzen

der letzten einländischen Gerichtsbarkeit, oder des Preußische» Rechts, zu bewirken sey;

sondern daß, wenn die §§. 38. und 39. der Einleitung ans die äußere Form

der Rechtsgeschäfte erstreckt werden sollten,

dies nur in der Art geschehen könnte, daß man annimmt, sie verweisen auf diejenigen Gesetze der letzten einländischeu Ge-

42 richtsbarkeit, oder des gemeinen Preußischen Rechts, welche den

Ort, dessen Gesetze in Absicht der äußern Förmlichkeiten zu

beobachten sind, bestimmen; und 2) daß daher nach §. 111. Tit. 5. Th. I. des Allgemeinen

Landrechts und §. 115. Tit. 10. Th. I. der Allgemei­

nen Gerichtsordnung die äußere Form der Testa mente und Kontrakte, welche die Preußischen Ge­ sandten in den Landen der Staaten, bei welchen sie be­ glaubigt sind, errichten, nach den Landesgesetzen des Orts,

wo dies geschieht, zu beurtheilen ist. Was nun aber die Frage anlangt: nach welchen Gesetzen

die sogenannte innere Form, also die Rechtsbeständig-

keit und Wirkung des Inhalts der Rechtsgeschäfte eines

Preußischen Gesandten, ferner die persönlichenEigenschas­ ten und Befugnisse des Gesandten und seine Fähigkeit, zu handeln, zu beurtheilen sind; so sind dies nach den mehr allegirten §>§. 38. und 30. der Einleitung des Allgemeinen

Landrechts, entweder die Gesetze der einländischen Gerichtsbar­

keit, unter welcher sie zuletzt vor dem Antritte der Gesandt­ schaft ihren Wohnsitz gehabt haben, oder, sofern sie Auslän­

der sind, die Vorschriften des gemeinen Preußischen Rechts.

B. Auszug aus

de» Motiven, den Entwurf eines Gesetzes über die Testamente der Preußischen Gesandten an fremden Höfen und des Gesandtschafts-Personals betreffend.

Der vorgelegte Gesetz-Entwurf ist zunächst durch die An­ fragen der Königlichen Gesandtschaften bei dem Päpstlichen und dem Niederländischen Hofe, unter Beobachtung welcher Formen die Königlichen Gesand­ ten im Auslande gültig testiren könnten, veranlaßt worden. Das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten trat hierüber mit dem Zustiz-Ministerium in nähere Berathung, und wiewohl letzteres anfänglich das Bedürfniß eines neuen Gesetzes nicht anerkennen wollte, so ergab es sich doch späterhin den von dem erster» dafür angeführten Gründen, und beide Ministerien vereinigten sich zu demjenigen Gesetzes-Borschlage, welcher rr. überreicht worden ist,

44 Die Motive, welche für das Gesetz sprechen, find theils in dem Berichte

theils in dem Votum und dem Prome-

moria, welche ans den Wnnsch des Znstiz-Ministers noch be­

sonders zur Kenntniß gebracht worden find, vollständig ent­ halten. Eine weitere Erörternng möchte fie schwerlich noch mit

Zusätzen vermehren lassen Wenn man eine Antwort auf die Frage sucht:

in welcher Form em Preußischer Gesandter im Auslande nach den gegenwärtig

bestehenden gesetzlichen Grundsätzen

gültig testiren könne, •so muß man das Verhältniß des Gesandten sowohl in Dem­

jenigen betrachten, was derselbe mit den Verhältnissen anderer

Preußischen Unterthanen im Auslande gemein hat, als auch von der Seite, welche ihm eigenthümlich ist.

Das Gemein­

schaftliche besteht dann, daß der Gesandte eben so, wie an­

dere Preußische Unterthanen, welche im Auslande kein Domizil nehmen wollen, dort als Fremder zu betrachten ist. Diese seine allgemeine Eigenschaft tritt in allen denjenigen Fällen hervor,

wo er seinen Hof nicht vertritt, lind wo fein öffentlicher Ka-

rakter nicht berührt wird, also in allen seinen reinen Pnvat-

Angelegenhelten.

Fremde sind aber, so lange sie sich in dem

ausländischen Staate aufhalten, an die Beobachtung dessen Ge­

setze gebunden, und so weit dies der Fall ist, auch der auslän­ dischen Gerichtsbarkeit unterworfen. Weder das Eine, noch das

Andere tritt bei den Gesandten in gleicher Art ein.

Vermöge

der auf allgemein angenommenen Grundsätzen des Völkerrechts beruhenden Exterritorialität dürfen die ausländischen Gesetze

und Gerichte keinen Zwang über die Person und das Ver­ mögen des Gesandten ausüben. thümliche seines Verhältmsses.

Darin besteht daS Eigen­

45 Dem ersten Anscheine nach möchte man glauben, daß durch

diese Eigenthümlichkeit die andere Seite, oder die gemein­ same Eigenschaft des Gesandten mit allen Preußischen Unter­

thanen im Auslande, als Fremder überhaupt, verhindert werde, sich irgend in der Wirklichkeit zu äußern.

Haben die fremden

Gesetze gar keine Beziehung zu ihm, so behalten überall nur die Gesetze des Staates, welcher ihn gesandt hat, auf ihn An­ wendung.

Seine Person, sein Vermögen, was er thut und

was er unterläßt, wäre nach den letzter« zu beurtheilen.

So weit reicht jedoch der Umfang der vorhin gedachten Ex­

territorialität nicht.

Wenn es in dem Wesm derselben liegt,

daß die ausländischen Gesetze keinen Zwang ausüben sollen, welcher die Person und das Eigenthum des Gesandten affiziren könnte, so widerspricht es dagegen derselben nicht, daß der Ge­ sandte sich der Hülfe jener Gesetze bediene, um mittelst dersel­

ben Handlungen vorzunehmen oder Geschäfte abzuschließen, welche er sonst gültig und verbindlich gar nicht eingehen könnte. Er tritt hierbei in die Kategorie der Fremden überhaupt, und hätte nur dann eingeschränktere Befugnisse, wie jeder an­

dere Fremde, wenn sein vaterländisches Gesetz aus besonderer Rücksicht auf sein gesandtschaftliches Verhältniß eine ausdrück­

liche Vorschrift darüber enthielte. Ein Testament errichtet ein Gesandter nicht in dieser sei­

ner öffentlichen Eigenschaft, sondern als Privatmann.

Es ist

eine freiwillige Handlung, bei welcher er,die Gesetze des Aus­ landes gleich jedem andern Preußen, welcher sich in demselben aufhält, jti Hülfe nimmt, um ihr Gültigkeit zu verleihen.

Die Untersuchung über die gültige Form der gesandtschaftlichen Testamente führt daher auf die beiden Fragen zurück:

a. ob überhaupt ein Preußischer Unterthan, wel-



4G



cher im Auslande sich aufhält, in derjenigen

Form, welche die Gesetze des letzter« Vorschrei« ben oder zulassen, gültig testiren könne;

ob in der Befugniß, welche jedem Preußischen Unterthan

b.

zusteht, von den Preußischen Gesetzen für die Gesandten eine Einschränkung gemacht sey.

Bon einer etwanigen Einschränkung der Gesandten durch das ausländische Gesetz, in Vergleich mit andern Fremden, ist hier nicht die Rede, da dies eine Frage berührt, welche rein

ins Völkerrecht gehört;

eine solche Einschränkung kann aber

nicht leicht vorkommen, weil keine Veranlassung dazu für den ausländischen Staat vorhanden ist.

Ueber die erste Frage fehlt es in unseren

a.

Gesetzen, welche von Testamenten handeln, an ei« int besonderen Bestimmung.

Auch findet sich an der

Stelle des Allgemeinen Landrechts, wo von der Verbindlichkeit der Gesetze im Allgemeinen die Rede ist (Einleit.

22—42.),

und wo man mithin den Sitz der Materie suchen muß, der

Grundsatz

Form

nicht

im Allgemeinen ansgedrückt,

einer Handlung

oder

daß

die

eines Rechtsgeschäfts

nur nach den Gesetzen des OrtS, wo dasselbe vorgenommen worden ist, zu beurtheilen sey.

Daft er

aber gleichwohl bei uns gelte, daran Kann deshalb Kein Zweifel fegn, weil er anderwärts, wo man ihn freilich

nicht suchen möchte, nämlich in der Allgemeinen Gerichts­ ordnung Th. I. Tit. 10. §. 115., in einer ausdrücklichen Seftimmung aukgestellt worden ist.

Da es nämlich dort

heißt: „Wenn über die Gültigkeit einer Urkunde in Ansehung der Form gestritten wird, und die Gesetzt deS OrtS, wo die-

47 selbe verbindliche Kraft erhalten hat, von den Gesetzen des

Orts, wo der Prozeß schwebt, abweichen, so entscheiden die erstem;" und hierin

der Fall eines Streits vorausgesetzt,

aber dem Richter die Norm der

Entscheidung

zugleich

gegeben

wird, so muß man dies als eine recht bündige Erklärung über den Grundsatz ansehen. Auch ist derselbe, in Anwen­

dung auf Verträge, im $.111. Th. l. Tit. 5. deS Allgemei­ nen Landrechts ausdrücklich vorgeschrieben. Cs folgt hieraus, daft, wenn Prepsiisthe Untertha­

nen an einem C>rte des Auslandes ein Testament errich­ ten, dessen Form nach den Gesesten desselben gültig ist,

diese Gültigkeit, so weit es blast auf die Form ankommt, auch von unsern Gerichten anerkannt werden müsse. Bei der Prüfung der zweiten obigen Frage:

b. ob nämlich von der Befugniß, welche jedem Preußischen Unterthan zusteht, im Auslande nach den Gesetzen dessel­ ben ein in der Form gültiges Testamem zu errichten, für die Preußischen Gesandten in unsern Gesetzen eine

Ausnahme gemacht sey; kann man nur die $$. 38. und 39. der Einleitung zum Allgemeinm Landrechte in nähere Erwägung ziehen, da sich ander­ wärts keine besonderen Bestimmungen in Beziehung auf ge-

sandtschaftliche Personen vorfinden.

Die $$. lauten:

$. 38.

Die vom Staate an fremden Höfen beglaubigten Gesandten

werden nach den Gesetzen der einländischen Gerichtsbarkeit, un­ ter welcher sie zuletzt, vor dem Antritte der Gesandtschaft, ihren

Wohnsitz gehabt haben, beurtheilt.

48 §. 39.

Sind aber dieselben Ausländer, so gelten in Ansehung ihrer, wenn sie in hiesigen Landen belangt werden, die Vorschrif­ ten des hiesigen gemeinen Rechts.

nur die Frage beantworten:

Offenbar wollen diese

Wenn der Preußische Gesandte im Aus lande kein Do­

mizil nehmen kann und den dortigen Gesetzen nicht unter­ worfen ist, nach welchen wird er dann in vorkommenden Fäl­

len beurtheilt? War derselbe vor. seiner Ernennung zum Gesandten ein Ein­

länder, so sollen die Gesetze des OrtS, wo er zuletzt sein Do­

mizil gehabt hat, war er aber ein Ausländer, das Preußische gemeine Recht zur Anwendung kommen.

„Die vom Staate

an fremden Höfen beglaubigten Gesandten werden — beurtheilt," das heißt: ihre Personen oder ihre persönli­

chen Eigenschaften

und Befugnisse.

Hierher läßt sich

aber, weder nach dem Wortlaute, noch nach dem Sinne der §§. die Form der Handlungen ziehen, welche sie etwa im Znoder Auslande vornehmen.

Als Resultat ergiebt sich hieruach, 1) daß es an einer ausdrücklichen Bestimmung in

unsern

Gesetzen

darüber

nicht

fehle,

ob

die

Gültigkeit der Form einer Handlung nach den Gesetzen des Orts ziz beurtheilen sey, wo die­

selbe vorgenommen worden; 2) daß die vorhandene Bestimmung hi Absicht je­

nes Orts das Ausland vom Einlande nicht un­ terscheide; und daß 3) für die Handlungen der Gesandten in ihren Privat-Ange-

legenheiten nirgends eine Ausnahme gemacht sey.

49 Hiermit scheint das Bedürfniß zn einer authentischen De­

klaration zu verschwinden. Es ist aber nicht in Abrede zu stellen, daß die­ ses Resultat sich nur durch eine Kombination fest-

strllen

läßt,

und

daher

Zweifel und Bedenken

in

der Anwendung gegen

einzelner Richter nicht

so

sicher gestellt ist, als wenn eine ausdrückliche Vor­

schrift darüber entweder in denjenigen Stellen des Allgemeinen Landrechts, welche von den Testamen­

ten handeln, oder wo

in

der Einleitung von der

Form rechtlicher Handlungen die Rede ist, sich vor­ fände.

Es zeigt sich hier eine Unvollkommenheit des Allgemeinen

Landrechts, deren Verbesserung zu wünschen und auch zu er­ warten ist, daß die Behörde, welche mit der Revision desselben

zll thun hat, darauf aufmerksam seyn werde re. Zn Beziehung auf die Französische Gesetzgebung wird

demnächst Folgendes angeführt:

„Vor der Revolution und vor dem mit ihrem Beginn neu gebildeten Französischen Rechte, wie solches sich im Code civil vorfindet, gab es Provinzen, wo ein von dem Testirer

ge- und unterschriebenes Testament (testamentum holographum) unbedingt Gültigkeit hatte, andere dagegen, wo es nach den Grundsätzen des gemeinen Rechts nur alsdann gültig war,

wenn es von Eltern unter Kindern errichtet worden.

Wenn

nun von Jemand, dessen Domizil an einem Orte war, wo das holographische Testament unbedingt galt, an einem andern Orte, wo dies nicht der Fall war, nach den Gesetzen seines Domizils ein Testament errichtet worden war, so bildete sich die Rechts­

frage: ob das Testament nach den Gesetzen des Domizils be-

50 stehen, oder nach den Gesetzen des Orts der Errichtung für un­ richtig erachtet werden sollte.

Diejenigen, welche für die erste

Meinung waren, stützten sie darauf, daß die Befugniß zur Er­

richtung eines holographischen Testaments

an dem Orte des

Domizils, wo dasselbe gelte, nach jedem andern Orte des Auf­

enthalts, wo auch abweichende Gesetze beständen, übertragen

werden müsse, weil ein holographisches Testament gar keine Förm­ lichkeiten, wie eine öffentliche Urkunde, nöthig mache, in welchem Falle freilich die Solennitäten nur nach den Gesetzen des Orts der Errichtung beobachtet werden könnten.

Die andere Mei­

nung ward mit Anwendung der Regel des gemeinen Rechts:

locus regit actum, darauf gegründet, daß ein holographisches Testament, wenn auch nicht die Zuziehung von Zeugen und

öffentlichen Beamten, doch immer bestimmte Förmlichkeiten for­ dere, welche der Tcstirer zu beobachten habe, und daß, wenn nach den Gesetzen des OrtS der Errichtung jene Förmlichkeiten

nicht hinreichend senen, ein solches Testament vermöge der vor-

gedachten Rechtsregel auch nicht bestehen könne.

Nur in Ei­

nem Falle ließ die letztere Meinung eine Ausnahme zu, wenn der Testirer ein im Auslande beglaubigter Gesandter war, und

dort ein nach den Gesetzen seines Domizils gültiges hologra­ phisches Testament errichtet hatte,

welches nach den Gesetzen

des ausländischen Aufenthaltsorts nicht hätte bestehen können. Ein solches Testament erhielt nmn aufrecht, wie in einem be­ rühmten Rechtsfalle, welcher die Gültigkeit des Testaments des

im Jahre 1794. verstorbenen Oesterreichischen Armee-Ministers Grafen de Mercy d'Argentean betraf, von dem Pariser Kassa­ tionshofe entschieden wurde.

Man machte diese Ausnahme nicht

mittelst Anwendung eines besondern Gesetzes auf das Ver­ hältniß der Gesandten, sondern, indem man dasselbe Gesetz

51

vor Augen hatte, wurde die richterliche Interpretation durch das besondere Verhältniß der Gesandten aus ein anderes Resul­ tat der Anwendung des Gesetzes geführt. Man ging nämlich von der Ansicht aus, daß vermöge der Exterritoriali­ tät das ausländische Gesetz keinen Zwang «ttf die Handlun­ gen des Gesandten ausüben und ihm die Bcfugniß zu einem holographischen Testament, welches er im Auslande eben so gut wie in der Heimath errichten könnte, nicht entziehen dürfe. Die ganze Rechtsfrage über die Gültigkeit eines hologra­ phischen Testaments bei einer Kollision zwischen den Gesetzen des Domizils und des Orts der Errichtung blieb aber im All­ gemeinen unter der Herrschaft des alten Französischen Rechts kontrovers, und wiewohl sich der Kassationshof in Paris auf die Seite der zweiten Meinung zu neigen schien, so wurden doch Urtheile, in der entgegengesetzten ergangen, von ihm nicht kassirt ’). Die Kontroverse ist nunmehr durch Artikel 969. und 999. des Code civil entschieden, indem jeder Franzose, welcher sich im Auslande aufhält, dort eben so, wie in der Heimath, ein holographisches Testament errichten kann k."

*) Merlin Repertoire, s. v. teslament, Sect. II. §. IV. Art. 1. am Schluß, S. 762.

II.

Die Disposttions Befugnis -es BenesizialCrben. *) ^Hie Antretung einer Erbschaft erfolgt entweder: ohne Vorbehalt, d. h. mit ausdrücklicher Entsagung

auf die Rechtswohlthat des Znventars, oder stillschweigend durch

Versäumung der Frist zur Niederlegung des Znventars.

Sie

hat die Wirkung: daß der Erbe den Nachlaßgläubigern für alle ihre Forde­ rungen auch mit seinem eigenen Vermögen anfkommen muß,

und seine eigenen Forderungen an den Erblasser durch Ber­ einigung seiner Rechte als Gläubiger und seiner Verbind­ lichkeiten als Erbe des Schuldners (Konfusion) verliert;

oder

mit Vorbehalt, wenn der Erbe innerhalb sechs Monaten nach Ablauf der Deliberationsfrist, oder binnen der längeren

oder kürzeren, auf seinen oder der Gläubiger Antrag von dem Richter bestimmten Frist, ein vorschriftsmäßiges Inventarium

aufnimmt und gerichtlich niederlegt. Der Erbschaftsantritt mit Vorbehalt hat die Wirkung:

*) Bergl. die Erg. und Erl. des Allg. Landrechts, Abth. 1. S. 243. und folg., Suppt. Bd., S. 327. u. folg., die Juristische Wochenschrift, Jahrg. 8. S. - 873. und folg.

53 daß der Erbe den Erbschaftsgläubigern nur zum Betrage der Erbschaft gerecht werden, und daß er seine eigenen Forde­ rungen an den Nachlaß geltend machen darf.

So weit stimmen die Grundsätze des Allgemeinen Landrechts mit denen des Römischen und des gemeinen Rechts überein *). * •••)

Unsere Gesetzgebung war hierbei aber nicht stehen geblie­

ben.

Während das Römische Recht den Benefizialerben, so

wie den Erben ohne Vorbehalt,

als wirklichen Eigenthümer

des Nachlasses behandelt, ihm die Veräußerung desselben ohne Unterschied und die Befriedigung der Nachlaßgläubiger nach der

Reihefolge, in der sie sich melden, gestattet*"), giebt das All­ gemeine Landrecht ihm nur ein eingeschränktes Eigenthum des

Nachlasses, nimmt ihm die Befugniß, Verfügungen über die zur Erbschaft gehörigen Mrundstücke zu treffen, welche zuin

Nachtheile der Erbschaftsgläubiger gereichen köniien, und ver­

pflichtet ihn, den Gläubigern über die Verwaltung und Nutzungen der Erbschaft Rechnung zu legen,

die

auch dieselben

nach Anleitung der Lokations-Ordnling zu befriedigen,

oder

den erbschaftlichen Liquidationsprozeß eröffnen zu lassen"""). Insbesondere verordnet das Allgemeine Landrecht hinsicht­ lich

der

Nachlaß-Grundstücke in den

447 — 449.

Tit. 9. Th. 1.

§. 447. So lange er aber ein ererbtes Grundstück mir als Beneficialerbe besitzt, kann er darüber, zum Nach-

*) L. 75. 95. §. 2. Dig. 46., 3. L. 8. Dig. 29., 2. L. 10. 14. 22. Cod. 6 , 30. Thibaut Pandekten-Recht, Th. 2. §§. 721. 725. 726., §§. 418. 419. 422. Tit. 9., §§. 487. 489. Tit. 16. Th. I. des Allg. Landrecht«. ”) Thibaut §. 725. a. a. O. L. 22. §. 6. und 8. Cod. 6., 30.

•••) §§. 443-446. Tit. 9. Th. I. de« Allg. Landrecht«.

54

»heile der Erbschaftsgläubiger, keine gültige Verfü­ gung treffen. §. 448.

Es muß daher bey Eintragung seines Besitztitels auf ein solches Grundstück die Einschränkung, daß

er nur als Beneficialerbe besitze, in dem Hypothe­ kenbuche mit vermerkt werden.

§. 449.

Die uneingeschränkte Disposition erlangt er erst als­

dann, wenn er sich entweder ohne Vorbehalt für Erben erklärt; oder ein Präklusions-Erkenntniß der

unbekannten Erbschaftsgläubiger beibringt, und die Einwilligung oder Befriedigung der bekannten nach­ weiset.

Um eine solche Dispositionsbeschränkung los zu werden, mußte daher der Erbe, wenn er sich der Rechtswohlthat des Znventars nicht begeben wollte,

entweder den

erbschastlichen

Liquidationsprozeß

einleiten

lassen, um die Distribution der Masse herbeizusühren, oder doch wenigstens auf Grund der Subhastations-Bcrord-

nung vom 4. März 1834. §. 2. Nr. 2. °) die Subha-

station des Grundstücks in Antrag bringen. Die Prozeßordnung

erwähnt jedoch

im Titel vom Konkurse

ganz beilätlfig,

unter welchen Bedingungen die Löschung der Benefi-

zialerben-Dualität nachg;sucht werden könne. Nachdem nämlich in dem §. 272. und folg. Tit. 50. von der

Geltendmachung des Separationsrechts auf eine dem Gemein­

schuldner

vor Eröffnung des Konkurses zugefallene Erbschaft

die Rede gewesen, heißt es im §>. 279. a. a. O. wörtlich:

*) Gesetzsammlung für 1834. S 39.



.55



Wege» der Fälle, wo dieses Separationsrecht verloren geht, hat es bei der Vorschrift des Allg. Landrechts Th. I. Tit. 16. 503. 504. sein Bewenden; und

§. 280.

Da nach dieser Vorschrift das Separationsrecht des­

jenigen, der innerhalb ZahreFfrist sich mit seiner For­ derung nicht gerichtlich gemeldet hat, erloschen ist; so kann der Erbe, auf dessen ererbtes Grundstück seine

Qualität, als Beneficialerbe, nach Vorschrift des Allg.

Landrechts Th. I. Tit. 9.

447. 448. 449.

eingetragen worden ist, nach Verlauf Eines Jah­ res die Löschung dieser Einschränkung suchen, wenn

er durch Atteste, sowohl von dem Gerichte, unter welchem die Erbschaft gelegen war, als von seinem

eigenen persönlichen und von dem dinglichen Ge­ richtsstände der Sache, nachweisen kann, daß kein

Erbschaftsgläubiger sich gegen ihn gemeldet,

oder

daß er die anhängig gemachten Forderungen dieser Art berichtigt habe. Wiewohl nun hieraus klar hervorgehet, daß die Eintra­

gung der Bcnefizial-Qualität nur in Beziehung auf das Se­ paratio nsrecht der Erbschaftsgläubiger erfolgen sollte, wel­

ches Ein Zahr lang, vom Todestage des Erblassers angerech­ net, währt; man also zu dem Schluffe berechtigt war, daß eine

Wahrnehmung dieses Separationsrcchts von Amts wegen nicht länger als Ein Zahr daure, so daß nur innerhalb dieser Frist

die Eintragung der Benefizial-Qualität von Amtswegen zu ver­ anlassen und nach Ablauf derselben ohne Weiteres ju löschen

sev, so verlangte die Prozeßordnung von dem Erben doch erst

einen besonderen Nachweis der Jkegative,

„daß kein Erbschaftsgläubiger sich gegen ihn gemeldet habe;"

56 und erschwerte diesen Nachweis noch dadurch, daß Atteste hierüber von dem Gerichtsstände der Erbschaft, dem persönlichen des Erben und von dem Gerichtsstände der Sache,

beigebracht werden sollten, was ost, namentlich wenn der Erbe oder einer von mehreren Erben im Auslande seinen Wohnsitz

hatte, ganz unmöglich war. Die mißliche Lage, in welcher sich hiernach der Benesi-

zialerbe befand, veranlaßte, daß die Sache znr legislativen Be­

rathung gebracht und dabei die Aufhebung der

447—451.

Tit. 9. Th. I. des Allg. Landrechts und des §>. 280. Tit. 50.

der Prozeßordnung in Antrag gestellt wurde, weil es I. an einem zureichenden Grunde für die dadurch sanktionirte Beschränkung fehlte, diese aber auch

II. mit bedeutenden Nachtheilen für den Verkehr verbunden war.

I. Das gemeine Recht kennt die Einschränkung der Dispo-

sitionsbcfugnisse des Benefizialerben

als solchen überall nicht.

Das von Justinian zuerst eingeführte beneKeium invcntarii

ist Nichts weiter, als eine Rechtswohlthat für den Erben, um ihn

zu

sichern,

daß er zur Befriedigurrg

der

erbschastlichen

Gläubiger nicht weiter, als die Kräfte des Nachlasses reichen,

folglich nicht mit seinem eigenen Vermögen verpflichtet sey"). Mehr als erforderlich war, dem.Erben die nöthige Sicherung

aus der Rechtswohlthat zu schaffen, legte ihm auch das gemeine Recht ,richt auf; seine ganze Verbindlichkeit bestand in der ge­ hörigen Errichtung des Inventars"").

KeineSweges aber wurde

•) H ellfeld jurisprud. körens, tom. II. §. 1478. seq. ** ) Hellfeld a. a. £>.

57

diese Rechtswohlthat,

die mir ihm zum Vortheil angeordnet

war, in eine Last oder Einschränklmg verwandelt.

Auch die

Preußische Gesetzgebung bis zum Allgemeinen Landrechte blieb

diesem Grundsätze treu. April 1765. *)

Das

Erbschafts-Edikt vom SOfteii

kennt keine Einschränkung der Disposi'tionsfrei-

heit des Benefizialerben zrim Vortheil der Erbschastsgläubiger, sondern überläßt es lediglich diesen, ihre Sicherheit durch spe­

zielle Anträge, Arrestschläge rc. selbst zu suchen. Das Corpus Juris Fridericianum änderte in den we­

sentliche» Bestimmungen des Erbschafts-Edikts Nichts, über­ ließ sogar, selbst im Falle der Eröffnung des erbschaftlichen Li­ quidationsprozesses,

dem Benefizialerben die freie Administra­

tion der Masse, ohne ihn dabei in der Disposition im Ge­ ringsten zu beschränken. (Th. II. Tit. 27. §. 58. ff.)

Die Hypothekenordnung

weiß

von

dieser Beschränkung

ebenfalls Zlichts, noch weniger sanktionirt sie irgend eine Ver­ bindlichkeit des Hypothekenrichters, dieselbe von Amtswegen in

das Hypothekenbuch emzutragen.

Das Allgemeine Landrecht hatte also zuerst unb abwei­ chend von der Theorie des bis dahin gültigen gemeinen und

Preußischen Rechts die Idee der Beschränkung der Disposi-

tionsbefugniffe des Benefizialerben aufgestellt.

Gleichwohl war

diese Beschränkung keinesweges allgemein, ging mithin nicht auf

die ganze Erbschafts-Masse, vielmehr ward nur die Disposition des Benefizialerben über die ererbten Immobilien für un­

gültig erklärt, sobald sie zum Nachtheile der Erbschaftsgläubi­ ger gereichte,

und

dem Hypothekenrichter

die Verbindlichkeit

auferlegt, diese Einschränklmg von Amtswegen einzutragen.

') Rabe'- Sammlung, Bd. I. Abch. 3. S. 102.

58 Nicht den wirklichen Hypothekengläubigern, die ihre Si­ cherheit durch die Eintragung schon erhalten hatten, nicht de­ nen, die cm wirkliches Pfandrecht besaßen,

oder

denen

ein

Titel zum Pfandrechte zustaud, die mithin ihren Forderungen

die Wirkung der Hypothekcnrechte durch die Eintragung zu je­ der Zeit verschaffen konnten, hatte der Gesetzgeber durch die

Einschränkung der Dispositionsbefugnisse

des

Bencfizialerben

vorsehcn wollen, sondern nur den persönlichen

Erbschafts­

Gläubigern.

Forscht man nach den Gründen, welche der Gesetzgeber hatte iind haben sonnte, einem persönlichen Gläubiger eine besondere Sicherung gegen

den Benefizialerben seilies Schuldners zu gewähren, so ergiebt sich

1.

aus den Gesetzen selbst, namentlich aus den Eingangs

angeführten

‘279. und 280. Tit. 50. der Prozeßordirung,

daß man die Beschränkung der Dispositionsbefugniß des Be-

nefizialerben als zur Erhaltung des Separationsrechtes der ErbschaftSgläubigcr gereichend angesehen hat,

welches Recht darin besteht,

daß die Erbschaftsgläubiger im

Falle des Konkurses darauf antragen können, den dlachlaß von dem übrigen Vermögen des Erben abzusondern und ihre Be­ friedigung aus dem ersteren vorzüglich nachzusuchen ”). Dies erhellt auch aus den I^iaterialicn der Prozeßordnung

zl> dieser Bestimmung'"'). Hierbei stößt man jedoch auf folgende Widersprüche:

°)

500. Tit. 16. Th. I. des Allgem. ÜmidrechlS.

") Suarez revisio monitoruin zum Corpus Juri» Fridericia­ num, Th. IV. Tit. 12. 6, Bd. 14. der Materialien Bl. 4.

59 a) Der Regel nach wird derjenige eine Erbschaft mit

Vorbehalt antreten, der eigenes Vermögen besitzt und das­

selbe durch den Antritt einer verschuldeten Erbschaft zu verlie­

ren fürchtet.

Einen solchen Erben beschränkt das Allgemeine Landrecht

in der Disposition, obwohl er von allen seinen Maaßregeln Rechenschaft geben, ein mäßiges Versehen aus seinem eigenen

Vermögen vertreten und äußersten Falls selbst mit seiner Per­ son dafür haften muß.

Dagegen läßt es den Erben ohne

Vorbehalt frei verfügen. Wer eine Erbschaft ohne Vorbehalt antritt, dem ist, den

Fall einer reichen

Erbschaft ausgenommen,

wobei überhaupt

Nichts zu besorgen ist, keine besondere Vorsicht in Behandlung seiner eigenen Vermögens-Angelegenheiten nachzurühmen. verschuldete Erbe

Der

bedenkt sich am wenigsten, eine Erbschaft,

wenn sie nur Zlktivvermögeu enthält, oder vermuthen läßt, ohne Vorbehalt anzutreten,

weil sie ihm Objekte zur Disposition,

oder doch Hoffnung zu neuem Kredit gewährt. Bei einem sol­

chen Erben ohne Vorbehalt ist daher die Gefahr für die Erb­

schaftsgläubiger ungleich größer.

Die Sicherstellung ihres Se-

parationsrechtes wäre hier um so nothwendiger, und gerade hier

fehlt jede Beschränkung des Erben ür seinen Verfügungen. b) Den eigenen Gläubigern des Erben stehet gleichfalls

cui Separationsrecht zu, wenn er eine verschuldete Erbschaft

ohne Vorbehalt antritt, d. h. sie haben das Recht, die Ab­ sonderung seines eigenen Vermögens von dem Nachlasse zu verlangen *).

Zur Sicherung dieses Scparationsrechtes hätte man also

’) Allg. Laudrccht Tl). l. rit. 16. §§. 507—512.

60 konscqucnterweise dem Erben die Disposition über seine eigenen Grundstücke °) untersagen müssen; denn tritt Jemand, welcher

selbst hinlängliches Vermögen besitzt, eine verschuldete Erbschaft ohne Vorbehalt an, so laufen seine eigenen Gläubiger Gefahr,

daß das ursprüngliche Vermögen ihres Schuldners durch An­ griffe der' Erbschaftsgläubiger erschöpft und ihnen dadurch die Objekte ihrer Befriedigling entzogen werden.

Hieraus geht wenigstens so Biel hervor, daß das Se­

parationsrecht der Erbschaftsgläubiger durch den Erbschaftsan­ tritt mit Vorbehalt keinesweges mehr, als durch den An­

tritt ohne Vorbehalt gefährdet wird, daß die Beziehung auf das Separationsrecht

folglich

kein

richtiges

Motiv

abgeben

konnte, um den Benefizialcrben in der Disposition über die zum Nach­

laß gehörigen Grundstücke einzuschränken.

2.

Eben so

widerlegt sich

das scheinbare Motiv,

daß

ohne die fragliche Beschränkung dem Benefizialerben die Mög­ lichkeit gegeben sey, die Rechte der persönlichen Erbschaftsgläll-

biger durch sofortige Versilberung und Verbringung der Masse

zu vereiteln; denn es kann dasselbe den persönlichen Gläubi­ gern durch deit Erben ohne Vorbehalt widerfahren.

Aus Hand­

lungen, für welche das eigene Vermögen des Benefizialerben eben so gut haftet, wie das des Erben ohne Vorbehalt, kann ein besonderer Grund zur Einschränkung des Benefizialerben nicht hergxleitet werden, da sich sein allgemeiner'Vorbehalt des

eigenen Vermögens hierauf nicht mit erstreckt. 3.

daß

Der Besorgniß, der Benefizialerbe einen Erbschaftsgläubiger

°) § 512. st. st. L.

vor

den

Gl anderen, und so auch seine eigenen Forderungen an die Erb­

schaftsmasse bevorzugen könne, ist durch die

452—456.

Th. L Tit. 9. des Allgemeinen Landrechts vollkommen vor-

gebeugt, da er hiernach für eine der Prioritäts-Ordnung zuwiderlanfende Berwendung der Masse mit seinem eigenen Ver­

mögen haftet, er in dieser Beziehung mithin dem Erben ohne Vorbehalt ganz gleich steht.

Diese Bestimmungen verfolgen ganz denselben Zweck, wie die Beschränkungen der Art. 2111. und folg, des Code civil. 4.

Die Meinung:

daß man den Benefizialerben als Verwalter der Erbschafts­ Masse,

die Erbschaftsgläubiger als die Eigenthümer anzn-

sehen und auS diesem Verhältnisse die Einschränkung der Dis­

position des ersteren herzuleiten habe,

kann an und für sich als Rechtfertigungsgrund dieser Einschrän­ kung nicht angeführt werden.

Es wäre ans dem Wesen der

Erbschaftsantrctling cum beneficio inventarii der Grund erst

abzuleiten, aus welchem man einem solchen Benefizialerben in Beziehung aus die Erbschaftsmasse weniger Rechte einzuräu-

men hätte, als dem Erben ohne Vorbehalt.

Die faktisch rich­

tige Betrachtung, daß ein Erbe, der eine insuffiziente Erbschaft

antritt, fremdes,

den Erbschaftsgläubigern gebührendes Ver­

mögen verwaltet, kann hierzu nicht dienen, da diese Bemerkling

von dem Erben ohne Vorbehalt nicht minder, wie von dem Benefizialerben gilt, und am Ende zll einer offiziellen Beschlag­

nahme eines jeden Nachlasses, ja eines jeden Vermögens, worauf Personalgläubiger Anspruch haben könnten, führen müßte. Der einzige denkbare Grund eines Unterschiedes liegt darin,

daß der Erbe, welcher sich auf die Benefizialerben-Oualität be­

rufen will, den Erbschaftsglänbigern den Nachweis über den



«2



Zustand des Nachlasses zu führen hat und zu dem Ende ange­ halten werden muß, Inventar und Rechnung zu legen.

zu ist er allerdings in vollem Maaße gesetzlich verpflichtet.

Hier­

Aus

dieser Verpflichtung zur Feststellung des Bestandes der Erbschafts­ Masse folgt aber keinesweges die Nothwendigkeit, die Disposi­ tion des Erben einzuschränken; diese Einschränkung hat vielmehr

mit jenem Nachweise Nichts gemein und steht damit in gar kei­ ner Verbindung.

5.

Es ist bei einer freien Disposition des Benefizialerben

der Fall möglich:

daß dieser ein Erbschaftsgrundstück unter dem Werthe ver­

äußern und seinem eigenen Vermögen dafür geheime Vor­

theile ausbedingen kann,

daß also die Erbschaftsgläubiger

solchergestalt um den Betrag dieser Vortheile betrogen wer­

den können. Zn dieser möglichen betrüglichen Verwendung eines Theiles der Erbschaftsmaffe in seinen eigenen Nutzen könnte vielleicht

ein Motiv zu beschränkenden Maaßregeln gefunden werden ”),

da nicht zu läugnen ist, daß diese Besorgniß nur bei dem Benefizialerbcn hervortritt. Bel einer näheren Erwägung kann aber auch hierin kein

richtiger Beweggrund gefunden werden, um deshalb einem je­ den Benefizialerben das Recht, über die ererbten Grundstücke zu verfügen, auf diejenige Weise, »wie dies in den §§. 447. und folg. Th. I. Tit. 9. des Allgemeinen Landrechts geschieht, zu

benehmen.

Die Besorgniß, welcher hier von Amtswegen be­

gegnet werden sollte, beruhte auf den Voraussetzungen,

daß

unbefriedigte Personal - Erbschaftsgläubiger vorhanden wären,

*) Vgl. den Code civil, Art. 805. und 806.

63

daß die Erbschaftsmasse demnächst zu deren Befriedigung nicht

ausreichke, und daß diese Znsuffizien; durch den erwähnten Be­ trug des Benefizialerben herbeigeführt worden.

War nur eine

von diesen Voraussetzungen in den betreffenden Fällen nicht

zutreffend, so mußte die gesetzliche Maaßregel durchaus zwecklos

und lediglich vexatorisch seyn.

Bei der großen Menge von Erb­

schafts-Antretungen cum beneficio also,

wo gar keine un­

befriedigte Personalgläubiger vorhanden sind, oder wo es an

Masse zu deren Befriedigung nicht fehlt, — es darf nur an

die in der Regel mit der Rechtswohlthat antretenden Pupillen

erinnert werden — wurde also der Benestzialerbe durch dieses Schreckbild ganz ohne Noth seiner Disposition über die Grund­

stücke beraubt, und zwar, ohne daß irgend Zemand darauf an­ getragen hatte. Außerdem würde man aber auch schon darin zu lveit ge­

hen, wenn man wegen möglicher Veruntreuungen, welche bei den Dispositionen Vorkommen können, den Erben diese Dispo­

sitionen von Amtswegen untersagen und ihnen Bebufs Erlan­ gung derselben sebr erschwerende und kostspielige Auflagen ma­

chen wollte.

Wegen besorgter Veruntreuungen, welche häusig

gar nicht einmal möglich sind, durfte allen Benefizialerben nicht

von Amtswegen ein so unbedingtes Uebel auferlegt werden.

6.

Zwar schildern selbst Lehrer des gemeinen Rechts, na­

mentlich Huber, in seinen praelectionibus Juris civilis, ad

lib. XXVIII. Tit, 8. Digest, in fine (§>. JO.), das freie Ver­

fügungsrecht des Benefizialerben als nachtheilig: Verum enimvcro haec Jura beneficiaque haeredibus saepe

dederunt occasiones atque praetextus abutendi suis privilegiis in necem creditorum atque legatariorum, dein

praetextu nominum illiquidorum et mole difficultalum,



64



quae in ejusmodi baereditatibus se produnt, eos sine fine frustrantur. Dieser Besorgniß der Erbschaftsgläubiger,

von

dem Benefi-

zialerben lange hingehalten zu werden, ist indeß durch die Ver­

ordnung über die Exekution in Civilsachen vom 4. März 1834. 2. *) auf eine durchgreifende Art vorgebeligt und abgeholfen.

Wenn unsere Gesetzgebung solchergestalt allen möglichen Besorgnissen, welche man gegen den Benefizialerben als solchen erheben kann, bereits auf andere Weise begegnet war, und da­

her auch in ihrem Systeme die fragliche Maaßregel keine Recht­

fertigung fand, man sich vielmehr vergeblich nach genügenden Motiven hierzu umsah, so reduzirte sich

7.

die Rechtfertigung derselben Maaßregel in Wahrheit

nur darauf,

daß man darin einen Zwang des Benefizialerben zur An­ tretung der Erbschaft ohne Vorbehalt erblickte. Man wollte den Erben durch eine an sich zwecklose und zweck­

widrige Beschränkung und Belastung mittelbar zwingen, eine Wohlthat des Gesetzes, einen billigen Schutz gegen Gesahrdung

seines Vermögens,

aufzngeben und den

Erbschaftsgläubigern

Etwas einjuräumen, worauf ihnen ein Anspruch nicht zusteht. Obwohl der Erbe billigerweise und gesetzlich keine Verpflich­ tung

hat, die Erbschaftsgläubiger

und Legatare mit feinem

eigenen Vermögen zu befriedigen, so sollte ihn doch dasselbe Gesetz indirekt zu der Erklärung hinführen, alich sein eige­

nes Vermögen hergeben zu wollen.

Es liegt am Tage, daß

dies eben so unbillig, als inkonsequerit war.

Das Allgemeine

Landrecht hatte daran aber auch nicht gedacht, ihm hatte viel-

°) Gesetzsammlung für 1834. S. 31.

65 mehr ein ganz anderes, wenn auch als irrig dargestelltes Mo­

tiv vorgeschwebt.

Es war daher überall kein Grund vorhan­

den und dem Systeme des Allgemeinen Landrechts geradezu wi­ derstreitend,

das Verhältniß des Benefizialerben als ein besonderes Pri­ vilegium und als eine Geburt übertriebener Aengstlichkeit an­

zufeinden.

Es ist dies vielmehr das natürliche, gesetzlich vermuthete Ver­

hältniß #), und nur um deswillen der Kontrolle und Resolu­ tivbedingung der Znventarlegung unterworfen, weil diese Fest­

stellung des Nachlasses aus dem Wesen des Verhältnisses selbst fließt.

Auch die übrigen Beschränkungen des Benefizialerben,

nämlich die Pflicht zur Rechnungslegung und zur Beobachtung der Priorität bei Befriedigung der Gläubiger, haben einen in­

neren Grund; dieser fehlte hingegen in Betreff der Einschrän­

kung des Verfügungsrechts über die Immobilien und ließ sich in odium beneficii keinesweges rechtfertigen.

II. Aber nicht blos dieser Mangel der inneren Rechtfertigung, sondern auch der wirkliche Nachtheil, welchen die fragliche

Beschränkung erzeugte, machte deren Atlfhebung nothwendig.

Durch die Eintragung der Beschränkung ward die Dispo-

sitionsbefllgniß des Benefizialerben über das ererbte Immobile selbst dann,

wenn kein Erbschaftsgläubiger gegen ihn Klage

erhoben hatte, wenigstens auf Ein Zahr^ wenn aber auch nur

Ein erbschastlicher Gläubiger eine, auch noch so ungegründete

Klage gegen ihn angestellt hatte, auf noch länger beschränkt, wenn er nicht durch den kostspieligen und zeitraubenden erb-

•) All». Landrecht Th. I. TIt. 9.

420. 421.

66 schaftlichen Liqnidationsprozefi

«nd dessen AnSgang

der Be-

Durch letztere wurde der redliche

schränkling ein Ziel setzte.

und sichere Benefizialerbe häufig behindert, die in dem Immo­ biliarvermögen

liegenden

Mittel zur Befriedigung

schaftlichcn Gläubiger zu realisircn.

der

erb-

Die beste Gelegenheit, das

Immobile Vortheilhaft zu veräußern, die Erbschaftsmasse da­

durch zu rcgnliren, gingen verloren, weil kein Dritter sich mit

ihm in Verhandlungen über die Grundstücke mit Sicherheit ein­

lassen konnte.

Der eigene Vortheil der Gläubiger ward da­

her in den meisten Fällen durch die Beschränkung eher gehin­ dert, als gefördert.

Die tägliche Erfahrung ergab es, nament­

lich bei der vormundschaftlichen Verwaltung des Vermögens der

Pflegebefohlnen, für welche in der Regel der Antritt der Erb­

schaften nur mit Vorbehalt

erfolgen

darf"),

wie sehr die­

selbe durch jene Beschränkung beengt und wie sehr der wahre

Vortheil der Erben sowohl, als der Erbschaftsglänbigcr

da­

durch behindert wurde. Indem hiernach die Unhaltbarkcit der

447—451. Th. I.

Tit. 9. deS Allgemeinen Landrechts und des §. 280. Tit. 50. der Prozeßordnung vollkommen zu Tage lag, durfte man kei­

nen Anstand nehmen, diese Bestimmungen aufzuhcbcn *) **), zumal *) Allg. Landrecht Th. II. Tit. 18.

643.

**) In den Motiven des Gcsetzrevisors zum Pensum XVI., Seite 28. bis 34., ist über den vorliegenden Gegenstand Folgendes gesagt: Das Jlllgcmeine Landrecht giebt dem Benefizialerben nur ein ein­ geschränktes Eigenthum, nimmt ihm gänzlich die Bcfugniß, Berfügungen über die zur Erbschaft gehörigen Grundstücke zu treffen, welche zum Nach­ theile der Erbschaftsgläubiger gereichen können, verpflichtet ihn, den Gläubi­ gern über die Verwaltung und Nutzungen der Erbschaft Jiechnung zu legen, und dieselben nach Anleitung der Konkursordnung zu befriedigen oder den erbschaftlichen Liguidationsprozeß eröffnen zu lassen. Diese, wesentlich schon im Erbschaftsedikte von 1765. enthaltenen Kestimmnngen sind für den Er-

67

über das praktische Bedürfniß einer solchen Aufhebung kein Zwei­ fel obwalten konnte, wenn man zllerst mif die vielen Kosten, be» und oft auch für dieErbschaftsgläubigcr von den nachthckligstcn Fol­ gen. Der Erbe wird verhindert, Erbschaftsgrundstücke zu dem günfligen Zeitpunkt aus freier Hand zu verkaufen, und schlechten Schuldnern einen Theil ihrer Schulden zu erlassen, um den Ueberrest, welcher ohnedies verlo­ ren seyn würde, zu retten. Die Grundstücke werden bei einem nothwendi­ gen Verkauf gewöhnlich unter dem wahren Werthe veräußert, die schlechten ausstehenden Forderungen gehen nach einem langen, mit vielen Kosten ver­ bundenen Prozesse ganz verloren, und über die dadurch insuffizient gewor­ dene Masse muß der Konkurs eröffnet werden, bei welchem die nicht beson­ ders sicher gestellten Gläubiger nicht nur ihre Zinsen, sondern auch ihr Ka­ pital ganz oder zum Theil verlieren. Wenn dagegen der Erbe, auf die Ge­ fahr, den bekannten Gläubigern verantwortlich zu werden, die emtrctcnden günstigen Verhältnisse benutzt, und sich dadurch in den Stand setzt, die Gläubiger aus der vorhandenen Masse zu befriedigen, so ist er doch nicht gesichert, noch nach mehreren Jahren von einem ihm unbekannt gewesenen und bevorzugten Gläubiger in Anspruch genommen zu werden, und diesen aus seinem eigenen Vermögen befriedigen zu müssen. Es ist daher bei der jetzigen Gesetzrevision darauf angetragen worden, die §§. 452. und 453. dieses Titels, nach welchen der Benefizialerbe die Bezahlung der Erbschaftsgläubiger nur in derjenigen Ordnung leisten darf, welche die Gesetze nach Beschaffenheit ihrer Forderungen vorschreiben, aufzu­ heben, und man hat zu dem Ende auf die Grundsätze des Römischen Rechts zurückgewiesen, nach weichen der Erbe, wenn er von der Nechtswohlthat Ge­ brauch gemacht hatte, an die zuerst sich meldenden Gläubiger zahlen durfte, so lange etwas von der Erbmasse übrig war, ohne dafür verantwortlich zu seyn, ob der zuerst sich meldende Gläubiger bevorzugt, oder ob andere Gläu­ biger vorhanden waren, welche im Fall des Konkurses ein Vorzugsrecht vor dem Befriedigten gehabt haben würden. Auf der andern Seite hat man auf die Französischen Gesetze hingedeutet, welche den Erben zur Rechnungsablage, öffentlichen Versteigerung der Nachlaßstücke und nach Bewandniß der Sache zur Kautionsbestellung verpflichten, dagegen aber qucfo denselben berechtigen, die Gläubiger und Legatarien nach der Ordnung, wie sie sich melden, zu be­ friedigen, vorausgesetzt, daß keine Gläubiger vorhanden sind, die einen ge­ richtlichen Einspruch eingelegt haben. (Cons. Art. 793. seq.) Vorschläge der Art sind schon bei der Anfertigung des Allgem. Landrechts vorgekommen, und mit großer Sorgfalt erwogen worden. Am voll­ ständigsten hat sich darüber die Regierung (Ober-Landesgericht) zu Stettin in den eingesandten Monilis gegen den gedruckten Entwurf ausgelassen. Der

68 Belästigungen lind Nachtheile sah, welche den Benefizialerbm durch jene Vorschriften unfehlbar haben erwachsen müssen, und

Zweck war, dem Benefizialerbm, bei möglichster Sicherung der Erbschafts­ gläubiger, eine freiere Verfügung über die Erbmasse zu verschaffen, und die Menge der zur Sicherung der Erben nothwendigen erbschaftlichen Liquida­ tionsprozesse zu vermindern. Es war daher vorgeschlagen worden (Vol. 56. fol, 453. der Materialien): Nicht in allen Fällen solle der Benefizialerbe, der einem Creditori non privilegiato ohne gerichtliches Aufgebot Zahlung geleistet, dem mehr privilegirten verantwortlich seyn; sondern es solle ein Unterschied gemacht werden, ob nach dem Znvcntario wenigstens eine scheinbare Suffizkenz an­ genommen werden könne. In solchem Falle solle es dem Erben frei ste­ hen, Zahlungen zu leisten, die Administration nach seinem Gutbefinden ein­ zurichten rc., ohne, wenn gleich in der Folge unvcrmurhete Insuffizienz fich findet, dem Kreditor verantwortlich zu seyn. Der Erbe solle bei ei­ ner solchen ausbrechenden Insuffizienz die Erbschaft nur cediren dürfen, wie sie alsdann wirklich ist, und er solle ralione fructuum pro bonae fidei possessore geachtet werden. Sey aber nach dem Inventario die Suffizienz nicht klar, so solle der Erbe doch nicht nöthig haben, sogleich auf Liquidationsprozeß zu provoziren; vielmehr solle er die Administration, jedoch unter richterlicher Aussicht und unter Mitwirkung eines Curatoris heredilatis, fortsetzen, so lange, bis Insuffizienz sich klar ergiebt oder ir­ gend ein Interessent auf die Eröffnung des erbschaftlichen LiquidationSprozesses provozirt. Suarez ließ sich hierauf sehr vollständig dahin aus: Nach der bisherigen gesetzlichen Theorie muß ein Erbe, welcher ohne vorhergängtges Aufgebot Creditores bezahlt, bei einer demnächst sich erge­ benden Insuffizienz deS Nachlasses den noch unbezahlten Gläubigern ex propriis gerecht werden, wenn sich findet, das; er nicht secundum or~ dinem prioritatis bezahlt, sondern den Nachlaß durch Zahlungen an Creditores posteriores erschöpft habe Da nun bet einem jeden Nach­ lasse, wenn er gleich nach dem aufgütommenen Inventario noch so suffi­ zient zu seyn scheint, gleichwohl in der Folge durch hervortretende unbe­ kannte Gläubiger, oder durch Zufälle, welche die Aktivmasse treffen, eine Unzulänglichkeit entstehen kann, wodurch der Benefizialerbe nicht nur der Gefahr, ex propriis zahlen zu müssen, sondern auch der Unannehmlich­ keit einer Rechnungslegung und der Herausgabe der percipirten Nutzun­ gen an die Gläubiger ausgesetzt wird, so setzt solches einen jeden nur ir­ gend vorsichtigen Erben, und besonders jedes Vormundschaftskollegium/ in die Nothwendigkeit, auf Eröffnung des LiquidationsprozesseS antragen zu

69 sich dann davon überzeugen mußte, daß diese ganze Belästigung aus einem irrigen Motive entstanden, eine Wirkung ohne Ur­ sache war. müssen. Dadurch werden nicht nur viele und drückende Kosten verur­ sacht, die dem Publtko sehr lästig fallen, sondern es entsteht auch eine Stockung in den Geschäften, und die bekannten Erbschaftsgläubiger kön­ nen mit der Befriedigung auch für ihre rechtmäßigsten und liquidesten Forderungen ohne Noth und ohne reellen Grund oft viele Jahre lang herumgezogen werden. Dies scheint eben so hart und unbillig, als selbst wider die Analogie der Rechte zu seyn. Denn es läßt sich kein eigentli­ cher Grund angeben, warum von der Regel, — jura vigilantibus sunt scripta, — hier abgegangen, nnd um solcher Kreditoren willen, die in der Anmeldung und Einforderung ihrer Ansprüche nachlässig und saum­ selig sind, die gehörig sich meldendm und ihre Zahlung verlangenden Gläubiger den Ausgang des Liquidationsprozesses abzuwarten, gezwungen werden sollen. Eben so scheint es unbillig und contra analogiam Juris zu seyn, daß ein Erbe, welcher den Nachlaß, den er für vollkommen zureichend hält, und vernünftiger Weise dafür halten konnte, in Besitz genommen, als sein Eigenthum verwaltet, die Fructus davon verzehrt, Zahlungen geleistet und alles gethan hat, wozu die Gesetze einen Possessorem bonae fidei berechtigen, dennoch hinterdrein, wegen verspäteten Anmeldens nachlässiger und sorgloser Gläubiger, die harte Kondition eines Possessoris m. f., der Rechnung legen, Fructus perceptos restitukren, und seine facta wegen geleisteter Zahlungen an die andern Creditores vertreten muß, übernehmen soll. Es scheint mir daher der Vorschlag der Regie­ rung beifallswerth, welcher dahin geht: man muß einen Unterschied ma­ chen, ob nach dem Inventar zu urtheilen, die Suffizienz des Nachlasses klar oder zweifelhaft ist. Die Suffizienz des Nachlasses ist für klar zu achten, wenn die Aktivmasse an baarem Gelde, an Immobilibus nach der Taxe oder dem letzten unverdächtigen Erwerbungspreise, an Mobilibus nach der Taxe, und an sichern und liquiden Activis den Betrag aller be­ kannten Passivorum, sie mögen bereits liquide seyn oder nicht, um eine gewisse Pariern quolam, z. B. um ein Viertel übersteigt. Z. B. wenn die Aktivmasse nach diesen Prinzipien 15000 Nthlr. und die Passiva 12000 Rihlr. ausmachen. Ist die Suffizienz in dieser Art klar, so hat der Erbe nicht nöthig, einen erbschaftlichen Liquidationsprozeß zu extrahiren, vielmehr hat er auf den Nachlaß und dessen Verwaltung alle Rechte eines Possessoris bo-

70 Demzufolge, und da es einer transitorischen Anordnung rücksichtlich derjenigen Fälle bedurfte, worin vor Erlaß des neuen

nae fidei. Wenn also demnächst gleichwohl eine Unzulänglichkeit zum Vorschein kommt, so darf er keine Rechnung über seine Administration legen, sondern seine Verbindlichkeit schränkt sich bloß darauf ein, daß er die Masse, so wie sie beschaffen war, als die Insuffizienz ihm bekannt wurde, den Creditoribus herausgeben, und, in sofern als Stucke, die zur Substanz schören, verkauft oder sonst veräußert sind, den Werth da­ von, in sofern er dadurch locuplctior geworden, erstatten muß. Durch diesen Vorschlag werden eine Menge von Liquidationsprozesscn, Weitläuftigkeiten und Kosten, die im Grunde unnütz sind, vermieden, und die Nothwendigkeit der Liquidationsprozeffe wird auf die Falle einge­ schränkt, wo sie wirklich rechtlich und billig sind, nämlich, wenn der Erbe vernünftigen Grund hat, zu zweifeln: ob auch der Nachlaß hinreichend seyn werde, alle Schulden zu bezahlen, und wo er daher Anstand neh­ men muß, sich eigenmächtige Dispositionen darüber, die zum Nachtheil eines oder des andern Kreditoren gereichen könnten, anzumaßen. Suarez's Vorschlag ist nicht angenommen worden, und es läßt sich auch wohl behaupten, daß durch die Annahme desselben für den Benefizialerben nicht viel wäre gewonnen worden. Denn wenn bei einem vorschriftsmäßig aufgenommencn Jnventario die Aktivmasse, nach Abzug der nicht als ganz sicher anzunehmenden ausstehenden Forderungen, die Passivmasse um { oder i übersteigt, so ist in der Regel keine Gefahr für den Erben vorhanden, daß er bei Befriedigung der bekannten Erbschastsgläubiger, ohne Einleitung eines LiquidationsprozeffeS, noch mit seinem Vermögen den etwa spä­ ter sich meldenden werde haften müssen. Selbst Bormundschafisgerichte, welche bei ihren Verwaltungen doch in mancher Hinsicht beschränkt sind, wissen in solchen Fällen, wenn nicht mehrere ungünstige Umstände Zusam­ mentreffen, die Eröffnung des LiquidationsprozeffeS zu vermeiden, und wie weit eher ist dies von andern umsichtigen Erben zu erwarten, welche durch nichts gehindert werden, die günstigen Ereignisse sofort, ohne Rchckfrage mit andern Behörden oder Personen, zu beitutzen. Aber dessen ungeachtet bleibt eine Befreiung des Benefizialerben von den Beschränkungen, welchen die jetzt geltenden Gesetze ihn unterwerfen, nicht blos wünschcnswerth, sondern auch nothwendig. Dadurch, daß der Erbe über die Grundstücke nicht verfügen, sie nicht verkaufen oder verpfänden darf, werden ihm alle Mittel genommen, die Erbschaftsgläubiger zu befriedi­ gen. Die Unsicherheit seines Besitzes hat gewöhnlich eine Verschlechterung des Grundstücks zur Folge, und dadurch wird die Masse, die es vorher wirk-

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71



Gesetzes schon die Berlefizialerben-Beschränkullg eingetragen wor­

den war, bestimmt die Verordnung vom 28. März 1840?):

lich nicht war, insuffizient. Zst aber der Erbe wirklich so glücklich, dies Unglück zu verhindern, und befriedigt er die bekannten Gläubiger sämmtlich aus der vorhandenen, von ihm mit größter Umsicht verwalteten Masse, fo läuft er dennoch Gefahr, nach mehrer» Jahren von unbekannten Gläubigern in Anspruch genommen zu werden, und einen großen Theil seines eigenen Vermögens zu verlieren. Bet Beamten, die nur subsidiarisch für die im Dienste begangenen Versehen haften, sind solche verspätete Ansprüche nicht selten, und um den daraus entstehenden Gefahren zu entgehen, läßt die Er­ öffnung des Liquidationsprozesses sich oft nicht vermeiden. Diese, aus der jetzigen Gesetzgebung entspringenden Nachtheile wurden sich, mit billiger Berücksichtigung der Rechte der Gläubiger und Legatarien, durch folgende Bestimmungen beseitigen: 1) Der Bencfizialerbe ist berechtigt, die Erbschaftsmaffe zu verwalten. 2) Er haftet für ein grobes und mäßiges Versehen. 3) Er kann, so lange ihm von den Gläubigern und Legatarten ntcht ge­ richtlich Schranken gesetzt worden sind, dteMobtlten und Immobilien veräußern und verpfänden, die ausstehenden Forderungen einztehen. 4) Wenn nach Verlauf von neun Monaten, vom Todestage des Erblas­ sers an gerechnet, die vorhandene Aktivmaffe zur Befriedigung der sämmtlichen bekannten Erbschastsgläubiger und Legatarien hinreicht, und der Erbe eidlich versichert, daß ihm weiter keine Forderungen an die Masse, als die von ihm angegebenen, bekannt geworden sind, so kann derselbe von dem Erbschaftsgericht autorisirt werden, die bekann­ ten Erbschaftsgläubiger und Legatarien zu befriedigen. 5) Er haftet aber alsdann denselben für ihre ganze Forderung an Kapi­ tal und Zinsen, und kann denselben nicht den Einwand entgegensetzen, daß die Aktivmasse zu ihrer Befriedigung nicht zugereicht habe. 6) Dagegen erhält er das unbeschränkte Eigenthum der von ihm verwal­ teten Masse. 7) Die Gläubiger, welche sich bis zu der ad 4. dem Erben ertheilten Autorisation nicht gemeldet haben, oder dem* Erben sonst nicht be­ kannt geworden sind, können ihre Befriedigung nur aus demjenigen verlangen, was von der Erbschaftsmaffe nach Berichtigung der bekann­ ten Forderungen übrig geblieben ist. 8) Sind die Grundstücke und Mobilien vor jenem Termin verkauft, so

*) Gesetzsammlung für 1840. S. 103—104.

-

72

-

§>- 1. Wem Senekizial-Erben wird die Lekugnisi beigeiegt,

so kern er sich der Verwaltung des Nachlasses nicht be-

wird bek der Berechnrrng des Ueberschusses der erhaltene Kaufpreis, sonst aber die im Inventarium aufgeführte Taxe zum Grunde gelegt. 9) Die seit dem Eintritt dieses Termins gezogenen Nutzungen kommen niemals zur Berechnung. 10) Reicht der Ueberschuß zur Befriedigung des Gläubigers nicht hin, so kann dieser von den Legatarten seine Bezahlung fordern, so wett diese sich noch im Besitz der erhaltenen Vortheile befinden. 11) An die vor dem Termin bekannten Gläubiger kann er niemals An­ sprüche machen, auch wenn seine Forderung ein gesetzliches Vorzugs­ recht gehabt hätte. Durch diese Bestimmungen würden gewiß viele Liquidationsprozeffe ver­ mieden werden. Der Erbe wird dadurch der Gefahr überhoben, nach Be­ friedigung der bekannten Gläubiger den nachher sich meldenden mit seinem eigenen Vermögen haften zu müssen, und er wird dadurch zugleich in den Stand gesetzt, sich bald und mit Benutzung der vorthetlhastesten Umstände die Zahlungsmittel zu verschaffen. Auf der andern Seite erhalten auch die bekannten Gläubiger früher Zahlung, und wenn die unbekannten dabei Ge­ fahr laufen, ihre Forderungen zu verlieren, so liegt darin keine Ungerechtig­ keit gegen dieselben. Kein Gläubiger hat das Recht zu verlangen, daß der Staat die Sorge für die Erhaltung seiner Forderung übernehme. Dies muß er selbst thun, und wenn er in so langer Zeit und selbst nach einer öffent­ lichen Aufforderung sich nicht meldet, und den Erben von seiner Forderung in Kenntniß setzt, so begeht er in der Regel eine grobe Fahrlässigkeit, deren Nachtheile er selbst tragen muß, und durch welche die aufmerksamen und ihre Forderungen in den gesetzlichen Wegen verfolgenden Gläubiger nicht lei­ den dürfen. Letzteres geschieht aber unstreitig, wenn diese ihre Bezahlung nicht erhalten dürfen, blos weil noch nicht als vollkommen feststehend anzu­ nehmen ist, daß nicht noch andere Gläubiger vorhanden sind, und wenn sie im Wege dieser Ausmittelungen, durch die Kosten des LiquidationsprozesseS und andere mit letzterem verbundene Nachtheile, ihre Forderungen zum Theil, oder wohl ganz verlieren. Es kann allerdings Fälle geben, in welchen man einem Gläubiger, der sich nicht zur rechten Zett meldet, eine Fahrlässigkeit zum Borwurf nich wird machen können. Dies tritt namentlich bet den vorher schon erwähn­ ten Regreßansprttchen und andern eventuellen Forderungen ein; aber wenn solche außerordentliche Fälle mit den gewöhnlich vorkommenden zusammen-



73

-

geben hat, und ihm auch nicht auf den Antrag der Gläu­

biger oder Legatarien vom Richter Schranken geseift wor­ den sind, über die ;um Nachlaß gehörigen Grundstücke

treffen, und es kein Mittel giebt, die sich widersprechenden Rechte sämmtlich zu erhalten, so darf der Gesetzgeber nur die größere Menge, also nicht die ungewöhnlich vorkommenden Fälle, berücksichtigen; überdies aber sind auch schon bet der jetzigen Gesetzgebung die Inhaber solcher eventuellen, dem Gläubiger vielleicht selbst noch nicht bekannten, Forderungen der Präklusion ausgesetzt. Sie haben jetzt nur den Vortheil, daß sie längere Zeit zur An­ meldung ihrer Ansprüche behalten, weil die Erben selbst die Eröffnung des Liguidationsprozesscs und die Präklusion der unbekannten Gläubiger in der Regel so lange als möglich verzögern; dagegen gewinnen sie aber auch nach obigem Vorschläge den Anspruch an die befriedigten Legatarien. Uebrtgcns läßt sich kein Grund finden, warum die Erbschaftsgläubiger durch den Tod ihres Schuldners mehr Rechte erhalten sollten, als sie früher hatten. So lange sie ihren Schuldner in der Verfügung über sein Vermögen nicht im gesetzlichen Wege beschränkten, so lange hatte dieser das Recht, seine Gläu­ biger, so wie sie sich meldeten, zu befriedigen, und selbst einige vor den an­ dern nach seiner Wtllkühr zu begünstigen, und wenn er sich dadurch außer Stand setzte, gegen die später sich meldenden seine Verbindlichkeiten zu er­ füllen, so konnten die früher schon abgcfundencn Gläubiger nicht angehalten werden, das ihnen Gezahlte wieder ganz oder zum Theil zurückzugeben. ES war der Aufmerksamkeit und Umsicht eines jeden Gläubigers überlassen, wie er seine Rechte gegen solche ihm nachtheiligen Verfügungen seines Schuld­ ners über sein Vermögen sichern wollte, und dasselbe Recht bleibt ihm auch gegen den Erben Vorbehalten, dem nicht nur, wenn er sich der Verschwen­ dung und Übeln Verwaltung des Nachlasses schuldig macht, auf den Antrag der Gläubiger die letztere genommen werden kann, sondern dem auch noch die besondere Verpflichtung obliegt, für die Befriedigung der ihm bekannt gewordenen Kreditoren nach den Kräften der Erbmasse zu sorgen, und die Begünstigung einzelner derselben zu vermeiden. Will man dagegen einwenden, daß die Gläubiger vor dem Tode des Erblassers sich noch an die Person desselben halten konnten, und baß sie da­ durch noch ein Mittel behielten, Zahlung zu bekommen, so steht dem entge­ gen, daß der Personalarrest bei einem zahlungsunfähigen Schuldner ohne Mitwirkung dritter Personen kein Mittel seyn kann, dem Gläubiger zu sei­ nem Rechte zu verhelfen; dann aber folgt auch daraus, daß der Gläubiger sich an die Person seines Schuldners, des Erblassers, nicht mehr halten kann, noch nicht, daß er dadurch Rechte gegen die Person oder das Vermö-

74 und Gerechtigkeiten ebenso, wie über die beweglichen Sa­

chen,

vertilgen.

2. Sei der Berichtigung des Scsitztitels für einen Erben

gen des Erben erhält, und daß dieser verbunden ist, für die Sicherung der ihm unbekannten Gläubiger zu sorgen, und diese der Mühe zu übcrbeben, ihre Rechte selbst wahrzunehmen. Daher überließ auch das Römische Recht es nur der Wachsamkeit des Gläubigers, seine Rechte bei der Bertheilung der Masse zeitig genug wahrzunehmen, und wenn die jetzigen Preußischen Gesetze davon abweichen, und dem Benefizialerben zur Pflicht machen, die Gläubiger nur nach den ihren Forderungen zukommenden Vorzugsrechten zu befriedigen, und wenn sie selbst den unbekannten und sorglosen Kreditoren ihre Rechte möglichst erhalten, so ist der Grund nicht in dem Rechtsver­ hältnisse des Benefizialerben gegen die Erbschaftsgläubiger, sondern in der vormundschaftlichen Sorge zu suchen, welche die Regierung über die Unter­ thanen glaubte ausuben zu müssen, die aber, nach Suarez's früher ange­ führter Bemerkung, keinesweges der Gesetzgebung zum Grunde gelegt zu werden verdient, und die auch oft, in dem vorliegenden Fall namentlich ge­ gen die wachsamen Gläubiger, zu Unbilligkeiten führt. Nach den ausgestellten Ansichten fallen also die §§. 447—451., welche die Einschränkung der Verfügungen des Erben über die zum Nachlasse gehörigen Grundstücke, die Verpflichtung des Hvpothekenrichters, das eingeschränkte Eigenthum bei der Berichtigung des Besitztitels zu bemerken und dessen Regreßpflichtigkeit bei Unterlassung des Vermerks betreffen, ganz weg. Sie würden sich auch, selbst bei den im Allgemeinen Landrechte an­ genommenen Grundsätzen, nicht haben erhalten lassen. Denn, wenn der Benefizialerbe die freie Verfügung über das Mobtliarvermögen hat, wenn er selbst ausstehende Forderungen einzichen kann, so ist kein Grund vorhanden, we­ gen der Grundstücke ihn zu beschränken. Die eingetragenen Gläubiger be­ halten ja ihre Rechte auf das Grundstück, der Verfügungen des Erben un­ geachtet, und die nicht eingetragenen haben nicht mehr Rechte auf das Grundstück als auf das Mobiliarvermögen. Auch aus dem Separationsrechie, was den Erbschaftsgläubigern zusteht, wenn der Erbe in Konkurs verfällt, läßt sich die Einschränkung des Erben hinsichts der Grundstücke nicht herleiten; denn auch, wenn der Erbe die Erbschaft ohne die Rechtswohllhat des Znventarii angetreten hat, findet das Separationsrecht Statt (Attg. Landrecht Tb. I. Tit. 16. §. 502.), und es würde also, wenigstens während des ersten Jahres nach dem Tode des Erblassers, auch der Erbe ohne Vorbehalt über die Grundstücke nicht frei verfügen dürfen.

75 soll die Einschränkung, das) er nur als Senefyial-Erbe

besitze, in das Hgpothekenbuch nicht ferner eingetragen

werden. 3.

Die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts Theil I. Titel 9.

417 — 451. und der Allgemeinen Gerichts-

Ordnung Theil f. Titel 5tt. §.280. werden aufgehoben. Jede

auf Grund derselben bereits eingetragene Einschränkung

eines Senefizial-Erben ist nach Ablauf von sechs Monaten, von dem Tage der Publikation dieser Verordnung an ge­ rechnet, von Amtswegen ?u löschen, *) wenn nicht bis dahin ein Erbschaftsgläubiger bei dem Hxpotheken-Nichter

sich meldet und nachweist, dast er schon vor Publikation dieser Verordnung innerhalb Jahresfrist seit Eröffnung

der Erbschaft seinen Anspruch im Rechtswege geltend ge­ macht hat.

Außerdem verordnet das Gesetz 4. Die Bestimmung der Verordnung über den Subha-

stations- und Aaufgelder-Liquidations-Protest vom 4. März 1834. §. 2. Nr. 2. wird dahin erweitert,

dast die nothwendige Subhastation ?um Nachlast ge­ höriger Grundstücke und Gerechtigkeiten auf den An­

trag eines jeden Senefi?ial-Erben mit voller Wirkung stattfindet.

**) Bgl. die Reskripte vom 1. Mat 1840. und 4. Januar 1841. (Justij-Ministerial-Blatt, Jahrg. II. S. 171. und Jahrg. III. S. 30.) Nach dem letzteren soll die Löschung kostenfrei erfolgen, jedoch genügt es, wenn dieselbe bei Gelegenheit anderer, das Grundstück betreffenden Hypothekengeschäfte vorgenommen wird.



76



Dieser Zusatz (§. 4.) war nothwendig mit Rücksicht ans die Fassung deS

2. Nr. 2. der Verordnung vom 4. März 1834.

über den Subhastations- und Kaufgelder-Liquidations-Prozeß *): „Außer den Fällen der Exekution und des Konkurses tritt

die nothwendige Subhastation mit ihren Wirkungen auch ein, wenn der Verkauf erfolgen soll — auf den Antrag des Be-

nefizialerben, dessen Eigenschaft als Benefizialerbe im Hypo­ thekenbuche vemierkt (Allg. Landrecht Th. I. Tit. 9. 448.), oder, wenn das Hypothekenbuch noch nicht regulirt worden,

zu den Hypothekenakten angezeigt ist;" sobald die §§>. 447—451. Tit. 9. Th. I. des Allgemeinen Land­ rechts, wie im §>. 3. des Gesetzes geschehen ist, aufgehoben wurden.

*) Gesetzsammlung für 1834, S. 39.

111. Die neuesten Verjährunqs - Gesetze. A.

Das Gesetz vom 31. März 1838. wegen Einfüh­

rung kürzerer Verjährungsfristen").

^ie im Allgemeinen Landrechte vorgeschriebene lange Dauer der Verjährungsfristen hatte zu vielen Klagen Veranlassung ge­ geben, und von mehreren Seiten war bei der Gcsctzrevision **)

darauf angetragen worden, für einzelne Forderungen kürzere

Verjährungsfristen einzuführen, so wie sich solche im Französi­

schen Gesetzbnche, Art. 2271. bis 2277., und zum Theil im

Oesterreichischen, §. 1480. vorfinden.

Bei der Berathung der

Verordnung über den Mandats-, summarischen und Bagatell-

Prozeß vom 1. Zuni 1833.***) kam das Bedürfniß nach kür­

zeren Verjährungsfristen von Neuem zur Sprache.

Es wurde

daher die Zlusarbeitung eines besonderen desfallsigen Gesetzes,

mit Berücksichtigung

der zum Mandats-

und

summarischen

Prozesse verwiesenen Forderungen, beschlossen. °) Gesetzsammlung für 183& S. 249—252. — Die entgegenstchenden provinziellen und statutarischen Bestimmungen hat die Verordnung vom 15. April 1842. (Gesetzsammlung für 1842. S. 114.) aufgehoben.

**) Vgl. die Motive vom Zahre 1829. zum Pensum XIII. der Gesetzrevlfion, S. 131 — 140., die Motive vom Zahre 1834. zu dem revldtrren Entwürfe des Sachenrechts, S. 103 —1*12. und die Motive vom Zahre 1840. zum zweiten Theile des bürgerlichen Gesetzbuches, ebenfalls S. 103 — 112. Zn letzteren ist das im Zahre 1834. Gesagte wörtlich wiederholt und dabei übersehen worden, daß schon am 31. März 1838. vollendet war, was in den Motiven vom Zahre 1840. als erst be­ absichtigt angeführt wird. ***) Gesetzsammlung für 1833. S. 37. und folg.

78

Der Zweck

der

Verjährung ist, wie der Entwurf zum

?lllgemeinen Gcsetzbuche in der Anmerkung znm §. 520. der Lehre von der Verjährung sagt:

die Beförderung der Rechtssicherheit und der Gewißheit der Eigenthnnisrechte, so wie die Verhütung weit aussehender,

verwickelter Prozesse.

Dieser Zweck bleibt unerreicht, wenn bei allen Rechtsge­ schäften ohne Unterschied der Ablauf der Verjährung an einen

Zeitraum von dreißig Zähren geknüpft wird.

Deshalb sind

auch schon, sowohl im Römischen Rechte, als im Allgemeinen

Landrcchte einzelne Forderlingen an kürzere Fristen gebunden.

Diese einzelnen kürzeren Verjährungen reichten jedoch nicht aus.

--ES giebt außerdem eine Menge von Forderungen, bei welchen ariS demselben Grunde eine kürzere alp die dreißigjährige Ver­ jährung nothwendig war.

Dies ist namentlich der Fall: 1) bei den Geschäften des täglichen Verkehrs, bei

welchen das Bedürfniß nach kürzeren Verjährungsfristen in ho­ hem Grade fühlbar geworden war.

cherheit genannt werden,

Es konnte keine Rechtssi­

wenn Kaufleute, Handwerker, Ge­

sinde re., welche neun und zwanzig Jahre hatten hingehen las­

sen, ohne ihre ursprüngliche Fordenlng einzuklagen, mit einem Male

auftraten und behaupteten,

daß

dieselbe

nicht getilgt

worden sey.

Die aus

Geschäften dieser Art entspringenden Verbind­

lichkeiten werden auch in der Regel entweder sogleich, oder in

kürzerer Frist getilgt, so daß die aus denselben erst nach meh­

reren Zähren

erhobenen Forderungen

gründet sind.

Alls diesem Grunde wurde bei allen denjenigen

meistentheils

nicht

be­

Rechtsgeschäften, bei welchen die Vermuthung für die bal-

79 dige

Berichtigung

der

spricht,

eingegangenm Verbindlichkeit

eine kürzere Verjährnngsfrist vorgcschlagen.

2) Bei anderen Forderungen ist zwar eine Vermuthung für die in kurzer Frist eintretcnde Aufhebung der Verbindlich­

keit nicht vorhanden, wie bei den Zinsen und anderen jährlich, oder zu bestimmten Zeiten wiederkehrenden Leistungen.

Bestimmung

Allgemeinen Landrechts Theil I.

des

509., nach welcher das Recht auf solche, Zeiten wiedcrkchrende Leistungen

durch bloßen

Die

Titel

9.

zu gewissen Nichtgebralich

in dreißig Zähren verjährt, machte jedoch für die einzelnen Rückstände eine kürzere Verjährungsfrist durchaus nothwen­

dig.

Denn im entgegengesetzten Falle würde der Rückstand des

ersten Jahres in dreißig, der Rückstand des zweiten in nenn und

zwanzig Zähren u. s. f., der Rückstand des dreißigsten Zahres

aber in Einem Zahre verjähren.

Drese Znkonseqnenz hat in

Betreff der Zinsen eines Kapitals auch schon das Allg. Land-

recht anerkannt, indem cs in den §§>. 849. und 868. Tit. 11. Th. I.

dafür eine zehnjährige Präskription

angeordnet hat.

Dieses Prinzip paßt aber nicht blos ans Zinsen eines Kapi­ tals, sondern auf alle, zu gewissen Zeiten wiederkehrende

Leistungen,

und

die Ausdehnung

desselben

auf die letzteren

konnte daher keinem Bedenken unterliegen.

«3) Höchst drückend waren ferner die Nachforderungen

rückständiger Abgaben und Gerichtskosten.

Diese kön­

nen überhaupt, Insofern bei den Abgaben nicht etwa eine Kon­ travention begangen worden ist, nur durch Nachlässigkeit der

Erhebungs-Beamten

herbeigeführt

werden,

und es

erscheint

unbillig, wegen solcher Nachlässigkeit, die einzelnen Dcbenten noch

nach

dreißig

oder

gar vier und vierzig Zähren

Nachforderungeil aus früherer Zeit zu beunruhigen.

durch

Der Be-

80 rechtigte mag sich wegen solcher nicht eingezogener Gefälle und

Kosten an den säumigen Beamten halten, dessen Pflicht eS ist,

dieselben sofort einzuziehen, und der aus dem Mandatsverhält­ nisse für die gestatteten Reste verantwortlich ist"). Für dir Abgaben- und Kostenschuldner haben dergleichen

Nachforderungen so viele Unannehmlichkeiten, daß eine Herab­ setzung der gewöhnlichen Verjährungsfrist höchst wünschenswerth

war.

Es ist sogar die Frage, ob der Berechtigte durch eine

solche Herabsetzung

einen wirklichen Nachtheil

erleidet.

Ein

solcher könnte, da ihm für den Ausfall, anstatt der Abgaben-

und Kostenpflichtigen, die Beamten haften, überhaupt nur beim Unvermögen der letzteren eintreten.

Dieses wird aber selten

vorhanden seyn, da der Berechtigte durch die von den Beam­

ten bestellte Kaution größtentheils gesichert ist, und auf der

andern Seite sich weniger Ausfälle ereignen, wenn die Erheber

wissen, daß sie für die Zlusfälle aufkommen müssen, ohne ei­ nen Regreß an die ursprünglichen Schuldner nehmen zu kön­

nen.

Aus diesen Gründen hatte der Staat auch schon

bei

den Zöllen und bei der Verbrauchssteuer ***) ") jede Nachforderung an den Abgabenpflichtigen nach Zahressrist untersagt, und eine Ausdehnung dieses Grundsatzes auf andere Gefälle rind Ge­ richtskosten konnte kein Bedenken erregen.

Die Bestimmung der Fristen für die kürzere Verjäh­

rung hat nun aber unleugbar cjne nahe Verbindung mit der

Wirkung,

welche derselben beigelegt wird.

Datum

wollte

*) Vgl. da« Allg. Landrecht Th. I. TIt. 13. §§. 49. 50., Tit. 14. §§.

116.127. 128. 162. und 163., die Prozeßordnung Tit. 50. §§.356. 396.

**) Vgl. die Verordnung vom 30. Oktober 1827. Nr. 4. (Gesetz­ sammlung für 1827. S. 132.)

81 man anfänglich auch in Bezllg auf die letztere eine Verände­

rung vornehmeil.

Zll dieser Beziehung wurde Folgendes gel­

tend gemacht:

Das Allg. Landrecht bestimme die Wirkung der Verjäh­

rung durch Nichtgebrauch in den

568. und 569. Tit. 9.

Th- I. dahin:

Die vollendete Verjährung durch Nichtgebrauch wirkt die recht­

liche Vermuthung, daß die ehemals entstandene Verbindlich­

keit in der Zwischenzeit auf eine oder die andere Art gehoben worden.

Diese Vermuthung kann nur durch den vollständigen

Beweis, daß der Andere unredlicher Weise, und gegen bes­

seres Wissen von seiner noch fortwährerlden Verbindlichkeit, sich der Erfüllung derselben entziehen wolle, entkräftet werden. Diese Vorschriften hätten von jeher zu vielen Verwirrun­ gen Veranlassung gegeben und wären von allen Seiteit als

lmpaffend getadelt worden^).

*) Sie sind, wie eine Vergleichung des Atlg. Landrechts mit den Ma­ terialien unv selbst noch mit dem Entwürfe zum Allg. Gesetzbuche ergiebt, auch nicht gleichzeitig mit den übrigen Bestimmungen des neunten Titels entstanden, sondern erst nachträglich eingeschaltet worden. Der Entwurf setzte die Wirkung der Verjährung in den völligen Untergang des Rechts. (Vgl. §. 450. und folg, des Entwurfes, Th. II. Tit. 6. Abschnitt 9) Es wurden sogar, da der Entwurf diesen Satz nicht ausdrücklich, sondern nur in einzelnen Anwendungen aussprach, bet der Um­ arbeitung desselben, auf den Vorschlag von Suarez, folgende §§. ausge­ nommen : §. 573. Die vollendete Verjährung durch NichtFebrauch wirkt eine gänz­ liche Befreiung des Verpflichteten von seiner bisherigen Verbindlich­ keit. §. 574. Diese Wirkung wird durch den Einwand, daß der Verpflichtete seine Verbindlichkeit gewußt habe, nicht gehindert. (Materialien zum Allg. Landrechle, Bd. 81. S. 87.) Die gänzliche Nichtbeachtung der bona fides erregte jedoch Bedenken,

82

Um jene zu beseitigen imb die einzelnen im Allg. Landrechte hie und da verkommenden speziellen Bestimmungen (Dgl. Suarez'S amtliche Dorträge, S. 14.) nrrd es wurden deshalb den von Suarez vorgeschlagenen Bestimmungen die §§. 668. und 669. des jetzigen Allg. LandrcchtS fubftituirt. Hiernach ward nun zwar die allge­ meine Regel über die Wirkung der Verjährung geändert, nicht aber die auf die frühere Regel, nach welcher die Wirkung in dem absoluten Unter­ gänge des Rechts bestand, gegründeten einzelnen Vorschriften. So ist es gekommen, daß viele Stellen des Allg. Landrechts mit den §§. 668. und 669. im Widerspruche stehen. Die Hauptbeläge dafür sind die §§. 500. 502. über die Definition der Verjährung, der §. 7. Tit 16. Th. I., wel­ cher die ausdrückliche Bestimmung enthält: Rechte erlöschen durch Verjährung, richterliches Erkenntniß u. s. w. Völlig unvereinbar mit der, in den §§. 668. und 569. augeordneten Wir­ kung ist die Vorschrift des §. 564., nach welcher ein, nach bereits vollen­ deter Verjährung, ausgesprochenes An erkennt» iß des erloschenen Rechtdie Wirkung der Verjährung nur insofern aufhebt, als aus dem Anerkennt­ nisse ein neuer Recht-grund entsteht. Wenn die Verjährung blos eine Vermuthung für die Aufhebung der Verbindlichkeit begründen soll, so muß diese Vermuthung durch jedes Anerkenntniß widerlegt werden, und insbesondere ein einseitiges Anerkenntniß eben sowohl genügen, als ein Anerkenntniß, dem ein neuer Rechtsgrund, d. h. ein förmlicher Vertrag (Vgl. Allg. Landrecht, Th. I. Tit. 5. §§. 2—5.) zum Grunde liegt. Ueberdies passen die 568. und 569. nicht auf alle Arten der Verjährung durch Nichtgcbrauch. Völlig unanwendbar sind sie auf den Untergang der Servituten und anderer dinglichen Rechte per nonusum. Bet diesem ist z V., wenn der Berechtigte die servitus viae dreißig Jahre hindurch nicht ausgcübt hat, der demselben nachgelassene Beweis, daß der Eigelithümer des praedium scrvicns sich der Erfüllung seiner noch fort­ währenden Verbindlichkeit entziehen wolle* gar nicht gedenkbar. ES tritt hier auch nicht blos die Vermuthung für die während des Laufes der Ver­ jährung geschehene Aushebung der Servitut ein, sondern die Servitut geht gerade dadurch, daß sie die Verjährung-zeit hindurch nicht ausgeübt wor­ den, verloren. (Vgl. Allg. Landrecht Th. I. Tit. 19. §. 29., Tit. 22. §§. 43. 44. 50.) Dasselbe ist der Fall bei vielen obligatorischen Verbindlichkeiten, z. B. bei der Klage wegen der Gewährsmängel (Th. I. Tit. 5. §§. 343—345.), bei der Schadensklage (Th. I. Tit. 6. 54 ), bet der Klage auf Ergän-

83

auf einen, Mit denselben in Uebereinstimmung stchenden Grund­ satz zurückzuführen, sey kein anderer Ausweg, als die 568. und 569. zu entfernen und auf das ursprüngliche Prinzip des Entwurfes zum Allg. Gesetzbuche, daß durch den Ablauf der Verjährung das Recht selbst aufgehoben werde, zurückzugehen. Es erscheine auch unbedenklich, auf die bona fides bei der Verjährung dlirch Nichtgebrauch gänzlich zu ver­ zichten. Das Römische Recht erfordere dieselbe nicht, und inwiefern sie nach dem kanonischen Rechte nothwendig sey, darüber herrschten sowohl in der Theorie, als in der Praxis die verschiedensten Meinungen^). zung deS Pflichttheils, (Th. II. Tit. 2. §. 440.), bei der SchwLrigerungSklage (Th. II. Tit. 1. §§. 1083—1085.), bei der Anfechtung eines Kauf­ vertrages wegen laesio enormis (Th. I. Tit. 11. §. 68.)/ überhaupt bei allen Klagen auf Nefzifsion eines Geschäftes und auf Leistung einer bestimm­ ten speziellen Handlung u. f. w. Bgl. übrigens die Erg. und Erl. des Allg. Landrechts, Suppl. Bd. Abth. 1. S. 358.-361., das Arnsberger Archiv, Zahrg. 8. S. 241. und die Juristische Wochenschrift, Zahrg. 8. S. 888., Zahrg. 9. S. 49.

*) I. Einige Rechtslehrer stellen ihre Nothwendigkeit auch nach ka­ nonischem Rechte gänzlich in Abrede, indem sie die von anderen dafür angegebene Gesetzesstelle Cap. 5. §. 20. X. de praescriptionibus (II, 26.) nur auf die Acquifltiv-Verjährung beziehen, wie von Wening-Zngenhetm, Lehrbuch, Bd. I. §. 49., Mencken, Diss., an requiratur bona fides in praescripl. actionum, pag. 18. seq. II. Andere erfordern pe dagegen bei allen Arten der Klagen, wie Leyser, sp. 455. med. 8., Pufendorf, Tom? I. observ. 115.; sie sind aber über die Bedeutung der mala fides wieder in Uneinigkeit: 1) nach Schmalz's kanonischem Rechte, §. 352. besteht sie darin, daß der Verpflichtete weiß, daß der Kläger eine Forderung an ihn hat; 2) Höpfner in seinem Kommentare, §. 1182. unterscheidet die Verbind­ lichkeiten, welche der Schuldner aus freien Stücken, und welche er nur auf Verlangen des Gläubigers erfüllen muß. Bei den ersteren soll er in mala fide seyn, sobald er seine Verbindlichkeit weiß, in den Fällen

6*

84 Unsere Gesetzgebung habe in ihrer ursprünglichen Theo­

rie, indem sie bei allen Klagen ohne Unterschied die bona tides unbeachtet gelassen, offenbar den besten Weg eingeschlagen.

Auf

dieses Prinzip, welches Suarez in der revisio monilorum

ausdrücklich bevorwortet hätte, seyen auch die einzelnen Fälle,

in welchen das Allg. Landrecht die Extinktiv-Verjährung als eine bloße Strafe der Negligerrz für den Gläubiger eintreten

lasse, gebaut.

der zweiten Art nur von dem Augenblicke an, in welchem der Gläu­

biger die Erfüllung verlangt; 3) Wiese in seincm Kirchenrechte, Th. 2. S. 731. dagegen ist derMei-

nung, daß die mala fides bei Klagen auf Herausgabe einer Sache in

der Wissenschaft von der Verbindlichkeit bestehe, bei anderen Klagen aber

nur

durch

den

Eintritt

des

bedungenen Zahlungs-Termines,

oder in dessen Ermangelung, durch die Mahnung des Gläubigers be­

gründet werde. III.

Böhmer, in seinem jus Protcstanlium ecclcsiaslicum, Lib. 2.

Til. 26. §. 54. seq., Schmidt, opuscul. I. de praescript., und Unterholzner, Verjährungslehre, Bd. 1. §.92. und Bd. 2. §. 261., halten

die bona fides nur bei Klagen auf Herausgabe einer fremden Sache

für nothwendig, und schließen sie bei allen andern Klagen aus. IV.

Thibaut, über Besitz

und Verjährung, §. 20. Note 4., und

Mackeldey, Lehrbuch, §. 181. endlich erfordern die bona fides in allen

Fällen, wo der Grund der Verjährung nicht in der Nachlässigkeit und in dem Nichthandeln des Berechtigten liegt, weshalb es bei der Verjährung der Servituten durch Nichtgebrauch auf dieselbe nicht ankommen soll. Zn keinem Falle ist die Ausdehnung, welche die zu II. und IV. ge­

nannten Nechtslehrer dem kanonischen Rechte geben, begründet, Das Cap. 20. X. de praescr. (II. 26.) erklärt die mala fides für

conscientia rei alienae; von einer res aliena kann aber bei gewöhnli­

chen Schuldklagen und Verpflichtungen zu einer Handlung, so wie bei Her­ ausgabe eigener Sachen, nicht die Rede seyn, und daher möchte, wenn man nicht

die

angeführte Stelle blos

auf die Acquisttiv-Verjährung beziehen

will, die Ansicht Böhmer's und Unterholzner's die vorzüglichste seyn. Vergl. die Entscheidungen des Geheimen Ober-Tribunals, Bd.7. S. 264 — 269.

85 Deshalb wurde beantragt, dasselbe Prinzip wiederum her­

zustellen und den Satz auszusprechen: daß

die Verjährung durch Nichtgebrauch den Verlust des

Rechts zur Folge habe.

Es sey arlch durchaus keine Ungerechtigkeit, mit dem Ab­ laufe der Verjährungsfrist ben Verlust des Rechts selbst ein­

treten zu lassen.

Dieser treffe den Gläubiger als Strafe seiner

Nachlässigkeit, imb er habe es sich selbst zuzuschreiben, wenn er

Zahre habe verstreichen lassen, ohne die Forderung einzukassiren.

Die Gesetze machten ihm rricht einmal die Einforderung zur

Pflicht, sondern gewährten ihm die Mittel, sich vor dem Ab­ laufe der Verjährung durch Berzichtleisttlng des Schuldners auf

die Verjährung, durch dessen Anerkenntniß, oder durch Nova­ tion zu schützen *), *) Das Römische Recht hebt zwar durch die Extinktiv-Verjährung nicht das Recht selbst,

sondern nur die Klage auf und läßt eine naturalis

obligatio für den Verpflichteten fortbestehen.

Ein Zurückkehren zu dieser

Theorie würde jedoch wegen der völlig abweichenden Grundsätze des Allg.

Landrechts bedenklich seyn.

Letzteres

geht nämlich davon aus, daß durch

die Verjährung nicht blos die Klage, sondern das Recht selbst erlischt,

wie dies die in den §§. 600—502. Tit. 9. Th. I. gegebene Definition der

Verjährung, die §§. 508. 509. 632. 655. u. a., namentlich die Bestim­ mung des §. 7. Tit. 16., in welchem die Verjährung den übrigen reme-

diis tollend! Obligationen! völlig gleichgestellt ist, beweisen.

Za selbst

die §§. 568 und 569. sind hierauf gegründet, indem sie eine Vermuthung nicht für die Aufhebung der Klage, sondern für die Tilgung der Ver­ bindlichkeit selbst aussprechen. (Vgl. die Ann. S. 82—83.) Daher sind

auch ferner diejenigen Fälle, in welchen die Wirkung

Verjährung besonders

hervortritt, größtentheils im Allg. Landrechte anders entschieden, wie im Römi­

schen Rechte.

Namentlich läßt sich aus dem Grundsätze des Allg. Landrechts

1) die Verjährbarkeit der Einreden, sofern sie mittelst Klage geltend

gemacht werden können, (vergl. Allgem. Landrecht Th. I. Tit. 5. §. 345.), herleiten,

sind.

während nach dem Römischen Rechte die Einreden unverjährbar

(L, 5. §. 6. Dig. de doli mali exceptione, 44, 4.)

Insbeson­

dere ist im §. 377. Tit 16. Th. I. der Einwand der Kompensation für

86

Bei der Erlassung eines neuen Gesetzes erscheine es ange­ messen, sich umzusehen, wie der Gegenstand in den Nachbarunzulässig erklärt, wenn dte Gegenforderung, womit kompenflrt werden soll, zur Zelt der Zahlbarkeit der eingeklagten Forderung schon verjährt war. Nach dem Römischen Rechte dagegen wurde, dem allgemeinen Prinzipe ge­ mäß, welches nur die Klage, nicht die Forderung selbst aufhebt, eine solche Gegenforderung allerdings für zur Kompensation geeignet erachtet werden muffen, wie dies, mit Rücksicht auf die I. 6. Dig, de compensationibus (16, 2) Weber, von der natürlichen Verbindlichkeit (§. 92.), Glück, Kommentar (Bd. 15. S. 65.) und Thibaut, Pandektenrecht (§. 998.) ausdrücklich bestätigen, obwohl Unterholzn er (§. 258. S. 314.), gestützt auf die 1,14. D, eod., eine verjährte Gegenforderung auch nach Römischem Rechte für unbrauchbar zur Kompensation hält. 2) Bei der Bestellung einer Sicherheit durch Pfand oder Bürgen kommen zwei Fragen zur Sprache: a) ob eine Bürgschaft- oder Pfand-Bestellung für eine verjährte For­ derung gültig seh. Nach dem Römischen Rechte muß diese Frage un­ bedenklich bejahet werden. (Bergt. 1. 7. Dig. de fidejussoribus [46, 1.], §. 1. Inst, de fidejussoribus |3, 21.], Unterholzner §. 258.) Nach dem Allg. Landrechle dagegen würde, obgleich dasselbe hierüber keine ausdrückliche Vorschrift enthält, aus den §§. 251. und 277. Ttt. 14. und aus dem §. 12. Tit. 20. Th. I. das Gegentheil gefolgert werden müssen (vergl. die gedruckten Motive der Gesetzreviflon zum Tit. 14. Th. I., S. 35.); b) wird der Bürge durch die Verjährung der Hauptschuld, sofern gegen ihn die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist, befreiet, oder haftet er dem Gläubiger noch ferner, bis die Klage aus der Bürgschaft durch Verjährung erloschen ist? DaS Allg. Landrecht Th. I. Tit. 14. §. 391. bestimmt ganz konse­ quent das Erstere. Nach dem Römischen Rechte würde jedoch, theils auS dem allgemeinen Prinzipe, theils, da tarn Bürgen nur dte exceptiones rei cohaerentes, nicht auch die exceptiones in persoilam zustehen (1. 7. Dig. de exceptionibus, 44, 1.), die exceptio praescriptionis aber wohl zu den letzteren gerechnet werden muß, indem sie blos das Ver­ hältniß zwischen dem Kreditor und dem eigentlichen Schuldner betrifft, und jede Klage ihre eigene Verjährung hat, das Gegentheil angenommen wer­ den müssen. 3) Die Novation einer verjährten Forderung ist zwar im Allgem.

87 staaten behandelt worden. Das neueste allgemeine Gesetzbuch eines großen Staates sey das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für die gesummten deutschen Erbländer der Oester reich i sch en Monarchie vom Zahre 1811. Dieses habe die Lehre von der

Landrechte eben so, wie im Römischen Rechte, zulässig. Diese Ueberein­ stimmung enthält jedoch keine Abweichung von der, der Verjährung betge­ legten Wirkung, sondern hat lediglich darin ihren Grund, daß das Atlgem. Landrecht bet der Novatton von einem andern Prinzipe, wie das Römische Recht, ausgeht. Wäre nach dem Allgem. Landrechte, wie im Römischen Rechte, zur Gültigkeit der Novation die Rechtsbeständigkeit der alter? Ver­ bindlichkeit, wenn auch nur naturalitcr, erforderlich, und dit-Novation einer inefficax oder einer gar nicht existirenden obligatio ohne Kraft (1.1. §. 1., 1. 14. §. 1. Dig. de novationibus, 46, 2J, so wurde allerdings eine durch Verjährung völlig erloschene Forderung zur Novation nicht geeignet seyn. Nach dem §. 467. Th. I. Ttt. 16. des Allg. Landrechts aber kommt eS auf die Rechtsbeständigkeit der alten Verbindlichkeit gar nicht an, und sonach mußte auch die Novation einer durch Verjährung erloschenen Forde­ rung für zulässig erachtet werden. Zwar bestimmt der folgende §. 468., daß bei der Novation einer nicht rechtsbeständigen älteren Verbindlichkeit die posterior obligatio unter denselben Umständen widerrufen werden könne, unter welchen die Rückforderung einer geleisteten Zahlung stattfinde. Hier­ durch wird der Grundsatz des §. 467. beschränkt; allein immer bleibt die Abweichung vom Römischen Rechte, daß dieses eine solche Novation für unbedingt ungültig erklärt, ohne daß es auf den Irrthum des sich Obligirenden ankommt, während nach dem Allg. Landrechte ohne einen solchen Irr­ thum die Novation nicht angefochten werden kann. (Th. I. Tit. 16. §. 181.) 4) Endlich zeigt sich die Wirkung der Verjährung bet der indebiti condictio, welche sowohl nach Römischem, wie nach dem Allg. Land­ rechte bet der Zahlung einer verjährten Forderung ausgeschlossen ist. (Allg. Landrecht Th. I. Tit. 16. §§. 178. und 179.) Dieser Grundsatz findet sich schon in dem gedruckten Entwürfe zum Allg. Gesetzbuche, Th. 2. Tit. 13. §§. 96. und 97., und läßt sich schon um deswillen vertheidigen, weil, wenn selbst mit dem Ablaufe der Verjährungsfrist die Zwangsverbindlichkeit deS ursprünglichen Schuldners für völlig ausgehoben angesehen werden müßte, dennoch eine moralische und unvollkommene Pflicht ihm verbleibt, vermöge deren die Zurückforderung des Gezahlten nicht gestattet werden kann.

88 Verjährung

mit

einer musterhaften Klarheit und Kürze be­

handelt ”). Und die darin sanktionirten Grundsätze seyen es,

deren

Beobachtung nicht dringend genug empfohlen werden könnte. Gegen diese Deduktion wurden indessen mehrere Einwen­ dungen erhoben:

I.

Solle die Aufhebung der

568. und 569. Tit. 9.

Th. I. des Allg. Landrechts mit der erforderlichen Ueberzeugung von der Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit derselben erfolgen, so

müsse zuvor feststchen, auf welche Fälle der Verjährung jene sich wirklich bezögen, d. h. welches das wahre Gebiet ihrer

Wirksamkeit sey.

Ueber den Umfang der Verjährung durch

Nichtgebrauch und die davon abhängenden Arten ihrer An­

wendung

mend.

wären So

die Ansichten

z. B.

aber keineswegcs übereinstim­

nehme ein neuerer Schriftsteller"") drei

Klassen derselben an: 1) Extinktiv - Verjährung der Rechte,

*) Seine Bestimmun.qen sind folgende: §. 1451. Die Verehrung ist der Verlust eines Rechts, welches während der von dem Gesetze bestimmten Zeit nicht ausgeubt worden. §. 1478. Zur eigentlichen Verjährung (im Gegensatz der Ersitzung) aber ist der bloße Nichtgebrauch eines Rechts, das an sich schon hätte ausgeübt werden können, durch 30. Jahre hinlänglich. §. 1479. Alle Rechte gegen einen Dritten, sie mögen den öffentlichen Büchern einverleibt seyn oder nicht, erlöschen also in der Regel läng­ stens durch den 30jährigen Nichtgebrauch, oder durch ein so lange Zeit beobachtetes Stillschweigen. §. 1499. Auf gleiche Art kann nach Verlauf der Verjährung der Ver­ pflichtete die Löschung seiner in den öffentlichen Vuchern eingetragenen Verbindlichkeit, oder die Nichtigerklärung des dem Berechtigten bisher zugestandenen Rechts und der darüber ausgestellten Urkunden erwirken. **) Grävell, Besitz und Verjährung, S. 130. 143. bis 147. und 147. bis 149.

89 2) Verjährung der Klagen, 3) Erlöschung der Befugnisse durch Nichtgedratlch.

Auf welche dieser Klaffen seyen die gedachten Paragraphen für anwendbar $tt

achten?

Auf alle Artel« der Verjährung

durch Nichtgebrauch könnten sie allerdings nicht bezogen wer­

den,

da sie von der Vermuthung einer inzwischeit erfolgten

Aufhebung

der Verbindltchkelt ansgingen,

aber in vielen Fällen gar nicht paßte.

diese Vermuthung

Die fraglichen Para­

graphen hätten daher, den Worten nach, eine viel größere Zlnsdehnung, als ihnen in der Wirklichkeit beigelegt werden könne.

Bei genauer Betrachtung ergebe sich, daß sie nur bei der Ver­

jährung der Obligationen, nicht aber der Realrechte, zur Anwendung kommen könnten.

Mit Rücksicht auf den hier­

unter bestehenden, sehr wesentlichen Unterschied sey in dem Pen­ sum Xlll. der Gesetzrevision

die Eintheilllng

der

ertinktiven

Verjährung in

1) Klageverjährung und

2) Verjährung durch Nichtgebrauch in Vorschlag gebracht worden, und zwar die erste mit der Wir­

kung, daß nur das Klagerecht, nicht aber das Recht selbst, die

letzke hingegen mit der Wirkung, daß das Recht selbst verlo­ ren gehe.

Dieser Vorschlag scheine sehr beachtungswerth; es seyen aber hierbei verschiedene Nkeinungen möglich.

Um einen Be­

schluß darüber fassen zu können, müßte II.

feststehen, welcher Gesichtspunkt bei der Verjährung

überhaupt als der richtige und leitende anzunehmen sey.

Bei

der Redaktion des Allg. Landrechts wäre laiige Zeit von der

poena negligentiae, als einzigem Grunde der Vcrjährling durch

Nlchtgebrauch, ausgcgangen «nid daher ganz konsequent angc-

90

nommen worden, daß die bona fides des Verpflichteten ganz gleichgültig sey *).

Erst ganz zuletzt sey, anscheinend gegen die

Ansicht von Suarez, der Gesichtspunkt einer Präsumtion der Tilgung der Verbindlichkeit aufgekommen, wozu eine unklare

und zweideutige Auffassung

von

der bona fides sich gesellt

habe. — Hieraus seyen die beiden nicht glücklichen

568.

und 569. entstanden*").

Was hierin das Wahre sey, lasse sich ohne ein tieferes

Eindringen in die Verjährungslehre nicht bestimmen.

Zeder

der beiden angeführten Gründe habe seine Wahrheit, aber nur eine beschränkte.

Die Präsumtion der Tilgung sey nur bei

Obligationen wahr und auch bei diesen nicht allgemein.

Von

einer poena negligentiae könne hier nur in einem uneigent­

lichen Sinne die Rede seyn.

Nicht immer sey bet der unter­

lassenen Verfolgung des Anspruchs eine negligentia vorhanden,

und wo eine negligentia obwalte, sey diese an sich nicht etwas Strafbares.

Sie könne nur als Grund zur Beseitigung des

Einwurfes einer Härte oder Ungerechtigkeit der Verjährung die­ nen, nicht aber als deren wahres Fundament.

Um über letz­

teres klar zu werden, genüge keine blos beiläufige Erwägung. III.

Die Wirkung der Verjährung solle nach der vorge-

schlagenen Bestimmung bestehen in der Vernichtung des Rechtes.

Zu einem überzeugenden Resultate in dieser Beziehung

könne man aber nur durch eine umfassende Erörterung der Obli­ gationen, ihrer Natur und Arten gelangen.

IV.

Die Wirkung der Verjährung ätißere sich mittelbar

bei mehreren Rechtsmaterien, namentlich bei *) Simon und von Strampff, Zeitschrift, 95b. 111. S. 421. 426. -162. 508. 512. 527. und 532. °“) Simon und von Strampff a. a. L. S. 532. und 580.

91 a) der Kompensation, b) der Novation,

c) der Pfand- und Bürgschafts-Bestellung, d) der Zurückforderung einer aus Irrthum gezahlten Nicht­

schuld (condictio indebiti), c) der Verjährung der Einreden.

Hinsichtlich der drei ersten Rechtsmaterien sey die Sache von beschränktem praktischen Interesse, von desto größerem aber hin­ sichtlich der beiden letzten. Bei der condictio indebiti würde der Satz: daß die Verjährung die gänzliche Vernichtung des Rechts

zur Folge habe, in konsequenter Entwickelung dahin führen, daß eine nach Voll­

endung

der Verjährung

gezahlte Schuld den Karakter einer

wahren Nichtschuld annehme, welche der Rückforderung un­

terliege. Zn Ansehung der Verjährung der Einreden begründe der gedachte Satz die nothwendige Folge, daß die Einreden, gleich den Klagen, verjährbar würden.

Rechte finde dieses nicht statt.

Nach dem Römischen

Zn Bezug auf einzelne Fälle

sey hierin die Unverjährbarkeit der Einreden ausdrücklich aus­ gesprochen *), und folge von selbst daraus, daß bei Obligatio­

nen die Wirkung der Verjährung sich nur auf den Verlust des Klagerechts (actio) erstrecke.

Quae ad agendum sunt tem-

poralia, ad excipiendum sunt perpetua, — sey ein eben so bekannter, als unstreitiger Rechtssatz.

Das Llllgemeine Landrecht habe sich über die Verjährbar­ keit der Einreden nicht besonders ausgesprochen.

Sie sey auf

*) L. 5. §. ult. Dig. de doli mali et metus except., 44., 4.

92

de» Grund des

345. Tit. 5. Th. I. vielfach behauptet wor­

den, indem aus der Bestimmung dieses Paragraphen:

daß das Recht auf Gewährleistung verloren gehe, wenn die

Klage nicht in den §>§. 343. und 344. festgesetzten Fristen gerichtlich angemeldct worden,

gefolgert werde, daß nach Ablauf dieser Fristen, wegen des daran geknüpften Verlustes des Rechtes, die Gewährsmängel

nicht weiter gerügt und mithin auch nicht im Wege der Ein­

rede, als exceptio non impleti contractus, geltend gemacht werden köilnten, jene Bestimmung daher die Verjährbarkeit der

Einreden in der Anwendung auf einen speziellen Fall feststellt.

Das

Geheime Ober-Tribunal habe aber diese Interpretation

nicht angenommen, vielmehr den Rechtssatz: quae ad agen-

dum sunt temporalia, ad excipiendum sunt pcrpetua, auch

auf die Gewährleistung angewendet ***) ). Diese Entscheidung unter­ stellte nothwendig die Prämisse, daß die Verjährung den Ver­

lust des Rechts nicht unbedingt zur Folge habe.

Würde

das Gegentheil hiervon, mit Abänderung der §§>. 568. und 569. Tit. 9. Th. I. des Allgemeinen Landrechts, verordnet, so scv der gedachte Rechtssatz nicht ferner aufrecht zu halten, in­

dem, wenn ein Recht ganz erloschen sey, dasselbe in keiner Art, folglich auch nicht im Wege der Einrede, geltend gemacht wer­

den könne.

Die Aufhebung jenes Rcchtssatzes erscheine aber

höchst bedenklich.

Die Erfüllung eines Vertrages könne IUemand fordern, welcher demselben nicht seiner Seits ein Genüge geleistet habe60). *) vntschcidnngcu, 93b. 1 S. 121—136. Bgl. die Ergänzungen und Erläuterungen des Allg. Landrechts, Suppl. Bd., Abth. I. S. 213 bis 211., die Juristische Wochenschrift, Zahrg. 9. S. 49.

**) Mlg. Landrecht Th. I. Tit. 5. §. 271.

93 Der Nachweis, daß letzteres geschehen sey, gehöre wesentlich znr

Begründung des Anspruchs.

Es würde aber in vielen Fällen,

ohne dieses Erforderniß zu erfüllen, ein Anspruch ftattfinden,

wenn nach einer gewissen Zeit die exceptio non impleti contraclus nicht mehr vorgeschützt werden köimte.

Die Exzeption

dürfe daher an keine Zeit gebunden werden, wenn nicht An­ sprüche, die gar nicht bestehen, als bestehend behandelt werden

sollten.

Wer im Besitze der Mittel sich befinde, durch welche er

wegen seines Rechtes oder gegen Anforderungen gesichert sey, bedürfe der Klage nicht, sondern könne abwarten, daß er be­

langt werde;

ihn dessen tingeachtet zur Anstellung der Klage

zu nöthigen und in kostspielige Rechtshändel zu verwickeln, tviderstrebe der Natur der Sache und sey mindestens eine Härte

zu nennen.

Solche Mißverhältnisse knüpften sich aber noth­

wendig an die Verjährung der Einreden, in deren Folge man auch, wenn man durch Einreden auf das vollkommenste gedeckt sey, dennoch znr Klage würde schreiten müssen, um nicht sein

Recht zu verlieren.

Es würden hierdurch viele Prozesse her­

vorgerufen, welche sonst unterbleiben würden, indem, wenn die Einreden durch Verjährung nicht verloren geheir, der durch Ein­

reden geschützte Theil keine Veranlassung habe, zlt klagen; der andere Theil aber, welchem die Einreden in der Regel bekannt

seyen, keinen Prozeß unternehmen werde, dessen Erfolglosigkeit er vorailssehen könne.

Die Verminderung der Prozesse, welche

hiernach aus der Unverjährbarkeit der Enireden entstehe, erscheine

viel wichtiger, als der Umstand, daß das Sachverhältniß, auf

welchem die Einreden beruhen, nach längerer Zeit nicht mehr gehörig aufzuklären fei'.

Der Nachtheil hiervon treffe überdies

94

hauptsächlich denjenigen, welchem die Einredm zustehen, und könne daher nicht wesentlich in Betracht kommen.

Aus den vorstehenden Betrachtungen nahm man von ei­

ner Bestimmung über die Wirkung der Verjährung, mittelst Abänderung der Vorschriften der

568. und 569. Tit. 9.

Th. I. des Allgemeinen Landrechts, bei dem vorliegenden Gesetze

Abstand und behielt diesen Gegenstand, weil er nur in Ver­ bindung mit der gesammten Materie der Verjährung gehö­

rig zu erwägen sey, der Revision des von der. Verjährung han­

delnden neunten Abschnitts des Allgemeinen Landrechts a. a. O. vor. Da hiernach an den Vorschriften über die Wirkung der

Verjährung Nichts geändert wurde*), so blieb auch in An­ sehung der neu eingeführten kürzeren Verjährungen das durch

den

569. Tit. 9. Th. I. begründete Erforderniß der bona

fides bestehen. Man war zwar ganz damit einverstanden, daß dasselbe

dem Wesen der Extinktiv-Verjährung nicht entspreche.

kürzeren

Verjährungsfristen

Bei dm

glaubte man aber am wenigsten

Veranlassung zu haben, eine Aenderung hierin zu treffen.

Das Französische Civilgesetzbuch hat, obwohl es im Art. 2262.

die exceptio malae fidei bei der Extinktiv-Verjährung für un­ zulässig erklärt, für nöthig erachtet, demjenigen, welchem die

in den Art. 2271—2274. angeordneten kürzeren Verjährungen entgegengesetzt werden, die Befugniß vorzubehaltm, dem Ge­

gentheil über die wirklich erfolgte Zahlung der Schuld den Eid anzutragen (Art. 2275.).

Nach Anleitung dieser Bestimmung war eventuell vor-

*) Bgl. da« Justij-Minlstrrlal-Blatt, Zahrg. III. S. 108—110-

95 geschlagen worden, dem Gläubiger zn gestatten, dem Schuldner

einen Eid darüber zu deferiren, daß er nicht wisse, auch nicht glanbe,

sey.

daß die Forderung noch unberichtigt

Die Zulassung eines solchen Eides, dessen Zurückschiebung

nicht stattfinden sollte, ist aber bei der Berathung

ebenfalls

nicht für angemessen erachtet worden, weil dadurch eine Ver­

schiedenheit in der Wirkung der Verjährung entstehen und zu chikanösen Klagen Veranlassung gegeben würde, indem unred­

liche Schuldprätendenten die Eidesdelation mißbrauchen wür­ den, um von gewissenhaften Personen, welche die Aufopferung einer unbedeutenden Geldsumme der Ableistung eines solchen

Eides vorziehen, eine ungegründete Zahlung abzuprrssen.

Da

die Vorschriften der §>§. 568. und 569. Tit. 9. Th. I. des Allgemeinen Landrechts wegen der Wirkung der Verjährung vorläufig unverändert blieben, so dürfe zum Zwecke des darin nachgelassenen Gegenbeweises die Eidesdelation hier nicht aus­ geschlossen werden.

Es würde sonst die Anomalie entstehen,

daß ein Gegenbeweis, welcher bei der längeren Verjährung zu­ lässig sey, bei einer sehr kurzen nicht stattfinden könnte.

Daß

die Eidesdelation hierbei in der oben erwähnten Art gemiß­ braucht werde, sey aber nicht zu besorgen, da eine Zurückschie­

bung des Eides, deren Ausschließung zu dieser Besorgniß haupt­ sächlich Veranlassung gegeben habe, stattfinden könne, und der Gläubiger zum Zwecke des Gegenbeweises nach dem §>. 569.

a. st. O. Thatsachen artikularen müsse*), aus welchen hervorgehe,

daß der Schuldner unredlicher Weise und gegen

besseres Wissen von seiner noch fortwährenden Verbindlichkeit

Vgl. da« Zustiz-Ministerlal-Blatt, Zahrg. III. S. 190—192. 307 —308. und die Juristische Wochenschrift, Jahrg. 8. S. 888.

OG sich deren Erfüllung zu entziehen suche.

ren

Diese Thatsachen wä­

nothwendig von der Art, daß der Schllldner einen Eid

darüber ablegen könne; das thema probandum sey aber da­

bei so beschränkt, daß der Schuldner gegen chikanöse Klagen

genügend gesichert wäre. — Und so hat man denn auch über den bei den kurzen Verjährungen zulässigen Gegenbeweis nichts

Besonderes bestimmt, sondern es ebenfalls, wie in Betreff der Wirkung derVerjährung überhaupt, bei den Bestimmun­

gen des Allgemeinen Landrechts und der Prozeßordnung belassen. So Viel im Allgemeinen.

Zu den einzelnen Para­

graphen des Gesetzes vom 31. März 1838. ist Folgendes zu

bemerken. Zn dem §. 1.

ist für diejenigen Forderungen, welche

entweder sofort nach dem Abschlusse des betreffenden Geschäf­

tes, oder doch am ElMe des Jahres, in welchem sie entstarrden

*) §. 1. Mit dem Ablaufe von zwei Jahren verjähren die Forderungen: 1) der Fabrik-Unternehmer, Kaufleute, Krämer, Künstler und Handwer­

ker für Waaren und Arbeiten, ungleichen der Apotheker für gelieferte

Arzlteimittel. Ausgenommen hiervon sind solche Forderungen, welche in Bezug aus den Gewerbebetrieb des Empfängers ter Waare oder Arbeit entstanden sind; 2) der Fabrik-Unternehmer, Kaufleute,

Krämer, Künstler und Hand­

werker wegen der an ihre Arbeiter gegebenen Vorschüsse; 3)

der öffentlichen und Privat- Schul- und Erziehungs-, so wie der Pensions- und Verpflegungs-Anstalten aller Art für Unterhalt, Unter­ richt und Erziehung;

4)

der öffentlichen und Privatlehrer hinsichtlich der Honorare, mit Aus­ nahme derjenigen, welche bei den Universitäten und andern öffentli­ chen Lehranstalten reglementsmäßig gestundet werten;

5)

der Fabrikarbeiter, Handwerksgesellen, Tagelöhner und anderer gemei­

ner Handarbeiter wegen rückständigen Lohnes;

6)

der Fuhrleute und Schiffer hinsichtlich des Fuhrlohns und Frachtgel­

des, so wie ihrer Auslagen; 7)

der Gast- und Spcisewirthe für Wohnung und Beköstigung.

97 sind, berichtigt zn werden pflegen, eine zweijährige Verzährnngsfrist bestimmt.

Unter Nr. i. sind dabei die Forderungen

ausgenommen worden, welche in Bezug auf den Kcwerbsbetrieb dcö Empfängers der Waare oder Arbeit entstanden sind, weil Fabriklinternehmer, Kaufleute, Krämer, Künstler und

Handwerker unter einander eines längeren Kredits bedür­ fen, und daher eine kürzere Verjährungsfrist auf den Verkehr

nachtheilig einwirkcn würde.

Eben so bestimmt das Französi­

sche Recht eine kürzere Verjährungsfrist nur für die Klage»

der Kaufleute pour les marchandises, qu’ils vendent aux particuliers non marchands.

(Code civil, Art. 2272.)

Unter Nr. 4. ist für die Forderlingen der an den Unioer-

sitäten und anderen öffentlichen Lehranstalten angestclltcn Leh­ rer hinsichtlich des Honorars, welches dem Debcntcn wegen zei­

tigen Unvermögens gestundet worden ist,

die gcwöbnlicke

Verjährungsfrist bcibchalten, weil, welin auch nach den allge­

meinen Regeln die Verjährniig erst von dcni Termine zu lau­ fen anfängt, bis zu welchem die Stundung bewilligt ist, hier der Zeitpunkt, bis zu welchem gestundet worden, das Eintretcil

besserer Vcrmögensumstände, linbestlmmt ist tnib oft von dem Lehrer innerhalb der nächsten zwei Zahre nicht in Erfahrung gebracht werden kann.

Ueberdies war cs mit Rücksicht darauf,

daß die Stundung lediglich wegcit der dürftigen Lage des Debenten bewilligt wird, billig, cs bei der gewöhnlichen Verjäh­

rung zu belassen.

Für die Gebühren und Auslageit der im §. 2. *) **) Nr. 1.

*) §. 2. Mit dem Ablauf« von vier Zclhren verjähren die Forderungen: 1) der Kirchen, der Geistlichen und anderer Kirchcnbeanue» wegen der

Gebühren für kirchliche Handlungen; 2) der Kommiffariew öffentlicher Behörden, der Justiz-Kommissarim und

98 und 2. genannten Beamten rc., der Sachverständigen unb Zeu­ gen war es angemessen, dieselbe Berjähnlngsfrist, wie für die Gerichtskosten (Nr. 8.) zu bestimmen, da viele dieser Gebühren und Auslagen in Prozessen vorkommen und alsdann ganz die Natur der Prozeßkosten annehmen. Die Forderungen der Haus - und Wirthschafts-Offizianten, der Handlungsgehülfen, des Gesindes, und der Lehrherren in Betreff des Lehrgeldes (Nr. 3. und 4.) werden zwar in der Regel vierteljährlich, oder doch jährlich berichtigt. Die zweijährige Verjährungsfrist erschien jedoch hierbei um

3)

4) 5)

6)

7) 8)

gerichtlichen Anwälte, der Notare, der Medizinal-Personen, mit Aus­ schluß der Apotheker, der Feldmesser und Kondukteure, der AuktionsKommiffarien, der Mackler, und überhaupt aller derjenigen Personen, welche zur Besorgung bestimmter Geschäfte öffentlich bestellt oder zu­ gelassen find, oder sonst aus der Uebernehmung einzelner Arten von Aufträgen ein Gewerbe machen, so wie der Zeugen und Sachverstän­ digen, wegen ihrer Gebühren und Auslagen; der Haus- und Wirthschafts-Offizianten, der Handlungsgehülfen und des Gesindes an Gehalt, Lohn und andern Emolumenten; der Lehrherren hinsichtlich des Lehrgeldes; wegen der Rückstände an vorbedungenen Zinsen, an Mieths- und Pachtgeldern, Pensionen, Besoldungen, Alimenten, Renten und allen andern zu bestimmten Zeiten wiederkehrenden Abgaben und Leistungen, es mag das Recht dazu im Hypothekenbuche eingetragen seyn oder nicht; wegen Rückstände von Abgaben, die in Folge einer vom Staate be­ sonders verliehenen Berechtigung an Privatpersonen zu entrichten find, als: Wege- und Brückengelder u. s. ro.; auf Erstattung ausgelegter Prozeßkosten von dem dazu verpflichteten Gegner; auf Nachzahlung der von den Gerichten, General-Kommissionen, Re­ visions-Kollegien und Verwaltungsbehörden gar nicht oder zu wenig eingeforderten, oder auf Erstattung der an dieselbe zu viel gezahlten Kosten, mit Einschluß der Stempel- und Portogefälle; ausgenommen bleiben jedoch die Werthstempel, welche mehr als Ein Prozent betra­ gen, oder zu Verträgen und Schuldverschreibungen zu verwenden find.

99 deswillen zu kurz, weil die genannten Personen in vielen Fäl­

len ihr Gehalt und Lohn, so wie das Lehrgeld, nicht so wie eS fällig ist, einfordrrn, sondern Zahre lang stehen lassen.

Dem unter Nr. 5. für die rückständigen vorbedunge-

nen Zinsen und alle wiederkehrenden Leistungen") bestimmten

vierjährigen Termine liegt die gesetzliche Vorschrift, wonach die Zinsen der Staatsschuldscheine in vier Zähren verjähren *"),

zum Gründer Zn dem Allgemeinen Landrechte Th. !• Tit. 11.

849.

ist für Zinsen schon eine kürzere Verjährungsfrist von zehn Zähren vorgeschrieben.

Diese ist hier auf vier Zahre herabge­

setzt und auf alle zu bestimmten Zeiten wiederkehrende 8lbga-

ben und Leistungen ausgedehnt worden.

Das Französische Ci-

vilgesetzbuch, Art. 2277. hat dafür eine fünfjährige und das

Oesterreichische bürgerliche Gesetzbuch eine dreijährige Verjäh­ rungsfrist bestimmt.

ES ist also hier eine mittlere Frist an­

genommen, aber auf andere als vorbedungene Zinsen nicht

ausgedehnt worden.

Ob die in dem §. 849. des Allgem. Landrechts a. a. O. vorgeschriebene zehnjährige Verjährung auf ZögerungSzinsen sich erstrecke, ist eine vielfach zur Erörterung gekommene Streitftage"""). Das Zustiz-Ministerium hat sich in einem Re­

skripte vom 1. Mai 1820. t) für die bejahende Entscheidung

ausgesprochen, weil die angeführte Gesetzstelle zwischen den ver-

°) Vgl. das Justiz-MInisterial-Blatt, Zahrg. III. S. 343—344.

’*) Gesetz vom 17. Januar 1820., §. 17. (Gesetzsammlung für 1820. S 14—15) •**) Vgl. die Ergänzungen und Erläuterungen des Nllg Land­ rechts, Abth. 1. S. 369. und Suppt. Bd., Abth. 1. S. 479—482. t) Jahrbücher, Bd. 15. S. 243.

100 schiedenen Arten von Zinse» nicht unterscheide; das Geheime Oder-Tribunal hat aber beständig nach der entgegengesetz­ ten Ansicht erkannt, weil der im

849. gebrauchte Aus­

druck „rückständig verbleibende Zinsen" nur auf vorbcdungene,

nicht

aber auf Zögernngszinscn

könne, und die Beschränkung der Zinsen Betrag nach

bezogen

auf einen

werden gewissen

851. a. a. O. nicht stattfinde.")

In den Materialien des Allg. Landrechts ist die gedachte Frage nicht unmittelbar berührt.

Aus der, in der Abhand­

lung über die Bcrjährung der Zinsen °°)

abgedruckten

Stelle

der Sliarez'schen revisio inonilorum crgiebt sich aber, daß

bei dem

849. die Absicht ans eine Erlöschung der Zins­

rückstände durch eine eigentliche Extinktiv-Präskription gerichtet

gewesen, bei welcher die Grundsätze dieser Bcrjährungsart, wie auch im §. 850. a. a. O. angedeutet worden, volle Anwen­

dung finden sollten.

Hiernach, so wie nach allgemeinen Rechts­

grundsätzen ist die vou dem Geheimen Ober-Tribunale angegenommene Ansicht, für welche auch der Verfasser der obigen

Abhandlung sich erklärt hat, als die richtigere zu betrachten. Die Verjährung einer Forderung setzt einen seit dem Ver­

falltage abgelaiifciicn Zeitrauni voraus.

Vor dem Verfalltage

kann sie, weil erst nach dessen Eintritte die Verbindlichkeit ge­

fordert werden kann, oder actio nata vorhanden ist, zu laufen nicht

anfangcii. !’< 0)

Ein eigen« Verfalltag,

wie solcher bei

vorbedlingenen Zinsen jedesmal stattfindet, kommt bei Zö-

°) Simon und von Strampsf. Rcchisspruche, Bd. I. S. 147. und folg. **) Zeitschrift von Simon und von Strampsf, Bd. 1 S. 353.

*’*) Allg. Landrecht Th. I, 5it. 9. §. 5-15.

101

gernngszinsen nicht vor; letztere sind von dem Verfalltage des Kapitals an zu rechnen, sic sind nicht zu einer bestimm­

ten, vom Kapitale unabhängigen Zeit zahlbar, sondern bleiben ein acccssorium des letzteren.

Es ist hiernach kein. Zeitpunkt

aufjusinden, von welchem an bei Verzugszinsen die Verjäh­

rung zu laufen anfangen konnte.

Dieselben können daher ei­

ner besonderen, von der Verjährung des Kapitals unabhängi­

gen Verjährung nicht unterworfen werden.

Diese Grundsätze

sind in dem Wesen der Verjährung und der Verzugszinseit ge­ gründet, und mußten auch hier zur Anwendung kommen.

Den

Verzugszinsen fehlt überdies der Karakter einer periodisch wiederkehrendcn

Leistung,

zur Grundlage dient.

welcher der

vorliegenden

Bestimmung

Diese konnte daher auf Verzugszinsen

nicht ausgedehnt werden.

In Ansehung der letzteren hätte

nur die Frage entstehen können, ob dieselben, wie von der De­ putation für das Penslim XIV. der Gcsetzrcvision vorgeschlagcn

worden °), auf einen gewissen Betrag zu beschränken sevn möch­ ten.

Eine solche Beschränkung, welche nur bis zur Anstellung

der Klage wegen des Kapitals gehen könnte, würde der Be­

stimmung deS Römischen Rechts, daß Zinsen nicht ultra alterum tantum gefordert werden dürfen, analog seyn und auf eine Abänderung der Vorschrift des Allg. Landrechts §>. 851.

a a. O. hinauslaufen.

Znwiefern eine derartige Abänderung

für zweckmäßig zu achten sey, bedarf jedoch einer sorgfältigen und vielseitigen Erwägung, wobei die Verschiedenheit der Rechts­

geschäfte und besonders das Verhältniß, daß bei Kaufverträ­

gen res et pretium nicht zugleich genutzt werden dürfen, in Betracht zu zicheit ist.

Eine Beschränkung der Zögcrlingszin-

c) Entwurf, LH. I. Tit. 11. §. 5ti6. und Monoc, . 5.),

Ei­

gentlich ist hier actio erst nata, wenn die Festsetzung erfolgt ist; allein von diesem Zeitpunkte konnte der Lauf der VcrjährlNtg nicht abhängig gemacht werden, da die Frstsctzuiig in den

meisten Fällen nicht vo>i Amtswcgcn erfolgt, sondern von den

Interessenten nachgcsucht werden muß, und wenn erst mit der Festsetzung die Verjährung beginnen sollte,

die Zntcresscnten

deren Nachsuchiing 30. Jahre verschieben könnten.

Es war

also am angemessensten, in Betreff dieser Forderungen dasjc-

Slciupct- und Portogefälle mit del» letzten Dezember desjenigen Jah­ res, in welchem der Prozeß oder die Untersuchung durch rechtskräftiges Erkenntniß, Entsagung oder Vergleich beendet worden ist. Unter Pro­ zeß ist jede Art des gerichtlichen Verfahrens zu verstehen, welche Ge­ genstand des ersten Theils der Allgeiucineii Gerichtsordnung ist; 3) aller übrigen in den §§. 1. und 2. aufgeführtcn Forderungen mit dem auf den festgesetzten ZahlungSlag folgenden letzten Dezember, und, wenn cm Zahlungslag nicht besonders festgesetzt ist, mit dem letzten Dezem­ ber desjenigen Jahres, in welchem die Forderung entstanden ist.

113

nige Zahr anzunehmen, in welchem die Betheiligten ihre Li­ quidation zur Festsetzung einzureichen im Stande gewe­

sen sind, zumal nach dem Allg. Landrechte Th. I. Tit. 9. H

551. schon die Anmeldung der Klage *) die Verjährung

unterbricht, und zu dieser Anmeldung die Beibringung des Fest-

setzungsde^rets nicht erforderlich ist. Die in Prozessen und Untersuchungen vorkommenden Ge­

richtskosten, Stempel- und Portogefälle können vollständig erst

am Ende des Prozesses liquidirt werden.

Es konnte daher

rücksichtlich derselben als Anfangszeit der Verjährung auch nur

das Zahr angenommen werden, in welchem der Prozeß sein Ende erreicht hat (Nr. 2. im §. 5.).

Bei anderen gerichtli­

chen Geschäften, wie Vermögens-Auseinandersetzungen, Kura­

telen und Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, so wie ferner bei den vor den Verwaltungsbehörden verhandelten Ge­ schäften,

lassen

sich dagegen die Gebühren für die einzelnen

Akte sogleich liquidiren, und es konnte daher in Betreff dersel­

ben bei der ausgestellten Regel (Nr. 3.), daß die Verjährung mit dem Ablaufe desjenigen Jahres beginnt, in welchem die Gebühren entstanden, resp, fällig gewesen sind, verbleiben. Von der Beendigling des Geschäfts ließ sich hierbei der Lauf der

Verjährung nicht

füglich abhängig machen,

da manche Ge­

schäfte, wie Vormundschaften, oft viele Zahre hindurch fortdanern.

Ist dem Schuldner übrigens eine Stundung bewilligt worden, so beginnt die Verjährung erst nach Ablauf der Stun­

dungsfrist **), zumal in der Nachsuchung der Stundung der *) Vgl. das Zllstiz-MInIsterlal-Blatt, Zahrg. III. S. 65. bis 67. und 108. bi« 110. ") §. 164. Tit. 5., 4 545. Tit. 9. Th. I. des Allg. Landrecht«.

8

114 vollständige Beweis

der mala fides liegt,

welche nach den

568. und 569. Tit. 9. Th. L des Allg. Landrechts die Verjährung ausschließt.

Dem §. 6. *) liegt die ähnliche Vorschrift des Art. 2274. des Französischen Civilgesetzbuches zum Grunde; sie mußte je­ doch, da

1. und 2. mehrere, in dem letzteren nicht

die

aufgesührte Forderungen begreifen, allgemeiner wie dort gefaßt

werden. Der §. 7. **) beruhet auf der Vorschrift des

17. des

Publikations-Patents zum Allg. Landrechte. Die

8. 9. und 10. **«) beziehen sich auf alle Verjäh­

rungen und nicht blos auf die kürzeren.

modifiziren die

Die

8. und 9.

551. und 561. Th. I. Tit. 9. des Allg.

*) §. 6. Der Lauf der in den §§. 1. und 2. bestimmten Verjährungen wird dadurch nicht unterbrochen, daß das Verhältniß, aus welchem die For­ derungen entstanden sind, fortgedauert hat. **) §. 7. Gegen solche Forderungen, welche zur Zelt der Publikation dieses Gesetzes bereits fällig waren, können die in den §§. 1. und 2. vorgcschrlebenen kürzeren Fristen nur vom letzten Dezember 1838. an gerechnet werden. Bedarf es zur Vollendung der bereits angefangenen Verjährung nach den bisherigen gesetzlichen Vorschriften nur noch einer kürzeren Frist, als der in dem gegenwärtigen Gesetze bestimmten, so hat es bei jener kürzeren Frist sein Bewenden. “•) §. 8. Bel Abgaben, Leistungen und Zahlungen, die von einer Behörde eingezogen werden, welche befugt ist, solche ohne vorgängige gerichtliche Ent­ scheidung exekutivisch beizutreiben, tritt die Unterbrechung jeder Art der Ver­ jährung durch die Zustellung des Zahütngsbesehls ein. §. 9. Bei denjenigen Forderungen, bei welchen ein prozessualisches Verfahren vor Gericht nicht zulässtg ist, wird jede Verjährung durch schriftliche Anmeldung des Anspruchs bei der kompetenten Verwaltungsbehörde unterbrochen. §. 10 Beginnt nach erfolgter Unterbrechung eine neue Verjährung, so ge­ nügt zu deren Vollendung eine der ursprünglichen gleichkommende Frist. Eine Ausnahme hiervon findet jedoch Statt, wenn wegen des Anspruches eine rechtskräftige Verurtheilung erfolgt ist; in diesem Falle tritt, anstatt der ursprünglichen kürzeren, die ordentliche Verjährungsfrist ein.

115 Landrechts und waren dadurch, daß verfassungsmäßig die Er­ örterung mehrerer Ansprüche von der Kompetenz der Gerichte

ausgenommen ist *), bedingt. Ihre ausdrückliche Sanktionirung

war um so zweckmäßiger, als sie bereits oftmals vermißt wor­

den waren. Was den §. 10. anlangt, so war früher vielfach darüber gestritten worden, ob, wenn eine kürzere Verjährung unter­

brochen worden, nunmehr die 30jährige, oder wiederum die

ursprüngliche Verjährung zu laufen anfange.

Das Allg. Land-

recht enthält darüber in den allgemeinen §§>. 554. bis 556. 558. 560. und 563. Tit. 9. Th. I. keine Entscheidung.

Nur

im Wechselrechte findet sich die Vorschrift, daß durch die

Anstellung der Wechselklage die Wechselkraft des Schuld -Znstruments bis zum Ablaufe der

gewöhnlichen Verjährung

erhalten werde #e).

Diese Bestimmung ist indessen durchaus anomal. -Es ist kein rechtlicher Grund vorhanden, aus welchem die Anstelümg der Klage eine kürzere Verjährtingsfrist in eine längere sollte

verwandeln können. Der Grund der Verbindlichkeit des Schuldners bleibt der­ selbe, und sonach mllß auch die ursprüngliche Verjährung wie­ der eintreten.

Nur da, wo durch eine eigentliche Novation,

d. h. durch einen ausdrücklichen Vertrag ***), die frühere Ver­

bindlichkeit aufgehoben und eine neue an deren Stelle gesetzt

wird, würde die dreißigjährige Verjährung gerechtfertigt seyn.

e) Bgl. von Daniel«, Handbuch, S. 6. und folg., Wentzel, der Mandats-, summarische und Bagatell-Prozeß, S. 363— 364. und da« Zustiz-Ministertal.Blatt, Jabrg. III., S. 66. •’) Allg. Landrecht Th. II. Tit. 8. §§. 908. 1131.

"') Allg. Landrecht Th. I. Tit. 16. §. 454.

1 IG UebcrdieS

würde,

wenn

nach geschehener Unterbrechung mir

die 30jährige Verjährung stattsindcn sollte, der Zweck der kür­

zeren Verjährung in vielen Fällen vereitelt und deren Vortheil sehr beschränkt werden. Es sind daher durch den

10. die

554 — 556. 558.

560. lind 563. dahin deklarirt, daß für die daselbst nach ge­

schehener Unterbrechung wiederum zugelaffene neue Verjährung

jedesmal die ursprüngliche Frist maaßgebmd sey. Nur in dem Falle ist der Wiedereintritt der kürzeren Ver­ jährung

nicht zulässig,

vernrtheilt worden ist.

wenn der Schuldner rechtskräftig Die rechtskräftige Verurtheilung be­

gründet einen eigenen Rcchtstitel mit der Wirkung der Klage ex judicato, welche ein Zurückgehen auf den ursprünglichen Titel der Forderung entbehrlich macht.

Diese erhält durch das

Zudikat den Karakter eines unter öffentlicher Autorität festge­ stellt«! , jeden Zweifel atisschließenden Anspruchs, bei welchem die, eine kurze Verjährung bedingenden Gründe nicht eintreten.

Diese Ausnahme, welche der §. 10. macht, war übrigens um

so weniger zu entbehren, als bei der Zulassung der früheren kürzeren Frist die Forderung häufig schon vor dem Ablaufe der fünfjährigen Frist würde verjährt gewesen seyn, binnen welcher nach der Verordnung vom 1. Zunt 1833. §. 1. Nr. 3. *) aus

dem Urtheile der Mandatsprozeß stattfindet.

Es kam endlich zwar noch kn Vorschlag, eine Bestimmung dahin zu treffen:

daß, wenn die Verjährungsfrist weniger als vier Jahre be­

trage, die, gegen den Ablauf der Verjährung durch Nicht­

gebrauch, wegen eines inzwischen eingetretenen Hindernisses,

°) Gesetzsammlung für 1833. S. 37.

117

zulässige Wiedereinsetzung in

den

vorigen Stand

nur innerhalb derselben kürzeren Frist, von der Zeit des ge­

hobenen Hindernisses an gerechnet, stattfinden solle, indem man dafür hervorhob:

Tit. 9.

531. und Tit. 14.

nach dem Allg. Landrechte Th. I. 177. sey die Frist zur Wie­

dereinsetzung in den vorigen Stand in allen Fällen auf den Zeitraum von 4 Zähren bestimmt. Inkonsequent sey es jedoch, daß die Restitutionsfrist Behufs Anstellung einer Klage länger

seyn solle, als die ursprüngliche Frist zu klagen selbst.

Auch

widerspreche die längere Restitutionsfrist dem Zwecke der kürzeren

Berjährungeu, und man müsse also die Rcstitutionsfrist auf die Berjährnngsfrist beschränken.

Allein der Vorschlag wurde nicht *) angenommen, weil die Dauer der Restitutionssrist hauptsächlich der Lehre von der Resti­

tution angehöre und nur im Zusammenhänge mit der letzter» ge­

hörig erwogen werden könne.

Die Verjährung, mit welcher die­

selbe nur bei einzelnen Punkten in Berührung stehe, sey nicht

der rechte Ort, um über die Frage zu beschließen, ob und inwie­

fern Abänderungen hierin für zulässig und zweckmäßig zu ach­ ten wären.

Bei Bestimmung der Dauer der Restitutionsfrist

komme auch in Betracht, daß dem Betheiligten, welcher von dem Verhältnisse nicht gehörig lintcrrichtet zu seyn pflege, Zeit gelassen werden müsse, sich davon Kenntniß zu schaffen.

Wenn

hierzu »lach gehobenem Hindernisse '«in Zeitraum von vier Zäh­

ren von dem Gesetze überhaupt für erforderlich erklärt worden sey, so würde eine Abkürzung desselben beiden kurzen Verjäh­

rungen nur dann für zulässig erachtet werden können, falls besondere Umstände obwalteten, welche zur Erreichlliig des vbi-

*) Vgl. das Justi,-Mn»isterial-Blatt, Zahrg. III. S. 108—110.



118



gen Zweckes einen kürzeren Zeitraum ausreichend erscheinen lies­ sen.

Dies sey aber nicht der Fall.

Von den im vorliegen­

den Gesetzt zur Frage stehenden Forderungen sey in den Re-

stitutionsfällei»

der Betheiligte nach Hebung des Hindernisses

nicht sofort vollständig linterrichtet; die Kürze der Verjährungs­

frist beruhe aber bei jenen Forderungen wesentlich darauf mit,

daß dem Gläubiger der Anspruch gleich Anfangs bekannt ge­ wesen und dessen unterbliebene Geltendmachung als eine Nach­

lässigkeit zu betrachten sey.

Eine andere Frage würde es seyn, ob überhaupt die Re­ stitution gegen die kurzen Verjährungen der §§>. 1, und 2, für angemessen zu erachten sey.

Es wäre nicht zu verkennen,

daß durch die Zulassung der Restitution der Zweck jener Ver­ jährungen zum Theil vereitelt würde, indem die fraglichen For­

derungen, wenn Minderjährige re. dabei interessirten, nach vie­

len Jahren noch geltend gemacht werden könnten, und für den Fiskus und die mit ihm gleich berechtigten Korporationen, hin­

sichtlich der im §. 2. Nr. 5. und 8. angeführten Forderungen, bei welchen dieselben nur als Gläubiger betheiligt seyen, die

Verjährungsfrist nach dem H. 177. Tit. 14. Th. I. des Allg. Landrechts verdoppelt werde.

Wiewohl nun auch im Art. 2278. deS Französischen Civilgesetzbuches deshalb jede Restitution gegen die kurzen Ver­

jährungen ausgeschlossen worden ist, so hielt man dennoch da­

für, daß in dieser Beziehung bei Gelegenheit des vorliegenden

Gesetzes") eine Bestimmung nicht zu treffen sey.

•) Vgl. jedoch den §. II. des Gesetzes vom 18. Juni 1840. Gesetz­ sammlung für 1840. S. 142.

B. Das Gesetz vom IN. Juni 1840. über

die Verjährungsfristen bei öffentlichen Abgaben*).

3. des Gesetzes vom 31. März 1838. warei ne Ver­

Zm

ordnung vorbehalten

in Betreff der Verjährung

sämmtlicher

öffentlicher Abgaben, sowohl derer, welche an die landesherrli­ chen Kassen, als derer, welche an andere berechtigte öffentliche

Anstalten zu entrichten sind.

Dieser Vorbehalt ist durch das

Gesetz vom 18. Zuni 1840. erledigt worden. Die Steuern,

über deren Verjährung

sich

dasselbe

er­

streckt, sind

I.

die sogenannten direkten Steuern, und zwar:

1) die Grundsteuer, oder vielmehr die Abgaben, welche nach deir Etats, Katastern oder Heberollen als Grund­

steuern von Ortserhebern oder Königlichen Kassen für

den Staat unmittelbar von den Steuerpflichtigen erhoben werden.

Durch diese nähere Bezeichnung werden mehrere

noch bestehende, nicht eigentlich auf dem Reinerträge des

Grund und Bodens haftende grundsteuerartjge Abgaben

eingeschlossen; 2) die Klassensteuer und 3) die Gewerbesteuer nach den Gesetzen vem 30. Ma»

1820.;

*) Gesetzsammlung für 1840. S. 140. tw 142.

120

4) die nach dem

11. des allgemeinen Abgabengesetzes vom

30. Ma» 1820. beibehaltenen, auf einem speziellen He­

bungstitel beruhenden Abgaben, als: a) die Zuden-Rekrutengelder in der Provinz Posen, b) die Enrollcments - Befreiungsgelder der Mennoniten in Westpreußen und die Einkommensteuer derselben «ach der Kabinetsorder vom 16. Mai 1830.,

c) die Rekognitionsgelder in Neu-Vorpommern; II.

die zu den indirekten Steuern gezählten Ab­

gaben, als:

1) die Ein-, Aus-, Durchgangs- und Ausgleichungs-Abgaben nach dem Gesetze vom 23. Januar 1838.,

2) die Steuer

vom inländischen Branntwein,

Weinmost utid Taback nach

Braumalz,

dem Gesetze vom

8. Fe­

bruar 1819., 3) die Mahl- und Schlachtsteuer nach

dem

Gesetze vom

30. Mai 1820.,

4) die Abgabe vom Salz nach dem Gesetze vom 17. Ja­ nuar 1820.,

5) die Stempelsteuer nach dem Gesetze vom 7. März 1822., nebst den Hypotheken- und Gerichtsschreiber-Gebühren in

der Rheinproviuz ’), 6) die Blei-, Zettel- und Siegelgelder, und

7) die Kommunikations - Abgaben, oder Entrichtungen von

Anstalten zur Erleichterung des Verkehrs, als:

*) Gesetzsammlung für 1819. S. 97., für 1820. S. 27. 134. 140. 143. und 147., für 1822. S. 57., für 1830. S. 82. und für 1838. S. 33. folg.

121 a) Chansseegtlder, b) Schifffahrts - Abgaben, c) Ka­

nal-, d) Schleusen-, e) Brücken-, f) Führ-, g) Ha­ fen-, It) Waage-, i) Krahn-, k) Niederlage-Gelder. Die nach den verschiedenen Schifffahrtsakten und den, zu­

letzt auf den Grund der Kabinetsorder vom 28. Dezember 1836. *) bekannt gemachten Tarifen zu erhebenden Elb-, We­

ser-, Rhein- und Moselzölle auszuschließen, fehlte es an einem

hinlänglichen Grunde, da, wenn diese Abgaben in Folge der abgeschlossenen Staats-Verträge Preußischer Seits

auch nicht

erhöhet werden dürfen, Bestimmungen über deren Verjährung

doch der inneren Gesetzgebung anheimfallen. Die Salzablösnngsgelder,

genehmigten

Grundsätzen

für

welche nach die

Kontrolle

den des

Allerhöchst Salzver­

brauchs vom 19. August 1823. **•), für das nicht abgenom­

mene Salz-Zwangs-Quantum gezahlt werden, haben die Na­ tur einer Steuer und sind als solche auch Rücksichts der Ver­ jährung zu behandeln.

Wegen der Stempelsteuer, insoweit sie mit den Kosten der Gerichte oder der Verwaltungsbehörden erhoben wird, enthält

schon daö'Gesetz vom 31. März 1838. §.2. unter Nr. 8. und

§. 5. unter Nr. 2. Bestimmungen in Betreff der Verjährung. Dasselbe gilt für die Hypotheken- und Gerichtsschreiber-

Gebühren in der Rheinprovinz.

Für sämmtliche Abgaben, auf welche sich das Gesetz vom 18. Zuni 1840. hiernach erstreckt, waren,«mit Berücksichtigung

ihrer verschiedenen Natur, Bestimmungen nothwendig über die Verjährung:

°) Gesetzsammlung für 1836. S 325 — 338. von Kamptz Annalen, Bd. 7. S. 556.

122

1) des Reklamations - Rechtes der Steuerpflichtigen und der daraus entspringenden Rückforderungen (§§. 1—4.); 2) des Rechtes der Nachforderung der Steuerbehörde 5-7.); 3) der Abgaben - Reste oder im Rückstände verbliebenen Steuern (§. 8.). Dann bedurfte es 4) einer transitorischen Anordnung wegen derselben RechtsVerhältnisse, die sich aus der Vergangenheit herschreiben (§• 0.), so wie einer Festsetzung 5) wegen der nicht zu den landesherrlichen Kaffen fließenden öffentlichen Abgaben (§. 14.) und endlich noch 6) einiger allgemeinen Bestimmungen 10. 11. 12. 13. und 15.) Zum §. 1. *) Die direkten Steuern unterscheiden sich dadurch sehr wesentlich von bei) indirekten Steuern, daß erstere •) §. 1. Reklamationen gegen direkte Steuern, namentlich gegen Abgaben, welche nach den Etats, Katastern oder Jahresheberollen als Grundsteuer durch Ortserheber oder unmittelbar durch Unsere Kaffen von den Steuer­ pflichtigen erhoben werden, imgleichen gegen die Klaffen- und Gewerbesteuer, so wie gegen diejenigen Abgaben, welche in Folge des §.11. des allgemeinen Abgabengesetzes vom 30. Mai 1820., als auf einem speziellen Erhebungstitcl beruhend, zu entrichten find, muffen ohne Unterschied, ob fle auf Er> Mäßigung oder auf gänzliche Befreiung gerichtet sind, binnen drei Monaten vom Tage der Bekanntmachung der Heberolle, oder wenn die Steuer im Laufe des Jahres auferlegt worden, bikinen drei Monaten nach erfolgter Benachrichtigung von deren Betrage, oder endlich, im Falle eine periodische Veranlagung und Anfertigung von Heberollen nicht stattfindet, binnen den ersten drei Monaten jedes Jahres, bet der Behörde angebracht werden. Wird diese Frist versäumt, so erlischt der Anspruch auf Steuer-Er­ mäßigung oder Befreiung, so wie auf Rückerstattung, für das laufende Ka­ lenderjahr. Ist die Reklamation vor dem Ablaufe der Frist angebracht, und wird solche begründet gefunden, so erfolgt die Ermäßigung oder gänzliche Be-

123

wiederkehrend nach Zahressätzen (wenn gleich in monatlichen Raten zahlbar) auf den Grund jährlich im Boraus angefertig-

ter oder für längere Zeit feststehender Heberollen und Register

erhoben, letztere dagegen nur dann entrichtet werden, wenn der nicht im Voraus zu bestimmende Fall der Steuer-Verpflichtung eintritt.

Der Betrag der direkten Steuer wird dem Steuer­

pflichtigen für einen bestimmten bevorstehenden Zeitraum be­ kannt, die indirekte Steuer aber erst dann, wenn er sich in den Fall der Entrichtung versetzt.

Reklamationen gegen auferlegte direkte Steuem kön­

nen auf gänzliche Steuerbefreiung, oder auf einen geringern als den veranlagten Satz auf ein Jahr oder längere Zeit ge­ richtet werden, bei indirekten Steuern in der Regel nur auf

einen oder mehrere einzelne Fälle, in welchen eine unrichtige Anwendung des Tarifs oder eine gar nicht begründete Forde­ rung stattgehabt hat.

Eine Bestimmung hinsichtlich des Termins zur Anbringung

von Beschwerden gegen die

Grundsteuer war früher gar

nicht vorhanden.

Wegen der Klassensteuer verordnete die KabinetSorder vom 17. Januar 1830. **):

Da zur Ausführung dieser Anordnung erforderlich ist, daß

die Beschwerden zu einer bestimmten Zeit vollständig vorliegrn, so setze Ich zugleich fest, daß die Gesuche um Ermäsfreiung für das laufende Jahr. Für verflossene Jahre wirb keine Rück­ zahlung gewährt. Tritt eine solche Veränderung el», wodurch die bisherige Sleuerverpflichtung aufgehoben wird, so muß davon ter Behörde Anzeige gemacht werden. Bis zu Ende des Monats, in welchem diese Anzeige erfolgt, kann die Entrichtung der Steuer gefordert werden. *) Gesetzsammlung für 1830. S. 19.

124 fignng der Klaffenstener in einer Präklusivfrist von 8. Wo­ chen, nach der im §>. 8. des Gesetzes vom 30. Mai 1820. vorgeschricdenen Bekanntmachung der Steuerrollen, bei dem

Landrath eingegeben werden müssen.

Die Regierungen ha­

ben diesen Termin jährlich, sobald die Steuerrollen den Orts­

behörden zugegangen sind, durch die Amtsblätter anztizeigen. Der Rekurs an das Finanz-Ministerium muß in einer Prä­

klusivfrist von vier Wochen, nach dem Empfange der Ent­ scheidung der Regierung, ergriffen werden.

Reklamationen gegen die im Lause des Jahres vorkom­

menden neuen Besteuerungen werden ferner in bisheriger Art behandelt,

jedoch erstreckt sich auch auf diese die festgesetzte

Präklusivfrist, welche von dem Tage der Zustellung des Aus­ zuges aus der Steuerrolle an zu rechnen ist. Für die Anbringung der Reklamationen gegen die Ge­ werbesteuer-Veranlagung und gegen die Repartition der oben im Eingänge zu I. 4. erwähnten, auf besondern Erhcbungs-

titcln

beruhenden Abgaben

war gar keine Präklusivfrist an­

geordnet.

Aber auch die vorgedachte Bestimmung wegen der Rekla­

mation gegen die Klassensteuer war nicht ganz vollständig.

Sie beschränkte sich auf die Gesuche um Ermäßigung

der Klassensteuer; die Reklamationen wegen Besteuerung ge­ gen das Gesetz, also wegen gänzlicher Befreiung, blieben un­

erwähnt, und eben so war nicht gesagt, ob, im Falle die Re­

klamation begründet befunden wird, nur die Ermäßigung oder der Erlaß der Steuer für das laufende Zahr, oder auch die

Rückzahlung für vorhergehende Zahre, und für wie viele stattfiuden solle.

Zn dem

1. des vorliegenden Gesetzes ist kein Unter-

125 schied gemacht, worauf die Reklamation beruht und was die­ selbe bezweckt, namentlich, ob dieselbe ans gänzliche Freiheit von der Steller, oder nur auf Ermäßigung derselben gerichtet ist,

ob dieselbe angebliche materielle Irrthümer des Katasters re. oder sonstige Unrichtigkeiten betrifft.

Letzteres war um so we­

niger erforderlich, als die Grundsteuern überall, und nament­ lich auch in den westlichen Provinzen e), durch das seit Jahren

eingerichtete Kataster feststehen.

Erörterlingen über Steuer-

Exemtionen können in einem gesetzlich geordneten Zustande nur

sehr selten vorkommen und es lag kein Grund vor, diese Fälle anders, als die übrigen Reklamationen zu behandeln.



Zum

2. •) *****) ). Wegen der Eingangs-, Ansgangs-

und Durchgangs-Abgaben bestimmt, in Uebereinstimmung

mit der Verordnung vom 30. Oktober 1827., das mit sammt» Uchen Zoll-Vereins-Staaten gemeinschaftlich angenommene Zoll­

gesetz vom 23. Januar 1838. #ee) im §. 17.: Für die Erhebung der Zollgefälle findet, beziehentlich sowohl

gegen den Staat als gegen den Zollpflichtigen, eine einjäh­ rige Verjährung in der Art statt, daß nur binnen Jahres­

frist, vom Tage der geleisteten Verzollung an, ein Anspruch auf Ersatz wegen zu viel entrichteter Gefälle angebracht und

•) Bgl. die Gesetzsammlung für 1839. S. 40.

•’) §. 2. Auf Zurückzahlung zu viel erhobener Eingangs

Ausgangs­

und Durchgangsabgabcn, der in Folge der Zollvereintgungs- Vertrage zu erhe­ benden Ausgleichungsabgaben, der Branntwein-,,Vraumalj-, Mahl- und

Schlachtsteuer, der Weinmost- und Tabakssteuer, der Salzablösungsgelder, der Blei- und Zettelgcldcr, der Wege-, Brücken-, Fahr-, Waage- und Krahngelder, der Kanal-, Schleusen-, Schiffsahrts- und Hafenabgabc» und

der Nicderlagegelder findet ein Anspruch nur statt, wenn derselbe binnen Zahressrist, vom Tage der Versteuerung an gerechnet, angemeldet und be­

gründet wird. ***) Gesetzsammlung für 1838. S. 33. und folg.

126 binnen gleicher Frist, von gleichem Zeitpunkt an gerechnet, eine Nachfordernng an den Zollpflichtigen wegen zu wenig

erhobener Zollbeträgt gestellt werden darf. Auf das Regreßverhältniß des StaatS gegen die Zoll­

beamten und auf Nachzahlung hinterzogener Gefälle findet

diese abgekürzte Verjährungsfrist keine Anwendung. Hinsichtlich der Branntweins-, unb Tabackssteuer

Braumalz-,

Weinmost-

verordnet die Ordnung zum Gesetze vom

8. Februar 1819. ***) ) im §>. 58.: Die Beamten

müssen bei der ihnen anvertrauten Steuer-

Erhebung. sich genau nach den vorgeschriebenen Gesetzen rich­ ten und sind dafür verantwortlich.

Die bei gehöriger An­

meldung zur Versteuerung durch die Schuld der Hebungs­ Behörden gar nicht oder unzureichend erhobenen Gefälle sol­

len daher nicht vom Steuerschuldigen, sondern von den Er­

hebungs-Beamten eingezogen, und diesen soll nur das

Recht

auf

Erstattung gegen

jenen

vorbehalten

werden. Zuviel erhobene Gefälle sollen dagegen aus der Staats­

kasse zuruckgezahlt werden,

wenn binnen Zahresfrist, vom

Tage der Versteuerung an gerechnet, der Anspruch auf Er­ satz angemeldet und bescheinigt wird.

Geschieht dies nicht,

so geht nach Ablauf dieser Frist der Anspruch verloren. Das Gesetz wegen Entrichtung der Mahl - und Schlacht­

steuer vom 30. Mai 1820.") verweiset im §. 17. Buchst, d. auf eben

diese Bestimmungen, und eine gleiche Verweisung

findet sich in dem Tarife, nach welchem die Schifffahrts-Ab-

*) Gesetzsammlung für 1819. S. 102. **) Gesetzsammlung für 1820. S. 143.

127 gaben ans den Wasserstraßen von der Oder zur Elbe erhoben

werden sollen, vom

18. Januar 1828.,

in der zusätzlichen

Bestimmung Nr. 4. ”), und dieser Tarif ist wiederum in der Kabinetsorder vom 7. August 1830. bei den kleinen Wasser­

straßen im Bezirke der Regierung zu Potsdam zur Norm ge­ geben ").

Bei anderen Schifffahrts-Abgaben, namentlich bei

den Elb-, Weser-, Rhein- und Moselzöllen, bei den Blei-,

Zettel- und Siegelgeldern, und Chaussee-, Kanal-, Brücken-,

Führ-,

Hafen-,

Waage-, Krahn- und Niederlage-Geldern

fehlten ähnliche Bestimmungen. Bei der in den allegirten Gesetzen für die Zölle, für die

Branntwein-, Braumalz-, Weinmost-, Mahl-, Schlacht- und Tabackssteuer, so wie für einige Schiffahrts-Abgaben festgesetz­ ten Einjährigen Reklamationsfrist, war es aber um so mehr

zu belassen, als diese Frist für die Zölle mit den übrigen ZollVereinS-Staaten gemeinschaftlich angenommen ist.

Es erschien

aber auch angemessen, für die andem Schifffahrts-Abgaben, so wie für die sämmtlichen Kommunikations-Abgaben, die mit

Zöllen, in Absicht der Art der Erhebung, die meiste Aehnlichkeit

haben, dieselbe Frist festzusetzen. Zum §. 3. •*•). **) ***) Ueber denZnstanzenzug bei den Rekla­

mationen etwas zu bestimmen, war nicht nothwendig, da die

°) Gesetzsammlung für 1828. S. 109 — 110. **) Gesetzsammlung für 1830. S. 117. ***) §. 3. Wird In den Fällen der §§. 1. und 2. die Reklamation ganz oder Iheilwetse zurückgewiesen, so ist dagegen der Rekurs an die vorgesetzte Be­ hörde binnen einer Präklusivfrist von sechs Wochen, vom Tage der Bekannt­ machung des Bescheides an gerechnet, zulässig. Wendet sich der Reklamant an eine inkompetente Behörde, so hat diese das Retursgesuch an die kom­ petente Behörde abzugeben, ohne daß dem Reklamanten die Zwischenzeit auf die Frist anzurechnen ist.

128 Steuergesetze selbst und deren Instruktionen darüber das Er­

forderliche enthalten. Entscheidung zu. das

Ansprechen

Dem Finanz-Ministerium steht die letzte

Für die Slipplikationen an den König und der Gnade

desselben

lassen sich Fristen und

Grenzen nicht bestimmen. — Der Schlußsatz des §. 3. ist dem zweiten Satze des §. 10. der Verordnung vom 5. Mai 1838. *) Hochgebildet.

Z um §. 4. **).

Ueber die Verbindlichkeit zur Entrich-

tilng allgemeiner Abgaben findet nach dem Allgem. Landrechte

Th. II. Tit. 14. §. 78. ein Prozeß nicht statt; allein in Fäl­ len der Ausnahme, wenn die Steuer-Exemtion auf einen Ver­ trag, ein ausdrückliches Privilegium, oder Verjährung gegrün­

det wird, ist nach den

79. und 80. ebendaselbst **”) der

Weg Rechtens nachgelasseir. Es kann dies nur bei der Grundsteuer in den östlichen Provinzen vorkommen, da die neueren Gesetze über die direkten

Steuern entweder jede Exemtion von der Steuer zurückwcisen, oder die Fälle derselben genau bestimmen. Prozesse dieser Art sind aber sehr selten.

Dessen ungeachtet

mußte auch hier vorgesehen und der beim Gerichte angebrach­

ten Klage gleiche Wirkung beigelegt werden, als der Rekla­

mation bei der Steuerbehörde.

") Gesetzsammlung für 1838. S. 275—276. "°) §. 4. In den Fällen, In welchen nach den bestehenden Gesetzen über

die Siener-Verpflichtung der Weg Rechtens nachgelassen ist, kann die Steuer nur von dem Anfänge desjenigen Kalenderjahres an zuriickgefordcrt werden,

worin die Klage angemeldet, oder worin vor der Klage eine Rcklamativ»

bei der Verwaltungsbehörde eingereicht worden ist. *'*) Vgl. auch bk Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Pro-

vinzialbehörden vom 26. Dezember 1808. §§. 36. und 37. für 1806 — 1810. S. 473.

Gesetzsammlung

129 Zu den

5. iiiib 6. *).

Die Nachforderungen

direkter Steuern Seitens der Steuerbehörden können sich auf

zu gering, oder gar nicht veranlagte und geforderte Steuern

erstrecken. »Zn den westlichen Provinzen besteht ein Grundsteuerkontingent, die Steuer wird jährlich veranlagt und der Staat er­

hält jedenfalls die ihm zustehende Summe mittelst des Deckungs-

fonds.

Nachforderungen wurden also nur zum Vortheile der

Sozietät oder des Deckungsfonds eintreten können.

44.

Zm

des Grundsteuergesetzes *•) ist einer solchen nachträglichen Erhe­ bung, jedoch ohne weitere Erläuterung, gedacht. Die Westphälische Grundsteuer (Provinz

Sachsen),

die

Rauchfangssteuer in den Landestheilen, in welchen die Pol­

nische Grundsteuervcrfaffung bestehet, die in Ost- und Westpreußen, Schlesien und in Alt-, Vor- und Hinterpommern

aus dem aufgehobenen Kopf-, Horn- und Klaucnschoß, dem Schutzgclde, NebcnmodliS ic. ausgesonderten Haus- und Grund­ steuern werden nach jährlichen Veranlagungen erhoben.

serdem

liegt in dem Kur-

Aus­

und Neumärkischen Gicbelschosse,

in. den verschiedenen Sächsischen Grundsteuern eine Veränder­

lichkeit des Steuerbetrages, und diese ist seit der freigcgebencn

*) §. 5. Eine Nachforterung von Grundsteuern ist zuläßig sowohl bei gänzlicher Uebergehung, all bet zu geringem Ansatz, in beiden Fällen aber

nur für das Kalenderjahr, worin die Nachforderung gellend gemacht wird. 6. Die Nachforderung von Klassen-, Gewerbe- und persönlichen, auf

besonderen Titeln beruhenden Steuern findet im Fall gänzlicher Uebergehung nach den im §. 5. enthaltenen Regeln statt; hri Fall eines zu geringen An­

satzes fällt bei diesen Steuern jede Nachfordernng weg, jedoch unbeschadet der gesetzlichen Wiederumlage

bei Gewerbesteuer-Gesellschaften, welche nach

Miitclsatzcn steuern. **) Gesetzsammlung für 1839. S. 41.

!>

130 THeilbarkeit der Güter lind in Folge der gutsherrlich - bäuerli­ chen Regulirungen auch bei allen übrigen, sonst nach für im­ mer feststehenden Katastern erhobenen Grundstcuern durch die

Steuer-Ab- und Zuschreibung cingctrcten. verschiedenen Grllndstcncrn

Bei allen diesen

können daher Irrthümer eintretcn,

welche eine zu geringe Steucrfordcrung, oder eine gänzliche Uebergehung verschuldeter Grllndsteuer zur Folge haben.

Auch

bei der neuen Besteuerung veräußerter Forst- und Domaincn-

Grundstückc kann dieser Fall stattfinden— Dies vorausgeschickt, erschien es als der Billigkeit angemessen, daß die Stcucrverwal-

tung, hinsichtlich der Steuer - Nachfordcrnngen, diejenigen Bcstimmlingen

gegen sich gelten

läßt,

welche hinsichtlich

Rückforderungen zu ihrem Vortheile gelten.

der

Darum sind

denn alle Nachfordernngen, sowohl an zu wenig als gar nicht veranlagter Grundsteuer auf das laufende Kalenderjahr beschränkt

worden.

Soweit sowohl in den westliche», als östlichen Pro­

vinzen zährliche Steuerrollen für steuern

alle

oder

einzelne Grund­

angefertlgt werden, unterlag cnic solche gesetzliche An­

ordnung wenigem Bedenken, da cs Sache der Behörden bleibt,

auf prompte und richtige Ansertigung der Rollen zu halten. —

Die neuen Grundsteuern von veräußerten Domaincn und Forsten

und

von

anderen

Grundstücken,

welche aus der Klasse der

befreiten in die der stcucrpflichllgen übergehen, hätten Schwie­

rigkeiten insofern darbicten können, als sich die Steuerveran­

lagung hierbei ohne Schuld der Behörden verzögen! kann.

Es

find indessen auch für diese Fälle Einrichtungen getroffen, um Stcueraussälle abzuwcnden,

und bei Domainen- und Forst-

Veräußerungen insbesondere sind die Behörden angewiesen, die

Sicuerveraiilagung stets gleickzeitig mit der Veräußerung zu bewirken und das Grundstück an den Acglurcntcn nicht früher

131

zu übergeben, bis die Steuer völlig regulirt ist. Man brauchte daher auch wegen dieser Grundstücke keine Ausnahme zu machen. Die Klassen- und Gewerbesteuer werden in allen Provinzen jährlich veranlagt und Zahresheberollen derselben angefertigt. Was die Klassensteuer anlangt, so waren Nachfordernngen zu gering veranlagter Steuer, also von Personen, die in den Rollen mit zu geringen Säßen aufgeführt sind, be­ reits auf administrativem Wege nicht allein für die Vergan­ genheit, sondern selbst im Laufe des Zahres gegen die einmal vollzogene Rolle für unzulässig erklärt. Waren steuerpflich­ tige Personen irrthümlich ganz übergangen und aus längere Zeit frei geblieben, so war die Steuer für diesen ganzen Zeit­ raum, oder für einen Theil desselben iiachgcsordert worden. Es unterlag keinem Bedenken, bei diesen Grundsätzen stehen zu bleiben lind für den Fall gänzlicher Uebergehung die dlachforderlingen mif das laufende Zahr zu beschranken. Auch hinsichtlich der Gewerbesteuer waren Nachforde­ rungen wegen zu gering bemessener Steuersätze, sowohl für die Vergangenheit, als für das laufende Rollenjahr schon im 14. der Veraulagungs - Vorschriften vom 10. November 1820. untersagt. Die Wiederumlage bei Gewerbesteuer-Gesellschaften, welche nach Mittelsätzen steuern, konnte dagegen nicht hierher gerech­ net werden. Bei der Gewerbesteuer kommt übrigens der Fall, daß ein Steuerpflichtiger ohne seine Schuld, also luigeachtet der gehö­ rigen Anmeldung, in den Steuerlisten übergangen wird, mir selten vor; tritt aber dieser Fall ein, so kann die Steuerbe0*

132 Hörde sich unbedenklich mit der Nachfordernng der Steuer für das Zahr, in welchem der Irrthum entdeckt wird, begnügen. Bon den auf besonderen Erhebungs-Titeln beru­

henden Abgaben werden die Einkommenssteuern der Mennoniten jährlich veranlagt lind für Rechnung des Staates, wie die

Klassensteuer, erhoben.

Die Juden-Rekruten-Gelder und die

Enrollements - Befreiungs - Gelder der Mennoniten

in West­

preußen, sind in den Hauptsummen fixirt und die Sllbrepar-

tition und Erhebung ist den Betheiligten überlassen. Zum §>. 7. °) Bestimmungen

In den oben allegirten Gesetzen sind auch

wegen

der Nachforderungen

der

Zölle,

der

Branntwein-, Braumalz-, Weinmost-, Mahl-, Schlacht- und Tabacks-Steuer, so wie einiger Schifffahrts-Abgaben enthal­

ten.

Bei den Zöllen ist eine einjährige Frist für die Nach-,

wie für die Rückfordernngen festgesetzt. Rücksichts der inneren

Steuern ist in der Steuerordnung vom 8. Februar 1819. ’)

§. 58. die besondere Bestimmung enthalten, daß die durch Schllld der Hebungsbehörden zu wenig oder gar nicht erhobenen Steuern

nicht von den Steuerpflichtigen, sondern allein von den Erhe­

bungsbeamten eingezogen werden sollen.

Diesen ist aber das

Recht auf Erstattung gegen die Steuerpflichtigen Vorbehalten.

War das Gesetz hiernach sehr hart gegen die Steuerbeamten, so war den Steuerpflichtigen, welche den Beamten

während

der ganzen Dauer der gewöhnlichen, (also einer 30jährigen)

Berjährungsfrist

*) §. 7.

regreßpflichtig

blieben,

auch

nicht geholfen.

Bet den im §. 2. erwähnten indirekten Steuern kann der

Betrag dessen, was zu wenig oder gar nicht erhoben worden ist, nur bin­

nen einem Jahre,

vom Tage des

Eintritts der Zahlungsverpflichtung an

gerechnet, nachgefordert werden.

") Gesetzsammlung für 1819. S. 102.

133 Es erschien daher angemessen, auch bei dieser Steuer die Ver­ jährungsfrist für die Rück- und Nachforderungen, wie bei den Zöllen, gleich zu setzen und dann die übrigen Kommunikations-

Abgaben eben so zu behandeln. Zum §.8*) Steuer-Rückstände, das ist, Steuern, welche

von den Kontribuablen gefordert, von denselben aber gar nicht,

oder

nicht

vollständig

in

den

Fälligkeitsterminen

entrichtet

sind, kommen hauptsächlich bei den direkten Steuern vor.

Sie

können aber auch bei indirekten Steuern, z. B. bei der Wein-

und Tabackssteuer nach der eingeführten Hebungsweise, ferner bei den Fixationen der Brau- und der Schlacht- und Mahl-

Steuer und den Chaussee-Abonnements-Geldern eintreten.

ES unterlag keinem Bedenken und erschien vielmehr als zu größerer Aufmerksamkeit der Steuerbehörden und Hebungs­

beamten und zur Aufrechthaltnng der Ordnung im Rechnungs­

wesen führend, daß auch eine Verjährungsfrist hinsichtlich die­

ser Gegenstände für den Fall, daß ein Verfahren wegen Bei­ treibung derselben in einem bestimmten Zeitraume nicht stattfin­

det, gesetzlich festgesetzt wurde. Für die Rheinprovinz enthielt das Gesetz vom 3ten Fri-

maire VII., Art. 149. und 150. eine Bestimmung wegen der

Grundsteuer-Rückstände, daß solche nach dem Ablaufe von drei

*) §. 8. Zur Hebung gestellte direkte oder Indirekte Steuern, welche im Rückstände verblieben, oder kredltlrt find, verjähren, in vier Jahren, von

dem Ablaufe des Jahres an gerechnet, in welches ihr Zahlungstermin fällt. Die Verjährung wird durch eine an den Steuerpflichtigen erlassene Auf­ forderung zur Zahlung, so wie durch Verfügung der Exekution, oder durch bewilligte Stundung der Steuer unterbrochen. Nach Ablauf de« Jahres, in welchem die letzte Aufforderung zugestellt,

die Exekution verfügt worden, oder die bewilligte Frist abgclanfen ist, be­ ginnt eine neue vierjährige Verjährungsfrist.

134 Zähren feit dem

Tage, daß die Stenerrolle dem Einwohner

zugestellt worden, gänzlich verjährt seyn sollten.

Zn dem Ge­

setze vom 31. Mär; 1838., wegen Einführung kürzerer Ver­

jährungsfristen, ist aber für ganz ähnliche Rückstände, namentlich für Gerichtskosteir, eine vierjährige Verjährungsfrist festgesetzt und

es erschien angemessen, diese Frist auch für die Abgaben-Rück­ stände zll bestimmen, dabei aber allein für die Rheinische Grund­

steuer eine (an sich nicht sehr erhebliche) Ausnahme nicht zu machen.

Wegen des terminus a quo der Verjährungsfrist,

so wie wegen der Unterbrechlrng und des Anfanges einer neuen Verjährung war auch hier ein genaues Anschließen an das ge­

dachte Gesetz erwünscht.

Bei diesen Bestimmungen inib dem Gange des Rechnungs-

wefeus hat es aber auch nicht bedenklich scheine» können, diese Art der Verjährung auch auf gestundete Steuern, einschließ­

lich der kreditirten, auszudehnen. Zum

9.*)

Sollte dem Gesetze nicht eine rückwirkende

Kraft gegeben werden, so mußten wegen aller dadurch betrof­

fenen Fälle, soweit sie der Zeit vor Publikation des Gesetzes angehören,

besonders gerälimige Fristen

Rechtes gestattet werden. Zum §>. 10.#$)

zur Verfolgung des

Dies wird durch den §. 9. erreicht. Es liegt in der Natur der Sache, daß

*) §. !>. Reklamationen wegen Stenern, welche vor Publikation dieses Gesetze« entrichtet worden sind, so wie Nachforderungen wegen Steuern aus dieser Zeit, muffen, bet Verlust des Anspruchs, binnen Jahresfrist nach Publikation dieses Gesetzes geltend gemacht werden. Für die zur Zeit der Publikation dieses Gesetzes vorhandenen StenerStückstände beginnt die §. 8. festgesetzte vierjährige Verjährungsfrist mit dem 1. Januar 1841. ** ) §. 10. Ist in der unterlassenen Entrichtung der ganzen Steuer oder eines Theils derselben eine Kontravention gegen die Steuergesetze enthalten, so verjährt die Nachforderuug nur gleichzeitig mit der gesetzlichen Strafe.

135 bic kurzen Verjährungsfristen, welche durch dieses Gesetz bewil­

ligt werden, nur da Anwendilng finden, wo der Stelicrpflich-

tige dem Gesetze genügt hat und die unterlassene Entrichtung der Steuer nicht ihm, sondern der Behörde, oder Zufälligkeiten

beizumessen ist.

Hat sich der Steuerpflichtige eine Verletzung

der Steuergesetze zu Schulden kommen lassen, hat er da­ durch die Behörde getäuscht zur

Einziehung

der

Steuer

das

oder wenigstens verhindert, Erforderliche zu veranlassen,

so

kann er auf die Wohlthat der kurzen Verjährung der Steuer keinen Anspruch machen.

Nach der früheren Gesetzgebung konnte

die Steuer in einem sehr langen Zeitraume, auch nachdem die

Strafe verjährt war, nachgefordert werden und es sind dadurch

Um diese zu vermeiden,

zuweilen Härten herbeigeführt worden.

ist bestimmt worden, daß die Steuer in gleicher Frist mit der Strafe verjährt. Die Privilegien des Fiskus in Absicht der Steuern sind

nach den Gesetzen nur für, der Zeit nach bestimmte Rückstände der Steuern bewilligt *).

Es ist dieses auch eine Art der Ver­

jährung; das Privilegium geht mit dem Ablaufe einer gewis­

sen Zeit verloren.

Allein in dieser Beziehung besondere Vor­

schriften zu geben, war bedenklich.

Denn ist zur Beitreibung

der Steuer Nichts geschehen, so geht nach dem vorliegenden Gesetze nicht blos das privilcgium fisci, sondern der ganze

Anspruch als

nach

auf den

die Steuer bestehenden

in

viel

Gesetzen

kürzerer das

Zeit

verloren,

Privilegium,

und

diese Gesetze erleiden dadurch von selbst eine bedeutende Abän­

derung. *) Vgl. die Prozeßordnung Til. 50. h. 356., gesctzbuch, Artikel 2098., in

vom 22. November 1808.

Verbindung

das Rheinische Civil-

mit dem Französischen

Gesetze

136 Zst aber das Nöthige zur Beitreibung der Steuer gesche­ hen, so wird eben dadurch auch das Privilegium erhalten, wel­

ches sich gerade bei der Vollstreckung der Exekution und da­

durch herbeigeführten Konkurrenz mit anderen in gleicher Weise

andringenden Gläubigern des Steuerpflichtigen wirksam zeigt. Um so mehr mußte man Anstand nehmen, diesen Gegenstand, der mit anderen Privilegien fiskalischer Forderungen znsammen-

hängt, hier abgesondert zu behandeln. Zum §>. 11.*)

Die dem Fiskus nach dem Allg. Land­

rechte Th. I. Tit. 14. §. 177. bei kürzeren Verjährungsfristen sonst zukommende vierjährige Restitutionsfrist konnte, ohne den

Zweck des Gesetzes gänzlich zu verfehlen, bei den Steuern nicht Plaß greifen, wie diese Restitutionsfrist denn auch schon, nach

den bis dahin bestehenden Gesetzen, bei den indirekten Steuern ausgeschlossen blieb.

Diehr Rechte als dem Fiskus waren aber

auch den Kommunen und anderen moralischen Personen nicht

einzuräumen,

und nach dem Grundsätze der Reziprozität

auch den im minderjährigen Alter befindlichen (oder nach deit Rechten der Minderjährigen behandelten) Steuerpflichtigen nicht zu gestatten **), Zum tz. 12.***) Durch den Ablauf der Verjährungsfrist

soll der Steuerpflichtige gegen jeden ferneren Anspruch ge*) §. 11.

Die in diesem Gesetze.festgesetzten Fristen laufen auch gegen

Minderjährige und bevormundete Personen, so wie gegen moralische Perso­

nen, denen gesetzlich die Rechte der Minderjährigen zustche», ohne Zulassung

der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, jedoch mit Vorbehalt des Re­ gresses gegen die Vormünder und Verwalter.

“) Vgl. oben S-118. und das Justiz-Ministerial-Blatt, Zahrg. UL S. 108. "°") §. 12.

Durch den Ablauf der Verjährungsfrist wird der Steuer­

pflichtige von jedem ferneren Anspruch, sowohl des Staates, als der Stcuer-

beamien und der Steuersozictäten befreit.

137

sichert werden, ohne llnterschied, von welcher Seite dieser An­ spruch komme,

von Seiten des StaatS,

des Stenerbeamten

oder einer Sozietät. Sollte der Steuerpflichtige, wie es die Absicht war, durch

das

neue

Gesetz

vor

Steuer-Nachforderungen

in

möglichst

kurzer Frist sicher gestellt werden, so durfte über diese Frist hinälis

auch

kein Regreß an ihn von Seiten des Beamten

mehr zulässig seyn.

Gestattete man einen solchen Regreß, so

würde man mit der einen Hand nehmen, was man mit der

andern giebt; der Steuerpflichtige bliebe dem Ansprüche aus­ gesetzt, bis der Regreß ebenfalls verjährt wäre. Schon die Verordnung vom 30. Oktober 1827. *)* **•) spricht

den Beamten die Befugniß ab, sich an den Steuerpflichtigen wegen Nachzahlung der Zollgefälle über die gesetzte Jahresfrist hinaus zu halten, wogegen die Ordnung zum Gesetze vom 8.

Februar 1819.e#) §. 58. den Erhebungsbeamten das Recht,

Erstattung

von den Steuerpflichtigen zu fordern, ausdrücklich

vorbehält.

Zu einer solchen Verschiedenheit war aber kein ge­

nügender Grund vorhanden, weshalb der Regreß überall und

auch bei den direkten Steuern gänzlich aufgehoben ist.

Der H. 13."") findet seine Erläuterung in dem Gesetze vom 31. März 1838.

Zum §. 14. f)

(Vgl. oben S. 110.)

Es erschien angemessen, die Verjährung

*) Gesetzsammlung für 1827. S. 131. ") Gesetzsammlung für 1819. ®. 102.

**•) §. 13. Wegen der Verjährung der Stempelsteuer und der Neklamatlvnen in Betreff dieser Steuer, nicht minder wegen der Hypotheken- und Gerichtsschreibcr-Gebühren in der Rheinprovinz, bleibt ti bei den bestehen­

den Vorschriften. t) §. 14. DiesesGcsctz findet auch auf öffentliche Abgaben, welche nicht

zu Unsere» Kaffen fließen, sondern an Gemeinden und Korporationen, so wie

138

sämmtlicher öffentlicher Abgaben, ohne Unterschied,

ob die­

selben an landesherrliche Kassen, oder anderweit Berechtigte z»

entrichten find, gleichmäßig zu behandeln.

Bei allen Abgabe»

letzterer

Art,

weiche als Zuschläge

zu landesherrlichen vorkommen, versteht sich dieses von selbst,

da

ganz

der Zuschlag

dieselbe

Natur

mit

der

Hauptsteuer

hat, mit dieser von demselben Pflichtigen, in demselben Ter­ mine

und

von

demselben

Beamten

eiugezogen

wird.

Es

ist aber auch vollkommen gerechtfertigt, daß überall, wo das jus collectandi an nicht landesherrliche Anstalten übertragen worden ist, dessen Ausübung denselben Verjährungsfristen un-

terworfen bleibt, wie das landesherrliche jus collectandi selbst.

Die in dem . 15.**) getroffene Anordnung war zweck­ mäßig, um keine Ausnahmen von dem vorliegenden Gesetze

bestehen zu lassen.

an ständische Kassen zu entrichten, oder alr Provinzial-, Bezirks-, KrciSoder Gemeinde-Lasten, oder zur Unterhaltung öffentlicher Anstalten aufzubriiigen sind, so wie auf die mit Einziehung solcher Abgaben beauftragten Beamte» Anwendung.

*) §. 15. Alle frühere gesetzliche Vorschriften über die im gegenwarti gen Gesetz enthaltenen Gegenstände, werden hierdurch aufgehoben.

. 54., in Verbindung mit dessen prakti­ scher Wichtigkeit, stellte die Nothwendigkeit einer Deklaratioit

unverkennbar heraus.

Dabei ging man davon aus, daß die

Bestimmung des §. 54. auf unerlaubte Handlungen nicht zu beschränken sey.

Det 6te Titel des ersten Theils des Allg. Landrechts han­

delt,

obwohl

die Ueberschrift von Pflichten und Rechten

aus unerlaubten Handlungen spricht, dem Schaden

doch nicht blos von

aus unerlaubten Hattdlungen, sondern enthält

allgemeine Grundsätze vom Schadenersätze.

Spitze des Titels gestellte §>.

1. drückt

sich

Der an die

ganz

allgemein

dahin ans: Schade heißt jede Verschlimmerung des Zustandes eines Men­

schen,

in

Ansehung seines Körpers,

seiner Freiheit,

oder

Ehre, oder seines Vermögens. Daß bei dieser Definition auch, eine Beziehung auf Schäden

aus erlaubten Handlungen beabsichtigt gewesen, crgicbt sich unzweifelhaft aus den Materialien des Allg. Landrechts.

Zn

dem gedruckten

Entwürfe

zum Allgenicinen Gesetz-

buche, Th. 11. Tit. 3. war der . 1. dahin gefaßt:

Stbaden heißt jeder Nachtheil,

welcher Jemanden durch

145 eine unerlaubte Handlung an feiner Person, Freiheit,

Ehre oder Vermögen zugefügt wird.

Dieser Begriff wurde von mehreren Monenten theils zu un­ bestimmt, theils zu eng gefunden.

Insbesondere erinnerten

drei derselben:

der Ausdruck „unerlaubt" könne wegbleiben, 1) weil jede Handlung, welche einer Person, ihrer Ehre und

Freiheit, oder ihrem Vermögen nachtheilig sey, schon an und für sich für unerlaubt gehalten werden müsse, 2) weil auch durch erlaubte Handlungen Schaden entste­

hen könne, wie der folgende (im Wesentlichen mit dem

36. Tit. 6. Th. I. des Allg. Landrechts gleich lau­ tende)

27. ergebe,

unerlaubte Handlungen also nicht

zum Begriffe des Schadens gehörten, sondern blos die

Verbindlichkeit zum Ersätze bestimmten. Nachdem auch Suarez bemerkt hatte,

daß der Begriff der unerlaubten Handlung noch nicht in die

Definition des Schadens gehöre, es gebe auch erlaubte Schadenszufügungen (cf.

27.),

wurde die Goßler'sche Definition angenommen und hiernach der §. 1. so gefaßt, wie er sich noch im Allgemeinen Land­ rechte befindet.

Mehrere spezielle Bestimmungen des gedachten Titels be­

stätigen es, daß derselbe einen weiteren Umfang habe, als die Schadenszufügung durch unerlaubte Handlungen.

Es ist nicht

nur in den §§-. 15. 20. und 31. von dem Schaden, welcher durch ein geringes Versehen zugefügt wird, die Rede, sondem es wird auch in den §§>. 39. bis 44.

von den durch

unwillkührliche Handlungen und durch Handlungen der Wahn-

10

146 und Blödsinnigen re. verursachten Schaden gehandelt; in dem

36. geschieht sogar des Falles Erwähnung, wenn Jemand

durch eine erlaubte Handlung beschädigt wird.

Auch in ande­

ren Stellen des Allg. Landrechts, welche durchaus keine Be­ ziehung auf unerlaubte Handlungen haben, wird hinsichtlich der Schadloshaltung auf die Vorschriften des sechsten Titels

verwiesen, z. B. im §. 326. Tit. 9. Th. I. in Betreff des

Falles, wenn ein Thier von einem fremden Thiere ohne Vor­

wissen des einen oder des andern Eigenthümers befruchtet wor­

den ist; im §. 128. Tit. 10. Th. II. in Betreff der von

Beamten bei der Amtsvenvaltung begangenen Versehen.

Wenn hiernach die Materie, bei welcher der §. 54. vor­ kommt, nicht blos

unerlaubte Handlungen betrifft, so würde

derselbe, auch in Ermangelung jeder näheren Bestimmung, hier­ auf nicht beschränkt werden können; für vollends unzulässig ist

aber eine solche Beschränkung nach der Fassung des Para­

graphen anzusehcn, indem derselbe von einem außerhalb dem Falle eines Kontraktes erlittenen Schaden spricht, welcher

auch Schadenszufügungen

durch erlaubte Handlungen un­

zweifelhaft umfaßt. In Zlnsehung dieser Schadenszllfügungen verdiente daher

die Ansicht, daß der §>. 54. dieselben, ein Kontraktsverhältniß sich

beziehen,

soweit sie nicht auf insgesammt

begreife,

den Vorzug. Auch vom legislatorischen Standpunkte aus war es höchst wünschenswerth, daß eine kürzere Verjährungsfrist für die

zahlreichen Fälle festgestellt wurde, in welchen Jemand, ohne daß ein Vertrag

oder eine unerlaubte Handlung vorliegt,

vom

Staate oder einer Privatperson vermöge gesetzlicher Vorschrift

147 Entschädigung fordern kann.

Regreßansprnche

gegen

Insonderheit gehören dahin die

Beamte und die Ansprüche an

Fiskus wegen Vergütung

den

des, bei Verwendung von Privat-

Eigenthum zu öffentlichen Zwecken verursachten Schadens *). Bei der großen Menge von Geschäften, welche den Beam­ ten obliegen, sind sie über einzelne Amtshandlungen ordentliche Rechenschaft zu geben nur dann im Stande, wenn die Sache noch im frischen Gedächtnisse ist.

Die

Mittel,

womit die

Beamten ihr Verfahren rechtfertigen können, verdunkeln sich

sehr schnell im Lause der Zeit, und die Schwierigkeit, den An­

griffen der Partheien Besonders

ist dies

zu begegnen, wächst mit jedem Jahre.

der

Fall,

ein Kollegium erhoben werden.

wenn Regreßansprüche

gegen

Es ist unmöglich, nach einer

langen Reihe von Jahren, wo schon ein großer Theil der Mit­ glieder, und unter diesen vielleicht der Dezernent oder Refe­

rent verstorben ist, die Motive der auf mündlichen Borträgen beruhenden Verfügungen (und diese sind hier die erheblichsten) nachzuweisen.

Die Mitglieder

eines

Kollegiums

sind

nach

einem bedeutenden Zeitverkäufe außer Stande, darzuthun, daß

der Schade durch die alleinige Pflichtwidrigkeit oder Fahrlässig­

keit des Referenten oder Dezernenten veranlaßt sey.

Am mei­

sten ist der Erbe eines verstorbenen Beamten bloßgestellt.

er

mit

der

inneren

Geschäftsverwaltung

seines

Da

Erblassers

ganz unbekannt ist, so wird es ihm selten gelingen, sich in

verwirrten Fällen gehörig anSznweisen.

Das Leben eines Beam­

ten enthält eine fortlaufende Reihe von verantwortlichen Hand-

•) Allg. Landrecht Th. II. Tit. 10. §. 127. und folg., Einleitung §§. 74. 75., Th. II. Tit. 16 §. 109. und folg.

148 lungen; die Masse von Verbindlichkeiten, welche hieraus her­

vorgehen kann, läßt sich im Voraus gar nicht übersehen oder

ermitteln; kein Nachlaß eines Beamten kann daher mit völ­ liger Sicherheit ohne Vorbehalt angetreten werden *).

Unter

diesen Umständen war es, um die Beamten nicht zu sehr zu

gefährden, dringend nothwendig, eine kürzere Frist zu gestatten, in welcher sie aus ihrer Amtsführung belangt werden können.

Eben so nothwendig erschien eine solche kürzere Frist rück­

sichtlich der Entschädiglmgsansprüche an den Fiskus.

Fast außer

dem

bei jeder Anlage znm gemeinen Besten entstehen, Ansprüche für das

abgetretene Grundeigenthum

selbst, besondere Ansprüche wegen der durch die Anlage znge-

fügten Schäden, z. B. bei der Anlage oder Veränderung der Land- und Wasser-Kommunikationen und bei dem Bergwerks-

betriebe, Entschädigungsansprüche wegen Entziehung oder Ver­ unreinigung des Wassers, wegen Ueberschwemmung oder Ver­

sandung von Ländereien «. s. w.

Die Ausmittelung eines

solchen Schadens wird, je länger damit gezögert wird, desto

schwieriger, sowohl für den Beschädigten, dem der Beweis der Schadenszufügung obliegt, als für den Staat, der durch die

Länge der Zeit seiner Gegenbeweismittrl verlustig geht.

Ins­

besondere ändem sich die Verhältnisse der Bergwerke in Bezug

auf den Ertrag und die Interessenten so häufig, daß es viele

Weitläufigkeitm veranlaffm wükde, wenn nach langen Jahren noch Nachforderungen gemacht werden könnten.

Ueberhaupt

kann in den meisten Fällen der Schade bald nach seiner Ent­ stehung mit geringeren Kosten reparirt werden, als wenn bis zur Anmeldung des Entschädigungsanspruchs Jahre verfließen

•) Vgl. die Gesitz'Revifions-Arbeitcn, Pensum XU. S. 83. und oben ®. 71., Anm.

149 und Naturereignisse oder andere, mit der Anlage in keiner

ursachlichen Verbindung

stehende

Umstände eintreten,

auf die Vergrößemng des Schadens einwirken.

welche

Fälle dieser

Art sind in neuerer Zeit mehrmals vorgekommen und konnte» mit dem Einwande nicht beseitigt werden, daß derjenige, dem

ein Schade verursacht worden, sein Interesse zeitig genug selbst

wahrnehmen werde, weil die Erfahrung das Gegentheil lehrt. Zn den übrigen Fällen, in welchen die Verbindlichkeit, zu entschädigen, unmittelbar aus dem Gesetze, ohne daß eine un­

erlaubte Handlung

stattgefunden

hat,

entspringt,

ist

zwar

eine kürzere als die gewöhnliche Verjährungsfrist nicht so noth­

wendig, wie in den so eben angeführten beiden Fällen.

Zedoch

waltet andererseits auch kein genügender Grund ob, für sie eine längere Verjährungsfrist aufzustellen und zwischen den einzelnen

Rechtsgeschäften, die eine Verbindlichkeit zur Entschädigung un­ mittelbar aus dem Gesetze zur Folge haben, zu unterscheidm.

Es würde auch eine in sich ganz widersinnige Folgerung daraus hervorgehen, wenn für Schadensklagen, welchen eine

unerlaubte, verbotene Handlung zum Grunde liegt, eine kür­ zere Verjährung aufgestellt wäre, als für die Schadensklagen, welche sich auf keine unerlaubte Handlung gründen.

Der Ver­

brecher wäre nach drei Zähren von der Schadensforderung frei;

wer aber ohne Verbrechen durch ein bloßes Versehen einem Anderen Schaden zufügte,

bliebe den Entschädigungsansprü­

chen 30. Zahre hindurch ausgesetzt! Aus diesen Gründen sind in der Deklaration vorn 31.

März 1838. alle Forderungen aus Schadenszufügungen, so­ bald nicht ein Kontraktsverhältniß zwischen den Betheiligten bestanden hat, der dreijährigen Verjährung des §. 54. Tit. 6.

Th. I. des Allgemeinen Landrechts unterworfen.

150 ES wurde zwar die Meinung geltend gemacht, daß zwi­

schen solchen Handlungen, welche auf Quasi-KontraktsVerhältnisse sich beziehen und anderen Handlungen unter­

schieden werden muffe, und daß der §. 54. nur auf Scha­

denszufügungen durch Handllingen der letzteren Art angewandt werden könne.

Diese Meinung wurde auf folgende Betrach­

tungen gegründet! Die durch Quasi-Kontrakte begründeten Berhältniffr seyen

mit den wirklichen KontraktSverhältniffen so gleichattig,

daß

kein Grund abzusehen wäre, aus welchem es gerechtfertigt wer­

den könnte, den Entschädigungsanspruch in dem einen Falle einer kürzeren Verjährung, als in dem anderen, zu unterwer­

fen. Der negotiorum gestor befinde sich mit dem Mandatar,

der Vormund mit dem durch Vertrag bestellten Verwalter frem­ der Güter, der in einer communio incidens befindliche Mit­

eigenthümer mit dem in einer vertragsmäßigen Gemeinschaft

befindlichen so wesentlich in gleicher Lage, daß es der Natur der Sache znwiderlaufe, in der fraglichen Hinsicht eine ver­

schiedene Behandlung eintreten zu lassen.

Der Kontrakt könne

daher bei dem §. 54. nicht als der einzige Fall der Ausnahme

gedacht, sondern nur als der Hauptfall genannt seyn.

Als

das Wesentliche der in diesem Paragraphen von der dreijährigen Verjährung ausgenommenen Verbindlichkeit sey der Umstand

anzusehen, daß sie aus einem Rechtsgeschäfte entstanden wäre.

Wer in ein solches sich eingelassen habe, wisse, daß er

verantwortlich sey und in Anspruch genommen werden könne;

er habe

daher

volle Veranlassung,

welche zu seinem Schutze dienten, und längere Zeit aufzubewahren.

diejenigen

Beweisstücke,

in Ordnung

zu erhalten

Eben so könne der Gegner

in der Natur des Geschäftes und in den Verhältnissen, in

151 welche er durch das Geschäft zu dem EntschädigungSpflichti«

gen getreten sey, Grund zu einer Verschiebung der Klage fin­ den.

Beides spreche für eine lange Verjährungsfrist.

dagegen durch eine einzeln stehende,

z. B. durch

ein Versehen in

Wer

abgesonderte Handlung,

den Amtsverrichtungen,

durch

unvorsichtiges Benehmen bei Arbeiten an einem Bauwerke, beim Reiten, Fahren, Schießen it. einen Anderen beschädige, erhalte

davon häufig nicht sofort gehörige Kenntniß; er könne sich da­ her nicht sicher stellen und bedürfe zum Schutze gegen künf­ tige Chikanen einer kurzen Verjährung.

Aehnliche Rücksichten

träten ein, wenn bei Gelegenheit öffentlicher Anlagen aus de­

ren Ausfühning und Einrichtung Beschädigungen, z. B. Ver­ unreinigung oder Entziehung des Wassers, Ueberschwemmungen

oder Versandungen, entständen, welche man häufig eben so we­

nig vorher gesehen habe, als vorher hätte sehen können.

ES

sey hier nothwendig, daß die Beschädigung sobald als möglich zur Sprache gebracht werde, sowohl nm den ursprünglichen

Umfang des Schadens gehörig feststellen, als einer etwanigen Vergrößerung desselben gehörig vorbeugen zu können.

Bei Be­

schädigungen dieser Art sey die Vorschrift des §. 54. ganz an­

gemessen und müsse, abgesehen von dem Schaden aus eigentli-

chm unerlaubten Handlungen, darauf beschränkt werden, wenn

das Gesetz nicht in die auffallendsten Widersprüche und Anomalieen verfallen

solle.

Zur Annahme einer Zuterpretation,

welche hierzu führe, könne der im H. 54. gebrauchte Ausdruck:

„Kontrakt" nicht berechtigen; es würde dazu die anderweitig ganz bestimmt ausgesprochene Absicht des Gesetzgebers erfor­ derlich seyn, welche sich nirgends vorfinde.

Die Nothwendig­

keit jener Beschränkung sey auch bei Erlassung des oben an­

geführten Ministerial-Reskriptes vom 19. Januar 1821. an-

152 ersannt worden, indem man hierin von der Anwendung des §>. 54. diejenigen Fälle ausgenommen habe, welche nach btn

Gesetzen den Verträgen gleich zu achten seyen.

Wenn aber auch nicht verkannt wurde, daß aus der An­ wendung des §>. 54. aus Beschädigungen bei den sogenannten Quasi-Kontrakten Mißverhältnisse

entstehen können,

so

glaubte man dennoch, daß dieselben da, wo es fich lediglich um

eine Auslegung des bestehenden Gesetzes handelt, die fragliche Beschränkung nicht begründm könnten, da diese nicht nur dm Worten des §. 54. zuwiderlaufe, sondern auch eine Unter­

scheidung der sogenannten Quasi-Kontrakte von anderen Hand­

lungen, welche außer dem Falle eines Kontraktes ein obliga­ torisches Verhältniß begründen, dem im Allg. Landrechte an­

genommenen Systeme des ObligationenrechtkS nicht entspreche. Zur Begründung dieser Ansicht ward Nachstehendes angeführt:

DaS Allgemeine Landrecht habe, so wie bei dem Sachen­ rechte überhaupt, auch bei dem damit verschmolzenen Obliga­

tionenrechte hauptsächlich die Entstehungsgründe in's Auge ge­

faßt.

Demgemäß seyen im Tit. 3. Th. I. zunächst die Hand­

lungen, als allgemeiner Entstehungsgrund von Rechten und Verbindlichkeiten (Obligationen) dargestellt und dieselben hiernächst in solche, bei denen die Rechte und Verbindlichkeiten

auS Willenserklärungen entspringen und in solche, bei denen dies nicht der Fall ist, eingethei,lt.

Von den ersteren werde

im Allgemeinen im Tit. 4. gehandelt.

Zwischen'diesen beiden

seyen im Tit. 5. die Verträge eingeschoben, als diejenige Art

von Willenserklärungen, durch welche Rechte und Verbindlich­ keiten inter vivos entspringen.

den

Hiernach stehen, abgesehen von

letztwilligen Verordnungen,

Verträge und Handlungen,

welche keine Verträge sind, als die Quellen obligatorischer Ber-

153

Zn

einander gegenüber.

hältniffe

Ansehung

letzteren

der

werde im Tit. 6. nach dem, im Römischen Rechte vorkommen­

den Unterschiede der Obligationen

quasi ex contractu,

ex

delicto und quasi ex delicto nicht weiter unterschieden, son­

dern das obligatorische Verhältniß nur nach dem allgemeinen

Unterschiede von dolus und culpa festgestellt. des Tit. 6.

schriften

alle

Schadenszufügungen

Falle eines Vertrages umfassen, gehe

§. 17. hervor.

Daß die Vor­ außer

insbesondere

aus

dem dem

Nachdem in den §§. 1. bis 9. der Begriff des

Schadens, in den §§>. 10. bis 16. die Grundsätze vom Scha­

denersätze überhaupt abgehandelt worden, heiße es im §. 17.: Was wegen der beyVerträgeu zugefügten Schäden Statt finde,

wird im vorhergehenden Titel bestimmt. (Tit. 5. §. 277. sqq.) Von

den

Schadenszufügungen,

welche

Gegenstand

des

Tit. 6. sind, würden hier nur diejenigen ausgenommen, welche

bei Verträgen stattfinden; die Vorschriften dieses Titels müs­ sen daher auf alle außer dem Falle eines Vertrages zugefügten Beschädigungen angewendet werden, soweit nicht bei ein­

zelnen Bestimmungen besonders eine Ausnahme gemacht wor­ den.

Eine solche Ausnahme enthalte der §. 54. nicht.

Der­

selbe spreche im Gegentheile von solchen Schäden, die außer dem Falle eines Kontrakts zugefügt worden sind und stehe da­

her mit

dem Systeme,

liege, ganz im Einklänge.

welches

diesem

Titel zum

Grunde

Daß bei der Abfassung des §. 54.

die Absicht auf die Ausschließung des bei einem Kontrakte zu­

gefügten Schadens gerichtet gewesen, werde auch durch die Ma­

terialien des Allg. Landrechts bestätigt.

Zm gedruckten Entwürfe

des Allg. Gesetzbuches lautete

der §. 42. Tit. 3. Th. HL:

Wer einen erlittenen Schaden innerhalb dreier Zahre, nach-

154 dem solcher zu seiner Wissenschaft gelangt ist, zu rügen ver.

nachlässigt, der hat sein Recht verloren. Dagegen wurde monirt:

die hier

gegebene Regel sey auf den Fall einzuschränken,

wenn von dem Schaden hauptsächlich, nicht aber bei­ läufig, bei einem anderen Geschäfte,

womit der Schade

als ein Arcessorium verbunden gewesen, die Rede sey.

Zm letzten Falle könnten oft Umstände vorkommen, daß mit der Klage Anstand genommen werden müßte. Hierzu bemerkte Goßler:

von solchen Schäden,

die bei Gelegenheit eines

Kontrakts und durch Nichterfüllung desselben ent­

ständen, sey hier nicht die Frage. — Zn dieser Vor­

aussetzung ließe sich nicht absehen, was der Monent gedacht

habe. Suarez hielt es jedoch für nothwendig, diejenigen Schä­

den, welche der dreijährige» Verjährungsfrist unterworfen seyn sollten, näher zu bestimmen, und bemerkte deshalb in seinem

Bortrage über die Monita zu diesem Titel und über seine Um­

arbeitung desselben: Bei Schäden,

die im Kontrakte zugefügt werden,

sind

andere Grundsätze und Verjährungsfristen im vorhergehenden Titvl etablirt.

Diese Art von damnis muß also auch

hier ausgenommen werden Demzufolge wurden den Worten des Entwurfes:

„Wer einen erlittenen Schaden"

die Worte: „Wer einen außer

dem Falle eines Kontrakts erlittenen

Schaden " substituirt, und diese Fassung auch im Allg. Landrechte beibrhalten.

155

Es könne hiernach nicht als eine mangelhafte und unklare Auffassung des Gegenstandes angesehen werden, wenn in dem

54, von dem, außer den Fällen eines Kontraktes zugefügten Schaden ohne allen Unterschied die Rede sey. hältnisse, welche aus der Vorschrift dieses

Die Mißver­

entstehen, hätten

ihren Grund nicht speziell in diesem §>., sondern in dem gan­ zen Systeme des Tit.

oder

sonst

keine

6.

So lange dieses gesetzlich bestehe,

Abänderung

im

legislativen Wege

erfolge,

werde auch der §>. 54., seiner wörtlichen Fassung gemäß, in

Anwendung zu bringen seyn. Es

wurde

ferner

bemerkt,

daß die Festsetzung kürzerer

Verjährungsfristen für SchadenSklagen bei Kontrakten, wo die

Betheiligten wissen, daß sie sich vorzusehen haben, im Allge­ arißer dem Falle eines Kontraktes

meinen nicht erforderlich, aber mientbehrlich sey.

Für diesen Fall sey eine Ausnahme

hinsichtlich der s. g. O^uasi-Koiitrakte, da das Allgemeine Landrecht dieselben nicht als eine eigene Gattung von Rechts­

geschäften besonders ausgezeichnet habe, nicht füglich zu tref­ fen, andererseits auch kein praktisches Bedürfniß dazu vorhan­

den, indem bei diesen Geschäften aus der kurzen Verjährung kein Nachtheil

zu befürchten

fei'.

Bei Vormundschaften

sey durch die spezielle Kontrolle des Bormundschaftsgerichts das Interesse

des

Pflegebefohlenen

müsse nach Beendigung

gehörig

sicher

gestellt;

diesem

der Vormundschaft vollständige Rech­

nung mit Beifügung der sämmtlichen

Verhandlungen

gelegt

werden; er habe daher Gelegenheit, sich vollständige Kenntniß

von der vormundschaftlichen Verwaltung zu verschaffen und etwanige

machen.

Schadensansprüche

gegen

Durch Einführung

den

Vormund

geltend

einer kurzen Verjährung

zu

werde

er daher nicht gefährdet; für den Vormund, welcher die Vor-

156 nmndschast gegen seinen Willen zu übernehmen und mit eige­ nen Aufopferungen zu führen genöthigt gewesen, würde es da­

gegen sehr hatt seyn, wenn er noch lange Zahre ungewissen Ansprüchen bloßgestellt wäre").

Bei der Besorgung frem­

der Geschäfte ohne Auftrag (negotiorum gestio) müsse der Geschäftsführer sich

nach §. 239. Tit. 13. Th. I. des

Allg. Landrechts um die Genehmigung desjenigen, dessen Ge­

schäfte er besorgt habe, bewerben; werde die Genehmigung er­

theilt, so löse die Sache sich in ein Mandatsverhältniß (tuf, welches hier nicht in Betracht komme; werde aber dieselbe ver­

sagt, so sey es nicht unbillig, von dem dominus negotiorum zu verlangen, daß er gegen den Geschäftsführer, welcher sich

dem Geschäfte aus gutem Willen unterzogen habe, bald seine Ansprüche geltend mache und denselben über seine Verbindlich­

keiten Falle,

nicht

lange in

Ungewißheit lasse.

wenn die Handlungen

Auch sey in dem

des Geschäftsführers von dem

dominus negotiorum nicht anerkannt

würden, kein Grund

abzusehen, weshalb die bei einer solchen Gelegenheit zugefügten Schäden anders, als sonst von einem Dritten zugefügte, zu be­ handeln seyen.

Gleiche Rücksichten träten bei der, nicht auf

einem Vertrage beruhenden Gemeinschaft ein, in de­

ren Hinsicht das Allgemeine Landrecht Th. I. Tit. 17.

59.,

mit Hinweisung auf die Vorschriften wegen der negotiorum

•) Die Verjährung läuft jedenfalls erst von Aufhebung der Vormund­ schaft und von der Großjährigkeit der Pupillen an (Allg. Landrecht Th. I. Tit. 9. §. 535.) und während der Vormundschaft steht der Vormund un­ ter Aufsicht des Vormundschaflsgerichts, so daß, wenn dem großjährig gewordenen Pupillen eine dreijährige Frist gegen den Vormund oder dessen Erbe» gegeben ist, um seine Rechte au« der vormundschaftlichen Verwaltung zu verfolgen, diese Frist hinlänglich erscheint.

157 gestio, bestimmt habe, daß der Theilnehmer, wenn er ohne Auftrag gehandelt habe, für den dabei entstandenen Schaden, gleich einem Fremden,

verhaftet seyn solle.

Ueberhaupt sey

jeder Besorgniß einer Gefährdung der Betheiligten dadurch vorgebengt, daß die im §. 54. Tit. 6. a. a. O. vorgeschriebcne dreijährige Präskrtption erst von der Zeit an laufe, zu welcher

der Beschädigte von dem Daseyn des Schadens und dem Ur­ heber desselben vollständige Kenntniß erlangt habe*). Aus diesen Hauptgesichtspunkten ist die Deklara­ tion hervorgegangen, welche lautet:

Wir re. erklären zur Beseitigung der Zweitel über die Auslegung des §>. 54. Tit. 6. Th. I. des Allgemeinen

Landrechts re., das) die Vorschrikt dieses Paragraphen aut alle, auszer dem Falle eines Kontrakts entstan­

dene Beschädigungen, ste mögen durch eine erlaubte oder

unerlaubte Handlung verursacht sexn, )u beziehen ist. 1) Sie findet hiernach Anwendung aut Ansprüche wegen

Beschädigungen, die bei Gelegenheit üttentlicher Anla­

gen, so wie bei dem Bergbau )ugeüigt stnd.

Die Ver­

gütung für das )u solchen Anlagen abzutretende Eigen­

thums- oder Nutzungsrecht ist hierunter nicht begrif­ fen, sondern der ordentlichen Verjährung unterworfen.

*) Die Frage: eb In dem Falle, wenn der Schade sich In der Folgezeit größer al« zu Anfänge herausstellt, dieser größere Schade, nachdem der frühere schon vergütet worden, nachträglich noch binnen drei Jahren seit der Wahr­ nehmung desselben vergütet verlangt werden kann, wenn auch seit der Wahr­ nehmung de« anfänglichen Schaden« ein längerer Zeitraum verflossen Ist, — muß unbedenklich bejahet werden; indem hier eigentlich zwei verschiedene Schäden vorhanden stnd, und ein jeder derselben nach der Bestimmung im §. 54. Tit. 6. Th. I. de« Allg. Landrecht«, da die Verjährung erst mit dem Zeitpunkte der davon erlangte» Kenntniß beginnt, besonder« verjährt.

158 2) Sie kmdet ferner Anwendung auf Entschädigungs-An­ sprüche, welche gegen öffentliche Beamte aus ihrer

Amtsführung von dritten Personen, nicht aber auf solche, welche von dem Staat oder demjenigen, in dessen

Diensten der Beamte angestellt ist, erhobm werden °). Wenn der Seschädiger sich zugleich mit dem Schaden

des Andern einen Vortheil verschafft hat, so tritt die ordmtliche Verjährung ein, so weit der Anspruch des

Beschädigten die Höhe jmes Vortheils nicht übersteigt. Die Beschränkung, daß, sobald der Beschädiger sich mit

dem Schaden des Andern bereichert habe, die Herausgabe oder

der

Ersatz

des

gezogenen

Gewinnes

Grundsätzen von der Verjährung

nach

auch

den

allgemeinen

noch später gefordert

werde» könne, war nothwendig, weil sonst hätte angenommen

werden können,

daß der Dieb,

oder der Betrüger nach drei

Zähren von der Verpflichtung, den Werth der von ihm nicht mehr besessenen gestohlenen Sache, oder den gezogenen Gewinn zu erstatten, befreit würde.

Unzweifelhaft ist es, daß, sobald

der Dieb die gestohlene Sache hinter sich hat, dieselbe auch

noch nach drei Zähren vindizirt werden kann;

er kann sich

daher dadurch, daß er sich des Besitzes der Sache entschlägt,

von der Erstattung des Werths nicht frei machen.

Hierzu ist

er schon nach den allgemeinen Regeln der versio in rem, ins­

besondere aber noch als unredkicher Besitzer verpflichtetSo-

*) Auf Siegrkßansprüche, welche demjenigen, in dessen Diensten der Beamte angestellt ist, gegen den letziern zustehen, kann wegen des unter bei­ den bestehenden kontraktlichen Verhältnisses der §. 54. nicht bezogen wer­ den. Vgl. die Juristische Wochenschrift, Iahrg. II. S. 5. und folg. ") Attg. Landrecht Th. I Tit. 13. §. 263. und folg., §. 273. und folg., Tit. 7. 241. 242., Tit. 15. $. 15.

159

gar ein dritter redlicher Besitzer kann die gestohlene Sache nur durch einen 10jährigen Usukapionsbesitz erwerben.^) *) §§. 684. und 648. Tit. 9. a. a. O. — Die Vorschrift im §. 279. Tlt. 13 Th. I. des Allg. Landrechts, daß der durch Betrug verursachte Scha­ den jederzeit vollständig erstattet werden solle, kann nicht so verstanden werden, daß überhaupt die Verjährung ausgeschlossen sey. Aus den Mate­ rialien des Allgemeinen Landrechts ergiebt sich die Bedeutung des Wortes „jederzeit" nicht. Im gedruckten Entwürfe des Allg. Gesetzbuchs, Th. II. Abth. II. Tit. 10. §. 171. steht es nicht; es ist bei der revisio monitorum eingeschaltet, ohne daß dafür der Grund ersichtlich ist. (Vgl. die Ma­ terialien, Bd. 80. Bl. 268., Bd. 81. Bl. 154. §. 273.) Gegen den §. 171. deS Entwurfes, welcher dahin lautete: Kat derjenige, in dessen Nutzen etwas ohne rechtsgültigen Vertrag ver­ wendet worden, sich eines Betruges bei dem Geschäft schuldig gemacht, so muß er den Betrogenen vollständig schadlos halten; war nämlich monirt, daß alle dergleichen den Betrug betreffenden Gesetze, um Wiederholungen zu vermeiden, unter eine allgemeine Regel gebrächt wer­ den könnten; ließen sich solche Gesetze in's Detail ein, so gäben sie dem Be­ trüger Gelegenheit zu Erfindungen, anstatt Betrug zu verhüten; jede Hand­ lung, wodurch erweislich auf eine versteckte Art der Nachtheil eines Dritten beabsichtigt, oder vollführt worden, müsse als ein Betrug angesehen werden und außer der Strafe den vollen Schadensersatz nach sich ziehen. Zu diesem monitum findet sich in dem extractus monitorum die Bemerkung: der Monent hat die Sache weder bedacht, noch verstanden. Vielleicht sollte aber dieser §. allgemein dahin gefaßt werden: Wer durch Betrug oder andere unerlaubte Handlungen Geld oder Gel­ deswerth an sich gebracht hat, ist jederzeit zur vollständigen Schad­ loshaltung verbunden nach Tit. 3. §. 13. seq. (Materialien, Bd. 61. Bl. 151., Bd. 79. Bl. 234.) Hierauf hat der h. 279. Tit. 13. Th. I. des Allgemeinen Landrechts feine jetzige Fassung erhalten, ohne daß von den Gründen der geschehenen Abänderungen etwas Weiteres erhellet. Zn dem Abschnitte über die nützlichen Verwendungen, in welchem die­ ser vorkommt, sind hinsichtlich der zu leistenden Vergütung mehrere Unterscheidungen und Beschränkungen gemacht. (Vgl. HH. 266. und 274. a. a. O.) Wenn nun hierauf im §. 279. bestimmt wird, daß derjenige, welcher auS dem Vermögen eines Andern Etwas an Gelde oder Geldes Werth durch Be­ trug an sich gebracht hat, jederzeit zur vollständigen Schadloshaltung ver-

IGO bunden seyn sott, so kann der Ausdruck „jederzeit" nur für gleichbedeu­ tend mit „in allen Fällen" angesehen und die Bestimmung nur dahin ausgelegt werden, daß die sonst stattfindenden Unterscheidungen und Be­ schränkungen nicht eintreten sollen. Den Ausdruck „jederzeit" auf die Ver­ jährung zu beziehen, dazu findetflch nachdem ganzen Zusammenhänge keine Veranlassung. — Da übrigens nach dem Inhalte des Schlußsatzes der De­ klaration von 31. März 1838. die dreijährige Präskriplion des §. 54. Tit. 6. Th. I. des Allg. Landrechts ausgeschlossen bleibt, wenn nur der Ersatz ei­ nes unrechtmäßig erlangten Vortheils gefordert wird, so kann jene Präskription auf die condictio indebiti nicht angewandt werden, indem diese condictio die Herausgabe eines Vortheils, auf welchen dem Empfänger kein Recht zusteht, zum Gegenstände hat. Bet den Steuern und Abgaben (Vgl. oben S. 122. und folg.) ist der An­ spruch auf Erstattung indebite gezahlter Beträge an eine kurze Verjährungs­ frist gebunden. Es treten aber dabei, so wie bet den, im §. 2. Nr. 8. des Gesetzes wegen Einführung kürzerer Verjährungsfristen (Vgl. oben S. 98.) angeführten Kosten und Stempeln besondere Verhältnisse ein, welche eine Abkürzung der Verjährung für die Erstattung indebile geleisteter Zahlun­ gen nothwendig machen; im Allgemeinen würde eine solche Abkürzung bei An­ sprüchen, welche die Herausgabe eines unrechtmäßig gezogenen Vortheils zum Gegenstände haben, nicht motivirt seyn.

D. Die Deklaration vom 18. Mai 1839., wegen

der

Verjährung

der

bei

den

vormaligen

Reichsgerichten unerledigt gebliebenen

Prozesse").

Bei der Auflösung der ehemaligen Reichsgerichte ist eine große Menge von Prozessen, deren Zahl sich auf viele Tau­ sende beläuft, unerledigt zurückgeblieben.

Manche dieser Pro­

zesse werden von Zeit zu Zeit reassumirt.

Da sie meistens sehr

veraltet sind, so entsteht dabei zunächst die Frage, ob nicht die­

selben für verjährt zu achten seyen. ES bestimmt nämlich die I. 9. Cod. de praescriptione

30. vel 40. annorum (VII. 39.), daß, wenn die Verjährung durch Anstellung der Klage un­

terbrochen worden ist, nachmals aber beide Partheien den Prozeß haben liegen lassen, von der letzten Verhandlung (cognitio) an, nach welcher beide Partheien unthätig ge­ worden sind,

eine neue Verjährung beginnen und in 40

Zähren vollendet seyn soll. Inwiefern diese Vorschrift auf die bei

den

ehemaligen

Reichsgerichten, besonders bei dem Reichskammergerichte,

an­

hängig gewesenen Prozesse Anwendung finde, darüber war von den

*) Gesetzsammlung für 1839. S. 176—176.

162 diesseitigen Gerichtshöfen verschieden erkannt worden °).

Die Mei­

nungsverschiedenheit betraf diejenigen Prozesse, welche bis zur

Spruchreife verhandelt und hierauf unentschieden,

oder, nach

der Sprache des gemeinen deutschen Prozesses, in submissis liegen geblieben sind

Zn Ansehung dieser in submissis liegen gebliebenen Pro­ zesse war daher eine legislative Entscheidung nothwendig, da die Frage, ob solche Prozesse der Verjährung nach Vorschrift

der angeführten 1. 9. Cod. de praescript. 30. vel 40. annorum unterworfen sind, von großer Wichtigkeit ist, indem bei

Bejahung derselben alle vor dem Zahre 1797. bei den ehema­

ligen Reichsgerichten bis zum Spruche verhandelten Sachen mit sehr wenigen Ausnahmen durch Verjährung erloschen seyn

würden. Die Rechtslehrer sind fast einstimmig der Meinung, daß

bei den erwähnten Prozessen die praescripitio litis pendentiae nicht zulässig scv, weil die angeführte Gesetzstelle nur von den

Fällen redet, in welchen die Sache taciturnitate in medio tempore adhibita liegen geblieben und ein streitender Theil

litem implere per quosdam casus impeditus est, weshalb auch der Beginn der Verjährung von der Zeit an gerechnet

werden soll, ex quo novissima processit cognitio.

Alles

dies deute ganz bestimmt darauf hin, daß nur an solche Fälle

gedacht sey,

in welchm der.Prozeß zwar rechtshängig, aber

°) Vgl. Simon und von Strampff Rechtssxriiche, Bd. 3. Seite 114—127.

**) In Ansehung der nicht bi« zum Schluffe verhandelten Prozesse ist die, auch der Praxi« der Neich«gerichte cntsrrcchende Meinung, daß diese Prozesse der gedachten Verjährung unterliegen, nicht bestritten worden.

163 zum Spruche noch nicht reif war, die Partheien mithin noch

handeln mußten, und der Richter das Urtel noch nicht erlassen

konnte.

Dagegen lägen die Fälle, in welchen der Richter die ihm spruchreif vorliegenden Sachen zu entscheiden unterließ, es sey

aus Nachlässigkeit, oder weil er, wie bei den Reichsgerichten, sich durchaus in der Unmöglichkeit befand, sämmtliche Sachen

abznmachen, ganz außer dem Gesichtskreise

jener Gesetzstelle.

Diese könne daher auch hierauf nicht angewandt werden; es trete hier vielmehr der allgemeine Rechtsgrundsatz ein, daß gegen

denjenigen,

welcher

sein Recht

zu

geltend

machen

schuldlos

außer Stande ist, keine Verjährung laufen kann.

Dieser

Grundsatz

im Allg. Landrechte Th. I.

auch

ist

Tit. 9. §>. 555., namentlich auf Prozesse, welche durch die Schuld des Richters

liegen

Er mußte daher,

darüber nach dem gemeinen Rechte

wenn

bleiben,

angewandt worden.

noch ein Zweifel obwaltm könnte, der Vorschrift des Publi­

kations-Patents

vom

5ten Februar 1794. Nr. IX. zufolge,

der Entscheidung zum Grunde gelegt werden.

Auf den Um­

stand, ob die Sache sollizitirt worden ist oder nicht, konnte es

hierbei nicht ankommen,

da

Sollizitationen

oder Beschleuni-

gnngSgesuche von den Partheien angebracht werden können, angebracht

werden

aber

nicht

nicht

zum Prozeßverfahren

müssen,

gehören.

ES

und überhaupt gar kann

daher

auch

den Partheien nm deshalb, weil sie keine Sollizitationen an­

gebracht haben, eine Mitschuld

an dem Liegenbleiben

Prozesses nicht beigemessen werden.

Am wenigsten ist dies aber

des

hinsichtlich der bei den reichsgerichtlichen Prozessen hergebrach­

ten Sollizitationen für zulässig aiizunehmeu, da letztere gewöhn11*

164

lich nur privatim an die Gerichtsmitglieder gerichtet zu wer­ den pflegten *). Demzufolge ist, damit nicht die Partheien, deren Sachen

nach spruchreifer Verhandlung

bei

den Reichsgerichten nicht

zur Aburtheilung gekommen sind, um ihr Recht gebracht wer­

den, durch die Deklaration vom 18. Mai 1839.**) dieNicht-

anwendbarkeit der 1. 9. Cod. de praescript. 30. vel 40. ann. auf die fraglichen Prozesse, für die Zeit, wo die Kompetenz

der Reichsgerichte noch bestand, ausgesprochen worden.

*) Die Reichsgerichte, besonders aber das Reichskammergericht, bei welchem die Geschäfts -Ueberhänfllng fast allein eintrat, stimmten mit den oben entwickelten Grundsätzen überein. Nur in Einem Falle, nämlich in Sachen Hohenlohe gegen Würzburg, ist bei einem Senate des Neichskammergerichts von dieser Praxis anscheinend abgewichen worden. Diese Abs weichung kann aber für eine solche, durch welche der entgegengesetzte Grund­ satz förmlich angenommen worden ist, nicht angesehen werden, indem die Votanten auf die Anwendbarkeit der 1. 9. Cod. de praescript. 30. vel 40. ann. nur für den F^all kontludirt hatten, und hierbei in Erwägung gezogen worden ist, daß die Sache, streng genommen, von einer Seite nicht als definitiv verhandelt zu betrachten wäre. Die in dieser Sache er­ gangene Entscheidung betraf daher nicht eine unstreitig in submissis liegen gebliebene Sache. **) Sie lautet also: Wir rc. finden Uns bewogen, zur Beseitigung ent­ standener Zweifel für den ganzen Umfang Unserer Monarchie zu erklären, daß die Vorschrift des Römischen Rechts in der 1. 9. C. de praescriptione 30. vel 40. annorum auf die bet den vormaligen Reichsgerichten bis znm Schluffe verhandelten, dann aber unentschieden liegen gebliebenen Prozesse, so lange für dieselben die zwmpetenz der Reichsgerichte begrün­ det war, keine Anwendung hat finden können, daß aber von dem Zeit­ punkte der Erlöschung dieser Kompetenz an, in Ansehung der Verjährung, die in den einzelnen Landestheilen geltenden Gesetze in Anwendung zu bringen sind. Ueber den Zeitpunkt, mit welchem die Kompetenz der Reichsgerichte in Bezug auf die einzelnen Landestheile für erloschen zu achten ist, haben Un­ sere Minister der Justiz und der auswärtigen Angelegenheiten die Gerichte mit einer Instruktion zu versehen.

165

Die Feststellung einer besonderen Präklusivfrist war dabei weder

nothwendig,

noch zulässig,

weil mit dem Zeitpunkte,

wo die Kompetenz der Reichsgerichte aufgehört hat, das Hin­ derniß, welches der Erlangung

einer Entscheidung bis dahin

entgegenstand, weggefallen lind den Partheien durch die Reassilmtion des Prozesses bei den Territorial-Gerichten die Gele­

genheit, die Sache zur Entscheidung zu bringen, gegeben wor­

den ist; daher mit diesem Zeitpunkte nach der Vorschrift des §>. 554. Tit. 9. Th. I. des Allgemeinen Landrechts und nach

den, hiermit übereinstimmenden Grundsätzen des gemeinen Rechts eine neue Verjährung hat anfangen können, welche nach Ver­

schiedenheit der Landestheile und der Sachen bald von längerer, bald von kürzerer Dauer, bei vielen Prozessen schon vollendet

ist, mld bei den übrigen bald vollendet seyn wird. Zn Ansehung des Zeitpunktes, mit welchem die reichsge­ richtliche Kompetenz anfhörte und jene neue Verjährung begin­

nen konnte, verweiset die Deklaration auf eine besondere In­

struktion, welche am 27. Zuli 1839. ergangen ist. *)

*') Justlj-Ministerlal-Blatt,Zahrg.I. S.287—288. undS. 330., Jahrbücher, Bd. 54. S. 143. — Da« Reichskammergericht ist niemals förmlich aufgelöset worden. Eine Auslösung desselben kann auch nicht in Folge der, durch die Errichtung des Rheinbundes veranlaßten Kaiserlichen Deklaration vom 6. August 1806. angenommen werden, da der Kaiser hierdurch nur die Reichskrone nlcderlegte und sich mit den Oesterreichischen Staaten vom Reiche, trennte. Das Reich selbst hörte aber deichalb nicht ganz auf, son­ dern blieb in Ansehung der übrigen, dem Rheinbünde nicht beigetretenen deutschen Staaten vorläufig noch, und in Ansehung Preußens bis zum Tilsiter Frieden rechtlich bestehen, durch welchen Preußischer Selts der Rheinbund und dadurch implicite die Auflösung des Relchsverbandcs aner­ kannt wurde. Hiermit erlosch, in Bezug auf die damals zur Preußischen Monarchie gehörigen Reichslande, die Wirksamkeit der Reichsgerichte. Zn Bezug auf die zum Rheinbünde gehörig gewesenen Staaten ist aber, so-



166



weit GebietStheile derselben jetzt zur Preußischen Monarchie gehören, die Erlöschung der retchsgerichtlichen Jurisdiktion schon früher erfolgt, und zwar in Bezug auf diejenigen, welche die Konföderations-Akte mit abgeschlossen haben, am 1. August 1806., an welchem Tage dieselben der Reichsversamm­ lung ihre Trennung vom Reiche angekündigt haben, in Bezug auf die dem Rheinbünde nachher bekgetretenen Staaten aber mit dem Tage des Beitritts zu diesem Bunde. Hinsichtlich der Rheinprovtnz, soweit daselbst das Franzö­ sische Recht gilt, hat die durch den Lüneviller Frieden vom 9. Februar, resp. 9. März 1801. bewirkte Territorial - Veränderung den Uebergang der bei den Reichsgerichten anhängigen Prozesse auf die Französischen Gerichte zur Folge gehabt.

JEwegen

Das Gesetz vom 31. März 1541.,

Deklaration 164. der

und

nähere,r Bestimmung

des

Gemeinheirstheilungs-Ordnung vom 7. Zuni 1821.*)

Die GemeinheitstheilungS-Ordnung vom 7. Zuni 1821. **)

welche für alle Provinzen der Monarchie, worin das Allge­

meine Landrecht gilt, gegeben und in die Stelle des vierten

Ilbschnitts im 17ten Titel des ersten Theils desselben getreten ist, bezweckt, in ihrer Richtung auf gründliche und dauernde

Förderung der Landeskultur, nicht allein

die möglichst vollständige Aufhebung aller auf Gemeingrün­

den und vermengten Ländereien in Absicht der Benutzung stattfindenden Gemeinschaft, sondern auch

die Ausgleichung und Entsenrung der der Kultur besonders hinderlichen Dienstbarkeitsrechte (Grundgerechtigkeiten),

die sie, von dem sonstigen Sprachgebrauche abweichend, mit unter den Begriff von „ Gemeinheiten" gestellt hat. (§. 2.)

Zn dem

2. sind als Gegenstände zulässiger Gemein­

heitsaufhebung bezeichnet:

*) Gesetzsammlung für 1841. S. 75 — 76. ") Gesetzsammlung für 1821. S. 53.— Vgl. die Ergänzungen und Erläuterungen des Allg. Landrechts, Suppl. Bd.,Abth 1. S 898—899. und die Entscheidungen des Geheimen Ober-Tribunals, Bd. 6 S. 152.

168 Weideberechtiglmgen auf Aeckern, Wiesen, Angern, For­

1)

sten und sonstigen Weideplätzen, 2) Forstberechtigungen zur Mast, zum Mitgenusse des Hol­ zes und zum Streueholen,

3)

Berechtigungen zum Plaggen-, Heide- und Bülteichieb; mit dem Beisatze,

es mögen übrigens diese Gerechtsame auf einem gemeinschaft­

lichen Eigenchnme, einem Gesammteigenthume oder einem ein­

seitigen oder wechselseitigen Dienstbarkeitsrechte beruhen. Nach

4. *) soll die Gemeinheitsaushebung zwar, wie

früher, immer nur auf Antrag eines oder mehrerer Theilnehmer stattfinden, das Provokationsrecht ist aber erweitert und soll

namentlich bei einseitigen Dienstbarkeitsrechten fortan auch dem Servitut-Berechtigten zustehen. (§, 19.) Zm §. 26. ist der Grundsatz, daß die Befngniß, aus

Gemeinheitstheilung anzutragen, durch keine „Verjährung" er­

löschen kann, nicht nur erneuert, sondern zugleich auf Willens­ erklärungen und Verträge ausgedehnt,

in welcher Beziehung

der §. 27, folgende Bestimmung hinzufügt:

Verträge und Willenserklärungen, wodurch Gemeinheitsthei­ lungen ausgeschlossen werden, sind in Rücksicht der Aecker und der damit in Verbindung stehenden Nutzungen nur auf

so

lange verbindlich,

als nach der bestehenden Fruchtfolge

lmd Schlag -Eintheilung der gemeinschaftlich benutzten Grund­ stücke zur zweimaligen Abnlltzling aller Schläge erforderlich

ist; in Rücksicht anderer Gegenstände dauert ihre Berbind-

*) Vgl. die Verordnung vom 28. Zull 1838.

1838. S. 429.)

(Gesetzsammlung

für



16t)

lichkeit nur zehn Jahre.



Mit Ablauf dieser Zeitpunkte

steht es jedem frei, seine Befugniß auf Gemeinheitstheilung

geltend zu machen. Nachdem hierauf bis jttm §. 163. von den Theilneh-

muiigsrechten, dem Theilnehmlingsverhältnisse, den Theilltngsgrundsätzen und den Wirkungen der Auseinandersetzung gehan­

delt worden, heißt es in dem §. 164. unter der Rubrik „von Einführung neuer Gemeinheiten:"

Neue Gemeinheiten, deren Aufhebung die jetzige Ordnung bezweckt (§. 2.), können nur unter der

Beschränkung des §>. 27. und nur durch schriftli­ chen Vertrag errichtet werden. Im Jahre 1835. wurde nun bei Revision der Geschäfts­ führung der General-Kommission zu N. angeregt, es gehe aris

mehreren

Entscheidungeir

der Spruchbchörden

über Weide-,

Forst- und ähnliche Servitut-Ansprüche, deren einziges Fun­

dament die Verjährung gewesen, hervor, daß dem §. 164. der

Gemeinheitstheilungs - Ordnung

nicht

diejenige Deutung und

Anwendung zu Theil werde, nach welcher die Verjährung als

Mittel zur Erwerbung solcher Servituten schlechthin ausgeschlos­ sen sey und eine fernere Berufung auf dieselbe nur insoweit,

als erweislich der verjährungsmäßige Besitz schon zur Zeit der

Publikation wesen,

noch

der GemeinheitstheilungS-Ordnung vollendet ge­ stattfinde.

Es

lagen

aus den Jahren 1830.

bis 1834. die Erkenntnisse dreier Jnstanz.en in einem Prozesse wider die Gemeine N. und dell Fiskus vor, in welchem der

klagende Theil, auf den Grllnd der 44jährigen

Verjähnlng

vom Jahre 1828. ab zurück berechnet, das Recht zu GraS, so wie zu Raff- uzid Leseholz, und seine Entschädigung dafür bei

170 der bevorstehenden Gemeinheitstheilung, beansprucht und auch

erstritten hatte.

Bei Anwendung des

164. der Gemein-

heitstheilungs-Ordnung in dem oben angedeuteten Sinne hätte

die Entscheidung so nicht ansfallen können,, der verjährungs­ mäßige Zeitrauin von 44. Zähren, welcher hier die Verjährung

bedingte, konnte dann nur voni Zahre 1821. Drück berechnet werden; dies führte auf das Zahr 1777. und bis zu diesem hinauf reichte der Zeugenbeweis

nicht.

Allein

der §. 164.

war überhaupt nicht zur Sprache gekommen, die Entscheidungsgründe gedachten seiner überall nicht.

Die

ausgehend,

Ministerien daß

der Znstiz

und

§>.

indem

der

164.,

des

davon

Innern,

er

die

Errichtung

neuer Gemeinheiten (also auch Servituten) nur auf Zeit und nur durch Vertrag gestatte,

von selbst jede andere Art der

Entstehung, mithin auch die Verjährung, ausschließe, fanden

sich durch jene Wahrnehmung veranlaßt, sämmtliche Obergerichtc und Revisionskollegien zur Anzeige

dern,

darüber aufzufor­

ob die Anwendung des Paragraphen in den zu ihrer

Eritscheidung gelangten Fällen }ii Zweifeln Anlaß

gegeben

habe, und welche Grundsätze insbesondere in dem Falle ange­

nommen worden, wenn die Verjährung vor der Pliblikation

der Gemeinhettstheilungs-Ordnung zwar angefangcn, aber nicht auch bereits vollendet gewesen.

Die hierauf eiugcgangenen Berichte lieferten übereinstim­ mend das Resultat, daß bis dahin bei keiner der Behörden,

aller sorgfältigen Nachforschung ungeachtet, aus den seit 1821.

zu ihrer Entscheidung gelangten Prozessen über Grundgerechtigkeiten der Fall einer Berufung auf den §. 164. von Sei­ ten einer Parthei

oder

eines Sachwalters,

der

Fall

einer

171 Auslegung oder Anwendung dieses

von Seiten der Spruchrich­

ter, nachzuweisen oder auch nur überhaupt erinnerlich war.

Zn Ansehung der westlichen Departements durfte dies wenig befremden.

Denn da, wo das Französische Civilgesetz-

buch von 1808. und resp. 1810. ab eine Zeit lang gegolten

hatte, war vermöge des Art. 691. die Verjährung als Erwerbungsmittel für Servituten der in Rede stehenden Art lmzweifelhaft ausgeschlossen und eben damit auch, nach der herr­

schenden Ansicht, eine jede schon angefangene Verjährung für immer unterbrochen worden.

Es konnte nur mit dem Jahre

1815. unter dem Schutze der Preußischen Gesetze eine ganz neue Verjährung beginnen, und da seitdem die in der Regel

begonnene Frist von 30. Zähren selbst heute noch nicht abge­ laufen ist, so konnte, um eine solche Verjährung abzuweuden, nicht erst eine Berufung auf den §. 164. der Gemeinheits-

theilungs-Ordnung und eine Entscheidung über diese Einrede

nothwendig werden.

Das Nämliche gilt von dem Departe­

ment Posen für die Periode von 1808. bis zum 1. März

1817., und selbst in den der Zwischenherrschaft nicht unter­

worfen gewesenen Landestheilcn des Naumburger Departe­ ments hat es in sehr vielen Fällen, vielleicht in den meisten, der Heranziehung jenes ParaAraphen nm deshalb nicht bedurft,

weil schon das im Herzogthlim Sachsen noch geltende Mandat wegen

der Waldbenutzungen

re.

vom

30. Zuli 1813.

be­

stimmt, daß die Gerechtsame der Waldhütung und Trift, des Streurechens, Laubstreifelns,

Grasens

und Harzens

in den

Waldungen, von Zeit der Publikation des Mandats an, durch

Verjährung nicht erworben werden können, und die Verjäh­ rung nur dann zu berücksichtigen bleibt, wenn sie zur Zeit der

Publikation des Mandats bereits vollendet gewesen ist.

172

Ausfallen hingegen mußte jenes Ergebniß bei den übri­ gen, von fremden

Departements,

in

Gesetzen

unberührt gebliebenen

östlichen

welchen nach der in einigen der Berichte

enthaltenen ausdrücklichen Bemerkung Prozesse über Grundgerechtigkeitelt,

welche auf Verjährung gegründet worden, zum

Theil in großer Menge geschwebt hatten und noch schwebten. Dazu kam, daß jetzt, wo mehrere der berichtenden Be­ hörden sich

nebenher

zugleich über

die Bedeutung

itnb

den

Umfang des §. 164. gutachtlich vernehmen ließen, vielfach verschiedene, mitunter galiz entgegengesetzte Ansichten und Zwei­

fel hervortraten. ward,

Während von einigen

daß der §. 164. überhaupt

Seiten her bestritten

auf

die Verjährung zu

beziehen sey, wurde dies von anderen für unbedenklich erklärt, und dem §. 164. ganz entschieden die nämliche Deutung ge­

geben, welche die Ministerien ausgesprochen hatten.

Noch An­

dere wollten dagegen die, allerdings auch nach ihrer Meinung von dem Gesetze bezweckte Ausschließung der Verjährung erst mit dem Zeitpunkte einer wirklich erfolgten, oder einer doch in An­

trag

gebrachten

Gemeinheitsthcilung,

in Beziehung

hierdurch fixirten Zustände, eintreten lassen.

auf

die

Wiederum Andere

nahmen an, daß die Absicht des Gesetzes nur dahin gehe, die

Entstehung neuer Gemeinheiten unter den theilnehmenden Mit­ gliedern selbst in Beziehung auf ihre eigenen Grundstücke zu

hindern, nicht aber in Beziehung auf die Grundstücke dritter Personen. Unter diesen Umständen erschien eine authentische Beleh­ rung der Spruchbehörden über den wahren Sinn des §. 164.

der Gemeinheitstheilungs-Ordnung unerläßlich.

Bei der hiernach

nothwendigen Deklaration

mußte

der

Zweck, der Plan imb ber Geist bes ganzen Gesetzes, vo»r wel-

173 chem jener

einen Bestandtheil ansmacht, maaßgebend seyn.

Znöbesondere und zunächst aber war ans eine sorgfältige Er­

örterung einzugehen, wie die undeutlich gefundene Disposition

in der ersten Anlage gelautet und in welcher Art dieselbe bei

der weiteren Bearbeitung sich ausgebildet chatte.

Mit Benuz-

zung beider Hülfsmittel konnte man aber nur zu dem Resul­ tate gelangen, welches das Gesetz vom 31. März 1841.

in den §§. 1. 2. und 3.*) ausspricht: daß durch den §>. 164. der Gemeinheitstheilungs - Ordnung die Verjährung als bisher zulässiges Mittel zur Erwerbung

und Geltendmachung von Servitllten der im §. 2. daselbst bezeichneten Art hat ausgeschlossen werden sollen; daß die bemerkte, für die Zukunft beabsichtigte Ausschließung

der Verjährung schon mit dem Tage der Publikation

der

Gemeiuheitstheilungs-Ordnung

hat

eintreten

und diese Ausschließung zugleich rückwirkend jede damals

bereits laufende, aber noch nicht vollendete Verjährung hat

unterbrechen und entkräften sollen. Zn einem Aufsatze, mit welchem die Verhandlungen zum

Zwecke einer neuen Gemeinheitstheilungs-Ordnung im Zahre 1809. zu Königsberg begannen, war unter den Grundzügen

zu derselben enthalten:

*) §• 1- In Gemäßheit des §. 164. der Gemeinheitstheilungs - Ord­ nung können die Im h. 2. daselbst bezeichneten Gemeinheiten und Grundge­ rechtigkeiten, welche zur.Zeit der Publikation jener Ordnung noch nicht rechtsgültig bestanden haben, durch Verjährung nicht mehr begründet werden. §. 2. Jeder erst nach Publikation der Gemeinheitstheilungs-Ordnung angefangene Besitz ist daher in Beziehung auf die Verjährung ohne recht­ liche Wirkung. §. 3. Auch ein bereits früher angefangener, aber noch nicht bis zur Vollendung der Verjährung fortgesetzter Besitz ist mit jenem Zeitpunkte für unterbrochen und wirkungslos zu achten.

174 Nach Publikation der GemeinheitstheilungS-Ordnung können neue Gemeinheiten, Gemenge, Servituten re. nur auf gewisse Zeitperioden wieder eingerichtet oder über­

nommen werden re. Dieser Satz erhielt sich, mit geringer Aenderung in Be­

treff der Zeitfristen, mehrere spätere Entwürfe hindurch, bis im Zahre 1814. die Berathung derselben an eine aus Staats­ beamten, National-Repräsentanten ,md praktischen Oekonomen

niedergesetzte

Kommission

Kommission findet sich

gelangte.

Bei

ein aus 315.

den Akten

dieser

bestehender neuer

Entwurf, in welchem, nach Definition des Ausdruckes „Ge­

meinheiten" die §. 3.

3. bis 5. dahin lauten:

Schon bestehende Rechtsverhältnisse dieser Art kön­ nen auf die unten näher bestimmten Bedingungen auf Antrag eines oder einiger Zutereffenten auch wi­

der den Willen der übrigen Theilhaber aufgehoben

werden. . 1. und 2.

des Gesetzes vom 31. März 1841. dem §. 164. der Gemeinheitstheilungs- Ordnung die Tendenz untergelegt ist,

die Verjährung in Ansehung aller im §. 2. derselben bezeich­ neten Gerechtsame vom Tage der Publikation des Ge­ setzes ab auszuschließen.

Es bleibt nun noch übrig, den Punkt wegen des Ein­

flusses des Gesetzes auf die bei seinem Erscheinen schon ange­ fangenen Verjährungsbesitz-Akte zu erörtern.

(§. 3.)

Man hat sich dabei für das Prinzip der Unterbrechung

aller damals noch nicht vollendeten Verjährungen erklärt.

Nach der Natur der Sache und den darauf sich grün­

denden allgemeinen Rechtsprinzipien beschränkt sich die Anwen­

dung der Regel, nach welcher ein neues Gesetz nicht rückwärts angewendet werden darf, auf solche Handlungen und Ereig­ nisse, die vor der Bekanntmachung deffelbm bereits ein voll­

endetes Rechtsverhältniß erzeugt haben, also vollständig der Vergangenheit angehören. Es muß, wie Mühlenbruch^) sich darüber äußert, ein *) Mühlenbruch, Lehrbuch M Pandektenrecht«, Bb. 1. H. 51, und Stolt 11.

188

bestimmter Grund eines RechtS oder einer Verbindlichkeit be­ reits eingetreten seyn, um die Anwendung des alten Gesetzes

fordern zu können.

Zn spezieller Beziehung dieses Grundsatzes

auf die Verjährung hat bereits Glück") bemerkt:

Zst in Ansehung

der Verjährung durch ein neues Gesetz

eine von dem älteren Rechte abweichende Bestimmung ge­ troffen worden, so verstehet es sich zwar von selbst, daß eS in Ansehung der vor diesem Gesetze schon vollendeten Ver­ jährungen bei den dadurch einmal erworbenen Rechten oder

Befreiungen

sein Bewenden behält.

Allein

in

Ansehung

der noch nicht vollendeten Verjährungen kommt es darauf an, ob die Bestimmung des neuen Gesetzes blos die Zu­

lässigkeit der Verjährung betrifft. Gesetz anzuwenden!

Hier ist das neue

Wird daher ein Recht, welches bisher

der Verjährung unterworfen war, jetzt gänzlich davon aus­

geschlossen, so können die früher zwar schon angefangenen,

aber noch nicht vollendeten Verjährungen nunmehr keinen Fortgang Weitergaben, weil mit der Existenz

des

neuen

Gesetzes die Gültigkeit des älteren für die Zukunft aufhört. Hiermit

stimmt

vollkommen

das Allgemeine Landrecht

überein, in dessen Publikations-Patente Nr. 17. verordnet ist, daß nur diejenigen Fälle, in welchen die Verjährung schon vor dem 1. Zuni 1794. vollendet worden, lediglich nach bis­

herigen Gesetzen beurtheilt, in Ansehung derjenigen Verjährun­

gen hingegen, deren bisherige gesetzmäßige Frist mit dem 1. Zuni 1794. noch nicht abgelaufen war, die Vorschriften des neuen Landrechts in allen Stücken befolgt werden sollen.

°) I» der Einleitung in das Studium des Römischen Pridatrechts, §. 5. >>. S. 31.

189 Diesem gemäß hat auch bei dem §. 164. nicht erst, wie dies in einem der früheren Entwürfe zur GemeinheitstheilungS-

Ordnung geschehen war, besonders angedeiltet werden dürfen, daß seine Wirkung sich auf die Vergangenheit zurück erstrecke,

es hätte nur, wenn diese Rückwirkung nicht stattfinden sollte, einer ausdrücklichen Bestimmting bedurft; man kann jenem Ge­ setze daher in dieser Hinsicht nicht den Vorwurf der Unvollständigkeit machen, und es lag insoweit eigentlich die Nothwendig­

keit einer authentischen Erklärung nicht vor.

Nur, weil es bei

dem Gesetze vom 31. März 1841. hauptsächlich mit darauf

ankam, den in dem §>. 164. gebrauchten Ausdruck

„neue

Gemeinheiten" zu erläutern, wurde die Einflechtung jenes

allgemeinen Rechtsgrundsatzes erforderlich, der im §. 3. dahin anerkannt ist: daß die Verjährung als gültige Erwerbsart für

Servituten der hier in Rede stehenden Art nur dann noch zu betrachten,

wenn

sie bereits

zur Zeit der Publikation

der GemeinheitStheilungS-Ordnung wesen, — zumal im

vollendet

ge­

4.#) eine Modifikation hinzutreten

mußte. Diese Modifikation bezieht sich auf den Grundsatz des

§. 3. und auf ihn allein.

Man hatte hierbei ausschließlich

das Interesse des Publikttms, insbesondere derjenigen Servi-

*) §. 4. Wenn jedoch In dem im §. 3. vorausgesetzten Falle der Be­ sitz auch nach Publikation der Gemeinheitstheilungs-drdnuiig noch so lange ununterbrochen fortgedauert hat, daß die gesetzliche Verjährungsfrist, von dem erweislichen Anfänge des Besitzes a» gerechnet, vor Publikation des gegenwärtigen Gesetzes abgclaufen ist, so soll, unter Vorbehalt de« Gegen­ beweises, die gesetzliche Vermuthung eintreten, daß die Verjährung schon bei Publikation der Gemeinheitstheilungs-Lrdnung vollendet gewesen sey. — Auf Besitzhandlungen, die erst nach Publikation des gegenwärtigen Gesetze« vorgenommen worden, ist keine Rücksicht zu nehmen.

190 tut-Prätendenten im Auge, welche nicht allein schon vor Publi­ kation der Gemeinheitstheilungs-Ordnung

einem auf

sich in

Verjährung hinführenden Besitze befunden, sondern diesen Be­

sitz auch nach jenem Zeitpunkte in gutem Glauben ruhig fort­

haben

gesetzt bei

Statten

finden,

kommen

gerechnet

Verjährung

gewesen selbst

des

denen

vorhin

könnte,

noch nachzuweisen,

zurück

der

möchten,

Anwendung

sey.

von



den

weil

in der

Es

ist

Behörden

dieser

sich außer

sie

Besitz

nicht zu

Stande

be­

daß ihr Besitz schon von 1821.

verjährungsmäßige

die

mithin

gleichwohl

aber

bemerkten Grundsatzes

That davon der

Zeit

schon

umfasse,

damals

wahre

Gemeinheitstheilungs - Ordnung

Sinn

eine

vollendet

daß,

ausgegangen,

des

geraume

die

wenn

§.

164.

Zeit

lang

nicht erfaßt, von vielen derselben dieser Sinn sogar auch spä­ ter noch, trotz der von Seiten der Ministerien ihnen gewor­

denen Anregung, mißdeutet, die richtige Anwendung des §. 164. mithin unterlassen worden, doch gewiß dem ungelehrten Grundbesitzer kein Vorwurf -nachlässiger Rechtsunkunde gemacht werden könne, wenn auch er jenen verborgenen Sinn nicht

erkannt und es deshalb unterlassen habe, durch besondere Vorkeh­ rungen den erforderlichen Beweis zu sichern.

Zhm unter so

gqnz ungewöhnlichen Umständen Schutz gegen

unverschuldeten

Verlust zu gewähren, ist der Zweck

des §. 4.

Durch die

Bestimmungen desselben sollten' die gewöhnlichen.Folgen einer

authentischen Deklaration in diesem einzelnen Falle, wegen be­

sonderer Dunkelheit des zu deklarirenden Gesetzes, soweit modifizirt werden, als

es, ohne andrerseits entschiedene Rechts­

verletzungen herbeizuführen, thunlich war.

Die Bestimmung der GemeinheitStheilungS-Ordnung, daß neue Grundgerechtigkeiten durch Verjährung nicht mehr rechts-

191 gültig erworben werden können, hat eine viel weiter gehende

und viel durchgreifendere Bedeutung, als die Worte unmittel­ bar entnehmen lassen.

Sie schließt nicht bloß die Verjährung

als Mittel zur Erwerbung neuer Grundgerechtigkeiten K. aus,

sondern hat auch in Betreff aller seit Zahrzehmen und Zahrhundetten, zwar ohne allen urkundlichen Beweis, aber doch ohne alle Anfechtung bestehenden Grnndgerechtigkeiten die wich­

tige Folge, daß dieselben ohne irgend eine Entschädigung ver­ loren gehen, sofern die Berechtigten nicht Behufs ihrer Erhal­ Wollte man nicht blos

tung besondere Vorkehrungen treffen.

die Entstehling neuer Grundgerechtigkeiten durch Verjährung hin­

dern, sondern auch bis dahin unangefochtene Rechte durch die Entziehung des Schutzmittels, welches das gewöhnlichste und

oft das einzig mögliche ist, mit der Gefahr der Vernichtung bedrohen, so war man doch wenigstens den Betheiligten schlil-

dig,

sie auf diese

Gefahr gehörig

a»«fmerksam

jit

machen.

Selbst dann, wenn man Rechte, die nicht ausgeübt werden, durch Präklusion re. definitiv Gesetzt, wo möglich,

beseitigen

spezielle Vorladungen,

wiederholte öffentliche Mahnungen.

verlangen

will,

die

oder sonst doch

Um wie viel mehr darf

derjenige, der sein Recht fortwährend ohne Widerspruch aus­

übt, also an sich gar nicht auf die Idee kommen kann, daß thm irgend eine Gefahr drohe, wenigstens darauf Anspruch

machen, daß alles Mögliche geschehe, um ihn von dieser Ge­ fahr in Kenntniß zu setzen.

Daß dies nun in der Gemein-

heitstheilungs - Ordnung geschehen sey,

läßt sich

gewiß nicht

behaupten. Daß man die wichtige durchgreifende Bestimmung,

die der §. 164. enthält,

unmöglich an

der

Stelle suchen

kann, die dieselbe in jenem Gesetze einnimmt, daß nach dem

gewöhnlichen

Sprachgebrauche,

wenn nur von Gemeinheiten

192 die Rede ist,

nicht

leicht

Jemand an einseitige Servituten

denken wird, mag ganz ans sich beruhen.

Dagegen ist auf

das gebrauchte Zeitwort „errichtet werden" entschiedenes Ge­ wicht zu legen.

Niemand wird sagen,

Verjährung errichtet werde. Neue Gemeinheiten

daß ein Recht durch

Da der Ausdruck:

können nur durch schriftlichen Vertrag

entstehen oder erworben werden;

so nahe lag und doch ein anderer gewählt wurde, so mußte man in der That zu dem Glauben verleitet werden, daß über­ haupt nur von der Errichtung der Gemeinheiten, d. h. von

einer Konstituirnng derselben durch Vertrag oder andere Wil­

lenserklärungen, habe die Rede seyn, und nur die Errichtung durch mündliche Verabredungen und alle nicht unter den Be­

griff des Vertrages fallende Willenserklärungen ausgeschlossen

seyn sollen. Dazu kommt noch, daß der Paragraph überhaupt nur von der Errichtung neuer Gemeinheiten handelt.

Um

so weniger konnte also derjenige, der gar keine neue Servitut

erwerben, sondern nur sein seit den längsten Zeiten ohne alle Anfechtung bestehendes, gutes Recht konferviren will, darauf

kommen,

daß

jene Bestimmung

auch mif ihn Bezug habe,

und ihm Vorkehrungen zur Pflicht mache, deren Unterlassung

den Verlust des Rechtes zur Folge habe. Nach der oben

gegebenen

Auseinandersetzung kann al­

lerdings nicht leicht eine Meinungsverschiedenheit darüber ob­

walten, was der Gesetzgeber durch den §>. 164. beabsichtigt

hat.

Die Zweifel sind aber nur verschwunden, weil das Zu­

rückgehen auf die Vorverhandlungen zulässig war.

Denen, die

das Gesetz betrifft, war dieses Hülfsmittel zum richtigen Ver­

ständnisse desselben nicht zugänglich, und wenn nun auch fast sämmtliche befragte Behörden bis zu dem Augenblicke, wo sie

193

auf die richtige Auslegung des

164. aufmerksam gemacht

wurden, denselben entweder ganz anders verstanden, oder doch

wenigstens das, was er bedeuten soll, dlirchaus nicht in ihm gesucht haben, so verdient doch gewiß der in den Gesetzen we­

niger bewanderte Servitutberechtigte Nachsicht, wenn auch er

die richtige Auslegung nicht herausfand lind darüber Das ver­ säumte, was ihm sein Recht hätte erhalten können.

Wäre in der Gemeinheitstheilungs-Ordnung die dem §. 164. zum Grunde liegende Absicht deutlich und bestimmt aus­

gesprochen und ausdrücklich erklärt, daß jede damals noch nicht

vollendete Verjährung als unterbrochen anzusehen,

mithin die

fortdailerndt Ausübung der Berechtigungen gleichgültig sey, so hätte darin für alle Servitutberechtigten, welche keinen anderen rechtsgültigen Erwcrbstitcl, als den rcchtsverjährten Besitz dar-

zuthun vermögen, eine Veranlassung gelegen, Maaßregeln zu treffen,

daß ihnen im

um sich gegen die Gefahr zu sichern,

Verlaufe der Zeit die Führung des Nachweises über die Ver­ jährung und deren Vollendung vor Publikation der Gemein-

heitSthrilungs- Ordnung unmöglich werde, und in Folge dessen

die Berechtigung selbst verloren gehe. Da aber,

wie schon erwähnt, diese Absicht keinesweges

klar ausgesprochen, vielmehr die Bestimmung des §>. 164. so

undeutlich gefaßt ist, daß selbst die Mehrzahl der Spruchbehör-

den derselben eine unrichtige Deutung gab, befremden,

wenn

kein Servitutberechtigter

so

darf es nicht

die

ihm drohende

Gefahr erkannte, und in jener Bestimmung allein keine Ver­ anlassung zur Sicherungs-Maaßregel fand.

Ward er daher

in der ferneren Ausübung der Berechtigung faktisch nicht ge­ stört, sondern setzte er dieselbe ununterbrochen fort, so hatte er

in der That gar keinen genügenden Grund, seinerseits nähere

194 Erörterungen und

vielleicht

über

das

Recht selbst in Antrag zn bringen

dadurch Widersprüche hervorzurufen,

nicht erhoben seyn würden.

die

sonst

Er mußte sich vielmehr für hinläng­

lich gesichert halten, wenn er nur immer im Stande blieb, für

den Fall, daß sein Recht bestritten werde, den Nachweis zu führen, daß er sich schon während des zur Verjährung erfor­ derlichen Zeitraumes, von dem Augenblicke der ersten Unter­

brechung zurück gerechnet, im ruhigen lind ungestörten Besitze der Berechtigung befunden habe.

Wäre nun aber, nachdem seit Publikation der Gemeinheitstheilungs-Ordnung bereits 20. Jahre verstrichen waren, be­ stimmt worden: daß auf den Besitzstand dieser letzten 20. Jahre gar Nichts

ankomme, der ruhige Besitz vielmehr nur dann berücksich­ tigt werden dürfe, wenn dargethan werde, daß der zur Ver­

jährung erforderliche Zeitraum bei Publikation der Gemeinheitstheilungs-Ordnnng bereits vollendet gewesen sey; so würde die allgemein anerkannte Undemllchkeit des §>. 164.

für sehr viele Servitutberechtigte den Verlust ihrer wohlerwor­

benen Gerechtsame nach sich gezogen haben; denn sie hätten nun selbst dann, wenn sic sofort die erforderlichen Schritte zur

Konstatirung ihrer Rechte thaten, den Besitz für einen 20. Jahre längeren Zeitraum nachweisen müssen,

als bisher nicht

blos

von ihnen, sondern auch von der Mehrzahl der Spruchbehörden angenommen worden war.

Es bedarf aber keiner weitläufigen Ausführung darüber, wie schwer es hält, Einwandsfreie Zeugen zu ermitteln, deren Wissenschaft gerade von den Thatsachen, auf welche es an­

kommt, so weit zurückreicht, und wie häufig der Fall daher ein-

getreten wäre, daß der Nachweis gar nicht mehr geführt wer-

195 den konnte, während derselbe sich im Zahre 1821. noch sehr wohl hätte fuhren lassen.

Hierin würde daher eine große Härte gelegen haben, wel­ che um so mehr gegen sich hat, als der. Nachtheil gerade die­

jenigen Servitutbcrechtigteu getroffen haben würde, welche auch nach Publikation der Gemcinhcitsthcillings-Ordnung im ruhigen

Besitze der ausgeübten Gerechtsame geblieben sind, und nach

allgemeinen Grundsätzen eine nm so stärkere Vermuthung der Rechtmäßigkeit ihres Besitzes für sich haben.

Es war daher

eine Bcstinimllng nöthig, wodurch

diejenigen,

welche sich nach Publikation der Ge-

mcinheitstheilungs-Ordnung im ruhigen

Besitze

der schon

früher ausgcübten Gerechtsame der im §>. 2. daselbst bezeich­

neten Ltrt behauptet haben, gegen die wesentlichen Nach­

theile geschützt wurden, welche für dieselben aus der undeut­ lichen Fassung des §. 164. der Gemeinheitstheilungs - Ord­

nung hcrvorgchen konnten.

Dieser Zweck ist vollkommen dadurch erreicht, daß auch die Berücksichtigung der nach Publikation der Gemcinheitsthei-

lungs-Ordnung bis zur Publikation des Gesetzes vom 31. März 1841. vorgenommenen Besitz-Akte gestattet und nur der Nach­

weis verlangt wird, daß die Verjährung vor dem zuletzt ge­ dachtet« Zeitpunkte vollendet sey.

Damit jedoch die Scrvitutberechtigten nicht günstiger ge­

stellt werden, als es der Fall seyn würd!, wenn der §. 164. deutlicher gefaßt wäre, und damit nicht auf der andern Seite

die Besitzer der servitutpflichtigen Grundstücke, welche möglicher Weise die nach Publikation der Gemeinheitstheilungs-OrdlVlng

vorgenommenen Besißhandlungcn als gleichgültig angesehen ha­ ben, erheblich beeinträchtigt werden, auch das der Bestimmung

196 des

164. znm Grunde liegende Prinzip so wenig als mög­

lich verletzt werde,

war es

angemessen,

die Bestimnuing des

§>. 4. dahin zu treffen, daß von den Servitntl'erechtigten zwar mir der Nachweis,

die Verjährung

sey

vor dem Erlasse des

neuen Gesetzes

vollendet, erfordert und in diesem Falle präsumirt werde, das Recht sey schon bei Publikation der GemeinheitstheilnngsOrdnung durch Verjährung erworben gewesen;

daß jedoch den Besitzern der belasteten Grundstücke der Gegen­ beweis offen bleibe.

Letzterer wird allerdings nicht sehr häufig geführt werden können, indessen doch zuweilen, z. B. in dem Falle, wenn für

ein Grundstück, welches erst innerhalb

der Verjährungsfrist,

vom Jahre 1821. an zurück gerechnet, die Qualität eines selbst­

ständigen erlangt hat, in dieser Qualität auf Grund des rechtsverjährten Besitzes eine Grundgerechtigkeit irgend einer Art in

Anspruch genommen wird. Hiernach sind der rückwirkenden

Kraft der Deklaration

des §>. 164. Schranken gesetzt und es ist nicht blos eine De­ klaration gegeben worden,

zu

Rückwirkung nach §. 15.

deren Karakter die Kraft

der Einleitung

der

zum Allgemeinen

Landrechte allerdings gehört.

Der §. 5.*) des Gesetz'es bestimmt die Grenzen der

Wirksamkeit der Verordnung sowohl in Beziehung auf die Gesetze,

*) §. 5. Die für einzelne Landestheile bestehenden Vorschriften, wo­ durch in Hinsicht gewisser Arten von Grundgerechtigkeiten die Verjährung schon früher au-geschloffen und unterbrochen worden, bleiben auch ferner in Kraft; aste andere, den obigen Vorschriften entgegenstehende provinzialrechtliche oder statutarische Bestimmungen aber «erden hierdurch aufgehoben.

197

wodurch schon früher der Erwerb einzelner Arten von Servi­ tuten durch Verjährung ausgeschlossen worden*), als in Bezie*) Das in verschiedenen LandeSiheilen eine Zeit lang geltend gewesene Französische Civil-Gesetzbuch verordnet im Artikel 691: Fortwährende nicht in"s Auge fallende, desgleichen nicht fortwährende Servituten, diese letztem mögen tn's Auge fallend seyn oder nicht, er­ wirbt man nur durch Verleihung. Bloßer Besitz, selbst wenn er unvor­ denklich wäre, ist nicht hinreichend, um sie zu begründen; doch kann man Servituten dieser Art, die durch den Besitz bereits erworben find, in Ländern, wo ein solcher Erwerb zulässig war, gegenwärtig nicht mehr bestreiten. Bei der Wieder-Einführung des Allgemeinen Landrechts wurde in die­ ser Beziehung nichts Besonderes festgestellt, nur im Allgemeinen verordnete das Publikations-Patent: eine jede vollendete Verjährung solle nach den bisherigen Gesetzen beurtheilt werden, eine nicht vollendete nach dem Allge­ meinen Landrechte; — sollte aber zur Vollendung einer, schon vor der Wieder-Ejnführung des Allgemeinen Landrechts angefangenen Verjährung in diesem Gesetzbuche eine kürzere Frist, als nach den aufgehobenen Ge­ setzen erforderlich war, vorgeschrieben seyn, so solle derjenige, der sich auf die kürzere Frist beziehe, sie nur von der Wieder-Einführung des Allgemeinen Landrechts an berechnen können. Des Falles, daß die bisherigen Rechte die Verjährung gar nicht zu­ ließen, war in dieser Bestimmung nicht gedacht worden und daher entstand sehr bald die Frage, wie die Verjährungsfrist hinsichtlich derjenigen Servi­ tuten, bet denen das Französische Gesetzbuch keine Verjährung zuließ, zu berechnen sey. Der Satz des Publikations-PatentS: „jede, bet WtederEtnführung des Allgemeinen Landrechts noch nicht abgelaufene Verjährung sey nach diesem Gesetzbuche zu beurtheilen," — war nicht durchgreifend, weil er eine lausende Verjährung voraussetzte. Daher wurde einer­ seits behauptet, eine neue Verjährung könne nur, gleich den kürzeren Ver­ jährungsfristen, deren das Publikations-Patent ausdrücklich gedenkt, von dem Wieder-Eintritte der Gesetzeskraft des Allgemeinen Landrechts an be­ rechnet werden; — während Andere erwiderten, die Verjährung könne wäh­ rend der kurzen Zeit der Geltung des Französischen Rechts nur als ruhend betrachtet, und daher müßten die vorher und nachher abgelaufenen Zeit­ räume zusammengerechnet werden. Zn den ersten Jahren, nach der Wie­ der-Einführung des Allgemeinen Landrechts, war diese Kontroverse von geringer Bedeutung, da die Geltung des Französischen Gesetzes nirgends vor dem Jahre 1808. datirt, die oben angeführte Bestimmung dieses Gesetzes

198 huttg auf die provinziellen imb

statutarischen Bestimmungen

über Verjährung, da die Gemeinheitstheilungs - Ordnung selbst

aber den Beweis einer früher vollendeten Verjährung ausdrücklich zulaßt. Es waren nämlich in jenen ersten Jahren noch meistens Zeugen aufzufinden, die einen zum Nachweise der vor 1808. vollendeten Verjährung zu­ reichenden Besitzstand bekunden konnten. Je weiter aber die Zeit vorrückte, je weniger blieb dies möglich, und als daher in den zwanziger Jahren ab­ weichende Entscheidungen der höchsten Gerichtshöfe zum Vorscheine kamen, hielt man die Sache für wichtig genug, alle diejenigen Rechtssachen, in denen es auf die Wirkung des Art. 691. ankam, in letzter Instanz dem Geheimen Ober-Tribunale zu überweisen. Dieser Gerichtshof nahm die An­ sicht an, daß die Verjährung durch das Französische Gesetz für förmlich unterbrochen anzusehen, dergestalt, daß eine neue Verjährung nur von dem Wieder-Elntrttte der Geltung des Allgemeinen Landrechts an berechnet werden könne. Seit jener im Jahre 1826. erfolgten Ueberweisung aller betreffenden Rechtssachen an das Geheime Ober-Tribunal darf die Praxis als fixirt betrachtet werden, daß eine Verjährung der im Art. 691. bezeichneten Servituten nur dann als nachgewiesen angenommen wird, wenn sie entweder vor 1808. vollendet war, oder wenn neuerdings der erforderliche Zeitraum seit 1815. abgelaufen ist. (Vgl. die Ergänzungen und Erläuterungen des Allgemeinen Landrechts, Abth. I. S. 911.) Letzteres wird bei einer dreißigjährigen Ver­ jährung erst im Jahre 1845., bei einer vier und vierzigjährigen erst im Jahre 1859. der Fall seyn; — eine vor 1808. vollendete Verjährung aber kann, wenn es, wie in der Regel der Fall ist, auf einen durch Zeugen zu beweisenden Besitzstand ankommt, in Ermangelung hinreichend alter Personen jetzt fast nie mehr nachgewiesen werden. So ist es dahin gekommen, daß in den meisten Fällen bei entstehenden Streitigkeiten, Servituten der in Rede stehenden Art von den Gerichten nur dann als solche anerkannt werden, wenn die Berechtigten einen anderen Erwerbstitel, als den durch Verjährung, darzuthun vermögen, oder schon früher den Beweis der vor Einführung der Französischen Gesetzgebung vollendeten Verjährung geführt haben. Von manchen Seiten ist diese, nach der Natur der Sache erst in neuerer Zeit deutlicher hervorgetretene Wirkung der Französischen Gesetz­ gebung als ein Uebelstand betrachtet und deswegen versucht worden, Ansich­ ten geltend zu machen, welche auf eine anderweite Auffassung des Rechts­ verhältnisses Hinweisen. So ist namentlich in dem Entwürfe des Provin­ zial-Rechts der Altmark — für welchen Landestheil die Frage von prak-



199



ihrer Tendenz nach überall durchgreifend ist, ein Gkiches daher auch von jeder Deklaration derselben gelten muß. Uscher Bedeutung tst— der Gesichtspunkt aufgefaßt, daß der nicht unter­ brochene faktische Zustand auch jetzt noch unter allen Umständen ent­ scheidend seyn müsse. Zn dem zu Arnsberg erscheinenden Archive für Preußisches Recht und Verfahren (Bd. I. Heft 4. S. 616.) dagegen ist in einer eigenen Ab­ handlung die Meinung aufgestellt, daß sich der Einfluß der Französischen Gesetzgebung wenigstens nicht bis auf die praescriptio immemorialis er­ strecken könne, weil die Jmmemorial-Präskriptlon nicht aus dem Gesichts­ punkte der Erwerbungsarten zu betrachten sey, sondern als eine, bis zum Beweise des Gegentheils der Entscheidung zum Grunde zu legende Ver­ muthung aufgefaßt werden müsse, und in dieser Weise, als prozessualische Vermuthung gedacht, durch die gesetzlichen Bestimmungen über den Erwerb durch Verjährung nicht berührt werde. Diese letztere Ansicht hat in neue­ rer Zeit nach de», in der Gazette des tribunaux bekannt gemachte» Entscheidungen des Pariser KaffationShoses auch dort insofern Eingang gefunden, als man unter Vorausschickung des Grundsatzes, daß die Jmmemorial-Präskription nicht eigentlich eine Art der Verjährung sey, sondem vielmehr einen Titel unterstelle, die Bezugnahme auf die unvordenkliche Verjährung gegen den wörtlichen Inhalt des Art. 691. zugelassen hat, weil sich die unvordenkliche Verjährung nach der Natur der Sache, eben als eine unvordenkliche, auch auf die Zeit vor dem Gesetze, welches die Bezugnahme auf eine solche Verjährung untersagte, zurück er­ strecken müsse. Durch die Kabinetsorder vom 1. April 1841. lJustiz-Mintsterial-Blatt, Zahrg. III. S. 160.) ist indessen die Meinung des Geheimen Ober-Tribunals, daß durch den Art. 691. die Verjährung unterbrochen worden sey, gebilligt worden. Diese Ansicht entspricht auch den Grund­ sätzen, welche nicht blos dem Allgemeine» Landrechte, sondern auch dem §. 164. der Gemeinheitstheilungs - Ordnung zun Grunde liegen. Zm Allgemeine» ist die Verjährung, wie im Entwürfe des Allgemeine» Gesetzbuches ausdrücklich gesagt worden, nicht natürlichen Rechtens, sondern sie beruht lediglich auf positiven Bestimmungen, zufolge deren, vermöge einer Rechtsfiktion, an die Thatsache eines laugen Besitzes, unter gewissen Voraussetzungen, die Vermuthung der Rechtmäßigkeit dieses Besitzes ge­ knüpft wird. Da ohne solche Bestimmungen alle Besitzrechte im Laufe der Zeit zweifelhaft werden und die Mittel zu deren Aufklärung verloren gehe» könnten, so sind dieselbe» offenbar wohlthätig, ja nothwendig; aber man

200

Endlich verordnet der §. 6. des Gesetzes, daß dasselbe auf alle noch nicht rechtskräftig entschiedene Fälle Anwendarf nie vergessen, daß sie nur Ausnahmen von der Regel bilden und eben deswegen im zweifelhaften Falle stets mehr zu Gunsten dessen, der durch die Verjährung ein Recht einbüßt, als dessen, der dadurch ein Recht erwerben will, zu deuten sind. Nirgend tritt die- greller hervor, als in der Lehre von der Ersitzung der Servituten, da diese als Beschränkung des Eigenthums schon an sich die Vermuthung gegen sich haben und die Erfahrung lehrt, daß namentlich Grundgerechtigkeiten großentheils ihren Ursprung entweder in bloßen nach­ barlichen Gefälligkeiten, oder in widerrechtlichen Eingriffen haben, die nicht bemerkt oder aus Liebe zum Frieden nicht gerügt worden. Deshalb konnten nach dem früheren Römischen Rechte Servituten durch Verjährung gar nicht erworben werden; später war wenigstens ein Titel erforderlich, und bis auf die neuesten Zeiten gaben die Bestim­ mungen des Römischen Rechts über diese Materie zu sehr vielen Kontro­ versen Veranlassung. Dem Germanischen Rechte war die erwerbende Verjährung ur­ sprünglich ganz fremd, insbesondere aber nach demselben von einer Ersitzung von Grundgerechtigkeiten nicht die Rede, und gerade dieser Umstand hat — wie aus dem Expose des motives und den Diskussionen über das Fran­ zösische Gesetzbuch hervorgeht — Veranlassung zu der Bestimmung des Art. 691. des gedachten Gesetzbuches gegeben. Zn den Französischen Pro­ vinzen des Gewohnheits-Rechtes, dem s. g. pays du droit coutumier, wozu namentlich die ursprünglich Deutschen Provinzen gehörten, hatte flch nämlich das alte Germanische Recht in so weit erhalten, daß servitutes discontinuae non apparenles durch Verjährung gar nicht erworben werden konnten, während in dem pays du droit ecrit der Erwerb durch Zmmemorial-Präskription möglich war. Der erstere Grundsatz ward nun zum Gesetze erhoben. Derselbe Gesichtspunkt schwebte auch den Verfassern deS Allgemeinen Landrechts vor, wie dies die in den §§. 15. und 20. des Entwurfes zum Allgemeinen Gesetzbuche enthaltenen Bestimmungen, daß Vergünstigungen, welche gegen jeden Befltzer des belasteten Grund­ stücks als Grundgerechtigkeit gelten sollen, im Hppothekenbuche vermerkt werden müssen, und daß durch die bloße Verjährung in Zukunft keine Grundgerechtigkeit erworben werden könne, deutlich beweisen. Zwar wurde die letztere Bestimmung unterdrückt, und statt derselben in das Allgemeine Landrecht Th. I. Tit. 22. der §. 14. ausgenommen,

201

düng findet, was mit Rücksicht darauf besonders $u erwähnen war, daß das Gesetz den 164. der Gemeinheitstheilungsnach welchem die Ersitzung zwar möglich, aber von dem Nachweise ab­ hängig ist, daß der Besitzer des berechtigten Grundstückes die streitige Befugniß als ein wirkliches Recht und nicht vermöge einer bloßen Vergünstigung in Besitz genommen und durch rechtsverjährte Zeit ausgeübt habe. Die erstere Bestimmung aber ward mit den, in den §§. 18. bis 24. näher angegebenen Maaßregeln beibehalten und namentlich durch §• 24. festgesetzt, daß nach Verlauf zweier Jahre, von Publikation des Allgemeinen Landrechts an, Grundgerechtigkeiten, welche den Nutzungs-Ertrag des bela­ steten Grundstücks schmälerten, und gleichwohl durch keine in die Augen fallenden Kennzeichen oder Anstalten angedeutet wären (mithin alle Ser­ vitutes non apparentes), insbesondere auch Hütungs- und Holzungs­ Gerechtsame durch Verjährung nicht mehr anders erworben werden könn­ ten, als wenn letztere gegen eben denselben Besitzer des belasteten Grund­ stückes angefangen und vollendet worden. Die Vorschrift, daß jede Grundgerechtigkeit der in Rede stehenden Art innerhalb zweier Jahre in daS Hypothekenbuch eingetragen werden solle, ist zwar später durch den zweiten Abschnitt der Cirkular-Verordnung vom 30. Dezember 1798. aufgehoben, und dadurch hat, wie wenigstens allge­ mein angenommen wird, auch die dem Artikel 691. des Französischen Ge­ setzbuches sehr ähnliche Vorschrift des §. 24. ihre Gültigkeit verloren. Jirdessen ist jene Aufhebung keinesweges deswegen, weil man sich von der Un­ richtigkeit de§ zum Grunde liegenden Prinzipes überzeugt hatte, sondern lediglich wegen der arzs der Eintragung aller Grundgerechtigkeiten der in Rede stehenden Art entstehenden Kosten und Schwierigkeiten und der dar­ über geführten Beschwerden, erfolgt, und schon Klein hat im Bd. XXV. seiner Annalen S. 36. und folg, ausgesührt, daß die Nachtheile, welche durch die landrechtliche Bestimmung hätten vermieden werden sotten, die­ jenigen bedeutend überwögen, welche zur Aufhebung jener Bestimmung An­ laß gegeben. (Vgl. die Ergänzungen und Erläuterungen des Allge­ meinen Landrechts, Suppl. Bd. Abth.l S. 900. und folg.) Nach §. 6. des Königlich Sächsischen, im Herzogthume Sachsen noch gültigen Mandats vom 30. Juli 1813., die Walduebennutzungen und die in den Waldungen auszuüben denBefugniffe betreffend, ist übrigens dieVetjährung für alle Waldscrvituten nur insofern ein rechtsgültiger Titel, als solche am

— 202 —

Ordnung nicht bloß deklarirt, sondern auch in gewisser Art modifizirt oder doch ergänzt. 30. Juli 1813. bereits vollendet gewesen ist. Diese Vorschrift stimmt, mit der Maaßgabe, daß sie auf Waldservituten beschränkt Ist, völlig mit der des Art. 691. des Französischen Civil-Gesetzbuches i'iberein.

IV.

Die Berechtigung und Verpflichtung des Fiskns hinsichtlich der Zinsen. 1$or der Einführung des Allgemeinen Landrechts galt in den Preußischen Staaten, so wie überhaupt in Deutschland, ruck-

sichtlich

der

Zinsen-Forderung

und Leistung des Fiskus

Vorschrift des Römischen Rechts in 1.

17.

die

5. Dig. de

usuris, XXII. 1.: Fiscus ex suis contractibus usuras non dal, sed ipse accipit, ut seiet a foricariis, qui lardius pecuniam inferunt; item ex vectigalibus. Cum autem in loco privati successit, etiam dare solet. Ueber den Umfang derselben herrschten zwar verschiedene Ansichten unter den Rechtslehrern; nach der allgemein in der Praxis rezipirten Meinung hielt man aber den Fiskus für be­ rechtigt, auch außer dem Falle einer

besonderen Stipulation

Zinsen zu fordern, wogegen man ihn weder in Ermangelung

einer solchen Stipulation, noch selbst im Zögcrungsfalle zu der Entrichtung von Zinsen für verpflichtet erachtete. Da

jene Vorschrift

in das

Allgemeine Landrecht nicht

ausgenommen war, so ergaben sich Zweifel über die fortdauernde

Verbindlichkeit derselben.

Obgleich die Streitigkeiten bei Etc-

204 lcgenheit mehrerer Lieferungen ans früheren Kriegsjahren, wel­ che den Zweifel veranlaßte«, hauptsächlich mir die Frage über

die Befreiung des Fiskus von der Entrichtung von BerzugsZinsen betrafen, so war es doch gleich wichtig, auch hinsicht­ lich der anderen, zur Verhütung aller Zweideutigkeit, bestimmte

Grundsätze festzustellen.

Auf Veranlassung des

General-Direktoriums tmb

des

Ober- Kriegs-KollegiumS wurde die Einforderung des Gutach­ tens der Gesetz-Kommission verordnet.

Diese erklärte sich

zwar am 11. März, 16. August und 3. September 1799. gegen die Wiederherstellung

jenes

Rechte und der Billigkeit zuwider.

Privilegiums,

als dem

Alleüt diese Begutachtung

fand keinen Beifall, vielmehr wurde durch eine Kabinetsorder

vom 28. Oktober 1799.*) verfügt,

daß ein

deklaratorisches

Gesetz zu erlassen sey in dem Sinne, daß der Fiskus ohne

Stipulation Zinsen zu zahlen nicht schuldig, dergleichen aber ohne Versprechen, Mahnung und bestimmten Zahlungstag zu empfangen wohl befugt sey. Diese Order, welche als eine authentische Deklaration an alle Landeskollegien überschickt wurde**),

hat jedoch blos in

Betreff des ersten Punktes, und ohne daß sie vorher in GesetzeSform gebracht worden, in dem §. 26. des Anhanges $ti

dem Allgemeinen Landrechte dahin Aufnahme gefunden: Der Fiskus ist nur vorbedlmgei» Zinsen zu zahlen schuldig.***)

*) Rabe« Sammlung, Bb. 5. S. 629; vgl. auch Bb. 4. S. 32. *•) Rabe a. a. £). **’) In den Motive» de« Gesetzrevisor« zum Pensum XII. S. 446 — 148. wird Folgende« bemerkn „Au« welchen Gründen der 2lc Theil der Kabinet«-Order, daß nämlich der Fiscus ohne Versprechen, ohne vorhergegangene NIahnung und bestimmten Zahlungslag Zinse» zu verlange»

205

Bon mm an hatte zwar die Anordnung, daß der Fisklis nur verbunden sey, vorbedungene Zinsen jti bezahlen, gesetzliche befugt sey, fortgelassen worden ist, läßt fich auS den Acten, betreffend die Anfertigung des Anhanges zum Allgemeinen Landrechte (Cons. act. ge­ il er. Landrecht Nr. 4.) nicht ersehen. In dem Entwürfe zum §. 26. war die Disposition der Kabinets-Order vollständig enthalten; die 2te Hälfte ist aber ohne weitere Motivirung ausgesirichen worden. (Corts, die cit. act. f. 29.). Ob die letztere hierdurch abrogirt sey, ist als zweifelhaft zu be­ trachten. Die absichtliche Weglassung derselben auS dem Anhänge spricht für die bejahende Meinung; dagegen laßt sich für die verneinende anführen, daß das Patent vom Ilten April 1803. die früheren Gesetze, so weit sie nicht in den Anhang ausgenommen sind, nicht ausdrücklich außer Kraft setzt, und den Anhang überhaupt nur eine verkürzte Sammlung der bishe­ rigen Gesetze nennt. Auf eine Entscheidung dieses Punktes wird es aber nicht ankommen können, wenn meiner Meinung gemäß die Bestimmung der Kabinets-Order vom 28sten Oktober 1799. gänzlich aufgehoben und dem Fiscus in Absicht der Verpflichtung, Zinsen zu zahlen, und in Absicht der Befugniß, dergleichen zu erheben, gar kein Vorrecht beigelegt werden sollte. Der Zmmediat-Bericht vom 24sten Oktober 1799. (act. gcncr. I. Abth. F. N. 3.), auf welchen die gedachte KabinetS-Order erlassen ist, be­ ruht hauptsächlich darauf: a) daß die Zinsen ex mora eigentlich als ein Gewinn für den Gläu­ biger zu betrachten, und der Staat zur Zahlung eine- Gewinnes überhaupt nicht verbunden sey; b) daß der Staat für die Verzögerungen seiner Beamten so wenig bei der Leistung von Zahlungen, als bet der Einziehung von Geldern büßen könne, und c) jeder, welcher an den Staat etwas zu entrichten habe, sich selbst mah­ nen müsse und also stets in mora sey. Die Unhaltbarkeit dieser Gründe leuchtet von selbst ein; denn ad a. sind usurae rnorae kein bloßer Gewinn, sondern nur eine Ent­ schädigung für den Nachtheil, welcher dem Gläubiger aus der verzögerten Zahlung erwächst. Cons. §. 833. und 834. Tit. 11. Th. I. des Allge­ meinen Landrechts. ad b. muß der Staat, wenn er durch das Verfahren seiner Beamten in Schaden gesetzt wird, sich diescrhalb an diese halten, und kaun sich da­ gegen nicht ans Kosten eines Dritten sicher stellen; ad c. ist ein in den Gesetzen nirgends ausgesprochener Satz, und die 73. und 74. der Einleitung, so wie der §. 53. Tit. 16. Th. I. des

206 Kraft erhalten; allein es horten darum die Reklamationen der angeblich Benachtheiligten nicht ans.

Als in der Folge sich

Allgemeinen Landrechts, welche dafür angeführt sind, haben darauf gar keine Beziehung. Da die Vcrzögerungszinsen bet Geldzahlungen den aus der Verzöge­ rung entstandenen Schaden repräsentiren, so ist es eine offenbare Benachtheiligung des Gläubigers, wenn der Fiscus ihm dergleichen nicht zu bezah­ len braucht; andern Theils läuft diese Bestimmung oder kann wenigstens häufig auf einen Gewinn für den Fiscus hinauslaufen, indem derselbe das Geld, was er seinem Gläubiger zahlen sollte, immittelst für seinen Vor­ theil nutzen kann. Durch die in Rede stehende Vorschrift werden diejenigen, welche Geldfoderungen an den Fiscus haben, in einem hohen Grade von der Willkühr der Behörden abhängig, indem diese ohne Gefahr eines Nachtheils für ihre Person die Zahlung beliebig in die Länge ziehen können. Denn Seitens des Fiseus haben sie, da dieser durch die Verzögerung eher gewinnt, als verliert, keinen Regreß zu befürchten, die Parteien werden eine Entschädi­ gungsklage wider dieselben auf den Grund einer vorsätzlichen oder fahrläs­ sigen Beeinträchtigung selten begründen können und, wenn dieses auch in einzelnen Fällen möglich wäre, doch wegen der damit verbundenen Weit­ läufigkeiten nicht unternehmen. Wird dagegen der FiscuS, gleich andern Schuldnern, zur Entrichtung von Zögerungszinsen verpflichtet; so wer­ den die Beamten ohne Noth keine Zahlung verzögern, weil sie sonst Gefahr laufen, daß die höhern Behörden den Ersatz der Zinsen von ihnen verlangen. Sollten außerordentliche Umstände die Staatskassen auf eine Zeitlang außer Stande setzen, ihren Verpflichtungen prompt zu genügen, so bleibt dem Staate die Ergreifung außerordentlicher Mittel unverwebrt; diese dür­ fen aber nicht länger und nicht weiter, als die Noth es erfodert, sich er­ strecken, und können nur als vorübergehende Ausnahmen, und nicht als eine fortwährende Regel angewandt werden. Die Vorschrift, daß der Fiscus auch dann, wenn kein gesetzlicher Grund zur Zah­ lung von Zinsen vorhanden ist, dergleichen fodcrn könne, läuft darauf hinaus, ihm einen reinen Gewinn, ohne irgend ein Zuthun seiner Seits, zu verschaffen. Dieß ist offenbar exorbitant, und kann um so weniger gerechtfertigt werden, als die Schuldner dadurch geradezu in Nachtheil versetzt werden. Durch das provisorische BeiIreibungSrecht, welches dem Fiscus in sehr vielen Fällen zusteht, ist derselbe

207 gewichtige Stimmen damit verbanden, um die Härte dieser Ver­ fügung geltend zu machen, auch wegen der Berechtigung des Empfange von Zinsen Nichts ausgesprochen

Fiskus zum

war, so blieb das Bedürfniß einer näheren Bestimmung noch

immer fühlbar. Dieses Bedürfniß wurde insbesondere in einer KabinetSOrder vom 12. Mai 1831. anerkannt, wodurch, bei Gelegen­ heit der Borbescheidung eines Fabrikanten M., eine neue Prü­ fung der betreffenden Grundsätze befohlen wurde. ES wird zweckmäßig seyn, die Worte dieser Order hier

Sie lauten wie folgt:

anzuführen.

Was das fiskalische Borrecht in Bezug auf die Zögerungs-

Zinsen betrifft, so ist es nicht Meine Absicht, dasselbe aufzuheben.

Da es jedoch durch das Landrecht nicht sanktionirt

worden war,

und eine ganz unbedingte Ausübung

desselben in vielen Fällen in große Härte ausarten kann, weshalb es auch unter den übrigen Vorrechten des Fiskus

besonders

ungünstig beurtheilt wird;

so

hatte Ich

durch

Meine Order vom 28. Oktober 1799. nur verordnet, daß

ein deklaratorisches Gesetz dieserhalb abgefaßt werden solle, bei dessen Ausarbeitung die nöthigen Ausnahmen und Modi­

fikationen zur Sprache und Prüfung gekommen seyn würden.

schon vor Andern bedeutend bevorrechtet; bet gehöriger Handhabung der stattfindenden Kontrollen Ist der Fall, daß die Einziehung der dem FiscuS gedührenden Gelder vernachlässigt werde, nicht sehr zu befürchten, auf alle Fälle Ist e« eine Ungerechtigkeit, wenn dritte Personen die möglichen Nach­ lässigkeiten der Beamten tragen sollen. Die Vorschrift der Kabinet«-Order vom 28sten Oktober 1799. scheint mir diesem nach in keinem Betrachte haltbar zu seyn, und ich habe dethalb kein Bedenken getragen, die gänzliche Aufhebung derselben in An­ trag zu bringen."

208 Statt

dessen

ist

Meine

fcrbtr

durch

die Aufnahme in

die Ediktensammlung und später in den Anhang zum Land-

recht allerdings zur gesetzlichen Vorschrift geworden, jedoch mcht in der von Mir beabsichtigten Form, und nicht unter der Beschränkling, welche der Schutz des Privatrechts erfor­

dert haben würde.

Es wird daher nöthig seyn, daß bei der

Revision des Landrechts hierauf Rücksicht genommen, und

erwogen werde, welche Modifikationen mit dem Znteresse des Fiskus sich vereinigen lassen

k.

Zn Folge dieser Order fand demnächst eine besondere le­ gislative Berathung statt, aus welcher das Gesetz vom 7.

Zuli 1833.*) hervorgegangen ist. Der §>. 1. ••) desselben hat die Berechtigung des Fiskus zum Empfange von Zinsen zum Gegenstände, und bestimmt, daß derselbe hierbei nach den allgemeinen Rechtsregeln

zu beurtheilen, d. h. den Privaten ganz gleich zu stellen sey. Die Sanktionirung dieses Grundsatzes durfte um so we­

niger einem Bedenken unterliegen, als das frühere Vorrecht nach den bestehenden Eiirrichtungen weder eine allgemeine An­

wendung finden, noch von besonderem Werthe für den Fiskus seyn konnte, da hinsichtlich der, in der oben angeführten 1. 17.

Dig. de usuris erwähnten Zoll- und Steuer-Rückstände schon düs andere Art für dessen Znteresse gesorgt ist, wegen Pacht­

rückstände, LieferungS- und Leistungs-Verträge aber, deren Nicht­ erfüllung ohnehin zur Entschädigungsklage Anlaß giebt, Kau-

tionSbestellung und Pönalklauseln hinlänglichen Schutz gegen

Nachtheil zu gewähren vermögen.

*) Gesetzsammlung für 1833. S. 79. ** ) §• 3» Ansehung des Rechts, Zinsen zu fordern, ist der FiskuS lediglich nach den allgemeinen Rechtsregeln zu beurtheilen.

209 Es wurde zwar einer besonderen gesetzlichen Bestimmung insofern nicht bedurft haben, als man das Privilegium schon

durch die Weglassung in dem §. 26. des Anhanges zum Allg.

Landrechte als ausgeschieden hätte betrachten können. Allein da die in dein Cod. Fridcric. Thl. IV. Tit. 5. §>. 20. enthaltene Weisung für die Gerichte:

dem Fiskus, was ihm nach dem gemeinen Rechte vor­ züglich beigelegt worden, nicht zu versagen; und die, als eine authentische Deklaration den Landeskollegien

zugefertigte Order vom 28. Oktober 1799., welche das Privi­

legium des Fiskus in seiner ganzen Ausdehnung aufrecht er­ hielt, nicht ausdrücklich aufgehoben war; da ferner das Patent

vom 11. April 1803. die früheren Gesetze, soweit sie in den

Anhang zum Allg. Landrechte nicht ausgenommen sind, nicht ausdrücklich außer Kraft setzt, so konnten die Zweifel über die

Aufhebung des Privilegiums als noch nicht völlig gehoben be­ trachtet werden.

Der zweite und dritte Paragraph*) des Gesetzes vom

7. Zuli 1833. betreffen die Verpflichtung des FiskuS zur Ent­ richtung von Zinsen und setzen in diesem Betrachte fest, daß

der FiskuS vorbedungene sowohl, als solche Zinsen, welche bei gewissen Geschäften

in Folge besonderer gesetzlichen

Vorschriften*") eintreten, nach den allgemeinen RechtSregeln

♦) §. 2. Eben so gelten die allgemeinen Rechtsregeln in Hinsicht der Verpflichtung des Fiskus, vorbedungene Zinsen sowohl als solche Zinsen zu zahlen, welche in Folge besonderer gesetzlichen Vorschriften bet gewissen Geschäften eintreten. §. 3. Eigentliche Zb'gerungszlnsen dagegen Ist Fiskus nur von dem Tage der in dem rechtskräftigen Erkenntnisse bestimmten Zahlungsfrist mit Fünf vom Hundert zu entrichten verbunden. *‘) Den leitenden Grundsatz enthält der §. 109. Tit. 11. Th. I. des Allgemeinen Landrechts. Vgl. die Juristische Wochenschrift, 14

— 210 — zu zahltN schuldig sey; eigentliche ZögerungSjinsen da­ gegen nur von dem Tage der in dem rechtskräftigen Er­ kenntnisse bestimmten Zahlungsfrist an, und zwar nach der Vorschrift des §. 830. Tit. 11. Th. 1. des Allg. Landrechts, mit Fünf vom Hundert. Das Gesetz geht hierbei davon aus, wie es sich nicht un­ terstellen lasse, daß der Fiskus schuldige Zahlungen absicht­ lich vorenthalten werde; daß, wenn Behörden oder einzelne Beamte sich hierzu verleiten lassen könnten, nur diese für die mnthwillig verursachten Zögerungen gerecht werden müßten; daß, wenn auch der Fiskus als ein KomplexuS von Rechten nach allgemeinen staatsrechtlichen und den besonderen Begriffen des §>. i. Tit. 13. Th. II. des Allg. Landrechts für die Hauptleistungen verpflichtet sey, er dennoch für die Fehler und Nachläßigkeiten seiner Unterbeamten, denen er sich anvertrauen müße, eben so wenig, als der Souverain für die Zrtthümer seiner Behörden verantwortlich werden könne, was auch aus dem §. 85. Tit. 14. Th. II. deS Allg. Landrechts hervorgeht. Der Herstellung einer vollständigen Gleichheit der Pflichten zwischen dem Fiskus und den Privaten widerstreitet die Dis­ parität sowohl in der Eigenschaft, worin beide handeln, als in den Umständen, welche sie umgeben. Der Staatshaushalt würde großen Verlegenheiten ausgesetzt werden, wenn jeder auch unbedeutende, durch nothwendige Rechnungs- unb KassenOperationen, oder durch den Dienstmechanismus erzeugte Auf­ schub die Anwendung des §. 827. Tit. 11. Th. I. deS Allge-

Zahrg. 4. S. 809 — 813., da« Schlesische Archiv, Bd. 2. S. 4.16. und die Entscheidungen de« Geheimen Ober - Tribunal«, Bd. 5. S. 283—290.

211

meinen Landrechts nach sich ziehen sollte; wenn den Gläubigern, die sich durch ausdrückliche Bedingung von Zinsen decken könn? ten, denen es nicht unbekannt ist, daß unvorgesehene Zufälle und Ereignisse Aufschub und Hinderniß veranlassen können, die vielleicht selbst solche schon in Anschlag gebracht haben, der unbedingte Weg zur Klage auf BerzögerungSzinsen eröff­ net, dadurch die Aussicht auf eine billige Auseinandersetzung entfernt und so die Ausgabe-EtatS mit unberechneten Rubriken beschwert werden würden. Wenn demzufolge der Fiskus im Allgemeinen nicht gleich einem Privaten wegen früherer Zinsen, insofern solche nicht ausdrücklich versprochen worden, in Anspruch zu nehmen ist, so würde dennoch offenbar eine Härte darin liegen, wenn nach erlassenem Urtheile, welches die Zahlung verordnet und in Rechtskraft übergegangen ist, wo folglich keine Ursache einer Weigerung mehr stattfinden kann, diese Zahlung noch in die Länge gezogen und dem Gläubiger das Recht, von sei­ nem Gelde Nutzen zu ziehen, entzogen werden dürfte. Mögen auch diese Zinsen im Verhältnisse zu denjenigen, welche er ein­ büßt, nicht bedeutend seyn, so erhält er Sicherheit für die Zu­ kunft und wird von der Besorgniß einer willkührlichen Behand­ lung befreiet, indem kein Beamter sich leicht eine Verzögerung wird zu Schulden kommen lassen, für welche er den höheren Behörden verantwortlich ist. Darauf beruhet es, daß der Fiskus eigentliche Verzugs­ zinsen" von dem Tage der in dem rechtskräftigen Erkenntnisse bestimmten Zahlungsfrist *) an zu entrichten verpflichtet ist. *) Wie diese Frist im Falle der Einlegung einer NichligkeilSbeschwerde zu berechnen sey, ergiebt das Reskript vom 20. Dktvber 1840. sJustizMinisterial-Blatt, Zahrg. II. S. 341.)

212 Uebrigens brauchte der, in der 1. 17. Dig. de usuris, als dem Sitze des fiskalischen Vorrechts, enthaltenen Ausnahme keine Erwähnung zu geschehen: daß nämlich jede Befreiung von Zinsen da aufhöre, wo der Fiskus in die Stelle eines Privatschuldners eintritt, da die Befreiung in diesem Falle schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen hinwegfällt. *) Dagegen machte das Bedürfniß der Einheit in den Grund­ sätzen der inneren Verwaltung es nothwendig, da§ Gesetz vom 7. Zuli 1833. in allen Provinzen der Monarchie Anwendung finden zu lassen (§. 4. **). Es stand auch nichts Erhebliches in dieser Beziehung, zumal in Betreff derjenigen Landestheile im Wege, wo die Römischen Gesetze gelten, indem die Priva­ ten, welche mit dem Fiskus kontrahiren, durch die Vorschriften jenes Gesetzes nur gewinnen, Nichts verlieren können. •) Vgl. da« Schlesische Archiv, Bd. II. S. 219. ff. 271. ••) §. 4. Da« gegenwärtige Gesetz ist In allen Provinzen Unserer Monarchie zur Anwendung zu bringen, und werde» auch alle ihm ent­ gegenstehende allgemeine und provinzielle gesetzliche Vorschriften hindurch aufgehoben.

V. Bo« de« Zuwendungen an die todte Hand. In den Preußischen Landen waren ehemals die Zuwendun, gen zur todten Hand keiner anderen Beschränkung unterwor­ fen, als daß dabei Immobilien nur mit Genehmigung des StaatS erworben werden konnten. Der Groß-Kanzler von Coceeji berichtete zuerst unter'« 17. Februar 1751. an den König Friedrich IL: „wie er während seiner Funktion wahrgenommen habe, daß viele Leute all ihr Bennögen oder einen großen Theil des­ selben denen Kirchen, Stiftern, Klöstern und anderen piis corporibus vermachen und ihren Verwandten entziehen, wozu die einfältigen Stute von den Geistlichen, insonderheit auf dem Todtenbette, durch allerhand persuasiones indueirt würden;" unb trug darauf an: „daß keiner Kirche, Stift oder anderem pio corpori, von welcher Religion sie seyen, ein Mehreres als 500. Thlr. vermacht, legirt oder geschenkt werden könne, sondern das Uebrige entweder weltlichen Personen, oder denen Erben ab inlestato hinterlassen werden müsse."

214 König Friedrich II;

bemerkte

eigenhändig

am Rande

dieses Antrages:

„ganz recht." Der damalige Minister Graf von Münchow brachte in

dem Schreiben vom 5. November 1751. das baldige Erschei­

nen einer solchen Verordnung in Antrag: „weil der so tief eingewurzelte Aberglaube und Religionseifer fast tagtäglich Leute

bewege, ihr Vermögen ihren

öfters

höchst

bedürftigen Ver­

wandten zu entziehen und solches der Geistlichkeit zuzuwenden." Nach erfolgter Berathung mit den Ober-Amts-Regierun­ gen zu Breslau, Glogau und Oppeln erschien das Edikt vom 21. Zuni 1753.*), in dessen Eingänge die Motive an­

gegeben werden:

„Nachdem Wir — so heißt es — öfters wahrgenommen, daß bisher nicht allein den geistlichen Ordens-Leuten, wi­

der die ausdrückliche Disposition der Rechte,

die Fa­

kultät und Macht durch einen letzten Willen zu dispo-

niren verstattet,

sondern auch denen Klöstern, Stiftern,

Kirchen und anderen Piis corporibus verschiedene ansehn­ liche

Summen bei

allen

dreyen

recipirten Religionen,

durch Geschenke, Vermächtnisse und andere Titulos Domi­

nium translativos zugewandt,

und

dadurch den nahesten

Verwandten die Erbschaft, dem gemeinen Handel und Wan­

del aber gar viele Kapitalien entzogen worden; so haben Wir höchst nöthig gefunden, dergleichen Dispositionen

Ziel und Maasse zu setzen, indem bekannt ist, daß einfältige, schwache, superstitieuse Gemüther von ihren Geistlichen,

*) Nabe's Sammlung, Bd. 1. Abth. 2. S.- 317.

215 insonderheit auf dem Krankenbette, durch allerhand Intrigues und Persuasiones dazu induciret werden;" und welches Folgendes festsetzte: 1) Vermächtnisse an Stifter, Klöster, Kirchen oder andere pia corpora sollen nicht weiter als bis auf 500. Thlr. gelten. Die Regierung und die Fiskäle sollen auf die genaue Befolgung dieser Vorschrift halten. 2) Bon dieser Einschränkung sind ausgenommen: alle Ar­ men- und Waisenhäuser, alle Hospitäler, und in Schlesien die Fundation der barmherzigen Brü­ der und der Elisabethinerinnen, desgleichen, wann ein gewisses Quantum zur Austheilung unter die Armen vermacht oder ein.Stipendium fundirt wird. 3) Wenn eine Summe, die über 500. Thlr. importiret, zur Erbauung einer neuen Kirche, Kapelle, Al­ tars oder anderen geistlichen Gebäudes, wir auch zur Anschaffung der Kirchen-Ornamente vermacht wird, so soll das legatum nicht weiter als auf 500. Thlr gültig seyn. Sollte aber nur zur Reparatur dergleichen Ge­ bäude ein, die 500. Thlr. übersteigendes Quantum ver­ macht werden, so wollen Wir zuvörderst untersuchen lassen: ob das pium corpus im Stande sey, das übrige nöthige zu der Reparatur ex propriis zu bestreiten, und dem Befinden nach, Uns hiernächst näher hierüber alle­ mal deklariren. 4) Da die Erfahrung zeiget, daß öfters denen piis corponbiis ein jährliches Quantum von Fleisch, Fischen, Korn u. s. w. vermacht zu werden pflegt, so verordnen Wir hierdurch, daß in solchen Fällen dergleichen Reve-

216

nüen zu (Selbe angeschlagen und wenn das Kapital

davon über 500, Thlr. beträgt, das legatum bis zu die­ ser Summe reduzirt werden soll. 5) Wenn ein testator vielen piis corporibus etwas le-

girt, welche legata zusammengerechnet die Summe von 500. Thlr. übersteigen, so muß von einem jeden legalo

so viel pro rata abgezogen werde», als der Ueberschuß beträgt.

6) Alle, auswärtigen piis corporibus zugedachte Ver­

mächtnisse werden hiermit für null und nichtig erkätt, ausgenommen diejenigen an die Gnaden-Orte der

Römisch-katholischen Kirche,

als welche

Wir,

jedoch

nicht weiter bis an die 500. Thlr., passiren lassen wollen. 7) Endlich wurde festgesetzt, daß alle Dispositionen, welche

nach dieser Vetordming eröffnet, aber vorher er­ richtet und deponirt waren, insofern der testator nicht

vor der Publikation verstorben war, nach diesem Ge­

setze beurtheilt werden solltenZm Wesentlichen wurden hiernach alle, auswärtigen

piis corporibus zugebachte Vermächtnisse für nichtig, bie, inlänbischen Instituten

dieser

Art bestimmten Zuwendungen

dagegen nur bis auf die Summe oder den Werth von 500.

Thlr. für gültig erklärt, und alle und jede daraus sich be­ ziehende Dispositionen der Bestätigung der Regierungen (da­

maligen Landes - Justiz - Kollegien) unterworfen.

men

von

diesen Vorschriften

wurden

die

Ausgenom­

Armen-Anstaltm,

Waisenhäuser und Hospitäler, in Absicht deren keine Beschrän­

kung der Zuwendung auf ein gewisses Ouantum stattfinbeu sollte.

Gegen

dieses

Gesetz

gingen

Reklamationen,

vorzüglich

217

von dem Fürstbischöfe zu Breslau und von dem Schlesischkatholischen Klerus ein. Zn der Resolutiml vom 1. Dezember 1753. wurde ihnen unter Anderem eröffnet: „Wir können auf keine Weise begreifen, wie der Römischkatholische Klerus sich beigehen lassen mögen, zu behaupten, daß ihre zeitlichen Güter und insonderheit diejenigen, welche sie noch nicht einmal wirklich besitzen, sondern noch erst in Zllkunft durch Testamente zu erlangen hoffen, mit ad sta tum religionis gehören, folglich Uns, salvo hoc statu*), *) Ein großer Theil von Schlesien hatte sich gleich Anfang« zu den Grundsätzen der Kirchenreformation bekannt. Man suchte aber die daselbst entstandene evangelisch-lutherische Kirche wieder zu verdrängen, und noch während des dreißigjährigen Krieges wurden den evangelischen Gemeinden viele Kirchen weggenommen. Zm Westphälischen Frieden erhielt dieser Ge> gcnstand folgende besondere Bestimmung: 1) In den Fürstenthuwern Brieg, Liegnitz, Munsterberg und Oels, die noch eigene Herzöge hatten, desgleichen in der Stadt Breslau, sollte die evangelische Kirche ungestört bleiben. 2) Dagegen in den sogenannten Erbfürstenthumern, d. h. in dem Theile von Schlesien, welcher der Krone unmittelbar unterworfen war, sollte der Landesherr das jus reformandi ausuben können, ohne durch das sonst geltende Normaljahr (1624) eingeschränkt zu seyn. Er versprach nur, die evangelischen Unterthanen nicht aus dem Lande zu treiben, und ihnen den Bau von drei einzelnen Kirchen zu erlauben. Instr. P. Osnabr,, art. 6. § §. 38—40. Dieses vorbchaltene jus reformandi ward bald nach dem Frieden auf eine sehr durchgreifende Weise ausgeübt. Den Protestanten wurden viele hundert Kirchen weggenommen und in katholische Pfarrkirchen verwandelt, welche auch das ganze, zu jenen Kirchen gehörende Vermögen erhielten. Zugleich wurde aller evangelische öffentliche Gottesdienst untersagt. Als späterhin der größte Theil von Schlesien an die Krone Preußen abgetreten wurde, bestimmte der Friedensschluß für die katholische Kirche in Schlesien die Erhaltung des Status quo, jedoch unbeschadet des Souverainitätsrechtes des neuen Landesfürsten. Die Breslauer Friedens-Präliminarien vom 11. Juni 1742. setzen wegen der Neligionsverhältniffe im Artikel VI. Folgende- fest:

218

nicht erlaubt sey, dem bei solchen Vermächtnissen bisher in Schwung gewesenen gänzlichen Mißbrauch, welcher mehrentheils den Geiz und die suggestiones der Klerisei zum Grunde hat, gehörig zu steuern und Schranken zu setzen, und Unsere Unterthanen bei dem Genuß des ihnen nach Sa Majeste le Roi dePrusse conservera la religion catholique en Silesie in statu quo, ainsi qu’un chacun des habitans de cc pays lä dans les possessions, libestes et Privileges, qui lui appartiennent legilimement, ainsi qu’Elle a d^clare ä son entree dans la Silesie, sans deroger toutefois ä la liberle entiere de conscience de la religion protestante et aux droits de Souverainete. Beim Abschluße des förmlichen Friedensvertrages zu Berlin vom 28. Zult 1742. ward, nach Wiederholung des vorgedachten sechsten Artikels der Friedens-Präliminarien, hinter den Worten:

sans deroger toutefois aux droits de Souverainete, der Zusatz gemacht:

de sorte pourtant, que Sa Majeste le Roi de Prusse ne se servira des droits de Souverain au prejudice du Status q,uo de la religion catholique en Silesie. Mit der Bestätigung der Breslauer Friedens-Präliminarien und des Berliner Friedens durch die Friedensschlüsse zu Dresden vom 25. De­ zember 1745., zu Hubertsburg vom 25. Februar 1763. und zu Teschen vom 13. Mai 1779. wurde jene, die Religionsverhältniffe betreffende Bestimmung aufrecht erhalten. Es liegt darin nur eine Verzichtleistung auf das sogenannte Refor­ mationsrecht, oder die Befugniß, den statum religionis der einen Parthei zu Gunsten der anderen, namentlich derjenigeu, zu welcher der Landesherr selbst gehört, zu verändern; alle übrigen Hoheitörechte in Be­ zug auf Religion und Kirche find ausdrücklich vorbehalten worden. König Friedrich II. ließ auch die Katholiken der Provinz Schlesien im Besitze ihrer Kirchen und ihres Kirchengutes. Dagegen gewährte er den Protestanten völlige Religionsfreiheit. Er erlaubte ihnen im Jahre 1742., eigene Kirchen zu bauen und Pfarreien zu bilden, die sie aus ihren Mitteln zu erhalten haben sollten. Späterhin, im Jahre 1758., befreiete er sie von dem Pfarrzwange der katholischen Parochieen, dem sie bis dahin unterworfen gewesen waren, so daß sie den katholischen Pfarrern fernerhin weder Stolgebühren, noch Zehnten zu entrichten brauchten.

219 göttlicht» und menschlichen Rechten unstreitig zugestandenen Snccessions-Rechts zu schützen und zu handhaben."

Der Minister von Massow sprach sich dahin aus:

„Der Borwand, daß die Gewissensfreiheit durch die Ein­

schränkung der Vermächtnisse ad pias causas et pro -animis gestört würde,

scheint mir ein bloßes Blendwerk zu

seyn, wodurch die Geistlichkeit nur ihren Geiz und übrige

widrige inib übelgesinnte Absichten zu verbinden sucht. Daß eine gestörte Gewissensfreiheit ein Land depeupliren kann, ist außer Zweifel; daß aber die Einschränkung

der

geistlichen Vermächtnisse dazu etwas beitragen soll, ist ungcgründet;

vielmehr muß diese Disposition

auch

katholische

Glaubensgenossen, da sie bei so vielen anderen beneficiis mit

dem Ihrigen wider alle unersättliche Begierde des Kleri,

sich mit fremden Gütern zu bereichern, sicher gestellt werden, alliciren, sich in hiesigen Landen zu etabliren.

Die Erfah­

rung und diejenigen Lande, wo dem Geiz und der Habsucht der Geistlichkeit der Zügel gelassen wird, bestätigen mit meh­

reren, in was für armseligen Umständen sich die Einwoh­

ner daselbst befinden." König Friedrich II. hatte zwar in

den Ordern

vom

12. lind 18. Dezember 1753. diese raisons als valables und gründlich erklärt, jedoch wörtlich bemerkt: „Was aber den

Attikul wegen der Seelenmessen'be­

trifft, so ist bekannt, wie sehr die von der Römisch-katho­ lischen Religion solche von Wichtigkeit und dergestalt anse­

hen, als ob solches ihrer Meinung nach ein gewisses Mit­ tel der von ihnen zu erhaltenden Seeligkeit sey.

Daher ich

denn von einiger Nothwendigkeit zu seyn glaube, daß dar­ unter ein gewisses Temperament getroffen werde."

220

Hierdurch entstand die Deklaration

vom

12.

März

4754. °), wodurch bestimmt wurde: 1) daß den katholischen Unterthanen in Schlesien erlaubt seyn solle, außer der Summe der 500. Thlr., ein glei­ ches Quantum zu Seelenmessen zu legiren;

2) daß Testamente, so Schlesische Unterthanen katholi­ scher Religion vor Publikation des Edikts vom 24.Zuni

1753. errichtet haben, in Kraft bleiben, die nach der Publikation gemachten Testamente aber

dem gedachten

Edikte gemäß beurtheilt werden sollen.

ES entstand ferner ein Zweifel darüber:

ob die Befchränktingen des Edikts vom 21. Zuni 1753. auch auf Bermächtnisse und Schenkungen an inländische Uni­ versitäten und öffentliche Schulen anzuwenden wären.

Nach dem, an sämmtliche Regierungen erlassenen Ci rkn-

lare vom

16. September 1771. *) **) war auf die

deSfalsige

Anfrage des Justiz-Departements die Entscheidung dahin er­ gangen, daß die Beschränkung der Zuwendungen an letztgedachte Anstalten nur dann eintreten solle, wenn durch solche

Zuwendungen den irächsten Verwandten, mit Einschluß der Ge­ schwister, vorausgesetzt, daß diese zu den dürftigen Personen gehören, etwas entzogen werden würde.

Zn

einem späteren Berichte vom

12. Februar

1787.

wurde indessen ansgeführt, daß die Beschränkung auf Ver­ mächtnisse und Schenkungen an Universitäten und Schu­

len nicht paffe, und durch die Order vom 13. Februar 1787. bestimmt:

*) Rabe'« Sammlung, Bd. i. Abth. 2. S. 339. **) Rabe'« Sammlung, Bd. 1. Abth. 4. S. 210.

221

daß die den inländischen Universitäten und öffent­ liche Schulen geschehenen Vermächtnisse und Schenkungen,

wenn solche gleich die Summe von 500. Thlr. übersteigen, gänzlich bezahlt werden müssen.

Hiernächst

erging

die Deklaration

vom

19.

März

1787.*), welche Folgendes verordnete: 1) daß

inländische Universitäten,

Schulen

und

andere dergleichen öffentliche Lehr- und Er­ ziehungs-Anstalten den Einschränkungen des Edikts

vom 21. Juni 1753. überall nicht unterworfen wä­ ren, vielmehr solche Vermächtnisse

Zuwendungen,

wenn

sie

gleich

die

und

sonstige

Summe von

500. Thlr. überstiegen, insofern nur sonst die Disposi­

tion an sich gültig sey, ganz und vor voll entrichtet

werden sollten; 2) daß aber der Pflichttheil frei bleiben müßte, und 3) daß denen, welchen

der

Erblasser nach den Gesetzen

Alimente zu zahlen verpflichtet sey, dieselben aus den Vermächtnissen

oder

Schenkungen

fortgegeben werden

müßten; 4) wenn aber

die Befugniß dieser Personen aufhore,

so

fielen die Alimente an den Geschenkgeber zurück. Auf das Monitum der Gesetz-Kommission ward noch

hinzugesetzt:

daß die Bestimmungen zu 2. 3. und 4. auch auf Vermächt­ nisse und Schenkungen Anwendungen fänden, welche Hos­

pitälern

und

Armen-Anstalten

zugedacht

wären.

*) Rave'« Sammlung, Bd. 1. Abth. 7. S. 582.

worden

222 Zn den Entwurf des Allgemeinen Gesetzbuches

wurden diese Bestimmungen aus dem Edikte vom 21. Zuni 1753., so Wit aus der Deklaration vom 12. März 1754. und 19. März 1787. größtentheilS anfgenommeu.

Man ging aber

noch weiter und setzte allgemein fest im Tit. 6. Abth. 2. Th. I. 168. und 170.:

daß

Geschenke

Kirchen

und

Vermächtnisse an inländische

erst durch die Genehmigung

Gültigkeit erhalten sollten,

und

Vermächtnisse

nur

des

StaatS ihre

und daß dergleichen Geschenke

insofern

auf

Genehmigung

die

deß Staats Anspruch machen könnten, als sie die Summe von 500. Thlr. nicht überstiege». Vermächtnisse »nd Schenkungen bis zu 500. Thlr. soll­

ten hiernach auch der Genehmigung des Staats bedürfen.

Gegen diese Bestimmungen wurden mehrere Erinnerungen Einige wollten alle Schenkungen an Kirchen gel­

erhoben.

ten

und

nur eine Beschränkung eintreten lassen,

wenn die

Kirche schon reich sey; Andere wollten wenigstens alle Schen­ kungen bis zu 500. Thlr. ohne Bestätigung lassen.

gelten

Suarez schlug vor:

a) daß Vermächtnisse und Schenkungen an Kirchen bis

zu 500. Thlr. ohne Bestätigung gültig seyn, hö­ here aber jedesmal der Bestätigung bedürfen sollten; b) daß solche Zuwendungen

auch

über 500.

Thlr. zur

Verbesserung des Einkommens der Geistlichen sollten auf Bestätigung Anspruch machen dürfen.

Der

letztere Vorschlag wurde

berücksichtigt und ist im

§. 208. Tit. 11. Th. II. deSlAllgemeinen Landrechts ausge­

nommen.

Der erstere blieb

unberücksichtigt,

vielmehr wurde

223 der H. 170. des Entwurfes unter H. 200. Tit. 11. Tb. II.

wörtlich in das Allgemeine Landrecht übertragen.

Wegen

der Schvlkungen

und Vermächtnisse an Schu­

len, Hospitäler und Armen-Anstalten war in dem Ent­ würfe Nichts gesagt.

Suarez monirte, es müsse anSgedrückt

werden, daß sie der Einschränkung nicht unterworfen wären,

21. 58. Tit. 12. und

und diese Bestimmungen sind daher

§. 44. Tit. 19. Th. II., so wie §. 1075. Tit. 11. Th. I.

deS Allgemeinen Landrechts ausgenommen worden.

Geistliche

Gesellschaften

dagegen

sind

nach dem

$. 952. Tit. 11. Th. II. des Allgemeinen Landrechts densel­ ben Einschränkungen unterworfen, wie die Kirchen-Gesellschaften. Bei den Vermächtnissen und Schenkungen an Armen-

Anstalten monirte Suarez a«sdrücklich: daß die Rechte anner Verwandten aus der Deklaration vom 19. März 1787. ausgedrückt werden müßten.

Diese Rechte waren in der gedachten Deklaration — wie

oben bemerkt — vorzüglich bei Vermächtnissen und Schenklin-

gen an Schulen bestimmt und wurden, mtf Veranlassung der

Gesetz-Kommission, auch auf Armen-Anstalten ausgedehnt.

Da

aber Snarez zufällig dieses Monitum nur bei der Lehre von den Armen-Anstalten gemacht hatte,

so wurde diese Be­

stimmung in da- Allgemeine Landrecht nur bei Armen-An­

stalten (§§>.

40. und 47. Tit. 19. Th. II.) ausgenommen

und blieb in Betreff der Schulen und Gymnasien weg.

Bei Vermächtnissen und Schenkungen an Kirchen und

geistliche Gesellschaften tvar dieser Rechte ärmer Verwand­ ten weder in den früheren Edikten, noch in dem Entwürfe zum

Allgemeinen Gesetzbucht gedacht, noch sind sie in das Allgemeine

Landrecht aufgenommen worden,

weil,

ohne Unterschied des

224 Objektes, diese Schenkungen und Vermächtnisse der Bestätigung des Staats bedürfen sollten.

Das

Allgemeine

Landrecht »enthält nun folgende

Hauptbestimmungen:

1) Schenkungen und Vermächtnisse an Kirchen und geistr

liche Gesellschaften bedürfen der Genehmigung des StaatS. 2) Ist die Kirche eine ausländische, so darf ohne Vor-

wtssen

und besondere

Erlaubniß

des

Oberhaupts

im

Staate derselben, bei Strafe doppelten Ersatzes, Nichts verabfolgt werden. 3) Dieses

gilt auch von Schenkungen an

auswärtige

geistliche Gesellschaften, Schulen, Universitäten und an­ dere Erziehungs-Anstalten oder milde Stiftungen. 4) Bei Schenkungen und Vermächtnissen an inländische

Kirchen und geistliche Gesellschaften sollen diese auf die Genehmigung des Staats nur insofern Anspruch machen

können, als das Geschenk oder Vermächtriiß die Summe

von 500 Thlr. nicht übersteigt. 5) Was über Geschenke und Vermächtnisse in vorgedachter

Art bestimmt worden, gilt auch von Erbschaften. 6) Inländische Schulen, Gymnasien, Universitäten und

Armen-Anstalten sind diesen Einschränkungen nicht un­

terworfen.

Bei Zuwendungen an Armen-Anstalten

bleiben aber denjenigen,

welche gesetzlich Alimente zu

fordern haben, ihre Rechte Vorbehalten.*) Zn dem Allgemeinen Landrechte blieb unbestimmt, wel­ che StaatS-Behörde die Genehmigung zu ertheilen habe.

’) Die näheren landrechtlichen Vorschriften finden fich In der hinter diesem Aufsatz» abgedruchten Zusammenstellung.

225 Die Westpreußische Regierung fragte, bei Gelegenheit des einem Kloster zugrfallenen Legats, darüber an,

ob bei allen dergleichen Schenkungen, ohne Unterschied, des Quantums, die Genehmigung des Staats nothwendig sey, und trug ihre Zweifel in dem Berichte vom 22. Zuli 1796.

vor.

Durch das Reskript vom 1. August 1796.*•*) ) wurde be­

stimmt:

daß die Bestätigung aller Bermächtnisse und Schenkungen, ohne Unterschied des Quant!, nothwendig sey, wie solches auch aus den §§>. 214. und 215. Tit. 11. Th. II. des All­

gemeinen Landrechts deutlich erhelle; daß aber bei Zuwen­

dungen von 500 Thlr. oder weniger, die Bestätigung nicht zu versagen sey. Aus diesem Reskripte lind aus einer KabinetSorder vom

17. August 1802.’*) ist die Vorschrift des Anhanges zum All­ gemeinen Landrechte §.

125. entstanden, welche

Wenn einer Kirche oder andern frommen

Geschenk oder Vermächtniß zugewendet

wird:

dahin geht:

Anstalt ein so sind die

Vorsteher in allen Fällen schuldig, der geistlichen vorgesetz­ ten Behörde Anzeige davon zu machen.

Beträgt das Quan­

tum nur Fünfhundert Thaler oder weniger:

so

muß die

Bestätigung darüber sofort ohne weitere Rückftage ausgefer­ tigt werden ; außer diesen Fällen aber muß darüber an das

geistliche Departement berichtet,

und

in

keinem Falle die

Schenkung oder das Vermächtniß, ohne vorgängige Zmmediatanfrage, abgewiesen werden.

Die Regierung zu Erfurt hielt dafür, daß dieser

*) Rabe'« Sammlung, Bd. 3. S. 459. •*) Dieselbe ist im zweiten Bande diese« Werke« abgedruckt.

125.

226 des Anhanges nicht beabsichtigen könne, den

197. Tit. 11.

Th. II- des Allgemeinen Landrechts, welcher blos für Kirchen

gegeben sey, gegen die Bestimmung des Allgemeinen Landrechts, auch auf Schulen und Armen-Anstalten auszudehnen.

Das Resiript des Zustij- und des

geistlichen Departe­

ments vom 17. Zuli 1806.*) nahm jedoch dafür an, daß der

§.

125. sich auch auf Schulen

und

Armen-Anstalten

erstrecke, daß zu den frommen Anstalten alle im Allgemeinen

Landrechte Th. I. Tit. 11. §. 1075., Th. II. Tit. 12. §. 21. und Tit. 19. §. 44. aufgeführten öffentlichen Anstalten, mit­

hin Schulen, Waisenhäuser, Hospitäler it. zu rechnen seyen,

und daß also die vorgeschriebene Berichtserstattung und Bestä­ tigung erfolgen müsse, wenn einer von diesen Anstalten ein Ge­

schenk oder Bermächtniß zugefallen sey.

Diese Annahme beruhte auf einem unrichtigen Funda­

mente.

Die Erklärung, welche darin von dem im §. 125.

des Anhanges gebrauchten Ausdmcke: „fromme Anstalt" ge­

macht worden, und wonach sämmtliche im §. 1075. Tit. 11.

Th. I., §. 21. Tit. 12. und §. 44. Tit. 19. Th. II. des Allgemeinen Landrecht- genannten „öffentlichen Anstalten" untdr

jenem Ausdrucke begriffen seyn sollten, läßt sich nämlich nicht rechtfertigen.

Zuvörderst darf man wohl annehmen, daß, wenn

es die Absicht gewesen wäre, so bestimmte und ausdrückliche Vorschriften, als das Allgemeine Landrecht in Bezug auf die Zuwendungen an die todte Hand enthält, aufzuheben oder ab-

zuändern, solches deutlicher, als durch die bloße Vertauschung der Bezeichnung: „geistliche Gesellschaften" gegen die: „fromme

Anstalten" geschehen seyn würde.

Eine solche Absicht läßt sich

*) Rabe's Sammlung, Bd. 8. S. 633.

227 aber überall nicht voraussetzen.

Der §. 125. des Anhanges

zum Allgemeinen Landrechte ist, wie bemerkt, aus dem Reskripte vom 1. August 1796. und aus einer Kabinetsorder vom 17.

August 1802. entnommen.

Nach dem Inhalte dieses Reskripts

war bei Gelegenheit des einem Kloster zugefallenen Legats

von

100 Thlr. darüber angefragt worden, ob die Konfirma­

tion des StaatS bei allen dergleichen Schenkungen und Ver­ mächtnissen ohne Unterschied des Quantums nothwendig

sey.

Das Reskript entschied für diese Nothwendigkeit, mit der

Modifikation, daß die Konfirmation nicht versagt werden könne,

wenn das Quantum nur 500 Thlr. oder weniger beträgt.

„Die Sache kömmt also — heißt eS darin — so zu stehen: Wenn einer Kirche oder anderer

causae

piae

ein Ge­

schenk oder Bermächtniß deferirt wird, so sind die Vorsteher

in allen Fällen schuldig, davon der Regierung Anzeige zu machen."

Offenbar war nur die Frage von der Nothwendigkeit der

Anzeige des, einer Kirche oder anderen frommen Anstalt zuge­ dachten Legats oder Geschenkes, der Gegenstand der Entschei­

dung, so wie er auch nur der Gegenstand des Zweifels und der Anfrage war.

Nur erklären, erläutern, nicht abändern

oder etwas Neues festsetzen, wollte man.

Von einer Ausdeh­

nung der nur auf Kirchen und geistliche Gesellschaften sich be­ ziehenden AmortisationS-Gesetze auf Lehr-, Armen-Anstalten, war nicht die Rede. einer deutlichen

Sanktion

bedurft.

Erziehungs-

und

Hierüber hätte eS auch

Daß

aber bei der Auf­

nahme der Entscheidung des ResknptS vom 1. August 1796.

und der gedachten Kabinetsorder in den §. 125. des Anhan­ ges zum Allgemeinen Landrechte, etwas Anderes und Mehreres

beabsichtigt worden, als dasjenige gesetzlich zu bestätigen, was

15*

228 beide bestimmt hatten, ist nicht anzunehmen.

So ist also der

§>. 125. des Anhanges nichts Anderes, als die Reproduktion

jenes Reskripts, so wie jener Order, und kann nur daraus er­

klärt werden. „pia

Wenn darin statt des lateinischen Ausdrucks:

causa“, welchen das Reskript enthält,

Benennung:

„fromme

Anstalt"

die deutsche

ausgenommen worden"),

so konnten auch unter der letztern Bezeichnung nur diejenigen

frommen Anstalten verstanden werden, welche das Allgemeine Landrecht außer den Kirchen bei Erwerbung durch Geschenke

und Vermächtnisse beschränkt wissen wollte, und dieses waren

keine anderen als die geistlichen Gesellschaften, namentlich Stif­ Wie wenig es die Absicht gewesen

ter, Klöster und Orden.

war, noch andere pia corpora und insbesondere die Armenund Versorgungs-Anstalten den Beschränkungen zu unterwerfen,

welche für Kirchen und geistliche Gesellschaften vorgeschrieben waren, ergiebt sich auch daraus, daß bei Zuwendungen von

mehr als 500 Thlr. die BerichtSerstattuiig an das geistliche Departement angeordnet wurde, da doch die Armen- und

Versorgungs-Anstalten unter der Oberaufsicht des ehemaligen General-Direktoriums standen.

Das Reskript vom 17.

Zuli 1806. enthält hiernach eine unrichtige Entscheidung. Ein anderer Zweifel ward durch die Verordnung über die

veränderte Verfassung aller obersten Staatsbehörden vom 27.

Oktober 1810.**) angeregt.

genständen,

in Absicht

Genehmigung von

dem

Hier ist nämlich unter den Ge­

deren die unmittelbare landesherrliche damaligen

Chef

der Abtheilung im

*) Die« ist auf den Vorschlag der Gesetz-Kommission geschehen, (f. Bd. II.) '*) Gesetzsammlung für 1810. S. 3.

229 Ministerium des Innern für den Kultus und öffentlichen Un­ terricht eingeholt werden sollte, auch

die Annahme von Stiftungen für religiöse und Schulzwecke

aufgeführt.

Es fragte sich, ob durch diese Bestimmung dem

125. des Anhanges zum Allgemeinen Landrechte, wonach

die Bestätigung der Schenkungen lind Vermächtnisse an Kir­

chen und andere fromme dlnstalten vor die vorgesetzte geistliche Behörde und beziehungsweise das geistliche Departement gehö­ ren sollte, derogirt und dagegen die Berichtserstattung an den König angeordnet worden sey.

Das Ministerium des Innern

und nachher das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und

Medizinal-Angelegenheiten beantwortete diese Frage verneinend. Es ward angenommen, daß unter dem Ausdrucke:

„Stiftungen für religiöse und Schulzwecke,"

nicht jedes einer Kirche oder einer anderen frommen Anstalt zugedachte Geschenk oder Bermächtniß, sondern nur eine vom

Geschenkgeber oder Testator neu gestiftete und dotirte Anstalt verstanden werden könne, und daß hierdurch in den Vorschrif­

ten über die Genehmigung der für schon

vorhandene An­

stalten bestimmten Zuwendungen Nichts verändert worden. Das Verfahren war hiernach also dieses. Bon allen Schenkungen, Erbschaften und Vermächtnissen,

welche Kirchen, geistlichen Gesellschaften, Schulen, Universitä­ ten und Armen-Anstalten zugedacht worden, ward der vorge­ setzten Behörde (Regierung) Anzeige gemacht.

Belief sich der

Betrag der Zuwendung nur auf 500. Thlr. oder weniger, so

erfolgte die Bestätigung von Seiten der Regierung.

War

von einem höheren Betrage die Rede, so gehörte die Bestäti­ gung vor das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und

Medizinal-Angelegenheiten.

Sollte die Bestätigung in irgend

230 einem Falle, die Zuwendung mochte über oder unter 500. Thlr.

betragen, versagt werden, so wurde an den König berichtet. Zn der Rhein Provinz war nach der Französischen Ver­

fassung zu jeder Erwerbung

durch Geschenke oder letztwillige

Verfügungen, wenn Kirchen, Unterrichts-Anstalten und die Armen

bedacht werden sollten, die unmittelbare landesherrliche Erlaubniß erforderlich.

Die Kabinetsorder vom 27. August 1819. be­

stimmte, daß zur Annahme von Geschenken und Vermächtnissen

zu Gunsten der Armen, die Königliche unmittelbare Auto­ risation nicht weiter eingeholt werden solle, vielmehr nach den diesfälligen Vorschriften des Allg. Landrechts verfahren werden könne.

Durch eine

spätere Kabinetsorder vom 17. Januar

1820. ward verordnet, daß auch in Absicht der Zuwendungen

an eine Kirche oder UnterrichtS-Anstalt

die Zmmediat-

Berichtserstattung nur da erfolgen solle, wo sie durch allgemeine Verordnungen über

schrieben sey.

die Organisation der Ministerien

vorge­

Zn der Rheinprovinz wurde daher die mini­

sterielle Bestätigung auch bei Objekten von 500. Thlr. und weniger eingeholt.

Zn der Provinz Neu Vorpommern, woselbst das Allg. Landrecht noch nicht eingeführt worden, waren keine Bestim­

mungen vorhanden,

wodurch Kirchen, Schulen, Gymnasien,

Universitäten, Armen-Anstalten, Hospitäler re. in der Erwer­

bung von Geschenken, Erbschaften und Vermächtnissen einge­

schränkt wurden. Die vorstehend erörterten Vorschriften über die Zuwendun­

gen an die todte Hand sind im Zahre 1833. einer Revision unterworfen worden; dieselbe war nothwendig schon wegen der

großen Verschiedenheit des Zustandes der Dinge zur Zeit der Erlassung des Ediktes vom 21. Zuni 1753. und selbst noch

231

zur Zeit des Erscheinens des Allgemeinen Landrechts von dem­ jenigen, welcher jetzt angetroffen wird.

Aus

dieser Revision

ist

das Gesetz

13.

vom

Mai

1833.*) hervor gegangen, dessen Eingang die Aufhebung al­

ler

über den vorliegenden Gegenstand bis dahin bestandenen

gesetzlichen Vorschriften ausspricht und zugleich verordnet, daß das neue Gesetz sich auf

nehmigte

Anstalten

sämmtliche und

solche

Staate

ge­

Gesellschaften

be­

vom

ziehet, welche Korporationsrechte haben. Allerdings ist der Unterschied nicht zu verkennen, welcher

sowohl in Hinsicht auf die ursprüngliche Entstehung, als auch

in Hinsicht auf den Zweck der Gesetze über die Zuwendungen an die todte Hand zwischen Kirchen und geistlichen Gesellschaf­ ten, den Lehr-, Erziehungs-, Armen- und anderen Anstalten

und Korporationen stattfindet.

Gleichwohl

kann

die Gleich­

stellung aller dieser Anstalten in Bezug auf die ihnen gemach­ ten Zuwendungen nur zweckmäßig genannt werden.

Auf der

einen Seite tritt die, schon den landrechtlichen Vorschriften zum

Grunde liegende Besorgniß einer zum Nachtheile der gesetzlichen Erben zu weit gehenden Begünstigung öffentlicher Anstalten, in

Absicht der Kirchen lind

geistlichen

Gesellschaften

in

keinem

höheren Grade ein, als in Absicht der übrigen öffentlichen An­

stalten oder Korporationen; auf der anderen Seite kann bei den Zuwendungen an letztere eben sowohl, wie bei den Zu­

wendungen

an

Kirchen und

geistliche

Gesellschaften,

welche

letztere ohnehin jetzt größtentheilS nicht mehr existiren, Eitelkeit

und Ruhmsucht das eigentliche Motiv seyn.

Den nachtheili-

•) Gesetzsammlung für 1833. S. 49. — Bgl. die Ergänzungen und Erläuterungen der Preußischen Rechtsbücher, Ergänzungen zum Allgemeinen Landrechte, Suppl. Bd., Abch. II. S. 248—250.

232 gen Folgen der auf solche Weise entstandenen Liberalität muß die Gesetzgebung vorzubeugen suchen, lind dieses geschieht da­ durch, daß die Wirksamkeit derselben bei bedeutenden Zu­

wendungen überall an eine höhere Genehmigung geknüpft wird. Der §. 1.*) des Gesetzes, wonach die Borsteher inlän­

discher öffentlicher Anstalten

oder Korporationen verpflichtet

sind, von Schenkungen und letzwilligen Zuwendungen jederzeit der vorgesetzten Behörde Anzeige zu eine Anwendung des im ersten Satze des ges zum Allgemeinen Landrechte

machen,

enthält

125. des Anhan­

liegenden Prinzips, wie sol­

ches durch die Praxis sich entwickelt hatte.

Es wird dadurch

der Zweck der Uebersicht des Vermögens der öffentlichen An­

stalten, so wie der Kontrollirung der Befolgung des Gesetzes erreicht.

Das Ressortverhältniß hat

dabei

jedoch

keine

Aenderung erlitten.**) Der §. 2.***) erfordert bei einer Zuwendung, die mehr als Eintausend Thaler beträgt, zur Gültigkeit derselben ih­

rem vollen Betrage nach, die landesherrliche Genehmigung, da es auf der einen Seite nicht gerechtfertigt war, auch bei

unbedeutenderen Zuwendungen die Gültigkeit derselben von einer Bestätigung des StaatS

abhängig zu machen, dadurch

die Schreiberei zu vermehren, die beschenkte Anstalt auf eine längere oder kürzere Zeit darüber, ob sie sich des ihr zugedach-

ten Geschenkes oder Vermächtiflffes werde erfreuen können, in

*) §• 1. Schenkungen und letztwillige Zuwendungen an inländische öffentliche Anstalten oder Korporationen, sollen von deren Vorstehern der vorgesetzten Behörde angezetgt werden. *») Vgl. von Kamptz Annalen, 28b. 18. S. 997. *'*) §• 2. Beträgt die Zuwendung mehr al« Eintausend Thaler, so ist zur Gültigkeit derselben ihrem vollen Betrage nach, Unsere landes­ herrliche Genehmigung erforderlich.



233



Ungewißheit zu lassen, ihr jedenfalls die Früchte desselben auf

eine Zeit lang zu entziehen und die Geschenkgeber nnd Erben durch die, zu ihren Gunsten den Behörden beigelegte Ablehnungs-Befugniß zu Reklamationen und Beschwerden zu ver­ anlassen.

3ft die Neigung, öffentliche Anstalten zu bedenken,

aus anderen klar zu Tage liegenden Gründen ohnehin schon schwächer als sonst, so müßte sie noch mehr erkalten, wenn kein Geschenkgeber und kein Testator mit Sicherheit dar­

auf rechnen könnte,

daß auch bei minder beträchtlichen Zu­

wendungen an eine pia causa sein Wille erfüllt werde. Diese

Gewißheit ist aber für ihn nicht vorhanden, wenn die Gültig­

keit der Zuwendung von der nachträglichen Bestätigung einer Behörde abhängt, wobei die Bedingungen, unter welchen die

Bestätigung ertheilt oder versagt werden muß,

nicht genau

bestimmt werden können.

Auf der andern Seite hat man diese Angelegenheiten

theils in Bezug auf das Interesse

der bedachten

Anstalten,

und theils in Bezug auf das Interesse der Verwandten des

GeschenkgeberS oder Erblassers

für

so

wichtig gehalten,

um

davon Allerhöchsten OrtS Kenntniß zu nehmen und die Ge­

nehmigung zu ertheilen, oder zu versagen, zumal in Fällen dieser Art eigentlich immer davon die Rede ist, ob von dem bestehenden allgemeinen

Rechte ju Gunsten

der Verwandten

eine Ausnahme zu machen sey, und hierüber die Entscheidung um so mehr dem Landesherren selbst vorzubehalten war, als

dadurch zugleich allen Reklamationen und Beschwerden der be­

dachten Anstalten sowohl, als der Verwandten der Zugang ver­ schlossen wird. — UebrigenS erläutert die KabinetSorder

vom 10. April 1836. ’) den §>. 2. des Gesetzes dahin:

•) Jahrbücher, Bd. 47. S. 504— 505.

234 „daß, wenn in einer Schenkungs-Urkunde oder in letztwilli­

gen Verordnungen Zuwendungen an verschiedene inlän­

dische Anstalten oder Korporationen unmittelbare

gemacht werden,

landesherrliche Genehmigung

derjenigen Zuwendungen

erforderlich

ist,

die

nur in Betreff welche

einzeln

genommen den Betrag von 1000. Thlr. übersteigen; daß

ferner, wenn Jemand zu verschiedenen Zeiten, in ver­ schiedenen Urkunden, oder durch verschiedene Hand­ lungen Einer und derselben Anstalt oder Korporation Zu­

wendungen macht, der landesherrlichen Genehmigung es nur

insofern bedarf, als eine die

von

Summe

in letztwilligen

einzelne Schenkung mehr als

1000. Thlr. beträgt,

wogegen,

wenn

Verordnungen ans verschiedenen Zeiten

und in verschiedenen Urkunden auf den Todesfall Zu­ wendungen an Eine und dieselbe Anstalt oder Korporation gemacht sind, diese Zuwendungen als ein Ganzes

uud

als aus einer Urkunde hervor gegangen, anzusehen sind, mit­

hin die Summen,

die Einer und derselben Anstalt

oder

Korporation hinterlassen werden, zusammen zu rechnen sind,

nm hiernach zu beurtheilen, ob die landesherrliche Genehmi­ gung hinzutreten müsse; daß endlich, wenn mehrere Personen

in Einer und derselben Urkunde, z. B. Miterben, Einer und derselben Anstalt oder Korporation Etwas znwenden und die Zuwendungen dieser mehreren Personen 1000. Thlr. über­

steigen, nur

der Betrag

der Zuwendungen und nicht die

Person entscheidet, von welcher solche herkommt *);"

und die Kabinetsorder vom 22. Mai 1836.") bestimmt:

*) Vgl. den §. 201. TU. 11. Th. II. des Allgemeinen Landrechts, **) Gesetzsammlung für 1836. S. 195,

235 „daß in allen Fällen, in denen Schenkungen und letztwil­ lige Zuwendungen zu Messen der landesherrlichen Ge­

nehmigung bedürfen,

diese durch das Ministerium der

geistlichen Angelegenheiten ertheilt werden soll." Nach dem §. 3. ***) ) sollen fortgesetzte Prästationen

vier Prozent zu Kapital gerechnet werden.

mit

Dies ist als

eine positive Festsetzung aus dem Allgemeinen Landrechte Th. II. Tit. 11. §. 202. übernommen worden.

Der Satz selbst steht

mit dem gewöhnlichen Ertragt von Stiftungs-Kapitalien in

richtigem Verhältnisse.

Der §. 4. °’) stimmt mit dem §>. 199. a. a. O. im Wesent­

lichen überein. — Zn Betreff der Anwendung der hier gegebenen Vorschriften auf die von dem Geschenke, dem Vermächtnisse, oder der

Erbschaft

in

dem Zeitraume

vom Tage der vollzogenen

Schenkung und beziehungsweise vom Todestage des Erblassers an gezogenen Nutzungen fragte es sich:

wem gebühren die gedachten Nlltzungen, wenn die Bestätigring der Zuwendung erfolgt?

Es leuchtet ein, daß es mit allen rechtlichen Grundsätzen

im Widerspruche stehen würde,

einer Anstalt re. den Genuß

der ihr zugedachten und schon beschiedenen Vortheile von der Willkühr des Geschenkgebers oder Erben abhängig zu machen,

*) §. 3. Zuwendungen, welche In fortgesetzt wtederkehrenden Prästatlvnen destehen, werden mit Bier vom Hundert zu Rapital berechnet. **) §. 4. Erst mit dem Tage, an welchem die lande. 176. sqq.

den Bau selbst genehmigt.

H. 212.

Was Jemand

an Sachen

und Effekten,

aus

eigenem

Vorrathe, zur Auszierung einer Kirche schenkt, oder vermacht:

dazu soll die Bestätigung in der Regel,

ständen eine Absicht, das

wenn aus den Um­

Gesetz zu vereiteln, nicht erhellet,

nicht versagt werden.

§. 213. Uebrigens finden eben die Gründe zum Widerrufe, welche

248 bey Schenkungen überhaupt eintreten können, auch bey bestä­

tigten Schenkungen an Kirchen Anwendung.

(Th. I. Tit. 11.

§. 1089. sqq.)

§. 214. Kirchenvorsteher, welche den obigen Vorschriften zuwider,

Schenkungen und Vermächtnisse annehme», ohne davon dem Staate zur Bestätigung Anzeige zu machen, haben fiskalische Strafe verwirkt.

$. 215. Die Strafe soll, nach Bewandniß

der Umstände,

und

je nachdem das Geschenk oder Vermächtniß an sich auf die Bestätigung

Anspruch

machen

könnte

oder

nicht,

von

der

Hälfte bis zum doppelien Betrage des Werths der angenom­

menen Sache oder Summe bestimmt werden. §• 216.

Soweit

das Geschenk oder Vermächtniß

nicht bestätigt

wird, fällt ersteres an den Geber, oder dessen Erben; so wie letzteres in den Nachlaß zurück.

Theil II.

Titel 11.

Abschnitt 12.

Von geistlichen Gesellschaften überhaupt. §. 951. Das

ihnen

vom Staate' zugewendete

odep

überlassene

Vermögen muß zur Aufrechthaltung ihrer geistlichen Anstalten, nach der vom Staate gebilligten Verfassung, und zum Unter­

halte der Mitglieder verwendet werden.

952. Sie sind dabey eben den Einschränkungen unterworfen, und genießen eben die Vorrechte, wie Kirchengesellschaften.

249

Theil. II Tit. 11.

Abschnitt 18.

Bon Mönchen und Ordensleuten. §. 1185.

Wo bey dem Eintritte in ein Kloster die Bestellung ei­

nes geistlichen Brautschatzes gewöhnlich ist, mag es dabey auch ferner sein Bewenden haben. §. 1186.

Es muß aber diese Gewohnheit weder auf genugsam dotirte, noch auf Klöster der Bettelmönche ausgedehnt werden. *§>. 1187.

Alich soll dergleichen Brautschatz die Summe von Fünf­

hundert Thalern nicht übersteigen. §. 1188.

Höhere Summen können nur unter ausdrücklicher Geneh­

auf vorhergegangene Untersuchung

der

Umstände, nach der besondern Nothdurft des Klosters,

und

migung des Staats,

der zur Unterhaltung der Conventlialen erforderlichen mehrern Kosten ausgesetzt werden. §. 1189.

Den zur Wartung

Orden

können

höhere

der Kranken

Brautschätze,

bestimmten geistlichen

ingleichen

Vermächtnisse

und Schenkungen, ohne Einschränkung auf eine gewisse Summe, zugewendet sperden.

1190.

Aber auch bey diesen ist,

wenn die Summe mehr als

Fünfhundert Thaler beträgt, die

ausdrückliche Genehmigung

des Staats nothwendig.

§. 1191. Unter dem

geistlichen Brautschatze sind die Kosten der

250 sogenannten geistlichen Hochzeit und Ausstattung nicht mit be­

griffen.

1192. Doch

dürfen

auch

diese

die Summe von Fünfhundert

Thalern niemals übersteigen.

§. 1193. Der Werth der Sachen und Effekten, welche der in das Kloster tretenden Person zu ihrem Gebrauche mitgegeben wer­

den, sind unter keiner der obigen Summen begriffen.

1194. Doch fallen die darunter befindlichen Juwelen und Kost­

barkeiten,

nach

dem Abgänge der Klosterperson,

nicht dem

Kloster, sondern deren alsdann vorhandenen nächsten Erben zu.

1195. Hat ein Kloster höhere Einkünfte/ als nach

1183.

zulässig sind, oder einen höheren Brautschatz, oder ein meh­

reres zur Ausstattung und Hochzeit, als Fünfhundert Thaler, ohne Vorwissen und Genehmigung des Staats angenommen: so verfällt der ganze Betrag dem Fiskus; und das Kloster muß, noch außerdem, den doppelten Betrag des zu viel genom­

menen als Strafe entrichten.

§. 1196. Haben weltliche Verwalter

übermäßigen

Drautschatz,

der

Klostergüter

dergleichen

oder Ausstattung und' Hochzeitsko­

sten angenommen: so trifft sie die Straft, und das Kloster verliert nur das Empfangene.

§. 1197. Haben dergleichen Verwalter den Betrag solcher Zuwen,

billigen in

den Rechnungen verschwiegen,

oder verheimlicht:

so müssen sie die dreifache Summe zur Strafe entrichten.

251 1198. Kann die verwirkte Summe und Strafe von dem Klo­

ster oder dessen Verwaltern nicht beigetrieben werden: so has­

ten dafür diejenigen, von welchen die gesetzwidrige Zahlung ge­ leistet worden.

Titel 12.

Theil II.

Bon niedern und höher» Schulen. 21.

Auch

sind inländische

Schulen,

bey Schenkungen

und

Vermächtnissen, den Einschränkungen der Kirchen und geistlichen

Gesellschaften nicht unterworfen.

(Th. I. Tit 11. §. 1075.)

§. 57. Von den Gebäuden, Grundstücken und Vermögen solcher

Anstalten gilt alles, was in Ansehung der Kirchen und deren Vermögen im vorigen Titel verordnet ist.

58. Doch sind Gymnasia und Realschulen, in Ansehung der

Schenkungen und Vermächtnisse, den Einschränkungen der Kirchengesrllschasten eben so wenig,

wie die gemeinen Schulen,

unterworfen. Theil II. Titel 19.

Von Armenanstalten und andern milden Stif­ tungen. 44.

Dagegen sind sie bey den Geschenken .uud Vermächtnissen

solchen Einschränkungen, wie die geistlichen Anstalten, nicht un­ terworfen.

252 45. Durch dergleichen Vermächtnisse kann jedoch

denjenigen,

welchen ein Pflichttheil gebühret, derselbe nicht entzogen oder geschmälert werden. §

46.

Würden durch ein solches Bermächtniß Personen, welchen der Erblasser Alimente zu geben nach den Gesetzen verpflichtet ist, wegen Unzulänglichkeit des übrigen Nachlasses daran Ab­

bruch erleiden: so sollen die Einkünfte des Vermächtnisses,

so

weit dieselben dazu hinreichend und erforderlich sind, zur Er­ gänzung des solchen Personen zukommenden Unterhalts verwen­

det werden. §. 47.

Sobald aber die Befugniß derselbe», Alimente von dem Erblasser zu fordern, aus irgend einem rechtlichen Grunde sich

erledigt, sobald tritt auch die Armenanstalt in den vollen Ge­

nuß der ihr bestimmten Zuwendung.

48. Was vorstehend §. 45. 46. 47. von Vermächtnissen vor-

geschrieben ist, gilt auch von Schenklingen unter Lebendigen, oder von Todeswegen, in so fern überhaupt wegen verkürzten Pflichttheils, oder geschmälerter Alimente, Schenkungen wider­

rufen werden können.

(Th. I. $it. 11.

1113—1122.)

VI.

Vom Widerrufe der Testamente.*) ^ie verehelichte Lieutenant M. setzte in einem rechtsgültigen, bei dem Gerichte zu L mann zum Erben ein.

deponirten Testamente ihren Ehe­

*) Zn den Motiven zu dem vom Revisor vorgelegten Entwürfe deS Erbrechts, S. 201.—209., wird Nachstehendes angeführt: „Ein gültig errichtetes und auS der gerichtlichen Verwahrung nicht zu­ rückgenommenes Testament kann 1) durch Errichtung eines neuen Testaments, 2) durch ausdrücklichen Widerruf ungültig werden. Bet der Errichtung eines neuen Testaments wird entweder 1) das ältere Testament durch daS neuere nicht ausdrücklich bestätigt, oder 2) das neuere enthält eine solche Bestätigung, oder 3) daS neuere enthält einen ausdrücklichen Widerruf des älteren. Zn allen diesen Fällen kann nun wieder das neuere Testament entweder wegen eines Mangels der Form, oder Irrthums, oder sonstigen inneren Fehlers ungültig seyn, oder von dem Testator auf gesetzliche Art wieder aufgehoben werden. Die außergerichtlichen Testamey/e bleiben vorläufig außer Berührung. DaS Allgemeine Landrecht macht bet dem ersten Falle, wenn daS ältere Testament durch das neuere nicht bestätigt worden, den Unterschied, ob daS neuere die im vorigen Testamente enthaltenen Erbeseinsetzungen abge­ ändert habe, oder nicht. Enthält es eine solche Abänderung, so verliert daS frühere Testament seine Gültigkeit, und es fallen auch die darin aus­ gesetzten Legate weg, in sofern dieselben nicht in dem späteren ausdrücklich wiederholt oder bestätigt sind.

254

Die Ehe ward mißvergnügt in der Folge. Sie errichtete deshalb ein anderes Testament vor d.m Gericht -u S... zum In dem früheren Entwurf (Bd. 28. Bl. 326. der Materialien) war §. 241. vorgefchlagen worden, das alte Testament solle durch das neuere nur so weit seine Kraft verlieren, als es durch dieses ausdrücklich abgeän-dert worden; die Schwierigkeiten der Erbtheilung nach zweien, in Verbin­ dung stehenden Testamenten leiteten jedoch zu der Bestimmung des gedruck­ ten Entwurfs §§. 370. und 371, welche mit dem Sltlgemeinen Landreckte für den Fall, wenn die Erbeseinsetzung abgeändcrt worden, übereinstimmen, außerdem aber die Regel ausstellen, daß das alte Testa»-ent nur so weit seine Kraft verliere, als es durch das neuere abgeändert worden. Zur Rechtfertigung dieser Bestimmungen wird in der Revisio moniloruno, Bl. 1624. angeführt: Man muß Testamente und Kodizille unterscheiden. Ein späteres Testament enthält alle Mal seinem Begriffe nach eine neue Erbeseinsetzung. Man kann also sicher annehmen, daß ein späteres Testament das frühere aufhebe, in sofern der Testator nicht ausdrücklich erklärt hat, daß auch das frühere Testament bestehen, und also die beiden Erben als Miterben konsiderirt werden sollen. Durch die Aufhebung des früheren Testaments verlieren die darin gemachten Legate ihre Kraft, in sofern sie nicht in dem spätern ausdrücklich bestätigt sind. Die dem früheren Testamente beigefugte Clausula codicillaris kann auch nicht die Wirkung haben, daß diese Legate subsistirten, weil hier eine deutliche mutatio volunlatis vorhanden ist. Soll hingegen ex declaratione testatoris expressa das spätere Testament mit dem früheren zugleich bestehen, so bestehen auch die im letzten gemachten Legate, in sofern sie in dem spätern nicht ausdrücklich oder dadurch aufgehoben worden, daß der Testator eine rem singulärem, die er in einem früheren Testamente vermacht hatte, im spätern einem Andern zuwendet. Was hingegen bloße Kodizille betrifft, so ist es Regel, daß die spä­ teren die früheren nicht ausheben, fbndern die in allen verlassenen Legate prästirt werden müssen, in sofern nicht eine ausdrückliche Aufhebung per ademlionem auf die gedachte Art erfolgt ist. Man sieht hieraus, daß man ein späteres Testament, welches die Erbesetnsetzuug in dem früheren nicht abänderte, für ein Kodizill erachtete, durch welches allerdings ein Testament nicht aufgehoben werden kann. Aber abgesehen davon, daß die Ausführung zweier letztwilliger Ver­ fügungen selten ohne Schwierigkeiten und Verwickelungen möglich seyn möchte, so ist eine letztwlttige Verfügung darum, weil sie eine mit dem früheren Testamente übereinstimmende Erbeseinsetzung enthält, noch kein

255

Vortheile der Zntestaterben. Der Lieutenant M., ihr Ehe­ mann, mit dem sie in Ehescheidung lebe, solle von ihr Nichts Kodizill. Enthält die neuere Verordnung eine Erbeseinsehung, so ist sie ein Testament. Es ist alsdann die Vermuthung vorhanden, daß der Erb­ lasser über seinen ganzen Nachlaß habe verfügen wollen, und damit steht die Gültigkeit eines früheren Testaments, wenn er dasselbe nicht ausdrücklich bestätigt, in Widerspruch, selbst wenn in dem zweiten Testa rente der Erbe nur auf eine bestimmte Quote eingesetzt seyn sollte. Denn bleibt man bei den Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts stehen, so wird in diesem Falle der Wille des Testators so ergänzt, daß ter Testamentserbe dennoch das Ganze erhält, worüber nicht verfügt worden; nimmt man die Vor­ schläge des Entwurfs an, so geschieht die Auslegung zu Gunsten des Zntestaterben. Hat der Testator in dem späteren ausdrücklich erklärt, daß das frü­ here Testament durch das neuere nicht aufgehoben seyn solle, so bleibt es in Gültigkeit, so weit es nicht durch das neuere ausdrücklich auf­ gehoben worden. Daß in einem solchen Falle es einer ausdrücklichen Aufhebung gleich zu achten ist, wenn der Testator eben dieselbe bestimmte Sache, welche er in dem früheren Testamente einem Legatar vermacht hat, in dem spätern einem andern zuwendet (§. 575.), scheint keiner Rechtfertigung zu bedürfen. Als Regel würde also anzunehmen seyndaß ein früheres Testament durch ein späteres gültiges, nicht nur in Rücksicht der Erbescinsetzung, sondern auch in Rücksicht der übrigen An­ ordnungen aufgehoben wird, selbst wenn in dem späteren Testamente der Erbe nur auf eine bestimmte Erbquote eingesetzt worden; daß aber, wenn der Testator das ältere Testament in dem neueren ausdrücklich bestätigt, das ältere bei Kräften bleibt, soweit es nicht ausdrücklich in dem neuern abgcändert ist Das zweite Testament kann aber von Anfang an ungültig seyn, oder in der Folge von dem Testator auf gesetzliche Art aufgehoben werden. Ueber die deshalb zu erlassenden Bestimmungen waren die Verfasser des A. L. R. verschiedener Meinung. In dem Bd. 28. Bl. 327. bemerkt Suarez über diese Frage Nach der ganz richtigen Unterscheidung des Römischen Rechts kommt es darauf an, ob das letzte Testament ob defectum solomnitatiim internaruin oder externarinn ungültig sey. Ersteren Falls bleibt das erste Testament bei Kräften, weil cs dem zweiten an der erforderlichen cerjtitudine voluntalis fehlt. Letzteren Falls wird das erste Testament ent­ kräftet, weil es genug ist, daß die Intention des Erblassers, seine erste

256

erben; weshalb ich denn auch, — so heißt es in diesem zwei­ ten Testamente, — die Anfhebing eines bei dem L........ scheu Gerichte niedergelegten TestameinS nachgesucht habe. Disposition aufheben zu wollen, mit hinlänglicher Gewißheit erhellet, wenn gleich die zweite Frage wegen eines Mangels in materialibus nicht exitum haben kann. Es kommt aber noch eine Frage in jure Romano vor, von der ich submittire, ob und wie sie zu entscheiden sey? Der Testator hat ein zweites Testament gemacht, und darin seine Intention, das andere ändern zu wollen, deutlich erklärt. Ex post nimmt er das zweite Testament zurück. Es fragt sich: Convalescirt das erste wieder, wenn solches bei den Gerichten liegen ge­ blieben ist? Ich glaube, quod non' Hierauf wurde in den gedruckten Entwurf Folgendes ausgenommen: §. 373. Ist das zweite Testament oder Kodizill, wodurch das erste geän­ dert worden, wegen eines Mangels an den äußern Erfordernissen ungültig, so behält das erste seine Kraft. H. 374. Sind aber die äußern Erfordernisse des zweiten Testaments richtig, und dasselbe kann nur aus andern Ursachen nicht bestehen, so findet die gesetzliche Erbfolge statt. H. 375 Ist das zweite Testament ohne Vorbehalt zurückge­ nommen, das erste aber in gerichtlicher Verwahrung ge­ blieben, so behält letzteres seine vollkommene Gültigkeit. Der Sinn dieser §§. wird in der Revisio monitorum, Bl. 1625. dahin angegeben: Sobald das spätere Testament nur mit denjenigen Erfordernissen versehen ist, welche die Gesetze zu einer gültigen Revokation vorschreiben, so ist das frühere Testament aufzuheben, wenn gleich das spätere als Testa­ ment nicht bestehen könnte. Fehlm aber dem späteren Testamente sogar die Requisite einer gültigen Revokation, so besteht das frühere, in sofern eS nicht zurückgenommen worden. In diesem Sinne sind hierauf die §§. 580. 581. und 582. gefaßt worden. Der Fall, daß ein Testament, als solches, ungültig, der darin ent­ haltene Widerruf eines früheren Testaments aber die gesetzlichen Erforder­ nisse hätte, möchte wohl nicht leicht vorkommen — (vielleicht nur bei Te­ stamenten der Verschwender, der Personen unter achtzehn Jahren, die schriftlich testiren, bei solchen, die durch nachgeborne Kinder rumpirt wer­ den), — aber davon abgesehen, müssen die in dem A. L. R. enthaltenen Bestimmungen für ganz richtig angenommen werden. Denn darum, weil

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257



Noch später versöhnte sich die Testatrizin wieder mit ih­ rem Ehemanne und die Ehescheidungsklage ward zurückgenomrin mit den gesetzlichen Erfordernissen versehener Widerruf mit einem Testa­ mente verbunden ist, welches für rechtsbeständig nicht geachtet werden kann, ist der Widerruf noch nicht ungültig. Anders verhält es sich jedoch, wenn das zweite Testament, es sey als solches gültig oder nickt, wieder zurück­ genommen wird. Nimmt man an/ daß nach der Vorschrift deS A. L. R. §. 587: „In der Regel kann Jemand nur auf eben die Art, wie er testiren kann, auch die einmal errichtete Disposition widerrufen,^ der Widerruf nicht nur gerichtlich zu Protokoll erklärt oder schriftlich über­ geben, sondern auch versiegelt und zum Depositum genommen werden müsse, so hat die Sache gar kein Bedenken; denn wie das Testament, so muß auch der Widerruf durch die Zurücknahme die Gültigkeit verlieren Aber auch wenn der Widerruf nur vor besetztem Gerichte erklärt werden darf, und derselbe im Testamente enthalten ist, muß dieselbe Wirkung eintreten. Die Zurücknahme des Testaments ist die Handlung, wodurch die Gül­ tigkeit desselben, und zwar des ganzen Inhalts, vernichtet wird. Es muß also auch der darin enthaltene Widerruf eines früheren Testaments ungül­ tig werden, und wenn dieser Grund der Ungültigkeit des früheren Testa­ ments vernichtet wird, so muß dieses als gültig angesehen werden. Es läßt sich zwar dagegen erwidern: wenn der Testator seinen zweiten Entschluß ändere, so folge daraus» noch nicht, daß er zu dem ersten wieder zurückkehre; das erste Testament könne nur durch eine ausdrückliche Erklä­ rung seine Gültigkeit wieder erlangen. Allein die Uebergabe des Testaments zur gerichtlichen Aufbewahrung ist die Handlung, wodurch dasselbe seine Gültigkeit bekömmt und wodurch sie ihm bis zur Zurücknahme aus der ge­ richtlichen Verwahrung erhalten wird, und wenn der Testator die Erforder­ nisse demselben läßt und alles das wegräumt, was dessen ungeachtet der Gültigkeit desselben Eintrag thun könnte, so giebt er deutlich genug zu er­ kennen, daß er die Gültigkeit desselben aufrecht erhalten wolle. UeberdieS aber, so wie es der Zweck der Preußischen Gesetzgebung gewesen ist, die Zweifel über die Gültigkeit der Form der Errichtung der Testamente mög­ lichst zu heben, und nur Eine, die gerichtliche Auf- oder Abnahme, für zulässig zu achten, so muß auch auf der andern Seite die Form der Aus­ hebung möglichst vereinfacht und genau bestimmt werden, damit auch über die Gültigkeit dieses Akts Prozesse vermieden werden. Diese, und eben so wenig Betrügereien, sind aber gar nicht zu verhindern, wenn der Inhalt eines dem Testator zurückgegebenen Testaments, welches er oft selbst nicht, so wie ein wichtiges Dokument eS erfordert verwahren und vor Verfäl-

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men. Sie erklärte nunmehr gerichtlich (doch nicht in der Form eines Testaments) Folgendes: schungen oder vor Vernichtung schützen kann, die Gültigkeit eines früher errichteten und in gerichtlicher Verwahrung befindlichen Testaments ent­ scheiden soll. Was von dem in einem zurückgenommenen Testamente enthaltenen Widerruf gilt, das gilt auch von dem zurückgenommenen Testamente selbst. Die Errichtung desselben ist allerdings ein Beweis, daß der Testator sein früheres Testament nicht habe bestehen lassen wollen; wenn er aber die Gültigkeit des zweiten Testaments vernichtet, und das einzige Hinderniß der Gültigkeit des ersten wegräumt, so muß man annehmen, daß das erste bestehen soll. Daß ein von Anfang an ungültiges Testament das frühere nicht unkräftig machen könne, bedarf keiner Erörterung. Daher ist auch in dem vorgelegten Entwurf (des Revisors) die Regel festgchalten: daß ein wieder zurückgenommenes Testament ein früher errichtetes und in gerichtlicher Verwahrung gebliebenes auf keine Weise ungültig mache; daß, wenn das zweite Testament nicht zurückgenommen, aber sonst un­ gültig ist, der darin enthaltene, mit den gesetzlichen Erfordernissen ver­ sehene , ausdrückliche Widerruf eines früheren Testaments das letz­ tere aufhebt. Das A. L. R. enchält noch die besonderen Verordnungen 577 — 579: daß, wenn der Testator in dem spätern Testamente ausdrücklich erklärt, daß er die Erbeseinsetzung blos um deswillen abgeändert habe, weil der in dem früheren ernannte Erbe gestorben seh, das spätere Testament ungültig seyn solle, wenn dabei ein Irrthum zum Grunde gelegen; daß das frühere Testament, wenn es in gerichtlicher Verwahrung geblieben sey, seine Kraft behalten, und daß die in dem späteren Testamente ent­ haltenen Verordnungen nur so weit gellen, als dadurch Verordnungen des früheren Testaments, außer der Erbeseinsetzung, aufgehoben werden. Diese in dem gedruckten Entwürfe noch nicht enthaltenen Bestim­ mungen werden in den Materialien*nicht weiter gerechtfertigt, als daß diese Aufhebung der ersten Erbeseinsetzung durch einen Irrthum ver­ anlaßt worden. Da sie den in dem Titel von Willenserklärungen aufgestellten Grund­ sätzen (§§. 145 — 150. Tit. 4.) gemäß sind, so sind sie im Entwurf (deS Revisors) beibehalten worden. Daß das Allgemeine Landrecht auch den Widerruf als ein Mittel der Aufhebung eines gültigen Testaments gestattet, ist schon vorher erwähnt worden. Dies ist auch nothwendig, weil die wirkliche Zurücknahme des Testaments, besonders bei Land - und Stadtgerichten, deren Bezirk von

259

„Zch hegebe mich des Widerrufs des ersten Testaments, ich erkläre vielmehr gedachtes Testament für gültig, und will, großer Ausdehnung ist, auch bei Patrimonialgerichten, bet welchen der Richter entfernt vom Sitze des Gerichts wohnt, sich sehr leicht verzögern und daraus unwiederbringlicher Schaden entstehen kann. Die Form des Widerrufs ist nach dem §. 687. dieselbe, wie die bei Errichtung der Testamente. Es ist die Frage entstanden: ob es hin­ reichend sey, daß der Widerruf vor einem besetzten Gerichte abgegeben werde, oder ob alle übrige, bei Aufnahme eines Testaments erforderlichen Förmlichkeiten beobachtet werden müssen, und ob namentlich auch die Versiegelung und An­ nahme zum Depositum nothwendig sey? (Vgl. Acta Gen. des Justiz Minlsterit T.13. fol. 107. seq.) Nach den Worten des Allgemeinen Landrechts könnte man die bejahende Meinung wohl rechtfertigen; indessen nach den Materialien muß die entgegengesetzte Meinung doch das Uebergewicht gewinnen. Der erste Vorschlag (Bd. 27. Bl. 210.) ging dahin: den Widerruf vor einer GerichtSperson zu. gestatten; denn es sey nur Gewißheit des Willens erforderlich, und Mißverständnisse wären nicht zu befürchten. Man fand jedoch nöthig, für schleunige Fälle noch eine leichtere Form zu gestatten (Bd. 28. Bl. 327.), und in dem gedruckten Entwurf wurde festgesetzt: §. 376. Nur auf eben die Art, wie Jemand testiren kann, kann er auch die einmal errichtete Disposttion widerrufen. §. 377. Die wirkliche Zurücknahme des widerrufenen Testaments oder Kodizills ist zu dessen Entkräftung nicht nothwendig. H. 378. Der Widerruf eines gerichtlich ntedergelegten Testaments kann vor einem Notario und Zeugen gültig geschehen, wenn der Te­ stator durch schleunige Krankheit, feindliche Jnvaflon, oder andere be­ sondere Umstände das Testament gerichtlich zu widerrufen verhin­ dert wird. Die letztere Bestimmung erachtete man bei dek Revisio monitorum für überflüssig und gefährlich. Unter den bezeichneten Umständen könne der Testator auch vor Dorfgerichten testiren und solchergestalt sein Testa­ ment widerrufen, auch könne der Widerruf vor Notar mfb Zeugen leicht gemißbraucht werden. Daher wurde der §. 378. in das Allgemeine Landrecht nicht ausgenommen. Es geht hieraus hervor, daß das Versiegeln und die Annahme des Widerrufs zum Depositum von Niemandem in Antrag gebracht oder für

17*

260 daß solches nach meinem Tode in Erfüllung gehe. Zwar habe ich vor dem Gerichte in S.... ein Testament errichtet, nöthig erachtet worden, sondern daß man nur die Gewißheit des Wil­ lens in eben dem Grade, wie bei Testamenten, für nothwendig hielt: also die Erklärung vor einem vollständig besetzten Gerichte. UeberdieS gehören auch die Berstegelung und Annahme zum Depositum nicht mehr zur Er­ richtung eines Testaments, sondern es sind dies nur Sicherheitsmaaßregeln, um die Verfälschung zu verhindern. Bet dem bloßen Widerruf sind solche Verfälschungen nicht leicht zu befürchten, und wenn man erwägt, daß in dem Widerruf eines Testaments doch zugleich die Absicht liegt, dasselbe aus dem gerichtlichen Deposito zurück zu erhalten und daß daher die Zurückgabe desselben auch bewirkt werden muß, so erscheint die Versiegelung nicht ein­ mal zweckmäßig. Eine Ausfertigung deS Widerrufs würde genügen, um den Intestaterben sofort einen Beweis zu gewähren, daß das noch in ge­ richtlicher Verwahrung vorhandene Testament feine Kraft verloren hat; dem Richter, welcher den Widerruf aufnimmt, würde aber zur Pflicht zu machen seyn, wegen der Zurückgabe des Testaments sofort das Nöthige zu verfügen, oder im Fall das Testament bet einem anderen Gerichte in Ver­ wahrung sich befindet, dieses von dem geschehenen Widerruf zu benachrich­ tigen, damit dieses die Zurückgabe bewirke. Dadurch wird nicht nur ver­ hindert, daß der im widerrufenen Testament ernannte Erbe, vor der Bekanntwerdung des Widerrufs, den Besitz der Erbschaft ergreift, sondern auch, daß ungültig gewordene Testamente im Deposito liegen bleiben. Es sind deshalb in den Entwurf (des Revisors) die nöthigen Anwei­ sungen für den Richter ausgenommen worden. Daß unter Umständen, wo Jemand ein privilegirteS Testament ma­ chen, er auch ein früher errichtetes widerrufen kann, wird keiner Erörterung bedürfen. Zweifelhafter aber ist es, ob das widerrüfene, aber nicht zurück­ genommene Testament seine Kraft wieder erhält, wenn Umstände vorhanden sind, unter welchen ein privilegirtes Testament seine Gültigkeit verloren ha­ ben würde. Es finden hier für die verschiedenen Meinungen dieselben Gründe statt, welche oben über die Errichtung eines neueren, aber in der Folge wieder zurückgenommenen Testaments angeführt worden, und deshalb sind auch hier die Grundsätze des Allgemeinen Landrechts beibehalten worden. Anders verhält es sich mit dem Widerruf der Testamente, welche nicht gerichtlich übergeben worden, und zu ihrer Gültigkeit einer solchen Uebergabe auch nicht bedürfen. Das Allgemeine Landrecht verordnet H. 589.: ein unter gesetzmäßigen Erfordernissen einmal errichtetes privilegirtes Testament kann unter Umständen, wo das Privilegium nicht mehr An-

261

(das oben gedachte zweite) worüber ich den Deposita!-Rekognitionsschein nicht auffinden kann; indessen erkläre ich dies Testament hierdurch für null und nichtig." Wendung findet, nur mit Beobachtung der Erfordernisse eine- förmlichen gerichtlichen Testaments widerrufen werden. Dies ist auch in Hinsicht eines ausdrücklichen Widerrufs richtig; denn ein privilegirtes Testament hat, bis dessen Kraft durch Verlauf der Zeit erlischt, alle Kraft eines feierlichen. Allein die Stelle der gerichtlichen Ver­ wahrung vertritt die durch den Testator selbst bewirkte, und wenn also der Testator etwas damit vornimmt, woraus hervorgeht, daß er es nicht län­ ger vor der Vernichtung hüten will, wenn er selbst das Testament oder seine Unterschrift vernichtet oder vernichten läßt, durchschneidet, durchstreicht, verlöscht, so muß dies hinreichend erachtet werden, dem Testamente seine Gültigkeit zu nehmen. Aehnlkch dem Falle, wenn ein feierliches Testament nach erfolgtem Wi­ derruf oder Errichtung eines neuen Testaments in gerichtlicher Verwahrung geblieben, ist zwar derjenige, wenn der Erblasser das privilegirte Testament unversehrt in seiner Verwahrung behalten hat. Es würde also als gültig zu erachten seyn, wenn der Widerruf oder das neue Testament seine Kraft verliert. Es ist aber oben angeführt, daß hauptsächlich die Begünstigung, welche die feierlichen Testamente verdienen, die Erhaltung der Gültigkeit sol­ cher widerrufenen Testamente rechtfertigt. Dieser Grund fällt bei außerge­ richtlichen Testamenten weg, und diese bleiben also ungültig, wenn auch das nachher errichtete Testament oder der Widerruf seine Kraft verloren ha­ ben sollte. Bei mündlich errichteten Testamenten kann dieser Fall natürlich nicht eintreten. Daß mehrere Codizille neben einander und neben dem Testamente bestehen können, darüber ist kein Zweifel. Widersprüche, welche sich in den verschiedenen Verordnungen finden, müssen nach dem Inhalte der neuesten entschieden werden. Zweifelhaft ist es aber, ob ein früheres Codizsll nicht durch ein neue­ res Testament, wenn es in diesem nicht ausdrücklich bestätigt worden, aufgehoben wird? Nach den Institutionen und Pandekten — §. 1. Inst, de Codicill. [II. 25.] L. 5. und 18. Dig. eod. [29. 7.] — ist dieser Fall nicht überein­ stimmend entschieden, und das Allgemeine Landre^t entscheidet denselben zwar nicht ausdrücklich; jedoch kann nach demselben kein Zweifel darüber statifinden, haß das frühere Codizill, wenn es nicht ausdrücklich widerru-

262 Der Ehemann forderte nach dem erfolgten Tode der Ehe­ frau die Berichtigung des BefitztitelS der nachgelassenen Grund­

fen wird, gültig bleibt, weil nach §. 572. das neuere Testament ein frü­ heres nur dann ungültig macht, wenn es eine abändernde Erbeseinsetzung enthält. Wenn man aber annimmt, daß der, welcher ein Testament errich­ tet, im zweifelhaften Falle die Absicht hat, über seinen ganzen Nachlaß zu verfügen, so muß man ein vor dem Testamente errichtetes Codizill, wenn es nicht ausdrücklich im Testamente bestätigt worden, für aufgehoben erach­ ten, und es muß dann, in Hinsicht der Kodizille und wegen Aufhebung derselben durch ein Testament oder durch ausdrücklichen Widerruf, Alles statt­ finden, was wegen der Testamente verordnet worden. Die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts §§. 585. und 586.: daß/ wenn ein Testament und Kodizill zugleich übergeben worden, und aus den beigefügten Datis nicht ein anderes erhellt, angenommen wird, daß daS Kodizill später als das Testament errichtet worden; und daß, wenn in dem späteren Kodizille einer in der früheren Disposition schon bedachten Person ein Legat angewiesen worden, im zweifelhaften Falle, und wenn nicht aus der Fassung der späteren Disposition ein anderes er­ hellet, der Legatarius nur das spätere Vermächtniß zu fordern befugt seyn soll; rechtfertigen sich hinreichend, und sind daher beibehalten worden. Weniger strenge Formen, als für die Errichtung und den Widerruf der Testamente und Kodizille, darf man bei dem Widerruf einzelner Le­ gate verlangen. Der gedruckte Entwurf bestimmte darüber nichts, nnd Suarez warf daher die Frage auf: ob Legate, die in einem gerichtlichen Testamente oder Kodizille vermacht worden, auch nur durch eine gerichtliche Erklärung revocirt werden könn­ ten? Revis, monit., Bl. 1626. Er schlug einen Mittelweg vor, nach welchem die Revokation coram notario et leslibus geschehen könne; in einem bloßen schriftlichen Aufsatz aber nur alsdann, wenn solcher ein Holographum sey, und der Testator darin die Motive der Revokation angegeben. Dies ist angenommen und noch dahin im Allgemeinen Landrechte aus­ gedehnt, daß im letzten Falle und wenn der Bewegungsgrund der Wahrheit gemäß befunden wird, auch eine blos unterzeichnete Revokation gelten solle. ES ist auffallend, daß man die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung, die blos in der Willkühr des Erblassers beruht, davon abhängig machen will, ob der Erblasser seinen Bewegungsgrund angegeben hat, und ob dieser der Wahrheit gemäß befunden wird. Aber abgesehen davon, und daß eine solche Bestimmung zu Prozessen Veranlassung geben muß, gewährt sie

263 stückt auf Grund des ersten Testaments.

Das Ober-LandeSge-

rjcht zu CöSlin verweigerte es, weil die verstorbene Ehefrau das erste Testament durch das zweite, welches an keinen äußerlichen Mängeln leide, wi­

derrufen habe.

Zwar habe sie diefeit Widerruf gerichtlich

wieder aufgehoben, jedoch das zweite Testament nicht zurückge­

nommen, und ihr Widerruf des letzteren sey mit Hinsicht auf 587. Tit. 12. Th. I. des Allgemeinen Landrechts nicht

durchaus nicht die Sicherheit, weiche man mit Recht bei Verfügungen von Wichtigkeit, zu welchen doch auch einzelne Legate gehören können, und durch welche man einen großen Theil des Testaments und ein KodtziK ganz aufheben kann, erfordert. Bei Verträgen nimmt das Allgemeine Landrecht an, daß die Aufhe­ bung derselben nur gerichtlich erfolgen kann, wenn die Schließung derselben gerichtlich erfolgen muß (§. 389. Th. I. Tit. 5.). In Uebereinstimmung damit mußte ein in einem Kodizill oder Testa­ ment ausgesetztes Legat, weil es nur gerichtlich errichtet werden konnte, auch nur gerichtlich aufgehoben werden können, auch müßte sogar noch die gerichtliche Uebergabe hinzutreten. Diese Förmlichkeit würde jedoch manchen bewegen, sein Testament, dessen Errichtung bei seinen verwickelten Vermögensumftänden oder Familien-Angelegenheiten ihm nothwendig scheint, bis auf den letzten Augenblick zu verschieben, und weil hieraus mancher Nach­ theil für die Familie entstehen kann, so ist es allerdings billig, daß man von der strengen Form etwas nachläßt, wenn man nur überzeugt seyn kann, daß es wirklich der Wille des Erblassers gewesen sey, ein im Testament oder Kodizill enthaltenes Legat aufzuheben. Eine solche Gewißheit hat man nur, wenn der Erblasser seinen Witten vor besetztem Gericht ofcer vor einem No­ tar und Zeugen erklärt oder anerkennt, und diese Form kann auch nicht für eine große Belästigung gehalten werden, da in jeder Stadt Richter oder Notarien anzutreffen sind. Kann der Testator schreiben, so kann man es auch für hinreichend halten, wenn derselbe den,*die Aufhebung des LegaiS enthaltenden Aufsatz eigenhändig geschrieben und unterschrieben und das Da­ tum beigefügt hat. Was von Vermächtnissen gilt, das muß auch von Bedingungen und von Substitutionen, welche Vermächtnisse betreffen, gellen; nicht aber von solchen, welche mit der Erbeseinsetzung in Verbindung stehen. Bei diesen müssen die Formen wie bei Errichtung oder Widerruf der Testamente beob­ achtet werden."

264 für zureichend zu erachten, zweifelhaft erscheinen

bung

eines

ebenfalls

gültigen,

da die folgenden §§. es nicht

ließen, daß in der Regel die Aufhe­ nicht

zurückgenommenen

Testaments

nur durch ein in gehöriger Form abgefaßtes Te,

stammt und nicht durch eine bloße gerichtliche Erklärung be­

wirkt werden könne.

Der Lieutenant M. beschwerte sich nun bei dem Zustiz-

Ministerium, erhielt jedoch den Bescheid, daß die gewünschte Verfügung an das Ober-Landesgericht nicht erlassen und das

obwaltende Bedenken der Hypothekenbehörde nicht für unerheb­

lich angesehen werden könne. *) Zn dem Bescheide ging man aus nahe liegenden Grün­ den auf eine Beleuchtung der zweifelhaften Rechtsfragen

genauer ein.

nicht

Sie waren aber vielseitig erwogen worden"''),

und es soll hier der interessante Inhalt der Diskussion zu ei­

ner näheren Erörterung benutzt werden.

Zwei

Hauptfragen

sind

es,

die

bei

dem

vorliegenden

Rechtsfalle zur Sprache kommen:

I. Ist der Widerruf des zweiten Testaments rechtsgültig er­ folgt?

II. Falls ein Testament durch ein späteres aufgehoben wor­ den ist, lebt dann durch den gültigen Widerruf des zwei­

ten,

in

nicht

zurückgenommenen Testaments

gerichtlicher

Gewahrsam

gebliebene

das ebenfalls

erste

Testament

wieder auf?

I.

Der Widerruf

eines Testaments,

außer dem Falle der

’} Vgl. Mannkopf, Allgemeine- Landrecht, Bd. 2. S. 78 — 79. **) Vgl. die General-Akten de« Justiz-Ministeriums. T. 22. Bd. 1., Bl. 34. und folg.

265 Errichtung eines neuen, oder der Zerstörung des alten, kommt in allen Kompendien des Römischen RechtS vor:

Rupturn fit testamentum per declarationem testatoris, quod suam voluntatem in testamento expositam mutaverit; und es wird diese verbalis revocatio der realis, welche durch ein neues Testament, oder durch Zerstörung des errich­ teten geschieht, entgegengesetzt"). Die Sache verhielt sich aber so:

Nach der I. 6. Cod. Theodosiani (IV. 4.) verlor ein Testament nach Verlauf von zehn Zähren seine Kraft

ipso

Dies ward durch Justinian in der I. 27. Cod. de

jure.

testamentis (VI. 23.) dahin geändert: durch den- bloßen Verlauf der zehn Zähre solle ein Testa­ ment seine Kraft nicht verlieren, sondern nur dann, wenn

ein neues Testament errichtet worden. Fall.

Dies sey der eine

Der zweite wird dahin angegeben:

Sin autem testator tantummodo dixerit, non voluisse prius Stare testamentum, vel aliis yerbis utendo contrariam aperueril voluntatem, et hoc vel per testes idoneos non minus tribus, vel inter acta manifestaverit, et decennium fuerit emensum: tune irritum est testamentum, tarn ex contraria voluntate, quam ex cursu temporali. Das Widerrufe

Verstreichen

immer

nach

der zehn Zahre.

dem

angeführten

welches mit

Gesetze

diesem

verbunden

seyn muß, hat dm Zuristen von jeher nicht wenig zu schaffen gemacht.

") Hellfeld, ß 1428. und folg. Lauierdach, v. II. p. 604.

266

Böhmer**) sagt geradezu, dieses decennium sey eine Antiquität, auf welche in judicando keine Rücksicht ge­ nommen werden könne, und er führt eine Entscheidung unse­ res Tribunals an, in welcher der Grundsatz angenommen worden: revocationem testamenti prioris absolvi declaratione judiciali juxta 1 27. Cod. de testam. lapsumque decennii ibi junctum amplius non requiri. *)

Daß der lapsus decennii außer Gebrauch gekommen, nehmen selbst solche Rechtslehrer an, die sich sonst sehr streng an die Worte halten, z. B. Markart, interpr. recept. lect. lib. II. cap. 1., Püttmann, Interpr. Cap. 27., Schott, diss, ad orationem Pertinacis de test, poster. imperf. prius perfectum haud rumpente, Cap. 9,, Marburg, tom. I. c. 34. no. 48. p. 514.

und mehrere andere, zu welchen auch Boetius (lib. XXVIII. tit. 3. cap. 1.): si secunduin jus noslrum coram tabellione et duobus testibus solenniter declaret, se suum revocare testamentum et inteslatum mori veile, atque ita testamentum protinus hoc ipso ruptum efficiet,

*) Nov. jus. controvers., pag. 419. *) Vgl.dieBetträge zur juristischen Literatur,Bd. 6. S. 13.,roo e- auch zweifelhaft war, ob, bei vorhandenen zweien Testamenten, der Testator nicht vor Zeugen erklärt habe, daß das letzte Testament nicht gelten solle, und wo vom Tribunal zwar das zweite Testament für gültig anerkannt wurde, jedoch mit dem Zusätze: Beklagte könnten dann erweisen, daß der Testator nach der Zeit seine Willensweinung geändert und nicht gewollt habe, daß eS bet dem Testa­ mente bleiben solle.

267 gehört.

Die gemeinrechtliche PrariS scheint ziemlich allgemein,

besonders bei

einer gerichtlichen

Revokation,

bei

welcher

weder über die solennitas, noch über die certitudo volunta-

tis Zweifel obwalten kann, diese Meinung

angenommen zu

haben, wenn gleich es auch nicht an Rechtslehrern fehlt, die anderer Ansicht sind").

Aus allem Diesem geht hervor, daß nach älterem Rechte ein Testament dtirch Widerruf seine Kraft hat verlieren kön­ nen, und daß dazu eine gerichtliche Erklärung oder die Ge­ genwart dreier Zeugen genügt hat.

Der gedruckte Entwurf zum Allgemeinen Gesetz-

buche handelt im Th. II. Abth. 2. Tit. 9. Abschnitt 1. Seite 416., in den §>§. 365. folg, davon, wie Testamente und Ko-

diziUe ihre Wirkung verlieren können. Zuerst ist von der Vernichtung, von der Zurücknahme

und von der Errichtung eines zweiten Testmnents die Rede,

dann folgt vom Widerrufe: tz. 376. Nur auf eben die Art, wie Zemand testiren kann, kann

er auch die einmal errichtete Disposition widerrufen.

§. 377. Die wirkliche Zurücknahme des widerrufenen Testaments oder Kodizills ist zu dessen Entkräftung nicht nothwendig.

§. 378. Der Widerruf eines gerichtlich niedergelegten Testaments kann vor einem Notario und Zeugen gültig geschehen,

wenn der Testator durch schleunige Krankheit, feindliche Zn-

*)Stryck, decaut. test, cap.24.§.36., Faber, de error.pragm. dec. 39. err. 6., Thibaut, System §. 828., Höpfner, Kommentar §. 518. Anm. 6.

268 vasion, oder andere besondere Umstände das Testament ge­ richtlich zu widerrufen verhindert worden.

Zn dem

Extrakte

aus

Suarez'S Revision

der

monita zu den §§>. 376. bis 378. heißt es also: „10. ad §. 376. 377.

Hier sind noch verschiedene nähere

Bestimmungen nöthig: a) Ein förmliches gerichtliches Testament kann modoprivilegiato

revocirt werden,

wenn sich der Testator tempore

revocationis in den Umständen befindet, daß er ein testamen-

tum privilegiatum machen könnte. b) Da die Dauer der Gültigkeit eines testamenti privi-

legiati

auf eine gewisse Zeit eingeschränkt ist,

so dauert die

Gültigkeit einer solchen Revocation auch nur eben so lange; und

nach Ablauf dieser Zeit wird das

nämliche gerichtliche

Testament, wenn es nicht zurückgenommen ist, wieder gültig. c) Wenn ein gültiges testamentum

privilegiatum zu

einer Zeit revocirt werden soll, wo der testator nicht modo

privilegiato testiren kann, so muß er bei der Revocation die ordentliche gerichtliche Form beobachten.

d) Quaer.: Ob Legate, die in einem gerichtlichen Testa­

ment und Codizill vermacht worden, auch nur durch eine ge­ richtliche Erklärung revocirt werden könnend Oder ob nach der Römischen Theorie nuda voluntatis

declaratio dazu hinreichend ist? Ich würde einen Mittelweg Vorschlägen.

Die Revocation kann coram notario et testibus geschehen.

Zn einem bloßen schriftlichen Aufsatz aber nur als­

dann, wenn solche ein holographum ist und der Testator dar­ in die Motive der Revocation angegeben hat.

(NB.

Dann gelten auch blos unterzeichnete Revocationen.)



269

e) Legate, die in bloßen außergerichtlichen Dispositionen

hinterlassen werden, können auch durch

solche Dispositiones

revocirt werden. f) Wenn in einer solchen Disposition

das Legat-,

der

Name des Legatarii, das O-uantum und res legata auSgefirichen sind, so ist daS pro ademtione legati zu achten. 11.

Cui

ad §. 378.

accedo.

Wird

auf

Weglassung

angetragen.

Unter den hier angegebenen Umständen wird

der Testator auch modo privilegiato vor Dorfgerichten k. te-

stiren und also auch sein Testament solchergestalt revociren kön­ nen. lichen

ES bedarf daher dieses modi zur Aufhebung eines förm­ gerichtlichen Testaments nicht,

der leicht gemißbraucht

werden kann; besonders wegen des sehr schwankenden Ausdrucks:

oder andere besondere Umstände." Vergleicht man jene Stellen des Entwurfes mit dem All­

gemeinen Landrechte Th. I. Tit. 12. §§. 587. folg, und mit

den Materialien, so läßt sich dafür, daß der Gesetzgeber bei den Worten: Zn der Regel kann jemand nur auf eben die Art, wie er

testiren kann, auch die einmal errichtete Disposition wider­ rufen ;

blos die gerichtliche Form überhaupt, nicht aber dieje­ nige gerichtliche Form, wie sie in der Regel bei Testamenten

erfordert wird, im Sinne gehabt habe, Folgendes sagen:

„Der Entwurf und das Allgemeine Landrecht kenne so gut, wie das gemeine Recht, einen Widerruf der Testamente, außer der Errichtung eines neuen und der anderen Aufhebungsarten,

und die verschiedenen rubra vom Widerrufe.

durch

Zurücknahme (bei §. 565.),

durch

Errichtung

eines neuen Testaments (bei §. 572.), durch ausdrück-

27V

lichen Widerruf (bei

587.),

seyen vollkommen in der Sache selbst begründet. AuS dem Entwürfe und auch aus dem Zusammenhänge des Allgemeinen Landrechts, wie nicht minder aus den

der

Materialien, gehe hervor, daß, wenn gesagt werde: Zn der Art,

wie Zemand testiren kann,

könne er auch widerrufen;

darunter nichts Anderes zu verstehen sey, als: das gericht­ liche Testament müsse auch gerichtlich widerrufen werden.

Der §. 378. des Entwurfes könne darüber keinen Zweifel ge­ statten, und er sey nur deshalb, nach der Revision der monita,

in das Allgemeine Landrecht nicht ausgenommen worden, weil der Widerruf coram notario et testibus gemißbraucht werden und tempore peslis rc.

eben so gut vor Dorfgerichten re-

vözirt als diSponirt werden könne. Der §. 592. Ttt. 12. Th. I. des Allgemeinen Landrechts: Wenn hingegen der Widerruf an sich

mit den gehörigen

Erfordernissen versehen ist: so schadet es der Kraft desselben

nichts, wenn gleich das widerrufene Testament

selbst nicht

zurückgenommen worden; beziehe sich auf den Widerruf im Allgemeinen, auf die Be­

stimmung des §>. 587. a. a. O., nicht blos auf den speziellen Fall, da entweder das Testament oder der Widerruf in Pri­

vileg ir ter Form erfolgt sey, und solle dem §>. 377. des ge­

druckten Entwurfes entsprechen, der sich unmittelbar.hinter der allgemeinen Borschrift über die Form des Widerrufes (§. 376. das.) befand.

Die §§. 588. bis 591. Tit. 12. Th. I. des

Allgemeinen Landrechts seyen,

in Gefolge der monita,

Suarez's Anträge, ein geschoben.

nach

Zeder Zweifel darüber,

daß, sofern der Widerruf an sich mit den gehörigen Erforder­ nissen versehen fei), es der Kraft desselben nicht schade, wenn

271 das widerrufene Testament selbst nicht zurückgenommen wor­ den, beseitige sich durch die Erwägung, daß das Allgemeine Landrecht als spezielle Aufhebungsarten anführe:

1) die Zurücknahme (§§>. 565 — 571.), 2) die Errichtung eines neuen Testaments (§>§. 572. bis

586.), 3) den ausdrücklichen Widerruf (§§. 587 — 591.).

Wäre nun aber ein widerrufenes Testament noch immer so lange als gültig zu erachten, bis es aus der gerichtlichen

Gewahrsam zurückgenommen worden,' so

hätte der Widerruf

nicht als eine besondere Art der Aufhebung des Testaments

angeführt werden können, sondern die Zurücknahme wäre auch in diesem Falle der eigentliche Akt der Aufhebung.

Der Widerruf coram notario et testibns, welcher nach

dem Entwürfe auch bei Testamenten stattfinden konnte,

sey

nach dem Allgemeinen Landrechte auf Vermächtnisse beschränkt worden (§. 593.), und wenn nach den folgenden

selbst

ein außergerichtlicher Aufsatz in dieser Beziehung von Kraft sey, so erfordere das ?lllgemeine Landrecht doch immer noch

mehr Förmlichkeiten dabei, als das Konklusum der Gesetz-Kom­

mission vom 28. November 1789.,e) welches annahm, daß ein, in einem Testamente, oder sonst gültiger Weise hinterlasse­

nes Bermächtniß durch eine bloße Willenserklärung, wenn nur

diese erwiesen werden könne, rechtlich widerrufen werde.""*)

°) Ediktensammlung für 1789. Nr. 88. ") Sehr interessant sind die Grunde dieses Konklusums überhaupt so­

wohl, als auch deshalb, weil darin angeführt wird, daß der Widerruf eines Testaments, nach der Annahme des Tribunals, vor 3. Zeugen erfolgen müsse,

und daß die Rechtsregel ex I. 35. Dig. dc regulis Juris (L. 17.): nihil lam naturale est, quam eo genere quidque dissolvere, quo colligatum est,

272

Demzufolge wäre denn im vorliegenden Falle anzuneh­ men, das zweite Testament sey durch den gerichtlichen Wi­

derruf gültig aufgehoben worden. Dagegen ist indessen zu erinnern, daß man aus der Ver­ gleichung des gedruckten Entwurfes mit Suarez'S Bemerkun­

gen keineSwegeS die zuverlässige Ueberzeugung erhält,

daß der §>. 587. Tit. 12. Th. 1. des Allgemeinen Land­ rechts und der §. 376. des gedruckten Entwurfes sich nur

auf

die

gerichtliche

Form überhaupt,

und

nicht

auf die besondere gerichtliche Form der Testamente beziehet.

Der §i. 378. des gedruckten Entwurfes, welcher für die

entgegengesetzte Interpretation angeführt worden, läßt zwar den Widerruf vor Notar und Zeugen nur dann zu:

wenn der Testator, unter den vorwaltenden Umständen, das

Testament gerichtlich zu widerrufen vorhindert wird.

Allein der Schluß in contrarium, daß, wenn der Testator nicht verhindert ist, gerichtlich zu widerrufen, alsdann blos? die gerichtliche Form genüge,

würde nicht richtig seyn.

Die Fassung des §. 378. rechtfer­

tiget sich vollkommen, auch wenn angenommen wird, daß im entgegengesetzten Falle, also wenn der Testator zu widerrufen

nicht verhindert wird, nach dem §. 376. die bei Testamen­ ten vorgeschriebene gerichtliche Form beobachtet werden müsse.

Denn,

wenn

der

Testator

schon

verhindert

war,

gericht-

pch nur auf Kontrakte beziehe und bei den Vermächtnissen das spezielle Gesetz entscheide, I. 3. §. 11. Dig. de adim. vel transfer. legalis vel fldeicommissis (XXXIV. 4.). Non solum autem legata, sed et fideicommissa adimi possunl et quidem nuda voluntate.

273 lich zu widerrufen, so war er ja noch mehr verhindert, sich der

besonderen, für Testamente vorgeschriebenen gerichtlichen zu unterziehen, und eS genügte schon, wenn im

Form

378. blos

das erste Hinderniß angegeben war, ohne daß hieraus Etwas

über die Interpretation des

376. gefolgert werden kann.

Ueberdem ist die Vorschrift des §. 587. Tit. 12. Th. I.

des Allgemeinen Landrechts an sich so klar und bestimmt, daß es nicht einmal zulässig erscheint, so weit de lege lata die

Rede ist, auf die Materialten zum Allgemeinen Landrechte zu­

rückzugehen. Die Worte des §. 587.:

Zn der Regel kann jemand nur auf eben die Art, wie er testiren kann, auch die einmal errichtete Disposition

widerrtlfett;

lassen sich grammatisch nicht anders als dahin deuten:

daß bei dem Widerrufe völlig eben die Form, wie bei der Errichtung des Testaments, beobachtet werden müsse. Noch klarer und völlig unverkennbar liegt dies Prinzip

im §. 589. a. a. O. zu Tage, welcher bestimmt, daß ein privilegirtes Testament unter

Umständen,

wo das Privilegium

nicht mehr stattfinde, nur mit Beobachtung

lichen

der Erfordernisse

gerichtlichen

Testaments

eines förm­

widerrufen

werden

könne. Die Vergleichung mit dem Entwürfe ergiebt zwar aller­ dings, daß dieser §. 589. erst später eingeschoben ist.

Allein

es läßt sich nicht wohl denken, daß der Verfasser des Allge­

meinen Landrechts eine strengere Form des Widerrufes bei dem

testamentum minus solenne, als bei dem feierlichen gericht18



274



lichen Testamente für nöthig erachtet haben sollte, und daß er

daher bei der Abfassung des neuen §. 589. von dem früheren Generalprinzipe

des

587.

habe

abweichen

wollen.

Die

in dem letzteren §>. vorgeschriebene Form des Widerrufes muß

daher mindestens eben so streng gedeutet werden, als die im 589. vorgeschriebene. Aber nicht blos der Wort sinn spricht für diese Ausle­

gung des §. 587., sondern auch die ratio legis ist nicht zu verkennen.

Der Gesetzgeber fand es für nothwendig, die Gül­

tigkeit beider Willenserklärungen, die Errichtting des Testa­

ments und den Widerruf des Testaments, an völlig gleich strenge Formen zu binden, weil beide Erklärungen von völlig

ähnlicher Wirkung und mithin von gleicher Wichtigkeit sind; denn durch das Testament

wird

die Zntestaterbfolge

ausge­

schlossen und eine andere Erbfolge bestimmt; der Testaments­ widerruf hebt die testamentarische Erbfolge auf und stellt eben

dadurch

die Zntestaterbfolge

wieder

her.

Die Gleichstellung

beider Willenserklärungeii in Rücksicht auf die dabei zu beob­

achtenden Feierlichkeiten ist daber sehr in der Natur der Sache begründet, lind der Verfasser des Allgemeinen Landrechts scheint

recht absichtlich von den Ansichten des gemeinen Rechts und

dessen weniger strengen Form des Widerrufes der Testamente abgewichen zu sevn. Der Einwand, — daß das Allgemeine Landrecht schon in

den

572 — 586. die Art der TestamentSaufhebung durch

Errichtung eines späteren Testaments bestimme, mit­ hin in den

587. und folg,

für

den ausdrücklichen

Widerruf nicht abermals die Testamentsform verlangen könne,

weil sonst diese letztere Aufhebungsart schon in der früheren der 572. und folg, enthalten sev, — widerlegt die Richtig-

275 frit der obigen Auslegung des §. 587. nicht.

Paragraphen

letzterem

unter

der

Denn der nach

Testaments form

er­

klärte Widerruf ist deshalb noch keinrSwegeS rin neues Te­ stament.

Sein Inhalt ist vielmehr rem negativ,

daß die frühere Erbeseinsetzung aufgehoben seyn solle. Ein neues Testament erfordert dagegen die positive Er­

klärung

einer

neuen Erbeseinsetzung.

kann mit dem

Diese

Widerrufe des früheren Testaments allerdings verbunden werden, doch ist dann rein zufällig. Aus dem Gesagten ergiebt sich für den vorliegenden Fall: daß der nur zum gerichtlichen Protokolle, ohne Beobachtung

66. und folg. Tit. 12. Th. I.

der

des Allgemeinen

Landrechts, von der verehellchten M. erklärte Widerruf ihres

zweiten Testaments nach den ursprünglichen Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts nicht gültig erfolgt sey.

Bedenklicher

wird

die Entscheidung

indessen

durch

den,

später wie das Allgemeine Landrecht als Gesetz aufgenommenen §. 33. des Anhanges.

Derselbe

verdankt

seine Entstehung

einer

Anfrage

der

Ober-Amts-Regierung zu Breslau, welche zweifelhaft darüber war, ob der Gültigkeit eines

versiegelt dem Gerichte übergebenen Testaments dadurch geschadet werde, daß dem Siegel des Testators das

Gerichtsstegel nicht bcigefügt und aus dem Annahme-Proto­

kolle

nicht ersichtlich sey,

ob der Richter, die Ueberschrift des

Testaments in Gegenwart des Testators geschrieben habe. Die Gesetz-Kommission entschied unter dem 13. Februar

1798.:

die Gültigkeit des Testaments werde durch die Berabsäumung 18*

276 jener Formalien nicht gefährdet, wenn nur sonst das An­

nahme-Protokoll vorschriftsmäßig gefaßt sey; und das Zustiz-Ministerium begleitete diese Entscheidung

mit

dem Reskripte vom 26. Februar 1798. ***) ) und der Bemerkung daß eS nur auf die Beobachtung der Erfordernisse

eines glaubwürdigen und durchaus vollständigen Protokolles ankomme, mithin aus solchen Unterlassungen,

welche niemals zu irgend einem Zweifel über die Gewißheit des Willens auch nur scheinbaren Anlaß

geben

könnten,

keine Nullität herzuleiten sey.

Die

Worte

dieses Reskriptes scheinen

einen

Uebergang

von dem bis dahin nur fraglichen Falle „eines gerichtlich über­

gebenen Testaments" zu dem „eines zum gerichtlichen Protokolle erklärten" zu

Vollendet hat die Gesetz-Kommisst'on

bilde».

selbst diesen Uebergang, indem sie""), die Fassung deS §>. 33. des Anhanges so vorschlug, wie er jetzt erscheint.

Er dehnt

durch seine Eingangsworte:

Wenn

das

über

die

Errichtung oder Uebergabe

des

letzten Willens aufgenommene Protokoll vorschriftsmäßig

abgefaßt re

seine Bestimmungen über beide Fälle deS solennen gerichtlichen Testaments

aus,

und

scheint daher nichts Mehr und nichts

Weniger als eine gänzliche dlnfhebung des ursprünglichen landrechtlichett Prinzips über die Ätrenge der Testamentsform zu

enthalten, und es zu gestatten, *) Stengel « Beiträge, Bd. 7. S. 246 — 254., Rabe's Samm­

lung, Bd. 5. S. 50—53.

Bergl. die Entscheidungen de« Geheimen

Lber-Tribunal«, Bd. 1. S. 80. und Bd. 3. S. 122.

**) Die« gehet au« den Materialien über die Abfassung de« Anhän­

ge« zum Allgemeinen Landrechte herdvr, worüber in dem zweiten Bande

da« Nähere mitgetheilt wird.

-

277



daß ein Testament gültigerweise durch bloße Erklärung zum

gerichtlichen Protokolle, ohne alle weitere Förmlichkeiten, er­ richtet werden könne.

Zst nun — so könnte man sagen — ein gerichtlich zum

Protokolle gegebenes Testament gültig, sofern das Testament

unversiegelt

und

ohne

Ueber«

vorschriftsmäßige

schreibung im gerichtlichen Archive aufbewahrt

worden ist,

so muß auch ein Widerruf in der nämlichen Form gültig erfolgen.

Merkel ist in seinem Kommentare") nicht dieser Mei­

nung, und daß eine so durchgreifende, den früheren Ansichten deS Preußischen Rechts widersprechende Verfügung beabsichtigt

sey, ist beinahe undenkbar.

ES gewinnt vielmehr den Anschein,

daß das Wort „Errichtung", welches allein zu jener Aus­

legung führet, nicht gehörig erwogen worden sey;

denn alle

übrigen Bestimmungen des Paragraphen passen fast ausschließ­

lich nur auf den Fall eines gerichtlich versiegelt übergebenen Testaments, indem darin: von der Zdentität des Aufsatzes,

von der nicht erfolgten Beifügung des Gerichtssiegels,

von der unterbliebenen Bemerkung der Zeit, wo der Aufsatz übergeben ist,

von der fehlerhaften Aufbewahrung desselben

die Rede ist.

Man darf daher wohl annthmen, daß der Re­

dakteur der Gesetzstelle bei dem Worte „Errichtung" gar

nicht an das zum Protokolle erklärte Testament gedacht, daß

er vielmehr nur im Ausdrucke gefehlt habe, und daß nament-

*) Zum H. 112. Tit. 12. Th. I. des Allgemeinen Landrechts-

278

lich

zwischen

den

Worten

„Errichtung"

oder

„Ueber­

gäbe" die Partikel „oder" nicht disjunktiv, sondern ko­

pulativ, und mithin der Sinn der Worte eigentlich der sey: „Errichtung durch Uebergabe".

Der Testator,

welcher

sein Testament versiegelt übergiebt, muß ja auch wirklich bei

dieser Uebergabe desselben zum gerichtlichen Protokolle erklären, daß

dasselbe

seinen letzten Willen enthalte ***) ), und

insofern

wird wirklich der Akt der Uebergabe erst der der Errichtung und die letztere dadurch erst vollendet.

Gesetzt aber, diese Interpretation des

33. lasse sich

nicht rechtfertigen, welche allerdings den Worten Zwang anthut und auch insofern gewagt seyn möchte, als die Gesetz-

Kommission bei der Rechtfertigung ihres Vorschlages von der Identität des gerichtlich errichteten oder dem Richter über­ gebenen Aufsatzes spricht*"); so verpflichten die obigen Beden­ ken jedenfalls den Richter, den §. 33. des Anhanges, sofern

er auf solche Testamente, die zum gerichtlichen Protokolle er­

klärt sind, angewendet werden soll, strictissime zu interpretiren

und

bei Testamenten

der Art keine Ausnahme

sonst vorgeschriebenen Form zu

gestatten,

von der

die nicht auf das

Klarste in dem §. 33. erlaubt ist.

Nun

verlangen aber die §§. 66. und folg. Tit. 12.

Th. I. des Allgemeinen Landrechts und die §>§. 3. und 4.

Tit. 4. Th. II. der Allgemeinen Gerichtsordnung zur

Voll­

ständigkeit der Form solcher Testamente a) die Aufnahme eines vollständigen Protokolles über die

letztwillige Erklärung selbst; *) §. 109. Tit. 12. Th. I. de« Allgemeinen Landrecht«. **) Vergl. darüber den Bericht der Gesetz-Kommission vom 22. März 1803., im zweiten Bande.

279 b) die Versiegelung dieses Protokolles n»t

dem Genchts-

siegel, dem der Testator sein Privatsiegel bei fügen kann;

c)

die Ueberschreibung dieses versiegelten Protokolles in Ge­ genwart des Testators;

d) die Aufnahme einer besonderen Registratur über den gan­

zen Akt zu a — d.;

e)

die Annahme des versiegelten itnb überschriebenen Testa­

ments in das gerichtliche Depositum. Alle diese Erfordernisse sind auch noch jetzt durchaus noth­

wendig.

Der §. 33. des Anhanges gestattet höchstens eine

Ausnahme zu e*).

Denn nirgends bestimmt er, was das Er­

forderniß zu b. betrifft, daß die Versiegelung ganz unterbleiben

könne, und nicht wenigstens das Siegel des Testators auf das verschlossene Protokoll zu a. gedruckt werden müsse; nur die

Beifügung des Gerichtssiegels kann danach unterbleiben.

Eben

so wenig ist die Unterlassling der Erfordernisse zu c. und d. ,m

§. 33. gestattet.

Mithin kann auch

ein blos zum gerichtlichen Protokolle erklärter und ohne alle

weitere Förmlichkeiten blos offen in den Gerichtsakten auf­ bewahrter letzter Wille nicht als ein gültiges Testament be­

trachtet werden.

Hiernach bedarf es aber für den vorliegenden Fall keiner weiteren Ausführung, daß die simple gerichtliche Erklärung der

verehelichten M. zum Protokolle, in der sie

*) Darum dürfte es der Gültigkeit des Protokolles über den Widerruf nicht schaden, wenn dasselbe nicht depontrr worden ist, zumal die Deposition auch eines Testaments nicht zu dessen Errichtung gehört, indem das­ selbe schon errichtet seyn muß, ehe es deponirt werden kann. Da indessen die Borflckt gebietet, Alles zu vermeiden, was zu einem Prozesse und ei­ ner möglicherweise nachtheiligen Entscheidung führen könnte, so wird der Richter wohl thun, wenn er die Verhandlung über den Widerruf eines Te­ stament- zum Depositum abgiebt.

280 a) tbr zuerst errichtetes Testament wieder als gültig erklärte

und b) ihr späteres Testament widerrief,

in

beiden

Beziehungen

keine gesetzliche Kraft

könne.

haben

Denn ihre Erklärung kann wegen der fehlenden gefttzlichen Form

zu a. nicht als ein gültiges drittes Testament und zu b. nicht als ein gültiger Widerruf des zweiten Testaments erscheinen. Dies vorausgesetzt, ergiebt sich, daß das zweite, die Znte-

staterben berufende Testament noch als gültig anzusehen war

und daher nach dem §>. 572. Tit. 12. Th. I. des Allgemeinen Landrechts, welcher verordnet: Wird

ein

neues

Testament

und

übergeben,

dann die

im vorigen enthaltene Erbeseinseßung abgeändert, so verliert das frühere Testament seine Gültigkeit;

das erste Testament, in welchem der M. zum Erben ernannt war, seine Gültigkeit verloren hatte.

II. Für die zweite Frage: ob, falls das zweite Testament durch die gerichtliche Erklärung der verehelichten M. als gültig

widerrufen

hätte

erachtet

werden können, darum allein schon das erste Testament als

wieder in Kraft getreten anzusehen war;

giebt das Allgemeine Landrecht keine ausdrückliche Entscheidung. Der §>. 582. Tit. 12. Th. I. setzt den Fall der Zurück­

nahme des zweiten Testaments voraus.

Daß

in

diesem

Falle das erste Testament als gültig zu erachten sey, ist den vorhergehenden Bestimmungen der

572. und folg,

das Verhältniß zweier Testamente gemäß. zweites Testament verliert, nach Inhalt

über

Denn durch ein

dieser Paragraphen,

281

das erste nur insofern seine Gültigkeit, als die in diesem ent­ haltene Erbeseinsetzung abgeändert worden.

den

Fall,

wo

beide

Testamente

Der

574. giebt

zusammen

gelten.

Wenn nun das zweite Testament aus der, gerichtlichen Gewahr­ sam zuruckgenommen wird, so läßt sich der Inhalt des zwei­

ten Testaments nicht mehr mit Evidenz Nachweisen, und man kann daher nicht beurtheilen, ob sein Inhalt von der Art war,

daß das erste nicht mit demselben bestehen konnte.

ES steht

daher der Gültigkeit des ersten Testaments Nichts mehr im

Wege. Ganz anders ist der vorliegende Fall,

da das zweite Testament, welches das

erste aufhob, zwar

widerrufen, aber nicht zurückgenommen worden war. Mehr als der §. 582. a. a. O. paßt der §. 580. auf

den vorliegenden Fall.

Dieser §. stellt als Regel auf:

Außer diesem Falle — der

577. und 578., der hier

nicht eintritt — kommt das frühere Testament, welches

durch ein späteres aufgehoben worden, wenn auch dieses letztere nicht bestehen kann, dennoch nicht wieder zu

Kräften, sondern eS findet die gesetzliche Erbfolge

Statt. Allein diese Regel schließt die Ausnahme

nicht

aus,

wenn das zweite Testament deshalb nicht bestehen kann, weil es widerrufen worden ist, und der Testator zugleich bei diesem Widerrufe, in der für die Testamentifaktion erforderlichen Form, ausdrücklich erklärt hat,

daß das erste, gerichtlich deponirt gebliebene Testament

wieder in Kraft treten soll.

In

diesem Falle

lebt

das erste Testament wieder auf.

Der Widerruf ist alsdann wegen der beigefügten Erklärung:



282

-

daß das erste Testament wieder gelten sott,

als ein drittes Testament zu erachten, welches, im Ver­ hältnisse zum ersten, wie ein referens zum relatum steht. Gegen eine solche Bezugnahme läßt sich aber um so we.

Niger Etwas einwenden, da alich bei dem ersten Testamente

— dem relatum — alle Formen beobachtet sind. DaS Römische Recht stellt die nämliche Regel als der

580. auf, und geht in Absicht der hinzugefligten Ausnahme sogar noch weiter, indem eS den Beweis der Absicht, daß das erste Testament gelten sott, zuläßt und für genügend erachtet.

Ein durch ein späteres Testament rumpirtes Testament

wird durch Ruption des zweiten an sich gültig gewesenen Te­

staments, oder dadurch, daß letzteres auf andere Weise seine Rechtsbeständigkeit verliert, i» der Regel nicht wieder gültig.

Es heißt im §. 2. Inst. Quibus modis teslamenta intir-

menlur (II. 17.):

Posteriore quoque teslamento, quod jure perfeclum

est, superius rumpitur, nee inlerest, exstiterit aliquis heres ex eo, an non: hoc enim soluin spectatur, an

aliquo casu exislere potuerit. Ideoque si quis aut no-

luerit heres esse; aut vivo testatore, aut post mortem

ejus, antequam hereditatem adiret, decesserit;

aut

conditione, sub qua heres institulus est, defectus sit: in his casibus pater familias intestatus moritur.

Nam et prius testamentum non valet, ruptum

a posteriore: et posterius aeque nullas habet vires, cum ex eo nemo heres exstiterit*).

*) Bgl. L. 16. Dig. de injuslo, rupto et irrito facto testamento (XXVIII. 3.), L. 36. §. 4. de teslamento milit. (XXIX. I.)

283 Wenn jedoch der Testator das zweite Testament in der erweislichen Absicht, daß das erste gelten soll, ver­ nichtet hat, so gab der Praetor die bonorum possessio secundutn tabulas aus dem ersten Testamente. In der 1. 11. §>. 2 Big. de bonorum possessione secundum tabulas (XXXVII. 11.) wird gesagt: Teslamento facto, Titius ad rogandum se praebuit, ac postea sui Juris effectus, vita decessit. Scriptus

heres, si possessionem pelat, exceptione doli mali summovebitur: quia dando se (in) adrogandum testator cum capite fortunas quoque suas in familiam et domum alienam transferat. Plane si sui Juris ef­ fectus, codicillis, aut aliis literis eodem testamento so mori veile declaraverit: voluntas, quae defecerat, judicio recenti redisse intelligetur: non secus, ac si quis aliud testamentum fecisset, ac supremas tabulas incidisset, ul priores supremas relinquerei.

Diese Grundsätze folgen dergestalt aus der Natur der Sache, daß solche mit der oben bemerkten Modifikation auch nach der Theorie des Allgemeinen Landrechts für anwendbar erachtet werden müssen. Das erste Testament lebt nur dann wieder auf, wenn der Testator zugleich bei dem Widerrufe seinen Willen, daß das erste wieder aufleben soll, erklärt hak. Zm entgegenge­ setzten Falle tritt die Zntestaterbfolge ein. Ferner verordnet der §>. 39. des Anhanges zum Allge­ meinen Landrecht»: Finden sich nach dem Tode des Erblassers zwey gerichtlich deponirte Testamente, und ist in dem letzten das erste gänz-

lich aufgehoben, so muß das ältere binnen der Frist uneröffnet liegen bleiben, binnen welcher das später deponirte noch als nichtig angefochten werden kann.e) Daraus läßt sich unbedenklich deduziren, daß das erstere wieder zu Kräften kommen könne, wenn das letztere wegfällt. Die Willensmeinung, daß das erste, noch nicht zurückgenommene Testament bestehen solle, war nun aber im vorlie­ genden Falle durch die Erklärung der verehelichten M. in der gerichtlichen Verhandlung so fest begründet, daß sich nicht der geringste Zweifel dagegen aufstellen ließ. ES würde daher, wenn anders der Widerruf des zweiten Testaments als gültig anzusehen gewesen wäre, das erste Te­ stament allerdings wieder in Kraft getreten seyn, weil eben dies bei jenem Widerrufe die Absicht der Testatrizin gewe­ sen ist. •) Bgl. da« Reskript vom 6. Oktober 1802.

Bb. 7. S. 259.)

(Rabe'« Sammlung,

und die Materialien zum Anhänge de« Allgemeinen

Landrecht«, im zweiten Bande.

VII. Extrakt a«S den Materialien des Allgemei­ nen Landrechts zu den

150. bis 159. Tit. 16. Th. I. °)

$5Jm ersten Entwürfe zum Allgemeinen Gesetzbuche war in dem Tit. 26. des zweiten Theils, welcher von dem Ver­ luste des Eigenthums der Sachen und Rechte handelt, in den 120—131. Folgendes bestimmt: §. 120. Ist der Zahlende dem Gläubiger mit mehreren Forderungen verhaftet, so ist die Zahlung auf diejenige Schuld zu rechnen, welche er tilgen zu wollen beim Zahlen erklärt hat. §. 121. Weigert sich der Gläubiger auf diese Schuld die Zahlung anzrinehmen, so muß er vor Empfang des Gel­ des dawider protestiren. *) Bgl. bm Pienarbeschluß de« Geheimen Ober-Tribunals vom 19. Sept. 1842. (Justiz-Ministerial Bialt, Zahrg. IV. S. 380.) und die Ergänzungen und Erläuterungen zum Allgemeinen Landrechte, Th. 1. Abth. 1. S. 528. und Suppl. Bd., Abth. I. S. 608 — 610.

286 122.

Wenn

weder der Schuldner noch der Gläubiger

bei der Zahlung selbst erklärt haben, worauf solche an­

gerechnet werden soll, so treten folgende Vorschriften ein. 123.

Zn zweifelhaften Fällen wird vermuthet, daß der

Schuldner keine abschlägliche Zahlung eine fällige

Schuld

von

leisten,

gleichem Betrage

sondern

habe tilgen

wollen. 124.

Bei ermangelnder Erklärung ist die Zahlung zuerst

auf die Zinsen und alsdann auf das Kapital in Rech­ nung zu bringen. 125.

Daß der Gläubiger über den Empfang des Gel­

des auf Kapital und Zinsen quittirt, verändert hierbei nichts.

§>. 126.

Unter mehrer» Kapitalssummen wird die Zahlung

auf diejenige fällige Schuld

geleistet,

welche für den

Schuldner mit den nachthriligsten oder drückendsten Fol­

gen verbunden ist. 127.

Es wird eher vermuthet,

daß

die Zahlung auf

eigne, als auf fremde Schulden geschehen sey. 128.

§. 129.

Doch tritt auch hier die Vorschrift des §>. ein. Wenn der Empfänger für seine eigene Person Zah­

lung zu fordern hatte, aber auch für Andere Gelder ein­

zuheben berechtigt war, so wird die geschehene Zahlung im zweifelhaften Falle auf hie eigene Forderung des Em­

pfängers abgerechnet. 130.

Kann aus denen §.

angeführten Gründen keine

Schuld der andern vorgezogen werden, so muß das Ge­ zahlte auf die der verstrichenen Zahlungsfrist nach ältere

Schuld in Rechnung gebracht werden.

287 131.

Kann aus der Bestimmung des vorhergehenden §.

kein Entscheidlingsgrnnd entnommen werden,

so ist die

Zahlung auf alle Schulden verhältnißmäßig (pro rata)

abzurechnen. Snarez bemerkte hierzu in margine Folgendes:

Nach der hier angenommenen Theorie ist die Zahlung, welche jemand, der ex diversis causis debitor ist, ohne ausdrücklich etwas zu erklären, leistet, zu imputiren:

a) auf eine fällige Schuld von gleichem Betrage, §. 23. b) erst auf die Zinsen, sodann auf das Kapital, §. 24. 25.

c) unter mehrer» Kapitalssummen auf die drückendste, §. 26. d) auf die älteste, e) auf alle pro rata.

Dabei bemerke ich nur folgendes:

1) daß eine fällige Kapitalsschuld

von

gleichem Betrage

den restirenden Zinsen vorgehen soll, ist der Lehre des Römischen Rechts nicht gemäß, wonach die Imputation allemal zuerst auf die Zinsen

geschehen muß.

Dies

scheint mir auf der natürlichen Billigkeit, sowohl gegen den creditorcm, der die Zinsen eher als das Kapital

zu fordern hat, als gegen den debitorem, dessen Kre­ dit von einer richtigen Zinsenzahlting abhängt, ja selbst

intentioni praesumptae beider Theile gemäß zu seyn.

2) Was deterior causa sey, ist zwar in dem §. 26. all­

gemein

bestimmt

Beispiele erläutert.

tind

§>.

27. 28. 29.

durch

einige

Aber es bleiben doch noch immer

Zweifel übrig, was in hypothesi pro causa duriori zu achten sey; z. E. ein Kaufmann ist jemand ans einem

unzinsbaren Wechsel und aus einem Zinsen tragenden Chirographo verhaftet; it. ein Gutsbesitzer ist jemand

288 aus einer eingetragenen Hypothek ä 4 Prozent und aus

einer simplen Obligation ä 6 Prozent schuldig.

Ich

submittire daher: ob nicht in einem solchen Falle, wo es zweifelhaft ist, was causa durior sey, die Anrech­

nung nachdem Berlangen des debitoris geschehen müsse. 1) Es kommt darauf an, wie die Partheien sich vereinigen.

2) Wenn der debitor ausdrücklich auf eine gewisse Post

zahlt,

und der creditoi- nicht sogleich nach Empfang

der Zahlung contradieirt, so hat es dabei sein Bewenden.

3)

Wenn die Partheie» sich nicht vereinigen können, so ge­ schieht imputatio zuerst in usuras.

4)

Wenn nur Kapitalszahlungen zu leisten sind, so muß

die Zahlung auf diejenige Post angerechnet werden, welche

der creditor zuerst eingefordert hat. 5)

Ist keine Einforderung vorhergegangen, so ist der cre­ ditor

berechtigt,

es

auf

diejenige

Post

anzurechnen,

welche die wenigste Sicherheit für sich hat.

6)

Sind die Forderungen von gleicher Dualität und Si­ cherheit, so geschieht die Anrechnung auf diejenige, welche

die schwersten Zinsen trägt"). Im

umgearbeiteten

Entwürfe,

Th. II. Tit.

13.

Abschn. 2-, „von der Zahlung" finden sich von Suarez's Hand in den

§. 84.

84. und folg, nachstehende Bestimmungen:

Ist der Zahlende 'dem Empfänger .aus

Forderungen

verhaftet,

Uebereinkommen

mehreren

so muß hauptsächlich nach dem

der Partheien beurtheilt werden,

auf

welche der schuldigen Posten die geleistete Zahlung anzurechnen sey.

') Materialien de« Allg. «andrechl«, Bd. XXVIII, Bi. 406—407 '

289 §>. 85.

Hat

der Schuldner

ausdrücklich

die Zahlung auf

eine gewisse Post geleistet, und der Gläubiger hat solche, ohne seinen Widerspruch sogleich nach dem Empfang des

Geldes gegen den Schuldner zu äußern,

angenommen,

so kann er dieselbe hinterdrein auf eine andere Forderung nicht anrechnen. §. 86.

Hat der Gläubiger

in

der

ausgestellten Quittung

die gezahlte Summe ausdrücklich auf eine gewisse Post an­ gerechnet, und der Schuldner hat solchem nicht sogleich

nach Empfang der Quittung widersprochen, so muß er sich diese Anrechnung auch in der Folge gefallen lassen.

87.

Ist kein dergleichen ausdrückliches oder stillschweigen­

des Uebereinkommen vorhanden, so muß die geleistete Zah­

lung zuförderst auf die damals verfallene Zrnsen gerechnet werden.

§. 88.

Unter mehreren Kapitalsposten ist die Zahlung vor­

züglich

auf

diejenige zu

rechnen,

welche

der Gläubiger

zuerst eingefordert hat.

§>. 89.

Ist keine derselben oder sind alle zugleich eingefor­

dert worden, so kann der Gläubiger die gezahlte Summe ans diejenige Post anrechnen, bei welcher er, ihrer Qua­

lität nach, am wenigsten sicher ist.

§>. 90.

Sind

die Forderungen

von

gleicher Qualität,

geschieht die Anrechnung auf diejenige,

so

welche in Anse­

hung des Zinssatzes dem Schuldner'am lästigsten ist.

§. 91.

Tritt keiner von vorstehenden Bestimmungsgründen

ein, so muß

die Zahlung auf diejenige Post, welche am

längsten verfallen ist, angerechnet werden.

§. 92.

Kann auch hieraus kein Entscheidungsgrund genom19

290



men werden, so ist die Zahlung auf alle Schulden ver-

hältnißmäßig (pro rata) anzurechnen*).

Diese

Bestimmungen

gedruckten

wörtlich im

sind

Entwürfe des Allgemeinen Gesetzbuches, Th. II. Abth. 2.

Lit. 13. Abschn. 2.

83. bis 91. wiederholt.

Sie stim­

men auch in der Hauptsache, indem nur noch ein §. wegen der Kosten beigefiigt wurde, und im Uebrigen blos minder

wesentliche Abänderungen in der Wortfaffung erfolgten, mit 150. bis 159. Tit. 16. Th. I. des Allgemeinen

den

Landrechts überein, welche also lauten: §. 150.

Zst der Zahlende dem Empfänger aus

Forderungen verhaftet,

Uebereinkommen

der

mehreren

muß hauptsächlich «ach dem

so

Parteien

beurtheilt

werden,

auf

welche der schuldigen Posten die geleistete Zahlung anzu­ rechnen sey.

H.

151. Hat der Schuldner die Zahlung ausdrücklich auf eine

gewisse Post geleistet, und der Gläubiger selbige ange­ nommen,

ohne

seinen

Wiederspruch

innerhalb

der

Tit. 5. §. 91. sqq. bestimmten Fristen nach Em­

pfang des Geldes

gegen

den Zahlenden zu äußern:

so kann er diese Zahlung nachher auf eine andere

Forderung nicht anrechnen.

§>. 152.

Hat der Gläubiger die ohne weitere Bestim­

mung gezahlte Summe ausdrücklich auf eine gewisse Post

angerechnet, und der Schuldner hat solcher nicht bin­ nen obgedachten Fristen nach Empfang der Quit­

tung widersprochen: so muß er sich diese Anrechnung auch in der Folge gefallen lassen.

") Materialien. Bd. XXIX. S. 203. und 203*--

291 H. 153.

Ist kein Uebereinkommen unter den Par­

teien vorhanden: so muß die geleistete Zahlung zuvör­ derst auf die damals verfallenen Zinsen gerechnet werden.

§. 154.

Hat der Schuldner auch Kosten zu entrich­

ten: so gehen diese den Zinsen noch vor.

§. 155.

Unter mehreren Capitalsposten ist die Zahlung vor­

züglich auf diejenige zu rechnen, welche der Gläubiger zu­

erst eingefordert hat. 156.

Zst keine derselben, oder find sie alle zugleich ein­

gefordert worden:

so

kann

der

Gläubiger die gezahlte

Summe auf diejenige Post anrechnen, bey welcher ihrer

Dualität nach die wenigste Sicherheit ist.

§. 157.

Sind die Forderungen von gleicher Dualität: so

geschieht die Anrechnung auf diejenige, welche in Anse­ hung des Zinssatzes dem Schuldner die lästigste ist.

§. 158.

Tritt keiner von vorstehenden Bestimmungsgründen

ein: so muß die Zahlung auf diejenige Post, welche am längsten verfallen ist, angerechnet werden. 159. Kann auch hieraus kein Bestimmungsgrund ent­ nommen werden: so ist die Zahlung auf alle Schuld-

posten verhältnißmäßig abzurrchnen e).

*) Die gesperrt gedruckten Worte ergeben die Awbeichungen de« Allge­ meinen Landrecht« von dem Entwürfe.

VIII.

Das Gesetz vom 19, Juli 1833., betreffend die Laudemien rc. von Ruftikalstellen in Schlesien.**•) ) AAte Frage, in wie weit von laudemialpflichtigen Grundstücken in Schlesien auch bei Vererbung auf Descendenten Lau-

demialgefälle zu entrichten seyen, hat schon srüherhin zu mehr­ fachen Zweifeln und Erörterungen Veranlassung gegeben. Zuerst wurden, soviel die vorliegenden Akten ergeben, im

Zähre 1799., bei der Anlegung der Urbarien, von der HauptUrbarienkommission zu Breslau Bedenken darüber zur Sprache

gebracht.")

Vor dem Zahre 1804. hat bei den Schlesischen Landes-

Zustiz-Kollegien namentlich darüber keine Gleichförmigkeit der Ansicht stattgefunden, ob zur Begründung der Laudemialpflich-

tigkeit überhaupt, und ihrer Ausdehnung auf Fälle der Verer­ bung

des

Grundstückes

auf Descendenten

insbesondere,

der

*) Gesetzsammlung für 1832., S. 194. — Vgl. die Erg. und Erl. de« Allgemeinen Landrecht«. Th. I. Abth. 1. S. 66—67, 690. Suppl. Bd, Abth. 1

und folg.,

S. 29—38. und S. 722—724.

*•) Bericht de« Justiz-Ministerium« »om 3. Oktober 1804, in den Akten de« Archiv«, Bd. I. Bl. 28.

293 Nachweis einer

bei jedem einzelnen Grundstücke vorhandenen

Observanz gehöre,

oder es

zum Beweise der Observanz für

hinreichend zu achten sey, wenn an einem Orte mehrere Fälle

vorgekommen sind, in denen ein Laudemium entrichtet worden.

Bei dem Ober-Landesgerichte zu Breslau war eS hin und

wieder für hinreichend erachtet worden,

wenn nur am Orte

seblst eine allgemeine Observanz stattgesunden hatte, woraus denn zu folgern ist, daß es auch Fälle gegeben habe, in wel­

chen daS Ober-LandeSgericht eine solche Observanz nicht für hin­

reichend gehalten hat. Zn einem Berichte vom 8. März 1802. trug die vorma­

lige Ober-Amts-Regierung zu Glogau, nachdem sie sich gegen

die Meinung, daß die Forderung eines Laudemiums von De­

scendenten

einem Verbotsgesetze zuwider laufe,

erklärt

hatte,

darauf an, den Beweis einer Lokal-Observanz nachzulaffen,

und

diese Lokal-Observanz

nahm sie

wenn dargethan worden, daß

dann für erwiesen an,

die Erhebung

des Laudemiums

an dem Orte von jeher und zwar öffentlich geschehen sey.

Das

jetzige Ober-Landesgericht zu Glogau erinnerte sich, zufolge sei­

nes Berichts

vom

12. Zuli 1824., keiner vor dem Zahre

1804. vorgekommenen speziellen Fälle,

in welchen in Betreff

des Beweises der Observanz ein Grundsatz ausgesprochen wor­

den, glaubte aber, daß das Kollegium damals der Meinung Stielow's, eines wegen seiner genauen Kenntniß des Schle­ sischen ProvinzialrechtS sehr geachteten -und oft als Autorität

angeführten richterlichen Beamten, gefolgt sey, welcher die Lo­ kal-Observanz als entscheidend anmmmt.

Das Ober-Landesgericht zu Ratibor hatte früher auf den

Grund der Meinung einiger Rechtslehrer, später in Gemäßheit des §. 719. Tit. 18. Th. I. des Allgemeinen Landrechts die

294 Lokal-Observanz verworfen

und den Neweis

daß

erfordert,

daS Recht bei den einzelnen Grundstücken hergebracht sey.

Das

Geheime

Ober-Tribunal

hatte

dagegen

im

Jahre 1759. auf die Lokal-Observanz erkannt. Der Staats-Minister Graf von Hoym äußerte sich in

einem Schreiben an das Justiz-Departement vom 18. April 1802. folgendermaaßen: Ausdrückliche Verträge, Kaufbriefe rc. oder bewiesene Obser­ vanz machen auch Descendenten laudemialpflichtig;

den Be­

weis davon muß zwar die Herrschaft übernehmen, ich glaube

aber, daß eS zu hart seyn und zu viel Prozesse veranlassen würde, wenn man den Beweis bei jedem einzelnen für laudemial von der Herrschaft ausgegebenen Gute erfordern wollte.

Ist einmal in einem Dorfe diese Laudemialpflicht bei einem Gute konstatirt worden, so kann man sie bei andern ähnli­

chen Gütern in demselben Dorfe vermuthen, doch mit Vor­ behalt des Beweises der Ausnahme. Vor dem Jahre 1804. war die Frage also bei den Ge­

richten zweifelhaft und streitig geblieben; es hatten sich jedoch mehr Stimmen

für

die Zulässigkeit einer Lokal-Observanz,

als dagegen erklärt, und auf Seiten der ersteren befand sich

der höchste Gerichtshof.

Erst das Gutachten der Gesetz-Kommission vom 6. Ja­ nuar 1804. bestimmte sämmtliche Gerichte, den Beweis der Lokal-Observanz für nicht genügend zu erklären, und bei dieser Ansicht ist man auch nach dem Erscheinen der Kabinetsorder vom

8.

November 1804.°)

verblieben,

weil angenommen

ward,

daß hierin die streitige Frage nicht entschieden worden sey.

*) Rabe's Sawwlung, Bd. 8. S. 214. und folg.

295 Zm Jahre 1824. wurde darüber Beschwerde erhoben: 1., daß die Schlesischen Gerichte für den Beweis der Laudemialverpflichtung von Seiten der Descendenten bei Verer­ bungen, sofern er durch Observant geführt werden solle, den Nachweis der Orts-Observanz nicht für genügend er­ achteten, sondern ihn speziell für jedes einzelne Grundstück (Kundal-Observanz) forderten, und 2., dabei die Regeln der Verjährung, welche nach dem §. 649. Tit. 9. Th. I. des Allgemeinen Landrechts bei dergleichen nicht alljährlich auSzuübenden Rechten drei Fälle und einen 40jährigen Zeitraum voraussetzten, zum Grunde legten. Zn Folge dieser Beschwerde wurden nähere faktische Er­ mittelungen und demnächst legislative Berathungen veranlaßt, aus welchen das Gesetz vom 19. Zuli 1832. hervorgegangen ist. Zn dem Eingänge desselben") ist auf das Gutachten der Gesetz-Kommission vom 6. Januar, auf die KabinetSorder vom 8. November und auf die Reskripte vom 28. Zanuar und 17. November 1804., worin zuerst über die Erfordernisse deS hier in Frage stehenden Beweises eine, die späteren Zwei­ fel anregende Entscheidung erfolgte, ausdrücklich Bezug genom­ men worden. *) Es heißt Iw Eingänge des Gesetzes: Da Zweifel entstanden sind über die Erfordernisse des Beweises, daß auch Erben In absteigender Linie zur Entrichtung von Laudemien oder andern »bey Vererbung von Rustikal­ stellen in Schlesien üblichen Abgaben verpflichtet sind; so verordnen Wir mit Beziehung auf das Gutachten Unserer Gesetzkommission vom 6. Za­ nuar 1804. und Unsere Ordre vom 8. November 1804., deren Inhalt durch die Reskripte Unseres Zustizministerium« vom 28. Zanuar und 17. November 1804. zur öffentlichen Kenntniß gebracht worden, nach dem An­ träge Unseres Staatsministeriuws und nach erfordertem Gutachten Unseres Staatsralhs ic.

296 Außer den Laudemien kommen nämlich noch viele andere Arten von Abgaben bei Vererbungen und Veräußerungen von

Grundstücken in Schlesien vor,

von welchen einige unstreitig

nur Gcrjchtsgebühren sind, andere aber entweder von Anfang an den Karakter von Domanialgefäüen gehabt, oder ihn doch an manchen Orten späterhin

angenommen

haben.

Zn

wie

weit die Bestimmungen des erwähnten Gutachtens der GesetzKommission, welches die Ausdrücke Laudemium, Markgroschen und Verreichsgelder promiscue gebraucht,

und des Reskripts

vom 17., November 1804., welches nur der Laudemien erwähnt,

auf die, mit diesen verschiedenen Namen bezeichneten Gefälle in Schlesien bezogen worden sind,

stand bei dem Erlasse des

Gesetzes vom 19. Zuli 1832. zwar nicht fest; eben so wenig aber, daß über die Auslegung, welche jenen Bestimmungen in dieser Beziehung zu geben ist, ein Zweifel bei den Schlesischen

Gerichtshöfen oder sonst geherrscht habe.

Um bei der Anwen­

dung des gedachten Gesetzes einen solchen Zweifel nicht anzu­

regen, war daher die Bezugnahme auf die früheren Entschei­ dungen nothwendig, damit dadurch ausgedrückt würde, daß je­

nes sich auf dieselben Arten von Gefällen beziehen solle, auf welche diese angewendet worden.

Diese Bezugnahme beugt gleichzeitig jedem möglichen Miß­

verständnisse über das im Eingänge gebrauchte Wort „Ru­

stikalstelle" und dem Zweifel vor, ob darunterauch Mühlen

auf dem platten Lande, — auf welche das Gutachten der Ge­ setz-Kommission stets bezogen worden ist — begriffen werden

sollen, indem sich auch

dieser Ausdruck, abwechselnd mit dem

„bäuerliches Grundstück", in diesem Gutachten gebraucht

findet.

Der H. 1.*) des Gesetzes spricht einmal den Grundsatz aus, daß der Beweis der Lbservan; für jedes einzelne Grund­ stück besonders geführt werden müsse. Das Wort „FundalObservanz" ist als ein technischer und überdies übel gewählter Ausdruck nicht ausgenommen. Das Gutachten der Gesetz »Kommission drückte schon die Meinung auS: daß die Observanz in jedem einzelnen Falle von dem Be­ rechtigten erwiesen werden müsse, indem, wenn auch Ein­ wohner derselben Klasse die Abgabe entrichtet hätten, doch daraus dem in Anspruch genommenen nicht präjudizirt wer­ den könne. Hierin liegt die Bestimmung, daß der gegen den einen Einwohner des OrtS geführte Beweis gegen den anderen nicht ausreichen solle. Es ist aber dadlirch nicht gesagt, daß die OrtS-Observanz von gar keinem Gewicht seyn solle und der Richter sie auch nicht zur Würdigung der Kraft des sonst ge­ führten, und namentlich bei Ergänzung eines unvollständigen Beweises, z. B. bei der Frage, wem von beiden Theilen ein nothwendiger Eid aufzulegen sey, berücksichtigen dürfe. Sodann nimmt der §. 1. die beiden, dem streitigen Falle zunächst vorangegangenen Fälle, in denen von Descen­ denten Laudemien re. entrichtet worden, zur Norm für die fer­ nere Entrichtung derselben an, nicht allein, weil solches hin•) §. 1. Zur Begründung des gutsherrljchen Rechts, Laudemien oder andere bey der Vererbung von Rustikalstellen in Schlesien übliche Abgaben von Erben in absteigender Linie fordern zn dürfen, soll in Ermangelung eines beson­ deren Rechtstiiels der Beweis genügen, daß bey der Besitzung, von welcher die Abgabe gefordert wird, diese Abgabe von Descendenten in den beiden Fällen entrichtet worden ist, welche dem nun streitigen Falle zunächst vor­ angegangen sind.

298

reichend ist, um eine rechtliche Präsumtion für die Laudemialpflichtigkeit re. der Descendenten zu begründen, sondern auch, weil dadurch das Gesetz selbst und dessen Anwendung verein­

facht und erleichtert wurde. Darüber war man von Anfang an einverstanden, daß die Grundsätze der Verjährung dem in Frage stehenden Beweise

nicht zum Grunde gelegt werden könnten. Zn Betreff der Zahl der Entrichtungsfälle, welche zum Beweise der Verpflichtung zur Entrichtung von Laudemien ir.

bei Vererbungen auf Descendenten erforderlich seyn sollten, hat­

ten sich dagegen einige Stimmen dafür erklärt, daß ein Entrich­ tungsfall zu diesem Beweise für genügend zu erachten seyn möchte.

Diese Beschränkung des Beweises auf einen Entrichtungs­ fall wollte man durch folgende Ausführung zu begründen suchen:

„Observanz und Gewohnheitsrecht sind zwei nahe verwandte Worte, die häufig genug promiscue gebraucht werden. Wenn die Zuristen beide unterscheiden, so verstehen sie unter dem letz­

teren etwas seinem Umfange und seiner Anwendung nach Aus­

gedehnteres, unter der Observanz etwas Beschränkteres. Zn diesem beschränkteren Sinne spricht man von einer Observanz in einer Fa­

milie, einem Kollegium, einer Gemeinde, aber auch zwischen

einzelnen Personen, welche sich in einem bleibenden Verhält­ nisse zu einander befinden, wie Klinger***) ) darüber aus einer

Bairischen Verordnung, gerade in Beziehung auf die Laudemien, ein Beispiel anführt Die Mehrzahl der Rechtslehrer begründet die Rechtsver­

bindlichkeit des Gewohnheitsrechts auf der stillschweigenden Ge*) Sammlung zum Deutschen Bauernrechte, Th. IV. S. 70. **) Vgl. Hoffacker, principia Juris civilis Rom. germanici., §. 127., Eichhorn, Deutsches Privatrecht, 2. Ausgabe, H. 25.

299

Nthmigung des Gesetzgebers, die der Observanten in dieser engeren Bedelitnng auf einem stillschweigenden Verlrage.") Nach der, wie es scheint, richtigeren Ansicht ist beides ein Ausfluß der alich den Privatpersonen zustehenden Autonomie, welche, je nachdem die Macht, auf welche sie sich gründet, auSgedehtltcr oder beschränkter ist, einen weiteren oder engere» Wirkungskreis hat, und sich bald dem einer allgemein (für ei­ nen Bezirk, eine Klaffe von Personen) gültigen Norm eines Gesetzes (Provinzial-Gesetzes-Statut) nähert, bald nur, wie ein Vertrag für die einzelnen Kontrahenten, ihre Erben oder die, welche in das kontraktlich bestimmte Verhältniß sonst eintreten, bindend ist."") Wie man aber die Sache auch nehmen will, so ist so viel klar, daß ein Gewohnheitsrecht oder eine Observanz im weiteren Sinne des WortS, welche für eine ganze Gegend, oder auch nur für einen ganzen Ort, also auch für diejenigen, welche sich erst später dort niederlaffen, bindend seyn soll, einer gewissen Publizität bedarf, nicht nur, damit diejenigen, welche sie beobachten sollen, die Möglichkeit haben, von ihrer Existenz Kenntniß zu erhalten, sondern hauptsächlich, weil nur auS dieser Publizität auf die stillschweigende Annahme und Unter­ werfung unter sie geschloffen werden kann, welche das Funda­ ment ihrer Rechtsverbindlichkeit bildet; ferner, daß da, wo sie nur für eine gewisse Klasse von Personen Rechtsgültigkeit ha­ ben soll, eS genügt, wenn diese Publizität nur bei dieser Klaffe vorauSznsetzen ist; und daß, wenn sie sich nur ans einzelne *)

Bgt. Glück, Erläuterung der Pandekten, Bd. I. S. 448, Danz,

Handbuch de« Deutschen Prldatrecht«, Bd. I., S. 201., Thibaut, Sy­ stem de« Pandektenrecht«, Th. I. §. 16.

**

) Bgt. Eichhorn, a. a. £>.

300 Rechtsverhältnisse oder einzelne Personen bezieht, das Erforder»

niß einer solchen Publizität ganz wegfällt, wenn nur konstirt, daß die Betheiligten davon Kenntniß gehabt haben, oder ge­

habt haben sollten.

Dieses Verhältniß ist für die Art des

zu führenden Beweises der Observanz von der größten Erheb­ lichkeit.

Zum Beweise einer allLemrinen Observanz nämlich wird der dlachweis

len,

ihrer

Beobachtung

schwerlich genügen.

in

ein

oder

zwei Fäl­

Ja, eS können nach Umständen

drei und mehr Fälle dazu nicht ausreichend seyn, wenn die

Rechtsgültigkeit der Observanz für einen großen Bezirk be­

hauptet wird.

Die Rechtslchrcr haben die Frage über die

Zahl der Fälle daher mit Recht dem arbitrio judicis überlas­ sen.

Dagegen ist zum Beweise derselben nicht erforderlich, daß

die nachgewiesenen Fälle sich auf die gerade im Streite befan­ genen Personen oder Sachen bezogen haben.

Ein solcher Be­

weis würde im Gegentheil den, der behaupteten Allgemeinheit

der Observanz schwächen, und für andere Fälle daher minder

kräftig seyn.

Für eine behauptete Spezial-Observanz umge­

kehrt, kommt Alles daraus an, daß die nachgewiesenen That­

sachen sich auf die speziellen Personen, welche im Streite be­

fangen sind, oder auf solche beziehen, welche durch sie haben gebunden werden können.

Der Beweis der Publizität fällt

dagegen fort, und es genügt vollkommen, wennauch nur ein Fall erwiesen wird, vorausgesetzt, daß er so beschaffen ist, daß

sich daraus der Konsens der Kontrahirenden in die neu einge­

führte Bestimmung oder das Anerkenniniß des schon früher

bestandenen Rechtsverhältnisses entnehmen läßt.

Es erfordern

daher auch alle genannte Rechtslehrer für die Observanz im



301



engeren Sinne des Wortes nur den Nachweis eines Falles

der Beobachtung.") Hiernach unterscheidet sich die Feststellung eines Rechts durch Obftrvanj sehr wesentlich von der durch Verjährung, in­ dem die letztere eines solchen durch Handlungen ausgedrückten stillschweigenden Konsenses nicht bedarf. Die Rechtslehrer distinguiren daher auch sehr scharf zwischen beiden, und Thi­ baut sagt ausdrücklich (§. 19. a. a O.): Eine legale Gewohnheit erfordert nicht den Ablauf einer

langen, bestimmten oder unbestimmten Zeit, am wenigsten

der Verjährungszeit. ES kann aber allerdings, wie er weiter richtig bemerkt: der Beweis der Verjährung den der Observanz sehr unter­ stützen, oder ihn nach Umständen auch wohl ersetzen. Bei der Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze auf den vorliegenden Fall erscheint es als ein Mangel, daß beider Abfassung des Gutachtens der Gesetz-Kommission auf die Ver­ schiedenartigkeit der, möglicher Weise unter seine Bestimmun­ gen zu subsumirenden einzelnen Abgaben nicht unterschieden worden ist, und daß auch gegenwärtig keine genügendere Ma­ terialien vorliegen, um daS Spezielle derselben genau in'S Auge fassen zu können. Indessen ergeben sich doch, auch wie die

’) Hoffacker, principia juris civilis Rom. germanici, §. 127. quae (observantia) ideo imperantis consenSu non eget nec temporis lapsu, imo nec actuum pluralitatecum unus quoque xsufficere possit. • Pütter, instituliones juris publici germanici, §. 45.: nec ceterum plures praecise actus ad observantiam necessarii sunt, sed vel unicum factum sufficit, modo sua natura ita comparatum sit, ut consensus in futurum inde appareat, in gleicher Art äußern sich Glück, Danz und Thibaut.

302 Sache jetzt liegt, einige Umstände, welche das in Frage stehende

Verhältniß sehr bestimmt karakterisiren, die daher das Urtheil dari'lber zu leiten wohl geeignet sind.

Erstens steht es nämlich schon durch das frühere Konklusum fest, daß der Beweis der OrtS-Observanz für den einzel­

nen Fall nicht genügen,' und der Berechtigte den Beweis der

speziellen

Observanz

führen

zu

Grundstück

für

das

einzelne

verpflichtet

seyn

befangene

Streit

in

soll.

Hieraus folgt

schon im Allgemeinen, daß, da es sich nur um spezielle Ver­

bestimmten

zwischen

hältnisse

Grundstücken,

den

Servituten

ähnlich, handelt, es auf den Beweis der Publizität der Ob­ servanz nicht ankommen kann, daß es daher eines Nachweises

mehrerer

Fälle,

um

diese

dokumentiren,

zu

nicht

bedarf.

Zweitens stellt sich die Frage, auf welche es hier an­ kommt,

dahin,

in wie weit anzunehmen ist,

laudemialpflichtigen Grundstücke der Vererbung

daß von einem

die Laudemien auch

auf Defeendenten

zu

entrichten

Laudemialpflichtigkeit an sich muß daher,

brache kommen kann, feststehen.

Zn

im Fall

seyen.

Die

ehe diese Frage zur

den

mehrsten Fällen

toeri'ji Lehnbriefe, Kaufbriefe oder Urbarien, kurz schriftliche Kontrakte oder Anerkenntnisse vorhanden seyn, in welchen die

Laudemialpflichtigkeit im Allgemeinen stipulirt ist, in den an­ deren, wenn

auf

sonst

dergleichen wirklich

rechtsbeständige

Weise

vorkommen sollten, wird sie nachgewiefen

seyn

müssen.

Von dieser allgemeinen Verpflichtung ist die Freiheit der

Descendenten eine Ausnahme, häufig vorkommt,

mentlich

in

die zwar in Deutschland sehr

die aber in nicht seltenen Fällen und na­

Schlesien

oft stattfindet.

Für

einzelne

Grund­

stücke oder Orte ist hierüber ausdrücklich etwas bestimmt.

Wo

hierüber die vorhandenen Lehn-, Kauf-, Hof-Briefe oder Ur-

— 303 — barten nichts ergeben, ist, da' diese, jedenfalls einer Erledigung bedürfende Frage ihre Entscheidung nicht in der Natur des Rechtsverhältnisses selbst findet, sondern nach dem Willen der Kontrahenten eine verschiedene Beantwortling erleiden kann, offenbar ein Mangel in den vorhandenen Bestim« mutigen, dessen Ergänzung zur Vervollständigung dieser Be­ dingungen des bestehenden Rechtsverhältnisses nothwendig er­ folgen muß. Insofern diese durch Observanz erfolgt, ist dieselbe daher nur eine Observantia interpretativa, und von einer solchen sagen mehrere Rechtslehrer*) ausdrücklich, daß ein einzelner Actus zu ihrem Nachweise genügt. Drittens der Akt selbst, aus welchem die Observanz hergeleitet werden soll, nämlich die Entrichtung des LaudemiumS bei dem Uebergange des Guts auf einen Descendenten, ist ferner von der Art, daß er, wenn nicht besondere Umstände dabei vorwalten, einer Mißdeutung über die Absicht des Zahlenden nicht wohl unterliegen kann." AuS diesen Gründen waren einige Stimmen dafür, daß für die vorliegende Frage der Regel nach ein Entrichtungsfall zum Beweise als genügend anzusehen wäre. Es konnte dabei zwar nicht in Abrede gestellt werden, daß mancherlei Zufällig­ keiten oder besondere Umstände, welche bei diesem einen Falle etwa eingetreten find, seine beweisende Kraff schwächen könnten. Man glaubte aber nicht besorgen zu dürfen, daß dies zu Rechtsverletzungen im Einzelnen Veranlassung geben werde. Denn da es sich hierbei von dem letzten Entrichtungsfalle, dessen nähere Verhältnisse noch nicht durch den Zeitverlauf verdunkelt seyen, handeln würde, so werde eS den Partheien nicht entgehen, wenn bei demselben Umstände eingetreten wä*) Bgl. ©trüben, rechtliche Bedenken, Th.I. S. 168. und Tb.IIl. S.LS.

304 ren,

welche

würden

seine Beweiskraft

schwächten;

die Verpflichteten

denselben nicht für beweisend gegen sich anerkennen,

und wenn nicht der nächst vorhergehende Fall ebenfalls gegen

sie spräche,

oder nicht sonst eine gütliche Einigung eintrete,

die Sache dennoch zur richterlichen Entscheidung bringen.

Der

Richter aber werde sich der besonderen Prüfung der beweisenden

Kraft der einzelnen Fälle unter keinen Umständen entziehen kön­ nen und werde bei Mängeln des letzten Falles auf den zunächst

vorhergehenden ebenfalls zurückgehen muffen. Zn allen zweifel­ haften Sachen würden daher auch nach dieser Ansicht zwei Fälle

den Ausschlag gegeben haben.

Indessen gewann die Ansicht die Oberhand,

daß über­

haupt zwei Fälle erforderlich seyen, und zwar in Folge nach­

stehender Betrachtung: *) „Die ganze Sache scheint von jeher unter dem nicht glück­ lich gewählten Ausdrucke der Fundal-Observanz sehr ge­

litten zu haben, indem durch denselben alle schwankenden Be­

griffe, die von jeher die Juristen mit dem Worte: „Observanz" in Verbindung gesetzt

haben,

hereingezogen worden sind.

in

die vorliegende Frage mit

Zn der Sache selbst hat man bisher

zwei ganz verschiedene Rechtsbegriffe als Grundlage des für die Verpflichtung der Descendenten erforderlichen Beweises zu be­

handeln versucht, Gewohnheitsrecht und Verjährung. Beide sollen einzeln geprüft werden.

1. Das Gewohnheitsrecht haben von jeher diejenigen im Sinm gehabt, welche die OrtS-Observanz für hinreichend hielten.

Dabei scheint es vor Allem inkonsequent, daß man

gerade die OrtSgewohnheit für nothwendig,

und nicht schon

•) Vgl. von Savtgny, System, Bd. L §. 12. S. 34. und folg.

305 die eines ganzen Distrikts, eines ganzen Fürstenchums, oder Es läßt sich aber

des ganzen Schlesiens für hinreichend hielt.

ein Grund angeben, warum weder die eine, noch die andere Art der Gewohnheit hier anwendbar ist.

Es giebt in den

Verträgen viele Gegenstände, worin allgemeine Regeln, durch Gesetze oder Gewohnheiten aufgestellt, nicht nur möglich, son­

dern auch zweckmäßig und wohlthätig sind, so z. B. die Kün­ digungsfristen bei Mieths- und Pachtverträgen u. s. w.

Da­

gegen giebt es andere, die so sehr von individuellen Umstän­

den und Bedürfnissen abhängen, daß sich etwas Allgemeines

darüber nicht wohl festsetzen läßt, sondern Alles der Willkühr

im einzelnen Falle überlassen bleiben muß.

Dahin gehört be­

sonders die Höhe des Mieths- oder Pachtgeldes, so wie bei

erblicher Verleihung die Höhe des Kanons und anderer Prä­ stationen.

Unter diese letzte Klaffe von Bestimmungen gehört,

wie es scheint, die hier vorliegende Frage.

Denn wenn man

nach bekannten Regeln der Wahrscheinlichkeit das Laudemium

in

eine

jährliche Rente,

als

Aequivalent,

verwandelt,

so

wird diese Rente für eine Rustikalstelle, von welcher auch die Descendenten das Laudemium zahlen, vielleicht 40. Thlr. be­

tragen ,

während sie bei derselben Stelle,

wenn die Descen­

denten frei wären, nur 20. Thlr. betragen würde.

Die Lau-

demialpflicht der Descendenten ist also, wenn man auf das

Wesen der Sache sieht, nur eine Erhöhung des Kanons, und darum scheint sie eben so wenig ein paffender Gegenstand des

Gewohnheitsrechts zu seyn, wie die Höhe des Kanons über­

haupt.

Wenn

also in einem Orte oder eiirtr Gegend sehr

häufig die Descendenten Laudemien zahlen, so läßt sich daraus auf die Verpflichtung bei irgend einer einzelnen Stelle dieses

OrtS kein Schluß ziehen.

Aus diesem Grunde scheint die Ge-

20

306 setz-Kommission mit Recht angenommen zu haben,

daß die

Orts-Observanz, d. h. das Gewohnheitsrecht, über die Frage nicht entscheiden könne.

2. Verjährung. Verjährung

unter

Daß

den

Bedingungen

der

das Recht gegen Descendenten erworben werdm

ES fragt sich nur, ob diese schwer

könne, ist unbestritten.

zu beweisenden Bedingungen durchaus vorhanden seyn müssen,

oder ob auch schon leichtere hinreichcn, und dies letztere scheint

allerdings angenommen werden j» müssen.

Als eigentlicher Grund der Verpflichtung der Descenden­ ten,

folglich als Gegenstand

des

Beweises,

ist nämlich der

stillschweigende Vertrag, welcher durch konkludente Hand­ lungen

zwischen dem Gutsherrn und

scendenten geschlossen werden kann,

den

suecedirenden De­

und welcher darum auch

für alle künftige Nachfolger bindend ist, zu betrachten.

Der

Grund der Verpflichtung der Descendenten ist also hier derselbe,

wie

wenn

schon

das

Römische

Recht

annimmt,

daß

eine

Schuld auch ohne ausdrücklichen Vertrag zinsbar gemacht, oder daß der ausdrücklich

bedungene

Zinsfuß

durch

gleichförmige

Bezahlung geringerer Prozente herabgesetzt werden kann.

L. 6. L. 15. pr. D. de usuris, L. 5. L. 8. Cod. eod. Ohne Zweifel ist es auch dieser stillschweigende Vertrag, den

man sich von jeher, wenn auch nicht immer ganz deutlich, un­ ter der Fundal-Observanz

gedacht

weis dieses Vertrags leichter

hat.

Daß nun der Be­

zu führen ist, als

der Beweis

der Verjährung, ist unverkennbar.

Versucht man, von diesem Grundsatz ausgehend, eine ge­ nauere Bestimmung dieses

zu fi'ihrenden Beweises,

so

kann

eS, der allgemeinen Theorie nach, keinem Bedenken unterwor-

307 ftn seyn, daß hierin eigentlich Alles dem richterlichen Ermessen

überlassen bleiben müsse, indem oft ein einziger Fall zur An­

nahme eines wahren Vertrags hinreichen wird, oft aber bei

zwei oder drei Fällen noch Zweifel übrig bleiben werden. lein hier überwiegt ein dringendes.praktisches strenge Durchführung

Bedürfniß

Al­

die

Denn eS kommt

der reinen Theorie.

hier Alles darauf an, durch Aufstellung leicht faßlicher, mög­

lichst materieller Kriterien die Prozesse nicht nur abzukürzen, son­ dern sie, wo möglich, überhaupt zu verhüten.

ES ist dabei

besonders zu beachten, daß das zu erlassende Gesetz nicht blos

dem Richter als Norm dienen soll, sondern auch den Par-

theien, die sich,

wenn der Beweis

Weise allsgedrückt wird,

oft

ohne

auf

eine

Richter

leicht

faßliche

auseinandersetzen

werden.

Diesem Zwecke scheint das Erfordern von zwei Entrich­

tungsfällen als Bedingung des Beweises zu entsprechen.

Wollte

man diesem Anträge den Vorwurf der Willkühr machen, in­ dem eben so gut ein Fall oder drei Fälle, als zwei gefor­ dert werden könnten, so ist

darauf zu antworten, daß zwei

Fälle nöthig, aber auch hinreichend sind, um den bloßen, so

sehr

häufig

einwirkenden

Zufälligkeiteir des

ihren Einfluß zu benehmen.

hat also denselben allgemeinen, auch in der Prozeßordnung

einzelnen

Falles

Die Forderung der zwei Fälle

zu

sehr richtigen Grund, weshalb

einem vollständigen Beweise

zwei Zeugen erfordert werden." Demgemäß erfordert der §. 1. des Gesetzes zwei Ent­ richtungsfälle, wobei es sich von selbst versteht, daß, wenn in

beidm Fällen die Laudemien nach gleichen Sätzen entrichtet worden, auch darüber, in Ermangelung anderweiter RechtS-

titel, die Observanz entscheiden muß.

— Hierüber

Etwas

nicht nothwendig.

308



ausdrücklich

auszusprechen,

war

daher

Dagegen hielt man aber die Bestimmung

für erforderlich, welche der

2. *) des Gesetzes giebt:

daß, wenn die Laudemien und die übrigen hierher gehöri­ gen Abgaben in den beiden

Fällen

nach

verschiedenen

Sätzen entrichtet sind, der niedrigste Satz zur Norm anzu­ nehmen sey, dem Berechtigten jedoch freistehe, die Verpflich­ tung des Rustikal-Besitzers zu einem höheren Satze wider

denselben rechtlich auszuführen.

Endlich enthält der §. 3. die Anordnung, daß das Ge­

setz in allen

noch nicht

rechtskräftig

entschiedenen Fällen An­

wendung finden soll, was der Analogie des §. 15. der Ein­

leitung zum Allgemeinen Landrechte entspricht.

•) §. 2. Ist die Abgabe In den beiden erwähnten Fällen nach verschiedenen Sätzen entrichtet worden, so wird der niedrigste Satz zur vorläufigen Norm angenommen, dem Berechtigten jedoch vorbehalten, die Berpflichtung des Besttzer« der Rustikalstelle zu einem höheren Satz wider denselben im Pro­ zesse auszuführen.

IX Die Uebernahme von Pfand- und Hypo­ thekenschulden *). Aie Frage: ob der dritte Besitzer eines Grundstücks durch

die

Ueber­

nahme der auf dasselbe eingetragenen Pfand- und Hypothe­ kenschulden den Gläubigern persönlich verhaftet werde,

ist früher sowohl von den. Gerichtshöfen, als von den RechtSlehrern verschieden beantwortet worden. Für die Verneinung dieser Frage hat man angeführt:

ES ist ein allgemeines Rechtsprinzip,

daß ein Vertrag

nur unter den Kontrahenten ein Obligationsverhältniß begrün­

det, und eS darf als ausgemachte Rechtsansicht betrachtet wer­

den, daß

die Uebernahme einer Hypothekenschuld in pariern

pretii nach ihrem eigentlichen Wesen und Zwecke in der That

nichts

weiter ist, als

die ausdrückliche Anerkennung

des UebergangeS der mit dem Grundstücke verbun-

°) Bergt, die Ergänzungen und Erläuterungen de« Allgemeinen Landrecht«, Th. I. Abth. 1. S. 730—736. und Suppt. Bd., Ablh 1. S. 756—762., die Entscheidungen de« Geheimen Ober-Tribu­ nal«, Bd. 7. S. 298., die Juristische Wochenschrift, Jahrg. 8. S. 481. folg., und oben S. 103—104., 108—109.

310 denen

durch

Schulden

zu

dieser Uebergang

deren Anrechnung, ohne daß da­

eine Novation erführe.

Die Gesetz-

stellen, welche dieses Rechtsprinzip und diese Rechtsansicht recht­

fertigen, sind folgende: 1) Die nen Landrechts.

53. und 54. Th. I. Tit. 20. des Allgemei­ Sie verordnen wörtlich:

Die Pflicht, dem Gläubiger zu gestatten, daß er seine Be­ friedigung sofort aus der verpfändeten Sache nehme, geht zwar der Regel nach auf jeden Eigenthümer derselben über;

Weiter aber, als die verpfändete Sache reicht, ist ein solcher

dritter Eigenthümer dem Gläubiger, etwa

welchem er sich nicht

noch außerdem persönlich verpflichtet hat,

zu haften

nicht schuldig.

Es muß also außer der Uebernahme der eingetragenen Schulden noch eine besondere persönliche Verpflichtung gegen

den Kreditor hinzukommen. 2) Den sprechendsten Beweis, daß in der Uebernahme der

auf das Grundstück

eingetragenen Schulden

eine

persönliche

Verpflichtung des Erwerbers gegen den Gläubiger nicht enthal­ ten ist, liefert, sowohl in Betreff des Kapitals als der Zinsen,

der §. 392. Tit. 50. der Prozeßordnung, woselbst bestimmt ist, daß Hypothekengläubiger, welche im Konkurse einen Aus­

fall in der dritten Klaffe erleiden,

sofern ihre hypothekarischen Rt., der Gläubiger nicht eher ein persönliches

Klagerecht gegen den Käufer, als bis er mit ausdrücklichem

312 Konsense der Partheien dem Vertrage schriftlich beigetreten ist,

womit auch die Vorschriften in den

und

646.

Tit.

12. a. a. O.,

308. und 309. Tit. 5. so

wie die der letzter»

Stelle zum Gnmde liegende Entscheidung der Gesetz-Kommis­

sion vom 2. August 1782") völlig übereinstimmen. D»e hiergegen für die persönliche Verpflichtung des drit­

ten Besitzers angeführten Gründe stellen sich als unhaltbar dar,

wie die nachstehende Erörterung derselben ergiebt: 1) Zn dem Kaufkontrakte, in welchem der Käufer einge­

tragene Schulden in pariern pretii übernimmt, soll eine Assig­ nation Seitens des ursprünglich verpflichteten Verkäufers an

den Kreditor, und eine Annahme dieser Assignation Seitens des Käufers liegen, durch welche letztere der Käufer zufolge

des Allgemeinen Landrechts Th. 1. Tit. 16. §. 259. in eine

persönliche Verpflichtung zu dem Gläubiger"trete.

Allein eine

Assignation setzt einen Vertrag zwischen dem Assignanten und dem Assignatarius (hier dem Käufer und dem Kreditor) vor­

aus; sie besteht nach §. 251. a. a. O. in dem Auftrage, den

Zemand einem Andern macht, von einem Dritten Etwas zu er­ heben.

Ein

solcher Auftrag ist in vorliegendem Falle nicht

geschehen, denn der Kreditor, dem der Auftrag gemacht werden

soll, konkurrirt bei dem Vertrage gar nicht; ein Vertrag zwi­ schen ihm und dem Verkäufer ist also auch nicht vorhanden. Zn der Uebernahme der Hypothekenschulden Seitens, des Käu­

fers ist überdies sogar ein Auftrag des Verkäufers, Etwas zu

erheben,

gar nicht enthalten,

Etwas zu zahlen.

sondern lediglich

der Auftrag,

Der Begriff der Assignation paßt mit­

hin auf das ganze Geschäft nicht.

°) Klei»'« Annalen, Bd, I. S. 46.

313 2) Eben so wenig liegt darin,

wie Andere annehmen,

eine Delegation oder Exprolnission.

Die Delegation ist

ein Vertrag des ursprünglichen Schuldners mit dem Gläubiger,

in welchem der erstere statt seiner einen neuen Schuldner substituirt; die Expromisston ist ein Vertrag des Gläubigers mit einem Dritten, in welchem der Gläubiger den Letzteren statt

des ursprünglichen Schuldners zu seinem Schuldner annimmt. Zn beiden Fällen also ist der Kreditor Kontrahent;

derselbe

ist aber bei dem in Rede stehenden Vertrage gar nicht zugezo­

gen, und sonach ist der Begriff der Delegation und Expromis­ sion auf diesen Vertrag durchaus nicht anwendbar.

Es wird

zwar angeführt, daß der Kreditor durch die Annahme der Zin­ sen oder dadurch, daß er das Kapital und die ferneren Zinsen

bezahlt verlange, dem Vertrage beitrete; allein sowohl die De­

legation als die Expromisston erfordern nach dem Allgemeine»» Landrechte Th. I. Tit. 16.

264. 265. 461. 454. und

Th. I. Tit. 14. §§>. 399. und 400. stets die ausdrückliche

Erklärung des Gläubigers, welche nach Tit. 4. §. 60. die stillschweigende nicht

ersetzen sann.

Rechtsgeschäften nach den angeführten Befreiung

Ueberdies

ist bei beiden

Gesetzen

die völlige

des ursprünglich Verpflichtete»» nothwendig, welche

Bedingung ebenfalls nicht vorhanden ist. Zwar meinen Einige,

daß durch die Anstellung der Klage gegen den Besitzer die Ent­

lassung des früheren Schuldners ausgesprochen se»). ser

Annahme

Allein die­

steht die Bestimmung deS 'Allgemeinen

Land­

rechts Th. I. Tit. 16. §. 381. entgegen, nach welcher jede

Entsagung

eine

ausdrückliche

Willenserklärung

erfordett,

mithin zufolge Tit. 4. §. 60. eine stillschweigende gleichfalls

dazu nicht genügt.

3)

Die Uebernahme der H»)pothekenschulden in

pariern

314 pretii soll eine Bürgschaft, insbesondere eine Verpflichtung

als Selbstschuldner seyn, au-welcher der Käufer nach dem

Allgemeinen Landrechte Th. I. Tit. 14. §>. 204. dem Kreditor auch ohne dessen ausdrückliche Annahme hafte. Dieser Anflcht aber steht Folgendes entgegen:

a) Die Bürgschaft ist ein Vertrag mit dem Gläubiger

(§. 200. Tit. 14.)jvegen Vertretung seiner Forderung.

Die Uebernahme einer Hypothekenschuld in partem pretii von Seiten des Käufers dagegen geschieht in einem Ver­ trage mit dem Schuldner.

Aus dem Vertrage des

Gläubigers mit dem Bürgen entspringt das obligatorische

Rechtsverhältniß zwischei» beiden.

Aus dem Vertrage

des Schuldners mit seinem Käufer kann dem nicht zuge­ zogenen Gläubiger kein Recht entstehen.

b) Sowohl die eigentliche Bürgschaft als die Verpflichtung

für eine fremde Schuld als Selbstschuldner, ist immer nur eine subsidiarische Verbindlichkeit; der sich Ver­ pflichtende hat nie die Absicht, gegen den Kreditor eine

unbedingte Verpflichtung zu übernehmen, sondern, wie eS der Begriff der Bürgschaft nach den

200. und 202.

a. a. O. mit sich bringt, nur insofern, als der Haupt-

schuldner seine Verbindlichkeit nicht erfüllen werde. durch, daß er dem beneticium

excussionis

entsagt,

oder die Schuld als Selbstschuldner übernimmt, der Begriff der Bürgschaft nicht geändert.

Da­

wird

Zwar kann

jetzt der Gläubiger den Bürgen mit Uebergehung deHauptschuldners in Anspruch nehmen, aber dem Ersten bleibt immer der Regreß gegen den Letzteren (Th. I.

Tit. 14. §. 338. und folg., §. 351.); und in die­

sem Regreße liegt eben der Beweis für die Unrichtigkeit

315 der aufgestellten Ansicht.

Denn ist die Uebernahme der

Schulden in pariern pretii eine Bürgschaft, so folgt daraus konsequent auch das Recht des Käufers, der den

Kreditor beftiedigt hat, dieserhalb auf den Verkäufer zu-

rückzngehen und Schadloshaltung zu fordern, nach

§. 316.

Befreiung

ja sogar

und folg., §. 356., den Verkäufer zur

von

der übernommenen Bürgschaft anzuhal­

ten, welche Befugnisse mit dem ganzen Geschäfte in dem

offenbarsten Widerspruche stehen würden.

4)

Zn dem Versprechen des Käufers, die Kaufgelder dem

Kreditor des Verkäufers zu zahlen, soll eine^stillschweigende Cession enthalten seyn, welche der Verkäufer in Betreff sei­

ner persönlichen Klage auf Zahlung des Kaufgeldes dem Kre­ ditor ertheile. möglich.

Allein eine stillschweigende Cession ist völlig un­

Die Cession

Th. I. Tit. 16.

ist nach dem Allgemeinen Landrechte

§. 461. eine species novationis und erfor­

dert daher stets einen ausdrücklichen Vertrag. (§>. 454. daselbst.) Auch läßt sich bei einer stillschweigenden Cession eine Valuta, die zur Gültigkeit der Cession

Tit. 11.

durchaus

nothwendig ist (Th.

I.

378. 390. und folg.), nicht denken.

5) Ein fernerer Grund für die persönliche Verpflichtung deS dritten Besitzers wird in der Verordnung vom 4. Zuli 1822. *) gefunden, nach welcher der Gläubiger auch ohne aus­

drücklichen Beitritt zu dem Vertrage seines Schuldners mit ei­

nem Dritten, im Wege der Exekution durch richterliche Verfü­ gung zur Ausübung der Rechte seines Schuldners gegen den Dritten ermächtigt werden kann. ist gerade die Bedingung

Allein im vorliegenden Falle

zur Anwendung

*) Gesetzsammlung für 1822. S. 178.

des

Gesetzes,

die

316

richterliche Verfügung, nicht vorhanden, und die Nothwendig­

eigenen Rechts

keit derselben zeigt gerade den Mangel eines de- Gläubigers.

6) Das Hypothekenrecht sey, so wird behauptet, ein bloßes Aceessorium der persönlichen Forderung des Kreditors gegen

den ursprünglich Verpflichteten,

beide seyen

untrennbar,

mit

dem Accefforium der Hypothek gehe daher die persönliche Ver­ pflichtung auf den dritten Besitzer über.

Allerdings

ist die

Hypothek ein Accefforium der persönlichen Forderung, aber nicht umgekehrt die persönliche Forderung ein Accefforium der Hypo­

thek.

Accessorisch ist dasjenige, was nur durch Hinzutreten ei­

nes anderen Rechtsverhältnisses, nicht für sich allein, bestehen kann.

Daher ist die Hypothek, welche nach den strengen Grund­

sätzen deS Römischen Rechts ohne eine obligatio nicht gedacht

werden kann, accessorischer Natur, nie aber ist die obligatio

das Accefforium der Hypothek.

Aus der accessorischen Natur

der Hypothek folgt, daß der persönlich Berechtigte stets auch Inhaber des Hypothekenrechts ist;

nicht immer aber hat der

Inhaber des Hypothekenrechts eine persönlich Forderung gegen

den Befitzer der Sache.

Wäre die aufgestellte Ansicht richtig,

daß die persönliche Forderung und das Hypothekenrecht.untrenn­

bar

seyen,

so müßte der Kreditor gegen den

ursprünglichen

Schuldner, welcher das Grundstück veräußert hat, auch die hy­

pothekarische Klage behalten, während diese doch nur gegen den Besitzer denkbar ist. 7) Es wird noch behauptet, wenn auch ursprünglich der Kaufvertrag, in welchem der Käufer die Hypothekenschulden in

partem

pretii

übernommen habe, ohne Beitritt des Kreditors

geschlossen sey, so stehe dem Letzteren doch frei, da der Vertrag zu seinem Vortheile gereiche, demselben nach dem Allgemeinen

317

Landrechte Th. I. Tit. 5. H. 75.*) späterhin beizutreten; dieser Beitritt sey an keine Frist gebunden und werde dadurch

zu erkennen gegeben, daß der Kreditor eine Abschlagszahlung oder die Zinsen annehme, oder einklage.

Allein im Allgemeinen schon

erscheint es bedenklich, die Vorschriften des Allgemeinen Land­

rechts Th. I. Tit. 5. §. 74. und folg-, über Verträge zum Vortheile eines Dritten, auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

Zwar wird durch das Versprechen des Käufers, die Hypothe­ kenschulden in pariern pretii zu übernehmen, sobald der Kre­

ditor dem Vertrage beitritt, ein Vortheil für den Letzteren her­

beigeführt, denn er hat nun zwei persönliche Schuldner statt

Eines.

Dieser Vortheil entsteht jedoch, ohne daß die Kontra­

henten denselben beabsichtigen.

Zn der Regel denken sie nicht

daran, wenn sie einen Vertrag der Art schließen, dadurch dem

Kreditor einen Vortheil zu verschaffen, und es scheinen die

74. und folg, lediglich auf den Fall bezogen werden zu können,

wenn die Parteien den Vortheil des Dritten zur Absicht haben. Wenn man aber auch das in Rede stehende Geschäft für einen

Vertrag zum Vortheile eines Dritten achten und die

74.

und folg, auf dasselbe anwenden will, so ist doch die obige

Ausführung in mehrfacher Hinsicht unrichtig. a) Nach der ausdrücklichen Bestimmung des H. 75. kann der Dritte dem Vertrage nur mit Bewilligung der Hauptpar­

theien

beitreten.

ES wird zwar angeführt,

daß

diese schon

durch den Vertrag selbst erklärt werde; allein wenn dies richtig wäre, würde jeder Kontrakt zum Vortheile eines Dritten diese Bewilligung der Pattheien schon enthalten, und die Bestimmung

*) Vergl. die Ergänzungen und Erläuterungen de« Allgemeinen

Landrecht«, Suppl. 55b., Abth. I. S. 138—139.

318 deS §. 75.,

daß die Kontrahenten in den Beitritt willigen

müßten, völlig

irrelevant seyn.

Es muß vielmehr, wie der

§. 77. ergiebt, der Dritte von den Kontrahenten ausdrücklich zum Beitritte aufgefordert seyn; nur alsdann ist ihm der Bei­

tritt gestattet und nur in diesem Falle kann er aus demselben Rechte erlangen.

b) Ist es gegen die ausdrückliche Vorschrift des §. 153. Tit. 5. Th. L, wenn angenommen wird, daß der Beitritt deS

Kreditors

durch die Annahme der Zinsen oder eines Theils

des Kapitals, werde.

oder

durch die Anstellung der Klage erklärt

Nach dem §. 153. muß der Beitritt eines Dritten

zu dem von anderen Kontrahenten geschloffenen Vertrage, so­

fern dieser nach den Gesetzen eine schriftliche Abfassung erfor­ dert, ebenfalls schriftlich erklärt werden. ein

Kaufvertrag

über

Grundstücke

Nun muß aber schriftlich

stets

geschlos­

sen werden. *)

ES kann daher auch der durch di eAnnahme der Zinsen oder eines

Theils

des Kapitals,

oder durch

die Anstellung

der

Klage allenfalls stillschweigend erklärte Beitritt nicht für

genügend erachtet werden.s#) Die Richtigkeit dieser Interpretation der

74. und folg,

im Tit. 5. Th. I. wird durch die Materialien des Allgemeinen

Landrechts unzweifelhaft.

Zn dem ungedruckten Entwürfe

lauteten die Bestimmungen, an deren Stelle die

74. und

folg, getreten sind, folgendergestalt: §. 72. Auch die Vortheile eines Dritten können zum Gegen­

stände eines Vertrages gewählt werden.

*) Allgemeine- Landrecht Th. I. Tit. 10. §. 15., Th. I. Tit. 21. §. 233. ”) Th. I. Tit. 4. §. 60., Th. I. Tit. s. §. 116. daselbst.

319 73. So lange der Dritte dem Vertrage nicht beigetreten

ist, hat er selbst daraus noch kein Recht erworben.") Gegen diese Bestimmung monirten der Präsident v. Tevenar

und der Geheime Rath Scherer: 1) daß cs auf keinen eigentlichen Beitritt des Tetii, son­

dern nur auf seine Erklärung, sich des ihm zugedachten Vortheils anmaaßen zu wollen, ankomme; 2) daß,

so lange der Tertius sich solchergestalt nicht er­

klärt habe, die Kontrahenten von dem Verträge wieder abgehen könnten."") Suarez bemerkte darüber in der revisio monitorum:

ich halte beide monila für erheblich, und würde also statt des

73. folgende Sätze annehmen:

So lange der Dritte noch nicht erklärt hat,

sich des

im Vertrage ihm vorbedungenen Vortheils anmaaßen zu wollen, hat er daraus noch kein Recht erworben.

Bis

dahin können also die Kontrahenten von dem Vertrage

wieder abgehen. Am Rande ist jedoch über diese Bemerkung von Sua­

rez ein „cessal“ geschrieben, und statt des von Snarez vor­

geschlagenen Satzes sind folgende

im gedruckten Ent­

würfe substituirt: §. 60. Auch die Vortheile eines Drittm können der Gegen­

stand eines Vertrages seyn.

§>. 61. Der Dritte selbst aber erlangt aus einem folchm Vertrage

erst

alsdann

mit Bewilligung

ein Recht,

wenn

er demselben

der Hauptkontrahentrn beigetreten

ist.

') Vgl. dteMaterlallen des Allgemeinen Landrechts, Bd. 26. Bt. 25. ") Bgl. die Materialien, 53h 26. Bl. 77und UV-

320 Dagegen ward zwar später wiederum monirt, daß eine

nochmalige Einwilligung her Hauptkontrahenten jit dem Bei­ tritte des Dritten nicht erforderlich sey, da diese schon in dem unter chnen geschloffenen Vertrage liege, und daß der Dritte

schon dadurch beitrete, daß er den ihm alisbedungenen Vor­ theil einklage.

Das erstere Monitum ward jedoch dadurch wi­

derlegt, daß der Dritte, so lange er nicht Mitkontrahent ge-_

worden, kein vollkommenes Recht, sondern nur eine Hoffnung habe; das nveite ward verworfen, weil die Klage ein schon er­

worbenes Recht voraussetze.") Demgemäß entstanden die jetzigen

Landrechts.

des Allgemeinen

Die Absicht des Gesetzgebers ist sonach ohne ir­

gend einen Zweifel.

Die

einseitige Erklärung

des Dritten,

sich den bedungenen Vortheil anmaaßen zu wollen, ist nicht genügend, sondern es wird vor der Anstellung der Klage ein

neuer Vertrag zwischen ihm und den Hauptkontrahenten erfordert. 8.

Zm §>. 370. Tit. 16. Th. I. des Allgemeinen Land­

rechts sey, so wird noch behauptet, verordnet, daß der Käu­

fer, welcher das Kaufgeld zur Bezahlung gewisser Schulden des Verkäufers anzuwenden versprochen habe, zum Nachtheile dieser Gläubiger mit anderen Forderungen an den Verkäufer

nicht kompensiren könne; es sey also hier ausdrücklich ein

obligatorisches Verhältniß zwischen dem Käufer und den Kre­ ditoren des Verkäufers anerkannt.

Dieser §>. sttzt jedoch of­

fenbar den Fall voraus, daß die Gläubiger bei diesem Ver­

trage zugezogen sind,

denn ohne diese Zuziehung oder einen

späteren, mit Bewilligung der Kontrahenten geschehenen Bei­

tritt können sie nach dem zu 7. so eben Ausgeführten keine

*) Bgl. die Materialien, Bd. 79. BI. 47.

321 Rechte aus dem unter Dritten geschloffenen Vertrage erwerben. Ueberdies giebt diese Stelle auch gar nicht einmal den Gläu­

bigern ein Klagerecht,

sondern bestimmt nur, daß der Käu­

fer zum Nachtheile der Gläubiger

an den Verkäufer nicht

mit anderen Forderungen

kompensiren

könne.

Sie läßt

also

sehr wohl die Deutung zu, daß der Verkäufer ein Kla-

grrecht

auf die Befriedigung

der Gläubiger habe,

ohne daß

der Käufer mit der Kompensation sich schützen könne.

9.

ES wird ferner angefi'chrt: habe der dritte Besitzer dem

Gläubiger die i« pariern pretii übernommene Schuld verzin­

set oder

eine Abschlagszahlung auf dieselbe geleistet,

liege darin ein stillschweigendes Anerkenntniß der

Verpflichtung.

so

persönlichen

Auch dieser Satz dürfte sich jedoch als nicht

richtig darstellen.

Der Kreditor hat ein doppeltes Recht, rin

persönliches und ein dingliches.

Vermöge des letzteren hält er

sich ohne Rücksicht auf das, erstere an den Besitzer der Sache,

und dieser ist als solcher den Kreditor zu befriedigen verpflich­ tet.

Zahlt also der Besitzer dem Gläubiger, sey es einen Theil

des Kapitals, oder die Zinsen desselben, so leistet er diese Zah­

lung lediglich als Besitzer der verpfändeten Sache.

Eine Absicht,

sich dem Kreditor für den Rest des Kapitals, oder für die fer­

nere Zinszahlung persönlich verpflichten zu wollen, kann ihm

in keinem Fallt untergeschoben werden.'

Nur dann ist nach

dem Allgemeinen Landrechte Th. I. Tit. 4. §. 58. eine still­

schweigende Willenserklärung vorhanden, wenn aus den Hand­ lungen auf die Absicht des Handelnden mit Zuverlässigkeit ge­ schlossen werden kann.

An einer solchen zuverlässigen Fol­

gerung aus der Bezahlung einer Realschuld auf die Uebernahme

deS Restes derselben als einer Personalschuld, mangelt eS aber

durchaus.

322 10.

ES würde, so sagt man, auf einen Betrug hin-

auSlaufen, wenn der Besitzer dem Kreditor nicht persönlich ver­ pflichtet seyn sollte,

und doch daS Gut devastiren

und

auf

diese Weise die Realsicherheit vermindern oder ganz aufheben könnte.

Allein wegen Verringerungen der Substanz giebt daS

Gesetz dem Kreditor gegen den Besitzer, ohne Rücksicht auf des­

sen persönliche Verpflichtung, genügende Rechte;") macht sich der Besitzer aber eines eigentlichen Betruges oder einer sonsti­

gen unerlaubten Handlung schuldig, so wird dadurch eine be­ sondere obligatorische Verpflichtung des Besitzers herbeigeführt,

so daß eine frühere vertragsmäßige obligatorische Verbindlichkeit

gar nicht nothwendig ist.

Zm Gegentheile würde eine still­

schweigende Annahme derselben zu der offenbarsten Ungerechtig­ keit führen; denn eS würde alsdann derjenige, welcher die Schul­

den in pariern pretii übernommen und das Grundstück nach­ her wieder verkauft hat, für die Deteriorationen des späteren

Besitzers haften müssen. 11. Ferner stützt man sich atzf die Vorschriften des ge­

meinen RechtS, und eS ist nicht zu leugnen, daß die Praxis derselben der Meinung für die persönliche Verpflichtung deS

dritten Besitzers zur Seite steht.

Nach Römischem Rechte ist

zwar unzweifelhaft, daß Verträge nur unter den Kontrahenten

Rechte begründen: terlio non adquiritur obligatio.**")

Allein schon das Römische' Recht ließ von dieser Regel

in dem Falle, sobald der Kontrahent an der für einen Dritten ausbedungenen Leistung ein Interesse hatte, einige Ausnahmen

zu, und gestattete dem Dritten, mit einer utilis actio unmit-

*) Allgemeines Landrecht LH. I. Tit. 20. §§. 441. und 442. •#) 1. 11. D. de obligationibus et actionibus (44, 7.), I. 38. §. 17. de verb. obligat. (45., 1.)

323

telbar gegen den debitor zu klagen.

So wird j. 88., wenn

Jemand Sachen eines Dritten einem Anderen geliehen, oder

bei demselben deponirt, und die Rücklieferung der Sachen an

den Eigenthümer ausbedungen hat, diesem eine utilis commo-

oder depositi actio gegen den Inhaber zugestanden.*)

dati

AuS dieser und ähnlichen Ausnahmen des Römischen Rechts

bildete die Praxis die Regel,

daß in allen Fällen aus Ver­

trägen, in welchen einem Dritten ein Vortheil zugesichert wor­

den, dem Dritten, auch ohne ausdrückliche Abtretung der dem Kontrahenten zustehenden Rechte, alsdann ein Klagerecht er­ wachse, sobald ein Kontrahent bei der Erfüllung des Vertra­ ges ein Interesse habe.

Hommel, in seinen Rhapsodien, Vol. 5., Obs. 606., erklärt sogar ausdrücklich den Käufer eines Grundstücks, wel­

cher die darauf haftenden Hypothekenschulden als einen Theil

unbezahlter Kaufgelder übernommen, dem Kreditor,

ohne daß

dieser an dem Kaufverträge Theil genommen, aus diesem Kauf­ verträge persönlich verpflichtet. Allein diese Praxis des gemeinen Rechts, welche mit all­ gemeinen Rechtsprinzipien im Widersprüche steht,**) ist, wie

die oben zrl 7. exirahirten Materialien zum Allgemeinen Land­ rechte Th. I. Tit. 5.

daktion des LandrechtS,

74. und 75. ergeben, bei der Re­ von dem Gesetzgeber ausdrücklich ver­

worfen worden und kann daher keinen Entscheidungsgrund ab­

geben. 12.

Sodann wird noch angeführt, daß durch die entge­

gengesetzte Anficht eine unnütze Vervielfältigung der Prozesse ent-

*) I. 8. Cod. ad exhibendum. (3., 42.)

»*) Vgl. Thibaut, System des Pandektenrechtes, §. 160.

324 stche; denn die Abweisung des Gläubigers mit der persönlichen Klage gegen den dritten Besitzer habe den Regreß des Gläu­ bigers gegen den persönlichen Schuldner zur Folge, dieser halte sich dann wieder an seinen Käufer, und dieser wiederum an den, an welchen er das Grundstück weiter übertragen habe, und so. gehe die Reihe der Klagen fort bis zu dem freigesprochenen Verklagten. Dieser Grund ist jedoch schon von dem Gesetzgeber bei der Lehre von der Gewährleistung*)' verworfen; er steht auch mit dem allgemeinen Rechtsgrundsaße, daß bei obligatorischen Verpflichtungen jeder Kontrahent sich an seinen Kontrahenten halte, im direktesten Widerspruche, und muß diesem letztern daher weichen. 13. Zn Betreff der Zinsen der übernommenen Schul­ den wird insbesondere die persönliche Verpflichtung des dritten Besitzers für die Dauer seiner Besitzzeit a) daraus gefolgert, daß er die Früchte und Nutzungen des verpfändeten Grundstückes ziehe, welche zur Abtragung der Zinsen vorzugsweise bestimmt seyen, daß er nicht Sache und Kaufgeld zu gleicher Zeit nutzen könne, und-sich offenbar mit dem Schaden der Hypvthekengläubiger bereichern würde, wenn er ihnen nicht die gebührenden Zinsen zahle und die Revenüen für sich verwende. Dieser Satz scheint auf den ersten Anblick Etwas für sich zu haben, zerfällt jedoch dadurch in sich selbst, daß die Hypothekengläubiger auf die Früchte und Nutzungen deS Grundstückes nicht ein unbedingtes Recht haben, sondern dieselben nur so lange in Anspruch nehmen können, als sie von der Substanz nicht abgesondert sind.**) Nach der Absonderung sind sie un*) Allgemeines Landrecht Th. I. Tit. 11. 149—152. *') Allgemeine« Landrecht LH. I. tit. 20. §. 475.

325 beschränktes Eigenthum des Besitzers, die Hypothekenglänbiger haben gar keinen Anspruch darauf, und man kann daher, wenn der Besitzer sie nun für sich verwendet, nicht sagen, daß er-etwaS zu dem Vermögen der Hypothekengläubiger Gehöriges in seinen Nutzen verwendet habe. Der Begriff 6tr nützlichen Verwendung'), welche eine obligatorische Verpflichtung hinsichtlich der Zinsen für den Besitzer begründen könnte, ist also nicht vor­ handen, und eben so wenig kann die Vorschrift des §. 230. Th. I. Tit. 13. des Allg. Landrechts, daß Niemand sich mit dem Schaden des Anderen bereichern solle, stattfinden, da diese nach dem ausdrücklichen Inhalte des angeführten Paragraphen dadurch bedingt ist, daß sich Jemand die Vortheile fremder Sachen oder Handltingen ohne besonderes Recht zueignrt. Die abge­ sonderten Früchte gehören aber nur dem Besitzer selbst. Un­ ter allen Umständen würde derselbe auch aus der nützlichen Verwendung den Hypothekengläubigern für die Zinsen nicht unbedingt, sondern nur auf Höhe der gezogenen Nutzungen haften, deren Ansmittelung in den meisten Fällen unmöglich seyn wird. Der Grundsatz ferner, daß der Besitzer Sache und Kaufgeld nicht gleichzeitig nützen könne, begründet nur eine Verpflichtung desselben zur Verzinsung des Kaufgeldes gegen den Verkäufer, nicht zur Verzinsung der Hypothekrnsorderungen gegen die Realkreditoren. b) Ein anderer Grund für die persönliche Verpflichtung deS dritten Besitzers hinsichtlich der, während seiner Besitzzeit auflaufenden Zinsen wird in der Vorschrift des §. 70. Th. I Tit. 21. des Allgemeinen Landrechts gesucht. Dieser bestimmt, daß der Nießbraucher die Zinsen der auf der Sache haftenden *) Allgemeine« Landrecht Th. I. Tit. 13 §. 262.

326 Schulden berichtigen müsse. So wie der Nießbraucher hiernach, fol» grrt man, für die Zinsen persönlich aufkommen müsse, so müsse jeder dritte Besitzer dafür persönlich haften, indem derselbe den Kreditoren gegenüber sich mit dem Nießbraucher in ganz gleichen Verhältnissen

befinde. Zn diesem Satze liegt jedoch eine petitio principii. Zn dem

angeführten

70. ist keinesweges bestimmt,

daß der Nieß­

braucher persönlich hafte; es ist ihm nur die Pflicht auferlegt, die Zinsen zu berichtigen; woralls dies geschehen soll, ob aus

seinem gesammten Vermögen, oder nur aus der zum Nießbrauche bestimmten Sache selbst, ist nicht gesagt.

Es kann aber keinen

Zweifel leiden, daß er nur realiter, also mit der Sache selbst,

für die Zinsen haftet; denn der Kreditor hat gegen einen, ihm nicht aus einem besonderen Rechtsgrunde persönlich verpflichte­ ten Besitzer nur ein dingliches Recht. *)

Woraus ein persön­

liches Recht des Kreditors gegen den Nießbraucher folgen soll,

ist nicht abzusehen.

Aus den Worten des §. 70.:

Die Zinsen der auf der Sache haftenden Schulden muß der Nießbraucher berichtigen;

folgt vielmehr, daß er für die Zinsen nur mit der Sache haftet; denn wäre er als Succeffor des Eigenthümers anzuse-

hen, so müßte er auch für die Zinsen der persönlichen Schul­ den, namentlich solcher, welche ein Recht zur Sache

begrün­

den, aufkommen, während er hierzu nach den §>§>. 70. und 71. offenbar

nicht

verpflichtet ist.

Der §.

73. sagt sogar aus­

drücklich , daß der Nießbraucher den Hypothekenglänbigern nur mit den Nutzungen der Sache hafte. —

Mußte nun hiernach die persönliche Verpflichtung des dritten

Besitzers eines Grundstückes für dir überliommenen Pfand- oder

*) Allgemeine« Landrecht Th. I. Tit. 20.

492. 494. und 495.

327 Hypothekenschulden als nicht begründet erachtet werden, so

entstand die Frage, ob dieser Grundsatz im Wege der Legis­ lation aufrecht zu erhalten, oder ob das entgegengesetzte Prin­ zip auszusprechen sey.

Für das Letztere ward angeführt,

daß der ursprüngliche

Debitor, welcher das zur Hypothek eingesetzte Grundstück ver,

kaufe, gegen den Käufer, der die eingetragenen Schulden auf

Abrechnung des Kaufgeldes übernehme, unbedenklich dieserhalb ein persönliches Recht aus dem Kallfkontrakte habe; dieses per­ sönliche Recht könne er dem Hypothekengläubiger eediren, ja

letzterer könne, wenn er seinen ursprünglich Verpflichteten, den Borbesitzer, ausgeklagt habe, nun ohne Cessio» im Wege der

Exekution die Rechte seines Schuldners gegen den Käufer sich zuschlagen

lassen und auf diese Weise eine persönliche Klage

gegen den dritten Besitzer erlangen.

Ein solcher Umweg, der

zwei, und wenn das Grundstück durch mehrere Hände gegan­

gen sey, noch mehrere Prozeße erzellge, sey nicht zu befürwor­ ten,

für den Käufer erwachse auch kein Vortheil aus demsel­

ben, da er immer persönlich verhaftet sey und bleibe. Diese Gründe konnten jedoch nicht ausreichen, von der

bisherigen

Gesetzgebung

Prinzip anznnehmen.

abzugehm

und

ein

entgegengesetztes

Zwar muß die Gesetzgebung die Verviel­

fältigung der Prozeße möglichst vermeiden; sie darf hierbei aber

nicht wirkliche Rechte der Privatpersonen verletzen.

Eine solche

Verletzung würde eintreten, wenn dem Gläubiger das Recht beigelegt würde, sofort, mit Uebergehung seines eigenen Schuld­ ners, die Schuldner seines Schuldners in Anspruch zu nehmen.

Ein solches Prinzip

ist

der Preußischen

Gesetzgebung

völlig

fremd. Wollte man es im vorliegenden Falle zur Anwendung

bringen, so müßte man es konsequent allgemein aufstellen; als-

328 dann würden aber alle kontraktlichen Verhältnisse völlig ver­ nichtet werden.

Selbst nicht einmal die Billigkeit dürste als ein Grund

angeführt werden können, allS welchem dem Hypothekengläubiger ohne Cession des Vorbesitzers ein persönliches Recht ge­

gen

den

dritten Besitzer

einzuräumen sey.

Dem Gläubiger

würde dadurch auf Kosten des GrundeigrnthümerS ein Vor­ theil zugestanden werden, der auf keine Weise gerechtfertigt ist;

denn anstatt Eines persönlich Verpflichteten würde er alsdann zwei, drei, oder oft noch mehrere persönliche Schuldner erhal­ ten.

ES erscheint selbst nicht einmal angemessen, den dritten

Besitzer für die Dauer seiner Besitzzeit dem Gläubiger persön­

lich zu verpflichten und mit dem Arifhören des Besitzes auch

die persönliche Verpflichtung des Besitzers aufhören zu lassen; denn

eine solche Bestimmung würde allen Rechtsgrundsätzen

zuwider seyn;

der Gläubiger würde immer zwei Verpflichtete

haben, also einen Vortheil erlangen, für den sich kein Grund auffinden läßt. Eine Befreiung des ursprünglichen Schuldners

vermöge btv Gesetzes ohne Einwilligung deS Gläubigers aber

würde unter allen Umständen unzulässig seyn, weil öfters das ursprüngliche Schuldverhältniß, der geschehenen Hypothekbestel­

lung ungeachtet, in dem persönlichen Kredite deS Schuldners

seinen Grund hat. Zn Rücksicht der Frage, ob eme Aenderung .des Prinzips

im Wege der Gesetzgebung zu veranlassen sey, wurde zwar im letzten Stadium der Berathung noch bemerkt:

daß, wenn es

gleich schwierig sey, einen solchen einzelnen Plinkt in unserer

Gesetzgebung ohne Inkonsequenz zu ändern, eö dennoch eine

weitere Erwägung verdiene, ob eine Aenderung jenes Prinzips nicht rathfam sey

indem die Natur des HypothekenrechteS, so

wie das Römische Recht, aus welchem sie in unsere Gesetz­ gebung übergegangen, sie festsetze, sich im Laufe der Zeit und insonderheit durch unsere ausgebildete Hypothekenverfassung we­ sentlich geändert habe. Das Römische Recht kenne dasselbe nur als ein accefforisches, nach unserer Hypothekenverfaffung sey eS aber ein eigenes, selbständiges Recht. Auch die herr­ schende Ansicht im wirklichen Berkehr betrachte dasselbe als ein solches. Der hypothekarische Gläubiger sehe wegen seiner Si­ cherheit mehr auf den Werth des Grundstücks, als uuf die perfönltchen BermögenSumstände des Besitzers, und dieser be­ trachte gleichfalls den hypothekarisch belasteten Theil des Gutes als fremd und nicht zu seinem Eigenthum gehörig. Dabei wurden über die Richtung, in welcher die Aende­ rung zu treffe« seyn dürfte, zwei Vorschläge gemacht. Der eine ging dahin, die Gerechtsame des hypothe­ karischen Gläubigers auf ein bloßes Re al recht an das Grundstück zu beschränken, wie es dergleichen Hypotheken, namentlich mit den Pfandbriefen, bereits gebe, und den Personal-Nexus ganz wegfallen zu lassen, ihn jedenfalls nicht zu erweitern. Nach dem anderen Vorschläge sollte derselbe zwar beibehalten werden, jedoch die persönliche Verbindlichkeit des ursprünglichen Schuldners jedesmal auf den Käufer des Grundstücks übergehen, da für denselben eine Rechtsverletzung darin nicht. enthalten sey, indem die eigentliche Absicht bei Anrechnung der Hypothek auf die Kaufgelder dahin gehe, daß der Verkäufer von der Schuld gänzlich befreit werde, und die Härte, die anscheinend darin für den hypothekarischen Gläubiger liege, durch angemessene Modalitäten gehoben werden könne.

330

Man ging jedoch auf diese Vorschläge nicht ein; jedoch sollte dadurch der weiteren Prüfung derselben bei der allgemeinen

Gesetzrevision nicht vorgegriffen werden. Demzufolge

verordnet

die

Deklaration

vom

21.

Mär, 1835.’):

1. Wer durch speziellen Nechtstitel eine mit Pfand - oder HxpotheKenschulden belastete unbewegliche Sache erwirbt, und dabei erklärt, das; er diese Schulden mit übernehme, wird durch eine solche Uebernahme allein dem Gläubiger

persönlich nicht verpflichtet, vielmehr bedarf es zu dieser Verpflichtung eines

besonderen Vertrages zwischm dem

Erwerber und dem Gläubiger.

2.

Äuch dadurch entsteht eine persönliche Verpflichtung nicht, dasz der Erwerber dem Gläubiger auf eine solche

Pfand - oder Hxpothekenschuld Zinsen oder einen Theil des Kapitals bezahlt.

Der §. 3., welcher also lautet:

Wenn jedoch der Erwerber nicht blos die Pfand- oder

Hxpothekenschulden übernimmt, sondern sich zu deren Tilgung persönlich verpflichtet,

auszerdem

so ist der ver-

äuszerer befugt, seinen Anspruch aus diesem versprechen

den Gläubigern abzutreten ;

beschäftigt sich mit der Frage: ob der Borbesitzer befugt ftu, seine an den neuen Erwerber aus

der Uebernahme der Pfand- und Hypothckenschulden erlangten Rechte an die Gläubiger zu cediren.

*) Gesetzsammlung für 1835. Seite 42. bis 43,

331

Unbedenklich gehören diese Rechte des Verkäufer- zu deu

Vermögensrechten, und diese sind in der Regel, sofern nicht die Gesetze ausdrücklich das Gegentheil bestimmen, wie bei'm

Wiederkaufsrecht") und bei'm usus ***) auf einen Dritten über­

tragbar.

Ein solches ausdrückliches Verbot der Session ist bei

dem Rechte deS Verkäufers, von dem Käufer die Exnexuation

wegen

der übernommenen Hypothekenschulden zu fordern, in

den Gesetzen nirgends ausgesprochen. Es wird zwar behauptet, dieses Recht

des Verkäufers

sey

ein jus personalissimum,

habe in den besonderen und eigenthümlichen Verhältnissen des Verkäufers zu dem Käufer seinen Grund, einem Dritten,

welcher sich gar nicht

der Befreiung von Ansprüchen

in

und könne

daher

der Lage befindet,

hypothekarischer Gläubiger zu

bedürfe», nach dem Allgemeinen Landrechte, Einleitung

99.

und Th. I. Tit. 11. §. 382., nicht cedirt werden. Die für diese Behauptung in Bezug genommenen Gesetz­

stellen lauten dahin:

Einleitung. §. 99. Person,

Rechte, welche an eine bestimmte

oder an gewisse Eigenschaften derselben,

nicht ge­

bunden sind, können von dem Einen ans den dlndern über­ tragen werden.

§. 382. eil. des Inhabers

Alle Rechte, welche nicht an die Person

gebunden

sind,

können Andern

abgetreten

werden.

ES handelt sich also, da das in Rede stehende Recht des Verkäufers nicht speziell in den Gesetzen für nicht cessibel er­

klärt ist, um die Frage, ob dasselbe seinem inneren We-

’) Allgemeines Landrecht Th. I. Tit. 11. §. 312. ") Tit. IS. H. 22. a. a. O.

332 sen nach an die Person des BerkLufers gebunden sey.

Diese

Frage muß verneint werden; denn wollte man das Entge­

gengesetzte annehmen, so müßte das Recht nach dem Allgemei­ nen Landrechte, Einleitung §§. 102. und 103., mit dem Tode des Verkäufers erlöschen und auf seine Erben nicht übergehen,

wie dies bei'm Wiederkaufsrechte und bei'm usus in der That

der Fall ist.")

Niemand aber wird behaupten, daß der Erbt

des Verkäufers nicht eben so, wie letzterer selbst, zur Klage gegen den Käufer auf Exnexuation befugt seyn sollte.

sagt

zwar,

Man

in Rede stehende Recht um deswillen

daß das

nicht auf den Gläubiger übertragen werden könne, weil dieser

sich nicht in der Lage befinde, der Befreiung von dem AnAllein hierbei wird die Natur des cedir-

spniche zu bedürfen.

ten Rechts nicht im Ange behalten.

Durch die Cession erlangt

nicht der Cessionar das Recht, daß nunmehr er ex nexu gesetzt

werde, Recht

was geht

allerdings

nur

unmöglich seyn würde,

darauf,

daß

der

Cedent

sondern sein

liberirt

werde.

Durch die Cession wird das cedirte Recht selbst nie verändert; eS

tritt

übenden

werde,

nur ein Tausch in der Person des Aus­

vielmehr ein,

ist

und

eben

so

eine

Klage,

daß

gut

möglich,

als

ein

Dritter

eine Klage

liberitt auf ei­

gene Befreiung.

Dieselbe Verwechselung deS CessionarS mit dem Cedenten liegt zum Grunde, wenn behauptet wird, daß das Recht auf

Befreiung von einem Schuldnexus von der Schuld selbst un­

zertrennlich sey, ohne letztere nicht übertragen werden könne,

und daß, wenn die Schuld gleichfalls auf den Hypothekengläu-

*) Allgemeine« Landrecht

Th. I. rit. 11. %. 316., Dt. 19. §. 22.

333 feiger überginge, diese durch Konfusion erlöschen und die Ces-

sion überflüssig seyn würde *). Denn handelte es sich darum, daß der Gläubiger durch

die Cesston die Befugniß erhalten sollte, seine eigene Libera­

tion zu verlangen, so würde allerdings dies nur möglich seyn, wenn zugleich die Schuld selbst auf ihn überginge, und als­ dann würde diese durch Konfusion erlöschen.

Allein es kommt

nicht auf die Befreiung des Cessionars, sondern auf die Be­

freiung des (Sebenten an; letzterer bleibt der Schuldner und

auch derjenige, welchem die Liberation zu Statten kommen soll; es wird also eine Trennung der Schuld von dem Rechte auf Befreiung von derselben durchaus nicht herbeigeführt.

Eben so wenig, kann zugegeben werden,

daß, wie von

Einigen angenommen wird, in einer solchen Cesston eine An­

gabe an Zahlungsstatt enthalten

sey, durch die Cesston also

schon der Sebent aus ber Verbindlichkeit gesetzt werbe,

und

sein Anspruch an den Käufer eben dadurch erlöscheee).

Nicht jede Cesston hat die Wirkungen Zahlungsstatt, sondern

einer Angabe an

es hängt lediglich von den Partheien

ab, was als Valuta bei der Cesston gegeben werden soll, und

wenn nicht etwa ausdrücklich als solche die sofortige Befreiung des Cedenten von dem Personalnexus verabredet seyn sollte,

wird diese erst durch die Befriedigung des Gläubigers eintre­ ten können ***).

♦) Vgl. Gimon und von Strampff, Zeitschrift, Bd. 2., Heft 2. Seite 282. Note 9. **) a. a. £).

"") Vgl. Allg. Landrecht Th. I. Tlt. 11. §. 390., TU. 16. 261. bi« 263. und 381.

235.

334 Wiewohl nun aus diesen Gründen die Uebertragung der

aus

dem BerkLufer gegen den Käufer

der Uebernahme

der

Hypothekenschulden zlistehenden Rechte auf den Hypothekengläu­

biger für vollkommen zulässig erachtet werden muß, so hat man

eS doch für angemessen erachtet, über diesen Punkt keine all­ gemeine gesetzliche Bestimmung zu erlassen, indem man zuvör­ derst abwarten wollte, wie die Praxis dieserhalb bei den Ge­

richten sich bilden werde.

Insbesondere wollte man auch auf den Vorschlag nicht eingehen, die Bestimmung zu sanktioniren: daß der Verkäufer jederzeit befugt sey, denjenigen Theil des

bedungenen Kaufpreises nebst Zinsen zu cediren, welcher we­ gen der eingetragenen Forderung beim Verkaufe in Abzug

gebracht worden. Es wurde zwar dafür angeführt, daß der Verkäufer je­

denfalls ein persönliches Recht gegen den Käufer erlange, daß

dieser dm Kontrakt erfülle, also auch unbedenklich diese Befugniß

dem Hypothekengläubiger,

soweit derselbe dabei inter-

essirt sey, abtreten könne.

Es ward indessen hierauf erwidert, daß die Kaufverträge

über diesen Gegenstand so verschieden abgeschlossen zu werden pflegten, daß es manchmal äußerst zweifelhaft bleibe, was für

Befugnisse

der Verkäufer eigentlich

dem Hypothekmgläubiger

cediren könne, zumal der Verkäufer bei der Sache nur das

Interesse

habe,

daß er selbst von allem weiteren Ansprüche

des Hypvthekengläubigers befreiet werde, dieses aber auf al­ ternativem Wege geschehen könne, entweder, daß der Käufer

ihm

eine LiberationS-Urkunde

Gläubigers verschaffe,

von

oder daß

seiner Forderung befriedige.

Seiten

des

Hypotheken-

derselbe den letzteren wegen

335 ES ist daher nur für den Kall, dem Käufer

die Befriedigung

wenn

der Verkäufer

der Hypothekengläubiger aus­

drücklich zur Bedingung gemacht hat, wo also dem Verkäufer

nicht blos ein Klagerecht auf Exnexuation

zusteht,

sondern

vertragsweise die Befugniß eingeräumt ist, auf Zahlung des rückständigen

Kaufgeldes

an

die Kreditoren zu dringen, die

Zulässigkeit der Cefston ausgesprochen, indem die Cession für diesen Fall, wo eS sich von einer eigentlichen Schuldfvrderung handelt,

ganz unbedenklich ist.

Zwar wurde auch hiergegen

das Bedenken erhoben, daß der Verkäufer auf Zahlung des Kaufgeldes, soweit das Grundstück mit Schulden belastet sey, gar kein Recht habe, der Käufer vielmehr auf so hoch nach

dem

Allgemeinen

Kaufgeld

Landrechte Th. I. Tit. 11. §. 222.

zurückzuhalten

befugt

sey,

daß

Mithin

das

dem Ver­

käufer die venditi actio auf Zahlung dieser Summe gar nicht

zustehe, er sie also auch nicht cediren könne. Allein, wenn eS auch richtig ist, daß der Verkäufer dann sowohl Inhalts des Kaufkon­ traktes, als nach den Gesetzen auf die Zahlung des Kaufgel­ des an sich selbst keinen Anspruch hat, so hat er doch of­

fenbar die Befligniß, Inhalts des Kontraktes zu verlangen, daß der Käufer dem Kreditor zahle, und

ihn, den Verkäufer,

dadurch von seiner Verpflichtung gegen den Gläubiger befreie. Eine Cession dieser Klage ist allerdings denkbar und vollkom­

men zulässig;

auf den Grund einer

solchen wird

auch

der

dritte Besitzer eines Grundstücks sich nicht entbrechen könnm, den ex cessione des Verkäufers klagenden Gläubiger aus sei­

nem bereitesten Vermögen zu befriedigeit. Dem §>. 4., welcher bestimmt:

dichter und Notare, welche bei der Aufnahme oder

Anerkennung eines Veräusterungsvertrages amtlich mit-

336 wirken, sind verbunden, alle aus dem Hxpothekenbuche ersichtliche Gläubiger von der erkolgten veräusierung in

Kenntnis) ;u seyen.

Vie diese Benachrichtigung erfol­

gen soll, wird Unser Justiz - Minister durch eine be­ sondere Instruktion*) anordnen;

liegt die Betrachtung zum Grunde, daß der Gläubiger, wenn das Grundstück veräußert worden, und der ursprüngliche Schuld­ ner in Bermögensverfall gerathen, verschollen oder verstorben ist und seine Erben unbekannt sind, möglicherweise sein per­ sönliches Recht verlieren kann, zumal wenn er von der Ver­ äußerung des Grundstückes und der Uebernahme der Hypothe­ kenschulden Seitens des Erwerbers keine Nachricht erhalten hat. Diesem Nachtheile, welchem der Gläubiger durch einen solchen Vertrag ausgesetzt bleibt, wird dadurch vorgebeugt, daß dem Richter oder dem Notar, welcher bei der Schließung eines Veräußerungsvertrages über Grundstücke zugezogen wor­ den, zur Pflicht gemacht ist, davon den Kreditor zu benach­ richtigen. Der Kreditor wird alsdann in den Stand gesetzt, fein Interesse wahrzunehmen und allenfalls das Kapital ein« zujiehen, oder sich eine persönliche Verpflichtung von dem spä­ teren Erwerber zu verschaffen. Thut er, ungeachtet er den Uebergang des Grundstückes auf einen anderen Besitzer weiß, für die Erhaltung feines Rechtes Nichts, und erleidet später deshalb einen Verlust, so hat er diesen lediglich sich selbst beizumeffen. Dem Erwerber des Grundstückes konnte die Pflicht zu ei-

») Vgl. die Jahrbücher Bd. 45. S. 510—512., Bd. 46. S. 557 — 558. und das Justiz - Minlsterial-Blatt, Zahrg. II. S. 350., Zahrg. III. S. 350. und Zahrg. IV. S. 26—27.

337 nrr Benachrichtigung nicht anferlegt werden, weil das ihm für

den Unterlassungsfall zu stellende Präjudiz nur darin bestehen könnte,

daß nunmehr für ihn

gegen den

Gläubiger

entstehe,

eine persönliche Verpflichtung dieser

Nachtheil

aber zu be­

deutend seyn würde, als daß er wegen einer bloßen Unterlassung

eintreten könnte.

Dem Veräußerer konnte die Benachrichtigung gleichfalls nicht zur Pflicht gemacht werden, weil für ihn ein Präjudiz nicht denkbar ist.

Der Richter oder Notar aber, welcher die

Benachrichtigung unterläßt, macht sich den Interessenten ver­

antwortlich. Der §. 5. besagt:

Auk nothwendige Subhastationen kindet die gegmwar tige Verordnung Keine Anwendung.

Der AdjudiKatar

haktet vielmehr kür sein Gebot mit seiner Person und

seinem ganzen vermögen. Wenn Jemand in einer nothwendigen Subhastation eine

unbewegliche Sache ersteht, so sind die Gläubiger Verkäufer");

sie können,

wenn der Adjudikatar die Zahlung nicht leistet,

nach ihrer Wahl entweder auf Resubhastation antragen, oder das rückständig

gebliebene Kaufgeld gegen ihn einklagen und

sich dieserhalb an dessen gesammtes Vermögen halten"").*) •*)

*) Prozeßordnung TIt. 52. §. 12.

•*) Vgl. den §. 64. a. a. O. und §. 20. der Subhastation«-Verord­ nung vom 4. März 1834. (Gesetzsammlung für 1834. S. 45.)

Ueber die Erwerbung und Ausübung der Realrecbte auf Grundstücke, insbesondere -er Hypothekenrechte, bei nicht vollständig eingerichtetem Hypothekenwesen.

Hßas Allgemeine Landrecht hat die mittelbare Erwerbung des

Grundeigenthums keineswegeS an die Eintragung in das Hypothekenbuch, sondem lediglich an die Uebergabe geknüpft*).

Nur wird für den als Eigenthümer Eingetragenen, wenn

er nicht Eigenthümer ist, das Eigenthum insoweit fingirt, als es zur Auftechthaltung der Rechte, die er einem Dritten ein­ räumt, nöthig ist."). Demnach kann das Eigenthum an Grundstücken nach un­

seren Gesetzen auch da, wo noch keine Hypothekenbücher sind, vollkommen erworben werden, und es fällt daselbst nur die größere Leichtigkeit und Sicherheit

des Verkehrs hinweg,

welche aus der eben erwähnten Fiktion entsteht, so daß in die-

*) Allg. Landrecht Th. I. Tit. 10, §. 7. und folg. a. a. L.

1. »nd folg,

339 (er letzten Rücksicht dieselbe Lage obwaltet, in welcher sich an­

dere Deutsche Länder befinden, worin das gemeine Recht gilt.

Ganz anders als mit dem Eigenthume verhält es sich nach dem Allg. Landrechte mit einigen anderen Realrechten, indem nach jenem Gesetzbuche auch selbst das Daseyn derselben an

die Eintragung in das Hypothekenbuch geknüpft ist, so daß sie damach da, wo das Hypothekenbuch noch gänzlich fehlt, über­ haupt nicht entstehen können.

1.

Dahin gehören:

Die Grundgerechtigkeiten.*)

Bei diesen ist indessen die Nothwendigkeit der Eintragung

durch ein späteres Gesetz aufgehoben worden.*")

2.

Das Vorkaufsrecht.""*)

Dieses Recht ist jedoch weder so häufig, noch so unent­ behrlich für den Verkehr, daß um desselben willen eine außer­

ordentliche Maaßregel nothwendig wäre, wobei vorzüglich zu

erwägen ist, daß dasselbe ja dennoch als persönliches Recht überall erworben werden kann, welche Beschaffenheit desselben

gewiß auch in den meisten Fällen dem Bedürfniße völlig ge­ nügen wird.

3.

DaS Pfandrecht.

Dieses soll nämlich nach dem Allg. Landrechte überhaupt

nicht anders entstehen könnm, als entweder durch übertragenen

Besitz, oder durch Eintragung in die Hypvthekenbücher.'j')

•) Allg. Landrecht Th. I. TIt. 22. §§. 18 und 19. **) Anhang zum Allg. Landrechte, §. 58. «**) Allg. Landrecht Th. I. TIt. 20. §§. 569 und 570.

t) Allg. Landrecht Th. I. TIt. 20. §§. 9. 10. und 411.

340 Daß nun diese zweite Art der Erwerbung da, wo kein Hypochekenbuch existirt, nach dem Allg. Landrechte

un­

möglich ist, leuchtet von selbst toi, und ist auch in demselben

ausdrücklich anerkannt.")

Zn der That aber war daselbst an Grundstücken auch die

erste Art der Erwerbung unmöglich, indem auch diese nach dem Allg. Landrechte im Hypothekenbuche eingetragen seyn

muß, wenn ein eigentliches Pfandrecht, d. h. ein dingliches Recht, entstehen soll."")

Da nun der Realkredit unter die allerwichtigsten und un­ so mußte für solche

entbehrlichsten Rechtsverhältnisse gehört,

Grundstücke der Mangel einer gesetzmäßigen Grundlage dieses

Realkredits als ein drückendes Uebel empfunden werden.

Und

da das Bedürfniß, diesem Uebel abzuhelfen, die Verordnung vom 16. Juni 1820."'") erzeugt hat, so kann man weniger

fragen, warum dieselbe erlassen worden ist, als warum dieses

nicht schon weit früher geschehen sey. Der eigentliche Grund des Uebels lag darin, daß fast alle

unsere früheren Hypothekengesetze, und insbesondere die Hypothekenordnung von 1783., sich damit begnügen, theils die Be­ handlung der damals vorhandenen Hypotheken, theils das nach

Vollendung der Hypvthekenbücher eintretende Verfahren genau zu bestimmen, und daß sie darüber, gar keine Vorschriften ge­ ben, wie in der Zwischenzeit (von der Bekanntmachüng dieser Gesetze an bis zur Vollendung der Hypothekenbücher) Hypo­

theken sollten errichtet werden können.

Diese Lücke erklärt und

entschuldigt sich einigermaßen daraus, daß man stets die sch le u") §• 391. a. a. £>. **) Allg. Landrecht Th. I. Tit. 20. §§. 99. und 100. *”) Gesetzsammlung für 1820. S. 106—108.

341 nige Vollendung aller Hypothekenbücher als

möglich ansah,

wie denn namentlich die Hypothekenordnung von 1783.*) vor­

schreibt, alle noch fehlenden Hypothekenbücher sollten binnen

Noch begreiflicher aber wird

Jahresfrist vollendet werden.

diese Lücke unserer früheren Hypothekengesetze durch einen

Ueberblick derjenigen Veränderungen unserer übrigen Gesetze, welche damit in der engsten Verbindung stehen. Die Hypotheken- und Konkurs-Ordnung vom Zahre 1722.**)

nimmt folgende Rangordnung der hierher gehörigen Gläubi­ ger an:

1.

privilegirte Hypotheken (§. 153. und folg.),

2.

eingetragene,

3.

gerichtlich bestätigte ohne Eintragung (§§. 171. und 172., vergl. mit §. 5.),

4.

stillschweigende (§. 177. und folg.),

5.

Privathypotheken, vermischt mit den bloßen Chirogra­ pharien. (§. 202.)

Die Gläubiger der ersten Art, welche eine privilegirte Hypothek

hatten, standen in der zweiten Klasse, die drei folgenden n der dritten Klasse, die Privathypotheken in der letzten oder fünften Klasse.

Hierauf folgte das Projekt Marchici von 1748.,

welches

des

sogleich

Codicis als

Fridericiani

Gesetz

eingeführt

wurde, und unter andern auch eine Konkursordnung enthielt.

(B. 4. Tit. 9.)

Hier wurden zwar sämmtliche Gläubiger

in acht Klassen vertheilt, jedoch wurde die oben angegebene Rangordnung nur in zwei Stücken abgeändert. nämlich: *) Tit. I. §. 2., Tit. 4. §. 4. ") Myltu«, Th. 1L, Abtheilung 2„ S. 103. und folg.

ES sollten

342 a. die eingetragenen Hypotheken (3te Klasses -or den privi-

legitten (4te Klaffe) dm Borzug haben (§§>. 68. und 75.); b. und eben so die Privathypotheken (7te Klaffe) vor den Chirographarien (8te Klasse). (§§>. 129. und 131.)

Die dadurch gegründete Ordnung ist wiederum durch das folgende Gesetz, daS Corpus Juris Fridericianum von 1781.,

(56. 4. Tlt. 12.) folgendergestalt geändert worden: a. anstatt, daß bis dahin die gerichtlich bestätigten Hypo­ theken vor den stillschweigenden in der 5ten Klaffe schlecht­

hin den Vorzug gehabt hatten, sollten sie nunmehr ihnen gleich stehen, und der Vorzug unter ihnen sollte lediglich

nach der Zeit der Entstehung jeder einzelnen Hypo­

thek bestimmt werden.

(§. 81. und folg.)

b. Die Privathypotheken sollten wiederum, mit dm Chiro­

grapharien vermischt, in der 7ten Klasse pro rata befrie­ digt werden.

(§>. 104. und folg.)

Diese Grundsätze sind es, welche unser allgemeines Hypo-

thekmgesetz, die Hypothekenordnung von 1783., vorfand und »«geändert ließ, und diese Grundsätze muß man voraus­ setzen, wenn eS darauf ankömmt, die Hypothekenordnung zu be­

urtheilen.

Eben dadurch aber wird die oben gerügte Lücke der

Hypothekenvrdnung sehr viel begreiflicher, indem aus dieser feh­

lenden Bestimmung damals in der That kein drückendes Uebel entstand.

Wenn nämlich auch gegen die Erwartung des Gesetzge­ bers d»e Vollendung einzelner Hypothekmbücher noch lange ver­ zögert wurde, so waren doch diejenigen, welche in dieser Zwi­

schenzeit Hypotheken erwerben wollten, keineSwegeS hülflos gelassen.

Denn sie konnten immerhin ihre Hypotheken ge­

richtlich bestätigen lassen, sie erwarben dadurch das Recht der

343 fünften Klaffe, und in dieser fünften Klasse die Priorität nach

der Zeit der Entstehung.

Waren sie also nur vorsichtig

genug in der Prüfung des damaligen Vermögenszustandes ihrer

Schuldner, so hatten fie beinahe dieselbe Sicherheit, wie nach

dem gemeinen Rechte, und sie konnten vorzüglich darüber ge­ wiß seyn, daß ihr Recht nicht durch jede spätere leichtsinnige

Verschuldung gefährdet werden würde.

Sieht man vollends

nicht auf die Stelle im Konkurse, sondern blos auf die Mög­ lichkeit der Entstehung eines Realrechteö, so bedurfte es dazu

noch weit weniger einer provisorischen Anstalt für die oben erwähnte Zwischenzeit.

Denn das Realrecht kam damals jedem

Hypothekengläubiger zu, ohne Rücksicht darauf, ob die Hypothek eingetragen,

oder auch nur gerichtlich bestätigt

seyn

mochte.

Dieses Alles änderte sich völlig, als das Allgemeine Landrecht

und die Prozeßordnung eingeführt wurden.

Denn das Land­

recht verordnete Th. I. Tit. 20. §§>. 411. und 412., daß der Gläubiger

au

einem Grundstücke fernerhin nicht anders als

durch Eintragung ein Realrecht erwerben sollte.

Die Pro­

zeßordnung aber setzte Tit. 50. §. 454. die blos gerichtlich konfirmirten (also nicht mit der Eintragung in ein Hypotheken­

buch versehenen) Schuldkontrakte in die sechste Klasse des Konkurses.

Vergleicht man diese Bestimmung mit der frühe­

ren, nach welcher sie in der fünften Klasse standen, so lag der Verlust, den sie bei dieser Veränderung erlitten, nicht etwa

blos darin,

daß sie um eine Klaffe

heruntergesetzt

wurden,

sondern die sechste Klaffe ließ ihnen auch deshalb keine Sicher­ heit übrig, weil in derselben die einzelnen Posten nicht nach der Zeit der Entstehung, sondern pro rata befriedigt wer­

den, so daß hier auch der vorsichtigste Gläubiger keine Sicher-

344 heit mehr findet, weil er durch jede spätere gleichartige Ver­ schuldung unmittelbar Verlust erleidet. Nach diesen Gesetzen also gab es in der That an Grund­ stücken keinen Realkredit

ein Hypothekenbuch.

mehr,

als durch

Eintragung in

Jetzt war es ein weit dringenderes Be­

dürfniß geworden, die besondere Lage derjenigen Bezirkt zu be­ rücksichtigen, in welchen etwa noch kein Hypothekenbuch vollen­

det seyn mochte, und daß dieses dennoch auch in diesen Gesetzen

«icht geschehen ist, muß weit mehr als bei den früheren Ge­

setzen auffallen.

Auch aus den Akten erhellet der Grund dieses

Stillschweigens nicht.

Schon bet Gelegenheit des gedruckten

Entwurfes zum Allg. Gesetzbuche, Th. II. Tit. 19. §. 7., »no­

rmte das Hofgericht zu Coeslin Folgendes:*) „Nicht zu gedenken, daß an Orten und in Absicht

solcher Grundstücke, wo oder weshalb keine Hypotheken­ bücher gehalten werden, die Konventional-Hypotheken ohne alle Wirkung seyn würden.

nicht wenigstens

außer

der

Man submittiret daher, ob

Eintragung

alternative

auch dem gerichtlichen Konsens oder der Verlautbarung die Wirkung des dinglichen Rechts beizulegen seyn dürfte." Alleil», obgleich dieses Monitum in den Extrakt der Monita mit ausgenommen worden war,**) so ist doch dasselbe in der

Revision

der Monita gänzlich mit Stillschweigen übergangen

worden. **”)

Der aus dieser Lücke der Gesetze entspringende Nachtheil erforderte nun eine Abhülfe um so dringender, je einleuchten­ der es war, daß dabei den Gläubigern gar keine Nachlässig*) Materialien zum Allg. Landrrchte, Bd. 62. Bl. 37. und 38.

"") A. a. £>• Bd. 79. Bl. 321. "*) A. a. O. Bd. 80. Bl. 304. und 308.

345 feit zur Last fiel, und daß die Vollendung der noch fehlenden Anstalten lediglich von dem Staate und dessen Behörden be­

wirkt werden konnte.

Diese Abhnlfe aller konnte nur darin

bestehen, daß für solche Gerichtsbezirke und Grundstücke einst­

weilen, bis zur endlichen Vollendung der Hypothekenbücher, ein

Surrogat derselben aufgestellt wurde. Viele Untergerichte in Ost- und Westpreußen und Litthauen

hatten sich in

sogenannten Eintragungstabellen ein sol­

ches Surrogat geschaffen, von welchem sie annahmen, daß die Eintragung in diese Tabelle eben die Wirkung haben müsse, als die Eintragung in ein vorschriftsmäßig eingerichtetes Hy­

So offenbar unrichtig

pothekenbuch.

diese Ansicht auch war,

so hatte sie sich doch, eben weil die Gerichte ihr folgten und

der Nothstand sie

gewissermaßen

begünstigte,

auch

bei

dem

Publikum festgesetzt, und es war die allgemeine Meinung ent­ standen, daß durch diese Prozedur sowohl das Realrecht gegen

den Besitzer des verpfändeten Grundstückes, als auch das Recht, im Falle eines Konkurses in der dritten Klasse

angesetzt

zu

werden, erworben werde. Hierzu kam die Lage der Sache in den, feit dem Zahre

1813. sollte

wieder-

unser

und neu

erworbenen

Hypothekenwesen

neu eingeführt werden.

Provinzen.

restaurirt,

in diesen

Dies erforderte Zeit,

Zn

jenen

sollte

es

und man kam

sehr bald zu der Ueberzeugung, daß bis zur vollendeten Regulirung der Einrichtung die gedachten Lande'stheile des hypothe­

karischen Verkehrs nicht entbehren könnten.

Auch hier mußte

also ein Interimistikum geschaffen werden,

durch welches die

Erwerbung der Real- und Hypothekenrechte, auch ohne Eintra­ gung in Hypothekenbücher, die noch nicht existirten, und deren

— Anschaffung

346



mancherlei Vorarbeiten

erforderte,

möglich gr»

macht wurde.

Der Zustij-Mintster von Kircheisen schlug vor, den in der Hypothekenordnung Tit. 4.

28. und folg, bezeichneten

vorläufigen Eintragungstabellen

die Kraft wirklicher

Hypothekenbücher zu geben und das Hypothekenrecht an die Ein»

tragung in diese Tabellen zu binden.

Der Zustiz,Minister von Beyme glaubte auf einem an, deren Wege zum Ziele gelangen zu können.

wo die Hypothekenbücher selbst fehlten,

Er wollte da,

oder die Vorarbeiten

der Gerichte noch nicht beendigt waren, das Realrecht schon alsdann für erworben ansehen, wenn der Berechtigte die Be< fugniß erlangt hatte, die Eintragung zu fordern.

Hiernach

sollte also der bloße Titel zum Realrechte das Realrecht selbst begründen. Bei der weiteren Berathung verwarf man beide Vorschläge und fand sich zu einem dritten bewogen, aus welchem die in der

Verordnung vom 16. Zuni 1820.*) angenommenen Grund­

sätze hervorgegangen sind.

Dieses Gesetz stellt ein Surrogat

der wirklichkn Eintragung auf, das sich so nahe als möglich

•) E« heißt In dem Eingänge der Verordnung: Da in einem Theile derjenigen Unserer Provinzen, worin das Sillgemeine Landrecht, die Allge. meine Gerichtsordnung und die Hypothekenordnung stets in Anwendung ge­ blieben find, desgleichen In denjenigen tieuen oder wiedererworbcnen Provin­ zen, worin Wir diese Gesetze neu oder wieder eingeflihrt haben, die Einrich­ tung der Hypothekenbüchcr noch nicht hat vollendet werden können; und da zugleich über die Anwendung mehrerer Stellen aus jenen Gesetzen, worin das Daseyn von Hypothckenbüchern vorausgesetzt wird, daselbst Zweifel ent­ standen find; so verordne» Wir für die In den gedachten Provinzen noch nicht mit Hypothekenbüchern versehene Gerichtsbczirke (jedoch mit Ausschluß des Herzogthums Sachsen, indem für dasselbe über diesen Gegenstand eine be­ sondere Verordnung heute erlassen worden — Gesetzsammlung für 1820. S. 101. bi« 105.), nach erfordertem Gutachten Unser« Staatsraths, wie folget: k,

347

an denjenigen Hergang anschließt, welcher da, wo bereit- Hypothekenbücher eingerichtet sind, beobachtet wird. Dieser Hergang aber läßt sich in folgende einzelne Be, standtheile auflösen: a. wirkliches Daseyn eines Titels zur Hypothek, b. Anmeldung zur Eintragung, c. Prüfung und Genehmigung der Eintragung von Seitm der Hypothekenbehörde, d. wirkliche Eintragung. Bon diesen 4. Stücken ist einstweilen noch das vierte unmög­ lich, die drei ersten dagegen können schon gerade so, wie nach der Vollendung des Hypothekenbuches eintreten. Und hieraus rechtfertigt sich das Surrogat jener Verordnung, welches darin bestehet, daß der Gläubiger einen Titel zur Hypothek wirklich habe und zur Eintragung anmelde und bescheinige, die Hypothekenbehörde aber den Grund dieses Gesuches prüfe und dasselbe nach Befinden, unter Ertheilung einer Rekognition"), genehmigt. (§>§>. 1. und 2. der Verordnung vom 16. Zuni 1820. ••) •) Vgl. das Reskript v»m 1. Mai 1838. (Jahrh. Bd. 51. S. 410. bi# 412.) *• ) §. 1. Wer auf ein In einem solchen Gertchtsbezirk gelegene# Grund­ stück künftig irgend einen Titel zu einer Hypothek erwirbt, hat denselben so­ fort zum Behuf der künftigen Eintragung bei der Hypoihekenbehorde anzumelden, und derselben seine Urkunden und Beweisviittcl zu übergeben. §. 2. Die Hypothekenbehörde wird hierdurch angewiesen, den angemeldeten Titel nicht blo# für die künftige Eintragung genau aufzuzeichnen, son­ dern auch sofort zu prüfen, ob die Hypothek zur Eintragung schon geeignet ist, und in diesem Falle demjenigen, welcher die Eintragung sucht, eine Rekognition darüber unter dem Original-Instrumente, worin die Hypothek be­ stellt worden ist, au#zufertigen, sodann aber sämmtliche Urkunden und Be­ weismittel dem Gläubiger zurückzugeben.

348 Was nun die Rechte anlangt, welche mit dem Gebrauche dieses Surrogats verknüpft worden, so sind dahin, — während zufolge der §§. 9. und 10. der Verordnung, die 411. und 412. Tit. 20. Th. I. des Allg. Landrechts und der §. 394. Tit. 50. der Prozeßordnung für die betreffenden Grundstücke bis zur Vollendung des Hypothekenbuches derselben suspendirt bleiben, — in Gemäßheit des §. 5. der Ver­ ordnung*)* folgende *§ zu zählen: 1. das Realrecht, d. h. das Recht gegen jeden dritten Besitzer; 2. die Eintragung in das künftig vollendete Hypothekenbuch nach der Zeit der Anmeldung**); 3. die Rangordnung mehrerer solcher Gläubiger unter einan­ der nach der Zeit der Anmeldung; *) §. 5. In allen diesen Fällen erwirbt der Gläubiger durch diese Anmeldung und Bescheinigung das Recht: a) seine Ansprüche gegen dritte Besitzer zu verfolgen; b) auf Eintragung ins Hppolhekenbuch, bei dessen künftiger Vollendung, nach dem Zeitpunkt der geschehenen Anmeldung; c) bet einem, wenn gleich vor Vollendung des Hypothekenbuchs aus­ brechenden Konkurse auf Ansetzung in die dritte Klaffe, gleichfalls nach dem Zeitpunkt der geschehenen Anmeldung. §. 9. Alle Bestimmungen Unserer Gesetze, welche mit dem Inhalt der gegenwärtigen Verordnung hu Widerspruche stehen wurden, und namentlich die §§. 411. und 412. des Allgemeinen Landrechts Th. L Tit. 20., so wie der §. 394. der Allgemeinen Gerichtsordnung Th. 1. Tit. 50., sollen in den oben bezeichneten Gerichtsbezirken noch zur Zeit nicht zur Anwen­ dung kommen, indem Wir alle diese Gesetzesstellen hierdurch hahin erklären, daß darin andere Verhältnisse, als für welche die gegenwärtige Verordnung erlassen wird, vorausgesetzt sind. § 10. Sobald in einem solchen Gerichte das Hypothekenbuch voll­ endet ist, hat das Gericht diese Vollendung fn dem Amtsblatt der Regie­ rung bekannt zu machen. Mit dieser Bekanntmachung hört für die betref­ fenden Grundstücke in einem solchen Gertchtsbeztrk die im §. 9. ausge­ sprochene Suspension auf. ) Vgl. das Reskript vom 9. Februar 1840. (Justiz-MinisterialBlatt, Jahrgang II. S. 66.)

349

4.

das Recht der dritten Klasse im Konkurse, an dessen

Stelle jetzt das besondere Verfahren nach

5. der Ver­

ordnung vom 28. Dezember 1840.*) tritt. Rückfichtlich der in der Zwischenzeit, nämlich in der

Zeit zwischen

der Ernführung

der Hypothekengesetze und der

künftigen Vollendung des Hypothekenbuches, errichteten und angemeldeten Hypotheken

mußte

man hierbei

davon

anSgehen,

daß sie in die künftigen Hypothekenbücher nach der Zeit ih­

rer Anmeldung einzutragen seyen.

Dies war schon in ei­

nigen für die Provinz Westpreußen im Zähre 1773. erlassenen Verordnungen**) so bestimmt ausgesprochen worden, daß hier­

aus deutlich erhellet, wie sehr eS dem Geiste unserer Hypothe­ kengesetzgebung angemessen ist.

Zwar scheinen

einige

spätere

Gesetze, wodurch unsere Hypothekenordnung in neue Provinzen eingeführt worden ist***), diesem Grundsätze zu widersprechen.

Allein alle diese Verordnungen haben, wie ihre eigenen

Worte zeigen, lediglich den Zweck, die älteren, d. h. die vor der Einführung unserer Gesetze entstandenen, Hypotheken

in Schutz zu nehmen.

Deshalb bestimmen sie, daß diese äl­

teren Hypotheken den erst in

jener Zwischenzeit

entstandenen

schlechthin, ohne Rücksicht auf die frühere Zeit der Anmeldung, vorgehen

sollen,

welche Vorschrift auch nach dem §>. 6. der

*) Gesetzsammlung für 1840. S. 5.

••) Neue Edlkttnsamml. für 1773., S. 155. 399. 860. 1338.1582. ***) Stengel'« Beiträge, Bd. 12. S. 344. (für Südpreußen) Neue Edlktensammlung für 1797. S. 1019. (für Neuostpreußen)

Gesetzsammlung für 1815. S. 187. §. 8. (für die Provinzen jen­

seit« der Elbe) Gesetzsammlung für 1818. S. 23. §. 12. (für Posen)

350

Verordnung vom 16. Zuni 1820.*) unversehrt geblieben Ist.**) Dieselbe regelt blos bei mehreren in der Zwischenzeit ent­ standenen Hypotheken die Priorität derselben unter sich nach der Zeit der Anmeldung, und dieses stehet mit dem Sinne und der Absicht der vorher angefuhtten Gesetze durchaus nicht im Wi­ derspruche. Besonders einleuchtend ist in dieser Rücksicht der Unterschied der in neu erworbenen Provinzen vor oder nach der Bekanntmachung der diesseitigen Hypothekengesetze errichteten Hy­ potheken. Bei den älteren Gläubigern, deren Rechte sich aus der Zeit vor der Einführung unserer Hypolhekengesetze herschrie­ ben, konnte die frühere oder spätere Anmeldung von vielen Zu­ fällen abhängen; darum mochte es hart scheinen, ihre Priori­ tät überall nach der Zeit der Anmeldung zu bestimmen. Ganz anders verhält es sich mit den, seit der Einfüh­ rung unserer Hypothekengesetze errichteten Hypotheken. Hat das Gesetz für diese die Priorität ausdrücklich an die Zeit der An­ meldung geknüpft, so können die Gläubiger nicht über Härte, noch über einen zufällig entstandenen Nachtheil klagen. Denn da das Gesetz zu der Zeit, wo sie kontrahirten, vorhanden und *) §. 6. Der nach b. und c. des vorigen Paragraph« (§. 5.) an die Zeit der Anmeldung geknüpfte Rang, soll jedoch in Unsern neu oder wie­ dererworbenen Propiiije» für diejenigen Fälle eine Ausnahme leiden, in welchen eine solche neuerrtchiele Hypothek mit einer alten (b. h. vor Ein­ führung Unserer Hypothekenordnung entstandenen) Hypothek konkurrirt. Ist nämlich In einem solchen Falle die alte Hypothek nur überhaupt innerhalb de« durch da« Hypothekenpatent vorgeschriebenen Präklufivtermin« angemeldet worden; so soll ste der neuerrlchteten schlechthin Vorgehen/selbst wenn diese früher al« jene angemeldet seyn sollte. ") Vgl. da« Justit-Ministerial-Blatt, Jahrgang III. S. 26—27. und Jahrgang IV. S. 45. und folg.

351 allgemein bekannt war, so stand es in ihrer Macht, sich so­ gleich zu melden

Priorität zu

und dadurch ihrer Forderung die günstigste

verschaffen,

welche

für dieselbe gerechter Weise

»erlangt werden konnte.

Was daS Recht der dritten Klasse betrifft, so war zwar ein Vorschlag dahin gegangen, zu den Grundsätzen des

Corpus Juris Fridericiani zurückzukehren und die Stelle in der

fünften Klasse einzuräumen, indem das besondere Borrecht der dritten Klasse nur durch die wirkliche Eintragung erwor­

ben werden

fit, die hier in Frage kommenden Gläubiger

aber höchstens diejenigen Rechte in Anspruch nehmen dürften,

welche ehemals den gerichtlich konfirmirten Hypotheken zukamen.

Allein man entschied

sich doch aus

folgenden

Gründen für

die dritte Klaffe:

a.

weil die Annahme der fünften Klasse für diese Fälle so­

wohl zu unserer gesammten Gesetzgebung, als

zu dem

für dieselben Hypotheken künftig nach Vollendung der Hypothekmbücher eintretenden Rechte gar nicht passe;

b.

weil auch die Vergleichung mit den ehemaligen gerichtlich

konfirmirten Hypotheken nicht paffend sey, indem diese Kon­

firmation von jedem Richter ertheilt werden konnte, die hier vorausgesetzte Anmeldung und Bestätigung hingegen dem judex rei sitae vorbehalten bleibe und deshalb größe­

res Gewicht haben könne.

Dieses sind die Rechte, welche deck hier in Frage stehen­

den Hypotheken zugestanden sind.

Aiuch so ist ihre Lage noch in

mancher Rücksicht ungünstiger, als nach der wirklichen Eintra­ gung, welches jedoch unvermeidlich und nur durch die Bollen-

dnng der Hypothekenbücher zu beseitigen ist, deren Beschleuni-

352 gung der 11.*) der Verordnung befiehlt. Bis zu der Vollendung müssen insbesondere die Gläubiger, zufolge des 7. der Verordnung*"), im Streite mit einem Dritten das wirkliche Eigenthum des verpfändenden Schuldners dar­ thun*""), wovon der eingetragene Gläubiger deshalb frei ist, weil der wirklichen Eintragung die Berichtigung des Befitztitels vorausgegangen seyn muß. Endlich mußte das Gesetz die Frage entscheiden: ob die durch dasselbe verheißenen Rechte blos bei künftigen, oder auch bei den schon nach Diaaßgabe desselben errichteten Hyypotheken rintreten sollten. Dies geschieht in dem §. 3. der Verordnung^), welcher die *) H. 11. Sämmtliche Gerichte werden hierdurch ernstlich erinnert, die Vollendung der noch fehlenden Hypothekenbücher möglichst zu be­ schleunigen. ** ) §. 7. Zeder Gläubiger, welcher die in der gegenwärtigen Verord­ nung enthaltenen Rechte geltend machen will, muß erforderlichen Falls das Eigenthum desjenigen, von welchem er feine Hypothek herleitet, Nachweisen, und wird von diesem Beweise durch die ihm in Gemäßheit deS §. 2. er­ theilte Rekognition nicht befreiet. ** *) Vgl. das schon oben allegirte Reskript vom 1. Mat 1838, (Jahrbücher, Bd. 51. S. 410 — 412.) Dieser Nachweis ist übrigens durch die Vorschriften der KabinetSorder vom 9. Mai 1839. zu I. (Gesetzsamm­ lung für 1839. S. 163.) wesentlich erleichtert und eben so die Bestim­ mung deS §. 8. der Verordnung vom 16. Juni 1820., in Betreff deS VerfahrenS bei Subhastationen: Verlangt ein Gläubiger, welchem auf Grund der gegenwärtigen Verord­ nung ein Hypothekenrecht zusteh^. die Subhastatton eines Grundstücks, so soll dabei nach den Vorschriften der Allgemeinen Gerichtsordnung Th. I. Tit. 51. §. 91. und folgende verfahren werden; durch den §. 7. der SubhastationS-Berordnung vom 4. März 1834. (Gesetz­ sammlung für 1834. S. 40.) weiter ausgedehnt worden. t) §• 3. Zst in der vergangenen Zeit eine solche Anmeldung und Bescheinigung bereits vorgekommen, so soll dieselbe gleichfalls die in dieser Verordnung enthaltenen Rechte und Vorzüge genießen. §. 4. Ist in einem solchen Falle zwar die Anmeldung bereits gesche-

353

in derselben enthaltenen Rechte und Vorzüge auch auf die schon

in der vergangenen Zeit durch Anmeldung und Bescheinigung

errichteten Hypotheken zurück erstreckt.

Diese Rückanwendung

deS Gesetzes rechtfertigt sich aber auS folgenden Gründen: 1.

Wie schon oben bemerkt worden, erwähnen sowohl

das Allgemeine Landrecht als die Prozeßordnung den besonde­ ren Fall, wovon hier die Rede ist, eigentlich gar nicht.

DaS

Eigenthümliche dieses Falles besteht darin, daß das Hypothe­

kenbuch bereits (wenigstens durch die Anmeldung) vorbereitet ist, daß dazu Schritte geschehen sind, daß es aber noch nicht

hat vollendet werden können.

Indem nun jene Gesetzbücher

ausdrücklich nur den Fall des völlig vorhandenen und den des gar nicht vorhandenen HypothekenbucheS bestim­

men, wird von ihnen der dritte Fall, nämlich der des ein-

geleiteten, aber unvollendeten Hypothekenbuches, eigent­ lich übergangen.

Indem man nun für diesen Fall ein neues

Gesetz erließ, so enthielt dasselbe nicht sowohl eine Abänderung des bis dahin bestandenen Rechtes, als vielmehr eine authenti­

sche Ergänzung desselben.

Es konnte daher unbedenklich

auch auf vergangene Fälle angewendet werden.

Die Richtigkeit dieser Ansicht wird besonders bestätigt

durch die Worte der hierher gehörigen Hauptstelle der Prozeß­

ordnung Tit. 50. §. 394.: Wenn an einem Orte noch keine ordentliche Hypotheken­ bücher eingerichtet seyn sollten, so kanü auch in dem Kon-

he», jedoch die Prüfung und Bescheinigung von Seiten der Hypotheken­ behörde noch nicht hinzugekomwen (welche- vorzüglich in den neuen oder wiedererworbenen Provinzen der Fall ist), so soll diese Prüfung und Be­ scheinigung noch jetzt auf Verlangen de- Gläubiger« unverzüglich nach» geholt werden.

354

kur< eines Einwohners und Grundbesitzers an diesem Orte

keine Dritte Klaffe Statt finden; allermaaßen die bloße Eintragung in HauS-, Handels-, Konsens-, Kon-

sirmations-, oder andere dergleichen nicht nach der Form und Vorschrift der Hypothekenordnung

eingerichtete Büch er, dieses Vorrecht nicht begrün­ den kann.

Offenbar will dieses Gesetz nur verhüten, daß die Konsens-

bücher u. s. w. mit wahren Hypothekenbüchern verwechselt und deswegen aus Bequemlichkeit jene älteren unvollkommeneren Bü­

cher beibchalten werden; dagegen ist in demselben der hier vor­ liegende Fall nicht beachtet, in welchem nämlich der Gläubiger

alles Nöthige zu einer wahren Eintragung schon gethan hat, und diese ohne seine Schuld noch nicht hat auSgeführt werden

können. 2.

Dazu kam in den östlichen Provinzen die von den

Behörden bezeugte allgemeine Meinung

der Einwohner, daß

auch in dieser Zwischenzeit das Recht der dritten Klasse envor-

ben werden könne.

Eben wegen dieser allgemeinen Meinung

ließ sich insbesondere auch nicht behaupten, daß den auf die viert« oder fünfte Klaffe berechtigten Gläubigern Etwas gegen

ihre gerechte Erwartung entzogen würde. 3.

Hätte man in diesen Provinzen die vergangene und

künftige Zeit getrennt, so würde dadurch unvermeidlich den

Grundeigenthümern das Mittel zur größten Unredlichkeit ge­ gen ihre bisherigen Gläubiger gegeben worden seyn. Alle Hypotheken nämlich, welche bis dahin nach der Meinung

beider Theile vollgültig errichtet waren, würden vernichtet wor­ den setui, und dagegeir hätte der Eigenthümer durch schleunige Benutzung des neuen Gesetzes das Recht der

dritten Klaffe

355 an neue Gläubiger überlassen, und dadurch das Gut derge­

stalt gesetzmäßig verschulden können, daß den alten Gläubi­ gern kein Befriedigungsmittel übrig geblieben wäre. Ein anderer Grund aber trat noch für die wieder-

4.

rrworbenen Provinzen hinzu.

Hätte man in diesen, vor der

Vollendung der Hypothekenbücher, den scheinbaren Buchstaben deS

Allgemeinen

Landrechts

und

der

Allgemeinen

Gerichts-

Ordnung geltend machen wollen, gegen welchen die ganze vor­

liegende Verordnung

gerichtet ist, so

hätte

man

einstweilen

auch den vor der Einführung unserer Gesetze entstandenen Hy­

potheken das Recht der dritten Klasse versagen müssen.

Nun

war aber diesen, auch schon für die zunächst eintretenden Kon­ kurse, das Hypothekenrecht und das Recht der dritten Klasse

ausdrücklich zugesagt, also für solche Fälle zugesagt, in wel­

chen sie eine Eintragung in der That noch gar nicht erlangt haben konnten*). Um dieser Fälle willen

hätte man also ohnehin

etwas

außer der buchstäblichen Bestimmung des Allgemeinen Land­ rechts

und

der

nehmen müssen.

Allgemeinen

Gerichtsordnung

Liegendes

an-

Sobald dieses aber einmal als möglich aner­

kannt wurde, war es am konsequentesten, oder vielmehr Ergänzung

diese Abweichung

so weit fortzuführen,

als es zur

Befriedigung deS BedürfnißeS nöthig war.

5.

Endlich kam auch noch der Grund hinzu, daß alle

diejmigen, welche durch die Verordnung etwa einen Nachtheil

erleiden mochten, diesen Nachtheil unfehlbar selbst verschulden mußten.

•) Gesetzsammlung für 1814. S. 93. §• 15. (für die überelbischm

Provinzen) und für 1816. S. 222. §. 19., S. 229. §. 19. (für Westpreußen und Posen.)

356 Sie alle konnten sich gleichfalls bei der Entstehung ihrer Forderung selbst zur Eintragung anmelden und dadurch eben so das Recht der dritten Klaffe erwerben.

Wenn sie dieses

verabsäumten, so mußten sie sich selbst die Folgen beimessen. Zn den wtedererworbenen Provinzen waren sie dazu durch ganz

neue Hypothekenpatente

ausdrücklich

aufgefordert,

und auch

in den alten Provinzen bestand eine solche allgemeine Auffor­ derung,

seitdem überhaupt eine Preußische Hypothekenverfas­

sung eingeführt war.



Es bleibt nunmehr noch der Deklaration vom 28. Zuli 1838. *) zu gedenken, welche zwei Differenzen beseitiget hat,

die in Betreff der Anwendung der Verordnung vom 16. Zuni 1820. entstanden waren.

Erste Differenz. Zedr Hypothekenbehörde kann sich, im Verhältniße zu den

ihr untergebenen Grundstücken, möglicherweise in einem drei­ fachen Zustande befinden: 1) Alle diese Grundstücke können völlig eingerichtete Hypothekenbücher haben.

2) Alle diese Grundstücke

können solche Hypothekenbücher

noch zur Zeit entbehren.

3) Ein Theil der Grundstücke.kann solche Hypothekenbücher

haben, ein anderer Theil sie entbehren. Ueber die zwei ersten Fälle kann kein Streit obwalten.

Auf den ersten muß unbedingt das Allgemeine Landrecht und

die Prozeßordnung nebst

der Hypothekenordnung

') Gesetzsammlung für 1838. S. 428.

angewendtt

357

werden, auf den zweiten die provisorisch vorsorgende Vorschrift der Verordnung vom 16. Zuni 1820. Streitig war aber der dritte Fall, in welchem das Geheime Ober-Tribunal") die angeführte Verordnung für unanwend­ bar hielt, so daß in dem Bezirke einer solchen Hypothekenbe­ hörde die noch nicht regulirten Grundstücke den durch jene Verordnung bezweckten Vortheil entbehren sollten, — während das Zustiz-Ministerium der entgegengesetzten Meinung"") war. Zur Entscheidung dieser Streitfrage konnte man einen zwiefachen Weg einschlagen, indem man vorzugsweise entweder die Worte der auszulegenden Verordnung, oder den Sinn uud die Absicht derselben in'S Auge faßte. Der erste Weg der Auslegung (nach den Worten) führte zu keinem ganz sicheren Resultate. Der Eingang der Verord­ nung vom 16. Zuni 1820. bestimmt den Umfang ihrer Wirk­ samkeit in folgenden Worten: so verordnen Wir für die... noch nicht mit Hypothek kenbüchern versehenen Gerichtsbezirke. Bei der Erklärung dieser Worte kam es darauf an, was man unter einem Hypothekenbuche versteht. Gerade darüber ist aber der Sprachgebrauch unserer allgemeinen Gesetze schwan­ kend. Die Hypothekenordnung, Tit. 1. §>§. 5. 6. 8. 9. 16. nennt die Gesammtheit der von einer einzelnen Hypothekenbe­ hörde ausgehenden Eintragungen das Hypothekenbuch der­ selben, welches nach Umständen in Einem Bande, oder in vie•) Vgl. die Entscheidungen desselben, Bd. I. S. 112. und folg. ** ) Vgl. das Reskript vom 24. Mai 1833. (Jahrbücher, Bb. 41. G. 552.)

358

len Bänden

enthalten

seyn kann.

Zn diesem gemeinsamen

Hypothekenbuche des ganzen Distrikts hat jedes einzelne Grund­

stück sein besonderes Folium. (§. 8.) Dagegen erwähnt der §.30. das Hypothekenbuch ei­ nes jeden Grundstückes, und damit stimmt nicht nur der

§. 34. desselben Titels überein, sondern auch die Allgemeine Ge­ richtsordnung Th. I. Tit. 50. §. 394.

gebrauche hat

Nach diesem Sprach­

jede Hypothekenbehörde nicht Ein Hypotheken­

buch zu führen, sondern so viele einzelne Hypothekenbücher, als Grundstücke zu ihrem Gerichtsbezirke gehören. Der erste Sprachgebrauch schien der Auslegung des Ge­ heimen Ober-Tribunals günstig.

Denn wenn eine Hypothe­

kenbehörde 1000. Grundstücke umfaßt,

wovon auch

nur ein

einziges regulirt ist, so gehört sie nicht mehr unter die noch nicht mit Hypothekenbüchern versehenen. mehr bereits

ein Hypothekenbuch, wenngleich

Sie hat viel­

ein noch un­

vollständiges.

Ganz anders nach dem zweiten Sprachgebrauche.

Nach

ihm hat die Hypothekenbehörde für jedes regulirte Grundstück

ein Hypothekenbuch, für jedes nicht regulirte hat sie ein sol­

ches nicht; sie gehört mithin in Ansehung aller unter ihr ste­ henden nicht regulirten Grundstücke wirklich unter die noch

nicht mit Hypothekenbucher,n versehenen, auf welche die Verordnung vom 16. Zuni 1820., nach deren ausdrückli­ cher Vorschrift, angewendet werden soll.

Die bloße Wortbedeutung also entschied über die er­

wähnte Streitfrage nicht, sie ließ vielmehr freie Wahl zwischen beiden streitenden Meinungen.

Wenn man dagegen nach dem Sinne und

den zweiten Weg der Auslegung

der Absicht

des Gesetzes versuchte,

359 so verschwand jeder Zweisel.

stimmt,

der

großen

Jene Verordnung war dazu be­

Verlegenheit

derjenigen

Grundejgenthü-

mer abzuhelsen, deren Grundstücke noch nicht mit einem Hy-

pothekenbuche versehen sind, oft ganz ohne ihre Schuld, und die daher einstweilen weder die Vortheile der früheren (ganz

abgeschafften), noch die der gegenwärtigen (auf sie nicht an­

wendbaren) Gesetzgebung genießen können.

Sie ordnete daher

ein Surrogat an, wodurch auch schon jetzt der

Eigenchümer

eines noch nicht regulirten Grlindstückes das Recht der dritten Klaffe im Konkurse sollte erwerben können.

Natürlich sollte

diese Wohlthat allen in solcher Lage befindlichen Eigenthümern

zu Theil werden, und der Rechtszustand ihrer Nachbarn konnte darauf durchaus keinen Einfluß haben.

Gesetzt also, es fan­

den sich neben einander zwei Hypothckenbezirke, jeder von 1000. Grundstücken; in einem derselben war noch gar kein Hypothe­

kenbuch vorhanden, in dem andern war ein einziges Grundstück regulirt und mit einem Hypothekenbucht versehen.

Nach der

Absicht des Gesetzes mußten die 1000. Grundstücke des ersten

Bezirks und 999. des zweiten »ach der neu eingefühtten Form

behandelt werden, also einer hypothekarischen Eintragung fä­ hig seyn.

Nach der Meinung des Geheimen Ober-TribunalS

dagegen wäre das Gesetz mit auf die Grundstücke des ersten, und gar nicht auf die des zweiten Bezirks anzuwenden gewe­ sen.

Za, was noch mehr ist, wenn in dem ersten Bezirke ein

einziges Grundstück mit einem Hypothekenbuch versehen worden

wäre, so würden dadurch alle übrigen des Vortheils, den ih­ nen das Gesetz bis dahin unzweifelhaft gewährte, verlustig ge­

worden seyn, weil die Hypothekenbehörde des Bezirks aufge«

hört hätte, mit keinem Hypothekenbuche ppxsehen zu

sie Y n.

360 ES ist einleuchtend, daß durch diese Auslegung die Er­ leichterung des Verkehrs, welche die Verordnung vom 16. Zuni

1820. augenscheinlich bezweckte, in der Anwendung theils vernichtet und das Gesetz selbst zu

größten-

einem ganz inkonse­

quenten und unpraktischen gemacht wurde.

Man durfte diese Auslegung daher um so weniger beste­

hen lassen,

als auch schon anderweit

deutlich

ausgesprochen

worden war, wie die Sache zu verstehen sey. Zn der Verordnung vom 31. März 1834., wegen Ein­ richtung deS Hypothekenwesens im Herzogthnme Westphalen*),

heißt es nämlich:

§. 24.

Wenn für ein Grundstück ein Folium im Hy­

pothekenbuche angelegt ist, so hött in Bezie­

hung auf dasselbe die im §. 13. des Patents vom

21. Zuni 1825.

erfolgte Suspension

derjenigen Ge­

setze auf, welche das Daseyn eingerichteter Hypotheken­ bücher voraussetzen, und es treten die Vorschriften der Hypothekenordnung und der sich darauf beziehenden ge­

setzlichen

Vorschriften

in

volle Kraft.

Insbesondere

kann auf ein solches Grundstück ein Realrecht

nach Vorschrift Unserer Verordnung vom 16. Zuni 1820., oder nach den 8—12. des Pa­

tents

vom 21. Zuni 1825. nicht ferner erworben

werden.

§. 25.

Zn Beziehung auf solche Grundstücke, womit noch

kein Folium im Hypothekenbuche angelegt ist, bleibt

eS dagegen

bei den Vorschriften der

•) Gesetzsammlung für 1834. S. 47. und folg.

361

8 —13. des Patents vom 21. Zuni 1825. und der Verordnung vom 16. Zuni 1820.

Hierin war zur Genüge kund gegeben, daß die Verord­ nung vom 16. Zuni 1820. auf jedes Grundstück, für welches noch kein Hypothekenblatt existirt, Anwendung findet, nnd die­

ser Grundsatz mußte um so mehr aufrecht erhalten werden, als nur in Voraussetzung desselben die Zwangs-Besitztitel-Be­

richtigung durch die KabinetSorber vom 31. Oktober 1831.*) suSpendirt

werden

konnte,

ohne in

die

PrivatrechtSverhält-

niße störend einzugreifen. Demzufolge mußte die authentische Deklaration in diesem richtigen Sinne erfolgen, wie eS im §. 1. der

Deklara­

tion vom 28. Zuli 1838.**) geschehen ist. Zweite Differenz. Der §>. 2. der Verordnung

vom

16. Zuni 1820. be­

stimmt unter andern: über den angemeldeten und bescheinigten, zur Eintragung für geeignet befundenen Titel sey eine Rekognition unter deyi

Original-Znstrumente auszufertigen

und der §. 5. knüpft das Recht der dritten Klasse an diese Anmeldung und Bescheinigung.

DaS Geheime Ober-Tribunal sagte nun, dieses Vorrecht

sey

nur

strictissime zur Anwendung zu

bringen,

*) Gesetzsammlung für 1831. S. 251. •*) §. 1. Die Verordnung vom 16. Zuni 1820. ist auf jedes einzelne Grundstück bis zu seiner Eintragung in da« Hypothekenbuch anwendbar, ohne Unterschied, ob andere, In demselben Gerichtsbezirke befindliche Grund­ stücke In da« Hypothekenbuch diese« Gerichttbezirk« bereit« eingetragen find oder nicht.

362 und müsse daher versagt werden, sobald die Rekoguition nicht auf dem Instrumente selbst, sondern in einer abgeson­ derten Urkunde ertheilt sey.

Das Justiz-Ministerium

war

anderer Meinung, indem es die Worte: „unter dem Ori­ ginal-Instrumente" blos als eine reglemrntarische Vor­

schrift ansah und ihnen nicht die Kraft

einer,

das Recht

selbst bedingenden Form beilegte. Die strikte Auslegung des Geheimen Ober-TribunalS hätte vertheidigt werden können, wenn der

2. vorschriebe, daß die

Rrkognition gleichzeitig mit der Anmeldung, also an dem­

selben Tage,

erfolgen solle.

Allein dieses ist nicht nur nicht

vorgeschrieben, sondern sogar in den meisten Fällen nicht ein­ mal möglich.

Denn die Hypothekenbehörde soll zuvor den Ti­

tel prüfen.

Dazu gehört mehr oder weniger Zeit und ein

bestimmter Termin läßt sich dafür gar nicht vorschreiben.

So

kann z. B. Zeder die Erfahrung machen, daß selbst bei regu-

lirten Hypothekenbüchern das Gericht oft nicht im Stande ist,

eine gebetene Eintragung in kurzer Frist zu bewirken, und da, wo ein Grundstück noch kein Hypothekenbuch hat, ist diese Schwie­

rigkeit gewiß

nicht

geringer.

Eine

scheinbare

Einwendung

hätte man ferner aus dem im §. 2. gebrauchten Ausdrucke „sofort" hernehmen können. Allein dieser Ausdruck sagt nicht,

daß die Behörde auf der Stelle (also vielleicht ohne die nö­ thigt Prüfung) die Rekognition ertheilen, sondern nur, daß

sie die Prüfung

gleich

jetzt vornehmen und nicht etwa als

bloßes Material zum künftigen definitiven Hypothekenbuche zu­ rücklegen soll.

Gesetzt nun, es hätte ein Gläubiger das Vorrecht der

dritten Klaffe verlangt und eine abgesonderte Rekognition produzirt,

so

hätte selbst dasjenige Gericht, welches für dir

363 strikte Auslegung des Geheimen Ober »Tribunals sich entschied, nicht die Befugniß gehabt, ihn gänzlich zurückzuweism, sondern eS hätte ihm nur aufgeben können, die fehlende gesetzliche Form

(die Rekognition unter dem Instrumente) noch nachzubringen. Dieses konnte auf den Grund der ursprünglichen Aufzeichnung

noch geschehen; an einen bestimmten Termin ist die Rekognitiolt, wie oben

bemerkt,

nicht gebunden, und der Kreditor

konnte das Recht dazu unmöglich dadurch verwirkt haben, daß

er anfänglich aus Irrthum mit einer unförmlichen Rekognition sich begnügt hatte.

Dadurch wird nun aber die blos regle,

mentarische Bestimmung der im §>. 2. enthaltenen Worte „un­ ter dem Original-Instrumente,"

nicht nur bestätiget,

sondern es erscheint selbst die Nachbringung der auf das Ori­ ginal-Instrument zu setzenden Rekognition als eine ganz über­ flüssige Förmlichkeit.

Daß man auf die Worte „unter dem Original-Instru­ mente" kein auch

schon

entscheidendes Gewicht hat legen wollen, ergiebt

die Verordnung vom 16. Juni 1820.

für

das

Herzogthum Sachsen"), worin es heißt:

§. 17.

Wenn diese künftigen Hypotheken solchergestalt an-

gemeldet und mit einer gerichtlichen Rekogni­

tion versehen seyn werden, so soll ihnen auch schon

vor

der wirklichen

das Realrecht

Vollendung

der

Hypothekenbücher

nnd das Recht der dritten Klaffe rc.

zukommen. Zn der, zu dieser Verordnung, nach dem

30. dersel­

ben, ertheilten Ministerial-Znstruktion vom 12. August 1820.°") ist im §. 14. vorgeschrieben:

*) Gesetzsammlung für 1820. S. 101. und folg. “) Jahrbücher, Bd. 16. S. 75, und folg.

364 daß die Rekognitionen den Gläubigern zugestellt, denselben auf ihren Wunsch vidimirte Abschriften der Dokumente annektitt, die Originale der letzteren aber bei der Hypothekenbehörde retinirt werden sollten. Hier war also eine Ausfertigung der Rekognition unter dem Original-Znstrumente sogar unmöglich. Es ist daher auch in Betreff der zweiten Differenz die Meinung deS Justiz-Ministeriums durch den §>. 2. der De­ klaration vom 28. Zuli 1838.") als die richtige aner­ kannt worden. •) §. 2. Dle in dem §. 2. derselben Verordnung (vom 16. Zuni 1820.) enthaltenen Worte: unter dem Original-Instrumente, gehören zwar zu den Vorschriften über das Verfahren, welches der Hyvothekenrichter zu beobachten angewiesen ist, aber nicht zu den nothwendigen Formen, ohne deren Beobachtung der eingetragene Gläubiger die im §. 6. bestimmten Rechte nicht erlangen kann. Es stehen demselben vielmehr diese Rechte auch dann zu, wenn die Rekognition nicht auf dem Original-Znstrumente vermerkt, sondern besonders ertheilt worden ist.

XI.

Ueber die Nothwendigkeit gerichtlicher*) Taxen und Versteigerungen bei den Anseinanderfetznngen überlebender Ehegatte« mit den Erben des verstorbenen, wenn stch unter diesen Minderjährige befinden**).

^ach dem Allgemeinen Landrechte Th. II. Tit. 1. 571 und folg., besonders 574. 648. "**) wird im Falle der *) Was unter einer gerichtlichen Taxe zu verstehen sey, darüber sind zu vergleichen die §§. 1. und folg. Tit. 6. Th. II. der Allgemeinen Gerichtsordnung, in Verbindung mit den Kabinetsordern vom 1. Juli 1834., 29. September 1835. und 30. November 1840., dem Gesetze vom 15. Juni 1840. und der Verordnung vom 10. April 1841. H. 6. (Gesetz­ sammlung für 1834. S. 88., 1835. S. 223., 1840. S. 1. und 131., 1841. S. 77.) ** ) Die von einander abweichenden Anflchjen des Zustiz-MinisteriumS und des Geheimen Ober-Tribunals ergeben sich auS dem Reskripte des ersteren vom 2. Juni 1834. (Jahrbücher, Bd. 43. S. 454—456.) und auS dem Erkenntnisse des letzteren vom 9. November 1840. (Entscheidungen, Bd. 6. S. 329 — 337.) — Zn den Motiven zu dem vom Revisor vorgelegten Entwürfe der, ** *) Diese Gesetzstellen find am Schluffe bet Auszuges, S. 883. und folg, wörtlich angeführt.

366

Gütergemeinschaft die Theilung in Beziehung auf die Nach­ laß-Grundstücke zwischen den Erben des verstorbenen Ehedas Erbrecht betreffenden Gesetze, S. 261—263. und S. 273—274. wird Folgendes angeführt: „Wenn die Frau dem Manne Grundstücke und Gerechtigkeiten eingebracht hat, und solche während der Ehe vom Manne verwaltet worden sind, so entstehen oft sehr verwickelte Prozesse über die von beiden Seiten be­ haupteten Meliorationen oder Deteriorationen, deren Entscheidung beson­ ders durch die verschiedenen Ansichten der Sachverständigen über den Werth eines Grundstücks und über einzelne Verbesserungen oder Verringerungen desselben, schwierig und unsicher wird. Suarez's Absicht ging dahin, die­ sen unglücklichen Prozessen, wie er sie nannte, vorzubeugen. Deswegen sollte der Mann nur solche Verbesserungen erstattet verlangen können, in welche die Frau schriftlich mit Zuziehung eines wirthichaftlichen Beistandes gewilligt hatte (§. 587. Tit. 1. Th. II. des Allgemeinen Landrechts), und well dies Mittel den Zweck noch nicht erfüllte, so sollte, wenn die Frau zuerst sterbe, der Mann berechtigt seyn, das Grundstück für den Anschlag oder eine von den Erben zu bestimmende Taxe, zu behalten; im entgegen­ gesetzten Falle, wenn der Mann zuerst sterbe, und das Grundstück mit ei­ nem Anschläge übergeben worden, sollen die Erben des Mannes gezwungen werden können, das Grundstück für den Anschlagspreis anzunehmen. (Ent­ wurf zum A. G. B. §§. 397-—406.) Allerdings waren dadurch, wenn das Gut nach einem Anschläge über­ geben worden und in den Händen des Mannes oder dessen Erben blieb, die Prozesse über Verbesserungen und Verringerungen beinahe ganz abge­ schnitten; aber abgesehen davon, daß sich dieser Zweck, im Fall die Eheleute bei ihrem Leben darüber einig waren, auch auf andere Art erreichen ließ, so war das vorgeschlagene Mittel durchaus nicht von Erfolg, wenn der Mann das Grundstück ohne Anschlag übernommen hatte, oder wenn die Krau oder deren Erben das Gut zurttchtehmen mußten. (Entwurf §. 406. seq., A. L. 8t §§. 586 — 618. a. a. O.) Ueberdies fandm viele Monenten, und selbst einer der Revisoren des Entwurfs, die von Suarez gemachten Vorschläge höchst unbillig und wtllkührlich, weil, wenn ein Grundstück nach einem Anschläge übergeben worden, die Absicht der Eheleute nur gewesen seyn könne, daß durch die Taxe der Zustand des Grundstücks bestimmt und nachher desto leichter ausgemittelt werden könne, eb es verbessert oder verringert worden, und daß eine Taxe venditionis causa nicht vermuthet werden könne. (Materialien, Bd. 72. Bl. 248. seq.).

Suarez vertheidigte seine Vorschläge weitläuftiger, als er sonst zu

367

gatten einerseits und dem überlebenden Ehegatten andererseits nach folgenden Grundsätzen bewirkt: thun pflegte. (Bd. I. der Abschriften der Revis, monit., Bl. 322. Cons, auch Bd. 88. Bl. 124., und Jahrbücher, Bd. 41. S. 120.). Er suchte zu be­ weisen, daß darin keine Unbilligkeit läge, wenn dem Manne das Recht ein­ geräumt werde, ein Grundstück zu behalten, was er viele Jahre hindurch bewirthschaftet habe; daß, wenn in einem oder dem andern Falle die über­ lebende Ehegattin aus dem vorgeschlagenen Gesetze einen Bortheil erhallen sollte, der ihr sonst nicht zukäme, nicht unberücksichtigt gelassen werden dürfe, daß sich dies dadurch wieder ausgleiche, wenn bei der Erbtheilung selbst dies Grundstück nach seinem wahren Werthe in Ansatz gebracht würde, und daß, wenn die Frau mit Kindern theile, diese ihrer Mutter wohl einen Vortheil gönnen könnten, besonders -a sie mit großer Wahrscheinlichkeit wieder ihre Erben würden. Durch diese Gründe rechtfertigen sich aber die Vorschriften des A. L. R., welche im Wesentlichen mit denen des Entwurfs übereinstimmen, keinesweges, selbst wenn sie mehr, als dies durch sie geschieht, den Prozessen über die Verbesserungen oder Verringerungen der Grundstücke vorbeugten. Das Gesetz darf aus einer abgegebenen Erklärung keine Fol­ gerung ziehen, die in der Absicht des Erklärenden nicht gelegen haben kann. DieS geschieht aber in den vorliegenden Gesetzen des A. L. R. Die Uebergabe eines Grundstücks nach einem Anschläge wird für einen Verkauf des­ selben angesehen, und was noch mehr ist, für einen solchen, an welchen die Erben des Verstorbenen gebunden sind, von welchem aber der Ueberlebende einseitig zurücktreten kann. Dadurch entsteht zugleich die höchste Ungerechtigkeit gegen die Erben des Verstorbenen. Denn ist der Preis der Grundstücke gestiegen, so erwirbt der Ueberlebende den Vortheil allein; ist er aber gefallen, so trifft der Verlust die Erben des Verstorbenen. Auch wenn nachher das Gut nach seinem wahren Werthe bei der Erbtheilung in Anrechnung gebracht wird, gleicht sich dies nicht ganz auS, und wenn die Mutter mit Kindern theilt, so geschieht dies noch weniger, als wenn ent­ fernte Verwandte ihre Miterben sind. Daß die Pinder die überlebende Ehe­ gattin wieder beerben, ist auch nicht immer der Fall, denn eS kann die Stiefmutter mit ihnen theilen. Wenn die Frau dem Manne ihr Vermögen nach einem Anschläge übergiebt, so liegt keine andere Absicht zum Grunde, als sich gegen Ver­ ringerungen der Substanz zu sichern. Bet beweglichen Sachen, die durch den Gebrauch sich abnutzen und selbst durch das Alter oft an Wetth ver­ lieren, kann dies nur durch einen wirklichen Verkauf geschehen, und des­ halb wird nach dem Entwurf (des Revisors) ein solcher vermuthet, wenn

368

I. die Erben bestimmen den Werth; IL der Ueberlebende hat die Wahl, ob er das Grundstück für diesen Werth übernehmen, oder es den Erben, also zur VerlaffenschaftSmasse, überlassen will. Weder die Aufnahme einer gerichtlichen Taxe, noch die Subhastation sind in Beziehung auf das Verhältniß bewegliche Sachen mit einem Anschläge dem Manne übergeben worden sind. Dagegen werden unbewegliche Sachen durch den wirthschaftlichen Gebrauch nicht schlechter. Sie können aus den Einkünften unterhalten werden. Hier ist also der Berkaus zur Sicherung des Vermögens nicht nothwendig; im Gegentheil würde er oft zweckwidrig seyn, wenn der Mann nicht des Ver­ mögens ist, das Grundstück mit eigenem Vermögen zu erwerben, oder für den Kaufpreis Sicherheit zu stellen; wenn die Güter im Preise steigen re. Unter solchen Umständen darf man also auch bei einem Anschläge keinen Verkauf vermuthen, wohl aber muß man, wenn nicht das Gegentheil aus­ drücklich erklärt worden, annehmen: der Anschlag solle nur zum Beweise dienen, in welchem Zustande das Grundstück bei der Uebergabe an den Ehe­ mann sich befunden und wie es von diesem wieder zurückgegeben werden müsse. Dies ist auch in dem vorliegenden Entwürfe (des Revisors) ange­ nommen worden, und daraus folgt, daß die im Allgemeinen Landrecht §§. 570—584. enthaltenen Vorschriften, welche sich auf eine ganz entgegenge­ setzte Ansicht gründen, in dem Entwürfe nicht haben beibehalten werden können." „Der §. 648. Tit. 1. Th. II. deS Allgemeinen Landrechts und der §. 79. des Anhangs sind ganz weg gelassen worden, ersterer, weil der §. 571. seq., von welchem derselbe nur eine Folgerung ist, in den vor­ liegenden Entwurf nicht ausgenommen worden, und letzterer, weil die vorläufige Ueberlaffung eines Grundstücks gegen den letzten Erwerbungspreis mit Vorbehalt der Ansprüche auf eine^ größere Summe, wenn das Grund­ stück in der Folge theuerer verkauft wird, zu vielen Verwickelungen Veran­ lassung geben kann, wenn das Grundstück in der Zwischenzeit verbessert oder verschlimmert worden, wenn es nicht für einen angemessenen Preis verkauft oder vertauscht, vererbt wird rc. und die daraus entstehenden Nachtheile für die Interessenten in der Regel größer sind, als die mit einer vorschriftsmäßigen Abschätzung des Grundstücks verbundenen, welche doch in der Regel nur in den Taxgebtthren bestehen, und welche, wenn einmal das Gut vermessen und bonitirt worden ist, nur geringe seyn können."

369 der Erben zu dem überlebenden Ehegatten als allgemeine

Regel ausdrücklich in den

vorgeschrieben.

Nur

das

wird

gesagt

575—580. Tit. 1. Th. II., welche auch für dett

Fall der Gütergemeinschaft") gelten:

1.

daß es den Erben frei stehet, zu ihrer Information von dem Werthe des Grundstückes eine gerichtliche Taxe auf­

nehmen zu lassen — 575. —; 2. daß eine solche Taxe ausgenommen werden muß, a) wenn mehrere Miterben über die Bestimmung des Wer­

thes fich nicht vereinigen können — §. 577. —; b) wenn die Erben länger als sechs Monate, «ach er­

folgter gerichtlicher Aufforderung, mit der Bestimmung

des Werthes zögern. — §. 579. — Nun entstehet die Frage:

Zn welcher Art sind die vorstehenden Grundsätze zur An­

wendung zu bringen, falls unter den Erben sich Mino­ renne befinden? und zwar insbesondere:

I. Ist die Vormundschaft verpflichtet, stets eine gericht­

liche Taxe aufnehmen zu lassen?

II. Ist das Bormundschaftsgericht berechtigt und verpflich­ tet, die Snbhastation eines solchen Grundstückes zu

verlangen? Die Antwort auf die erste Frage ist nicht zweifelhaft,

desto schwieriger aber in Betreff der zweiten. I. Für dieBerneinung der ersten Frage läßt sich anführenr

•) Vgl. da« Allegat Im §. 648: „§. 571. sqq.“

370

In dm

409. bis 414. der Vormundschaftsordnung *),

welche die Auseinandersetzung des überlebenden Ehegatten mit

den auS der Ehe erzeugten minderjährigen Kindern berühren, seyen spezielle Grundsätze in dieser Beziehung nicht angegeben; ferner verweise der §. 410. a. a. O. sogar auf die

sqq. Th. II. Tit. 1.

lich sey in den

634.

des Allgemeinen Landrechts zurück; end­

528—585. Th. II. Tit. 18., welche ganz

eigentlich von der Auseinandersetzung zwischen minorennen

Er­

ben und deren Miterben wegen der zum Nachlaße, oder zum

gemeinschaftlichen Vermögen gehörigen Grundstücke handeln,

nicht ein einziges Mal von dem überlebenden die Rede.

Ehegatten

Das gänzliche Schweigen des Gesetzgebers in die­

ser Beziehung, bei seiner sonst unverkennbaren Kasuistik, be­ rechtige zu der Annahme, daß er in den Vorschriften der §§>.

570. folg, und 648. Th. II. Ttt.

1.

diejenigen Grundsätze,

welche bei der Auseinandersetzung zwischen dem

überlebenden

Ehegatten und den Erben des verstorbenen, mögen darunter

Minorenne seyn oder nicht; in den Dispositionen der HH. 528. bis 585. Th. II. Tit 18. dagegen diejenigen Grundsätze, welche

bei der Auseinandersetzung zwischen minorennen Erben und de­ ren Miterben,

mit Ausschluß des überlebenden Ehe­

gatten, maaßgebend sind, habe entwickeln und feststellen wol­ len; daß also bei der Auseinandersetzung zwischen dem über­

lebenden Ehegatten mit den

Erben des verstorbenen,

darunter Minorenne vorhanden sevn oder nicht,

die

mögen

zuerst

allegirten Vorschriften, dagegen bei Auseinandersetzungen zwi­ schen minorennen Erben mit den volljährigen Miterben, den

überlebenden Ehegatten nicht darunter begriffen,

*) Th. II. Xitel 18. des Allgemeinen Landrechts.

die zuletzt

371

angeführten Vorschriften ausschließlich zur Anwendung kä-. men und sedem materiae bildeten. Eine Unterscheidung zwischen majorennen und minorennen

Erben finde sich in keinem der

Th. II., indem darin der

570. folg, und 648. Tit. 1.

Gesammtheit der Erben ohne Un­

terschied, ob fich darunter Minorenne befinden

oder nicht,

die

Befugniß beigelegt sey, den Preis lediglich nach ihrer Willkühr

Davon, daß die Vertreter der minorennen Mit­

zu bestimmen.

erben an die Preisbestimmung der majorennen nicht gebunden, sondern auf die Aufnahme einer gerichtlichen Taxe zu halten

verpflichtet wären, sage das Gesetz Nichts, und doch wäre hier der Ort gewesen, einer solchen Alisnahme zu gedenken.

Wo aber das

Gesetz nicht unterscheide,

dürfe auch der

Richter nicht unterscheiden.

Der §. 79. des Anhanges zum

könne dagegen

Allgemeinen

nicht geltend gemacht werden.

Landrechte

Derselbe ent­

halte den ganz speziellen, in sich abgeschlossenen und keiner ana­ logen oder ausdehnenden Erkläruirg oder

Folgerung

fähigen

Fall, daß der Vater das Grundstück, nicht für den von

Erben gesetzten, wolle.

den

sondern für den Erwerbspreis annehmen

Vergebens suche man in den, diesem Anhangs-Para­

graphen vorhergehenden und nachfolgenden gesetzlichen Bestim­

mungen des Tit. 1. Th.

II. eine Regel, auf welche der §.

79. als Ausnahme sich beziehen könnte.

Nur dann würde der gedachte §. des Anhanges wirklich als eine Ausnahme gelten

können, wenn in den unmittelbar

vorhergehenden Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts der

Grundsatz aufgestellt worden wäre, daß eS bei der Auseinander­

setzung deS überlebenden Ehegatten mit minorennen Erben we­ gen der Nachlaß-Grundstücke allemal einer gerichtlichen Taxe 24*

372

bedürft, — ein Grundsatz, der in den

570. folg, und 648.

a. a. O. sogar seine Widerlegung finde, indem die Preisbe­ stimmung lediglich von dem Uebereinkommen der Erben abhän­

gen solle. Daß in Vorstehendem indessen nicht

die Meinung des

Gesetzgebers gefunden sey, ergiebt sich schon daraus, daß die fraglichen Bestimmungen des ersten Titels des zweiten Theils

des Allgemeinen Landrechts blos das Rechtsverhältniß zwischen dem überlebenden Ehegatten einerseits und den Erben des ver­ storbenen andererseits betreffen; daß die Letzteren bei der Be­

stimmung des Werthes durchaus keiner Beschränkung unterwor­

fen sind, und der §>. 575. ihnen sogar das Recht giebt, zu ihrer Information eine gerichtliche Taxe aufnehmen zu lassen.

Da nun die Bormundschaftsordnung, §>. 550 und folg, bei der

Veräußerung der unbeweglichen Güter der Minorennen die Auf­ nahme einer gerichtlichen Taxe und das Verbot der Veräuße­

rung unter einer solchen Taxe als Regel aufstellt, so muß auch das Vormundschaftsgericht im Falle des §>. 648. Tit. 1. Th. II. stets eine gerichtliche Taxe aufnehmen lassen.

Wenn auch in dem erwähnten §. 648. verordnet wird: daß, wenn in dem zu theilenden gemeinschaftlichen Ver­

mögen Grundstücke oder Gerechtigkeiten vorhanden sind, der überlebende Ehegatte eben so, wie in dem Falle des

571. sqq., die Wahl habe, selbige für eine von den

übrigen Erben zu setzende Taxe zu übernehmen; so ist damit doch noch keineswegs die Norm gegeben, nach wel­

cher die Taxe gesetzt werden muß, oder kann.

Daß hierbei von

Seiten derjenigen Erben, welchen die freie Disposition über ihr Vermögen zusteht, ihr bloßer Wille entscheidet, ist gewiß. Diese Befugniß kann jedoch auf die Vertreter der bethet-

373 ligten minorennen Erben und auf das vormundschaftliche Ge­ richt, welches deren Erklärung zu genehmigen hat, nicht über­

Diese müssen sich bei

tragen werden.

der Preisbestimmung

nach denjenigen Grundsätzen richten, welche die Gesetze für die

Veräußerung schreiben.

von

Grundstücken

Minorenner überhaupt vor­

Da dieselben nur in der Vormundschaftsordnung

enthalten sind, so folgt, daß auch in dem gegebenen Kalle auf diese zurückgegangen werden

muß.

Der Vormund kann die

im Falle des §. 648. a. a. O. festzusetzende Taxe nicht ohne Konkurrenz

des

obervormundschaftlichen

Gerichts

bestimmen,

und dieses kann sich die Ueberzeugung vom Werthe eines Grund­

stückes gesetzlich nur durch eine legale Taxe verschaffen.

Auch

wenn mehrere Majorenne bei einer Erbtheilung im Falle des §. 648. a. a. O. konkurriren, kann der Vormund der Bestim­

mung derselben über den Preis des Grundstückes nicht

ohne

Taxe desselben beitrcten, da das Allgemeine Landrecht Th. II. Tit. 18. §. 579. festsetzt, daß ein Vormund dem Beschlusse

mehrerer majorenner Erben über den subhastationsfreien Ver­ kauf eines Grundstückes nur beitreten kann, wenn die Taxe

geboten ist. Den überzeugenden Beweis für die Richtigkeit dieser Er­

klärung liefern insbesondere die Materialien") des Allge­ meinen Landrechts.

Darin ist die Frage:

Wie soll sich ttn Curator der Minderjährigen

dabei verhalten, um sich nrcht verantwortlich

zu machen,

daß er zu

hoch

oder

zu

niedrig

taxirt habe?

ausdrücklich aufgeworfen und dahin beantwortet worden:

*) Am Schluffe diese» Aufsätze«, S. 383. und folg, ist el» Auözug au« den Materialien beigefugt.

374 Das kommt auf die Umstände an.

Zn der Re­

gel muß er taxiren lassen.

II. Hinsichtlich der zweiten Frage stellt sich die Sache viel zweifelhafter dar.

Wir die Materialien ergeben, ist bei der

Redaktion des Allgemeinen Landrechts, in den verschiedenen Pe­ rioden der Bearbeitung, die Frage aufgeworfen worden:") ob der Grundsatz des §. 648. nicht eine Ausnahme für

den Fall erleide, daß der überlebende Ehegatte mit mi­ norennen Erben des verstorbenen konkurrirt.

Es ist jedoch die Ansicht festgehalten worden, daß es bei dem durch das Gesetz dem Ueberlebenden ertheilten Rechte zur

Wahl verbleibe,

für den von den Erben bestimmten Werth

das Grundstück zu behalten, oder der Verlaffenschaft zu über­

weisen.

Dieser Umstand für sich spricht gegen die Nothwen­

digkeit der Sllbhastation der jiim gemeinschaftlichen Vermögen

gehörigen Grundstücke, und es lassen sich dagegen auch noch folgende Gründe geltend machen: **)

„Die Vorschriften des VormnndschaftSrechtes über die Ver­ äußerung der Mündelgüter können überhaupt mir zur Anwen­

dung kommen für solche Fälle, da mehr oder weniger die Ver­ äußerung von dem Ermessen des Vormundschaftsgerichtes ab­

hängt.

Das Allgemeine Laiidrecht erfordert Th. II. Tit. 18. im tz

550. eine wichtige Ursache zur Veräußerung und zählt

") Vgl. S. 383. und folg.

**) Vgl. die General-Akten des Zustiz-Minlsterium«: V. 6. Bd. 4., Bl. 104. und folg.





375

im §>. 551. auch den Fall dahin, wenn ein Gläubiger auf Bezahlung dringt und diese aus dem übrigen Vermögen nicht Diese Ursache erscheint nun zwar von der einen

möglich ist.

Seite als hängt

eine Nothwendigkeit,

auch

allein

von der anderen

die Veräußerung noch immer insoweit von

hier

dem Ermessen des Vormundschaftsgcrichtes ab, als dasselbe

abwarten kann, ob der Gläubiger auf Zahlung dringen und

im Wege der Exekution auf Subhastation antragen wird. Will das Vormundschaftsgericht der Klage und Exekution

durch freiwilligen Verkauf Vorbeugen, so kann dieser nur im Wege der freiwilligen Subhastation erfolgen.

Ganz andere Grundsätze kommen zur Anwendung, wenn ein Dritter

ein Recht hat,

das

z. B. vermöge des Wiederkaufs. derverkäufers

gericht

Grundstück zu

verlange»,

Gesetzt, der Erbe des Wie­

wäre minorenn, so wäre das Vormundschafts­

dennoch

nicht berechtigt,

den Wiederkäufer,

der von

seinem Rechte Gebralich machen will, zum SubhastationSver-

fahren zu verweisen und ihm anzumuthen, als Meistbieten­ der das Grundstück jii erstehen. Ein

§.

648.

ganz

ähnliches

Tit. i.

Der

überlebende

stück

zu

Verhältniß

Th. II.

des

Ehegatte

hat

übernehmen,

oder

tritt

Falle

im

des

Allgemeinen Landrechts ein. die

es den

Wahl, Erben

das

zu

Grund­

überlassen,

das Eine und das Andere zu dem Werthe, welchen die Erben

bestimmen.

Der überlebende Ehegatte hat ferner das Recht,

diese Bestimmung binnen sechs Monaten nach der gerichtlichen

Ailfforderung jh verlangen.

Nach Ablauf dieser Frist mich der

Richter von Amtswcgcn die gerichtliche Taxe

aufnehmen las­

sen und dieselbe dem Ehegatten zur Wahl vorlegen. a. a. O.)

(§>. 579.

Dieser hat inmmchr das Recht, das Grundstück

376 für die Taxe zu

übernehme», oder es den Erben für diesen

Dieses Recht würde durch die Sub-

Werth zu überlassen. hastation ganz vereitelt.

Durch diese würde er genöthigt,

falls er das Grundstück erstehen will, auch Mehr als die Taxe zu geben, und falls er es nicht überneh­ men will, sich mit einem geringeren Werthe zu be­ gnügen.

Die Werthsbestimmung, welche nach §. 648. a. a. L).

durch die Erben erfolgt, läßt sich als ein Gebot derselben

betrachten.

Der Ehegatte ist berechtigt, für das nämliche

Gebot das Grundstück zu übernehmen, oder, von dem eigenen Erwerbe abstehend, es zu dem gebotenen Werthe den bietenden Er braucht zum eigenen Erwerbe nicht

Erben zu überlassen.

Mehr zu bieten, als der Erbe.

Er braucht auch nicht zu ge­

statten, daß der Erbe, nachdem er einmal den Werth bestimmt,

also

seinerseits ein

Gebot abgegeben

hat,

nunmehr dasselbe

steigere. Bei

der Subhastation ist dagegen

Steigerung der Gebote das

die

Karakteristische

Möglichkeit

der

des Verfahrens,

und der überlebende Ehegatte kann nur dadurch zum Erwerbe

gelangen, daß er noch Mehr bietet, als die Uebrigen bieten. Der

§.

79.

des Anhanges

entgegengesetzt werden. 21.

April

drücklich

Diesem §.

1799.*) zum

der

Antrag

Grunde.

kann

dieser

Ansicht nicht

liegt das Reskript vomZn Letztereqi ist aus­

des Ober - Landesgerichts

zu Bres­

lau in dem veranlassenden Berichte vom 20. März 1799. ge­

billigt worden; ob auch die Gründe, ist zwar nicht ausdrück-

*) Bgl. Stabe'« Sammlung, 93b. V. @.394.; Stengel, 93b. VIII. S. 247. unb 93b. II. biefe« Werke«, S. 48.

377 lich ausgesprochen, allein nach der ganzen Fassung des Reskriptes

Zn dem Berichte vom

ist man veranlaßt, dies anzunehmen.

20. März 1799. wird nun ausdrücklich bemerkt: wie aus den im Allgemeinen Landrechte enthaltenen Bor­

schristen über die Gemeinschaft der Güter, Th. II. Tit. 1.

§. 648. hervorgehe, daß für den vorliegenden — nämlich den im §>. 79. deS Anhanges ausgedrückten — Fall zwar eine Detaxation, aber nie eine Subhastation er­ forderlich seyn würde.

Man hat also im Resknpte vom 1. April 1799. und im

§. 79. des Anhanges für.den dort gedachten Fall, Bater mit

seinen

minorennen

Kindern

da der

sich auseinandersetzt,

nicht als Ausnahme von der Regel, die Subhasta­ tion ausgeschlossen, sondern aus dem Grunde, weil im

Falle des §. 648.

überhaupt

die

Subhastation

ausge­

schlossen ist." Alle diese Gründe, so gewichtig sie sind, ergeben jedoch als

unzweifel­

daß bei der Auseinandersetzung zwischen dem

überlebenden

die Richtigkeit der Meinung

noch

nicht

haft,

Ehegatten und den minorennen Erben deS verstorbenen, im

Falle der stattgefundenen Gütergemeinschaft, von Seiten des Bormundschaftsgerichtes nicht wider Willen

des

überleben­

den Ehegatten die Subhastation verlangt werden kann. Darum darf man aber auch

bem* Vormundschafts­

richter nicht zumuthen) in einem solchen Falle die Subhasta­ tion nicht zu fordern.

Zn den Vorschriften des Bormundschaftsrechtes sind aus­ schließlich diejenigen speziellen Grundsätze zu finden, welche von

378 der Bonnundschaftsl'thörde bei jeder Veräußerung angewendet

werden müssen.

Darnach bildet die Subhastation die Regel

und eine Ausnahme hiervon erscheint nur dann als zulässtg,

1) wenn der Erblasser verordnet hat, daß das Grundstück

einer gewissen Person für einen bestimmten Preis zuge­ schlagen werden soll (§. 569. Tit. 18.

Th. II.

des

Allgemeinen Landrechts);

2) wenn der Erblasser den Verkauf befohlen, die Subhasta­ tion aber verboten hat (§. 572.);

3) wenn bei einer Theilung unter mehreren Miterben das

Grundstück selbst von dem Pflegebefohlnen übernommen

werden soll (§. 574.); 4) wenn ein Miterbe das Grundstück für die Taxe an nehmen

will und dabei dem

Mklegebekohlnen

Vortheile anbietet, die derselbe von einem Fremden nicht zu erwarten hat (§. 576.);

5) wenn mehrere Miterben sich vereinigt haben, daß das

Grundstück Einem unter ihnen, oder auch einem Frem­

den, ans freier Hand zugeschlagen werden soll (§. 578.); 6) wenn sich außerordentliche Fälle ereignen, wo der Ver­ kauf aus freier Hand sich ganz offenbar als vortheilhaft

darstellt. (§. 586.) Da nun unter diesen Fällen, in welchen die Veräußerung unbeweglicher Güter der Pflegebefohlnen ohne Subhastation ge­ schehen kann, der Fall nicht erwähnt wird, wenn ein überleben­ der Ehegatte bei bestandener Gütergeiminschaft sich mit mino­

rennen Miterben auseinanderseßt, übcrdem auch die Veräußerung

tinbeweglicher Güter

der Pflegebefohlnen ohne Subhastation,

außer den vorstehend erwähnten Ausnahmen,

nach §. 585.

Tit. 18. Th. II. des Allgemeinen Landrechts, als nichtig er-

379 klärt ist, so braucht die Vormundschaftsbehörde nur dann in die Ueberlassung der Grundstücke ohne Subhastation für den

Taxwerth einzuwilligen, wenn dies nach den Borschriften des Bormundschaftsrechtes überhaupt zulässig ist, wenn z. B. der überlebende Ehegatte

dem Pflegebefohlnen Bortheile

anbietet,

die derselbe von einem Fremden nicht zu erwarten hat, oder

wenn eine Bereinigung mehrerer majorenner Miterben vorliegt.

Der überlebende Ehegatte hat — wie mehrfach gesagt worden — nach den

648. und 571. folg. Tit. 1. Th. 11. des Allg.

Landrechts die Wahl, das Grundstück zu übernehmen oder es den

Erben zu überlassen, das Eine und das Andre zu dem Werthe, wel­

chen die Erben bestimmen.

Der überlebende Ehegatte kann ferner

diese Bestimmung binnen sechs Monaten nach erfolgter gericht­ licher Aufforderung verlangen. Nach Ablauf dieser Frist soll der Richter von Amtswegen die gerichtliche Taxe aufnehmen lassen gatten zur Wahl

vorlegen.

und dieselbe dein Ehe­

Dieser hat nunmehr die Befug-

mß, das Grundstück für die Taxe zu übernehmen, oder es den

Erben für den dadurch ermittelten Werth zu überlassen. Dieses Rechtsverhältniß zwischen dem überlebenden Ehegatten

einerseits und den Erben des verstorbenen andererseits schließt, sobald Minorenne bei dem Nachlasse konkurrircn, die Einwir­ kung der Vormundschaftsbehörde nicht aus, da in der Regel

bei dem Anfalle einer Erbschaft an Personen, die bevormun­ det werden müssen,

auch bei

mundschaft stchender Miterben,

der Existenz nicht unter Vor­ die Mitwirkung des vormund­

schaftlichen Gerichtes bei der Sicherstellung

des ganzen Nach­

lasses, bei dessen Berwaltung, so lange er «»getheilt bleibt,

und bei der Auseinandersetzung eintntt.

(§§. 419. und folg.,

646. Tit. 18. Th. II. des Allgemeinen Landrechts,)

380 Daß eine zwischen den Eheleuten stattgefundene Güterge­ meinschaft hierin Nichts ändert, ergiebt sich aus der Bestim­ 414. und 419. a. a. O., wonach bei bestan­

mung der

dener Gütergemeinschaft die Auseinandersetzung des überleben­

den Vaters mit seinen Kindern aus voriger Ehe nach den all­ gemeinen Vorschriften erfolgen muß, rücksichtlich der überleben­

den Mutter aber bestimmt ist, daß die Auseinandersetzung in der Regel unter Direktion des vormundschaftlichen

Gerichtes

geschieht.

Das Letztere findet einen Anhaltspunkt für das, rücksicht­ lich der gemeinschaftlichen Grundstücke zu beobachtende Verfah­ ren, namentlich bei Veräußerung derselben, in den §§>. 550.

und

folg.

Tit.

18.

Th. II. des

Allgemeinen

Landrechts

Den hierin enthaltenen gesetzlichen Bestimmungen zufolge, darf

die

Vormundschaftsbehörde

eine

von

den

Miterben

gesetzte

Taxe nicht genehmigen, ohne sich von der Angemessenheit der­ selben vorher durch eine gerichtliche Abschätzung zu überzeugen. Sie darf auch dann nur in die Ueberlassung der gemeinschaft­ lichen Grundstücke ohne Subhastation für jenen Taxwerth ein­

willigen, wenn dies nach den Vorschriften des Tit. 18. Th. II. des Allgemeinen Landrechts überhaupt zulässig ist.

Denn der §. 585. daselbst spricht kategorisch die Nich­

tigkeit der Veräußerung unbeweglicher Güter eines Pflegebefohlnen aus, wenn sie außer den

569 — 583. bestimm­

te» Fällen ohne Subhastation erfolgt ist.

Es läßt sich hiergegen nicht unbedingt einwenden, daß

die Befugniß des überlebenden Ehegatten, das Grundstück für die Taxe zu übernehmen, oder es den Erben für den dadurch ermittelten Werth zu überlassen, dem vertragsmäßig von dem Erblasser einem Dritten eingeräumten Rechte auf Gewähr

381 rung des Grundstückes für einen bestimmten Preis gleich stehe,

und

die

Ausübung

dieser

Befugniß

durch Einleitung eines

Subhastationsverfahrens nicht vereitelt werden dürfe.

Hat

der

einen

Erblasser

Veräußerungsvertrag

geschlos­

sen, welcher auch seine Erben verpflichtet, so müssen diese, sie

mögen großjährig oder minderjährig seyn, den Vertrag erfül­

len.

Es bedarf dazu weder der Taxe, noch der Subhastation,

eben so wenig wie in dem Falle, wenn der Erblasser verord­ net hat, daß das Grundstück einer gewissen Person für einen

bestimmten Preis zugeschlagen werden solle. (§. 569. a. a. O.) Hier hingegen handelt es sich um die Auseinandersetzung

zwischen de» Erben, ohne daß

ein Werth

der

Grundstücke,

oder der Preis, für welchen diese ausgeantwortet werden sol­ len, von dem Erblasser festgesetzt ist.

eines Dritten zu den Erben kann

Das Rechtsverhältniß

auf das RechtSverhältniß

der Miterben unter sich von keinem Einflüsse seyn,

und wenn

in dieser Beziehung

der

648. Tit.

1. Th. II. des Allgemeinen Landrechts

dem überlebenden Ehegatten die Wahl giebt, das Grund­ stück für die Taxe zu übernehmen, oder es den Erben für

den dadurch ermittelten Werth zu überlassen, und

nach dem §>. 585. Tit. 18. Th. II. die Veräußerung un­ beweglicher den

Güter

der

Pflegebefohlnen,

wenn

sie

außer

569—583. bestimmten Fällen ohne Subhastation

geschehen, nichtig ist; so kann man höchstens nur annehmen, daß bei der Ausein­

andersetzung zwischen dem überlebenden Ehegatten mit minoren­ nen Erben

gen

des verstorbenen eine

Rechten eintritt,

Kollision

welche für beide,

in

denjeni­

in Betreff der zum

382 gemeinschaftlichen Vermögen gehörenden Grundstücke, unmit­

telbar aus dem Gesetze sich ergeben.

Wenn zwischen den Rechten mehrerer Privatpersonen eine

Kollision eintritt, d. h. wenn das Recht des Einen der Ausübung des Rechtes eines Andern entgegenstehet, so muß derjenige, welcher

durch die Ausübung seines Rechtes einen Vortheil sucht, dem­ jenigen nachstehen,

bedacht ist.

welcher

nur

einen

Schaden

abzutpenden

(Einleitung zum Allgemeinen Landrecht«, §. 95.

und 96.)

Bei der Anwendung dieses Grundsatzes auf den vorlie­ genden KollisionSfall kann man aber nur zu dem Schluffe ge­

langen: daß dem §. 585.

Tit. 18. Th. II.

der Vorzug gegeben

werden müsse, nicht blos, weil er die Strafe der Nichtig­

keit androhet, sondern auch deshalb,

weil

das Allgemeine

Landrecht überhaupt den Verkauf im Wege der öffentlichen

Lizitation für das geeignete Mittel erachtet,

jeden Schaden

bei einer Auseinandersetzung unter Mehreren in Betreff ge­

meinschaftlicher Sachen abzuwenden.*)

•)

89. 123. 306. Tit. 17. Th. I. des Allg. Landrecht«.

Auszug

aus zu den

den Materialien

570. folg., 648. Lit. 1. Th. II. des Allge­

meinen Landrechts. *)

I. ’jjer erste Entwurf, Theil I. Abtheilung 1. enthält fol­ gende Bestimmungen: "*)

§. 273. Sind Grundstücke und Gerechtigkeiten

dem Ehe­

manne zu einem bestimmten Werthe eingebracht, so muß derselbe, wenn die Frau zuerst verstirbt, diesen Werth

zur Erbschafts-Masse verabfolgen. 5». 274. Stirbt

der Manu zuerst, so

hat

die Frau

die

Wahl, ob sie die Grundstücke und Gerechtigkeiten selbst

oder deren bestimmten Werth zurückfordern will. 275. Ist bei Lebzeiten beider Ehegatten keine Bestimmung

des Werths erfolgt, und die Frau stirbt zuerst, so hat

der Mann die Wahl, ob er die Grundstücke und Ge­ rechtigkeiten zur Erbschafts-Masse abliefern, oder deren

Werth nach einer aufzunehmenden Ertrags-Taxe vergütigen will.

Hinsichtlich

der Eheleute, die

in Gütergemeinschaft

gelebt haben, heißt es:

') s. oben S. 373. und S. 374., Anw. ") Bd. 8. Bl. 213' —216, der Materialien.

384 §>. 298. Wählt der überlebende Ehegatte die Hälfte des ge­ meinschaftlichen Vermögens und rS sind vor oder wäh­ rend der Ehe einige Vermögensstücke mit beiderseitiger Einwilligung zu einem bestimmten Werthe angeschlagen, so hat der Ueberlebende die Wahl, ob er die veran­ schlagten Stücke zur Theilung bringen oder gegen Ent­ richtung des bestimmten Werths an sich nehmen will. §. 299. Zn beiden Fällen findet Alles dasjenige Anwen­ dung, was in 263. —270. 273. 274. 276. bis 284. in Ansehung der außer der Gemeinschaft leben­ den Eheleute verordnet worden. 300. 3(1 kein Werth bestimmt, so hat der Ueberlebende die Wahl, sämmtliche oder einige Vermögensstücke für die aufzunehmende gerichtliche Taxe an sich zu behalten, oder auf die Natural-Theilung, oder den gerichtlichen Verkauf zu dringen. 301. Können sich bei der Natural-Theilung die Erbin­ teressenten nicht vereinigen, so müssen die Gerichte nach dem Anschläge die Erbschaft anlegen und das LooS entscheiden lassen, welcher Theil einem jeden zufallen soll. II. Gegen vorstehende Bestimmungen monirte von Tevenar:") 275. Der Werth der Güter, welcher nicht blos durch eine mechanische, sondern zuverlässige Ertrags-Taxe ausgemittelt werden soll, ist sehr schwankend, weil eS in den meisten Provinzen an geschickten theoretischen und praktischen WirthschaftSverständigen fehlt, die den Er­ trag der Güter und die Ausgaben oder Abzüge, die ') Bd. 9. Bl. 117.

385

von dem Ertrage gemacht werden müssen, mit Gewiß, heit ausmitteln

und bestimmen können;

weshalb die

ErtragS-Taxen von einem Gute, die von verschiedenen Kommissarien ausgenommen werde», gemeiniglich sehr

von einander abweichrn; wie denn auch der Ertrag bei

vielen Stücken steigend und fallend ist, z. E. bei Häu­

sern, Gärten u. s. w.

ES ist daher zu besorgen, daß,

wenn dem Ehemanne die Freiheit verstattet wird, die Grundstücke

seiner

verstorbenen Fra««

nach einer Er­

trags-Taxe zu 5. Prozent an sich zu behalten,

über

diese Taxen oft weitläustige und kostbare Prozesse, ein

weitläuftiges Verfahren

über die Erinnerungen gegen

die Taxen und Restitutions-Gesuche, wiederholte Taxen u. s. w. entstehen werden.

Es ist billig, den überle­

benden Ehemann bei der Theilung zu avantagiren und daS Derangement seiner Wirthschaft so

zu verhüten.

viel möglich

Dieses wird aber auf eine weniger ver­

wickelte Art geschehen

können, wenn ihm Statt der

Wahl, die Grundstücke für die Ertrags-Taxe anzuneh­

men, eine größere Attestat-Erbportion angewiesen wird,

welchemnächst er die Grundstücke seiner Frau für den

wahren Werth kaufen kann; weshalb ich hiernächst Vorschläge thun werde.

III. Suarez

bemerkt in

der revisio monitorum

zum ersten Entwurfe:") Die Materien

273.-284. sind nicht gut geordnet,

vid. die Beilage.

•) Bd. 9. BI. 215-216’-

386 Auf dieser Beilage findet sich Folgendes:

Fundus uxoris A moritur uxor moritur maritus A A maritus retinet reddit fundum uxor repetil retinelfundum Fundus uxoris A aestimato datus absque aestimationc A A moritur maritus moritur uxor moritur maritus moritur uxor .1 I I . I uxon comp. praestat uxor repetit marito comp. electio aestimationem fundum electio A 3. 4. A eligitfunrepetit reddit praestat dum praetium fundum aestima1. 2. 5. tionem 6. Hiernach muß die Sache folgendermaaßen deutlicher aus­ einander gesetzt werden: Hat die Frau dem Manne Grundstücke oder Gerechtigkei­ ten eingebracht, so ist sie solche nach dem Tode des Mannes

zurückzunrhmen berechtigt.

Stirbt die Frau zuerst, so hat der Mann die Wahl: ob er das Grundstück zur Verlaffenschafts-Masse zurückgeben und dafür den Werth vergütigen wolle. Zst das Grundstück nach einem gewissen Werche von dem Manne übernommen worden, und die Frau stirbt z»erst, so

muß der Mann diesen Werth zum Nachlaß der Frau vergü­ ten.

Quaer.:

Ob dem Manne die Wahl zu nehmen?

Stirbt der Mann zuerst,

so hat die Frau die Wahl:

ob sie das Grundstück zurücknehmen und den bedungenen Werth

aus der Masse des Mannes fordern wolle.

387 Zn allen Fällen, wo das Grundstück selbst zurück gegeben und genommen wird, muß solches in dem Zustande gewährt

werden, worin es sich zur Zeit des Absterbeus befunden hat. 277. 278. 279. 280.

Zn allen Fällen, wo der Werth gefordert und genom­

men wird, muß solcher vom Todestage an landüblich verzin­ 282. 283. 284.

set werden.

Die Rückgabe des Fund! muß allemal cum instrumento geschehen. Bon den Nutzungen des Fundi re. Der Fundus ist aestimato gegeben

Der Mann hat ein Grundstück zugekauft

moritur maritus^moritur uxor uxor habet electionem

maritus bonificat pretium

eligit fundum^repetit praetium

| Dann muß sie den Kaufpreis vergüten.

Retinel fundum mit dem

| zugekauften Grundstück. Dann bleibt das zugekaufte Stück beim fundo.

Der Mann behält den fundum nach dem Tode der Frauen a)

wenn er aestimato gegeben worden,

b) wenn er nicht aestimato gegeben worden und er die Er­

trags-Taxe zahlen will. Die Frau bekommt den Fundum zurück nach dem Tode

des Mannes a)

wenn er nicht aestimato gegeben worden,

b) wenn er aestimato gegeben worden, und sie die Zu­

rücknahme in natura wählt.

388 Der Mann praestirt aestimationem

Aestimatio praestatur A a marito ab ejus heredibus praevia electione nxoris.

pure

Ferner sagt Suarez (unter No. 205.): ad §. 275. remonstrit Hr. v. T. gegen die Ertragstaxe, wegen der daraus zu besorgenden Prozesse

legalur monitum und schlägt vor, lieber dem Manne eine größere Erbportion

anzuweisen, damit er den fundnm käuflich könne.

übernehmen

Daß die Besorgniß entstehender Prozesse nicht unge-

gründet sey, zeigt der ähnliche Fall des Beneficii taxae bei

den Pommerschen Lehnen.

Es harmonirt auch diese Festsetzung

nicht recht mit dem Principio: daß Vererbungen keine Erhö­ hung des Werths bewirken sollen.

Der Vorschlag des Herrn v. T. leistet der Absicht des Gesetzes kein Genüge, welche ohne Zweifel dahin geht, das

derangement

in

der

Wirthschaft und

dem Nah­

rungsstande des Mannes zu verhüten. Andere Mittel, aus der Sache zu kommen,

lassen sich

schwer finden. Eventualiter schlage ich vpr

1) das letzte im Hypothekenbuche vermerkte Kaufs-, An­

schlags- oder UebernehmungS-Praetium; 2) eine Privat-Licitation zwischen dem Manne und den

Erben der Frau; doch so, daß der Mann das Jus protimiseos hat.

3) Wenn minorenne Kinder vorhanden, müsste dem Manne die Wahl nicht gelassen werden, sondern

389 das Immobile müßte den Kindern verbleiben; da

der Baker ohnehin, wenn er auch ad secunda v »la schreitet, administrationem et usumfructum hat.

Soll es aber bei der Ertragstaxe bleiben, so würde ich

wenigstens einen §>. dahin beisügrn: Die Grundsätze, wonach dergleichen Taxe aufzunehmen, sol­ len in den Gesetzbüchern einer jeden Provinz näher bestimmt

werden. In margine ist bemerkt:

Die Erben legen. Der Maritus wählt. Demnächst findet sich Folgendes:

ad §. 300. findet Herr S. die dem überlebenden Ehegat­

ten gelassene Wahl zwischen der Taxe und Natural-Thei­

lung (wegen) Unzuverlässigkeit der ersteren bedenklich und hält für rathsam, das Loos oder den öffentlichen Verkant entscheiden zu lassen.

Was Grundstücke betrifft, so be­

zieht ich mich auf die Bemerkung sub No. 205. .

IV.

Zm

Konzepte

des

umgearbeiteten

Ent­

wurfes heißt eS:*)

§. 384.

Hat die Frau dem Manne Grundstücke und Ge­

rechtigkeiten eingebracht, so ist sie solche nach dessen Tode zurückzunehmen berechtigt. §. 385.

Stirbt die Frau zuerst,

so hat der Mann die

Wahl: ob er das Grundstück zizr Verlassenschast zu-

rückgeben, oder dafür den Wetth vergütigen wolle.

§. 386.

Ist das Grundstück dem Manne zu einem gewis­

sen Werthe angeschlagen, so muß der Mann, wenn

*) Bd. 9. Bl. 273"-—273".



390



er solches behalten will, diesen Werth zur Masse ver-

gütigen. 387.

Ist

kein

angeschlagener

Werth

vorhanden,

so

müssen die Erben der Frau denselben bestimmen; und

alsdann steht cs in

der Wahl des Mannes:

das Grundstück dafür annehmen,

ob er

oder solches den an­

deren Erben überlassen wolle.

Derjenige Theil, welcher hiernach das Grundstück überkommt,

muß den von den Erben bestimmten Werth zlir Masse bei­ tragen.

Doch

steht

in

beiden Fällen,

Werth vorhanden

es mag ein angeschlagener

se»n oder nicht,

dem überlebenden Ehe­

manne und den Erben der verstorbenen Frauen frei, sich ;u vereinigen,

dasi das Grundstück verkauft und der da­

für gelöste Werth zur Masse gezogen werden solle.

§>. 388.

Stirbt der Mann zuerst und es ist ein angeschlage­

ner Werth des Grundstücks vorhanden, so steht es in der Wahl der Frauen:

ob sie

das Grundstück zurück­

nehmen oder den Werth aus dem Nachlaß des Man­ nes fordern wolle.

§. 389.

Hat der verstorbene Mann solches zu keinem an­

geschlagenen Werthe übernommen, so muß die Frau

sich mit der Zurücknahme des

Grundstücks selbst

be­

gnügen.

§>. 418.

Sind vor oder während der Ehe einige Vermö­

gensstücke mit beider Ehegatten Einwilligling zu einem bestimmten Werthe angeschlagen, so hat der Ueberle-

391 bende die Wahl: ob er solche zur Theilung bringen,

oder den bestimmten Werth zur Masse entrichten wolle. Zn beiden Fällen

§>. 419.

findet Alles «Statt,

was in

Ansehung der außer der Gemeinschaft lebenden Ehe­

leute §. 378. sequ. und §. 401. sequ. verordnet ist. Zst kein angeschlagener Werth bestimmt, so kann

§. 420.

in Ansehung der Grundstücke und Gerechtigkeiten der überlebende Ehegatte auf die Anwendung der Borschrif­

387. sequ. antragen.

ten 421.

Zn Ansehung der Mobilien hat der überlebende

Ehegatte die Wahl: ob er die zum täglichen Hausge­

brauch bestimmten Stücke gegen eine billige Taxe an sich

behalten

oder auch diese zur Theilung

bringen

wolle. 422.

Zn Ansehung aller übrigeit Mobilien steht es in

seiner Wahl, entweder auf die Natural-Theilling oder

auf den öffentlichen Verkauf anzutragen. 423.

Bei der Natural-Theilung legen sich die Miter­

ben die Portionen und dem überlebenden Ehegatten ge­ bührt die Wahl.

V.

Zn der Abschrift des

umgearbeiteten

Ent­

wurfes heißt es:") 391.

Hat die Frau dem Manne Grundstücke oder Ge­

rechtigkeiten

eingebracht,

so

ist

sie solche nach dessen

Tode zurückzunehmen berechtigt. §>. 392.

Stirbt die Frau zuerst,

so

hat der Mann die

Wahl: ob er das Grundstück zur Verlaffenschaft zu­

rückgeben, oder dafür den Werth bezahlen wolle.

*) Bd. 10. Bl. 38" —44.

392 §>. 393.

Ist das Grundstück dem Manne zu einem gewis­

sen Werthe angeschlagen, so muß der Mann, wenn er solches behalten will, diesen Werth zur Masse vergi'i-

tigen.

394.

Ist kein angeschlagener Werth vorhanden, so müs­

sen die Erben der Frau denselben bestimmen; und als­ dann steht es in der Wahl des Mannes: ob er das

Grundstück dafür annehme», oder solches den anderen Erben überlassen wolle.

§>. 395.

Wählt der Mann den Werth, so müssen sich die

Erben das Grundstück nach der von ihnen bestimmten Taxe anrechnen lassen.

396.

Wählt der Mann das Grundstück, so muß er

bei der Theilung die von den Erben gesetzte Taxe ein­ werfen.

§. 397.

Doch steht in beiden Fällen,

es mag ein ange­

schlagener Werth vorhanden seyn oder nicht, dem über­ lebenden Ehemanne und

den Erben

der verstorbenen

Frau frei, sich zu vereinigen, daß das Grundstück »er­ kauft und der dafür gelöste Werth zur Masse gezo­

gen werden solle. 398.

Stirbt der Mann zuerst und ist ein Anschlag des

Grundstücks vorhanden,

so steht es in der Wahl der

Frau: ob sie das Grundstück zurücknehmen^ oder den Werth aus dem Nachlaß des Mannes fordern wolle.

§. 399.

Hat der verstorbene Mann solches zu keinem an­

geschlagenen Werthe übernommen, so muß die Frau

sich mit der Zurücknahme des Grundstücks selbst be­ gnügen.

393 Sind vor oder während der Ehe einige Vermö-

§>. 467.

gensstücke mit beider Ehegatten Einwilligung zu einem

bestimmten Werthe angeschlagen, so hat der Ueberleer solche zur Theilung bringen,

bende die Wahl: ob

oder

den

bestimmten

zur

Werth

entrichten

Masse

wolle. Zn beiden Fällen findet Alles statt, was in An­

§>. 468.

sehung der außer der Gemeinschaft lebenden Ehe­

verordnet ist.

leute §. 373. und 381. sequ.

Ist kein angeschlagener Werth bestimmt, so kann

§. 469.

in Ansehung der Grundstücke und Gerechtigkeiten der

überlebende Ehegatte

auf die

Anwendung

der

Bor­

schriften §>. 382. sequ. antragen.

Zn Ansehung der Mobilien hat der überlebende

§>. 470.

Ehegatte die Wahl: ob er die zum täglichen Hausge­

brauch bestimmten Stücke gegen eine billige Taxe an sich behalten,

oder auch diese zur Theilung

bringen

wolle. 471.

Zn Ansehung aller übrigen Mobilien steht es in

seiner

Wahl,

entweder

auf

die

Natural-Theilung

oder auf den öffentlichen Verkauf anzutragen.

§. 472.

Zn ersterem Falle legen die Miterben die Theile,

der überlebeirde Ehegatte aber wählet. VI.

Zn der Revision des

wurfes bemerkt Suarez:

umgearbeiteten Ent­

ad §. 384. würde ich, mehre­

rer Deutlichkeit wegen, setzen:

Wählt der Mann den Werth, so müssen sich die Erben das Grundstück

bei der Theilung

bestimmten Taxe anrechnen lassen.

nach der von

ihnen

394

§• Wählt der Mann das Grundstück, so muß er bei der

Theilung die von den Erben gesetzte Taxe einwerfen. *) VII.

Znr gedruckten Entwürfe lauten die fraglichen

Paragraphen:

§. 397.

Hat die Fran deui Manne Grundstücke oder Ge­

rechtigkeiten eingcbracht, so ist sie solche nach dessen Tode zurückzunehmen berechtigt.

§. 398.

Stirbt

Wahl: ob

Frau zuerst, so hat der Mann die

die

er das Grundstück zur Berlaffenschaft zu-

rückgeben, oder dafür den Werth bezahlen wolle. 399.

Ist das Grundstück dem Manne zu einem gewis-

sen Werthe angeschlagen, so muß der Mann, wenn er solches behalten will, diesen Werth zur Masse ver-

gütigen. 400.

Ist

kein

angeschlagener

Werth

vorhanden,

so

müssen die Erben der Frau denselben bestimmen; und

alsdann

steht

es

in der Wahl des Mannes, ob er

das Grundstück dafür annehmen, oder solches den an­ deren Erben überlassen wolle. §>. 401.

Wählt der Mann den Werth, so müssen sich die

Erben das Grundstück, nach der von ihnen bestimmten Taxe anrechnen lassen.

402. der

Wählt der Mann' das Grundstück, so muß er bei Theilung

die von den

Erben gesetzte Taxe ein-

wcrfen.

§. 403.

Doch steht in beiden Fällen, es mag ein ange­

schlagener Werth vorhanden seyn, oder nicht, dem über-

°) Bd. 10. Bl. 95—108,

495 lebenden Ehemanne und den Erben der verstorbenen

Frau frei, sich zu vereinigen, daß das Gnmdstiick ver­ kauft, und der

dafür gelöste Werth zur Masse ge­

zogen werden solle.

404.

Stirbt der Mann zuerst und ist ein Anschlag des

Grundstücks vorhanden, so stehet cs in der Wahl der Frau: ob sie das Grundstück zurücknchmen,

oder den

Werth aus dem Nachlaß des Maiines fordern wolle.

Hat der verstorbene Mann solches zu keinem an­

405.

geschlagenen Werthe übernommen,

so muß die Frau

sich mit der Zurücknahme des Grundstücks begnügen.

Sind vor oder wahrend der Ehe,

§ . 473.

einige Nermö-

gensstücke mit beider Ehegatten Einwilligung zu einem

bestimmten Werthe angeschlagen,

so hat

der Ucbcrlc-

bende die Wahl: ob er solche zur Theilung bringen, oder den bestimmten Werth zur Masse entrichten wolle. Zn beiden Fällen findet alles statt, was in An­

§ . 474.

sehung

der

der

außer

Gemeinschaft

lebenden

Eheleute §. 386. und §. 397. sequ. verordnet ist.

Ist kein angeschlagener Werth bestimmt, so kann

§ . 475.

in Ansehung der Grundstücke und Gerechtigkeiten der überlebende Ehegatte auf die Anwendung der Vorschrif­ 400. antragen.

ten

Zn Ansehung der Mobilieir hat der überlebende

§ . 476.

Ehegatte die Wahl:

ob er die zum täglichen Hausge­

brauch bestimmten Stücke gegen sich

behalten,

oder

auch

eine billige Taxe an

diese zur Theilung

bringen

wolle. § . 477.

Zn Ansehung aller übrigen Mobilien steht cs in

— 396 —

seiner Wahl: entweder auf die Natural-Theilung oder auf den öffentlichen Verkauf anzutragen. 478. Zm ersten Falle legen die Miterben die Theile, der überlebende Ehegatte aber wählt. VIII. Zm Extrakte der Monita heißt es:") §. 397. §. 397. Mon. 1. Mon. 1. Das Monitum scheint mir No. 19. p. 2. Bei diesem und gegründet. den folgenden §. werden die Fälle zu unterscheiden seyn: ob das eingebrachte Grundstück dem Manne ausdrücklich verkauft worden, oder der Ehefrau eigen­ thümlich verblieben ist. Die Frau oder deren Erben sollten nach aufgehobener Ehe im erstem Falle nur das Kauf-pretium fordern können; im letzteren Falle sich lediglich mit Zurückgabe des Grundstücks begnügen, es mag taxirt seyn oder nicht. Denn das Eigenthum hat wäh­ rend der Ehe nur acquiescirt, und aus dem Eigenthumsrechte kann man nur die Sache, wenn sie noch existirt, fordern, man hat aber nicht die Freiheit, statt •) Bd. 72. Bl. 248 — 251*. 281*—283.

397

derselben deren Werth zu wählen. $. 398. Mon. 1.

398. Mon. 1. Viel­

halte ich für gegründet.

No. 8. fol. 24., No. 78. p. 7.

leicht hat man durch diese Ver­ Es ist nicht abzusehen, worauf

ordnung den MeliorationS- und sich dieses Wahlrecht gründet.

Deteriorations-Prozeffen auSwei-

Die Frau hat durch die ehe­

chen wollen, allein dieses geschieht liche Verbindung ihrem Manne doch nicht vollständig, wie aus ihr persönliches NutzungS- oder den Verordnungen ad §. 406. Verwaltungsrecht zugebracht. Das sequ. erhellet, und in manchen EigenthumSrecht über die Grund­ würde es unbillig seyn, stücke selbst, als solche, bleibt der

Fällen

z. E. wenn das Gut erst nach Frau.

Dieses und nicht dessen

dem Tode von den Erben taxirt Werth gehöret den Kindern, und

wird, soll da der Ehemann alle wenn die nicht sind, der Familie

seine

verlieren, der verstorbenen Frau, denen eS

meliorationes

und wenn er das Gut nimmt, weit nützlicher ist, das Grund­

solche den Erben

noch einmal stück selbst, als dessen Werth, zu

bezahlen, oder solle» bei dete- bekommen. riorationen die Erben mit dem

jetzigen

schlechten

Werthe

des

Guts sich begnügen? Vielleicht

lieget aber auch der Grund der

Verordnung

darin,

daß

man

dem Ehemanne |, | oder | des Nachlasse« seiner Frau zugebil­ ligt hat, und ihm in re com-

muni noch einen besonderen Vor­

zug hat geben wollen.

Allein

398 alsdann müßte man der Frau eben das Recht einräumen, wenn

sich in dem Nachlaß des Man­ nes

ein

Grundstück

befindet.

Bei Kindern bleibt es in

attenFällen-unbiltig, daß dieselben die Grundstücke ihrer Eltern verlieren sol­

len.

Mit fachen Grundstücken

sind oftmals Gerechtigkeiten, z. B.

Braugerechtigkeit, Backgerechtig­ keit re. verbunden,

welche das

Etablissement der Kinder erleich­

tern und nicht so leicht wieder erlangt werden können. Der Va­ ter hat ohnedem schon den Usumfructum und die Administra­

tion tw Grundstücks. Er braucht nicht einmal zu theilen, sondern kann solches gar füglich in Ge­

meinschaft mit seinen Kindern

behalten.

Bei

Ascendenten

und Collateral-ßrben sind seine Rechte nie größer als die ihri­

gen, sondern in

vielen Fällen

geringer, wenn er nur | oder

| erhält, warum soll er mehr Rechte haben l

auf

die

Immobilien

399 Mon. 2.

Mon. 2.

wie ad Mon. 1.

No. 53. p. 37., No. 2. fol.

17., No. 15. fol. 56., No. 17. p. 33.

Zu einer solchen Dis­

position ist kein Grund vorhan­ den, vielmehr wird dadurch nur

Zank und Streit erregt werden. Zumal der Ehefrau das Eigen­ thum der eingebrachten Grund­

stücke zugefianden hat. Mon. 3.

Mon. 3.

Wenn

ein

immobile

dem

den

Mann taxato übergeben wird, wohl so ist wohl die nächste Absicht, frei

daß durch stand

Es würde

No. 57. p. 180.

Erben

der

Frauen

zu stellen seyn,

ob sie

die laxe der Zu­ daS Grundstück, wenn der Werth

deS Immobilis

soll be­ blos taxationis causa bestimmt

stimmt lmd nachher desto leich­ worden,

zurücknehmen

wollen

ter ausgemittelt werden können, oder nicht? ob es verbessert oder verschlim­

mert sey.

Sie müssen es aber nehmen,

Eine bloße taxe wenn es der Nlann nicht haben

schließet also die Absicht der In­ will.

teressenten,

Ist es aber venditionis

daS Grundstück in causa mehr taxirt, so würde es

natura zurückzugeben und zurück- beim Mann stehen, ob er es iit

zunehmen, nicht aus. Die laxe natura zurückgeben, venditionis gratia kann nicht Werth

davon

oder

ausliefern

den will.

vermuthet werden, und ist nur Mehr als ihre Sachen können alsdann vorhanden, wenn das die Erben nicht praetendircn.

Grundstück

dem Mann

drücklich verkauft ist wie im §>. 390.

aus­

400

H. 399. Mon. 1. ist wahr.

Mon. 2. ist ebenfalls richtig.

§. 399. Mon. 1. No. 2. fol. 17- Weil der Werth nach dem Anschläge ge­ stiegen oder gefallen seyn kann, so ist dies hart. Mon. 2. No. 9. fol. 67. Muß aber dieser Werth von den Erben zur Masse vergütiget werden, wenn der Mann das Grundstück nicht behalten will? Die demselben §. 398. ver­ liehene Wahl scheint, wenn ihm das Grundstück zu einem gewis­ sen Werthe angeschlagen wor­ den, für die übrigen Erben etwaUnbilliges zu enthalten, da alle Mal der Vortheil auf der Seite des Mannes bleibt, wenn die Grundstücke im Werthe gestiegen, dagegen aber die Er­ ben der Frau, wenn der Werth gefallen und der Mann das Grundstück nicht behalten will, den Schaden leiden müssen, wenn sie den angeschlagenm Wetth ad Inventarium zu brin­ gen schuldig seyn sollten. Bes­ ser scheint es zu seyn, wenn,

401 um den Werth der von der Frau

eingebrachten

zur

Grundstücke

Beförderung der Theilung auSzumitteln,

öffent­

dieselben

verkauft, oder damit

lich

nach den Vorschriften deS §. 400. verfahren würde.

Der Verlust

oder Gewinn

alsdann ge­

lst

meinschaftlich,

Mon. 3.

Mon. 3. Wenn

das Grundstück

dem

No. 15 fol. 56.

Angeschla­

Manne wirklich verkauft ist, so gen — oder auch wirklich ver­ kann

er kein Wahlrecht

mehr kauft.

haben, sondern muß solches be­ halten und das Kaufgeld

zur

Erbmasse bezahlen.

Mon. 4.

Mon. 4.

vid. Mon. 1. §. 397.

No. 19. p. 3.

Die

399.

400. 401. 402. und 403. fal-

len

nach

dem

Vorschläge

ad

§. 397. fort.

§. 400.

§. 400.

Mon. 1.

Mon. 1.

Das Monitum ist

Die

Erben

erheblich.

No. 3. fol. 19.

Nicht

die

können unmöglich Erben der Frau, sondern verei­

den Werth des Grundstücks so dete Sachverständige sollten den

gut wissen, als der Ehemann, Werth der solches viele Zahre admini- stimmen.

stritt hat.

Wie leicht können

sie gefährdet werden! taxiren

deS

Grundstücks

be­

402 sie zu hoch, so läßt ihnen

der Ehemann das Grund­

sie zu

nie­

drig, so behält er es.

Wie

taxiren

stück,

sollen sie den Werth des Grund­ stücks erfahren? Soll der Ehe­

mann schuldig seyn, ihnen seine

Wirthschaflsrechnungen

zu edi-

ren l Bon wie viel Zähren muß er solche ediren?

Was werden

über diese Edition, über die Un­

tersuchung

der

über die

Rechnungen,

oder

Richtigkeit

unrichtige

der

richtige

Bewirthschaf-

tung für Weitläuftigkeiten und Prozesse

sich

entstehen!

ein

Wie soll

(Kurator

der

dabei

Minderjährigen

verhalten, um sich nicht verantwortlich

chen,

das?

oder zu

er

?u

ma­

zu

hoch

niedrig

taxirt

habe?

Mon. 2. auch diese Bemerkungen sind er­

heblich.

Mon. *2. Wie soll es

No. 38. p. 194.

gehalten werden, wenn mehrere

Erben

der

Frauen

vorhanden

sind und diese sich nicht über die Bestimmung

deS

vereinigen können?

Werthes

403 Ferner, wenn selbige hartnäkkig die Bestimmung des Wer­ thes verweigern und dadurch den

Wittwer. zwingen wollen, Be­

hufs der Auseinandersetzung das

Grundstück ad hastam bringen zu lassen?

Mon. 3. Verdient

ebenfalls Achtung.

Mon. 3. No. 4

Die bemerkten üblen Folgen fal- 57.

p. 19., No. 15. fol.

Es scheint hart zu seyn,

len weg, wenn man den Ehe- wenn ein Mann durch das mit leuten blos den Nießbrauch des seiner Frau erhaltene Grundstück

Vermögens

des

Verstorbenen sich in einen guten dlahrungsstand gesetzet, die Verwandten der

überläßt.

Frau es ihm aus Chicane oder

animositaet

wollten,

ganze muß

so

daß

ansetzen

hoch

er deshalb seine

Nahrung

davor

Wenigstens

geben

würde

in

einem solchen Falle die ordent­

liche gerichtlicheAbsch ätzn ng

den Vorzug verdienen. Mon. 4.

ist auch nicht unerheblich.

Mon. 4. No. 57. p. 181.

Ist kein

Werth, 'oder einer taxationis

causa vorhanden,

so muß eS

der Mann in natura zurückge­

ben, wenn es ihm die Erben um den von ihnen zu bestim­

menden Werth nicht überlassen

•26*

404

wollen; ist aber ein Werth venditionis causa da, alsdann kann der Mann den Werth zahlen, oder das Grundstück wieder zu­

rückgeben. In

dubio

muß

der Werth

pro taxatione angenommen wer­ den.

Denn

der Verkauf setzt

ein anderes nicht zu

präsumi-

rendes factum zum Voraus.

$. 403.

§. 403.

Mon. 1.

Mon. 1.

vid. Monita ad §. 398. bis 400.

No. 8. fol. 25. Ist kein Anschlag da, so hängt es von den

rechtmäßigen

der Frau

Erben

ab, in Ansehung eines Werths

mit dem Manne übereinzukom­

men, so gut sie können, oder das Grundstück so hoch als

möglich zu verkaufen. Mon. 2.

Mon. 2. ad 1. scheint richtig zu seyn.

1., No.

16. p.

96.

Der

Fall der nothwendigen Subhastation würde'auch eintre-

ten, wenn z. E. wegen fehlenlenden ZndigenatS rc.

die Er­

ben der Frau das von ihr wäh­

rend der Ehe erkaufte Immobile nicht besitzen dürfen.

405 ad 2. Die Ergänzung würde

die Verordnungen

im

2., Nach — zu vereinigen —

vorigen suppl. oder in Entstehung einer gütlichen

aufheben.

Vereinbarung

darauf

zu provociren.

Mon. 3.

Mon. 3.

Dies Monitum ist richtig und

No. 57. p. 182. Der §. ver­ steht sich von selbst, quia pacta

der ganze §>. überflüssig.

dant legem contractui.

ist richtig.

§. 404.

H. 404.

Mon. 1.

Mon. 1.

Man stelle sich nur

No. 8. fol.

25t-

Es ist un­

ein durch Krieg verwüstetes oder gerecht, wenn eine Ehefrau wider der Verwüstung ausgesetztes Gut, Willen

der

ein Gut, welches durch Waffer- Werth eines

Znteressenten

den

Grundstücks

aus

fluthen, Versandungen unersetz- der Verlassenschaft des Mannes Uchen Schaden erlitten hat, vor, fordern kann. sollen dieses die Erben für die

taxe annehmen müssen? Bei Mo­ bilien hat man zwar im §. 391.

diesen

Grundsatz angenommen,

allein bei

denselben

kann

der

Schaden nie so groß seyn, und auch dabei ist bemerket, daß man

casum würbe ausnehmen müssen.

Mon. 2.

Mon. 2. vid. Mon. 2. §. 394.

No. 9. fol. 69.

Auch hier

scheint eben das Statt zu fin­

den,

was §.

worden. des

399. angemerkt

Da das

eingebrachten

Eigenthum Grundstücks

-

400



der Frau verbleibet, so muß sie

sich auch die in Anschung des

Werths vorgegangene Verände­ rung gefallen lassen.

Soll aber

Ausnahme Statt

hiervon eine

finden, so muß der Mann die­ ses verordnen.

Mon. 3.

Mon. 3.

vid. Mon. 1.

397.

No. 19. p. 3. ad §. 404. lind

wie

405.

ad

§.

399.

et sequ. Mon. 4.

Mon. 4.

No. 53. p. 37.

wie ad Mon. 1.

kein

Grund

Hierzu ist

vorhanden,

denn

taxationis gratia wird der Werth nur

auf

den

wenn etweder

Fall

bestimmt,

die Sache nicht

restituirt werden kann, oder ru-

inirt ist. Mon. 5.

Mon. 5.

vid. Mon. 4. §. 410. Die Worte des

No. 57. p. 183.

„und ist bet das statt, was ad §. 400.

ein Anschlag deF Grund- gesagt ist.

stücks vorhanden", sind zu bestimmt; es wird heißen müssen,

Hier fin-

„und ist ihm das

Grundstück nach einem An­

schläge übergeben."

407

§. 405.

§. 405.

Mon. 1.

Mon. 1.

Wenn das Grundstück

dem

No

57. p.

183.

Der §.

Ehemann ausdrücklich verkauft, würde so zu geben seyn: hat der so müssen seine Erben solches be­ Mann

halten

und

die Wittwe

solches

kann angeschlagenen,

in

gar keinem

oder

nur

der

nichts als den Kaufpreis fordern; bloßen taxation wegen beigefüg­

ist das Gut nicht verkauft, son­ ten Werth übeniommen ic. dern blos angeschlagen, so muß

die Wittwe das Gut zurückneh­ men, und der Anschlag dienet blos zll einem Leitfaden, in wel­

chem Zustande das Gut zurück gegeben werden müsse. 473.

§. 406.

Mon. 1.

Mon. 1.

No.

»st richtig.

19. p. 3.

Es würde

das Grundstück in dem Zustande, wie es der Ehemann bekommen,

nach getrennter Ehe zurück ge­ geben, und von beiden Theilen

die Meliorationen und Deterioralioncn erstattet werden müssen.

§. 473.

§. 473.

Mon. 1. 2. 3. et 4.

Mon. 1.

Alle Monita sind erheblich und

No. 2. fol. 19. Ein ehemali­

der ganze §>. widerspricht meines ger Anschlag stimmt nicht mit dem

Ermessens

der Natur der Ge­ jetzigen Werth und blos hiernach

meinschaft der Güter. Nach die- kann es gehen.

Auch entsteht



408



ser muß Gewinn und Verlust im letzteren Falle wieder ein geunter Eheleuten gleich seyn. Die zwungener Kauf wie §. 398. Sachen können also nicht an­ ders taxirt werden, als nach dem

Werthe,

den sie zur Zeit des

Todes haben.

Eine andere vor­

herige Taxe ist für nicht gesche­

hen anzunehmen.

Die Gemein­

schaft der Güter bei einem je­ den einzelnen Mobiliarstück aus­

zuschließen,

würde

nicht

rath-

sam seyn und müßte unter den oben vorgkschriebenen Solenni-

täten geschehen. Mon. 2.

No. 9. fol. 76. vide Anmermerkung ad §. 399. und 424.

Mon. 3.

No. 19. p. 4. Die

473.

474. und 475. würden nach den auch hier eintretenden Vorschlä­

gen ad §. 397. hinwegfallen. Mon. 4.

No. 43. p. 31.. Wird diese

Befugniß der Eheleute, die Ber-

mögensstücke ohne Ausnahme, also auch Grundstücke, zu einem

bestimmten Werthe anzuschlagen, nicht eingeschränkt,

so ist dies

der Weg zu vielen Mißbräu-

409 chen

und

Verkürzung

der

Kinder oder Eltern in ih­

rem Pflichttheil.

Es würde

daher wohl noch eine Untersu-

chling stattfinden müssen, inwie­

fern sie durch die Bestimmung eines zu geringen Werthes an

ihrem Pstlchttheil verletzetworden. Mon. 5.

Mon. 5.

ist unerheblich.

Wenn die Ehe­

No. 57. p. 191. Zwischen den

leute in Gemeinschaft der Gü­ Worten — bestimmter Werth —

ter leben, können sie einander würde zu setzen seyn: vendilionis causa.

nichts verkaufen.

8- 474.

§. 474.

Mon. 1.

Mon

ist erheblich, vid. dicla ad

praeced.

Fragen

1.

No 38. p. 217.

Wenn hier

Die aufgeworfenen auf die '§>. 386. und 397. sequ.

werden

sich

aus

de» Bezug genommen ist, so dürfte

Verordnungen ad §. 260. sequ. dies Zweifel bei der Ailwendung

beantworten lassen.

Denn §. 386. ist von

erregen

einer von dem Vermögen

des

Mannes zu bewerkstellenden Se­

paration der eingebrachten Mo­ bilien die Rede, und es wird

festgesetzt, was bei dieser Sepa­

ration zu

dem Vermögen

Frauen zu rechnen.

wird

völlig

der

Hier aber

gemeinschaftliches

Vermögen vorausgesetzt, wobei

es auf gar keine Absonderung,



410

viel weniger auf die Frage: ob

das sämmtliche eingebrachte Ver­

mögen auch vorhanden sey oder nicht, ankommt,

Eben derglei­

chen Schwierigkeiten in der An­ ordnung dürften sich in Absicht 397. sequ. finden.

der

Wie es in Absicht der Fälle

zu halten 1) wenn der Ehemann gemein-

meinschaftliche Mobilienstückt oder auch Grundstücke, sie

mögen von ihm

herrühren,

oder von der Frau

Gemeinschaft

in

gebracht

die

seyn,

resp, vernichtet oder derge­

stalt veräußert hat, daß der

Werth

nicht

zum

gemein­

schaftlichen Vermögen gesto-

ßen« 2) wenn dergleichen Berällßerung

oder Verringerung von derFrau geschehen wäre?

Confer, die Anmerk, ad §. 260. sequ.

8- 475.

§. 475.

Mon. 1.

Mon. 1.

Wenn die Verordnungen des

No. 38. p. 219. Ohne Zwei-

tz. 400. sequ. beibehalten wer- fel ist hier nicht blos auf §. 400.,

den sollen, so würden sie auf sondern auch auf die folgenderz

411 alle Grundstücke gehen mns-

Rücksicht

genommen;

es

sen, sie mögen vom Manne scheinen aber die Grundsätze die-

oder der Frau herrühren, ser

nicht

passen. von

auf

den

der Gütergemeinschaft zu

oder in der Ehe angeschaf- Fall fet seyn.

völlig

Dort ist blos die Rede

Grundstücken,

Frau dem Manne

welche

die

zugebracht

hat, und es werden die Grcind-

sätze festgesetzet, welche auf der­

gleichen inferirte Immobilien an-

gewarldt werden sollen, wenn es

dtif die Zurücknahme des Eigen­

thums der Frau, es sey von ihr oder von ihren Erben, ankommt. Bei der Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft aber ist nicht

allein kein besonderes Eigenthum

des einen Ehegatten vorhanden,

sondern eS können auch insbe­

sondere Grundstücke vorkommen, welche von dem Manne in die

Gemeinschaft gebracht oder wäh­

rend der Ehe vom gemeinschaft­ lichen Vermögen

erkauft

sind.

Auf diesen Fall würden beson­

ders di« Grundsätze der §§. 404.

und 405. nicht ohne näher zu

bestimmende

wendbar seyn.

Modalitäten

an­

412 Mon. 2.

Mon. 2. Wenn einem Ehegatten frei-

No. 57. p. 2. statt — ist

stehen sollte, ein gewisses Stück kein angeschlagener Werth

be­

für einen bestimmten Werth zu stimmt, so re. — würde zu setzen wählen, so müßte dieses wohl seyn: ist kein Werth, oder der­ durch eine ausdrückliche Verab­ selbe nur taxatioms causa be­

stimmt, so ic.

redung festgesetzt seyn.

§. 476.

§. 476.

Man kann alle die verschie­

Mon. 1.

denen

distinctiones entbehren,

No. 2. fol. 19.

wenn

man auf den Fall, da Fall wäre wieder ein Zwang-

Der erste

die Parteien sich nicht m Güte verkauf, also ist es unbillig. anders

vereinigen,

die

Ver-

auktionirung verordnet. Sind

die Parteien gut gegen einan­ der gesinnt, so werden sie sich

ohne Gesetz auseinander finden.

Sind sie aber nicht gut gegen einander gesinnet, so geben die

verschiedenen distinctiones und Taren nur Gelegenheit zu un­

endlichen Streitigkeiten und Chi-

kanen.

Diesen wird durch die

Auktion abgeholfen, bei wel­ cher der überlebende Ehe­ gatte mit bieten

und er­

stehen kann, was er will. Mon. 1.

»st nicht ungegründet.

413

Mon. 2.

Mon. 2.

ist sehr umständlich.

No. 3. fol. 20r- Diese Taxe

sollte theils von dem überleben­

den Ehegatten, theils von den Erben gemacht und daraus die

dritte proportional Zahl gezogen werden.

Mon. 3.

Mon. 3.

No. 16. p. 108. nach — eure

würde allenfalls vorzuziehen seyn.

billige — suppl.: jedoch von un­

parteiischen Taxatoren. §. 477.

§. 477.

Mon. 1.

Mon. 1.

halte ich für gegründet.

Da die Na­

No. 2. fol. 19.

turaltheilung nur Streit bringt, so sollte Niemand darauf drin­

gen dürfen. Zm Nachtrage zum Extrakte ber Monita wird

IX.

bemerkt:*)

§. 398—400.

§. 398-400.

Mon. 1.

Mon. 1.

ist unerheblich. 1) wer kann die

No. 75. p.25. Was Grund-

Eheleute zwingen, eine Tare zu stücke sind, so sollte allemal

machen i

wenn

sie nun

überiebenben

keine dem

Manne

bk

machen, was soll alsdann statt­ Wahl gelassen werben,

ob er

finden X 2) Bei dem Eheverspre­ sie

nicht.

behalten

will

ober

chen haben die mehresten Ehe- Zwar giebt ihm diese auch §.

*) Bd. 74. Bl. 96'—97., 103'—104.

414 leute

noch

keine

Grundstücke. 398., allein §. 400. scheint sie

Gewöhnlich fallen sie ihnen erst wieder

während

der

anfzuheben,

indem

die

Ehe durch Erb­ taxation den Miterben überlas­

3) Wie kann man sen wird, diese aber den Werth

schaft zu.

mit Billigkeit

die Braut

oder zu hoch ansetzcn können.

Die

die Frau zwingen, ein Grund­ Taxation sollte daher gericht­ stück ihrer Familie zu entziehen, lich geschehen, und das Gesetz und dem Manne schlechterdings also heißen:

zu überlassen.

4) Zn Ehen, die

Hinführo soll bei allen Ehe-

mehrere Zahre

gclöbnißen und Verträgen der

der Werth

Werth der Gerechtigkeit oder

der Grundstücke gar sehr geän­

deS Grundstücks bestimmt wer­

dert haben,

den,

30.,

40. und

dauern,

kann

sich

sollen die

warum

wofür eS

der

überle­

Verwandten der Frau davon gar

bende Ehegatte behalten kann,

nicht profitiren i

wenn er will.

Mon. 2.

Mon. 2. halte ich für gegründet, wofern nicht

ausdrücklich

stipulirt

daß der Ehemann

einen

gewissen

solches

Preis

No. 78. p. 7.

Das Grund­

ist, stück gehört der Frau und nach

für ihrem Tode ihren

behalten Mann muß

daher

Erben,

der

solches

an

die Nachlassenschaft in natura

könne.

abgrben.

§. 404.

§. 404.

Mou. 1.

Mon. 1.

ist schon in den vorigen monitis bei diesem §• in fine

merket.

No. 101. p. 34. Zst ein je­

be­ der Anschlag, z. B. der zum

Behuf einer Verpachtung ange­ fertigt worden, hinlänglich? oder

soll es heißen: ist daS Grund-

stück dem Manne nach

einem

Anschläge eingebracht rc. §. 473.

§. 473.

Mon. 1.

Mon. 1.

Das Monitum ist sehr erheb-

No. 60

fol. 29v-

Wenn

lich. — vid. dict. ad. mon. 1. diese Befugniß der Ehelente, die

2. 3. 4. hujus §.

Vermögensstücke ohne Ausnah­ me, also auch liegende Gründe,

zu einem bestimmten Werth anzuschlageu,

nicht

eingeschränkt

wird, so ist dieses ein Mg zu

vielen

Mißbräuchen

und

zu

Verletzung des PflichtthelS der Kinder und Eltern, die

Kinder erster Ehe würden oft sehr zu kurz kommen, wenn ihr

Vater oder ihre Stiefmutter ohne

alle Einschränkung Taxen reguliren könnten, wofür die väterterlichen Grundstücke der Stief­ mutter in Exdivisione gelassen werden sollen, und es hierbei auf

keine weitere Untersuchung an­ käme, inwiefern sie dadurch in ihrem Pflichttheile verletzt worden. Nach der Meinung der Ost­

preußischen Regierung kann diese Einschränkung nur die Vermei­ dung der Verletzung im Pflichttheil zum Gegenstände haben.

416 §. 474.

§. 474.

Mon. 1.

Mon. 1. No. 57. p. 26. Welches sind

Der vorhergehende §. zeiget,

daß der gegenwärtige von kei­ hier die beiden Fälle? Nach dem nen

Fällen

andern

verstanden Zusammenhänge läßt

sich nur

denken, ob er die bereits zu ei­

werden kann.

nem bestimmten Werthe ange­

schlagenen Mobilien dafür

be­

halten und vergüten, oder zur

Theilung bringen will, da soll

er die Wahl haben. §. 475.

§. 475.

Mon. 1.

Mon. 1.

Die folgenden §§. unterschei­

No. 57. p. 26.

Warum wird

Erbtheilung

der Grund­

den die Mobilien von den Zm- die

stücke und Gerechtigkeiten mit

mvbilien.

der Mobilien-Theilung vermischt.

Dies verdunkelt den Zusammen­ hang. Es sollte erst gesagt werden, wie es mit der Theilung gehal­ ten wird,

der Werth

sey be­

stimmt, oder nicht. X. Zn der Revision

der Monita zum

Entwürfe

des Gesetzbuches findet sich Folgendes:') ad §. 397

hen,

Daß auch bei Grundstücken,

so

des Falles zu gedenken, wenn

das

wie §. 390.

gesche­

eingebrachte Grund-

') Bd. 1. der Abschriften, Bl. 321 — 326"-, BI. 349—350.

417

stück dem Manne ausdrücklich verkauft worden, und daß in diesem Falle die Frau oder deren Erben nur das bedungene

Pretium fordern können —

dürfte nicht schaden, ob eS sich

gleich, genau genommen, von selbst versteht. 398.

ad

Verschiedene Monenten, worunter die Ostsriesischen Stände sind,

halten

unbillig,

die

dem

gelassene

Manne

und Herr von Grolman

Wahl

für

tritt »hnen bei.

Da aber keine Gründe vorgetragen sind, als solche, die bei der

ersten Ausarbeitung schon erwogen worden, so glaube ^ch, niich

hierbei nicht weiter aufhalten zu dürfen; zumalen longe majora auch von den ständischen Monenten nichts erinnert, und also den Satz approbirt haben.

Alle Monenten haben die

Härte gegen den Mann, wenn er ein 20. bis 30. Jahre

lang besessenes und bewirthschaftetes Grundstück lachenden Er­ ben räumen muß, nicht erwogen.

ad §. 399.

Wie aber, wenn der Mann das Grundstück nicht behal­

ten, sondern es den Erben zurückgeben wlll, müssen diese als­ dann den angeschlagenen Werth zu der, mit dem Manne zu theilenden Masse konferiren?

allerdings.

Auch sehe ich

Nach dem Geiste des Gesetzes

die von

Herrn

von

so sehr relevirte große Unbilligkeit dabei nicht.

Grolman Freilich wird

der Mann, wenn er das Grundstück deteriorirt hat, und der Anschlag etwas hoch ist, lieber das Grundstück zurückgeben und

den Werth zur Masse konferiren lassen.

Wenn man inzwischen

bedenkt, daß der Mann in solchem Falle doch für Verringe­ rungen haften muß, die durch Veräußerung in Pertinenzstücken

entstanden sind, und daß er von dem Quanto, um welches etwa der Anschlag den jetzigen wahren Werth übersteigt, bei 27

418 der Theilung mit Ascendenten und Descendenten ein Viertel

und mrt Seiten-Verwandten höchstens nur die Hälfte profitirt,

so wird der Schein der Unbilligkeit in de» wenigen Fällen, wo er etwa vorhanden seyn könnte, verschwinden, oder doch vor dem unverkennbar weit größeren dkutzen des Gesetzes, in Vermeidung der so weitläuftigen, kostbaren und unzuverlässigen

Werths-Ausmittelungen und der fatalen Meliorations-

und

Deterioraticms-Prozesse, von selbst in die Augen fallen.

ad 1) Gegen diese

400 — 403.

§§., durch welche alle die weitläiiftigen

und kostbaren l'uxations-Prozesse so glücklich vermieden wer­

den, und die so offenbare Billigkeit bei sich führen, finden einige Monenten Schwierigkeiten, die mir aber gar nicht einleuchten

wollen. a.

Wie sollen die Erben den Werth erfahren < Sache.

Das ist ihre

Eventualiter ist ihnen unverboten, eine gericht­

liche Taxe oder ^Anschlag anfnehmen zu lassen, und sich

dann zu determinircii, wie hoch sie den Werth einsetzen

wollen.

nicht.

Nothwendig aber ist eine solche Laxe tust

Die Erben können auch sonst hinlängliche Nach­

richt von dem Werthe des Gutes haben.

Uebrigens kön­

nen aus der Zulassung der Taxe unter diesen Umständen gar keine Weitläuftigkeiten und Prozesse, wie Herr von

Die Taxe, wird

mir

informationis gratia für die Erben ausgenommen.

Es

Grolman

besorgt,

entstehen.

sind also weder von ihrer noch von des Wittwers Seite Monita gegen die Taxe denkbar

b.

Wenn die Erben eine Taxe verlangen, ist der MaiiN schul­ dig, die Rcchiiilng zu ediren?

Ohne Zweifel, wenn die

von Gericht bestellten Taxatores solches verlangen; da es

419

von den Erben dependirt: ob sie die heransgebrachte Taxe beibehalten, oder solche höher oder niedriger setzen wollen, so ist gar nicht zu fürchten, daß der Mann dabei Unrich­

tigkeiten oder Durchstechereien machen werde.

Allenfalls

könnte man aus Gelegenheit dieses Moniti ein Supple­ ment machen:

„Den Erben der Frau stehet es frei, zu ihrer Infor­

mation von dem Werthe des Grundstücks eine gericht­ liche Taxe aufnehmen zu lassen,

und der Mann

ist

schuldig, den Taxatoren die ersorderlichen Rechnungen

lind Nachrichten vorzulegen.

Doch sind die Erben an

die herausgebrachte Taxe nicht

gebunden,

sondern eS

stehet ihnen frei, den Werth auf höher oder niedriger zu bestimmen." c.

Was soll der Curator eines minorennen Er­

den der Frau

thun,

um

seinen Curandum

gegen Laesionem zu sichern? auf die Umstände an.

Das Kommt

In der Regel muft

er tarnen lassen.

d.

WaS ist zu thun, wenn mehrere Erben der Frau sich über den zu bestimmenden Werth nicht vereinigen können? Dann müssen sie m. v. taxiren lassen; jeder Theil muß

einen Taxator und der Richter einen Obmann bestellen. Die von diesen aufgenommene Taxe muß überhaupt un­

ter den Erben den Ausschlag geben.'

Submitto, ob dies

beizufügen.

e.

Was ist zu thun, wenn die Erben die Bestimmung eines Wetths hattnäckig verweigern?

Dann würde ich eine ge­

richtliche Taxe in contumaciam aufnrhmen lassen, ohne

27*

420 daß den Erben freistände, dagegen zn moniren; und diese

Taxe würde alsdann dem Manne zur Wahl gestellt. 2) Daß der §. 403. überflüssig sey und wegbleiben könne

— concedo.

ad §. 404. und 405. 1) Auch hier wird gegen die, der Fran sreigelaffene Wahl

viel mvnirt.

Aber mit eben so wenig Grunde.

Freilich soll

conjux superstes gegen die Erben begünstigt werden.

ist

denn

das

so

was

Unbilligess

Herr

von

Aber

Grolman

nimmt den Fall, wenn das Grundstück dlirch Krieg oder sonst

per casus forluitos sehr verwüstet worden.

Aber war der

Mann als Usufrucluarius nicht schuldig, solches wiederherzu­

stellens

Ueberdem bedenke man nur, mit wem es die Frau

zu thun hat.

Gesetzt der Anschlag wäre 12000, und das

Gut wäre jetzt nur noch 8000. werth, die Frau profitirt also,

wenn sie den Anschlag nimmt, 4000.

Nun kommt aber das

Gut bei der Erbtheilung zwischen der Frau und de»

Erben

des Mannes nach seinem wahren Werthe, i. e. mit 8000 in Anschlag und davon erhält die Frau, wenn sie mit den Kin­

dern theilt, 2000.

Hätte sie das Gut in natura genommen,

und also die 12000. in der Masse gelassen, so hätte sie davon erhalten — 3000.

noch 3000.

Sie profitirt also bei dem Anschläge nur

Theilt sie mit entfernten Erben,

vom Werthe des Gutes ex hereditate 4000.

so erhält sie

Sie hätte aber

6000. erhalten, wenn sie den Anschlag in der Masse gelassen

hätte.

Zhr Profit ist also gar nur 2000.

Bei diesem Exem­

pel erhellet:

a.

daß freilich nach dem Gesetz die Frauen im Verhältniß ge­ gen ihre Kinder mehr profitiren, als im Verhältniß gegen

fremde Miterben.

Allein das ist auch nichts Unbilliges.

421 Einestbeils können die Kinder ihrer leiblichen Mutter einen Bortheil eher gönnen, als Fremde.

Anderntheils werden sie—in 9. Fällen unter 10. künf­ tig

wieder

ihre

Erben.

Ucberhaupt

darf ja der

Mann, wenn er seiner Frau dergleichen Bortheil aus sei­

nem künftigen Ikachlasse nicht gönnen will, es nur ableh­ nen, das Grundstück taxato zu übernehmen.

Hat er es

aber gethan, warum will man die rechtliche Folge davon

nicht gelten lassen, da sie doch offenbar so nützlich ist, den unglücklichen Meliorations- und Deteriorations-Prozessen

vorzubeugen. b.

Dagegen aber wird es

nothwendig seyn, ausdrücklich zu sagen,

daß wenn die

Frau das Grundstück in der Masse läßt und den ange­ schlagenen Werth nimmt, das Grundstück demnächst bei der Erbtheilung zwischen ihr und den Erben des Man­

nes nicht nach dem Anschläge in Ansatz komme;

denn

sonst würde die Fran doppelt profitiren, welches unbillig wäre. 2) Daß statt der Worte: „Zst ein Anschlag vorhan­

den," zu setzen sey

„Hat

der Mann

das Grundstück

nach einem Anschläge übernommen,"

ad

acccdo.

475.

Dieser §. muß auf alle Fälle stehen bleiben; der über­

lebende Ehegatte mag mit den Verwandten des verstorbenen theilen, wie er will.

Denn da doch bei der Theilung die Itn-

mobilia immer in Anschlag kommen müssen, so bleiben eben die Gründe für den Modum divisionis, dass näm­ lich die Erben tapiren und der überlebende Ehegatte

wählt, wie für den Fall, wenn keine Communion vorhanden ist.

422 ad

470.

Einige Monenten finden diese,» Satz unbillig, andere, und unter ihnen Herr von Grolman,

keiten Anlaß gebend.

zu

vielen

Da conjux superstes

Weitläustigcondominus

der Meubles ist, so enthält die Freiheit, solche für die Taxe anzunehmen, gewiß nichts Unbilliges.

Weitläuftigkeiten sind,

wenn die Sachen gerichtlich taxirt werden, getviß weit weniger

zu besorgen, als bei der Auktion, die Herr von Grolln an vorschlägt.

ad §. 477. und 478. Dem Anträge einiger Monenten, daß wenn die Interessen­ ten über die Natural-Theilung nicht einig sind, allemal Auktion

seyn müsse, würde ich, ohnerachtet Herr von Grolman sol­ chen unterstützt, nicht beitreten.

Aucliones sind kostbar und

für den überlebenden Ehegatte» oft kränkend.

XL Zn den amtlichen Borträgen bei der Schluß­

revision des Allgemeinen Land-Rechts heißt es also:") ad tit. 1. §. 570—585.

Zn dieser Theorie ist das Neue:

1.

daß dem Manne die Wahl gelassen ist, den fundum

dotalem zur Verlaffenschaft zurück zu geben,

oder denselben

zu behalten und den Werth ad massam zu eonferiren.

De

Jure Romano muß der Mann solulo matrimonio praecise

den fundum dotalem in natura herüusgeben, und ist chm der­ selbe nach einer venditionis causa gesetzten Taxe inferirt worden, so muß er praecise den taxirten Werth ad massam bringen.

2.

Daß die Bestimmung des Werths, für welchen der

Mann den fundum dotalem entweder behält, oder für wel-

*) Jahrbücher, Bd. 41. S. 120—124.

423 chen die Erben sich denselben bei der Theilung anrcchncn lassen

müssen, nicht nach einer Taxe, sondern auf andere Art bestimmt werde,« soll.

ad 1. beruhet sowohl diese, als manche der folgenden Ab­ weichungen, wodurch der überlebende Ehegatte bei der Succes­

sion weit mehr, als nach Römischein Rechte begünstigt wird, auf folgenden

Gründen:

Das Nerhältniß der Eheleute bei uns «st ganz anders, als es bei den Römern war. Zn den ersten Zeiten der Entstchting fccs Juris Romani war die Frau nicht viel mehr, als die erste und oberste Skla­ vin des Mannes.

Eingeschränkt in ihr Haus, durfte sic sich mit

nichts, als häuslichen Arbeiten für den Mann beschäftigen. Sie war von aller Theilnehmung an seinen äußern Rechten und an den mei­

sten seiner geselligen Bergnüglingcn aiisgcschloffcn.

Sie war

nur das Instrument, dessen er sich ad cxlinguendam hbidi-

neni oder ad procreandam

sobolem

bediente;

sie

mußte

diese Bestimmung nach dem Gutsinden des Mannes mit Eon-

cubinen und Sklavinnen theilen, und es hing lediglich von sei­ ner jedesmaligen Laune ab, sie von sich zll

stoßen.

Folge verbesserte sich zwar die Lage des weiblichen

Zn der Geschlechts

auch bei den Römern in etwas; besonders seit der Einführung

des Ebristcnthums.

Aber nie war doch dies Band in jenen

älteren Zeiten so genau, so innig, so gleich und so heilig und unverletzlich, als unsere heutigen Sitten, unsere ganze Denkart,

und selbst unsere Gesetze es gemacht haben.

Was die Bibel

sagt: Das Weib wird Vater und Mutter verlassen m.,

paßt

gewiß mehr auf luiscre jetzigen Verhältnisse, als auf die da­ maligen.

Die Frau ist jetzt mebr als

emals Theilnehmerin

an allen Schicksalen des Mannes, Mitgenossin aller Vorrechte und Lasten seines Standes und Berufs, Gehülfin nicht nur

424 für Küche und Hauswirthschaft, sondern auch für die meisten seiner Bernfsgeschäste.

Es ist.also ganz widersinnig und ge­

gen die Natur der Sache, wenn unsere Gesetzgebung den über­

lebenden Ehegatten bei der Materie von der Succession noch immer als einen Fremden behandelt, der, wenn er sich nicht

durch Verträge prospicirt hat, den ganzen Nachlaß des zuerst

Gestorbenen seinen oft sehr entfernten Verwandten und lachen­

den Erben überlassen muß, und nur kaum, wenn er Gefahr zu verhungckn läuft, durch ein nothdürftiges Almosen aus dem

Nachlasse dagegen geschützt wird.

Die Natur der Sache, das

von vorgefaßten Meinungen noch nicht verdorbene Billigkeits­ gefühl, lind selbst das Interesse des Staats fordern d,e Gesetz­

gebung auf, über die Succession der Eheleute andere, der Be­ schaffenheit dieser genauesten aller Verbindungen angemessenere

Grundsätze einznführen.

Denn wer gewinnt wohl mehr, als

der Staat, bei allem, was die Innigkeit und Festigkeit der

ehelichen Verbindungen erhält und befördert?

Aus diesem, wie

ich glaube, sehr richtigen Gesichtspunkte ist die ganze Lehre de successionc conjugum im Gesetzbuche bearbeitet worden; und

auch die in den vorliegenden §. dem Manne gelassene Wahl, ein eingcbrachtes Grundstück als sein Eigenthlnn zu behalten

und nur den Werth zur Theilung mit den übrigen Erben zu

bringe», fließt aus eben derselben Quelle.

Es treten aber auch

hierbei noch besondere Betrachtungen ein.

Der Mann ist legitimus administrator et usufructuarius von den Gütern und Grundstücken der Frau.

das

Gut 20.,

30. Jahre

bewirthschaftet;

Er hat

er hat es durch

seine Industrie tind Kosten ansehnlich verbessert; er hat es sich ganz nach seinem Geschmack tmb Vermögen eingerichtet, und sich daran gewöhnt, dieß alles in allen Stücken als sein Ei-

425 genthum, auf dem er den Rest seiner Tage zu beschließen hofft, anzusehen.

Nun stirbt unglücklicherweise die Frau vor ihm,

ohne daß Ehepakten oder Testament vorhanden sind.

Sogleich

muß er das Gut, seinen gewöhnlichen, geliebten Aufenthalt,

mit dem Rücken ansehen-; er bekommt für alle die Mühe und Kosten, womit er vielleicht die beste» Jahre seines Lebens hin­

durch an der Berbefferung und Verschönerung gearbeitet hat, wenig oder gar nichts vergütet, und wird über jede angebliche Verschlimmerung chikanirt.

Dergleichen Evenements, die doch

gewiß nicht zu den ungewöhnlichen gehören, empören nicht al­

lein das natürliche Billigkeitsgefühl, sondern sind auch dem ge­ meinen Besten, der Industrie und Kultur sehr schädlich. Nach heutiger Theorie muß ein Mann, der konsequent denkt imb nur im Geringsten für sein Interesse sorgt, wenn er besonders kinderlos ist, ein ihm inferirtes Gut als ein blo­ ßes Pachtgut ansehen, aus dem er so viel als möglich heraus­ zubringen sucht, und sich nm Meliorationes, die nicht etwa

einen nahen und augenblicklichen Vortheil gewähren, gar nicht

bekümmert.

Nach der Theorie des Gesetzbuches wird er gewiß

eben so viel Mühe und Fleiß ans die Konservation und Ver­ besserung des inferirten, als des eigenen Gutes verwenden, da er weiß, daß er das Gut, wenn er die Fran überlebt, als sein

Eigenthum behalten kann, und wenn er vor der Frau stirbt,

die Früchte seiner Mühe und seines Fleißes nur ihr, aber fremden und lachenden Erben zu Gute kommen.

nicht

Auf der

anderen Seite verlieren die anderen Miterben der Frau durch

die Theorie des Gesetzbuches im Grunde nichts. schlag vorhanden,

Ist kein An­

so bestimmen sie selbst d»n Werth, wofür

das Gut entweder von dem Manne übernommen, oder bei der Theilung angerechnet werden soll.

Ist das Gut dem Manne

426

»ach einem Anschläge übergeben worden, so kann freilich darin

einiger Vortheil für ihn liegen.

Aber dies giebt den übrigen

Erben noch kein Recht, sich zu beschweren,

da sie nichts da­

gegen sagen konnten, wenn die Frall das ganze Gut per modum pacti vcl ullimae volunlatis dem Manne zugewendet Selbst wenn Kinder vorhanden sind, kann man nicht

hätte.

sagen, daß deren natürliche Rechte drirch die Anordnungen des

Gesetzbuches gekränkt würden.

Denn einesthcils ist im fol­

genden Titel dafür gesorgt, daß daraus keine laesio in legitima entstehen kann; und anderentheils ist cs ihr Vater, der und von welchem dieser Profit, nach dem

avantagirl wird,

natürlichen und gewöhnlichen Laufe der Drnge, zuletzt doch wie­

derum auf sie devolvirt wird. ad 2. wird sich die Billigkeit Vorschriften aus

einer

näheren

und

Zweckmäßigkeit

Auseinandersetzung

der

derselben

von selbst ergeben. Es giebt nicht leicht schädlichere und ungewissere Prozesse, als wenn der Werth eines Grundstücks durch Taren ausgemit­

telt werden soll; da diese nur nach allgemeinen Grundsätzen

verfertigt werden können, und solche allgemeine principia, we­ gen der unendlich verschiedenen Lokal-Verhältnisse, oder individttellen Lagen der Interessenten, in der Anwendling so sehr

trügen.

Das Gesetzbuch hat also einen anderen Weg gesucht.

Ist kein Anschlag

vorhanden,

so bestimmen

die -Erben

den

Werth, wozu ihnen, nach H. 575., alle Adminicula an die Hand gegeben werden müssen. mung des Werths

Da sie zu der Zeit, wo diese Bestim­

erfolgt, noch nicht wissen können, welche

Partie der Mann ergreifen, und ob er den fundutn behalten,

und denselben zur Masse zurückgeben werde, so verpflichtet sie ihr eigenes Interesse, den Wertb so billig als möglich und der-



427



gestalt zu bestimmen, wie sie allenfalls selbst den fundiim in

der Theilung glauben annehmen zu können.

Auf der andern

Seite kommt es, wenn der Werth von den Erben gesetzt ist, nur auf den Mann an, ob er denselben seiner Convenienz ge­

mäß findet, und das Grundstück dafür behalte» will oder nicht. Es kann also keiner von beide» Theile»

einen

vernünftigen

Grund haben, über die gesetzliche Anordnung zu klagen.

Zst ein Anschlag vorhanden,

Richtschnur.

so dient dieser überall zur

Dabei kann nun freilich der überlebende Mann

sehr avantagirt seyn.

Es ist aber schon oben gezeigt worden,

daß, sobald nur gegen laesiones in legitima prospicirt

ist, keiner der Miterben berechtigt sey, über einen solchen, dem Manne zugewendeten Vortheil sich zu beschweren, da die Frau demselben das Mehrere, nämlich das ganz unentgeldliche Eigen­ thum des Guts, zuwenden konnte, und es ihr daher noch un­

bedenklicher frei stand, ihn durch einen niedrigen Anschlag zu

begünstigen.

Zst hingegen der Anschlag zu hoch, so wird der

Mann nicht gezwungen, das Gut ju behalten, sondern er kaim

es zuruckgeben, sobald er zur Vergütung der an der Substanz

gemachten Deteriorationen sich entschließen will.

Aber auch die

Erben sind in diesem Kalle an den Anschlag nicht gebunden,

sondern es kommt alsdann blos dararif an, wie die Partheie»

sich über den Wetth anderweit vereinigen, oder

wie

selbiger

von den Richtern festgesetzt wird. XII.

Zm Allgemeinen Landrechte lauten die §§.

570—584. also:

§. 570.

Hat die Frau dem Manne Grundstücke oder Gerechtigkei­ ten ringebracht: so hat, wenn sie zuerst stirbt, der Man» die

428 Wahl, ob er das Grundstück zur Nerlaffenschaft zurückgeben,

oder dafür den Werth bezahlen wolle. 571. Ist das Grundstück dem Manne nach einem gewissen An­

schläge eingebracht worden: so mnß der Mann, wenn er sel­

biges behalten will, den angeschlagenen Werth zur Masse ver­ güten. §. 572.

Ist die Einbringung nicht unter einem gewissen Anschläge

geschehen: so müssen die Erben der Frau den Werth bestim­ men, und alsdann steht es in der Wahl des Mannes: ob er

das Grundstück dafür annehmen, oder den andern Erben über­ lassen wolle.

§. 572.

Wählt der Mann das Grundstück: so muß er den von

den Erben gesetzten Preis bey der Theilung einwerfen.

§. 574. Ueberläßt der Mann das Grundstück den Erben, so mllß

dasselbe auch bey der Theilung, nach dem von den Erben be­

stimmten Werthe, in Anschlag gebracht werden. 575.

Den Erben der Frau steht eS frey, zu ihrer Information, von dem Werthe des Grundstücks eine

gerichtliche Taxe

aufnehmen jit lasse», und der Mann ist schuldig, den Taxato­

ren die vorhandenen Nachrichten und Rechnungen auf Erfor­

dern mitzutheilen.

§. 576. Doch sind die Erben an die herausgebrachte Taxe nicht

gebunden, sondern es steht ihnen frey, den Werth auch höher ober niedriger zu bestimmen.

429 §. 577.

Können mehrere Miterben der Frau über die Bestiyimung

des Werths sich nicht vereinigen: so muß eine gerichtliche Taxe ausgenommen werden. §. 578.

Diese Taxe dient jedoch nur unter den streitenden Erben

selbst, bey Festsetzung des von ihnen nach §. 572. dem Manne

zu bestimmenden Werthes, zur Richtschnur. §. 579.

Zögern die Erben länger, als Sechs Monathe, nach erfolgter gerichtlicher Aufforderung, mit der Bestimmung des Werths: so muß der Richter von Amtswegen eine Taxe aufnehmen las­

sen, und dieselbe dem Manne zur Wahl vorlegen.

§. 580. Gegen eine solche Taxe werden den Erben keine Ausstel­ lungen verstattet. H. 581.

Stirbt der Mann zuerst,

und ist das Grundstück nach

einem Anschläge eingebracht worden; so steht es in der Wahl

der Frau: ob sie das Grundstück zurücknehmen, oder den an­

geschlagenen Werth aus dem Nachlasse des Mannes fordern wolle. §. 582.

Hat der verstorbene Mann das Grlindstück zu keinem an­

geschlagenen Werthe übernommen: so muß die Frau mit der Zurücknahme desselben sich begnügen.

583. Zn allen Fällen, wo ein Grundstück nach einem Anschläge

eingebracht worden, kann derselbe nur bey der Absonderung deS Vermögens der Frau zur Richtschnur dienen.

430

584. Zn ft fern hingegen das Grundstück hiernächst, bey dem Nach­ lasse der verstorbenen Frau, zu Bestsetzung der Erbtheile mit in

Anschlag kommen soll, ist keiner von den Erben an den An­ schlag weiter gebunden. Der §. 648. a. a. O. sagt: Sind in dein zu theilenden gemeinschaftlichm Vermögen

Grundstücke oder Gerechtigkeiten vorhanden: so hat der über­ lebende Ehegatte, eben so wie in dem Kalle des §. 571. sqq.,

die Wahl, selbige für eine von den übrigen Erben zu setzende Taxe zu übernehmen.

Anhang §. 79.

Dem Vater, welcher sich nach dem

Tode seiner Ehefrau mit seinen minorennen Kindern auseinandersetzt, kann das Eigenthum des auf seinen Namen eingetra­ genen Grundstücks, gegen Einwerfung seines Erwerbungsprei­

ses in die zu theilende Masse, unter dem auf das Grundstück

einzutragenden Vorbehalte, daß bey einem höheren Verkaufe die­ ses Grundstücks das Mehrere der gemeinschaftlichen Masse Zu­

wächse, ohne gerichtliche Abschätzung oder Subhastation über­

lassen werden.

XII.

Deklaration, das gesetzliche Erbrecht der Kinder und weitern Ab­ kömmlinge der vor dem Erblasser verstorbenen Ge­

schwister desselben, imgleicheu auch der Halbgeschwi­ ster und deren Abkömmlinge im Herzogthume Schle­

sien betrefsend, vom 22. Zuni 1839.")

^ei der Einführung des Allgemeinen Landrechts in dem Herzogthum Schlesien wurden die, dasFanülienrecht betreffenden

drei ersten Titel des zweiten Theils desselben, soweit sie Ab­ weichungen von den Vorschriften der bisherigen gemeinen Rechte enthalten, suspendirt.

Zm Zahre 1804. hörte diese Suspen­

sion auf und es traten nun jene Titel vermöge des allgemei­ nen, im Publikations-Patente $it dem Allgemeinen Landrechte ausgesprochenen Grundsatzes an die Stelle der bisher in An­

wendung gewesenen Römischen, gemeinen Sachsen- und andern fremden subsidiarischen Rechte,

während

die

Provinzialrechte

und Statuten ihre gesetzliche Kraft und Gültigkeit behielten. ") Gesetzsammlung für 1839. S. 222. — Bgl. die Jahrbücher, Bd. 28. S. 32. und Bd. 44. S. 44., da« Schlesische Archiv,

Bd. 2. S. 92.

432 Sehr abweichend von diesen Bestimmungen anderer

ge­

meinen Rechte sind die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts

über die Zntestat- Erbfolge.

Schlesien ein großes

Die Frage hatte daher auch für

praktisches Interesse, was von dem bis­

herigen Rechte als gemeines Recht aufgehoben sey, oder als Provinzialrecht noch fortdauere.

Besondere Zweifel in Absicht auf diese Frage entstanden bei der Succession der Seitenverwandten dadurch, daß theils

unter Oesterreichischer, theils unter Preußischer Herrschaft Ver­ ordnungen ergangen waren, über deren Bedeutung die Mei­

nung schwankte, ob nämlich dieselben nur als Abänderungen

der früher gültig gewesenen gemeinen Rechte, oder als neue provinzialrechtliche Vorschriften zu betrachten seyen.

Die Verhältnisse in der Succession der Seitenverwandten, welche von den Zweifeln berührt wurden, sind

I. das Verhältniß der Geschwisterkinder in der Konkurrenz mit Geschwistern des Erblassers; H. das Verhältniß der Halbgeschwister und deren Descenden­ ten in der Konkurrenz mit Kindern vollbürtiger Geschwister.

I. Erbfolge der Geschwisterkinder in der Konkurrenz mit Geschwistern des Erblassers.

Man nimmt gewöhnlich an, daß von den. vor Einfüh­ rung des Allgemeinen Landrechts in Schlesien gültig gewese­

nen gemeinen Rechten zunächst das Sachsenrecht und da, wo

dieses keine Vorschriften enthält, subsidiarisch das Römi­ sche Recht in Anwendung gekommen

sey.

Diese Auffassung

des Verhältnisses beider Rechte scheint nicht richtig

zn

seyn.

Zm Gegensatze zu einem ursprünglichen, hergebrachten Lan-

433 desrechte kamen das sogenannte Sachsenrecht, jus Saxonicum novum, wie es in einer Kaiserlichen Dezision vom 25. Zanuar 1662. ’), wovon weiterhin mehr die Rede seyn wird,

genannt worden ist, nnd das Römische Recht, beide als fremde

Rechte, nur durch die Gewohnheit des Gebrauches, nicht vermöge

förmlicher landesherrlicher Verkündigung, welche etwa ihr Ver­ hältniß festgestellt hätte, in Schlesien zur Anwendung.

Das

sogenannte Sachsenrecht hatte mit dem ursprünglichen, herge­

brachten Landesrechte über sehr viele Gegenstände eine ge­ meinschaftliche Wurzel oder eine viel nähere Verwandtschaft als

das Römische, und darin liegt der Grund, daß das erstere weit mehr in Uebung kam, als das letztere.

Dies hinderte

jedoch nicht, daß nebenbei in Beziehung auf neu sich bildende

• LXXVI. Anno 1662. b. 25. Januarii. KayserlichtS Decisum in puncto Successionis Collateralium, Leopold. Hochgebohrner Oheim und Fürst, auch Wohlgebohrner, Hoch- und Wohlgebohrner, und Gestrenge, liebe Getreue; Demnach Wir auf Deiner Liebden und eure bey Uns gehorsamst ge­ suchte Belehrung, wie in Successione Collateralium ab in les tato sie sich in senlentionando zu verhalten, ob secundum jus Civile, oder aber jus Saxonicum novum die Partheien zu bescheiden seyn möchten, in vorgebrachten Casu gnädigst decerniret und statuiret haben wollen, daß weilen ratione Sanguinis die leibliche obschon nur halbbürtige Schwe­ ster der Erblasserin vor der Mutter, wiewohlen vollbürtige Schwester, uno gradu proximior ist, diese letztere von der Succession ausgeschlossen seyn sollte. Als werden Deine Liebden und ihr (wie hiermit Unser gnädigster Be­ fehl ist) die Partheicn hiernach also zu bescheiden, und führohin in andern dergleichen vorfallenden Casibus zu urtheilen wissen. So Deine Liebden und ihr also zu beobachten und an dem Unsern gnädigsten Willen und Meinung gehorsamst zu vollziehen haben werden. Geben in Unser Stadt Wien den 25. Monats - Tag Januarii, im 1662. Jahre. (Brachvogel, Sammlung, Th. 2. S. 464., Suarez, Sammlung, Elnl, S. 11. und Th. I. S. 43.)

434 Verhältnisse, für welche das Sachsenrecht weniger genügte, das Römische Recht der Entscheidung zum Grunde gelegt wurde.

Die Grenzen der Zlnwendung beider Rechte,

eben weil nur

die Gewohnheit des Gebrauches sie eingeführt hatte, waren rinbestimmt,

und

so

konnte

cs

nicht fehlen,

daß

Kollisionen

zwischen beiden entstanden und Zweifel darüber erhoben wl»rwelches

den,

Recht in einem bestimmten Falle den Vorzug

vor dem anderen habe.

Ein Fall dieser Art war der, welcher

durch da§ obgedachte Kaiserliche Decisum von 1662. entschie­

den worden.

Belehrung

Es

bei

war nämlich Namens

dem

der

Gerichte

eine

Kaiser Leopold darüber nachgesucht

worden, wie sie sich bei Gelegenheit eines besonderen Falles

in successione collateralinm ab intestato in sententio

nando zu verhalten, ob secundum jus civile oder aber

jus Saxonicum die Parthencn zu bescheiden seyn möchten. Dies konnte gar nicht geschehen, wenn die Regel gegolten hätte,

risch

daß zunächst das Sachscnrecht und nur subsidia­ das

Römische Recht anzuwenden sey.

Noch weniger

konnte der Kaiser die nachgesuchte Belehrung, wie er that, da­

hin ertheilen: Demnach wir — — in vprgebrachten Casu gnädigst decerniret und statuiret haben wollen, daß weilen ratione san­

guinis die leibliche obschon nur halbbürtige Schwester der Erblasserin vor der Mutter, wuwolen vvllbürtige. Schwester,

uno gradu proximior ist, diese letztere von der Succession ausgeschlossen seyn sollte; als werden — ihr die Partheyen

hiernach also zu bescheiden und führohin in andern der­

gleichen vorfallenden Casibus zu urtheilen wissen. Diesem Decisum, wie cS genannt wird, liegt das Rö­

mische, nicht das Sächsische Recht zum Grunde; es selbst ist

435 kein Gesetz, keine Verordnung, sondern nur ein Bescheid auf

ein

Gesuch um Belehrung, und diese gehet dahin, daß nicht

nach Sächsischem, sondern nach Römischem Rechte zu urthei­

len sey. Eine ähnliche Kollision zwischen Heiden Rechten, wie in

dem entschiedenen Falle, trat späterhin in Beziehung auf das

sogenannte Repräsentationsrecht in der Erbfolge der Sei-

tenverwandten hervor.

Rach dem Römischen Rechte werden

nämlich, wenn Bruder und Schwestern des Erblassers zur Erb­ schaft gelangen, auch die Kinder vorverstorbener Brüder und

Schwestern als deren Repräsentanten zur Erbfolge mit zuge­

lassen, obgleich sie dem Erblasser um einen Grad entfernter stehen als die ersteren.

Ein solches Repräsentationsrecht kennt

das Sachsenrecht nicht; nach diesem entscheidet allein die Nähe

des Grades über das Recht zur Erbfolge und die Kinder vor­

verstorbener Brüder und Schwestern

daher

von den

überlebenden Oheimen und Tanten alisgeschlossen *).

An ver­

werden

schiedenen Orten in Schlesien war nun früherhm unter Oesterreichischer Herrschaft bald nach dem Sachsenrechte, bald nach dem Römischen Rechte, also bald gegen, bald für ein Re­

präsentationsrecht,

von den Gerichten erkannt worden.

Um,

wie es in den Motiven heißt:

ein durchgehendes gleiches Recht in hoc passu im Herzog-

thum Ober- und Niederschlesien einzuführen, erging unter'm 31. Oktober 1696.

eine Kaiserliche Verord­

nung, genannt pragmatische Sanktion"), welche festsetzte: *) Vgl. Eichhorn, deutsches Privatrecht, §. 333.

’) XXVIL Anno 1696. d. 31. October. — Dee gleichen de Jure Repraesentationis. Der Röm. Kapserl. auch zu Hungarn und Böheimb König!. Majestät

28 *

436 daß

führohin — wo

in

linea

collaterali Brüder

oder

Schwestern mit Brüder- oder Schwesterkindern konkurriren,

Obrister Hauptmann, Wir Frantz Ludwig, wie auch Cantzler und Räthe, bey Dero Konigl. Ober-Ambt im Hertzogthum Ober - und Nieder-Schlesien rc. Entbieten denen Hoch- und Löblichen Herren Fürsten imb Ständen dieses

Landes, wie auch deren nachgesetzien Aembtern und Obrigkeiten rc.

Unsere

respective gebührende freundliche Dienste, Freundschafft, Gunst,

Gnade

und alles Gutes,

Und geben denenselben hierdurch gebührends zu verneh­

men, welchergestalten Allerhöchstgedachte Jhro Kayserl. und Konigl. Ma­

jestät de dato Wien den 9. October dieses fortschreitenden ZahreS an Dero Köntgl. Ober-Ambt allergnädigst rcscribiret: Was massen dieselbe Ieithero

aus unterschiedenen bei Deroselben allerunterthänigst eingereichten Appellations- und Uevi8ion8-Schriften wahrnehmen müssen, daß in Dero Hertzog­

thum Schlesien an unterschiedlichen Orten in puncto Juris Repraesentationis in Linea Collaterali bey ereigneten Erbfällen diversimodo bald pro bald contra von denen Unterrichtern gesprochen, und Theils dem Juri

Communi, Theils dem Juri Electorali Saxonico nachgegangen, dadurch

aber dte Parthen zu Ergreiffung bex Appellationen verleitet worden: Wann nun aber dieselbe ein durchgehendes gleiches Recht in hoc passu in Dero

Hertzogthum Ober- und Nieder-Schlesien einzuführen, und per Sanctionem pragmaticam zu staluirrn gnädigst für nöthig befunden: Daß füh­

rohin in dergleichen Erb-Fällen, wo cs erbliche Stücke und kein Lehn (als in welcher Anfall es dieselbte bei denen bißherigcn Lehns-Rechten und Ob-

servantz gnädigst bewenden ließen) betrifft, und da in linea Collaterali Brüder oder Schwestern mit Brüder- und Schwester-Kindern concurriren,

jedoch nur in hoc gradu, und weiter nicht, das Jus Repraesentationis

statt haben,

und die Brüder- und Schwester-Kinder, nebst ihrer Eltern

Brüder oder Schwestern den Stämmen nach, zu denen Erbfchafften gelassen, auch von nun

an in allen Schlesischen Judiciis und Gerichten also geur-

theilet und gesprochen werden solle; Ulis hierauf allergnädigst anbefehlende, nicht allein bei Dero König!. Ober-Ambte es führohin also zu halten, son­ dern auch solches in hiesigem Herzogthum Ober- und Nieder-Schlesien zu

durchgehender gebührender Observantz dem Stylo gemäß zu publicirni; Als

haben zu dessen allerunterthänigster Befolgleistung wir diese Kayserl. Aller­ gnädigste Pragmaticam,

wie

hinkünstig

bey

ereignenden Erb-Fällen

die

Collaterales succediren, und wie weit selbige Jure repraesentationis

admittiret

werden

sollen,

durch

gegenwärtige

gedruckte Patentes jeder-

männiglich kund machen; Und solchemnach Ob- Hoch- und Wohlgedachte

Herren Fürsten und Stände, wie auch derselben nachgesetzte Aembter und

437 jedoch nur in hoc gradu, und weiter nicht, das jus repraesentationis Statt haben und die Brüder- oder Schwesterkinder

den Stämmen nach zu denen Erbschaften gelassen, auch von nun an in allen Schlesischen Gerichten also geurtheilet und

gesprochen werden soll. Diese Verordnung wurde mehrere Zahre nachher durch ein sogenanntes Patent vom 20. Januar 1704.**) dahin deklarirt: Obrigkeiten hiermit von Königl. Ober-Ambts wegen gemessen erinnern und ermahnen wollen, diese heilsame Sanction bey allen Judiciis genauest zu beobachten, und darüber in allen Fällen festtglich zu halten.

Geben Breßlau, den 31. October 1696. (Brachvogel, Sammlung, Th. I.

S. 274. und Suarez, Sammlung, Th. I. S. 98.)

*) XXXVII. Anno 1704

20. Januar. Kayserl. Decla-

d

ratoria des Juris Repraesentationis.

Der Röm. Kayserl. auch zu Hungarn und Böheimb Königl. Majestät Obrister Hauptmann, Wir Frantz Ludwig rc. :c. Wie auch Cantzler und

Räthe bey Dero Königl. Ober-Ambte im Hertzogthum Ober- und Nieder-

Schlesien re. re.

Entbieten denen Hoch- und Löbl. Herren Fürsten und Ständen, auch

derselben

nachgcsetztcn Aembtern

Unsere

und Obrigkeiten,

gebührende freundliche Dienste, Frcundschafft,

Gunst,

wie

respektive

Gnade, auch

alles

Und wird dencnselben guter massen erinnerlich seyn, was vermöge

Gutes.

der unterm 31. October Anno 1696. publicirtm Ober-Ambtl. Patenten

von Allerhöchst- gedacht Ihro Majestät pro Norma judicandi in puncto juris Repraesentationis in Linea Collaterali bey sich ereignenden Erb-

Fällen allergerechtist statuim worden. höchst-erwehnt Ihro

Kayser-

und

Wann nun immittelst mehr Aller­

Königl.

vorermeldete Dero

Majestät

Allergnädigste Resolution dahin fernerweit erkläret, sentationis in Linea Collaterali bloß allein

daß das jus Reprae­

in Eum Casum zu ver­

stehen seyn, wann nach einem Bruder oder einer Schwester, Brüder oder

Schwestern und Brüder- oder Schwester-Kidder concurriren;

In denen

Fällen aber, wo es schon in weitere Gradus kommt, die ad Successio­ nen!

aspinrende

desselben

Repraesenlantes

nechste Anverwandte

ab

haereditate

in Linea Collaterali

Defuncti

allerdings

durch

excludlrt

seyn sollen, dtesemnach in Kayserl. und Königl. Gnaden anbefehlende, solche

allergnädigste Ausmessung nicht allein in denen vorfallenden Casibus ge­ bührend

zu

beobachten,

sondern

auch

weiter

in

Dero

Schlesien zu gehöriger Observantz kund zu machen:

Erb-Hertzogthum Als thun zu dessen

438 daß das |us repraescnlalionis

in hnea collaterali blos

allein in eum casuni zu verstehen sey, wann nach einem

Bruder oder einer Schwester, Brüder oder Schwestern und

Brüder- oder Schwesterkinder konkurriren, in denen Fällen

aber, wo es schon in weitere gradus kommt, die ad Suc­ cessionen! aspirirenden Repräsentanten

ab

haereditate

defuncti allerdings ercludirt seyn sollen.

Beide Verordnungen enthalten materiell Nichts als Rö­ misches Recht,

und

stellten daher dessen Anwendung in der

Kollision mit dem Sachsenrechte für ganz Ober- und Nieder-

Schlesien fest.

Schon ganzen

die Art

Fassung,

ihrer Entstehung, verbunden mit

möchte

ihrer

kaum einen Zweifel darüber lassen,

als was sie ihrer wahren Bedeutung nach zu betrachten seyen. Die Verordnungen führen kein neues Recht, neben den

bereits bestehenden gemeinen Rechten, dem Sachsenrechte und dem Römischen Rechte, ein; sic übertragen auch nicht das Rö­

mische Recht von einem Theile Schlesiens, wo es bisher gegol­

ten, auf die übrigen Theile des Herzogthums, wo es bisher noch nicht, sondern statt desselben das

gemeine Sachscnrecht

in Anwendung gewesen; eben so wenig haben sie die Natur

allerqehorsamster Folqe wir sothane Declaratoriam.

wie weit nehmlich

künfftighin bei' sich ereignenden Erb-Fällen da« jus Repraesentahonis in Successione Collateralium statifinde, durch gegenwärtige gedruckte Pa­

tentes

jedermäuntglichcn

zu

wissen

machen;

Dabcv nebenst Ob - Hoch-

und Wohlgedachte Herren Fürsten und Stände, wie auch derselben nachge­

setzte Aembter und Obrigkeiien hiermit von König!. Lber-Ambt« wegen ge­

messen

erinnern

und

ermahnen, diese

allergnädigste Ausmessung in allen

Judiciis genauist zu beobachten, und darüber in denen Borfallenheiten festiglich zu halten. —

Geben Breßlau, den 20. Januar Anno 1704. (Brachvogel, Sammlung, rh. 1. S. 309.)

43s)

korrektorischer Gesetze, indem sie unverändertes Römisches Recht enthalten; sie sind nichts Anderes als die Entscheidung

durch

einer

Kontroverse,

die

ungleiche Praris

der

Gerichte

entstandenen

welches von beiden zur Anwendung

gebrachte»

Rechten, das Sächsische oder das Römische, als gültiges ge­

meines Recht für ganz Schlesien von den Gerichten ihren Ent­

scheidungen zum Grunde gelegt werden sollte. Ist dies aber die wahre Natrir und Bedeutung beider

Verordnungen, so folgt daraus, daß sie nicht als ProvinzialGesetze betrachtet werden konnten, die auch nach Einführung der drei ersten Titel des zweiten Theils des Allgemeinen Land­

rechts,

im Widerspruche

mit dessen Bestimmungen,

insofern

diese das Repräsentationsrecht in der Seitenlinie nicht blos auf Bruder-

und

Schwesterkinder

beschränke»,

sondern

auf

alle

Abkömmlinge vorverstorbener Brüder mit) Schwestern ausdehneir, in Kraft geblieben waren.

Ganz abweichend von dieser Ansicht waren jedpch die bei­ den Verordnungen von vielen Gerichten bis auf die neueste Zeit alsProvinzial-Geseßein Anwendling gebracht worden. Die

Gründe,

worauf man diese abweichende Meinung

stützte, waren wesentlich folgende: 1) Zn Schlesien habe vor Einführung des Allgemeinen Land­ rechts als gemeines Recht das Sachsenrecht gegolten.

nun die Sanktion des Kaisers Leopold

den

Wenn

Grundsatz des

Römischen Rechts in Schlesien für güktig erklärt habe, so sey

dadurch eine Abweichung von dem in Schlesien geltenden gemeinen Sachsenrechte ausgestellt worden. Hiebei wurde jedoch übersehen, daß vor Einführung des

Allgemeinen Landrechts oder vielmehr, worauf es eigentlich an­ kommt, vor Publikation der beiden Kaiserlichen Verordnungen

440 eben

so

gut das Römische Recht als das gemeine Sachsen­

recht von den Gerichten angewandt worden war, kcinesweges

vorher nur Sachsenrecht in Schlesien

in Beziehung auf

die

Erbfolge in der Seitenlinie gegolten hatte, und daß durch die

der Difformität der Praxis der Gerichte

Verordnungen nur

hatte ein Ende gemacht- werden sollen.

2) Die für eine einzelne Provinz erlassenen Gesetze seyen immer Provinzial-Gesetze, mögen sie das gemeine, bereits subsi­ diarisch geltende Recht wicdergeben, erläutern, ergänzen, oder

etwas ganz Neues festsetzen.

Denn die Provinzial-Gesetze un­

terschieden sich von dem gemeinen Rechte gerade dadurch, daß sie nicht für das gairze Reich,

sondern nur für einen einzel-

nm Landestheil erlassen worden seyen.

Ueber den Namen Provinzial- und gemeines Recht ist nicht zu streiten.

Bestimmt man den Unterschied lediglich

nach dem geographischen Umfange, so

gilt,

die Benennung

lassen.

in welchem ein Recht

mag sich für die beiden Kaiserlichen

Verordnungen

„Schlesische Provinzial-Gesetze"

Bei der Frage, was unter gemeinen Rechten und un­

ter Provinzial-Rechten zu verstehen sey, wenn es

kommt,

rechtfertigen

ob

das Allgemeine Landrecht

darauf an­

als subsidiäres

Recht

Anwendung finde, ist jedoch nicht jenes äußere Kennzeichen, sondern die Natur

der

Rechtsquellen,

wie das Publika­

tions-Patent des Allgemeinen Landrechts solche andentet, in's Auge zu fassen.

Als gemeine Rechte, an deren Stelle

Allgemeine Landrecht treten soll, bezeichnet

das

das Publikations­

Patent Nr. I.: die bisher in den Preußischen Landen aufgenommen ge­

wesenen Römischen,

gemeinen Sachsen- und anderen fremden

subsidiarischen Rechte und Gesetze.

441 Man hat daraus zwar namentlich zu folgern gesucht*), daß Bestimmungen des gemeinen Rechts, welche in-ein Pro­ vinzialrecht herübergenommen worden, stets als Provinzialge­

setze zu betrachten sind lind vor dein Allgemeinen Landrechte zur Anwendung kommen.

Diese Meinung beruhet aber auf einer Ansicht über gemei­

nes Recht,

Provinzialrecht

und

daL gegenseitige Verhältniß

beider im Allgemeinen, welche sich nicht rechtfertigen dürfte.

Um die Natur der beiderlei Rechte lind ihr Verhältniß zu einander richtig zu würdigen, muß man sich den geschichtli­ chen Gang ihrer Entstehung, Ausbreitung und Anwendung in Deutschland genau vergegenwärtigen.

Bor der Verkündigung von Landesgesetzen und LandeS-

vrdnungen in den einzelnen Deutschen Territorien, welche erst

im sechszehnten Zahrhunderte mit Ausbildung der Landeshoheit beginnen, gab es wesentlich mit zwei Quellen für bürgerliches Recht in Deutschland, nämlich die ursprünglich fremden,

durch allmälige Uebung und Gebrauch rezipirten Rechte und die ursprünglich

Deutschen

oder

heimathlichen

Rechte.

Ueber ihr gegenseitiges Verhältniß zn einander eristirte keine

nähere, durch die

Reichshoheit

ausgesprochene Bestimmung;

Gebrauch und Gewohnheit gab dabei allein die Norm.

Wenn

die Auffindung einer Grenzscheide zwischen den Anwendungs­

sphären beider Rechtsquellen dadurch im Allgemeinen sehr er­ leichtert wurde, daß dieselben in dem bisherigen Gebrauche nicht

nach abstrakten Sätzen oder Titeln irgend eines allgemeinen Rechtssystemes, sondern nach zusammenhängenden Objekten oder *) Bgl. die Entscheidungen de« Geheimen Ober-Tribunal«, Bd.4. S. 422. und folg., da« Znstiz-Ministerial-Blatt, Jahrg. L, S. 356., Jahrgang II. ®. 93. und Bd. II. diese« Werke«, S. 93. und 113.

442 Instituten, wie sie sich im wirklichen Leben vorfanden, das ganze Feld aller zu beurtheilenden und zu entscheidenden Rechts­ verhältnisse unter sich getheilt hatten, so konnte es doch von

der andern Seite nicht fehlen, daß in einzelnen Fällen die Grenzen beider Rechtsquellen, eben weil ihre Gültigkeit zu­

nächst nur auf bisheriger Gewohnheit beruhte, vermöge der schwankenden Natur dieses Fundaments,

und unsicher oder streitig wurden.

in einander floßen

Es war daher die Haupt­

aufgabe der Landesgesetze und der Landesordnungen, so wie die ausgebildete Landeshoheit anfing, mittelst derselben in das

bürgerliche Recht einzugreifen, das Verhältniß der frem­ den Rechte zu den einheimischen genau zu bestimmen

und der darüber sich

äußernden Ungewißheit so

viel als möglich abzuhelfen.

Diesen Zweck hatten na­

mentlich die, unter den Deutschen Landesordnungen besonders berühmt gewordenen Konstitutionen für die Sächsischen Lande. Man konnte aber nicht dabei stehen bleiben, die Rechtsobjekte

oder Rechtsinstitute zu bestimmen, bei welchen, gegen die erho­ benen Zweifel, die fremden Rechte oder die einheimischen zur Anwendung kommen sollte»; über einzelne Vorschriften einer

jeden Rechtsquelle für sich waren im Laufe der Zeit Kontro­ versen entstanden, welche entschieden werden mlißten.

Hierzu

gesellte sich noch eine andere Veranlassung, die Territorialge-

setzgebung in Thätigkeit zu setzen, nämlich die, daß ein oder das andere Rechtsinstitut, welches entweder unter der Herrschaft der fremden Rechte oder der einheimischen sich befand, unter

dem Einflüsse neuer Bedürfnisse sich anders entwickelte und des­ halb in der Rechtsquelle, wonach es im Ganzen zu beurthei­

len war, einzelne Modifikationen nöthig wurden.

In diesem

Zusammenhänge wurden die Landesgesetze und Landesordnun?

443 gen, soweit sie das bürgerliche Recht angehrn, ein sogenann­

tes

jus correctorium, einmal für die nrsprüngllch frem­

den lind dann für die ursprünglich einheimischen Rechte. ten

dieselben

dagegen

solche

zusammenhängende

schristen auf, daß ein ganzes Rechtsinstitut,

Stell­

neue

Bor­

mit Aufhebung

der bisherigen Rechtsquelle, nur nach ihnen beurtheilt werden

konnte, so bildeten sie auch ein Ganzes für sich,

welches

sich nicht unter dem Gesichtspunkt eines Juris correctorii, sey eS nun der fremden oder der einheimischen RechiSqnellen, brin­

gen läßt.

Oesters wurden auch die Grundsätze der bisherigen

Rechtsquellen ohne Veränderung, blos zur Erleichterung der Anwendung, in die neue Form eines Landesgesetzes gebracht,

welches weder als ein neues Recht, noch als ein korrektorischeS des alten, sondern als das alte selbst betrachtet, ausgelegt und

angewendet werden konnte.

Dies war der Zustand der ursprünglich fremden Rechte,

der ursprünglich einheimischen Rechte und der seit dem sechszehnten Jahrhunderte ergangenen Landesgesetze auch in den Ländern

der Preußischen Monarchie, als das Allgemeine Landrecht zuerst verkündigt wurde.

änderung sollten

die

Mit der dadurch eingetretenen Ver­

fremden Rechte

und Grundsätze ver­

drängt werden, dagegen die in den verschiedenen Provinzen bisher bestandenen be­ sonderen Prvvinzialgesctze und Statuten

(Nr. I. und III. des Publikationspatentes vom 5 Februar

1794.) vor der Hand bis zu ihrer, nach dem Plane des Publikations­

patentes zu bewirkenden Revision gesetzliche Kraft und Gültig­ keit behalten.

Die Absicht der letzteren Bestimmung

nur seyn, daö einheimische Recht im Gegensatze

konnte zu dem

444 fremden festznhalttn.

Dadurch

wurde

die Fortdauer

solcher Landesgesetze oder Landesordnungen,

auch

welche nur das

schon vor ihnen bestandene einheimische Recht in ei­ ner neuen und besonderen Redaktion verkündigten, oder welche zu demselben in dem Verhältnisse eines

Juris correctorii standen, oder endlich, mit Aufhe­ bung der bisherigen Rechtsqnellen des fremden und

einheimischen Rechtes, über eine ganze Materie oder

über ein ganzes Institut ein neues Recht begründet Sollten aber auch solche Landes­

hatten, vorläufig gesichert.

gesetze beibehalten werden, welche die fremden Rechte entwe­ der durch eine allgemeine, aber ausdrückliche Bestätigung, oder

durch eine explicite Aufnahme als Norm

vorschrieben,

oder

welche, indem sie dieselben als Regel über eine ganze Materie

oder Institut voraussetzlen, ausnahmsweise Etwas dabei erläu­ terten, ergänzten oder abänderten, so mußte der erste Zweck des Publikationspatentes, Verdräng ungderfrem de «Rechte durch das Allgemeine Landrecht, unausführbar erscheinen. Wie

können Ausnahmen

bestehen,

wenn

die Regel aufhö­

ren soll? Um daher beide Zwecke zu erfüllen, nämlich' die fremden

Rechte außer Anwendung zu setzen und den besonderen Pro-

vinzialgesetzen und Statuten

noch vor der Hand ihre Kraft

und Gültigkeit zu erhalten, durfte man nicht davon ausgehen, daß unter diesen besonderen Provinzialgesetze» auch solche zu

begreifen seyen, welche im Verhältnisse eines sogenannten Juris correctorii zu den fremden Rechten

standen,

vielmehr

nur diejenigen, welche ursprünglich einheimisches Recht

Ausgenommen, erläutert, ergänzt oder abgeändert hatten, oder durch welche, mit Aufhebung früher bestandener einheimischer

445 und fremder Rechte, ein neues Recht über ganze Materien und

Institute eingeführt worden war.

Eine solche Ansicht scheint

auch durch die Ausdrücke, welche das gedachte Publikationspatent gebraucht: besondere Provinzialgesetze und Statuten

angedeutet zu seyn, indem- sie sich nur auf ein der Provinz besonderes oder einheimisches, im Gegensatze zu dem

gemeinen fremden Rechte, beziehen lassen-

Daß die Fortdauer aller Provinzralgesetze ohne Unter­ schied bei der ersten Publikation des Allgemeinen Landrechts

gar nicht beabsichtigt war, ergiebt schon ein Rückblick auf die Materie von Testamenten. Diese sind ein Römisches Insti­

tut, also ursprünglich fremdes Recht; dagegen finden sich fast in allen Provinzialgesetzen

modifizirende Bestimmungen

bei

demselben. Diese hätten daher, wenn die entgegenstehende An­ sicht richtig wäre, auch nach der Publikation des Allgemeinen

Landrechts überall aufrecht erhalten werden müssen, weil letzte­

res in der Nr. XII. des PublikationSpatentes nur eint transi­ torische Bestimmung wegen der, vor seiner Verkündigung er­ richteten Testamente enthält, sonst aber gar keine Vorschrift

aufstellt, wie es in Absicht der neuen Grundsätze über Testa­ mente gehalten werden soll, mithin es bei der allgemeinen Re­ gel über das Verhältniß der gemeinen Rechte zu den Provinzialgeseßen beläßt. Da nun die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts über Testamente feit der Publikation desselben über­

all Anwendung finden, so konnte dies nicht anders geschehen, als weil mit dem verdrängten Römischen Rechte über diese

Materie auch die dasselbe erläuternden, ergänzenden und abän-

derndcn Landesgesctzc für aufgehoben geachtet wurden.

Auch

wird allgemein zugegeben, daß das Allgemeine Landrecht in

446 Absicht mehrerer sehr wichtiger Materien, entgegenstehender Provinzialgcsetze ungeachtet, sofort in gesetzliche

Kraft getreten ist, z. B. in Betreff des Strafrechtes, der Vor­

schriften über die Form der Verträge und Testamente,

Bormundschaftswesens.

des

Aus welchem Prinzipe konnten aber

auch nur bei diesen Materien die Provinzialgesetze ihre Kraft verlieren,

es sich

wenn

nicht

dabei überall um

gemeines

Recht und um korrektorische Verordnungen in den Landesge­ setzen handelte?

Der Mangel eines deutlich ausgesprochenen Prinzipes in dem erwähnten Publikationspatente über die Frage:

welche Gesetze wegen

ihres inneren Zusammenhanges

mit

den fremden Rechten zugleich dem Allgemeinen Landrechte Platz machen sollen,

hat freilich zu viele» Zweifeln nach der Verkündigung des All­ gemeinen Landrechts Anlaß gegeben.

Diese wiederholten sich,

als das Allgemeine Landrecht späterhin in neue Provinzen ein­ geführt

lind man das erste Pliblikationspatent

wurde

zum Grunde Einführung

legte. des

dabei

Besonders trat dieser Fall ein bei der

Allgemeinen

Landrechts .hi

die,

im

Jahre

1803. mit der Preußischen Monarchie vereinigten Entschädi­ gungs-Provinzen.

Wenn Anfragen und Bedenken

richte allmälig aufhörten,

so

der Ge­

darf man deshalb nicht glau­

ben, daß dieselben nach einem festen, gleichmäßigen Prinzipe für alle Provinzialgesetze erledigt worden seyen. Man gehe die Geschichte der Coexistenz des Allgemeinen

Landrechts mit dem Provinzialrcchte in den einzelnen Provin­

zen, wo jenes nach der Form des ersten Patents publizirt wor­ den, genau und im Einzelnen durch, und man wird auf nicht

geringe Verschiedenheit der Erledigung stoßen.

Das Loos des

447 Provinzialrechts war jedoch gewöhnlich dieses, daß nicht nur

solche Landesgesetze, welche in dem bloßen Verhältnisse eines

korrektorischeit RechtS zu dem fremden Rechte

standen,

sondern auch solche, welche hauptsächlich dem ursprünglich

einheimischen Rechte angehörten, in der Praxis dem Allge­ meinen Landrechte allmälig weichen mußte».

Die Frage nach einer näheren Bestimmung des Verhält­ nisses zwischen dem Allgemeinen Landrechte und den vorgefun­

denen Provinzialgesctzen wurde insbesondere aufgeworfen, als

das erstere in die neuen Sächsischen Provinzen eingeführt wer­ Indem man durch das Patent vom 15. Novem­

den sollte. ber 1816.*)

die in den einzelnen Provinzen und Orten bisher bestande­ nen Rechte und Gewohnheiten aufrecht erhielt (§. 3.),

mit den

hob man jedoch

fremden

Rechten zugleich alle allgemeinen Sächsischen Landesgesetze auf. (§.

2.)

Sofern

die

letzteren

ein

jus

correclorium

der

fremden Rechte enthielten, war dies Verfahren dem ersten Pnblikationspatente zum

Allgemeinen Landrechtc

in

dessen

richtig aufgesaßtem Sinne nicht entgegen; sofern je­

doch dieselben das ursprünglich einheimische Recht erläuter­ ten, ergänzten oder abänderten, wurde durch das PublikationsPatent für Sachsen ein ganz neuer Grundsatz aufgestellt, wel­ cher wirklich einheimisches Recht zerstörte. Einzig und allein durch den Wunsch' und die Absicht, das wirkliche einheimische Recht mit der Einführung des Allge­ meinen Landrechts nicht außer Kraft treten oder ungewiß wer­

den und verdunkeln zu lassen, ließ man sich bestimmen, als

’) Gesetzsammlung für 1816. S. 233.

448

das Patent vom 21. Zanuar 1825. für das Herzogt hum Westphalen erlassen wurde*), ganz abweichend von dem Sächsischen Patente, zu der Ansicht des ersten Publika­ tionspatentes zum Allgemeinen Landrechte zurück­ zukehren und nur das Prinzip über die Ausschei­ dung der mit den fremden Rechten als korrektori­ sche Bestimmungen derselben im Zusammenhänge stehenden Landesgesetze, welches das letztgedachte Patent blos stillschweigend oder indirekt angedeutet hatte, bestimmt auszu­ sprechen, auch seine Anwendung durch Anlegung eines Ver­ zeichnisses derjenigen Landesgesetze, welche in Kraft bleiben, sicher zu stellen.**) *) Gesetzsammlung für 1826. S. 153. §§. 2. und 3. **) Es wird nicht unzweckmäßig seyn, außer diesem Ergebnisse über die Absicht der Legislation, hier noch anzuführen, was unter Anderem von einem Landcsjustizkottegtum gegen die, in den Entscheidungeit des Geheimen Ober-Tribunals, Bd. 4. S. 422. aufgestellte Ansicht, gesagt worden ist: ,/Zur Zeit der Redaktion des Allgemeinen Landrechts und dessen Pu­ blikation bestand der Staat aus verschiedenartigen Provinzen, die auch be­ sondere Rechte, eigenthümliche Verfassung hatten. In Subsidium galten Römische und gemeine Rechte in vielfachen Nüancen und Modifikationen, theils auf schriftlicher Satzung, theils auf Gewohnheitsrecht, auf Praxis und Rechtswissenschaft beruhend. Nachdem die Krone Preußen 1702. ein Privilegium de non appellando für die Königlichen Reic^slande, exklusive der Kurmark, und am 31. Mak 1746. für den ganzen Staat erhalten, nachdem das Geheime Ober-Tribunal zum höchsten Richter bestellt worden, mußte bald, wie in anderen Ländern, das Bedürfniß eintreten, das Recht möglichst zu fixiren, von den Partikularitäten und Mannigfaltigkeiten zu befreien, und möglichste Uniformität zu erreichen; denn nur so konnte eine organische Verbindung der einzelnen Theile des Staats, eine Verschmelzung zu einem harmonischen Ganzen, erzielt werden. Bon diesem zeniralisirenden Standpunkte ging der große König schon in der Kabinetsorder vom 31. Dezember 1746. aus. Er beabsichtigte, ein jus cerlum el universale und Conformität der Territorialrechte hcrbeizu-

449

Was nun insbesondere die Kaiserlich Oesterreichischen Ver­ ordnungen

von 1696. und 1804. anlangt, so führten diese

führen, wie dteS auch die Borrede zum Projekte des Corp. jur. Frid, von 1749. bestätigt. (Jahrbücher, Bd. 43. S. 21.) Dieses ging hauptsächlich vom Römischen Rechte aus, sollte alle einzelnen zahllosen Verordnungen beseitigen, das Römische Recht gänzlich ersetzen und ein allgemeines Prin­ zipales Recht seyn, dem jedoch die Provinzialrechte, d. h. die Statuten und Privilegien der Provinzen, Städte, Gemeinden (§. 15. der Vorrede) aeceffortsch mit großer Einschränkung zur Seite stehen sollten. Nach der berühmten Kabinetsorder vom 14. April 1780. wollte der König die Sammlung und präcise, deutliche Fassung der zerstreuten, unbe­ stimmten und zweideutigen Gesetze, und zwar in der Art, daß das allge­ meine Gesetzbuch, unter Zugrundelegung des Corpus Juris Justin., mit Rücksicht auf Nalurrecht und die Verfassung des Staats, als subsidiäres allgemeines Recht eintreten solle, dagegen sollen prinzipal diejenigen beson­ deren Verfassungen, Statuten und Gewohnheiten, wodurch sich die Rechte einer Provinz von einer anderen scheiden, in Provinzialgesetzbücher ge­ sammelt, gelten. Bon demselben Standpunkte geht die Borerinnerung von Carmer zum Entwürfe von 1784. aus. Hiernach also sollte das Eigenthümliche der Provinzen, ihr indivi­ duelles Recht, erhalten und geschützt werden. Keinesweges aber sollte das subsidiäre Römische Recht, welches gänzlich kasflrt werden sollte, mochte es auch in was immer für Form als Gewohnheitsrecht oder kodifizirt erschei­ nen, erhalten werden. Während es nach der Kabinetsorder von 1746. Grundsatz ist, Gleichheit des Rechts, insofern nicht wohlerworbene Rechte der Korporationen und Einzelner zu beachten sind, Verschmelzung des gemeinen Römischen und Germanischen Rechts und Aufhebung des Par­ tikularrechts , das partikulare Recht also nur als accessorium er­ scheint, so wird jetzt diese- dem gemeinen vorangestellt; das Provinzialrecht soll nicht aufgehoben oder abgeändert, sondern flxirt werden, wie Homeyer in feiner Rezension in den Jahrbüchern für wissenschaft­ liche Kritik zeigt. Aber immer ist nur von dem materiellen, eigentlich individuellen, nicht dem formellen Provinzialrechte die Rede. Daß dieses die Ansicht gewesen, beweisen nicht nur die in den Jahr­ büchern, Bd. 43. S. 34. und folg, allegirten Reskripte vom 6. Mai 1784., 26. März 1785., 28. August 1786., 27. Februar 1788. und 20. Juni 1791., indem auch hier Einförmigkeit der Gesetze erzielt werden, und nur die auS der besonderen Beschaffenheit der Provinzen, — es sey in

450 aus dem fremden Rechte nicht eine oder die andere Bestim­ mung erst ein, sie entschieden nur, welches von den bereits Rücksicht der Fundamentalverfaffung, oder besonderer Arten von Gewerben und Nahrungsbetrteben, oder des Karakters der Nation, oder des Verhält­ nisses der Provinz gegen benachbarte Länder, herzuleitende Provtnztalrechte ferner bestehen sollen. Auch in den ferneren Anweisungen über die An­ legung der Provinzialrechtsbücher Ist dieser Standpunkt feftgehalten (Re­ skript vom 24. Dezember 1791., 4. März 1794., 22. August 1798., Kabinetsorder vom 22. August 1798. und vom 9 September 1800.) und allgemein gesagt, daß durch das Allgemeine Landrecht alle subsidiären frem­ den Rechte aufgehoben seyen; nur individuelle Rechte sollten geschützt werden. Das Römische Recht z. B., obwohl durch ältere Rezesse in der Kurmark rezipirt, sey ausgehoben, die angenommenen fremden Rechte, — sagt die erste Kabinetsorder, — seyen durch das Allgemeine Landrecht be­ seitigt; dessen Hauptzweck habe gerade darin bestanden, ein eigenes all­ gemeines subsidiäres Gesetzbuch an die Stelle des bisherigen gemeinen Rechts zu setzen. Wenn nun das Publikattonspatent vom 20. März 1791., wie das vom 5. Februar 1794., das allgemeine Gesetzbuch resp. Landrecht an die Stelle des bisher ausgenommen gewesenen Römischen, gemeinen Sachsen­ rechts und anderer fremden, subsidiären Rechte und Gesetze, so wie der allgemeinen LandeSverordnungen, setzt, und dagegen vorläufig, bis zur Re­ daktion der Provmzialgesetzbücher, den besonderen Provtnzialgesetzen und Statuten ihre Rechte bewahrt, so kann schon nach der permanent festgehaltenen Ansicht der Redaktoren nicht angenommen werden, man habe das subsidiäre Recht, weil es in einem Provinzialgesetze enthalten sey, auf­ recht erhalten wollen. Nachdem die drei ersten Titel deS zweiten Theils des Allgemeinen Landrechts suspendirt worden waren, bestimmte das Reskript vom 21. Juli 1795. (vgl. den Bericht S. 107. Heft 35. der Jahrbücher), welches die Suspension für Pommern aufhob, daß nur wirkliche Provinzial- und Statutarrechte, nicht das jus commune receplum, derögiren sollten, und wenn das Reskript vom 17 November 1798. für Magdeburg den drei Titeln subsidiäre Kraft gab, jedoch nur, insofern Provinztalverfaffung und Gesetze nicht derogirten, oder ausdrücklich sich auf Römisches, oder gemeines sSächstsches) Recht berufen, so folgt hieraus nichts Entgegengesetztes, weil die Suspension jener Titel überhaupt erfolgt war, und die beschränkte Anwendung des Allgemeinen Landrechts hierbei besondere Gründe hatte; und ist auch etwas Aehnliches in dem Reskripte vom 19 Februar 1805. für Schlesien bestimmt, insofern Statuten und Gesetze das Sächsische

451 in Anwendung stehenden Rechten, bei der schwankenden Praxis

der Gerichte, künftighin wirklich den Erkenntnissen zu)n Grunde und Römische Recht ausdrücklich rezipirt, so können jedenfalls diese Be­ schränkungen nicht auf die übrigen Titel angewendel werden, noch können ste zur Erläuterung des Publikationspatentes von 1794. dienen (vgl. Gräffs Abhandlung in den Jahrbüchern, Heft 87. S. 44. und folg.), zumal die De­ klaration vom 22. Juni 1839. (Gesetzsammlung für 1839. S. 222.) auf das entgegengesetzte Resultat führt. Bleibt man nun aber bet dun Inhalte des Patentes stehen, so steht demselben die Ansicht, daß alle Bestimmungen der gemeinen subsidiä­ ren Rechte, sie mögen kodifizirt seyn oder nicht, aufgehoben seyen, — kelnesweges entgegen. An sich schon würde das gesammte Prinzip der Re­ daktion des Allgemeinen Landrechts und des Preußischen StaatsorganismuS der Annahme entgegenstehen, daß das Römische oder Sächsische Recht, wenn darauf in Provtnztalgesetzen Bezug genommen und dasselbe anerkannt worden^ bis zur Redaktion der Provinzialgesetzbücher erhalten seyn solle. Wäre dies die Absicht gewesen, so durften a) weder die Stände über den Entwurf zum Allgemeinen Landrechte ge­ hört werden, noch b) war es überhaupt zweckmäßig, mit dem Allgemeinen Landrechte anzu­ fangen, bevor nicht die Provinzjalgesetzbücher redigirt waren. Allerdings wäre dann das Allgemeine Landrecht ganz vereitelt und in seinem Hauptzwecke ge­ hemmt, ein jus certum universale zu etabliren, wie die Kabinetsorder vom 22. August 1798. ausspricht. Wenn das Publikationspatent unter Nr. I. sagt, es trete das All­ gemeine Landrecht sofort an die Stelle der bisherigen subsidiären Rechte, so unterscheidet es nicht, in welcher Art und Form diese Rechte rezipirt gewesen. Es hebt überhaupt alles Römische, Sächsische subsidiäre Recht mit einem Schlage indislinkte in jeder Beziehung auf. Wenn es unter Nr. III. den Provinzialgesetzen und Statuten ihre Geltung bis zur Redaktion des Provinzialgesetzbuches erhält, so muß fest­ gehalten werden, daß hier gesprochen wird von besonderen Provinzial­ gesetzen und Statuten. Es ist hier kein räumlicher, territorialer Gegensatz gemeint, wie die Wortinterpretation aus Nr. I. und II (aller Unserer Provinzen und Lande und verschiedene Provinzen) ergeben könnte. Denn theils würde ein wirkliches Provinzialgesetz, das räumlich durch meh­ rere Provinzen gelte, eben deshalb seine Bedeutung nicht verlieren, so daß die Ausdehnung im Raume etwas ganz Gleichgültiges ist: theils hat dieser Gegensatz nicht beabsichtigt seyn können. Es war ganz richtig, daß in allen Landen Römische, Sächsische und andere fremde Rechte subsidiäre Kraft

452

gelegt werden sollte. Durch diese Entscheidung konnte das Römische Recht nicht zum Schlesischen Provinzialrechte hatten, und eben so waren allgemeine Verordnungen für den ganzen Staat ergangen; es bestanden aber auch individuelle besondere Rechte. Auch diese Difformität der Partikularrechte sollte künftig möglichst beseitigt wer­ den, jedoch erst durch Redaktion der Provinzialgesetzbücher; bis dahin soll­ ten die eigentlichen Partikularrechte, gleichviel, ob nützlich oder nicht, ob künftig anzuerkennen oder nicht, beibehalten werden. Dieß bestimmt die Nr. HL, aber ein Gegensatz zwischen den Nrn. I. II. und III. des Patentes, wonach in diesem nur von territorialen Partikularrechten die Rede sey, ist nicht beabsichtigt, noch konnte er es, ohne in Widerspruch mit Nr I. zu treten, wonach indislinkte das Römische Recht und anderes fremdes gemei­ nes Recht (vgl. das Marginale) aufgehoben ist. Bet der entgegengesetzten Ansicht wird der Ausdruck besondere (Provinzialgesetze und Statuten) nicht richtig gewürdigt und verstanden. Was hierunter verstanden werde, ergeben die folgenden Nrn. Die ge­ meinen Rechte sind schon verbessert und ins Allgemeine Landrecht ausge­ nommen (Nr. IV.); wo und wie sie immer vorkommen, sie müssen dieser emendirten Form weichen. Die Abweichungen des Allgemeinen Landrechts vom speziellen Provinzialrechte sollen, unter Berücksichtigung des Zweckes der Konformität der Partikularrechte, erwogen, und nur solche in die Pro­ vinzialgesetzbücher ausgenommen werden, welche auf besondere Berfassung, natürliche Beschaffenheit und Lage der Provinz, gewisse eigenthümliche Ge­ werbe- und Beschäftigungsarten sich gründen, und ohne Kränkung wohl erworbener Rechte und darauf gegründeter Einrichtungen und Anstalten nicht entzogen werden können. Also besondere individuelle Rechte im materiellen, nicht territorialen Sinne sollen erhalten werden. Um Römische, gemeinrechtliche Grundsätze als solche zu erkennen, bedurfte eS überhaupt keiner Zuziehung der Stände; nur der Jurist und Gesetzgeber konnte prüfen, welche Wurzel ein Rechtssatz habe. Die besondem Rechte, welche die Nr. III. einstweilen schützte, sind alle auf Provtnzialverfaffung und die Eigenthümlichkeiten der Provinz gegründete Gesetze und Statuten, mögen sie noch so unnütz und difform seyn. Zn Folge der Redaktion soll­ ten die Partlkulargesetze bet sehr erheblichen Gründen für ihre Erhaltung stehen bleiben, bis dahin indislinkte gelten. Nur diese individuellen Gesetze können in Nr. 111. gemeint seyn. Dafür spricht nicht nur die spe­ zielle Ausnahme ratione der drei ersten Titel des zweiten Theils der dort zugelassenen Abweichungen des Römischen und Sächsischen Rechts, sondern auch der emphatische Schluß des Patentes, wonach alle in den Nrn. I. und II. gedachten Gesetze, Edikte und Verordnungen kassirt sind, ohne daß

453 gemacht werden;

vorher schon wurde eS und zwar, wie die

Verordnungen selbst sagen, als jus cummune angewandt,

und die- konnte

es

auch nur

bleiben,

nachdem

entschieden

worden, daß die Gerichte sich danach allein richten sollten.

3) Aus diesem Grunde ist auch unerheblich, was ferner

für die abweichende Meinung angeführt ward, daß das Re­

skript vom 19. Januar 1805., welches die bereits 19. Mai

1804. •)

erfolgte Aufhebung

unter'm

der Suspension

drei ersten Titel des zweite» Theils des Allgemeinen

der

Land­

rechts erläutern sollte, die Vorschrift enthält:

das Sachsenrecht und das Römische Recht soll bei der Erbfolge nur in den Fällen befolgt werden, wo solches durch Gesetze oder Statuten reziplrt worden ist, und wo ein solcher Fall

nicht vorhanden, soll lediglich den Bestimmungen des All­

gemeinen Landrechts nachgegangen werden. Denn

der

Grundsatz

des Römischen Rechts über

das

im ganzen Patente irgendwie, expressis verbis oder sonst, den in Provinzialgesetzen aufgenommenen Bestimmungen des allgemeinen subsi­ diären Rechts, des Römischen, Sächsischen u. s w., besondere Nachsicht ertheilt wäre. Nur bet dieser Auslegung der Nr. 111. ist das Publikalionspatent vom 5. Februar 1794. im vollkommenen logischen Einklänge. Es würde die entgegengesetzte, an den Buchstaben klebende, der klaren Absicht des Gesetzgebers, die er seit 1746. ab auf das Deutlichste zu erkennen gegeben hat, ein jus certurn universale festzuftellen, nur das eigenthümliche Recht der Provinzen zu schützen, der historischen Entstehung des Allgemei­ nen Landrechts, dem Prinzip des Staats, widersprechen; es würde den Redaktoren eine Plan- und Gedankenlosigkeit in so wichtiger Frage auf­ gebürdet werden, welche die verdienten Redaktoren nicht verschuldet haben. Die Nr 111. des Patentes spricht nicht von der Form, sondern von der Materie, der Quelle des Rechts. Die Nr. 1. hebt unbe­ dingt alles subsidiäre Recht auf, es sey die Form seiner Geltung was immer für eine." *) Bgl. die Jahrbücher, Bd.44, S. 60—62.

454 Repräsentationsttcht der Geschwisterkinder ist nicht erst durch die Kaiserlichen Verordnungen rezipirt, er wurde schon vorher angewandt.

Es bestand nur eine ungleichförmige Praxis der

Gerichte, indem die Gerichte bald ihn,

bald das Sächsische

Recht ihren Entscheidungen zum Grunde legten.

Wiewohl hiernach kein haltbarer Grund für die entgegen­ gesetzte Ansicht, welche in den Kaiserlichen Verordnungen pro­ vinzialrechtliche

Bestimmungen fand, sich

aufstellen

ließ,

so wurde eine gesetzliche Deklaration doch schon deshalb nöthig, weil die Gerichte jene Ansicht sich angeeignet hatten.

Noch mehr aber trat dieses Bedürfniß hervor und er­

schien selbst dringend,

wenn man die Uebelstände betrachtete,

welche daraus entstanden, daß, während die übrigen Vorschrif­ ten

des Sachsenrechts und

des Römischen Rechts, über die

Zntestat-Erbfolge der Ascendenten und der Kollateralen, au­

ßer Kraft gesetzt worden und an deren Stelle die gänzlich ab­

weichenden Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts in Gül­

tigkeit getreten sind, nur der Grundsatz des Römischen Rechts über das Repräsentationsrecht

in der Seitenlinie

fortdanern

sollte.

II. Erbfolge der Halbgeschwister und deren Descenden­ ten in Konkurrenz mkt Geschwisterkindern.

Nach dem Römischen Rechte gelangen bekanntlich in der Seitenlinie,

wenn keine vollbürtigen Geschwister des Erblas­

sers, oder Söhne und Töchter vorverstorbener vollbürtiger Ge­

schwister desselben vorhanden sind, die Halbgeschwister des Erb­ lassers und die Söhne und Töchter der vor ihm verstorbenen

Geschwister vor allen andern Seltenverwandten zur Erbfolge.



455



Das gemeine Sachsenrecht giebt in der Seitenlinie lediglich dem näheren Grade den Vorzug; es kennt kein Repräsenta­

tionsrecht für Geschwisterkinder, und macht nur zwischen Vollbürtigkeit und Halbbürtigkeit den Unterschied, daß es die halbe

Geburt um einen Grad gegen die volle Geburt zurücktreten

läßt *).

Das oben (zu I.) angeführte Decisum des Kaisers Leo­ pold von 1662. beweist, daß schon damals, wie wegen der Erbfolge der Kollateralen überhaupt, so insbesondere wegen der

Erbfolge der Halbgeschwister, die Gerichte darüber in Zweifel waren, ob sie das Sächsische Recht oder das Römische ihren

Erkenntnissen zum Grlinde legen sollten.

Der Fall, worüber

insbesondere die Kaiserliche Belehrung nachgesucht wurde, be­ traf die Frage:

ob die vollbürtige Mutterschwester der Erblasserin von deren halbbürtigen Schwestern ausgeschlossen werde.

Beurtheilt.man diese Frage nach Sächsischem Rechte, so findet die Ausschließung nicht statt.

Die vollbürtige Mut­

terschwester ist zwar im dritten und die halbbürtige Schwester im zweiten Grade mit der Erblasserin verwandt. Zudem jedoch

die halbe Geburt um einen Grad zurücktritt, stehen beide in gleichem Grade der Verwandtschaft und erben daher zu gleichen

Theilen.

Giebt dagegen das Römische Recht die Entschei-

dungsnorm,

so

haben Halbgeschwister nach vollbürtigen Ge­

schwistern und deren Kindern den Vorzug vor anderen Seiten­ verwandten und schließen daher auch die vollbürtige Mutter­

schwester der Erblasserin aus.

Der Kaiser Leopold entschied für die Ausschließung der

') Eisenhardt, deutsches Recht in Sprüchwörtern, S. 387

456 Mutterschwester und wies demnach die Gerichte an, dem Rö­

mischen Rechte zu folgen. Zn Uebereinstimmung mit diesem Rechte setzte auch spä­ terhin, nach Uebergang des Herzogthums Schlesien unter Preu­

ßische Herrschaft, das Hofreskript vom 10. Januar 1750. °) fest: daß die Kinder vollbürtiger Geschwister des Erblassers die

Halbgeschwister desselben von der Erbschaft ausschließen.

Weder das Kaiserliche Decisum, noch das eben erwähnte Hvfreskript vermochten jedoch eine konstante Praxis bei den Ge­

richten hervorzubringen.

Beide waren nicht in Form eigent­

lich gesetzlicher Bestimmungen, sondern mehr in Form von Be­

lehrungen erlassen worden.

Deshalb blieben Zweifel stehen, ob

da, wo Sachsenrecht bisher angewandt worden, solches nicht auch ferner Gültigkeit behalten solle; die Gerichte entschieden

bald nach Römischem, bald nach Sachsenrechte.

Diese Unsicher­

heit gab Anlaß, das Gutachten der Gesetzkommisston einzuho­

len, welche sich für die Anwendung des Sachsenrechts erklärte

und diese Ansicht darauf gründete, daß das Sachsenrecht die Regel bilde, diese Regel zwar durch das Kaiserliche Decisum von 1662. derogirt sey, indem aber die Entscheidung nur für

einen besondern Fall ergangen,

die Regel ihre Gültigkeit be­

halten habe, das Hofreskript vom 10. Januar 1750. endlich

auf einer unrichtigen Deduktion beruhe.

achten

der

Das diesfällige Gut­

Gesetzkommission vom 4. Zuli 1786. wurde ein

Zahr darauf durch ein zweites Gutachten vom 17. April 1787. dahin erläutert, daß, wenn ein abweichender Grundsatz, ent­

weder durch ein Statut ausdrücklich festgestellt,

oder

durch

*) Hymnen, Beiträge zur juristischen Literatur, Bd. 3. S. 107. und Jahrbücher, Bd.44. S. 49.

457 eine seit dem Hofreskripte von

1750. entstandene Observanz

begründet sey, solcher ferner auch zur Norm dienen müsse.

Die Gutachten der Gesetzkommission

sind von dem Zu-

stiz-Ministerium bestätigt und dem anfragenden Gerichte durch

die Reskripte vom 16. Zuni 1786. und 25. Zum 1787. zur

Nachachtung in künftigen Fällen bis zu der erfolgten nähern Regulirung der dortigen Pro­ vinzialgesetze (wie es im zweiten Reskripte heißt), bis zur

Emanirung des neuen Gesetzbuches oder eines die successionem collateralium näher bestimmenden speziellen Gesetzes,

mitgetheilt worden.") Ohne Zweifel setzte das neuere Reskript das frühere vom

10. Januar 1750. außer Kraft und insofern sich die Anwen­ dung

des Römischen

Rechts

hauptsächlich auf das

letztere

gründete, das neuere Reskript dagegen die Anwendung des ge­

meinen Sachsenrechts vorschrieb, schien es, daß von nun an die Gerichte bei ihren Entscheidungen nicht mehr auf das Rö­ mische Recht zurückgehen konnten.

erwarten,

daß

Eben so ließ sich aber auch

nach Einführung des ?lllgemeinen Landrechts,

insbesondere nach Aufhebung der Suspension der drei ersten Titel des zweiten Theils desselben, an die Stelle des Sachsen­

rechts, weil es als ein gemeintes fremdes Recht, wie das Rö­

mische, überhaupt außer Kraft trat, auch in Beziehung

auf

die Erbfolge der Kollateralen die abweichendeit Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts

von

den Gerichten würden zur

Norm ihrer Entscheidungen gewählt werden.

Dies war jedoch

*) Sammlung der Entscheidungen der Gesetzkomwtsslon, Bd. I. S. 121. und 136.

458 nicht der Fall.

bei

ES fand sich eine höchst ungleichförmige Praxis

den Schlesischen Gerichten.

Breslau

richtete

Das Ober-Landesgericht zu

sich nach dem Gutachten

der Gefetzkom-

mission, weil in dem Bestätigungs-Reskripte des zweiten Gut­ achtens vom 25. Zuni 1787. gesagt worden,

daß man sich danach in künftigen Fällen bis zur Emanirung des Provinzial - Gesetzbuches zu achten habe;

eS wendete daher das gemeine Sachsenrecht an.

Das Ober-

LandeSgericht zu Ratibor hielt das Sachsenrecht durch das Allgemeine Landrecht, Kraft der in dem PublikationS-Patente zu dem letztern enthaltenen Bestimmung, für aufgehoben und

legte daher die betreffenden Vorschriften des Allgemeinen Land­ rechts seiner Entscheidung zum Grunde.

Das Lber-LandeSge-

richt zu Glogau brachte den Grundsatz des Römischen Rechts

in Anwendung, weil er seit der Kaiserlich Oesterreichischen De­ zision vom 25. Zanuar 1662. und dem Königlichen Hofreskripte von 1750. Observanz geworden, und die Gesetzkom­

mission ihr davon abweichendes Gutachten mit der Maaßgabe

aufgestellt habe, insofern nicht durch besondere Spezialstatute und Observan­ zen ein Anderes festgesetzt sey.

Aus dieser Ungleichförmigkit der Praxis ergab sich die Nothwendigkeit einer gesetzlichen Deklaration. diese

Daß durch

nur die Anwendbarkeit der Borschrbften

des

Allgemeinen Landrechts sestgestellt werden konnte, möchte mit Rücksicht auf die oben vorangeschickte geschichtliche Entwikkelung aller Veränderungen des in Schlesien geltenden gemei­

nen oder subsidiären Rechts und auf die, aus der Beibehal­ tung

eines

Grundsatzes

des

frühereir gemeinen

Sächsischen

459

Rechts, neben dem im Uebrigen zur Anwendung kommenden Systeme der- Zntestat- Erbfolge nach dem Allgemeinen Landrechte, entspringenden Inkonsequenzen keinem Zweifel unter­ liegen. Dergestalt ist die Deklaration vom 22. Zuni 1839. hervorgerufen worfen, welche lautet: Zur Beseitigung der Zweikel, welche wegen der in

Unserem Herzogthume Schlesien in Anwendung zu brmdendcn Gesetze über das Erbrecht der Kinder und wei­ tern Abkömmlinge der vor dem Erblasser verstorbenen Geschwister, imgleichen über das Erbrecht der Halbge­

schwister und deren Abkömmlinge entstanden sind, er­ klären Vir hierdurch: rc. dasz die pragmatische Sank­

tion des Kaisers Leopold I. vom 31. Oktober 1696. und deren Deklaration vom 20. Januar 1704., im­

gleichen die Entscheidungen der Geseszkommisston vom 4. Juli

1786.

und vom 17. April 1787. in Unse­

rem Herzogthume Schlesien") mit der Einführung der

drei ersten Titel des zweiten Theils des Allgemeinen Landrechts als aufgehoben zu betrachten und demnach

auch da, wo dieselben bis jetzt zufolge einer Obser-

*) Auf die Grafschaft Glatz konnte die Deklaration nicht ausgedehnt werden, da dieselbe, seitdem fie vom Kaiser Ferdinand!, im Jahre 1561. wieder eingelöst worden, bis zur Abtretung an 'die Krone Preußen ununter­ brochen mit Böhmen verbunden geblieben ist und an der Gesetzgebung für das Herzogthum Schlesien gar keinen Antheil genommen hat. Es hat nur Böhmisches Recht, niemals Sachsenrecht darin gegolten. Die Kaiser­ liche Sanktion von 1696. und deren Deklaration, so wie die auf Sachsenrecht sich beziehenden Entscheidungen der Gesetzkommisflon haben darum auch hort keine Anwendung gefunden.

460 van) von den Gerichtm ihren Entscheidungen zu Grunde

gelegt worden» von Verkündigung der gegenwärtigm

Deklaration an in allen noch unerledigten Fällen") nicht ferner in Anwendung ?u bringen sind.

*) Diese Fassung der Deklaration läßt keinen Zweifel darüber zu, daß dieselbe in allen zur Entscheidung der Gerichte gelangenden Streitigkeiten, ohne Unterschied, ob der Erbanfall vor oder nach dem Erscheinen er Deklaration sich ereignet hat, anzuwenden ist. Die in der Deklaration ent­ haltene ausdrückliche Bestimmung über die Anwendbarkeit derselben auf frühere Fälle ist ganz der Vorschrift des H. 15. der Einleitung zum Allgemeinen Landrechte gemäß, wonach die von Seiten des Gesetzgebernöthig befundene und gehörig publizirte Erklärung eines älteren Gesetzes in allen noch zu entscheidenden Rechtsfällen den Aus­ schlag giebt. Hinsichtlich der Lokalrechte und Statuten spricht sich ein Re­ skript des Justiz-Ministeriums vom 22. September 1839. dahin aus: „Sie haben in der Anfrage vom 9. August d. Z. die Aeußerung des Justiz-Ministers darüber nachgesucht: ob durch die Allerhöchste Declaraloria vom 22. Juni d. I., betreffend da- gesetzliche Erbrecht der Kinder und weitern Abkömmlinge der vor dem Erblasser verstorbenen Geschwister desselben, ingleichen auch die Halbgeschwister und deren Abkömmlinge im Herzogthume Schlesien auch die dieSsälligen Bestimmungen der Oelsschen Landesordnung und des Oelsschen Stadt-Statuts aufgehoben worden sind, und sich Ihrer Seits für die bejahende Beantwortung entschieden. Der Justiz-Minister trägt aus den von Ihnen angeführten Gründen kein Bedenken, sich dahin einverstanden zu erklären, daß eben so, wie die Bestimmungen der pragmatischen Sanktion vom 31. Oktober 1696. und deren Deklaration, auch die, ebenfalls nur ge­ meines und Sachsenrecht enthaltenden resp, erläuternden Vorschriften der Oelsschen Landesordnung und des Oelsschen StadtStatuts mit der Einführung der drei ersten Titel des zweiten Theils des Allgemeinen Landrechts als aufgehoben zu betrachten sind. Die Motive zu der Allerhöchsten Deklaration vom 22. Juni d. I. waren: daß durch die pragmatische Sanktion vom 31. Oktober 1696. kein neues Recht, kein besonderes Provinzialrecht neben dem bereits bestehenden ge­ meinen Rechte eingeführt, sondern nur entschieden sey, welche Bestim-



461



umngen dieser gemeinen Rechte bei der schwankenden Praxis der Gerichte künftighin zur Norm dienen sollten, solche Entscheidungen und Erläute­ rungen aber mit der Aufhebung der Römischen, gemeinen Sachsenund anderer fremden subsidiarischen Rechte und Gesetze durch Nr. I. des Publikations-Patents zum Allgemeinen Landrechte von selbst ihre Gültig­ keit verloren hätten. Dieselben Motive sprechen offenbar auch für die bejahende Beant­ wortung der aufgeworfenen Frage."

XIII. Ueber Familienschliiffe bei Familie«-Fidei­ kommissen, Familien-Stiftungen und

Lehnen. ^las Allgemeine Landrecht läßt die Wiederaufhebnng eines einmal errichteten beständigen Familienfideikommisses nicht zu, hat aber in diesem Grundsätze später Abänderungen erlitten. Zuerst gestattete die Kabinetsorder vom 26. September 1805., in Ansehung der seit Publikation derselben zu errich­

tenden Fideikommisse der Descendenz oder Seitenverwandtschaft

des dritten Grades deren Aufhebung oder Abänderung durch

einen Familienschluß *••) ). Später verordnete das Edikt vom 9. Oktober 1807. im §. 9. allgemein:

Zehe, keinem Ober-Eigenthümer unterworfene Lehnsverbindung, jede Familien- und jede FideikommißStiftung kann durch einen Familienschluß beliebig abgeän­

dert oder gänzlich aufgehoben werden, wie solches in Ab­ sicht der Ostpreußischen (mit Ausschluß der Ermländischen)

Lehne bereits im Ostpreußischen Provinzialrecht, Zusatz 56. verordnet ist. *)

•) MathiS, juristische Monatsschrift, Bd. 2. S. 4. ••) Mathis, Bd. 5. S. 172.

463 Dieser Zusatz lautet: Die Znteressenten können durch einen nach Vorschrift des

Allgemeinen Landrechts Th. II. Tit. 4. §>§. 42 — 45. ab­ zufassenden Familienschluß

die Lehnseigenschaft

von

einer

Sache auf die andere übertragen, sie einschränken und mit oder ohne Festsetzung eines Lehnstammes gänzlich auf­

heben, auch sonst Alles, was sie zur Erhaltung der Fa­ milie zuträglich erachten, z. B. d«e künftige Verschuldung und

Belastung

der

Güter,

Versorgung

der Wittwen,

Ausstattung der Töchter und Schwestern, unter sich festsetzen; doch in allen Fällen ist zur Gültigkeit des Familienschlus-

ses die Eintragung desselben in das Hypothekenbuch er­ forderlich. Zn Beziehung auf solche Fideikommisse, welche in Grund­ stücken bestanden und ein eigenes Folium im Hypothekenbuche

hatten, führten diese Bestimmungen zu Zweifeln.

Einerseits verordnet nämlich das Allgemeine Landrecht in der Lehre von Familienschlüsscn: *) Zur Abfassung eines solchen Familienschluffes müssen alle Mitglieder (der Familie) zugezogen rc. werden; andererseits bestimmen aber, in konsequenter Anwendung des

durch das ganze Landrecht hindurch gehenden Grundsatzes, daß Zeder, welcher sich in gutem Glauben mit den aus dem Hy­ pothekenbuche

ergebenden Eigenthümern

und Realberechtigten

in Verhandlungen über ein Grundstück -eingelassen hat, gegen

jeden Anspruch eines Dritten gesichert seyn soll, die §§>. 68.

und 69.

Tit. 4. Th. II. in

kommisse:

*) §. 42. Tit. 4. Th. II.

Beziehung

auf Familienfidei­

464 Nur die aus dem Hypothekenbuche bekannten Fa­ milienglieder ist der Richter bey Verhandlungen über

das

Fideikommiß zuzuziehen verbunden.

Diejenigen,

welche sich zur Eintragung nicht gemeldet

haben, müssen sich alles, was mit den Eingetragenen ge­ richtlich verhandelt und von diesen beschlossen worden, ohne

alle Widerrede gefallen lassen. Es entstand hiernach das Bedenken, ob bei Familienschlüs­ sen über Fideikommißgrundstücke alle Mitglieder der

berech­

tigten Familie ohne Ausnahme, oder nur diejenigen mit ihrer

Descendenz zuzuziehen seyen, welche ihr Recht in das Hypo­ thekenbuch hatten eintragen lassen. Einige der Landesjustizkollegien

glaubten,

von

der

be­

stimmten Vorschrift des §. 42. a. a. £). nicht abgehen und

auch bei Familienschlüssen über Fideikommißgrundstücke auf die Zuziehung aller Familienglieder dringen zu müssen, und fan­

den eine Inkonsequenz darin, wenn man die Fälle, in denen das Familienfideikommiß in Grundstücken bestand, welche der

Regel nach die wichtigeren seyen, mit geringeren Förm­

lichkeiten behandeln wolle, als diejenigen, in denen es sich

von einem Geldfideikommisse handle.

Sie rechtfertigten überdies diese Ansicht durch die Bemer­ kung, daß die Vorschriften der

namentlich auf die Fälle einer Fideikommisses nicht zu beziehen

68. und 69. a. a. O. völligen Aufhebung des seyen,

weil das Allgemeine

Landrecht eine solche überhaupt nicht zugelaffen habe.

Andere LandeSjuflizkollegien, welche sich in dem bezeich­ neten

Kalle,

wo

von

einem Fideikommißgrundstücke

die

Rede war, durch die ganz generellen Bestimmungen der

68. und 69. a. a. O. gebunden hielten und diese überdies in

w

«465

voller Uebereinstimmung mit der ganzen Theorie des Allgemei­ nen Landrechts fanden, und welche ferner annahmen, daß alle dinglich Berechtigte, auf welche es bei einer Disposition über ein Grundstück nur ankomme, allein in den eingetrage­ nen Familiengliedern zu finden seyen, hielten sich dagegen we­ der für verpflichtet, noch für berechtigt, einem Familienschluffe ihre Bestätigung zu versagen, bei dem die sämmtlichen einge­ tragenen Anwärter und deren Descendenz zugezogen und ver­ treten worden waren. DaS Justiz-Ministerium entschied sich für diese zuletzt erwähnte Ansicht, belehrte die Gerichte darüber in mehreren Verfügungen, namentlich das Oberlandesgericht zu Halberstadt in einem, in den Jahrbüchern Bd. 40. S. 405. abgedruckten Reskripte vom 15. Oktober 1832., und veranlaßte endlich, nachdem ein Landesjustizkollegium die Nothwendigkeit einer ge­ setzlichen Entscheidung dieser, auch in Beziehung auf Lehne interesstrenden Frage darzuthun gesucht hatte, daß die Sache im legislativen Wege zur Berathung gebracht wurde. Man erkannte dabei die Zweifelhaftigkeit der Frage an, lmd hielt eine legislative Entscheidung derselben schon deshalb für nöthig, damit die Verschiedenheit der Ansichten der Gerichte gehoben und die damit verbllndenen bedenklichen Folgen für die Zurechtbeständigkeit einzelner Verhandlungen der bezeichne­ ten Art gründlich beseitigt würden. Zugleich wurde das Bedürfniß angeregt, ein mehr geordnetes, einfaches, von entbehrlichen Weiterun­ gen befreites Verfahren bei der Prüfung und Feststellung der Legitimation der Interessenten, so wie bei der weiteren Ver­ handlung angeordnet zu sehen. Dies hat denn auf die Nothwendigkeit geführt, 30

466 die Fälle, in welchen es überhaupt eines förmlichen Fanü-

lienschluffeS, also der einhelligen Zustimmung aller Mitglie­

der, bedarf, und in welchen nicht, schärfer zu sondern und kenntlicher einander gegenüber zu stellen, und hat es als nützlich erscheinen lassen,

die Materie von den Familienschlüssen im Ganzen und in auf Familien - Fideikommisse,

auf

Familien - Stiftungen und Lehne aufzunehmen

und

der Ausdehnung

umfassend zu behandeln.

Zn solcher Art wurde die Aufgabe durch das Gesetz vom 15. Februar 1840.*••) ) gelöst.

ES sind im Wesentlichen zwei Han Pta «sichten, welche diesem Gesetze zum Grunde liegen. 1) Die in Beziehung auf ei» Familien-Fideikommiß oder

Lehn einmal erworbenen Rechte der Familienglieder sollen mög­ lichst gewahrt werden und das Fideikommiß oder Lehn soll

deshalb in seinem ursprünglichen Bestände so lange erhalten werden, bis alle Berechtigte, welche bekannt oder zu ermit­

teln sind, in Form eines Familienschluffes, also einstimmig,

diese Rechte aufheben und aufgeben.

Mit diesem Grundsätze

tritt in möglichster Ausdehnung die für die gedachten Institute be­ absichtigte Fürsorgee#) in Beziehung auf alle Fälle wirklich ein, in

*) Gesetzsammlung für 1840. S. 20 — 25. ••) Zn dem ersten Entwürfe, Th. I. Adth. 1. S. 260. Anmerkung, des Allgemeinen Gesetzbuches war die Schädlichkeit der Familien-Fideikommisse ausgesprochen. Dergleichen Fideikommisse — heißt es — sind an und für sich dem Flor eines Staats nicht Vortheilhaft. Sie hemmen die Lebhaftigkeit de« Ver­ kehrs und der Cirkulation; sie sind ein Hinderniß der möglichst gleichen Bertheilung des Staatsvermögens, und liefern dasselbe zuletzt, wenn keine Gränzen gesetzt werden, in dir Hände einer kleinen Anzahl von

467 welchen von dem Besitzer des Lehns oder Fideikommisses eine Aufhebung, Verminderung, oder überhaupt eine so wesentliche

Familien; sie haben, mit einem Worte, fast- alles das wider fich, was wider die Verwendung der Guter im Staat zur todten Hand mit Grund eingewandt wird. Die Stiftung neuer Fideikommisse kann also nur in dem einzigen Falle zuträglich seyn, wenn es darauf ankommt, dadurch die adlichen Familien, als die gebornen Vertheidiger des Staats, welche nach der einmal subflstirenden Verfassung an vielen andern Arten von Gewerben und Industrie keinen Theil nehmen können, für den Staat zu konserviren. Zn den Diskussionen des Entwurfs und den darüber eingegangenen Erinnerungen ist die Gemeinschädlichkeit der Fideikommisse noch ausführlicher erörtert und besprochen worden. Ein einziger der Monenten hatte den Fideikommissen dergestalt das Wort geredet, daß er sogar einem Zeden ohne Unterschied und ohne alle Beschränkung die Errichtung derselben gestattet wissen wollte, weil seiner Meinung nach: 1) die Freiheit, über sein Eigenthum zu disponiren, nicht eittgeschränkt werden müsse, und 2) weil es dem Staate vortheilhafter sey, wenn Güter lange in einer Familie blieben, als wenn damit ein Handel, wie mit Pferden ge­ trieben würde. Darauf wurde in der Revision sämmtlicher Monita Folgendes bemerkt: Die Freiheit, über sein Eigenthum zu disponiren, erstreckt sich, wenn wir philosophisch reden wollen, nur auf die Lebenszeit des Menschen. Es ist schon viel, daß die positiven Gesetze den Bürgern des Staats erlauben, Verfügungen, wie es nach ihrem Tode mit ihrem Nachlaß ge­ halten werden solle, zu treffen; daß ihnen aber dergleichen Befugniß auf Jahrhunderte hinaus zukommen soll, dazu haben sie kein natürliches Recht, und es kann also auch nicht über Eingriffe in die Rechte des Ei­ genthums mit Grunde geklagt werden, wenn der Staat jene exorbitante Befugniß einschränkt. So schädlich es dem gemeinen Wesen ist, wenn Landgüter anfangen, ein couranter Handlungsartikel zu werden, so schädlich ist es ihm auch, wenn durch Verwandlung derselben in Fideikommisse der Industrie und der Neigung zu Verbesserungen Fesseln angelegt werden. Die meisten andern Monenten, selbst ständische, sind damit einig, daß die Vervielfältigung der Fideikommisse keine Begünstigung verdiene. (Materialien -um A. R., Bd. 80. Bl. 107.) —

468

Aenderung, durch welche die Rechte der Einzelnen geschmälert werden könnten, beabsichtigt und beantragt worden ist. Zn anderer Beziehung hat dagegen dieselbe Maaßregel den entgegengesetzten Erfolg. Die Besitzer von Lehnen und Fideikommissen sind, den Besitzern von allodialen und freien Gütern gegenüber, offenbar in einer nachtheiligen Lage. Sie können die Gelegenheiten, welche sich im Laufe der Zeit ergeben, die Realität ihres Besitzthums im Ganzen ohne Op­ fer zu verbessern oder zu heben, nicht in gleicher Art benutzen, wie die Besitzer solcher Allodialgüter. Durch die Gesetzgebllng Ein anderer Monent, welcher die Fideikommisse mit keinem so günstigen Auge betrachtete, hatte ein Monitum dahin gestellt: Man kann wohl die Frage aufwerfen: ob eS nicht besser sey, die Er­ richtung aller Fideikommisse für die Zukunft ganz und gar zu verbieten; wenigstens sollte man bloß temporelle Fideikommisse erlauben, und höch­ stens nur Enkel in einer Familie mit Fideikommissen beschweren lassen. Umstände und Zeit ändern die Sache. Hiezu wurde in der Revision bemerkt: Verdient Erwägung. Die Fideikommisse sind gewiß schädlich. Außerdem, daß ihr Zweck dahin gehet, einzelne Familien vorzüg­ lich zu bereichern, so schaden sie auch der Landeskultur, weil Nie­ mand so viel Kosten und Fleiß auf eine Sache verwendet, worüber er nicht disvoniren kann, als auf eine Sache, worüber er völlig Herr ist.

Sind die Familien - Fideikommisse gewöhnliche Fideikommisse, worin alle aus der Familie nach den Graden der Verwandtschaft fuccediren, so werden sie nach einigen Generationen in sehr viele kleine Theile zer­ stückelt. Niemand nimmt sich der gemeinschaftlichen Sache recht an. Niemand hat Nutzen davon.

Die Familie wird unter einander in Prozesse und Weitläuftigkeiten verwickelt, daher Jedermann darauf bedacht ist, sich von der Fidetkommißlast loszumachen Sind die Familien-Fideikommisse Primogenituren, so enthalten sie eine offenbare Ungerechtigkeit gegen die nachgebornen Kinder. (Materialien zum A. L. R., Bd. 73. Mon. 3. zu §. 9. Abschn. 1. Tit. 4. Th. I.) —

469 der neueren Zeit, durch die möglich gewordenen und erleich­ terten Dismenbrationen, Separationen, Ablösungen gleichen find viele einzelne Grundstücke

und der­

disponibel und

lich geworden, welche es sonst nicht warep.

käuf­

Ein betriebsamer

Gutsbesitzer kann dies benutzen, um durch Austauschungen den Realzustand seines Besitzthums zu verbessern, sich zu arrondi-

rm u. s. w., und es wird dies ab und zu ohne alle anderen Opfer zu seinenr Vortheile deshalb möglich,

weil ein solches

Geschäft vielleicht eben so zum Vortheile des Besitzers des ein-

zutauschenden Grundstückes gereicht.

Da aber die Lehn- und

FideikommißgutS-Besitzer solche Unternehmungen nur in Folge dieser aber

eines FamilienschluffeS gültig ausführen konnten,

mit vielen Kosten verknüpft ist, so vermochten sie eben

dieser

Kosten wegen kleine Vortheile der Art sich gar nicht anzueig-

nen, und standen auch bei größeren

in der Konkurrenz mit

anderen Gutsbesitzern sehr zurück, da sie jene Kosten des FamilienschluffeS mit auf den ErwerbSpreiS schlagen mußten.

ES tritt aber hinzu, daß eben durch Separationen und besonders durch Ablösungen auch die Lehn- und Fideikommiß-

gntS-Besitzer

vielfältig in die Lage kommen, ihnen gezahlte

Geldsumme«

wieder zu

Lehn

oder

Fideikommiß anlegen zu

müssen, und daß ihnen durch die Kosten des FamilienschluffeS

häufig alle

die Vortheile wieder verloren gingen,

etwa durch die Ablösung K. erlangten Ankauf eines

Grundstücks

für

welche sie

und die sie durch den

das Lehn oder

Fideikommiß

dauernd machen konnten. Zn beiden Fällen, in

denen von einem Unternehmen die

Rede ist, durch welches das Lehn oder Fideikommiß im Gan­ zen nicht verringert, vielmehr der Absicht nach vermehrt und

verbessrtt werden soll, in welchem nur von einer nützlichen und

470 nur theilweisen Veränderung der Substanz die Rede ist, wirkte

daher die Förmlichkeit eines Familienschluffes in Beziehung auf das Familien-Eigenthum nicht zum Vortheile,

sondern zum

Nachtheile, und dasselbe Interesse für diese Besitzthümer der Familien, welches in den anderen Fällen zu der Beibehaltung der Förmlichkeit eines Beschlusses der ganzen Familie führte,

mußte es für die zuletzt erwähnten Fälle wünschenswerth ma­ chen, daß jene Förmlichkeit beseitigt und ein anderes Versah,

ren für ausreichend erklärt wurde,

welches mit Vermeidung

solcher Weiterungen dennoch ausreichende Sicherheit gewährt. 2) Wenn für solche Haupt-Dispositionen, durch welche

der Bestand des Lehns oder Fideikommisses an sich gefährdet

wird, und dergl. ein von allen Familiengliedern zu errichten­ der Familienschluß nöthig erachtet worden ist, so ist dabei die

Absicht gewesen, den bestehenden Rechten den möglichsten Schutz

angedeihen zu lassen, nicht aber hat das dadurch erreicht wer­

den sollen, daß durch schwierige und kostspielige Förmlichkeiten im Voraus von allen Unternehmungen würde.

der Art abgeschreckt

Im Gegentheile war es wünschenswerth und sachge­

mäß, daß in den Fällen, in welchen die Einstimmigkeit des Beschlusses

wirklich

lind der Sache nach vorhanden

ist,

die

Manifestation desselben auch möglichst erleichtert ward, und insbesondere lagen bei Fideikommissen, welche ihre Verfassung

und ihre inneren Rechtsverhältnisse der Regel nach nicht aus ein- für allemal feststehenden,

allgemeinen oder partikularen

Rechtsnormen, sondern aus besonderen, zum großen Theile sehr

unvollkommen gefaßten Urkunden ableiten rind bei denen daher sehr häufig der Fall eintritt, daß die zweifelhafte Fassung der

Stiftungsurkunde durch einen Familienschluß

ergänzt werden

muß, die erheblichsten Gründe vor, dergleichen Familienschlüsse

— 471

nicht durch vermeidliche Förmlichkeiten und Weitläustigkeiten zu erschweren. Diesen Unterschied zwischen einem möglichst vollständigen Schutze, welchen man den Rechten der einzelnen Familienglie­ der angedeihen laffm mußte, einerseits, und der möglichsten Beseitigung hindernder und erschwerender Fönnlichkeiten ande­ rerseits, hat man bei der Ausarbeitung des Gesetzes vom 15. Februar 1840. festgehalten, und daraus sind die einzelnen Be­ stimmungen desselben hervorgegangen, welche jetzt einer nähe­ ren Erwähnung bedürfen. WaS zuvörderst die Anordnung derselben betrifft, so stellen die 1. und 15., als Resultate jener Sonderung, zwei Kategorieen auf. Zn den §>§>. 2—14. folgen für die erste derselben die Bestimmungen darüber, welche Interessenten bei dem Familienschluffe zuzuziehen find, und wie bei deren Ermit­ telung und Legitimations-Prüfung, so wie bei den weitern Verhandlungen zu verfahren ist; in den 16. bis 19. da­ gegen Vorschriften für die Fälle der zweiten Kategorie, in welchen es auf einen Familienschlliß nicht ankommt. Der §. 20. ist den Familienschlüssen über Familienstiftungen, der §. 21. den Lehnen gewidmet. Der §. 22. drückt gewiss Vorbehalte aus in Beziehung auf Fälle, in welchen einer Fa­ milien- oder Fideikommiß-Stiftung die besondere Allerhöchste Bestätigung hinzugekommen ist. Die §§. 23. und 24. enthal­ ten einige sekundäre allgemeine Bestimmungen. Was nun die einzelnen Vorschriften selbst anlangt, so soll nach dem §. 1. *j in der Regel zu Rechtsgeschäften, welche *) §. 1. Zu Rechtsgeschäften, welche die Substanz eine« Famlllen-Fidetkowwlffe« betreffen, so wie zur Aufhebung, Abänderung, Ergänzung oder Erklärung einer Fideikommiß-Stiftung ist, sofern nicht nach dem

— 472 — die Substanz eines Fideikommisses betreffen, so wie zur Auf­

hebung, Abänderung, Ergänzung oder Erklärung ei­ ner

Fideikommiß-Stiftung,

ein

Familienschluß

erforder­

lich seyn. Dies erläutert sich durch einen Rückblick auf den Stand

der Gesetzgebung bis $it der Emanation des vorliegenden Ge-

Gesetzes.

Es war dieser:

1. Gemeinschaflich für Lehne, Familien-Fideikommisse

und Familien-Stiftungen gestattete — wie Eingangs bemerkt

ist — der §>. 9. des Edikts vom 9. Oktober 1807. deren beliebige Abänderung oder gänzliche Auf­ hebung,

erforderte dazu aber einen Familienschluß mit dem Beifü­ gen, „wie solches in Absicht der Ostpreußischen Lehne bereits

im Ostpreüßischen Provinzialrechte

Zusatz 56. verordnet ist."

Zn diesem 56sten Zusatze war nachgelassen, durch einen nach Borschrift des .Allgemeinen Landrechts Th. II. Tit. 4. §§>. 42.

bis 46. abzlifaffenden Familienschluß:

die LehnSeigenschaft übertragen,

von

einer Sache auf

sie einzuschränken

die andere zu

und mit

oder ohne

Festsetzung eines Lehnsstammes gänzlich aufzu heben.

Der Ausdruck des Edikts „beliebige Abänderung" war sehr unbestimmt und konnte in, der Anwendung leicht zu weit führen.

Es sind gewiß nur wesentliche Umgestaltungen ge­

meint, welche die Substanz der Sache entschieden vermin­

dern, oder diese ganz in eine andere verwandeln, oder auf die bestehende SuceessionS-Ordnung sich beziehen.

Man

gegenwärtigen Gesetze Ausnahmen zulässiig sind, (§. IS.) ein Fawlllenschluß erforderlich.

konnte unter beliebiger Abänderung jedoch eben sowohl auch Vertauschungen oder Veräußerungen blos einzelner Theile oder Zubehörungen gegen volle« Entgelt und am Ende jede sonstige Aendemng eines Güter- oder Geld-KideikomisseS verstehen, wie geringfiigtg sie auch dem Ganzen gegenüber erscheinen mochte. 2. Zn Beziehung auf Kamilien-Fideikommisse ins­ besondere verordnet das Allgemeine Landrecht Th. II. Tit. 4. Folgendes: $. 76. Zn allen Fällen, wenn bei getheiltem Eigenthum die Einwilligung des Ober-EigenthümerS zu einer Ver­ fügung erforderlich ist, muß dieselbe bei Fideikommissen durch einen Familienschluß getroffen werden. 78. Wenn also mit der Substanz der zum Fideikomiß gewidmeten Güter durch Tausch, oder sonst, Ver­ änderungen vorgenommen werden sollen, so muß dieses durch einen Familienschluß geschehen. §. 133. (Bei Geld - Fideikommissen). Sollen mit dem Ki­ deikommiß-Kapital andere Veränderungen (als die in den 128. und 129. bezeichneten, wobei es sich nur um Einziehung und anderweitige Unterbringung mit Zuziehung der nächsten Anwärter handelt) vorge­ nommen, oder Grundstücke statt des Kapitals dazu ge­ widmet werden, so kann solches nur durch einen Familienschluß geschehen. Man stößt hier abermals auf Unbestimmtheiten. Was soll in dem §. 133. unter den „anderen Veränderungen" und im 78. unter dem „oder sonst" gedacht werden? Und ist unter eben diesen Paragraphen nur die Vertauschung des gan­ zen Fideikommißgutes oder der sämmtlichen Fideikommißgüter gegen andere Grundstücke zu subsumiren, oder auch der

275

keit der obigen Auslegung des letzterem

Paragraphen

unter

587. nicht. der

Denn der nach

Testaments form

er­

klärte Widerruf ist deshalb noch keineswegcs ein neues Te­

Sein Inhalt ist vielmehr rein negativ,

stament.

daß die frühere Erbeseinsetzung aufgehoben sevn solle.

Ein neues Testament erfordert dagegen die positive Er­

klärung

einer

neuen Erbcseinsetznng.

Diese

kann mit dem

Widerrufe des früheren Testaments allerdings

verbunden wer-

dm, doch ist dann rein zufällig.

Aus dem Gesagten ergiebt sich für den vorliegenden Kall: daß der nur zum gerichtlichen Protokolle, ohne Beobachtung

66.

der

und folg. Tit.

12. Th. I.

des Allgemeinen

Landrechts, von der verehelichten M. erklärte Widerruf ihres

zweiten Testaments nach den ursprünglichen Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts nicht gültig erfolgt scv.

Bedenklicher

wird

die Entscheidung

später wie das Allgemeine Landrecht als

indessen

durch

den,

Gesetz aufgenonnne-

nen §>. 33. des Anhanges.

Derselbe

verdankt

seine Entstehung

einer

Anfrage

der

Ober-Amts-Regierung zll Breslau, welche zweifelhaft darüber

war, ob der Gültigkeit eines versiegelt dem Gerichte übergebenen Testaments

dadurch geschadet werde, daß dem Siegel des Testators das Gerichtssiegel nicht beigcfügt und aus dem Annahme-Proto­

kolle

nicht

ersichtlich sey,

ob der Richter, die lleberschrift des

Testaments in Gegenwart des Testators geschrieben habe.

Die Gesetz-Kommission entschied unter dem 13. Februar

1798.: die Gültigkeit des Testaments werde durch die Vcrabsäumung

18'

275 keit der obigen Auslegung des §>. 587. nicht. letzterem

Paragraphen

unter

der

Denn der nach

Testaments form

er­

klärte Widerruf ist deshalb noch kcinesweges ein neues Te­

stament.

Sein Inhalt ist vielmehr rem negativ,

daß die frühere Erbescinsetzuiig aufgehoben scvn solle. Ein neues Testament erfordert dagegen die positive Er­ klärung

einer

neuen Erbcseinsetznng.

kann mit dem

Diese

Widerrufe des früherm Testaments allerdings verbunden werdm, doch ist dann rein zufällig.

Aus dem Gesagten ergiebt sich für den vorliegenden Kall:

daß der nur zum gerichtlichen Protokolle, ohne Beobachtung

der §§. 66. mit) folg. Tit. 12. Th. I.

des Allgemeinen

Landrechts, von der verehelichten M. erklärte Widerruf ihres

zweiten Testaments nach den ursprünglichen Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts nicht gültig erfolgt scv. Bedenklicher wird

die Entscheidung

indessen

durch den,

später wie das Allgemeine Landrecht als Gesetz aufgenommc-

nen §. 33. des Anhanges. Derselbe

verdankt

seine Entstebung

emcr

Anfrage

der

Ober-Amts-Regierung zu Breslau, welche zweifelhaft darüber war, ob der Gültigkeit eines

versiegelt dem Gerichte übergebenen Testaments dadurch geschadet werde, daß dem Siegel des Testators das

Gerichtssiegel nicht beigcfügt und aus dem Annahme-Proto­ kolle nicht ersichtlich fei),

ob der Richter, die lleberschrist des

Testaments in Gegenwart des Testators geschrieben habe. Die Gesetz-Kommission entschied unter dem 13. Februar 1798.:

die Gültigkeit des Testaments werde durch die Vcrabsäumung 18 °

476 her-vor jedem beliebigen Richter resp. Notar geschehen; für die Aufnahme des Familienschluffes selbst als eines Gan­ zen ist dagegen durch den $. 2. die Anordnung eins formn

commune erfolgt vor dem des

Stifters und

diesem

ordentlichen persönlichen Richter

gebührt auch

die Bestätigung.

Außerdem mußte früher noch die Verlautbarung des Kamilienschluffes erfolgen, und zwar ebenfalls bei dem ordentlichen

Nur in Beziehung auf Grundstücke

persönlichen Gerichte.

trat eine besondere Verlautbarung bei dem Richter der gelege­

nen Sache hinzu, wobei der Fall nicht bedacht war, wenn

mehrere Grundstücke konkurrirten, die unter verschiedenen Zu-

riSdiktionen lagen.

Nach dem vorliegenden Gesetze soll aber schon mit dem Gesuche um Aufnahme des Familien-Schlusses ein möglichst

vollständiges

und genaues Berzeichniß

der Fideikommiß-An­

wärter eingereicht (§. 4.) und zur Legitimation der nicht ein­ getragenen, oder nicht durch öffentliche Urkunden legitimirten

Anwärter das derjenigen

Anerkenntniß

Anwärter,

Fideikommiß-Besitzers

des

welche sich

bei

der Verhandlung

und zur

Aufnahme des FamilienschluffeS gemeldet haben, ohne weiteren Nachweis für genügend angenommen werden. (§. 5.) Die be­ sondere Verlautbarung des FamilienschluffeS vor den Gerichten,

unter

deren Zurisdiktion

wurde also um so

die Fideikommißgüter gelegen sind,

mehr entbehrlich,

als dem Fid'cikommiß-

Richter die neuesten, den Realzustand dieser Güter vollständig darlegenden Hypotheken scheine doch eingereicht werden müssen.

An

die Anberaumung

eines

Ausnahme des Familienschlusses,

bestimmten Termins

zur

vor dem Frdeikommißrichter

(§>. 5. No. 2.) schließt sich ferner die Bestätigung und Aus-

— 477 —

fertigung *) des Familienschluffes von selbst an und eS war daher überhaupt die Konzentrirung des ganzen Geschäftes bei dem Fideikommißrichter wünschenswerth. — Demgemäß ist in den §. 2. die Bestimmung, daß die Aufnahme, Bestätigung und Ausfertigung des Familienschluffes in allen Fällen dem Fideikommißrichter zustehe, ausgenommen, und im §>. 14. die besondere Verlautbarung des Familienschluffes für aufge­ hoben erklärt worden. Durch die Worte: „in allen Fällen" ist zugleich auSgr-. sprochen, daß die Bestätigung deS Familienschluffes dem Fideikommißrichter auch dann, wenn die Güter unter an­ deren Jurisdiktionen gelegen sind, allein zustehe. Der §. 3.”*) entscheidet die im Eingänge erwähnte Streitfrage, welche die Veranlaffrmg des Gesetzes war. Das Allgemeine Landrecht bestimmt Tit. 4. Th. II., in dem 3. Abschnitte von Familien-Fideikommissen, §. 77.: Wegen Ausnehmung eines solchen Familienschluffes gilt bei Fideikommissen alles das, was bei Familienstiftungen vor­ geschrieben ist (§. 41. seq., soll heißen: §. 42. seq.). Auf eben diese 42. bis 46., womit der zweite Ab­ schnitt von Familienstiftungen ab sch ließt, verweiset das Edikt vom 9. Oktober 1807., sowohl in Betreff der Lehne, als der Fideikommisse, durch Bezugnahme auf den 56. Zusatz des Ost­ preußischen Provinzialrechts, welcher so beginnt: ♦) Bgl. §. 49. und folg. Tit. 2. Th. II. der Allgemeinen GerichtsOrdnung. ”) §. 3. Bet der Errichtung eine« Familienschluffes (Allgemeines Land­ recht Th. II. Tit. 4. §§. 42 — 46.), sind nicht allein die im Hypo«hekenduche eingetragenen, sonder» auch die sonst vorhandenen Anwärter juzuziehen.

478 des

Die Interessenten können durch einen nach Vorschrift

42—46. abzu-

Allgemeinen Landrechts Th. II. Til. 4. fassendcn Familienschluß u. s. w.

Zn diesen

aber heißt es:

42. Zur Abfassung eines solchen Familienschlusses müssen alle Mitglieder zugezogen und denjenigen, welche we­

gen minderjährigen Alters oder sonst ihren Sachen nicht selbst vorstehen können, Vormünder bestellt werden.

§. 43. Letzteres muß geschehen, auch wenn die Väter sol­ cher minderjährigen

Familienmitglieder noch am Le­

ben find.

H. 44.

Wenn neue Familienmitglieder innerhalb des 302.

Tages nach der von ihren Aeltern geschehenen Vollziehung des Familienschluffes geboren werden, so sind in Anse­

hung ihrer die Vorschriften

42. 43. zu beobachten.

§. 45. Später grborne Familienmitglieder müssen den Schluß der Familie schlechterdings anerkennen.

§. 46.

Dergleichen

Famikienschlüffe

sollen

gerichtlich

ge­

prüft und bestätigt werden. (§>§. 29—33.).

Die hier in der Parenthese allegirten

29—33. han­

deln von der Errichtung der Familien - Stiftungen, und was

hierbei zu beobachten vorgeschrieben ist, das soll auch bei der

Aufhebung oder Abänderung der Lehns- und FideikommißVerbindungen mittelst Familienschluffes beobachtet werden.

Der

§. 3. des vorliegenden Gesetzes verordnet dagegen, daß bei der Errichtung eines Familienschlusses nicht allein die im Hy-

pothekenbuche eingetragenen, sondern auch die sonst vorhandenen Anwärter zugezogen werden sollen, und ver­

weiset ebenfalls auf die gemeinen Landrechts.

42—46. Tit. 4. Th. II. des All­

479

Er bezweckt, wie bemerkt, die Beseitigung der zu An­ fänge erwähnten Kontroverse, mit deren Entstehung fol­ gende Bewandniß hat. Von den oben im §>. 46. in der Parenthese allegirten 29—33. verordnet der §. 29.: Diese StiftungS- Urkunden (über die Errichtung von Familienstiftungen) sollen künftig allemal vor dem or­ dentlichen persönlichen Richter des Stifters verlaut­ bart und demselben zur Bestätigung vorgelegt werden. Auf diese Vorschrift verweiset wiederum, in dem Ab­ schnitte von Fideikommissen, der §. 62. mit den Worten: Von Errichtung und Verlautbarung der Fideikommiß-Ur­ kunden gilt eben das, was in Ansehung der Familienstiftungen verordnet ist. (§. 29. seq.) Der folgende §. 63. aber setzt hinzu: Doch muß, wenn das Fideikommiß in einem Grund­ stücke besteht, die Verlautbarung vor demjenigen Rich­ ter geschehen, unter welchem das Grundstück bele­ gen ist. Der Bestätigung der verlautbarten Urkunde geschieht hierbei nicht Erwähnung; daß sie aber dem ordentlichen persönlichen Richter verbleibe, geht deutlich aus der All­ gemeinen Gerichtsordnung Th. II. Tit. 1. §. 6. hervor, worin eS heißt: Vor dem ordentlichen persönlichen Richtkr müssen vollzogen werden: 2. die Errichtung von Familienstiftungen und beständigen Fi­ deikommissen, jedoch mit Vorbehalt der Verlautba­ rung dieser letzteren, in so fern sie Grundstücke betref-

480 fen, vor dem Richter der Sache, falls derselbe von dem

persönlichen Richter verschieden ist. 63. lind folg, bestimmen sodann, was der Rich­

Die ter

der Sache zu thun und worauf er zu halten hat.

muß

von

AmtSwegen

dafür

sorgen,

daß

Er

das Fideikommiß

(d. i. die Fideikommiß-Eigenschaft) auf das dazu gewid­

mete Grundstück

im Hypothekenbuche eingetragen

werde.



Aber auch die zur Zeit der Errichtung des Fideikommisses vor­ handenen bekannten Familienmitglieder, welche dazu mitberu-

fen find,

müssen ihren Namen und die Art ihrer Verwandt­

schaft mit dem Stifter im Hypothekenbuche vermerken lassen.

Ist nach dem Inhalte der Stiftungs-Urkunde zu vermuthen, daß noch unbekannte Theilnehmer vorhanden seyn möchten, so muß der Richter dieselben zur Anmeldung ihrer Gerechtsame

zum Behuf der Eintragung öffentlich auffordern. — Auch in

der Folge, wenn neue Familienglieder entstehen, sind dieselben, sobald sie aus väterlicher Gewalt kommen und eine abgeson­

derte Wirthschaft anfangen, sich in der Eigenschaft als An­

wärter zum Fideikommiß im Hypothekenbuche vermerken zu las­ sen schuldig.

Hierauf heißt es in den §§>. 68. und 69.: Nur die aus dem Hypothekenbuche bekannten Familienglie­ der

ist

der

Richter

bei

Fideikommiß zuzuziehen

Verhandlungen verbunden.

über

Diejenigen,

das

welche

sich zur Eintragung nicht gemeldet haben, müssen sich alles, was

mit den Eingetragenen gerichtlich verhandelt und von

diesen beschlossen worden, ohne alle Widerrede gefallen lassen.

Diese Paragraphen sind es, welche die bemerkte Kontro­ verse und eine abweichende Praxis hervorgerufen hatten, indem sie von der einen Seite

481

als einzig und allein maaßgebend bei der Aufnahme, Ver­ lautbarung und Bestätigung aller Familienschlüsse über Lehns­

und Fideikommiß-Grundstücke, welche ein eigenes Folium im Hypothekenbuche haben, selbst dann angesehen und angewendet wurden, wenn die Fort­

dauer der Lehns- oder Fideikommiß-Verbindung überhaupt, ganz oder theilweise, in Frage stand; während von der andern

Seite dafür gehalten ward,

daß es in dem eben bemerkten Falle, wie überall, wo ein wirk­ licher Familienschluß erforderlich,

auf den Unterschied,

ob

ein Hypothekenbuch vorhanden oder nicht vorhanden, und ob

und welche Familienglieder darin eingetragen stehen, nicht ankomme, vielmehr in allen und jeden Fällen der bezeichne­

ten Art sämmtliche zu dem Lehn oder Fideikommiß berufene

Familienglieder ausgemittelt und mit ihrer Stimme gehört werden müßten.

Für die erste Ansicht ist angeführt worden: 1.

die Vorschriften der

42. und 43. Tit. 4. Th. II.

des Allgemeinen Landrechts erlitten in Beziehung auf GüterFideikommiffe und Lehne eine nothwendige Abänderung durch

die Publizität, d. i. den öffentlichen Glauben des Hypotheken­ buches, nach Inhalt der

68. und 69. daselbst, welche in

voller Uebereinstimmung mit der ganzen Theorie des Allgemei­

nen Landrechts und in konsequenter Anwendung des in dem­ selben waltenden Grundsatzes, daß Zeder, welcher sich in gutem Glauben mit den aus dem Hypothekenbuche ersichtlichen Eigenthümern und Realberech­ tigten in Verhandlungen über ein Grundstück eingelassen hat, gegen jeden Anspruch eines Dritten gesichert seyn soll,

allgemein und ausdrücklich den Richter nur für verbunden er-

31

482

klärten, die aus dem Hypothekenbuche bekannten Familienglieder

bet Verhandlungen zuzuziehen. 2.

Daraus,

daß zur Zeit der Abfassung des Allgemei­

nen Landrechts die gänzliche oder theilweise Aufhebung eines

Fideikommisses oder Lehns nicht erlaubt gewesen, folge keineSweges, daß der §. 68. auf einen,

nach dem Edikte vom 9.

Oktober 1807. zulässigen Fall der Art nicht bezogen und an­

gewendet werden dürfe.

Der bemerkte §. diSponire ganz all­

gemein, und wenn diese allgemeine Disposition bei dem Er­ lasse des Ediktes hätte eingeschränkt werden sollen, so hätte dies

in dem letzteren ausdrücklich bestimmt werden müssen.

3.

Eine Unterscheidung

zwischen dem

Hypothekenrichter

und dem persönlichen Richter und die Annahme, daß nur für

den ersteren,

nicht für den letzteren der §. 68. maaßgebend

sey, würde in den Gesetzen keine Begründung finden, der §.

sey von jedem Richter zu verstehen, vor welchem Verhandlun­ gen über Fideikommisse gepflogen würden, und gelte von al­ len Verhandlungen ohne Unterschied.

Der §>. 3. des Gesetzes vom 15. Februar 1840.

hat indessen der entgegengesetzten Ansicht den Vorzug ge­ geben, und zwar aus folgenden Gründen:

1.

Das Allgemeine Landrecht stellt im Th. II. Tit. 4. Ab­

schnitt 2. die Familien-Fideikommjsse unter den generischen Begriff

von

Familien-Stiftungen und giebt

in dem nämlichen Ab­

schnitte von §. 21. bis §. 46. Vorschriften, theils für Familien-

Stistungen und

dieser

im

engeren Sinne des Wortes, theils für diese

für Familien-Fideikommisse gemeinschaftlich. Vorschriften,

wendung

finden

welche

sollen,

Diejenigen

auf Familien-Fideikommisse

sind in dem,

den

letzteren

An­

speziell

gewidmeten 3. Abschnitte durch Zurückweisungen noch besonders



erkennbar gemacht.



483

Dies ist der Fall im

62. (des dritten

Abschnitts): Bon Errichtung und Verlautbarung der Fideikommiß-Ur­

kunden gilt eben das, was in Ansehung der FamilienStiftungen verordnet ist (§§. 29. seq.);

und im §. 77. (des dritten Abschnitts):

Wegen

Ausnehmung eines (solchen) Familienschlusses gilt

bei Fideikommissen alles das, was bei Familien-Stif­ tungen vorgeschrieben ist. (§. 41. seq., soll heißen: §. 42. seq.)

Daß der Beisatz „seq." mit dem letzten §. des zweiten Abschnittes, dem §. 46., seine Begrenzung finden soll, folgt unwiderleglich schon daraus, daß daneben zugleich ausdrücklich

auf die „für Familien-Stiftungen gegebenen Vorschrif­

ten" verwiesen ist, welche eben nur bis §. 46. gehen.

Hier­

mit in Uebereinstimmung verweiset der 56ste Zusatz des Ostpreu­

ßischen

Provinzialrechts

ausschließend

auf

die

42.

bis 46., und indem das Edikt Dom 9. Oktober 1807. §. IX.

wiederum lediglich auf jenen Zusatz sich bezieht, will auch die­ ses Edikt ausschließend die

42—46. bei Errichtung von

Familienschlüffen angewendet wissen. Hierdurch erledigt sich alles dasjenige, was zur Verthei­

digung der dem §. 3. gegenüberstehenden Ansicht, über das Verhältniß des zweiten Abschnittes zu dem dritten, gesagt werden konnte, und wenn hiernach feststehet, daß nur

die

42—46. zu befolgen sind,

so ist damit

eigentlich

schon von selbst ausgesprochen, daß der §>. 68. nicht hierher

gezogen werden kann.

Deutlich

ergiebt

sich dies aber auch

aus der folgenden Betrachtung.

2.

Dem jedesmaligen Fideikommiß-Besitzer gebührt das

31»

484

nutzbare Eigenthum des Fideikommisses.

Das Ober-Eigenthum

befindet sich bei der ganzen Familie.") Zu dessen Sicherstellung ist bei Grundstücken allerdings

nothwendig

die

Eintragung

der

Fideikommiß-Eigenschaft

im Hypothekenbuche, als einer Einschränkung des Eigenthums

und der Disposition,

die nur dadurch

für Dritte erkennbar

wird. — Der Richter der Sache muß daher diese Eintragung

von Amtswegen bewirken."") Dadurch werden aber auch jedenfalls die Rechte aller zum

Fideikommiß berufenen Familienglieder unter sich für alle

Zeiten gewahrt.

Will

der zeitige Besitzer mit der Substanz

wesentliche Veränderungen vornehmen, milienschluß erwirkm.

so muß er einen Fa-

Zst ein solcher nicht zu Stande gekom­

men, so kann jedes Familienmitglied, welches nicht eingewil­

ligt hat, sobald es zur Succession gelangt, die Hand­ lung anfechten und auf Versetzung der Sache in den vorigen

Stand antragen.""") Nur allein, so fährt der §>. 80. fort, bei Ausnehmung

nothwendiger Darlehne auf die Einkünfte des Fideikommisses ist nicht die Zuziehung aller, sondern blos gewisser Familimmitglieder erforderlich — d. i. nach §. 87. zweier Fideikom­

miß-Anwärter.

Das Nämliche gilt bei Prozessen, welche die

Substanz des Fideikommisses betreffen.

nächsten Anwärter zuziehen;

Der Besitzer muß die

was dann entschieden oder mit

Beitritt der Anwärter durch Vergleich festgesetzt worden, daran

") §§. 72.73. rit. 4. Th. 11. M Allgemeinen Landrechts. "") § 64. a. a. £>. ’”) §§• 76. 78. 79. a. a. O.

485 ist die ganze Familie und jeder künftige Fideikommiß-

besitzer aus derselben gebunden.")

Wenn es sich nun frägt, zu welchem Zwecke nächst der dem Richter obliegenden Eintragung der Fideikommiß-Qualität deS Gutes die

65. ff. auch noch den Familienmitgliedern

es zur besonderen Auflage machen, ihre Namen und die Art ihrer Verwandschaft mit dem Stifter im Hypothekenbuche ver­ merken zu lassen, und welche Bedeutung insbesondere den

68. und 69. zu geben ist, so beantwortet sich diese Frage sehr bald aus dem eben

hervorgehobenen Gegensatze

zwischen der

Zuziehung aller Familienmitglieder zum Zwecke eines einhelli­ gen Familienschlusses und der Zuziehung nur gewisser Fami­ lienmitglieder, welche in bestimmten Fällen die Gesammtheit mit voller Wirkung vertreten dürfen. Für diese letzteren Fälle ist es im

Interesse des FideikommißbesitzerS, wie des Richters, welchem letz­

teren die Regulirung des Darlehnsgeschäftes""), die Leitung des Prozesses u. s. w. obliegt, wichtig und nothwendig, daß nicht erst

weitläufige und zeitraubende Ermittelungen erforderlich werden,

um zu erfahren, welche Fideikommiß-Anwärter als die beiden nächsten zuzuziehen sind.

Nur in diesem Betrachte kann die vom

Gesetze empfohlene namentliche Eintragung der Fideikommißberech-

tigten motivirt erscheinen, nur daraus kann die Bestimmung der

68. und 69. erklärt werden, daß der Richter nur die aus dem Hypothekenbuche bekannten Familienglieder „bei Verhandlungen über das Fideikommiß" zuzuziehen verbunden seyn und die nicht

eingetragenen sich Alles gefallen lassen sollen, was mit jenen gerichtlich verhandelt und von denselben beschlossen worden ist.

Wie wmig

diese Bestimmung auch auf förmliche Familien-

*) §§. 117—119. a. a. O. •• ) H. 101. a. «. £>.

486 schlöffe, wo dergleichen erforderlich, ausgedehnt werden kann,

zeigt sogar schon der Gebrauch des Ausdruckes: „Verhand­

lungen

über das Fideikommiß," im Gegensatze von Ver­

fügungen

über

das

Fideikommiß,

Grundregel enthaltende

zu

welchen

der,

die

76. einen Familienschluß erfordert.

AuS dem §. 68., in dem obigen beschränkteren Sinne genom­ men, läßt sich nicht einmal, wie man geneigt seyn möchte, so

Viel folgern, daß, wenn der Richter in dem Hypothekenbuche gar kein

Familienmitglied

eingetragen

fände,

er nun auch

Niemand sonst zuzuziehen habe, vielmehr die Verhandlung zwi­ schen dem Besitzer und dem Dritten allein aufnehmen könne.

Denn der §>. 95. bestimmt: Ist kein Anwärter bekannt, doch aber auch noch nicht ent­ schieden:

ob

das Fideikommiß in den Händen des gegen­

wärtigen Besitzers erlöschen werde: so muß dieser, wenn er

rin Darlehn anfnehmen

will,

bei dem Richter der Sache

auf Bestellung eines Kurators für das Fideikommiß

und auf dessen Zuziehung antragen. Wie viel weniger darf daher, schon in Vergleichung hie-

mit, bei förmlichen Familienschlüssen als möglich gedacht wer­ den, daß alle nicht eingetragene Familienmitglieder zu ignori-

ren und blos deshalb, weil sie nicht namentlich eingetragen sind, für einwilligend in das zu achten, was der zeitige Beshzer mit Einschluß seiner Descendenz für gut erachtet hat.

Daß an eine Präklusion mit dem Rechte an das Fideikommiß selbst unter keinen Umständen gedacht worden, zeigt

deutlich der §. 70 : Zn allen Fällen,

wo ein nicht eingetragenes Mit­

glied seinen Anspruch auf das Fideikomwiß durch

eine besondere Legitimation nachweisen muß, ist





487

dasselbe schuldig, auch wenn es in der Hauptsache ein obsiegliches Urtel erhält, alle durch diese Legitimationsfüh-

rung verursachten Kosten allein zu tragen. Eine solche Präklusion würde es aber doch jedenfalls seyn,

wenn nicht eingetragene Familienglieder sogar da nicht zu­ gezogen

wird,

werden

sollten,

wo

damit

umgegangen

das ganze Fideikommiß aufzuheben, also die

Fideikommiß-Berbindung selbst gänzlich aufzulösen.

3.

Den Fall einer gänzlichen Aufhebung hat nun über-

dem das Allgemeine Landrecht überhaupt nicht als möglich ge­

dacht, es hat ihn gradehin ausgeschlossen.

Er kann daher nicht

in den Bereich des §. 68. gebracht werden, man mag diesem

sonst eine Auslegung geben, welche man wolle. 4.

Zn Ansehung der Lehne ohne Ober-Eigenthum,

welche daS Edikt vom 9. Oktober 1807. in der vorliegenden

Beziehung

mit Fideikommisse»» auf eine Linie stellt,

ist die

Sache noch weniger zweifelhaft: Die Agnaten und Mitbelehnten nehmen Theil an dem nutz­

baren Eigenthume kommt.

deS Lehns,

welches

dem Vasallen

zu­

Doch ruhet ihr Recht so lange, bis sie nach der

Ordnung der Lehnsfolge zum wirklichen Besitze deS LehnS berufen werden.*)

(Ihr Recht ist dinglicher Natur.)

Durch Aufhebung der LehnSverbindung von Seiten des

Lehnsherrn wird in den Rechten der Agnaten und Mitbe­ lehnten nichts geändert (nur Anwartschaften und Eventual-

belehnungen erlöschen).

Das aüvdifizirte Lehn wird in den

Händen des letzten Besitzers, sprünglichen

der keine nach dem ur­

Lehnsvrrtrage zur Sucression

•) §§. 17. unb 18. rit. 18. LH. I. des Allgemeinen Landrecht«.

be-

488 rechtigte Verwandte und keine Mitbelchnte mehr hat, ejn völlig freies Eigenthums) Zur Erhaltung des Successionsrechts ist die Eintragung

desselben in das Hypothekenbuch, sowohl bei Mitbelehn­ ten,

als

bei

Agnaten,

zwar rathsam,

aber nicht

nothwendig^"). Dieser Satz erläutert sich dahin: Nachdem

im

288.

ausgesprochen ist, daß Agnaten

und Mitbelehnte, welche des Lehnbesitzers Erben nicht gewor­

den, keine der von demselben über das Lehn getroffenen Ver­ fügungen, wobei er sie nicht zugezogen, anzuerkennen verbun­

den sind, heißt eS in den §>. 290.

290. und folg.:

Doch können Verfügungen über Grundstücke und

Gerechtigkeiten, welche im Hypothekenbuche eingetragen

sind, nur von solchen Agnaten und Mitbelehnten ange­

fochten werden,

welche ihr Recht an dem Lehne zu

der Zeit, da die streitige Verfügung eingetragen wurde,

im Hypothekenbucht bereits hatten vermerken lassen. §. 291.

Agnaten und Mitbelehnte also, deren Recht zu

der Zeit, da die streitige Verfügung über das Lehn im Hypothekenbuche vermerkt wurde, dem Dritten, wel­

cher die Verhandlung mit dem Lehnsbesitzer vornahm, daraus nicht bekannt seyn konnte,

sind nicht befugt,

auch wenn die Lehnsfolge demnächst auf-sie gelangt,

von diesem Rechte, zum Nachtheile des Dritten Gebrauch zu machen.

§. 292.

Doch bleibt ihnen, wegen des an ihrem Rechte

") §§. 654. bis 656. a. a. £>. ") $. 290. und folg., §. 421. a. a. O.

489 dadurch erlittenen Abbruchs,

übrige Vermögen

der Regreß an da­

des LehnsbesitzerS,

welcher

die nachtheilige Verfügung getroffen hat, vorbehalten.

Söhne, welche noch unter väterlicher Gewalt sind,

293.

bedürfen, zur Erhaltung

ihres Rechts

gegen

den

Dritten, keiner Eintragung desselben. Also besteht die Folge der unterbliebenen Eintragung der

LehnSberechtigten in allen Fällen nur darin, daß die Nichtein­ getragenen von ihrem Rechte, wenn die Lehnsfolge demnächst auf sie gelangt, zum Nachtheile eines Dritten, der mit dem LehnSbesitzer verhandelt hat, nicht Gebrauch machen, fon-

dem sich

nur an den letzteren regrefsiren können.

ist hier, wie zum Ueberfluß die Worte im

Ueberall

291.: „ wenn

die Lehnsfolge demnächst auf sie gelangt," ergeben, das Fort­ bestehen des LehnS an sich vorausgesetzt, mithin von je­ der anderen Verfügung, nur nicht von einer solchen die Rede,

welche

die

gänzliche oder theilweise Aufhebung der Lehnsei-

genschaft selbst bezielt.

Bei Verfügungen

der

letzteren Art

handelt es sich ja auch nicht von einem Vertrage mit dritten Personen, sondern lediglich um das Verhältniß des Besitzers zu

den mit ihm berufenen Familiengliedern.

Wenn

daher

der §. 386. verordnet:

Die

durch

Gesetze

oder

rechtsgültige

Willenserklärungen

einmal bestimmte Suceessionsordnung kann nur durch förm­

liche Familienschlüsse geändert werden; wenn ferner das Edikt vom 9. Oktober 1807., indem es die beliebige Abänderung oder gänzliche Aufhebung der Lehnsverbindung selbst nachläßt, hierzu gleichfalls einen Familienschluß erfordert, wobei eben so, wie in Ansehung der Fideikommisse,

auf die

42—46. Tit. 4. Th. II. des Allgemeinen Land,

rechts hingewirsen wird, so stellt es sich klar heraus, daß hie» bet der Unterschied zwischen eingetragenen und nicht einge­ tragenen LehnSberechtigten überall nicht in Frage kommen kann. 5. Bon den Vertheidigern der entgegengesetzten Meinung mußte selbst zugegeben werden, in dem Verhältnisse der Fideikommiß- und Lehns-Interessenten zu einander gehe durch die unterlassene Eintragung das Fideikommiss-Anrecht an sich noch nicht verloren, ein solcher Verlust könne sich nur mittelbar ereignen, wenn ein Dritter sich in gutem Glauben mit dem eingetragenen Besitzer in Verhandlungen eingelassen habe. ES wurde zugegeben, die 68. 69. Tit. 4. Th. II. des Allge­ meinen Landrechts ertheilten keine Vorschriften für die Fideikommißbesitzer. Die letzteren müßten, wenn sie bona fide verfahren wollten, alle ihnen bekannten Fideikommiß-Anwarter zuziehen, die nicht eingetragenen so gut als die eingetragenen, und blieben den ersteren im Falle der Verheimlichung jedenfalls verantwottlich. Al­ lein eS wurde weiter ausgeführt, der §>. 68. bezwecke, festzusetzen, welche Znterreffenten der Hypothekenrichter von Amts­ wegen zuzuzjehen habe. Er enthalte eine kategorische Anwei­ sung für diesen und bezeichne die Grenzen der Verbindlichkeit desselben. Der Richter sey darnach weder verpflichtet, noch berechtigt, von AmtSwegen auf Zuziehung nicht eingetragener Familienmitglieder zu bestehen. Für ihn wären alle Mitglie, der zugezogen, wenn alle eingetragenen konkurrird hätten. Diese Deduktion führt jedoch sichtlich auf ein der vorlie­ genden Frage gar nicht angehörendes Gebiet und macht dir, selbe zu einer bloßen Hypothekenfrage. Daß sie dies nicht seyn kann, folgt unzweifelhaft daraus, daß, wie bereits oben angedeutet und nachgewiesen worden, die gerichtliche Prüfung und Bestätigung der Familienfchlüffe über mit einem Kidei,

kommiße vorzunchmende Veränderungen, ohne Unterschied, ob daS Kideikommiß aus Grundstücken besteht oder nicht, eben so, wie dir ursprüngliche Errichtung und Bestätigung der Stiftungs-Ur­ kunde, wesentlich vor den ordentlichen persönlichen Rich­ ter des Stifters gehört, dessen Eigenschaft auch dann prävalirt, wenn er, wie oft der Kall seyn wird, zugleich der Realrichter ist, welchem das Gesetz früher die Verlautba­ rung bei den Hypotheken-Akten zuwies. Der persönliche Rich­ ter ist nicht auf das Hypothekenbuch allein hingewiesen; er muß, zufolge des 31. Tit. 4. Th. II. des Allgemeinen Landrechts, sich nach denjenigen Vorschriften achten, welche die gerichtliche BerfahrungSart in nicht streitigen Rechtsangelegen­ heiten bestimmen. Er muß nach §. 26. Tit. 2. Th. II. der Allgemeinen Gerichtsordnung, wenn die Partei bei der vorzu­ nehmenden Handlung nach den Gesetzen des Beitrittes, der Autorisation und der Einwilligung irgend eines Dritten bedarf, dafür sorgen, daß auch diesem Erfordernisse Genüge geleistet werde. Er muß namentlich, was bei strenger Anwendung des Hppothekenprinzips Sache des Hypothekenrichters doch auf keinen Fall seyn würde, die Vormünder der nicht eingetrage­ nen Minderjährigen zuziehen. Sein Wirkungskreis ist hiernach bei Weitem umfassender, wie der des Hypothekenrichters. Er hat die Legitimation im Ganzen zu prüfen und nur seine darauf basirenden Bescheinigungen stellen dieselbe fest, gleichwie das Legitimations - Attest des Allodial - Nachlaßrichters den Beweis der Erbesqualität feststellt. — ES ist außerdem zu er­ wägen, daß zu einem Familien-Fideikommisse mehrere, unter verschiedenen Zurisdiktionen gelegene Immobilien gehören können. Wollte man nun lediglich dem Hypothekenprinzipe folgen, so würde es bei jedem einzelnen Grundstücke darauf

492 ankommm, welche Familienmitglieder in dem Hypothekenbuche

dieses, welche in dem Hypothetenbuche jenes Grundstückes ein­

getragen stehen.

Es könnten zu dem Familienschluffe über das

eine ganz andere Personen zuzuziehen seyn, als zu dem Fami-

lienschlusse über das andere.

Wenn übrigens jenes Prinzip

doch auf Geldlehne, Lehnsstämme und Geldfideikommisse keine Anwendung finden konnte, weil die Einrichtung

der Hypothekenbücher darauf nicht berechnet ist, so würde die Folge gewesen seyn,

daß zu einem Familienschluffe über ein

Fideikommiß-Kapital ein Mehreres

gehörte,

als zu

einem

Familienschluße über ein Immobile und daß bei dem einen Grundstücke diese, bei einem andern jene Familienmitglieder zu­

zuziehen wären, während der Hypothekenrichter zur Ermittelung der Verhältnisse jedes einzeln eingetragenen Berechtigten in Be­

treff seiner Kinder, postumi rc. an dessen persönlichen Richter sich zu wenden hätte. —

Allem Vorstehenden zufolge konnte man daher nur aus-

sprechen, daß, wie eS im §. 3. des Gesetzes geschehen ist,

bei jeglichem Familienschlnffe unbedingt alle Mitglieder der berechtigten Familie ohne Unterschied, ob und welche dieser

Mitglieder im Hypothekenbuche eingetragen

stehen, zuzuzie­

hen sind. Das entgegengesetzte Prinzip hätte übrigens auch in den

wenigsten Provinzen der Monarchie, namentlich was die Lehne betrifft, zur Ausführung

gelangen

können.

Es hätte

dazu

erst ein Gesetz vorangehen müssen, welches die Eintragung der

Agnaten

im

Hypothekenbuche

tionsrechts vorschriebe.

bei

Verlust

ihres

Agna-

Das Edikt vom 4. August 1763.

ist bekanntlich in seiner Strenge säst nirgend zur Anwendung gekommen; spätere Verordnungen haben davon entbunden und

493 das Allgemeine Landrecht hat, in Uebereinstimmung mit diesen, im 421. Tit. 18. Th. I. erklärt, daß die Eintragung zwar respectu Dritter rathsam, nicht aber zur Erhaltung des SuceesfionsrechtS nothwendig sey. Diesem zlifolge ist zur Zeit in fast keiner der Provinzen, in welchen es Lehngüter giebt, eine zuverläßige Bezeichnung aller Lehnberechtigten anzutreffen Nächst der Mark und Pommern gehört insbesondere auch Schlesien, zufolge eines Berichts des Ober-LandesgerichtS von Oberschlesien vom 6. Februar 1810.*") nicht unter die Pro­ vinzen, in welchen die Agnaten, Mitbelehnte oder Fideikommiß-Anwärter ihre Rechte, bei Verlust derselben, im Hypothtkenbuche vermerken zu lassen schuldig sind. Dergleichen In­ teressenten konstiren daher aus den dortigen Hypothekenbüchern in der Regel nur insofern, als ihrer etwa bei der ursprüngli­ chen Eintragung der Lehns- oder Fideikommiffes-Qualität selbst namentlich hat gedacht werden können. Die schon bei dem §>. 2. erwähnte, in dem H. 4.""") dem Fidtikommißbesitzer aufgebene Vorlegung des Entwurfes zu dem Familienschluffe und des Verzeichnisses der Familienglieder ge­ hört zur Substantiirung des Antrages auf die gerichtliche Auf­ nahme des Familienschluffes. ") Scholz, Provtnzialrecht der Kurmark Brandenburg, Abtheilung 2. Th. 1. S. 203—213. Götze, Proolnzialrecht der Allmark, Theil 1. Abtheilung 1., S. 177 — 185. Revidirter Entwurf des Provinzialrechts de« Herzogthows Pommern, Motive, S. 34—38. ••) Akten, betreffend die Aufhebung der bisherigen Lehns- und Fideikomwtß-Verfaffung, Gen. 37. Vol. I. fol. 161. *“) §■ 4. Der Fidelkommtßbesttzer hat mit seinem Gesuche um die Aufnahme des Familienschluffes einen Entwurf zu demselben, und ein möglichst vollständiges und genaues Berzeichniß der Anwärter einzurelchen.

494 Die §§. 5.*) und folgende handeln von der Legiti­ mation der Zuzuziehenden, und zwar theils von der positiven

Seite derselben, daß die einzelnm Prätendenten bei der Sache wirklich bethei-

ligt sind, theils von der negativen Seite der Legitimation,

daß

außer

Betheiligten

denen,

die sich gemeldet haben, keine

existiren,

daß

jene

also ausschließlich

andern

legiti-

mirt sind.

ES war ein offenbarer Mangel, daß über diese Legiti­ mationsführung keine Regeln feststanden.

Die Gerichte muß­

ten sich mit Analogieen helfen und die Partheien litten darun­

ter, weil die Gerichte, jenes Mangels leitender Vorschriften wegen,

nicht vorsichtig genug seyn zu können glaubten.

Legitimations-Nachweisungen

führten

den

Interessenten

Die

oft

ganz unverhältnißmäßige Weiterungen und Kosten herbei und manche, sonst dringend nöthigen Familienschlüffe mußten un­

terbleiben, weil diese Schwierigkeiten nicht zu überwinden wa­ ren.

Es kam daher darauf an, Regeln für dies Berfahrm

aufzustellen, welche volle Sicherheit gewährten und doch jene Schwierigkeiten möglichst beseitigten.

Zm Ganzen liegen den deshalb getroffenen Bestimmun-

•) §. 5. Als berechtigt zur Theilnahme an der Errichtung des Fami« lienschluffes sind anzunehwen: 1) diejenigen Anwärter, welche ihr Succesflonsrecht entweder dadurch, daß fit im Hypothekenbuche eingetragen stehen, oder durch andere öffent­ liche Urkunden nachweisen, und 2) alle die, welche von dem Fideikommißbefltzer und denjenigen An­ wärtern, die sich in dem Termin zur Ausnahme des Familienschlusses ge­ meldet haben, al« Mitberechtigte anerkannt werden; diese« Anerkennmiß wacht andere Nachweise entbehrlich. — (Vgl. da« Justiz-Ministeriai-Blatl Jahrgang IV. S. 151—153.)

495 gen dir für einen ganz analogen Fall,

für die Erbeslegttima-

nen, in den §>§>. 484. und folg. Tit. 9. Th. I. des Allge­ meinen Landrechts gegebenen Vorschriften zum Grunde.

ES

mußte um so mehr auf diese zurückgegangsn werden, da früherhin schon die Gerichte der Regel nach ihr Verfahren nach

diesen Vorschriften eingerichtet hatten. Daß, wie im §. 5. festgesetzt worden, diejenigen, welche als Agnaten oder Anwärter im Hypothekenbuche

sind,

eingetragen

oder welche ihr SuccessionSrecht durch gerichtliche

oder

öffentliche Urkunden nachweisen, ohne Weiteres als legitimirt

Es

angenommen werden sollen, bedarf keiner Rechtfertigung.

ist aber hinzugefügt, daß ein Gleiches bei denen geschehen soll, welche von dem Fideikommißbesitzer und den bekannten an­

derweitigen Znteressenten als legitimirt anerkannt werden.

Durch

diese

Bestimmung ist das Verfahren

Menge Weiterungen

von

einer

und von kostspieligen Erörterungen

be­

freit worden, und in derselben liegt eine der wesentlichsten Er­ leichterungen.

ES läßt sich aber leicht nachweisen, daß die­

selbe keinem Bedenken unterliegt. Würden die Familienschlüffe nach den Stimmen der Ma­

jorität der Betheiligten abgefaßt, so wäre eine solche Bestim­

mung eher

bedenklich,

weil sie den

dabei Znteressirten

daS

Mittel verschaffen würde, Nichtbetheiligte zur Abstimmung zu­ zuziehen; wenn gleich auch in diesem Falle im Wesentlichen

das Bedenken dadurch beseitigt wäre, daß die Minorität die Legitimation

der mit

Ein Familienschluß

Unrecht Zugezogenen bestreiten könnte.

kann aber nur durch

Einstimmigkeit

aller Zugezogenen gefaßt werden, und eS hat also gar kein Bedenken, auch solche Personen dabei zuzulaffen,

welche

zwar von den anderen Betheiligten als zur Sache brrechtigt

496

anerkannt werden, dies aber nicht anderweit dem Richter nachweisen. Der letztere kann sich hierbei deshalb beruhigen, weil, wenn dennoch ein Zrrthum -untergelauftn ist, höchstens mehr Personen, als der Sache nach nöthig waren, zu den Verhandlungen zugezogen worden sind, nie aber der Fall ein, treten kann, daß in Folge dieser Vorschrift Personen außer Acht gelassen werden, welche hätten zugezogen werden müssen. Es tritt dadurch also nur eine sehr zu wünschende formelle Erleichterung, eine Kostenersparung ein; in keiner Art werden dadurch aber weder die Rechte irgend eines Be­ theiligten gefährdet, noch die Familienschlüffe materiell erleichtert. Der §. 6.*) hat zum Zwecke, eineStheilS eS zu verhin­ dern, daß nicht unberechtigte Personen die Verhandlungen auf­ halten, und anderntheilS, die Partheien in die rechte Stellung zu einander zu bringen. Wer ein Recht zum Fideikommiße zu haben behauptet und dies durch keinen der im §. 5. angegebenen Wege dar­ thun kann, ist in der Lage, fein hiernach bestrittenes Recht (§. 6. Nr. 2.) nachweisen zu müssen. Die legitimirten Zntereffenten können nicht gehalten seyn, ihm gegenüber die Ne­ gative nachzuweisrn, daß er nicht legitimirt ist. •) S. Tritt außerdem Jemqnd al« Berechtigter auf, so ist derselbe aufzufordern, dinnen 3 Monaten entweder seine Legitimation beizubrin­ gen, oder die erfolgte Anstellung und Einleitung einer Klage gegen die­ jenigen, welche ihm seine Anerkennung versagen, nachzuweisen, unter der Verwarnung, daß, wenn er auch später seine Legitimation darthun sollte, der ohne seine Zuziehung errichtete Familtenschluß für ihn verbindlich seyn werde. Die dreimonatliche Frist beginnt mit dem Tage der Insinuation der Aufforderung. Die Bestäiigung de« Familienschluffe« darf erst dann erfolgen, wenn entweder die Frist versäumt, oder über die Legiiimation rechtskräftig erkannt worden ist.

497 Durch den §. 6. soll hiernach erreicht werden, daß eS mit Vermeidung der sehr unangenehmen Weiterung einer Pro­ vokationsklage,

sofort zur Instruktion

Hauptsache kommt.

und Entscheidung

der

Wer aber innerhalb dreier Monate seinen

Anspruch nicht einmal insoweit hat rechtfertigen können, daß die Einleitung seiner Klage zulässig geworden ist, auf den wird mit Recht keine weitere Rücksicht genommen-; die in der Fa­

milie nöthig werdenden Verhandlungen dürfen um seinetwil­

len nicht länger aufgehalten werden. Eine

solche Bestimmung

war unvermeidlich, wenn die

Sache einen Ausweg gewinnen und dem Zustandekommen des

vom Gesetze einmal nachgelassenen Familienschlusses nicht un-

verhältnißmäßige Weiterungen und Hemmnisse in den Weg ge­ stellt werden sollten.

Eine mögliche Uebereilung des Betheilig­

ten darf nicht besorgt werden, da es schon genügen soll, wenn

vor dem Ablaufe der drei Monate auch nur die Klage eingeleltet wird.

Zn Betreff der

7. bis 11.*) ist Folgendes zu be­

merken:

*) §. 7. Der Fldeikommißrichter hat zu prüfen, ob Vermuthungen dafür sprechen, daß außer den angezeiglen, noch andere FtdeikowmißBerechtlgte vorhanden sind. §. 8. Ergeben sich dergleichen Vermuthungen nicht, oder werden die­ selben erledigt, so genügt zur Feststellung der Legitimation die an SideSstatt abzugebende Versicherung des Fideikvmmißbesitzers und derjenigen Anwärter, die sich gemeldet haben, daß ihnen keine andern Berechtigten, als die bereits namhaft gemachten, bekannt sind. S. Werden vorhandene Vermuthungen nicht genügend beseitigt, so sind 1) alle unbekannte und 2) die zwar ihrer Person nach, es sey aus dem Hypothekenbuche »der sonst bekannten, ihrem Leben und Aufenthalte nach aber nicht bekannten Anwärter, letztere durch namentlichen Aufruf,

498

Es war ein von vielen Seiten her geäußerte-, auch bei dm Gesetzrevistons - Akten angeregtes Bedürfniß, das Verfah­ ren genau geregelt zu sehen, welches eintreten soll, wenn auf dem vorbezeichneten Wege zwar die Legitimation der bekannten Interessenten festgestellt, es aber noch ungewiß ist, ob nicht der Interessenten noch mehrere existiren. Das Allgemeine Land­ recht gab dafür nur in dem §>. 66. Tit. 4. Th. II. einen An­ halt, insofern daselbst in Beziehung auf die Eintragung der Fideikommißberechtigten verordnet wird: Ist nach dem Inhalte der Stiftungs-Urkunde zu vermu­ then, daß noch unbekannte Theilnehmer vorhanden seyn möch-

zu einem Termin mit der Aufforderung vorzuladen, vor oder in dem­ selben ihre Erklärung über den zu errichtenden Famtllenschluß abzugeben; unter der Verwarnung, daß nach Ablauf des Termins der Ausgrbliebrnr mit seinem Widerspruchsrechle werde präkludirt werden. 10. Der Ediktaltermin ist bet einem Gegenstände über 5000 Thlr. an Werth, oder, wenn dieser sich in Gelde nicht schätzen läßt, auf sechs Monate, außerdem auf drei Monate zu bestimmen. (Vgl. §. 8. der Subhastations - Verordnung vom 4. März 1834. Gesetzsammlung für 1834. S. 42.) Zn der Ladung muß der Gegenstand des zu errichtenden Familienschluffes genau bezeichnet werden Die Bekanntmachung derselben wird bewirkt: 1) durch einen Aushang an der Gerichtsstelle und 2) durch Einrückung in das Amtsblatt und in das Intelligenz blatt, oder,

wenn in dem Bezirke des Obergerichts ein Intelligenzblatt nicht er­ scheint, in eine inländische Zeitung; außerdem bei Gegenständen über 5000 Thlr. an Werth, auch noch in eine ausländische Zeitung. Die Einrückung geschieht von Monat zu Monat. Die Berechnung der sechs- oder dreimonatlichen Frist beginnt mit dem Tage, an welchem der Aushang angeschlagen worden ist. H. 11. Nach Ablauf des Termins (§§. 9. und 10.) und nach Ab­ leistung des Diligenzeides von Seiten des Besitzers ist die Präklusion der Ausgebliebenen durch ein Erkenntniß anSzusprrchen.

499

ten:

so muß der Richter dieselben zur Anmeldung

ihrer

Gerechtsame, zum Behuf der Eintragung, öffentlich auffordern. Diese Vorschrift war indessen nicht geeignet, den Richter

aller Verlegenheit und Sorge in dem Falle zu entheben, daß sich ihm weder für, noch wider Vermuthungen darbieten und

die bekannten Znteressenten ihn hiebei ununterstntzt lassen.

Er

mußte deshalb, um drohender Verantwortlichkeit zu entgehen, stets zur Ediktal-Citation zu schreiten, geneigt seyn.

Mehrere

Gerichte hatten erntn Mittelweg gewählt und zur Gewinnung mehrerer Gewißheit darüber, daß die angezeigten Familienmit­

glieder auch die Gesammtheit ausmachen,

von

zweien der

ältesten Mitglieder eine Versicherung an Eidesstatt erfordert.

Diesem Verfahren wurde die Analogie der Vorschriften über

ErbeSlegimation in den §§>. 484. und folg. Tit. 9. Th. I. des Allgemeinen Landrechts zum Grunde gelegt.

Daselbst heißt eS:

§. 484. Gründet sich der angebliche Erbe auf die gesetzliche Erb­ folge, so muß er den Grad seiner Verwandtschaft mit dem

Verstorbenen bestimmt anzeigen, und gehörig nachweisen.

§. 485.

Sodann muß der Richter

prüfen:

ob

Vermu­

thungen, daß noch nähere ober gleich nahe Verwandte vorhanden sind, obwaltm.

§. 486.

Finden sich keine dergleichen Vermuthungen,

so

muß der Nachlaß dem sich meldenden Erben, gegen die bloße an Eidesstatt abzugebende Versicherung: daß ihm keine näheren oder gleich nahen 'Verwandten des Erb­

lassers bekannt sind, verabfolget werden. Für den entgegengesetzten Fall bestimmt alsdann

§. 487.

die weitere Verfolgung der obwaltenden Vermu­

thungen und §>. 488. event, den Erlaß der Ediktal-Citation.

32*

500 Das vorliegende Gesetz überträgt diese Vorschriften mit ge­

wissen Modifikationen auf die hier in Rede stehenden Verhält­

nisse, stellt die beiden Fälle in den

8. und 9. einander

gegenüber und normirt für den Fall, daß keine Vermuthun­

gen vorhanden oder die vorhanden gewesenen Zweifel erledigt sind, im §. 8. die von den bisher zugezogenen Znteressenten an Eidesstatt abzugebende Versicherung dahin:

daß ihnen außer den angezeigten keine anderen Berech­ tigten bekannt seyen;

dagegen im §>. 9. die der Ediktalladung

anzuhängende Ver­

warnung in der Art:

daß nach Ablauf des Termins der Ausgebliebene mit sei­ nem Widerspruchsrechte werde präkludirt werden. Die

nachgelassene

Ediktalladung

selbst

konnte als

ein

nothwendiges Mittel zum Zwecke nicht bedenklich erscheinen und hat auch in den Gesetzgebungen anderer Länder keinen An­

stand gefunden. °) Wesentlich ist eS übrigens, in der Ladung jederzeit den

Gegenstand

des zu errichtenden

FamilienschlusseS

genau zu bezeichnen (§. 10.), weil die Kenntniß

auf die Entschließung

desselben

deS einen oder andern Vorgeladenen,

sich zu melden oder nicht zu melden, von Einfluß seyn kann.

ES wurde zwar gegen die Bestimmung, nach welcher die

ihrer Person nach bekannten, ihrem Leben nach aber

unbekannten

Interessenten

oder Aufenthalte

durch Ediktal - Citation

vorgeladen werden sollen, erinnert, daß solche die Rechte die-

*) Oesterreichische« bürgerliche« Gesetzbuch, §. 644. Xte Sächsische Dezision vom Jahre 1746., in Verbindung mit dem Mandat, die Ediktal-Citation in Ctvil-Sachen betreffend, vom 13. Rovbr. 1779., 1. Nr. 4.

501 (er Personen wegen der Unsicherheit, ob die Citation zu deren

Kenntniß gelangen werde, gefährden könne und auch deshalb nicht zu rechtfertigen

sey,

weil man einen bekannten Bethei­

ligten zur Schließung eines Vertrages, wie der Familienschluß sey, nicht unter Androhung des Verlustes seines Widerspruchs­ rechts vorladen dürfe.

Die Fälle, in denen eine Ediktal-Cita­

tion an sich bekannter, aber dem Leben oder dem Aufenthalte nach

unbekannter

Interessenten

überhaupt

gestattet sey, wä­

ren solche, in welchen, wie bei Konkursen, Liquidationsprozeffen u. s. w.,

eine Rechtsnothwendigkeit zur Abwickelung ei­

nes Geschäfts vorliegt, und daher zu einer weiteren Exrmpli-

fizirung nicht geeignet;

Regel verbleiben, daß

es müßte demnach auch hier bei der die gedachten Interessenten als Abwe­

sende durch Kuratoren zu vertreten seyen,

welche der Fi-

deikommißrichter zu bestellen habe, wie solches auch bei Pro­

zessen von dem Prozeßrichtrr zu geschehen pflege. Diese Ansicht wurde aber nicht angenommen, indem da­ gegen angeführt ward, daß die fragliche Bestimmung nicht

nur den Vorschriften der Allgemeinen Gerichtsordnung Th. I.

Tit. 51.

157. und 158.

entspreche,

sondern auch das

Beispiel auswärtiger Gesetzgebungen für sich habe.

vorerwähnten Vorschriften

habe nian,

Bei den

wenn auch nicht die,

damals noch unzulässige Aufhebung des Lehns - oder Fideikommiß-Verbandes, doch andere sehr präjudizirliche Verfügungen

im Auge gehabt und zwischen beiden körlne nach dem jetzigen Stande der Legislation nicht unterschieden werden.

Den Lehns­

und Fideikommiß- Berechtigten, welche es versäumten, von ih­

rem Leben oder Aufenthalte Nachricht zu geben, falle ein Ver­

schulden zur Last, durch welches die Lage der übrigen Bethei­ ligten nicht erschwert werden dürfe.

Der Fideikommiß- oder

502

Lehnsdesitzer würde, wenn den gedachtm Personen Kuratoren bestellt würden, in den Fall kommen können, für die Erlan­

gung des Beitrittes zu dem Familienschlusse Abfindungen zum Vortheile von Personen bewilligen zu müssen, welche gar nicht

mehr existiren.

Dagegen wurde es für zweckmäßig erachtet, bei der Be­ stimmung unter 2. des §. 9. zu bemerken, daß fie auch auf

solche Berechtigte, welche im Hypothekenbuche eingetra­ gen sind,

Anwendung finde, indem der Fall sehr häufig

vorkomme, daß dieselben nach ihrem Absterben nicht gelöscht,

sondern in'S Unbestimmte fortgeführt würden, der Nachweis ih­

res AbsterbenS aber nicht selten mit Schwierigkeiten verbun­

den wäre. Nach H. 11. wird übrigens die eidesstattliche Versicherung

nur von dem Besitzer und nicht von allen Zugezogenen in dem Falle geleistet, wenn eine Ediktal-Citation der unbe­ kannten Zntereffenten erlassen worden, weil bei dem Ediktal-

Berfahren von Seiten des Lehns- oder Fideikommißbesitzers ein Diligenz-Eid geleistet werden muß, und dieses Verfahren in den Fällen, wo die Existenz anderer Berechtigten zu ver­

muthen ist, an die Stelle der im §. 8. gedachten eidesstattli­ chen Versicherung tritt.

Der

12. *) **) spricht nur aus, was früher schon in der

Praxis angenommen war. *) Bgl. den §. 9. der Subhastation« - Verordnung vom 4. März 1834. Gesetzsammlung für 1834. S. 42.) ") §. 12. Sind nach den Bestimmungen der §§. 42. und folg. Tit. 4. Th. II. de« Allgemeinen Landrechts von mehreren Vorwundschaftsgerichten Vormünder zu bestallen, oder mehrere bereits bestallte Vormünder, welche unter verschiedenen Vormundschaftsgerichten stehen, zuzuztehen, so soll ter Fidetkommiß-Befltzer befugt sey», darauf anzutragen, daß Einem Vormund-

503 So wie nämlich in der Fideikommiß - und in der Lehnö-

Suttession diejenigen, welche innerhalb des 302ttn Tages nach

dem Ableben des letzten Besitzers zur Welt kommen, dafür, daß sie schon zur Zeit der erwähnten Succession vorhanden ge­ wesen, angesehen werden"), so soll zufolge des §. 44. Tit. 4.

Th. II des Allgemeinen Landrechts, in Verbindung mit der

Kabinetsorder vom 5. September 1835.**"), bei Familien schlüssen »in Aehnliches gelten von denjenigen Familienmitgliedern,

welche innerhalb jenes Zeitraumes, von dem Tage an gerech­

net, geboren sind, an welchem der Vater, und, wenn die Mutter für ihre Person mit betheiligt ist, auch diese, die zu­

stimmende Erklärung über den Gegenstand des Familienschlus­ ses gerichtlich oder außergerichtlich abgegeben und durch ihre Unterschrift vollzogen hat. Zn Ansehung derselben soll die Vor­

schrift der §>§. 42. und 43. a. a. O., wonach den Minderjährigen,

auch wenn ihre Väter noch am Leben sind, besondere Vormün­

der zu bestellen sind, ebenfalls beobachtet werden.

Hierin lag

eine große Erschwerung, wenn, wie es häufig der Fall war,

die Zntereffenten in verschiedenen Gerichtssprengeln wohnten

und daher eben so viel verschiedene Vormundschastsgerichte kon-

schastsgerlchte ausschließlich die Bestallung Eine« Vormunde« und die Ge­ nehmigung der von demselben oder von den bereit« bestallten Vormündern abzugebenden Erklärungen übertragen werde. Die Auswahl de« hiermit zu beauftragenden. Vormundschaft«-Gericht« erfolgt durch den Justiz-Minister. Die Bestimmung eine« gemeinsamen vormundschaftlichen Gerichts­ stände« findet aber nur in Beziehung auf solche Pflegebefohlene statt, welche kein entgegenstehende«, sondern nur ein gemeinsame« Interesse bet der Sache haben. *) §. 205. Tit. 4. Th. II de« Allgemeinen Landrecht«, §■ 410. Til. 18. Th. I. daselbst. “) Gesetzsammlung für 1835. S. 198.

504

Deshalb war in mehrerm Fällen die Be­

kurriren mußten. stellung

eines

gemeinschaftlichen

für die ganze Verhandlung

ngchgesucht

Vormundschaftsgerichts und

auch von

dem

Justiz-Ministerium nachgegeben worden. Indem der §>.12. also nur ausdrücklich anerkennt, was

früher schon Praxis gewesen war, sichert der Schlußsatz des­

selben zugleich vor Mißgriffen in der Anwendung.

Uebrigens schreibt das Allgemeine Landrecht nirgends vor,

daß den noch zu erwartenden Kindern eines Menschen ein Vormund bestellt werden soll.

Die Pflichten des Kura­

tors einer noch ungebornen Leibesfrucht haben einen sehr be­

schränkten Wirkungskreis.")

Bürgerliche Rechte aber, welche

einem noch ungebornen Kinde zukommen würden, wenn es zur

Zeit der Empfängniß schon wirklich geboren wäre, bleiben dem­ selben auf den Fall, daß es lebendig zur Welt kommt, nur

vorbehalten."")

Demgemäß verordnet der §. 44. Tit. 4.

Th. IL:

Wenn neue Familienmitglieder innerhalb des 302ten Tages nach der vor ihren Aeltern geschehenen Vollziehung des Fa­ milienschlusses geboren werden: so sind in Ansehung ih­

rer die Vorschriften

41. 42. (eigentlich 42. 43.) zu

beobachten;

d. h. es muß ihnen dann ein Vormund bestellt werden. Dieser deutlichen Vorschrift zckwider pflegten mqnche Ge­ richte früher

auch den ungeborenen Interessenten (nascituris) Kurato-

*) §. 962. Tit 18. Th. II. des Allgemeinen Landrechts.

“) Vgl. die Jurist. Wochenschrift, Jahrgang 8. S. 591. und de»

§. 12. Tit. 1. Th. I. a. a. O.

505 ren zu bestellen und die letzteren bei der Errichtung von Fa­ milienschlüssen zlizuziehen. Ein solches Verfahren ward jedoch nicht nur durch keine

gesetzliche Vorschrift unterstützt, sondern es lief sogar der delitlichen Bestimmung des §. 44. a. a. O. entgegen, welcher die

Bestellung von Vormündern nur dann verordnet:

wenn neue Familienglieder innerhalb 302. Tage nach Voll­

ziehung deS Familienschlusses wirklich geboren worden sind.

Ueberdies gereichte das Verfahren jener Gerichte nicht ein­ mal zur Erleichterung der Interessenten, indem die Kuratoren der nascituri in vielen Fällen sich bewogen fanden, jeder Ver­

änderung der Rechte ihrer Kuranden zu widersprechen, hier­

durch aber die Ausführung des Familienschlusses gehindert ward, während es noch dahin stand, ob überhaupt neue Familienglie­

der innerhalb 302. Tagen würden geboren werden.

Häufig

war dies nicht der Fall, und der Widerspruch der Kuratoren

der nascituri war dann durch das Verfahren jener Gerichte

ohne irgend eine zureichende Veranlassung lediglich zum Nach­ theile der Interessenten provozirt. Diese Grundsätze und Rücksichten kamen bei der Bera­ thung des vorliegenden Gesetzes zur Sprache;

das

bisherige

Verfahren der Gerichte ward ausdrücklich reprobirt und

dagegen in dem §. 14. des Gesetzes verordnet: Die Bestätigung

Vorschriften der

des Familienschluffes

ökfolgt,

wenn den

3. bis 13. vollständig genügt worden

und auch die in dem §. 44. Tit. 4. Th. II. des All­

gemeinen Landrechts und in Unserer Order vom 5. September 1835. bestimmte Frist abgelaufen ist.

506

Der 13 •) hilft einem Uebelstande ab, der sehr fühl­ bar war. Die Kamilienschlüffe wurden manchmal lediglich durch die Indolenz einzelner der Betheiligten vereitelt. Sie erklärten sich nicht, obgleich sie nichts gegen den Famtlienschluß hatten, weil sie die damit verbundenen Unbequemlichkeiten und Mühen scheuten, oder weil ihr Interesse bei der Sache ein so entfern­ tes war, daß es für sie ohne Werth blieb. Diesem Nach­ theile wird durch den §>. 13. vorgebeugt, indem zugleich da­ durch Das erreicht wird, daß einzelne Familienglieder ihre Zu­ stimmung zu dem Familienschluffe mit Vermeidung der Kosten eines aufzunehmenden und auSzllfertigenden Aktes der freiwilli­ gen Gerichtsbarkeit abgeben können. Es wird übrigens Nie­ mandes Recht durch jene Bestimmung wirklich verletzt. Schon eine blos schriftliche Anzeige, daß man dem Familienschluße widerspreche, sistirt das ganze hiebei zu beobachtende VerfahrenDas dergestalt nachgelassene Kontumazial- Verfahren erscheint also als völlig angemessen.

•) §. 13. Hat ein zuzuzlehender Berechtigter auf die von Selten des Besitzer« an ihn ergangene Aufforderung seine Erklärung über den zu er­ richtenden Familienschluß adzugeben unterlassen, so soll der Besitzer befugt seyn, bet dem Fideikowmißrichter darauf anzutragen, daß ein solcher Inter­ essent, unter Jufertigung de« Einwurf? zu dem Familienschluffe zu einem Termin mit der Warnung vorgeladen werde, daß, wenn er dem Familienschluffe nicht bi« zu dem Termin oder in demselben widerspricht, er für zustimmend werde erachtet werden. Ist diese Vorladung gehörig erfolgt, und verweigert der Borgeladene nicht spätesten« in dem Termin mündlich oder schriftlich seinen Beitritt, so wird e« so angesehen, al« wenn er autdrückltch und ohne Vorbehalt dem Entwürfe de« Familienschluffe« beigetreten wäre.

507

DtrH. 14.*). findet seine Erläuterung in Demjenigen, was zu den 2. und 12. bemerkt worden ist. Der §.**) 15. verordnet, als Gegensatz zu dem §. 1., in welchen Fällen kein förmlicher Familienschluß erforder­ lich sey. Diese Fälle betreffen entweder solche Verfügungen, in deren Hinsicht ein Familienschluß vermöge besonderer gesetzlicher Bestimmung (§. 15. Nr. 1.)*••), oder weil *) §. 14. Die Bestätigung des Famtlienschluffes erfolgt, wenn den Borschriften der §§. 3. bis 13. vollständig genügt worden, und auch die in dem H. 44. Tit. 4. Th. II. des Allgemeinen Landrechts und in Unserer Order vom 5. September 1835. bestimmte Frist abgelaufen ist; einer beson­ dern Verlautbarung bedarf es nicht. Bet der Bestätigung muß des rechtskräftigen PräklustonS-Erkenntnisses (§.11.) ausdrücklich Erwähnung geschehen. ** ) § 15. Eines Familienschlusses bedarf eS nicht 1) in den Fällen, in welchen derselbe schon nach bestehenden Gesetzen entbehrlich ist; 2) wenn Verfügungen über daS Fideikommiß in Folge einer Rechtsver­ bindlichkeit getroffen werden sollen; 3) zu dem Umtausche einzelner GutSparzelen oder Pertinenzien gegen andere Grundstücke, insoweit als diese letzteren in der nämlichen Feldmark wie das Gut, oder doch in einer unmittelbar angrenzenden Feldmark gelegen find; 4) zur Veräußerung einzelner GutSparzelen oder Pertinenzien zum Zweck der Erwerbung anderer, innerhalb der zu 1. bemerkten Gren­ zen liegenden Grundstücke, insofern dergleichen wirklich erworben und dem Fideikommisse einverleibt werden; 5) zur Ausleihung und Einziehung von Fideikommiß-Kapitalien; zur Uebertragung von Fideikommiß-Kapitalien, imc^leichen von Fideikommiß-Stämmen, soweit diese die Eigenschaft eines Geld-Fideikom­ misses haben, auf andere Güter; zur Anlegung von FideikommißKapitalien, sofern dieselben nicht nach der Stiftung als Geld-Fidei­ kommisse erhalten werden müssen; insonderheit auch zur Wieder­ anlegung der nach Abzug der Schulden übrig gebliebenen Kaufgelder eines subhastlrten FideikommißguteS zu Fideikommiß. ***) Vgl. das Gesetz vom 29. Juni 1835. (Gesetzsammlung für 1835. S. 135.) die Juristische Wochenschrift, Jahrgang 4. S. 457., die Ergänr

508 die Veränderung des Lehns oder Fideikommisses als die Folge einer Rechtsnothwendigkeit (§. 15. Nr. 2.)

sich dar­

stellt, nicht erforderlich ist, oder solche Verfügungen, in deren

Hinsicht aus Gründen der Zweckmäßigkeit oder Nützlich­ keit eine Dispensation von der Einholung eines FamilienschlusseS und ein erleichtertes Verfahren nach Maaßgabe der

87. und folg. Tit. 4. Th. II. des Allgemeinen Landrechts neu ungeordnet worden ist.

Was den Umtausch einzelner Parzelen oder Zubehörungen") anbetrifft (§. 15. Nr. 3.), so war eine Be­

schränkung nothwendig, wenn verhütet werden sollte, daß nicht allmälig und stückweise das ganze Gut umgeändert

werde,

indem die Umtauschung eines ganzen Lehn- oder Fideikommißgutrs aus Rücksichten der Konvenienz oder Nützlichkeit niemals ohne Familicnschluß gestattet werden kann.

eines

solchen Beschlusses

zu

jeder

Das Erforderniß

Parzelar-Bertauschung

würde dagegen dem Lehns- oder Fideikommißbesitzer die Gele­ genheit zu vortheilhaften Guts-Arrondirungen, welche oft von der größten Wichtigkeit sind, fast ganz entziehen.

Es mußte

daher, und da es in abstracto an einer bestimmten Grenze

zwischen „Gut" und „Gnts-Parzele" fehlt, auf ein Aus­ kunftsmittel

Bedacht

genommen

werden.

Dieses

fand

sich

darin, daß ein Umtausch einzelner Parzelen nur insofern in dem erleichterten Verfahren gestattet worden ist/ als die ein­ zutauschende Parzele in der nämlichen Feldmark, wie

zungen zum Allgemeinen Sandrechte, Th. I. Ablh. 1. S. 637. ff., Abth. 2.

S. 558. ff.. Suppt. Bd., Ablh. 1. S. 674. ff., und die Gesetzsammlung für 1842. S. 242. *) Vgl. die Gesetzsammlung für 1841. S, 80. §. 5,

-

509

das Fideikommiß- oder Lehngut,

oder an einer unmittelbar

daran grenzenden Feldmark gelegen ist. Eben so konnte die Veräußerung einzelner Parzelen oder Zubehörungen

zum Zwecke

der

Erwerbung

anderer

(§. 15. Nr. 4.) ohne Familienschluß nur innerhalb der vor­

bezeichneten Grenzen und nur insoweit gestattet werden, als sie wirklich in einen Umtausch übergehen, weil sie bis dahin, daß

an der Stelle der veräußerten Parzele eine andere erworben

worden, Substanz

eine Verminderung

enthält.

der Lehns-

oder

Fideikommtß-

Die Bestimmung ist demnach,

mit Be­

schränkung auf die oben erwähnten Arten von Parzelen, dahin

ertheilt worden, daß eine Veräußerung, welche ohne Familien­

schluß blos mit Zuziehung der nächsten Anwärter erfolgt ist, erst dann Gültigkeit erlangt, wenn dagegen ein anderes Grund­

stück wirklich erworben und dem Lehn- oder Fideikommißgute

zugeschlagen worden ist. Die Bestimmung (tz>. 15. Nr.5.) wegen Einziehung und

anderweitiger Ausleihung der Lehns- und Fideikom-

miß-Kapitalien war schon im Allgemeinen Landrechte Th. Tit.4. §>§.128. und folg, enthalten. Sie ist auf die Uebertra-

gung von Lehns- und Fideikommiß-Stämmen, so weit diese die Eigenschaft eines GeldlehnS oder Geldfideikommisses haben,*) auf andere Güter, ingleichen auf die Fälle ausgedehnt, in denen

aus dem Lehne oder Familienfideikommiße herrührende Geld­ summen, welche als Lehns- oder Fideikommiß-Kapitalien un­

tergebracht sind, z. B. Lehns-Abfindungs-Kapitalien, in Gü­ tern angelegt werden sollen. Die in den §§. 113. und 114. Tit. 4. Th. II. des All,

*) Allgemeine« Landrecht Th. I, Tit 18. §§. 610. und 611,

510 gemeinen Landrechts erwähnten Fälle anlangend, so bedarf es bei dem ersteren derselben, welcher die anderweitige Anlegung deS nach Abzug der Schulden verbleibenden Restes der Kauf­

gelder eines snbhastirten Fideikommiß-Gutes betrifft, auch nicht mehr eines Familienschluffes, sondern die Zuziehung der

nächsten Anwärter genügt dabei, nach dem §>. 15. am Ende, ebenfalls.

Dieser Fall kommt nämlich im Wesentlichen mit den in den 128. und 129. a. a. O. bezeichneten Fällen überem, in welchen ein Kapital, weil es unsicher geworden,

oder

vom

Schuldner gekündigt ist, eingezogen und anderweitig belegt wer-

dm muß, wobei nur die Zuziehung der nächsten Anwärter un­

ter gerichtlicher Konkurrenz, nicht ein förmlicher Familienschluß, für erforderlich erachtet ist.

Zn Anschung des Falles im §.

114. Tit. 4. Th. II. des Allgemeinen Landrechts, welcher die

Aufnahme eines DarlehnS auf die GutS-Substanz zur Wie­ derherstellung eines ruinirten Fideikommisses betrifft, ist dage­

gen ein Familienschluß nothwendig und darin nichts geändert worden, weil dieser Fall eine Ausnahme von der Regel bildet, nach welcher zur Wiederherstellung eines beschädigten Fideikom­ misses

nur auf die Einkünfte ein Darlehn aufgenommen

werden darf"), und es sich hierbei um eine Verminderung der

Fidrikommiß-Substanz handelt.

Die

16. bis 18.*") geben die Norm für das Ver-

’) §§. 80. und folg. a. a. r>. ’•) §. 16. In allen diesen Fällen (§. 15.) genügt die Zuziehung zweier Anwärter in eben der Welse, wie es die §§. 87. und folg. Tit 4. LH. II. des Allgemeinen Landrecht« bei Verschuldung der FtdeikommißElnkünfle vorschreiben; wo jedoch die bestehenden Gesetze (§. 15. Nr. 1.) besondere Vorschriften über da« Verfahren enthalten, hat e« dabei sein Bewenden.

511 fahren, welches eintreten soll, wenn zufolge des §.15. kein Famtlienschluß erforderlich ist. Zn Bezug auf das kontra­ diktorische Verfahren erschien dabei eine Entscheidung durch die ordentlichen Gerichte nicht angemessen, da es sich hiebei nicht um Rechtsfragen, sondern um eine technische Pnifung und Beurtheilung handelt. Zn dergleichen Fällen, wie z. B. bei mehreren Gegenständen der gutsherrlichen und bäuerlichm Regulirungen, in Borfluthssachen u. s. w., ist das ordentliche prozessualische Verfahren ausgeschlossen und an dessen Stelle kompromlffarische Entscheidung durch Schiedsrichter vorgeschrie­ ben worden. Letztere ist darum auch hier ganz an ihrer Stelle und das Verfahren dahin bestimmt, daß jeder Theil einen Schiedsrichter wählt, der Lehns- oder Fideikommiß-Richter den Obmann bestellt und gegen den schiedsrichterlichen Ausspruch kein ordentliches Rechtsmittel gestattet wird. Zugleich ist zur 17. Giebt ein nach 16. zuzuziehender Anwärter auf die an ihn ergangene Aufforderung keine Erklärung ab, so tritt mit der nach Beschaffenheit der Gegenstände stch ergebenden Aenderung das im §. 13. verordnete Verfahren mit den dort bezeichneten Folgen gegen ihn ein. 18. Wenn in den Fällen des h. 15. Nr. 1. 2. und 5. die Anwärter widersprechen und die Entscheidung nicht einer besondern Be­ hörde gesetzlich zusteht, so ist durch Schiedsrichter über die Frage zu entscheiden: ob die beabstchtigte Maaßregel zweckmäßig sey und ohne Benachtheiligung der Interessenten ausgeführt werden könne. Die Gegner, sie mögen Inländer oder Ausländer seyn, sind gehalten, hierüber bei Schiedsrichtern Recht zu nehmen. Zeder Theil hat deren Ei­ nen zu wählen, der Fideikommißrichter aber hat den Obmann zu bestallm. Zögert ein Theil auf die an ihn ergangene Aufforderung länger als vier Wochen mit der Wahl und Benennnng eines Schiedsrichters, so fällt dieselbe dem Fideikommißn'chter anheim. Das Verfahren richtet sich nach der Allgemeinen Gerichtsordnung Th. I. Tit. 2. §§. 167. u. ff. Gegen den Ausspruch der Schiedsrichter ist kein ordent­ liches Rechtsmittel zulässig.

512 Vermeidung von Weiterungen die Bestimmung getroffen, dass,

wenn ein Theil auf die an ihn ergangene Aufforderung nicht binnen vier Wochen einen Schiedsrichter wählt und benennt,

dessen Ernennung durch den Lehns- oder Fideikommiss-Rich­

ter erfolgen soll. Durch den

19.*) sind die in den

17. und 18.

angeordneten Erleichterungen auch auf das Verfahren bei der

Aufnahme nothwendiger Darlehne auf die Fideikommiss-Ein­ künfte mit einer aus der Natur der Sache sich von selbst ergebenden Modifikation für anwendbar erklärt worden, indem

jene Erleichterungen auch hierbei als ein praktisches Bedürfniß

sich erwiesen hatten, und so das Verfahren in allen diesen Fäl­ len ganz gleich sich gestaltet.

Die Familien-Stiftungen, von denen bcr

20**)

°) §. 19. Das in den §§. 17. und 18. vorgeschriebene Verfahren soll auch bei der Aufnahme nothwendiger Darlehne auf die Einkünfte des Fideikommisses (§§. 80. u. folg. Tit. 4. Th. II. des Allgemeinen Land­ rechts) zur Anwendung kommen; insonderheit ist durch Schiedsrichter darüber zu entscheiden: ob der Fall eines nothwendigen Darlehns nach Vorschrift des Allgemei­ nen Landrechts Th. II. Tit. 4. §. 85. vorhanden sey; auf wie hoch der Betrag eines nothwendigen Darlehns festzusetzen und in welchen Terminen die Rückzahlung zu bewirken sey. *6) §. 20. Die in den §§. 1. bis 14. enthaltenen Bestimmungen finden auch Anwendung bei Familienschlüffen über Familienstiftungen. Es bedarf jedoch nur der Zuziehung solcher bekannten Familienmit­ glieder, welche entweder im Jnlande oder in einem der Deutschen Bundes­ staaten wohnhaft sind, oder zur Wahrnehmung ihrer Gerechtsame in Be­ ziehung auf die Stiftungsangelegenheiten Bevollmächtigte im Jnlande be­ stellt und zu den Stiftungsakten gehörig legitimirt haben. Zn Rücksicht aller übrigen genügt deren namentlicher Aufruf in der Ediktalladung. Kommt es dabei auf die im §. 8. erwähnte Versicherung an Eidesstatt an, so genügt es, wenn diese von dem Vorsteher der Familie (§. 38. Tit. 4. Th. II. des Allgemeinen Landrechts) abgegeben wird.

513 handelt, sind im Allgemeinen von ungleich geringerer Wichtigtigkeit, als die Fideikommisse.

Eine nähere Feststellung des

bei zu fassenden Familienschlüssen zu beobachtenden Verfahrens und eine theilweise Erleichterung desselben war aber auch bei ihnen von großer Wichtigkeit, zumal namentlich bei den Fa­

milien - Stiftungen es oft vorkommt, daß die Zahl der Betheiligten eine sehr große ist.

Zm Allgemeinen schließt sich

das Verfahren hierbei an dasjenige an, was für Lehne und Fideikommisse bestimmt worden ist, und nur in der Anordnung des §. 20. liegt eine Abweichung,

daß bekannte, im Aus lau de lebende Zntercssenten nur dann

zugezogen zu werden brauchen, wenn sie Bevollmächtigte im Znlande bestellt und gehörig zu den Stiftungs-Akten legi-

timirt haben. Die Erfahrung hatte nämlich gelehrt, daß die Aufnahme

nöthiger Familienschlüsse

dadurch

unmöglich

geworden

war,

weil man die ausländischen Interessenten zur Theilnahme nicht hatte bewegen können.

Es lag dies darin, daß Leute, welche

in's Ausland ziehen, der Regel nach gar nicht beabsichtigen, an den Vortheilen aus solchen Stiftungen fernerhin Theil zu nehmen, und daß sie in den meisten Fällen auch wirklich da­

von ausgeschlossen sind, indem der Regel nach eine Wahl des BenefiziarS frei steht und diese sodann auf die Inländer fällt. Bei Lehnen und Fideikommissen, bei welchen von ungleich wich­

tigeren Rechten die Rede ist und der Eintritt in den Besitz nach feststehender Ordnung erfolgt, ist die Sachlage eine andere. Hiernach ist die erwähnte Bestimmung, welche die Ver­

handlungen sehr erleichtert, um so unbedenklicher, als auch da­ durch Niemandem ein Recht wirklich entzogen wird, da jeder

Ausländer einen Inländer zu seinem Bevollmächtigten bestellen

33

514 kann, in dessen Person er sodann, wie jeder Andere, zligezogen wird.

Da indessen mehrere kleine Deutsche Staaten von den Preu­

ßischen ganz oder theilweise eingeschlosscn sind und mit letzte­ ren in vielfacher Berührung stehen, viele größere Familien auch

über andere Deutsche und besonders über Nachbarstaaten sich

erstrecken, ferner mehrere diesseitige Landestheile früher zu an­ deren Deutschen Staaten gehört haben und bei den in ersteren

befindlichen Stiftungen häufig Unterthanen der letzteren betheiligt sind, endlich aber der Deutsche Bund ein gemeinsames Band

für alle Deutsche bildet, so ist die gedachte Bestimmung auf alle Familienglieder ausgedehnt worden, welche in einem Deut­

schen Bundesstaate wohnen.

Daß die im §>. 8. vorgeschriebene Versicherung an Eides­ statt hier nur von dem Vorsteher der Familie abgegeben zu

werden bralicht, liegt in der Natur der Sache und folgt aus dem §. 38. Tit. 4. Th. II. des Allgemeinen Landrechts.

Uebrigens ist es nach den §>§. 4. und 20. des Gesetzes,

in Verbindung mit den §§>. 9. und 38. a. a. O. des Allge­ meinen Landrechts, zwar als Regel anzusehen, daß bei Fami­ lien-Stiftungen der Entwurf eines Familienschlusses, die Pro­

vokation auf die Zusammenberllfung

der bekannten

lind die

Ediktal- Citation der muthmaßlich noch vorhandenen unbekann­ ten Familienmitglieder von dem Familien-Vorsteh er aüSgehe.

Wo aber nach

bisheriger Verfassung

die Familien-Stiftung

durch einen Kurator vertreten worden, oder die Wahl eines

Familien-Vorstehers unmöglich ist, muß jedenfalls der Kura­ tor befugt seyn, die Angelegenheiten der Stiftung rücksichtlich des zu fassenden Familienschluffes zu leiten, auf Znsammenbe-

rnfung der Familienmitglieder, welche er als solche anzuerken-

515 nett kein Bedenken hegt, anzutragen und die Ediktal-Citation der ttnbekannten auszubringen.

Zn Bezug auf Lehne, bereit im Vorhergehenden bei den einzelnen, den Fideikommissen gewidmeten §§>•/ des Zusammen­

hanges wegen, zum Oefteren gedacht worden, und deren Ver­

hältnisse zunächst der §. 21.”) vor Augen hat, find die Vor­ schriften deS Allgemeinen Landrechts weniger schwankend.

verweisen einfach auf den

Sie

18. Th. I. des Allge­

9. Tit.

meinen Landrechts (§§. 192. 193. daselbst) und erfordern au­

ßerdem speziell einen Familienschluß nur a) wenn die Successions - Ordnung geändert,

b) die LehnSeigenschaft

von

einer

Sache

auf die

andere

übertragen, c) dieselbe auf einen gewissen Theil eingeschränkt werden soll.



386. 602. 605. daselbst. -

Bei Lehnen genügen aber auch zur Gültigkeit der in dem 15. Nr. 2. bis 5. bezeichneten Verfügungen in einzelnen Fällen noch geringere Erfordernisse als

die hier

bestimmten,

z. B. wenn nur ein oder gar kein Agnat im Hypothekenbuche

*) §. 21. In den Fällen, in welchen nach den bestehenden Gesetzen zu Verfügungen über Lehne, die Errichtung förmlicher Familienschlüsse nothwendig ist, sollen die in dem gegenwärtigen Gesetze §§. 2. bis 14. gegebenen Vorschriften dabei ebenfalls zur Anwendung kommen, der Rich­ ter des LehnS tritt hierbei in die Stelle des FideikommißrichterS. Auch soll bei Lehnen zu den im §. 15. Nr. 2 — 5. dieses Gesetzes erwähnten Ver­ fügungen, die Beobachtung der in den §§. 16. 17. und 18. gegebenen Vorschriften zur Gültigkeit der Verfügung für sämmtliche Lehn-Berechtigte genügen; gewähren aber die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts Th. I. Tit. 18. Abschn. 1. für einzelne Fälle größere Erleichterungen, so hat es dabei sein Bewenden. Inwiefern die Einwilligung des Lehnsherrn bei­ gebracht werden muß, ist nach den darüber bestehenden Vorschriften zu beurtheilen.

51G eingetragen ist, indem die nicht eingetragenen Agnaten und die

Descendenten

des Vasallen die Verfügungen des letzteren über

das Lehn zum Theil bedingt und zum Theil unbedingt anzu­ erkennen verpflichtet sind.

Aus dieser Rücksicht mußte in den

21. ein Vorbehalt ausgenommen werden, durch welchen au­ ßer Zweifel gestellt wird, daß die früher schon in Ansehung der Lehne stattgefundenen Erleichterungen auch für die Folge bestehen bleiben sollen.

Zn Betreff deS §.22.*) ist zu bemerken, daß in neuerer Zeit bei der landesherrlich vollzogenen Bestätigung einzelner Fi-

deikommiß-Stiftungs-Urkunden in Beziehung auf diese Stiftun­ gen die Anwendbarkeit des §. 9. des Ediktes vom 9. Oktober 1807. hin und wider ausdrücklich ausgeschlossen worden war.

Nach einer

richtigen Auffassung

der Sache

hätte

nun zwar

ohnehin angenommen werden müssen, daß solche spezielle lan­

desherrliche Befehle durch das vorliegende neuere Gesetz nicht aufgehoben würden.

sicht,

Um aber der wenigstens möglichen An­

als habe die spätere Verordnung solche frühere spezielle

Bestimmungen außer Kraft gesetzt, im Voraus gründlich vor­ zubeugen, ist der §. 22. ausgenommen worden.

Der §. 23.**) bevorwortet ausdrücklich, daß dem Gesetze

in keiner Weise rückwirkende Kraft in Beziehung auf bereits errichtete und gerichtlich bestätigte Familienschlüffe beigelegt wer­

den dürfe.

*) §. 22. Ist bei der von Uns Allerhöchst ertheilten Bestätigung einer neu errichteten Familien- oder Fldeikommißstlftung die Zulässigkeit der Abänderung oder Aufhebung derselben ausdrücklich ausgeschlossen wordkti, so behält eS dabei auch für die Folge sein Bewenden. °‘) §. 23. Das gegenwärtige Gesetz hat keine rückwirkende Kraft auf bereits errichtete und gerichtlich bestätigte Familienschlüffe.

517

Was den H. 24.*) anlangt, so mußte es, wenn man davon ausgeht, daß durch den §. 9. des, in sämmtlichen Pro­

vinzen des Allgemeinen Landrechts geltenden Ediktes vom 9.

Oktober 1807. bereits alle, mit ihm in Widerspruch ste­ henden Provinzialrechte für beseitiget anzusehen waren, als un-

vöthig erscheinen, in dem vorliegenden, jenes Edikt nur weiter ausführenden Gesetze die Aufhebung der etwa abweichenden pro­ vinzialrechtlichen

Borschriften

noch

besonders

auszusprechen.

Dies gilt indessen blos insofern, als das Edikt nur willkom­ mene,

den

Zeitverhältnissen

angemessene

Erleichterungen

in der Disposition über Fideikommisse und Lehne bezweckt hat und auch die Tendenz des vorliegenden Gesetzes dahin geht,

unnütze Erschwerungen

abzuwenden.

Bon diesem Gesichts­

punkte aus unterliegt es keinem Zweifel, daß z. B. in Ost­

preußen, woselbst nach dem im Jahre 1801. publizirten Pro­ vinzialrechte,

Zusatz 56.

oder Einschränkung

der

zwar

schon damals

LehnSeigenschaft

rc.

die Aufhebung durch Familien­

schluß zuläßig, ein solcher Familienschluß jedoch nicht weniger auch zu jeglicher Verschuldung und Belastung des LehnS rc.

und zu

anderen

minder

wichtigen Dispositionen

erforderlich

war, seit dem Erscheinen des Edikts vom 9. Oktober 1807. lediglich die erleichternden Bestimmungen gebend

gewesen

des

letzteren maaß­

sind und ein Gleiches mit der vorliegenden,

dem Edikte sich anschließenden Verordnung der Fall ist.

Al-

e) §. 24. Alle diesem Gesetze widersprechende Bestimmungen M Allgemeinen Landrechts, der Allgemeinen Gerichtsordnung und der späteren allgemeinen Gesetze find hierdurch aufgehoben. Die B»rschrifien dieses Ge­ setzes kommen dagegen nicht zur Anwendung, wenn Provlnztairechle, Stif­ tung«- oder Verleihungs-Urkunden »der Beschlüsse der berechtigten Familien ein Anderes bestimmen.

518 lein es giebt andere Provinzen, in welchen, entweder vermöge

der besonderen Natur der Lehne und der den Ritterschaften durch

die Lehnsaffekurationen

ertheilten

Zusicherungen,

oder

vermöge sonstiger Satzungen, nicht blos dieselben, sondern noch

weit größere Erleichterungen, als das Edikt und das vor­ liegende Gesetz gewähren, zu Gunsten der Besitzer bereits längst

bestehen.

Diese nun wiederum insoweit aufzuheben, als sie

über jene hinausgehen, konnte nicht die Absicht seyn.

Gleich­

wohl hätte leicht die Meinung herrschen oder sich bilden kön­ nen,

als müsse, ohne alle Berücksichtigung

der Provinzial-

Rechte, unbedingt nur nach den Normen der neueren allgemei­

nen Gesetzgebung, auch wenn und wo diese Normen eine Er­ schwerung mit sich führen, verfahren werden.

Es war daher unerläßlich, daß zur Beseitigung derar­

tiger Ansichten der Verordnung ein Vorbehalt in Beziehung auf die Provinzialrechte beigefügt wurde. Derselbe bezeichnet den Karakter des Gesetzes als eines subsidiarischen, durch welches

die besonderen Bestimmungen der Provinzialrechte sowohl, als der Stiftungs-, Verleihungs-Urkunden und Familienschlüffe unbe­ rührt bleiben.

Zur Erläliterung des in Betreff der Provinzialrechte Ge­ sagten ist noch Folgendes hervorzuheben: Zn dem §>. 4. der Lehns-Assekuration für die Kurmär­

kische Ritterschaft vom 30. Juni 1717. ist den Familien ge­ stattet, „wegen der Succession und der Verhältnisse der Agna­

ten,

der Versorgung

der Wittwen rc. Verträge und Fami­

lien-Ordnungen unter sich

zu errichten,

mit dem Ueberlas-

sen, ob sie die Konfirmation solcher Verträge nachsuchen wol­

len, indem diese auch ohne Bestätigung gültig seyn sollen."

519

Zem Lehns-Affekuratio» gilt auch ui

der Neumark,

und mit Beziehung darauf, so wie auf die Lehns-Konstitution

vom 14. August 1724. ist in der Gebrüder von S schen Lehnsstannns-Sache in einem Berichte des Ober-Landesge-

richtS zu Frankfurt ausgeführt worden, daß die Interessenten

zur

Aufhebung

tigt seyen,

ohne

der Suecesfion

sich erst

auf

in

den

Lehnsstamm

das Edikt

berech­

vom 9. Oktober

1807. stützen und ohne erst die Bevormundung ihrer minoren­ nen Descendenten Behufs der Konsens-Ertheilung nachsuchen

zu dürfen. Zn der erwähnten Lehns-Konstitution heißt es „ Sollten keine remotiores agnati,

haben,

vorhanden seyn,

so

so

steht denen

103.:

das Successionsrecht theilenden Brüdern

frei, sich zu vergleichen, wie sie wollen, und die Suc­

cession gar aufzuheben." Eine ähnliche Bestimmung, wie dre Kur- und Neumärkischc Lehns-Affekuration, enthält der §. 11. der AllodifikationS-

nnd Assekurations-Urkunde für die Ritterschaft des HerzogthumS Hinterpommern vom 16. Februar 1787., und es wird in

Folge derselben behauptet, daß bei Familienschlüffen, z. B. über

die Verwandlung eines Güterlehns in ein Geldlehn, ja selbst zur Aufhebung des ganzen LehnSverhäitniffes, eS nur der Zu­ ziehung der jedesmaligen Häupter der Familie bedürfe und diese durch ihre Erklärung auch die Lehns-Descendenten,

welche

facta

patns

prästiren

müßten,, ohne Weiteres

ver­

pflichteten.")

Hiermit im Widersprüche fordern die

42—46. Tit. 4.

Th. II. des Allgemeinen Landrechts, auf weiche der §. 3. des •) Acta generalia des Justiz-Ministeriums, betreffend das Pemmersche

Lehnrecht, Vol. 8. fase. 1. fol. 48 ’, fol. 186.

520 vorliegenden Gesetzes ausdrücklich hinweiset, zur RechtSbestLn-

digkeit eine- jeden Familienschlusses die Bestellung und Zuziehung von Bormündem für sämmt­

liche minderjährige Familienglieder, auch wen« deren Vä­

ter noch am Leben sind,

und in allen Fällen zugleich die gerichtliche Bestätigung des Familienschluffes.

Hier äußerte sich also ganz besonders die oben bemerklich

gemachte Nothwendigkeit eines Vorbehalts. Dieselbe trat auch insofern mit Rücksicht auf die

5.

und folg, des Gesetzes hervor, als anderweitige erleichternde Merkmale und Mittel für die Legitimation der sich Meldenden in den Provinzialrechten hin und wieder angegeben oder nach­

gelassen sind.

So bestimmt z. B. das Pommersche Lehnrecht,

daß bei Mitbelehnten schon die Führung

desselben Namens,

Schildes und Helmes mit dem Lehnlaffer die Vermuthung der Abstammung von dem ersten Erwerber des Lehns begründet.*) Zn Bezug auf dasHerzogthum Schlesien und die Graf­

schaft Glatz war dagegen der Erlaß eines besonderen Ge­

setzes nothwendig.

Dort bestanden ältere Verordnungen über

Familien-Fideikommisse und fideikommissarische Substitutionen, welche ein von den Vorschriften des Allgemeinen Landrechts abweichendes Provinzialrecht bildeten.

Die kaiserliche pragmatische Sanktion vom 18.. November

1706.**) befahl, daß in Ansehung der Fideikommisse die Böh­

mische Landesordnung gelten sollte, und diese bestimmt in den

in Bezug genommenen Stellen:

*) Fürstlicher Bescheid vom 20. November 1609. Hinterpommersche rehn«k»nstltution, Til. 24. $. 3. ** ) Brachvogel, Sammlung der Privilegien it., Th. I. S. 399.

521 0. 22.

Wenn aber jemand eine Primogenitur unter sei,

nen Kindern hinführo aufrjchten wollte, derselbe soll dar,

über von Uns oder Unsern Erben nachfolgmden Königen

zuvörderst eine Konfirmation erhalten; und

Nov. I. I. 20.

Uebrigens mag ein jeder, der keine ehe­

liche Kinder hat, von seinen Gütern und liegenden Grün,

den seines Gefallens testiren, auch seinen eingesetzten Er­

ben, wenn er will, sowohl vulgariter als fideicommissum substituiren; jedoch daß derjenige, so ein fideicom-

missum familiae perpetuum aufzurichten gedacht, vor-

hero Unsere und Unserer Nachkommen königliche Konfir­ mation nicht weniger als derjenige, welcher ein Majorat aufrichtet, auszubringen schuldig sey.

Borher schon hatte die kaiserliche Konstitution vom 25. Fe­ bruar 1697.")

(Constitutio Haugxvitziana) verordnet:

daß künftig alle Substitutiones fideicommissariae, welche

ein Testator in seinem Testamente verordnen und aufrichten

würde, weiter nicht, als in dem ersten Grade oder Staffel incl gehen und gelten sollten; und

die kaiserliche Deklaration

vom

22. August

1704. "*)

(Constitutio Salmiana) wiederholte diese Bestimmung mit dem Zusatze, daß, wenn primus substitutus ante haeredem institutum verstirbt,

diesem sodann die ganze Berlassenschast

zufallen solle. Ein kaiserliches Reskript von 1730,""") in Sachen der

") Suarez, Sammlung der Schlesische» Provlnjlalgesetze, Th. I. S. 107. “) S. 111. daselbst. "') Zn der erwähnten Sammlung der Schlesischen Problnzialgesetze von

522 Gräfin von Maltzahn wider die von Studnitz ergangen, bestätigte die Festsetzungen mit den Worten: daß die in der Sanktion von 1706. angeführten Pragmaticae eben diejenigen wären, welche in casu Haugwitziano et Salmiano resp, den 25. Februar 1697. und den 22. August 1704. ergangen, und den Verstand des Gesetzes der Böhmischen Landesordnung 0. 22. und der Novella I. I. 20. erklären.*) Die Praxis hatte diese Bestimmungen noch ausgedehnt und aus denselben, wie mehrere Präjudikate bestätigen, gefol­ gert, daß Zeder, welcher ein Fideikommiß für mehrere Grade errichten wolle, den landesherrlichen Konsens zu dessen Errich­ tung selbst nachsuchen müsse, und daß, Falls die Stiftung im

Suarez, Th. I. S. 113. wird als das Damm des Reskripts der 17. Juni 1730. angegeben. In Pachali's Schlesischem Provlnzialrechte, S. 211. steht das Re­ skript als vom 17. Mai 1730. datirl, aufgeführt. Zn dem geschriebenen Werke des Oberamts-RegierungS-Raths Stielow, dem eine Abschrift des Reskripts vorlag, ist dasselbe als vom 17. Januar 1730. datirt, bezeichnet. Zn den Akten des Justiz-Ministerium- befindet sich der Extrakt einer Be­ gutachtung der Schlesischen Provinzialgesetze aus den Akten des Ober-LandeSgerichts zu Glogau, worin gesagt ist, das Reskript sey vom 17. Januar oder 17. Juni 1730. Eine vollständige Aufklärung über diesen Punkt ist aus den hier zu­ gänglichen Akten und Büchern nicht zu erhalten; denn nach den Bemer­ kungen in dem Stielowschen Werke, S. 670. und der Erklärung des Ober-Landesgerichts zu Ratibor ist dasselbe in keiner Sammlung ab­ gedruckt. Eine vollständige Berichtigung des Datums dieses Reskripts war auch durch das Ober-Landesgericht zu Breslau nicht zu erlangen, indem dieses im Berichte vom 29. Mai 1839. anzetgte, daß sich das gedachte Reskript und die Akten, worin es ergangen seyn sollte, nicht mehr ermit­ teln ließen. *) Suarez, Sammlung, Bd. I. S. 106. und folg,

523

Testamente

der Konsens nach dem Tode des

enthalten sey,

Stifters nicht mehr nachgeholt werden könne").

Diese Festsetzungen des Schlesischen Rechts waren bei der

von den Schlesischen Ober-LandeSgerichten, mit Zuziehung einer Deputation

der Stände,

erfolgten Prüfung des Schlesischen

Provinzialrechtes, als noch geltend anerkannt.

Zn dem, von

den Ober-LandeSgerichtS-Kommiffarien ausgestellten Entwürfe des Schlesischen Provinzialrechts finden sich deshalb bei den Vor­ schriften des Allgemeinen Landrechts Th. I. Tit. 12. §§>. 55.

und 57.:

Zn Fällen, wo nach den Gesetzen kein Familien-Fideikom-

miß Statt findet, gilt eine fideikommissarische Substitution nur

zum Besten des ersten und zweiten Substituten; Wenn

der

eingesetzte

Erbe

oder

einer

von mehreren

Substitliten stirbt, oder sonst abgeht, ehe die Erbschaft oder

das Vermächtniß wirklich auf ihn verfällt worden; so wird er bei der Bestimmung, wie weit die Substitutionen gelten, nicht mit gerechnet;

und Th. II. Tit. 4.

27. 28. 47. und 62.:

Familienstiftungen zu machen, ist jeder Einwohner des Staats

in so weit berechtigt, als er überhaupt über sein Vermögen schalten kann;

Dergleichen

Familienstiftungen

können

durch

durch einseitige Verfügungen unter Lebendigen,

Verträge, und

durch

letzte Willensverordnungen errichtet werken; Zedem Einwohner des Staats ist erlaubt, in seinem Ver­

mögen nach eigenem Gutbefinden Fideikommiß-Slibstituttonen,

°) Vater, Repertorium der Preußisch-Schlesischen Verfassung, Th. I. S. 343.

524 «ach näherer Bestimmung des Titels von letztwilligen Ver­

ordnungen, auch zum Besten einer gewissen Familie zu er­ richten;

Bon Errichtung

und

Verlautbarung

der Fideikommiß-

Urkunden gilt eben das, was in Ansehung der Familien-

stistungen verordnet ist;

nachstehende Bestimmungen als Zusätze vorgeschlagen: Zusatz 2. Zn Schlesien gilt

eine fideikommissarische

Substitution,

welche der Landesherr nicht ausdrücklich genehmigt oder be­ stätigt hat, nur zum Besten des ersten Substituten, und

kann selbst alsdann nicht an den zweiten - Substituten ge­ langen, wenn gleich der erste Substitut, ehe er zum Besitze der Erbschaft gelangt, mit Tode abgeht.

Zusatz 15.

1.

Beständige Familien - Fideikommisse, deren Gegenstand mag in Landgütern oder Kapitalien bestehen, sind in Schlesien

nur alsdann gültig, wenn der Landesherr dieselben ausdrück­

lich genehmigt oder bestätigt.

2.

Die landesherrliche Genehmigung muß aber in der Regel vor Errichtung eines Fideikommisses nachgesncht und beige­

bracht werden.

3. Hat der Landesherr

das

Fideikommiß

nicht

bestätigt, so

dauert selbiges nur bis zum ersten Grade der Substitution. 4.

Es kann der zweite Substitut auch alsdann nicht zur Erb-

525

folge in das Fideikommiß gelangen, wenn der erste Substi­

tut vor dem ernannten Erben verstorben ist. Diese provinzialrechtlichen Bestimmungen wurden bei Ge­ legenheit eines SpezialfalleS zur Erörterung gezogen.

Da es

hierbei auch zur Erwägung kam, daß die Sanctio pragma-

tica vom 30. März 1724.*) die Verschuldung der Fidei­ kommisse ohne ausdrücklichen landesherrlichen Konsens verbiete, diese Bestimmung aber gleichfalls vom Landrechte abweiche und

durch das Edikt vom 9. Oktober 1807. für beseitigt zu be­ trachten sey, auch die Gerichte und ständischen Deputirten sich

gegen die Wiedereinführung dieser Bestimmung erklärt hatten, so wurde der Entwurf zu einem Gesetze ausgearbeitet, durch

welches die für Schlesien geltenden provinzialrechtlichen Bestim­ mungen

über

über Familienstiftungen

die Dauer

so

wie

der fideikommiffarischen Substitutionen

und

und

Fideikommisse,

über die Verschuldung der Fideikommisse, namentlich

die pragmatische Sanktion vom 18. November 1706., die kaiserliche Deklaration vom 25. Februar 1697.

und

22.

August 1704., das kaiserliche Reskript von 1730. und die pragmatische Sanktion vom 30. März 1724.

aufgehoben werden sollten.

Der fünfte Provinzial-Landtag, dem der Gesetzentwurf vorgelegt wurde, erkannte darin die landeSväterliche Absicht: durch Beseitigung partieller Gesetze und Verordnungen die

Errichtung und das Substitutions-Verhältniß der Fideikom­ misse von den Beschränkungen zu befreien, welchen sie durch

jene Provinzialgesetze unterworfen gewesen, und durch Er­

laß eines bestimmten allgemein gültigen Gesetzes eine bisher

*) Brachvogel, Sammlung, Th. S. S. 1596.

526 unversiegbare Quelle verschließen,

und

von

den

Streitigkeiten

und Prozessen jtt

Familienstistungen

Sicherheit

und

Dauer unter dem Schutze der Gesetze zu gewähren; erklärte auch, in Uebereinstimmung mit den im Jahre 1835. zur Revision der Provinzialgesetze versammelt gewesenen stän­

dischen Deputitten, daß die gedachten Gesetze nicht aus eigen­ thümlichen Verhältnissen der Provinz

daß kein provinzielles Interesse

hervorgegangen

wären,

zur Abweichung von den in

Bezug genommenen landrechtlichen Vorschriften obwalte,

und

daß er mit dem Gesetzentwürfe, soweit dieser die Beseitigung der

kaiserlichen Verordnungen vom 18. November 1706., 25. Fe­

bruar 1697., 22. August 1704. und des kaiserlichen Reskripts

von 1730. bestimme, völlig einverstanden wäre. Zn Beziehung auf die Disposition wegen Beseitigung der pragmatischen Sanktion vom 30. März

1724.

bemerkte der

Landtag, daß die im Zahre 1835. zur Prüfung der Provin­

zialgesetze versammelt gewesenen ständischen Deputirten sich zwar mit deren Beseitlgling einverstanden erklärt hätten, daß er aber

deren Ansicht nicht theilen könnte,

weil Verschuldungen

Fideikommisse dem Wesen derselben entgegenständen

und

der

die

landesherrliche Bestätigung der Familienschlüffe über Auflösung

und Verschuldung der Fideikommisse um so nöthiger erscheine, als es denkbar sey,

daß leichtsinnige Besitzer von Fideikom­

missen, mit leichtsinnigen Anwärtern zusammentreffend, das Fideikommiß ohne dringende Veranlassung mit Schulden belaste­

ten und dadurch dessen Auflösung bereiteten.

Aus diesen Gründen äußerte der Landtag den Wunsch, daß die allgemeine gesetzliche Befugniß

zur Anfhebling oder

Abänderung der Lehne und Fideikommisse von der landesherr­

lichen Bestätigung desfalsiger Familienverträge abhängig

ge-

-

macht

werde,

unb erklärte

527



sich mit dieser Modifikation deS

Ediktes vom 9. Oktober 1807., für die Beseitigung der kai­

serlich pragmatischen Sanktion vom 30. März 1724.

Nach dieser Erklärung

der Provinzialstände mußte das

Gesetz zwei Haupt-Gegenstände umfassen: 1) die Errichtung von Familien - Fideikommissen und Fami­

lienstiftungen, so wie die Dauer und rechtliche Wirkung fideikommissarischer Substitutionen; 2) die Verschuldung der Fideikommisse, so wie die landes­ herrliche Bestätigung der Familienschlüffe.

I. Nach dem Allgemeinen Landrechte Th. II. Tit. 4.

27.

und 47. ist jedem Einwohner des Staats, der über sein Ver­ mögen frei schalten kann, erlaubt, Familienstiftungen und Fa­

milien-Fideikommisse zu

errichten,

insofem

bei

letzteren

die

vorgeschriebenen Festsetzungen in Ansehung der dazu zulässigen Objekte berücksichtigt werden. Die Gerichte prüfen dabei, ob in den Stiftungs-Urkun­

den den Gesetzen ein Genüge geleistet ist und ertheilen, wenn der Inhalt jener Urkunden in dieser Beziehung keine Bedenken

veranlaßt, die richterliche Bestätigung").

Ganz abweichend hiervon bestimmte das Schlesische Provinzialrecht, zufolge der vorgedachten kaiserlichen Verordnungen

vom 18. November 1706. und 25. Februar 1697., so wie des Reskriptes von 1730., daß der landesherrliche Kon­

sens zur Errichtung eines Fideikommisses erforderlich

sey und der usus fori hatte noch hinzugefügt, daß der Kon-

29. und 62. Tit. 4. Tb. II. des Allgemeinen Landrechts.

528 sms von dem, der das Fideikommiß stiften wolle, selbst nachgesucht werden müsse.

Hierdurch wurde die Errichtung der Fideikommisse durch

letztwillige Verfügungen ausgeschlossen,

und

die Vorschriften

28. und 62. Tit. 4. Th. II.:

deS Allgemeinen Landrechts

Dergleichen Familienstiftungen können durch Verträge, durch

einseitige Verfügungen

unter Lebendigen,

und durch letzte

Willensverordnungen errichtet werden;

Von Errichtung und Verlautbarung der Fideikommiß-Ur­ kunden gilt eben das, was in Ansehung der Familienstiftun­

gen verordnet ist; waren nur zum Theil in Kraft.

Zur Beibehaltung dieser abweichenden Vorschriften

deS

ProvinzialrechtS fehlte es aber an zureichenden Gründen.

Die Stände hatten es allgemein anerkannt,

daß keine

Veranlassung zu derselben in den Verhältnissen der Provinz zu

finden sey, und allgemeine staatSwirthschaftliche Prinzipien spra­

chen auch nicht dafür.

Nach Stielow'S Provinzialrecht (Abschn. VIII. Nr. 5. S. 662. des Manuskripts) ist die Veranlassung zu diesen Ge­

setzen in den Unruhen zu suchen, welche die mächtigen Guts­ besitzer zur Zeit deS dreißigjährigen Krieges erregt hatten.

Dieser Grund paßt

aber auf die

jetzigen Zeiten nrcht,

und konnte der Einführung der äSestimmungen des. Allgemei­ nen Landrechts nicht entgegenstehen. Was ferner die gesetzlichen Bestimmungen über die fidei­

kommissarischen Substitutionen anlangt, so gehören sie lediglich dem positiven Rechte an.

Aus der Natur der Sub­

stitution ist kein Grund für eine Beschränkung auf eine gewisse Zahl der Grade zu entnehmen.

— 529 —

Die Festsetzungen, welche sich deshalb in den verschiede­ nen Gesetzen finden, sind, da ein festes Prinzip fehlt, auch sehr von einander abweichend. DaS ältere Römische Recht kannte das Recht zur Substi­ tution nicht. Erst zur Zeit des Kaisers Augustus kam es in Anwendung"). Anfangs war die fideikommiffarifche Substitution weder in Ansehung der Zeit, noch der Personenzahl nach, beschränkt"). Die Novelle 159. beschränkte sie auf vier Grade oder Generationen "•) **). Das Allgemeine Landrecht weicht von den Festsetzungen des Römischen Rechts ab, und bestimmt im §>. 55. Tit. 12. Th. I., daß eine fideikommissarische Substitution nur zum Be­ sten des ersten und zweiten Substituten gelten solle, insofern nicht ein Familien-Fldeikommiß vorhanden sey. Zn den Verhältnissen eines Erblassers oder Erben liegen keine Gründe für die Beschränkung der Fideikommiß-Substitutionen auf eine bestimmte Zahl der Grade. Nur die Erfah­ rung, daß die Borsorge eines Testators für zu entfernte Zei­ ten eine Unsicherheit des Eigenthums zur Folge habe und die Duelle weit aussehender Rechtsstreitigkeiten werde, macht es nothwendig, die Befugnisse der Testatoren in dieser Beziehung zu beschränken. Dies ist von allen Gesetzgebungen anerkannt. Die Französischen Gesetze verbieten, wenige Fälle ausge­ nommen, welche Art. 1048. und folg. des.Locle civil: 1048.

Les biens dont les peres et meres ont la fa-

•) von Malevllle, Kommentar über das Gesetzbuch Napoleon'-, zum Artikel 896. “) 1. 88. §. 15. Dig. de legatis 2. (XXXI.) *") Thibaut, System des Pandektenrecht«, §. 772.

530

cult6 de disposer, pourront dtre par eux donnes,

en tont ou en partie, ä un ou plusieurs de leurs

enfans, par actes entre vifs ou teslamentaires, avec la Charge de rendre ces biens aux enfans nes et ä naitre, au premier degre seulement, desdits donataires; 1049. Sera valable, en cas de mort sans enfans, la disposition que le defunt aura faite par acte entre vifs ou testamentaire, au profit d un ou plusieurs de ses freres ou soeurs, de tout ou partie des biens qui ne sont point reserves par la loi dans sa Succession, avec la Charge de rendre ces biens aux enfans, nes et ä naitre, au premier degr6 seulement, desdits freres ou soeurs donataires; 1050. Les disposilions permises par les deux artk des precedens, ne seront valables qu’autant que la Charge de la restitution sera au profit de tous les enfans nes et a naitre du greve, sans exception ni preference dage ou de sexe; aufzählen, die Substitutionen gänzlich. Das Oesterreichische

Gesetzbuch macht die Gültigkeit der Substitutionen von

dem

ob der substituirte Erbe Zeitgenosse des

Umstande abhängig,

Erblassers war, oder nicht.

Zm ersteren Falle beschränkt es

die Fideikommiß - Substitutionen gat nicht, im anderen Falle bei Geld-Fideikommissen auf den zweiten, und bei Fideikom­

missen auf unbeweglichen Gütern auf den ersten Grad. Der Revisor

Entwürfe

des

des

neuen

Allgemeinen

Landrechts

hat in dem

Erbrechts den Vorschlag gemacht,

die

Substitution auf den ersten Substitutionsfall zu

beschränken

und dahin den §. 55. Tit. 12. Th. I. abzuändern.

Er nimmt

— 531 —

an, daß Testatoren wohl Gründe haben könnten, die sie ver­ anlaßten, einen eingesetzten Erben in der Disposition zu be­ schränken, und dadurch das von ihnen zu hinterlassende Vermö­ gen den Kindern btr instituirten Erben zu erhalten; daß aber Verfügungen, die sich auf weitere Zukunft erstreckten, wA» kührlich erschienen und daher nicht gestattet werden könnten. Diese Gründe erscheinen jedoch nicht durchgreifend. Ein Erblasser, der seinen Bruder zum Erben eingesetzt, kann vielleicht die Ueberzeugung haben, daß dieser sowohl, als sein Sohn, durch ihren Lebenswandel schon den Belag dafür lieferten, daß sie das ererbt« Vermögen dm schon lebenden und ih>n lieb gewordenm Großneffen nicht erhalten werden; deshalb beschränkt er den Bruder und den Reffen zum Besten der Kinder des letz­ teren und sichert diesen, als zweiten Substituten, das Vermögen. Jedenfalls liegen in den Rechtsverhältnissen selbst keine Gründe, die Bestimmungen des Allgemeinen Landrecht- abzuändern, und da es sich hier nur darum handelte: ob die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts oder des Schlesischen Provinzialrechts gelten sollten, so war die Entscheidung für die ersteren begründet, zumal eS für die Aufrechthaltung der Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts spricht, daß den möglichen Nachtheilen derselben schon durch gesetzliche Vorschriften vorgrbeugt ist, indem durch das Edikt vom 9. Oktober 1807. die Auflösung jeder lang­ dauernden sideikommiffarischen Substitution möglich gemacht wordm ist und die Deklaration deS §. IX. dieses Edikts, d. d. den 19. Februar 1812."), nur die fideikommiffarische Substitution in btt ersten Generation für unauflöslich erklärt. •) Gesetzsammkwg für 1812. S. 13.

532

Da die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts die freie Verfügung über das Vermögen des Testirenden am wenigsten beschränken, aus denselben für den Staat keine Nachtheile zu besorgen sind, sie in allen Provinzen, worin das Allgemeine Landrecht gilt, Schlesien allein früher ausgenommen, verbind­ liche Kraft haben, und die Provinzialstände einmüthig die Auf­ hebung der provinzialrechtlichen Bestimmungen in Ansehung diese- Gegenstandes der Gesetzgebung wünschten, so war es billig, die Beseitigung derselben eintreten zu lassen. Demzufolge sind im Gesetze vom 15. Februar 1840. 1.*) die pragmatische Sanktion vom 18. November 1706. und die kaiserlichen Deklarationen vom 25. Februar 1697. und 22. August 1704. außer Wirkung gesetzt.**) •) Gesetzsammlung für 1840. S. 25. §. 1. Sämmtliche in Unserem Herzogthume Schlesien und in der Graf­ schaft Glatz bestehenden provinzialrechtlichen Bestimmungen über die Errichtung von Familienfideikommissen und Familien­ stiftungen, und über die Dauer und rechtlichen Wirkungen fideikowmiffartscher Substitutionen, namentlich die pragmatische Sanktion vom 18. November 1706. und die De­ klarationen vom 25. Februar 1697. und 22. August 1704., werden hier­ durch außer Kraft gesetzt. An deren Stelle treten fortan die Vorschriften Unsere- Allgemeinen Landrechts nebst den, dieselben abändernden, ergänzenden und erläuternden Bestimmungen. **) Es könnte zwar eingewendet werden, daß es dazu eine- beson­ deren Gesetzes nicht bedurft habe, weil das Geheime Ober-Tribunal bereits durch ein im Jahre 1825. ergangenes Erkenntniß (Simon und von Stramp ff, RechtSfprücke, Bd. 3. S. 67.) den Grundsatz ausgesprochen hatte, daß auch in Schlesien fideikommiffarische Substitutionen nach dem Allgemeinen Landrechte zu beurtheilen wären. Dieser Grundsatz ist aber aus jenem Prozesse nicht zu entnehmen. In demselben war eS zweifelhaft, ob eine fideikommiffarische Substi­ tution über den ersten Grad hinausgehend vorhanden sey. Der erste Ne-

533 II. Zn Schlesien ist durch die pragmatische Sanktion vom 30. März 1724.*) angeordnet gewesen, daß kein Kideikommiß ohne landesherrliche Genehmigung mit Schulden belastet wer­ den dürfe. ES ist deshalb im Entwürfe zum Schlesischen Pro­ vinzialrechte der Zusatz 16. zum §. 87. Tit. 4. Th. II. des Allgemeinen Landrechts dahin vorgeschlagen worden: Zn Schlesien darf ein Fideikommiß ohne ausdrückliche Ge­ nehmigung des Landesherrn, wenn gleich sämmtliche Fami­ lienglieder solches genehmigen, nicht mit Schulden belastet werden. Bon den ständischen, zur Prüfung dieses Entwurfes be­ stellten Deputirten ward bemerkt, daß das Edikt vom 9. Ok­ tober 1807. jene Festsetzung des ProvinzialrechtS beseitigt habe. Die beim Landtage versammelten Stände hatten indessen aus der Besorgniß, daß es leichtsinnigen Fideikommißbesitzern beim Zusammentreffen mit sorglosen Agnaten leicht glücken könne, durch einen Familienschluß Abänderungen und Belaferent bei dem Geheimen Ober-Tribunale nahm an, baß, ba dies aus bem Inhalte des Testaments nicht beutlich zu ersehen sey, nach §. 519. Tit. 12. Th. I. des Allgemeinen Landrecht« bas Testament, so wie es am Besten bestehen könne, zu erklären sey; daß die Existenz des Provinzialgesetze« über die Substitution sich In Zweifel ziehen lasse nnb daher die Meinung des Allg. Landrechts entscheiden müßte. Der zweite Referent führte dagegen au«, daß das bestrittene Proviuzlalgesetz bestehe, und ein Judikat des Geheimen Ober-Tribunal« von 1768. dasselbe ausdrücklich anerkannt hätte. Da« Tribunal entschied sich für den Antrag be« ersten Referenten, jedoch ohne Angabe bet Gründe. E« Ist hiernach nicht mit Gewißheit zu ersehen, welche Gründe ba« Geheime Ober-Tribunal aboptirt hat, wenigsten« läßt sich au« blefer Ent­ scheidung nicht entnehmen, baß ba« neue Gesetz überflüssig sey. •) Brachvogel, Sammlung, Th. V. S. 1596.

534

stungen der Familienstiftungen und Fideikommisse herbeizuführen, welche den Untergang derselbm zur Folge hätte», ge-eten, daß ein jeder Beschluß dieser Att der ausdrücklichen lan­ desherrlichen Bestätigung bedürfm solle. Diesen Antrag der Stände hat der 2. des Gesetzes vom 15. Februar 1840.*) berücksichtigt, jedoch von dem Er­ fordernisse der landesherrlichen Genehmigung die nothwendigen Schulden, mit welchen nur die Fideikvmmiß-Einkünfte belastet werden dürfen,") ausgenommen, zumal hierauf die pragmati­ sche Sanktion von 1724. auch früherhin nicht angewendet wor­ den war. Ohne in eine Anomalie zu verfallen, konnte man aber die Fälle, in denen anderweitige, die Substanz des Fi­ deikommisses schmälernde Verfügungen vorkommen, nicht an geringere Förmlichkeiten binden, als die Belastung desselben mit Schulden. Zn dem Gesetze wegen der bei Leh, nen und Fideikommissen zu errichtenden Familienschlüffe sind dergleichen Veränderungen besonders in's Auge gefaßt und von den Verfügungen, welche eine Verminderung des Fideikommis­ ses oder dessen Aufhebung oder Umgestaltung bezwecken, genau *) §. 2. Die Vorschrift der pragmatischen Sanktion vom 30. März 1724., wegen der zur Verschuldung eine« Fideikommisses erforderlichen lan­ desherrlichen Genehmigung, soll auf die in Unserem Allgemeinen Landrecht Theil II. Titel 4. §. 80. u. f. bezeichneten nothwendigen Schulden, mit wel­ chen die Einkünfte des Fideikommisses belastet werden dürfen, nicht an­ gewendet werden. Dagegen soll in Beziehung auf die Verschuldung der Substanz des Fideikommisse« In allen den Fällen, in welchen es zu derselben, nach Maß­ gabe des unter dem heutige» Tage erlassenen Gesetze« über Fawilirnschlüffe bei Familien «Fideikommissen, Familienstisiungen und Lehnen, ei­ ne« Familienschluffes bedarf, da« erwähnte Provinzialgesetz noch ferner in Kraft bleiben. *“) Allgemeine« Landrecht Th. II. Tit. 4. §§. 80. u. f.

535 unterschieden worden.

Bei

letzteren

ist

die Abfassung

eine-

förmlichen FamllienschluffeS für nothwendig, bei ersteren aber

die Zuziehung der nächsten Anwärter") für genügend erklärt wor­ den. — Zn solchen Fällen, in denen es sich nur um einzelne Veränderungen handelt, wobei das Fideikommiß im Ganzen un­

geschmälert bleibt, für Schlesien die landesherrliche Genehmigung einholen zu lassen, dazu lag keine Veranlassung vor.

Es wurde

demnach die landesherrliche Genehmigling

denjenigen

nur in

Fällen für nothwendig erklärt, in welchen zu der Verfügung

in Betreff des Fideikommisses ein Familien sch luß erforder­ lich ist.

Hierauf beruhet der §. 3.’*) des Gesetzes.

Zn dem Gesetze selbst sind endlich keine näheren Bestim­

mungen enthalten, von welcherZeit an dasselbe, namentlich der §. 1., in Wirksamkeit treten soll.

Es bedurfte deren aber

auch nicht. Das Gesetz hat auf der einen Seite Beschränkungen der

DispositionSbefugniß der Testatoren in Betreff der Errichtung von Familien-Fideikommissen und Familien-Stiftungen beseiti­

get.

Ist

die

Gültigkeit einer Familien- oder Fideikommiß-

Stiftling nicht mehr von der vom Stifter selbst nachgesuchten

landesherrlichen Bestätigung abhängig, so können die Stiftllngen, welche schon vor der Publikation des Gesetzes durch ein

Testament ihr Entstehen erhalten sollten, bei dem, nach Pu­

blikation des Gesetzes erfolgten Tode des Stifters, wegen der

*) Allgemeines Landrecht Th. IF. TIt. 4. 87. u. f. ee) 3. In Berücksichtigung des besonderen Antrages Unserer getreuen Stünde der Provinz Schiesten soll überhaupt im Herzogthume Schlesien und in der Grafschaft Glatz zu allen solchen Verfügungen über Familien­ fideikommisse und Familienstiftungen, zu welchen ein Famllienschluß gesetz­ lich erforderlich ist, auch noch Unsere allerhöchste Genehmigung ein­ geholt werden.

536

nicht befolgten Bestimmungen der aufgehobenen Gesetze, nicht als ungültig betrachtet werden, wenn sonst alle Erfordernisse vorhanden sind, welche nach dem Allgemeinen Landrechte das

Bestehen derselben bedingen. Was auf der anderen Seite die fideikommiffarischen Sub­

stitutionen betrifft, so handelt es sich dabei von Rechten aus Wenn sich Testamente, worin fideikommis­

einem Testamente.

sarische Substitutionen über den ersten Grad hinaus enthalten sind, nach der Publikation des Gesetzes, welche sie erlaubt, vorfinden, so sind nur drei Fälle denkbar:

1. der Erblasser ist zur Zeit der Verkündigung des neuen Ge­

setzes todt und sein Testament schon publizirt; 2. der Erblasser ist zu dieser Zeit zwar schon todt, sein Te­

stament wird aber erst nach der Emanation des neue« Ge­ setzes publizirt;

oder 3. der Testator lebt zu dieser Zeit.

Daß das neue Gesetz nicht auf Testamente, die vor dem

Gesetze schon publizirt sind, Anwendung leidet, ist nicht zu be­ zweifeln.

Eben so wenig ist es zu bezweifeln, daß aus einem nach der Publikation dieses Gesetzes eröffneten Testamente die Bene-

fizien deS neuen

Gesetzes von dem zweiten Substituten nicht

in Anspruch genommen werden können,

wenn

der. Erblasser

die Publikation des Gesetzes nicht erlebt

hat.

Denn wenn

das Testament Bestimmungen einer fideikommissarischen Sub­ stitution

enthält,

die zur Zeit des Todes des Erblassers un­

wirksam waren, so können diese durch spätere Gesetze nicht in Wirksamkeit gesetzt werden, ohne jura quaesita zu verletzen.

Hat ein Testator die Publikation des vorliegenden Gesetzes

537 erlebt, und in seinem vor derselben errichteten Testamente fidei-

kommiffarische Substitutionen angeördnet, die zur Zeit der Er­ richtung derselben nach dem Provinzialgesetze ungültig waren,

so

treten sie durch das neue Gesetz, welches dies Hinderniß

beseitigt, von selbst in Kraft, und sind, wenn das Testament publizirt wird,

als gesetzlich und rechtskräftig zu betrachten.

Es heißt zwar in der Einleitung zum Allgemeinen Land-

rechte

14.:

Neue Gesetze können auf schon vorhin vorgefallene Hand­ lungen und Begebenheiten nicht angewmdet werden;

und im Publikations-Patente des Allgemeinen Landrechts vom 5. Februar 1794. Nr. XII.:

Zn Ansehung der Testamente und anderer letztwilligen Ver­

ordnungen

setzen Wir besonders fest,

daß alle diejenigen,

welche vor dem 1. Zunius 1794. errichtet worden, nach den

Vorschriften der ältern Gesetze durchgehends beurtheilt wer­

den sollen. Indeß kann dies den vorher ausgestellten Grundsatz nicht ent­

kräften. Die rechtlichen Folgen einer Handlung werden nach den Gesetzen beurtheilt, welche zur Zeit, wo diese Folgen eintreten, geltend sind,

wie die Vorschrift des §. 17.

der Einleitung

zum Allgemeinen Landrechte zeigt, wo bestimmt ist, daß frü­

here Handlungen, welche wegen eines Mangels in den Förm­ lichkeiten nach den älteren Gesetzen ungültig'seyn würden, be­

stehen sollen, insofern nur die nach den neueren Gesetzen er­ forderlichen Förmlichkeiten zur Zeit des entstandenen Streites

vorgefunden werden. ES folgt hieraus analogisch, däß die in

einem älteren

Testamente mthaltenen Bestimmungen über die fidetkommissa-

rische Substitution der Erben, denen die früheren Berordnuv, gen entgegenstanden, nach der Publikation des vorliegendm Gesetzes Gültigkeit erlangen, wenn der Todesfall des Erblas­ sers nach der Bekanntmachung des Gesetzes erfolgt. ES läßt sich hiergegen auch Nichts aus Nr. X.deS PublikattonSPatenteS zum Allgem. Landrecht» herleiten, welcher vorschreibt: Da auch die Fälle sich häufig ereignen dürften, wo die Handlung oder Begebenheit, aus welcher streitige Rechte unter den Parteien entspringen, zwar schon vor der Publi­ kation deS Landrechts sich ereignet haben; die rechtlichen Fol­ gen derselben aber erst nachher eintreten: so finden Wir nöthig, wegen solcher Fälle nachstehende nähere Bestimmun­ gen festzusttzen: CS soll nämlich in dergleichen Fällen jederzeit darauf Rücksicht genommen werden: ob eS noch in der Gewalt des­ jenigen, von dessen Rechten oder Pflichten die Rede ist, ge­ standen und blos von seinem freien Entschlusse abgehangm habe, die rechtlichen Folgen der frühern Handlung oder Be­ gebenheit, durch Willenserklärungen oder sonst, zu bestimmm, und auf andere Art, als in dem neuen Landrechte gesche­ hen ist, festzusetzen; oder ob eine solche abändernde Bestim­ mung in der Gewalt und einseitigen Entschließung desjeni­ gen, den die Handlung oder Begebenheit angeht, nicht mehr gestanden habe? Zm letztern Falle sollen die auch später eintretende» recht­ lichen Folgen dennoch nur nach den ältern Gesetzen, welche zur Zeit der vorgefallenen Handlung oder Begebenheit gül­ tig gewesen sind, beurtheilt werden. Zm erstem Falle hingegen soll, wenn auch die Handlung oder Begebenheit älter, aber keine solche abändernde Be-

539

stimmung vorhanden wäre, bei Beurtheilung der erft nach dem 1. ZuniuS 1794. eintretenden rechtlichen Folgen, den» noch nur die Borschrift des gegenwättigen neuen Landrechts Anwendung finden. Die Errichtung eines anderm Testaments würde in diesem Kalle eine ganz überflüssige Handlung seyn, da sie sich auf die Wiederholung desselben Aktes und derselben Erklärung, die schon vorliegen, beschränken würde. ES kann der Wille des Gesetzes nicht seyn, die GerichtS-Eingesessenen mit der Wieder­ holung eines unnöthigen und kostspieligen Geschäftes zu belästigen. Für diese Meinung spricht noch, daß sie in späteren Ge­ setzen sich bestätigt findet. Zm Patente zur Einführung des Allgemeinen Landrechts im Herzogthum Westphalen vom 21. Zuni 1825.") ist §.18. bestimmt, daß nach der Einführung des Allgemeinm Landrechts letztwillige Verordnungen in Rücksicht der Form durchgchendS nach den älteren Gesetzen beurtheilt werden sollen, und auch der Inhalt derselben gültig sey, insofern nicht Prohibitivgesetze zur Zeit deS Erbanfalles entgegenstehen. Zn den Motiven, welche am 9. März 1818. über das Patent wegen Einführung des Allgemeinen Landrechts im Her­ zogthum Westphalen »orgelegt wurden, heißt «S zu §. 9. un­ ter 10.: man hat sich aus den Materialien zum Allgemeinen Landrechte überzeugt, daß man diesen Unterschied, (zwischen Form und Inhalt) schon bei der ersten Publikation deS Landrechts zu machen beabsichtigt und es blos zur Vermei­ dung (beträchtlicher) Kosten unterlassen hat. *) Gesetzsammlung für 1825. H. 155,

540

ES liegt dieser Unterschied auch in der Natur der Sach«, wie Adolph Dietrich Weber in seinem Werke über die Rück­ anwendung positiver Gesetze, S. 91. zeigt: Man muß zweierlei wohl unterscheiden, die förmliche Voll­ ziehung des letzten Willens (testamenti factio) und die Materie oder die Verfügung des Testators selbst. Diese, nicht jene bleibt bis zum Ableben des letztem in suspenso. Erst dann soll der Inhalt zu gelten anfangen und in seine volle Wirksamkeit eintreten. Die Disposition muß also mit den jetzt geltenden Gesetzen nicht in Widerspruch stehen. Hingegen das factum der Willenserklärung, die Vollziehung derselben (actus testandi) bleibt seiner Natur nach nicht suSpmdirt, kann also, wenn blos dessen Rechtmäßigkeit zur Frage kommt, nach keinen anderen Gesetzen, als denm, die zur Zeit des geschehenen actus gültig waren, beurtheilt werden. Der Grundsatz, daß der materielle Inhalt eines Testa­ ments, bei veränderter Gesetzgebung, nach den zur Zeit der neueren Gesetzgebung bestehenden Anordnungen beurtheilt wer­ den müsse, ist auch in allen, seit 1814. ergangenen Verord­ nungen wegen Einführung deS Allgemeinen Landrechts aus­ gestellt. Im Patente vom 9. September 1814. §. 6. (Gesetzsamm­ lung für 1814. S. 91.) ist dieser Grundsatz bezüglich der Form ausdrücklich aufgestellt und in Rücksicht des Inhaltes Nichts erwähnt, weshalb daraus zu folgern ist, daß der In­ halt nach den neueren Gesetzen zu beurtheilen ist. Im Patente für Sachsen vom 15. November 1816. (Ge­ setzsammlung für 1816. S. 233.) ist §. 8. festgestellt, daß der Inhalt der alten Testamente gültig seyn solle, wenn er nicht einem Prohibitivgesetze entgegen steht.

— 541 —

Gan) gleichlautend ist §. 8. des Patents vom 9. No­ vember 1816. für den Kulmer und Michelauer Kreis (Ge­ setzsammlung für 1816. S. 217.) und der §. 8. des Patents für Posen vom 9. November 1816. (Gesetzsammlung für 1816. S. 225.) Unter diesen Verhältnissen wird schwerlich ein Gerichtshof die Anwendbarkeit des Gesetzes vom 15. Februar 1840. auf die Substitutionen in älteren Testamenten aus der Vor­ schrift der Nr. XII. des Publikations-Patents vom 5. Februar 1794. bestreiten. Außerdem verordnet das Allgemeine Landrecht, daß letzt­ willige Verordnungen in zweifelhaften Fällen immer so zu deutm find, wie fie nach den Gesetzen am Besten bestehen können"). Aus diesen Gründen waren daher besondere Bestimmungen in Betreff des Zeitpunktes der Anwendbarkeit des gedachten Gesetzes unnöthig. •) - SIS. Dl. 12. rh. i.

XIV.

Uebe« die persönliche Fähigkeit zur Aus­ übung der Rechte der Standschaft, der Gerichtsbarkeit und -es Patronats.

^liefern Gegenstände ist das Gesetz vom 8. Mai 1837.***) ) gewidmet. Dasselbe soll der Möglichkeit, dass Guts-Ehren­ rechte von Personen befleckten RufleS auSgeübt werden, vor­ bauen, die GutS-Erwerbungs- und Besitz-Fähigkeit selbst dagegen unberührt lassen, wobei jedoch Lehngüter, insofern bei ihnen, nach besonderer Lehnsverfassung, dir Beschvltenheit schon von der Erwerbung und Beleihung selbst ausschließen sollte, nicht in jene Begrenzung fallen, eS vielmehr HinsichtS ihrer lediglich bei der bestehendm Verfassung sein Bewenden behält. Die 1. bis 5.***) des Gesetzes beziehen sich auf den ♦) Gesetzsammlung für 1837. S. SS. bis 101. — Vgl. die Erg. und Erl. des Allg. Landreckts, Suppl. Bd., Ablh II. S. 168—169. **) §. 1. Nur Personen von unbescholtenem Rufe sind fähig, für flch oder für Andere, die Rechte der Siandschaft, der Gerichtsbarkeit oder del Patronats auszuüben, oder in ihrem Namen ausüben zu lassen. §. 2. In Ansehung der Standschaft verbleibt es In dieser Beziehung bei den darüber vorhandenen besonderen Verordnungen. §. 3. Wer nach Maßgabe jener Verordnungen wegen Mangel« un­ bescholtenen Ruft von der Ausübung der Standschast ausgeschlossen wor-

543 Kall, wo mit btm Besitze eines Landgutes die Rechte der

Standschaft und der Gerichtsbarkeit oder des Patro* natS verbunden sind. Hinsichtlich der Standschaft ist dabei auf die darüber

vorhandenen besonderen Verordnimgen verwiesen. Die Ver­ ordnungen über die Provinzialstände erfordern nämlich allge­ mein und unerläßlich für die Ausübung des Provinzial-, Kom­ munal- und Kreis-Standschafts-Rechtes „den unbescholtmen

Ruf." — „Mit dem Verluste der moralischen Qualifikation hört das Recht auf." Die Kreisordnungen für die Kurmark, Neumark und Riederlausitz vom 17. August 1825. (Gesetzsammlung für 1825. S. 204.), für Preußen vom 17. März 1828. (Gesetz­ sammlung für 1828. S. 36.), für Pommem und Rügen vom 17. August 1825. (Gesetzsammlung für 1825. S. 218.), für Posen vom 20. Dezember 1828. (Gesetzsammlung für 1828. S. 4. und 5.) enthalten ferner im §. 6. gleichlautend die Bestimmung: Wo dieser Ruf von der Bersammlung bestritten wird, ist auf den Bericht des Ober-Präsidenten von Unserm StaatSMinisterium zu mtscheiden. den Ist, soll auch der Ausübung der Gerichtsbarkeit »der des Patronat« (§. 1.) verlustig gehen. h. 4. Zn einem solchen Falle hat die Regierung, in deren Bezirk das berechtigte Gut liegt, wegen fernerer Verwaltung fcA genannten Rechn sofort das Erforderliche zu veranlassen. §. 5. Wird ein zur Slandschaft gehörender Gutsbesitzer der Ge­ richtsbarkeit «der deS Patronats durch Kriminal-Erkenntniß für verlustig erklärt, so liegt dem Gerichte ob, sofort nack beschrittener Rechtskraft deS Erkenntnisses, dem Ober-Präsidenten der Provinz davon Kenntniß zu geben, damit auch die Ausschließung von der Standschaft in dem geordneten Wege veranlaßt werden kann.

544 Abweichend hiervon heißt es in der Kreisordnung für Schlesien, Glatz und die Oberlausitz, vom 2. Mai 1827. (Gesetzsammlung für 1827. S. 72.) im H. 7.: Wird die Unbescholtenheit des Rufes bestritten, so hat, wenn dies ein Mitglied der Ritterschaft, oder einen Ver­ treter eines solchen betrifft, die Ritterschaft des Kreises die Befugniß, in einem besonderen Konvente durch Stimmen­ mehrheit von | der Anwesenden darüber in erster Instanz zu entscheiden und, Falls die Entscheidung für die Bescholtenheit des Rufes ausfällt, die Ausschließung zu bestimmen. Will der Betroffene oder die abgestimmte Minorität bei dem Beschlusse sich nicht beruhigen, so ertheilen die Mitglieder des Provinzial-Landtages von der Ritterschaft die Entschei­ dung in der zweiten und letzten Instanz. — Wird die Un­ bescholtenheit deS Rufes eines KreiStagS-Abgeordneten der Städte oder des Bauerstandes in Zweifel gezogen, so ist solches in erster Instanz zur Entscheidung des Magistrats, der Stadtverordneten oder der BezirkSwähler zu bringe», von denen die Wahl ausgegangen ist, und bei denselben auf die Wahl eines andern Deputirten anzutragen. Die Entscheidung in zweiter Instanz gebührt hier ebenfalls den Landtags-Mitgliedern desjenigen der beiden Stände, zu welchem der betreffende Kreistags-Abgeordnete gehört. Die nämliche Anordnung, mit wenigen Modifikationen, enthält die Kreisordnung für Rheinland und Westphalen, vom 13. Juli 1827. (Gesetzsammlung für 1827. S. 119.) Nur die Kreisordnung für Sachsen, vom 17. Mai 1827. (S. 55. a. a. O.) bestimmt Nichts über Reffort und Verfah­ ren, sie spricht lediglich das Erforderniß des unbescholtenen Rufes aus.

545 Was die beiden anderen Ehrenrechte, der Gerichtsbar keit und des Patronats, betrifft, so ist der Verlust derPatrimonialgerichtsbarkeit

im

Allgemeinen

Landrechte

Th.

II.

Tit. 17. §. 85. nur für den Fall des „Mißbrauchs derselben

zum Drucke

der Eingesessenen"

neben

der sonst

verwirkten

Strafe bestimmt. Des Verlustes des dinglichen PatronatrechteS ist, in der

hierher gehörigen Beziehung, ebendaselbst Tit. 11. §. 613. nur für den einzigen Fall gedacht, „da der Patron um Be­ stechung oder anderer

unerlaubter Privatvortheile willen Je­

mand zu einer Pfarrstelle präsentirt." Es unterlag aber keinem Bedenken, daß die Gesetzgebling hier

ergänzend einschritt. 1.

Dabei waren zwei Fälle zu unterscheiden:

Patrimonialgerichtsbarkeit und Patronat, oder eines

von beiden findet sich mit Standschaft in ein und dersel­ ben Person vereinigt.

Hier war in Betreff jener beiden

Ehrenrechte eben so weit vorzugehen, wie es durch die erwähnten ständischen Gesetze in Betreff der Standschaft bereits geschehen

war.

Denn alle drei Ehrenrechte müssen alsdann,

als auf

gleicher Höhe, auf gleicher Linie stehend gedacht und betrachtet werden.

Wer des einen unwürdig

bleiben, die anderen zu üben.

ist, kann

nicht

würdig

Ist daher ein Gutsbesitzer, we­

gen eines Makels an feiner Ehre, auf dem geordneten Wege von dem Rechte der Standschaft ausgeschlossen worden, so muß

sich hieran auch ohne Weiteres der Verl.ust jener anderen Ehrenrechte knüpfen, die als solche in der nämlichen Person auch das nämliche Maaß von Ehrenhaftigkeit bedingen, wie

die Standschaft. Diesem gemäß soll derjenige, welcher wegen Mangels un­ bescholtenen Rufes von dem Rechte der Kreisstandschaft aus-

35

geschloffen worden ist, eben damit auch unfähig seyn, die mit dem Besitze von Landgütern verbundenen Ehrenrechte der Gerichtsbarkeit oder des Patronats für sich oder für Andere auSzuüben, oder in seinem Namen ausüben zu lassen. Der Anordnung eines besonderen Verfahrens, Beschlusses und Ausspruches über die Unfähigkeit war man in diesem Falle ganz überhoben. Der Landrath, als Vorsitzender des Kreista­ ges, ist gesetzlich verpflichtet, jedm Kreistags-Beschluß der Regierung vorzulegen. Diese erlangt also jederzeit, früh und zuverlässig, von der Sache Kenntniß. Die Bedingungm der, als ipso jure ein­ tretend, in dem Gesetze ausgesprochenen Unfähigkeit sind durch die Hinweisung auf die Verordnungen wegen der Stand­ schaft von selbst gegeben. Es muß beziehungsweise entweder eine Entscheidung des Staats-Ministeriums (Mark, Preußen, Pommern, Posen) oder ein rechtskräftig gewordener Beschluß des Kreis- oder Provinzial-Landtages u. f. w. (Schlesien, Rheinland und Westphalen) vorliegen, wodurch die Ausschlie­ ßung des Betroffenen von der Kreisstandschaft festgestellt ist. Zn den seltenen, kaum denkbaren Fällen, in welchen eS etwa noch einer Vergewisserung über die Zdentität der Person be­ dürfen möchte, wird die Provinzial-Regierung solche zu erlan­ gen von selbst bedacht und auf kürzerem Wege im Stande seyn, als durch jedesmalige Vorforderung und Vernehmung des Betheiligten. Zst jenen Erfordernissen genügt, so kann es weiter keinen Anstand haben, sofort, mit Beziehung auf das Gesetz, die nöthigen Maaßregeln wegen Abnahme und Verwaltung der Gerichtsbarkeit und des Patronats in dem ge­ ordneten Wege zu veranlaßen. Dies ist durch den Satz ausgedrückt, daß der Regierung

547

der Provinz obliege, sobald ein Fall der Art zu ihrer Kennt­ niß gelangt, die nöthigen Verfügungen wegen Abnahme der Gerichtsbarkeit oder des Patronats, so wie wegen der ferneren Verwaltung dieser Ehrenrechte zu veranlassen. 2. Andere Bestimmungen waren in Betreff derjenigen Personen nöthig, die zwar Gerichtsbarkeit oder Patronatsrechte, aber keine Stand schäft haben, deren moralische Führung und Existimation daher außer dem Gesichtskreise und Interesse des Kreistages lieget, so daß dieser zu einem Einschreiten keinen Anlaß und Beruf hat. Für einen solchen Fall zählt der 6»*) gewisse Aus­ schließungsgründe auf. Es sind dies solche, an die sich un­ trüglich, und dem Wechsel der öffentlichen Meinung nicht un­ terworfen, das Merkmal moralischer Unwürdigkeit knüpft. Ob deren nicht vielleicht noch mehrere, und darunter selbst Fälle einer blos außerordentlichen Bestrafung, oder gar einer Frei*) §. 6. Wo mit dem Besitze eines Landguts zwar Gerichtsbarkeit oder Patronat, nicht aber auch Standschaft verbunden ist, soll die Un­ fähigkeit zur Ausübung der zuerst genannten Rechte jederzeit eintreten, wenn der Besitzer entweder I. durch rechtskräftiges Kriminal-Erkenntniß a) zur Verwaltung öffentlicher Aemter, oder zur Ableistung eines noth­ wendigen Eides für unfähig, oder b) des Adels, unter dem Hinzutritt Unserer Allerhöchsten Genehmigung, oder des Bürgerrechts, oder des Rechts zur Tragung der NationalKokarde für verlustig erklärt, oder c) zur Zuchthausstrafe oder Festungsarbeit, oder. d) wegen Meineides, Diebstahls oder Betrugs zu irgend einer Kri­ minalstrafe veruttheilt worden ist; oder II. in den Fällen des §. 39. der Städteordnung vom 19. November 1808. oder der §§. 19. und 20. der revldirten Städteordnung vom 17. März 1831. durch einen Beschluß der Stadtbehörde das Bür­ gerrecht verloren hat.

548 sprechung von der Znstan; fich hinzufügen ließen, dies m«ßte dem neuen Strafgesetzbuche vorbehalten bleiben.

Es bedurfte aber der speziellen Anordnung eines Verfah­

rens über die Anwendung dieser Bestimmungen und der Nach­ lassung eines Rekurses, weil in mehreren der im §. 6. aufge­

zählten Fälle nicht gleich eine so einfache Thatsache, wie die erfolgte Ausschließung von der Standschaft, vorliegt, es viel­ mehr oft auf eine näher zu begründende Subsumtion ankom­

men wird, über welche der Betheiligte zuvor gehört werden Die Regierung

muß.

erscheint auch hier die geeignetste Be­

hörde, welcher der erste Angriff gebühret.

Das Verfahren und die erste Entscheidung ist daher in dem §. 7. und 8.*) den Regierungen, und auf eingelegten

Rekurs die letzte Entscheidung dem vorgesetzten Ministerium des Innern, in Verbindung mit denjenigen Ministerien, zu deren Reffort

die Verwaltung

der Ehrenrechte gehört,

überwiesen.

Wesentlich war es jedoch, gegen das Resolut der Regie-

°) §. 7. Die Regierung hat, sobald einer der vorstehend bezeichneten Fälle zu ihrer Kenntniß gelangt, denselben von Awttwegen zu verfolgen und nach vorgängiger Vernehmung des Besttzers, auch nach näherer Un­ tersuchung, wo eine solche noch erforderlich erscheint, in einer Plenarsitzung auf den schriftlichen Vortrag de« Justitiar« einen Beschluß über die An­ wendung de« Gesetze« abzufassen und solchen dem Besitzer in einer Aus­ fertigung witzutheilen. 8. Gegen den Beschluß der Regierung findet nur der Rekurs an da« Ministerium des Innern und der Polizei statt, ohne Beschränkung auf eine bestimmte Frist. Das Ministerium hat in Verbindung mit denjenigen Ministerien, zu deren Reffort die Verwaltung der Gerichtsbarkeit oder de« Patronats gehört, die Beschwerde zu prüfen und darüber zu entscheiden. Der Rekurs hält jedoch die Ausführung des Beschlusses der Regierung mir dann auf, wenn er innerhalb sechs Wochen, vom Tage der erfolg­ ten Zustellung desselben an gerechnet, bei dem Ober-Präsidenten ange­ bracht worden Ist.

549 rung zu jeder Zeit den Rekurs zuzulassen, die Ausführung desselben aber nur dann ausjufetzen, wenn der Rekurs binnen

sechs Wochen eingewendet wird. DieFolgen derBescholtenheit setzt der §>. 9. fest.") Es war am angemessensten und einfachsten, den Verlust der Aus­

übung der Ehrenrechte dahin zu bestimmen, daß während des Besitzes des Bescholtenen die Rechte der Gerichtsbarkeit und

des Patronats, zu deren Lasten der Befcholtene nach wie vor verpflichtet bleibt, von den Staatsbehörden auSgeübt werden.

Insbesondere schien eS nicht thunlich, zur Ausübung der Ehrenrechte der Gerichtsbarkeit und des Patronats bei Lehn-

und Fideikommißgütern die Agnaten, oder im Allgemeinen Ku­ ratoren zuzuziehen, indem dadurch Weiterungen und Kosten ent­

stehen würden, welche den Besitzern erspart werden, wenn die

Staatsbehörden, wie in andern Fällen, die Verwaltung über­ nehmen. Des §. IO."") ist bereits im Eingänge erwähnt.

Der

1 l.e#e) beruht auf der Erwägung, daß der Ruf,*) **) *•*)

*) §. 9. Wenn die Unfähigkeit deS Besitzers ausgesprochen ist, so wird fortan und auf die Dauer seines Besitzes die Verwaltung der Ge­ richtsbarkeit oder des Patronats in Unserm Auftrage geführt und die damit verbundenen Lasten und Kosten werden, ohne daß hierüber ein Prozeß zulässig ist, aus dem Vermögen deS Besitzers bestritten. War der Letztere zur Ausübung der genannten Rechte nur für Andere berufen, so fällt die Verwaltung diesen oder deren anderweit zu bestellenden Ver­ tretern anheim. **) §• 10 Insofern nach besonderer Lehnsverfassung Jber Mangel un­ bescholtenen Rufs schon zu dem Besitz eines Lehnguts und zur Beleihung überhaupt unfähig macht, behält eS auch ferner dabei sein Bewenden. *•*) § 11. Nur eine ausdrücklich von Uns Allerhöchstselbst ausge­ sprochene Wiedereinsetzung in die verloren gegangenen Rechte macht zu deren Wtederausübung fähig. Der bloße Erlaß, oder die Verwandlung erkannter Strafen, oder die Wiederverleihung der aberkannten Nationalkokarde hebt die Wirkungen der Unfähigkeit nicht auf.

welcher einmal durch eine Untersuchung und Berurtheilung zur Kriminalstrase gelitten hat, durch den bloßen Erlaß oder die Verwandlung der Strafe und die Wiederverleihung der Na­ tionalkokarde allein nicht hergestellt wird, wenn nicht von dem Landesherrn die Wiederherstellung des Rufes zur Aufhebung der Befcholtenheit ausdrücklich ausgesprochen wird. Der 12.*) setzt wegen der, ohne Rücksicht auf Grundbesitz gewissen Personen oder Familien zustehenden Eh­ renrechte das Nöthige fest. Zn Ansehung deren sollen dieselben Grundsätze eintretrn, als wenn die Ehrenrechte mit dem Gute verbundm sind. — Namentlich bei'm Patronat ist der Fall nicht ungewöhnlich, daß dasselbe einer Familie, oder auch blos dem Erwerber für sich, oder für sich und seine Leibeserben, verliehen ist. Eben so kennt das Allgemeine Landrecht eine persönliche Gerichtsbarkeit, im Gegensatze zu der Patrimonial-Gerichts­ barkeit.**) *) §■ 12. Die Bestimmungen diese« Gesetze« finden auch auf die Juri«diklion«- und Patronat«-Rechte Anwendung, welche einzelnen Personen oder Familien, ohne Verbindung mit dem Befitze eine« Gute«, justehen. **) Th. II. Tit. 17. 20. und 21.

XV. Ueber Parochieen und deren Erlösche«.

daS wahre Subjekt des Eigenthums an Parochialgütern ist die Gesammtheit der Eingepfarrten anzusehen; Eingepfarrte aber find diejenigen Mitglieder derselben Religionsparthei, welche in dem Psarrbezirke ihren ordentlichen Wohnsitz haben. Für diese Meinung sprechen schon im kanonischen Rechte die gewichtigsten Autoritäten, und zwar nicht nur unter pro­ testantischen Schriftstellern, *••) ) sondern auch unter den Mitgliedern der Römisch-katholischen Kirche aus den verschieden­ sten Jahrhunderten, vom vierzehnten an bis zum neunzehnten.") Mit derselben Meinung stimmt auch daS Allgemeine Landrecht völlig überein. Dasselbe stellt die Parochialgüter •) J. H. Boehmer, jus eccles. protest., Lib. 3. Tit 5. §. 30., jus parochiale, Sect. 5., C. 3. §. 4. G. L. Boehmer, princip. jur. canon. §. 617. ••) Jo. Faber, Comment, in Instit., §. Nullius J. de div. rerum, Num. 3. Franc. Sarmientus, de ecclesiae reditibus, P. 1. C. 1. No.21. Yonzalecz Tellez, Comm. in Decrelales, Lib. 3. Tit. 13. Cap. 2. P. Sarpi, traite des b6n6fices, Amsterdam 1687. 16., Art. 21. question 2. Sauter, fundamenta juris eccles. catholicorum, P. 5. Friburgi 1816. 8. §§., 854. 855.

552 ganz ans gleiche Linie mit allem übrige» Kirchenvermögen.*)

An diesem aber schreibt es das Eigenthum jeder einzelnen Kir­ chengesellschaft als Korporation zu**), und unter Kirchengesell-

•) Th. II TIt. 11. §. 618. •* ) §§. 170. 235. a. a. O. Der gesetzliche Begriff der Parochie ist im §. 237. a. a. O. da­ hin festgestelll: Derjenige Distrikt, in welchem Glaubensverwandte einer vom Staate öffentlich aufgenommenen Religionsparthei zu einer gemeinschaftlichen Kirche angewiesen sind, wird eine Parochie genannt. Daraus, daß hier unter „Parochie" der Parochial-Distrikt, mit­ hin ein abgegränzter Raum, verstanden worden ist, läßt sich aber nicht folgern, daß dieser Raum oder der Grund und Boden, welchen derselbe einschließt, das Subjekt der Parochial-Berpflichtung sey. Vielmehr geht aus der Begriffsentwickelung klar hervor, daß als Grundlage des Parochialverbandes die gemeinschaftliche Kirche der den Raum bewohnenden GlaubenSverwandten angesehen werden muß, weshalb eben diese Letzteren, also Personen, das Subjekt der Parochial-Berpflichtung sind; und zwar nicht darum, weil sie innerhalb des Parochtal-Distrikts Grundeigenthum besitzen, was, an und für sich betrachtet, zu der kirchlichen Religionsübung in gar ke.ner Beziehung steht, sondern lediglich um der Kkrchengemeinfchaft willen. Weil die Parochial-Berpflichtung aber ein Ausfluß der Kirchengemetnschaft ist, sind die Kosten zum Baue und zur Unterhaltung der Kirchengebäude vorzugsweise aus dem Kirchenvermögen zu entnehmen. (§ 712. a. a. O ) Reicht dasselbe nicht hin, so muß der Ausfall von dem Kirchenpatron und den Eingepfarrten gemeinschaftlich getragen werden. (§. 720. a. a. O.) Nur von den Eingepfarrten, oder, was damit gleichbedeutend ist, „der Kirchengemeine,oder endlich von „den Einwohnern eines Kirchspiels" als subsidiarisch zum Beitrage Berpflichteten, mithin nur von Personen und nicht von Grundbesitzungen, spricht das Allgemeine Landrecht bei dieser Materie noch an verschiedenen Orten. (§§. 714 — 716. 718. 721. 725. 726. 729. 732. 736. 738. 739. 741. 744 745. 751. 752. 754. 755. u. s. w., a. a. O.) Der mit auf­ geführte §. 738. verpflichtet auch solche Eingepfarrte, die keine Grund­ stücke besitzen, zu Beiträgen, und zwar von ihren Nahrungen und Gewerben, nach dem Berhältniffe ihres Beitrages zu anderen Gemeine­ lasten. Mit Rücksicht auf Verpflichtete dieser Art kann also der Grund­ besitz unmöglich Subjekt der Verpflichtung seyn, da er gar nicht vor­ handen ist. Der gleichfalls mit genannte H. 741. spricht rückstchtlich

553

schäft verstehet es nicht etwa die Gesammtheit aller Mitglieder derselben Religionsparthei, sondern vielmehr jede individuelle Kirchengemeine. *) Eben daher bezeichnet denn auch das All­ gemeine Landrecht **) ganz konsequent die katholischen Pfarrgemeinen ausdrücklich als Gesellschaften. Es läßt sich zwar gegen diese Meinung der Einwurf der Stadtkirchen aus, daß die Bertheilung der Beiträge unter die Eingepfarrten auf eben die Art geschieht, wie andere gemeine persön­ liche Lasten und Abgaben nach eines jeden Ortes Berfassung aufge­ bracht werden. Hieraus ergiebt sich, daß die Parochial-Berpflichtung eine persönliche, nicht eine dingliche ist. Insbesondere ist die Beitrags-Verpflichtung zu den Bau- und UnterhaltungS - Kosten der zu kirchlichen Zwecken bestimmten Gebäude auch nicht zu den Kommunallasten zu zählen. Unter den Gemeinepflichten, welche im §. 37. Tit. 7. Th. II. des Allgemeinen Landrechts aufgezählt werden, kommt fie nicht mit vor, wiewohl die Aufzählung sonst Genauig­ keit und Vollständigkeit verräth, auch die von den Gemeinen in Bau und Besserung zu erhaltenden Gemeinegebäude sogar eine eigene Rubrik (Nr. 4.) auSmachen. Daß die Uebergehung jener Beitrags-Verpflichtung an diesem Orte eine blos zufällige seyn könnte, muß hiernach und um so mehr bezweifelt werden, als gerade diejenigen Gemeinepflichten haben zu­ sammengefaßt werden sollen, welche, waS ganz vorzugsweise von der Parochtal-Verpflichtung gilt, der Regel nach vorkommen. Der landrechtliche Begriff von Kommunal- oder Gemeinelasten hat unverkennbar die politische, nicht aber die Pfarr- oder Kirchengemeine zur Grundlage. Zufolge des wesentlichen Unterschiedes aber, welcher zwischen beiderlei Gemeinen stattfindet, tragen zu denjenigen Ge­ meinelasten, wovon das Allgemeine Landrecht handelt, alle Mitglieder der politischen Gemeine bet, ohne Rücksicht auf Verschiedenheit des Glaubens­ bekenntnisses; wogegen in der Pfarr- oder Kirchengeineine, da solche nur Glaubensverwandte umfaßt, diese allein beitragspflichtig, und KirchspielSbewohner eines anderen Glaubensbekenntnisses ausnahmsweise nur in dem Falle mit heranzuztehen sind, wenn sie sich dennoch der Kirche zu ih­ rem Gottesdienste mit bedienen. (Allgemeines Landrecht Th. II. Tit. 11. §§. 745. bis 747.) *) §. 36. a. a. O. ** ) 115. a. a. O.

554 machen, daß besonders in der katholischm Kirche die einzelnen Eingepfarrten auf die Verwaltung und Veräußerung des Pa, rochialvermögen« nicht den geringsten Einfluß hätten, indem

hierüber vielmehr der Bischof frei zu verfügen habe, weshalb

denn auch Zenen kein Antheil am Eigenthume de- Parochialvermögens zugeschrieben werden könne.

Allein dieser Einwurf

beruhet auf einer Verwechselung deS Rechts selbst mit der Ausübung deS Rechts; ferner der einzelnen Individuen mit

derjenigen Gesammtheit derselben, worin das Wesen einer Kor­ poration besteht.

Denn Nichts ist gewöhnlicher, als ein Ei­

genthümer, dem die Ausübung seines Eigenthums entzogen ist,

wofür z. B. jeder Unmündige als Beispiel dienen kann.

Zu­

gleich gehet aber die oben vertheidigte Meinung gar nicht dar­

auf, daS Eigenthum des ParochialvermögenS theilweise je­

dem einzelnen Eingepfarrten zuzuschreiben, indem eS vielmehr

(hier wie bei allen anderen Korporationen) ungetheilt der aus ihrer Gesammtheit bestehenden juristischen Person bei«

gelegt wird, von deren Verfassung es dann jedesmal abhängen wird, ob die einzelnen Mitglieder irgend einen Einfluß

auf

das der Gesammtheit zustehende Eigenthum haben sollen.

So

übt denn im vorliegenden Falle der Bischof ein sehr freies Bor­

mundschaftsrecht über das Parochialvermögen aus, ohne daß

deshalb das Eigenthum ihm beigelegt oder der Pfarrgemeine abgesprochen werden dürfte. Nach einer zweiten Meinung soll das Eigenthum am

Parochialvermögen nicht der Gesammtheit

der Eingepfarrten,

sondern vielmehr der mehr idealen, auf die Seelsorge der Ein­ gepfarrten abzweckenden, Pfarranstalt gehören, und es soll sich

damit

auf dieselbe Weise verhalten,

wie z. B. mit ei­

nem Hospitale oder einer Schule, in welchen auch das Eigen-

555 thum ihres Vermögens der Anstalt als solcher, und nicht der

Gesammtheit der Kranken, oder der Lehrer und Schüler, zu-

stehe. — Der Gegensatz dieser Meinung mit der vorher ent­

wickelten hängt indessen großentheils mit dem eben widerlegten

Einwurfe

zusammen

und

beide Meinungen

treffen

in ihren

praktischen Folgen wieder zusammen.

Endlich nach einer dritten, auch schon bei älteren Ka-

nonisten vorkommenden Meinung, soll in der katholischen Kirche das Eigenthum des ParochialvermögenS dem bischöflichen Stuhle

gehören, in dessen Sprengel die Parochie gelegen ist.

Der

positive Grund dieser Meinung, nämlich die ausgedehnte Be-

fugniß des Bischofs über die Verwaltung und Veräußerung des ParochialvermögenS, ist indessen bereits als nicht beweisend

dargestellt worden.

Was aber völlig gegen

diese Meinung

entscheidet, ist der von keinem Kanonisten bezweifelte Umstand, daß das Grundeigenthum zweier, in derselben Diözese liegen­

den Parochieen sowohl durch Usukapion verändert, als durch gegenseitige Realservituten modifizirt werden kann, welche Mög­ lichkeit gar nicht stattfinden könnte, wenn beide Grundstücke demselben bischöflichen Stuhle angehörten, und nicht vielmehr

zwei völlig getrennte Eigenthümer hätten.

Ueberhaupt scheint

in dieser Meinung verwechselt der uralte Zustand der katholi­ schen Kirche, in welchem der Bischof der einzige wahre Pfar­ rer der Diözese war,

und nur sein Amt durch Bikarien aus-

übte, mit dem gegenwärtigen, seit vielen Zahrhunderten aus­

gebildeten Zustande einer

festen Parochialverfaffung,

in wel­

chem jede Parochie eine eigene juristische Person darstellt und

ein selbstständiges Vermögen zu erwerben fähig ist. Somit kann nur die erste der drei Meinungen für die

richtige angenommen werden, und wenn danach der Gesammt-

556 heil der Eingepfarrten das Eigenthum der Parochialgüter ge­

hört, so ist auch in Ansehung der Person des Eigenthümers

zwischen den verschiedenen Bestandtheilen des ParochialBermögens kein Unterschied anzunehmen.

Dieses Vermögen

bestehet häufig aus folgenden Stücken:

a. Grundstücke, deren Ertrag meist zum Unterhalte des Pfar­ rers dient (Pfarrwiedemuth);

b. Kapitalvermögen, dessen Ertrag theils zu demselben Zwecke, theils zu den Kosten des Gottesdienstes und anderen all­

gemeinen Zwecken verwendet wird; c. das Kirchengebäude; d. häufig auch noch ein abgesondertes, lediglich zum Unter­ halte des Kirchengebäudes bestimmtes Vermögen. Die Verschiedenheit dieser Bestandtheile des Eigenthums kann

bei der Bestimmung des Subjektes des Eigenthums nicht in

Betracht kommen, vielmehr muß daS Subjekt des Eigenthums für alle diese Gegenstände ein und dasselbe seyn. Dieses vorausgesetzt, ist die Frage: unter welchen Bedin­

gungen hört das Daseyn jenes Eigenthums-SubjekteS auf? — in folgender Weise zu beantworten:

Alle Korporationen überhaupt hören auf, wenn auch nicht

ein einziges Mitglied mehr vorhanden ist, und zwar ist dieser

Satz

schon im Römischen Rechte anerkannt"), eben so auch

im Allgemeinen Landrechte").

So höret also auch die Kirchengesellschaft auf, wenn je­ des, auch das letzte Mltglied der Pfarrgemeine ausgestorben

*) L. 7. §. 2. Dig. quod cujusque univ. nom. — von Savigny, System, Bd. II. §. 89. S. 276. u. f. ** ) Th. II. Tit. 6. 177. 179.

557 oder weggegangen ist, wie denn diese Konsequenz im Allgemei­ nen Landrechte ausdrücklich anerkannt wird

Allein eine Pfarrgemrine unterscheidet sich von den mei­

sten andern Korporationen noch durch ihren enger begrenzten Zweck, welcher ausschließend auf die Gemeinschäft des öffent, lichen Gottesdienstes gerichtet ist, dergestalt, daß mit dem Aufhören oder der eintretenden Unerreichbarkeit dieses Zweckes

auch der Begriff dieser besondern Korporation selbst aufgeho­ ben ist.

Anstatt also, daß viele andere Korporationen, welche

nicht so auf einen bestimmten einzelnen Zweck angewiesen sind, lange Zeit in einem, oder in wenigen Mitgliedern fortdauern können,

so

hat in gleichem Falle

die Pfarrgemeine

in der

That schon aufgehört, sobald in der Zahl der Eingepfarrten eine so große und dauernde Berminderung eingetreten ist, daß

dadurch die regelmäßige Fortführung

des

öffentlichen Gottes­

dienstes unmöglich wird. Dies erkennet das Gesetz vom 13. Mai 1833.,") an,

indem es, zugleich

mit

analogischer Anwendung

der im $.

308. Tit. 11. Th. II. des Allgemeinen Landrechts angenommenen

Frist, verordnet im 1.

Eine Parochie ist als erloschen anzusehen, wenn

binnen zehen Jahren: a) entweder gar keine Mitglieder ihrer Religionspar-

tci in dem Pkarrbezirke einen orde,nttichcn Wohnsttz gehabt haben; b) oder gar kein Marrgottesdienst daselbst stattgekunden hat; •) Th. II. Tit. 11. §§. 172. 618. ") Gesetzsammlung für 1833. S. 51.

558 c) oder endlich die Lahl der Eingepkarrten kortwäh-

rend so gering gewesen, das; ;u einem ordentlichen Ptarrgottesdienst Kein Sedürknisi vorhandm war; und wenn das Gesetz hjnzufüget im

2. Entstehen Zweitel *) über das Dasegn der im

1.

ausgestellten Bedingungen, so sollen dieselbm ;u Un­ serer Allerhöchsten landesherrlichen Entscheidung vor­ gelegt werdm;

so gewähret eS alle Garantie dafür, daß darüber, ob die Be­ dingungen des Erlöschens vorhanden sind, jederzeit die genaueste Prüfung erfolge. Was nun aber die Folgen anlangt, welche das ver­ schwundene Daseyn des Eigenthums-Subjektes für das bishe­ rige Parochial-Eigenthum hat, so verordnet das Allgemeine Landrecht den Heimfall an den Landesherrn allge­ mein .für das Vermögen erlofchenener Korpora­ tionen **). *) Oft Ist der Fall eingetreten, daß mehrere katholische Pfarrge­ weinen wegen der verwinderten Zahl ihrer Mitglieder vereinigt worden sind. Zn solchen Fällen entsteht die Frage; ob da« Aufhören de« Eigen­ thum«-Subjekte« nach dem ursprünglichen Umfange der Pfarrei, »der vielmehr nach dem neuen, durch die Bereinigung bestimmten Umfange be­ urtheilt werden soll. Ohne Zweifel Ist Indessen die erste Art der Beurthei­ lung, d. h. die nach dem ursprünglichen Umfange, vorzuziehen, indem jene Bereinigungen blo« persönliche waren, d. h. blo« eine Person zum gemein­ schaftlichen Pfarrer mehrerer, in ihrem Umfange unveränderter Pfarr­ kirchen gewacht haben, wodurch da« Vermögen dieser einzelnen Parochleen nicht verschmolzen werden konnte. Diese Ansicht Ist für Fälle solcher Art nicht nur in dem gemeinen Kirchenrechte, sondern auf gleiche Weise in dem Allgemeinen Landrcchle anerkannt. Vgl. G. L. Böhmer, princ. jur. canon., §. 577, Allgemeine« Landrecht Th. II. Tit. 11. 246. 247. 752. 756. ") Th. II. Tit. 6. §. 192.

559 ES macht davon insbesondere auch Anwendung auf gänz­

lich erloschene Kirchengesellschaften und Parochieen.') Ueber solche Parochieen zwar, welche, ohne ganz auSge-

storben zu seyn, doch unfähig geworden sind, ihrem kirch­ lichen Zwecke zu genügen, enthält das Mgemeine Land­

recht keine allgemeine Verfügung.

Allein für einen wichtigen

Fall dieser Art, nämlich: wenn aus Mangel an Eingepfarrten die Pfarrstelle länger als zehen Zahre unbesetzt geblie­

ben ist, verordnet es gleichfalls den Heimfall an den Landes­

herrn. ***) Und nach der Analogie dieser speziellen Verfügung muß

derselbe Heimfall auch für alle übrigen Fälle derselben Art be­ hauptet werden.

Zwar ist nicht zu verkennen, daß für das Vermögen er­ loschener katholischer Parochieen

nach

kanonischem

Rechte

eine andere Regel gelten würde, indem der Bischof, vermöge

seines sehr ausgedehnten

ZnnovationSrechteS,

dem

Vermögen eine neue Bestimmung geben könnte.

vakanten

Allein diese

Regel des kanonischen Rechts ist auf katholische Parochieen un­

seres Landes nicht anwendbar.

Denn das Publikations-Pa­

tent des Allgemeinen Landrechts hebt in Nr. I. die Gültigkeit aller fremden Rechte (wohin das kanonische Recht auch

gehört) allgemein auf, und dasselbe kann also nur bei solchen Gegenständen zur Anwendung kommen, worin das Allgemeine

Landrecht speziell darauf verweiset. Bei der vorliegenden Frage findet sich aber eine solche Verweisung nicht, vielmehr

sprechen die oben angeführten Stellen des Allgemeinen Land-

°) Th. II. TIt. 11. ••) rh II. TIt. 11.

172. 618. 308.

560 rechts allgemein,

ohne Unterschied der ReligionSparcheien.

Daher ist es unzweifelhaft, daß in unserem Staate auch auf erloschene katholische Parochieen die Regeln des Allgemeinen

Landrechts angewendet werden müssen. Unter dieser Voraussetzung

bestimmt mithin das Gesetz

vom 13. Mai 1833. im 3.

Das einer Parochie zustehende vermögen, welches

bei ihrem Erlöschen (§§. 1. 2.) als herrenlos Unse­

rer landesherrlichen verkügung anheimkällt °), soll zum Vortheil derjenigen Neligionsparthei derselben Provinz

verwendet werden, welcher die erloschene Parochie an­ gehört hat; wobei zugleich dargelegt wird, daß der Landesherr, indem er als solcher über den verschiedenen Religionspartheien, ihnen al­

len einen gleichen Schutz gewährend, stehet, sein landesherrli­ ches Recht zur Erwerbung des vakanten ParochialvermögenS nur zum Vortheile derjenigen Kirchenparthei benutzt, wozu die erloschene Parochie gehört hat, und zwar in derselben Provinz.

Eine solche Verwendung des

Vortheile solcher Parochieen, sind,

ist nun

zwar

für die

vakanten Vermögens zum

die an anderen Orten gelegen meisten Vermögensstücke mög­

lich, indem es bei ihnen nur auf den Ertrag ankommt, wel­

cher überall auf gleiche Weise bezogen und benutzt werden kann. Anders verhält es sich jedoch mit dem Kirchengebäude, des­ sen Benutzung anderwärts als da, wo es liegt, nicht mög-

*) Die« tritt also auch ein, wenn die Kirche einen PrivatPatron gehabt hat, da da« Gesetz keine Au«nahmen In dieser Bezie­ hung aufstellt.

561 lich ist.

Deshalb ist es unbedenklich, dieses von dem übrigen,

an den Staat helmgefallenen Vermögen auszuscheiden und es der an demselben Orte befindlichen Parochic einer andern christ­

lichen RellgioSparthei zu übertragen.

Zugleich muß dann aber

auch derjenige Theil des übrigen Vermögens, welcher lediglich zur Erhaltung des Kirchengebäudes bestimmt war, und

daher als dessen Pertinenz anzusehen ist, dasselbe Schicksal

theilen.

Darum verordnet das erwähnte Gesetz in dem

4. Von der Vorschrift des §. 3. tritt in Ansehung des

vakant gewordenen Kirchengebäudes *) eine Ausnahme ein, indem dasselbe der an diesem Ort vorhandenen Pa-

rochie einer andern christlichen Religionsparthei zugewie­ sen werden soll, insofern dazu ein Bedürfnis) vorhan­ den ist; und im

5.

War ein Theil des übrigen vermögens der Parochie ausschlieszend und unzweifelhaft zur Erhaltung des

Kirchengebäudes bestimmt, so soll derselbe auch ferner

*) Das Kirchengeläute ist ein Zubehör des Kirchengebäudes und die im §. 4. gemachte Ausnahme gilt vom Kirchengebäude, einschließlich seines gesummten Zubehörs. In Beziehung auf die Kirchhöfe wird eS in jedem einzelnen Falle von der Individualität der Umstände abhängen, ob der Kirchhof als Zu­ behör der Kirche zu betrachten ist. Für die Regel wird dies allerdings anzunehmen seyn. Auch wird, wenn Umstände vorliegen, unter welchen eine Parochte für erloschen zu erachten ist, und welche das Bedürfniß der Ueberweisung des Kirchengebäudes an die Kirchengescllschaft einer andern Konfession herbeiführen, letztere gewöhnlich schon durch Verjährung ein Recht auf den Mitgebrauch des Kirchhofes erlangt haben.

— 562 — mit dem nach §. 4. M verwendenden Kirchengebäude ver­ bunden bleiben.

Zum Schluffe besagt der 6., daß das Gesetz in allen Landestheilen, worin das Allgemeine Landrecht Gesetzeskraft hat, ohne Ausnahme irgend einer Provinz, zur Anwen­ dung kommen soll.

XVI.

Ueber das Schutzgeld. •)

Allgemeinen

scheint

das Schutzgeld nach seinem histo­

rischen Ursprünge nicht sowohl als ein Ausfluß der Gerichts­

barkeit, als

vielmehr der Erbunterthänigkeit betrachtet werden

zu müssen.

Nach der alten Germanischen Verfassung

bedurften nur

Unfreie, d. h. die in eine Bolksgemeinde ohne echtes Eigenthum

an Grund und Boden aufgenommenen Individuen, des Schnzzrs freier Mitglieder der Gemeinde.

Der Unfreie hatte ge­

gen seinen Schutzherrn keine Rechte, und nur durch den letz­

teren war ihm sein Recht gegen Dritte gesichert; erst der Schutz Machte den Unfreien rechtsfähig. •) **)

auf dmch die Freilassung.

Die Unfreiheit hörte zwar

Aber diese machte den Freigelasse­

nen nicht unbedingt zum Mitgliede einer Bolksgemeinde,

er

bedurfte vielmehr noch immer eines Schutzes, der ihm den Besttz

solcher Rechte möglich machte, die er in einer Bolksge-

meinde erwerben, verfolgen oder vertheidigen wollte.

Deshalb

•) Bgl. da« Schlesische Archiv, Bd. E S. 1. und folg., S. 506. unbfolg., da« Centralblatt für 1840., S. 539. und 1135. unddieIahrbücher, Bd. 55. S. 1. und folg. ••) Bgl. Eichhorn, deutsche Staat«- und Recht«geschichte. 3.Au«gabe.

14—17.

564 mußte sich auch ein Freigelassener einen Schutzherrn wählen,

und wenn er dies nicht gethan, oder fein früherer Herr das Schutzrecht sich nicht Vorbehalten hatte, wurde er als Schutzhörig er des Königs behandelt.

Das Schutzrecht über einen

Freigelassenen gab dem Schutzherrn das Recht, ihn vor Ge­ richt zu vertreten, dessen Wehrgeld zu fordern und ihn vor

den Seitenverwandten zu beerben.

Außerdem konnte sich der

Schutzherr noch andere Rechte bei der Freilassung vorbehalten,

und dahin gehörte in der Regel ein Schutzzins, den über­ haupt der Schutzhörige seinem Herrn zu entrichten hatte.")

Späterhin hat sich zwar das Verhältniß der ursprünglich

Unfreien, der nachherigen Hintersassen, mannigfach geändert; im­ mer aber ist das Schutzgeld eine Abgabe geblieben, die die Hinter­

sassen, Pfleghaften, Hörigen, Mansi, Casati, oder wie die ursprüng­ lich Unfreien sonst benannt wurden — in Anerkennung ihrer

Abhängigkeit von dem Gutsherrn entrichten mußten."") Demgemäß

zählt

auch

Eichhorn

in

seinem deutschen

Privatrechte das Schutzgeld zu denjenigen besonderen Abgaben, welche der Leibeigene, sofern er den Schutz der Herrschaft genießt, zu entrichten verbunden ist.""")

Wenn hiernach das Schutzgeld einestheils keinesweges als ein Ausfluß der Patrimvnial- Gerichtsbarkeit zu betrachten ist,

letztere vielmehr in dem jetzigen Sinne dem Schutzherrn als solchen über die Schutzhörigen ursprünglich gar nicht zu­

stand,ch) so ergiebt sich zugleich, daß das Schutzgeld den ge-

°) Vgl. Eichhorn a. a. £)., H. 51. **) Eichhorn a. a. £)., 84»>. 343. 368. *”) Eichhorn, Einleitung in das deutschePrivalrecht, zweite Ausgabe, S. 205. und 206. t) Eichhorn, deutsche Staats - und Rechtsgeschichte, H. 86.

565 genwärtigen Verhältnissen überhaupt nicht mehr angemessen ist. Es giebt jetzt mir freie Leute; der Jnlieger und der kleinste

Grundbesitzer sind durchaus selbstständige, rechtsfähige Perso­

sie stehen vor dem Gesetze dem Gutsherrn gleich

nen;

bedürfen gung.

nicht

mehr

seines

Schutzes

und

seiner

und

Vertheidi­

Die Wohlthaten der Justiz- und der Polizeigewalt kom­

men ihnen in keinem höheren Grade als dem Gutsherrn zu

sie

statten;

pflege;

keineSweges

genießen

sie kontribuiren

StaatSlasten

einer

sportelfreien

Rechts­

wie der Gutsherr zu den allgemeinen

und erfreuen

sich in keiner Beziehung besonderer

Vorrechte.

Das Allgemeine Landrecht enthält ebenfalls keine Vor­ schrift, woraus ein Recht der Gutsherren

auf die Erhebung

von Schußgeldern gefolgert werden könnte.

Die einzige Stelle,

wo im Allgemeinen Landrechte des Schutzgeldes überhanpt nur

Erwähnung geschieht,

ist der §. 116. Tit. 17. Th. II.

Da­

selbst ist verordnet:

Schutzgelder und Laudemien gehören gewöhnlich zu den

Nutzungen der Civilgerichtsbarkeit. Damit ist aber nicht gesagt, daß

jeder Inhaber der Civilge­

richtsbarkeit, als solcher, Schutzgelder zu erheben berechtigt sey; vielmehr bleibt dies Recht, eben so wie dasjenige auf Laudemien, von einem besonders nachzuweisenden Erwerbsgrun de

abhängig.

Wäre es bei der Redaktion des Allgemeinen Land­

rechts die Absicht gewesen, ein neues oder allgemeines Recht

der Gutsherren ans Erhebung von Schutzgeldern zu konstituiren, so würde darüber in dem siebenten Titel des zweiten Theils, als dem Sitze der Materie,

den seyn. den

eine Bestimmung getroffen wor­

Eine solche findet sich hier aber nicht vor, obgleich in

113. —121. Tit. 7. a. q. O. umständlich von den

566 Schutzverwandten

und

von ihren Verpflichtungm

Gutsherrschaft gehandelt wird.

gegen

btt

Des Schutzgeldes geschieht da­

bei keiner Erwähnung, vielmehr wird hinsichtlich des Berhält-

nisses der Schutzvrrwandten zu der Gutsherrschaft im §. 116. a. a. O. zunächst auf etwanige Verträge, und in deren Er­

mangelung auf die Gesetze und Verfassungen einer jeden Pro­

vinz verwiesen. Zn letzterer Beziehung aber gehet aus den seit dem Zähre 1829. durch die Provinzialbehörden gesammelten Nachrichten zur Genüge hervor:

1. daß

vor

dem

Zahre

1807.

keine

allgemeine

oder

provinzielle Bestimmung erlassen worden ist, welche den

Gutsbesitzern das Recht zur Erhebung von Schutzgeldern verliehen hätte;

2. daß des Schutzgeldes vielmehr nur in einzelne

Distrikte erlassenen,

einzelnen, füt

und aus dem Unterthänig-

keits-Verhältniffe hervorgegangenen Gesinde-Ordnungen er­ wähnt ist; 3. daß die Erhebung desselben nur in einzelnen Dominial-

Bezirken, in andern nicht,

und wo sie stattfindet, nach

Ortsweise verschiedenen Sätzen geschiehet.

Hierin ist auch durch die neuere Gesetzgebung Nichts ge­

ändert worden. Das Edikt vom 9. Oktober 1807.*) veranlaßte'besonders in Schlesien mannigfache Bedenken und Anfragen, namentlich in Hinsicht des Verhältnisses zwischen den Gutsherrschaftm und Schutzunterthanen.

Auf den gutachtlichen Bericht der Schle­

sischen Landes-Kollegien erließen die Ministerien des Znnem

•) Gesetzsammlung für 1806—1810. . 7. Für völlig aufgehoben sind zu achten ic.:

e) das Recht, von den auswärts dienenden Unterthanen,

für

die Erlaubniß, außerhalb des Dorfs sich Unterhalt zu

suchen, ein bestimmtes Schutzgeld zu fordern,

f) das Recht,

von den sogenannten Schutzunterthanen,

außer dem §. 5. den Gutsherrn einzuheben nach­

gelassenen Schußgelde,

noch gewisse

observanzmäßigt

Dienste zu fordern, und zu verlangen, daß sie der Gutsherr­ schaft vorzugsweise dienen müssen.

Hierbei versteht es sich jedoch dagegen auch von selbst, daß

die Gutsherrschaft dergleichen Schutzunterthanen auch fer­ nerhin nicht die denselben zeither etwa zugestandenen Vor­

theile, wie beispielsweise an verschiedenen Orten mit Raff-

°) Gesetzsammlung für 1806 — 1810. S. 735. **) S. 557. und folg. a. a, O.

-

570



und Leseholz der Fall gewesen ist,

weiter

las­

zukommen

sen darf.

Eben so heißt es in der Verordnung wegen Aufhebung der Un-

terthänigkeit in dem Kottbusser Kreise,

den beiden Lausitzen

und den übrigen, vormals Königlich Sächsischen Landestheilen:*)

dieser Verord­

2. Mit dem Tage der Bekanntmachung

nung hören die aus der Erbuntetthänigkeit bisher ge­ flossenen nachstehenden Befugnisse der Gutsherren auf:

e) das Recht, von den Schutzunterthanen, und HauSleuten, außer dem nach

Hausgenossen

8. vorbehaltenen

Schutzgelde, noch gewisse observanzmäßige Dienste zu for­ dern, und zu verlangen, daß sie der Gutsherrschaft vorzugs­

weise dienen müssen.

Dagegen versteht sich von selbst, daß

die Gutsherrschaft dergleichen Schutzunterthanen, Hausgenos­ sen und Hausleuten auch die denselben zeither etwa zuge­

standenen Bottheile, wie z. B. an verschiedenen Orten durch Hütung oder Raff- und Leseholz der Fall gewesen ist, wei­

terhin

nicht mehr zukommen lassen darf,

Vorschrift auf Kontrakte

mit

auch

daß

freien Tagelöhnern,

diese

die

in

gutsherrlichen Häusern wohnen, keine Anwendung finde.

8. Es steht auch jedem Gutsbesitzer, so lange nicht we­ gen Verwaltung der Patrimonial-Gerichtsbarkeit et­ was Anderes verordnet worden,

ner die Befugniß zu,

in Zukunft fer­

von allen auf das Gut an­

ziehenden Schutzverwandten, Hausleuten und Znliegern, desgleichen auch von Ausgedingern, als Beihülfe zu den Lasten der Gerichtsbarkeit ein jährliches Schutz­

geld zu fordern.

*) Gesetzsammlung für 1819. S. 21. n. f.

571 Diese Bestimmungen der Heiden Verordnungen vom 8. April

1809. und vom 18. Zanuar 1819. sind es hauptsächlich, au« denen das Recht auf Erhebung von Schutzgrldern

wieder hergeleitet wird.

hin und

Bei einer richtigen Auslegung dersel­

ben kann indessen kein Zweifel darüber obwalten, dass auch sie den Gutsherren kein neues Recht auf Schutzgelder bei­ legen, vielmehr selbiges nur da fortbestehen lassen

wollen, wo es vor Aufhebung der Unterthänigkeit bereits existirte.

Es ist zwar früher zuweilen das Wort:

„ferner" im §. 5. des Publikandums vom 8. April 1809. als bloße VerbindungSpartikel und für gleichbedeutend mit dem Worte „desgleichen" angesehen, und darariS gefolgert worden, daß durch den §>. 5. cit. in Zukunft allen Gutsbesitzern ein

Recht auf Schutzgelder beigelegt sey.

Diese Auslegung ist je­

doch offenbar unrichtig.

Die Tendmz des Publikandums vom 8ten April 1809.

ging unstreitig dahin, die über die Folgen der Aufhebung der Unterthänigkeit, namentlich in Beziehung stuf die verschiedenen

Leistungen der vormaligen Unterthanen, angeregten Zweifel zu beseitigen,

und zu dem Ende zu bestimmen, welche Leistun­

gen zu den mit der Unterthänigkeit aufgehobenen und welche zu den nicht aufgehobenen gehören, mithin noch fort­ dauern sollen.

Neue.Prästationen sollten dadurch nicht ein«

geführt werden.

ES würde dies auch mit der schon im Edikte

vom 9ten Oktober 1807. ausgesprochenen Ansicht des Gesetz­

gebers, den Wohlstand des Landmanns zu befördern und ihn, so weit es ohne Verletzung wohlerworbener Rechte ausführbar ist, von Lasten und Abgaben zu befreien, im geraden Wider­ sprüche gestanden haben.

Der angegebenen Tendenz des Publikandums entspricht auch

572 die Wortfaffung

der eiiizelue» Bestimmungen.

Zn

den fünf

ersten Paragraphen wird von den mit der UnterthLnigkeit nicht

aufgehobenen Rechten gehandelt und die fortdauernde Befugniß der Gutsbesitzer zur Ausübung derselben anerkannt. heißt es im §. 1.:

„ Zeder Einwohner

ist

So

zur Leistung der

Lasten und Pflichten, welche er nach Znhalt des urbarii ge­ habt, auch in Zukunft ferner verbunden "

§. 2.:

„Ue-

berall, wo der Käufer Laudemien bezahlt hat, ist derselbe auch fernerhin solche zu entrichten verbunden."

§. 4.: „Webers

all, wo es zeither noch stattgefunden, ist der Gutsherr fer­

nerhin berechtigt, den Handwerkszins zu fordern."

Zn allen

diesen §§. bedient sich der Gesetzgeber des Ausdrucks „ ferner"

oder „ fernerhin", ohne dabei an

Abgabe zu denken.

Schaffung einer neuen

die

Nun folgt der §. 5. mit den Worten:

„in Zukunft ferner ein Schutzgeld zu fordern."

Nach diesem Zusammenhänge kann den Worten: „ferner, in Zukunft" kein anderer Sinn untergelegt werden, als daß da, wo bisher das Schutzgeld gegeben, solches, gleich wie die­

ses bei den vorigen §>§>. in Absicht anderer Leistungen gesagt ist, und woraus der Zdeengang

des Gesetzgebers hinlänglich

konstirt, auch ferner präßirt werden soll.

Denn was ferner,

d. h. fortwährend gegeben werden soll, muß schon vorher ge­

geben seyn.

Auch

ist

gar

nicht

abzusehen,

§. 5. dem Worte „ferner"

wie der Gesttzgeber im

plötzlich eine andere Bedeutung

geben und dasselbe als eine kopulative Partikel gebrauchen sollte, um mit den alten bereits bestandenen Abgaben eine angeblich

neu geschaffene in Verbindung zu setzen. Demgemäß haben

als auch

die übrige«

sowohl das Geheime Ober-Tribunal,

Gerichtsbehörden seit langer Zeit

stets

573





angenommen, daß jeder Gutsherr, der Schutzgeld in Anspruch nimmt, seine Berechtigung dazu Nachweisen, und entweder den Vertrags- oder observanzmäßigen Erwerb derselben dar­ thun muß.

Ueber die von

den Gerichten wegen des Nachweises der

Berechtigung zur Erhebung von Schutzgeldern in judicando angenommenen Grundsätze sind bereits in den Zähren 1827.

und 1828. von den betheiligten Landes-Zustiz-Kollegien Berichte erfordert,

aus denen sich ergiebt, daß stets der Nachweis ei­

ner Lokal-Observanz für ausreichend erachtet worden ist. Die­

ser

Ansicht

ist auch das Geheime Ober-Tribunal beigetreten,

und Scholtz bemerkt in

seinen Motiven zu dem Kurmärki­

schen Provinzialrechte, Bd. 2. S. 638., daß die Orts-Obser­

vanz zum Nachweise des Rechtes auf Schutzgeld fortwährend

in judicando für genügend angenommen worden sey.

Bon

einer s. g. Fundal-Observanz kann im vorliegenden Falle nicht füglich die Rede seyn, da das Schutzgeld nur von Personen,

nicht von Grundstücken erhoben worden ist.") Zn Betreff der zuweilen angeregten Frage: wie es in solchen Fällen zu halten sey, wenn vor 1807.,

statt des Schutzgeldes,

Schutzdienste geleistet worden,

oder

die Gutsherrschaft berechtigt war, alternativ Schutzgeld oder

Schutzdienste zu fordern; verstehet es sich von selbst, daß da, wo erweislich die geleiste­

ten Dienste ein Surrogat des Schutzgeldes wckren, das letztere

unzweifelhaft gefordert, und daß in solchem Falle die sonst nach

der Orts-Observanz abzumessende Höhe des SchutzgeldeS durch die General-Komissionen festgesetzt werden kann.

°) s. oben S. 297. mit folg.

— 574 —

Durch den §>. 7. litt. f. des mehrerwähnten Publikandums vom Sten April 1809., so wie durch den §. 2. der Ver­ ordnung vom ISten Zanuar 1819. ist übrigens daS Recht der Gutsherrschaften, von den Schutz-Unterthanen außer dem Schutzgelde noch gewisse observanzmäßige Dienste zu for­ dern, ausdrücklich und unbedingt aufgehoben. Es kann dabei auf den Zweck dieser Dienste, ob sie zum Behuf der Justizund Polizeiverwaltung oder wozu sonst geleistet worden sind, nicht weiter ankommen; sie haben mit der Unterthänigkeit auf­ gehört, insofern sie nicht lediglich als Surrogat des Schutz­ geldes anzusehen sind; neben dem letzteren können sie nicht gefordert werden. — Richterfuhren, die Bewachung der Gefan­ genen und andere Dienste dieser Art gehören in der Regel zu den Gemeindediensten und werden von den ansässigen Mitgliedern der Gemeinde, nicht aber von den Znliegern und andern Schutzverwandtew geleistet. Insofern sind sie aller­ dings nicht aufgehoben, stehen aber auch mit dem Schutzgelde in keinem Zusammenhänge. Endlich unterliegt es keinem Zweifel, daß da, wo die Entrichtung des Schutzgeldes observanzmä­ ßig ist, auch die in Gebäuden auf regulirtem Gmnde und Boden eingemietheten Znlieger demselbm unterworfen sind, die Anbauer selbst als wirklich freie Grundeigenthümer aber nicht, weil jene Abgabe stets nur von unangeseffenen Personen erhoben worden ist; und, daß die observanzmäßige Befreiung gewisser Personen, na­ mentlich der Invaliden und der über 60 Jahre alten Znlieger, von der Entrichtung des Schutzgeldes fortdauert.

- 575 -

Dagegen scheint es auf einem Irrthume zu beruhen, wenn zuweilen auch hinsichtlich der AltentHeilsbesitzer die Be­ freiung vom Schutzgelde als Regel vorausgesetzt wird. Denn sowohl im 5. des Publikandums vom 8ten April 1809., als auch im 8. der Verordnung vom 18ten Januar 1819. werden ausdrücklich die Ausgedinger zu den dem Schutzgrlde un­ terworfenen Personen gezählt.

XVII. Ueber die Rechtsverbindlichkeit eines Ver­ zichtes ans den Rechtsweg bei Verträgen der Privatpersonen mit StaatsBehörden *),

ADas Recht der Staatsgeuoffen, durch Privatverfügnngen rechts­

gültige Bestimmungen über ihre Privatverhältnisse zu treffen, ist

mancherlei Einschränkungen unterworfen.

Sie liegen in dem

Wesen des Staatsverbandes und in dem Begriffe des Ge­ meinwesens, in der Natur der Gegenstände und in den po­

sitiven Gesetzen, welche, sey es ansdrücklich, oder schon ihrem Zwecke lind ihrer Richtung nach, die Privatwillkühr auss^lie-

ßen.

Nothwendig findet diese ihre Grenze bei solchen Rechts-

Berhältniffen, die sich auf das öffentliche Recht, oder die öf­ fentliche Ordnung beziehen; sie findet nicht statt, daß auch dieses Falles erwähnt werde, bei solchen Gegenständen, welche

die Rechte dritter Personen berühren. Die Handhabung der öffentlichen Ordnung ist das erste

Gesetz, dem alles Uebrige untergeordnet ist.

Gesetze, welche

darauf Bezug haben, welche das allgemeine Interesse, das Zn-

°) Der Gegenstand ist schon im Jahre 1810. und dann insbesondere in den Jahren 1823. und 1826. zur Sprache gekommen. Bgl. die Gene­ ral-Akten des Justiz-Ministeriums: V. Nr. 18.

— 577



teresse der Individuen in ihrer Gesammtheit betreffen, können un­

möglich, sie können eben deswegen nicht von ihrer Willkühr ab­ hängen, weil sie den Einzelnen nur in seiner Verbindung mit dem Ganzen, nicht als Einzelnen zum Gegenstände haben.

Hier

handelt es sich nicht von den Rechten der Bürger gegen ein­

ander, nicht von ihren Pnvatverhältniffen, seyn mögen.

wichtig

so

diese

Hier tritt eine höhere Beziehung ein, wodurch

hinwieder das Wohl jedes Einzelnen bedingt ist.

Diesen Grundsätzen haben alle Gesetzgeber gehuldigt; nur

daß die Begriffe vom öffentlichen Rechte, so wie vom gemeinen

Wohle, ohnehin etwas vager Natur, nicht wenig von einan­ der abweichen,

je nach dem Zustande und der Eigenthümlich­

keit der Völker, je nach den Veränderungen, die sich mit ih­ nen im Laufe der Zeit ereignet haben.

Daher ist es auch er­

klärbar, daß die Autonomie in den verschiedenen Gesetzgebun­

gen aus

sehr

verschiedene

Werse

beschränkt ist,

daß manche

Handlung durch die eine erlaubt, durch die andere verboten ist. Alles hängt hier von

die eine Legislation durchdringen,

den Hauptideen und Grundsätzen ab,

in ihren

mannigfaltigen Verzweigungen

von den Begriffen und Maximen,

die in ihr

leben und weben, mit einem Worte, von dem Geiste, der sie

beseelt und beherrscht.

Nach der diesseits bestehenden Gesetzgebung, die darin von

anderen nicht abweicht, gehört zur öffentlichen Ordnung Alles,

waS die Verfassung des Staats, die Einrichtung der Gesell­

schaft, die politische Hierarchie, den Rang und den Stand der Personen und andere soziale und bürgerliche Verhältnisse be­

trifft.

Gesetzen über dergleichen Gegenstände kann nach Gefal­

len nicht derogirt werden. Insbesondere

kommen

hier

in Betracht

die

37

Verfassung

578 und die Kompetenz der Gerichte, der Rechtsgang und da- ge­

richtliche Verfahren, so wie die dabei zu beobachtenden Formen. Hier gilt nach allen Gesetzgebungen als Regel, die viel­ leicht nur scheinbare AuS>mhmen zuläßt: Was die Gesetze blos

zum Vortheile der Partheien eingeführt haben, ist ihrer freien

Verfügung überlassen; was aber aus höheren Gründen eingeführt worden, darüber findet kein Vertrag und kein Verzicht Statt.*)

Von ihrer Wahl hängt es daher ab, welches gesetz­

liche Mittel sie zur Verfolgung ihrer Rechte vorziehen; sie kön­ nen auf die Vereidigung der Zeugen Verzicht leisten; sie kön­

nen sich über manches Andere, wobei es sich blos von ihrem Vortheile handelt, vertragen, sich diese und jene Verpflichtung erlassen.

Dagegen steht es nicht in ihrer Macht, die Fatalien

der Rechtsmittel z. B., sehr verschieden von Terminen, unter sich zu verlängern.

Eine solche Uebereinkunft wäre mit dem

Zwecke deS Gesetzgebers, tue Prozesse abzukürzen, nicht verein­ bar, am wenigsten in solchen Staaten, wo die große Lebhaf­

tigkeit des Verkehrs eine prompte Justiz fordert.

Sie können

ferner den Richter nicht nöthigen, etwas Zweckloses oder wohl gar Zweckwidriges vorzunehmen, unnütze Eide zuzulaffen, dunkle,

unschlüssige, ungereimte Klagen anzunehmen. von ihnen ab,

Es hängt nicht

durch ihre Verabredung dem Verfahren eine

solche Wendung zu geben, daß unter der Gestalt eines ge-

richtlichm Prozesses fortgesetzt würde.

nahe.

eigentlich

nur eine Vergleichsverhandlung

Die Gründe von alle Diesem liegen sehr

Die Parteien würden über Etwas verfügen, was ih­

rer Willkühr entzogen ist, weil es nicht blos ihren Vortheil

°) Vgl. Anhang §. 102. zu §. 703. TIt. 2. Th. II. des Allgemeinen Landrecht«.

579 bezweckt, der im Gegentheil ganz andern Rücksichten unterge­

Sie greifen in die Sphäre des

ordnet ist.

Gesetzgebers ein,

der nun einmal diese Form und keine andere für die zweckmä­

ßigste, dieses Verfahren und kein anderes für das angemessenste

hält.

Ohne eine gewisse Einförmigkeit in öffentlichen An­

gelegenheiten ist keine Ordnung möglich.

Es kann nicht Ze­

der, am wenigsten bei gerichtlichen Verhandlungen,

seinen ei­

genen Weg gehen, und eben so wenig kann es erlaubt seyn, die gerichtlichen Formen zu besonderen Zwecken zu mißbrauchen

und da,

wo Ernst und Würde und Wahrheit den Vorsitz

führen sollen, ein leichtsinniges Spiel zum Scheine zu treiben.

Ein Gegenstand nimmt hier vor anderen die Aufmerksam­ keit in Anspruch: die Prorogation der Gerichtsbarkeit.

Die Grenzen der Gerichtsbarkeit und der davon abhangende

Gerichtsstand gehören zum öffentlichen Rechte.

Nach

allge­

meinen Grundsätzen können sie durch Verträge der Untertha­ nen weder aufgehoben, noch abgeändert werden.

Doch haben

die Gesetze hier verschiedene Ausnahmen gestattet,

theils zur

größeren Bequemlichkeit der Partheien, theils, weil selbst das Interesse der Justiz zur Erleichterung und

Beförderung

des

RechtSgangeS eine Milderung der strengen Grundsätze erheischt. Sie haben das öffentliche mit dem Privatintereffe zu vereini­

gen gesucht.

Dieses

Streben verrathen

alle Bestimmungen,

wenn "sie sich gleich in den Mitteln vergriffen.

So weit aber

hat sich kein Gesetz verirrt, daß es die Prörogation, die ohne­

hin, als eine Abweichung von der gesetzlichen Ordnung, keine besondere Begünstigung verdient, auf eine obrigkeitliche Person erlaubt hätte,

der überhaupt keine Gerichtsbarkeit, oder nur

eine höchst unvollkommene, sehr beschränkte zustcht.

Sie ist

vielmehr nur insofern zulässig, als der Richter die Gattung

37*

580 der Gerichtsbarkeit ausübt, wozu der Rechtshandel gehört^).

Gerichte überhaupt,

Außerordentliche

deren Zuständigkeit sich

nur auf gewisse Sachen (certum genus causarum) beschränkt, so selbstständig sie sich in dem ihnen angewiesenen Kreise be­

wegen,

dürfen

über

Vorwande erkennen.

theien, ist

nicht

Gegenstände

anderer Art unter

keinem

Hier vermag die Einwilligung der Par­

so mächtig in vielen Fällen, durchaus Nichts. den Rechtsstreit

verwehrt,

Es

bei einem andern Civil-

Gerichte anhängig zu machen, als demjenigen, in dessen Bezirk der Beklagte wohnt.

Dagegen ist es nicht erlaubt, die Beru­

fung von einem ersten Znstanzgericht an einen Appellationshof zu bringen, dem dieses Gericht nicht untergeordnet ist*) **) Eine gewisse

Konsequenz wird man hierin nicht vermissen.

Der Gesichtspunkt

des öffentlichen Rechts ist auch in dieser Materie vorherrschend,

ohne daß man jedoch das Privatintereffe vernachlässigt hätte.

Durch diese einleltende Betrachtung wird der Weg zur Auflösung der Frage gebahnt:

ob es einer Privatperson, welche mit einer Staatsbehörde einen Vertrag über einen Gegenstand des Privateigenthums

abschließt, rechtsgültig gestattet sey, etwanige Streitigkeiten, die wegen der Auslegung und Erfüllung des Vertrages ent­ stehen können,

unter Verzichtleistung

auf den Rechtsweg,

im Voraus der Entscheidung der mit derselben kontrahiren-

den Staatsbehörde zu unterwerfen. Wenn ein solcher Verzicht ungültig seyn soll,

so muß

die Unzulässigkeit desselben aus allgemeinen Grundsätzen

der bestehenden positiven Gesetze sich nachweisen lassen; keines*) Vgl. von Daniels, Handbuch. Bd. 1. 78., S. 266. und folg. **) Vgl. §. 100. des Anhanges zur A. G. O. und Nr.50. der Instruktion

vom 7. April 1839. (Gesetzsammlung für 1839. S. 152.)



581



wegeS aber braucht er durch ein bestimmtes spezielles Gesetz

untersagt zu seyn. Nun können zwar auch die Verwaltungsbehörden in ihrem eigenen abgesonderten Kreise Verfügungen erlassen, Beschlüsse

fassen, Entscheidungen geben, und das Eine^ so wie das An­ dere, in vielen Fällen mit Zwang geltend machen und vollzie­

hen. °)

Diese und andere Rechte und Befugnisse sind wichtig

und bedeutend; aber sie begründen noch keine Gerichtsbarkeit,

und es ist weit davon entfernt, daß diejenigen, welche sie aus­ üben, wirkliche, gesetzlich anerkannte Richter wären. Gerichtsbar­ keit oder richterliche Gewalt (potestas judiciaria), inwiefern sie

ein Ausfluß der Zustizhoheit ist, steht ihnen so wenig zu, daß sie vielmehr für unvereinbar mit ihren Attributionen an­ Mit den Kammer-Justiz-Deputationen hörte die

gesehen wird.

Gerichtsbarkeit auf, welche die Landespolizey - und Finanzbehör­

den ausübten.

Auf die Gerichte ging die ungetheilte Verwal­

tung des richterlichen Amtes über, wie die Verordnung vom

26. Dezember 1808. •) **) sich ausdrückt.

Keine Kammeralju-

stiz — war von nun an der Grundsatz, der sich immer mehr und mehr befestigte, und jetzt zu den Fundamental-Prinzipien

der Preußischen Staatsverwaltung gehört.

Wenn die Regierungen auch jetzt noch in gewissen strei­

tigen Sachen entscheiden, so liegt eben darin die vollkommenste Bestätigung geblieben,

obiger Behauptung. weil

sie Verwaltungs-,

oder doch dafür gehalten werden.

Diese Sachen

sind

ihnen

feine Zustizsachen

sind,

Zn

der Natur,

in der

Wirksamkeit und in den Befugnissen der richterlichen Gewalt

hatte man

den Leitfaden gefunden,

die Grenzlinien zwischen

•) Vgl. von Daniel«, Handbuch. Bd.I. §§. 5.—16., S. 6. und folg. ”) Gesetzsammlung für 1806 — 1810. S. 468. §■ 14.

582 diesen verschiedenen Gegenständen zu ziehen.

Wäre hierin ein

Mißgriff geschehen, die deutlich ausgesprochene Absicht, das Eine

von dem Anderen zu trennen, blieb unverändert.

Zn der Be­

stimmung der einzelnen Fälle konnte man irren; Andere könn­ ten anderer Meinung seyn, besonders da, wo die Sache auf der Grenze schwankt.

kommt es allein an.

fest und darauf

Der Grundsatz steht

Man wollte die administrativen Behör­

den auf ihre eigentliche Bestimmung beschränken und von al­

ler Theilnahme an der Verwaltung der Justiz ausschließen. Ist

Fall,

nun,

wie aus Allem hervorgeht, dies wirklich der

haben die Regierungen keine Gerichtsbarkeit,

auch keine auf sie prorogirt werden.

so kann

Die bloße Einwilli­

gung der Parthei kann sie nicht zum Richter machen, ihren Entscheidungen die Kraft richterlicher Aussprüche nicht verlei­

hen. gen

Nehme man indeß einen Augenblick an: die Regierun­

hätten

ein Analogon

von Gerichtsbarkeit,

jedoch

eine,

schwer zu defiiiirende, Art von richterlicher Gewalt in strenger,

eigentlicher

Bedeutung,

so würde

daraus

bei Weitem

noch

nicht folgen, daß die den Gerichten übertragene, der Natur der Sache nach ihnen gebührende Gerichtsbarkeit, oder auch nur

ein Theil derselben, auf die Regierungen erstreckt werden könne. Zur Prorogation ist es nicht hinreichend, daß der Richter überhaupt eine Zurisdiktion hat, irgend eine Gerichtsbarkeit be­

sitzt; er muß auch, wie oben dargelegt ist, mit derjenigen Art

von Gerichtsbarkeit versehen seyn, wozu die Streitsache, von deren Prorogation die Frage ist, gehört.

Nun aber wird Nie­

mand behaupten wollen, daß den Regierungen eine Civiljurisdiktion,

ein

Gerichtsbarkeit

über Mein

und

Dein,

zustehe,

woraus sich denn der Schluß von selbst ergiebt, daß auch von einer Prorogation nicht die Rede seyn könne.

Zu einer sol-

583 chm genügt es nicht einmal, daß der Richter in gewissen Civilsachen Ausnahmsweise kompetent ist.

Diese

Grundsätze hat auch die Prozeßordnung (Tit. 2.

& 161.) anerkannt, und es verdient hier vorzüglich bemerkt zu

werden, daß zu einer Zeit, da die Kammer-Zustiz-Deputatio­

nen noch existirten, denen offenbar eine Gerichtsbarkeit zustand, gleichwohl eine Prorogation zwischen den Justiz- und KammerKollegien unzulässig war.

Auf andere Weise als dlirch Prorogation ist es aber nicht möglich, die Gerichtsbarkeit jh übertragen.

gen der ersteren fehlen,

Wo die Bedingun­

kann durch Privatübereinkunft keine

Jurisdiktion geschaffen werden.

Auf dem Standpunkte des öffentlichen Rechts leidet

es also keinen Zweifel, daß die einem Vertrage zwischen Pri­ vaten und dem Fiskus bcigefügte Klausel in Betreff des Ver­

zichtes auf den Rechtsweg ungültig und unverbindlich ist.

Es sey hierbei vergönnt, eine Stelle aus einem berühm­ ten Schriftsteller über den Deutschen gemeinen Prozeß anzusüh-

ren, welche zur Rekapitulation und znr Bestätigung des Ge­ sagten dienen kann.

„Gerichtsbarkeit in einem vorkommenden Streite und Fähigkeit zum Richteramte, sagt Gönner, sind Bedingun­

gen, ohne welche Niemand als Richter betrachtet werden kann.

Insbesondere gilt

auch bei den mit Gerichtsbarkeit in einer

Rücksicht versehenen administrativen Stellen, daß sie in eigener

Sache nicht urtheilen, nicht richten können, find.

wo sie Parthei

Ist also ein Gegenstand an sie gebracht, worüber sie als

Richter zu entscheiden nicht vermögen, so kann keine Proroga­ tion,

keine

künstliche Wendung ihnen

die Eigenschaft

eines

Richters, zu der sie als Parthei durchaus uusähig sind, ver-

584 schaffen.

Selbst wenn ihnen die Gründe für das Recht ihres

Gegners ausführlich vorgelegt wurden, wenn man bei ihnen das Recht in Anspruch nahm, steht die Handlung nur in der

Linie der Aeußerungen von Parthei zu Gegenparthei, und ihre darauf gefaßten Beschlüsse sind keine Entscheidung, sondern nur Rückäußerungen an ihren Gegner; denn vor Ausbruch eines

Rechtsstreites kann jeder Theil seinem Gegner die Gründe sei­ nes Rechts vorlegen, um ihn zur Anerkennung

des Rechts

ohne Prozeß zu bewegen und einem Rechtsstreit dadurch vor­

zubeugen, ohne daß dadurch die Parthei zum Richter gemacht

wird, was absolut unmöglich Miethverträgen

ist.

über Kammergüter

Die Nachlaßgeschäfte bet

und

Zehnten,

Irrungen

über Holz und Waidgerechtigkeiten, Grenzstreitigkeiten bei Kammergütern und ähnliche Gegenstände, bei welchen eine admi­ nistrative Stelle nur als Parthei erscheint, gehören in die Klaffe der Fälle, wo ein solches Kollegium niemals in der Eigen­

schaft eines Richters betrachtet werden kann, deren Beschlüsse

und Aeußerungeu,

wenn sie auch in anderer Rücksicht Ge­

richtsbarkeit haben, niemals ein Urtheil, wiederholte Erklärun­

gen kein Znhäsivbescheid werden, also auch eine Appellation we­ der nöthig, noch erlaubt machen; da man doch keinen Richter der höhern Instanz sich denken kann, wo eine erste Instanz

und ein Bescheid eines untern Richters nicht vorherging."*)

Aber auch auf einem andern Wege läßt sich die Unstatt­ haftigkeit des in Frage stehenden Verzichts aus den bestehenden Gesetzen darthun. Man nehme zuerst den Fall an, daß die Entsagung auf

den Rechtsweg in einem zwischen Privatpersonen geschlosse-

*) Handbuch de« deutschen gemeinen Prozesse«, Band 2. Abthei­ lung XXVI. 29.

585

nm Vertrage enthalten und zugleich verabredet wäre, daß für

den Fall etwaniger Streitigkeiten über dessen Auslegung, An­ wendung und Erfüllung der eine Kontrahent der Entscheidung des andern sich unterwerfe. wendigen Voraussetzung

nicht

Es wird dabei nach einer noth­

die Absicht

der Kontrahenten

seyn können, die Bestimmung oder Erfüllung des Bettrages in

die Willkühr des Verpflichteten, was bei einem bilateralen

Uebereinkommen, als z. B. einem Kaufe, beide Kontrahenten sind, zu legen, weil alsdann die Uebereinkunft selbst gar keine

Verbindlichkeit haben würde. Zn dem Französischen Gesetzbuche ist ausdrücklich das Wesen des Vertrages darin gesetzt,

daß Jemand eine Verbindlichkeit eingehe und daß der Gegen­ stand derselben bestimmt sey, daß mithin die Willkühr des Versprechenden dabei gebunden werde.

Art. 1101. Code civil. Le conlrat est une Convention, par laquelle une ou plusieurs personnes s’obligent, envers une ou plusieurs autres, ä donner, ä faire, ou ä ne pas faire quelque chose. Art. 1108. Quartre conditions sont essentielles pour la validile d’une Convention: Le consentement de la partie, qui s’oblige;

Sa capacite de contracter; (Jn objet cerlain, qui forme la matiere de l’engagemenl; Une cause licite dans l’obligation. Ganz übereinstimmend verordnet das Allgemeine Landrecht Th. I. Tit. 5. §.71.: Verträge, deren Gegenstand sich gar nicht bestimmen läßt,

oder deren Bestimmung oder Erfüllung der Willkühr

des Verpflichtetrn lediglich überlassen ist, sind unver, bindlich. Aehnliche Grundsätze finden sich in allen positiven Geseßgebnn, gen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die Absicht aller Betträge doch nur nur dahin geht, Verbindlichkeiten zu begründen, es aber damit im Widerspruch stehen würde, wmn zugleich die Bestimmung und Erfüllung der eingegangeBerbindlichkeit der Willkühr des Versprechenden überlassen bliebe. Wo sich daher in einem Vertrage die Klausel findet, daß für den Fall etwaniger Streitigkeiten über dessen Auslegung, An­ wendung und Erfüllung der eine Kontrahent der Entscheidung des andern sich unterwerfen wolle, muß man, um den Ver­ trag selbst eines wesentlichen Erfordernisses zu seinem Bestehen nicht ermangeln zu lassen, voraussetzen, daß durch die Klau­ sel demjenigen, zu dessen Gunsten sie gemacht ist, keine Will­ kühr eingeräumt werden sollte, ob und wie er als Kontra­ hent erfüllen wolle; daß vielmehr wirkliche, feste und be­ stimmte Verbindlichkeitm, und zwar in einem bilateralen Ver­ trage gegenseitig, eingegangen worden, und nur das Urtheil, worin diese bestehen, oder was beide Kontrahenten zu leisten haben, bei den hinterher darüber entstehenden Streitigkeiten dem einen Kontrahenten überlassen seyn solle. Das Verhält­ niß würde sich hiernach dahin stellen, daß der letztere als Kon­ trahent wirklich gebunden und insofern ein Vertrag vorhan­ den sey; daß derselbe aber zugleich, wenn eine Verschiedenheit der Meinung über den Inhalt der übernommenen Verbindlich­ keit entsteht, durch die Klausel zum Richter oder Schiedsrich, ter in seiner eigmen Sache bestellt worden. Die Untersuchung führt nun zu der Frage, ob dies in einem Vertrage rechtsbeständig verabredet werden könne.

587 Zn der Abstraktion läßt sich zwar das Verhältniß, worin Jemand einen Kontrakt abschließt, oder er als Kontrahent erscheint, von demjenigen, worin er hinterher über einen

streitigen Punkt des Vertrages richten soll, wohl unterschei­ den. So wie aber ein Streit entsteht, gilt es ein Auseinandergehen der Interessen, und von dem Richtenden wird verlangt, daß er denselben nicht nach seinem Interesse, sondern nach der Gerechtigkeit entscheide. Wann ist es aber möglich, bestimmt zu erkennen, ,ob eine Person, welche Kon­ trahent und Richter in einer Person ist, nicht nach ihrem Interesse, welches sie als ersterer hat, sondern nach der Ge­ rechtigkeit, welche von ihr in der letzten Eigenschaft gefordert

wird, in dem vorausgesetzten Falle eine Entscheidung gegeben habe? Und wenn dies auch genau zu unterscheiden wäre, und der andere Kontrahent nicht blos die Ueberzeugung für sich ge­ wönne, sondern es auch nachweisen könnte, daß der Entschei­ dende blos seinem Interesse gefolgt sey, würde ihm die« Etwas helfen, nachdem er sich einmal der Bestimmung des letzteren durch die Klausel unterworfen hat, vorausgesetzt, daß diese Wirkung haben soll? Ist nicht vielmehr die Sache mit der bloßen Weigerung, Etwas zu geben oder zu leisten, oder mit der bloßen Forderung, daß Etwas gegeben oder gelei­

stet werde, von Seiten desjenigen, zu dessen Gunsten die Klau­ sel ist, schon entschieden, so daß praktisch sich nicht einmal die Vorstellung einer Streitigkeit, welche erst entschieden

werden soll, davon abtrennen läßt? Man wird nicht leicht annehmen können, daß Jemand mittelst einer ernstlichen

Willenserklärung, die ein anderes wesentliches Erforderniß zu einem Vertrage ist/) auf ein solches Verhältniß sich einlassen °) Allgemeines Landrecht, Th. L Tit. 4. §§. 4. und 2?.

— 588 Der Wirkung nach hätte er wenigstens der Will-

werde.

kühr des Mitkontrahenten, dessen Entscheidung er sich gefallen lassen will, Inhalt und Gegenstand des Vertrages zum Vor­

aus Preis gegeben, und dies führt auf die obige Bemerkung

zurück, weshalb unter solchen Umständen ein Vertrag gar nicht als bestehend gelten kann. Bisher

ist

die Sache blos

den.

rein

privatrechtlich,

Verhältnisse beider Kontrahenten zu einander,

im

betrachtet wor­

Wie stellt sich dieselbe, wenn der in Folge der Klausel

von dem einen Kontrahenten wirklich erfolgten Entscheidung, welcher der andere sich nicht fügen will,

nun Wirkung ge­

geben und zu dem Ende Zwang angelegt werden soll, wobei das Verhältniß zum Staate berührt wird?

Nach dem Allgemeinen Landrechte °) ist Niemand befugt,

sich durch

eigene Gewalt Necht zu verschaffen.'"')

Derselbe

Grundsatz findet sich auch in der Französichen Gesetzgebung. Der Kontrahent, welcher in dem Falle ist, die von ihm er­

folgte Entscheidung gegen den Mitkontrahenten in Ausführung gebracht zu wünschen, muß zu dem Ende den Beistand des Staats nachsuchen.

Dieser wird aber nie auf die Requisition

einer Privatperson zur bloßen Exekution eines von ihr

über

eine

vielmehr

Privatstreitigkeit erscheint

mit

Hülfe des Staats sucht, trahenten,

gethanen

dem Anträge

Ausspruches desjenigen,

gewährt;

welcher

die

zwischen ihm und dem ändern Kon­

gegen welchen sie gesucht wird,

eine Streitigkeit,

deren Beurtheilung der Staat vor sich ziehen muß, bei allen Streitigkeiten zwischen Privatpersonen

der Fall ist.

Der so sich bildende Streit betrifft die Frage:

") Einleitung §. 77.

Bgl. von Daniel«, Handbuch. Bd., I.

wie es

4. E. 4—5.

589 ob der eine Kontrahent der von dem andern in Folge der Klausel erfolgten Bestimmung sich fügen müsse. Da

die Entscheidung

Streitigkeiten

fallenden

der

den

zwischen Privatpersonen

durch

die

Gesetze

vor­

angeordneten

Gerichten überlassen werden muß, *) so kann über jene Frage

auch nur vor Gericht verhandelt werden.

Wollten sich diese

hierbei nur darauf beschränken, zu untersuchen:

ob

in

dem

Vertrage

überhaupt

Klausel

eine

sich

finde,

welche dem einen Kontrahenten die Befugniß zur Entschei­

dung aller über die Auslegung, Anwendung und Erfüllung des Vertrages entstehenden Streitigkeiten einräume,

und ob jener Kontrahent eine Entscheidung gegeben habe, ohne auf eine Prüfung einzugehen,

ob die Entscheidung nach

dem übrigen Inhalte des vorliegenden Vertrages auch gerecht sey und gerechter Weise hätte gegeben werden können, so wür­

den sie sich,

und mit sich den Staat,

in dessen Namen sie

handeln,

zum blinden Werkzeuge des Willens einer Parthei

machen.

Nicht die Autorität

der Gerechtigkeit,

sondern die

physische Macht der Regierung würde derselben geliehen, und der

Zwang, welcher stattfände, wäre dem Wesen nach nichts An­ deres, als Selbsthülfe, welche nur mit den physischen Mitteln

der Regierung ausgeführt würde.

Die biShengen Bemerkungen

haben nur

den Fall vor

Augen gehabt, wenn derjenige Kontrahent, zu dessen Gunsten

die Klausel gemacht ist,

selben

von

ihm

auf den Grund einer in Folge der­

gemachten Entscheidung,

Kontrahenten Etwas fordert.

von

dem

andern

Sie finden aber nicht minder

•) Einleitung zum Allgemeinen Land rechte, §. 79. Einleitung In die

Prozeßordnung, §. 1.

590 Anwendung,

wenn

dem

letztern Etwas,

was er

aus dem

Vertrage für fich fordern zu können glaubt, von dem erstem,

in Gemäßheit einer von diesem getroffenen Entscheidung, ver­

Denn entweder ist mit jener Klausel der Ver­

weigert wird.

in

verbindlicher Form gar nicht zu Stande ge­

und

dann ordnen sich die gegenseitigen Ansprüche,

selbst

trag

kommen,

etwa wegen

der von einem Theile bereits geschehenen Erfül­

lung, nach den Grundsätzen, welche überhaupt für dergleichen

Fälle in den Gesetzen vorgeschrieben sind, oder es handelt sich

um die Frage,

ob

die Entscheidung des Kontrahenten nach

dem Inhalte des Vertrages

wenn

die Gerichte

dieselbe

gerecht

nicht

sey,

vor

und

dann

würde,

ihre Kognition ziehen

wollten, jener Kontrahent befugt seyn, sich selbst durch seine Entscheidung Recht zu verschaffen, was dem

77. der Einleitung

zum Allg. Landrechte entgegen ist. Die Preußischen Gesetze sind so weit entfernt, jene Be-

fugniß, sich selbst Recht zu verschaffen, einer vertragsmäßigen Verabredung frei zu geben, *) daß nicht einmal, wenn Par­ theien auf dritte Personm als Schiedsrichter"*) kompromittirt

haben,

der Ausspruch der letzterm selbst da unbedingt gelten

darf, wo die Partheien sich verpflichtet haben, ihm ohne Wi­ derrede sich unterwerfen zu wollen.

Behauptet nämlich eine

Parthei

die

Nichtigkeit eines solchen schiedsrichterlichen Aus­

spruchs,

so

steht

ihr,

jener

Verpflichtung

ungeachtet,

frei,

binnen zehn Tagen nach Eröffnung desselben sich an den ordent­

lichen Richter zu wenden."**) *) Bgl. Bornemann, systematische Darstellung der Preußischen Clvil-

Recht«, Bd. l. §. 46. Nr. 5. S. 291. ”) Bgl. von Daniels, Handbuch. Bd. I. H 83., S. 293. und folg.

S. 316—317. *A) Prozeßordnung Tit. 2. H. 174.

591

Nichtig aber soll der Ausspruch seyn: 1) wenn die Partheien nicht gehört, oder offenbar erhebliche

Thatsachen ganz unerörtert gelassen; 2) wenn gegen ein, den vorliegenden Fall ganz klar ent­

scheidendes Landesgesetz erkannt worden.*) Schon in dem Römischen Rechte findet sich eine hierher gehörige, sehr treffende Bestimmung.

Es heißt nämlich L. 51.

D. de receptis (IV. 8.):

Si de re sua quis arbiter factus sit, sententiam dicere non polest: quia se facere jubeat aut petere prohi-

beat. Neque autem imperare sibi, neque se prohibere quisquam potest. Auch die Französischen Gesetze wissen Nichts von einer Befugniß, sich selbst Recht zu schaffen.

lichen Ordnung

wodurch

entgegen

ist,

Da dies der öffent­

so sind auch Berabredungen,

es zugestanden werden soll, durch

den Art. 6. des

Code civil untersagt.

On ne peut d^roger par des conventions particulieres aux lois,qui Interessent Vordre public et lesbonnesnaoeurs. Was rüeksichtlich

der bestehenden Gesetzgebung

nach der bisherigen Darstellung von den Verträgen bloßer

Privatpersonen gilt, das leidet aber bei den Vetträgen des Fiskus mit Privatpersonen keine Ausnahme.

Alle Streitigkeiten

Befugnisse

des Fiskus mit Privatpersonen über

und Verbindlichkeiten,

welche auf Verträgen

be­

ruhen, sollen im ordentlichen Wege Rechtens, nach den

Gesetzen des Staates, erörtert und entschieden werden.**)

") Ebendaselbst §. 172. ••) Allgemeine« Landrecht, Einleitung, §. SO. und Th. H. Tit. 14. §§. 81. und 82.

592 Es ist daher der Fiskus, wo er Verträge schließt,

so­

wohl in der materiellen Beurtheilung seiner Streitigkeiten, als in deren formalen Behandlung, ganz unter das gemeine Recht gestellt,

welches für Privat-Kontrahenten gegeben ist.

So wenig daher die Klausel, wodurch in Privatverträgen die künftig entstehenden Streitigkeiten von einem Kontrahenten der Entscheidung des andern unterworfen werden,

nach den frü­

heren Bemerkungen

so wenig kann

der FiSkuS in

rechtlichen Bestand

den Verträgen,

hat,

welche er für sich abschließt,

sich diese Unterwerfung mit Erfolg versprechen lassen.

Zwar gesteht die Verordnung vom 26. Dezember 1808.,

indem sie die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts wegen der Zulässigkeit des rechtlichen Gehörs bei Streitigkeiten mit

dem Fiskus aus den mit ihm abgeschlossenen Verträgen von Neuem wiederholt, den Regierungen die Befugniß zu: „insofern von Erfüllung jener Verträge die Erreichung be­

stätigter Etats abhängt (wie vorzüglich bei Pachtungen

von Domainen und Regalien der Fall ist),

und die Er­

füllung der kontraktmäßigen Verbindlichkeit verweigert wird, nach vorheriger summarischer Vernehmung des Weigernden,

ein

vorläufiges Liquidum festzufetzen und dasselbe vom

Schuldner sogleich einziehen zu lassen.*) Aber einmal möchte diese Befugniß nicht auf alle und

jede Verträge des Fiskus, sondern nur auf solche 'auszudehnen seyn, die von der Natur sind, daß überhaupt ein vorläufiges Liquidum des Schuldners sich festsetzen läßt, wie es nament­ lich

bei

den

Verträgen

mit Pächtern

von Domainen

und

*) Gesetzsammlung für 1806. bl« 1810. S. 474.-475. §§• 41. und 42. Nr. 2., und für 1826. S. 11. unter a.

593

nutzbaren Regalien der Fall ist, und dann soll mit der vor­ läufigen Festsetzung und Eingehung des Liquidums das recht­

liche Gehör überall nicht ausgeschlossen seyn. Aus dem Vorstehenden folgt demnach, daß die Verab­

redung des Fiskus mit einer Privatperson, wodurch diese ver­ spricht, die über die Auslegung und Erfüllung eines mit dem

FiSkus geschlossenen Vertrages entstehenden Streitigkeiten der

Entscheidung der mit ihr kontrahirenden Staatsbehörde, Berzichtleistung werfen,

auf

nach

den

den Rechtsweg,

im Voraus

bestehenden Gesetzen

mit

unter­

zu

rechtliche

ohne

Wirkung ist. Dieser Grundsatz entspricht auch dem Geiste der Gerech­

tigkeit und dem wohlverstandenen Interesse des Staates.

Die

unpartheiische Entscheidung, welche statt einer richterlichen gel­ ten kann,

läßt sich

nur von

demjenigen erwarten,

weder das Interesse der einen,

berücksichtigen

hat,

deffei» amtlicher Beruf

vielmehr nur ist, gerecht zu seyn.

welcher

noch der andern Parthei zu und Interesse es

Diese Eigenschaft findet sich

nicht bei einer kontrahirenden Staatsbehörde.

Sie ist durch

die Gesetze dazu berufen, wenn sie Verträge eingeht, zunächst nur

daS Interesse

des Fiskus

zu

berücksichtigen,

wie

jeder

Kontrahent nur das seinige wahrnimmt; dieselben Gesetze ver­

pflichten sie auch,

wenn hinterher auS dem Vertrage Streit

entsteht, den ihrer Ueberzeugung nach für den Fiskus dadurch

begründeten Vottheil festzuhalten, Schaden und Nachtheil aber von demselben möglichst abzuwenden.

ist

hiernach

Ihre Amtswirksamkeit

wesentlich auf ein Parthei-Interesse angewiesen.

Nicht selten kommt der Fall vor, daß der Fiskus in seinen

Rechtsstreitigkeiten, welche vor den Gerichten verhandelt wor­ den, unterliegt.

Wenn man dabei der Behörde durchaus kei38

594 nen Vorwurf darüber machen kann, aus dem Vertrage gemacht, hobenen bestritten,

daß sie einen Anspruch

oder einen daraus gegen sie er­

und dadurch zu dem Prozesse Veranlassung

gegeben hat, indem sie ohne Ueberzeugung von ihrem Unrechte das Interesse

des Fiskus

nicht

willkührlich

aufopfern

kann,

so beweisen dagegen von der andern Seite die wider fiskali­ schen Behörden ergangenen Erkenntnisse, vatpersonen

ihrer

der

aus Verträgen

würden, wenn sie sich der Entschei­

verlustig gegangen seyn dung

wie oft schon Pri­

wohlbegründeten Ansprüche

kontrahirenden

Staatsbehörde

hätten

unterwerfen

müssen.

So verhält es sich schon bei einer strengen Amtswirksamkeit der kontrahirenden Staatsbehörde.

Nicht immer können es aber die-oberen Staatsbehörden bei aller angewandten Aufmerksamkeit verhindern, daß nicht in

einzelnen Fällen Beamte bei der Unterhandlung und Abschlie­ ßung von Verträgen, wobei sie den Fiskus vertreten, sich eine

Handlung oder Unterlassung zu Schulden kommen lassen, welche ihrer Pflicht entgegen läuft und doch zugleich von dem wesent­

lichsten Einflüsse auf den Inhalt des Vertrages ist.

Wenn

daher hinterher aus dem Vertrage Streit entsteht, so stößt die kontrahirende Behörde,

insofern derselbe von ihr

entschieden

werden kann, auf die Versuchung, .die Entscheidung so zu tref­ fen, daß sie nicht selbst aus einem fehlerhaften Vertrage, wel­

chen sie hauptsächlich aus Vertrauen auf den von ihr bei der Unterhandlung gebrauchten Beamten genehmigt hat, für einen

dem Fiskus erwachsenden Schaden verantwortlich werden könne.

Welcher Antrieb, bei dem ?lbschluße von Verträgen für das Interesse des Fiskus aufmerksam zu seyn, die Verhältnisse

wohl zu überlegen, sich selbst vor Irrthum zu hüten, und den

595 Mttkontrahenten nicht in Zrrthnm zu versetzen, wird der kontrahirenden Behörde entzogen,

wenn

sie

selbst die über die

Auslegung, Anwendung und Erfüllung des Vertrages entste­

henden

Streitigkeiten

entscheiden

kann.

Welche

Unsicherheit

muß dadurch in das ganze vertragsmäßige Verhältniß mit ei­

ner Staatsbehörde kommen,

wenn

die Privatperson,

welche

mit ihr kontrahirt, für den Fall einer entstehenden Streitigkeit nicht mehr den Rechtsweg, sondern den guten Willen der Be­

hörde, mit welcher sie im Streite liegt, als alleinige Hülfe zur Aussicht hat! Liegt nicht in dem Nachtheile, welcher aus die­ ser Unsicherheit für

die Privatperson entspringt,

ein Anreiz,

durch Bedingungen in dem abzuschließenden Vertrage sich zu

entschädigen, welche von der andern Seite die für den Staat zu erhalten gewesene Vortheile vermindernd

Ze mehr der Gesinnung nach Gerechtigkeit in einer Re­ gierung waltet, desto weniger kann sie auch Anstand nehmen, dem Ausspruche der zur Garantie der äußeren Handha­ bung derselben bestellten Gerichte sich zu unterwerfen.

XVIII. Ueber die Zulässigkeit -es Rechtsweges in Beziehung auf polizeiliche Verfü­ gungen').

jFie Verordnung vom 26. Dezember 1808•) **) enthält in den

38. bis 40. folgende Bestimmungen:

§. 38.

Ueber

polizeiliche

Verfügungen

der

Regierungen,

von welcher Gattung sie seyn mögen, steht der Weg

Rechtens unbedingt sowohl über die Verpflichtung als den Schadenersatz,

jedem offen,

sobald entweder

die

Verfügung einer ausdrücklichen Disposition der Ge­ setze direkte

entgegenläuft,

speziellen RechtStitel

oder die Klage auf einen

begründet

wird,

vermöge

dessen

der Kläger das, der durch, die Polizeiverfügung ange­

ordneten Verbindlichkeit,

entgegenstehende Recht gültig

erworbm zu haben behauptet.

Zn dem letzteren Fall erstreckt sich die richterliche Beurtheilung jedoch nur über die Gültigkeit des spe-

•) Bgl. das Arnsberger Archiv, Jahrgang 8. S. 282. und folg. ”) Gesetzsammlung für 1806. —1810. S. 473 — 474.

597 ziellell RechtstitulS an sich, und die daraus entstehen­

Zn

den rechtlichen Folgen.

aber der spezielle

sofern

RechtStitul unbegründet befunden wird, Prüfung

und

es auf

der Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit der

Polizeiverfügung ankommt, tritt die Bestimmung des

H. 40. eln. §. 39. Die Regierungen sind jedoch im zweiten Falle des vorigen §>. re. berechtigt, des Widerspruchs ungeachtet,

mit der Ausführung sofort vorzugehen, und die Exe­

kution

verfügen,

zu

wenn ihrem

pflichtmäßigen

Er­

messen nach, damit ohne Nachtheil des Allgemeinen bis

zur richterlichen Entscheidung nicht gewartet werden kann. §. 40. Wird die Klage hingegen nicht speziell auf eines der beiden

nur

vorerwähnten Fundamente

auf

die

allgemeine

(§>. 38.),

bürgerliche Freiheit und die

Prinzipien vom freien Genuß seines

gründet,

sondern

Eigenthums ge­

so stehet den Gerichten keine Kognition über

die Nothwendigkeit zum allgemeinen Besten,

und die

Zweckmäßigkeit der polizeilichen Anordnung zu; es wäre

denn, daß eine richterliche Erörterung darüber in den Gesetzen,

wie z. B. §. 8. Tit. 1. der Forstordnung

für Westpreußen vom 8. Oktober 1805., ausdrücklich

nachgelassen

kann in

worden.

Zst solches nicht geschehen,

diesem Fall niemals

über

so

die Verpflichtung

zur Befolgung der Polizeiverfügung,' sondern nur dar. über eine rechtliche Klage gestattet werden, ob und in wie weit sonsten, jedoch unter voraus­ gesetzter

Nothwendigkeit

und Zweckmäßigkeit

der

Verfügung, ein Entschädigungsanspruch wegen der­ selben dem Kläger nach den Gesetzen zustehe.

598

Die richterliche Einwirkung tritt jedoch in vollem Um­ fange ein, wenn entweder von der höhern Polizeibe­ hörde die Verfügung gemißbilligt worden, oder der letz­ teren grobe Fahrlässigkeit, oder gar vorsätzliche Beein­ trächtigung, zum Grunde liegt. Auch ist dieser nur von Polizeiverfügungen für emzelne Fälle zu verstehen, nicht von solchen, durch welche etwas im Allgemeinen festgesetzt wird. Zu den letztem müssen die Regierungen jedesmal die Genehmigung der höhern Polizeibehörde haben. Ist diese aber erfolgt, so findet auch wider Polizeiverfügungen der letztem Gat­ tung nur unter den vorher festgesetzten Modalitäten der Weg Rechtens statt. *) •) Das Reglement über die Bertheilung der Geschäfte zwischen den Landeskollegien in Ostpreußen und Lil thauen vom 21. Juni 1804. ver­ ordnet, gleich dem für die Entschädigungsländer erlassenen Reglement vom 2. April 1803. (N. C. C. T. XL S. 1573. Nr. 16. de 1803. und T. XL Nr. 31. de 1804.), im §. 6. Nr. 6.: Wenn in Landes - Polizei - Angelegenheiten Verfügungen zu treffen find, die keinen Verzug leiden, und wobei die förmliche Erörterung und richterliche Entscheidung eines dagegen stch findenden Widerspruchs ohne Nachtheil des Ganzen nicht abgewartet werden kann, so kann die Kammer ihre Verfügung, des Widerspruchs ungeachtet, zur Ausführung bringen, und dem Weigernden bleibt nur Vorbehalten, die ihm dafür etwa gebührende Vergütung oder Entschädigung im ordentlichen Wege des NecbtS bet den Landes-Justiz-Kollegien auszuführen. Außerdem ist festgesetzt, daß die Landes-Justiz-Kollegien nicht befugt find, den Kammern darin Einspruch zu thun, oder Hindernisse in den Weg zu legen, viel weniger die Anordnungen der Kammern wieder aufzuheben, oder gegen dieselben eine Klage in possessorio summariissimo zu ver­ statten , vielmehr soll ihnen nur frei stehen, ihre Bedenken gegen die An­ ordnungen der Kammern denselben oder dem Justiz-Ministerium zur Rück­ sprache mit dem Finanz-Departement mitzutheilen, und dem Betheiligten überlassen bleiben, wenn fich ergiebt, daß die zur Ausführung gebrachte Anordnung der Kammer widerrechtlich gewesen, seine Entschädigung im Wege Rechtens geltend zu machen,

599

Die gedachte Verordnung läßt hiernach in Bezug auf po­ lizeiliche Verfügungen den Rechtsweg offen:

1.

wenn die Verfügung einer ausdrücklichen Disposition der

2.

wenn die Klage aus einen speziellen Rechtstitel gegründet

Gesetze durchaus entgegenläuft;

wird, vermöge dessen der Kläger ein Recht erworben zu haben behauptet, welches der, durch die Polizeiverfügung

angeordneten Verbindlichkeit entgegensteht (§. 38.); 3.

wenn von der höher» Polizeibehörde die Verfügung ge­

mißbilligt worden ist; 4.

wenn der Verfügung grobe Fahrlässigkeit oder vorsätzliche Beeinträchtigung zum Grunde liegt;

5. wenn, unter vorausgesetzter Nothwendigkeit und Zweckmä­

ßigkeit einer Polizeiverfügung, dem Kläger wegen dersel­ ben ein Entschädigungsanspruch nach den Gesetzen zusteht. (§. 40.) In dem Falle zu 5. kommt die Verbindlichkeit zur Be­

folgung der polizeilichen Verfügung in dem Prozesse gar nicht in Frage.

Zn

den Fällen zu 1. und 2. ist der Rechtsweg

nach §. 38. unbedingt, sowohl über die Verpflichtung als

den Schadenersatz, gestattet; in dem Falle zu 2. ist aber nach

§. 39. die Polizeibehörde ermächtigt, die Verfügung, des da­

gegen erhobenen Widerspruches ungeachtet, zur Ausführung zu bringen, wenn damit nach ihrem Ermessen ohne Nachtheil des

Allgemeinen bis zur richterlichen Entscheidung nicht werden kann.

gewartet

Zn den Fällen zu 3. und 4. tritt, wie der

§. 40. sich ausdrückt, die richterliche Einwirkung im vollen Umfange ein.

Hiernach würde die richterliche Kognition nicht

nur über den Schadenersatz, sondern auch über die Verpflich­ tung begründet seyn; allein in diesem Umfange kamt sie hier

600 gar nicht eintreten, da in dem Falle zu 3., wenn die Verfü­ gung von der höheren Polizeibehörde gemißbilligt und hierdurch

außer Kraft gesetzt worden ist, von einer Verbindlichkeit zur Befolgung derselben nicht mehr die Rede seyn kann, und in dem Falle zu 4. eine Klage wegen grober Fahrlässigkeit oder

vorsätzlicher Beeinträchtigung erst dann, wenn die Verfügung bereits zur Ausführung gebracht worden, möglich ist, wonach die Verbindlichkeit zur Folgeleistung nicht mehr in Frage kom­ men kann.

Die angeführten Bestimmungen des §>. 40. beru­

hen in dieser Hinsicht auf einer unklaren Auffassung des Ge­

genstandes und bedurften einer Berichtigung.

Gegen die Be­

stimmungen, welche in den §>§. 38. und 39. hinsichtlich des auf

einen speziellen Rechtstitel gegründeten Widerspruches getroffen sind, war an sich Nichts zu erinnern; dagegen beruht die Be­

stimmung des §. 38. hinsichtlich des Falles, wenn eine Poli­ zeiverfügung einer ausdrücklichen Disposition der Gesetze direkt

entgegenläuft, weder auf einem richtigen Prinzipe, noch auf

einer festen Basis; sie ist es, welche Zweifel

und Konflikte

hauptsächlich veranlaßt hatte.

Die Frage: ob eine Polizeiverfügung einer ausdrücklichen Disposition der Gesetze direkt entgegen laufe, ist bei der Einlei­ tung des Prozesses nicht vollständig zu übersehen und von sub­

abhängig; die

gedachte

Bestimmung

entbehrt aus diesem Grunde einer festen Basis.

Sie ist da­

jektiven Ansichten

bei

sehr

im Prinzipe unrichtig;

denn

eine

polizeiliche Verfügung

kann nicht um deshalb, weil sie einem ausdrücklichen Gesetze

zuwiderläuft,

allgemein der Entscheidung der Gerichte unter­

worfen werden,

da vor deren Forum grundsätzlich nur Ge­

genstände des Privat-Eigenthums gehören.") •) Prozeßordnung, Einleitung.

1.

601 Da hiernach die Bestimmungen der erwähnten

38. bis

40. theils unklar, theils nicht angemessen geordnet waren, so daß sie in der Ausführung zu vielen Zweifeln Anlaß gaben,

so wurde eS nöthig, die Frage: inwieweit überhaupt gegen eine polizeiliche Verfügung eine Berufung auf richterliche Entscheidung zulässig sey;

gesetzlich zu entscheiden, was durch das Gesetz vom 11. Mai

1842.*) geschehen ist.

Bei der Beantwortung obiger Frage mußte man von dem

Geschäftskreise ausgehen, welchen die Gesetze den Polizei- und Justiz-Behörden zugewicsen haben.

Nach

dem

Allgemeinen

Landrechte Th. II. Tit. 17. §. 10. besteht das Geschäft der Polizei darin:

die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Pu­ blikum oder einzelnen Mitgliedern desselben drohenden Ge­

fahr zu treffen. Die bürgerliche Gerichtsbarkeit hat dagege«; nach §. 4.

a. a. O. und §. 1. der Einleitung zur Prozeßordnung die

Untersuchung und Entscheidung der Streitigkeiten über Sachen und Rechte, welche einen Gegenstand des Privat-Eigenthums

ausmachen, zum Gegenstände.

Da eine jede

Staatsbehörde

innerhalb ihres Geschäftskreises selbstständig seyn muß, so folgt

von selbst, daß die Polizeibehörde allein zu beurtheilen hat, ob ein

Fall vorhanden ist, in welchem Anstalten zu denr obigen Zwecke ergriffen

werden

müssen,

und

welche Maaßregeln zu diesem

Zwecke zulässig und angemessen sind, so wie, daß Zweifel und Beschwerden, die in dieser Beziehung entstehen, von der vor»

*) Gesetzsammlung für 1842. S. 192. bis 194.

602 gesetzten Behörde entschieden werden müssen.

Die richterliche

Wirksamkeit kann dagegen nur alsdann eintreten, wenn durch eine solche polizeiliche Verfügung die Verletzung eines zum Pri-

vateigenthume

gehörenden Rechts erfolgt ist,

und

muß sich

darauf beschränken, zu entscheiden, ob eine solche Verletzuug vorgefallen ist, und welche rechtlichen Folgen dies nach sich zieht.

Es kann darnach in Fällen, in denen durch die polizei­ liche Verfügung kein Recht des Privatcigenthums gekränkt wor­

den, von der Zulassung des Rechtsweges gegen diese Verfügung nicht die Rede seyn.

Dieses spricht der §. 1.*) des Gesetzes vom 11. 1842. aus.

Mai

Derselbe beantwortet zugleich die Frage:

welche Verfügungen im Sinne des Gesetzes als polizei­

liche anzusehen seyen,

da solche einen weiteren und engeren Begriff zulaffen, und tiach letzterem sich auf die zur Erhaltung der öffentlichen Si­

cherheit und Ordnung und zur Abwendung von Gefahren ge­

troffenen Anordnungen beschränken Das Gesetz unterstellt denselben Begriff,

wie die Ver­

ordnung vom 26. Dezember 1808., und dieser ist der wei­ tere, wie sich daraus ergiebt, daß der §. 38. jener Verord­ nung ausdrücklich von polizeilichen Verfügungen aller Gat­

tungen spricht, und die gebaute Verordnung in den

1

bis 4. die Geschäfte der Regierungen in drei Zweige, nämlich

°) §. 1. Beschwerden über polizeiliche Verfügungen jeder Art, sie mögen die Gesetzmäßigkeit, Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit derselben betreffen, gehören vor die vorgesetzte Dienstbehörde. Der Rechtsweg ist in Beziehung auf solche Verfügungen nur dann zuläsflg, wenn die Verletzuug eines zum Privat-Eigenthum gehörenden Rechts behauptet wird, und nur unter den nachfolgenden näheren Be­ stimmungen.

603

a) Hoheitssachen,

b) Landespolizeisachen,

c) Finanzsachen, eintheilt und an diese Eintheilung in den

35. bis 42. die

Bestimmungen über die Zulässigkeit des Rechtsweges in Ange­ legenheiten des RegierungS-Refforts anschließt.

Zn den

35. bis 37. wird von den Hoheitssachen, in den §§. 38. bis 40. von den Polizeisachen und in den von den Finanzsachen gehandelt.

44. bis 42.

Die Polizeisachen um­

fassen hiernach Alles, was nicht Hoheits- oder Finanzsache

ist, und in diesem Sinne, folglich in dem weitesten, ist der Begriff von polizeilichen Verfügungen aufgefaßt in den Wor­

ten des §. 1. des Gesetzes vom 44. Mai 4842.: „polizeiliche

Verfügungen jeder Art." Nachdem dergestalt die Aufstellung des allgemeinen Grund­ satzes über die vorliegende Materie an der Spitze der Gesetzes

im §.4. erfolgt; im zweiten Satze desselben aber der Gesichts­ punkt, aus welchem die Zulässigkeit des Rechtsweges im All­ gemeinen aufznfassen sey, hervorgehoben ist, bestimmt der H. 2.*): daß der Rechtsweg zulässig ist, wenn eine Exemtion von der, aus der polizeilichen Verfügung entspringenden Verbindlichkeit

aus einem besonderen Rechtsgrun de behauptet wird, wobei es keinen Unterschied macht, ob dieser besondere ExemtionS-

Grund in einer speziellen gesetzlichen Vorschrift, in einem Privile­ gium, oder in einem andern speziellen RechtSvsrhältniffe beruhet. *) H. 2. Wenn derjenige, welchem durch eine polizeiliche Bexsiigung eine Verpflichtung auferlegt wird, die Befreiung von derselben auf den Grund einer besonderen gesetzlichen Vorschrift oder eines spe­ ziellen Rechtstitels behauptet, so ist die richterliche Entscheidung sowohl über das Recht zu dieser Befreiung, als auch über deffelt Wirkungen zulässig.

604

sobald die be­

Zu diesem Falle soll nach dem §>. 3. *),

hauptete Exemtion durch rechtskräftiges Erkenntniß für begrün­ det befunden ist, die polizeiliche Verfügung,

so

weit solches

an sich noch möglich ist, außer Wirksamkeit treten.

Wenn

dieselbe periodisch wiederkehrende Leistungen zum Gegen­

stände hat, so muß also in Ansehung der letzteren von der Zeit der Rechtskraft des Erkenntnisses an, dieses lediglich maaßge­

bend seyn. Dadurch, daß die richterliche Entscheidung, wenn sie zu

Gunsten deS Klägers ausfällt,

die Aufhebung

der

polizeili­

chen Verfügung, wenn solche an sich noch möglich ist, jeder­ zeit zur Folge hat, unterscheidet sich der Fall des

3. von

dem des §. 4., indem in dem letzteren Falle nur insofern, als

die Polizeibehörde es für zulässig hält, die Wiederherstellung deS früheren Zustandes erfolgt.

Die

3. und 4. haben wesentlich verschiedene Fälle

im Auge; der §. 3. betrifft die Aufrechthaltung einer beson­ deren Exemtion von einer polizeilichen Verpflichtung; woge­

gen der §. 4. von dem Ersätze eines, durch eine polizeiliche

Verfügung zugefügten Schadens handelt, welcher nicht in Ver­ letzung einer besonderen Exemtion besteht.

Daß in dem er­

sten Falle die richterliche Entscheidung pro futuro vollständig

') §. 3. Die Verfügung (H. 2.)'kann jedoch, des Widerspruchs un­ geachtet, zur Ausführung gebracht werden, wenn solches nach dem Er­ messen der Polizei-Behörde ohne Nachtheil für das Allgemeine nicht aus­ gesetzt bleiben kann. Nach ergangenem rechtskräftige» Erkenntnisse muß die Polizei-Behörde dessen Bestimmungen bei ihren weiteren Anordnun­ gen beachten. — Der erste Satz dieses daß die Polizeibehörden befugt find, ihre Verfügung, der Provokation auf richterliche Entscheidung ungeachtet, zur Ausführung zu bringen, sobald Gefahr beim Verzüge obwaltet, ergiebt sich aus der Natur der Sache.

605 befolgt werden müsse, liegt in der Natur der Sache. Zn dem

zweiten Falle konnte ein Aehnliches nicht bestimmt werden, weil polizeiliche Anordnungen, welche einem speziellen Rechte

nicht entgegen laufen, öfters von der Art seyn können, daß sie, obgleich einen Rechtseingriff enthaltend, doch ungeachtet

der faktischen Möglichkeit der Wiederherstellung des früheren Zustandes, nicht zurückgenommen werden dürfen; z. B., wenn sie im Interesse eines fortdaliernden, sanitätspolizeilichen Be­

dürfnisses erlassen worden sind.

Der Schlußsatz des

3. spricht übrigens nur von

dem, wozu die Behörde verpflichtet ist; das landesherr­ liche sus eminens’) bleibet hierbei, so wie bei allen anderen Dispositionen dieses Gesetzes, ganz unberührt. In Bezug auf den §. 4. ”), dessen bereits vorher ge­

dacht worden, ist noch hervorzuheben,

daß die Polizei bei

Nothständen nicht selten in den Fall kommt, zur Abwen-

wendung oder Verminderung einer gemeinen Gefahr in das Privateigenthum eingreifen zu müssen; z. B. wenn bei einer großen'Feuersbrunst, um deren weiteren Verbreitung Schran­ ken zu setzen, die Abreiffung eines von den Flammen noch •) Vgl. die Motive vom Jahre 1839. jum ersten Theile de« bürger­ lichen Gesetzbuches, S. 38. und folg. ”) §. 4. Steht einer polizeilichen Verfügung ein besondere« Recht auf Befreiung (.§. 2.) nicht entgegen, es wird aber behauptet, daß durch dieselbe ein solcher Eingriff in Privalrechte geschehen sey, für welchen nach den gesetzlichen Vorschriften über Aufopferungen der Rechte und Vortheile de« Einzelnen im Interesse de« Allgemeinen, Entschädigung gewährt werden muß, so findet der Rechtsweg darüber Statt: ob ein Eingriff dieser Art vorhanden sey, und zu welchem Betrage dafür Entschädigung geleistet werden müsse. Eine Wiederherstellung de« frtiheren Zustande« kann In diesem Falle niemal« verlangt werden, wenn solche nach dem Ermessen der Polizeibehörde unzulässig ist.

606 nicht ergriffenen Hauses nöthig gefunden wird.

Die Befugniß

der Polizeibehörde hierzu ist eben so wenig jemals in Zweifel gezogen worden, als anderer Seits das Recht desjenigen, wel­

cher sein Eigenthlim hat Entschädigung.

aufopfern muffen,

In dem Allgemeinen

auf vollständige

Landrechte ist indessen

jener Fall nicht besonders vorgesehen; dagegen ist solcher un­ ter der Bestimmung der Verordnung vom 26. Dezember 1808.,

§.40., welche mit den Worten: „Ist solches nicht gesche­ hen" beginnt, mitbegriffen und durfte deshalb hier nicht über­

gangen werden. Es soll demnach der Rechtsweg stattfinden, wenn die polizeiliche Verfügung einen solchen Eingriff in die

Privatrechte des Klägers enthält, für welchen nach den Ge­

setzen über Aufopferuug der besondern Rechte und Vortheile des Einzelnen im Znteresse des Allgemeinen, Entschädigung

gewährt werden muß, und der Richter soll alsdann nicht blos darüber, ob ein sol­

cher Eingriff vorliegt, sondern auch über

die eintretende Ent­

schädigung erkennen.") Der §>. 5."*) enthält zwei Bestimmungen.

Nach der

einen ist der Rechtsweg zulässig in allen Fällen, in welchen der Polizeibehörde nur die Befugniß zu einer vorläufigen An-

°) Kgl. die Motive vom Jahre 1839. zum ersten Theile des bürger­ lichen Gesetzbuches, S. 41. und folg. *’) §. 5. Gebührt der Polizei-Behörde nur die Befugniß zu einer vorläufigen Anordnung mit Vorbehalt der Rechte der Betheiligten, oder behauptet derjenige, welchem durch eine polizeiliche Verfügung eine Ver­ pflichtung auferlegt worden ist, daß diese Verpflichtung ganz oder theilweise einem Anderen obliege, so Ist zur Feststellung der Rechte unter den Betheiligten und über die zu leistende Entschädigung die richterliche Ent­ scheidung zulässtg.

607 ordnung, mit Vorbehalt der Rechte der Betheiligten, beige­

legt ist.

Wenn eine Polizeibehörde nur eine vorläufige Anordnung

getroffen

und

den Interessenten

die Ausführung

rechtsame vor dem Richter vorbehalten hat,

ihrer

Ge­

so ist eigentlich

nicht von einem Rechtswege über oder gegen eine polizeiliche

Verfügung, sondern nur in Gemäßheit

derselben die

Rede;

die Einleitung des Prozesses, wenn die Interessenten darauf antragen,

ist also

unbedenklich.

Die gedachte

Bestimmung

war indessen zu einer vollständigen Uebersicht der Materie, so

wie auch zu dem Zwecke erforderlich, um anzudeuten, daß der Rechtsweg

auch

in

den

Fällen zulässig sey, in welchen die

Polizeibehörde gesetzlich nur zu einem Interimistikum be­ fugt ist, die Sache aber nicht in dieser Form, sondern in Form

einer definitiven Verfügung entschieden hat.

Jene Bestim­

mung wird auch dazu dienen, daß die Behörden bei Erlassung

polizeilicher Verfügungen sich klar machen, ob die Verfügung eine interimistische oder definitive seyn solle, und sich darüber zu­

gleich aussprechen.

Die andere betrifft den Fall,

wenn Jemandem durch

eine polizeiliche Verfügung eine Verpflichtung auferlegt worden,

von welcher er behauptet, daß sie nicht ihm, sondern einem

Dritten obliege; letzterer kann dann von ihm wegen Ueber­ nahme dieser Verpflichtung nnd Leistling der Entsckädigung ge­ richtlich belangt werden.

Wenn Jemand, welchem von der Polizeibehörde eine Lei­

stung angesonnen wird, sich hierzu nicht, sondern statt seiner einen Anderen für verpflichtet hält, so muß ihm hierüber un­ ter allen Umständen rechtliches Gehör gestattet werden, weil

das Verhältniß zwischen diesen beiden Personen ein blos pri-

608

vatrechtlicheS ist, welches die Polizeibehörde eben so wenig feststellen kann, als sie dabei materiell betheiligt ist; dem po­ lizeilichen Interesse wird genügt, wenn die Leistung überhaupt erfüllt wird, und es ist gleichgültig, von wem solches geschieht. Die dahin gehörigen Fälle sind allerdings meistens solche, in welchen die Regulirung eines Interimistikums Anwendung fin­ den kann; allein unbedingt ist dies nicht zu behaupten. Die Erwähnung des Falles eines Interimistikums ist übrigens auch in dem Betrachte als nützlich zu betrachten, daß durch Zusammenstellung mit dem folgenden Kalle klar wird, daß der Rechtsweg bei Streitigkeiten unter den Bethei­ lig ten in Folge einer polizeilichen Verfügung auch dann zu­ lässig ist, wenn diese nicht als ein Interimistikum erlassen worden ist. Der Ausdruck „Betheiligte" giebt zu erkennen, daß dergleichen Streitigkeiten auch unter Gemeinden und öffentli­ chen Korporationen vorkommen können. Der H. 6.*) enthält die Bestimmung, daß, wenn die po­ lizeiliche Verfügung von der vorgesetzten Behörde für gesetzwi­ drig oder sonst unzulässig erklärt ist, dem Betheiligten seine Ansprüche hieraus im Rechtswege zustehen. Wenn eine poli­ zeiliche Verfügung von der vorgesetzten Behörde gemißbilligt unb aufgehoben ist, so existirt eigentlich gar keine polizeiliche Verfügung mehr. Bei Aufhebuug einer solchen Verfügung wird und muß die vorgesetzte Behörde zugleich die nöthige Anordnung treffen, •) §. 6. Wird eine polizeiliche Verfügung im Wege der Beschwerde als gesetzwidrig »der unzulässig aufgehoben, so bleiben dem Betheiligten seine Eerechtsame nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über die Bertretungs-Verbindlichkeit der Beamten Vorbehalten.

609 daß, wenn mit der Ausführung derselben bereits vorgeschritten ist, die Sache in den vorigen Stand wtederhergestellt und der

Ob aber die Beam­

etwa entstandene Schade vergütigt wird.

ten, welche die Bersügung erlassen haben, zur Vertretung der­

selben verpflichtet sind, ist nach den allgemeinen, deshalb im Allgemeinen Landrechte Th. II. Tit. 10.

127. und folg,

enthaltenen Vorschriften zu beurtheilen. Zum §. 7.") ist zu erwähnen, daß die Vorschriften der

38. bis 40. der Verordnung vom 26. Dezember 1808. in der Rheinprovinz nicht galten, wo in Stelle derselben

die Bestimmungen

des Reffort-Reglements

1818. zur Anwendung kamen.

Grundsatz,

daß in Sachen,

20.

Zuli

Dieses stellt im §. 19. den

worüber

Entscheidungsrecht vorbehalten

vom

ist

den

Regierungen das

(und hierzu gehören nach

§. 26. alle Angelegenheiten der exekutiven Polizei), der Rechts­

weg ausgeschlossen sey, in der größten Allgemeinheit auf, ent­ hält aber keine Bestimmung darüber, inwiefern in Bezug auf

polizeiliche Maaßregeln nachher Rechtsverletzung

eine gerichtliche Klage über

oder Schadenersatz stattfinden

den Französischen Gesetzen

vom

Nach

könne.

24. August 1790.

Tit. 2.

Art. 13. und vom 16. Fructidor III., welche den Gerich­ ten jede Kognition über Amtshandlungen der Administrativ-

Beamten untersagten, würde eine solche Klage unzulässig ge­ wesen seyn; diese Gesetze waren aber, indem sie die Entschei­ dung über dergleichen Angelegenheiten

an 'das comite

des

finances verwiesen, an dessen Stelle nach dem Reglement vom

**) §. 7. Sämmtliche, sowohl allgemeine al« besondere Vorschriften über Gegenstände diese« Gesetze« und namentlich die Vorschriften der Verordnung vom 26. Dezember 1808. §§. 38. bi« 40. werden hierdurch aufgehoben.



CIO



5. Nivose VIII. die Abtheilung des StaatsrathS für die kon­ tent iösen Sachen trat, nach der diesseitigen Berfassung, wel­

cher eine solche Behörde fremd ist, nicht ausführbar, so wie sie auch zu den Grundsätzen derselben nicht paffen, nach welchen

Entscheidungen über eigentliche Rechtsansprüche ganz außer den Attributionen

der Verwaltungsbehörden

liegen.

Es

konnte

hiernach um so weniger einem Bedenken unterliegen, die über

den vorliegenden Gegenstand erlassenen Bestimmungen auch in

der Rhein Provinz anzuwenden, als das Rheinische Reffort-

Reglement mit dem, der Regierungs-Instruktion als Anhang beigefügten Auszüge aus der Verordnung vom 26. Dezember

1808. sonst im Wesentlichen übereinstimmt.

XIX. Die Deklaration vom 31. Marz 1839., über die

Anwendung der §>§. 12. und 13. des Anhanges zur Allgemeinen Gerichtsordnung").

^ülor dem Zahre 1809. war der Militairstand in allen rechtli­ chen Verhältnissen, soweit solche nicht auf Grundstücke und auf Gewerbe Bezug hatten, besonderen Militärgerichten unter­

geordnet.

Durch die KabinetSordre vom 19. Zuli 1809. ward die­ ser privilegirte Gerichtsstand in allen Angelegenheiten der bür­

gerlichen Gerichtsbarkeit aufgehoben,

und es wurden diejeni-

Bestimmungen gegeben, welche demnächst in den Anhang zur

Allgemeinen Gerichtsordnung") aufgenommen, in diesem dahin lauten: § . 12. Die Offiziere vom höchsten bis zum untersten Grade,

ingleichen

die

Unterstabs-Bedienten

und

andere

im

Range ihnen gleich zu achtende Mllitairperfonen, ihre

Frauen und Familien,

haben ihren perfönlichm Ge­

richtsstand vor dem Obergericht der Provinz.

°) Gesetzsammlung für 1839. S. 155—156. • •) Vgl. Bd. II. S. 179. und folg.

612 H

13. Feldwebel, Wachtmeister, Feuerwerker, Portd'epee-

Fähnriche,

Unteroffiziere und

Gemeine, Kompagnie-

Chirurgen, Stallmeister, Küster, Fahnenschmiede u. s. w., find, in so fern sie nicht wegen ihres Standes einen andern

Gerichtsstand

haben,

der Gerichtsbarkeit

der

Untergerichte der Garnisonstadt untergeordnet.

Eine gleiche Bewandniß hat es mit den in der Garnisonstadt sich aufhaltenden Familien und Frauen

solcher Militairpersonen.

Wohnen die Frauen und Fa­

milien aber an einem andern Orte; so bleiben sie nach Vorschrift des Allgemeinen Landrechts Th. II. Tit. 10.

§. 43. unter der Gerichtsbarkeit ihres Wohnorts. Ueber die Rechte, nach denen die Militairpersonen und

deren Familien beurtheilt werden sollen, ward nichts Neues bestimmt;

insoweit

verblieb es vielmehr bei denjenigen Vor­

schriften, welche in dieser Beziehung in dem Allgemeinen Land-

rechte Th. II. Tit. 10. §>§. 5. und folg, enthalten sind.

Zn dieser Lage befindet sich im Allgemeinen die Gesetzge­ bung über den Gerichtsstand der Militairpersonen des flehenden

Heeres noch jetzt, wiewohl das Heer selbst inzwischen durch das Gesetz vom 3. September 1814.*) eine wesentlich verschiedene

Verfassung erhalten hat.

Die Gesetzgebung ist nur insoweit

ergänzt worden, als der Zweifel über die Anwendbarkeit des

§. 13. des Anhanges zur Allgemeinen Gerichtsordnung durch

die Kabinetsorder vom 2. November 1833. **) dahin entschie­

den worden ist, daß auch minderjährige und unter väterlicher Gewalt stehende Soldae) Gesetzsammlung für 1814. S. 79. *•) Gesetzsammlung für 1833. S.290. undZahrbücher, 58b. 42. S. 299 — 305.

613 ten bei den Gerichten der Garnisonstadt in allen Angelegen­

heiten der bürgerlichen Gerichtsbarkeit ihren ordentlichen per­ sönlichen Gerichtsstand haben. Aus diesem Grundsätze, in Verbindung mit der Vorschrift des §>. 121. Tit. 2. der Prozeßordnung, nach welcher der ordentliche

persönliche Gerichtsstand des Erblassers zur Zeit seines Able­ bens zugleich den Gerichtsstand seiner Erbschaft bildet, folgt

nun aber auch, daß, wenn der minderjährige und unter vä­ terlicher Gewalt stehende Soldat während des Dienstes beim stehenden Heere mit Tode abgeht, sein Nachlaß nicht von dem

Gerichte der Heimath, sondern von dem Gerichte der Garnison­

stadt zu reguliren ist.

Dies kann jedoch in Fällen, wenn der

Erbe des verstorbenen Soldaten entfernt von der Garnisonstadt wohnt,

oder wenn,

wie die Regel seyn wird,

der größere

Theil des Nachlasses in der Heimath des verstorbenen sich be­

findet, zu vielfachen Weiternngen hinführen.

Es ward des­

halb an die Gerichtsbehörden eine Anweisung dahin erlassen:

daß in dem Falle, wenn die Erben eines minorennen oder unter väterlicher Gewalt stehenden Soldaten sich nicht am

Garnisonorte des Verstorbenen befinden, das Gericht seiner Heimath verbunden sey, auf Requisition der Behörde des

Garnison ortes, sich der fernern Regulirung des Nachlasses und der Berichtigung des Erbschaftsstempels zu unterziehen.*)

Gegen

diese Anweisung

wurden

indessen Bedenken angeregt,

denen die Voraussetzung zum Grunde lag,- daß nach der be­ stehenden Gesetzgebung diejenigen Militajrpersonen, welche nur zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Dienstpflicht in das Heer ein­

treten, unbedingt und unter allen Umständen, auch in Bezie-

•) Vgl. die Jahrbücher, 93b. 46. S. 145 — 146.

614 hung auf persönliche Eigenschaften und Befugnisse, so wie nicht minder hinsichtlich der Erbschaftsverhältniffe, dem am Orte der

Garnison oder in der Provinz, in welcher sie stehen, geltenden Gesetze unterworfen sind.

Es würbe dies als eine nothwen­

dige Folge davon betrachtet, daß der Soldat durch den Ein­ tritt in das stehende Heer seinen persönlichen Gerichtsstand bei

dem Gerichte des Garnisonortes, oder, falls er vermöge seines

Standes auf Exemtion Anspruch hat, bei dem Obergerichte der Provinz erhalte. Diese Voraussetzung war aber unrichtig. Zm Allgemeinen kann es keinem Zweifel unterliegen, daß

der persönliche Gerichtsstand nicht blos darüber entscheidet, bei

welcher Gerichtsstelle Zemand in Anspruch zu nehmen und sich auf angestellte Klagen einzulassen verpflichtet sey, daß von diesem

Gerichtsstände vielmehr auch materielle Rechte abhängig sind. Zn Beziehung auf persönliche Eigenschaften und Befug­

nisse eines Menschen, also solche, welche als Ausfluß der Per­ sönlichkeit oder das Status zu betrachten sind, wohin mithin auch die vormundschaftlichen Verhältnisse und die Rechte der

väterlichen Gewalt gehören, ist dies linzweideutig ausgesprochen. Das Allgemeine Landrecht verordnet nämlich in der Einleitung: §. 23. Die persönlichen Eigenschaften und Befugnisse eines Menschen werden nach den Gesetzen der Gerichtsbarkeit

beurtheilt,

unter welcher derselbe

seinen eigentli­

chen Wohnsitz hat.

§. 24. Eine bloße Entfernung aus seiner Gerichtsbarkeit, bei welcher

die Absicht,

einen andern Wohnsitz zu

wählen, noch nicht mit Zuverlässigkeit erhellt, verän­

dert die persönlichen Rechte und Pflichten dieses Men­ schen nicht.

615 H. 25. So lange Jemand noch keinen bestimmten Wohn­

sitz hat, werden seine persönlichen Rechte und Verbind­

lichkeiten nach dem Orte seiner Herkunft beurtheilt. Hiernach sind also in Beziehung auf die Jura Status zunächst

die Gesetze des eigentlichen Wohnsitzes (fdrum domicilii) maaß­

gebend; es stehen demselben aber, wenn ein solcher Wohnsitz noch nicht begründet ist, die Gesetze, welche in dem Orte der Herkunft (forum origims) gelten, ergänzend zur Seite.

Minder zweifellos könnte die Sache scheinen in Beziehung auf die Frage, nach welchen Gesetzen die

erbschaftlichen

Rechtsverhältnisse eines Verstorbenen zu beurtheilen, sind.

Der §». 121. Tit. 2. der Prozeßordnung verordnet zwar,

daß der ordentliche persönliche Gerichtsstand des Erblassers zur

Zeit seines Ablebens den Gerichtsstand

der

Erbschaft bilde.

Hierdurch ist jedoch der Gerichtsstand der Erbschaft nur in for­ meller Beziehung bestimmt;

die Frage aber,

nach welchen

Gesetzen der Nachlaß eines Menschen zu beurtheilen sey, muß, als dem materiellen Rechte angehörig, aus diesem, also aus

den Vorschriften des Allgemeinen Landrechts, beurtheilt werdm. Das letztere enthält indessen keine ausdrückliche Bestimmung dar­ über, welche Gesetze zur Anwendung kommen, wenn in Er­ mangelung rechtsgültiger Willenserklärung die Frage davon ist, wer zum Erben berufen sey.

Es ist deshalb versucht worden,

diese Frage nach den in der Einleitung zum Allgemeinen Land­ rechte

28. bis 32. aufgestellten Grundsätzen

zu entschei­

den, und es ist hieraus die bekannte Kontroverse') hrrvorgegangen, ob die Erbfolge stets nach den am Otte des eigentli-

•j Vgl. die Ergänzungen und Erläuterungen de« Allgemeinen Landrecht«, Th. I. Abth. 1. S. 95. und 100., Suxpl. Bd., Abth. 1. G. 48 — 52., da« Arnsberger Archiv, Jahrgang 8, S. 385., die



616



chen Wohnsitzes geltenden Gesetzen, oder ob sie nicht vielmehr hinsichtlich der zum Nachlasse gehörigen Immobilien nach den Realstatuten bestimmt werde.

Die richtige Meinung ist indes­

sen, daß die §§>. 28. bis 32. der Einleitung, da dieselben

nur von Rechtsgeschäften sprechen, welche einzelne Vermö-

gensstücke betreffen, eben deshalb unanwendbar sind auf eine Erbschaft, als einen Inbegriff von Sachen und Rechten (universitas Juris); daß vielmehr die Zntestat - Erbfolge stets nach

den Gesetzen

des persönlichen,

durch das Domizil be­

gründeten Gerichtsstandes zu beurtheilen ist.

Dafür spricht nicht

blos, daß das Successionsrecht als Ausfluß der Persönlichkeit

des Erblassers zu betrachten ist und dasselbe jedenfalls den per­ sönlichen Eigenschaften und Befugnissen eines Menschen sehr nahe steht, sondern es findet dies auch seine Bestätigung in

den §>§. 536. und 537. Tit. 12. Th. I., insbesondere aber in dem §. 495. Tit. 1. Th. II. und int §.78. des Anhanges

zum Allgemeinen Landrechte, woselbst tinzweideutig ausgespro­

chen ist, daß bei der Erbfolge der Eheleute nach den Statu­ ten und Provinzialgesetzen des letzten persönlichen, durch den Wohnsitz begründeten Gerichtsstandes des Verstorbenen verfah­

ren werde und von dieser Bestimmung auch das unbeweg­

liche Vermögen keine Ausnahme mache, wenn dieses sich gleich unter einer andern Gerichtsbarkeit befindet.

Die gesetzliche Regel läßt sich sdnach dahin aufstellen, daß die persönlichen Eigenschaften und Befugnisse eines Men­ schen (Jura Status), so wie nicht minder die Rechte in den Nach­

laß eines Menschen, nach denjenigen Gesetzen zu beurtheilen sind, Juristische Wochenschrift, Jahrgang 7. S.421. und 8. . 13. des Anhanges zur Allgemeinen Gerichtsordnung begründete

Gerichtsstand ein und derselbe sey mit dem Gerichtsstände des Wohnsitzes, mindestens mit demselben gleicht rechtliche

Folgen und Wirkungen äußere. Allein weder jene, noch diese Voraussetzung'würde sich rechtfer­

tigen lassen. Der persönliche Gerichtsstand eines Menschen ist von zwie­

facher Natur. Er wird entweder durch den Ort, wo Zemand wohnt, oder durch gewisse persönliche Eigenschaften bestimmt?) *)

3. Tit. 2 der Prozeßordnung.

618 Der erstere ist abhängig von der Ausschlagung eines eigenen

beständigen Wohnsitzes; ihm steht für alle diejenigen, die einen

solchen noch nicht gewählt haben, oder noch nicht haben wäh­ len können, der Gerichtsstand der Herkunft (forurn originis) ergänzend zur Seite.")

Der andere, durch gewisse persönliche

Eigenschaften begründete Gerichtsstand *") ist von dem Gerichts­

stände des Wohnsitzes und der Herkunft ganz unabhängig; er

folgt seinen eigenen Regeln und es entscheidet darüber, ob

derselbe eintritt, abgesehen von allen sonstigen Verhältnissen, lediglich diejenige persönliche Eigenschaft, durch welche dieser

Gerichtsstand bedingt wird.

Von einem solchen, durch persön­

liche Eigenschaften bedingten Gerichtsstände handelt es sich hier;

die Eigenschaft der Militairperson, als solche, ist es allein, welche dieselbe mit dem Eintritte in das stehende Heer und während der Dauer des Dienstes dem Gerichte des Garnisonortes, beziehungsweise dem Obergerichte unterwirft.

Hiernach ist also der aus persönlichen Eigenschaften her­ vorgehende persönliche Gerichtsstand, sowohl seinem Ursprünge

nach, als sonst, durchaus verschieden von den Gerichtsstände des eigentlichen Wohnsitzes, und eben deshalb müssen

auch die rechtlichen Folgen und Wirkungen, welche das Gesetz an diesen und jenen knüpft, geschieden lind atis einander ge­

halten werden. Wenn daher die persönlichen Eigenschaften und Befugnisse eines Menschen, wie der §. 23. der Einleitung

zum Allgemeinen Landrechte wörtlich vorschreibt, nach den Gesetzen zu beurtheilen sind, welche in dem Gerichtsstände des

eigentlichen Wohnsitzes in Kraft sind, und wenn eben dieses Hinsichts der erbschaftlichen Rechtsverbältnisse gilt, so *) §§• 9. und 17. a n. O. •") §. 30. a. a. H.

619 muß diese gesetzliche Regel auch festgehaltcu und um so mehr

allgemein und in allen Verhältnissen angewendet werden, da überall da, wo ein Gerichtsstand des eigentlichen Wohnsitzes noch nicht vorhanden ist, der Gerichtsstand der Herkunft er­ gänzend eintritt, die gesetzliche Regel mithin

ausreicht.

für alle Fälle

Die Gesetze, welche iu dem durch gewisse persönliche

Eigenschaften

begründeten

persönlichen

Gerichtsstände

gelten,

können mithin auf die jura slatus und auf die erbschaftlichen Rechtsverhältnisse für sich allein

können dies vielmehr

keinen Einflllß äußern,

nur insofern,

sie

als dieser Gerichtsstand

zugleich den Gerichtsstand des Wohnsitzes oder der Herkunft

in sich vereinigt. Die Richtigkeit dieses Grundsatzes ergiebt sich gerade in Be­ ziehung auf den Militairstand auf das Unzweideutigste aus den

Vorschriften des Allgemeinen Landrechts im Tit. 10. Th. II.

Hier ist unter dem Marginale: „Gesetze, nach welchen Militairbediente zu beurtheilen sind," verordnet: Ober- und Unteroffiziers von adlicher Herkunft sind,

§. 5.

in ihren persönlichen Privatangelegenheiten,

eben den

Gesetzen unterworfen, wie der Adel der Provinz, in

welcher sie ihr Standquartier haben. §. 6. Oberoffiziers von bürgerlicher Herkunft, werden in der­

gleichen Angelegenheiten nach den Rechten der Eximirten in der Stadt, wo sie ihr Standquartier haben, beurtheilt.

Unteroffiziers aus dem Bauer-'oder Bürgerstande,

7.

ingleichen gemeine Soldaten, stehen unter den Rech­

ten des Orts, wo das Regiment oder Corps, zl« wel­ chem sie gehören, sein gewöhnliches Standquartier hat.

11.

Bey Militairpersonen überhaupt, die noch unter

väterlicher Gewalt stehen,

gelten,

ihres

privilegirten

620 Gerichtsstandes ungeachtet, in Ansehung ihrer Privat-

Angelegenheiten, eben die Gesetze, welchen ihr Vater untergeordnet ist.

Die im

11. enthaltene Bestimmung, nach welcher die

väterlicher Gewalt

unter

stehenden Militairpersonen dem im

Gerichtsstände der Herkunft geltenden Gesetzen unterworfen blei­ ben, ist unbedenklich nur eine Folge des allgemeinen RechtSgrundsatzes, daß Personen, die noch unter väterlicher Gewalt

stehen,

mithin

noch

keine juristische Selbstständigkeit

eben deshalb noch kein forum domicilii

haben,

begründen können.

Beruhet aber die im §. 11. aufgestellte Ausnahme von den Regeln der

5. bis 7. darauf, daß hinsichtlich der unter

väterlicher Gewalt stehenden Militairpersorien ein Gerichtsstand deS eigentlichen Wohnsitzes (forum domicilii) noch nicht be­

gründet worden, so folgt eben hieraus, daß die in Beziehung

auf die übrigen Militairpersonen aufgestellte Regel, der gemäß sie den in ihrem Standquartiere geltenden Provinzial-

und

Lokal-Gesetzen unterworfen sind, nicht ein Ausfluß des MilitairGerichtsstandeS ist, sondern darauf beruhet, daß dieselben in dem Standquartiere zugleich den eigentlichen Wohnsitz haben.

Derselbe Grundsatz ist ferner Hinsichts der Stndirenden ausgestellt. Auch diese genießen während ihres Aufenthalts auf der

Universität einen besondern Gerichtsstand.

Gleichwohl bleiben

dieselben nach §. 97. Tit. 12. Th. II. des Allgemeinen Land­

rechts in ihren persönlichen Angelegenheiten den Gesetzen ih­

res Geburtsortes oder ihrer Heimath unterworfen,

und nach

§>. 76. Tit. 2. der Prozeßordnung wird dadurch in den Ge­ setzen, nach welchen die Person und der Nachlaß eines Studi-

renden zu beurtheilen ist, Nichts geändert.

621 Endlich findet sich dasselbe Prinzip in dem §>. 7. des An­

hanges zur Allgemeinen Gerichtsordnung *) wieder, nach welchem Auskultatoren und Referendarien, wenn sie auch noch

minderjährig oder

der

väterlichen Gewalt unterworfen

sind,

zwar unter der Gerichtsbarkeit des Gerichts stehen, unter wel­ chem

die Mitglieder der Behörde,

bei

welcher sie arbeiten,

Recht zu nehmen haben, in ber Leitung der Vormundschaft

aber hierdurch Nichts geändert wird.

Hiervon ausgegangen, würden daher die in der Garni­

sonstadt oder in der Provinz,

in welcher der Soldat seine

Stellung hat, bestehenden Provinzial- oder Lokalrechte, in Be­ ziehung auf diejenigen Soldaten, welche lediglich zur Er­

füllung ihrer Militairpflicht in das stehende Heer eintreten, auf die Rechte des slatus und auf erbschaftliche Rechts­ verhältnisse nur insofern anwendbar zu finden seyn, als

genommen würde, daß

an­

diese Soldaten in der Garnisonstadt

den festen Wohnsitz im Sinne des Gesetzes haben.

Eine solche

Annahme würde jedoch auf keine Weise zu rechtfertigen seyn.

Das wesentliche Erforderniß eines Wohnsitzes im Sinne des

Gesetzes besteht tiach §. 9. Tit. 2. der Prozeßordnung darin, daß Jemand an einem Orte seinen beständigen Wohnsitz

aufgeschlagen hat, was aber nach §. 14. daraus, daß Jemand

selbst geraume Zeit hindurch seiner Geschäfte oder Studien we­ gen, oder sonst aus einem andern Grunde, an einem Orte sich aufhält, noch nicht gefolgert werden fäll.

Dieses wesent­

liche Erforderniß, die Absicht, an dem Garnisonorte den be­

ständigen Wohnsitz zu nehmen, ist aber bei denjenigen, welche nur zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Dienstpflicht in das ste-

') Vgl. Bd. II. S. 168-172.

622 hende Heer eintreten, offenbar nicht vorhanden; es ist vielmehr zweifellos, daß hier nur von einem solchen vorüberge­

henden Aufenthalte die Frage seyn kann, aus welchem nach

14. a. a. O. auf die Absicht, einen beständigen Wohn­ sitz aufzuschlagen, nicht geschlossen werden soll.

Wer in das stehende Heer eintritt, lediglich zur Erfül­ lung der gesetzlichen Dienstpflicht, kann nach der Natur der

Sache keine andere Absicht haben, als nach Ablauf der DienstZeit in sein früheres bürgerliches Verhältniß zurückzutreten, oder

ein neues derartiges Verhältniß sich zu schaffen.

Das dieS-

fallsige Militairverhältniß bei dem stehenden Heere ist sonach

kein

dauerndes,

sondern

vorübergehend;

es

bildet

nur

eine

BildungS- und Durchgangs-Periode für sämmtliche waffenfä­ hige Mannschaft und löset die bürgerlichen Verhältnisse so we­ nig auf, daß diese vielmehr nur zeitweilig unterbrochen wer­

den.

Es läßt sich daher ein zureichender Grund nicht auffin­

den, aus welchem dieses vorübergehende Verhältniß in den per­ sönlichen Eigenschaften und Befugnissen eine Aenderung sollte

bewirken können, und weshalb die Erbfolgeordnung, wenn der Soldat während der Erfüllung

seiner Dienstpflicht mit Tode

abgeht, nach anderen Gesetzen beurtheilt werden sollte, als ge­ schehen würde, wenn derselbe entweder vor dem Eintritte in daS Heer,

oder nach Erfüllung seiner Dienstpflicht

verstirbt.

Das Erstere führt vielmehr zu den auffallendstm Resultaten.

Man setze den Fall, ein junger Mann von Adel, welcher die Heimath in einer Provinz hat, in welcher die Erbfolge nach den Grundsätzen des Allgemeinen Landrechts bestimmt

erfülle eine einjährige Militairpflicht in

stehenden Regimente.

wird,

einem in der Mark

Stirbt derselbe während dieser Dienst-

Zeit, so würden, nimmt man an, daß die in dem ErbschaftS-

623 Forum geltenden Gesetze zur Anwendung kommen müssen, an seinem Nachlasse nicht blos seine Eltern, sondern auch seine Geschwister Theil nehmen.

Stirbt er dagegen nur einen Tag

nach Ablauf des militairischen Dienstjahres,- so würden, selbst

bei fortgesetztem Aufenthalte in der Mark, die Gesetze seiner

Heimath zur Anwendung kommen, seine Geschwister würden

also durch seine Eltern von der Theilnahme an dem Nachlasse

ausgeschlossen werden.

Zu solchen Anomalieen kann in dem

obwaltenden Militairverhältniffe kein Grund vorhanden seyn; es beweiset dieses vielmehr, daß eine unbedingte Unterordnung unter die in dem, durch den Eintritt in das stehende Heer begründeten persönlichen Gerichtsstände geltenden Gesetze mit

der Natur der Sache in Widerspruch steht, und daß dies eben

deshalb überhaupt nicht Rechtens seyn kann. Wenn nun auch die vorentwickelten Grundsätze über die

Einwirkung des MilitairgerichtsstandeS auf den materiellen Rechtszustand derjenigen, welche nur zur Erfüllung der Dienst­

pflicht in das Heer eintreten, insoweit es sich von persönli­ chen Eigenschaften und Beftignissen und von erbschaftlichen Rechtsverhältnissen handelt, schon aus allgemeinen Rechtsgrund­

sätzen abzuleiten sind, so ergab sich dies doch aus den Gesetzen ketnesweges so klar, um ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen

entbehrlich zr« machen.

Zn dieser Beziehung kam besonders in

Betracht, daß die Vorschriften in den

5, bis 7. Tit. 10.

Th. II. des Allgemeinen Landrechts, ihrer Wortfaffnng nach, keinen Unterschied machen zwischen Militairpersonen, welche le­ diglich zur Erfüllung der Dienstpflicht in das stehende Heer

eintreten,

und denjenigen, welche dem Militairstande zum

dauernden Lebensberufe sich gewidmet haben; daß dieser Unter­

schied erst durch die dem stehenden Heere gegebene neue Ein-

624 richtung entstanden ist, und es eben deshalb erforderlich war, die Gesetzgebung mit dieser neuen Einrichtung in Uebereinstim­ mung zu bringen.

ES wurde um so nothwendiger, dies aus­

drücklich auszusprechen, als die Ansichten einzelner Behörden

den Beweis gaben, daß

die Sache keineswegeS für so ganz

zweifellos und sich von selbst verstehend gehalten ward. ES ist daher in der Deklaration vom 31. März 1839. zur Beseitigung der Zweifel, welche über die Anwendung der

12. und 13. des Anhanges zur Allgemeinen Gerichtsord­ nung, des §. 7. Tit. 10. Th. II. des Allgemeinen Landrechts

und der Kabinetsorder vom 2. November 1833. entstanden waren, erklärt worden:

vast bei minderjährigen oder unter väterlicher Gewalt stehenden Militairpersonen, ingleichen bei denjenigen, welche lediglich zur Erfüllung der allgemeinen Militairpklicht in den Dienst getreten sind, so weit es auk ihre persönlichen Gigenschaktm und Sekugnisse (Jura

status), so wie auf die Erbfolge in ihren Nachlass an-

Kommt, nicht der Ort ihrer Garnison, sondern ihr eigentlicher Wohnsitz (§§. 9. und 14. Tit. 2. Th. I.

der Ällgemeinen Gerichtsordnung) oder in Ermange­ lung eines solchen, der Ort ihrer Herkunft beachtet

werden soll.

XX

Bo« der Real-Jurisdiktion über veräußerte Theile eines eximirten Landgutes.

^ie Nothwendigkeit gesetzlicher Bestimmungen wegen der RealGerichtsbarkeit über die von Ritter- oder anderen eximirten Land-

Gütern abgetrennten Bestandtheile, oder unbeweglichen Pertinenzien hatte sich aus

der Verschiedenheit der darüber obwal­

tenden Ansichten ergeben, alis dem Mangel an Uebereinstim­

mung in den, von Zeit zu Zeit erlassenen Verfügungen") über diesen Gegenstand, und aus dem abweichenden Verfahren, wel­ ches die verschiedenen Landes-Justiz-Kollegien beobachtet hatten.

Die Veränderungen, welche die älteren Landes- und Provin­

zial-Gesetze durch Edikt

die

neueren Gesetze,

besonders

vom 9. Oktober 1807. erlitten,

durch das

machten es schwierig,

für das Verfahren bei Zerstückelungen oder theilweisen Veräu-

•) Dgl. die Reskripte vom 14. Januar 1788., 29. Mai, 30. Novem­ ber 1789. (Rabe's Sammlung, Bd. 1. Abib. 7. S. 763. u. folg., 791.) 25. November 1802. (Bd. 10. S. 204. das.)

S. 534. daselbst)

18. Juni 1811. (Bd. 10.

16. Mai 1816., 8. Dezember 1820, 15. März 1824.

30. November 1827., 13. und 19. Mat 1831.

(Jahrbücher, Bd. 7.

S 185., Bd. 18. S. 71, Bd. 23. S. 56., Bd. 30. S. 381. und Bd. 37. S. 331. und 332.) und von Daniel« Handbuch, S. 181—183.

626 gerungen eximirter Landgüter feste Grundsätze zu beobachten, dafür eine überall anwendbare Richtschnur zu finden, und da­ her hatte sich ein verschiedenartiges Verfahren entwickelt.

Aber

auch zu dem Zwecke war ein neues Gesetz nöthig, um die rechtlichen Grundsätze über die Realgerichtsbarkeit auf Ritter­

und eximirte Güter,

und über die Patrimonialgerichtsbarkeit

in solchen Gütern mit den gesetzlichen Vorschriften über die

Landtagsfähigkeit") in Zusammenhang und Uebereinstim­ mung zu bringen.

Beides wird durch das Gesetz vom 25.

April 1835."") erreicht, indem dasselbe die durch Veräußerung

abgetrennten Theile eines epnutten Landgutes, d. h. nicht blos eines Rittergutes,

sondern eines jeden, dem epinirten Ge­

richtsstände unterworfenen ländlichen Grundstückes, der Re­ gel nach, der dinglichen Gerichtsbarkeit des OrtS-Patrimo-

nialgerichts oder sonstigen Orts-Untergerichts unterwirft, und nur solche Ausnahmen zuläßt, welche mit der landständischen

Verfassung übereinstimmen. Die in dem H. 1.""") des Gesetzes aufgestellte Bestimmung weicht von den bis dahin bestandenen Rechtsgrundsätzen nur

insofern ab,

als sie die auch zu

ritterfreiem Eigen-

*) Vgl. die Kablnetsorder vom 11. Januar 1835. (Gesetzsammlung für 1835. S. 9.) Dieselbe betrifft nur solche Berhältniffe der Rittergüterdie mit der provinzialständischen Verfassung in Verbindung stehen, nicht die übrigen Ehrenrechte der Rittergüter, insbesondere nicht Jurisdiktion und Patronat. **) Gesetzsammlung für 1835. S. 51. *0***) ) §. 1. Die Realjurisdiktion über die von dem Areal eines eximkrlen Landgutes durch Veräußerung zu vollem Eigenthum oder Erbzins- oder Erbpachtsrechten abgetrenuten Bestandtheile stehet der Regel nach dem Orts-Patrimonial- oder Orts-Untergerichte zu. — Der §. 1. umfaßt also alle von einem eximirten Landgute in Folge von Veräußerungen abgelrenn­ ten Bestandtheile, gleich viel, ob der abgetrennte Theil in den Händen des Veräußerers bleibt, oder an den neuen Erwerber gelangt.

627 thliine veräußerten Gutsantheile gleichfalls, der Regel nach, unter die Gerichtsbarkeit des Patrimonialgerichts, oder

sonstigen Orts - Untergcrichts stellt.").

Die früher zum Theil

herrschende, entgegengesetzte Meinung scheint dadurch veranlaßt

worden zu seyn, daß der Unterschied zwischen der Gerichtsbar­ keit über ein eximirtes Gut und der Gerichtsbarkeit in einem

solchen Gute nicht festgehalten und das Objekt der Realge­ richtsbarkeit über ein eximirtes Gut in dem Grunde und Bo­

den gesetzt wurde, wie bei ländlichen Servituten, obgleich die Realgerichtsbarkeit über eximirte Güter nicht den Grund und

Boden, sondern nur die Rechtsverhältnisse und Rechtsansprüche, welche über deir eximirten Grund und Boden innerhalb des Umfanges der Gerichtsbarkeit sich bilden, betrifft.

Eine solche Realgerichtsbarkeit muß, bei der Kollision mit

der Patrimonialgerichtsbarkeit des Gutes, auf das eximirte Eigen­

thum und die auf dieses sich beziehenden Rechtsverhältnisse sich beschränken; die Rechtsverhältnisse der Einsaffen in Beziehung

auf ihre Besitzungen in dem Gute gehören vor das Patrimo-

nialgericht.

Dem Inhaber der Realgerichtsbarkeit kann ver­

möge derselben das Recht nicht eingeräumt werden, den Ei­

genthümer des Grundstückes in der Benutzung desselben zu be­ schränken.

Er hat kein Widerspruchsrecht gegen rechtsgültige

Verfügungen des Eigenthümers über sein Gut, obgleich der

°) Die Realjurlediktion über eine von einem Königlichen DomünenGrundstücke abgetrennte Parzele z. SS. geht In die Gerichtsbarkeit des Kö­ niglichen Untergerichts über.

seinem

Dem Erwerber steht das Recht zu, fie mit

anderweitigen Grundbesitze zu

verbinden,

und darauf anzutragen,

daß sie im Hypvthekenbuche dem Foliuw des letzteren mit dem Bemerken zu-

geschrikben werde, wie in Betreff sonstiger, namentlich der Kommunalverhaltniffe durch diese Zuschreibung Nichts geändert werde. Bgl. I. AI. Blatt,

Jahrgang III. S. 184.

628 Werth desselben dadurch verringert und die Nutzungen seiner

Realgerichtsbarkeit dadurch vermindert werden möchten.

Wenn

daher auch durch die Veräußerung des ritterfreien Ackers oder Landes zu vollem Eigenthume, zu Erbzins- oder ErbPachtSrechten die Wirksamkeit und der Ertrag der Realge-

richtsbarkeit vermindert und beides für die Orts-Patrimouial-

gerichtsbarkeit

erhöhet werden mag,

so erleidet der Inhaber

der Realgerichtsbarkeit über das eximirte Gut durch solche Ver­

fügungen doch keinen Abbruch an

seinem Rechte.

werden durch die Veräußerungen zu

Ueberdies

vollem Eigenthum,

zu

ErbzinS- oder Erbpachtsrechten neue Gegenstände der RechtsPflege gebildet, und dieselben kann nur das Orts-Patrimonial-

oder Untergericht vor sich ziehen, weil nur dieses das ordent­ liche Gericht über alle nicht eximirten Personen und Sachen in dem Gute ist, nicht aber der Inhaber der RealgerichtSbar-

keit, welche nur die Gerichtsbarkeit über das Gut auSzuüben berechtigt ist.

Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung

schon in dem Reskripte des Großkanzlers von Carmer vom

14. Januar 1788.*) getroffen werden.

Es wird dadurch auf

die Anfrage in Ansehung des Hypothekenwesens für die Fälle, wenn Besitzer adelicher Güter gewisse Hufen oder sonstige Pertinenzien

von

ihren Gütern an andere Personen überlassen,

Folgendes bestimmt:

„Wenn dergleichen Pertinenzstück nur m Erbpacht oder

Erbzins ausgethan worden, so erfolgt eigentlich keine Absonde-

derung desselben von dem Hauptgute, sondern eS bleibt der­ gleichen Realität nach, wie vor, ein Pertinenzstück des letztern,

nur mit dem Unterschiede, daß der Kanon, oder der Genuß

’) Rabe'- Sammlung, Bd. 1. Abch. 7. S. 763.



629



der bei denselben vorbedungenen Prästationen an die Stelle der

selbsteigenen Verwaltung tritt. Zn diesem Falle erfolgt in dem Hypothekenbttche des Hauptgutes gar keine Veränderung, dagegen ist der Eigenthümer desselben befugt u»d schuldig, über dergleichen, einem einzelnen Besitzer überlassenes Pertinenzstück ein besonde­

res Hypothekenbuch bei seinem Gerichte führen zu lassen, in welchem sub. tit. I. das Einkaufsgeld, so wie künftig das et-

wanige Verkaufs-

oder

Vererbungs-pretium,

sub. tit. II.

der Kanon und die übrigen fortwährenden Prästationen, und sub. tit. III. die von dem Besitzer etwa künftig gültigerweise

ju kontrahirenden Schulden eingetragen werden müssen."

Das extraktweise wörtlich angeführte Reskript scheint zwar insofern einen Verstoß gegen die Hypothekenverfassung zu ent­

halten *), als es nach demselben das Ansehen hat, es bedürfe eines Vermerkes über die erfolgten Vcrätißerungeit ztt ErbzinS-

oder Erbpachtsrechten in dem Hypothekenbuchc des Hauptgutes

Wenigstens ist die hierauf sich beziehende Stelle sehr

nicht.

unbestimmt gefaßt.

Auch hat die angeführte Entscheidung nur

Verleihungen zu Erbzins und Vererbpachtungen zum Gegen­ stände.

Allein der gerügte Mangel ist für die getroffene Ent­

scheidung unerheblich, und der auf die obige Anweisung fol­

gende Gegensatz: „wenn ein Pertinenzstück von dem Hauptgute gänzlich und

für immer abgetrennt wird, so daß es mit selbigem in gar keiner weiteren Verbindung stehet," ergiebt, daß die Entscheidung nicht auf Verleihungen in Erb­

zins oder Erbpacht hat beschränkt werden sollen. Das eximirte Eigenthuni und die mit demselben verbun-

*’) Bgl. da» Justiz - Ministcrial - Blatt, Jahrgang II. S. 263.

630 denen Rechte sind die Gegenstände, auf welche sich die Realge-

richtsbarkeit über das eximirte Gut beschränkt.

Nur

diejenige Bestimmung des Gesetzes,

jedes von einem

Regel unter

nach

welcher

eximirten Gute abgetrennte Stück in der

die Realgerichtsbarkeit

des Orts-Patrimonialge-

richts, oder sonstigen ordentlichen Ortsgerichts treten soll, also auch, wenn das abgetrennte Stück zu ritterfrciem Eigenthume

veräußert ist, verordnet demnach mit Rücksicht auf das Ministerialreskrlpt vom 25. November 1802. *) etwas Neues.

Diese Bestimmung ist jedoch für das Recht des Inhabers der Realgerichtsbarkeit nicht verletzend und sie empfiehlt sich schon deshalb, weil dadurch der Verschiedenheit der GerichtsStande in einem kleinen Umfange und dem Nachtheile vorge­

beugt worden ist, welcher daraus entstehet, wenn in demselben

Bezirke Sachen und Personen verschiedenen Gerichten unterge­

ordnet sind.

Die Beschränkung, welche sie für den Inhaber der

Patrtmonalgerichtsbarkeit insofern enthält, als er den Umfang derselben zu verkleinern,

dadurch verhindert wird,

kann mit

Rücksicht auf die im gleichfolgenden §. 2. enthaltenen Ausnah­

men nicht für drückend erachtet werden.

Dieser §. 2.***) des Gesetzes enthält nämlich die Ansnahmen von der in dem §. 1. aufgestellten Regel.

*) Rabe's Sammlung, Bd. 10. S. 204. §. 2. Ausnahmsweise sollen dergleichen Gutstheile dem extmirten Gerichts-Stande unterworfen seyn, 1) wenn sie zu vollem Eigenthum veräußert werden und von einem solchen Umfange oder Werthe sind, wie ihn Rittergüter nach den Gesetzen über die Standschaft der Provinz bet freiwilligen Parzellirungen zur Bewahrung ihrer Ritterguts-Eigenschaft mindestens be­ halten müssen, 2) wenn bet etnem geringern Umfange oder Werth derselben der Er­ werber in dem Erwcrbungsvertrage die Absicht ausgesprochen hat,

631 Die unter 1. aufgestellte Ausnahme, wonach denjenigen größeren,

zu

vollem Eigenthume

veräußerten Gutstheilen

der eximirte Realgerichsstan d Vorbehalten ist, welche von

einem Umfange

oder Werthe sind, wie ihn Rittergüter,

nach de» provinzialstäiidischen Gesetzen,

Ritterguts-Eigenschaft

bewahren

müssen,

zur

Erhaltung

ihrer

stellt sich um des­

halb als zweckmäßig dar, weil sie den Erwerb und das Zu­ sammenhalten eines solchen größeren ländlichen Grundstückes be­

fördert, indem sic dem Besitzer eines so bedeutenden, dem Um­

fange und Werthe eines Ritterguts gleich kommenden Land­ gutes die Möglichkeit gewährt, sich den in der Provinz beste­ henden landschaftlichen Kreditvcreinen Behufs der Bcpfaud-

bricfung anzuschlteßen, da Pfandbriefe (außer in Ostpreußen) nur auf solche Güter ausgeliehen werden, die in dem Hypo­ thekenbuche der Obergerichte eingetragen stehen.

Die Ausnahme unter 2. für den Fall, wenn ein sol­

cher Gutstheil zwar

von

geringerem Umfange

oder Werthe

ist, er aber in Verbindung mit anderen Grundstücken zur Bil­

dung eines Rittergutes benutzt werden soll und durch König­ liche Verleihung demnächst die Rechte eines Rittergutes oder

der Theilnahme an dem Stande der Ritcrschaft beigelegt er­ hält, beruhet in den Vorschriften des §. 33. Ttt. 17. Th. II. daraus, oder In Verbindung mit andern bereits erworbenen oder noch zu erwerbenden Grundstücken rin Rittergut zu bilden und Wir dem­ nächst durch eine von Uns Alleihöchstseibib vollzogene Urkunde diesem Grundbesitze die Eigenschaft eines JiiiicrgutS oder die Gerechtsamen beilegen, welche zur Theilnahme an dem Stande der Ritterschaft befähigen; 3) wenn sic mit Zustimmung des Veräußerer« und de« JurisdiktionsBerechtigten einem eximirten Landgute cuiverleibt und auf den An­ trag des Erwerbers diesem Gute in dem Hypothekenbuchc zugeschrie­ ben werden.

632 des Allgemeinen Landrechts, des §. 108. Tit. 2 der Prozeß-

Ordnung und der provinztalständischen Gesetze. Bei der Ausnahme zu 3. konnte der Grundsatz nicht

leitend seyn, daß schon aus der Pertinenzeigenschaft der

Uebergang

unter die Realgerichtsbarkeit

stückes folge.

des Hauptgrund­

Die Hypothekenordnung bestimmt Tit. 1. §>. 34.;

Pertinenjstücke und Gerechtigkeiten, welche zu einem Gute

gehören,

werden

besonders vermerkt. Gerichtsbarkeit

in dem Hypothekenbuche

desselben

nicht

Wenn aber selbige unter einer andern

liegen,

und

also

Hypothekenbuche eingetragen sind,

auch in einem

andern

sie

auf dem

so müssen

Titelblatte des HauptguteS, mit Benennung der Jurisdik­ tion, unter welcher sie liegen, angeführt werden;

und in dem Muster zu einem Hypothekenfolium, welches der

Hypothekenvrdnung beigefügt ist, wird das auf dem Titelblatt«

vermerkte Pertinenz

„die Otterwiese" mit

den

Worten

be­

zeichnet:

„zu welchem eine, in dem benachbarten Märtzischen Kreise

gelegene und in den Hypothekenbüchern der Schwarzwaldi­ schen Regierung besonders

eingetragene Wiese,

die Otter-

wiese genannt, gehört." Die Wenn zu

35. und 36. Tit. 1. der Hypothekenordnung:

einem

im Hypothekenb>iche

eingetragenen

Gute

ein Pertinenzstück oder Gerechtigkeit, welche bisher dabei nicht befindlich gewesen, zugekauft, oder sonst zugeschlagen wor­ den, so wird solches unter der ersten Rubrike, bei dem titulo

possessionis bemerkt, und der Werth einer solchen Er­ werbung eben daselbst ausgeworfen;" Gleichergestalt muß,

wenn ein zu einem Gute gehörig

gewesenes Pertinenzstück, oder Gerechtigkeit davon veräußert,

633 oder sonst getrennt wird, diese Trennung unter dem titnlo

possessionis

und der Werth desselben von dem

bemerkt,

ausgeworfenen Werthe des ganzen Grundstücks, abgeschrie­ ben werden;"

bestimmen den Uebergang der unbeweglichen Pertinenzstücke un­ ter die Realgerichtsbarkeit, der das Hauptgut unterworfen ist,

125. Tit. 2. Th. I.

nicht, und das allgemeine, in dem

des Allgemeinen Landrechts aufgestellte Prinzip:

Pertinenzstücke

nehmen,

so

lange

pe bei

der

Hauptsache

find, an allen Rechten derselben Theil, kann

auf

den Gerichtsstand

nicht «»gewendet werden.

unbeweglicher

Pertinenzstücke

Diese Anwendung würde mit hö­

her» Rechtsprinzipien unvereinbar seyn.

Denn da nach dem

Allgemeinen Landrechte Th. I. Tit. 2. §. 44. sowohl beweg­

liche, als unbewegliche Sachen, die einem anderen Ganzen durch die Handlung

oder Bestimmung eines Menschen zuge­

schlagen worden, die Eigenschaft eines PertinenzstückeS erhaltm, so würde es der Willkühr überlassen seyn, den Umfang der RealgerichtSbarkeiten

hier zu

erweitern

und dort zu

be­

schränken, folglich die Realgerichtsbarkeit aufhören, ein Recht zu seyn.

Der Grundsatz, daß die Pertinenzeigenschaft den Ueber­

gang in die RealgerichtSbarkeit des Hauptgutes zur Folge habe,

ist auch nicht

in

die Praxis

ausgenommen.

Insbesondere

spricht für daS Gegentheil die, in den landesherrlich bestä­

tigten Erläuterungen,

näheren Bestimmungen und Abände­

rungen des Westpreußischen Landschaftsreglements vom 22sten Juli 1794., S. 20. enthaltene Vorschrift, daß bei der Ver­ pfändung nicht ritterfreier Pertimnzien für die auf das Haupt-

Gut zu bewilligenden Pfandbriefe die gegenseitigen Verpflichtun­ gen des Dominii directi, der Pertinenzien und der Landschaft

634 in

die Hypothekenbücher sowohl der Pertinenzien,

als

des Rittergutes eingetragen werden sollen. Ohne Zweifel waren aber erhebliche Gründe vorhanden,

welche die Verbindung der unbeweglichen Pertinenzstücke und

des Hauptgutes auch in Ansehung der Realgerichtsbarkeit und des Hypothekenbuches anriethen.

Da nun diese Ver­

bindung nur stattfinden kann, wenn dadurch kein Recht einer

Privatperson beeinträchtigt wird; dies aber nur dann der Fall

ist, wenn die Realgerichtsbarkeit über das Hauptgnt, von wel­ chem das Pertinenzstück getrennt worden, Königlich ist, oder

der getrennte Gutstheil, vor der Trennung, derselben Realge­ richtsbarkeit, als das Hauptgut, zu welchem es tritt, unter­

worfen war, so bedarf eS außerdem der Zustimmung des

Veräußerers

und Zurisdiktions-Berechtigten,

und

darum ist diese Beschränkung der Ausnahme unter 3.*) im 2. des Gesetzes betgefugt.

Der §. 3.**) enthält eine transitorische Bestimmung. Der im

1. ausgestellte Grundsatz war in der früheren ge­

richtlichen Praxis nicht immer der leitende gewesen.

Kleinere

veräußerte Gntstheile sind zwar auch früher schon gewöhnlich der Realjurisdiktion

der Orts-Untcrgerichte

tiberwiesen wor­

den; über größere dagegen unb namentlich über ganze Vor°) Zn Felge dieser Ausnahme darf nach einer KabinetS-rder vom 31. März 1840. (in den General-Akten des Ztistiz-Mitiisterittms „Gutsherrliche Verhältnisse Nr 23." Bd 2. Bl. 159.) den Käufern von DowainenGrundstucken die Jurisdiktion für den Fall ohne landesherrliche Ge­ nehmigung überlassen werden, wenn solche mit eximirten Güter» konsolidirt wird. (Vgl. die Kabinetsorder vom 20. Februar 1812. Gesetzsammlung für 1812. S. 23.) °°) §. 3. Wenn vor Publikation dieses Gesetzes einem veräußerten Gutstheile, welcher nach vorstehenden Bestimmungen der Realjurisdiktion des Srts-Untergericht« hätte anheimfallen sollen, ein eigenes folium in

635 werke, ist häufig, ja wohl meistens, das Hypothekenwesen bei den Obergerichten fortgefnhrt worden, obgleich auch sie vielleicht nach den Grundsätzen des vorliegenden Gesetzes den dinglichen

Gerichtsstand

bei dem Orts-Patrimonial- oder OrtS-Unter-

gerichte hätten erhalten muffen.

Zn solchen Fälle» hätte da­

her der betreffende Patrimonial - Gerichtsherr

die

ihm entzo­

gene Realjllrisdiktion von dem Obergerichte reklamiren können. Wenn man indessen dergleichen Reklamationen unbedingt und

namentlich auch bei solchen Grundstücken gestattet haben würde,

die inzwischen mit Pfandbriefen oder anderen Hypvthekenschulden belegt worden waren, so hätte dies in Fällen der letzteren Art für die Grundbesitzer oft sehr verderblich wer­

den können.

Der Verlust des

eximirten Realgerichtsstandes

würde für sie (außer in Ostpreußen) stets eine Kündigung der

von

der Landschaft

ihnen bewilligten Pfandbriefe zur Folge

gehabt haben, und alich andere Hypothekengläubiger hätten da­

durch leicht zur plötzlichen Kündigung ihrer Forderungen aus dem Grunde veranlaßt werden können, weil das ihnen ver­

pfändete Grundstück nunmehr nicht ferner auf das im §. 48. Tit. 52. der Prozeßordnung bestimmte Vorrecht der adlichen

Güter Anspruch hätte, wonach bei nothwendigen Subhastatio-

dem Hypothekenbuche des Ober-Gerichts, oder einer andern die Real-Ge­ richtsbarkeit über eximtrie Güter verwaltenden Gerichtsbehörde bereits ge­ geben ist, so kann der Gerichisherr des Orts-Untergerichts die Uebertragung dieses Grundstücks in das Hypothekenbuch seines Gericht- fordern, es sey denn, daß das Grundstück inzwischen mit Pfandbriefen oder andern Hypothekenschulden belastet worden wäre, in welchen Fällen dasselbe bei dem Widerspruche seines Eigenthümers der Realjurtsdiktion des Orts-Unter­ gerichts nicht eher überwiesen werden darf, als bis im gewöhnlichen Laufe des Verkehrs die Löschung der Pfandbriefe oder andern Schulden im Hypo­ thekenbuche erfolgt.

636 nett der Zuschlag solcher Güter der Regel nach nicht unter zwei Drittheilen ihres Taxwerthes geschehen darf. Aus diesen Gründen ist in dem §. 3. bestimmt, daß

bei verschuldeten Grundstücken, im Falle des Widerspruches von

Seiten des EigenthümerS, der Inhaber der Orts-Gerichtsbar­

keit die Realjurisdiktion mit erst dann reklamiren könne, wenn im gewöhnlichen Laufe des Verkehrs die Löschung der Pfand­ briefe oder anderen Schulden erfolgt sey. Da übrigens die in dem Gesetze festgestellten Prinzipien auch für manche standesherrlicheu Gerichte") von Wich-

keit sind, welche, ähnlich den Königlichen Obergerichten, das Hy­ pothekenbuch über die in ihrem Bezirke befindlichen eximirten

Landgüter führen, und daher durch die Anwendung der Regel des

Theil

i. auf veräußerte Parzelen solcher Güter auch emen ihrer Realjurisdiktion an

richte verlieren können; so ist im

die Orts - Patrimonial - Ge­ 4.**) deshalb Vorkehrung

getroffen, wobei in Hinsicht der Gerechtsame der standesherrlichen Gerichte die speziellen, ihnen und den Patrimonial-Ge­

richten ihres Sprengels geschehenen Verleihungen aufrecht er­ halten sind, und für etwanige Kontestationsfälle, die nicht güt­

lich zu beseitigen sind, richterliche Kognition und Entscheidung nachgelassen ist. — Dagegen bedurfte es keiner Bestimmung in Bttreff der Trennung solcher eximirten Güter, die vormals

getrennt besessen, späterhin aber mit andern Gütern zusam-

•) Bgl. Statte, Beiträge, Th. I. S. 86. und folg. °‘) §. 4. Die vorstehenden Bestimmungen (§§. 1 — 3.) finden auch auf da« Verhältniß der standesherrlichen Gerichte zu den in ihren Spren­ geln befindlichen Patrimonialgerichien Anwendung, sofern nicht spezielle Verleihungen hierüber etwas Anderes enthalten. Streitigkeiten darüber find im Wege des Prozesse« zu erledigen.

637 mengezogen und auf ein Hypotheken-Folium gebracht sind.*) Wenn der vormalige Besitzer eines solchen, mit anderen Rit­

tergütern auf ein Hypotheken - Folium gebrachten Gutes, vor dieser Verbindung, die Patrimonialgerichtsbarkeit auSgeübt hat, so kann dieses Recht ihm da,

wo

es überhaupt

stattfindet,

auch nach der Aufhebung der Verbindung nicht bestritten wer­

den, und wenn ein solches Gut in der Matrikel der Güter, deren Besitzer zum Stande der Ritterschaft berechtigt sind, auf­ geführt

worden,

so

wird dem Erwerber desselben die Theil­

nahme an diesem Stande unzweifelhaft gebühren.

Wenn aber

bisher nur der Besitzer mehrerer, zu einer Herrschaft verbun­ denen Güter die Patrimonialgerichtsbarkeit in dieser Herrschaft

ausgeübt hat, so müssen die Bestimmungen des vorliegenden

Gesetzes zur Anwendung kommen,

und wenn das getrennte

Gut nicht, in der Matrikel der Rittergüter ausgenommen ist, so kann der neue Besitzer nur dann auf die Landtagsfähigkeit

Anspruch machen, wenn dem getrennten Gute die Eigenschaft

eines Ritter-

oder

zum ersten. Stande berechtigenden Gutes

durch landesherrliche Verleihung beigelegt wird.

Es kam endlich zwar auch zur Frage, ob, wenn Ritteroder andere eximirte Güter durch Zerstückelungen ganz zertheilt oder

in

ihrem Umfange

und

Werthe

dergestalt herabgesetzt

werden, daß sie nach den, für die betreffende Provinz beste­

henden Gesetzen die Landtagsfähigkeit verlieren, dieselben zugleich

der PatrimonialgerichtSbark'eit und

des

exi-

mirten dinglichen Gerichtsstandes verlustig gehen soll­

ten.

Als Grund für die Entziehung der PatrimonialgerichtS-

•) Hypothekenordnung, Til. i. §. 39., Verordnung wegen der Provin­ zialstände in dem Großherzogchum Posen vom 15. Dezember 1830. Art, 7>, Gesetzsammlung für 1832. S. 9

638 barfeit wurde dabei angeführt, daß, wenn der Besitzer eines

zerstückelten Rittergutes oder eximirten Gutes in demselben so wenig Eigenthum besitze, oder aus demselben so geringe Nuzznng ziehe, daß eS nach den bestehenden Gesetzen nicht mehr

landtagsfähig sey, das Gtit nicht mehr dafür Gewähr leiste,

es werde dessen Besitzer im Stande seyn, die, Kosten der Pa­ trimonialgerichtsbarkeit aufzubringen. gestatte

es nicht,

daß einem Gute,

Die öffentliche Ordnung

welches vielleicht Zahre

lang sequestrirt werden müßte, um die Kosten eines bedeuten­ den Kriminalfalles aufzubringen, und dessen Besitzer daher ge­

neigt seyn möchte, die in seinem Gute vorkommenden Krimi­

nalfälle lingerügt zu lassen,

oder gar zu verheimlichen, um

nicht durch die für ihn fast unerschwinglichen Kosten in seinem

Vermögen zerrüttet zu werden; daß einem Gute, dessen reiner Er­ trag schon durch das Zustitiariengehalt einen bedeutenden Ab­

bruch erlitte, und in welchem der Znrisdiktionar vielleicht au­

ßer Stande wäre, dem Zustiiiarins ein anständiges Zimmer zur Abhaltung der Gerichtstage einzuränmen, die PatrimonM-

gerichtsbarkeit gelassen werde.

Es sey ferner Nichts dagegen

zu erinnern, daß ein, durch freiwillige Zerstückelung in seinem Umfange lind Werthe bis zum Verluste der Landtagsfähigkeit herabgesetztes Gut, welches unter Königlicher Realgerichtsbar­ keit stehe, unter die Realgerichtsbarkeit des gewöhnlichen OrtS-

GorichtS oder eines andern Untergerichts trete. Man hielt jedoch dafür, daß dieser Gegenstand nur im

Zusammenhänge mit den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen

über die Parzelirung und über die Fähigkeit zur Erwerbung

von Rittergütern erschöpfend behandelt werden könne, und ging daher auf eine abgesonderte Entscheidung darüber nicht ein.



C39

-

Nach der gegenwärtigen Lage der Gesetzgebung und da es

keinem Bedenken unterliegt,

das Gesetz

vom

25. April

1835. und die Uebcrweisung abgctrennter Parzelen an das Hypothckenbuch des

betreffenden Untergerichts

auch dann. anzu-

wenden, wenn der Grund und Boden eines exiinirten Land­ gutes völlig

dismembrirt wird/) kommen

daher noch

die

Reskripte vom 5. März 180!)., Nr. 6. zu d., und 23. Februar 1815.°") zur Anwendung, worin cs heißt:

a. in dem vom 5. März 1809.

ic. vielmehr versteht cs sich von selbst, daß im Falle soge­

nannter Totaldismembrationen beide Ehrenrechte, Ge­ richtsbarkeit und Patronat, zwar den Aequirenten der

dlsmembrirten Domimalländereie», mithin auch einer gan­ zen Dorfgemeinde selbst, jedoch nicht anders, als in Ge­

meinschaft, und zwar nur dergestalt überlassen werden kön­

nen, daß die Znstiz durch einen gemeinschaftlich erwählten, gehörig konsirmirten Justitiarius und eben so auch das Pa­ tronatrecht von der ganzen Gemeinde oder von allen Er­

werbern der dismembrirten Dommialländereien

beisammen,

als von einer moralischen Person, gemeinschaftlich und unzertheilt ausgeubt werde;

b. in dem vom 23. Februar 1815., welches auf ersteres Be­

zug nimmt: Nach diesen muß die Gerichtsbarkeit bei einer Zerstückelung

immer bei dem Hauptstamme des Guts verbleiben, und nur

°) Hiermit beantwortet sich zugleich die Anfrage in der Juristische» Wochenschrift, Jahrgang 7. S. 131 —132. °°) MathiS, Monatsschrift,

Bd. S. S. 14.

Bd. 10. S. 69. und Jahrbücher,



640



in dem Falle einer TotaldiSmemdration kann die Ge­ richtsbarkeit an die mehreren Besitzer des GutS übergehen, welche dieselbe alsdann durch einen gemeinschaftlich zu be­ stellenden Justitiarius verwalten müssen, indem sonst die Patrimonialgerichte, welche in Absicht der Zahl möglichst beschränkt werden müssen, im Gegentheile unverhältnißmäßig vermehrt werden würden.

XXI. Ueber die Zulässigkeit der Resiitutionsklage

gegen ein mit der Nichtigkeitsbeschwerde vergeblich angefochtenes Erkenntniß-

Zahre 1835. belangte die Stadtkommune zu S. den

daflgen Sattlermcister Gottfried E., als Erbeserben des Bäkkermeisters Gottfried K. von dort,

auf Zurückzahlung eines

Kapitals von 160. Thlr. Nominal-Münze, oder 113. Thlr. 14. Sgr. Kourant, nebst Zinsen seit dem 1. Januar 1827.,

welches K.,

laut Schuldinstruments

gegen 5 Prozent Zinsen,

vom

8.

Mai

1760.,

unter Verpfändung der Brodbänke

Nr. 7. und 8., aus dem Kämmereivermögen der Stadt S. als Darlehn erhalten haben sollte.

Zn erster Znstanz des summarisch verhandelten Pro­ zesses wurde der Verklagte am 11. Juli 1835. zur Zahlung verurtheilt; in zweiter dagegen, auf seine Appellation, die Klä­ gerin am

28. April

1836.

abgewiesen,

weil

angenommen

wurde, daß die rein persönliche Forderung schon zur Zeit der

Publikation des Allgemeinen Landrechts erloschen gewesen sey. Dabei erwog der Appellationsrichter zwar, rin

implicite

behauptet

hatte,

daß die Kläge­

die Zinsen 41

seyen

642 bis zum letzten Dezember 1826. berichtigt allein er befand zugleich, daß diese Behauptung,

worden;

weil

nach

den Vorschriften über den summarischen Prozeß nicht näher

bewiesen, nicht weiter zu berücksichtigen sey.

Nunmehr legte

die Klägerin

aus mehreren Gründen ein,

die Nichtigkeitsbeschwerde

insbesondere

deshalb,

weil

der

Rechtsgrundsatz verletzt worden sey, daß, so lange Jemand

sein Recht in irgend einer Art ausübe, oder der Verpflichtete seinen Verbindlichkeiten nachkomme, eine Verjährung durch Nichtge­

brauch nicht anfangen könne.

Das Geheime Ober-Tribunal

verwarf dieselbe aber unter'm 10. März 1837. als verfehlt,

weil der Appellationsrichter keinesweges die Erheblichkeit jenes Satzes verkannt, sondern nur den Beweis der angeblich bis

1827. erfolgten Zinsenzahlung für nicht geführt angenommen

habe, das AppellationSurtel älso wegen Verletzung einer we­ sentlichen Prozeßvorschrift anzufechten gewesen wäre.")

Wider

das

sonach

unvernichtete AppellationSurtel

vom

28. April 1836. suchte die Stadtkommune zu S. Restitu­ tion nach.

Ihre

diesfällige Klage vom 8. August 1838.

reichte sie am 2. Oktober desselben Jahres bei dem Land- und Stadtgerichte zu S. ein, welches sich der Instruktion und Ab­ urtelung der Sache unterzog. Die Zulässigkeit der Restitution")

behauptete die Klägerin, weil 1.

Stadtgemeinen nach dem §. 14. Tit. 16. der Pro-

•) Das Erkenntniß de« Geheimen Ober-Tribunal« ist, jedoch nur mit Siiickstcht auf die darin erörterte Verjährungsfrage, in den Entschei­ dungen, Bd. 2. S. 152. und folg, abgedruckt. •• ) Gegen die verabsäumte Frist zur Einlegung des Rechtsmittel« der Appellation, der Revision, des Rekurses und der Nichtigkeitsbeschwerde findet nach Artikel 13. der Deklaration vom 6. April 1839. (Gesetzsamm­ lung für 1839. S. 131) keine Restitution mehr Statt.

643 157. Tit. 8. Th. II. des All­

zeßordnung und nach dem gemeinen Landrechts zu

moralischen Personen

den in dieser Hinsicht bevorrechtttm

würden,

gerechnet

der Gegenstand deS

Streites aber zum Kämmerei-Vermögen gehöre;

2. die vierjährige Restitntionsfrist innegehalten wordm; 3. die Kommune,

deren

Abweisung

im

AppellationS-

Uttel des Borprozeffes um deshalb erfolgt sey, weil die Replik,

daß

die bis

Verzinsung

fortwährend

1827.

der Schuld Seitens

stattgefundene

der Erben des Dar-

lehns - Nehmers den Eintritt der Extinktivverjährung verhin­

dert habe, von

ihren

Stellvertretern

weder gehörig

vorge­

bracht, noch hinlänglich begründet worden sey, eben dadurch im Prozesse eine Verletzung erlitten habe. Die Klägerin stellte ihren Antrag dahin: die Stadtkommune zu

S.

gegen das

in

ihrem Borpro­

zesse wider den Sattlermeister E. ergangene Appellationser­ kenntniß vom 28. April 1836. in integrum zu restituiren,

in der Hauptsache aber,

unter Abänderung des gedachten

Urtels, das Erkenntniß erster Instanz vom 11. Juli 1835.

wieder herzustellen und den Beklagten für schuldig zu erklä­ ren, die eingeklagten 113. Thlr. 14. Sgr. nebst 5 Prozent Zinsen

seit dem 1. Januar 1827. an die Kämmereikasse

in S. zu bezahlen.

Verklagter bestritt die Zulässigkeit der Restitution, indem

er hauptsächlich einwandte: 1. daß die Städteordnung vom 19. November 1808.,

mit Aufhebung der entgegenstehenden Vorschriften des Mgemeinen Landrechts, die ganze Geschäftsführung der Stadtge-

41 •

644 meinen in die Hände der Bürgerschaft lege,

so daß letztere

dllrch ihre Stadtverordneten bei jedem Geschäftszweige für die Wahrnehmung ihrer Gerechtsame zu sorgen habe und sich auf angebliche Bernachlässigungen einzelner, eventuell dem Regresse

ausgesetzter Vertreter nicht berufen könne;

2. daß ein Nachtheil, welcher durch den Verstoß gegen

eine Prozeßförmlichkeit, oder durch vernachlässigte Bettretung der Klägerin entstanden,

selbst,

in

nicht nachgewiesen

des Borprozeffes

der Appellatwnsinstanz

weis

der Zinsenzahlung für unerheblich

zum

Beweise

der Läsion

nicht

sey;^ daß Klägerin

blos

den Be­

erachtet habe;

der Nachweis

daß

rechts­

kräftiger Aberkennung eines Anspruches genüge, sondern auch dargethan seyn müsse, daß der Verlust des Imploranten durch eine vorgekommene Nachlässigkeit herbeigeführt sey; endlich aber,

daß das Appellationsurtel,

Beschwerde ergangene

so wie das auf die Nichtigkeits-

Erkenntniß,

noch andere Abweisungs­

Gründe enthielten. Sein Antrag ging auf

gänzliche Abweisung der Klägerin. Das Land- und Stadtgericht zu S. erkannte darauf am 15. Januar 1839.: daß die Klägerin zu der nachgesuchten Restitution

zu verstatten, und demgemäß gegen das ganze Verfahren in dem verhandelten Borprozeffe in integrum zit restituiren; in der Sache selbst aber die Klägerin schuldig, sich ernstlich

zu prüfen, ob sie ohne Verletzung ihres Gewissens und ohne sich der Strafe des Meineides auszusetzen, einen Eid dahin

leisten könne:

daß sie außer den zu den Akten angezeigten, oder in den­ selben ausgemittelten Umständen, von der Sache Nichts wisse,

645 auch aller angewendeten Nachforschungen ungeachtet Nichts erfahren habe, wodurch die Behauptung widerlegt würde:

daß die Erblasser des Verklagten, nämlich re., länger als

30. Jahre, von 1827. zurück gerechnet,

die Zinsen eines

Kapitals von 113. Thlr. 14. Sgr. mit 5. Thlr. 20. Sgr.

2. Pf. zur Kämmereikaffe bezahlt haben;

im Schwörungsfalle sollte Verklagter schuldig seyn, das ein­ geklagte Kapital von 113. Thlr. 14. Sgr. nebst 5. Prozent

Zinsen seit dem 1. Januar 1827. an die Klägerin zu bezah­ len; im Nichtschwörungsfalle

dagegen sollte letztere mit dem

erhobenen Ansprüche abgewiesen werden. Gegen diese Entscheidung wendete der Verklagte die Ap­

pellation ein, indem er sich darüber beschwerte: daß die Klägerin zum Eide verstattet und von dessen Ab­

leistung

seine

Verurtheilung

abhängig

gemacht, Klägerin

nicht vielmehr abgewiesen sey.

Zur Rechtfertigung dieser Beschwerde führte er an, daß

die Bedingungen nicht vorhanden seyen, unter welchen über­ haupt von der Restitutio ex capite minorennitalis die Rede

seyn könne. Es könne dahin gestellt bleiben, ob die Voraussetzung der

Klägerin richtig wäre, daß der im Vorprozesse erhobene Ein­ wand der Verjährung für unerheblich würde erachtet worden

ftyn, wenn auf denselben erwidert worden wäre, daß die Zin­ sen des qu. Kapitals bis 1827. bezahlt seyen, hierdurch Sei­

tens des Gläubigers ein Theil des Rechts ausgeübt, Seitens des Schuldners aber die Fortdauer der Verbindlichkeit aner­ kannt worden sey.

Die Restitution finde nach

dem §. 13.

Tit. 16. der Prozeßordnung nur dann statt:

wenn

durch Berabsäumung der Prozeßfristen,

oder

durch

646 richterliches Urtheil, oder dergleichen Verfügung, Nachtheil

zugefügt ist;

dieser Fall liege aber nicht vor, indem die Klägerin in der Appellationsbeantwortung

des

Vorprozeffes

vom

17.

No­

vember 1835. den Beweis der Zinsenzahlung für überflüssig

erklärt habe, der Nachtheil der Klägerin folglich in deren Wil­ le«, nicht in dem richterlichen Uriheile, seinen Grund habe; überdies auch nach dem §. 383. Tit. IQ. Th. I. des Allge­ meinen Landrechts nicht benutzte Einwendungen ipso jure ver­

loren gingen, und bei der klaren Bestimmung des

§. 174.

Tit. 14. a. a. O. hiergegen keine Restitution Platz greife.

Eventuell, bemerkte er, habe die Restitution nur gegen das Urtel zweiter Instanz des Borprozesses nachgesucht, also nicht von Neuem in erster Instanz erkannt werden können.

Die Klägerin dagegen behauptete, um darzuthun, daß die erlittene Läsion

in vernachlässigter Vertretung

ihren

Grund habe: daß der Justiz-Rath K., welcher im Vorprozeffe ihr Sachwal­

ter gewesen, und welchem mittelst magistratualischen Schrei­

bens vom 17. März 1836. die zum Beweise der fortwäh­ renden Verzinsung des streitigen Kapitals dienenden Urkun­

den angezeigt worden, dennoch hiervon keinen Gebrauch gemacht habe.

Im Uebrigen bemerkte sie, daß selbst dann, wenn' ihr Man­ datar im Borprozesse nicht gefehlt haben, die Vernachlässi­

gung vielmehr von dem Magistrate ausgehen sollte, die Re­ stitution begründet seyn würde, weil es lediglich darauf an­ komme, ob sie ohne eigne Schuld durch die Vernachlässi­ gung eines Vertreters Nachtheil erlitten habe.

Das Ober-LandeSgericht zu B. erkannte jedoch, auf die Ap-



647



pellation des Verklagten, am 23, November 1839, abändernd dahin:

daß die Klägerin mit dem Anträge, sie gegen das in ihrem

Prozesse wider den Verklagten ergangene Appellationserkenntntß vom 28. April 1836. in integrum zu restituiren, in der Hauptsache aber, unter Abänderung des gedachten Urtels,

das Erkenntniß erster Instanz vom 11. Zuli 1835. wieder

herzustellen und den Verklagten für schuldig zu erklären, die eingeklagten 113. Thlr. 14. Sgr. mit Verzugszinsen an die

Kämmereikasse zu S. zu zahlen, — abzuweisen. Der zweite Richter erklärte, ohne auf die Sache selbst

einzugehen, die beantragte Zulassung der Klägerin zur Re­ stitution in integrum aus

folgenden

Gründen

für

UN*

statthaft: „Abgesehen davon, daß, weil die Restitution gegen ein Appellationserkenntniß nachgesucht worden, nur der Appellations­

Richter und nicht der Richter erster Instanz") darüber hätte

erkennen sollen, so sey das erste Erkenntniß auch sonst nicht

gerechtfertigt. Man müsse freilich, ungeachtet der restriktiven Be«

stimmnng der

174 — 176. Tit. 14. Th. I. des Allgemeinen

Landrechts, nach den §§>. 13—16. Tit. 16. der Prozeßordnung annehmen, daß die Restitution nicht blos auf versäumte Fri­

sten zu beschränken, sondern auch in dem Falle zulässig sey, wenn Vormünder oder sonstige Vertreter außer Acht gelassen haben, von Einreden oder Beweismitteln ic. Gebrauch

zu machen, die eine Abänderung des Urtels zum Vortheile des Minorennen re. zu bewirken geeignet wären.

Im vorliegenden

Falle aber sey *) Vgl. das Reskript vom 22. April 1836.

Abtheilung 1. S. 303.

Erl. und Erg. Th. UI.

648 1.

wie in der Rrstitutionsklage selbst bemerkt werde, schon

im Vorprozeffe die Behauptung, daß die Zinsenzahlung die Verjährung ausschließe, aufgestellt, also in dieser Be­

ziehung Nichts versäumt,

2. das Appellationsurtel-- im

Vorprozeffe mit Berücksichti­

gung dieses Einwandes abgcfaßt, 3. das in diesem Urtel angeblich liegende Unrecht für

Klägerin durch

ein

die

Rechtsmittel — die Nichtigkeitsbe­

schwerde — gerügt, jedoch, weil dies nicht auf gehörige Weise geschehen, keine Remedur erlangt worden.

Wenn nun auch die Nichtigkeitsbeschwerde und restitutio ex capite minorennitatis neben einander bestehen, so könne

doch

zur Beseitigung

eines Nachtheils,

die Nichtigkeitsbeschwerde

der

durch

nicht zu beheben gewe­

sen und in Bezug auf welchen dieses Rechtsmittel per sententiam verworfen worden, stitution nachgesucht

nicht die Re­

und durch diese das Nichtig-

keitsurtel illusorisch gemacht

werden.

Wollte die

Klägerin sich jene bewahren, so hätte sie, wie auch im Artikel 16. der Deklaration vom 6. April 1839.

erläutert worden, beide Rechtsmittel, Nichtigkeitsschwerde

und

Restitution,

kumuliren,

nicht aber

successive verfolgen müssen. Schon aus diesem Grunde erscheine die Restitution unzulässig.

Der §. 12. Tit. 16. der Prozeßordnung verlange aber auch, daß eine Verletzung durch das anzufechtende Urtel erfolgt

sey.

Diese aber sey nicht vorhanden.

Zm Vorprozeffe habe

Klägerin dem Einwande der Verjährung nicht den Umstand

entgegengesetzt, daß Zinsen stets bezahlt worden seyen, son­ dern vor Aufstellung des Einwandes in der Klage geäußert:

649 „Da Verklagter aber keine Zahlling leistet und eben so die Zin­

sen seit 1. Januar rückständig geblieben sind 2t."

Verklagter

habe sich hierauf nicht ausgelassen, woraus in contumaciam

nur habe gefolgert werden können, daß die Zinsen nicht ge­ zahlt

seyen,

keinesweges

aber,

daß zugegeben

werde,

1760 — 1827. sey dieselbe Zahlung stets geschehen.

von

Sobald

also die Verjährung excipirt worden, hätte zu ihrer Entkräf­ tung ausdrücklich auf die rechtliche Vermuthung aus einer zu

erweisenden steten Zinsrnzahlung verwiesen werden müssen. Die Klägerin sey aber Beweismittel über diese Zahlung schuldig ge­ blieben, habe sich nicht einmal auf ihre rechtliche Vermuthung berufen, habe also einen Vertheidigungsmoment gegen den Ein­

wand versäumt.

Nach dem §. 383. Tit. 16. Th. I. des All­

gemeinen Landrechts gingen in der Regel Einwendungen im

Prozesse durch die nicht erfolgte Vorschützung derselben verlo­ ren, um wie viel mehr also Vertheidigungsmittel gegen Ein­

wendungen.

Mit Unrecht habe hiernach der erste Richter die

Klägerin zur Restitution verstattet." Gegen dieses Urtheil brachte die klagende Kommune zwar wiederum die Nichtigkeitsbeschwerde an; diese wurde aber mit­ telst Erkenntnisses des Geh. Ober-Tribunals

vom 23. Mai

1840. zurückgewiesen.

Die

Entscheidungsgründe

ergeben,

daß

die Abweisung

hauptsächlich erfolgte, weil die Nichtigkeitsbeschwerde als ver­ fehlt angesehen wurde.

Die Deduktion d'eS Appellationsurtels

vom 23. November 1839. ist barin nicht zur näheren Erörte­

rung gezogen.

Dieselbe giebt aber zu der nicht uninteressanten

Frage Veranlassung:

ob

schon wegen des Umstandes allein,

Apprllationserkenntniß

des

daß

Borprozesses

das

vom

650

28. April 1836. mit einer, unterem 10. März 1837. verworfenen Nichtigkeitsbeschwerde angefochten worden, die Restitutionsklage überhaupt als un­ zulässig zu betrachten war. Kür den ähnlichen Fall, wenn die Nichtigkeitsbeschwerde gleich­ zeitig mit der Nullitätsklage zusteht, unterscheidet ein Ministerial-Reskript vom 28. Oktober 1835.,*) ob erstere ver­ worfen, oder nur versäumt, oder aus andern Gründen zurück­ gewiesen worden ist; nur in den beiden letzteren Fällen soll dann die Nullitätsklage noch zulässig seyn. Die analoge Anwendung dieser Bestimmung auf den vor­ liegenden Fall scheint gegen die Zulässigkeit der Restitution zu sprechen, weil wirklich eine Verwerfung der Nichtigkeitsbe­ schwerde stattgefunden hat. Allein das gedachte Reskript setzt voraus, daß zugleich *) Dasselbe lautet also: „Der in dem Berichte vom 13. d. M. in Sachen N wider S. entwickelten Ansicht des Königlichen Ober-Landesgerichts, daß bei dem Zusammentreffen der Nichtigkeitsbeschwerde und der Nulli­ täts-Klage ex falsa causa in einer und derselben Sache erst die Nich­ tigkeitsbeschwerde instruirt und darüber erkannt werden muß, kann der Justiz-Minister nicht beitreten. Ist der Fall wirklich vorhanden, daß einer Parthei gleichzeitig das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und eine Nullitäts-Klage zusteht, so bleibt ihr die Wahl überlassen, auf welchem von beiden Wegen sie glaubt, am sichersten zu ihrem Rechte zu gelangen. Wird das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde eingewendet und verworfen, so kann der in dem diesfallsigen Prozesse rechtskräftig ver­ worfene Klagegrund nicht mehr zum Gegenstände einer Nullitätsklage gemacht werden. Wird aber das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde versäumt, oder aus anderen Gründen zurückgewieseu, so kann in dem vorausgesetzten Falle immer noch die Nullitätsklage angestellt werden. (Jahrbücher, «d. 46, S, 508.)

651 der Grund der Klage verworfen worden sey.

Die­

sem Falle aber entspricht der vorliegende nicht. Die Klägerin stellte, als Zmplorantin im Borprozesse,

in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde a. gegen die Ansicht des AppellationSrichterS: da das der Klage zum Grunde liegende Darlehnsgeschäst

im Zahre 1760. geschlossen worden, so sey die rein persön­ liche Forderungsklage schon zur Zeit der Publikation des All­

gemeinen Landrechts erloschen gewesen,

die Behauptung

auf:

weil es sich um

die Verjährung

des

Rechts einer Stadtgemeine handle, Sachen und Rechte der Städte aber jure communi erst in 40. Zähren verjährten,

so wären die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts über die Unverjährbarkeit eingetragener Forderungen zur Anwendung zu bringen, indem die 40jährige Frist erst nach der Publikation des Allgemeinen Landrechts abgelaufen sey.

Diese Beschwerde wurde, als in der versuchten Art unge-

rech.tfertigt, verworfen. b. Die zweite Beschwerde, welche darauf beruhte, der Appellationsrichter habe

die Vorschrift

des

rechts, wonach eingetragene Forderungen,

Allgemeinen

Land­

so lange sie nicht

gelöscht worden, der Verjährung nicht unterworfen seyen — unberücksichtigt gelassen, wurde verworfen, weil sie auf der ir­

rigen Voraussetzung beruhte, daß es des Ablaufes der 40 jähri­

gen Verjährung bedurft habe. c. Die dritte Beschwerde, der AppellationSrichter

habe

übersehen, wie, in Ermangelung einer Kündigung, actio nondum nata, folglich auch keine Berjährnng möglich sey, wurde theils als

unsubstantiirt,

theils darum verworfen, weil die

652 Verjährung mit dem Tage, wo die Kündigung zuerst möglich

geworden, beginne.

d.

Viertens hatte Zmplorantin behauptet, der Grund­

satz: daß bei fortdauernder, wenn auch nur theilweiser, Aus­ übung eines Rechts, oder Anerkennung einer Verpflichtung, be­ züglich derselben keine Verjährung anfangen könne, sey unbe­

rücksichtigt geblieben. Hier wurde ihr im Prinzipe beigestimmt, jedoch entschie­

den,

daß

nach

Lage

der Sache

der

AppellationSrichter

die Erheblichkeit dieses Rechtssatzes nicht verkannt,

sondern

nur die gehörige Angabe der faktischen Voraussetzungen und deren

für

den

summarischen Prozeß

erforderlichen Beweis

vermißt habe, daher das Appellationsurtel wegen Verletzung einer wesentlichen Prozeßvorschrift anzufechten gewesen wäre und, da dies nicht geschehen, die Nichtigkeitsbeschwerde

für verfehlt zu erachten sey. Da nun die Verwerflichkeit aller übrigen Beschwerdepunkte

szu a—«.), bei welchen der Beginn der Verjährung voraus­ gesetzt wird,

die Nichtigkeitserklärung

nicht

hätte aushalten

können, wenn der letzte (zu d.) begründet gewesen wäre, weil

dann von einer begonnenen Verjährting überall nicht die Rede seyn konnte, andererseits aber die Restitutions-Klage ausschließ­

lich auf die, jenem vierten Beschwerdepunkte entsprechende Be­

hauptung gegründet worden,

so

kann die Analogie des ge­

dachten Reskripts hier nicht Platz greifen.

Das Appellationsurtheil vom 28. April 1836. erachtete

die Behauptung der Zinsenzahlung bis Ende Dezember 1826., durch welche die Verjährung ausgeschlossen seyn sollte, für un­

erwiesen. Diese Behauptung wurde in der gegen jenes Urtel ein­ gelegten Nichtigkeitsbeschwerde wiederholt und daraus der Nicht-

653 Eintritt der Verjährung deduzirt mit der Angabe, daß der dama­

lige Appellationsrichter, mit Verletzung von Rechtsgrundsätzen,

die Zinsenzahlung für unerheblich und einflußlos erklärt habe. Zm

Nichtigkeitsurtel wurde die Beschwerde als unrichtig angebracht verworfen, da der Richter den Einwand nicht als unerheb­ lich, vielmehr als unerwiesen

verworfen

habe.

Es

war

mithin die Behauptung: es wären Zinsen bis Ende 1826. ge­ zahlt und dadurch

sey

die Verjährung

ausgeschlossen,

zwar

schon Gegenstand des Vorprozeffes, sowohl in dem Haupt-, als in dem Nichtigkeitsverfahren.

In dem Restitutions-Prozesse

wurde aber das nämliche Faktum alls einem ganz anderen Ge­ sichtspunkte vorgebracht, unter dem Vorgeben, es sey im Borpro-

zeffe durch das Versehen der Vertreter der Klägerin nicht gehörig begründet worden; und wegen der dadurch erwachsenen Nachtheile ward die Restitution nachgesucht.

Zn der That waltete also in

Bezug auf jene Thatsache ein erheblicher Unterschied ob zwischen dem ersten und zweiten Prozesse.

Und dieser Unterschied war

für die Beurtheilung der Sache selbst von großer Erheblichkeit;

er rechtfertigte die Zulassung der Restitution. — Allerdings konnte

die Klägerin, wenn sie jener, ihr nachtheiligen Versäumniß ih­ rer Vertreter begegnen wollte, dies auf doppeltem Wege thun:

im Wege der Restitution, oder in dem der Nichtigkeitsbeschwerde.

Auf beiden war möglicher Weise der nämliche Zweck zu errei­ chen:

Aufhebung des nachtheiligen Urtels und Erlangung ei­

nes anderen, günstigen Erkenntnisses.

Allein, wenn auch die

Klägerin die Nichtigkeitsbeschwerde gewählt hatte, durch welche

sie die Vernichtung des, sie — wegen Eintrittes der Verjährung —

abweisenden Appellationsurtels vom 28. April 1836. und ein Erkenntniß nach ihren Anträgen zu erreichen beabsichtigte, so blieb es ihr doch frei, nachdem sie auf dem betretenen Wege,

654 weil sie ihre Beschwerde ungehörig begründet hatte, nicht zum

Ziele gelangte, noch auf den andern Weg zurückzukehren und

statt der nicht geglückten Nichtigkeitsbeschwerde die Restitution, welche in einer ganz anderen Art substantiirt war, zu verlangen. Die Vorschrift des Artikels 16. der Deklaration

von 6. April 1839."), wenngleich sie nach dem Plenarbe­ schlüsse des Geheimen Ober-Tribunals vom 16. Dezember deff.

Z. auch auf frühere Fälle"") Anwendung findet, konnte der Klägerin hierbei nicht entgegenstehen. Der gedachte Artikel verordnet:

„Eine Partei, welche darüber zweifelhaft ist, welches von

mehreren Rechtsmitteln in einem vorliegenden Falle statt­ finde, soll befugt seyn, zur Wahrung ihrer Rechte die meh­

reren Rechtsmittel gleichzeitig, unter Beobachtung der für

jedes derselben vorgeschriebenen Förmlichkeiten, einzulegen.

Der Richter, welchem die Verfügung auf die angebrach­

ten Rechtsmittel zusteht, hat darüber einen vorläufigen Be­

schluß abzufassen; er verfügt nur die Instruktion des von ihm für zulässig erachteten Rechtsmittels und setzt die Ein­

leitung des anderen aus, dessen Einlegung alsdann auf die Vollstreckbarkeit des Erkenntnisses ohne Einfluß bleibt.

Dem erkennenden Richter steht jedoch die definitive Be­ stimmung darüber zu, welches Rechtsmittel das zulässige ist.

Ist er einer andern Ansicht als der prozeßleitende Richter,

so verordnet er durch ein Resolut die Einleitung des von dem letzteren ausgesetzten Rechtsmittels, welches dann aufzunehmen und zu instruiren ist."

") Gesetzsammlung für 1839. S. 132. "°) Zusttz-Mlnisterlal-Blatt, Jahrgang II. S. 24.

655 Derselbe betrifft die Zuläsfigkett der Kumulation der or­

dentlichen Rechtsmittel mit dem außerordentlichen der Nichtigkeitsbeschwerde.

Dies ergiebt sich aus den Mate­

rialien über die Deklaration vom 9. April 1839.

Anfangs als Artikel 15. lautete er also:

„Eine Partei, welche zweifelhaft darüber ist', welches von mehreren Rechtsmitteln für den

vorliegenden

Fall Statt

findet, kann, um desselben nicht verlustig zu gehen, die meh­ reren Rechtsmittel gleichzeitig, unter Beobachtung der für

jedes

derselben vorgeschriebenen Förmlichkeiten, einlegen.

Der Richter, welchem die Verfügung über die angebrach­ ten Rechtsmittel zusteht, muß sodann zwar dasjenige, wel­

ches

er

nicht

zulässig findet,

zurückweisen,

und

nur

die

Instruktion des von ihm zugelassenen Rechtsmittels veran­

lassen.

Ist aber der erkennende Richter einer anderen An­

sicht, so ist nach dessen Entscheidung das frühere zurückge­

wiesene Rechtsmittel wieder aufzunehmen und zu instruiren"; erhielt demnächst als Artikel 16. eine veränderte Fassung dahin: „Eine Partei, welche darüber zweifelhaft ist, welches von meh­ reren Rechtsmitteln in einem vorliegenden Falle stattstnde,

soll befugt seyn, zur Wahrung ihrer Rechte, die mehreren

Rechtsmittel

gleichzeitig, unter Beobachtung der für jedes

derselben vorgeschriebenen Förmlichkeiten, einzulegen.

Der Richter, welchem die Verfügung auf die angebrach­ ten Rechtsmittel zusteht, hat darüber Änen vorläufigen Be­

schluß abzufassen; er setzt die Einleitung desjenigen Rechts­ mittels aus, welches er nicht zulassen zu dürfeu glaubt, und verfügt die Instruktion des von ihm für zulässig erachteten.

Dem erkennenden Richter steht jedoch die definitive Be­ stimmung darüber zu, welches Rechtsmittel das zulässige ist.

656 Zst er einer anderen Ansicht als der prozeßleitende Richter,

so verordnet er durch ein Resolut die Einleitung des von

dem letzteren ausgesetzten Rechtsmittels, welches dann auf­ zunehmen und zu instruiren ist;" dann im zweiten Satze die Abänderung und den Zusatz: „ er verfügt nur die Instruktion des von ihm für zulässig er­

achteten Rechtsmittels und setzt die Einleitung des anderen

aus, dessen Einlegung alsdann auf die Vollstreckbarkeit des Erkenntnisses ohne Einfluß bleibt;"

und so seine jetzige Gestalt. Er wurde hervorgerufen durch die Meinung der Majorität des Geheimen Ober-Tribunals, daß es nicht zulässig sey, in Fällen, wo es zweifelhaft ist,

welches Rechtsmittel, das ordentliche der Appellation oder Revision, oder das außerordentliche der Nichtigkeitsbeschwerde stattfinde, sich beide dadurch zu konserviren, daß bei der An­

meldung der Appellation oder Revision eventuell zugleich die

Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt wird. Die Gründe dieser Ansicht reduzirten sich darauf, daß

1. die Parthei zwischen den sich gegenseitig ausschließen­

den ordentlichen Rechtsmitteln und der Nichtigkeitsbeschwerde eine unbedingte Wahl treffen müsse, an welcher es bei dem

gleichzeitigen Anmelden eines ordentlichen Rechtsmittels und

dem eventuellen Anbringen der Nichtigkeitsbeschwerde fehle; 2. die gleichzeitige Instruktion beider Remedien in allen

Fällen unausführbar sey, wo ein Untergericht in erster Instanz

erkannt habe, weil dieses zur Verhandlung der Revision und

resp. Appellation nicht kompetent sey, und die Instruktion also bei zwei Gerichten zugleich geführt werden müßte;

3. jede Kumulation voraussetze, daß die Verhandlting und

Entscheidung der Sache vor denselben Richter gehöre, während

657 bei einem Zusammentreffen der Appellation und NichtigkeitsBeschwerde jene niemals zum Ressort des Geh. Ober-Tribunals

gelangen dürfe; 4. die Gestattung der Kumulation zur Folge haben würde,

daß die Partheien, wo es nur irgend möglich, davon Behufs Verzögerung der Urtheilsvollstreckung Gebrauch machen würden. Dabei hatte die Majorität des höchsten Gerichtshofes aber de lege ferenda eine successive oder subsidiäre Kumulation

der Revision und der Nichtigkeitsbeschwerde für aus­

führbar und zur Vermeidung

des zufälligen Verlustes

eines

der beiden Rechtsmittel für zweckmäßig erklärt, wogegen eine

Kumulation der Nichtigkeitsbeschwerde mit der Nul­ litätsklage für unzulässig gehalten und von dem Gehei­ men Ober-Tribunale anheim gestellt wurde, diese Unzulässig­

keit im Gesetze anszudrücken, wenn die Verbindung der Revi­ sion und Nichtigkeitsbeschwerde sanktionirt werden sollte.

„Bleibt.man blos bei der Theorie stehen, — wurde nun

in den Motiven zu jener Deklaration gesagt, — so hat die Meinung der Majorität zwar Viel für sich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde findet nach §. 4. dcr Verord­ nung vom 14. Dezember 1833. nur statt: wider Erkenntnisse erster oder zweiter Instanz, gegen welche

die Gesetze kein ordentliches Rechtsmittel zulassen. •

Das ordentliche und außerordentliche RemedmM schließen sich also gegenseitig aus.

Wenn aber zwischen zwei Dingen, die

sich auSschließen, gewählt wird, so muß die Wahl unbedingt

getroffen werden.

Eine Erklärung, lieber das Eine, demnächst

das Andere zu wollen, ist keine unbedingte Wahl. Eben so wenig läßt fich leugnen,

daß die Gestattung

der Kumulation sowohl deshalb, weil die Nichtigkeitsbeschwerde

42

658 in der Regel keinen Suspensiveffekt hat (§>. 10. der Verord­

nung vom 14. Dezember 1833.*), als darum, weil sie bei'm

Richter erster Znstanz angebracht und instruirt wird, auch die Entscheidung darüber ausschließlich dem Geheimen Ober-Tri­

bunale zusteht (§§>.

11 —15. und 26. a. a. O.), manche

Schwierigkeiten erzeugt, da auf die Revision zwar auch von

diesem Gerichtshöfe entschieden wird, nicht aber auf die Appel­ lation, beide Rechtsmittel Suspensiveffekt der Regel nach haben, die Appellation zwar ebenfalls beim ersten Richter anzumelden ist,

nicht aber die Revision, deren Instruktion ihm, so wie dir der Appellation, unter Umständen, nicht zusteht.**)

Indeß wegen dieser Schwierigkeiten, die sich auch beseiti­ gen lassen, darf, — so wurde ferner bemerkt, — die Kumu­

lation nicht ausgeschlossen

werden,

wenn sich ein dringendes

Bedürfniß zur Nachlassung derselben praktisch herausgestellt

hat.

Und dies kann man nicht leugnen, wie das Geheime

Ober-Tribunal selbst einstimmig anerkennt.

Die gesetzlichen Vorschriften über die Zulässigkeit der Rechts­ mittel sind nicht so unzweifelhaft, daß eine Diskussion in den

Gerichtshöfen darüber nicht möglich seyn sollte, geschweige un­ ter den Partheien und Sachwaltern.

Es ist daher unbillig, eß den Partheien zuzurechnen, wenn sie nicht gleich von Hause aus dasjenige Rechtsmittel wählen,

welches

später im

Sinne der Mehrheit der Mitglieder des

Spruchkollegiums das allein richtige ist. Hierzu tritt, daß es bei der Beurtheilung der Rechtsmit­ tel auf die Werthsdifferenz ankommt, und ost durch die EntfcheiGesetzsammlung für 1833. S. 302. §§• 4 b. 5. Tit. 14, HH 1 M. 25. der Prozeßordnung.

5. Til. 15.,

26. 42. 72-74. 82.

659 düng des zweiten Richters eine Position entsteht, die bis da­

hin nicht Gegenstand der Schätzung seyn konnte, weil sie im

Bereiche der Partheien nicht gelegen hat, insbesondere, wenn der

Rechtsstreit aus mehreren Punkten besteht. Die Berordnung vom 14. Dezember 1833. will, daß

entweder das ordentliche Rechtsmittel der Appellation und resp. Revision, oder das außerordentliche der Nichtigkeitsbeschwerde der sich durch das Erkenntniß beschwert fühlenden Parthei ju

Statten kommen solle, sonst nur vorhanden sind.

insofern die Bedingungen desselben Sie konnte mithin nicht wollen,

daß, obgleich eins dieser Rechtsmittel vollkommen begründet

war, ja sogar von der Parthei interponirt ward, dennoch das­

selbe ohne alle ihre Schuld für sie verloren gehe. Dieses könnte aber geschehen, wenn die Kumulation nicht

zugelaffen werden sollte.

Man nehme nur den Fall an, — wurde weiter bemerkt — der verurtheilte Beklagte habe gegen das wider ihn er­

gangene Erkenntniß die Appellation eingewendet, der dekretirende Richter habe solche deshalb zurückgewiesen, weil es an der Summa appellabilis fehle, die vorgesetzte Behörde habe

auf die desfalls geführte Beschwerde die Verfügung des Rich­

ters bestätigt, die Parthei habe nun noch intra fatale die Nich­

tigkeitsbeschwerde eingewendet, der erkennende Richter habe je­ doch solche zurückgewiesen, weil Summa appellabilis vorhan­

den sey. Zn einem solchen Falle — und es lassen sich viele ähn­

liche denken — würde es doch als eine höchst auffallende Znkonsequenz und Ungerechtigkeit angesehen werden müssen, wenn in den gesetzlichen Vorschriften kein Mittel läge, dem Verluste

deS der Parthei wirklich zustehenden und nur durch die Ber42*

660

schiedenheit der Ansichten über die Appellabilität des Objektes, sogar gegen die von ihr getroffene richtige Wahl, entzogenen Rechtsmittels vorzubeugen. Auch in anderen Gesetzgebungen wird die Zulässigkeit der fraglichen Kumulation anerkannt.^) *) In der Reichskammergerichtsordnung von 1613. heißt es Th. HL Tit. 50. unter der Ueberschrift: „Bon Nullität und Nichtigkeits-Sachen, wie und welchergestalt in den­ selben proeedirt und gehandelt werden soll" Nachdem sich auch zu Zeiten Nichtigkeiten der Prozeß oder Ur­ theil, an den Untergerichten'ergangen, befinden: Wollen Wir, wo jemandtS an Unserm Kammergericht solche Nullität oder Nichtigkeit vo­ riger Rechtfertigung oder gesprochener Urtheil fürzuwenden gedächt, daß er solches sampt der Klage auf die Iniquität, Beschwerde und Unge­ rechtigkeit derselben Urtheil, ob er einige zu haben vermeint, alterna­ tive und mit einander gleich einzubringen schuldig seyn soll, und bitten, über die Nullität zu erkennen, und ob die nicht gegründet be­ funden, alsdann und nicht ehe, auch die andere Klage der Zniquität und Ungerechtigkeit des vorigen Rechtsspruchs zu urtheilen rc. Damit der Verzug zweifältiger Rechtfertigung, so an Unserem Kaiser­ lichen Kammergericht bisher nach einander hat beschehen mögen, ab­ geschnitten und gefährliche Verlängerung vermitten werde. Bei dem Ober - Appellationsgerichte zu Celle wird nach einem Gemeinen Bescheide vom 11. Juni 1735. die eventuelle Kumulation der Appellation mit der Nichtigkeitsbeschwerde gestattet. (Spangenberg, das Ober-Appellationsgericht in Celle. — Celle 1832. S. 253.) Nach der Allgemeinen Gerichtsordnung für Westgaltzien von 1796. §. 340. soll, wenn die mit der Appellation verbundene Nullitätsbeschwerde von dem oberen Richter für unstatthaft befunden wird, derselbe Lie an ihn zugleich gelangte Appellations- oder Revisionssache erledigen, die Nullitäts­ beschwerde verwerfen und, wenn dieselbe als muthwittig erkannt würde, den Beschwerdeführer mit gemessener Strafe ansehen. Eben das findet in den deutschen Erbländern der Oesterreichtschen Monarchie statt. (Vgl. das gerichtliche Verfahren kn Streitsachen in den deutschen Erb> ländern der Oesterreichischen Monarchie von Füger, Th. II. S. 136.) Der Entwurf der neuen Prozeßgesetzgebung für das Großher-

661

Das Verfahren, welches hiernach der Art. 16. des Ge­ setzentwurfes vorschreibt, entspricht der Stellung, welche in der zogthum Hessen vom Jahre 1819. enthält im Artikel 132. folgende Bestimmung: „Wenn das Rechtsmittel der Berufung an das Ober-Appellations­ gericht , in dem Glauben, daß es und nicht das der Revision begründet sey, ergriffen wurde, dieses Rechtsmittel aber dennoch, wegen Mangels der Appeüationssumme, von dem höchsten Gerichte verworfen wird, so soll angenommen werden, daß mit den gewahrten Formalten der Appellation auch die der Revision gewahrt worden seyen, und dieses Rechtsmittel daher' noch stattfinden, wenn der Appellationslibell binnen 14. Tagen als Reviflonslibell übecheben wird. Eben das findet auch im umgekehrten Falle statt, wenn das Rechts­ mittel der Revision wegen Daseyns der Appellationssumme verworfen wurde. Zn diesem Falle muß der Revisionslibell binnen 14. Tagen als Appellationslibell übergeben werden." Zn den Motiven zu diesem Artikel von dem Verfasser des Entwurfes, Ober-AppellationsgerichtS-Rath Floret, heißt es: „Es giebt immer Fälle, in welchen über das Daseyn der Appellations­ summe Zweifel entstehen können. Zn solchen Fällen würde es ungerecht seyn, wenn man Denjenigen, welcher im Zweifel doch eines der beiden Rechtsmittel wählen mußte, darunter leiden lassen wollte, daß er, nach dem nicht voraus erkennbaren Urtheile des Richters, nicht das andere gewählt habe." Hierbei muß bemerkt werden, daß nach dem gedachten Entwürfe unter der Revision dasjenige Rechtsmittel verstanden wird, welches gewählt werden kann, wenn es an der bestimmten Appellationssumme fehlt. Der Entwurf der Prozeßordnung für Baiern vom Jahre 1825. ent­ hält im Art. 979. folgende Bestimmung: „Ein Rechtsmittel, wodurch die Sache an ein höheres Gericht ge­ bracht wird, kann mit einem andern, welches diese Wirkung nicht hat, niemals verbunden werden. Außerdem findet auch die Kumulirung verschiedener Rechtsmittel statt." Unstreitig liegt dem ersten Satze die, der Preußischen Nichtigkeits­ beschwerde fehlende Voraussetzung zum Grunde, daß beide Rechtsmittel successive angebracht werden können, so daß also, wenn das eine von dem höheren Richter deshalb verworfen wird, weil das andere stattstndet, dieses letztere noch interponirt werden kann. Zn einem solchen Falle nimmt die Kumulirung ganz eigentlich den

662

Prozeßordnung dem dekretirenden und erkennenden Richter am gewiesen ist. Daß insbesondere auf die gleichzeitige Instruktion der kumulirten Rechtsmittel nicht eingegangen worden, wodurch un­ ter Umständen allerdings die Sache mehr beschleunigt werden würde, hat darin seinen Grund, daß einerseits Karakter eines bloßen Vorbehaltes an, dessen es aber auch nicht ein­ mal bedarf. Von den juristischen Schriftstellern erklären flch für die eventuelle oder subsidiäre Kumulation der Nechtsmiitel: Danz in den Grundsätzen des Prozesses, 5te Ausgabe. §. 606. von Grolman in der Theorie des gerichtlichen Verfahren-, 4te Auflage, S. 349. Gens ler im Archiv für die civilistische Praxis, 4ter Band. Seite 443., Gönner im Handbuche des deutschen gemeinen Prozesses, 3ter Band, 2te Auflage, S. 481. Letzterer motivirr seine Ansicht folgendermaaßen: „So gut man sein Recht durch mehrere Klagen verfolgen kann, eben so gut läßt sich eine Häufutlg der Rechtsmittel denken. Werden sie über verschiedene trennbare Punkte eines Urtheils gehäuft, so sind sie schon durch ihren Zweck als getrennte und von einander unabhängige RechtSstreitigkeiten zu betrachten, und eS steht gar nichts im Wege, über einen Punkt das Devolutivmkttel der Appellation zu brauchen, und sich über den anderen Punkt des nicht devolutiven Mittels der Revision oder Restitution zu bedienen; es giebt sogar Fälle, wo dieses geschehen muß, wenn nämlich bei einem Punkte die Appellationssumme vorhanden ist, woran es beim andern mangelt. Soll aber die Häufung der Rechtsmittel den nämlichen Punkt eines Urtheils zum Gegenstände haben, so darf die Kumulation, wenn sie erlaubt seyn soll, keinen Widerspruch der zu häufenden Rechtsmittel in sich enthalten. Die Häufung selbst geschieht also entweder 4) zur Auswahl (elective), wie in der Ungewißheit, ob die appellable Summe vorhanden ist, die Revision mit der Appellation sehr oft gehäuft wird; man bedient sich hier nur eines Mittels, und nennt blos zur Sicherheit beide denkbare Mittel, um flch unter ihnen das zulässtge oder bequeme auswählen zu können; 2) oder man häuft fle svbfldiarisch (subordinale), damit man durch

663

die zweifache Znstruktion doppelte Kosten verursacht, die man den Partheien nicht zumuthen darf, andererseits aber als Regel anzunehmen ist, daß das vom dekretirenden Richter zugelaffene Rechtsmittel auch das gesetzlich statthafte seyn wird." Zn dem Berathungsprotokolle heißt es: „Mit dem Art. 16. erklärte die Kommission sich einver­ standen, indem sie die Zulässigkeit einer Kumulation der eines von beiden die Rechtsverletzung abwende, wie bet den Reichsgerichten die Restitution mit der Revision häufig verbunden wird. Es ist klar, daß jedes der beiden gehäuften Rechtsmittel als selbst­ ständig zu betrachten ist, jedes geht seinen eigenen Gang, und alle Fatalien jedes Rechtsmittels muffen eingehalten werden; nur darf bet den auf diese Weise zu häufenden Rechtsmitteln kein Grund vorhanden seyn, weswegen eine Trennung der Rechtsmittel unerlaubt ist. Dies würde eintreten, wenn einer die Appellation mit der Restitution auf diese Weise kumuliren wollte, denn man darf nur den Appellationscid lesen, um sich zu überzeugen, daß auch die Nova, welche die Restitution bei dem vorigen Richter bewirken sollten, mit der Appellation schon zum Erkenntniß des Oberrichters devolvirt wurden. Erlaubt ist es hingegen, die Appellation mit der Nullitätsklage zu häufen, um durch eines oder das andere Mittel eine Abänderung des Ur­ theils zu erhalten, und Pütter hat schon bemerkt, wie Vortheilhaft diese Verbindung ist, damit das Urtheil, wenn auch die Nichtigkeitsklage dasselbe nicht umstoße, nun wenigstens durch die Appellation angefochten werden könne, deren Feierlichkeiten deshalb einzuhalten sindz" Wenn Martin im Lehrbuche des Prozesses, 2te Aufl., S. 373., Linde im Lehrbuche des Civilprozesses, 3te Ausg. S. 546., und Kort, Theorie des sächsischen bürgerlichen Prozesses — Ifles und 2tes Buch. S. 248. die gravaminirende Parthei zur Wahl eines der elektiv konkurrirenden Rechtsmittel, welche sämmtlich zugleich interponirt worden, für verpflichtet halten, so ist darunter der Fall, in welchem von der Parthei wirklich ein Rechtsmittel gewählt, die Verfolgung eines andern für den Fall aber Vor­ behalten wird, daß der erkennende Richter das gewählte wegen der aus­ schließlichen Zulässigkeit des andern verwirft, nicht begriffen.

664 Rechtsmittel, wenn auch die entgegengesetzte Ansicht der Ma­

jorität des Geheimen Ober-Tribunals aus dem Standpunkte der Theorie gerechtfertigt seyn möchte, doch aus den in

den Motiven

angeführten Gründen für

ein praktisches

Bedürfniß anerkannte."

AuS Vorstehendem erhellet die Bedeutung des Artikels 16. der Deklaration vom 6. April 1839. ganz klar; es ist damit

jedem Zweifel über die Absicht des Gesetzes begegnet.

Indem

sich derselbe aber nur darauf beziehet, wie die Parthei sich sichern soll, im Falle sie zweifelhaft ist, ob ein ordentliches Rechts­

mittel oder das außerordentliche der Nichtigkeitsbeschwerde stattfindet, darf daraus nicht gefolgert werden, daß bei Ein­

legung

der Nichtigkeitsbeschwerde

die Nullitätsklage

(in

den, zufolge des §. 28. der Verordnung vom 14. Dezember 1833. und der Nr. 22. der Instruktion vom 7. April 1839.*) allein noch zulässigen Fällen der Nummern 1. 3. 4. und 5.

des

2. Tit. 16. der Prozeßordnung) und eben so die Re­

stitutionsklage**) lediglich

durch gleichzeitige Anbringung

•) Gesetzsammlung für 1833. S. 302. und für 1839. S. 143. ”) Nach der früheren Kurmärkischen Gerichlsverfaffung fand die Nullitätsklage gegen Entscheidungen der Untergerichte statt. Sie konnte in Gemäßheit der Kammergerichtsordnung vom 1. März 1709., Tit. 12. 47. und 48. besonder« angestellt, oder auch mit der Appel­ lation verbunden werden. Die Anführung neuer Thatsachen war bei der Nichtigkeitsklage unzulässig, und die Rechtfertigung ded Beschwerde» mußte auf den Grund der vorigen Akten erfolgen. Bei dem ehemaligen Lber-Appellalionsgerichte sollte nach §. 1. des Gemeinen Bescheide« vom 7. Mai 1708. gegen drei übereinstimmende Urtel kein Recht«mittel zugelassen werden, den Fall einer klaren Unbilligkeit oder Nullität ausge­ nommen. Wurde in geringfügigen Sachen die Nullität sogleich erwiesen, so sollten die Akten der vorigen Instanz eingefordert, ohne weitläufigen Prozeß dnrchgesehen und darauf erkannt werden, was Rechten« sey. Die Prozeßordnung von 1748. (Cod. Fridericianus, Th. II. Tit. 7. §.8.

665 derselben mit der Nichtigkeitsbeschwerde bewahrt werden könne. Dies widerlegt sich auch aus der Natur der beiden letzteren, und Th. III. Tlt. 4. §. 37.) verordnete, daß über die darin festgesetzten drei Instanzen kein weiteres Rechtsmittel, auch nicht unter dem Vorwande einer unheilbaren Nullität, verstattet werden solle, sondern das dritte Er­ kenntniß, wenn es auch die beiden vorigen Urtel geändert, sollte schlechter­ dings für ein Judikat gehalten und nicht weiter gefragt werden, ob recht oder unrecht geurtheilt worden. Denn dem Publikum sey mehr daran ge­ legen, daß, wenn auch der verlierende Theil meinen solle, daß ihm zu viel geschehe, eine einzelne Sache darunter leide, als daß unter dem Vorwande einer Nullität, den Litiganten Gelegenheit gegeben werde, durch Verstat­ tung weiterer Instanzen, den Prozeß zu verewigen. Die Nichtigkeitsklage sollte daher auch in Sachen, die sich zur Appellation eigneten, allezeit unter derselben begriffen seyn, und nachher niemals besonders von dem Appellanten angestellt werden. Die Prozeßordnung von 1781. (Corpus Juris Fridericianum) Th. I. Tit. 16. verstattete zwei Rechtsmittel gegen Erkenntnisse, die an und für sich eine rechtskräftige Entscheidung enthielten, nämlich die NullitätsKlage und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Bet der erster» wurden zugleich die Nullitätsgründe angegeben (§. 2.) Als solche wurden benannt: 1) wenn eine Parlhet auf den Grund eines falschen Dokuments, oder bestochener Zeugen verurtheilt oder abgewtesen worden; 2) wenn Je­ mand, der mit keiner Jurisdiktion versehen oder zur Justiz-Verwaltung nicht vorschriftsmäßig bestellt und vereidet worden, als Richter gehandelt und in dieser Eigenschaft einen Prozeß instruirt oder entschieden hat; 3) wenn Jemand, der nach gesetzlicher Vorschrift ohne Vormund oder Ku­ rator zu handeln nicht fähig ist, ohne den Beistand eines solchen in einem Prozesse als Kläger oder Beklagter zugelassen worden; 4) wenn eine Parthei in einem Prozesse durch einen Andern ohne Vollmacht oder auf Grund ei­ ner falschen Vollmacht vertreten worden; endlich 5) wenn gegen Jemand, dem die erlassenen Citationen nicht insinuirt sind, in contumaliam er­ kannt worden. Die Allgemeine Gerichtsordnung Th. I. Tit. 16.* § 2. nahm die vorste­ henden fünf Nullitätsgründe gleichfalls auf und fügte noch einen sechsten hinzu, wenn nämlich in erster oder zweiter Instanz gegen ein klares, in dem Allgemeinen Landrechte oder in den landesherrlich bestä­ tigten Provinzial-Gesetzbüchern enthaltenes Gesetz, erkannt worden, und die ordentlichen Rechtsmittel gegen ein solches Erkenntniß nicht mehr stattfinden. In dem ersten Entwürfe zum Tit. 16. §. 2. Nr. 2. war nur ganz allgemein gesagt:

666

welche nur uneigentlich noch als außerordentliche Rechtsmit­ tel bezeichnet werden. Sie sollen eine außerordentliche Hülfe gegen Irrthümer in facto, nicht in jure gewähren ") Die vier verschiedenen Fälle, in welchen ein Urtheil noch mit der Nullitätsklage angefochten werden kann, sind: 1. wenn dasselbe ex falsa causa, d. h. auf den Grund eines falschen Dokuments, oder der Aussage bestochener Zeugen gegeben ist; 2. wegen absoluter Inkompetenz des Richters;"") „Wenn gegen ein klare-, in dem allgemeinen Gesetzbuche enthaltene- Ge­ setz erkannt worden, so ist da- Urtel ebenfall- nichtig. ES ist also zur NichtigkeitS-Erklärung nicht hinreichend, wenn bloß behauptet wird, daß gegen die Analogie der Gesetze gesprochen." (Vgl. die Materialien zur Allgemeinen Gerichtsordnung, Band XVIII. S. 240.) Bon der Gesetzkommisston wurde dagegen weiter Nicht- erinnert, aldaß eS zur Nichtigkeits-Erklärung auch nicht hinreiche, wenn das Gesetz unrichtig auSgelegt worden. (Bd. XX. S. 41. a. a. O.) Diesem zufolge ward in den revidirten Entwurf der Allgemeinen Gerichtsordnung die Stelle eingeschaltet: „oder daß das Gesetz nicht richtig erklärt" rc. (Bd. XXL S. 256. a. a. O.) Zn einem späteren Votum des Geheimen StaatS-Minister- von der Reck wurden aber gegen die ganze Fassung des Entwurfes Tit. 16. §. 2. Nr. 2. verschiedene Bedenken geäußert, und besonders angeführt: „Zn der dritten Instanz muß man den Fall nicht almöglich an sehen, und er rofrb wenigstens den Partheien dazu dienen, auf Mittheilung der Entscheidung-grunde in' revisorio zu bestehen" rc. (Bd. XX. S. 100.) Das Manuskript, nach welchem die Allgemeine Gerichtsordnung wahr­ scheinlich abgedruckt worden, enthält nun Tit. 16. §. 2. Nr. 2. den Zusatz von Suarez's Hand: „in erster oder zweiter Instanz" re. *) Vgl. die Gesetzrevisions -Arbeiten, Pens. IV. Th. II. S. 90 — 91. ** ) Vgl. den r. Nr. 3. $it. 16. der Prozeßordnung, den Z.

667 3.

wegen Unfähigkeit der im Prozesse ausgetretenen Parthei;

4.

wenn eine Parthei durch einen falschen Bevollmächtigten

vertreten worden ist. „Diese sogenannten causae nullitatis sind, wie die Revi­

soren der Prozeßordnung sehr richtig sagens, großentheils Re­ stitutionsgründe.

Von den beiden letzten scheint dies die Pro­

zeßordnung selbst zuzugeben.

Denn obwohl sie dieselben unter

den Nullitätsgründen aufzählt,

so

sie doch von der

spricht

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, worauf die

verletzte Parthei in diesen Fällen antragen müsse. — Zn Be­ treff des ersten Nullitätsgrundes gilt dasselbe, daß er vielmehr

ein Restitutionsgrund ist, und es springt in die Augen, daß

sowohl dieser Nullitätsgrund, wie der vierte, mit den nachher genannten beiden Restitutionsgründen (ex capite mino-

rennitatis und ex instrumenlis noviler repertis) zusammen­ fällt, oder doch, wegen gleicher Beschaffenheit, diesen beizugesellen ist.

Es ist wichtig, — heißt es weiter — den Unterschied

zwischen

der Nichtigkeitsbeschwerde**")

und

resp. Nullitätsklage genau zu bestimmen,

der Restitutions-

nicht blos für die

Theorie, sondern auch für das Verfahren, welches nothwendig

bei beiden verschieden ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde gründet

sich in einem Fehler des

Richters, und zwar in einem

Fehler, der sein Urtheil dergestalt nichtig macht,

als ein wirkliches Urtheil nicht anzusehen ist?

daß dasselbe

Die Restitutions-

Nr. 8. der Verordnung vom 14. Dezember 1833. und die Nr. 16. der Instruk­ tion vom 7. April 1839. (Gesetzsammlung für 1833. S. 302. und für

1839. S. 139—140.) *) Gesetzrevlsion«-Arbeiten, Pens. IV. Th. II.

S. 98 — 99.,

108 —109. ”) Sie wird von den Revisoren noch Nullitätsklage genannt,

668 resp. Nullitätsklage dagegen setzt ein an sich gültiges Ur­

theil voraus"), welches ein kompetenter Richter in aller Form und dem Gesetze gemäß gesprochen hat.

Der Fehler liegt hier in

dem Widerspruch des Urtheils mit dem wahrenSachverhältnisse.

Aber dieser Fehler trifft nicht den Richter, sondern die

Parthei, welche es nicht vermocht hat,

Sachverhältniß

darzulegen.

War

die

alle eigene Schuld verhindert, oder hat

jenem

Parthei

das

wahre

hieran

ohne

vielleicht der Gegen­

theil selbst das Sachverhältniß arglistigerweise entstellt, so kön­

nen Rücksichten

auf das öffentliche Wohl es

anraihen

und

rechtfertigen, daß auch ein an sich gültiges Urtheil in einigen

dieser Fälle wieder eingezogen werde. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb ein Rechtsmittel,

von dem man sagen kann, daß der Staat schuldig ist, es den Partheien zu gewähren, weil er die Fehler seiner Beamten zu vertreten oder doch zu verbessern hat; die Restitutio in inte­

grum resp. Nullitätsklage dagegen ist eine Rechtswohlthat (beneficium Juris), welche er den Partheien angedeihen läßt,

um sie gegen unverschuldete Verluste zu schützen. Der Grund,

weshalb

insbesondere

die RestittUion den

Minorennen re. verliehen ist, liegt — wie die Gesetzrevisoren fer­ ner bemerken — ohne Zweifel darin, daß Vormünder, Kura­

toren und überhaupt Verwalter eines fremden Interesses dieses nicht immer so wahrnehmen, wie ein eigenes,

daß sie auch

selten so vollständig unterrichtet sind, wie in eigener Sache; daß jene Personen unfähig sind, ihren Angelegenheiten selbst vorzustehen, und daß der Staat, indem er sie unter Ku­

ratel gesetzt und eine Verwaltung ihres Vermögens angeordnet

#)

12. Til. 16. der Prozeßordnung,

669 hat, hiermit zugleich die Pflicht übernommen hat, so viel mög­

lich den Schaden abzuwenden, den sie durch die Nachlässigkeit oder Unerfahrenheit ihrer Verwalter erleidet können. Ein Mittel hierzu ist die Restitutio in integrum, und

am meisten im Prozesse") bedürfen die Unfähigen dieses

Schutzes.

Denn, wie sehr man auch die Befugnisse der Ku­

ratoren lind Verwalter beschränken und unter wie strenge Auf­

sicht man sie stellen mag, um die Verbringung des ihnen an­ vertrauten Vermögens und die Eingehung nachtheiliger Ver­

träge in Bezug auf dasselbe zu verhüten, so liegt es doch au­ ßer dem Bereiche der Aufsichtsbehörden,

Sammlung

sich unmittelbar mit

der Materialien eines Prozesses und

mit dessen

Führung zu beschäftigen, was daher größtentheils den Verwal­

tern überlassen bleiben muß.

Alles dieses gilt aber eben so­

wohl vom Fiskus und öffentlichen Anstalten, 'als von Minderjährigen und anderen unfähigen Personen.

Aus demselben Grunde — wird ferner angeführt — ist die den Minorennen it. zu bewilligende Restitution nicht blos auf versäumte Fristen zu beschränken,

Falle zuzulassen,

sondern auch in dem

wenn die Vormünder re.

versäumt haben,

von solchen Einreden, die der Richter nicht schon

ex officio zu berücksichtigen hatte,

oder von

den

ihnen zu Gebote stehenden Beweismitteln (mit Aus­ nahme jedoch der Eideszuschiebung) Gebrauch zu machen, vor­

ausgesetzt, daß diese neuen Einreden oder 'Beweismittel eine Abänderung des Urtheils zum Vortheil des Minderjährigen zu

bewirken geeignet sind."

°) Vgl. die Entscheidungen de< Geheime» Ober-Tribunal«, Bd. 7. S. 331—332.

670 Wendet man diese Prinzipien auf den vorliegenden Fall an, so rrgiebt sich von selbst die verschiedene Lage, in welcher sich die Sache einerseits in der Nichtigkeitsinstanz deS BorprozesseS und andererseits in der Appellationsinstanz deS Restitutionsprozeffes befand. Zn jener kam es hauptsächlich darauf an, ob der Richter bei der Anwendung des Gesetzes gefehlt hatte, sey es in Bezug auf die Regelmäßigkeit der Prozedur, oder in Betreff der Anwendung des Gesetzes auf den zu ent­ scheidenden Rechtsstreit. Zn dieser handelte es sich vorzugs­ weise um die Würdigung des Faktums und darum, ob der Klägerin wegen der mangelhaft geführten Vertheidigung von Seiten ihrer Vertreter die Erneuerung des Prozesses zu gestat­ ten und ihr so zu Hülfe zu kommen sey. Hält man diese Verschiedenattigkeit aber im Auge, so zeigt sich sehr bald, daß die Klägerin um deswillen allein, weil sie im NichtigkeitSverfahren des Borprozeffes zllrückgewiesen worden, nicht behindert war, gegen das Urtheil, wider welches sie die Nichtigkeitsbe­ schwerde eingelegt hatte, hinterher die Restitutionsklage anzu­ bringen. Schließlich ist zu erwähnen, daß die in der Prozeßordnung Tit. 16. §. 11. nachgelassene Kumulation der Nullitätsklage mit dem noch offenen Rechtsmittel in der Sache selbst für die hier vorliegende Frage unerheblich ist. Es ist dabei der hier nicht in Betracht kommende Fall, daß das angegriffene Urtel die Rechtskraft noch nicht beschritten hat, vorausgesetzt, und der Appellationsrichter*) hat dabei zu beurtheilen, ob dem “) Vgl. die Reskripte vom 23. August 1819. und 20. Dezember 1837. lZahrbiicher, Bd. 14. S. 26. und Bd. 50. S. 502.)



671



Mangel noch abgeholfen werden kann. Zst dies nicht der Fall, so erkennt er auf die Nichtigkeit. Kann aber dem Verstoß abgeholfen werden, so wird in zweiter Instanz erkannt. Hier wird blos eine neue Klage beseitiget, welche mit dem außeror­ dentlichen Rechtsmittel gegen eine rechtskräftige Entscheidung Nichts gemein hat.

XXII. Ueber Verträge zahlungsunfähiger Schuld­ ner znm Nachtheil -er Gläubiger.

^Diesen Gegenstand behandelt das Gesetz vom 26. April 1835.°) Dasselbe hat znm Zwecke, dem Gläubiger bei der Erekution *) Gesetzsammlung für 1835. S. 53. bis 56. — Vgl. die Ergänzungen und Erläuterungen des Allgemeinen Landrechts, Th. I. S. 385., Suppl. Bd., Abth. 1. S. 502 —»508. und das Justiz - Ministers!- Blatt, Jahrgang I. S. 170. — Das gedachte Gesetz lautet also: Da die Gesetze zur Verhütung von Verträgen, welche von zahlungs­ unfähigen Schuldnern zum Nachtheil ihrer Gläubiger geschloffen werden, sich als unzureichend bewiesen haben, so verordnen Wir für diejenigen Provinzen Unserer Monarchie, in welchen das Allgemeine Landrecht und die Allgemeine Gerichtsordnung gelten, rc. wie folgt: §. 1. DaS im Konkurse den Gläubigern zustehende Recht, die von dem Ge­ meinschuldner gemachten Schenkungen zu widerrufen (Allgemeines Landrecht Th I. Tit. 11. §§. 1129 — 1133., 1164 — 1166., 1171 und 1172., Th. II. Tit. 1 §. 312. ff. und Anhang §. 74.', Allgemeine Gerichtsordnung Th. I.

Tit. 50. §. 49.) soll hinfort auch außer dem Konkurse einem jeden Gläubiger zustehen, wenn bet der Exekution gegen den Schuldner eine Vermögens.- Un­ zulänglichkeit sich ergtebt. §. 2. Außerdem ist jeder Gläubiger im Fall der Vermögens-Unzulänglichkeit seines Schuldners befugt, Kauf-, Tausch- und andere lästige Verträge an­ zufechten, welche derselbe über ihm gehörige bewegliche oder unbewegliche Sachen, Gerechtigkeiten, Nießbrauchsrechte oder ausstehende Forderungen mit einer der folgenden Personen:

- 673 —

in das Vermögen seines Schuldners eine kräftigere Nnterstüzzung zu schaffen und seine endliche Befriedigung mehr als früseinem Ehegatten, vor oder nach geschloffener Ehe,. einem seiner oder seines noch lebenden oder bereits verstorbenen Ehegat­ ten Verwandten in auf- oder absteigender Linie, errichtet hat. Es soll ihm hiebei die Vermuthung zur Seite stehen, daß die Kontrahenten den Vertrag in der unredlichen Absicht, die Gläubi­ ger des Schuldners zu bevortheilen, geschloffen haben. Findet der Richter bet Erwägung aller vorliegenden Umstände die Vermuthung durch Gegenbeweis nicht entkräftet, so ist das Geschäft in Be­ ziehung auf den anfechtenden Gläubiger unverbindlich, und dieser ist be­ rechtigt, den Gegenstand der Veräußerung zu seiner Befriedigung zu ver­ wenden. §• 3. Das in den §§. 1 und 2. jedem einzelnen Gläubiger betgelegte Recht kann nur zum Vortheil solcher Schuldforderungen ausgeübt werden, welche vor der anzufechtenden Veräußerung entstanden sind. §• 4. Dasselbe Recht soll ferner nur gelten, wenn die Veräußerung in einen Zeitraum fällt, der nicht über Ein Jahr vor Erlassung des ExekutionsMandats zurückgeht. §. 5. Kann jedoch der Gläubiger beweisen, daß der Schuldner schon zur Zeit der Veräußerung insolvent gewesen ist, so gilt dieses Recht auch gegen diejenigen Veräußerungen, welche innerhalb der zwei nächsten Jahre vor dem im §. 4. angegebenen Zeitraume stattgefunden haben. 6. Ist die Veräußerung an den Ehegatten des Schuldners geschehen, so gilt das im §. 5, dem Gläubiger beigelegte Recht auch ohne Beweis der schon damals vorhandenen Insolvenz. §. 7. Kann der Gläubiger schon bet Anstellung der Klage oder im Laufe des Prozesses die Vermögens-Unzulänglichkeit seines Schuldners bescheinigen und eine Veräußerung bezeichnen, welche er nach gegenwärtigem Gesetz künftig zu widerrufen oder anzufechten gedenkt, so kann er darauf an­ tragen, daß diese seine Absicht dem Erwerber von Seiten des Gerichts sofort bekannt gemacht werde. Er erlangt hierdurch das Recht, die in den §§. 3 — 6. bestimmten

674

her zu sichern. Es sollten die Mittel erleichtert werden, theils den vielfältigen, häufig auf Kollusion beruhenden InterventionsAnsprüchen der Angehörigen des Schuldners auf die bei dem­ selben in Beschlag genommenen Objekte wirksam zu begegnen; theils da gewesene Vermögensstücke wieder heranzuziehen, von Zeiträume nicht erst vom Tage des Exekutions-MandatS, sondern schon von der Insinuation der Bekanntmachung an zurückzurechnen. §♦ 8. Behauptet der Erwerber die Rechtsbeständigkeit der Veräußerung durch Berufung auf den Zeitpunkt derselben in Gemäßheit der §§. 3—6. deS gegenwärtigen Gesetzes, so muß er diesen Zeitpunkt beweisen. Zu diesem Beweise sind bloße Prlvat-Urkunden nicht hinreichend. §• 9. Gegen einen dritten Besitzer, auf welchen der Geschenknehmer oder der Mitkontrahent des Schuldners die Sache schon weiter übertragen hat, ist der Gläubiger die in Beziehung auf jene Personen ihm zustehenden Befugnisse nur dann auszuüben berechtigt, wenn der Dritte zur Zeit seiner Erwerbung davon Kenntniß gehabt hat, daß der Schuldner unter den durch das gegenwärtige Gesetz als verdächtig bezeichneten Umständen sich der Sache entäußert habe. Gegen die Erben des Geschenknehmers oder deS Mitkontrahenten des Schuldners findet der Anspruch ohne diese Beschränkung Statt. §. 10. Der Gläubiger verliert seine Befugnisse aus diesem Gesetze, wenn er von denselben nicht innerhalb deS Zeitraumes, in welchem ihm die Exekution gegen den Schuldner überhaupt zusteht, es sey im Wege der Einwendung gegen einen Interventions-Anspruch, oder im Wege einer förmlichen Klage gegen den Besitzer der Sache Gebrauch ge­ macht hat. 11. Eine Vermögens - Unzulänglichkeit des Schuldners (§. 1. und 2.) ist in jedem der folgenden drei Fälle anzunehmeli: 1) wenn bei der Auspfändung keine Exekutionsgegenstände vorgesunden worden, der Schuldner auch auf Befragen solche Gegenstände nicht sofort nachweiset und der Gläubiger den Manifestations-Eid fordert, dieser mag geleistet oder verweigert werden; wenn schon früher eine Exekution gegen die Person oder in das Ver­ mögen des Schuldners fruchtlos gewesen;

675 welchen

sich ergiebt,

daß der Schuldner sie neuerlich,

auch

wohl erst nach Ankündigung der Exekution,, veräußert und der Beschlagnahme entzogen hat.

Längst schon theilten die obersten Staatsbehörden mit al­ len Praktikern die Ueberzeugung von

der im Laufe der Zeit

eingetrctenen Unzulänglichkeit der Gesetze °) und dem dringenden Bedürfnisse ergänzender Vorschriften für einen Gegenstand, der

3) wenn der Schuldner in einem zum Ausweis über die Lage seines Vermögens anberaumten Termine, zu welchem er unter Andro­ hung der Annahme seiner Insolvenz vorgeladen worden, ungehor­ sam ausbleibt. §. 12. Werden bei der von dem Gläubiger ausgebrachten Exekution, Gegen­ stände einer solchen entweder vorgefunden oder vom Schuldner nachgewie­ sen, so muß der Gläubiger, bevor eine Vermögens-Unzulänglichkeit ange­ nommen werden kann. 1) wenn Effekten abgepfändet sind, deren öffentlichen Verkauf bewirken; 2) wenn liquide, sichere und innerhalb dreier Monate fällige AktivForderungen in Beschlag genommen sind, den Zahlungstermin abwarten; 3) wenn der Schuldner Grundstücke besitzt, deren Sequestration nach­ suchen, es müßte denn klar erhellen, daß seine Befriedigung aus den Einkünften in den nächsten drei Monaten nicht zu erlan­ gen sey; 4) wenn die Schuld eine Realschuld ist, den gerichtlichen Verkauf des Unterpfandes und die Verlheilung des Kaufgeldes abwarten, insofern nicht der Ausfall der Forderung klar zu übersehen ist. §. 13. Durch eine später erfolgende Konkurs-Eröffnung über das Vermögen des Schuldners gehen für den Gläubiger die aus gegenwärtigen Gesetze bereits erworbenen Rechte nicht verloren. §. 14. Sämmtliche Rechtsstreitigkeiten über Interventions-Ansprüche und diejenigen, welche aus diesem Gesetze hervorgehen, sind im summarischen Prozeß (Verordnung vom 1. Juni 1833. Tit. 2.) zu verhandeln. — *) Die Oefterreichische Gesetzgebung asstmilirt ihre Bestimmungen über den vorliegenden Gegenstand mehr der actio Pauliana des Römi­ schen Rechts.



676



unleugbar mit zu den Gebrechen des Exeklitionswesens gehörte. Allein die vielartige Gestaltung und Verschleierung, unter wel­

cher das Uebel sich zeigt, oft nur sich ahnen läßt, die große Verschiedenheit in den Ansichten und Vorschlägen der Sachver­ ständigen über die zu besten Bekämpfung geeignetsten Mittel, die daher gebotene Nothwendigkeit einer erschöpfenden Auffas­ sung der Frage in allen den Richtungen, in welchen viele und

wichtige Theile des materiellen Rechts und der Rechtsver­

waltung von ihr berührt werden, zugleich mit steter Rücksicht

auf die möglichste Freierhalttmg des Verkehrs von beschweren­ den Fesseln, — alles dies ließ die Aufgabe als so schwierig er­

scheinen, daß ihre treffende Lösung kaum anders und eher mög­

lich schien, als im Wege und mit dem Schluffe der allgemei­ nen Gesetzrevision.

Diese Betrachtungen waren es, die selbst damals, als die

Verordnung wegen Verbesserung des Exekutionsweseus (vom 4. März 1834.) *) vorbereitet ward, von dem gleichzeitigen

Eingehen auf den vorliegenden Gegenstand abriethen, wie sehr wünfchenswerth auch die Mitaufnahme desselben, wie des SchlußSteins zu jener Verordnung, erscheinen mußte. Inzwischen steigerte sich die Dringlichkeit einer Abhülfe

durch die von Zeit zu Zeit von Gerichten, Beamten, Sachwal­

tern, Magisträtcn und einzelnen Interessenten eingehenden Be­

schwerden über das bei den Exekutionen zunehmende Unwesen, besonders der sogenannten Scheinverträge. Es ward von meh­

reren Seiten angetragen, unabhängig von der allgemeinen Ge­ setzrevision Maaßregeln wider jene Umzüge und Machinationen zu treffen, die, weil sie allen richterlichen Bemühungen Hohn Gesetzsammlung für 1834. S. 31.

677 sprachen, von dem Pnblikum nicht ganz mit Unrecht „privilegi.rte" genannt wurden, und sogar auch

bei Einziehung

der

Steuern und Abgaben ihre Wirkung zu äußern begannen, und man mußte daher damlif Bedacht nehmen, dem Uebel baldmög­

lichst Einhalt zu thtin.

Der nächste und alleinige Zweck konnte dabei nicht auf

Maaßregeln gegen betrügerische Verabredungen der Schuld­ ner, im eigentlichen Sinne des Wortes, gerichtet seyn, — die Vernichtung solcher Machinationen fällt den Gesetzen über Arg,

list und Betrug anheim, welche dem verkürzten Gläubiger an­

derweit hinlänglichen Anhalt gewähren; man mußte vielmehr

darauf hiuwirken, allgemein auch gegen an

Verträge dem

und

für

sich

rechtsgültige

Gläubiger verstärkte Schutzmittel zu geben,

sobald erweislich oder präsumtiv der Schiildner bereits zur Zeit ihrer Abschließung über sein Vermögen verschuldet ge­

wesen ist,

und es auf die Umstände des einzelnen Falles ankommen lasscit,

inwieweit jene Mittel auch dann sich als ausreichend erwei­

sen, das Geschäft zur Auflösung zu bringen, wenn dem Schuld­ ner und dessen Mitintereffenten ein wahrhaft betrüglichcs Ver­ fahren vvm Gläubiger beigcmcffcn wird.

Das Allgemeine Landrecht

und

die Prozeßordnung —

wenn sie auch den allgemeinen Grundsatz nicht verleugnen, daß dem Gläubiger, so lange seine Forderung besteht, das gcsammte

Vermögen des Schuldners haftet, die Schuld alle Theile des Vermögens affizirt, — lassen doch die Sorge für möglichste Un­ beschränktheit eines Jeden in der Verfügung über sein Bcsitzthum und für die dadurch bedingte freie Bewegung des Ver-

678 kehrs so vorherrschen, daß nicht früher, als mit dem Augen­

blicke der formellen Konkurseröffnung,

wenn das gestimmte Vermögen des Schuldners als unzuläng­

lich zur Befriedigung aller alsdann vorhandenen Gläubiger sich offenbart und deshalb,

auf das Andringen

derselben,

für sie alle in gerichtlichen Beschlag genommen wird,

die Möglichkeit eintritt, die von dem Schuldner bis dahin ge­ troffenen, die Masse schmälernden Dispositionen einer Censur

zu unterwerfeit und unter gewissen Bedinglmgen wieder aufzurufcn.

Die Prozeßordnung stellt im

42. Tit. 50. vor­

weg den Satz hin,

daß alle Verfügungen, welche der Gemeinschuldner vor eröff­

netem Konkurse getroffen und vollzogen hat, an und für sich

den Rechten nach gültig sind, wenn gleich damals eine wirk­ liche Unzulänglichkeit des Vermögens bei ihm schon vorhan­

den gewesen wäre. Nur wenn dergleichen nachtheilige Dispositionen nicht mit ei­

nem Gläubiger, sondern mit einem Dritten vollzogen worden, soll

es darauf ankommen,

ob dabei eine Schenkung

und

bloße Freigebigkeit zum Grunde liegt, oder ob ein Kauf-, Tausch- oder anderer lästiger Vertrag geschloffen ist (§§. 43. und 48. a. a. O.).

Für den ersten Fall wird auf die Vor­

schriften in den

1129—1133. Tit. 11. Th. I. des All­

gemeinen Landrechts verwiesen.

Darnach kann die'Gesammt­

heit der Gläubiger die innerhalb des zuletzt verflossenen Jahres von

dem Schuldner gemachten Schenkungen widerrufen, und zwar

ohne den Nachweis führen zu müffen, daß der Geschenkge­ ber schon damals über seine Kräfte verschuldet gewesen, was vielmehr ohne Weiteres präsuinirt wird.

679 Gleiche Befugniß steht

in Hinsicht früherer, noch bis zwei Zahre weiter zu­ rückliegender

Schenkungen

den

Gläubigern

zu,

deren

Ansprüche noch älter sind und die den vorbemerkten Nach­ weis übernehmen.

Schenkungen an den Ehegatten"), soweit sie in die letzten drei

Zahre kor eröffnetem Konkurse fallen, sind ohne jenen Unter­ schied dem Widerrufe llnterworfen. (§>. 49. Tit. 50. der Pro­

§. 312. und folg. Tit. 1. Th. 11.

zeßordnung,

des Allge­

meinen Landrechts und §. 74. des Anhanges zu diesem.)

Die rechtliche Wirkung des Widerrufes beschränkt sich in allen Fällen auf die Zurückgabe dessen, was zu der Zeit,

wo

er erklärt wird, von der geschenkten Sache noch vorhanden, oder um wie viel der Beschenkte oder dessen Erben durch den

Werth

noch

wirklich

reicher

sind.

(§§.

1164—1166.

Tit. 11. Th. I. des Allgemeinen Landrechts.) Liegt der andere Fall, der eines lästigen Vertrages, vor,

so soll unterschieden werden, ob dem Mitkontrahenten das Zah­

lungs-Unvermögen des Gemeinschuldners bekannt gewesen ist,

oder nicht.

Nur wenn ihm jenes nachgewiesen werden kann,

•) Al« einige Moncitten alle Schenkungen unter Ehegatten, mit alleiniger Ausnahme von Kleidern, die der Mann der Frau gebe, für nichtig erklären wollten, sprach sich Suarez mit folgenden Worten da­ wider aus: „Es ist wider die Natur, daß just Personen, zwischen denen die innigste Zuneigung stattfinden müßte, nicht befugt sey» sollten, einander auch durch Schenkungen Beweise davon zu geben. Ich kann unmöglich zu­ geben, daß unsere Sitten-Verderbniß im Ganzen dieselbe sey, welche die Römer zu jenem Verbot veranlaßte. Dies Verbot ist eine Einschrän­ kung der natürlichen Freiheit, die ich für überflüssig und unnütz Halle. Gegen Uebereilung und Leichtsinn ist im Titel von Schenkungen über­ haupt gesorgt."

680

soll das Geschäft ungültig und di« Gläubigerschaft berechtigt

seyn, von ihm die veräußerten oder kreditirten Sachen nebst allen davon gezogenen Nützlingen zurückzufordern. (§§. 53. 54. 55. Tit. 50. der Prozeßordnung.)

Von einem Zeitabschnitte,

wie bei Schenkungen, über welchen hinaus diese Befugniß den

Gläubigern versagt wäre, ist hier nicht die Rede, weil das Ge­ setz die Kenntniß des Dkitkontrahenten von der Insolvenz des

Schuldners allein schon für genügend annimmt, ihn von An­ fang an als einen unredlichen Besitzer zu betrachten, woraus

folgt, daß kein Zeitverlauf hier etwas ändern kann-

Aus dem durch d,e Konkurseröffnung und durch deil da­ mit verbundeiieil Beschlag entstehenden allgemeinen Pfandrechte

ergiebt sich übrigens von selbst, daß Alles, was als Resultat jener revokatorischen Rechtsmittel der Vermögensmaffe wieder zufließt, ohne Ausnahme allen Gläubigern zu Gute kommt. Für den etnjeinen Gläubiger, der im Wege der einfa­

chen Exekution seine Befriedigung sucht, aber nicht erreicht, weil die vorzüglicheren, wenn nicht sämmtliche Objekte auf eine oder die andere Weise beseitigt sind,

gab es keine ähnliche Hülfe.

Gelang es ihm auch einmal, was zu den Seltenheiten gehörte, einen Znkervemwnsanspruch auf noch in der Gewahrsam des

Schuldners angetroffene Effekten zu bekämpfen, so standen ihm dagegen

in Beziehung

auf das,

gut wie keine Mittel zu Gebote.

was

fortgeschafft war,

so

Die Bediiiglingen, unter

welchen die Konkiirs.eröffnung zu erlangen ist,

sind für ihn

allein mehrentheils zu schwierig, um nicht von der Provokation

darauf abzuschrecken, lind so war mancher Gläubiger in der Lage,

die weitere Verfolgung seines Anspruches lieber ganz aufzugeben. Diesem Mißstände

durch zeitgemäßere Anordnungen

begegnen, hat das Gesetz vom 26. April 1835,

zu

681

eine Ueberleitung

jener Konkursvorschriften auf die Fälle

der von einzelnen Gläubigem ausgebrachten, aber ganz,

oder theilweise ohne Erfolg gebliebenen Exekution, unter Modifikationen aufgestellt, die nun näher anzugeben sind.

Zn Rücksicht auf die Schenkungen sind die für den

formellen Konkurs gegebenen Vorschriften auch auf den Fall des materiellen Konkurses, d. h., wenn bei der Exekutions-

Bollstreckung die Unzulänglichkeit des Vermögens des Schuld­

ners nachgewiesen wird, ausgedehnt. (§. 1. des Gesetzes vom

26. April 1835.) Es konnte dies um so weniger einem Bedenken unterlie­

gen, als es immer in der Macht des Gläubigers steht, in die­ sem Falle auf Eröffnung des Konkurses selbst zu provoziren,

es aber jedenfalls besser ist, eine gesetzliche Vorschrift zu haben,

wodurch derselbe Zweck ohne Konkurs-,

als mit Konkurs-

Eröffnung erreicht werden kann. Das Allgemeiiie Landrecht spricht

übrigens an den im

1. angeführten Stellen (§§. 1129—1133. Tit. 2. Th. I., 312. Tit. 1. Th. II.), auf welche der daselbst gleichfalls

allegirte §. 49. Tit. 50. der Prozeßordnung verweiset, iiur im

Allgemeinen von „Schenkungen, die auf einer bloßem Frei­ gebigkeit" beruhen.

den gleich folgenden

Die Prozeßordnung aber bestimmt in

50. lind 51. zusätzlich:

§. 50. Einer solchen widerruflichen Schenkiiilg ist es in die­ sem Sinne gleich zu achten, wenn der Gemeinschuld­ ner, innerhalb der im Gesetze bestimmten Fristen, zum

Besten seiner Verwandten, Mit- oder nachgesetzten Er­ ben, dem Anfalle einer Erbschaft oder einem Vermächt­ nisse entsagt hat.

§. 51. Auch sind Verwendungen des Gemeinschuldners zum

682





Ankäufe von Präbenden oder Bedienungen, für seine Kinder oder Andere, die Entrichtung von Ehargenge-

bühren, Stempel- imb Rekognitionsgeldern für selbige,

in dieser Rücksicht für bloße Schenkungen anzusehen; und können daher von den Kindern, oder denjenigen

Anderen, welchen sie zu Statten gekommen sind, zu­

rück gefordert werden. Es wurde deshalb angeregt,

ob nicht neben dem §. 49. auch

50. und 51. mit anzuführe» seyen?

die jedoch

dafür,

daß

dies

nicht geschehe,

Man hat sich

bestimmt.

Die im

§. 51. bezeichneten Verwendungen können nämlich heutzutage

nicht wohl von sonderlichem Belange zichtleistung

auf eine

zwar

seyn,

angefallene,

die

und

Ber-

noch nicht

aber

übernommene Erbschaft bleibt, wenigstens in der vorliegen­

den Beziehllng,

immer noch

unentgeltlichen

Hingabe

bedeutend eines

verschieden

bestimmten

von

der

Vermögens-

Theiles.') Was die belohnenden, d. i. solche Schenkungen anlangt, durch welche eine löbliche Handlung oder ein geleisteter

wichtiger Dienst vergolten wird, so findet nach dem §. 1170.

Tit. 11. Th. I. des Allgemeinen Landrechts der Widerruf eines wirklich gegebenen Geschenkes dieser Art nur aus dem Grunde des Uebermaaßes und nur von Seiten des Geschenkgebers statt.

Tritt jedoch eine der andern gesetzlichen Ursachen ein/aus wel­ chen eine einfache Schenkung widerrufen werden könnte, so

ist der Geschenknehmer verbunden, die löbliche Handlung oder

den geleisteten Dienst,

welche durch das empfangene Geschenk

') Vgl. die Ergänzungen und Erläuterungen zur Allgemeinen Gtricht«vrdnung, Ablh. 1. S. 1038. und Suppl, Bd. S. 266 — 267.

683 haben belohnt werden sollen, bestimmt anzrigeben und nachznweisen.

Kann oder will er dies nicht, so soll auch eine solche

remuneratorische Schenkung gleich jeder anderen behandelt wer­

den, mithin im Falle des Konkurses von den Gläubigern eben­

falls widerrufen werden können. — Diese Vorschriften läßt der 1171. und 1172. Tit. 11. Th. I. des

§>. 1., indem er die

Allgemeinen Landrechts in Bezug nimmt, eben so außer dem Falle des Konkurses zur Anwendung gelangen, wie es wegen der reinen Schenkungen geschieht.

Dabei konnte auch um so

weniger ein Bedenken vorwalten, als eine belohnende Schen­ kung, hinsichtlich deren der geforderte Nachweis nicht bejge-

bracht wird, ihren Karakter verliert und daher nothwendig in

die Kategorie einer gewöhnliche!» Schenkung fällt. Ungleich härisiger aber als Schenkungen kommen bei der Exekution Verkäufe, Cessionen »ind andere lästige Ver­ träge zum Vorschein, welche der Schuldner mit dritten Per­ sonen, besonders mit dem Ehegatten, mit den Aeltern oder Kin­

dern und sonstigen Angehörigen abgeschlossen hat.

Entweder

werden dergleichen Verträge im Wege der Intervention produ-

zirt, zur Schätzung des Eigenthuins an Gegenständen, die dar­

nach dem Schuldner nicht mehr gehören, sich aber noch bei demselben befinden und deshalb mit in Beschlag genommen sind, oder werden sollen.

Oder der Extrahent der Exekution hat von

stattgehabten Veräußerungen, mit welchen zugleich eine räum­

liche

Trennung

verbunden

gewesen,

anderweitig

Kenntniß

exhalten. Die gewöhnlichsten Verträge der erstgedachten Art sind die zwischen dem Schuldner und seiner Ehefrau.

ben ist der Frau oft

das

Inhalts dersel­

gestimmte Mobiliarvermögen

des

Mannes bis auf das geringste Kleidungsstück käuflich überlas-

684 sen, oder es sind ihr sämmtliche Giltst, oder Pacht-Znven-

tanenstücke übereignet, ansstehende Fordernngen cedirt; der Kauf­ preis oder die Cessions - Valuta ist auf eingebrachtes Vermöge»,

mit oder ohne Angabe dessen eigentlichen Betrages, kompensirt,

der Schuldner hat über den Empfang m dieser Art quittirt, die Frau die Uebergabe für geschehen angenommen; dem Manne

ist aber der fernere Gebrauch oder die Nutzung verblieben, zum Ueberflliß in der Urkunde noch besonders zugesichert.

Oder der

Schuldner hat, bei nur unbedeutendem eignen» Vermögen, sich

auch noch des auf das Eingebrachte der Frau ihm gesetzlich zustehenden,

dem Angriffe

seiner Gläubiger

ausgesetzten Nieß­

brauchs begeben lind das Eingebrachte dadurch in vorbehaltenes

Vermögen umgeschaffen, die Frau hat dagegen alif andere nicht

gedeckte Ansprüche an den Mann verzichtet, oder in sonst einer Weise den Empfang eines Aequivalents bekannt, wodurch das Abkommen die Natur eines lästigen Vertrages gewinnt.

Noch

mancher anderen Formen nicht zir gedenken, unter welchen der­

gleichen Anordnungen getroffen werden.

Nicht selten treten dem Gläubiger ähnliche Verträge zwi­ schen dem Schuldner und dessen Kindern

entgegen.

Der Va­

ter hat dem Sohne mittelst Berkaufskontrakts Hans lind Hof

sammt Mobilien, unter dem Vorbehalte

gewisser persönlicher

Vortheile nnd des ferneren Beisammcnwohnens, auch wohl der einstweiligen Fortführung der Wirthschaft, verschrieben nnd über

den Empfang des Kaufgeldes quittirt, indem er dasselbe theils dem Uebernehmcr

zur Tilgung

einer Schuld

an Mlittergltt,

oder unter sonst einem Titel, zu gut rechnet, theils deii übri­

gen,

oft noch unerwachsenen Kindern

zur Alisstattung und

zum Erbtheile anweiset, u. s. w.

Meistentheils sind die Verträge vor irgend einem Notar,

685 oder vor einem andern, als dem ordentltchen Richter abgeschlos­ sen, nnd gelangen jur Kenntniß des letzteren erst bei Gele­

genheit der gegen den Veranßerer von ihm verfügten Exeku­

tion.

Wie nachtheilig nnd wie verdächtig in Absicht der Rea­

lität deS Geschäfts sie dem Gläubiger seyn mochten, er fand,

wenn nicht etwa ein wesentlicher Fehler in der Form geltend ge­ macht werden konnte, in den Gesetzen wenig oder keinen schüz-

zenden Anhalt.

Die Bchauptling, es liege bei dem Berirage,

wenn nicht eine reine Fiktion, doch mindestens eine Schenkung

im Hintergründe, führte ihn nicht zum Zwecke, weil es ihm, außer dem Konkurse, an der Befugniß gebrach, Schenkungen

zu widerrufen.

Behauptete er aber, daß lediglich eine Simu­

lation vorwalte, um ihn zu bevortheilen, so lag der Beweis

hierfür in seiner ganzen Schwere ihm ob.

Mehrentheils war

kein anderes als das bedenkliche Mittel der Eideszuschiebung an den oder die Intervenienten vorhanden, und um die ge­ wisse Annahme nnd Ableistung des Eides nicht erst abzliwarten,

trat der Gläubiger oft lieber gleich zurück und ließ den Znterventionsanspruch

auf seinem Werthe beruhen.

Nicht we­

niger mißlich war seine Lage in dem anderen Falle, wenn er als klagender Theil einen Angriff auf Veräußerungsverträge

wagte, in deren Gefolge der Mitkvntrahent

auch

den

Naturalbesitz

nnt

überkommen

des Schuldners

hatte

Hier han­

delte es sich zunächst auch «och um die Substantiiruug von

Editionsgesuchen.

Selten waren in dem

einen wie in dem

anderen Falle solche Umstände auszumitteln, daß der erkennende Richter bestimmt werden konnte, dem Gläubiger über die be­

hauptete Simulation einen Erfüllungseid aufzulegen, der nur de ignorantia abgeleistet zu werden braucht.

Im besten Falle

gelangte der Richter nur dahin, dem Gegner einen nothwen-

686 digen Eid darüber abznforder», daß der Bertrag nicht lediglich

zum Scheint errichtet worden.

Damit endeten die meisten Pro­

zesse dieser Art, wenn nicht vielmehr geradehin auf Zurückwei­

sung des Gläubigers erkannt wurde. Der Grund dieser so ungünstigen Stellung lag in dem Mangel an genügend unterstützenden Rechtsvermuthnngen.

Zwar sprach schon das Allgemeine Landrecht bei Verwand­ ten in auf- und absteigender Linie, Geschwistern und Eheleu­

ten Ausnahmsweise die Vermuthung der Freigebigkeit aus, doch

nur für den Fall, wenn etwas ohne Vorbehalt gegeben ist, und nur, damit sie zwischen dem Geber und dem Empfän­

ger bei entstehendem Streit entscheide; nicht zu Gunsten drit­

ter Personen.

Bei

lästigen Verträgen,

deren Karakter eben

darin besteht, daß etwas gegen Entgelt gegeben wird, konnte diese Vermuthung

gegen Personen der bezeichneten Kategorie

eben so wenig wie gegen Andere ihre Anwendung finden.

Zhr

konnte höchstens dann einige Einwirkung zngestanden werden,

wenn außerdem bereits ein oder das andere Merkmal vorlag, an welches der Richter den Verdacht einer nur verdeckten Schenkung

oder gar einer reinen Scheinhandlung zu knüpfen ermächtigt war. Man mußte daher jenem Mangel an RechtSvermuthun-

gen abhelfen, und dirs thut das Gesetz vom 26. April 1835.,

indem es bei lästigen Verträgen zwischen dem Schuldner und dessen Ehegatten, oder zwischen jenem und' einem sei­

ner,

oder seines noch

lebenden,

oder bereits

verstorbenen

Ehegatten Verwandten in auf- oder absteigender Linie, die Vermuthung aufstellt,

daß

die Kontrahenten

den Vertrag

in der unredlichen Absicht, die Gläubiger des Schuldners zu bevortheilen, geschlossen haben.

(§>. 2.)

Durch diese Bestimmung, die auf Geschwister nicht auSge-

687 dehnt ist, weil dazu in dem Verhältnisse derselben kein hinrei­

chender Grund liegt, wird der Zweck erreicht, und sie hat zu­ gleich den Vortheil, daß sie eine Bermlithung aufstellt, die

nur die Last des Beweises überträgt, nicht des Beweises selbst daß

beraubt;

die

oft spitzfindigen

vielen,

Erörterungen

in

den Znterventionsprozeffen über die Art der Besttzübertragung an die Fran und die übrigen Hausgenossen abgeschnitten

wurden;

daß

die Kontroverse

des Schuldners

ihre

Erledigung

erhielt, ob der §>. 260. Tit. 1. Th. II. des Allgemeinen Land­ rechts,

nach welchem

zum Beweise

der geschehenen Zllation

gegen die Gläubiger des Mannes die Quittung des Letzteren

allein nicht hinreichend seyn soll, seiner Stellung und Fassung nach nur im Konkurse, oder auch außer demselben angewen-

det werden darf. Nothwendig war es nun aber, nachdem das Prinzip selbst

ausgesprochen worden,

den Moment scharf zu bezeichnen, mit

welchem die den Widerruf und die Anfechtung der Schenkun­ gen

und

lästigen

Verträge

bedingende Insuffizienz

des

Schuldners bei der Exekution für erwiesen gelten soll.

Die Fruchtlosigkeit der Lluspfändung, also der Exekution in das Mobiliar, und der augenblickliche Mangel des Nach­ weises anderer und zulänglicher Objekte kann nicht allemal

schon geeignet seyn, eine Insuffizienz festzustellen. — Oft kann ein an sich bedeutendes, zur Deckung aller Ansprüche völlig zu­

reichendes Vermögen sich in einer solchen Verwickelung befin­ den, daß eS zur Zeit wenig oder Nichts für die Befriedigung selbst nur eines einzelnen andringenden Gläubigers darbietet;

sein Zustand

kann sich aber bald vortheilhaft aufklären, und

hier wäre es, wenn nicht für den Schuldner unmittelbar, doch

gewiß für den Dritten,

der von jenem in gutem Glauben,

688 gleichviel ob nur durch einen Akt der Freigebigkeit, etwas er­ worben hat, ungemein hart, dem einzelnen Gläubiger den un­ verweilten Regreß an ihn zu gestatten, als ob wie beim wirk­

lichen Konkurse die Vermögens-Unzulänglichkeit des eigentlichen Schuldners zur Befriedigung einer Gesammtheit von Kredito­

ren entschieden feststäude. — Auf der andern Seite durfte al­ lerdings ein so strenger und oft umständlicher Beweis, wie der

eben bezeichnete, werden.

dem

einzelnen

Gläubiger nicht abgefordert

Es kann nicht darauf ankommen, die Lage des Schuld­

ners so vollständig zu erforschen, daß der Richter im Falle der

Provokation auf Konkurs, diesen alsbald zu eröffnen,

anstehen dürfte. werden.

nicht

Der ganze Zweck des Gesetzes würde so verfehlt

Um die Mitte zu halten, bedurfte es näherer und'

zum Theil eigenthümlicher Bestimmungen.

folg. Tit. 50.

Die §>§. 4. 9. und

der Prozeßordnung und die Vorschriften des

Allgemeinen Landrechts über das Verhältniß des Gläu­ bigers zum Bürgen gaben dazu den geeignetsten Anhalt.

Den Fällen, in welchen nach §>. 4. Nr. 1. a. a. O. der

Prozeßordnung der Richter, wegen notorischer Znsuffizienz, von Amtswegen den Konkurs eröffnen sann,

wenn

nämlich

der

Schuldner sein Unvermögen selbst anzeigt und sich zur Abtre­ tung seiner Habe an die Gläubiger erbietet, konnte es

ohne

Bedenken gleich gestellt werden: wenn der Schuldner bei der Exekution, aufgefordert, einen

Gegenstand der Befriedigung vorzuzeigen oder sofort nachzu­ weisen, bestimmt erklärt, hierzu außer Stande zu seyn, auch

allenfalls nach dem Verlangen des

Extrahenten oder des

Richters den Vianifestationseid ableistet. °)

*) Verordnung vom 4. März 1834. §. 11.

689 Liegt ein solcher Fall notorischer Znsusfizienz nicht vor,

nimmt der Schuldrier Anstand, sich bestimmt zu erklären, oder

geht er der Nachfrage aus dem Wege, schon die

so zeigeil wiederum

9. und folg. Tit. 50. der Prozeßordnung ein

Mittel, wie, summarisch genug, dennoch ausreichend, der Un­ gewißheit über

die Suffizienz-Frage ein Ziel

gesetzt werden

kann, ohne daß zugleich die Konkurseröffnung die Folge da­

von zu seyn braucht.

Der Richter hat, sobald ihm die schlechte

Vermögenslage des Schuldners vor oder bei der Exekution be­ kannt geworden, die Befugniß,

ihn zum Nachweis der Zulänglichkeit, mittelst Vorlegung ei­ nes Status bonorum, unter der Warnung des Kontumazial-

Berfahrens vor sich zu laden und im Falle des Ausbleibens die Insuffizienz für zugestanden, also feststehend zu erklären. Ist der Schuldner auf den Antrag anderer Gläubiger zum Arrest gebracht, oder ist bei einer von denselben veranlaßten Auspfändung schon

kein Gegenstand der Exekution vorgefunden worden, alsdann muß dem späteren Extrahenten die Revokationsklage

eben so, wie eS mit der Regreßklagt gegen den Bürgen bei gleicher Voraussetzung der Fall seyn würde, ohne Weiteres ge­ stattet seyn. (§. 284. Tit. 14. Th. I. deS Allg. Landrechts.) Kann dagegen dem Gläubiger zwar nicht sogleich seine

Befriedigung vollständig verschafft werden, ist hierzu jedoch in

nicht zu langer Zeit Hoffnung

vorhanden,

so muß derselbe

ebm so, wie eS bei dem Verhältnisse zum Bürgen gesetzlich ist,

den öffentlichen Verkauf der in Beschlag genommenen Sa­ chen (§. 286.), den Zahlungstermin solcher Aktivforderun«

gen, welche liquid, sicher und innerhalb dreier Monate fäl­ lig sind (§. 287. und 288.), den Erfolg der von ihm nach-

44

690 zusuchenden Sequestration der Grundstücke des Schuldners in­

nerhalb der nächsten drei Monate (§§>. 289. 290. UHb 291.), und, wenn die Schuld eine Real schuld ist,

den gerichtlichen Verkauf des Unterpfandes und die Vertheilung der Kaufgelder, (§§. 292—295. a. a. O.)

abwarten. Daraufberllhen dieHH. 11. und 12.desGesetzes. Wichtig

war

ferner die Frage, von welchem

Zeit­

punkte ab das eine Zahr und resp, die drei Zasu-e, inner­

der

halb deren die Schenkung pder

lästige Vertrag

erfolgt

seyn muß, um noch dem Widerrufe und der Anfechtung jh

unterliegen (§§.3—6.) zurückgcrechnet werden sollten. der Tag,

an welchem im Laufe

Sollte

der Exekution die Vermö­

gens-Insuffizienz zuerst überzeugend hervortritt,

der entschei­

dende seyn, so würde der einzelne Gläubiger, der seinen An­ spruch gegen den Schuldner bis zur Exekution verfolgt hat,

nicht nur schlechter gestellt werden, als die meisten Konkurs-

Gläubiger, die oft bis zur Konkurseröffnung noch gar keine Schritte zur Einziehung ihrer Forderungen gethan haben, viel­

leicht zum erstenmale, in Folge der an sie ergangenen Auffor­

derung, im Konnotationstermine sich damit bei Gericht mel­ den, und dennoch hinterher mit allen übrige» Glätlbigern glei­ chen Theil an den Erfolgen nehmen, welche das mit dem Au­

genblicke der Konkurseröffnung

stchende Widerrufsrecht

dem Kurator der Masse zu-

getvährt; — sondern es würde sein

Recht sogar leicht ganz vereitelt werden können.

ausgehende

Schuldner

dürfte

nur

den

Der hierauf

Schuldprozeß

durch

frivole Einwendungen, durch Verfolgung aller zulässigen Znstanzeii, durch häufigen Wechsel der Mandatarien und dergleicherr mehr, dergestalt in die Länge ziehen,

daß cs in Einem

oder gar in drei Jahren nicht bis zur Exekution komme, und

691 die früher vorgenommene Schenkung oder der früher abgeschlos­

sene lästige Vertrag wäre dann sicher gestellt.

Aus den zuletzt

erwähnten Gründen konnte daher, im Interesse des Gläubigers, der Tag, an welchem die Fruchtlosigkeit weiterer Exekution fest-

sbeht, den angemessenen Wendepunkt nicht abgeben, und es wurde daher das Datum des Exekutions - Mandats

als Regel gewählt. Dadurch ist die Besorgniß einer Vereitelung durch Umzüge des Schuldners genügend beseitiget, zumal der Gläubiger, wenn er

schon bei Anstellung der Klage oder im Laufe des Prozesses

die Vermögens-Unzulänglichkett seines Schuldners zu bescheini­ gen und eine Veräußerung zu bezeichnen vermag, welche er künftig zu widerrufen

oder

anzufechten gedenkt,

darauf an­

tragen darf, daß diese seine Absicht dem Erwerber von Seiten des Gerichts sofort bekannt gemacht werde, wodurch er das Recht

erlangt, die bestimmten Zeiträume von Einem resp, drei Zäh­ ren nicht erst vom Tage

des Exekutions-Mandats,

sondern

schon von der Insinuation der Bekanntmachung an, zurückzurechnen. (§. 7.)

Dabei gehen seine bereits erworbenen Rechte

durch eine später erfolgende Konkurseröffnung nicht verloren. (§. 13.)

Es kommt vielmehr darauf an, in welchen Stadien

der Anspruch, den ein einzelner Gläubiger aus dem vorliegen­

den Gesetze erhoben hat, zur Zeit der Konkurseröffnung sich

befindet.

Hat der einzelne Gläubiger zu der Zeit noch kein

bestimmtes Recht erworben, so leidet es keinen Zweifel, daß der Konkursklirator interveniendo die Gerechtsame der übri­

gen Gläubiger bei der Sache wahrnehmen kann, da die Be­ stimmung des §. 13. nicht beabsichtigt, dem einzelnen Gläu­

biger em ausschließendeS Recht gegen die übrigen Gläubiger

44»

692 unbedingt beizuirgen

Hat

der enizelne Gläubiger aber zur

Zeit der Konkurseröffnung bereits ein bestimmtes Recht er­ worben,

so

gewährt

ihm der

§. 13. im Grunde Nichts

weiter, als was schon die Konkursordnung festsetzt, daß näm­ lich ein Gläubiger,

welcher durch seine Bemühungen ein be­

sonderes Objekt zu seiner Befriedigling bei dem Gemeinschuld­

ner

ausgemittelt

werden soll.

that,

daraus

vorzugsweise befriedigt

auch

Es kommt hinzu, daß in den Fällen, wo das

vorliegende Gesetz zur Anwendung kommt,

schon eine frucht­

lose Exekution vorangegangen seyn muß, die nicht fruchtlos

gewesen seyn wurde, wenn das veräußerte Objekt, was der

einzelne Gläubiger in Anspruch nimmt, sich dazumal noch im Besitze des SchtildnerS befunden hätte.

läßt sich

eine Beeinträchtigung der

Aus diesen Gründen

übrigen

Gläubiger aus

13. nicht annehmen.

dem

Zm Uebrigen ist, um die Sicherheit des Eigenthums nicht

länger zu gefährden, als es unumgänglich nothwendig wird, eine Präklusivfrist für die Geltendmachung des Widerrufes und

der Anfechtung festgesetzt, so daß der Glätibiger von der ihm zustehenden Befugniß bei Verlust derselben innerhalb der näm­

lichen Frist Gebrauch machen muß, innerhalb deren er nach

den Gesetzen die Exekution nachznsiichen berechtigt ist. (§. 10.)

Endlich enthält

das Gesetz eine Bestimmung in Betreff.der

Beweislast (§. 8.) und in Beziehung auf dritteWesitzer,

welche der allgemeinen Rechtsthevrie gemäß ist (§. 9.) und

verweiset

alle

Znterventions-

und

diejenigen

Streitigkeiten,

welche in Betreff der Verträge zahlungsunfähiger Schuldner entstehen, zum summarischen Verfahren (§. 14.), was sich durch die Nothwendigkeit der Beschleunigung für Sachen die­ ser Art rechtfertiget.

XXIII. Do« der Exekution in Aktivforderungen

des Schuldners.")

Mnsere Prozeßordnung verordnet zwar im Tit. 24.

101.

ganz zweckmäßig, daß der Richter bei der Beschlagnahme eines Aktivums des

ausgepfändeten Schuldners, dem Schuldner des Exequendus die Zahlting an seinen Gläubiger untersagen und ihm da­

gegen die Zahlung ad deposilutn oder an de» Exekutions­ sucher unmittelbar befehlen solle. Sie bestimmt aber §. 103. für den Fall, daß der Schuld­

ner des Exeqllendus dieser Aliflage nicht nachkommt, oder Ein­ wendungen entgegensetzt, daß zwischen ihm und dem Exekutivnssucher kein Prozeß ge­

stattet werden solle,

sondern daß der Exequendus mit ihm

die Sache ausmachen lind der Exekutionssucher dabei Höch-

*) Bgl. die Ergänzungen und Erläuterungen der Allgemeinen Gerichtsordnung, Abth. 1. S. 477 — 490./ Suppl. Bd., S. 167—168., die Zuristische Wochenschrift, Jahrgang 6. S. 505. 589. und 709., Jahrgang 7. S.17., das Iustiz-Mtnisterlal-Blatt, JahrgangII. S.65. und 290., Jahrg. III. S. 53. und 329., und die Entscheidungen des Geheimen Ober-Tribunals, Bd. 7. S. 270.



G!)4



stens als Znterveiiient seine Gerechtsame wahrnehmen könne.

Ferner im

104.,

daß, wen» der ErequendnS gegen seinen Schuldner nicht

klagen wolle, der Erekutionssucher nur die weiteren Grade

der Exekution verfolgen lind allenfalls auf Personal-Exe­ kution antragen könne. Nur für den Fall, daß ein dringender Verdacht der Kolln-

sion zwischen dem Exequendus und dessen Schuldner vorhan­ den seyn sollte, kann der Richter nach §>. 105.

ein solches Aktivum dem Exekutionssucher auf sein Verlan­

gen an Zahlungsstatt anweisen und dieser dasselbe auch ohne

Eession des Exequendus einklagen. Diese Disposition hatte in ihrer Ausführung, wie die Er­ fahrung lehrte, Schwierigkeiten gezeigt und sehr oft den Zweck

der Exekution —z möglichst baldige Befriedigung des Gläubi­

gers — verfehlt. Der Schuldner des Exequendus, der keine Ursache hatte,

sich mit der Zahlung an den Exekutionssuchcr zu übereilen,

der in der, durch die Beschlagnahme entstehenden Zweifelhaf­

tigkeit seines Gläubigers ein Mittel sah, die Erfüllimg seiner Verbindlichkeit überhaupt Hinhalten zu können, genügte der

Auflage des Richters nicht und zahlte weder in das Deposito-

rinm, noch an den Erekutionssnchcr; denn er wußte, daß er von letzterem Nichts zu befürchten hatte und daß - der Erequendlis ihn nicht mit Strenge verfolgen, sondern in dieser

seiner Verlegenheit weit eher Nachsicht geben würde, um sich das Kapital für eine gelegenere Zeit zu erhalten. Der Exekn-

tionssucher mußte nun, da er nach dem Gesetze nicht selbst klagen konnte, gegen seinen Schuldner die ferneren Grade der

Exekution verfolgen, weil er gegen den Exequendus selbst kein

695 anderes Mittel hatte, denselben zur Ansklagnng seines Schuld»

ners zn vermögen. mal

Zn welchen Weiternngcn dies führte, zu­

die Vorschriften

der Prozeßordmiiig

68,

Tit. 24.

bis 141. noch gültig waren, welche erst der §. 11. und 12. der Exekutions-Verordnung vom 4. März 1834.*) aufgehoben

hat, wird folgendes Beispiel lehren.

A. hatte eine Personalforderung gegen B. erstritten; bei der Exekution

fand sich ein sicheres Aktivum von C.,

ches A. gern für seine Forderung annehmen wollte.

wel­

Er Mlißte

aber, da E. in Güte keine Zahlung leisten wollte, die weite­ ren Grade der Exekution verfolgen.

B. hatte ein Gut, wel­

ches verschuldet war und für die Personalgläubiger wenig Aus­

beute hoffen ließ.

Dessenungeachtet mußte A. nunmehr gegen

dieses Objekt die Exekution verfolgen, die Beschlagnahme der

Gntseinkünfte, die Sequestration und eventuell die Tax- und Subhastation nachsnchen, die Bertheilung der Kanfgelder, wohl

gar noch die Eröffnung eines Liquidationsprozeffes über diese

Kaufgelder abwarten, bis er endlich zur persönlichen Verhaf­ tung seines Schuldners schreiten, und durch dieses letzte und

strengste Mittel ihn zwingen konnte, gegen seinen Schtildner C. zu klagen.

Oder es konnte auch der Fall eintreten, daß B. zwar kein Immobile besaß, daß er aber eine Besoldung oder Pen­

sion bezog; dann wurde der Gläubiger A. verpflichtet,

sich

mit jährlichen Abzügen zu begnügen, und fand im Gesetze kein Mittel, die Befriedigung ans dem Aktivum zu nehmen, wel­ ches ihn weit rascher zum Ziele geführt haben würde.

°) Vgl. tk Gesetzsammlung für 1834 S. 31, für 1839. S. 174. §. 3. und die Juristische Wochenschrift, Jahrgang 8. S. 201.

696 Wie viel Zeit hierbei verloren ging, fällt in d,e Augen,

und was dieser Verlust in der Exekution sagen wollte, ist eben so einleuchteiid.

Gewöhnlich blieb dann dem ermüdeten Exe-

kutionssucher Nichts weiter übrig, als sich mit seinem Schuld­ ner zu einigen, ihm einen Theil seiner Forderung zum Opfer

zu bringen, um nur des Wartens überhoben zu werden lind das Recht zu erhalten, gegen den Schuldner des Exequendus selbst klagen zu können.

Es hat sogar Fälle gegeben, daß

eigensinnige Schuldner sich zum Arrest bringen ließen, um die

Exekution in ihre Aktiva ihren Gläubigern so lange als mög­

lich hinzuhalten.

Das obige Gesetz (§>. 105. Tit. 24.) er­

laubte zwar dann die Ueberweisnng des abgepfändeten Akti­

vums, wenn eine Kollusion zwischen dem Exequendus und

dessen Schuldner obwaltete.

Dies aber langte nicht zu, die

Verzögerung zu hindern, weil sie eintreten konnte, ohne daß eine Kollusion vorhanden war, und weil es für jeden Fall

schwierig und für den Exekutionssucher von Neuem zeitraubend war, solche dem Richter zu bescheinigen. Diese Weitläufigkeiten und Verzögerungen ließen sich nur

dadurch heben, daß dem Exekutionssucher das Recht gegeben

wurde, selbst gegen den Schuldner des ExequendnS klagend

aufzutreten und denselben zur Erfüllung seiner Zahlnngsverbindlichkeit gegen ihn, den Erekutionssilcher, anzuhalten.

Eine

Gefahr für den Exequendus ist dabei nicht denkbar, .sobald der­ selbe nur zum Prozesse zugezogen wird, um diejenigen Einwen­ dungen zu beantworten, welche sein Schuldner vielleicht anbrin­

gen dürfte.

Dagegen ist der Gewinn auf Seiten des Exeku­

tionssuchers unleugbar, weil er der Willkühr seines Schuldners

entledigt wird und selbst Anstalten treffen kann, den Schuldner

seines Schuldners zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit anzuhalten.

697



Dabei war es nothwendig, die Aktivforderungen, worüber

sich

dieses Recht

des Exekutionssuchers

erstrecken sollte,

auf

solche zu beschränken, welche eine bestimmte Geldsumme,*)

sey es in Kapital oder Renten, zum Gegenstände haben. Sodann mußte das Rechtsverhältniß des Exekutionssnchers

bestimmt werden, worin er in diesem Falle, in der Beitreibung der Forderungen des zu Exeqnirenden, auftritt, imb dazu war das eines Assignatars das passendste, indem die Berfügung des Gerichts die Stelle einer Anweisung vertritt.

Es entstand hierbei aber die Frage, wie es mit einem Vergleiche über eine solche Forderung,

wenn sie vom Schuldner bestritten wird, zll halten sey.

Daß dem Exekutivnssucher das Recht, einseitig einen

Vergleich ohne Zustimmung des zu Exequirenden zu schließen, nicht eingeräumt werden konnte, darüber waltete kein Unter­ schied der Meinungen ob; wohl aber darüber, inwiefern der

zu Exequirende dazu ohne Beitritt des Exekutions-

suchers für befugt ju halten, und welche Wirkung einem sol­ chen Vergleiche in Beziehung auf den Exekutionssucher beizlile-

gen sey. Bon der einen Seite ward behauptet: „der zu Exe-

quirende bleibe vor wie nach Eigenthümer der Forderung und sey also auch darüber zu disponiren befugt, so weit der durch das

Exekntionsverfahren

sition nicht beschränke.

darauf gelegte dlrrest

seine Dispo­

Die Prozeßordnung Tit. 29. §. 81.

bestimme nun aber die Wirkungen eines Arrestschlages dahin: daß so wenig der Eigenthümer, als der Inhaber der ver­

kümmerten Sache sich darüber irgend einer für den Ar-

**) Bgl. die Ergänzungen und Erläuterungen zur Allgemeinen Gerichtsordnung, Adtp. 1. S. 481—482.

698 restanten nachtbeiligcn Disposition anmaassen dürfe,

vielmehr die Sache als ein bei ihm nicdergeleqtes Depositum

anfbewahren müsse.

Das Gesetz untersage hier also keineswegs alle Dispo­ sitionen, sondern nur solche, welche dem Arrestanten nach-

theilig wären

Was der Gesetzgeber damit gemeint habe,

gehe aus den folgenden

83. bis 85., wo die Nichtigkeit

dieser Dispositionen ausgesprochen sey, klar hervor.

Der §>. 83.

rede von Veräußerungen und Verpfändungen einer mit Arrest belegten Sache, und die

84. und 85. von Zah­

lungen und von Kompensationen mit den nach der Zeit des Arrestschlages entstandenen Gegenforderungen, also überall nur

von solchen Dispositionen, die ihrer Natur nach dem Arre­

stanten nachtheilig wären, indem ihre Tendenz dahin gehe, ihm

das Objekt seiner Befriedigung zu entziehen. Mit Vergleichen über

nicht der Fall;

streitige

Rechte sey dies aber

sie konnten vielmehr auch vorthcilhaft seyn.

Ob sie aber vortheilhast oder nachtheilig wären, sey nicht in

Beziehung auf den Arrestanten, inwiefern dieser aus der Verglcichssumme befriedigt werden könne, sondern nach der Lage des

streitigen Rechtsverhältnisses zwischen dem Arrestanten und dessen Gläubiger, und nach der Ungewißheit und Weitwendigkcit des

Rechtsstreites zu beurtheilen. Niemals aber könne man von einem Vergleiche sagen,

daß er blos dem Erckutionssucher nachtheilig oder vor-

theilhaft sey, sondern er sey dies, und zwar principahter, für

den zu Exeguirenden. Ein Vergleich könne daher, seiner Natur nach, nicht in die Kategorie der dem Exekutionssucher oder dem Arrestanten nachtheiligen Dispositionen gestellt werden, und die Pro-



699



zeßordining erwähne daher auch in den an.qefnhrten Stellen

der Vergleiche mit keiner Sylbe.

Es dürfte aber auch, von einer anderen Seite betrach­ tet, eine ;u große Beschränkung des Eigenthums seyn und selbst zu einer Ungerechtigkeit führen, wenn die Schließung eines Vergleiches, welchen unsere Gesetzgebung so sehr begünstige, gänz­

lich von der Willkühr des Erckutionssuchers abhängig gemacht würde; wenn dieser, nachdem er den Prozeß gegen den Schuldner

des zu Exequirenden verloren, sich wegen seiner ganzen judi­

katmäßigen Forderung an den Letzteren zu halten befugt bliebe, und es blos von seiner Laune oder schiefen Ansicht abhinge,

den zu Exequirenden nm eine Summe zu bringen, die ihm durch den Vergleich gewiß gewesen wäre, und womit er seine

Schuld gegen den Exckutionssucher zum Theil hätte tilgen können.

Um möglichen Kollusionen, welche jedoch nicht ver­

muthet würden, vorzubengen, würde es freilich dem Exekutions­

sucher frei zu laffeir seyn, ob er dem Vergleiche beitreten, oder

im Wege Rechtens die Forderung des zu Exequirenden an dessen Schuldner durchführen wolle.

Allein alsdann müsse der

Prozeß auch auf seine Gefahr gehen und der nachtheilige Ausgang desselben anf seine Rechnung kommen, dergestalt, daß er dem zu Exequirenden für die durch seinen vergeblichen Pro­ zeß entzogene Vcrgleichssnmme Eviktion leisten und sich solche auf

seine Forderung an denselben als Zahlung anrechnen lassen müsse. Auf diese Weise würden die Rechte sowöhl des Exckutionssuchers, als des zu Exequirenden gegen mögliche Verletzungen gesichert, und die Dispositionsrechte des Eigcnthümers mit den

Wirkungen der Beschlagnahme in Einklang gebracht."

Von der andern Seite, und dies war die Meinung der Majorität, wurde dagegen bemerkt;

700 „Bon dieser Ansicht ist nicht sowohl bei den in Bezug ge­

nommenen allgemeinen Rechtsgrundsäßen abzuwejchen, über wel­ che, da sie in den Gesetzen klar vorliegen, kein Streit sich er­

heben kann, als bei der Anwendung, welche denselben auf das Rechtsverhältniß gegeben wird, wie dieses zwischen dem Exe­ kutionssucher, dem zu Exequirenden und dessen Schuldner obwaltet.

Nach der Prozeßordnung Tit. 24. §. 101. soll schon bei der ersten Beschlagnahme eines Aktivums eine Verordnung des Richters an den Schuldner ergehen, vom Tage der Insi­

nuation deselben an, keine Zahlung weiter dem Gläubiger zu leisten; dabei soll dem Schuldner aufgegeben werden, Kapital

sowohl als Zinsen, so weit es zur Befriedigung des Erekutionssuchers erforderlich ist, nach Beschaffenheit der Umstände

und dem Ermessen des Gerichts an den Exekutionssucher un­

mittelbar, oder in das gerichtliche Depositum abzuführen. Diese dem Richter bei der ersten Beschlagnahme freistehende Wahl der Verfügung an den Schuldner soll nun, wenn der Schuldner die

in Beschlag genommene Forderung ganz oder zum Theil be­

streitet, die weitere Bestimmung erhalten, daß dem Exekutions­ sucher von dem Richter das Recht gegeben wird, die Bezah­

lung des Kapitals und der Zinseit selbst im Wege der Klage von dem Schuldner einzufordern.

Läßt sich nun während des

Laufes des Prozesses der verklagte Schuldner mit dem Exe,

quendus oder Gläubiger auf einen Vergleich ein/so kann die­ ser unter ihnen selbst, wenn der Kläger oder Exekutions,

sucher gar nicht dabei zugezogen worden ist, volle Rechtsbc, ständigkeit haben.

Zst die Folge dieses Vergleiches, daß der

Kläger oder Exekutionssucher auf seine Forderung an den Exe-

quendus voll befriedigt wird, so hört die Klage von selbst auf, weil dem Exekutionssucher bei Fortsetzung derselben der Ein«

701 wand der Zahlung gemacht werden könnte; und nur die Frage,

wer die bis dahin entstandenen Prozeßkosten zil tragen habe,

wenn der Vergleich den.Exekutionssucher auch hierbei nicht au­

ßer aller Verbindlichkeit stellt, könnte ein weileres gerichtliches Verfahren zur Entscheidung der Sache zwischen tionssucher

und

dem

verklagten

Schuldner

dem Exeku-

nöthig

machen.

Aber auch in diesem letzteren Falle gehet die Sache auf die all­

gemeinere Frage zurück: ob durch einen zwischen dem ExequenduS und seinem Schuld­

ner,

ohne

Zuziehung

des

Exekutionssuchers,

geschlossenen

Vergleich Letzterer, sofern er nicht seine volle Befriedigung auf Kapital, Zinsen und,Kosten erhalt, in der gerichtlichen Verfolgung

des ihm

vom Richter

überwiesenen Aktivums

verhindert werden kann.

Durch die erste

Beschlagnahme

ist das Recht des

ExequenduS, den Betrag der Schuld von dem Verpflichteten einzufordern, fuSpendirt und durch die Ueber Weisung ist das­ selbe auf

den Exekutionssucher

übergegangen.

Durch

einen

spätern Vertrag zwischen dem ExequenduS und dem durch den Richter von jenen Verfügungen unterrichteten Schuldner, er

mag zum Gegenstand haben, was er will, kann das einmal auf den Exekutionssucher übergegangene Recht nicht verändert

werden.

Dies würde aber geschehen-, wenn der Exekutions­

sucher, wegen eines zwischen dem ExequenduS und dem Schuldner geschloffenen Vergleiches, der gerichtlichen Verfolgung des letz­

teren Einhalt thun müßte.

Ist der Vergleich augenscheinlich Vortheilhaft, so wird

der ExekutionSsucher keinen Anstand nehmen, ihm beizutreten, da ihm unter den Umständen, welche ihn zum Kläger gemacht

haben, besonders darum zu thun seyn muß, nicht nur über-

702 Haupt, sondern auch bald Befriedigung zu erhalten und diese nicht von dein Erfolge eines ungewissen Prozesses abhängig zu

machen.

Hält er aber den abgeschloffenenen Vergleich für sich

nachtheilig, so ist weniger Willkühr dabei, daß er die Klage

verfolgt, wenn am Ende auch auf völlige Abweisung erkannt

werden sollte, als wenn er sich in den Vergleich fügen und die Klage aufgeben müßte.

Zn jenem Falle ka>m kein Recht

verloren gehen, welches der Erequendus ursprünglich gehabt hat, wenn es in der That begründet gewesen lind der Exekutions­ sucher von den adzitirten Erequendus in dem Prozesse gehörig

unterstützt

worden

ist,

der Exequendus erst

sondern

durch

nur

ein

Vortheil,

einen Vergleich

wozu

die Aussicht

er­

langte, als er über seinen Anspruch an den Schuldner, we­ gen der Beschlagnahme und Ueberweisung an den Exekutions­ sucher, zu dessen Nachtheil nicht disponiren konnte.

Zn dem

anderen und zweiten Falle aber könnte sehr häufig der Exeku­ tionssucher eine wirkliche Aufopferung bei dem ursprünglich be­

gründet gewesenen Rechte des Exequendus an dessen Schuldner zu

seinem Nachtheile sich gefallen lassen müssen, da ein Interesse zu

Kollusionen wohl zwischen dem Exequendus und dem Schuld­ ner bei einem Vergleiche, nicht aber zwischen dem ExekutionSsncher und dem Schuldner bei der Fortsetzung des Prozesses

sich vermuthen läßt. Hat jedoch der Exekutionssucher wider die klate Lage der

Sache und motivirte Warnungen des Exequendus die Klage gegen deffeir Schuldner verfolgt und wird er am Ende rechts­

kräftig damit abgewiesen,

so kann zwar nie davon die Rede

seyn, daß er den Vortheil, welchen der Exequendus nach Anstellung der Klage durch einen mit dem Schuldner abge­

schlossenen Vergleich hätte

erlangen können,

und dessen der-

703 selbe nunmehr verlustig geworden, gegen den Exeqnendus ver­

treten müsse.

Denn er hat nach bester Ueberzeugung einen

von dem Richter ihm überwiesenen Anspruch verfolgt, der nur, wie sich nachher in Folge der rechtskräftigen bntschcidiing ge­

funden hat, ursprünglich nicht begründet war.

Eine andere Frage ist aber, ob in einem solchen Falle der Exekutionssucher die von ihm nach der, von Seiten des

Exequendus erhaltenen Belehrung Prozeßkvsten, in deren Tragung

ferner noch aufgewendeten

er etwa verurtheilt

worden

ist, von dem Exequendus fordern und auf deren Einziehung,

neben seiner Hauptforderung, alis dem übrigen Vermögen des

Exequendus antragen könne.

Hierüber kann die Entscheidling,

nach Maaßgabe der Umstände des einzelnen Falles und mit

Anwendung der allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, nur dem Richter überläffeir werden."

Aus

diesen Betrachtungen

sind

die

1. — 5. des

Gesetzes vom 4. Juli 1822.*) hcrvorgegangen.

Es war indessen nicht zu übersehen, daß durch diese Dispo-

°) Gesetzsammlung für 1822. S. 178. —180.

§. 1.

Mit Aufhebung der cntgegcnstchcnden Vorschrift der Allgemei­

nen Gerichisordnung Th. I. Tit. 24

§. 103. wird dem Exckutionssucher

gestatiet, alle und jede Aktivforderungcn des zu Excquirenden, welche eine bestimmte Geldsumme, sey es in Kapilal oder in Renten, zum Gegenstände

haben, aus welchem Titel, z. B. Vermachlniffen, Kaufkontrakten u. s. w. sie auch entspringen mögen, selbst einzuklage» und bis zum Betrage seiner

rechtskräftige» Forderung einzuziehen. §. 2.

Er soll dazu auf besonderen Antrag durch eine Verfügung des

Gerichts ermächtigt, und solches sowohl dem zu Exequirende» als dessen Schuld­ ner bekannt gemacht werden.

§. 3.

Diese

gerichtliche Verfügung vertritt die Stelle einer Anwei­

sung, und der Exckulioussucher erlangt dadurch an der In Beschlag genom­

menen Forderung die Rechte eines Asstgnatars mit der Vollmacht zur Ein­ klagung der angewiesenen Forderung.

704

sitwnen allein noch nicht Alles würde erreicht worden seyn, was erreicht werden konnte. 4. Jedoch ist derselbe allemal verpflichtet, zu dem gegen den Schuldner zu führenden Prozesse den zu Exequirenden vorladen zu lassen. §. 5. Der zu Exequirende kann mit seinem Schuldner einseitig und ohne Zustimmung des Exekutionssuchers keinen Vergleich abschließen, welcher zum Nachtheil des Letzteren gereicht. (Allgemeine Gerichtsordnung Th. I. Tit. 29. §. 81.) — Zufolge des §. 15. der ExekultonS-Verordnung vom 4. März 1834. (Gesetzsammlung für 1834. S. 31.) erlangt der Exekutionssucher durch die ihm nach dem obigen §. 2. ertheilte Ermächtigung zur Einklagung und Einziehung einer Aktivforderung seines Schuldners, das in der Prozeßord­ nung Tit. 50. §. 447. bestimmte Vorzugsrecht der fünften Klasse. Für den Fall, daß stch diese Ermächtigung nicht ertheilen läßt, z. B. wenn baare Gelder des Schuldners im gerichtlichen Deposttorium liegen, wird der Exekutionssucher zur Erlangung des Vorzugsrechtes die Beschlagnahme oder Immission zu extrahiren haben. Vgl. die Entscheidungen des Gehelmen Ober-Tribunals, Bd. 3. S. 195. und die Juristische Wochenschrift, Jahrgang 8. S. 627. und folg. — Was die Frage betrifft: ob mit der, aus dem §. 22. der Verordnung vom 4. März 1834., über die Exekution in Civilsachen, nachgesuchten hypothekarischen Ein­ tragung einer zur Exekution stehenden Forderung, zugleich auf den Grund der 1. und 2. des Gesetzes vom 4. Juli 1822., die Ueberweisung einer Aktivforderung deS Schuldners in Kraft einer Affignation in Antrag gebracht werden kann; so ist die Kumulation beider Anträge allerdings zulässig. Wie schon in dem, in den Jahrbüchern (Bd. 47. S. 545.) abge­ druckten Reskripte vom 21. Juni 1836 ausgeführt ist, kgnn die, auf den Grund des §. 22. der Verordnung vom 4. März 1834. erfolgte Eintragung einet judikaimäßigen Forderung auf die Immobilien des Schuld­ ners dem gleichzeitigen Anträge auf Vollstreckung der Exekution in das Mobiltarvermögen nicht entgegenstehen. Wenn die Eintragung der zur Exekution stehenden Forderung nachgesucht wird, so macht der Gläubi­ ger nur von dem ihm durch das Gesetz (§. 22. der gedachten Ver­ ordnung ) gegebenen Rechte Gebrauch. Durch die Eintragung der For­ derung erhebt er nur den ihm für dieselbe beigelegten Titel zum Pfand­ rechte, zur wirtlichen Hypothek. Es ist dies keine Vollstreckung der Exe-

705

Der die Exekution suchende Gläubiger k.ann noch ernen kürzeren Ausweg wählen wollen; er kann ein Aktivum des zu Exequirenden auf seine Forderung zum Nominalwerthe, auf seine kution, sondern eine Sicherstellung seiner erworbenen Rechte, und die Bestimmungen des §. 12. derselben Verordnung vom 4. März 1834. können dabei um so weniger zur Anwendung gebracht werden, als der Titel zum Pfandrechte, also das Recht, die Eintragung zu verlangen, nur aus solchen Erkenntnissen erworben wird, aus welchen eine Exe­ kution stattfindet. Auch der Umstand, daß die Forderung, deren Ueberwelsung beantragt wird, hypothekarisch, und sogar auf demselben Grundstücke eingetragen steht, auf welches die Eintragung der zur Exekution stehenden Forderung nachgesucht wird, macht keinen Unterschied. An sich ist es gleichgültig, ob die asstgnirte Forderung auf demselben Grundstücke versichert stehet, auf welches die Eintragung der Forderung des Cxekutionssuchers beantragt wird, oder auf verschiedenen Grundstücken; und daß auch die von dem Schuldner, durch Einlösung der auf seinem Grund­ stücke eingetragenen Posten acqutrirten Forderungen, so lange deren Hypothek nicht gelöscht ist, überhaupt zum Gegenstände der Assignation im Wege der Exekution gemacht werden können, läßt sich nicht in Zweifel ziehen. Als eine bloße SicherheitSmaaßregel kann jene Ueberweisung nicht be­ trachtet werden, vielmehr ist es eine wahre Exekutionsvollstreckung, sowohl nach der Verordnung vom 4. Juli 1822., als auch nach der Verordnung vom 4. März 1834. (§. 15.) Denn, ohne zu bemerken, daß das Be­ hufs der Ueberweisung erlassene Dekret nur im Wege der Exekution erfolgt, so erlangt der Gläubiger auch nur durch jene Ueberweisung und um ihm zu seiner Befriedigung zu verhelfen, die Rechte eines Asstgnatars und auS dieser Art der Immission das Vorrecht der 5. Klasse. Daraus folgt dann aber auch, daß der Schuldner von der Rechtswohlthat deS h. 46. Tit. 20. Th. I. des Allgemeinen Landrechts Gebrauch machen kann, und wenn die Forderung des Gläubigers, auf den Grund der Bestimmung des §. 22. der Verordnung vom 4. März 1834., eingetragen worden, daraus anzurragen befugt ist, daß der Gläubiger zunächst aus dem verpfändeten Grund­ stücke seine Befriedigung suche. So lange aber der Schuldner sich nicht auf diese Rechtswohlthat ausdrücklich beruft, kann solche dem Gläubiger nicht entgegengesetzt werden. Eine andere Frage, die sich hier aufwerfen läßt, ist die: ob der Vermerk der im Wege der Exekution erfolgten Assignation einer eingetragenen Forderung im Hypothekenbuche zulässig sey. So viel ist gewiß, daß durch die blos freiwillige Assignation die

45

706

Gefahr, in Zahlung übernehmen und dagegen dem Exequendus völlig quittiren wollen. Umschreibung der assignirlen Forderung auf den Namen des Assignatars im Hypothekcnbuche nicht begründet werden kann. Eine eigentliche Um­ schreibung der assignirlen Forderung kann auch nicht durch die, im Wege der Exekution nach den §§. 1. und 2. der Verordnung vom 4. Zuli 1822. erfolgte Anweisung erlangt werden, da auch dabei der Assignalar nicht Eigenthümer der Forderung wird, und eine Uebereiguung derselben nur im Falle des h. 6. jener Verordnung erfolgt. Dagegen muß man annehmen, daß dem Assignalar ein Titel zum Pfandrechte zusteht, daß solcher durch die Uebergäbe des Schuldinftruments zum Pfandrechte zu erheben, demnächst auch die Eintragung zulässig ist, während vor der Erlangung deS Besitzes der Urkunde zwar die Subingroffation nicht erfolgen darf, wohl aber bis dahin die nach §. 105. Tit. 24. der Prozeßordnung erfolgte Beschlagnahme der assignirlen Forderung im Hypolhekcnbuche vermerkt, und solche demnächst, nach Erlangung der Schuldurkunde/ in eine wirkliche Hypothek durch Subinskription umgeschrieben wer­ den kann. Denn nach §. 15. der Verordnung vom 4. März 1834. erlangt der Exekutionssucher durch jene Ueberweisung das in der Prozeßordnung Tit. 50. §. 447. bestimmte Vorzugsrecht der fünften Klaffe, also ein s. g. prätorisches Pfandrecht, und somit das Recht zur Eintragung. (§. 12. Tit. 51. ö. st. O.) Daß der §. 12. Tit. 51. der Prozeßordnung durch den §. 22. der Verordnung vom 4. März 1834, über den Subhastations- und Kstufgelder^Liquidations-Prozeß, nur in seinen formellen, nicht aber in Ansehung der darin zugleich enthaltenen materiellen Bestimmungen für aufgehoben zu erachten sey, ist schon in dem, in den Jahrbüchern abge­ druckten Reskripte vom 25. April 1834. (Bd. 43. S. 549.) cmsgeführt worden. Außerdem sind diese materiellen Bestimmungen in jenem §. 12. Tit. 51. auch nur als eine, aus den sonstigen gesetzlichen Vorschriften des Allgemeinen Landrechts und der Prozeßordnung sich von selbst ergebende Folgerung ausgesprochen, so wie es denn auch nach dem §. 5. Tit. 20. Th. I. des Allgemeinen Landrechts und nach den §§. 447. und 466. Tit. 50. der Prozeßordnung keinem Zweifel unterliegt, daß durch die im Wege der Exekution erfolgte Beschlagnahme einer ausstehenden Aktivforderung des Schuldners (Gesetz vom 4. Juli 1822. §. 3.) ein Titel zum Pfandrecht erlangt werden kann, und daß (vgl. §§. 400. 401. 412. Tit. 20. Th. I.

— 707 —

Nach der Prozeßordnung konnte er solches nicht anders erlangen, als wenn der ExequenduS damit einverstanden war des Allgemeinen Landrechts und §. 182. Tit. 2. der Hypothekenord­ nung) durch die Eintragung dieses Titels ein Wirkliches Pfandrecht er­ worben wird. Wenn man die- nur auf Grundstücke, nicht aber auf das MobiliarVermögen, namentlich nicht auf Hypothekenforderungen, erstrecken wollte, so würde man dem Inhalte des §. 447. der Konkursordnung und der ausdrücklichen Bestimmung des §. 15. der Beiordnung über die Exekution in Civilsachen vom 4. März 1834. entgegentreten. Nach dieser letzter» Vorschrift erlangt der Exekutionssucher durch die ihm nach §. 2. des Gesetzes vom 4. Juli 1822. ertheilte Ermächtigung zur Einklagung und Einziehung der Aktivforderung des Schuldners das im gedachten §. 447. bestimmte Vorzugsrecht der fünften Klasse, also einen Titel zum Pfandrechte. Das Gesetz legt dem Gläubiger darnach unmittelbar das Recht bei, auch ohne besondere Einwilligung des Schuldners, auf die wirkliche Be­ stellung des Unterpfandsrechtes anzutragen. (§§. 2. und 3. Tit. 20. Th. I. des Allgemeinen Landrechts) Es kann sich daher nur fragen, auf welche Art solches zu realisiren ist. Dabei tritt allerdings eine Verschiedenheit ein, je nachdem es sich von der Eintragung auf Grundstücke und solche Gerechtigkeiten, welche die Ge­ setze den unbeweglichen Sachen gleich erachten, oder von dem Erwerbe des Pfandrechts an beweglichen Sachen, also auch an ausstehenden Aktivforderungen, handelt. Bei jenen wird das Hypothekenrecht durch die wirk­ liche Eintragung erworben, bei diesen durch die Uebergabe der Sache (§§. 7 —10. Tit. 20. a. a. £>.), und in Ansehung der ausstehenden For­ derungen ist insbesondere die Aushändigung der darüber ausgestelllen Ur­ kunden erforderlich. (§§. 280. und 515. a. a. O.) Es muß deswegen in dem Falle, wenn der Exekutionssucher verlangt, daß die im Wege der Exe­ kution ihm ertheilte Asflgnatkon einer eingetragenen Forderung im Hypo­ thekenbuche vermerkt werde, zunächst das Schulddokument eingefordert wer­ den, ehe die Subingrossation verfügt werden fanm Zur Herausgabe dieses Dokuments ist der Schuldner nach den Vorschriften der §§. 254. und 255. Tit. 16. Th. I. des Allgemeinen Landrechts und des §. 242. Tit. 2. der Hypothekenordnung verpflichtet und, wie der §. 101. Tit. 24. der ProzeßOrdnung ausdrücklich vorschreibt, allenfalls durch Zwangsmittel dazu an­ zuhalten. Diesem steht jedoch nicht entgegen, daß auch schon vorher die im Wege der Exekution erfolgte Beschlagnahme der Forderung vorläufig im

45*

708

und ihm gutwillig jura cessa gab. Wollte der ExequenduS dies nicht, so war kein Mittel vorhanden, ihn dazu anzu-

Hypothekenbuche vermerkt werde, vielmchr ist dies nach den Bestimmungen des gedachten §. 101. und des §. 234. Ttt. 2. der Hypothekenordnung zur Sicherheit deS Gläubigers nothwendig. Erst wenn das Dokument herbet­ geschafft wird, ist die Umschreibung der vorläufigen Beschlagnahme in ein wirkliches Pfandrecht zuläßig. ES kann dagegen auch nicht gesagt werden, daß durch den §. 22. der Exekutions - Verordnung vom 4. März 1834 die Fälle deS prätorischen Pfandrechts erschöpft würden; vielmehr erlangen die Gläubiger durch den H. 22. aus den Erkenntnissen rc., aus welchen eine Exekution statt­ findet, einen Titel zum Pfandrechte auf die dem Schuldner zugehörigen Immobilien, ohne daß es deshalb einer vorhergegangenen Immission bedarf, so wie ohne Beschränkung des Rechts zur Eintragung auf diejenigen Grundstücke, welche zur Sequestration oder Subhastation gezogen wor­ den sind. Was das Verfahren bei der Eintragung der fraglichen SubZnfkription betrifft, so finden sich die Vorschriften darüber in dem vierten Abschnitte des Tit. 2. der Hypothekenordnung, namentlich in dem §. 231. das. Dieser §. erklärt zugleich die vorhergehenden Vorschriften über Verpfändungen und Cessionen, soweit solche überhaupt bet der Subtnskription eintreten können, für anwendbar. Die in Rede flehende Eintragung kann aber nur als Subtngroffation erfolgen, da einestheils die überwiesene Forderung selbst nicht in das Eigen­ thum des ExekutionssucherS übergeht, andernthells auch der Titel zum Pfandrechte nicht gegen das Grundstück, sondern nur gegen das mit der überwiesenen Forderung verbundene Hypothekenrecht erworben wird. Es crgiebt sich daraus aber zugleich, daß die zur Exekution stehende Forderung nicht an zwei Stellen auf das Grundstück eingetragen wird, einmal ex §pho 22. und dann ex §pho 15. der Verordnung vom 4. März 1834., sondern nur einmal unmittelbar auf das Grundstück, das anderemal nur durch Subtngroffation auf das Hypothekenrecht der über­ wiesenen Forderung. Demzufolge ist also die über die eingetragene Forderung ausgefertigte Urkunde von dem Schuldner des Exekutionssuchers einzufordern, in dem Hypothekenbuche in der Kolonne der Cessionen re. die im Wege der Exe­ kution nach §. 2. des Gesetzes vom 4. Juli 1822. erfolgte Anweisung, auf den Grund der Vorschrift des §. 15. der Exekutions - Verordnung vom 4. März 1834., zu subingrossiren und dieses auf der Schuldurkunde zu

709 halten,

und doch ist auch hier kein Verlust für ihn zu be­

sorgen, weil er von seinem Aktivvermögen nur so Biel forte

giebt, als er zu zahlen verbunden ist, sein Aktivum beträgt,

wird,

und aus so Viel,

als

von seiner Verbindlichkeit völlig liberirt

auch zu keiner Eviktion, mit Ausschluß des etwanigen

Betruges,*) verpflichtet bleibt.

ES war daher kein Grund vor­

handen, dem ExekutionSsucher dieses Recht vorzuenthaltrn, da es ein so bedeutendes Mittel an die Hand giebt,

Daß das abgepfändete Aktivum, wenn

kution zu erleichtern.

eS

höher ist,

als

die Exe­

die Forderung

des

Exekutionssuchers an

Kapital, Zinsen und Kosten, nur theilweise abgetreten werden

darf, liegt am Tage;

eben so, daß dem ExekutionSsucher das

Vorzugsrecht vor dem übrigen Theile des Aktivums gebühret,

welches dem Schuldner bleibt, und daß es von dem Ermessen

des Exekutionssuchers abhängen muß, ob er, wenn von dem Aktivum mehrjährige Zinsen rückständig sind, solche und wie

Biel davon übernehmen wolle; denn der Schuldner ist ver­ pflichtet, aus seinem bereitesten Vermögen seinen Gläubiger zu befriedigen, und kann daher nur auf dasjenige Anspruch machen, was derselbe ihm übrig läßt.

Dies ist der Gegenstand der

6. bis 9.**) des Ge­

setzes, und wenn dabei ausgesprochen ist, daß die Verfügung

ktgistrlren. Wenn die Anweisung nicht die ganze Forderung des Schuld­ ner« umfaßt, so ist nach Maaßgabe der Borschriflen TIt. 2. §§. 206. ff. und §■ 232 der Hypolhekenordnung eine Vidiviirte Abschrift von der Driginal-Schuldurkunde anzufertigen und auf diesem Dokumente und der beglaubten Abschrift sowohl die erfolgte Ueberweisung, al« auch die bewirkte Eintragung zu vermerken. °) Vgl. Allgemeines Landrecht, Th- l. TIt. 11. §. 444. ••) §. 6. Will der Exekutionssucher eine Aktivforderung seines Schuld­ ner- (§■ 1.) zum Nennwerts» in Zahlung annehme», so soll ihm dieselbe

710 des Richters die Stelle der Session vertreten soll, ohne daß es dazu einer Session des Exeqlrendus bedarf, so bericht solches in dem, ein Aehnliches schon vorschreibenden 105. Tit. 24. der Prozeßordnung, und ist der Beschleunigung we­ gen unumgänglich, damit ein böser Schuldner nicht Gelegen­ heit erhalte, durch Versagung der Session seine Gläubiger ohne Noth aufzuhallen und zu chtkaniren. Zm §. 10. wendet sich das Gesetz zu der Uebereignung von Renten. Hinsichtlich der Exekution in Renten und Gefälle ist die gegenwärtige Lage der Gesetzgebung folgende: Renten und Gefälle sind entweder Zubehörungen eines Guts (subjektiv dingliche Rechte), und sind dann als eine unbewegliche Sache anzusehen, *) durch eine Verfügung des Gerichts, welche die Stelle der Zession vertritt, übereignet werden. §. 7. Uedersteigt diese zu übereignende Aktivforderung die beijntreibende Sumwe, so geschieht die Ueberweisung bis zum Betrage der letzteren, jedoch mit dem Vorzugsrechte vor dem Ueberreste der Forderung, welcher dem zu Exequirenden bleibt. Beides ist in der übereignenden Verfügung, wovon in diesem Falle auch der zu Excqutrende eine Ausfertigung erhält, deutlich und genau auszudrücken. §. 8. Da der Exekutionssucher aus dem bereitesten Vermögen des zu Exequirenden seine Befriedigung verlangen kann, so hat er die Wahl, ob er die rückständigen Zinsen der in Zahlungsstatt zu übereignenden For­ derung nur theilwelse oder gar nicht * übernehmen will, welchenfallS solche in der übereignenden Verfügung dem zu Exequirenden.vorzubehal ­ ten sind. § 9. Ist von der zu übereignenden Forderung ein schriftliches Dokument vorhanden, so wird die Zessions-Verfügung (§. 6.) daraus vermerkt, und im Falle deS§. 7. überdem ein Duplikat des Doku­ ments gefertigt, welches mit der Zcssions - Verfügung gleichfalls ver­ sehen wird. *) §. 8. Tit. 2. Th. I. des Allgemeinen Landrechts.

711 oder sie sind nicht Zubchörungen eines Guts und gehören

alsdann zu den beweglichen Sachen.") Zm ersten Falle kann die Rente rc. nur mit dem Gute

selbst zur Subhastation gestellt werden,

wenn das Gut an

sich verkäuflich ist.

Renten und Gefälle,

Gutes sind, sind

welche nicht Zubchörungen eines

entweder Geld-

oder Natural-Renten

und Gefälle. Was die Geldrente» betrifft,

so regulirt das Gesetz

vom 4. Zuli 1822. die Rechtsverhältnisse des Gläubigers ei­

nes Rentberechtigten, welcher Exekution in die Rente nachsucht,

in folgender Weise: §. 1. gestattet

rung

deS

zu

Geldsumme

dem

ExekutionSsucher

Exequirenden,

welche

in Renten zum

jede

Aktivforde­

eine

bestimmte

Gegenstände hat,

selbst

einzuklagen und bis zum Betrage seiner rechtskräftigen For­

derung einzuziehen.

2. bestimmt, daß ihm hierzll auf seinen Antrag eine Er­ mächtigung

von Seiten deS Gerichts ertheilt werden soll.

§. 3. Diese gerichtliche Verfügung vertritt die Stelle einer Anweisung (Assignation).

§. 6. Will der Exekutionssucher eine 4lktivforderung seines Schuldners zum Nennwerth in Zahlung annehmcn,

so

soll ihm dieselbe durch eine Verfügung des Gerichts, welche die Stelle der Cession vertritt, übereignet werden.

10. verordnet endlich: Die Uebereignung

von Geldrenten geschieht zu

dem

Satze, wofür der Rcntpflichtige solche abzulösen gesetzlich

°) §• 7. a. a. L. „Rechte werden als bewegliche Sachen betrachtet."

712 oder vertragsmäßig befugt ist.

sie mit fünf Prozent

solchen Bestimmung werden Kapital angeschlagen.

Es

Zn Ermangelung einer

findet

zu

jedoch diese Ueber-

eignung nur bei solchen Renten statt, deren Ab­ sonderung von dem berechtigten Hallptgute keine gesetz­

lichen Hindernisse int Wege stehen. Ueber

die

Anweisung

oder

Uebereignung

von

Na­

turalrenten im Wege der Exekution schweigen die Gesetze. Es finden daher nach wie vor, die Vorschriften des 24. Ti­

tels der Prozeßordnung von Exekutionen, insbesondere die §. 101. bis 105., darauf Anwendung.

Daß diese Vorschriften

auch auf Aktivforderungett

an­

wendbar sind, welche nicht auf Geld, sondern auf Natura­

lien lauten, ist in der Praxis stets angenommen worden

und rechtfertigt sich durch nachstehende Bemerkungen: Der Exekutionssucher, welcher eine Aktivforderrmg seines Schuldners in Beschlag nimmt, erlangt dadurch einen Titel zum Pfandrechte und das Vorrecht der fünften Klaffe.*) Die Rechte, die er hierdurch an seinen Schuldner (ExequenduS) erwirbt, sind die eines Pfandgläubigers. §. 289. Tit. 20. Th. I. des Allgemeinen Landrechts verordnet:

Sind Aktivfvrderungen nur verpfändet worden, so kann der Pfandgläubigcr auf deren Einziehung nur un­

ter eben deit Umständet antragen, unter welchen er die Veräußerung des Pfandes z«t suchen berechtigt ist. §. 290. Besteht die verpfändet gewesene Aktivfordernng nicht

in baarem Gelde, sondern in Naturalien oder anderen Sachen, so bekommt der Gläubiger, durch deren Ein°) Verordnung von« 4. Marz 1834. über die Exekntion in Zivilsachen,

h. 15. (.Gesetzsammlung für 1834. S. 31.)

713 ziehung, auf diese Sache» nur die Rechte eines ei­ gentlichen Pfandinhabers. 291. Will er sich daraus bezahlt machen, so muß we-

geu

deren Veräußerung

alles

das

beobachtet

werden,

was wegen Verälißerung der Pfänder überhaupt vor­

geschrieben ist. 292. Bestehen

jedoch diese

verpfändet

gewesenen

und

eingezogenen Naturalien in Getreide oder anderen Er­

zeugnissen, die einen gewissen marktgängigen Preis ha­ ben: so muß der Gläubiger sich de» Werth derselben

nach dem mittleren Marktpreise der nächsten Stadt, zur Zeit der Einziehung, anrechnen lassen.

Es ist nicht zu leugnen, daß, wenn auch die Sache in Beziehung auf die Geld-Renten durch die Verordnung vom 4ttn Zuli 1822. eine gewisse Regulirung erhalten hat, dadurch für

die

Natural-Renten

und Gefälle Nichts gewonnen

worden, in Beziehung auf diese vielmehr die Sache in der üblen

Lage geblieben ist, in der sie sich vor dem 4ten Zuli 1822. auch

in Rücksicht ans

die

Geld-Renten befunden hat.

Die Lücke, welche sich hier in der Verfolgung rechtskräf­ tig erstrittener Forderungen offenbaret,

ist

um so merklicher,

als durch die Verordnungen vom 4ten März 1834. über das

Exekutions- und über das Subhastationsverfahren*) die frü­ heren Mängel der Exekutionsvollstrcckung beseitigt und dieser wichtige Gegenstand der Rechtspflege, wir die Erfahrung be­ reits vollständig bestätiget hat, in eine, allen billigen Anfor­

derungen entsprechende, erfreuliche Lage gebracht ist. Es crgicbt sich demnach aus der jetzigen Lage der Gesetzge-

•) Gesetzsammlung für 1834. S. 31. und 39.

714

bring das Bedürfniß einer Ergänzung der bestehenden gesetzlichen

Bestimmungen über die Vollstreckung der Exekution in Renten. Es giebt zwei Wege für diesen Zweck:

entweder A. auf dem bisherigen Wege weiter fortzngehen, und auch diejenigen Renten, welche nicht in einer bestimmten Geld-

Summe, sondern in festen Naturalabgaben, in Ge­

treide oder anderen Erzeugnissen bestehen, dem Gesetze vom 4. Juli 1822. unterzuordnen,

oder B. die

Subhastation

von

dergleichen

Realberechtigungen

nachzulassen.

A. Bei einer Ausdehnung der Vorschriften des

Gesetzes

vom 4ten Zuli 1822. auf Naturalleistungen würden diese dem Exekutionssucher, eben so wie Geldrenten, entweder durch Assignation überwiesen, oder

durch Angabe

an Zahlungsstatt

übereignet

werden

köniten. Zm ersten Falle bliebe es bei den noch jetzt bestehenden

Vorschriften des §. 101. Tit. 24. der Prozeßordnung und des

292. Tit. 20. Th. I. des Allgemeinen Landrechts.

Der

Exekutionssucher würde in den Genuß der einzelnen Leistungen

gesetzt werden

und eventuell zur eigenen Einklagung derselben

befugt seyn.

Der

Ertrag dieser

einzelnen

Leistungen müßte

versilbert und abschläglich auf die zur Exekution stehende For­ derung abgerechnet werden.

Ließen sich in Betreff der Versil-

berlnig auch erleichternde Modifikationen der jetzt darüber be­

stehenden Vorschriften treffen,

so würde doch

Veränderung, welche durch die Anwendung

die wesentliche

des Gesetzes vom

4ten Zuli 1822. in dieser Beziehung erreicht würde, nur darin

715 bestehen, daß der Exekutionssucher zur eigenen Einklagung der ihm überwiesenen Rückstände und ferner fällig werdenden Be­ träge berechtigt wäre.

Indessen entspricht diese Maaßregel keinrsweges vollstän­ dig dem Interesse des Exekutionssuchers. Demselben wird eines Theils nicht damit

gedient seyn,

die rechtskräftig erstrittene Kapitalsforderung in weit aussehenden Abschlagszahlungen zurück zu erhalten, und anderen Theils

wird die Bersilberuug der einzelnen Gefällt in vielen Fällen unmöglich

oder doch

mit

zu

großen

Weitläufigkeiten

ver­

knüpft seyn.

Der Uebereignung der Renten an Zahlungsstatt tre­

ten aber noch besondere Schwierigkeiten entgegen. Zunächst würde der Werth der Reallast festgestellt wer­ den müssen.

Dabei würden nur die Grundsätze der Ablösungsordnung zur Richtschnur genommen und das ganze Geschäft würde füg­

lich nur von der General-Kommission geleitet werdm können. Abgesehen von den hiemit verbundenen Weiterungen und Ko­

sten würde aber auf diese Weise auch nur der, den Verhält­

nissen des Berechtigten und Verpflichteten angemessene, Ablösungswerth, nicht aber der Kaufwerth, der ein ganz an­

derer seyn kann, festgestellt werden. Könnten aber auch hiemach die Renten, welche nicht Zubehör eines Gutes sind, dem Gläubiger'übereignet werden, so wäre diesem damit doch nicht geholfen.

Er sucht ein Ka­

pital zu seiner Besriedigung und erhält nur eine Rente.

Hin­

sichtlich dieser letzteren würde er an die Stelle der bisherigen Realberechtigten treten, und, falls er nicht in der Lage wäre,

die Rente selbst zu erheben, resp, von den Diensten, soweit

716 es ohne Erschwerniß des Rentpflichtigen geschehen könnte, Ge­

brauch zu machen, genöthigt seyn, auf die Veräußerung

der

ihm übereigneten Gerechtsame Bedacht zu nehmen, wenn nicht etwa die Umstände darnach sind, daß auf seinen Antrag die

Ablösung durch Kapital-Abfindung eintreten müßte. Diese Schwierigkeiten

und

Weiterungen, welche

sich

in

der Regel zeigen werden, würden noch vermehrt werden, wenn

nur ein Theil der Rente, eben so andererseits,

wenn alle

Arten der Reallasten, namentlich Dienste und die sogenann­ ten zufälligen Rechte (Leistungen,

bei welchen

entweder der

Zeitpunkt der Entrichtling oder der Umfang des Gegenstandes, oder beides zugleich unbestimmt ist) zum Gegenstände der Ue-

bereignung gemacht werden sollten.

Wollte man eine Theilung der Renten ansschließen, so würde der Exekutionssucher häufig in die Lage kommen, schon

deswegen seinen Antrag auf Uebereignung derselben aufgeben zu müssen,

wenn er nicht den, seine Forderungen übersteigen­

den Betrag des Werths der Rente auszahlen kann. Sollten Dienste von der Uebereignung ausgenommen wer­

den, so würde die Maaßregel nur eine halbe bleiben, und ein

beträchtlicher Theil der gutsherrlichen Rechte dem Gesetze nicht linterworfen werden. Sollten aber die sogenannten zufälligen Rechte darunter

nicht fallen, dann würden diese, z. B. Gewinngelder, Heim­ fall k. von den sonstigen gutsherrlichen Rechten getrennt in

andern Händen bleiben, als in welchen sich die Renten und Abgaben befänden. Ferner ist bei dieser Uebereignung der Umstand nicht zu übersehen, daß eine sehr große Zahl der gutsherrlichen Gerecht­

same durch Subinskription mit Hypothekenschulden belastet sind.

717 Bei Uebereignung der Rente würden diese Hypotheken auf

den Exekntionssncher mit übergehen. Wie wird sich aber ein Exekutionssucher dazu verstehen, mit der Rente in dergleichen Schuldverbindungen zu treten,

zu deren Lösung durch Abzahlung es ihm in der Regel an Mitteln fehlen wird, wenn auch der Werth der zu übereignen­

den Rente den Gesammtbetrag der darauf hastenden Schul­ denposten übersteigen sollte! Es ließe sich zwar ein dem Kaufgelder-Belegungs-Ver­

fahren bei nothwendiger Subhastation ähnliches Verfahren an­

ordnen, nm die übereignete Rente von den darauf subinskribirten Schulden zu befreien. gleich dem Kaufgelde

treten.

Der Uebereignnngs-Preis würde

an die Stelle der übereigneten Rente

Es leuchtet jedoch von selbst ein, daß dadurch diese

Maaßregel über ihre Grenzen hinausgehen und wegen der da­ durch vermehrten Weiterungen um so weniger zur Anwendung kommen würde.

Denn nicht mir die sämmtlichen Interessen­

ten, der Rentberechtigte und der Rentverpflichtete, die sämmt­ lichen Hypothekengläubiger und

der Exekutionssucher müßten

zugezogen, sondern es würde auch eine öffentliche Bekanntma­ chung, gleich der des SubhastationSpatentes, ergehen müssen,

und danach im Resultate das rintreten, was bei einer Sub­ hastation erfolgt. Endlich kann das Gesetz vom 4. Juli 1822. überall nicht

auf diejenigen Renten angewendet werden, welche Zubehör ei­

nes Gutes sind (die subjektiv dinglichen). Gegen den Willen des Gutsbesitzers ist die Ueberweisung nicht ausführbar, und wenn dieser sich damit einverstanden er­

klären sollte, so würde doch vorab mit den Hypothekengläubigern des berechtigten Guts ein Regulativ nach Maaßgabe der

718

Vorschrift des

91. Tit. 2. der Hypothekenordnung getrof­

fen, oder es würden sämmtliche Realverbindlichkeiten, welche

das berechtigte Gut und zugleich die dazu gehörige Rente be­

treffen, auf die letztere übertragen, resp, subinflribirt werden müssen. ES

müßte

die Verbindung

vorher aufgelöst werden,

mit dem berechtigten Gute

wodurch dann

die Rente zu einer

nur dem Gegenstände nach dinglichen würde.

Diese vielen Schwierigkeiten lassen es voraussehen, daß auf diesem Wege

dem Bedürfnisse nicht würde abgeholfen

werden. DieS kann vielmehr nur auf dem

zu B. «»gedeuteten, weit einfacheren Wege, nämlich durch die Subhastation der Renten erreicht werden, und die­

sen Weg hat die Verordnung vom 10. April 1841.,

die Subhastation von Realberechtigungen in

Westphalen und

über

der Provinz

in den, zum Regierungsbezirk Düsseldorf

gehörigen Kreisen Rees und Duisburg e), eingeschlagen.

WaS gegen die Zulassung der Subhastation angeführt werden kann, beschränkt sich im Wesentlichen auf die Gründe,

welche gegen den öffentlichen Verkauf von Privataktiven bei der Berathung des Gesetzes vom 4. Zuli 1822. gel­

tend gemacht sind. Es wurde damals eingewendet, daß man bes einer Sub­ hastation solcher Aktiva von allen Voraussetzungen eines öffent­

lichen Verkaufs, d. h. von Abschätzung des zu versteigernden Gegenstandes und von der Möglichkeit einer Konkurrenz von

Kauflustigen, würde abstrahiren müssen.

•) Gesetzsammlung für 1841. S. 76—78.

Ein Möbel habe bei

719 der Taxe seinen leicht zu bestimmenden Werth, da man aus

der täglichen Erfahrling wisse, für welchen Preis es neu imb alt gekauft werden könne.

Ein Privataktivum aber, welches

lediglich in dem Vertrauen des Gläubigers zum Schuldner sei­ nen Hauptwerth habe, könne nie an sich selbst abgeschätzt wer­

den,

sondern

Schuldners.

immer

nur in Beziehung auf die Person des

Ein Sachverständiger sey nicht im Stande, die

Bermögensverhältnisse des Schuldners mit Sicherheit zu beur­

theilen.

Einreden, welche dem Schuldner zustehen dürften, lie­

Zede Auktion setze eine Kon­

ßen sich gar nicht voraussehen. kurrenz von Kauflustigeu voraus.

Wer auf einer Auktion et­

was kaufen wolle, müsse sich den Gegenstand ansehen und des­ sen Werth beurtheilen können.

Bei Privataktivforderungen sehe

der Kauflustige nur ein Papier, der Schuldner sey ihm viel­

leicht kaum dem Namen nach bekannt.

Eine Konkurrenz sey

daher nicht zu erwarten, jedes Gebot sey für den Bieter ein

gewagtes Geschäft und eine öffentliche Versteigerung der Privataktivforderungen

könne

nur zum

großen

Nachtheile

der

Inhaber derselben dahin sühren, daß das Aktivum für einen

Spottpreis und in der Regel dem Gläubiger würde zugeschla­ gen werden. So richtig diese Bemerkungen in Betreff gewöhnlicher

Privataktivforderungen sind, so wenig treffen solche bei dem öffentlichen Verkaufe von Grundrenten zu. Daß deren Werth abzuschätzen ist, beweist die Zulässigkeit

ihrer Ablösung gegen einen bestimmten Preis.

Wenn bei Priva-

taktivforderungen der Werth hauptsächlich durch das Vertrauen des Gläubigers zum Schuldner bestimmt wird, so kommt es

dagegen

bei den Reallasten auf die Bermögensverhältnisse so

wenig des Kapitalschuldners, als des Rentpflichtigen an.

Die

720 Rente wird aus dem verpflichteten Gute entrichtet und gewährt

bei allen nicht rein zufälligen Abgaben einen sicherern Werth, als selbst Grundstücke.

Wenn bei der Abschätzung von land-

wirthschastlichen Grundstücken

Getreide ermittelt

zuerst der Ertrag derselben in

und nach diesem der Geldwerth

bestimmt

werden muß, so giebt in der Regel jede feste Abgabe sofort

den Maaßstab in Getreide an; wenn jede Ertragsermittelnng eines Grundstücks immer nach Wahrscheinlichkeit erfolgt, so ist

die Rente keinen Zufälligkeiten unterworfen,

da sie geliefert

werden muß, sie mag aus dem pflichtigen Grundstück gewon­ nen seyn, oder nicht; wenn selbst bei einer Hypothekenforderung

deren Sicherheit nach dem Verhältnisse zu den vor und mit

eingetragenen Schulden beurtheilt und dabei zugleich auf die Vermögensverhältniffe des Schuldners zurückgegangen

werden

muß, so gehen Reallasten, gewiß mit äußerst seltenen Aus­ nahmen, allen Hypothekenschulden vor.

Der Mangel eines zu bestimmenden Preises der Renten und die Befürchtlmg, daß deswegen keine Konkurrenz bei'm

Verkaufe derselben eintreten möchte, läßt sich darnach nicht ent­

gegenstellen.

Dagegen scheint zwar die Konkurrenz deshalb geringer zu seyn, weil nicht Zeder in der Lage ist, von der zum Verkauf ansgebotcnen Realberechtigung den möglichst großen Nutzen zu

Derjenige, welcher nicht an dem Orte wohnt, wohin

ziehen

die Rente abgeliefert werden muß, ist in die Nothwendigkeit versetzt, einen Empfänger zu bestellen.

ist,

die

zu

leistenden Dienste

Wer nicht in der Lage

für seine

eigene

Wirthschaft

zll verwenden, muß solche, und gewiß in der Regel, unter ihrem wahren Werthe einem Andern überlassen.

Aber auch die hieraus zll entnehmenden Bedenken

ver-

721 schwinden, zumal wenn die besonderen Verhältnisse, wie solche

in der Provinz Westphalen sind, näher betrachtet werden. Die Kolonate haben dort nicht, wie es in anderen Pro­ vinzen des Staats der Fall ist, dem vollen, oder auch nur

getheilten Eigenthume nach, Dorf- und VauerschaftSweise zu

einem Gute gehört, sie sind nicht einem sogenannten Domi­ nium unterworfen gewesen, sondern

befinden sich im Eigcn-

thume der einzelnen städtischen und ländlichen Einwohner.

Die

Bürger in den Städten, wie die Gutsbesitzer auf dem Lande, besaßen Bauerhöfe, und zogen die daraus zu leistenden Dienste

und Abgaben.

Auch

die Kvlonen selbst waren von

Besitze nicht atlsgeschlossen.

Der eine Bauer

diesem

war mitunter

Eigenthümer oder Gutsherr eines andern Kolonats.

Das glits-

herrliche Verhältniß war beschränkt auf die in Ansehung jedes einzelnen Bauerhofes zwischen dem Gutsherrn und dem Bauer bestehenden Rechte und Pflichten, unb umfaßte keinesweges die

Besitzer eines Dorfes oder auch nur einer Feldflur.

Daher

kam es, daß die Bauerhöfe Gegenstand des allgemeinen Ver­

kehrs waren, und daher rührt es denn natürlich, daß sich jetzt die aus

den Kolonaten zu leistenden Abgaben überall in den

Händen der einzelnen Einwohner aller Klaffen befinden.

Wie

früher bei dem Verkaufe eines Bauerhofes, dessen Werth da­ mals hauptsächlich nach den daraus zu leistenden Abgaben ge­

schätzt wurde, so wird jetzt mindestens eine gleiche Konkurrenz

bei'm öffentlichen Verkaufe der Renten zu erwarten seyn. diese

Za

muß sich nicht unerheblich vermehren, da eines Theils

eine feste Rente wegen der damit verbundenen Sicherheit der Einnahme,

und da der Preis des Getreides den Preis der

meisten übrigen Lebcnsbedürfinffc bestimmt, den Begehr zum Besitze derselben reizt, andern Theils aber durch die Auflösimg 46





722

des gutsherrlichen Verbandes der Erwerb dergleichen Renten

erleichtert

unb in dem Stande der Kolonen eine neue Kon­

kurrenz der Käufer geschaffen ist. Die Befiirchtung, daß die Renten zu einem Spottpreise zugeschlagen und so ein Gegenstand des Wuchers werden könn­

ten, erscheint daher zunächst für die Provinz Westphalen, im Allgemeinen aber auch für die anderen Landestheile der Mo­

narchie so wenig begründet, daß vielmehr der öffentliche Ver­ kauf in vielen Fällen zur Ablösung führen wird, ohne daß es erst der Weitläuftigkeiten und Kosten des Ablösungsverfahrens

bedarf.

Sind darnach die gegen die Anwendung der öffentlichen Versteigerung etwa zu erhebenden Bedenken nicht für erheblich

zu erachten, so sprechen auf der anderen Seite für die Zu­

lassung derselben noch gewichtige Gründe. Dahin gehört:

daß die Gläubiger, welchen Renten verpfändet sind, frü­

her eine Hypothek an dem rentpfiichtigen Grundstücke hatten,

und

die Subhastation

ausbringen konnten.

desselben

resp, des Obereigenthums

Gestattet man ihnen nicht die Befug-

niß, die Rente zur öffentlichen Versteigerung zu bringen, so

entzieht man ihnen zum Theil einen Gegenstand ihrer Si­

cherheit

und

Befriedigung.

Denn

unverkennbar

hat die

Rente, welche nicht öffentlich verkauft werden kann, für den

Gläubiger an Werth verloren, und seine Befriedigung, wenn

sie nur aus den einzelnen ZahreSleistungen erfolgen kann, ist oft in weite Ferne gerückt.

Aber auch dem Rentberechtigten ist die Verweigerung der Subhastation nachtheilig.

Der Werth der Renten muß nothwendig fallen, wenn

723

der Verkehr mit denselben vermindert wird.

Zu diesem ma­

teriellen Berlliste tritt aber noch die daraus entspringende Verminderung

des Kredits

deS

Rentberechtigten

und

die

Folge, daß demselben Anleihen auf Renten werden versagt und die darauf aufgenommenen Kapitalien bei

der

ersten

günstigen Gelegenheit werden gekündigt werden, wovon dann wieder die Folge seyn muß, daß der Gläubiger alle andern

Vermögensobjrkte als

die

seines Schuldners

unverkäuflichen

Renten.

eher

Dieser

angreifen

Erfolg

wird,

hat

sich

nach den Vorstellungen der Stände und der Provinzialbehörden theilweise schon wirklich gezeigt.

Es gehört ferner

dahin der Uebelstand, daß ein Kreditverfahren, welches über

das Vermögen eines Rentberechtigten ausbricht, wegen der Unverkäuflichkeit der Renten zum großen Nachtheil der dar­ auf angewiesenen

verewigt wird.

Gläubiger und

zugleich

des Schuldners

Denn an eine Abtragung der Schulden durch

Versilberung der einzelnen Zahresleistungen ist nicht zu den­

ken, und eine Administration resp. Sequestration der Rentgefälle ist wegen der damit verbundenen Kosten sowohl dem Gläubiger, als dem Schuldner nachthetlig.

Endlich ist die Subhastation der sicherste Weg zur Auflösung aller die

Rente belastenden Schulden und sonstigen Realverbindlich­

keiten, auch der verwickeltsten Att. Beruhet sonach die Zulassung des öffentlichen Verkaufs in dem

Interesse aller Betheiligten, und ist auch kein sonstiger er­ weislicher Nachtheil davon zu befürchten, so kann sich nur noch

fragen, ob in dem Subhastationsverfahren selbst Gründe liegen,

welche die Anwendbarkeit desselben abrathen oder bedenklich machen. 46»



724



Aber auch in dieser Rücksicht finden sich keine Schwie­

rigkeiten. Dies ergiebt sich schon daraus,

daß bei mehreren Ge­

richten, welche, wenn gleich irrthümlich, annahmen, daß schon

die bestehende Gesetzgebung die Subhastation allgemein gestatte,

dergleichen Subhastationen von Renten, nnd zwar nicht blos in Verbindung mit rentberechtigten Gütern, sondern von den, mir

ihrem Gegenstände nach dinglichen Rechten wirklich eingeleitet und durchgeführt worden sind.

Dazu kommt noch, daß andere

Gesetzgebungen den öffentlichen gerichtlichen Berkaus zulaffen. Ohne des Römischen Rechts") zu gedenken, so ist hier zu

erwähnen, daß das Rheinische Gesetzbuch über das rechtliche Verfahren in Civilsachen in den Artikeln 643. bis 655. Vor­ schriften über die Snbhastation der Renten enthält. Bei dieser Lage der Sache, wo mehrere triftige Gründe

für die Zulassung der Subhastation sprechen, gegen dieselbe

aber kein erheblicher Grund geltend zu machen ist, scheint der

allgemeinen Gestatttmg derselben Nichts entgegen zu stehen. So Viel in Betreff der Renten. Der H. 11.") des Gesetzes vom 4. Juli 1822. enthält eine Bestimmung hinsichtlich der Kosten.

Bisher ist von den Privat-Aktivforderungen die Rede ge­ wesen. Eine andere Bcwandniß hat es mit öffentlichenSchuldpapieren, die an der Börse gekauft und verkauft werden. So lange

diese Schuldpapiere ihren vollen Werth hatten und selbst mit

Agio gesucht und gekauft wrirden, konnte sie der Inhaber der-

°) >. 15. §. 10. D. de re jud. (42. 1.) ”) §• 11.

Die Kosten der Ucbereignung mit Einschluß der Eintragung

derselben in das Hypothckcnbuch, sofern die Forderung darin eingetragen Ist, fallen dem zu Erequirenden zur Säst.

725 selben dem baaren Gelde gleich benutzen lind zu seinen Zah­

lungen verwenden.

Bon

einer Verpfändung

derselben,

sich darauf Kredit zu verschaffen, war keine Rede.

die Kriege jene Schulddoknmente

durch

ihren

um

Slls aber

vollen Werth

verloren hatten, nöthigte die Unmöglichkeit, sie bei den Aus­

stellern selbst zu realistren, der Börse zu verkaufen.

die Inhaber/ sie mit Verllist an So entstand für diese Aktiva ein

bis dahin unbekannt gewesener Verkehr, der später noch ver­

mehrt und ansgebreitet wurde.

Man verpfändete dergleichen

Dokumente gegen aufgenommene baare Darlehne und ließ sich

in den Verträgen selbst den Verkauf derselben an der Börse Als aber die Gläubiger zur Realiflrung des Ver­

gefallen.

kaufes nach dem Verfalltage schritten, entstanden die lautesten

Klagen

über

den

zu

allerdings ansehnlichen

befürchtenden,

Verllist und veraillaßten verschiedene inhibirende Verfügungm des Justiz-Ministeriums, welche auf die Vorschriften des All­ gemeinen Landrechts

Tit. 24.

Prozeßordnung

ren,

nach

welchen Aktiva

Schuldner und ten.

Th. I.

Eine

nicht

Tit. 20.

§. 101. und folg,

so wie der

gegründet

wa­

sich nur zur Einziehung vom

zum öffentlichen Verkaufe eignen soll­

dieser Verfügungen

Neumärkische

§>. 289.,

Oberlandesgericht

an

das Kammergericht

vom

12ten

August

und

1809.

wurde durch die KabinetSorder vom 12ten April 1810. da­

hin bestätigt: daß der Verkauf verpfändeter Obligationen

im Wege der

Exekution nicht zulässig sey, sondern abgewartet werden müsse,

ob deshalb eine andere gesetzliche Bestimmung ergehen werde. Diese gesetzliche Bestimmung zu geben, war ebenfalls der

Zweck des Gesetzes vom 4. Juli 1822. Schon durch die Kabinetsorder vom 4. Januar 1811.

726

war zum Vortheile des Ostpreußischen Pfandbriefssystem« der Verkauf der Kurs habenden

öffentlichen Aktiva nachgegeben,

welche bei den Pfandbriefsschuldnem, sich auspfänden ließen,

die der Zinsen wegen und die Ver­

vorgefunden wurden,

ordnung vom 27. Oktober 1810.*), betreffend die Finanzen des Staates und die neuen Einrichtungen wegm der Abgaben,

bestimmte Nr. 4. unter c. ausdrücklich: in

daß biger

der Staatsschulden

Hinsicht

keine Aufkündigung

Zahlung

dem

auf

stattfinde,

Markte

Seitens sondern

durch

der

daß

Verkauf

Gläu­

sie

die

suchen

müßten.

Hieraus folgte die Nothwendigkeit, einen solchen Verkauf

auch

unter

den

Privatinteressenten

zu

verstatten,

weil

die

Einziehung vom Schuldner unmöglich war, und es bei diesen

Umständen eine Verweigerung der Justiz gewesen wäre, den­

jenigen Verkehr

mit

öffentlichen Schulddoknmenten ver­

den

schließen zu wollen, welcher sich unter dem Schutze der Gesetze

anderweitig ausgebildet hatte. Es kann zwar nicht geleugnet werden, daß der Schuldner dabei möglicherweise Verlust

Folge seiner mora. was

ihm

rechtlich

erleiden kann;

allein

es ist die

Der Gläubiger erhält immer nur Das, gebührt,

und

selbst von dem Schuldner

kann man nicht sagen, daß er einen wahren Verlust in sei­

nem aktuellen Vermögen erleide, Werth

jener Schuldpapiere

weil

feststellen,

die Zeitumstände den und

ihr

jedesmaliger

Werth, nicht der nominelle, in Betracht gezogen werden muß.

Auch kann der Schuldner diese Schuldpapirre selbst im Wege

des

Verkehrs

an

der

Börse

unter

•) Gesetzsammlung für 1810. S. 30.

dem Nominalwerthe

— 727 — schon gekauft haben, und in solchem Falle ist gar keine Ursache, auch nur über scheinbaren Verlust zu klagen. Schlimmstenfalls ist ein solcher Exequendus nicht übler daran, als jeder Andere, dem ein theuer gekauftes Möbel im Wege der Auktion für einen geringen Preis versteigert wird. Beide verlieren von ihrem Vermögen, weil sie ihrem Gläubiger zur gehörigen Zeit nicht gerecht werden können oder wollen. Aus der Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze sind die §§. 12. und folg.*) hervorgegangen. *) 12. Sind Schuldpaptere, welche auf Börsen einen markt­ gängigen Kurs haben, in Beschlag genommen, so kann der ExekutionSsucher solche zu dem Börsenkurs, wofür sie verkäuflich sind, in Zahlung annehmen. 13. Es bedarf in diesem Falle, sofern die Papiere auf jeden Inhaber lauten, keiner Zessions-Verfügung (§. 6 ), sondern nur einer Aushändigung der Papiere an den Exekutionssucher zum gerichtlichen Protokoll, und einer Quittung desselben über die ihm dadurch gewor­ dene Zahlung. §. 14. Da hier keine theilweise Ueberwetfung (§. 7.) stattfindet, so muß der ExekutionSsucher allemal, wenn der Kurswerth der Papiere dessen rechtskräftige Forderung übersteigt, den Ueberschus; bet der Aushändigung der Papiere in gleichen Papieren nach dem Kurswerthe oder baar, ent­ weder an den zu Exequtrenden zahlen, oder den Umständen nach bei dem Gericht niederlegen. §. 16. Der Kurswerth (§. 12.) wird bei denjenigen Papieren, welche auf inländischen Börsen Kurs haben, durch ein Attest eines vereideten Mäklers bestimmt, welches von dem Gericht auf das Anerbieten des Exe­ kutionssuchers, die Papiere in Zahlung annehmen zu wollen, eingeholt wird, und den am Tage der Ausstellung des Attestes gewesenen Geldkurs in Buch­ staben und Zahlen angeben muß. 16. Bei inländischen Staatspapieren, ingleichen bei ausländischen Papieren, welche inländischen Börsenkurs haben, wird dabei der Berliner Börsenkurs zum Maaßstabe genommen; bet inländischen Provinzial- oder Kommunal-Papieren aber der Kurs von der Börse der Provinz, in welcher sie entstanden sind. Befinden sich mehrere Börsen in der Provinz, so hängt es von dem Ermessen des Gerichts ab, nach welcher von diesen Börsen der Kurswerth

728 Die

im

öffentlichen Verkehre

befindlichen Schuldpapiere

gewinnen dlirch ihre Verkäuflichkeit auf der Börse zum Ta­ geskurs, welchen die Börsenlisten angeben, eine dem Papiergelde gleichkommende dlatur.

Der jedesmalige Kurs ist der wahre Geldwerth derselben. Es

ist

daher keinem Bedenken unterworfen,

dergleichen

Forderungen dem Exekutionssucher zu dem Kurswerthe, wofür sie käuflich sind,

in Zahlung zu übereignen,

wenn er

solche annehmcn will.

der inländischen Provinzial- und Kommunal-Papiere bestimmt werden soll, und eben so bestimmt das Gericht, welche inländische Börse dazu zu neh­ men, im Fall sich in der betreffenden Provinz keine Börse befindet. Der Regel nach ist jedoch dazu die Berlrner Börse zu wählen, wenn bet derselben dergleichen Papiere Kurs haben. §. 17. Haben die in Beschlag genommenen Papiere (§. 12.) aber blos auf ausländischen Börsen einen Kurs, so erfordert das Gericht ent­ weder von der Hauptbank oder der Seehandlung Auskunft, bet welcher ausländischen Behörde der neueste Kurs dieser Papiere am Vortheilhaftesten sey, und darnach wird bei der Uebereignung derselben an den Exekutionssucher ihr Kurswerth bestimmt. §. 18. Will hingegen der Exekutionssucher die in Beschlag genom­ menen Papiere nach ihrem Kurswerthe nicht selbst übernehmen (§. 12.), sondern trägt auf deren Veräußerung an, so geschieht diese durch ei­ nen vereideten Mäkler, ganz auf gleiche Weise, wie Papiere dieser Ari an der Börse verhandelt werden. Bei welcher Börse alsdann der Verkauf zu bewirken sey, ist gleichfalls nach den vorigen beideit §§. zu bestimmen. 19. Bet den §. 16. gedachten» Papieren ertheilt das exequtrende Gericht einem Mäkler entweder unmittelbar oder durch Ersuchen des Ge­ richts am Orte der Börse den Auftrag zu dem Verkauf. Der Mäkler muß am nächsten Börsentage nach Empfang der Papiere solche verfllbern und den erhaltenen Werth unter Beilegung des Kurszettels berechnen. H. 20. Bet den §. 17. gedachten Papieren aber ersucht daS Gericht entweder die Hauptbank oder die Seehandlung, selbige nach dem neuesten Vortheilhaftesten Kurse an der ausländischen Börse auf die daselbst übliche Weise verkaufen zu lassen, und es wird die Berechnung des herausgekommenen Werthes mit dem Kurszettel belegt.

729 Aus gleicher Ursache muß der Verkauf dieser Papiere an der Börse auf demjenigen Wege,

solche von jedem

wie

Besitzer daselbst versilbert zu werden pflegen,

geschehen.

Ein

öffentlicher gerichtlicher Berkaus würde ganz nutz- und zwecklos seyn, indem es einleuchtend ist, daß Niemand so thöricht seyn

wird, Mehr auf diese im Exekutionsverfahren veräußert wer­

denden Papiere jii bieten, als wofür er andere gleicher Art

augenblicklich auf der Börse kaufen kann. einer Versteigerung wären,

Zeit und Kosten

zu gleichem Nachtheile des Gläu­

bigers und Schuldners, indem letzterer die Kosten zu tragen

hätte, vergeblich verwendet. Es könnte aber auch selbst die ungewöhnliche Erscheinung

eines geräuschvollen öffentliche» Feilbietens solcher Papiere nach-

theilig auf dcu Kurs derselben wirken und so dem Schuldner abermals schädlich werden.

Für inländische Staatspapiere sche,

und für ausländi­

welche inländischen Kurs haben, hat man die Berliner

Börse als Normalbörse, dagegen die Provinzialbörsen in Be­ treff des Kurses derProvinzial- und Kommunalpapiere

gewählt. Für die Feststellung des Kurses

und

für den Berkaus

der nur auf ausländischen Börsen Kurs habenden Papiere

sind die Seehandlung oder Hauptbank als die geeigneten Be­ hörden bestimmt, um durch sie den Kurs zu ermitteln, oder

den Verkauf an der ausländischen Börse zU besorgen. Zum Schluffe ist noch zu erwähnen, daß in den Ent­ wurf zu der Verordnung vom 4. Zuli 1822. noch nachste­

hende Bestimmungen ausgenommen waren: „Der Pfandgläubiger einer ausstehenden Privatforderung, welcher die Exekution darin »mchsucht, kann gleichfalls die

730 richterliche Ueberweisung des Aktivums, sey es zum Behuf der Einklagung, oder als Eigenthum, verlangen.

Eine an­

dere Art der Realisirung durch Verkauf ist vor der Berfallzeit zu verabreden nicht erlaubt.

Nach.der Verfall-

zeit aber kann der Gläubiger mit dem Schuldner sich über

den gerichtlichm oder außergerichtlichen Verkauf der verpfän­ deten Fordemng, oder auch über einen Werth, für welchen

dieselbe dem Gläubiger überlassen werden soll, gültig eini­

gen,

ohne daß es zur Förmlichkeit

jmes Verkaufs

einer

Taxe des Aktivums bedarf; Sind Schuldpapiere, welche einen öffentlichen Kurs ha­

ben, Gegenstand der Verpfändung, so ist auch die bei Abschließling des Pfandkontrakts

der

Berfallzeit

getroffene

lind überhaupt vor Eintritt

Abrede,

daß

sie

im

Falle

der

Nichteinlösung, sey es gerichtlich oder außergerichtlich, nach

dem Kurse verkauft, oder dem Gläubiger nach dem Kurse eigenthümlich überlassen werden sollen, zu Recht beständig";

zu deren Rechtfertigung gesagt wurde: „Was von Aktivis gelte, die im Wege der Exekution in Be­

schlag genommen werden, lasse sich Allgemeinen auf solche Aktiva anwenden, welche dem Gläubiger zur Sicherheit sei­ ner Forderung verpfändet worden; denn auf diese habe er

schon durch den Bettrag ein stärkeres Recht, als ihm die vom Richter im Wege der Exekution verfügte Beschlagnahme

gewähren könne.

Es sey daher kein Grund vorhanden, dem

Pfandgläubiger, der in das Pfand die Exekution nachsucht, zu

verweigern,

sich

entweder

dieses

Einklagung vom Richter überweisen,

Aktivum

behufs

der

oder als Eigenthum

übereignen zu lassen. Anders gestalte sich

die Sache aber, wenn bei Gelegen?

731 heit

iner Verpfändung eines solchen Aktivums, Verabre­

dungen zwischen

worden, seyn solle.

wie

dem

Gläubiger und Schuldner

getroffen

der erstere sein Pfand zu versilbern berechtigt

Daß ein Pfandgläubiger die Rechte jedes anderen,

die Exekution nachsuchenden Gläubigers haben müsse, bedürfe keiner weitläufigen Ausführung. Der Pfandglänbiger habe noch ein vorzüglicheres Recht und die gegründetesten Ansprüche, aus dem ihm konstituirtm

Pfande so schleunig als möglich beftiedigt zu werden.

Bedenk­

licher aber sey es: ob sich der Pfandschuldner dem Verkaufe

feines Aktivums unterwerfen könne, oder ob ein solcher Nebenvertmg überhaupt verboten, oder unter Modalitäten nachgege­

ben werden könne. Nach den allgemeinen Grundsätzen vom Pfand­ rechte, Allgemeines Landrecht Th. I. Tit. 20. §.28., sey es Regel: daß der Verkauf des Pfandes gerichtlich an den Meist­

bietenden geschehen müsse, Der

§. 29.

erlaube zwar den Vertrag,

daß

es

dem

Gläubiger freistehen soll, bei ausbleibender Zahlling das Pfand

außergerichtlich zu verkaufen.

Jedoch dürfe nach §. 30.,

wenn dergleichen Verabredung vor der Verfallzeit getrof­ fen sey, der Verkauf nicht unter dem Betrage einer von

Sachverständigen aufgenommenen Taxe erfolgen. Diese Vorschriften wären auf verpfändete Aktiva nicht angewandt worden.

Die Gerichte seyen bei dem, speziell von

Verpfändungen der Aktiva sprechenden §. 289. a. a. O., in Verbindung mit den Vorschriften der Prozeßordnung Tit. 24.

§. 101. und folg., stehen geblieben, und hätten nur die Ein­

ziehung vom Schuldner für gesetzlich zulässig gehalten.*) Dies sey nicht ganz richtig. •) Kgl. Bd. II. 9. 348-350.

Denn jener §>. 289. untersage

732 die Verabredung des Verkaufes

Aktivums

eines

ausdrücklich und unter allen Umständen.

keineswegeS

Es komme nur dar­

auf an, bei dem größtmöglichsten Spielraum, in welchem sich die

Geschäfte dispositionsfähiger Personen bewegen müßten, wenn das Gesetz auf den Kredit und Handel und Wandel nicht stö­ rend einwirken solle, den Gesichtspunkt festzuhalten, auS wel­ 28. und folg. Tit. 20. Th. I.

chem die oben allegirten

des Allgemeinen Landrechts ausgegangen wären.

kein anderer, als

Dieser sey

den verkappten Wucherer zu hindern, zum

Schaden seines Schuldners unter Begünstigung des Gesetzes sein Wesen zu treiben.

Der Schuldner sey bei Nachsuchnng

eineSDarlehns häufig in der größten Verlegenheit, er müsse sich die härtesten Bedingungen gefallen lassen, die der Gläu­

biger aufzustellen, nur immer im Stande wäre.

Daher schütze

ihn das Gesetz möglichst und beschränkt seine DiSpositionsfähigkeit, so lange er das gewünschte Anlehn noch nicht erhal­ ten habe. . Habe er aber das Darlehn schon erhalten und sey

nur von der Rückzahlung desselben die Rede, so gestalte sich die Sache ganz anders.

Er hänge nicht mehr von der

Gunst

Gläubigers ab,

oder

Willkühr

seines

er finde sei­

nen Schutz bei'm Gesetze und bei'm Richter, und könne es auf eine Klage ankommen lassen, wenn er sein Pfand sofort aus-

zrilösen, nicht im Stande sey.

Gesetze

dem

Mit Recht gäben daher unsere

Pfandschuldner nach

dem

Verfalltage

die

Dispositionsfähigkeit wieder, die sie ihm bei der Abschließung

des Darlehnskontraktes verweigetten.

Er könne alsdann un­

bedenklich dem Gläubiger das Recht einräumen, sein Pfand

gerichtlich oder außergerichtlich zu verkallfen, auch sich mit ihm

über den Werth einigen, wofür das Pfand dem Gläubiger zu­ fallen solle.

(§. 34. a. a. O.)

733 Es sey nicht abznschen, warum dies für alle andere Pfand­

stücke nachgelassene Paktuni nicht auch auf Aktiva ausgedehnt Denn ein Wucher sey nicht

und angewandt werden sollte.

zu besorgen, folglich kein Gwnd vorhanden, sonst diSposttions-

fähige Personen

in

ihren freien Handlungen

zu

beschränken

und ohne die dringendste Noth gleichsam unter Kuratel

zu

ES sey indessen bis dahin nach unseren Gesetzen für

stellen.

zweifelhaft gehalten worden, und daher wäre eS nöthig,

den

Willen des Gesetzgebers ausdrücklich aussprechen zu lassen, da­

Daß bei einer Versteige­

mit jedes Bedenken gehoben werde.

rung des Aktivums, wenn sie auf den Grund einer erfolgten Abrede

vor

sich gehen solle,

keine Taxe vorhergehen könne,

folge aus der Natur der Sache.

Dies könne aber die Mög­

lichkeit der Abrede selbst nicht hindern, weil hier Alles in frei­

williger Uebereinkunft beruhe und der Schuldner es in seiner Gewalt habe, auf diesen Verkauf entweder gar nicht einzuge­ hen, oder ein pretium

minimum zu verabreden, unter wel­

chem derselbe nicht erfolgen solle.

Dagegen sey es zu gestatten, daß bei der Verpfändung der,

einen öffentlichen Kurs habenden Schuldpa­

piere auch vor dem Eintritte des Verfalltages die Abrede ge­ troffen werde,

daß sie im Falle der Nichteinlösung nach dem alsdann statt­ findenden Kurse verkauft, oder dem Gläubiger eigenthümlich

überlassen werden sollten. Diese Abweichung Schuldpapiere.

liege

in

der Beschaffenheit

Sie seyen eine Waare,

gedachter

die im bürgerlichen

Leben ihren bestimmten Werth (Kurs) hätte und mit welcher sich ein gesetzlich statthafter

dem,

Verkehr

gebildet habe,

der von

welcher mit Privatdokumenten stattfinde und nur statt-

734 finden könne, völlig verschieden sey. Ein Nachtheil für den Schuldner könne zwar durch ein Sinken des Kurses am Tage des Verfalles eintreten; allein derselbe könne auch seit dem Tage der Verpfändung gestiegen seyn, und in dem erstern Falle sey es immer die Sache des Verpfänders, das Pfand auSzulösen und die Versteigerung zu verhüten. ES komme daher nur darauf an, daß der Wncher ausgeschlossen werde, und dies geschehe durch Bezugnahme auf den Kurs. Sobald der Gläubiger für diesen die Schulddokumente annehmen, oder zum öffentlichen Verkaufe stellen müsse, könne er keinen uner­ laubten Vortheil sich zueignen, und der Schuldner verliere nie Mehr durch den Verkauf an seinem Vermögen, als ihm die­ selben zu dieser Zeit werth seyn könnten. Es sey also blos nöthig, die Art des Verkaufes so zu reguliren, daß den Zntereffenten dabei kein Nachtheil zugeftigt und der Schuldner nicht übereilt, der Gläubiger aber durch nutzlose Formalitäten nicht aufgehalten werde." Man nahm jedoch im Verlaufe der Berathung über die Verordnung vom 4. Zuli 1822. an, daß kein Bedürftitß vor­ liege, für verpfändete Aktivforderungen und öffent­ liche Schnldpapiere besondere gesetzliche Bestimmungen, wie im Entwürfe vorgeschlagen worden war, zu treffen. Denn was von der Ueberei^nnng, Eintreibung und Ver­ äußerung der Aktivforderungen überhaupt gelte, finde selbstre­ dend auch auf verpfändete Aktiva re. Anwendung. Und was die Verabredungen vor und nach der Ver­ fall zeit betreffe, so reichten die darüber vorhandenen Bor­ schristen der Gesetze aus. Namentlich sey eS klar und gewiß, daß der Schuldner nach der Berfallzeit die verpfändete For­ derung dem Gläubiger eben sowohl, als jedem Dritten, unbe-

735 schadet des Verhältnisses des Pfandgläubigers, für einen belie­ bigen Preis cediren,

und im ersten Falle in Zahlung geben

könne; desgleichen, daß der Schuldner, mit Beachtung des ZntereffeS des PfandglänbigerS, die Forderung nach seinem Gut­ finden, sey eS selbst, oder durch den Psandgläubiger, oder tu

nm anderen Bevollmächtigten, nach der Bersallzeit außerge­

richtlich zu verkalisen ermächtigt sey.

Möchte eS daher auch Gerichte geben, welche diese RechtSWahrheiten

verkennen

sollten,

so

müßten diese Verirrungen

von den höheren Instanzen berichtigt werden; aber Stoff zur

Gesetzgebung lieferten sie nicht.

ES würde diese eine gränzen­

lose Ausdehnung erhalten, wenn alle Irrthümer einzelner Ge­ richte durch Gesetze rektifizirt werden sollten.

UeberdieS gehörten die auf den Pfandkontrakt sich bezie­ henden Bestimmungen zum Allgemeinen Landrechte, das vor­

liegende

Gesetz beziehe sich aber auf die Prozeßordnung. —

Aus diesen Gründen hat die Verordnung vom 4. Znli 1822.

für

den Fall der Verpfändung

eine

solche enthält erst die Verordnung

keine Vorschrift

vom

gegeben;

28. Dezember

1840. §. 2. Absatz 2. (Gesetzsammlung für 1841. S. 4.)

XXIV. Ueber die Befreiung der Pfand- und Hy­

potheken-Gläubiger von der Einlassung in

den Konkurs und erbfchaftlichen Liquida­ tions-Prozeß.

in der Verordnung über den Subhastations- und Kauf­ gelder-Liquidations-Prozeß vom 4. März 1834.*) für die Be­

legung und Vertheilung der Kaufgelder vorgeschriebene Verfah­ ren sollte nach Vorschrift derselben keine Anwendling finden bei denjenigen Subhastationen, welche erst während eines über das Vermögen des Schuldners eröffneten Konkurses oder erbschäft-

lichen Liquidations-Prozesses eingelritet werden.

ES war viel­

mehr im §. 21. a. a. O. nur bestimmt, daß, wenn eine Subhastation eingeleitet worden, die später eintretende Eröffnung des Konkurses oder erbschaftlichen LiquidationS -Prozesses über

das Vermögen des Schuldners die Fortsetzung des Slibhasta-

tionSverfahrens lind die Vertheilung der Kaufgeldermaffe nach den Vorschriften dieser Verordnung nicht hindern sollte. Wenn daher der Konkurs schon vor Einleitung der Subhastation eröffnet war, so mußten die Hypothekengläubiger, gleich den persönlichen Gläubigern des Gemeinschuldners, bei Vermeidung

°) Gesetzsammlung für 1834. S. 39. und folg.

737 der Präklusion — die sie nach der Verordnung vom 4. März

1834. niemals zu fürchten haben — ttn Konkurse ic. liquidi-

diren und sich mit ihrer Befriedigung, insoweit dieselbe nicht

aus den Revenuen erfolgte, b»s nach Abfassung des Klassifi­ kations-Erkenntnisses gedulden.

Zwar

ist in

dem

§. 509.

Tit. 50. der Prozeßordnung bestimmt, daß die Substanz der

Zmmobiliarmaffe vertheilt werden soll,

sobald das Adjudika-

tions-Erkenntniß publizirt ist, wenn auch die Kaufgelder noch

nicht eingegangen seyen, und diese Bestimmung war in einem, unter'm 4. Dezember 1809. von dem Großkanzler von Beyme an das Kammergericht erlassenen Reskripte dahin ausgelegt wor­

den, die Hypothekarien hätten nicht nöthig, die Klassifikatoria

abzuwarten,

wenn

nur

sonst

ihre

Forderungen

festständen.

Viele Gerichte nahmen indessen an, daß streng genommen die

Vertheilung der Substanz der Zmmobiliarmaffe vor der Publi­ kation

des Klassifikations-Erkenntnisses nicht

erfolgen könne.

Diese Ansicht ist auch von dem Justiz-Ministerium in einem,

im 37. Bande der Zahrbücher, S. 366. abgedruckten Reskripte vom 27. Mai 1831.

gebilligt

worden.

Die Hypothekarien

mußten hiernach im Falle eines Konkurses it. oft Jahre lang

auf ihre Befriedigung warten, wenn gleich ihre Ansprüche an­ erkannt waren.

Wie sehr aber durch dieses Verfahren die Hypothekengläu-

ger gefährdet wurden, ist schon bei der, im Zähre 1831. statt­

gefundenen Revision der Konkursordnung vielseitig zur Spracht gekommen.

Die damals sehr zahlreich eingegangenen und in

diesem Punkte völlig übereinstimmmendcn Monita der GerichtsBehörden und Anwälte hatten auch den Revisor bewogen, in

dem §. 19. des von ihm vorgelegten EntwurseS einer Kon­ kursordnung die Bestimmung vorzuschlagen:

738 daß Vermögensgegenstände, auf welchen Pfand- oder Hypo­ thekenansprüche haften, zur Konkursmasse nur mit demjeni­ gen Ueberreste eingezogen werden können, welcher nach voll­ ständiger Befriedigung jener Ansprüche wegen Kapitals, Zin­ sen und Kosten verbleibt; daß sich aber die Pfand- und Hypothekengläubiger, wenn die Konkursgläubiger sich nicht anderweitig mit ihnen eini­ gen, den öffentlichen Verkauf ihres Unterpfandes gefallen lassen müssen. Zn neuerer Zeit war nun besonders durch die überaus guten Erfolge der Eingangs gedachten Verordnung vom 4. März 1834. der schon früher allseitig ausgesprochene Wunsch einer gänzlichen Trennung der Zmmobiliar- von der KommunMasse auch im Konkurse und erbschaftlichen Liquidations-Pro­ zesse, wieder mehrfach hervorgerufen worden. Zur baldigen Erreichling dieses Ziels wurde vorgeschlagen, eine Verordnung zu erlassen, durch welche die Realgläubiger, insoweit sie nur aus dem Immobile Befriedigung verlangen, von der Einlassung in den Konkurs befreit und das in der Verordnting vom 4. März 1834. hinsichtlich der Belegung und Bertheilung der Kaufgelder vorgeschriebene Verfahren auch auf die während eines Konkurses eingeleiteten Subhastationen für anwendbar erklärt würde. Auf diese Weise würden die aus der Gesetzgebung für den Realkredit hervorgehendrn Nachtheile leicht beseitigt und daS Interesse der hypothekarischen Gläubiger eines Gemeinschuldners wiirde, unbeschadet der Rechte der persönlichen Gläubiger des­ selben, wesentlich gefördert werden.") *) Zn den Motiven zur Gesetzrevision, Pensum V. S. 128. und folg., sagt der Revisor darüber Folgendes:

739 Es war überdies kein Grund vorhanden, weshalb die vor Eröffnung eines Konkurses rc. erngeleiteten Subhastationen, „Ich halte dies Monitum (gegen die Verpflichtung der Hypothekarien, im Konkurse zu liquidiren und gegen die Abhängigkeit der Zmmobtliarvon der Gemeinmaffe) für begründet und bin des Dafürhaltens, daß das bis jetzt im §. 287. Tit. 50. der Prozeßordnung nur den Kreditsystemen zugestandene Separationsrecht auf alle Hypothekengläubiger auszudehnen und ihnen dadurch die Befugniß zu geben sey, wenn über das Vermögen ihres Schuldners Konkurs eröffnet wird, sich, so weit ste nur aus ihrer Hypothek Bezahlung verlangen, darin gar nicht einzulaffen, sondern nur den nach ihrer Befriedigung verbletvenden Ueberrest zur Kommunmaffe abzultefern. Das Verfahren darüber würde ich nach Art des Verfahrens über Bergwerkseigenthum einrichten und gleich mit dem Subhastationsverfahren verbinden. Die Erfahrung hat, wie die elngegangenen Erinnerungen es zur voll­ kommensten Genüge ausweisen, gelehrt, daß die Ausschüttung der Kaufgeldermaffen von Immobilien häufig blos deshalb Jahre lang verzögert worden ist, weil es noch an dem Klassifikations-Erkenntnisse über die gesammte Passivmaffe mangelte und daß hierdurch den hypothekarischen Gläu­ bigern, deren Forderungen, da sie in der Regel auf klaren Urkunden be­ ruhen, längstens schon feststanden, bedeutende Verluste an Zinsen re., ja selbst den später stehenden an Kapital erwachsen sind. Andererseits hat zuweilen auch die Unverkäuflichkeit eines Grundstücks, oder weitläufige dar­ über entstandene Prozesse die Ausschüttung der sonst liquiden Kommun­ masse verhindert. Diese Abhängigkeit beider Massen von einander ist aber wesentlich gar nicht nöthig, vielmehr können die Hypothekengläubiger be­ friedigt werden, sobald ihre Forderungen feftstehen und ihr Pfandstück fn’6 Geld gesetzt ist. Sie halten sich principaliter an ein bestimmtes Objekt und nicht an die gesammie Vermögensmaffe. Die Zmmobiltarmaffe ist ihnen der vorzüglichste Gegenstand ihrer Befriedigung und die Kommun­ maffe ist ihnen nur Deckung für den dort zu befürchtenden Ausfall. Wird ihr Vorrecht auf vorzugsweise Befriedigung aus hem Werthe ihres Unter­ pfandes aufrecht erhalten und darf dieses nicht eher, als nach ihrer daraus erfolgten Befriedigung, für andere Gläubiger verwendet werden, so ist eS ihnen auch ganz gleich, an welchen Ort man ste mit diesem Objekt ihrer Befriedigung hinstellt. Dadurch aber, daß sie jetzt mit in den allgemeinen Konkurs gezogen werden, leidet ihr Interesse und damit der Kredit der Grundbesitzer. Die übrigen Konkursgläubiger sind nur dabei betheiligt, daß daS zur Masse ihres Gemeinschuldners gehörige, mit Hypotheken be-

740 auf welche die Verordnung vom 4. März 1834. nach §>. 21 schon vollständig Anwendung fand, anders behandelt werden lastete Grundstück in den gehörigen Formen und zum möglichst besten Preise verkauft, und daß der Rest der Kaufgelder, welcher nach Befrie­ digung der besonders darauf angewiesenen Gläubiger verbleibt, ihnen nicht entzogen, sondern zur Konkursmasse eingeliefert werde, so wie, daß die Prüfung der Nichtigkeit der Hypothekenforderungen durch ste erfolge. Ob aber das Liquidationsverfahren bei dem Konkursrichter oder bei dem forum rei sitae erfolge, kann ihnen ganz gleich gelten. Die Administration deS Grundstücks muß bei diesem Forum erfolgen, die Subhaftation desgleichen; die Sequeftrations - nnd SubhastationS-Akten find mithin dort und die Grund-Akten und Hppothekenbücher gleichfalls. Maaßregeln, welche zum Besten des Grundstücks schleunig genommen werden müssen, werden am Orte desselben am besten und schleunigsten er­ kannt und zur Ausführung gebracht. Die Hypothekengläubiger sind mei­ stens an diesem Orte ausäßig; die nicht eingetragenen Gläubiger, welche das Gesetz als Realgläubiger bezeichnet und den Hypothekengläubigern vor­ stellt, sind stets daselbst befindlich, und die Prüfung ihrer Ansprüche und der Forderungen der Hypothekengläubiger kann durch die Kuratoren der Masse dort eben so gut, als am Orte des Konkursgerichts erfolgen. Zur Subhastation müssen aber die Hypothekengläubiger ohnedies zugezogen wer­ den; warum will man nun nicht auch den Schritt weiter thun und das Liquidationsverfahren über die Subhastationsmaffe und die Vertheilung der letzteren unter ihnen reguliren? Der Käufer wird flch hier mit ihnen über das Stehenlassen einer oder der andern Post am leichtesten einigen, oder ihnen Zahlung leisten, und die Gläubiger werden hier vor der Hy­ potheken-Behörde die nöthigen Erklärungen abgeben können, ohne viele Weitläufigkeiten und Akten- und Geldversendungen nöthig zu haben. Ueberhaupt, wenn beim Bergwerks-Eigenthum es bereits für Vortheilhaft erkannt ist, durch den Richter der Sache dasselbe in Verwaltung nehmen und zum Verkauf bringen zu lassen, die Auseinandersetzung der darauf speziell angewiesenen Gläubiger zu leiten, ihre Ansprüche und ihre Reihe­ folge festzustellen, die Masse unter ste zu vertheilen und nur erst, wenn ste befriedigt find, den verbleibenden Rest der Masse zur Kommunmaffe zu übersenden, so sehe ich nicht ein, warum man einen gleichen Vortheil nicht auch den Hypothekengläubigern eines andern Immobile zu gute kom­ men lassen sollte. Sie gewinnen durch diese Trennung von der Kommunmasse bedeutend und die Gläubiger der letzteren verlieren dadurch nichts; ja diese haben sogar selbst Vortheil da-

741

sollten, als dlejemgen, welche erst nach Eröffnung des Kon­ kurses re. eingeleitet werden. von, wenn die gegenseitige Abhängigkeit beider Massen von einander auf­ gehoben, und dadurch unter Verminderung der Kosten eine schleunigere Bertheilung beider möglich gemacht wird. Wenn aber eine Maaßregel dem einen Gläubiger nützt, und dem andern nicht schadet, so kann deren An­ ordnung keinem Bedenken unterliegen. Sie wird vielmehr für den Gesetz­ geber eine Pflicht, und dies muß sie hier um so mehr seyn, als die betreffende Maaßregel beiden Gläubigern Vortheil bringt. Ich würde sonach die Zmmobiliarmaffe noch mehr, äls es schon jetzt hinsichtlich der Nevenüen- Verlheilung geschehen ist, von der Kommunmasse trennen, und demgemäß die Nealgläubiger, die sich blos an das ihnen ver­ pfändete Grundstück Hallen wollen, gänzlich von der Einlassung in den Konkurs über das übrige Vermögen befreien. Hierauf gründen sich meine Vorschläge im §. 19. des Entwurfs, mit denen fast alle Monenlen ein­ verstanden sind. Es steht danach in dem freien Willen der Hypothekengläubiger, ihren Anspruch auf Befriedigung aus der Hypothek im gewöhn­ lichen Wege zu verfolgen, oder abzuwarten, bis die Kuratoren der Komwunmaffe den Gegenstand ihrer Hypothek zur Sequestration und zum Ver­ kauf bringen, und sie hierbei zur Wahrnehmung ihrer Gerechtsame und zur Liquidation aufgefordert werden, während es auf der andern Seite lediglich Sache der Kuratoren bleibt, zur Sicherung der Kommunmasse die Be­ schlagnahme der Grundstücke zu veranlassen, und sofern dies noch nicht auf den Antrag der Hypoihekengläubtger geschehen seyn sollte, die Seque­ stration und respektive die Subhastation bet dem Richter der Sache zu extrahiren. Bei solchem Anträge würde alsdann dieser bei Verfügung der Subhastaton zugleich die Realgläubiger zur Angabe ihrer Ansprüche an das zum Verkauf gestellte Grundstück vorzuladen, unter Zuziehung der Kura­ toren der Kommunmaffe oder des von ihnen bestellten Mandatars die Fest­ stellung der Ansprüche, die Anlegung eines Tbeilungsplans, und so weit die dagegen vorkommenden Erinnerungen es nicht hindern, oder diese Er­ innerungen erledigt worden, die Austheilung der Kaufgeldermasse zu ver­ anlassen und sodann nur den verbleibenden Ueberrest zur Kommunmaffe abzuliefern haben. Bet diesem Verfahren haben die Gläubiger der Kommunmaffe hin­ reichende Gelegenheit, ihre Gerechtsame wahrzunehmen; ihr Jnrereffe wird auf keine Weise dabei verletzt, und während jetzt nach allgemeiner Klage die Austhe.lung der Jmmobtltarmassen zum größesten Nachtheil der Gläu­ biger sich oft Jahre lang hinzieht, wird sie dann meistens in wenigen Mo­ naten bewirkt seyn,"

742 Das dringende Bedürfniß, diese Ungleichheit in der Be­

handlung der Subhastatwuen aufzuheben, der Verordnung vom

4. Mrz 1834. allgemeine Geltung zu verschaffen und die RealGläubiger von der Einlassung in den Konkurs und erbschaftlichen Liquidationsprozcß zu befreien,

bürste im Interesse al­

ler Betheiligten nicht länger unbeachtet bleiben.

Zn Erwägung dessen und da die Wohlthat der Befreiung von der Einlassung in den Konkurs oder erbschaftlichen Liqui­ dationsprozeß, welche den Hypothekengläubigern gewährt wer­

den sollte, den übrigen Pfandgläubigern ohne Herbeiführung einer wesentlichen Rechtsungleichheit nicht versagt werden konnte, ist durch die Verordnung vom 28.Dezember 1840.") die

Befreiung allerPfand- und Hypotheken-Gläubiger von der Einlassung

tronsprozeß

in den Konkurs und erbschaftlichen Liquida-

ausgesprochen

worden.

Diese

Erweiterung

war

um so unbedenklicher, als in Konkurse» und in solchen erb­

schaftlichen Liquidationsprozeffen, in denen der Erbe den Nach­ laß an die Gläubiger zur gerichtlichen Verwaltung und Ber­ theilung überlassen hat, bereits nach den Vorschriften der Pro­ zeßordnung Tit. 50.

527. 528. und 672—689. eine ab­

gesonderte Befriedigung derjenigen Pfandgläribiger, deren Pfand­

recht nicht in einer Hypothek auf einem Grundstücke besteht,

stattfand, und es daher im Wesentlichen nur darauf ankam, jene Vorschriften auf den Fall anszudehnen, wenn der Erbe

während

des

erbschaftlichen

Liqllidationsprozesses

im

Besitze

des Nachlasses verblieben ist.

Das in dem H. 1. der Verordnung"") ausgesprochene Se-

°) Gesetzsammlung für 1841. S. 4. bis 8. *’) §. 1. Alle Pfand - und Hypotheken-Gläubiger sollen fortan, so weit sie aus de» verpfändeten Gegenständen befriedigt werden können, von

743

parationsrecht der Pfand- und Hypothekengläubiger bildet das Hauptprincip

des

Gesetzes, dessen Zweck und Bedeutung

dadurch klar hervortritt, daß jenes Recht gleich in dem ersten

Paragraphen ausgesprochen ist, und hierauf die übrigen Bestim­

mungen folgen, welche nur die nähere Entwickelung desselben

darsttllen. Zugleich giebt der §. 1. zu erkennen, daß der Kurator

der Konkurs- oder erbfchaftlichen Liquidations-Masse die Stelle des GemeinfchuldnerS vertritt.

Zn Betreff der

2bis 4.**) ist Folgendes hervorzuheben:

Die Verordnung über den SubhastationS- und Kaufgelder-Liquidations-Prozeß vom 4. März 1834.

umfaßt auch

diejenigen Schiffe, welche ohne Natural-Uebergabe an den Gläubiger

verpfändet

werden

können (§. 1. Nr. 3.

jener

der Einlassung in den Konkurs - und erbschastlichen Liquidations-Prozeß befreit seyn. Sie sind demnach, ohne Rücksicht auf die bereits erfolgte Eröffnung des Konkurses oder erbschastlichen Liquidations-Prozesses, ihre Forderungen gegen den Kurator der Konkurs- oder Nachlaß-Masse, so wie gegen den Benefizial-Erben besonders etnzuklagen und ihre Befriedigung aus den verpfändeten Gegenständen unter folgenden nähern Bestimmungen (§§. 2 — 14.) nachzusuchen befugt. *) §• 2. Zn Konkursen und in solchen erbschastlichen LiquidationsProzessen, in welchen der Erbe den Nachlaß an die Gläubiger zur gericht­ lichen Verwaltung und Dertheilung überlassen hat, müssen die Gläubiger die in ihrem Besitze befindlichen Pfänder an das den Konkurs- oder Liqui­ dations-Prozeß leitende Gericht abliefern, welches, unter Zuziehung des Kurators, die Veräußerung der Pfänder und daraus die Befriedigung der Pfandgläubtger, nach Vorschrift der Prozeß-Ordnung Tit. 50. §§. 381. 527. und 528. zu bewirken hat. Besteht das Pfand in einer Aktiv-Forderung oder in einem Schuld­ papiere, welches auf Börsen einen marktgängigen Kurs hat, so kann der Pfandgläubiger verlangen, daß ihm nach den Vorschriften des Ge­ setzes vom 4. Juli 1822. (Gesetzsammlung S. 178.) von dem Gerichte pie Ermächtigung zur Einklagung und Einziehutig der Forderung er-

744 Verordnung*)

Auf diese Schiffe ist aber das Kaufgelder-Be­

legungs-Verfahren, welches einen durch das Hypochekenbuch fest­ stehenden Schuldenzustand voraussetzt, nicht füglich anzuwenden.

Bei denselben paßt, wegen der Illiquidität vieler Schiffsschul-

den und des komplizirten Rangverhältnisses unter den SchiffsGläubigern, nur das in der Konkursordnung

folg, vorgeschriebene Verfahren.

Durch

681. und

dieses Verfahren

ist

dafür gesorgt, daß in dem Falle eines Konkurses und eines sol­ chen erbschaftltchen LiquidattonSprozeffes, in welchem der Nachlaß dem Gerichte zur Verwaltung und Vertheilung übergeben wor­

den ist,

die SchiffSgläubiger,

abgesondert

Gläubigern, möglichst schleunig befriedigt

von den

werden.

übrigen

Dagegen

mußten sie, wenn der Erbe während des erbschafilichen Liqui­ dations-Prozesses im Besitze des Nachlasses verblieb, bis zum

Ausgange dieses Prozesses sich gedulden**) und konnten eine frü-

theilt, oder die Forderung oder daS Schuldpapier in Zahlungsstatt über­ eignet werde. 3. Ist der Benefiztal-Erbe während des Liquidations-Prozesses im Besitze des Nachlasses verblieben, so findet zur Befriedigung des Pfandgläubigers die Exekution in daS Pfand nach den allgemeinen Vorschriften über die Exekution statt. h. 4. Besteht der Gegenstand deS Pfandrechts in einem Berg­ werks-Eigenthum, oder in einem Schisse, zu dessen Verpfändung die Natural-Uebergabe an den Gläubiger gesetzlich nicht erforderlich ist (All­ gemeines Landrecht Th I. Tit 20. §. ZOO.), so findet daS in der Pro­ zeß-Ordnung Tit. 50 §§. 672 — 689 für den Spezial-Konkurs über Bergwerks- und Schiffs -Eigenthum vorgeschriebene Verfahren Anwendung; dasselbe soll auch dann eintreten, wenn der Benefizial-Erbe während des erbschaftlichen Liquidations-Prozesses im Besitze des Nachlasses verblie­ ben ist. Der Antrag auf Eröffnung des gedachten Verfahrens kann in diesem Falle zugleich mit dem Anträge auf Einleitung der Subhastatton des Bergwerks-Eigenthums oder Schiffes verbunden werden. •) Vgl. die Jahrbücher, Bd. 50. S. 522 — 538. ** ) Prozeßordnung Tit. 51. §. 61.

745

Here Befriedigung als die übrigen Gläubiger nicht verlangen. Ein ähnliches Verhältniß trat bet den Berg-Gläubigern

zufolge Tit. 50.

672. und folg., so wie bei den Faust-

welche in dem zuletzt erwähnten

Pfand-Gläubigern ein,

Falle

das

Ende

des

erbschaftlichen LiquibationSprozeffes ab­

warten mußten, in dem zuerst erwähnten Falle aber unver­ züglich und vor den übrigen Gläubigern, so weit das Pfand

reichte, zur Befriedigung gelangten.^) Zn Bezug auf die vorstehenden Verhältnisse lag eine auf­ fallende Ungleichheit und eine nicht geringe Härte darin, wenn

die Faustpfand-, Berg- und Sckiffsgläubiger, welche in Kon­

kursen und in solchen erbschaftlichen Liquidationsyrozeffen, in wel­ chen der Nachlaß dem Gerichte zur Verwaltung und Vertheiliing

übergeben worden, aus dem Unterpfande alsbald in separate be­ friedigt wurden, in dem Falle, wenn der Erbe den Besitz des Nach­

lasses behalten hatte, bis zum Ausgange des weitläufigen erb­ schaftlichen Liquidationsprozesses auf ihre Befriedigung warten

mußten.

Diese Ungleichheit und Härte hat das Gesetz vom

28. Dezember 1840. beseitigt, indem cs allen'jenen Gläubigern

das Separationsrecht beilegt. —

Ist der Gegenstand des Pfan­

des ein Schiff, zu dessen Verpfändung die Natural - Uebergabe an den Gläubiger gesetzlich nicht erforderlich ist, oder ein

Bergwerks-Eigenthum, so kommen die Vorschriften zeßordnung Tit. 50 wenn

der Pro­

§§>. 672. bis 689. auch in dem Falle,

der Erbe während des

erbschaftlichen Liquidationspro-

zeffes im Besitze des Nachlasses geblieben ist, zur Anwendung.

(§>. 4.)

Bei Faustpfändern findet in diesem Falle die

Exekution m

das

Pfand

nach den allgemeinen Vorschriften

*) Tit. 50. H. 527. a. a. £>.

746 über die Exekution statt (§>. 3.)*)**) — ***) Zm Konkurse und in solchen erbschastlichen Liquidationsprozeffen, in welchen der Nachlaß dem Gerichte zur Verwaltung und Vertheilung übergeben wor­ den, konnte es im Wesentlichen bei den Vorschriften der Pro­ zeßordnung Tit. 50. 381., 527. und 528. verbleiben und eS war nur eine Bestimmung dahin nothwendig, daß der Gläubiger befugt sey, wenn das Pfand in einer Aktivforde­ rung oder in einem Schuldpapiere besteht, welches auf Bör­ sen einen marktgängigen Kurs hat, nach den Vorschriften des Gesetzes vom 4. Zuli 1822. die Ermächtigung, die Forderung selbst einzuklagen und einzuziehen, so wie die Uebereignung der Forderung oder des Schuldpapiers zu verlangen. (§>. 2.) *•) Der H. 5.*") spricht das Prinzip aus, daß die Subha­ st« tions -Verordnung vom 4. März 1834. mit ihren späteren Ergänzungen Anwendung findet, und dehnt die im §. 25. der Exekutions - Verordnung vom 4. März 1834. vorgeschriebene Bertheilung der Revenuen eines sequestrirten Grundstücks auch *) Bgl. den 2. der Exekutions - Verordnung vom 4. Märj 1834. (Gesetzsammlung für 1834. S. 31.), die Ergänzungen und Erläute­ rungen zur Allgemeinen Gerichtsordnung, Abth. 1. S. 423 — 426., Suppl. Bd., S. 158—160., und die Juristische Wochenschrift, Jahrgang 8. S. 873. **) s. oben S. 735. ***) §. 5. Die Befriedigung der Hypotheken - Gläubiger aus den ver­ pfändeten Immobilien (Allgemeines Landrecht Th I. Tit. 20. §. 390.) ist in einem besonderen Verfahren, nach den Vorschriften der Verordnung über die Exekution in Civtlsachen vom 4. März 1834. §. 25. (Gesetz­ sammlung S. 31.), imgletchen der Verordnung über den Subhastationsund Kaufgelder-Liquidations-Prozeß vom nämlichen Tage (Gesetzsammlung S. 39.) und der dieselbe ergänzenden Verordnungen über die Subhastation der Grundstücke von geringerem Werthe, vom 2. Dezember 1837. (Gesetz­ sammlung S. 219.) und über das Aufgebot von Spezial-Massen nach erfolgter Subhastation, vom 21. Oktober 1838. (Gesetzsammlung S. 498.) zu bewirken.

auf die im Konkurse



747

und

erbschaftltchen Liquidationsprozeffe



stattfindenden Srquestwtionen aus, was bei der allgemein an­

erkannten

Mangelhaftigkeit der diesfälligen

Vorschriften

der

Konkursordnung nothwendig war.

Was die §§. 6. und 7. *) **) anlangt, so müssen in Kon­ kursen und in solchen erbschaftlichen LiquidationSprozeffen, in

welchen der Erbe den Nachlaß an die Gläubiger zur gericht­ lichen Berwaltling und Vertheilung überlassen hat, die Grund­ stücke des Gemeinschuldners sogleich nach Eröffnung des Ver­

fahrens in Sequestration genommen und auf den Betrieb des

Kurators zur Subhastation gestellt werden. **)

ES fehlt daher

in diesen Fällen an einer Veranlassung, den Hypothekengläu­ bigern noch besonders die Befugniß zu dem Anträge auf Subhastation und auf Vertheilung der Revenüen und Kaufgelder beizulegen, da der Kurator für alles dieses ex officio sorgen muß.

Durch dergleichen besondere Anträge

der Hypotheken-

Gläubtger würde in den vollkommen geregelten und dem Zn-

*) §• 6. Zn Konkursen und in solchen erbschaftltchen Ltquidattons Prozessen, in welchen der Erbe den Nachlaß an die Gläubiger zur gericht­ lichen Verwaltung und Bertheilung überlassen hat, kann der Antrag auf Einleitung der Subhastation nnd Vertheilung der Kaufgelder, so wie auf Vertheilung der während der Sequestration eingehenden Revenüen nur von dem Kurator ausgehen, dieser ist aber, hierauf unverzüglich anzutragen, von Amts wegen verpflichtet. Derselbe vertritt bet diesem Verfahren zugleich die Stelle des Gemeinschuldners. §. 7. Zst der Benefiztal-Erbe während des erbschaftlichen Ltqutdations-Prozesses im Besttze des Nachlasses verblieben, so kann die Subha­ station der verpfändeten Immobilien nicht nur von dem Erben selbst, son­ dern auch von einem jeden Hypotheken-Gläubiger, auf den Grund eines die Exekution an sich zulaffenden Erkenntnisses, Zahlungs-Mandats oder Vergleiches in Antrag gebracht werden. **) Vgl. den §. 241. und folg. Tit. 60., §. 74. Tit. 51. der ProzeßOrdnung.

748 «reffe dieser Gläubiger ganz entsprechenden Gang des Verfah­

rens störend eingegriffen und Verwirrung

verursacht werden.

Für die gedachten Fälle ist deshalb von der fraglichen Befug-

mß abgesehen

und dagegen bestimmt worden, daß der Kura­

tor die Subhastation, so wie die Vertheilung der Revenüen

und Kaufgelder, gen habe.

unverzüglich von

Amts wegen

zu beantra­

Der Hypothekengläubiger kann, wenn der Kurator

hierbei irgend säumig ist, durch eine einfache Beschwerde bei

dem Konkursgerichte oder dessen

vorgesetzter Behörde, mithin

auf dem kürzesten und wohlfeilsten Wege, zu dem beabsichtig­ ten Ziele gelangen.

Zn

solchen

erbschaftlichen LiquidationSprozeffen

dagegen,

in welchen der Benefizial - Erbe den Nachlaß an die Gläubi­ ger

zur

gerichtlichen

Verwaltung

und

Bertheilung

nicht

überlassen hat, kann die Subhastation der verpfändeten Grund­

stücke

auch **) auf den Antrag der einzelnen Hypothekmgläu-

biger von dem Richter der Sache eingeleitet werden. Zn dem §. 8. *°) ist nicht nur die Zuziehung der be-

*) Vgl. den 2. Nr. 2. der Subhastations-Berordnung vom 4. März 1834. iGesetzsammlung für 1834. S. 39.), §. 4. der Verordnung vom 28. Mürz 1840. (Gesetzsammlung für 1840. S. 104.) und oben S. 66. nnb folg Anmerkung •*. •’) §. 8. Zu den Verhandlungen wegen Beribclluiig der Revenüen und Kaufgelder sind auch diejenigen GlAeblger, welche auf Befrledigung aus der Immobilien-Masse vor den im Hypolhekenbuche eingetragenen Gläubigern Anspruch haben, sofern sie bei den Subhastations - Akten be­ kannt sind, zuzuziehen, und unter der Verwarnung vorzuiaden, daß die Ausbleibenden ihrer Ansprüche an den Revenüen und Kaufgeldern verlustig werden. Von dem Verfahren ist den Kassen und Anstalten, welchen das Grundstück zu den in der Prozeß-Ordnung Tit. 50. 356. bis 359. bezeichneten Abgaben und Leistungen verpflichtet ist, jederzeit Nachricht zu geben. Bei Landgütern darf der Termin zur Belegung und Vertheilung der

749

kannten Rcalgläubiger der ersten und zweiten Klaffe vor­ geschrieben,") sondern zugleich dafür gesorgt worden, daß jene Gläubiger bei den Subhastationsakten bekannt werden

Letz­

teres ist dadurch bewerkstelligt, daß die betreffenden Kassen und

Anstalten von dem Verfahren benachrichtigt werden, und bei Landgütern der Kaufgelder-Belegungs-Termin erst dann an­ beraumt werden darf, wenn in dem Konkurse oder erbschaft-

Liquidationsprozesse der Liquidationstermin

lichen und

Subhastationsrichter

der

davon

abgehalten

benachrichtigt

worden

ist, ob sich Gläubiger der in Rede stehenden Art gemeldet ha­

ben.

Ein Aufenthalt kann hieraris nicht entstehen,

da

der

Liquidationstermin längstens auf drei Monateder Subhastationstermin aber mindestens auf drei Monate"") hinaus­ zurücken ist.

Die Aussetzuug des Kaufgelder-Belegungs-Termins bis zur Abhaltung des Liquidationstermins im Konkurse re. konnte

indessen auf Landgüter beschränkt werde», weil nur bei diesen die in der Prozeßordnung Tit. 50. §. 345. und §. 393. Nr. 5. und 6. bezeichneten Forderungen vorkommen, wegen der in dem §. 393. Nr. 1. 2. und 3. bezeichneten Forderungen aber je­

derzeit eine Benachrichtigung an die betreffende Kasse it. t) erfolgt.

Kaufgelder

erst

erbschaftlichen

daun

anberaumt werden,

Liqutdallon« - Prozesse

wenn

in

dem

Konkurse

der Liquidation« - Termin

und der Subhastationsrichter davon benachrichtigt worden ist,

diesem Termine Gläubiger

gemeldet

haben,

welche 'zu

den

oder

abgehalten ob sich tu

vorerwähnten

gehören. ') Bgl. die Jahrbücher, Bd. 43. S. 494., da« Zusttz-Minlste-

rial-Blatt, Jahrgang III. S. 177. §. 26. und die Juristische Wo­

chenschrift, Jahrgang 7. S. 240. “) Prozeßordnung Tit. 50. §. 107. und folg., §. 85. Tit. 51.

•’“) Verordnung vom 4. März 1834. §. 8. (Gesetzsamml. für 1834. S. 9.) t) Die nach

345. Tit. 50. der Prozeßordnung in der ersten Klaffe

750

Nach der Verordnung vom 4. März 1834. 16. wer­ den die Hypothekengläubiger zu dem Kaufgelder-BelegungsTermine nicht unter dem Präjudize des Verlustes ihrer An­ sprüche an den Kaufgeldern, sondern unter der Verwarnung vorgeladen, daß der auf den Ausbleibenden fallende Theil der Kauf­ gelder auf dessen Gefahr imb Kosten zum Depositum werde genommen werden. Diese Verwarnung paßt auf die im §. 8. er­ wähnten Realgläubiger nicht, da deren Forderungen ohne spe­ zielle Liquidation nicht feststehen; es muß daher die Vorla­ dung dieser Gläubiger unter dem Präjudize des Verlustes ih­ rer Ansprüche ic. erfolgen. Zm §. 9. *) ist des Falles gedacht, wenn ein Gemeinaujusetzenden Forderungen bestehen in den Vorschüssen an Saat-, Brodund Futtergetreide, welche von den Gutsherrschaften vermöge ihrer ge­ setzlichen Verbindlichkeit (§. 362. a. a. O.) den zuruckgrkommenen Gutsunterthanen geleistet werden. Diese gesetzliche Verbindlichkeit der Gutsherrschasten zur Unterstützung zurückgekommener Unterthanen dürfte durch die Aufhebung der Erbunterthänigkeit nicht für aufgehoben zu erachten seyn, weil sie nach dem Edikte vom 14. September 1811. §. 4. (Gesetzsammlung für 1811 S. 282.) erst in Folge der Auseinandersetzung der Gutsherrschaften mit ihren Bauern aufhören soll. Jene Verbindlichkeit möchte mithin noch fort­ bestehen in Ansehung derjenigen Bauergüter, welche nach den Vorschriften des angeführten Ediktes noch nicht regulirt worden, oder überhaupt nicht regultrungsfähig sind. — Die Zahl der ersteren ist nur gering und wird bald ganz verschwinden; die Zahl der letzteren ist aber nach der Deklaration vom 29. Mat 1816. Art. 5. (Gesetzsammlung für 1816. S. 155.) nicht unbedeutend und fortdauernd. Der Ausdruck „Landgüter" wird übrigens in der Prozeßordnung Tit. 24. §§. 127. und folg., Tit. 50. §§. 244. und folg, zur Bezeichnung sowohl adlicher, als nicht adlicher Güter gebraucht, und ist dem Ausdrucke „ländliche Grundstücke" vorzuziehen, indem unter letzteren auch bloße Parzellar-Grundstücke begriffen sind, auf welche der zweite Satz im §. 8. der vorliegenden Verordnung nicht paßt. #) §. 9. Besitzt ein Gemeinschuldner mehrere mit denselben Hypo­ theken belastete Immobilien, so sind bei der Bertheilung der Revenüen und

751

schuldner mehrere mit denselben Hppotheken belastete Immobilien besitzt.

Die Verordnungen vom 4. März 1834.

enthalten hierüber keine Vorschriften.

Die Gerichte hatten des­

halb in einem solchen Falle bei der Vertheilung der Kausgelder und Revenüen, wenn auch ein Konkurs nicht eröffnet war, die

Bestimmungen der Konkursordnung

gisch zur Anwendung gebracht.

520. bis 523. analo­

Dies war zulässig, da auch bei

den außerhalb eines Konkurses vorkommenden PrioritätSstreitigkeiten die Vorschriften der Konkursordnung zur Anwendung kommen sollen. *)

Es würde daher hierüber eine ausdrückliche

Bestimmung wohl haben entbehrt werden können. sen allen etwanigen Zweifeln vorzubeugen,

auf jene

Um indes­

war eS rathsam,

ganz zweckmäßigen Vorschriften der Prozeßordnung

zu verweisen. Der §. 10.*’) ist aus dem

21. der SubhastationS-

Verordnung vom 4. März 1834. übernommen.

Im §. 11.'°*) ist für den Fall vorgesehen, wenn die der Kaufgelder die Vorschriften der Prozeß-Ordnung TIt. 50. §§. 520— 523. zu befolgen. ’) Vgl. die §§. 51. und 52. Tit 51. der Prozeßordnung und den §. 508. Tit. 20. Th. I. des Allgemeinen Landrechts. “) § 10. Die Hypotheken - Gläubiger können bei Bertheilung der Kaufgelder, selbst wenn dieselben zureichen sollten, am Orte ihres Kapitals nur diejenigen Zinsen fordern, zu denen sie nach $. 18. der Verord­ nung über den Subhastation« - und Kaufgelder-Liquidations-Prozeß, vom 4. März 1834. für den Fall befugt sind, wenn die Kaufgelder nicht zureichen. '") § 11. Sind die Hypotheken-Gläubiger Ihre Befriedigung nicht aus der Substanz der verpfändeten Immobilien, sondern nur aus deren Einkünften zu verlangen berechtigt, so ist die Vertheilung der letzten, nach Vorschrift der Verordnung über die Exekution In Civilsachen vom 4. Marz 1834. §. 25. zu bewirken, und, insofern dabei Streitigkeiten unter den Zntereffenten entstehen, nach Vorschrift des zweiten Absatzes im §. 17. der Verordnung über den Subhastations- und Kaufgelder-Liquidations-Prozeß, vom nämlichen Tage, zu verfahren.

752



Lehnen

und



Realgläubiger,

vorkommt,

wir

bet

Kideikommtffen

häufig

Ihre Befriedigung nicht aus der Substanz,

son­

dern nur aus den Revenuen der verpfändeten Grundstücke

zu verlangen befugt sind. Verfahren zur Anwendung, ordnung

Zn diesem Falle kommt dasjenige welches in der ExekutionS-Ver­

vom 4. März 1834.

stationS - Verordnung

vom

§. 25.

nämlichen

und

Tage

in

der

§.

17.

Subhavorge-

fchrieben ist. Der §. 12.*) ergiebt sich aus der Natur der Sache.

Dem KvnkurSrichter wird bei Ueberfendung des Ueberschusses eine

Abschrift

Zuschlags-Erkenntnisses,

des

Kaufgelder-Be-

legungs-Protokolles und des Revenuen-Bertheilungs-Planes x. mitzutheilen seyn. WaS die Frage anlangt: ob ein Gläubiger der Kommunmaffe, welcher nach den Vor­

schriften der Prozeßordnung Tit. 50. im Konkurse befugt ist,

die Forderung

127. und 128.

eines

hypotheka­

rischen Gläubigers zu bestreiten, diese Befugniß auch nach völ­

liger Absonderung der Zmmobiliarmasse vom Konkurse behält; so ist dieselbe bejahend zu entscheiden, weil den Gläubigern der Kommzinmaffe der Anspruch auf den Ueberschuß der Zmmo­ biliarmasse verbleibt, dieselben mithin wesentlich dabei betheiligt

sind,

daß aus dieser Masse Niemand bezahlt werde, welcher

nicht ein Recht darauf hat.

Da sich dieses aus den allgemeinen RechtSgrundsäßen von selbst

ergiebt,

so

war

eine

besondere Bestimmung

hierüber

nicht erforderlich. °) §. 12. Der nach Abzug der Sequestration«- und SubhastatlonSkosten und nach Befriedigung der Realgläubiger etwa verbleibende Ueberschuß an Revenuen und Kaufgcldern fließt zur Gemeinmaffe.

753 13.*) enthält eine nähere Bestimmung m Be­

Der

treff der Verordnung vom 21. Oktober 1838.**), welche hier­

blos auf die Ausschüttung der aus den Kauf-

nach nicht

Geldern, sondern auch der aus den Rovenüen gebildeten Spezialmaffen Anwendung findet.

Der §. 14.***) Tit. 50.

bezweckt die Aufhebung des §. 536.

der Prozeßordnung,

wonach

subsidiarisch

für die Kvmmunmasse

stimmung,

die

die Zmmobiliarmasse

verhaftet

ist,

eine Be­

der Unverletzbarkeit des Pfandrechts geradezu

widerspricht, f) Nach dem H. 15.ft) haben diejenigen Realgläubiger, de­

nen

zugleich

ein

persönlicher Anspruch

an

den Gemein-

*) §. 13. Ist wegen Ausbleibens eines im Hypothekenbuche eingetra­ genen Gläubigers in dem Termin zur Regulirung der Bertheilung der Revenüen und Kaufgelder der Antheil desselben zum Depositum genommen wor­ den, so muß die Ausschüttung dieser Speztal-Maffe nach Vorschrift der Ver­ ordnung vom 21. Oktober 1838. bewirkt werden. Gesetzsammlung für 1838. S. 498. ***) §. 14. Die im Konkurse oder erbschaftlichen Liquidations-Prozesse entstandenen, der Gemeinmaffe zur Last fallenden Kommunkosten dürfen zum Nachtheil der Realgläubiger weder von den Kaufgeldern, noch von den Revenüen des Grundstücks in Abzug gebracht werden. t) Vgl. das Zustiz-Ministertal.Blatt, ZahrgIII. S. 138 —140., 142 — 143. und 202 — 204. tt) §• 16. Diejenigen Pfand- und Hypothekengläubiger, welchen zu­ gleich ein persönlicher Anspruch an den Gemeinschuldner zufteht, können, so weit sie aus dem Unterpfande nicht befriedigt werden, sich an das übrige Vermögen des Gemeinschuldners halten^ sie müssen aber, wenn sie von dieser Befugniß Gebrauch machen wollen, ihre Forderungen im Kon­ kurse oder erbschaftlichen Liquidations-Prozesse ltqutdtren. Es sind daher auch fernerhln alle Pfand- und Hypotheken-Gläubiger, nach Vorschrift der Prozeß-Ordnung Tit 50. §§. 101. und folg, und Tit. 51. §§. 85* und folg., zum Liquidationstermkn vorzuladen; die im Konkurse oder erbschaftlichen Liquidations-Prozesse erfolgte Präklusion steht ihnen jedoch bei Verfolgung ihres Anspruchs auf Befttedigung aus den verpfändeten Gegen­ ständen nicht entgegen.

754 Schuldner zusteht, das Recht, sich wegen ihres Ausfalles an das übrige Vermögen desselben zu halten;") sie müssen aber,

wenn sie dieses Recht ausübeii wollen, als Liquidanten auf­ treten.

Unterlassen sie dieses, so können sie sich nur an das

Pfand halten.

Da aber zum Liquidationstermine die Realgläubiger nur wegen ihres persönlichen Anspruches vorgeladen werden, so ist eS bei den Borschriften der Prozeßordnung Tit. 50. und folg., Tit. 51.

der Zmmobiliarmaffe,

Absonderung

101.

85. und folg, belassen, indem, nach

die Vorladung sich

selbst nur auf die Kommunmaffe bezieht,

von

und in Ansehung

der letzteren das Präjudiz der Präklusion unverändert bleibt.

Die Frage:

lassen hat,

gelder deS

ob ein Realgläubiger, welcher es unter­

seinen Anspruch an die Revenüen und Kauf­

verpfändeten Grundstückes

zu verfolgen,

in dem

Falle, wenn er hieraus seine Befriedigung hätte erlangeir kön­ nen, befugt sey,

seine Forderung vollständig bei der Kom­

munmaffe geltend zu machen; ist von keiner sonderlichen prak­

tischen Bedeutung, indem der Fall nicht leicht vorkommen wird,") daß ein Realgläubiger, welcher aus der Zmmobtliar-

*) Bgl. dm h. 54. Tit. 20. Th. I. deS Allgemeinen Landrkchls und dm 392. Tit. 50. der Prozeßordnung. —»s. oben S. 309. und folg. — *°) Möglicher Weise kann allerdings dadurch, daß ein Mealgläubiger seine Befriedigung ans dem Unterpfande »achzusuchen unterlaßt, den ein­ zelnen Gläubigern, welche bei der Gemeinwaffe liquidirm, ein Schade er­ wachsen, wie folgendes Beispiel ergiebt: Der Werth des verpfändeten Grundstücke« beträgt 4000 Thlr., und die Real-Schuldenlast 5000 Thlr.; die Gemeinmasse hat einen Fond von 1000 Thlr. und die bei derselben in den fünf ersten Klaffen llquidlrtm For­ derungen, mit Ausschluß derjenigen, welchen zugleich ein Pfandrecht an dem Grundstücke zusteht, belaufen sich gleichfalls auf 1000 Thlr. — Auf dem Grundstücke haftet eine Realschuld von 1000 Thlr., welche primo loco

755 Masse unverzüglich seine Befriedigung erhalten kann, sich auf

die Vorladung zu

den Verhandlungen über die Vertheilung

jener Masse nicht meldet, sondern nur bei der Konkursmasse

auftritt.

Am wenigsten ist der Eintritt eines solchen Falles

bei Hypothekenglätlbigern zu erwarten, da bei ihrem Ausblei­

ben

dem Kaufgelder-Belegungs-Termine ihr Antheil als

in

eine Spezialmasse deponirt und zur Bewirkung der Ausschüttung

dieser Masse ein Kurator bestellt und eventuell ein besonderes Aufgebot veranlaßt wird.

Zm §>. 16.*) bedurfte es keiner Bestimmung eines Ter­ mins, von welchem ab die Verordnung in Kraft treten sollte,

da letztere auch auf die bereits vor deren Publikation eröff­ neten

Konkurse

wendung findet.

und

erbschaftlichen

Liquidationsprozesse

Dagegen war auf den Fall,

ein Präklusions-Urtel erlassen worden,

nehmen.

An­

wenn bereits

besondere Rücksicht zu

Da ein solches Urtel zu Gunsten der erschienenen

Gläubiger formelle Rechte begründet,

so mußte dieserhalb ein

Vorbehalt beigefügt werde«». steht und zugleich da« Vorrecht der vierten Klasse hat; ultimo loco ist dagegen eine Forderung eingetragen, welche bet der Gemeinmasse nur in der sechsten Klaffe llquidirt werden kann. — Wenn der Inhaber der er­ steren Forderung seine Befriedigung au« dem Grundstücke nachzusuchen unterläßt, so gelangt der Inhaber der letzteren Forderung, welcher sonst überall leer ausgehe» würde, zur Perzeption. Könnte nun Jener seine Forderung vollständig bei der Gemeinmaffe geltend machen, so würden die Gläubiger der fünften Klaffe ausfallen, welche zur Hebung gelangt seyn würden, wenn der gedachte Gläubiger bet der Jmwobtltarmaffe ltqutdirt hätte. ") §. 16. Die Vorschriften der gegenwärtigen Verordnung finden auch auf die vor deren Publikation eröffneten Konkurse und erbschaftlichen lliquidations-Prozeffe Anwendung, jedoch unbeschadet der durch die etwa schon erfolgte Präklufivn begründeten Rechte. — Vgl das Justiz-Mtnisterial-Blatt, a. a. £>.

Sachregitter. Die Zahlen bezeichnen die Seiten.

A. Abgabe s. Verjährung bei öffentlichen Abgaben. Adjudikatar, Verhaftung desselben für sein Gebot 337. Agnaten s. Famtlienstdeikommiß, Lehn. Aktivforderung als Gegenstand der Exekution 693. Alimente 221. 239. 240. Altentheilsbesiher s. Schutzgeld. Anbauer s. Schutzgeld. Anstalt, fromme, 226. ff. s. Zuwendung. Armenanstalt s. Zuwendung. Arrestschlag, Wirkung desselben 697. Assignation im Wege der Exekution 697. Auseinandersetzung des überlebenden Ehegatten mit den Erben des Verstorbenen 365. Ausgebliebene, Präklusion derselben bei Familienschlüffen 498.

B. Beamte, Versehen derselben bet ihrer Amtsführung 147. Befreiung s. Steuern. Benefiztal-Erbe, Disposittons-Befugniß desselben 52. ff., Exekutton ge­ gen denselben 745. ff. Beneftztal-Erben-Qualtlät, Eintragung derselben 55. ff. Bergbau Beschädigungen durch denselben s. Verjährung. Berggläubiger im Konkurse und erbschaftlichenLiquidationsprozeffe 745. Bescholtenheit 549. Besttzfähigkeit s. Guts - Erwerbungsfähigkeit.

757

Besitztitel s. Benefiztal-Erben-Qualität. Börse s. Akllvforderungen. Bürgschaft 314.

C. Cession 315. Codiztll 261. ff. Condictio indebiti s. Zahlung.

D. Darlehn, auf di^ Substanz eines Metkommiffes 510., auf dieFideikomwtßEinkünfte 51. Delegation 313. Dienstbarkeit s. Grundgerechtigkeit. Diligenzeid des Fideikommiß- Besitzers 502. Domantalgefälle s. Verjährung, Einführung kürzerer Fristen.

E. Ediktalladung bet Famtltenschlüffen 500. Ehegatte s. Auseinandersetzung. Ehrenrechte s. Guts-Ehrenrechte. Eid bet der Verjährung durch Ntchtgebrauch 95., s. Diltgenzetd. Einreden s. Verjährbarkeit. Entschädigungs-Ansprüche s. Fiskus, Verjährung. Erbe s. Auseinandersetzung. Erbrecht der Kinder der vor dem Erblasser verstorbenen Geschwister und Halbgeschwister in Schlesien 431. ff. Errichtung s. Testament. Exceptio s. Verjährbarkeit. Exnexuation 332. Exekution in Aktiv-Forderungen des Schuldners 693. Expromtsston 313.

F. Familienfideikommiss 462. ff. Famtltenschluß 462. ff. Familtenstiftungen 462. ff. Faustpfandgläubiger, Befreiung desselben von der Einlassung in den Konkurs und erbschaftlichen Ltquidationsprozeß 745. Fidetkommißkurator 486. Fideikommiss- und Lehnskapttalten 509.

758 Ftdeikommiß- und LehnSstämme 509.

Fides, bona, mala, 83 ff. FiskuS, Ansprüche an denselben wegen Schadenvergütung 147., Berech­ tigung und Verpflichtung desselben hinstchtS der Imsen 203. ff., Pri­ vilegien in Absicht der Steuern 135. Form der Rechtsgeschäfte 41. Fremde 21. 29 34. 36. Frist s. Verjährung.

Forum domicilii, originis 515. Fundalobservanz 295 573.

G. Gefolge, gesandtschastliches s. Gesandte. Geistliche s. Zuwendung. Gemeinheits-Theilungs-Ordnung 167. ff. Gerichtsbarkeit, der Gesandten 23., Fähigkeit zur Ausübung derselben 542. ff., Prorogation derselben 579./ der Verwaltungsbehörden 576. ff., über veräußerte Theile eines extmirten Landgutes 625. ff. Gerichtskosten s. Verjährung, Einführung kürzerer Fristen. Gerichtsstand der Militärpersonen 611. ff., unbeweglicher Pertinenzstücke 633. Gesandte, Testamente derselben 17. 43. ff. s. Gerichtsbarkeit. Geschäfte, Besorgung fremder ohne Auftrag 156., Könlgl, Unterthanen in auswärtigen Landen 27. Geschwisterkinder s. Erbrecht. Gesellschaften s. Zuwendung. Gesetze, Kollision derselben 1. ff. 611. ff., ausländische Gesetze, Verhält­ niß der Gesandten zu denselben 45. 51. Gesetz, korrektorisches 439. ff., Rückwirkung desselben 187. ff. 535. ff., Pro­ vinzialgesetze 439. ff

Geslor negotiorum 142. Gewährsmängel s. Verjährbarkeit. Gewohnheitsrecht 298. ff. Grundgerechtigkeit 167. ff. Grundstück s. Auseinandersetzung. Guts-Ehrenrechte 542. ff. Guts-Erwerbungs- und Besitzfähigkeit 542. ff.

H.

Halbgeschwister s. Erbrecht. Hand s. Zuwendung an die todte Hand. Handlung, Form derselben 1. ff, der Fremden 29. ff. erlaubte und un­ erlaubte 144, ff.

759

Holographische Form der Testamente 2. ff. Hospitäler s. Zuwendung. Hypothek, Uebernahme derselben in pariern pretii 309. ff. Hypothekenbuch Begriff desselben 357. ff. Hypothekengläubiger, Befreiung derselben vom Konkurse und erbschaftlichen Liquldationsprozeffe 745. ff.. Rechte derselben gegen den dritten Besitzer 328., gegen den persönlichen Schuldner 324. Hypothekenrecht/ Natur desselben 316. 329., Erwerbung desselben bei noch nicht vollendetem Hypothekenbuche 338. ff.

I. In lieg er f. Schutzgeld. Jntermistikum s. Polizeibehörde. Invaliden s. Schutzgeld. Jus collectandi 138., reformandi 217. 218.

K. Kaufgelder-Bertheilung im Konkurse und erbschaftlichen LiquidationsProzesse 745. ff. Kaufleute s. Verjährung. Kirchengesellschaft s. Zuwendung. Ktrchengebäude, Behandlung desselben beim Erlöschen der Parochie 561. Kollision der Gesetze 1. ff., 611. ff., der Rechte 382. Kollusion bei Exekutionen 696. Kompensation 86. 698. s. Verjährung. Kompetenz s. Polizeibehörde, Reichsgerichte. Konkurs, materieller und formeller 681., s. Faustpfand-, Hypothekengläu­ biger, Kaufgelder -Vertheilung. Kontravention s. Nachforderungen, Steuergesetze. Korporation, Wesen derselben 554. s. Zuwendung. Kurator für nasciluri 504.

L. Landtags-Fähigkeit, Verlust derselben 543. 637. Laudemien 292. ff. Legate, Wiederruf derselben 262. 268. s. Zuwendung. Legitimation bei Familtenschlüssen 494. ff. Lehen, Familienschlüsse bet denselben 462. 515. Lehngüter, Fähigkeit zur Erwerbung derselben 542. Lehnskapitalien s. Ftdeikommißkapitalien. Lehnöstämme s. Mtstymmiß-Stämme,

760 Locus regit actum 1 ff. Lokal-Observanz 292. ff. 573.

Mantfestationsetd 688. Mtlträrperson s. Gerichtsstand. Mönche s. Zuwendung.

M.

sr. Nachforderungen rückständiger Abgaben und Gerichtskosten 79., s. Steuern, Verjährung. Nachlaß-Grundstücke s. Auseinandersetzung. Natural-Rente, Anweisung und Uebereignung derselben 712. Nichtigskeit-Beschwerde,, Kumulation derselben mit der NullitätSKloge 641. ff. Nießbraucher Verpflichtung desselben d Hypothekengläubigern gegenüber326. Notar, Verpflichtung desselben in Betreff der Hypothekenglaubigcr 336. Novation 86. s. Verjährung. Nullitätsklage s. Ntchtigkeits - Beschwerde.

O. Obligatio, mefficax 87., naluralis 85. s. Verjährung. Obligationenrecht 152. Observanz 292. ff. Ordens le ule s. Zuwendung. OrtSobservanz 295. 573.

P. Parochie, Begriff derselben 552, Erlöschen derselben 551. Parochial-Distrikt 552. Parochtal-Vermögen 556. Parochial-Verp flichtung, persönliche, dingliche 553. Parzelen, Umtausch derselben 508. s. Gerichtsbarkeit. Patrimonialgerichtsbarkeit, Verlust derselben 545. 637. Patronat, persönliche Fähigkeit zur Ausübung der Rechte desselben 542. ff, Verlust desselben 545. Pertinenzien s. Gerichtsstand. Pfand s. Faustpfand- und Hypothekengläubiger. Pfandbriefe 329. 635. Pfandgläubiger s. Faustpfand- und Hypothekengläubiger. Pfarrgemetne 557. Pflichttheil s. Zuwendung. Polizei-Behörde, Rechtsweg gegen deren Verfügungen 597. ff

761 Präscription s. Verjährung. Privat-Aktiva s. Akttvforderungen. Privilegien s. Fiskus. Prorogation s. Gerichtsbarkeit. Protokoll, bet Errichtung und Uebergabe der Testamente 276.

Q. Quastkontrakte 150 ff.

R. Realgertchtsbarkett s. Gertchtsbarkeit. Realgläubtger s. Faustpfand- und Hypothekengläubtger. Realjurtsdtklton s. Gertchtsbarkeit.. Realrecht, Erwerbung und Ausübung desselben bet ntcht vollständig ein­ gerichtetem Hypothekenwesen 338. ff. Reassumtion der Prozesse bei den Reichsgerichten 161. ff. Recht s. Kollision. Rechtsweg, Zulässigkeit desselben in Beziehung auf polizeiliche Verfügun­ gen 596. ff., Verzicht darauf 576. ff. Reklamation s. Verjährung. Rekognition 338. ff. Renten s. Akttvforderungen. Repräsentattonsrecht s. Erbrecht Restttutton s. Verjährung RestttuttonSklage 641. ff. Revokation s. Legat, Testament. Rückforderung s. Verjährung, Zahlung.

S. Sachenrecht 152. Schade 144. ff. s. Verjährung. Schenkung, aus bloßer Freigebigkeit 681., belohnende Schenkung 682. s. Zuwendung. Schiffe Verpfändung derselben 743. Schulen s. Zuwendung. 563. ff. Schutzgeld 563. ff. Seelenmessen s. Zuwendung. Seitenverwandte s. Erbrecht. Servituten Erwerbung derselben 185. Staatspaptere s. Akttvforderungen. Stgndschaft persönltcheFähtgkeitszur Ausübung der Rechte derselben, 542 ff

762 Statuta personalia realia, mixta. 1. ff. Stempel s. Verjährung. Steuer, Befreiung von derselben 123. ff., s. Nachforderung, Berjähruuz. Subhastatlon s. Auseinandersetzung, Renten. Subtnscription 708. Substitutionen, fidetkommiffarische 628. ff. Successions-Ordnung, Abänderung derselben durch Famtlienschluß, 474. ff. Successtonsrecht, Eintragung desselben in das Hypothekenbuch. 488. ff.

T. Tabelle EtnttagungS-Tabelle, 346. ff. Taxe s. Auseinandersetzung. Testament, der Gesandten 17. 43. ff., s. Widerruf, Zuwendung. Theilnehwungsrecht bet Gemeinheitstheilungen 169. ff. TotaldtSmembratton 639.

u Uebernahme s. Hypothek. Universität s. Zuwendung. Unterbrechung s. Verjährung. Urkunde, Beurtheilung der Gültigkeit derselben in Ansehung der Form, 6. 46. Usukapion s. Verjährung.

V. Veräußerung s. Auseinandersetzung. Verfügung, poltzeyltche s. Polizeibehörde. Vergleich, über mit Beschlag belegte Forderungen 697. ff. Verjährung, Einführung kürzerer Fristen 77., bet öffentlichen Abgaben 119. ff., der bet den Reichsgerichten unerledigt gebliebenen Prozesse 161. ff., der Schadensersatzklage 139. ff., der Servituten 167. ff. Verjährbarkeit der Einreden 86. ff. Vermächtnisse s. Legat, Zuwendung. Vermuthung bei Extinktivverjährung 78. ff., bet Verträgen zahlungsunfähiger Schuldner 686

Versio in rem 158. Versteigerung s. Auseinandersetzung. Vertrag, etnes Fremden 21., Beitritt eines dritten zu demselben 318., Form 1. ff., zahlungsunfähiger Schuldner zum Nachtheil der Gläu­ biger 672. ff., zwischen Privat-Personen und Staatsbehörden 576, ff.



763



BerwaltungsrBehörden s. Rechtsweg. Vorkaufsrecht, Erwerbung desselben 339. Bormund, Befreiung desselben von der obervormundschastltchen Aufsicht/ 1 4. 7. 10. ff.

W. Werth stempel s. Verjährung Einführung kürzerer Fristen. Widerruf der Testamente 253. ff.

3. Zahlung Rückforderung einer geleisteten. 87. 160. Zinsen s. Fiskus, Verjährung. Zuwendung an die todte Hand. 213. ff.

Aegitter über

die erläuterten Gesetze. Allgemeines Landrecht.

Publikationspatent vom S.Febr. 1784. 9?r.I—IV. ®.443.ff.450.ff — — — — — XII. —445. 537. Einleitung §. 14. Seite 537. — r 15. 460. — r 17. 537--114. —. 46. SS. — 23. 39. 46. 614. 618. — 24. 39. 46. 614. — 25. 39. 46. 615. — s 26. 39. 46 s — 27. 39. 46. — r 39. 46. 615. 616. 28. — 46. 615. 616. SS — 30. 46. 615. 616 — s 31. 39. 46. 615. 616. — 32. 39. 46. 615. 616. — s 5. 40. 46. 33. — 5 36. 46. 34. — !35. 46. — r 36. 46. 5 .— 37. 46. 5 — 38. 24. 41. 42. 46. 47. — r 39. 24. 41. 42. 46. 47. ; —40. 46. — s 46. 41. — ; 42. 46. — 73. 205. < — 74. 147. 205. — 75. 147. 5 — 77. 588. 590. — s 79. 589. — 5 80. 591. — s 95. 382. — 96. 382. — 99. 331. — L 102. 332. - 103. — 332t

765 Allgemeines Landrecht. Theil. Titel. I. — —

1. 2.



« —

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3.



— — 4.



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—. —

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— S. — — —.







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— — 6. —













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——

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7. S. — — —

— — — —

§. 12. 7. 8. 44. 125. 40. 41. 42 43. 4. 52. 58. 60. 94. 95. 145 — 150. 2 — 5. 71. 74 ff. 75. 77. 91. ff. 111. 115. 116. 153. 164. 271. 277. ff. 308. 309. 343. 344. 345. 389. 1. 1 — 9. 10 — 16. 17. 36. 54. 241. 242. 86. 87. 88. 326. 420. 421. 443. 444.

Seite. 504. 711. 710. 633. 633. 5. 40. 1. 1. 587. 587. 321. 313. 5. 5. 258. 82. 585. 311. 311. 318. 290. 1. 5. 318. 318. 113. 92. 153. 312. 312. 92. 82. 85. 263. 144. 153. 153. 153. 145. 82. 158. 499. 499. 499. 146. 65. 65. 53. 53.

40.

5. 41.

318. 40. 40.

317. 318. 323. 317. 318. 323.

3. 5. 40. 42. 47.

105. 106. 92. 106. 92. 105. 106.

139. 140. 149. 157. 160.

766 Allgemeines Landrecht. Theil, Titel. §. l. 9. 445. 446. 447. — — 448. 449. 450. 451 452. 458 454. 455 456. 484. ff. 500. 501. 502. 508. 509. — 581. 535. 551. 545. 554. — 555. 556. 558. 560. 561. 563. 568. — -- - 569. 584. 632. 648. 649. 655. 660. — 10. 1. ff7- ff15. 11. 68. 109. 149 — 152. 222. 312. 316. 378. 382. 390. ff. 444. 827. 830.

Seite. 53. 53. 53. 55. 56 62. 53. 55. 56. 66. 53. 55. 56. 66. 56. 66. 75. 76. 56. 66. 75. 61. 61. 61. 61. 61. 495. 499. 85. 85. 85. ri7. 156. 113. 114. 100. 113. 115. 116. 165. 115. 116. 163. 115. 116. 115. 116. 115. 116. 114. 115. 116. 81. 83. 85. 88. 81. 83. 85. 88. 159. 85. 159. 295. 85. 186. 338. 338. 316. 83. 209. 324. 335. 331. 332. 315. 331. 315. 333. 709. 210. 310.

66. 75. 76. 75. 76. 75.

90. 92. 94. 114. 90. 92. 94. 95.114.

767 Allgemeines Landrecht.

Theil. Titel . §. J. 11. 833. 834 — — 849 — — 850. — — 851. — — 943. — — 968. — — 1073. — — 1074. — — 1074. — — 1075. — — 1075. । - — 1113 — 1182. — — 1129 — 1133. — — 1164—1166. -- - 1170. — —— 1171. 1172. — IS. 37. — — 38. —. — 55. — — 57. — — 66. ff. — — 109. — — 112. — — 169. — — 519. -— — 536. 537. — — 565. — — 565 — 571. — — 572. — — 572—580 —- — 572—586. — —574. .— — 577. — — 577 — 579. — — 578. — — 580. — 581. __ 582. _ 585. 586. — — 587. — — 587 — 591. — — 588 — 591. — .— 589. — — 592. —- — 593. — —. 646. — IS. 74. — — 228. ff. — — 230. — — 239.

Seite. 205. 99. 100. 100. 100. 101. 105. 103. 243. 243. 242. 244. 226. 244. 243. 252. 672. 678. 672. 679. 682. 672. 683. 244. 244. 523. 529. 523. 275. 278. 278. 277. 4 40. 533. 616. 269. 271. 262. 269. 271. 280. 274. 281. 281 258. 281. 256. 281. 256. 256. 280. 262. 259. 263. 271. 270. 260. 273. 270. 271. 312. 106. 142. 325. 143. 156.

251.

530.

541.

280.

282. 281.

269.« 270. 272 — 275. 274.

768 Theil. Titel.

I. —

— —

— —

— —

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— .— — —

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— — —

— —

——

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»— ■

13. — — — 14. — — — — — — —— — — — — — — — — — — — ■— — — 15. 16. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — _ — —

Allgemeines Landrecht. Seite

§. S6S 863. 873. 879. 150. 154. 158. 174. 174--176. 177. 800. 800. 208. 804. 851. 859. 877. 884. 886. 887. 888. 889--291. 898--895. 316. 338. 351. 356. 391. 399. 400. 15. 7. 53. 150--159. 178. 179. 181. 835. 851. 854. 855. 859. 861--263. 864. 265. 880. 370. 377. 381. 388. 383. 384. 454. 461. 467. 468. 500.

325. 158. 158 159. 103. 103. 103. 646. 647. 117. 314. 314. 314. 86. 106. 86. 689. 689. 690. 690. 315. 314. 314. 315. 86. 313 158. 82. 805. 885. 87. 87. 333. 318. 707. 318. 315. 313. 55. 320. 85. 313. 107. 646. 107. 115. 313. 87. 87. 58.

118. 136.

106.

290.

333.

333. 649. 313. 315.

769

Allgemeines Landrecht. Theil. Titel. I.

16.

— — — — — — — —— — — — — -— — — — — —. — .— — —

— — — — .— — —— —

— —— — — — — — —. —. — — — — — —. — — — .— — — — — — — —



17.

— ——

18.

— — — — — — — — — —.

— IS.

— —

20.

— — — — — — — —

— — — — — — — — —

— — —

§. 502. 503. 504. 507. 508. 509. 510. 511. 512. 59. 89. 123. 306. 2. 8. 9. 17. 18. 192. 193. 288. 290. 291. 291. 292. 293. 386. 410. 421. 602. 605. 610. 611. 654 — 656. 719. 7. 8. 22. S9. 2. 3 5. 7 — 10. 9. 10. 12. 28. 29. 30. 46. 53. 54. 54. 99. 100. 247. 246. 280. 289. 290 — 292. 300. 390. 391. 400. 401. 411. 412.

Seite. 74. 55. 55. 59. 59. 59. 59. 59. 59. 156. 382. 382. 382. 474. 474. 487. 515. 488. 488. 489. 503. 488. 515. 509. 488. 293. 311. 331. 82. 707. 706. 707. 339. 86 731 731. 731. 705 310. 103. 340. 104. 707. 712. 712. 744. 746. 340. 706. 343.

60.

515.

489. 489. 515.

493.

332

732. 732. 732.

754.

713. 725. 731. 713. 714.

707. 348. 706. 707.

770 lllgemeinrs Landrecht.

Theil. I. — — — —— —— —— —— — — — — — — —— — — —— — — —— — — — — II.

— -—





Titel. 20. — — — — — — 21. — — — — — — — — —

.—

——







—.»

. -

«—









103. 104. 127. ff. 26. 42. 72 — 74. 82. 81—85. 4. Nr. 1. 4. 9. ff. 42. 43. 48. 49. 50. 51. 53. 54. 55. 101. ff. 107. 127. 128. 241. 244. 245 272. 279. 280. 287. 345.

Seite 589. 600. 601. Seite. 617. 618. 621. 624. 618. 620. 632. 613. 615. 511. 583. 590. 591. 6. 8 11. 41 42. 46. 658. 658. 665. 664. 666. 648. 668. 670. 645. 647. 642 695. 693. 694.696. 700. 706. 707. 708.710.712.714.725.731 693. 694. 703. 750. 658. 658. 697. 98. 704. 688. 688. 689. 672. 78. 79. 81. 681.1 680. 753. 749. 752. 747. 49. 50. 54. 58. 56. 58. 66. 75. 739. 749.



774



Allgemeine Gerichtsordnung. Theil. Titel. §. Seite. I. 50. 356—359. 135. 748. — --381. 743. 746. — -----392. 310. 754. «— — 393. Nr. 5. 6. 749. » — ■ 394. 348. 353. 358. — — 447. 704. 706. 707. -----— 454. 343. — ■ 466. 706. -— 509. 737. — — 520-523. 751. 527. 528. 742. 743. 745. 746. 742. 744. 745. 672-689. 12. - 51. 706. — — 51. 52. 751. —~ ■ 61. 744. —— 74. 747. — — 85. 749. 753. 754. — ——— 91. 352. »-» — 101. 754. — — 157. 158 501. — 52. 12. 337. — — 48. 635. Allgemeine Gerichtsordnung.

Theil. Titel. II. 1. — 2. — — — 3. — 4. 6.

Seite. 479. 491. 477. 311. 278. 365.

§♦ 6. 26. 49. ff. 11. 3. 4. 1. ff-

Anhang zur Allgemeinen Gerichtsordnung.

§. 7. - 12. 13. - 100.

Seite 621. - 611. 612. 517. 624. 580.

Hypothekenordnung von 1783.

Titel. 1. > ■ ■.

— — — — 2.

2. 5. 6 -8. 9. 16. 30. 34. 35. 36. 39. 91.

Seite. 341. 357. 358. 358. 632. 632. 637. 718.

775

Titel. — _ _ — — __ 4. —

Hypothekenordnung von 1783. Seite. §. 707. 182. 709. 206. ff. 708. 231. 709. 232. 708. 234. 707. 242. 341. 4. 846. 28.

Einzelne Gesetze und Verordnungen. Fürstlicher Bescheid vom 20. November 1609. (Pommern.). S. 520. Reichskammergerichts - Ordnung vom 20. November 1613. Theil III. Tit. 50. ...................................................................................... S. 660. Pragmat. Sanction vom 31. October 1696....................... S. 459. 461. Kaisers. Constitution v. 25. Febr. 1697. S. 521.522.525 526.527.532. Deklaration der Pragmat. Sanction v. 20. Januar 1704. . S. 459. Kaiserl. Deklaration v. 22. August 1704. S. 521. 522.525. 526.532. Pragmat. SancUon v. 18. Nov. 1706. S. 520. 525. 526. 527. 532. Kammerger.-Ordnung v. 1. März 1709. Tit. 12. §§. 47. 48. S. 664. Lehns-Affekuration für die Kurmärkische Ritterschaft v. 30. Juni 1717. §.4................................................................................................ S. 518. Sanctio pragmatica v. 30. März 1724. S. 525. 526. 527. 533. 534. Lehns-Constitution v. 14. August 1724. §. 103......................... S. 519. Kaisers. Rescript vom 1730............................S. 521. 525 526. 527. Kabinetsorder vom 31. Dezember 1746...................................... S. 448. Prozeßordnung von 1748. (Codex Frideric. Th. II. Tit. 7. §. 8. und Th. III. Tir. 4. §. 37.).................................................. S. 665. Hof-Rescript vom 10. Januar 1750......................... ..... . . S. 456. Edict vom 12. und 18. Dezember 1753...................................... S. 219 - 21. Juni 1753..................... S. 214. 220. 221. 222. 230. Deklaration vom 12. März 1754......................................... S. 220. 222. Cdict vom 4. August 1763............................................................. S. 492. - 30. April 1765..................................................... S. 57. 66. Circulare vom 16. September 1771............................................. S. 220. Sächsisches Mandat v. 13. November 1779. §. 1. Nr. 4. . S. 500. Kabinetsorder vom 14. April 1780..................................... . S. 449. Prozeßordnung von 1781. (Corp. jur. Frid.) Th. I. Tit. 16. S. 665. Kabinetsorder vom 13. Februar. 1787..........................................S. 220. Deklaration v. 19. März 1787. $. 3—5. . . . S. 221—23.240. Allodifications - und AffecurationS-Urkunde 'für Hinterpommern vom 16. Februar 1787. § 11............................................................ S. 519. Hinterpommersche LehnS-Constitution. Tit. 24. §. 3. . . . S. 520. Französisches Gesetz v. 24. August 1790. Tit. 2. Artik. 13 . S. 609. Publikat -Patent vom 20. März 1791. §. 450........................... S. 450. Westpreußisches Landschafts-Reglement v. 22. Juli 1794. . S. 633. Französisches Gesetz vom 10. Fructidor 111................................. S. 609. Allg. Gerichtsordnung für West-Galizien v. 1796. §. 340. S. 660.



776



Einzelne Gesetze und Verordnungen. Kabinetsorder vom 22. August 1798.................................. S. 450. 451. Circular-Verordnung vom 30. Dezember 1798........................... S. 201. Kabinetsorder vom 28. October 1799. . S. 204. 205. 207. 209. Gesetz vom 3. Frimaire VII. Artik. 149. 150..............................S. 133. Regelment vom 5. Nivose Vlll................................................ S. 610. Kabinetsorder vom 9. September 1800....................................... S. 450. 17 August 1802............................... S. 225. 227. Reglement vom 2. April 1803...................................................... S. 598. 21. Juni 1804. §. 6. Nr. 6............................. S. 598. Kabinetsorder vom 8. November 1804............................... S. 294. 295. - 26. September 1805...................................S. 462. Edict vom 9. October 1807. §. 9. §. 10 . S. 462. 472. 475. 477. 482. 483. 487. 489. 516. 517. 519. 525. 527. 531. 533. 560. 568. 625. Städteordnung v. 19. November 1808. §. 39. . . . S. 547. 643. Verordnung v. 26. December 1808. . . . S. 581. 592. 602. 610. -- 1—4............................. S. 602. > - 26............................S. 609. - 35—42. . . S. 603. 606. - 36. 37..................... S. 128. - 38—40. S. 596. 602. 639. Verordnung v. 8. April 1809........................................................ S. 571. - - §. 2. 5. 7. 8. S. 569. 570. 574. 575. Kabinetsorder v. 19. Juli 1809......................................................S. 611. - - 12. Apnl 1810................................................. S. 725. - - 24. October 1810.............................................S. 569. Verordnung v. 27. October 1810.........................................S. 228. 236. - Nr. 4°................................S. 726. - 12—20. . . . S. 727. 728. Kabinetsorder v. 4. Januar 1811.................................................. S. 725. Edict v. 14. September 1811. §.4............................................. S. 750. Kultur-Edict v. 14. September 1811........................................... S. 185. Kabinetsorder v. 20. Februar 1812............................................... S. 634. Deklaration des §. IX. des EdictS vom 9. October 1807. dd. 19. Fe­ bruar 1812................................................................................ S. 531. Sächsisches Mandat v. 30. Juli 1813.................................. S. 171. 201. Gesetz v. 3. September 1814.................................................... ' S. 612. Patent v. 9. September 1814. §. 6............................................. S. 540. Deklaraton v. 29. Mai 1816. Artik. 5. ...... . S. 750. Patent v. 9. November 1816. §. 8. für den Culmer und Michelauer Kreis........................................................................................S. 541. Patent v. 9. November 1816. §. 8. für Posen.......................... S. 541. Publlk. Patent für Sachsen v. 15. November 1816.'§.2.3.8. S. 417.540. Kabinetsorder v. 13. November 1817.......................................... S. 175. Reffort-Reglement v. 20. Juli 1818. §.19...............................S. 609. Verordnung v. 18. Januar 1819. §. 2. 8. . . S. 571. 574. 575. Steuerordnung v. 8. Februar 1819. §. 58. S. 120. 126. 132. 137. Kabinetsorder v. 27. August 1819.................................................S. 230. - 17. Januar 1820............................................ S. 280. Gesetz v. 17. Januar 1820. §.17.........................................S. 99. 120. - - 30. Mat 1820. §. 1. 8. 11. . . S. 119. 120. 122. 124. - - - 17. Litt, d......................................... S. 126.

-

777



Einzelne Gesetze und Verordnungen. Verordnung v. 16. Ium 1820. S. 340.346. 356. 357. 358.360. 361 363. ; ; §.1.2.3. . S. 347 352. 361 364. - ; 5.6.7 8.9.10.11. S 361.348.350.352. Veranlag. Vorschriften v. 10. November 1820. §. 14. . . 131. Gemeinheitsthellungs-Ordnung v. 7. Junl 1821. §.2.4. S.167- 169.187. - ; - 20. 26. 27. S. 168.169 180.185. > - 31—37. 39. 40. 45. S 179.181.182-184. - 133. . S. 179.184. - 141—163. ©180.181. - - 164. . S. 167.169. 170. 178. 179. 181. 182. 185 — 187 189. 191. 192. Gesetz v. 7. März 1822............................................................... S. 120. - 4. Juli - §. 1—5. ©. 703-706. 711. 713. 714.717.718. - - - 6—9. 10.................................S. 709. 710. - . - 3. 2. 6. 11. . . S. 706. 707. 708. 724. Verordnung v. 4. Juli 1822....................................................... S. 315. Gesetz v. 3. April 1823. §. 1—6. Note.................................. S. 511. Kabinetsorder v. 19. August 1823.............................................. S. 121. Publik. Patent für das Herzogtum Westphalen v. 21.Junll825. S.448. 18. S. 539. , , . §.8-12. S. 366. Kreisordnung für die Kurmark, Neumark und N. Lausitz v. 17. Au­ gust 1825............................................................................................ S. 543. Kreisordnung für Pommern u. Rügen v. 17. August 1825. S. 543. - Schlesien, Glatz u. O. Lausitz v. 2. Mal 1827. §. 7. S 544. ; Sachsen v. 17. Mai 1927................................. S. 544. - Rheinland u. Westphalen v. 13. Jull 1827. S. 544. Verordnung v. 30. October 1827........................................... S. 125. 137. Gesetz v. 18. Januar 1828. No. 4................................................. S. 127. Kreisordnung für Preußen v. 17. Marz 1828. ... S. 543. - Posen v. 20. December 1828. §. 6. . . S. 543. Kabinetsorder v. 11. November 1829............................................... S. 24. - 17. Januar 1830.............................................. S. 123. - 16. Mai 1830.................................................... S. 120. < 7. August 1830..................................... S. 127. Verordnung über die Provinz. Stande im Großherzogthum Posen v. 15. December 1830. Artik. 7. . . . !...................... S 637. Revidirte Städteordnung v. 17. März 1831. §. 19. 20 . S. 547. Kabinetsorder v. 12. Mai 1831............................................ . S. 207. - 31. Ocwber 1831............................................ S. 361. Gesetz v. 19. Juli 1832. §. 1................................................ S. 295. 297. - 13. Mai 1833.......................................... S. 231. 242. 557. - 1—11. . S. 232. 233. 235—239. 241. 242. 560 — 562. Verordnung v. 1. Juni 1833. Tit. 2................................... S. 116. 675. Gesetz v. 7. Juli 1833. §. 1. 2. 3. 4. ... S. 208. 209. 212.

778 Einzelne Gesetze und Verordnungen. Kabinetsorder v. 2. November 1833................................... S. 612. 624. Verordnung v. 14. December 1833.............................................. S. 659. - - § 4.5.910.8. §.10. @.657.658.667. . - - - 11-15. 16. 28. S. 658. 664. Kabinetsorder v. 1 Februar 1834................................................. S. 239. Erecutions - Verordnung v. 4. Marz 1834. . . S. 676. 713 751. > - §. 2. 11. 12. S. 64. 751. 752. 688. 695. 705. . . - 15.22.25. S. 704—708. 712. 746. 751. 752. Subhast.-Verordnung v. 4. März 1834. @. 713.736.737.738.742.746.751. §.l. D».3. §.2. No. 2. S. 54. 743. 744. 748. - - 7.8.9. S. 337.352.498.502.749. - - - 16.17 17. S. 750. 751. 752. - - - 18.21.22. S. 706.736.740.751. Verordnung v. 31. März 1834. §. 24. 25. ..... @. 360. Kabinetsorder v. 1. Juli 1834................................................. S. 365. - - 11. Januar 1835.............................................. S. 626. Deklaration v. 21. März 1835. §. 1. 2. 3........................... S. 330. Gesetz v. 25. April 1835. §. 1-4. . ®. 626. 630—634. 636. 639. - 26. .................................... S. 672. 680. 686. - §.1—14. S. 672—675.681.683.690—692. - 29. Juni 1835................................................................ S. 507. Kabinetsorder v. 5. September 1835................... S. 503. 505. 507. ; - 29. -......................................... S. 365. - 10. April 1836...................................................... S. 233. - 22. Mai 1836............................................. S. 234. 238. - 28. December 1836............................................. S. 121. Gesetz v. 8. Ma! 1837. §. 1-5. 6—12. . . S. 542. 547—550. Verordnung v. 2. December 1837................................................ S. 746. Gesetz v. 23. Januar 1838. §.17.......................................S. 120. 125. - 31. Mär, - .......................... S. 96. 134. 137. 144. - §. 2.>No. 8.................................... S. 121. - - 3. 5. No. 2. ... S. 119. 121. Deklaration vom 31. März 1838................................ S. 139. 149. 160. Verordnung vom 5 Mai 1838....................................................S. 128. Deklaration vom 28. Jul, 1838. §. 1. 2. . . S. 356. 361. 364. Verordnung vom 28. Juli 1838............................................... : S. 168. - 21. October 1838................................... ®. 746. 753. Deklaration vom 31. März 1839......................................... ®. 611. 624. Deklaration vom 6. April 1839. Artik. 13. 16. S. 642.648.654.664. Instruction v. 7. April 1839. Nr. 16. Nr. 22. Nr. 50 S. 580.664.667. Deklaration v. 9. April 1839. Artik. 15. 16. S. 642. 648. 654. 664. Kabinetsorder vom 9. Mai 1839. ............................................. ®. 352. Deklaration vom 18. Mat 1839........................................... S. 161. 164. - 22. Juni 1839..................................®. 431. 451. 459. Instruction vom 27.Juli 1839.......................... S. 165. Gesetz v. 15.Februar 1840................................. ®. 466. 471. 541. -§. 1. . . . ®. 471. 475. 532. 535. -- 2—14. S. 471. 475. 505. 515. 534.



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Einzelne Gesetze und Verordnungen. Gesetz v. 15. Februar 1840. § 3-13. . S. 482. 492. 505. 507. • ; -45... S. 493. 494. 515. 520. - - 6-11. . . . S. 496. 497. 498. - 8. 9................... S. 500. 514. 517. 11.12. 13.14.- ®. 502. 504. 506. 507. - • 15. 15 Nr. 2 -5. S. 471. 507.» 508. 509. 515.. ; - 16—19. S. 471. 510. 511 512. 515. - - 20—24. S. 471.512.513.515.516.517. Verordnung vom 28. März 1840...................................................... S. 71. §. 4.......................................... S. 748. Kabinetsorder vom 31. März 1840................................................. S. 634. Gesetz vom 15. Zuni 1840.................................................................S. 365. 18. Juni 1840. §. 11. . . . S. 111. 118. 119. 121. KabinetSorder vom 30. November 1840................................... S. 365. Verordnung v. 28. Dezember1840................................. S. 742. 745. - - §. 1. 2. . S. 735. 742. 743. -- 15. 16. ... S. 753. 755. Gesetz vom 31. März 1841........................................... S. 167. 195. - §. 1. 2.3. 4. S. 173. 180. 187. 189. - - 5. 6.......................... S. 196. 200. Kabinetsorder vom 1. April 1841.................................................... S. 199. Verordnung vom 10. April 1841. §. 6.......................................... S. 365. - 15. April 1842.............................................................. S. 139. Gesetz v. 11. Mai 1842 §§. 1-7. . S. 601. 604. 606. 607-609. Verordnung vom 22. November 1842 ................................ S. 109.

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1. Zeile 4. von oben fehlt * 16. 4. von unten lies ihre statt tbre 2d 10. - fehlt vor 229. S. 72. 4. - l. nicht st. nich 291. 2. - l. Abweichungen st. Awbeichungen 316. 11. - l. Besitzer st. Besitzer 319. 5. v. o. l. Tertii st. Tetii 448. 1. - - l. Juni st. Januar 449. 2. - - l. 1704. st. 1804. 469. 9. - - l. bringenden st. brtndenden. 561. 4. - - l. ReligionSparthei st. Religiosparthei 582. 3. v. u. l. eine st. ein 594. 7. v. o. I. fiskalische st. fiskalischen 665. - 9. v. u. l. contumaciam st. contumatiam 671. fehlt das Allegat: Entscheidungen des Geheimen Ober-Tribunals, Bd. III. S. 75. 698.Z. 10. v. u. l. Arrestaten st. Arrestanten 719. 5. - - l. Privat- st. Prtva731. 1. v. o. l. einer st. iner