Beiträge zum lateinischen Ijob: Iob 16,6; Iob 27,16-17a; Iob 28,1-3a bei Hieronymus und Augustinus [1 ed.] 9783666503566, 9783525503560


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German Pages [254] Year 2021

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Beiträge zum lateinischen Ijob: Iob 16,6; Iob 27,16-17a; Iob 28,1-3a bei Hieronymus und Augustinus [1 ed.]
 9783666503566, 9783525503560

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Almut Trenkler / Gerd-Dietrich Warns

Beiträge zum lateinischen Ijob Iob 16,6; Iob 27,16-17a; Iob 28,1-3a bei Hieronymus und Augustinus

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Herausgegeben von Volker Henning Drecoll und Volker Leppin

Band 122

Vandenhoeck & Ruprecht

Almut Trenkler / Gerd-Dietrich Warns

Beiträge zum lateinischen Ijob Iob 16,6; Iob 27,16-17a; Iob 28,1-3a bei Hieronymus und Augustinus

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021 Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-3237 ISBN 978-3-666-50356-6

ἐκ μέρους γὰρ γινώσκομεν

Inhalt Vorbemerkungen Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Zitierweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Siglen von Handschriften bzw. Fassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Hieronymus: Versio prior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Augustinus: Adnotationes in Iob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Erster Teil: Iob 16, 6 Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Zur Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.1 Ausgangspunkte für die Klärung des Wortlauts von O. . . . . . . . 29 1.1.1 Der überlieferte Wortlaut der Adnotationes . . . . . . . . . . 29 1.1.2 Hieronymus’ spätere Fassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.2 Der Wortlaut in der Adnotationes-Überlieferung: Fehlerdiagnose . 30 1.2.1 Erster Fehler: Das unvollständige Zitat des Lemmas . . . . . 30 1.2.2 Zweiter Fehler: Der falsche Wortlaut des Lemmas . . . . . . 31 1.2.3 Dritter Fehler: Die falsche Interpunktion des Lemmas . . . . 31 1.3 Die drei Übersetzungsvorschläge des Hieronymus in seiner Erstfassung O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.3.1 Die vom ω2-Frater eingesetzte Übersetzung . . . . . . . . . . 32 1.3.2 Die vom ω1-Frater eingesetzte Übersetzung . . . . . . . . . . 32 1.3.3 Rekonstruktion der von Augustinus kommentierten Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.4 Die Textvorlagen für Hieronymus’ Versionen . . . . . . . . . . . . 33 1.4.1 Mögliche Vorlagen für Hieronymus’ Ijob-Übersetzungen – ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.4.1.1 Die griechische Überlieferung . . . . . . . . . . . . . 34 1.4.1.2 Die hebräische Überlieferung . . . . . . . . . . . . . 35 1.4.1.3 Vetus Latina-Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

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Inhalt

1.4.2 Wortlaut und Verhältnis der Vorlagen für Iob 16, 6 . . . . . . 37 1.4.2.1 Masoretischer Text und Septuaginta . . . . . . . . . 37 1.4.2.2 Hexapla und rabbinisches Targum . . . . . . . . . . 41 1.5 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen . . . . . . . . 42 1.5.1 Vulgata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.5.1.1 Iob 16, 6a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1.5.1.2 Iob 16, 6b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1.5.2 Die revidierten Fassungen S. T.(B.) der Versio prior . . . . . . 44 1.5.2.1 Iob 16, 6a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1.5.2.2 Iob 16, 6b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1.5.3 Die drei Übersetzungsvorschläge in der Erstfassung O. der Versio prior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1.5.3.1 Die in den Adnotationes durch den ω2-Frater überlieferte Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1.5.3.2 Die für die Rezension des ω1-Fraters erschließbare Fassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1.5.3.3 Die von Augustinus kommentierte Fassung . . . . . 47 1.6 Fazit zu Hieronymus’ Übersetzungen des Lemmas Iob 16, 6 . . . . 48 Kapitel 2: Iob 16, 6 bei Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Zur Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.1 Zum Text der Adnotationes in Iob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.1.1 Der bisher erreichte Zwischenstand der Emendation . . . . . 51 2.1.2 Weitere Korrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.1.2.1 Syntax und Interpunktion von Iob 16, 6a . . . . . . . 51 2.1.2.2 Syntax und Interpunktion der Auslegung . . . . . . 52 2.1.3 Der rekonstruierte Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.2 Augustins Auslegung des Lemmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.2.1 Das Verhältnis der Begriffe prudentes und sapientes . . . . . 53 2.2.2 Die Kritik am Reden der Freunde . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.2.2.1 Die Ablehnung der stoischen These sapiens non dolet 55 2.2.2.2 condolescunt bei Augustinus im Licht der consolatio-Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2.2.3 Die Kritik am Schweigen der Freunde . . . . . . . . . . . . . 61 2.2.4 Kritik der Exegese Augustins . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.2.4.1 Die Kritik am Reden der Freunde . . . . . . . . . . . 63 2.2.4.2 Die Kritik am Schweigen der Freunde . . . . . . . . 64 2.3 Augustins Bemerkung zum Sündenbekenntnis der Weisen . . . . . 66 2.4 Zusammenfassung: Lateinischer Text und Übersetzung . . . . . . . 68

Inhalt

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a Kapitel 3: Iob 27, 16–17a bei Hieronymus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Zur Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.1 Ausgangspunkte für die Klärung des Wortlauts von O. . . . . . . . 71 3.1.1 Der überlieferte Wortlaut der Adnotationes . . . . . . . . . . 71 3.1.2 Hieronymus’ spätere Fassungen der Passage Iob 27, 16–17a . . 72 3.2 Der Wortlaut in der Adnotationes-Überlieferung: Fehlerdiagnose zu Iob 27, 16ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3.2.1 Erster Fehler: Das unvollständige Zitat des Lemmas . . . . . 73 3.2.2 Zweiter Fehler: Der falsche Wortlaut des Lemmas . . . . . . 73 3.2.2.1 These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3.2.2.2 Augustins Auslegung von Iob 27, 16 als Bruch mit dem Kontext von Iob 27 . . . . . . . . . . . . . . 73 3.2.2.3 Der unpassende Wortlaut von Iob 27, 16a . . . . . . 74 3.2.2.4 Mögliche Gründe für den zweiten Fehlgriff der Fratres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3.3 Rekonstruktion von Augustins Textvorlage zu Iob 27, 16ab . . . . . 76 3.3.1 Die Subjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.3.2 Die Prädikate als Ambrosius-Reminiszenzen . . . . . . . . . 77 3.3.2.1 Das Prädikat von Iob 27, 16a . . . . . . . . . . . . . 77 3.3.2.2 Das Prädikat von Iob 27, 16b . . . . . . . . . . . . . 80 3.3.3 de terra / luto oder e terra / luto? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.4 Fazit der Rekonstruktion von Augustins Textvorlage zu Iob 27, 16ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.4.1 Der Text in der rekonstruierten Doppelfassung . . . . . . . . 83 3.4.2 Hieronymus’ Vorgehen bei den beiden Fassungen des Lemmas in O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.4.2.1 Integration möglichst vieler Traditionselemente? . . 83 3.4.2.2 Eine frühe Versio iuxta Hebraeos? . . . . . . . . . . 84 3.5 Der Wortlaut von Iob 27, 17a: Rekonstruktion von Augustins Textvorlage in O. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.5.1 These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3.5.2 Einwände gegen die These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.5.3 Erstes Argument für die These . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.5.4 Detaillierte Begründung im Licht der Urtexte . . . . . . . . . 88 3.5.4.1 Das Verhältnis zwischen M und G . . . . . . . . . . . 88 3.5.4.2 Griechische Einflüsse auf Hieronymus’ Formulierung 89 3.5.4.3 Hebräische Einflüsse auf Hieronymus’ Formulierung 90

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Inhalt

3.6 Fazit der Rekonstruktion von Augustins Textvorlage zu Iob 27, 17a 91 3.6.1 Der Text in der rekonstruierten Doppelfassung . . . . . . . . 91 3.6.2 Hieronymus’ Vorgehen bei den beiden Fassungen in O. . . . 91 3.6.2.1 M als Ausgangsbasis für Konjekturen . . . . . . . . . 91 3.6.2.2 Die Verschiebung von Prädikaten . . . . . . . . . . . 92 3.6.2.3 Die Integration einer Cicero-Anspielung . . . . . . 92 Kapitel 4: Iob 27, 16–17a bei Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Zur Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4.1 Der ursprüngliche Wortlaut der Adnotationes in Iob . . . . . . . . . 95 4.2 Augustins Auslegung von Iob 27, 16ab . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.2.1 Übergreifende Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.2.1.1 Die drei Kerngedanken der Allegorie . . . . . . . . . 96 4.2.1.2 Produktives Missverständnis von Iob 27, 16a . . . . 96 4.2.2 Einzelerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.2.2.1 prudentes und sapientes als Allegorie von argentum und aurum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.2.2.2 Die Allegorese von terra und lutum . . . . . . . . . . 101 4.2.2.3 consenserint als Schlüsselbegriff . . . . . . . . . . . . 106 4.3 Augustins Auslegung von Iob 27, 17a . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4.3.1 Produktives Missverständnis des conuertentur . . . . . . . . 110 4.3.2 Einzelerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.3.2.1 Das Genus Verbi von conuertentur . . . . . . . . . . 111 4.3.2.2 ad iustos conuertentur . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.3.2.3 correcti et cognoscentes […] conuertentur . . . . . . . 114 4.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4.4.1 Zur Identifikation der angesprochenen Gruppen . . . . . . . 115 4.4.2 Lateinischer Text und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . 117 4.5 Die Position der Passage in Augustins Überlegungen zu prudentia und sapientia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Inhalt

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Zur Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.1 Iob 28, 1a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.1.1 Die Beziehungen zwischen Hieronymus’ Vorlagen . . . . . . 123 5.1.1.1 Die Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.1.1.2 Das Verhältnis zwischen den möglichen Vorlagen . 124 5.1.2 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen . . . . . 125 5.1.2.1 Die Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5.1.2.2 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5.2 Iob 28, 1b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 5.2.1 Die Beziehungen zwischen Hieronymus’ Vorlagen . . . . . . 130 5.2.1.1 Die Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 5.2.1.2 Das Verhältnis zwischen den möglichen Vorlagen . 131 5.2.2 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen . . . . . 133 5.2.2.1 Die Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 5.2.2.2 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 5.3 Iob 28, 2a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5.3.1 Die Beziehungen zwischen Hieronymus’ Vorlagen . . . . . . 135 5.3.1.1 Die Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 5.3.1.2 Die Beziehungen zwischen M, G und dem Targum . 136 5.3.2 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen . . . . . 137 5.3.2.1 Die Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 5.3.2.2 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 5.4 Iob 28, 2b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 5.4.1 Die Beziehungen zwischen Hieronymus’ Vorlagen . . . . . . 138 5.4.1.1 Die Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 5.4.1.2 Die Beziehungen zwischen den Vorlagen . . . . . . . 139 5.4.2 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen . . . . . 143 5.4.2.1 Die Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5.4.2.2 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5.5 Iob 28, 3a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 5.5.1 Die Beziehungen zwischen Hieronymus’ Vorlagen . . . . . . 147 5.5.1.1 Die Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 5.5.1.2 Das Verhältnis zwischen den Vorlagen . . . . . . . . 148 5.5.2 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen . . . . . 150 5.5.2.1 Die Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5.5.2.2 Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

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Inhalt

Kapitel 6: Iob 28, 1–2a bei Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Zur Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 6.1 Augustins Auslegung von Iob 28, 1ab . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 6.1.1 Der Text der Adnotationes in Iob . . . . . . . . . . . . . . . . 153 6.1.2 Augustins Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 6.1.2.1 Der Kerngedanke der Allegorie . . . . . . . . . . . . 154 6.1.2.2 Einzelerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6.1.3 Zusammenfassung: Lateinischer Text und Übersetzung . . . 168 6.2 Augustins Auslegung zu Iob 28, 2a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.2.1 Der Text der Adnotationes in Iob . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.2.2 Augustins Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.2.2.1 Augustins dreifaches Anliegen . . . . . . . . . . . . . 169 6.2.2.2 Einzelerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.2.3 Zusammenfassung: Lateinischer Text und Übersetzung . . . 177 Kapitel 7: Iob 28, 2b-3a bei Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Zur Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 7.1 Der Text der Adnotationes in Iob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 7.1.1 Der Standardtext nach Zycha . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 7.1.2 Anmerkungen zum Standardtext . . . . . . . . . . . . . . . . 180 7.2 Augustins Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 7.2.1 Augustins Kernthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 7.2.2 Erklärung der These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 7.2.3 Augustins Entfaltung der These: Übergreifende Aspekte . . . 184 7.2.3.1 Die dispositio nach dem Prinzip StollenStollen-Abgesang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 7.2.3.2 Das Verhältnis von Form und Inhalt . . . . . . . . . 186 7.2.3.3 Die elocutio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 7.2.4 Augustins Entfaltung der These: Einzelerklärungen . . . . . 187 7.2.4.1 Stollen 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 7.2.4.2 Stollen 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 7.2.4.3 Abgesang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 7.3 Zusammenfassung: Lateinischer Text und Übersetzung . . . . . . . 208 8. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 8.1 Ergebnisse zu Hieronymus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 8.2 Ergebnisse zu Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Inhalt

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9. Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 9.1 Primärquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 9.1.1 Bibelausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 9.1.1.1 Hebräisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 9.1.1.2 Aramäisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 9.1.1.3 Griechisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 9.1.1.4 Lateinisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 9.1.2 Kirchenväter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 9.1.2.1 Patristische Bibelzitate . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 9.1.2.2 Griechische Kirchenväter zu Iob . . . . . . . . . . . 218 9.1.2.3 Lateinische Kirchenväter (alphabetisch) . . . . . . . 219 9.1.3 Pagane Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 9.1.3.1 Griechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 9.1.3.2 Römer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 9.2 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 10. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 10.1 Zitate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 10.1.1 Bibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 10.1.1.1 Altes Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 10.1.1.2 Neues Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 10.1.2 Antike Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 10.1.2.1 Aramäische Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 10.1.2.2 Griechische und lateinische Autoren . . . . . . . . . . 233 10.1.2.3 Griechische Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 10.1.2.4 Lateinische Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 10.2 Begriffe und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Vorbemerkungen

Vorwort

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine weitere Vorarbeit zu unserem Vorhaben, sowohl die verschiedenen Rezensionen von Augustins Adnotationes in Iob als auch deren in mehreren Revisionsstufen überlieferte Textvorlage, die erste Ijob-Übersetzung des Hieronymus, neu herauszugeben1. Ursprünglich fielen uns die drei hier analysierten Passagen in den Adnotationes dadurch auf, dass sie nicht nur sprachlich schwierige bzw. textkritisch zweifelhafte Formulierungen enthielten, sondern zugleich eine kleine Sequenz zu den augustinischen Kernbegriffen sapientia und prudentia bildeten, in der sich eine schrittweise gedankliche Präzisierung andeutete. Diese Kombination von Problemen der Textkritik mit der Frage nach dem Stellenwert der Adnotationes in der Entwicklung des augustinischen Denkens hat uns den ersten Anstoß gegeben, die drei Stellen im Vorfeld der Edition einer genaueren Analyse zu unterziehen. Diese Arbeit hat sich wie manche archäologische Grabung entwickelt: Man liest eine interessante Scherbe auf und setzt den Spaten an, um den Rest des Gefäßes zu finden, macht dabei aber noch ganz andere Funde, die über die ursprüngliche Fragestellung hinausführen. Typischerweise fällt es dann schwer, die Bedeutung der neuen Beobachtungen sofort und vollständig zu erfassen. Oft bleibt zunächst offen, welche Phänomene von typischer und welche von nur punktueller Bedeutung sind. Wir breiten also in den folgenden Kapiteln zunächst die kleineren und größeren Befunde und Beobachtungen aus, die sich im Verlauf unserer Arbeit ergeben haben, und versuchen erst am Schluss zusammenfassend zu bilanzieren, was wir in dieser Studie insgesamt gewonnen zu haben glauben. Noch zwei weitere Punkte seien hier angesprochen. Zwar nahm die vorliegende Studie ihren Anfang von auffälligen Befunden in den Adnotationes, im Endergebnis ist sie aber nicht allein auf Augustins Ijob-Kommentar fokussiert, sondern weist wie eine Ellipse noch einen zweiten Brennpunkt auf. Dabei handelt es sich ursprünglich um die Klärung der Frage, wie die erste Ijob-Übersetzung des Hieronymus genau lautete, die Augustinus an der jeweiligen Stelle seiner Adnotationes vorfand. Diese Erweiterung des Themas ergab sich aus der Sache selbst: Schon in früheren Arbeiten hatten wir die Erfahrung gemacht, dass ein zutreffendes Verständnis von Augustins Adnotationes nicht ohne die gleichzeitige Rekonstruktion der jeweiligen 1 Vgl. A. Trenkler, Die beiden Rezensionen von Augustins Adnotationes in Iob im Licht von Hieronymus’ erster Ijob-Übersetzung. Genetische Analysen aufgrund der ältesten Codex-Fragmente Inguimbertinus 13 und Ashburnhamianus 95, Diss. phil. FU Berlin 2015 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 111), Göttingen 2017, 11 und G.-D. Warns, Die Textvorlage von Augustins Adnotationes in Iob. Studien zur Erstfassung von Hieronymus’ Hiob-Übersetzung iuxta Graecos, Diss. phil. FU Berlin 2016 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 112), Göttingen 2017, 15.

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Vorbemerkungen

Textvorlage bei Hieronymus zu gewinnen ist2. Umgekehrt führt eine genauere Analyse der Adnotationes immer wieder zu neuen Einsichten über die Versio prior3, die die Notwendigkeit einer aktuellen Edition unterstreichen4. Die Ausgangsfrage nach dem Wortlaut von O. entwickelte dann eine eigene Dynamik, die die HieronymusThematik zum zweiten Schwerpunkt unserer Arbeit werden ließ: Der Wortlaut von O. kann nicht verstanden werden ohne eine vergleichende Untersuchung der möglichen hebräischen und griechischen Textvorlagen; und einmal begonnen, hat sich dieses Unternehmen zu einer Untersuchung aller Varianten ausgeweitet, die Hieronymus überhaupt zu diesen Ijob-Versen entwickelt hat. Schließlich mag man fragen, ob der nicht unbeträchtliche Aufwand, den wir hier zur Klärung von drei doch sehr überschaubaren Passagen getrieben haben, überhaupt der Mühe wert sei. Für uns Autoren zumindest tritt die mit diesen Untersuchungen verbundene Mühsal hinter dem Privileg zurück, den Gedanken und Assoziationen von gleich zwei prägenden Gestalten der christlichen Spätantike auch auf Nebenpfaden nachspüren zu dürfen. Im Übrigen haben wir uns nicht ungewarnt auf dieses Unternehmen eingelassen: Sowohl der Ijob-Übersetzer Hieronymus als auch der Ijob-Kommentator Augustinus haben deutlich genug darauf hingewiesen, wie schwierig ihre Texte sind. So schreibt Hieronymus über das Buch Ijob: Obliquus enim etiam apud Hebraeos totus liber fertur et lubricus et quod graece rethores vocant εσχηματισμενος, dumque aliud loquitur aliud agit, ut si velis anguillam aut murenulam strictis tenere manibus, quanto fortius presseris, tanto citius elabitur5.

Augustinus fand seine Adnotationes in Iob später so schwer verständlich, dass er in den Retractationes schrieb: Suaues enim paucissimis intellegentibus sunt (sc. Adnotationes), qui tamen necesse est offendantur multa non intellegentes, quia nec ipsa uerba quae exponuntur ita sunt descripta in multis locis, ut appareat quid exponatur. Deinde breuitatem sententiarum tanta secuta est obscuritas, ut eam lector ferre uix possit, quem necesse est plurima non intellecta transire6.

Auf gut Deutsch gesagt hielt Augustinus seine Adnotationes in Iob für gründlich misslungen und bedauerte, dass sie gegen seinen Willen publiziert worden waren7. Da er sich auch  – anders als sonst in den Retractationes  – mit keinem einzigen 2 Vgl. Trenkler a. a. O. 49–50 und Warns a. a. O. 15–16. 3 Unter dem Begriff „Versio prior“ fassen wir die verschiedenen Fassungen von Hieronymus’ erster Ijob-Übersetzung zusammen, die dieser selbst vereinfachend als editio iuxta Graecos bezeichnete: Vgl. Trenkler a. a. O. 19–24. Zu den vier Rezensionsstufen O. S. T. (B.) siehe Trenkler ebd. 50. 171 und Warns a. a. O. 31–134. 4 Warns a. a. O. 15–16. 5 Hieronymus, praef. Vulg. Iob (731, 17–20 Weber / Gryson). 6 Augustinus, retr. 2, 13 (100, 5–10 Mutzenbecher). 7 a. a. O. (99, 1–100, 5. 12–13 Mutzenbecher).

Vorwort

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Detail inhaltlich auseinandersetzte, hat er das Werk offenbar nur noch angeblättert, ohne sich die Mühe zu machen, schwierige Gedankengänge noch einmal nachzuvollziehen8. Wenn man nun Augustins Assoziationen und Überlegungen zum Buch Ijob trotz seiner Selbstkritik als seltene Gelegenheit begreift, ihm bei der spontanen oder allmählichen Verfertigung seiner Gedanken zuzusehen9, und angesichts der Forschungslage10 auf eine Neuedition hinarbeitet, kann man sich nicht auf sein oben zitiertes Verdikt zurückziehen, der Leser müsse notwendigerweise plurima non intellecta transire. Denn auch für eine Edition gilt, was Hieronymus von seiner Ijob-Übersetzung iuxta Hebraeos sagte: hoc unum scio non potuisse me interpretari nisi quod ante intellexeram11.

Vor diesem Hintergrund halten wir den Versuch für sinnvoll, die in der vorliegenden Studie versammelten drei Passagen zum lateinischen Ijob möglichst genau so zu rekonstruieren und zu verstehen, wie sie Hieronymus und Augustinus selbst formuliert bzw. verstanden haben. Unser herzlicher Dank gilt den Herausgebern der Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte für die Aufnahme auch dieser unserer Arbeit in ihre Reihe. Berlin, am Fest Allerheiligen 2021

8 Vgl. Trenkler / Warns, Der Mittelteil des 1. Kapitels von Augustins Adnotationes in Iob, in: Vulgata in Dialogue 2, 2018, 68. 9 Vgl. den Hinweis bei Marrou, S. Augustin et la fin de la culture antique, Paris 41958, ­438–439. 10 Vgl. zur Forschungslage Trenkler / Warns, s. v. Adnotationes in Iob, in: Karla Pollmann u. a., Hrsg., The Oxford Guide to the Historical Reception of Augustine, Oxford 2013, 1, 157–158 sowie Trenkler (2017) 48. 11 Hieronymus, praef. Vulg. Iob (731, 22–23 Weber / Gryson).

Zitierweisen Ausgaben, Nachschlagewerke und weitere Sekundärliteratur Die wichtigsten Werke zitieren wir mit den anschließend aufgeführten Abkürzungen und Seitenzahlen. Alle weitere Literatur wird nur mit Verfassernamen, Erscheinungsjahr und Seitenzahl zitiert (Muster: Dhorme (1926) 20). Die vollständigen bibliographischen Angaben finden sich in der Bibliographie. Bibel Verweise auf biblische Bücher und Verse erfolgen mit den Abkürzungen und nach der Zählung der Vulg. Stuttg., ed. Weber / Gryson (52007). Ausnahme: Die Zählung der Ijob-Lemmata folgt der LXX-Ausgabe des Buches Iob von Ziegler (1982). Hieronymus Die verschiedenen Versionen von Hieronymus’ Ijob-Übersetzungen werden mit den Kürzeln O., S., T. (B.) sowie Vulg bezeichnet. Hieronymus’ andere Werke zitieren wir nach den Abkürzungen des Thesaurus Linguae Latinae (s. dessen Index Librorum). Diese Siglen sind auch bei Frede (1995) und Gryson (2007) angegeben. Augustinus Augustins Werke werden nach den Abkürzungen des CAG 2 zitiert. Auf die Adnotationes in Iob verweisen wir statt mit adn. Iob mit dem vereinfachten Kürzel adn. Wir zitieren adn. mit Kapitel, Seite und Zeilen der derzeit noch maßgebenden Ausgabe von Zycha (Muster: adn. 16 (542, 14–19)). Sonstige Primärtexte Für die Werke lateinischer Autoren gelten die Abkürzungen des Thesaurus Linguae Latinae lt. dessen Index Librorum. Die Titel griechischer Autoren werden ohne Abkürzungen zitiert.

Abkürzungen adn. Migne

Adnotationes in Iob, in: Augustini Opera omnia, ed. J.-P. Migne, Bd. 3 (= PL 34), 825–886, Paris 1841. (Nachdruck der Maurinerausgabe von 1688) AL Augustinus-Lexikon, edd. C. Mayer u. a., Basel 1986 ff. Am. Adnotationes in Iob, in: Augustini Opera omnia, ed. J. Amerbach, Bd. 4 (unpaginiert), Basel 1506. (Editio princeps) AT Altes Testament atl. alttestamentlich BH Biblia Hebraica, ed. R. Kittel, Bde. 1–2, Stuttgart 21925. (Liber Iob: ed. G. Beer 1909) BHK Biblia Hebraica, edd. R. Kittel / P. Kahle, Bde. 1–2, Stuttgart 31929 ff. (ND 1945). (Liber Iob: ed. G. Beer 1932) BHS Biblia Hebraica Stuttgartensia, edd. K. Elliger / W. Rudolph / H. P. Rüger, Stuttgart 21983. (Liber Iob: ed. G.  Gerleman 1974) Internetversion: https://www. bibelwissenschaft.de/online-bibeln BiblIndex Index of Biblical Quotations in Early Christian Literature (online) http://www. biblindex.mom.fr BT Bibliotheca Teubneriana, Leipzig-Stuttgart, jetzt Berlin-Boston Budé Collection Budé des Universités de France, Paris CAG 2 Corpus Augustinianum Gissense (CD-ROM), ed. C. Mayer, Basel 22004. Caspari C. P. Caspari, Das Buch Hiob in Hieronymus’s Uebersetzung aus der alexandrinischen Version nach einer St. Gallener Handschrift saec. VIII (Christiania Videnskabs-Selskabs Forhandlinger 1893. No. 4), Christiania 1893. (Editio princeps von S.) CC Corpus Christianorum, Series Latina, Turnhout CD Beuron Vetus Latina Database (CD-ROM), ed. R. Gryson, Turnhout 2002. CSEL Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, Wien etc. Divjak J. Divjak, s. v. Epistulae, in: C. Mayer u. a., Hrsg., Augustinus-Lexikon 2, Basel 2002, 893–1057. Er. Adnotationes in Iob, in: Augustini Opera omnia, ed. Erasmus von Rotterdam, Bd. 4, 885–925, Basel 1528. Frede H. J. Frede, Kirchenschriftsteller. Verzeichnis und Sigel (Vetus Latina 1/1), Freiburg 41995. G griechischer Text des AT: Septuaginta, edd. A.  Rahlfs / R.  Hanhart, Stuttgart 2 2006. Internetversion: https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln GD W. Gesenius / H. Donner, Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, Berlin 182013. Gryson R. Gryson, Répertoire général des auteurs ecclésiastiques latins de l’antiquité et du haut moyen âge (Vetus Latina 1/15), Freiburg 2007. Kollationsbuch Kollationsbuch der Mauriner zu den Adnotationes in Iob im Codex Paris, Bibl. nat. lat. 11654, fol. 93 r.–104 v.12 Lagarde P. de Lagarde, Des Hieronymus Uebertragung der griechischen Uebersetzung des Iob (Mittheilungen, Band 2), Göttingen 1887, 189–237. (Editio princeps von (B.)) Lampe G. W. H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961 (ND 2017). 12 Vgl. Trenkler (2017) 46–47.

24 LCL Lit. Lovv. 1

Vorbemerkungen

The Loeb Classical Library, Cambridge / Mass.-London weitere Literatur Adnotationes in Iob, in: Augustini Opera omnia, edd. Theologi Lovanienses, Bd. 4, 393–416, Antwerpen 1576. Lovv. 2 Adnotationes in Iob, in: Augustini Opera omnia, edd. Theologi Lovanienses, Bd. 4, 393–416, Paris 1651. LSJ Liddell-Scott-Jones, A Greek-English Lexicon, Oxford 91940 (ND 1966). LSJ Suppl. A Revised Supplement to Liddell-Scott-Jones, Oxford 1996. LXX Septuaginta, edd. A. Rahlfs / R. Hanhart, Stuttgart 22006. Internetversion: https:// www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln M masoretischer Text des AT lt. BHS. Internetversion: https://www.bibelwissen​ schaft.de/online-bibeln Martianay J.  Martianay, ed., Hieronymus, Opera Bd. 1, Paris 1693, 1187–1218. (Editio princeps von T.) Maur. Adnotationes in Iob, in: Augustini Opera omnia, edd. Monachi s. Benedicti e congregatione s. Mauri, Bd. 3, 625–680, Paris 1688. („Maurinerausgabe“) Müller H. Müller, s. v. Enarrationes in Psalmos: A: Philologische Aspekte, in: C. Mayer u. a., Hrsg., Augustinus-Lexikon 2, Basel 2002, 804–838. NT Novum Testamentum Graece, edd. E. Nestle / E. Nestle / K. Aland / B. Aland et al., Stuttgart 261979. Internetversion: https://www.bibelwissenschaft.de/onlinebibeln ntl. neutestamentlich OCD The Oxford Classical Dictionary, edd. S. Hornblower / A. Spawforth, OxfordNew York 31996. OCT Oxford Classical Texts, Oxford PL Patrologia Latina, ed. J. P Migne, Paris OLD Oxford Latin Dictionary, ed. P. G. W. Glare, Oxford 22016. Sabatier P. Sabatier, Bibliorum Sacrorum Latinae Versiones Antiquae seu Vetus Italica, Bd. 1, Reims 1743, 825–886. (Edition von T.) SC Sources chrétiennes, Paris T. Migne J. P. Migne, ed., Hieronymus, Opera Bd. 10 (= PL 29), Paris 1846, 59–114. (leicht veränderter Nachdruck der Ausgabe von T. bei Vallarsi) TLL Thesaurus Linguae Latinae, Leipzig etc. 1900 ff. Elektronische Ausgabe: De Gruyter Online – Thesaurus Linguae Latinae (TLL) Online Vallarsi D. Vallarsi, ed., Hieronymus, Opera Bd. 10, Verona 1740, 47–100. (Edition von T.) Vulg. Rom. Ijob-Ausgabe der Römischen Vulgata-Edition: Biblia Sacra iuxta Latinam Vulgatam Versionem iussu Pii PP. XII, Libri Hester et Iob, Romae 1951. Vulg. Stuttg. Vulgata-Edition der Stuttgarter Bibelgesellschaft: Biblia Sacra iuxta Vulgatam Versionem, edd. R. Weber et al. / R. Gryson, Stuttgart 52007. Internetversion: https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln Ziegler J. Ziegler, ed., Iob (Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum, Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum XI, 4), Göttingen 1982. Zy J. Zycha, ed., Sancti Aureli Augustini Adnotationum in Iob liber unus (CSEL 28/2), 509–628, Prag-Wien-Leipzig 1895. * 1. Hand eines Manuskripts

Siglen von Handschriften bzw. Fassungen Hieronymus: Versio prior13 Sigel O. S. T.

(B.)18

Fassung bzw. Handschrift Erstfassung („Original“14): nur noch aus Väterzitaten rekonstruierbar 1. Revisionsstufe15: Sangallensis 11, St. Gallen, Stiftsbibliothek, p. 271–397 2. Revisionsstufe / Endfassung16: Turonensis 18, Tours, Bibl. mun., fol. 57 r.–100 r. (darin zu unterscheiden: T. I: die von Hieronymus erarbeitete Endfassung; T. II: spätere Eingriffe in T. I17) Konflation aus O. und T. II19: Bodleianus, Oxford, Bodleian ­Library, MS. Auct. E. infra 1, fol. 292 v.–303 r.

Jh. Ende 4. Jh. 8. Jh. 11. Jh.

12. Jh.

Augustinus: Adnotationes in Iob20 Sigel A B C F G H I K M

Handschrift Ashburnhamianus 95, Florenz, Bibl. Medicea-Laurenziana Inguimbertinus 13, Carpentras, Bibl. Inguimbertine, fol. 127–138 Colbertinus, Paris, Bibl. nat. lat. 2083, fol. 8 v.–23 v. Floriacensis, Orléans, Bibl. mun. 163, p. 1–31 Sangermanensis, Paris, Bibl. nat. lat. 12206, fol. 56–71 v. Grenoble, Bibl. mun. 202, fol. 227 v.–267 Archives de l’Isère (Grenoble), MS. 1 (G), fol. 106 v.–114 Trecensis, Troyes, Bibl. mun. 610, fol. 31–70 Matritensis, Madrid, Bibl. nac. 437, fol. 181 r.–198 v.

Jh. 9. Jh. 9. Jh. 13. Jh. 11. Jh. 11./12. Jh. 12. Jh. 12. Jh. 12. Jh. 14. Jh.

13 Diese Tabelle folgt Trenkler (2017) 31. Dort ist die Angabe zum Ende von T. zu korrigieren. 14 Zur Bezeichnung s. Trenkler a. a. O. 30. 171 und Warns (2017) 27. 15 Vgl. Warns a. a. O. 105–108. 16 Vgl. Warns a. a. O. 120–122. 17 Vgl. Warns a. a. O. 112–114. 18 Die Klammern um B. sollen darauf hinweisen, dass (B.) kein Zeuge der direkten, sondern der indirekten Textüberlieferung ist. (B.) ist möglicherweise ein erster Editionsversuch: Vgl. Warns a. a. O. 114–115. 19 Vgl. Warns a. a. O. 111–114. 20 Diese Tabelle beruht auf dem Material bei Trenkler a. a. O. 43–44 und 51–54.

26 N O P Q R T U V W X Y Z

Vorbemerkungen

Navarrensis, Paris, Bibl. nat. lat. 17398, fol. 51–74 v. Oxoniensis, Merton College 14, fol. 261 v.–272 v. Parisinus, Bibl. nat. lat. 2102, fol. 143 r.–172 r. Oxoniensis, Merton College 37, fol. 104 v.–124 v. Regius, Paris, Bibl. nat. lat. 2046, fol. 27–57 Trecensis, Troyes, Bibl. mun. 40 III, fol. 23 v.–46 v. Sanvictorinus, Paris, Bibl. nat. lat. 14295, fol. 195 v.–213 Sanvictorinus, Paris, Bibl. de l’Arsenal 350, fol. 88–112 Vaticanus, Urbinas Lat. 84, fol. 211 r.–248 v. Laurentianus, Mediceo-Fesulanus X, fol. 1 r.–25 v. Laurentianus XII. IV, fol. 208 r.–244 Marcianus 1801, fol. 133 r.–152 v.

13. Jh. 14. Jh. 12./13. Jh. 14. Jh. 14./15. Jh. 12. Jh. 14. Jh. 15. Jh. 15. Jh. 15. Jh. 15. Jh. 15. Jh.

Erster Teil: Iob 16, 6

Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus Zur Gliederung Das vorliegende Kapitel nähert sich Hieronymus’ Übersetzungen des Lemmas Iob 16, 6ab in zwei Durchgängen. Im ersten Durchgang rekonstruieren wir die drei Textfassungen, die Augustinus in der Erstfassung O. der Versio prior des Hieronymus vorfand, als er seine Adnotationes in Iob diktierte21. Im zweiten Durchgang versuchen wir, Hieronymus’ Techniken bei der Übersetzung von Iob 16, 6 genauer zu verstehen. Zu diesem Zweck sammeln und vergleichen wir zunächst Hieronymus’ Textvorlagen und analysieren dann vor diesem Hintergrund sein eigenes Vorgehen in den verschiedenen von ihm entwickelten Fassungen.

1.1 Ausgangspunkte für die Klärung des Wortlauts von O. Zur Orientierung des Lesers zitieren wir zunächst die betreffende Passage der Adno­ tationes nach dem überlieferten Wortlaut sowie die verschiedenen Versionen, die Hieronymus für Iob 16, 6 an späteren Stellen vorgeschlagen hat.

1.1.1 Der überlieferte Wortlaut der Adnotationes Augustins Anmerkungen zu Kapitel 16 des Buches Ijob sind nur in der ω2-Rezension der Adnotationes überliefert. Die ω1-Rezension ist dort verloren22; allerdings können einige Details aus kontaminierten Handschriften der ω2-Tradition rekonstruiert werden23. Der derzeitige Standardtext, der im Folgenden an vielen Stellen zu emendieren sein wird, lautet:

21 Zur Erstfassung O. als Augustins Textvorlage in den Adnotationes in Iob s. Trenkler (2017) 30.50.171 sowie Warns (2017). Zu den häufigen Doppel- oder sogar Mehrfachübersetzungen in O. vgl. Warns a. a. O. 32–34. 127–128 u. ö. 22 Zur Bezeichnung der beiden Rezensionen und zum fragmentarischen Charakter der ω1-Rezension s. Trenkler a. a. O. 16–17.49.107 u. ö. 23 Zum Faktum mittelalterlicher Kontaminationen von Hss. der ω2-Tradition aus der ω1-Rezension s. Trenkler a. a. O. 49.137.172–174. Der genaue Umfang dieses Phänomens lässt sich zurzeit immer noch nicht bestimmen.

30

Erster Teil: Iob 16, 6

adn. 16 (542, 14–19): si enim loquar24, non dolebo25 uulnere (Iob 16, 6a): ostenditis26 uos27 neque28 in loquendo neque29 in tacendo prudentes esse. nam sapientes et cum loquuntur, in consolationibus condolescunt30; uel31 in confessione sua32 loquentes dolent uulnus suum uel cum tacent, prudenter tacent.

1.1.2 Hieronymus’ spätere Fassungen Für das Lemma Iob 16, 6ab enthält die Hieronymus-Überlieferung nicht weniger als vier spätere Fassungen: Iob 16

Versio prior: S. Versio prior: T.

Versio prior: (B.)

6a

si enim loquar, si enim loquar, non si enim loquar, non dolebo delebo uulnera non delebo uulnere uulnere

6b

quod si taceam, nihilominus33 terebrabor34

quod si taceam, nihilominus tenebrabor

Vulgata sed quid agam? si locutus fuero, non quiescet dolor meus et si tacuero, non recedet a me

1.2 Der Wortlaut in der Adnotationes-Überlieferung: Fehlerdiagnose Aus dem oben zitierten Text der ω2-Rezension der Adnotationes kann man für Augustins Zitat von Iob 16, 6 aus O. drei Schlüsse ziehen.

1.2.1 Erster Fehler: Das unvollständige Zitat des Lemmas Erstens: Der Text enthält als Lemma nur den ersten Versteil Iob 16, 6a – also die Worte si enim loquar, non dolebo uulnere. Der ω2-Frater hat den zweiten Teilvers Iob 16, 6b zu Unrecht ausgelassen. Er hat bei seiner Redaktion des Textes nicht gesehen, dass Augustinus hier beide Teil-Lemmata eines Ijob-Verses gleichzeitig 24 loquor FGN M: Kontamination aus der ω1-Überlieferung. 25 doleo H GN: Kontamination aus der ω1-Überlieferung. delebo I. 26 offenditis N; ostendistis Maur. (ohne Anmerkung im Kollationsbuch). 27 ostendit istos HI: Entweder Kontamination oder spätere Konjektur. 28 nec Y. 29 nec Y. 30 condelescunt M. 31 et M WXYZ. 32 + et in confessione sua Z. 33 nihilhominus S. nichilominus T. 34 derebrabror S.

Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus

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zitiert und auslegt. Das Stichwort loqui wird in der Auslegung durch sapientes et cum loquuntur wieder aufgenommen. Parallel dazu folgt aber dann die Aussage uel cum tacent. Dieses tacent greift das Stichwort tacere auf, das in Iob 16, 6b steht; dieser Teilvers lautet in der Fassung der Handschriften S. T. der Versio prior lt. der obigen Übersicht: quod si taceam, nihilominus terebrabor. Augustinus hat in den Adnotationes also auch den zweiten Teilvers Iob 16, 6b zitiert.

1.2.2 Zweiter Fehler: Der falsche Wortlaut des Lemmas Noch interessanter ist der zweite Schluss aus der oben zitierten Passage der Adnotationes. Er ergibt sich aus der Beobachtung, dass Augustins Auslegung nicht mit der Fassung des Lemmas vereinbar ist, die der ω2-Frater in den Text gesetzt hat. Denn während die Lesarten si enim loquar bzw. quod si taceam voraussetzen, dass Ijob der Sprecher ist, muss man aus Augustins Auslegung ostenditis uos neque in loquendo neque in tacendo prudentes esse schließen, dass die Subjekte sowohl des Redens (Iob 16, 6a) als auch des Schweigens (Iob 16, 6b) die drei Freunde Ijobs sind35. Augustinus muss demnach in seinem Ijob-Text, also der Erstfassung O. von Hieronymus’ Versio prior, in den beiden Teil-Lemmata Iob 16, 6ab Formen der 2. Ps. Plural von loqui und tacere vorgefunden haben, von denen sich in den ebenfalls oben aufgeführten späteren Versionen des Hieronymus keine Spur mehr findet. Um auch Tempus und Modus dieser Formen der 2. Ps. Plural rekonstruieren zu können, müssen wir zuvor die sonstigen Details klären, die sich für die Erstfassung O. erheben lassen. Zunächst ist aber noch ein weiterer Fehler im oben zitierten Standardtext aufzuweisen.

1.2.3 Dritter Fehler: Die falsche Interpunktion des Lemmas Augustinus deutet Ijobs Aussagen in Iob 16, 1ab als Vorwurf an die Freunde, ihn weder durch ihr Reden noch ihr Schweigen zu trösten. Damit aber der erste Teilvers Iob 16, 6a überhaupt so verstanden werden kann, muss man ihn als rhetorische Frage interpungieren, die die Antwort „Doch!“ herausfordert. Eine erste Rohübersetzung der Fassung, die Augustinus kommentiert hat, muss also etwa lauten: „Wenn ihr redet – werde ich dann keinen Schmerz empfinden?“ 35 HI bieten hier statt ostenditis uos die interessante Variante ostendit istos (sc. Iob amicos), die möglicherweise durch Kontamination die Lesart von ω1 bewahrt. Da die tironischen Kürzel für uos und istos nicht verwechselbar sind (vgl. Chatelain (1900) 68. 69), handelt es sich vermutlich nicht um eine alternative Interpretation einer schwer entzifferbaren Stelle des ursprünglichen Stenogramms, sondern um eine alte diagnostische Konjektur. Aber auch diese Lesart setzt voraus, dass es in dem von Augustinus kommentierten Lemma nicht um das Reden und Schweigen Ijobs, sondern um das Verhalten seiner Freunde ging. (Zu missglückten Eingriffen schon des ω1-Fraters in Augustins Kommentare vgl. Trenkler (2017) 226–246.)

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Erster Teil: Iob 16, 6

1.3 Die drei Übersetzungsvorschläge des Hieronymus in seiner Erstfassung O. Wie sich zeigen lässt, hat Hieronymus auch für das Lemma Iob 16, 6 in seiner Erstfassung O. wieder einmal eine Mehrfachübersetzung vorgeschlagen.

1.3.1 Die vom ω2-Frater eingesetzte Übersetzung Zunächst muss auch die in der ω2-Rezension (sowie in S.) überlieferte Lesart si enim loquar, non dolebo uulnere in O. gestanden haben. S. ist nirgendwo sonst als Quelle für ein Lemma der Adnotationes nachgewiesen und war den Fratres offensichtlich unbekannt36. Die revidierte Endfassung T., die jeder der beiden Fratres häufiger anstelle der Erstfassung O. eingesetzt hat37, kommt im vorliegenden Fall nicht als Quelle in Frage: Wie oben dargelegt, weist T. hier mit si enim loquar, non delebo uulnera einen deutlich anderen Wortlaut auf. Da zumindest die Form delebo in T. alt ist, wie die Übernahme nach (B.) zeigt, kommt nicht T., sondern nur O. als Quelle für den Text in Frage, den der ω2-Frater im Lemma Iob 16, 6a überliefert. Das loquar im si-Satz könnte rein von der Syntax her entweder als Konjunktiv Präsens oder als Futur gedeutet werden. Jedoch zeigt der Parallelismus zu dem si taceam im folgenden Teil-Lemma Iob 16, 6b, das übereinstimmend in S. T.(B.) vorliegt, dass es sich um den Konjunktiv Präsens handelt. Hieronymus hat also die Parallelität der Prädikate der beiden si-Sätze gewahrt, die schon in M und G vorliegt38, und fasst in dieser ersten Übersetzung die Aussage der Nebensätze als Potentialis auf.

1.3.2 Die vom ω1-Frater eingesetzte Übersetzung Eine weitere Übersetzungsvariante für Iob 16, 6a, die nur aus O. stammen kann, weil T. einen anderen Wortlaut bietet, wird in den Spuren fassbar, die die ω1-Rezension durch Kontamination in einigen ω2-Handschriften hinterlassen hat. Während der ω2-Frater im si-Satz von Iob 16, 6a den Konjunktiv Präsens loquar und im Hauptsatz das Futur dolebo wählte, optierte der ω1-Frater in beiden Fällen für den Indikativ Präsens, also loquor und doleo. Bezeugt wird loquor durch die kontaminierten Codices FGN und M; doleo ist in den kontaminierten Codices H und GN überliefert39. Hier werden beide Bedingungsgefüge als Indefinitus verstanden. 36 Vgl. Trenkler a. a. O. 178; Warns (2017) 121–122. 37 Vgl. Trenkler a. a. O. 171–225. 38 Zum Text von M und G vgl. unten die Tabelle S. 37 im Abschnitt 1.4.2.1. 39 Konsequent erfolgte die Kontamination hier also nur in den Codices G und N.

Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus

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1.3.3 Rekonstruktion der von Augustinus kommentierten Übersetzung Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der von Augustinus für das Lemma Iob 16, 6ab in O. vorgefundene Text, der die Prädikate der beiden si-Sätze in der 2. Ps. Plural bot, sogar einen dritten Übersetzungsvorschlag des Hieronymus darstellte. Bisher blieb aber noch offen, in welchem Tempus und Modus diese jedenfalls parallelen Pluralformen gestanden haben. Theoretisch stehen zwei Möglichkeiten zur Wahl. Man könnte entweder in Analogie zu der ω2-Fassung den potentialen Konjunktiv Präsens rekonstruieren und loquamini und taceatis schreiben. Ebenso gut könnte man aber auch in Analogie zur ω1-Rezension einen Indefinitus mit den Indikativen Präsens loquimini und tacetis restituieren. Nun paraphrasiert aber Augustinus in seiner Auslegung der Stelle die si-Sätze des Ijob-Lemmas durch cum-Sätze mit dem Indikativ Präsens. Er schreibt (542, 16–19): sapientes et cum loquuntur […] condolescunt; […] uel cum tacent, prudenter tacent. Weil sich cumSätze mit Konjunktiv aufgrund ihrer ganz anderen Bedeutung nicht für eine solche Paraphrase von si-Sätzen angeboten hätten, liegt der Schluss nahe, dass der Bischof in seiner Vorlage O. die Indikativ Präsens-Formen loquimini und tacetis vorfand und auf dieser Grundlage den Wechsel von si zu cum vollzog40. Letzte Sicherheit ist allerdings nicht zu gewinnen.

1.4 Die Textvorlagen für Hieronymus’ Versionen Bis hierher haben wir – soweit möglich – die Übersetzung rekonstruiert, die Augustinus in der Erstfassung O. des Hieronymus zum Lemma Iob 16, 6 vorgefunden hat. Es erwies sich, dass Hieronymus dort sogar eine dreifache Version vorgeschlagen hat. Um nun aber das Vorgehen des Hieronymus nicht nur zu konstatieren, sondern auch zu verstehen, analysieren wir im Folgenden seine verschiedenen Fassungen im Licht seiner Vorlagen.

1.4.1 Mögliche Vorlagen für Hieronymus’ Ijob-Übersetzungen – ein Überblick Zuvor skizzieren wir noch einmal aus gegebenem Anlass die größeren Zusammenhänge. Wir fassen zusammen, was wir schon an anderer Stelle über Hieronymus’ Vorlagen dargelegt haben, und ergänzen das Bild durch das eine oder andere neue Detail.

40 Für den leichten Übergang zwischen si- und cum-Sätzen im Indikativ vgl. Kühner / Stegmann (1962) 2, 335, Anm. 4.

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Erster Teil: Iob 16, 6

Vor allem möchten wir noch einmal daran erinnern, dass sich Hieronymus bei seinen Revisionen bzw. Neuübersetzungen typischerweise nicht auf eine einzige Vorlage beschränkte, sondern im Streben nach Berücksichtigung möglichst vieler Überlieferungsvarianten oft mehrere ursprachliche Quellen gleichzeitig verarbeitete. So wechselt er teils von Halbvers zu Halbvers von einer griechischen zu einer hebräischen Vorlage und wieder zurück, teils kombiniert er sogar Details aus verschiedenen Quellen zu einem neuen, aus seiner Sicht sinnvolleren Ganzen41. Obwohl dieser überbordende Eklektizismus vor allem in der Erstfassung O. der Versio prior zu beobachten ist und ab deren erster Revision in S. von einem strengeren Methodenbewusstsein eingehegt wird42, gibt es doch auch noch in der Vulgata viele Belege für Hieronymus’ Neigung zur Kombination verschiedener ursprachlicher Quellen43.

1.4.1.1 Die griechische Überlieferung Am deutlichsten wird Hieronymus’ Vorgehen in seiner Auseinandersetzung mit der vielfältigen griechischen Ijob-Überlieferung. Ausgangspunkt seiner Arbeit war Origenes’ Hexapla44, also die monumentale Synopse von hebräischem Urtext, Origenes’ Version der Septuaginta und den drei jüngeren griechischen Übersetzungen von Aquila, Symmachos und Theodotion. Aus diesem Werk übernahm Hieronymus die textkritischen Zeichen, mit denen Origenes die Abweichungen zwischen M und G markiert hatte, in seine Ijob-Übersetzung iuxta Graecos: Obolen für Überschüsse der LXX und Asterisken für die Überschüsse im Hebräischen. Vor allem leitete ihn die Synopse von vier verschiedenen Standardversionen von selbst zum ständigen Übersetzungsvergleich an, zumal in der Hexapla gerade zum Buch Ijob auch noch einzelne Lesarten aus drei weiteren Übersetzungen vermerkt waren45. Damit nicht genug: Neben der von Origenes mit Material aus Theodotion vervollständigten LXX-Version kannte und benutzte Hieronymus auch noch weitere LXX-Rezensionen46. Dabei unterschied er schon zwischen Hauptüberlieferung und Nebenüberlieferungen47. Zu Anfang seiner Ijob-Übersetzungen in der Erstfassung

41 Vgl. Trenkler (2017) 25–26 (Lit.). Für detaillierte Belege vgl. Warns (2017). 42 Vgl. Warns a. a. O. 124–127. 43 Vgl. Trenkler a. a. O. 27–29 mit Anm. 71–79 (Lit.). Wir sehen deshalb die These skeptisch, Hieronymus gebe im Psalterium iuxta Hebraeos eine einzige verlorene hebräische Vorlage wortgetreu wieder, auf die man durch seine Übersetzung rückschließen könne (so jüngst Beriger (2019) 59–64). 44 Der folgende Absatz beruht auf dem Referat bei Trenkler a. a. O. 299–308. 45 Vgl. Field (1875) I, xliv. xlv. lxxv-lxxvi (= Norton / Hardin (2005) 85.88.141–142) zu Hinweisen auf die sog. Quinta und Sexta sowie auf den Hebraeus in Randbemerkungen zum Buch Ijob. 46 Vgl. das Referat bei Trenkler a. a. O. 294–299. 47 Vgl. Warns (2017), bes. Kap. 2.

Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus

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O. war er besonders an eher abseitigen Varianten interessiert; bei seinen Revisionen in den Fassungen S. und T. kehrte er zu besser bezeugten Lesarten der Hauptüberlieferung zurück48.

1.4.1.2 Die hebräische Überlieferung Für das Hebräische kann man zwischen schriftlichen und mündlichen Quellen unterscheiden. Daneben setzt Hieronymus viele Lesarten von ungeklärter Herkunft voraus. Seine schriftliche Hauptvorlage war ein unvokalisierter Konsonantentext, und zwar weithin bereits in der Fassung der Biblia Hebraica (M)49. Daneben wurden Lesarten nachgewiesen, die sonst nur in der babylonischen Tradition oder in Targumen überliefert sind50. Dass auch mündliche Informationen zur hebräischen Überlieferung gerade in seine Ijob-Übersetzungen eingeflossen sind, ergibt sich aus Hieronymus’ eigenen Hinweisen auf seine intensive Zusammenarbeit mit rabbinischen Gelehrten51. Spuren solch späterer jüdischer Auslegungstraditionen finden sich heute in den beiden aramäischen Targumen, die zum Buch Ijob erhalten sind: in dem frühen, nur fragmentarisch erhaltenen Targum aus Qumran52 und dem vollständigen rabbinischen Targum53. Letzteres ist freilich nicht sicher datiert54 und enthält möglicherweise Material aus verschiedenen Epochen55. Jedenfalls überliefern beide Targume unabhängig von ihrer genaueren Datierung jüdische Auslegungstraditionen zum Buch Ijob, deren Spuren auf allen drei Stufen der nachfolgenden Textgeschichte nachweisbar sind: in der Septuaginta, in den jüngeren griechischen Übersetzungen von Aquila, Theodotion und Symmachos und schließlich bei Hieronymus selbst in der Vulgata56. Wenn wir im Folgenden auch nach einem denkbaren Einfluss dieser Targume auf Hieronymus’ erste Ijob-Übersetzung fragen, setzen wir nicht voraus, dass Hieronymus die beiden erhaltenen Targume gekannt hat, sondern rechnen nur mit der Möglichkeit, dass ihm manche der dort überlieferten Varianten bzw. Auslegungstraditionen durch Rabbinen vermittelt worden sein können.

48 Vgl. die Zusammenfassung bei Warns a. a. O. 124–127. 49 Vgl. Trenkler (2017) 28–29. 309. 50 Vgl. Trenkler a. a. O. 29. 310 51 Vgl. Trenkler a. a. O. 29. 309; ferner Kelly (1975) 150 und Fürst (2003) 122. 131–132. ­135–137. 52 Editionen mit Übersetzung und Kommentar: Sokoloff (1974) und York (1974). 53 Übersetzung mit Einleitung und Anmerkungen: Mangan (1991); kritische Ausgabe (unvokalisiert): Stec (1994); ein anderer, vokalisierter Text steht online unter https://www.sefaria.org/ Aramaic_Targum_to_Job. 54 Vgl. Mangan a. a. O. 5–8; der Terminus ante ist ca. 900 n. Chr. (hier S. 6). 55 Vgl. Mangan a. a. O. 8 (Lit.). 56 Vgl. für all diese Bezüge Mangan a. a. O. 7.

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Erster Teil: Iob 16, 6

Die bis hierher genannten schriftlichen und mündlichen hebräischen Quellen des Hieronymus lassen sich mit Hilfe der sonstigen Überlieferung identifizieren. Daneben gibt es aber zahlreiche andere Lesarten, die erkennbar auf eine hebräische Vorlage zurückgehen, aber nur noch im lateinischen Gewand von Hieronymus’ Ijob-Übersetzungen überliefert sind57. Ihre Herkunft lässt sich nicht mehr eindeutig klären. Vor allem war Hieronymus’ hebräische Textvorlage noch nicht vokalisiert, so dass der Übersetzer besonders die Verbformen oft anders konstruiert hat als M. Weitere Differenzen können auf einen abweichenden Konsonantentext oder auf Lese- bzw. Hörfehler zurückgehen. Gerade in seiner Frühzeit scheint Hieronymus auch recht selbstbewusst konjiziert zu haben. Nicht zuletzt ist die hebraistische Kompetenz des Übersetzers nach wie vor strittig und vor allem auch in ihrer Entwicklung bisher kaum erforscht58. So ist gerade zu Beginn seiner Arbeit auch mit Missverständnissen oder Fehlern des Hieronymus zu rechnen.

1.4.1.3 Vetus Latina-Vorlagen Sowohl Hieronymus als auch Augustinus verweisen wiederholt auf das Problem, dass zu ihrer Zeit eine Vielzahl von divergierenden Vetus Latina-Versionen der Bibel im Umlauf war59. In seinen Vorreden sowohl zur Versio prior als auch zur Ijob-Vulgata kritisiert Hieronymus den altlateinischen Ijob zwar für seine Lücken und Fehler und beansprucht, beiden Mängeln in seinen Versionen abgeholfen zu haben60. Er lässt jedoch nicht klar erkennen, ob er dabei nur eine einzige Vetus Latina-Fassung des Ijob oder mehrere im Blick hatte61. Während man bis vor kurzem die erste Möglichkeit für plausibel hielt62, zeichnet sich inzwischen ab, dass Hieronymus auch im Lateinischen mehrere Textvorlagen heranzog. Eine seiner Quellen war die Version, die in den von Ziegler edierten Glossen einiger spanischer Vulgata-Handschriften überliefert ist63; eine weitere altlateinische Vorlage wird in der vorliegenden Studie nachgewiesen werden64. Überdies legen mittlerweile mehrere Bezüge auf charakteristisch abweichende Ijob-Zitate bei früheren oder zeitgenössischen Kirchenschriftstellern wie Cyprian65 oder Ambrosius66 die Hypothese nahe, dass Hieronymus auch in deren Schriften Sonderlesarten im Buch Ijob aufgespürt

57 Belege für die im Folgenden genannten Phänomene finden sich bei Warns (2017). 58 Vgl. Warns a. a. O. 525–526. 59 Vgl. Trenkler (2017) 20–21. 60 Vgl. Vulg. Rom. (1951) 74–76; Vulg. Stuttg. (2007) 731–732. 61 In beiden Prologen spricht er nur vage vom Buch Ijob „apud Latinos“. 62 So schon Berger (1895) 134.136.137 und noch Trenkler a. a. O. 19. 21. 63 Vgl. Ziegler (1980). Für einen ersten Vergleich mit der Versio prior vgl. Warns (2017) 549–562. 64 S. u. Kap. 3, Abschnitt 3.3.2. 65 Vgl. Warns a. a. O. 464–465. 468. 66 Vgl. Warns a. a. O. 465. 467–468 und für einen weiteren Fall unten Kap. 3, Abschnitt 3.2.2.4.

Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus

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und in seinen eigenen Versionen berücksichtigt hat67. Sein Streben nach Auswertung möglichst vieler Vorlagen zeigt sich also zunehmend deutlich auch im Bereich der Vetus Latina-Tradition.

1.4.2 Wortlaut und Verhältnis der Vorlagen für Iob 16, 6 Nach diesem Überblick setzen wir jetzt die Analyse des Lemmas Iob 16, 6ab fort. Wir haben auf zahlreiche Vorlagen hingewiesen, die Hieronymus mehr oder weniger systematisch für seine Ijob-Übersetzungen ausgewertet hat. Davon kommen aber für die Erklärung des vorliegenden Lemmas Iob 16, 6 nicht alle in Betracht: Die Passage fehlt im Targum von Qumran und vor allem auch in der Vetus Latina-Überlieferung68.

1.4.2.1 Masoretischer Text und Septuaginta Die Texte sind wie folgt überliefert: Iob 16 6a

M ‫ׂשְך ּכְ ֵא ִ ֑בי‬ ֣ ֵ ‫ם־א ַד ְּב ָרה ֹלא־יֵ ָח‬ ֲ ֭ ‫ִ ֽא‬

6b

dt.: Wenn ich etwa reden will69, wird nicht zurückgehalten / gelindert werden mein Schmerz; ‫ה־מ ִּנ֥י יַ ֲהֹלֽ ְך ׃‬ ִ ‫ַאח ְּד ֗ ָלה ַמ‬ ְ ‫ְ֝ו‬ dt.: und ich etwa aufhören will72 – was wird von mir weggehen?

G (Interpunktion lt. Ziegler 1982) ἐὰν γὰρ λαλήσω, οὐκ ἀλγήσω τὸ τραῦμα· dt.: Denn wenn ich geredet haben werde, werde ich keinen Schmerz empfinden über die Wunde ;70 ἐὰν δὲ καὶ73 σιωπήσω, τί ἔλαττον τρωθήσομαι; dt.: aber wenn ich auch geschwiegen haben werde, inwiefern werde ich dann weniger verwundet werden?74

67 Vgl. auch den Bezug auf die lateinische Fassung des 1. Clemensbriefes: Warns a. a. O. 467–468. 472. 68 Lt. BiblIndex s. v. Iob 16, 6 und CD Beuron s. v. Iob 16, 7 (sic). 69 Zum Kohortativ im Bedingungssatz als Ausdruck einer eventuellen Absicht vgl. Gesenius / Kautzsch (1909) 332, § 108 e b), zitiert von Fohrer (1988) 280 z. St. 70 Kepper / Witte, Septuaginta Deutsch (2009) 1026 übersetzen glatter: „Denn wenn ich reden werde, werde ich keinen Schmerz empfinden über die Wunde.“ Wir deuten den Aorist der Konjunktive im Sinne der Vorzeitigkeit. Die Listen bei Woo (2011) 103–105 zeigen, dass in der Ijob-LXX in ἐὰν-Sätzen der Konjunktiv Aorist bei weitem häufiger ist als der Konjunktiv Präsens; aber der Autor bietet keine Erklärung dieses Phänomens. 71 Zum Fortwirken der Bedingungspartikel auch auf den parallelen Satz vgl. Gesenius / Kautzsch (1909) 522, § 159 ff 4., zitiert von Horst (1969) 241 z. St.; ebenso Joüon (1923) 517, § 167 p. 72 Vgl. Anm. 69. 73 καὶ om. 249: Ziegler 282. Hs. 249 ist Hauptzeuge der ersten lukianischen Untergruppe: Ziegler 102. 74 Kepper / Witte a. a. O. 1026 übersetzen: „und wenn ich aber schweigen werde, wie werde ich dann geringer verwundet werden?“

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Erster Teil: Iob 16, 6

Wenn wir nach dem Verhältnis dieser beiden Versionen fragen, fällt zunächst auf, wie genau die LXX durch den Eventualis der beiden ἐὰν-Sätze den Sinn der beiden Kohortative in den hebräischen Bedingungssätzen getroffen hat75. Zugleich jedoch hat der griechische Übersetzer den Teilvers 16, 6a so mehrdeutig formuliert, dass ein Leser, der nur über einen Text ohne Interpunktion verfügt und das hebräische Original nicht vor Augen hat, über den gemeinten Sinn ins Grübeln geraten muss. Im hebräischen Text ist der Sinn eindeutig. Zwar haben die beiden Halbverse verschiedene Form – auf einen Aussagesatz folgt eine Frage –, stehen jedoch inhaltlich parallel: Ijob bringt zum Ausdruck, dass sein Schmerz in keinem Fall gelindert wird, ob er nun redet oder schweigt. In der LXX ist die Aussage dagegen im ersten Halbvers nicht mehr so klar wie in M, weil die griechische Syntax doppeldeutig ist. Die Aussage von M, dass das Sprechen keine Linderung für Ijob bringen wird, findet man in G nur wieder, wenn man Vers 16, 6a als rhetorische Frage interpungiert, wie es nach unserer obigen Analyse auch Augustinus mit seiner lateinischen Vorlage tat76. Die Deutung als Frage findet sich auch im griechischen Raum bei dem Arianer Julian77 und ausdrücklich bei Olympiodor78. Es ist aber auch möglich, die LXX-Fassung von Vers 16, 6a als Aussagesatz zu deuten. Vertreter dieser Auffassung sind Johannes Chrysostomos in seinem IjobKommentar79, Rahlfs / Hanhart und Ziegler in ihren Ausgaben80 und die beiden neuesten Übersetzungen der LXX81. Dann besagt der erste Halbvers, dass Ijob, wenn er redet, keinen Schmerz über seine Wunde fühlen wird82. Der zweite Halbvers würde diese Auffassung e contrario in dem Sinn bekräftigen, dass Schweigen 75 Woo a. a. O. 101, Anm. 229 vertritt die These, dass das Futur in der 1. Ps. Sing. hier klar im Sinn einer Voraussage gebraucht sei, gibt aber im selben Atemzug zu, dass es oft fast unmöglich sei, zwischen Absichtserklärung und Voraussage zu unterscheiden. Er äußert sich nicht zum Kohortativ des hebräischen Urtextes, der u. E. hier gegen seine einseitige Interpretation des Griechischen spricht. 76 Vgl. oben Punkt 1.2.3. 77 Vgl. zumindest die Interpunktion bei Hagedorn (1973) 110. 78 Olympiodor schreibt (Hagedorn / Hagedorn (1984) 145 = Hagedorn / Hagedorn, Katenen 2 (1997) 224, Nr. 14): εἶτα ἐρωτηματικῶϚ ἀνάγνωθι· ἐὰν γὰρ λαλήσω, οὐκ ἀλγήσω τὸ τραῦμα; – ἀντὶ τοῦ· ἀλγήσω τὸ τραῦμα. Auch Schleusner 1 (1820) 143 s. v. ἀλγέω erwog die Interpretation als Frage in Parallele zum folgenden Halbvers Iob 16, 6b, ohne sich jedoch festzulegen. 79 Vgl. Hagedorn / Hagedorn (1990) 121. 80 Rahlfs / Hanhart (2006) 2, 298; Ziegler 282. 81 Zur deutschen Version s. o. die Tabelle. Dieselbe Auffassung vertritt Cox (2007) 680. Er übersetzt: „For if I speak, I shall not aggravate my wound, but even if I remain silent, how shall I be wounded less?“ 82 Die Übersetzung „I shall not aggravate my wound“ ist irreführend. ἀλγέω kommt nur intransitiv vor, so dass ein abhängiger Akkusativ nicht als Objekt, sondern als Accusativus Graecus zu konstruieren ist (vgl. LSJ 61; Bauer (1971) 69; Lust (2003) 25). Dagegen ist die Übersetzung des bestimmten Artikels vor „Wunde“ als Possessivpronomen zwar möglich, an der vorliegenden Stelle der LXX aber deshalb nicht optimal, weil erst die drei hexaplarischen Übersetzer das μου aus M ausdrücklich hinzugefügt haben, worauf Origenes durch Asterisk hinwies: Vgl. Ziegler 262 und Woods (2009) 307.

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das Leiden Ijobs jedenfalls nicht erleichtern wird. Insgesamt erscheint das Reden also als therapeutisches Mittel gegen das Leid. Obwohl diese Deutung in sich stimmig ist, widerspricht sie dem hebräischen Urtext, der eindeutig besagt, dass Reden so wenig hilft wie Schweigen. Wir vermuten daher, dass der LXX-Übersetzer den Hauptsatz von Iob 16, 6a ursprünglich nicht als Aussagesatz, sondern als rhetorische Frage aufgefasst wissen wollte. Durch die Frageform wollte er vermutlich schon diesen ersten Halbvers an die in 16, 6b folgende Frage anzupassen. Dieselbe Neigung zur Parallelisierung einer Stelle, an der M bewusst variiert, wird gleich noch an einem anderen Detail deutlich werden83. Möglicherweise hat der LXX-Übersetzer nicht bedacht, dass sein Text aufgrund der zu seiner Zeit noch nicht üblichen Interpunktion auch anders verstanden werden konnte. Wir werden unten sehen, wie sich Hieronymus zu diesem Problem gestellt hat. Seit der Erfindung der Interpunktion lässt sich die Doppeldeutigkeit im Schriftbild nur noch abbilden, indem man ausdrücklich erklärt, warum man ausnahmsweise auf das Setzen von Zeichen verzichtet. Eine weitere Mehrdeutigkeit des LXX-Textes, mit der sich Hieronymus auseinandersetzen musste, war durch die ἐὰν-Sätze gegeben. Als Übersetzung der Kohortative von M waren sie eindeutig als Eventuales zu identifizieren; aber wenn man das hebräische Vorbild nicht vor Augen hätte, könnte man sie ebenso gut auch als Iterativsätze interpretieren84. Wie wir unten sehen werden, war sich auch Hieronymus dieses Umstandes bewusst. Was die Details im Verhältnis von G zu M betrifft, so hat Wutz bestritten, dass der griechische Übersetzer überhaupt den Text von M vorliegen hatte85. So attraktiv seine Vermutung zunächst auch ist, die LXX habe statt der hebräischen Verbform ‫ׂשְך‬ ֣ ֵ ‫ יֵ ָח‬eine Form der in der Targum-Literatur belegten Wurzel ‫„( חׁשׁש‬Schmerz empfinden“86) vorgefunden87, so involviert seine These doch noch so viele weitere Änderungen an M88, dass sie dadurch erheblich an Plausibilität verliert89. Man käme ohne Eingriff in den überlieferten Konsonantenbestand aus, wenn man annähme, der LXX-Übersetzer habe die Form ‫ׂשְך‬ ֣ ֵ ‫ יֵ ָח‬nur anders gedeutet: Statt sie von der Wurzel ‫„( חׂשְך‬zügeln“)90 abzuleiten, hätte er sie mit der Wurzel ‫ חׁשְך‬in Verbindung gebracht, die in unpunktierter Konsonantenschrift mit M identisch ist. Dieses Verb ist im Alten Testament nicht belegt, kommt jedoch im rabbinischen Aramäisch in der Bedeutung „dunkel sein“ vor91. Es handelt sich um das Verb, das zu dem häufi 83 Vgl. gleich unten zur Form ἀλγήσω. 84 Zu dieser Doppelfunktion griechischer ἐὰν-Sätze vgl. Kühner / Gerth (1904) 2, 473–477. 85 Wutz (1933) 368.497.519. 86 Vgl. Levy (1881) 1, 289; Jastrow (1903) 511–512. 87 S. Anm. 85. 88 Für die Details vgl. Wutz a. a. O. 368. 89 Noch weitreichender und gewaltsamer erscheinen Wutz’ Konjekturen zur Stelle in seiner späteren Ijob-Übersetzung (1939) 62 mit Anm. 90 Vgl. GD 404–405. 91 Vgl. Levy (1881) 1, 288; Jastrow (1903) 510.

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gen hebräischen Substantiv ‫ֹׁשְך‬ ֶ ‫„( ח‬Finsternis“) gehört. Da dieses gelegentlich auch „Leid“ heißt92, könnte der LXX-Übersetzer gemeint haben, das Verbum ‫ חׁשְך‬könne auch „leiden“ heißen. In der rabbinischen Überlieferung scheint es dafür allerdings keinen Beleg zu geben. Ferner hat der LXX-Übersetzer nicht die 3. Ps. Sing. Mask. Imperfekt Nif ’al (also eine Passiv-Form) von M wiedergegeben, sondern mit ἀλγήσω stattdessen eine 1. Ps. Sing. Aktiv eingesetzt. Diese Änderung lässt sich schwerlich mit graphischen oder lautlichen Verwechslungen erklären (die Präformative Jod und Aleph für die 3. bzw. 1. Ps. Sing. Imperfekt sind nicht verwechselbar93); vielmehr dürfte ein weiterer Beleg für das schon oben beobachtete Bestreben dieses Übersetzers vorliegen, die beiden Halbverse von Iob 16, 6 in möglichst genaue Parallele zu setzen. Wir erklären uns das Futur ἀλγήσω also als Angleichung an das zweite Hauptverb τρωθήσομαι; zudem ergibt sich zusammen mit den beiden Konjunktiven im Aorist λαλήσω und σιωπήσω ein dreifaches Homoioteleuton. Erleichtert wurde diese Umformung durch die syntaktische Doppeldeutigkeit des Substantivs ‫„( ּכְ ֵא ִ ֑בי‬mein Schmerz“). Im Kontext von M ist das Wort Subjekt; wenn man jedoch das vorangehende Prädikat verändert, kann es auch entweder als Akkusativ-Objekt oder als Adverb aufgefasst werden. Der griechische Akkusativ τὸ τραῦμα spiegelt diese Doppeldeutigkeit wider; denn auch er kann entweder als Akkusativ-Objekt oder als Akkusativus limitationis, also adverbial, konstruiert werden. Mit der Wortwahl τὸ τραῦμα („die Wunde“) deutet die LXX den Ausdruck „Schmerz / Kummer“ von M um und bereitet damit bereits die freie Übersetzung am Ende von Iob 16, 6b τρωθήσομαι („ich werde verwundet werden“) vor. Der bestimmte Artikel τὸ vοr τραῦμα ersetzt in gutem Griechisch das Possessivsuffix „mein“ von M94. Der zweite Halbvers steht dem Hebräischen strukturell näher: Im Teil-Lemma Iob 16, 6b hat der alte griechische Übersetzer zunächst mit σιωπήσω den Sinn des unbestimmteren hebräischen „Aufhörens“ präzisiert95. Am Schluss des Verses hat er dagegen frei nach dem Sinn übersetzt96, aber immerhin die Frageform mit einleitendem τί genau festgehalten und mit dem Komparativ 92 Vgl. GD 408. 93 Wutz (1933) bietet keinen Beleg. Allerdings erwähnt Bickell (1862) 10 unsere Stelle unter anderen Beispielen für die Verwechslung oder Missachtung verschiedener hebräischer Präformative durch den LXX-Übersetzer. Auch Beer (1897) 100 und Dhorme (1926) 209 halten für möglich, dass dieser tatsächlich die 1. Pers. Sing. Imperfekt Qal vorfand. 94 Vgl. Kühner / Gerth (1904) 1, 556; Menge / Thierfelder (1961) 90, Nr. 5. 95 Orlinsky (1962) 126 weist nach, dass der LXX-Übersetzer im Buch Ijob die Wurzel ‫ חדל‬je nach Kontext differenziert wiedergab. Schleusner 5 (1821) 36 s. v. σιωπάω zitiert als Parallele für die Übersetzung von ‫ חדל‬mit σιωπάω II Par 25, 16. 96 Schleusner a. a. O. 315 s. v. τιτρώσκω schreibt zu Iob 16, 6b: „Caeterum sponte apparet, LXX h. l. sensum secutos esse.“ Auch Gerleman (1946) 11 und Woods (2009) 308 sehen hier eine verdeutlichende Paraphrase. Dagegen vermutete Ziegler (1934) 285 (= 1971, [17]) unter Verweis auf Iob 20, 24b einen bewussten Ersatz der Wurzel ‫„( הלך‬weggehen“) durch die Wurzel ‫חלף‬‎ 2 („vernichten, durchdringen“: Vgl. zu dieser Vokabel GD 358).

Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus

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ἔλαττον auch noch das hebräische ‫( ִמין‬wenn auch in anderer syntaktischer Funktion97) anklingen lassen. Das neu eingeführte Verbum τρωθήσομαι (von τιτρώσκω „verwunde“) – ein Lieblingswort des Ijob-Übersetzers gerade an schwierigen Stellen98 – korrespondiert mit dem Stichwort τραῦμα, das im 1. Halbvers statt des he­ bräischen Begriffs „Schmerz / Kummer“ eingeführt worden war. Der Übersetzer hat damit zwar den Akzent von dem seelischen auf das körperliche Leiden Ijobs verschoben, aber den Hauptgedanken beibehalten: Ijob beklagt, dass ihm Schweigen keine Linderung verschaffen wird.

1.4.2.2 Hexapla und rabbinisches Targum Für das Lemma Iob 16, 6a ist nur bezeugt, dass alle drei jüngeren Übersetzer am Ende ein μου nachgetragen haben, um das hebräische Possessivsuffix wiederzugeben. Dieses Detail machte Origenes durch einen Asterisk kenntlich99. Davon abgesehen ist lediglich die Version des Symmachos überliefert, und das auch nur für die Hauptsätze. Iob 16 6a 6b

Hexapla: Fragmente des Symmachos100 οὐκ ἐνδώσει ὁ πόνοϚ μου dt.: wird mein Leid nicht nachgeben τί μου ἀποχωρήσει; dt.: – was wird von mir weggehen?

Rabbinisches Targum101

‫יבי‬ ִ ֵ‫ִיפסֹוק ּכ‬ ְ ‫ִאין ֲא ַמלֵ יל לָ א‬ engl.102: If I speak, my pain does not cease. ‫וְ ֶא ְפסֹוק ַמה ִמנִ י יֵ יזִ ל‬ engl.103: and if I stop, how much104 (of it) leaves me?

Die Abweichungen des Symmachos von der LXX betreffen die beiden Hauptverben und spiegeln griechisches Stilempfinden wider: Der Übersetzer wählt zwei Komposita, die zugleich die Syntax verschlanken – das intransitive ἐνδώσει ersetzt das Passiv von M; die Vorsilbe ἀπο- des Kompositums ἀποχωρήσει kann den einfachen Genetiv μου regieren und vereinfacht so den präpositionalen Ausdruck ‫„( ִמ ִּנ֥י‬von mir“) in M.

97 In M ist ‫ ִמין‬hier Präposition „von“, nicht (wie an anderen Stellen) Vergleichspartikel im Sinn von „als“. Zu diesen beiden Funktionen des Wortes vgl. Grether (1967) 223, § 90a und 202, § 75m. 98 Vgl. Ziegler (1934) 284 (=1971, [16]). 99 Vgl. Ziegler 282. 100 Vgl. Ziegler 282; Woods (2009) 307–308. 101 Quelle: https://www.sefaria.org/Aramaic_Targum_to_Job. (Zugriff vom 9.11.2019). 102 So Mangan (1991) 48. 103 So Mangan ebd. 104 Im Aramäischen steht streng genommen statt „how much“ nur das Äquivalent von „was“ (wie in M).

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Erster Teil: Iob 16, 6

Ob Symmachos im Lemma Iob 16, 6a von der im rabbinischen Targum vorliegenden Tradition beeinflusst ist, ist nicht eindeutig zu klären. Im Targum ist das Prädikat von Vers 16, 6a in zwei Varianten überliefert. Die von Stec gedruckte Lesart105 (eine Passivform der Verbalwurzel ‫ מנע‬mit der Grundbedeutung „wird zurückgehalten werden“106) ist eine wörtliche Übersetzung von M107. Bei der von Stec in den Apparat verwiesenen, aber in der oben angeführten Internetversion im Text gebotenen Alternative handelt es sich um ein intransitives Aktiv der Wurzel ‫ פסק‬mit der Bedeutung „wird aufhören“108. Da diese Lesart dem ἐνδώσει des Symmachos sehr nahe kommt, stellt sich die Frage, ob hier eine Beziehung besteht. Beweisen lässt sich dies nicht; denn auch die ursprüngliche Aussage „ wird zurückgehalten werden“ lässt sich im vorliegenden Kontext kaum anders verstehen als im Sinne von „ er wird aufhören“. Zumindest Jastrow führt die Bedeutung „aufhören“ denn auch für das Passiv von ‫ מנע‬an109. Also können Symmachos und das Targum ihre Versionen auch unabhängig voneinander entwickelt haben.

1.5 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen Da die Vulgata am einfachsten und die Erstfassung O. der Versio prior, die Augustinus als Vorlage diente, am schwierigsten zu verstehen ist, besprechen wir Hieronymus’ verschiedene Versionen in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge.

1.5.1 Vulgata Wir stellen zunächst die Vulgata (in der unser Vers als Iob 16, 7 gezählt wird) neben ihre Hauptvorlage, den hebräischen Text: Iob 16 6a

M ‫ׂשְך ּכְ ֵא ִ ֑בי‬ ֣ ֵ ‫ם־א ַד ְּב ָרה ֹלא־יֵ ָח‬ ֲ ֭ ‫ִ ֽא‬ dt.110: Wenn ich etwa reden will, wird nicht zurückgehalten / gelindert werden mein Schmerz;

Vulgata lt. Vulg. Stuttg. (16, 7ab!) sed quid agam? si locutus fuero, non quiescet111 dolor meus dt.112: Aber was soll ich tun? Wenn ich spreche, wird mein Schmerz sich nicht beruhigen,

105 Stec (1994) 112*. 106 Vgl. Levy (1881) 2, 49 und Jastrow (1903) 802. 107 Zu M s. die obige Tabelle. 108 Vgl. Levy a. a. O. 2, 279 und Jastrow a. a. O. 1200. 109 Jastrow a. a. O. 802. 110 Die deutsche Übersetzung entspricht der obigen Tabelle im Abschnittt 1.4.2.1 auf S. 37. 111 Lt. Vulg. Rom. 135 z. St. lesen fast alle Zeugen das Präsens quiescit. 112 So Oborski, Ijob (2018) 1389. In dieser glatten Verdeutschung ist die Vorzeitigkeit des Nebensatzes nicht mehr erkennbar.

Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus

6b

‫ה־מ ִּנ֥י יַ ֲהֹלֽ ׃ְך‬ ִ ‫ַאח ְּד ֗ ָלה ַמ‬ ְ ‫ְ֝ו‬ dt.: und ich etwa aufhören will – was wird von mir weggehen?

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et si tacuero, non recedet113 a me dt.114: und wenn ich schweige, wird er nicht von mir weichen.

1.5.1.1 Iob 16, 6a Im ersten Halbvers 16, 6a folgt Hieronymus mit dolor meus dem masoretischen ‫ּכְ ֵא ִ ֑בי‬, aber mit quiescet eher dem ἐνδώσει des Symmachos (die wörtliche Übersetzung von M wäre „wird zurückgehalten werden“115). Zwei Details beweisen, dass Hieronymus den hebräischen Text hier im Licht der LXX interpretiert. Zunächst: Nur im Griechischen stehen die Wenn-Sätze von Iob 16, 1ab eindeutig vorzeitig, wie die beiden Konjunktive des Aorists zeigen: Das erklärt die Futur II-Formen si locutus fuero und si tacuero. Ferner ist die Überlieferung der Tempora der beiden Hauptsätze auffällig. Wir haben oben gezeigt, dass der hebräische Text verlangt, die ἐὰν-Sätze im Sinne des Eventualis aufzufassen116. Offenbar aus diesem Grunde drucken sowohl die Stuttgarter als auch die Römische Vulgata in den Hauptsätzen die Futurformen quiescet und recedet, stellen also (vermutlich unter dem zusätzlichen Eindruck der Futur II-Formen in den Nebensätzen) jeweils einen eindeutigen Eventualis bzw. Futuralis her. Nur dem Apparat der Römischen Vulgata zur Stelle kann man entnehmen, dass die Futurformen in den Hauptsätzen lediglich von der 1. Hand des Codex E, also nur ganz schwach bezeugt sind. Die gesamte restliche Überlieferung, angefangen mit den Zitaten bei Julian von Aeclanum und Gregor dem Großen, bietet die Präsensformen quiescit und recedit. Wenn man diese Überlieferungslage ernst nimmt, muss man u. E. akzeptieren, dass Hieronymus hier beide Teilsätze als Iterativgefüge der Gegenwart konstruierte und also an dieser Stelle der Vulgata gerade diejenige Variante der griechischen Überlieferung wählte, die vom hebräischen Original nicht gedeckt war.

1.5.1.2 Iob 16, 6b Im zweiten Halbvers hat Hieronymus die Frageform getilgt, die ihm in M und bei Symmachos vorlag, und hat sich mit der vereinfachten Übersetzung non recedit a me (sc. dolor meus) auf eine sinngemäße Wiedergabe beschränkt117. Dabei spiegelt 113 Lt. Vulg. Rom. 135 z. St. lesen fast alle Zeugen das Präsens recedit. 114 So Oborski, Ijob (2018) 1389. Zum Wegfall der Vorzeitigkeit im si-Satz vgl. Anm. 112. 115 Vgl. die vorstehende Tabelle. 116 S. o. S. 38 mit Anm. 75. 117 Dhorme (1926) 209 ventiliert die These, das hebräische ‫„( מה‬was / inwiefern“) im Vers 16, 6b sei schon in M nicht als Fragewort, sondern (in Analogie zum Arabischen) als Negation aufzufassen. (Dieselbe Auffassung ohne Nennung von Dhorme, aber unter Verweis auf das non recedet a me der Vulgata findet sich bei Hölscher (1952) 41.) Dann hätten die griechischen Übersetzer ihre Vorlage missverstanden.

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Erster Teil: Iob 16, 6

sein recedit a me zwar nicht im Tempus, aber zumindest in der Wortwahl das μου ἀποχωρήσει des Symmachos wider. Wie der LXX-Übersetzer hat also auch Hieronymus die beiden Halbverse syntaktisch parallelisiert. Aber während der LXX-Übersetzer zwei rhetorische Fragen bildete, formuliert Hieronymus zwei Aussagesätze. Offensichtlich zum Ausgleich hat er jedoch die frei formulierte dubitative Frage sed quid agam? vorangestellt: In dieser Weise konnte er nicht nur den einheitlichen Sinn der beiden folgenden Halbverse als Ausdruck von Ijobs Dilemma zwischen Reden und Schweigen verdeutlichen, sondern auch anklingen lassen, dass in beiden Urtexten mindestens je eine rhetorische Frage enthalten war118. Somit sind die Lemmata Iob 16, 6a und b ein gutes Beispiel für den starken Einfluss der griechischen Übersetzungen auf die Vulgata und für Hieronymus’ Technik, charakteristische Details der hebräischen und griechischen Überlieferung in teils freien Paraphrasen miteinander zu verbinden.

1.5.2 Die revidierten Fassungen S. T.(B.) der Versio prior Die folgende Tabelle stellt die revidierten Fassungen der Versio prior in den Codices S. T.(B.) ihrer Hauptvorlage, der LXX, gegenüber. Im Halbvers Iob 16, 6a spiegelt der Wortlaut von S. T.(B.) die Doppeldeutigkeit der LXX als Aussagesatz bzw. rhetorische Frage wider. Da auch Hieronymus noch keine Interpunktion verwandte, konnte er im Schriftbild seiner Versionen beide Deutungsmöglichkeiten offen lassen. Wir verzichten daher in der folgenden Tabelle überall dort auf Interpunktion, wo eine doppelte Auffassung möglich ist. Die auffällig hohe Zahl von Fehlern in den Handschriften zeigt, dass man die Texte als schwierig empfand: Iob 16

LXX

Revisionsfassungen der Versio prior

v. 6a

ἐὰν γὰρ λαλήσω, οὐκ ἀλγήσω τὸ τραῦμα

S. si enim loquar, non dolebo uulnere T. Si enim loquar, non delebo uulnera (B.) si enim loquar, non delebo uulnere

v. 6b

ἐὰν δὲ καὶ σιωπήσω, τί ἔλαττον τρωθήσομαι;

S. = T. Quod si taceam, nihilominus119 terebrabor120. (B.) quod si taceam, nihilominus tenebrabor.

118 Auch dieser Umstand spricht u. E. gegen Dhormes Auffassung, Vers 16, 6b stelle im He­ bräischen keine echte Frage dar. 119 nihilhominus S. nichilominus T. 120 derebrabror S.

Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus

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1.5.2.1 Iob 16, 6a Die Lesart von S. si enim loquar, non dolebo uulnere (die zugleich mit der vom ω2-Frater aus O. in die Adnotationes eingesetzten Fassung identisch ist) folgt mit dem futurischen Prädikat non dolebo, der Wortwahl uulnere (statt dolor) und der Weglassung des Possessivpronomens bei „Wunde“ grundsätzlich der LXX. Jedoch hat Hieronymus die vorzeitigen Konjunktive des Aorists durch lateinische Konjunktive im Präsens ersetzt und damit mehr den potentialen Nebensinn des Eventualis als das Zeitverhältnis ins Zentrum gerückt. Philologische Rechtfertigung für diese Akzentverschiebung konnte er im Hebräischen finden, das in beiden Wenn-Sätzen das Imperfekt mit seinen vielen temporalen und modalen Schattierungsmöglichkeiten bietet. Der für Hieronymus’ Versio prior typische Einfluss des hebräischen Urtextes zeigt sich auch an dem auffälligen Ablativ uulnere, der in allen Handschriften der Adnotationes steht und auch in S. und (B.) auftaucht. Auch dieser Ablativ entspricht  – wie oben erklärt  – dem hebräischen, nicht dem griechischen Urtext. Augustinus selbst konstruiert dolere mit uulnus als Akkusativ-Objekt, so im vorliegenden Kontext mit der Wendung (542, 18) dolent uulnus suum121. Die Fassung von T. dagegen lautet: Si enim loquar, non delebo uulnera. Der Wechsel von dolebo zu delebo und von uulnere zu uulnera deutet darauf hin, dass diese Revision nur noch aufgrund des lateinischen Textes von S. und ohne Rückkontrolle an einem Urtext vorgenommen wurde. Dabei ist delebo vermutlich ein früher Kopierfehler (der nach (B.) übernommen wurde), während der Wechsel vom Ablativ uulnere zum Akkusativ uulnera (der in (B.) noch nicht vorliegt) offensichtlich ein späterer Folgefehler innerhalb der T.-Überlieferung ist, den B. noch nicht vorfand: Man änderte auf einer späteren Textstufe T. III122 uulnere zu uulnera, um das Latein zu normalisieren, da delere nach einem Akkusativ-Objekt verlangt. Die Fassung von (B.) zeigt wieder die typische Mischung von Lesarten aus T. und O.123: Delebo stammt aus T., dagegen der Ablativ uulnere aus O.; denn für O. ist uulnere durch die Überlieferung der Adnotationes bezeugt. Im vorliegenden Fall ergibt diese Kombination von Lesarten in (B.) keinen Sinn124. Es handelt sich also um einen der nicht seltenen Sonderfehler von (B.)125.

121 Ein weiterer Beleg findet sich adn. 19 (549, 14–17): manus enim domini est quae tetigit me (Iob 19, 21b): manu domini se tactum dicit, ut doleret uulnus suum, quod sine sensu ei fuit. Für dolere mit anderen Akkusativ-Objekten vgl. en. Ps. 29, 2, 11; 37, 24; 93, 2; 98, 12; s. Morin 16, 7.Zuweilen ist uulnus in der Junktur dolet uulnus aber auch Subjekt: ep. Io. tr. 9, 4. 122 Vgl. zu den Textschichten T. I und T. II Warns (2017) 108. 112–114, der sich auf Trenkler (2017) 108–111 (dort Beleg 5) sowie 180. 189 (dort Belege 2 und 33) bezieht. 123 Vgl. Warns a. a. O. 111–114. 124 Lagarde 209 setzte in seiner Edition von (B.) deshalb uulnera statt uulnere in den Text. (Der Hinweis im Apparat „uulnere β“ wird irrtümlich als Vers 7 gezählt.) 125 Vgl. Warns, a. a. O. 116–117.

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Erster Teil: Iob 16, 6

1.5.2.2 Iob 16, 6b Dieses Teil-Lemma lautet in S. und T. gleich und dürfte bereits in O. die vom ω2Frater bevorzugte Version des vorigen Halbverses mit dem konjunktivischen si-Satz komplettiert haben: Quod si taceam, nihilominus126 terebrabor127. Hier hat Hieronymus wie später in der Vulgata die Frage der beiden Urtexte zugunsten der sinngemäßen Umschreibung in einen einfachen Aussagesatz umformuliert. In der Wortwahl nihilominus hat er einen fernen Anklang an den griechischen Komparativ ἔλαττον bewahrt. Das Fehlen von et weist darauf hin, dass Hieronymus auch ein Manuskript der ersten lukianischen Untergruppe berücksichtigte128. Mit terebrabor („ich werde durchbohrt werden“) hat er die Aussage des griechischen τρωθήσομαι („ich werde verwundet werden“) weiter zugespitzt. Eine Verwechslung der griechischen Verben τιτρώσκω („ich verwunde“) und τετραίνω („ich durchbohre“) möchten wir ihm nicht unterstellen. B. hat aus dem schwierigen lateinischen terebrabor das häufigere, aber im vorliegenden Kontext sinnlose tenebrabor („ich werde verfinstert werden“) hergestellt. Hier liegt somit ein weiterer Sonderfehler von B. vor.

1.5.3 Die drei Übersetzungsvorschläge in der Erstfassung O. der Versio prior 1.5.3.1 Die in den Adnotationes durch den ω2-Frater überlieferte Fassung Hierzu vergleiche man die obigen Anmerkungen zur Fassung in S., die mit dem vom ω2-Frater gewählten Lemma identisch ist und also auch schon in O. gestanden haben muss, da als Quellen, aus denen die Editoren die Lemmata entnahmen, nur O. oder T. in Betracht kommen129.

1.5.3.2 Die für die Rezension des ω1-Fraters erschließbare Fassung Die für diese Version typischen Indikativ Präsens-Formen in Iob 16, 6a taceo und doleo erklären sich als Wiedergabe des hebräischen Urtextes, dessen Imperfekt-Formen sich nicht nur als Futur, sondern auch als präsentische Verlaufsformen deuten lassen. Für den Hauptsatz von Iob 16, 6b kann man entsprechend die Präsensform terebror vermuten.

126 nihilhominus S. nichilominus T. 127 derebrabror S. 128 S. o. Anm. 73. 129 Vgl. Trenkler (2017) 178.

Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus

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1.5.3.3 Die von Augustinus kommentierte Fassung Die von Augustinus kommentierte Fassung unterscheidet sich von den anderen durch die auffälligen Prädikate loquimini und tacetis (bzw. loquamini und taceatis)130, die statt Ijob dessen Freunde zu Satzsubjekten machen. Für diese Formen der 2. Ps. Plural gibt es keine Vorlagen in überlieferten oder re­konstruierbaren hebräischen oder griechischen Texten. Für ihr Zustandekommen sehen wir zwei Erklärungsmöglichkeiten. Die erste geht davon aus, dass Hieronymus seine Übersetzungen einem Stenographen zu diktieren pflegte131. Nun sind die tironischen Kürzel für die hier strittigen Verbalendungen nur minimal verschieden und damit leicht verwechselbar: Man vergleiche im Indikativ bzw. Konjunktiv Präsens Passiv der 3. Konjugation die Endungen –or und –imini132 (bzw. -ar und –amini133) und ebenso im Indikativ bzw. Konjunktiv Präsens Aktiv der 2. Konjugation die entsprechenden Endungen –eo und –etis134 (bzw. –eam und –eatis135). Wenn also das Stenogramm in Normalschrift umgesetzt wurde, konnte man im Zweifel sein, welche Form Hieronymus gemeint hatte, und zur Sicherheit beide möglichen Formen notieren in der Erwartung, dass der Übersetzer bei der üblichen Revision des Skripts die irrtümlich angenommene Variante streichen werde. Falls diese Streichung im vorliegenden Fall aus irgendeinem Grund unterblieb, konnten beide Lesarten ihren Weg in die publizierte Reinschrift finden, da die Erstfassung O. ohnehin zahlreiche Doppelfassungen enthielt. Diese Erklärung rechnet also mit einem mechanischen Kopier- bzw. Redaktionsproblem im Skriptorium von Bethlehem, Die zweite Erklärungsmöglichkeit besteht in der Annahme, dass Hieronymus hier eine eigene Konjektur entwickelt hat, die ohne Rückbindung an eine urtextliche Vorlage auskam und ausschließlich aus seinem Verständnis des Kontextes erwuchs. Solch ein Fall ließ sich bisher nur selten beobachten, steht aber weder in O. als besonders experimentierfreudiger Version136 noch in der ersten Revision in S. völlig allein137. Eine genaue Parallele für die eben genannte doppelte Erklärungsmöglichkeit – also Lesefehler des Stenogramms oder bewusste Konjektur – liegt vielleicht auch im Lemma Iob 20, 2b vor. Dort stand in der Erstfassung O. möglicherweise neben dem 130 Zu dieser Differenz s. o. Abschnitt 1.3.3 S. 33. 131 Vgl. Trenkler (2017) 109 mit Anm. 11. 132 Chatelain (1900) 80. 133 Chatelain a. a. O. 81. 134 Chatelain a. a. O. 75. 135 Chatelain a. a. O. 77. 136 Schon in O. als Zweitfassung eingeführt und in T.(B.) allein festgehalten wurde die Lesart iustitiam statt des ursprachlichen iniustitiam im Lemma Iob 35, 14: Vgl. Warns (2017) 179–180. 137 In S. hat Hieronymus den einhellig überlieferten Begriff numerabiles im Lemma Iob 36, 27a zu innumerabiles geändert und auch in T. festgehalten (Trenkler a. a. O. 181; Warns a. a. O. 74–75). Ein auf S. beschränktes Experiment derselben Art liegt möglicherweise in der Lesart firmitatem statt des überlieferten infirmitatem im Lemma Iob 37, 7b vor (Warns a. a. O. 307–308).

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Erster Teil: Iob 16, 6

Plural intellegitis, der auf den Urtexten beruht, als Zweitübersetzung schon der Singular intelligis, der keinen ursprachlichen Anhalt hat, aber besser zum Kontext passt und deshalb von Hieronymus auch in seine Endfassung T. übernommen wurde138. Auch die Doppelung intellegitis – intelligis könnte ursprünglich durch die Ähnlichkeit der tironischen Endungen –itis und –is im Indikativ Präsens der 3. Konjugation zustande gekommen sein139. Weil jedoch Augustinus die Ijob-LXX auch an offensichtlichen Problemstellen seines lateinischen Ijob-Textes nicht konsultiert hat140, konnte er in solchen Fällen nicht entscheiden, welche Lesart die ursprüngliche war. Unsicher bleibt zum Lemma Iob 16, 6ab auch die Frage, ob Augustinus aus O. die Prädikate der beiden Hauptsätze im Präsens oder im Futur zitiert hat. Man könnte höchstens an den – bisher nicht erklärten – auffälligen Umstand erinnern, dass Augustinus von den Doppelübersetzungen in O. fast ausschließlich die Version nach dem Griechischen zu kommentieren pflegte141. Das würde im vorliegenden Fall für die Futurformen dolebo und terebrabor sprechen, die sich in der ω2-Rezension finden, denn die Präsensformen doleo und terebror, die der ω1-Frater las, beruhen auf dem hebräischen Urtext. Aber ein sicheres Urteil lässt diese Erwägung nicht zu. Damit ist auch in diesem Detail keine eindeutige Rekonstruktion des ursprünglichen Wortlauts der Adnotationes möglich.

1.6 Fazit zu Hieronymus’ Übersetzungen des Lemmas Iob 16, 6 Zunächst einmal bestätigen die vorstehenden Textvergleiche zum Lemma Iob 16, 6 eine ganze Reihe von früheren Ergebnissen. Generell hat Hieronymus in der Regel jeden Halbvers eines Bibeltextes als eigene Einheit betrachtet, übersetzt und oft auch mehrfach revidiert. Dabei hat er – anders als von ihm selbst behauptet – nicht entweder nur den griechischen oder den he­ bräischen Urtext zugrunde gelegt, sondern meist Elemente sowohl griechischer als auch hebräischer Vorlagen miteinander kombiniert. Was die Erstfassung O. der Versio prior betrifft, so bestätigt sich auch am Beispiel von Iob 16, 6, dass sie schon wesentlich auf dem hebräischen Text beruhte, dass sie Doppel- oder Mehrfachübersetzungen enthielt und dass die Fratres, die die beiden Rezensionen der Adnotationes schufen, nicht immer die von Augustinus ausgelegte Fassung des Lemmas in den Text gesetzt haben. Ferner zeigt sich erneut, dass man in solchen Fällen die Textvorlage aus O., die Augustinus tatsächlich kommentiert 138 Vgl. Warns a. a. O. 193–194. 139 Chatelain (1900) 75. In seiner Tabelle schreibt der Autor dort für die 2. Pers. Pl. irrtümlich – it statt –itis. 140 Augustinus hat nicht versucht, seinen Zweifel, ob im Lemma Iob 36, 32a in manibus oder inmanibus zu lesen sei (adn. 36 (593, 3–7)), durch einen Blick auf den griechischen Text zu beheben: so schon Marrou (1958) 426, Anm. 3. 141 Vgl. Warns (2017) 527.

Kapitel 1: Iob 16, 6 bei Hieronymus

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hat, zwar in vielen Einzelheiten, aber doch nicht mit völliger Sicherheit rekonstruieren kann. Bestätigt wird auch der Wegfall der Doppelfassungen auf der ersten Revisionsstufe in S. sowie der Charakter von B. als fehlerträchtiger Konflation aus O. und T.II. Neu ist der Nachweis einer Textschicht T.III, die später ist als (B.). Von speziellem Interesse ist insbesondere die Form der Prädikate loquimini und tacetis (bzw. loquamini und taceatis), die keine urtextlichen Vorlagen haben und den ursprünglichen Sinn der Stelle völlig verändern. Hier liegt noch nicht genug Vergleichsmaterial vor, um entscheiden zu können, ob diese Formen eher als Kopierfehler des Stenogramms oder als bewusste Konjekturen des Übersetzers zu erklären sind.

Kapitel 2: Iob 16, 6 bei Augustinus Zur Gliederung In den vorliegenden Editionen von Augustins Adnotationes in Iob enthält die Passage, in denen der Bischof das Lemma Iob 16, 6 zitiert und kommentiert, eine Reihe von Versehen, die auch die Übersetzer irregeführt haben. Wir müssen daher im Folgenden zunächst diese Probleme ausräumen, bevor wir Augustins Auslegung im Einzelnen erklären können.

2.1 Zum Text der Adnotationes in Iob 2.1.1 Der bisher erreichte Zwischenstand der Emendation Zwei Kernprobleme der Textüberlieferung der Adnotationes begegneten uns schon im vorigen Kapitel: die irrtümliche Beschränkung des Ijob-Lemmas auf den ersten Halbvers Iob 16, 6a sowie die Wahl der falschen Varianten aus O. bei dem Prädikat des si-Satzes. Um dem Leser den Überblick zu erleichtern, führen wir hier nochmals den derzeit gültigen Standardtext der ω2-Rezension nach Zycha an, allerdings bereinigt um die bisher schon geklärten Versehen: (542, 14–19): si enim loquimini, non dolebo uulnere (Iob 16, 6ab): ostenditis uos neque in loquendo neque in tacendo prudentes esse. nam sapientes et cum loquuntur, in consolationibus condolescunt; uel in confessione sua loquentes dolent uulnus suum uel cum tacent, prudenter tacent.

2.1.2 Weitere Korrekturen Aber damit sind die Probleme noch nicht erschöpft, die der Text der Adnotationes in der Form aufwirft, wie er in den Handschriften überliefert ist und in den bisherigen Editionen gedruckt wird.

2.1.2.1 Syntax und Interpunktion von Iob 16, 6a In der überlieferten Fassung ist der erste Teilvers Iob 16, 6a im Lateinischen nicht eindeutig. Wenn man ihn als Aussagesatz interpretiert, heißt er „Falls ihr redet, werde ich keinen Schmerz durch meine Wunde fühlen.“ Es wird dann ausgesagt, dass Ijobs Schmerz durch den Zuspruch der Freunde getilgt wird. Es ist aber auch möglich,

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den Hauptsatz als rhetorische Frage aufzufassen „Falls ihr redet – werde ich dann keinen Schmerz durch meine Wunde fühlen?“ Dann ergibt sich der gegenteilige Sinn: Alles Reden der Freunde wird Ijob nicht über seinen Schmerz hinweghelfen. Was nun Augustinus betrifft, so hat er den Teilvers Iob 16, 6a als Frage in dem Sinn aufgefasst, dass auch das Reden (so wenig wie das Schweigen) nicht gegen Ijobs Schmerz hilft. Das ergibt sich aus seiner Ijob in den Mund gelegten Formulierung (542, 15–16), die Freunde verhielten sich dem Leidenden gegenüber weder im Reden noch im Schweigen in kluger Weise. Also muss der Satz non dolebo uulnere in den Adnotationes als rhetorische Frage interpungiert werden. Der irrtümliche Wegfall des Teilverses Iob 16, 6b in der ω2-Rezension hat dazu geführt, dass dieses Details in den bisherigen Editionen und Übersetzungen nicht richtig aufgefasst wurde142.

2.1.2.2 Syntax und Interpunktion der Auslegung Die vorliegende Passage enthält in der bisherigen Überlieferung noch zwei weitere falsche Interpunktionen, die auf einem Missverständnis von Augustins Syntax beruhen. Sie betreffen die Erklärungen, die Augustinus für seine Exegese (542, 15–16) ostenditis uos neque in loquendo neque in tacendo prudentes esse anführt. Wie sich zeigen lässt, unterscheidet er drei Punkte. Sie sind etwas kompliziert verschachtelt, weil der zweite Gesichtspunkt auf eine Assoziation zurückgeht, die den sonstigen Gedankengang als Parenthese unterbricht. Zudem stiftet Augustinus  – der hier sichtlich extemporiert – auch dadurch Verwirrung, dass er die Editoren durch ein doppeltes uel dazu verführt hat, zwei Aussagen als gleichwertige Auswahlangebote aufzufassen, die in Wirklichkeit auf syntaktisch und gedanklich verschiedenen Ebenen liegen. Im Detail stellen sich die Verhältnisse folgendermaßen dar: Augustinus unterscheidet beim Reden der sapientes zwei verschiedene Situationen: Sie sprechen entweder in consolationibus oder in confessione sua. Daraus folgt, dass das von Zycha hinter loquuntur gesetzte Komma falsch ist: Es gehört hinter in consolationibus. Ein zweites Interpunktionsproblem wird durch das doppelte uel in Zeilen 17 und 18 aufgeworfen. Zycha interpungiert dort so, als stünden die beiden uel syntaktisch und inhaltlich parallel. Das ist aber nicht der Fall: In Wirklichkeit ist die Grobstruktur des Gedankens – entsprechend den Stichworten loqui und tacent der beiden Teil-Lemmata Iob 16, 6 a-b – durch die parallelen cum-Sätze mit ihren finiten Prädikaten et cum loquuntur […] uel cum tacent vorgegeben143. Das erste uel 142 Diesem Missverständnis sind alle bisherigen Übersetzer erlegen. In chronologischer Folge: 1. L’Abbé Joyeux (1866) 604; 2. Cosgaya (1992) 56; 3. Tarulli (1999) z. St.; 4. Lienhard (2016) 647. 143 Das et vor cum loquuntur korrespondiert also mit dem uel vor cum tacent und heißt nicht „sogar“, wie Cosgaya (1992, 56) mit seinem incluso al hablar übersetzt. Derselbe Fehler begegnet auch in der englischen Version (2016, 647), die überdies mit Zycha das Komma vor in consolationibus setzt und den Teilsatz folgendermaßen wiedergibt: „for the wise, even when they speak, suffer in their consolations.“

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mit seinem Partizip loquentes steht also nicht parallel zum folgenden Nebensatz uel cum tacent, sondern stellt eine Parenthese dar, die eine Ergänzung zum Thema des Redens der sapientes enthält. (Auf den gedanklichen Hintergrund dieser Assoziation gehen wir unten im Punkt 2.3 genauer ein.)

2.1.3 Der rekonstruierte Text Als Konsequenz dieser Überlegungen lässt sich Augustins ursprünglicher Text jetzt wie folgt rekonstruieren: (542, 14–19) si enim loquimini – non dolebo uulnere? (Iob 16, 6a) : ostenditis uos neque in loquendo neque in tacendo prudentes esse. nam sapientes et cum loquuntur in consolationibus, condolescunt (uel in confessione sua loquentes dolent uulnus suum), uel cum tacent, prudenter tacent.

2.2 Augustins Auslegung des Lemmas 2.2.1 Das Verhältnis der Begriffe prudentes und sapientes Zunächst fällt auf, dass Augustinus hier die Begriffe prudentes und sapientes so gut wie synonym verwendet: Die Freunde lassen es sowohl im Reden wie im Schweigen an der prudentia fehlen, die das Verhalten von sapientes kennzeichnen würde. Diese Gleichsetzung von prudentia und sapientia kann nicht auf eine einzige Quelle zurückgeführt werden. Sie begegnet sowohl an mehreren von Augustinus zitierten Stellen der lateinischen Bibel144 als auch in solchen Zusammenhängen, in denen Cicero, Ambrosius und Hieronymus über die vier Kardinaltugenden sprechen145. Schon bei Platon schwankt die Bezeichnung der intellektuellen Haupt-Tugend146 zwischen σοφία147 und φρόνησιϚ148, und schon bei ihm werden beide Begriffe

144 Vgl. diu. qu. 59, 2: Im Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen (Mt 25, 1–13) spricht Augustins Bibeltext in vv. 2 und 4 von prudentes und anschließend in vv. 8–9 von sapientes. Zitat von Prv 3, 13 in c. Adim. 19: beatus uir, qui inuenit sapientiam, et inmortalis, qui uidet prudentiam. Zitat von Mt 11, 25 in conf. 7, 27 und cons. eu. 2, 80: abscondisti enim haec a sapientibus et prudentibus et reuelasti ea paruulis. Zum Zitat von Eph 1, 8 quae (sc. gratia dei) abundauit in nos in omni sapientia et prudentia, das Augustinus erst später anführt, s. u. Anm. 160. – In den drei letztgenannten biblischen Texten steht sapientia / sapientes vor prudentia / prudentes. 145 Vgl. zum Folgenden Klein (1976) 695–696 (Lit.). 146 Vgl. für die folgenden Verweise auf Platon auch noch Elm (2002) 340–343. 147 Platon, Politeia 4, 428b. 429a. Im ganzen Abschnitt 427e-429a geht es um die πόλιϚ σοφή. Vgl. zur σοφία schon Protagoras 330a. 148 Platon, Politeia 4, 433b; vgl. Menon 88b-c und Phaidon 69a-c.

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einmal einander gleichgestellt149. Cicero nennt diese Kardinaltugend zunächst prudentia150, später sapientia151. An prominenter Stelle verbindet er beide Begriffe schließlich auch zu einem Hendiadyoin152. Apuleius spricht mit Blick auf die Kardi­ naltugenden nur vereinzelt von prudentia allein153 und bevorzugt stattdessen das Hendiadyoin prudentia / sapientia154; zuweilen differenziert er auch zwischen sapientia und prudentia155. Ambrosius, Hieronymus und Augustinus bevorzugen den Begriff prudentia als lateinisches Äquivalent der φρόνησιϚ156, setzen aber ebenfalls diese prudentia zuweilen mit sapientia gleich157. Augustinus unterscheidet darüber hinaus in seinen Frühschriften zwischen der Kardinaltugend der prudentia und Christus als der göttlichen Sapientia158. Dagegen koppelt er in den Confessiones – wie hier in den Adnotationes – die beiden Begriffe, als seien sie synonym159. Ähnliche Belege finden sich auch noch in seinen Spätschriften, und zwar sowohl in Bibelzitaten160 als auch in eigenen freien Formulierungen161. Für die vorliegende 149 Platon, Euthydemos 281d. 150 Cicero, inv. 2, 159–160. Augustinus hat die ganze Passage in diu. qu. 31 exzerpiert. 151 Cicero, fin. 1, 42–43.46.50. 152 Cicero, off. 1, 15 verweist auf die erste von ihm referierte Kardinaltugend als in qua sapientiam et prudentiam ponimus. 153 Plat. II, I. 154 Plat. I, VIII. XIV; II, VI. IX. XXIV. 155 Plat. II, IV: sapientia als Gegenteil von imperitia, prudentia als Gegenteil von fatuitas; ibid. II, VI: sapientia als disciplina divinarum humanarumque rerum, prudentia als scientia intellegendorum bonorum et malorum. 156 Ambrosius, parad. 3, 18–19; off. 1, 24, 115; in Luc. 5, 62.66.68. Hieronymus, epist. 66, 3 zählt die vier Kardinaltugenden prudentia, iustitia, fortitudo und temperantia auf. Auch Augustinus spricht fast nur von prudentia als Kardinaltugend: Acad. 1, 20; mor. 1, 46; lib. arb. 1, 27; trin. 6, 6; 14, 12; ep. 155, 10; ciu. 5, 20 u. ö. 157 Ambrosius wechselt zwischen prudentia und sapientia (bzw. sapiens) in off. 1, 25, 117–118. In 1, 25, 119–121 benutzt er nur noch die Begriffe sapientia bzw. sapiens. Hieronymus: Nach der in der vorigen Anm. zitierten Aufzählung der vier Kardinaltugenden in epist. 66, 3 bezieht er sich auf die prudentia mit der rhetorischen Frage zurück: quid enim eo sapientius, qui contempta mundi stultitia Christum secutus est, dei uirtutem et dei sapientiam (I Cor 1, 24)? Augustinus fragt in ciu. 4, 20 in einem Katalog der Kardinaltugenden anaphorisch: quare prudentia, quare sapientia nulla numinum loca meruerunt? 158 mor. 1, 25; mus. 6, 52; uera rel. 29–30; vgl. lib. arb. 2, 52. 159 Er schreibt über den Manichäer Faustus conf. 5, 10: ideo illis uidebatur prudens et sapiens, quia delectabat eos loquens. Er dürfte damit anspielen auf Ciceros Formulierung off. 1, 16: qui maxime perspicit, quid in re quaque uerissimum sit, quique […] celerrime potest et uidere et explicare rationem, is prudentissimus et sapientissimus rite haberi solet. 160 Eph 1, 8: quae (sc. gratia dei) superabundauit in nobis in omni sapientia et prudentia, von Augustinus zitiert praed. sanct. 35. 36; perseu. 15, jeweils ohne auf das Verhältnis beider Begriffe zueinander einzugehen. 161 s. 296, 11 (datiert 29.6.411: Gryson 249): dicitur tibi – ecce una uoluntas domini tui: thesaurizate uobis thesaurum in caelo, ubi neque tinea neque aerugo neque comestura exterminat, et ubi fures non effodiunt, neque furantur (Mt 6, 20). tu in terra, ille in caelo, dicens tibi: mihi da, ibi habeto thesaurum, ubi ego sum custos, mitte ante te: quid seruas? quod custodit Christus, numquid tollit Gothus? tu contra, prudentior scilicet et sapientior domino tuo, non nisi in terra thesaurizare uis.

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Untersuchung ist dieses Thema deshalb von besonderem Interesse, weil sich zeigen wird, dass Augustinus im weiteren Verlauf der Adnotationes zwischen diesen Begriffen schrittweise genauer differenziert hat162. Die Auseinandersetzung mit dem Buch Ijob hat ihn also zu einer Klärung seiner Begriffe angeregt.

2.2.2 Die Kritik am Reden der Freunde (542, 16–17) nam sapientes […], cum loquuntur in consolationibus, condolescunt

2.2.2.1 Die Ablehnung der stoischen These sapiens non dolet Zunächst einmal wendet sich Augustinus hier gegen die bekannte stoische These, der sapiens empfinde kein Mitleid163. Augustinus begnügt sich in den Adnotationes damit, die christliche Gegenthese zu formulieren. Erst in einer späteren Predigt erläutert er den engen Zusammenhang zwischen rechtem condolere und consolari genauer164. Allerdings hatte er schon in De moribus ecclesiae die stoische Behauptung mit grundsätzlichen Argumenten bestritten165 und kam auf dasselbe Thema auch später wiederholt ausführlich zurück166. Mehrfach argumentiert er mit Paulusstellen, um den christlichen Standpunkt zu legitimieren: Rm 12, 15 gaudere cum gaudentibus, flere cum flentibus167, I Cor 9, 20 factus sum Iudaeis tamquam Iudaeus, ut Iudaeos lucrifacerem168, I Cor 9, 22 factus sum infirmis infirmus, ut infirmos lucrifacerem; omnibus omnia factus sum, ut omnes lucrifacerem169 und II Cor 11, 29 quis infirmatur et ego non infirmor?170 Insofern scheint Augustins Aussage über das Mitleiden der sapientes keiner weiteren Erklärung zu bedürfen.

Ebenso ciu. 4, 32: hominum uelut prudentium et sapientium negotium fuit populum in religionibus fallere. Wie Cicero stellt Augustinus in seinen eigenen Formulierungen den Begriff prudens vor den Begriff sapiens, wie es dem Gesetz der wachsenden Glieder entspricht. 162 Vgl. dazu unten in dieser Studie Kap. 4.5 sowie Kap. 6.1.2 und 6.2.2. 163 Referiert bei Cicero, Tusc. 3, 21 fin.; vgl. ac. 1, 38 fin. 164 en. Ps. 93, 9 (Datierung umstritten: Müller 820, aber jedenfalls nach adn.): […] quomodo qui uult aliquem consolari, nisi condoleat cum illo, non illum erigit; prius cum illo dolet, et sic eum reficit sermone consolatorio. si autem intret ad illum ridens luctum eius, non facit quod modo lectum est, dicente apostolo: gaudere cum gaudentibus, flere cum flentibus (Rm 12, 15). ergo ut gaudeat tecum, prius fles cum illo; contristaris cum illo, ut reficias eum. Vgl. noch ep. 40, 4. 6 (an Hieronymus). 165 mor. 1, 53–54. 166 ciu. 9, 5; 14, 7–9; Io. eu. tr. 60, 3; s. 348, 3; vgl. ep. 104, 16. 167 en. Ps. 93, 9; ep. 99, 1; 130, 4. 168 ep. 40, 4. 169 ep. 40, 6. 170 ep. 40, 6; 208, 1.

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2.2.2.2 condolescunt bei Augustinus im Licht der consolatio-Tradition Wenn man allerdings die vorhandenen Übersetzungen vergleicht171, zeigt sich doch ein bisher ungelöstes Problem: Will Augustinus sagen, wie es der spanische Übersetzer auffasst: „Denn wenn die Weisen ihre Stimme in Trostversuchen erheben, fühlen und äußern sie ihr Beileid“172? Oder meint er mit condolescunt vorsichtiger nur „empfinden sie Mitgefühl“, wovon die sehr freien französischen und italienischen Versionen ausgehen173? Oder handelt es sich bei diesen beiden Auffassungen gar nicht um eine klare Alternative? Um diese Fragen mit Gewissheit zu beantworten, reichen die wenigen Belege für das seltene Verb condolescere, die sich im CAG174 und im TLL175 finden, nicht aus. An den beiden anderen Augustin-Stellen heißt condolescere – mit offensichtlicher Betonung des con- – „jemandes Schmerz mit ihm teilen“. Der TLL weist für diese Nuance nur noch eine Tertullian-Stelle nach176. Es handelt sich also um einen christlichen Sprachgebrauch. Vor allem aber zeigen die augustinischen Parallelen zwar, dass es bei condolescere um echtes seelisches Mitleiden geht, enthalten aber ebenso wenig wie die vorliegende Stelle der Adnotationes einen Hinweis zur Klärung unserer Frage, ob sich dieses Mitgefühl notwendigerweise auch explizit in Worten äußern muss oder gegebenenfalls als selbstverständliches Motiv für den Trostversuch auch unausgesprochen bleiben kann177. Um zu verstehen, was Augustinus hier genau meint, versuchen wir deshalb, eine Lösung durch einen Seitenblick auf seine eigene Praxis in consolationibus178 und einen Vergleich mit den Gepflogenheiten der wichtigsten lateinischen sapientes unter Heiden und Christen179 zu finden.

171 Die in Anm. 143 zitierte englische Übersetzung (2016) ist verfehlt und wird deshalb hier nicht weiter berücksichtigt. 172 Cosgaya (1992) 56: „Los sabios, incluso al hablar, muestran su condolencia con palabras de consuelo.“ 173 L’Abbé Joyeux (1866) 604: „En effet si le sage veut parler, c’est pour prendre en pitié le malheureux et le consoler.“ Ähnlich auch Tarulli (1999) z. St.: „Infatti gli uomini sapienti anche parlando prendono parte al dolore e cercano di consolare.“ 174 Das CAG 2 notiert außer unserer Stelle in adn. nur noch zwei weitere Belege: mor. 1, 53: quis ignoret ex eo appellatam esse misericordiam, quod miserum cor faciat condolescentis alieno malo? und s. 348, 3: secundum sanitatem huius mortalitatis sana caro cum pungitur dolet. qualis est et animus secundum istam uitam bene affectus, qui compunctus laborantis miseria, condolescit misericordia. 175 TLL 4.0.155.57 ff. s. v. condolesco. Einschlägig sind hier die Belege ZZ. 68–75 de misericordia. 176 TLL 4.0.155.73–74: Tertullian, anim. 5 (304, 30–305, 1 Reifferscheid / Wissowa): […] animam compati corpori, cui laeso ictibus uulneribus ulceribus condolescit. 177 Dies bleibt auch unklar in der Auslegung von Iob 19, 13c (548, 20–21): et amici mei inmisericordes facti sunt, wo Augustinus die Ausdrücke condolent proximis suis und eos potius inrident einander gegenüberstellt. 178 Vgl. zur consolatio bei Augustinus Beyenka (1950, Lit.) und Duval (1994, Lit.). 179 Vgl. Favez (1937, Lit.), Beyenka a. a. O. 1–30 (Lit.) und Kassel (1958, Lit.).

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2.2.2.2.1 Augustins Aussage im Spiegel seiner eigenen Briefe Die Lektüre der von Augustinus überlieferten Trostbriefe legt zunächst nahe, die Texte nach ihrem Anlass in zwei Gruppen einzuteilen. In der einen spendet der Bischof Trost und Rat zu allen möglichen Problemen des Lebens oder des kirchlichen Amtes180. In der anderen Gruppe handelt es sich um Kondolenzschreiben zu Todesfällen181. Auffälliger Weise ist die zweite Gruppe mit drei Briefen deutlich kleiner als die erste mit ihren zehn Schreiben. Zudem hat Augustinus alle drei Kondolenzbriefe nicht aus eigenem Antrieb, sondern erst auf die Bitte oder die Initiative von Hinterbliebenen hin verfasst182. Vielleicht hätte er also vorgezogen, dieses literarische Genre ganz dem dafür berühmten Hieronymus183 zu überlassen. Was nun ausdrückliche Bekundungen von persönlichem Mitgefühl betrifft, unterscheiden sich die beiden Gruppen. In den Trostschreiben zu verschiedenen Problemen finden sich solche Äußerungen in den meisten184, aber nicht in allen Fällen185. In der zweiten Gruppe, also den eigentlichen Kondolenzbriefen, fehlen Beileids­ bekundungen dagegen wider Erwarten ganz186. Wenn also der Sprecher in der einzigen Leichenpredigt, die Augustinus von manchen Gelehrten zugeschrieben wird187, nicht nur sein eigenes Beileid äußert188, sondern so weit geht zu sagen, dass er vor Schmerz kaum sprechen kann189, scheinen uns diese Details eher gegen die Autorschaft des Bischofs zu sprechen. 2.2.2.2.2 Augustinus und die lateinische consolatio Ein Vergleich zwischen Augustins drei Kondolenzbriefen und den consolationes der lateinischen Tradition zeigt, dass der Bischof mit seiner konsequenten Haltung, jedenfalls in eigentlichen Kondolenzbriefen auf die Bekundung persönlichen Beileids zu verzichten, fast allein steht.

180 epp. 78; 99; 111; 173; 203; 208; 243; 248; 249; 264. 181 epp. 92, 259 und 263. Vgl. Favez (1944) 65–68 und Beyenka a. a. O. 96–102. 182 So schon Beyenka (1950) 96. Vgl. Augustins ausdrückliche Hinweise: ep. 92, 1; 259, 1; 263, 1. 183 Zu Hieronymus s. u. S. 59–60. 184 Augustinus, ep. 78, 4.6.7 (cf. auch 3. 9); 99, 1; 111, 1 (cf. 7); 173, 1; 208, 1; 243, 1; 264, 1. 2. 185 Augustinus, ep. 203; 248; 249. 186 In ep. 259, 3. 5 variiert Augustinus den Topos stattdessen in raffinierter Umkehrung: Statt wie erwartet mit dem Witwer die Trauer über den Tod der Gattin zu teilen, teilt er mit der Verstorbenen die Trauer über die sexuellen Ausschweifungen des Witwers, die dessen Seelenheil gefährden. 187 s. 396 (in assumptione episcopi). Bei Gryson 256 auf den 17.4.419 datiert und für genuin erklärt. Zur Echtheitsdebatte vgl. Beyenka a. a. O. 94–96. Demgegenüber sind die drei von Possidius im Elenchus X6 verzeichneten Leichenpredigten, die alle verstorbenen Bischöfen gewidmet waren, verloren: Vgl. die Nachweise bei Beyenka a. a. O. 93 mit Anm. 85–87. 188 s. 396, 1: uos quidem, fratres, consolatorem quaeritis: sed etiam nos consolandi sumus. […]. non possumus per infirmitatem nisi contristari. 189 s. 396, 2: exhortari uos ad fidelem prudentiam multis uerbis fortasse possemus, nisi et nos dolore humano uix loqui sineremur.

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Die meisten klassischen Autoren verstanden sich nicht als reine Stoiker. Deshalb gehören knappe Bekundungen ihres Mitempfindens zu den üblichen Topoi in den consolationes eines Cicero190, Ovid191 und Statius192. Besonders berühmt ist der Brief des Servius Sulpicius Rufus an Cicero zum Tod seiner Tochter Tullia193. Dieser ist für die vorliegende Frage nach dem genauen Sinn des condolescere der sapientes vor allem deshalb interessant, weil sich Cicero in seiner Antwort nicht nur mehrfach für den fast gleich großen Kummer des Sulpicius bedankt194, sondern auch dessen sapientia hervorhebt195. Möglicherweise hat Augustinus also bei seinem Hinweis auf die sapientes konkret auch an Sulpicius gedacht. Das spräche hier für die Übersetzung „die Weisen äußern ihr Beileid“. Trotzdem verzichten schon Cicero und Statius in manchen Fällen darauf, ihr Mitgefühl ausdrücklich zu formulieren196. Dann spricht jedoch schon der ganze Tenor ihrer Texte für ihre Zuwendung und ihr Mitgefühl. Solche Zurückhaltung beim Aussprechen des συμπαθεῖν wurde von den antiken Theoretikern der consolatio direkt empfohlen, wenn die Gefahr bestand, die Trauer der Hinterbliebenen noch weiter zu verstärken197. Die Flexibilität eines Cicero und Statius zeigt sich ansatzweise sogar bei Seneca. Dieser hat zwar, stoischer Lehre gemäß, in den meisten seiner Trostschriften jede Äußerung persönlichen Mitgefühls vermieden198, aber trotzdem gelegentlich das 190 Cicero, fam. 5, 17, 1; 5, 19, 1; cf. Att. 12, 10. Diese beiden Briefcorpora Ciceros sind in Augustins Werken nicht nachweisbar: Hagendahl (1967) 1, 167 und 2, 751. Hagendahl folgert a. a. O. 2, 570, Augustinus habe an Ciceros Briefen nur geringes Interesse gezeigt. Jedoch weist Hagendahl selbst darauf hin, dass das Fehlen von Zitaten nicht ausschließt, dass Augustinus bestimmte A ­ utoren bzw. Werke kannte. Er schreibt (a. a. O. 2, 690): „The fact that he“ (sc. Augustine) „neither mentions nor quotes an author need not mean that he did not know him; there is every reason to surmise that his reading was more extensive than is to be seen from his writings.“ Dies gilt auch für die folgenden in unserem Text und den Anmerkungen genannten Stellen aus Ovid, Statius und Seneca. 191 Ovid, Pont. 4, 11, 9–10. Ovid wird bei Augustinus zwar kaum genannt, dürfte ihm aber angesichts seines professionellen Interesses an Dichtung nicht unbekannt gewesen sein: so Hagendahl (1967) 1, 468 f. und 2, 691. 192 Statius, silv. 2, 1, 17–18. 35; 2, 6, 14–15; vgl. die Variation des Topos in 3, 3, 39–42. Statius kommt bei Hagendahl (1967) gar nicht vor. 193 Bei Cicero, fam. 4, 5. Vgl. den Kommentar und die Testimonien zum Nachleben bei Kassel (1958) 98–103. 194 Cicero, fam. 4, 6, 1: in me consolando non mediocrem ipse animi dolorem adhibuisti; me […] societas paene aegritudinis […] consolatur. Vgl. noch den Ausdruck […] prope aeque dolendo […]. 195 Cicero, ebd.: […] tu tali sapientia praeditus […]. 196 Vgl. Cicero, fam. 6, 3; ad Brut. 1, 9 und Statius, silv. 5, 1 im Licht des Vorspruchs. 197 Vgl. Kassel a. a. O. 51–52. 198 So in dial. 6 (Ad Marciam), 11 (Ad Polybium) und 12 (Ad Helviam matrem); epist. 93. 99. Bisher hat man nur wenige Seneca-Zitate bei Augustinus nachgewiesen, darunter keine aus den Dialogi sowie aus den Epistulae nur 107, 10–11: Siehe Hagendahl (1967) 1, 245–249 für die Testimonien und 2, 676–680 für die Erörterung von Senecas Einfluss auf Augustinus. Hagendahl kommt zu dem Ergebnis (2, 680), Augustinus habe sich nur sehr wenig für Seneca interessiert. Für ein vermutlich aus Seneca entlehntes Detail s. u. Kap. 6, S. 165 mit Anm. 765.

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stoische Dogma als lebensfremd kritisiert199 und auch in einem Kondolenzbrief ausnahmsweise seine eigene Anteilnahme zum Ausdruck gebracht200. Ein ähnlich differenziertes Bild zeigt sich auch bei Augustins christlichen Zeitgenossen. Ambrosius201 verzichtete, als es die seelsorgerliche Situation einmal gebot, auf den Ausdruck persönlichen Mitleids202, obwohl er im selben Schreiben eine andere Passage des Sulpicius- Briefes an Cicero imitierte203. Andererseits204 fand er sogar in so hochoffiziellen Werken wie den Nachrufen auf die Kaiser Valentinian II.205 und Theodosius206 bewegende und ungewöhnlich ausführliche Worte für seinen persönlichen Schmerz207. In gleicher Weise äußerte sich auch Paulinus von Nola208 in beiden consolationes209. Besonders variabel verfuhr Hieronymus210: Er verfasste nicht nur weit mehr consolationes als alle anderen genannten Autoren211, sondern gewann auch dem Topos persönlichen Beileids neue Nuancen ab: Zwar übte auch er mehrfach den bewussten Verzicht212, brachte aber noch häufiger sein Mitgefühl zum Ausdruck – und zwar oft viel ausführlicher und beredter als bis dahin üblich213. Darüber hinaus entwickelte er die Variante, seine persönliche Betroffenheit in das Versprechen zu kleiden, das Andenken der Verstorbenen in all seinen eigenen künftigen Werken lebendig zu erhalten214. Er wandelte damit den bekannten anti 199 In seiner Consolatio ad Polybium (dial. 11, 18, 5) konzediert er: et scio inueniri quosdam durae magis quam fortis prudentiae uiros, qui negent doliturum esse sapientem. hi non uidentur mihi unquam in eiusmodi casum incidisse, alioquin excussisset illis fortuna superbam sapientiam et ad confessionem eos ueri etiam inuitos compulisset. 200 epist. 63, 1. 16. Auch Favez (1937) 131 mit Anm. 2 kennt keine weitere solche Stelle. Zugleich vermittelt er den irreführenden Eindruck, diese Ausnahme sei auch für die anderen heidnischen Autoren repräsentativ. 201 Vgl. Favez a. a. O. 18–23. 202 epist. VIII (39) (1, 66–70 Faller). Der Brief ist lt. Frede 100 nicht datiert. 203 epist. VIII (39), 3 imitiert [Cic.] fam. 4, 5, 4: Nachweis bei Faller 1, 67–68. Vgl. noch Beyenka (1950) 12. 27 und Kassel (1958) 101. 204 Ausdrücke eigenen Beileids stehen in epist. LI (15), 1. 10 (2, 60. 65 Faller / Zelzer). Auch dieser Brief ist lt. Frede 101 nicht datiert. 205 obit. Valent. 26–29. 79 (342–344. 366–367 Faller). Datiert 392 lt. Frede 108. 206 obit. Theod. 33–37, bes. 35–36 (388–391 Faller); cf. 55 (400 Faller). Datiert 395 lt. Frede 108. 207 Die sehr persönlichen Klagen in den beiden Nachrufen auf seinen Bruder Satyrus (vgl. dazu Favez (1937) 18–20) müssen hier beiseite bleiben, weil der Verfasser Ambrosius zugleich der Hauptleidtragende war. 208 Vgl. Favez a. a. O. 32–33. 209 epist. 13, 1–3 (1, 300–307 Skeb); datiert a. a. O. 32 auf 396 (früh); carm. 31, 7–12 (308 v. Hartel; von Skeb (1998) 32 auf Ende 393/Anfang 396 datiert). 210 Vgl. Favez (1937) 23–32. 211 Es handelt sich um die zehn Briefe epist. 23, 39, 60, 66, 75, 77, 79, 108, 118, 127. Die epist. 23 bis 66 datieren aus den Jahren 384 bis 397, waren Augustinus also zur Zeit der Abfassung der Adnotationes vielleicht bekannt. Möglich ist das auch noch für epist. 75 bis 79 aus der Zeit 397/400. (Alle Datierungen nach Frede 513–515.) 212 epist. 23; 79; 118. 213 Besonders epist. 60, 1.2.5.7. 13; 108, 27–28.30.32; ferner epist. 39, 1. 2; 66, 1; 75, 1; 77, 9; 127, 1. 214 epist. 39, 8; 60, 19 fin.; 108, 33; vgl. 75, 5.

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ken Topos ab, dass die Dichter Unsterblichkeit verleihen215. So kann nur ein Autor sprechen, der fest mit der Unvergänglichkeit der eigenen Werke rechnet216. Solche selbstverliebten Anwandlungen217 sind Augustinus fremd. Sein durchgängiger Verzicht in Kondolenzbriefen auf Bekundungen eigener Betroffenheit zugunsten der Konzentration auf die theologisch-seelsorgerlichen Aspekte scheint uns am ehesten mit der Haltung Cyprians in seiner consolatio anlässlich einer Pestepidemie in Karthago vergleichbar zu sein218. Als christliche Seelsorger legen beide Bischöfe alles Gewicht darauf, dass auch der Tod als Durchgang zum ewigen Leben kein Grund zum Trauern ist. Trotzdem bleibt Augustins Zurückhaltung auffällig, denn er kondolierte ja ganz bestimmten, ihm zumeist bekannten219 Einzelpersonen, während sich Cyprian an die gesamte Gemeinde von Karthago wandte. 2.2.2.2.3 Lösungsvorschlag zur Bedeutung des condolescunt Aus der Durchsicht der bei Augustinus und in der lateinischen Tradition überlieferten heidnischen und christlichen consolationes geht hervor, dass die meisten Autoren explizite Äußerungen ihres persönlichen Beileids sehr flexibel eingesetzt haben. Sie haben also die antike Mahnung zur Behutsamkeit in diesem Punkt beherzigt220. Bei Augustinus zeichnet sich ein deutlicher Unterschied je nach den Anlässen seiner Trostbriefe ab: Konsequenter als andere verzichtet er gerade in seinen wenigen Kondolenzschreiben auf ausdrückliche Äußerungen seines Beileids; dagegen lässt er in Trostbriefen zu anderen Problemen solche Zurückhaltung nur teilweise walten und bringt in der Mehrzahl seine persönliche Anteilnahme zum Ausdruck. In den Adnotationes differenziert Augustinus in seiner Formulierung sapientes […], cum loquuntur in consolationibus, condolescunt aber gerade nicht zwischen ver 215 Das antike und mittellateinische Material samt Literatur ist gesammelt von Zwierlein (2004) 591–594. Zwierlein hebt (hier 593) die für diesen Topos typischen dum-Sätze hervor. Diese finden sich – durch Anapher gesteigert – auch bei Hieronymus in epist. 39, 8 (1, 308 Hilberg): Itaque dum spiritus hos artus regit, dum uitae huius fruimur commeatu, spondeo promitto polliceor: illam (sc. Blesillam) mea lingua resonabit etc. 216 In epist. 39, 8 (1, 308 Hilberg) beansprucht er weltweite und dauernde Geltung: Quocumque sermonis nostri monumenta peruenerint, illa (sc. Blesilla) cum meis opusculis peregrinabitur. […] Breue uitae spatium aeterna memoria pensabit. Vgl. zur Erwartung der aeterna memoria auch epist. 60, 11 (1, 562 Hilberg): breui libello amicitias nostras aeternae memoriae consecraui. 217 Noch die Deminutiva opuscula bzw. breuis libellus in den eben in Anm. 216 zitierten Texten, die man gern für Bescheidenheitstopoi halten möchte, zeugen noch von Selbstbewusstsein: Selbst solche (angeblichen) Kleinschriften reichen aus, um einem Hieronymus die Unsterblichkeit zu sichern. 218 Cyprian, De mortalitate, veranlasst durch die Pestepidemie von 252/253 (Frede 420). Vgl. Favez (1937) 17–18. Augustinus hat Cyprians mortal. gekannt: Vgl. die Nachweise bei Beyenka (1950) 69. 219 Vgl. Beyenka a. a. O. 96. 220 Vgl. außer den Stellen bei Kassel (1958) 51–52 noch Hieronymus’ Hinweis, dass es für den Verfasser einer consolatio keineswegs selbstverständlich war, worüber zu sprechen und worüber zu schweigen sei. Er formuliert in seinem Kondolenzbrief epist. 60, 5 (datiert 395/7: Frede 514): Quid agimus, anima? quo nos uertimus? quid primum adsumimus? quid tacemus?

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schiedenen Anlässen für eine consolatio, sondern formuliert eine allgemeine Regel. Diese ergibt sich aus seiner Kritik an den von den Freunden Ijobs vorgebrachten Tröstungen. In diesen fehlt jeder spezifische Bezug auf den Tod von Ijobs Kindern. Stattdessen geht es immer nur um Ijobs Verlust von Vermögen, Gesundheit und sozialem Rang. Aus Augustins Sicht handelt es sich also im Falle Ijobs nicht um Trost in einem eigentlichen Trauerfall, in dem er selbst den völligen Verzicht auf Beileidsbekundungen übte, sondern um sonstige Problemfälle, in denen er eher dazu neigte, seine Anteilnahme explizit zu bekunden. Wenn man also den vorliegenden Kontext der Adnotationes, Augustins eigenes flexibles Verhalten in vergleichbaren trostbedürftigen Situationen und nicht zuletzt auch die Praxis der sonstigen Latein-sprachigen sapientes berücksichtigt, konvergieren alle Beobachtungen in dem Schluss, dass die eingangs zitierten Übersetzungen dem Sinn des strittigen condolescunt noch nicht gerecht werden: Beide bisher vorgeschlagenen Deutungen (sowohl „die Weisen äußern explizit ihre Anteilnahme“ als auch „die Weisen empfinden lediglich stummes Mitgefühl“) sind zu einseitig. Angemessen ist vielmehr eine Interpretation von Augustins Regel für „kluges Trösten“, die weder fordert noch ausschließt, dass die sapientes ihr Mitgefühl äußern, die aber zugleich – gegen die Stoiker – deutlich macht, dass die sapientes auf jeden Fall Mitleid empfinden. Wir schlagen deshalb für Augustins These in den Adnotationes die vermittelnde Übersetzung vor: „Wenn die Weisen bei Trostversuchen sprechen, lassen sie ihr Mitgefühl spüren.“

2.2.3 Die Kritik am Schweigen der Freunde (542, 16–19) nam sapientes […], cum tacent (sc. in consolationibus), prudenter tacent Bisher ging es Augustinus um den Fall, dass sich sapientes in trostbedürftigen Situationen zu Wort melden. Er verwies darauf, dass sie in solchen Fällen jedenfalls Mitgefühl empfinden, ließ aber die Möglichkeit offen, dass sie es nicht explizit zum Ausdruck bringen. Es handelte sich bisher also nur um den bewussten Verzicht auf einen einzelnen Topos einer typischen consolatio221. Jetzt fasst der Bischof dagegen die viel weitergehende Möglichkeit ins Auge, dass die sapientes in Fällen, in denen eine consolatio eigentlich geboten wäre, auf eine Äußerung völlig verzichten, und behauptet mit der Formulierung sapientes […] prudenter tacent, dass auch solch ein Verhalten von Klugheit zeugen könne. Gleichzeitig wirft er den Freunden Ijobs vor, in ihrem Schweigen solche Klugheit vermissen zu lassen. Er unterscheidet also in consolatio-Situationen zwischen klugem und unklugem Schweigen.

221 Zu den consolatorischen Topoi vgl. Favez (1937) 62–73. 101–167 und Kassel (1958) 51–98 (in der Form eines Kommentars zur Consolatio ad Apollonium des Ps.-Plutarch). Belege zur Bekundung persönlichen Mitleidens finden sich bei Favez 131–138 und Kassel 51.

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Der Gedanke sapientes prudenter tacent ist zunächst einfach ein Gemeinplatz, der Augustinus auch sonst geläufig ist222. Der Topos kann auf zwei Quellen zurückverfolgt werden: Seneca führt die Verhaltensweise (neben frugaliter cenare) mehr beiläufig als banale Alltagsweisheit an223. Aus der Bibel kommt Prv 11, 12b (LXX) uir autem prudens tacebit in Betracht. Dieser Bezug auf die biblische Weisheitsliteratur liegt hier nahe224, weil Augustinus an der vorliegenden Stelle von sapientes und ihrer prudentia spricht. In den Adnotationes wendet Augustinus den Topos auf den Spezialfall der consolatio an. Mit seinen antithetischen Formulierungen (542, 15–16) uos […] neque in tacendo prudentes esse und (542, 16–19) nam sapientes […] cum tacent, prudenter tacent macht er auf die Problematik aufmerksam, die das Schweigen bei Trostversuchen mit sich bringt. Stellen aus zwei Kondolenzbriefen des Paulinus von Nola und des Hieronymus erlauben, die gemeinten Schwierigkeiten zu präzisieren. Paulinus beginnt epist. 13225 mit dem Hinweis, die gebührende Zeit des Schweigens eingehalten zu haben226, verwahrt sich aber anschließend gegen das Missverständnis, er habe sich durch sein recht spätes Schreiben schuldig gemacht227. Hieronymus entschuldigt später im Kondolenzbrief epist. 127228 sein zweijähriges Schweigen mit den Worten: epist. 127, 1 (3, 145 Hilberg): Nam ut hucusque reticerem et biennium praeterirem silentio, non fuit dissimulationis, ut male aestimas, sed tristitiae incredibilis, quae ita meum obpressit animum, ut melius iudicarem tacere in praesentiarum, quam nihil dignum illius laudibus dicere.

Er wehrt hier den offenbar naheliegenden Verdacht ab, er habe die Todesnachricht verdrängt oder nicht wahr haben wollen, und erklärt sein Schweigen mit der Größe seiner Trauer, die seine Kreativität gelähmt habe. Um also durch Schweigen klug zu trösten, musste die Dauer der Zurückhaltung richtig bemessen229, das Schweigen gerade noch rechtzeitig gebrochen230 und nicht zuletzt gegenüber den Leidtragenden nachträglich gerechtfertigt werden. 222 c. Max. 2, 26, 14: noli per multa quae te nihil adiuuant, euagari: elige prudenter tacere quam inaniter loqui, quando non inuenis quid respondeas manifestissimae ueritati; ciu. 12, 21: quae si uera essent, non solum tacerentur prudentius, uerum etiam (ut quo modo ualeo dicam quod uolo) doctius nescirentur. 223 Seneca, epist. 113, 20. 224 Augustinus zitiert den Vers sonst nur im Speculum 7. 225 Von Skeb (1998) 32 auf „396 (früh)“ datiert. Vgl. schon Favez (1937) 32. Bei der Abfassung der Adnotationes hatte Augustinus diesen Brief also möglicherweise erst kürzlich gelesen. 226 epist. 13, 1 (1, 300 Skeb): Ut hactenus tacendi tempus congrua humilitate seruaui, ita nunc debita caritate loquendi tempus agnoui. 227 epist. 13, 2 (1, 302 Skeb): Sed si forte id ipsum culpae magis quam gratiae iudicetur, quod tardius fungar officio caritatis […]. 228 Datiert 412/4: Frede 516. 229 Darauf machte auch die antike Theorie der consolatio aufmerksam: Vgl. Favez (1937) 47–48 und vor allem Kassel (1958) 52–53. 230 Vgl. die von Kassel a. a. O. 53 zitierte Zuspitzung dieses Punktes durch Laurence Sterne im Tristram Shandy.

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2.2.4 Kritik der Exegese Augustins Wie oben ausgeführt, beruht Augustins Exegese von Iob 16, 6 in den Adnotationes auf einer lateinischen Übersetzung, die keinen Anhalt im Urtext hat231. Damit könnte man seine Ausführungen von vornherein auf sich beruhen lassen. Weil jedoch der Bischof bewusst gerade diese Fassung statt der anderen beiden, die Hieronymus für Iob 16, 6 in seiner Versio prior zur Wahl stellte232, als Basis für seine Exegese wählte, hat er sie offensichtlich für besonders interessant gehalten. Deshalb ist es legitim, zum Schluss zu fragen, wieweit seine Formulierungen über kluges Reden und Schweigen in Situationen, die nach consolatio verlangen, als Auslegungen des Buches Ijob tragfähig sind. Im Ergebnis kommen wir zu keinem eindeutigen Urteil. Augustinus legt Ijob den Vorwurf in den Mund, die Freunde, die sich nach Iob 2, 11 ja ausdrücklich dazu verabredet hatten, Ijob durch ihren Besuch zu trösten233, neque in loquendo neque in tacendo prudentes esse. Den Freunden wird also sowohl im Reden als auch im Schweigen jede Klugheit abgesprochen. Diese umfassende Kritik entspricht jedoch auf den ersten Blick nicht dem Text des Ijob-Buches.

2.2.4.1 Die Kritik am Reden der Freunde Augustinus versteht Ijobs Äußerungen so, dass das Reden der Freunde (Iob Kap. 3 ff.) prudentia und condolescere vermissen lässt, und macht sich diese Deutung offenbar zu eigen. Die drei Redegänge der Freunde mit Ijob werden in den Kapiteln 3 bis 31 breit entfaltet. Dazu kommen noch die Elihu-Reden ab Kapitel 32. Die Kritik, das Reden der Freunde lasse Klugheit und Mitleid vermissen, trifft zu. Denn die Freunde finden nicht nur kein Wort des Mitleids mit Ijob, sondern setzen in ihren Reden auch voraus, dass sie tatsächlich kein Mitleid empfinden: Sie nehmen vielmehr aufgrund des Tun-Ergehens-Zusammenhanges ohne weiteres an, dass Ijob selbst an seinem Leiden schuld sein müsse und deshalb kein Mitleid verdiene. Diese Meinung der Freunde wird am Schluss des Ijob-Buches von Gott selbst als sündhaftes Fehlurteil kritisiert (Iob 42, 7–8). Insofern wird Augustins Auslegung dem Tenor des Ijob-Buches gerecht.

231 Vgl. oben Punkt 2.1.3 mit der Analyse in Kap. 1, Punkt 1.2.2: Der falsche Wortlaut des Lemmas Iob 16, 6. 232 Siehe oben Kap. 1, Punkt 1.3: Die drei Übersetzungsvorschläge des Hieronymus in seiner Erstfassung O. 233 Iob 2, 11f-g et uenerunt ad eum simul, ut uisitarent et consolarentur: so der Text der Versio prior lt. S. T.(B.).

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2.2.4.2 Die Kritik am Schweigen der Freunde Schwieriger zu beurteilen ist Augustins Kritik am anfänglichen Schweigen der Freunde, das am Ende der einleitenden Rahmenhandlung (Iob 2, 13) geschildert wird. Zunächst einmal gibt es keine erhellenden Parallelen. Was Augustinus selbst betrifft, so bleibt seine Formulierung (542, 15–16) uos […] neque in tacendo prudentes esse eine bloße Behauptung, denn er legt nicht dar, in welchem Sinn das anfängliche siebentägige Schweigen der drei Freunde die nötige prudentia vermissen ließ. Diesen Nachweis bleibt er auch sonst schuldig234. An der einzigen anderen Stelle seiner Werke, an der er Iob 2, 13 paraphrasiert, betont er nur, die amici seien iniusti gewesen. In der kurzen Paraphrase wird das Schweigen der Freunde nicht erwähnt235. Man könnte also den Eindruck gewinnen, dass Augustinus aufgrund seiner Überzeugung, die Freunde Ijobs seien durchweg im Unrecht gewesen236, ohne weiteres auch ihr anfängliches Schweigen als Ausdruck ihrer mangelnden Empathie gedeutet hat. Jedenfalls gibt es in seinen Werken keine Parallele zu der anders gearteten Kritik am Schweigen der Freunde, wie sie sich bei Philippus Presbyter und in der allegorischen Auslegung in Gregors Moralia in Iob findet. Von diesen beiden Autoren werden die Freunde als Verkörperungen von Häretikern gedeutet, deren Schweigen entweder auf Unglauben237 oder auf Taktik238 beruhte. 234 Hieronymus zeigt, dass es für den Verfasser einer consolatio keineswegs selbstverständlich war, worüber zu sprechen und worüber zu schweigen sei. Er formuliert in seinem Kondolenzbrief an Heliodorus (epist. 60, 5 (1, 553 Hilberg), datiert 395/7 lt. Frede 514): Quid agimus, anima? quo nos uertimus? quid primum adsumimus? quid tacemus? 235 en. Ps. 70, 1, 14: iniusti erant qui iuxta Iob putrescentem sani sedebant. 236 Vgl. c. Prisc. 12: […] unus ex eis amicis, qui dicti sunt consolatores malorum omnes (Iob 16, 2b) et diuina sententia reprobati (cf. Iob 42, 7–8). pat. 9: aderant et amici, non ut in malis consolarentur, sed ut mala suspicarentur. neque enim eum, qui tanta patiebatur, innocentem esse credebant nec tacebat eorum lingua, quod illius conscientia non habebat, ut inter inmanes cruciatus corporis etiam falsis animus caederetur obprobriis. at ille sustinens in carne dolores suos, in corde errores alienos, coniugis corripiebat insipientiam, amicos docebat sapientiam, seruabat ubique patientiam. en. Ps. 103, 4, 8: sicut ergo hoc unum exposuimus, quantum dominus dedit, quod durum uidetur dictum a Iob (sc. Iob 9, 33a utinam esset nobis arbiter); sic et cetera quae ibi uidentur quasi aspera et blasphema, habent intellectus suos. quod putaremus aliter esse, nisi deus perhiberet testimonium, et antequam loqueretur Iob, et posteaquam totum locutus est. perhibuit deus primo testimonium, dicens: homo sine querela, uerax, dei cultor (Iob 1, 8d). dixit hoc deus, dixit hoc ante tentationem illius. ne quis autem in illis uerbis forte male intellegens scandalizaretur, et putaret iustum quidem uirum fuisse Iob ante tentationem, in tentatione autem graui defecisse, et lapsum esse in sacrilegam blasphemiam, finitis omnibus sermonibus, et ipsius Iob, et amicorum eius a quibus ei consolatio reddebatur, dicit dominus testimonium, illos non uerum locutos, sicut seruum eius Iob. non enim locuti estis, inquit, coram me uerum quidquam, sicut seruus meus Iob (Iob 42, 7). deinde iubet ut ille pro eis offerat hostias, quibus eorum peccata soluantur (Iob 42, 8). 237 Philippus Presbyter, in Iob rec. long., zu Iob 2, 13 (PL 26 (1845) 623D-624A). 238 Gregorius Magnus, moral. 3, 26, 52 – 28, 54 (1, 147–148 Adriaen). Aber Gregor beeilt sich hinzuzufügen, dass dies eine allegorische Interpretation sei: In der Realität hätten die Freunde mit ihrem Schweigen richtig gehandelt; ihr Verhalten sei als uirtus, nicht culpa zu beurteilen: a. a. O. 3, 28, 55 (1, 148, 7–10 Adriaen).

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Augustinus unterscheidet sich mit seiner Kritik auch von den vielen patristischen Exegeten, die das Schweigen der Freunde positiv deuten. Während er den Freunden die prudentia abspricht, interpretiert Johannes Chrysostomos in seiner Auslegung von Iob 2, 12–13 ihren Versuch, Ijob statt durch Zureden durch einfaches Dasitzen und Zerreißen ihrer Kleider zu trösten, ausdrücklich als Zeichen von Einsicht239. Auch der Arianer Julian deutet ihr Verhalten positiv: Sie waren voll Sympathie, aber das Ausmaß von Ijobs Leid ließ sie keine Worte finden240. Didymus der Blinde fügt demselben Gedanken noch die Nuance hinzu, dass die Freunde aus ehrfürchtiger Scheu schwiegen, weil sie Ijob für einen Weisen hielten241. Olympiodor interpretiert sinngemäß wie schon Julian242: οὐδένα λόγον ηὕρισκον παραμυθίαϚ. Ambrosius würdigt das Schweigen der Freunde ausführlich und merkt an, dass einfühlsamer Trost nicht vorschnell geschwätzig werden dürfe: Auch Schweigen sei Medizin243. Der arianische lateinische Anonymus betont ebenfalls die vorbildliche Treue und tiefe Betroffenheit der Freunde: Das Ausmaß von Ijobs Leiden habe sie keine Worte finden lassen, weil sich die üblichen Argumente einer consolatio verboten hätten244. Ebenso versteht Julian von Aeclanum ihr Schweigen als Reaktion auf die unerwartete Größe von Ijobs Unglück245. Nicht zuletzt betont auch Gregor der Große in seiner Literalexegese die gute intentio der Freunde246 und weist darauf hin, ihr langes Schweigen sei ein großer Beweis von longanimitas247. So scheint also Augustinus mit seiner Kritik am Schweigen der Freunde in den Adnotationes nicht nur allein zu stehen, sondern auch den Sinn des in der Versio prior vorliegenden Ijob-Textes 2, 13c uidebant enim uulnus eius atrox248 et magnum dolorem249 ualde zu verfehlen. Bei genauerem Hinsehen jedoch lassen sich auch für Augustins Interpretation durchaus mehrere Begründungen finden. Aus den oben zitierten Stellen bei Paulinus und Hieronymus könnte man zwei Kritikpunkte am Schweigen der Freunde ableiten. Erstens haben sie viel zu lange geschwiegen, nämlich so lange, bis Ijob die Situation nicht mehr ertrug und schließlich selbst das lastende Schweigen 239 Johannes Chrysostomos, Kommentar zu Hiob, zu Iob 2, 12–13 (50, 9–12 Hagedorn / Hagedorn): ὅρα μεῖζον τῆϚ ἀπὸ τοῦ λόγου παραμυθίαϚ τὸ δεινόν. καὶ τοῦτο συνετῶϚ ἐποίησαν τοῖϚ πράγμασιν αὐτὸν παρακαλοῦντεϚ, τῇ προσεδρείᾳ, τῷ διαρρῆξαι τὰ ἱμάτια. 240 Julian der Arianer zu Iob 2, 11–13 (34, 3–13 Hagedorn). 241 Didymus der Blinde zu Iob 2, 13 (1, 166. 168 Henrichs). 242 Olympiodor zu Iob 2, 13 (33–34 Hagedorn); das obige Zitat p. 34, 4–5. 243 Ambrosius, in psalm. 37, 42, 3–7 (170–171 Petschenig) mit dem Spitzensatz in § 5: etiam taciturnitas ipsa medicina est. 244 Anonymus in Iob zu 3, 11 (358–9; 360 fin. Steinhauser); 3, 14 (362–364 Steinhauser); 3, 21 (374 Steinhauser). 245 Iulian von Aeclanum, in Iob, zu Iob 2, 13 (10 de Coninck = 1580–1581 Hamman). 246 Gregorius Magnus, moral. 3, 13, 23–24 (1, 128–129 Adriaen). 247 a. a. O. 3, 13, 24 (1, 129 Adriaen): quanta uirtus longanimitatis exstiterit, septem diebus et noctibus cum afflicto tacuisse. 248 So S.; uulnera […] atrocia T.(B.). 249 dolorem om. S.

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brach250. Zweitens haben sie versäumt, ihr langes Schweigen Ijob gegenüber nachträglich zu erklären. Ferner stellt sich die Frage, ob nicht die Freunde (wie später Parzival) schon dadurch schuldig wurden, dass sie das elementare Bedürfnis eines Leidenden nicht wahrnahmen, nach seinem Ergehen befragt zu werden251. Insofern ist Augustins Kritik, das Schweigen der Freunde zeuge von ihrem Mangel an prudentia, u. E. in ihrer Kürze zwar erklärungsbedürftig, aber nicht von vornherein verfehlt. In jedem Fall wird deutlich, dass er in seiner Ijob-Auslegung keiner bestimmten Tradition gefolgt ist, sondern sich selbständig mit dem biblischen Text auseinandergesetzt hat.

2.3 Augustins Bemerkung zum Sündenbekenntnis der Weisen Die in Parenthese eingeschobene Bemerkung (542, 17–18) uel in confessione sua loquentes dolent uulnus suum (sc. sapientes) ist angeregt von Ijobs Frage (542, 14–15) non dolebo uulnere? im Lemma Iob 16, 6a252. Der Begriff uulnus nämlich hat für Augustinus eine doppelte Bedeutung: Er lässt nicht nur an Ijobs körperliche Versehrtheit denken253, sondern steht metaphorisch auch für seine Sündhaftigkeit254. Diese Metaphorik deutet sich schon in Augustins Frühschriften an255, um dann in De Doctrina Christiana256 und den Confessiones breiten Raum einzunehmen257. In 250 Mehrere lateinische Kirchenväter heben hervor, dass Iob selbst das Schweigen nicht mehr aushielt: Ambrosius, in psalm. 37, 42, 4 (170 Petschenig): septem diebus tacuit Iob, tacuerunt amici nec locuti essent, nisi Iob dolore prorupisset in uocem; Anonym. in Iob 3, 21 fin. (374 Steinhauser): Sed ultra non sustinuit constantissimus ille Iob ipsam taciturnitatem, sed primus coepit loqui. Iulian in Iob, zu Iob 2, 13 (10 de Coninck = 1580 Hamman): Quia locum amicis miscendi sermonis non dederat conpassionis affectio, Iob primus erumpit in uocem und nochmals zu Iob 3, 1 (10 de Coninck = 1581 Hamman): uidens esse moras temporis quod silentio trahebatur onerosas, rumpit obstinationem tacendi. 251 So entschuldigt sich Hieronymus in seinem Trostbrief an Pammachius immerhin andeutungsweise für sein zweijähriges Schweigen (epist. 66, 1 (1, 647–648 Hilberg); datiert 395/7 lt. Frede 514): ego, serus consolator, qui inportune per biennium tacui […]. 252 Zur Auffassung als Frage s. o. Punkt 2.1.2.1. 253 So adn. 4 (514, 3–4): nihil horum tibi accidisset (Iob 4, 12b): uel illa damna et orbitas et plaga uulneris. 254 Beide Nuancen klingen schon gleichzeitig an in adn. 6 (519, 19–20): quae est enim uirtus mea, ut sufferam (Iob 6, 11a): quod significabat uulnus eius (dort bestätigt durch den gesamten Kontext der ZZ. 18–26, der dem Thema der confessio peccatorum gewidmet ist) und nochmals in adn. 6 (520, 17–19): sed uidentes uulnus meum timete (Iob 6, 21b): intellegentes quid significet (sc. uulnus meum), timete futuras poenas! 255 ord. 1, 29; mor. 1, 55–56; c. Fort. 17; diu. qu. 70. 256 Ausführlich zum Thema doctr. chr. 1, 13. 257 conf. 6, 9.13.21.25; 7, 11. 26; 9, 35; 10, 39. 64. In diesen Zusammenhang gehören auch die häufigen Verweise auf Christus als medicus für die uulnera der geständigen Sünder: Vgl. Io. eu. tr. 3, 2–3; en. Ps. 37, 24; 39, 20; 68, 1, 10; s. 351, 1; s. Mai 17, 4 .

Kapitel 2: Iob 16, 6 bei Augustinus

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den Adnotationes versteht Augustinus Ijob als bußfertigen Bekenner seiner Sünden258; somit lag es für ihn nahe, Ijobs Formulierung non dolebo uulnere? in Iob 16, 6a auch im Sinne von „werde ich keinen Schmerz über meine Sünde empfinden?“ aufzufassen. Diese Deutung der Stelle wird dadurch bestätigt, dass Augustinus dasselbe Teil-Lemma etwas später in den Adnotationes noch einmal in eben diesem Sinn aufgreift259. Im vorliegenden Kontext passt diese Aussage nicht zu Ijobs Vorwurf gegen die Freunde, ihn weder im Reden noch im Schweigen angemessen über seine Leiden zu trösten. Vielmehr drängt sich der Gedanke, dass sich christliche Weisheit im offenen Beklagen der eigenen Sündhaftigkeit zeigt, hier in Parenthese in den Hauptgedanken hinein. Gerade darin zeigt sich aber die besondere Bedeutung dieser Idee für Augustins Ijob-Auffassung260. Es gibt aber noch zwei weitere Assoziationen, die dazu beigetragen haben können, diesen kleinen Exkurs Augustins auszulösen. Da er gerade davon gesprochen hat, wie sich sapientes verhalten, wenn sie in consolationibus das Wort ergreifen, mag er sich daran erinnert haben, dass Paulinus von Nola in seinem großen Kondolenzgedicht 31 auf den Tod des jungen Celsus261 nicht nur sein Beileid geäußert, sondern auch eine längere Passage eingeschaltet hat, in der er seine eigene Sündhaftigkeit – und zwar ebenfalls als uulnus – beklagt262. Da das Gedicht des Paulinus vermutlich einige Jahre vor den Adnotationes entstand263 und Augustinus und 258 Zu diesem Kernpunkt der Adnotationes hier nur das Nötigste: Besonders aufschlussreich ist eine Passage aus Kap. 6 (519, 19–26). Dort arbeitet Augustinus den Unterschied zwischen dem bußfertigen Ijob und anderen verhärteten Existenzen heraus, die sich nicht zum confiteri bewegen lassen: quae est enim uirtus mea, ut sufferam? (Iob 6, 11a) quod significabat uulnus eius. aut quod tempus meum, ut sustineat anima mea? (Iob 6, 11b) quia imminente morte terrentur homines, ut conuertantur et confiteantur deo putredinem peccatorum, cuius consideratione se dicit cogi ad confessionem. numquid uirtus lapidum uirtus mea? (Iob 6, 12a) duros et inpenetrabiles iaculis uerborum dei, qui non mouentur ad confitendum. Etwas später unterstreicht Augustinus in der Auslegung von Iob 6, 25b non enim a uobis auxilium peto (520, 26–521, 1), dass Ijob verinnerlicht habe, dass confiteri die einzig richtige menschliche Haltung vor Gott sei. Er formuliert (521, 1–2): uerus enim homo a deo petit auxilium; ille enim uerus est qui confitetur. Ijobs empörte Frage an seine Freunde in Iob 19, 22a quare me persequimini sicut et dominus? (549, 17) begründet Augustinus damit, dass Ijob sein „Bekennen“ nicht gewürdigt sieht: (549, 17–19) detestamini et horretis sicut dominus; uel obiurgatis, cum iam confitear. Eine Sammlung und gedrängte Auswertung der Stellen zu confessio und confiteri in den Adnotationes hat Pio de Luis in der Einleitung zur spanischen Übersetzung von Cosgaya (1992) 8–9 mit Anm. 15–17 vorgelegt. 259 adn. 19 (549, 14–17): manus enim domini est quae tetigit me (Iob 19, 21b): manu domini se tactum dicit, ut doleret uulnus suum (Iob 16, 6a), quod sine sensu ei fuit. 260 Vgl. später nat. et gr. 73: nam et ipse Iob de peccatis suis non tacet et utique huic amico nostro merito placet humilitatem nullo modo in falsitatis parte ponendam; unde id quod Iob confitetur, quia uerax dei cultor est (Iob 1, 8d), procul dubio ueraciter confitetur. 261 Paulinus Nolanus, carm. 31 (307–329 v. Hartel). Dazu kurz Favez (1937) 33. 262 Paulinus Nolanus, carm. 31, vv. 411–424 (321–322 v. Hartel). 263 Skeb (1, 1998) 32 datiert carm. 31 auf Ende 393/Anfang 396.

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Erster Teil: Iob 16, 6

Paulinus in enger Verbindung standen264, scheint uns dieser Bezug erwägenswert. In jedem Fall zeigt die Parallele, dass Augustins These über die öffentliche Bußfertigkeit christlicher sapientes nicht einfach aus der Luft gegriffen bzw. nur auf seine eigenen Confessiones gemünzt war. Schließlich dürfte kaum zufällig sein, dass der Bischof in der vorliegenden Parenthese zugleich auch schon die Leitidee der folgenden Verse Iob 16, 7–10 vorwegnimmt: In ihnen findet er das Eingeständnis Ijobs, er sei erst von Gott seiner Sünden überführt worden265. Die Interpretation dieser ganzen Passage gipfelt in dem Spitzensatz (543, 10–11): fecit (sc. deus), ut uiderem peccatum meum; ante enim non sic mihi ad sensum perductum fuit. So ist die vorliegende Parenthese der Form nach vermutlich dem Umstand geschuldet, dass Augustinus im Kreis seiner Fratres frei formulierte und auch spontanen Assoziationen nachgab. Sie setzt aber der Sache nach voraus, dass sich der Bischof zumindest an dieser Stelle seines Kommentars nicht einfach von Halbvers zu Halbvers vorantastete, sondern auch schon die größeren thematischen Zusammenhänge vor Augen hatte266.

2.4 Zusammenfassung: Lateinischer Text und Übersetzung Rekonstruierter Text

Übersetzung

(542, 14–19) si enim loquimini – non dolebo uulnere? (Iob 16, 6a) : ostenditis uos neque in loquendo neque in tacendo prudentes esse. nam sapientes et cum loquuntur in consolationibus, condolescunt (uel in confessione sua loquentes dolent uulnus suum), uel cum tacent, prudenter tacent.

Wenn ihr nämlich redet – werde ich dann keinen Schmerz über meine Wunde empfinden? Doch wenn ihr schweigt, werde ich nichtsdestoweniger durchbohrt werden (Iob 6, 16ab): Ihr zeigt, dass ihr weder im Reden noch im Schweigen klug seid. Denn wenn die Weisen bei Trostversuchen sprechen, lassen sie ihr Mitgefühl spüren (bzw. beklagen ihre eigene Wunde, wenn sie bei ihrem persönlichen Sündenbekenntnis sprechen); wenn sie stattdessen schweigen, dann schweigen sie klug.

264 Zu Augustinus’ Verhältnis zu Paulinus von Nola vgl. Mratschek (2014) 540–548 (Lit.). 265 Besonders deutlich etwa (542, 22–23): conuicisti me de peccatis meis et aduersum me ego sum testis. 266 Von großer Übersicht über das gesamte Buch Ijob zeugt etwa der Vorverweis auf das Spitzenzitat von Iob 28, 28 schon zu Iob 5, 3 (515, 21–23). Vgl. auch die Anspielung auf Iob 42, 1–6 in Kap. 39 (627, 23–24).

Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

Kapitel 3: Iob 27, 16–17a bei Hieronymus Zur Gliederung In diesem Kapitel versuchen wir nachzuweisen (ähnlich wie in Kapitel 1), dass auch die Lemmata Iob 27, 16–17a in Augustins Adnotationes in Iob nicht in dem Wortlaut überliefert sind, in dem sie der Bischof in der Textvorlage O. für seinen Kommentar vorgefunden hat, und bemühen uns um eine Rekonstruktion der ursprünglichen Fassung. Zugleich versuchen wir wieder, Hieronymus’ Vorgehen durch den Vergleich mit seinen Vorlagen genauer zu verstehen. Anders als in Kapitel 1 können wir aber diese beiden Ziele im vorliegenden Fall nicht in klarer Trennung nacheinander verfolgen, da der vergleichende Rückgriff auf Hieronymus’ Vorlagen hier immer schon bei der Rekonstruktion der augustinischen Textvorlagen in O. erfolgen muss. Weil die von Augustinus ausgelegten Texte in den beiden Lemmata Iob 27, 16 und 17a auf unterschiedliche Vorlagen zurückgehen und unterschiedliche Übersetzungstechniken des Hieronymus widerspiegeln, ergibt sich für das vorliegende Kapitel eine Gliederung in zwei Blöcke: Im ersten Teil geht es um das Lemma Iob 27, 16ab, im zweiten Teil um das Lemma 27, 17a.

3.1 Ausgangspunkte für die Klärung des Wortlauts von O. Als Basis für die folgenden Erörterungen zitieren wir zunächst die betreffenden Passagen bei Augustinus und Hieronymus.

3.1.1 Der überlieferte Wortlaut der Adnotationes Der Wortlaut, den wir für fehlerhaft halten, ist in beiden Rezensionen der Adnotationes gleichlautend überliefert. Die Varianten der Handschriften stellen sämtlich nur Kopierfehler dar. In allen Editionen erscheinen Lemma und Auslegung in folgender Form: adn. 27 (565, 15–19): quodsi et267 collegerit ut268 terram argentum (Iob 27, 16a), id est: si prudentes et sapientes, cum adhuc terra269 et lutum270 sunt, id est, cum adhuc stulta 267 quod et si OQR UV M WXYZ Am. Er. Lovv. 1+2. Diese Wortstellung findet sich auch im Zitat der Passage bei Gildas Sapiens, De excidio et conquestu Britanniae 59 (59, 4 Mommsen); vgl. Ziegler 328. et om. C. 268 in N WXYZ. 269 terram M. 270 lutus Z.

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

et271 carnalia272 sentiunt273, eis274 consenserint, postea275 correcti276 et cognoscentes277 ad iustos278 conuertentur.

In diesem Text taucht nur das erste Teil-Lemma Iob 27, 16a auf. Wir werden jedoch argumentieren, dass Augustinus bei seinem Kommentar in Wirklichkeit auch die beiden anschließenden Teilverse Iob 27, 16b und 17a mit einbezogen hat. Deshalb zitieren wir in der folgenden Tabelle die gesamte Stelle Iob 27, 16–17a.

3.1.2 Hieronymus’ spätere Fassungen der Passage Iob 27, 16–17a Da unsere These besagt, dass Hieronymus’ Erstfassung O., die Augustinus auslegte, erst noch rekonstruiert werden muss, können zur ersten Orientierung über Hieronymus’ Übersetzungen der Passage nur die Versionen angeführt werden, die er im Anschluss an O. vorgelegt hat, also die (in diesem Fall übereinstimmenden) revidierten Fassungen S. T.(B.) seiner Versio prior sowie die Vulgata: Iob 27

Versio prior: Versionen S. T.(B.)

Vulgata279

16a

quod si et collegerit ut terram argentum

si conportaverit quasi terram argentum

16b

et uelut280 lutum parauerit aurum

et sicut lutum praeparaverit vestimenta

17a

haec omnia iusti281 consequentur

praeparabit282 quidem sed iustus vestietur illis

271 lutum sunt, id est, cum adhuc stulta et om. N (Augensprung von et zu et). 272 carnalia et Q. 273 seuiunt N. 274 ei Lovv. 2. 275 postea om. N. 276 corecti M; correpti Y*. 277 congnoscentes W. 278 adiutos B. (ad iustos cett.). 279 Wir zitieren nach Vulg. Stuttg. 752. Die in Vulg. Rom. 161 nachgewiesenen Varianten erweisen sich im Licht von M und G in der Mehrzahl als Kopierfehler und verdienen hier keine Erwähnung. Für zwei Ausnahmen siehe Anm. 282 und 285. 280 uelud S. 281 iusti om. (B.) (von Lagarde 219 im Text (sc. aus T.) ergänzt). 282 Die gut bezeugte Variante praeparauit (Vulg. Rom. 161; Vulg. Stuttg. 752) entpuppt sich im Licht der Urtexte als Kopierfehler aufgrund der in der späteren Antike vielfach identischen Aussprache der Endungen -bit und -uit. Vgl. zu diesem Phänomen Stotz 3 (1996), bes. 257, § 215.4 und 270–271, § 227.10.

Kapitel 3: Iob 27, 16–17a bei Hieronymus

73

3.2 Der Wortlaut in der Adnotationes-Überlieferung: Fehlerdiagnose zu Iob 27, 16ab 3.2.1 Erster Fehler: Das unvollständige Zitat des Lemmas Einen ersten Fehler hat bereits Trenkler nachgewiesen: Die beiden Fratres haben zu Unrecht nur das erste Teil-Lemma – hier Iob 27, 16a, in dem von Erde und Silber die Rede ist – ausgeschrieben283. Sie übersahen, dass Augustinus im vorliegenden Fall auch noch das folgende Teil-Lemma Iob 27, 16b mit der parallelen Aussage über Lehm und Gold mitberücksichtigt hat. Der Beweis, dass er beide Teilverse gleichzeitig vor Augen hatte, ergibt sich aus der Wiederaufnahme der beiden Leitbegriffe terra (aus Iob 27, 16a) und lutum (aus Iob 27, 16b) in seiner Auslegung: (565, 16–17): id est: si prudentes et sapientes, cum adhuc terra et lutum sunt, […]284.

3.2.2 Zweiter Fehler: Der falsche Wortlaut des Lemmas 3.2.2.1 These Bisher hat man noch nicht wahrgenommen, dass die Verkürzung des von Augustinus ausgelegten Lemmas Iob 27, 16ab auf den ersten Teilvers 16a nicht das einzige Versehen ist, das den Fratres an dieser Stelle bei ihren Rezensionen unterlaufen ist: Das in den Adnotationes überlieferte Teil-Lemma Iob 27, 16a bietet nicht einmal den Wortlaut, den Augustinus ausgelegt hat. Dies ergibt sich aus mehreren Beobachtungen.

3.2.2.2 Augustins Auslegung von Iob 27, 16 als Bruch mit dem Kontext von Iob 27 In der Ijob-Rede von Kapitel 27 wird in den Versen 8–10 und 13–23 durchweg das einem Gottlosen drohende Geschick beschrieben. Dieser Tenor von M wird auch von der LXX und von Hieronymus sowohl in den revidierten Fassungen S. T.(B.) der Versio prior als auch schließlich in der Vulgata durchgehalten285. Auch Lucifer

283 Trenkler (2017) 115. 284 Trenkler ebd. 285 In vielen Vulgata-Hss. tauchen (oft in später korrigierten 1. Händen) in vv. 16ab die Pluralformen conportauerint und praeparauerint auf (vgl. die Nachweise in Vulg. Rom. 161). Diese haben zwar kein direktes Vorbild in einem der Urtexte, ließen sich aber ggfs. als kollektive Interpretationen hebräischer Singularformen rechtfertigen. Hieronymus konnte diese Deutung schon in dem Vetus Latina-Text des Lucifer von Cagliari vorfinden (unten abgedruckt in der Tabelle

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

von Cagliari und Ambrosius fassen in ihren Paraphrasen die Verse Iob 27, 16–17 als Fortsetzung der vorangehenden Passage auf286. Augustinus dagegen ist anders vorgegangen. Er zerlegt in den Adnotationes die Passage in vier voneinander unabhängige Abschnitte: So sieht er in den Versen 8 ff. (564, 5 ff.) die Schilderung eines Sünders, dem nur durch die Gnade Gottes, nicht durch eigene Werke geholfen werden kann. Ab v. 13 (565, 1 ff.) bis v. 15 geht es um einen (seinerseits vom Teufel verführten) Volksverführer samt seinen Anhängern, bei dem es sich nach Augustins Andeutungen vermutlich um einen einflussreichen Häretiker287 handelt. Ab v. 18 (565, 19 ff.) bis zum Schluss des Kapitels legt Augustinus den Text wieder im ursprünglichen Textsinn als Schilderung des Verderbens aus, das dem impius bevorsteht. Dagegen bildet seine Exegese der Verse 16–17 (565, 15–19), in denen er eine Schilderung der spirituellen Entwicklung der prudentes et sapientes findet, eine eigene Einheit, die weder nach vorne noch nach hinten in den Kontext eingebunden ist.

3.2.2.3 Der unpassende Wortlaut von Iob 27, 16a Das Teil-Lemma Iob 27, 16a lautet so, wie es beide Fratres in ihren Rezensionen überliefern, quodsi et collegerit ut terram argentum. Wie in der Tabelle oben nachgewiesen, findet sich diese Version auch in den revidierten Fassungen S. T.(B.) der Versio prior wieder. Sie kann jedoch nicht die von Augustinus kommentierte Version sein. Denn wenn dieser den Text hätte auslegen wollen, den die Fratres eingesetzt haben, hätte er aus dem aktivischen Prädikat collegerit mit dem darin enthaltenen singularischen Subjekt schließen müssen, dass hier das weitere Handeln einer im Kontext bereits genannten Person beschrieben wird, das sich auf Silber und Gold als Akkusativ-Objekte richtete. Für die Identifikation dieser handelnden Person hätten Augustinus zwei Möglichkeiten offen gestanden: Er hätte als Subjekt des colligere entweder den impius der Verse 8–12 bzw. 18–23 oder den Verführer benennen können, den er in den Versen 13–15 beschrieben fand. In Wirklichkeit suggerierte ihm seine Textvorlage O. offensichtlich, dass als Subjekt des Lemmas Iob 27, 16 die Edelmetalle argentum und aurum fungierten, die er als Symbole der prudentes et sapientes interpretierte. Die Metalle wiederum konnten nur dann als Subjekte aufgefasst werden, wenn die Prädikate des Lemmas im Passiv

S. 78 u.). Er hat sie möglicherweise als Alternative erwogen, um anzudeuten, dass er zwischen den Versen 15 und 16 einen stärkeren Sinneinschnitt ansetzte. Er könnte sich dabei an der LXX orientiert haben, die im folgenden Vers Iob 27, 17 die hebräischen Singularformen konsequent in den Plural gesetzt hat. Diese Änderung hatte Hieronymus selbst in S. T.(B.) übernommen. 286 Lucifer, reg. apost. 11 (63, 7 ff. Hartel; datiert lt. Frede 615 auf 357/8); Ambrosius, Iob 2, 22 (246, 14 ff. Schenkl; datiert lt. Frede 104 auf ca. 387/9). 287 Augustinus spielt auf ihn mit den Worten (565, 8) falsorum dogmatum persuasorem an. Seine Andeutung bleibt aber so vage, dass keine konkrete Identifizierung möglich ist.

Kapitel 3: Iob 27, 16–17a bei Hieronymus

75

standen. Schließlich enthielt Augustins Vorlage offensichtlich keinen Hinweis auf die Vergleiche „Silber wie Erde“ und „Gold wie Lehm“, die für die von den Fratres eingesetzte Fassung des Lemmas charakteristisch sind.

3.2.2.4 Mögliche Gründe für den zweiten Fehlgriff der Fratres Bevor wir anhand dieser Beobachtungen den von Augustinus kommentierten Text rekonstruieren, fragen wir noch nach den möglichen Gründen für den Fehlgriff der Fratres. Wenn man von dem Eindruck schierer Überforderung absieht288, liegt zunächst die Vermutung nahe, sie hätten auch hier die Erstfassung O. des Hieronymus durch dessen revidierte Endfassung T. ersetzt, um die Adnotationes für die Publikation auf den neuesten Stand zu bringen289. Bei genauerem Hinsehen erweist sich aber diese Hypothese als zu einfach. Wie wir gleich nachweisen werden, muss im vorliegenden Fall die Version von S. T.(B.) auch schon in der Erstfassung O. gestanden haben. Die richtige Erklärung dürfte also lauten, dass beide Editoren die von ihnen eingesetzte Version sowohl in der Erstfassung O. als auch in der Endfassung T. vorfanden und damit nicht nur für aktuell, sondern auch für besonders gut beglaubigt halten konnten. Dass die Fassung der revidierten Codices S. T.(B.) auch schon in O. vorlag, ergibt sich aus der Beobachtung, dass sie ursprünglich gar nicht von Hieronymus selbst formuliert wurde, sondern aus einer älteren Vetus Latina-Übersetzung des Buches Ijob stammt. Einige längere Auszüge dieser Vorlage sind bei dem späteren Autor Gildas, Gründungsabt des Klosters Rhuys (gest. um 570290), überliefert291. Wir bezeichnen diese Vetus Latina-Version deshalb im Folgenden als „Gildas-Vorlage“292. Die Tabelle zeigt, dass Hieronymus hier diese altlateinische Übersetzung mit nur minimalen Veränderungen an den Anfängen der Verse 16a und  b unverändert übernommen hat:

288 Dieser Eindruck drängt sich allerdings auf, wenn man untersucht, wie sie mit den direkt benachbarten Passagen, also den Versen Iob 27, 15 und 18, verfahren sind: Vgl. Trenkler (2017) 189–191 zu Iob 27, 15 und Warns (2017) Kap. 18 zu Iob 27, 18. 289 Vgl. Trenkler a. a. O. 49. 171. 290 Zu Gildas Sapiens vgl. Kasper (1998) 255–256; zur Datierung auch Frede 496–497. 291 Vgl. Gildas, De excidio et conquestu Britanniae 59 (58, 19–59, 5 Mommsen; datiert lt. Frede 497 zwischen ca. 515 und ca. 530). 292 Ein Vergleich zwischen den sonstigen bei Gildas erhaltenen Ijob-Zitaten und den verschiedenen Ijob-Übersetzungen des Hieronymus zeigt, dass Hieronymus die Vorlage des Gildas vor Augen hatte. Burkitt (1934) 209–210 hielt diesen Text daher für die einzige Vetus Latina-Vorlage des Hieronymus. Diese These ist mittlerweile durch Zieglers Publikation der Randnoten in spanischen Vulgatabibeln überholt, die sich ebenfalls als eine Quelle der Versio prior erwiesen haben: Vgl. Ziegler (1980) und Warns (2017) 549–562.

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

Gildas-Vorlage lt. Cod. A293 quod et si collegerit ut terram argentum

Hieronymus lt. Codd. S. T.(B.)

16a 16b

et similiter ut lutum parauerit aurum

et uelut lutum parauerit aurum

17a

haec omnia iusti consequentur

haec omnia iusti294 consequentur

Iob 27

quod si et collegerit ut terram argentum

Dass Hieronymus an dieser altlateinischen Version auch noch in seiner Endfassung T. festgehalten hat, erklärt sich aus zwei Gründen: Zum einen konnte er auch mit diesem Beispiel zeigen, dass er in der Versio prior keine völlig neue lateinische Ijob-Übersetzung schaffen, sondern die überlieferten korrupten Texte nur wo nötig überarbeiten und ergänzen wollte295. Zum anderen aber ist es charakteristisch für altlateinische Versionen, dass sie auf der LXX beruhen296. Da Hieronymus nun seine Versio prior gerade durch die beiden Revisionen in S. und T. eindeutiger zu einer Übersetzung der LXX umgestalten wollte297, bot sich das Festhalten an der GildasVorlage an dieser Stelle für ihn an, weil diese Version – wie die folgende Tabelle zeigt – die LXX fast wörtlich wiedergibt: Iob 27

G

Gildas-Vorlage lt. Cod. A

v. 16a

ἐὰν συναγάγῃ ὥσπερ γῆν ἀργύριον

quod et si collegerit ut terram argentum

v. 16b

ἴσα δὲ πηλῷ ἑτοιμάσῃ χρυσίον

et similiter ut lutum parauerit aurum

v. 17a

ταῦτα πάντα δίκαιοι περιποιήσονται

haec omnia iusti consequentur

Der Nachweis, dass Hieronymus in diesen drei Teilversen eine Vetus Latina-Fassung übernommen hat, impliziert, dass diese Übersetzung nicht erst bei der Revision in den Versionen S. T.(B.) neu eingeführt wurde, sondern schon der Erstfassung O. angehörte. Denn der Entschluss, altlateinische Ijob-Übersetzungen zu berücksichtigen, stand am Anfang der Arbeit an der Versio prior des Buches Ijob, während die Entscheidung, die Erstfassung O. in den beiden Stufen S. und T. zu revidieren, auf anderen Motiven beruhte298.

3.3 Rekonstruktion von Augustins Textvorlage zu Iob 27, 16ab Aus der Überlegung, dass der Text von S. T.(B.) bereits in O. stand, ergibt sich der weitere Schluss, dass Augustinus die von ihm kommentierte Fassung dort als Zweitübersetzung vorgefunden haben muss. 293 Gildas, De excidio 59 fin. (59, 4–5 Mommsen). 294 iusti om. (B.). 295 Vgl. Trenkler (2017) 19–22; Warns (2017) 125. 296 Vgl. Trenkler a. a. O. 19 mit Anm. 10 (Lit.). 297 Vgl. Warns a. a. O. 129–132. 298 Vgl. Warns a. a. O. 124–134.

Kapitel 3: Iob 27, 16–17a bei Hieronymus

77

Wir haben oben drei Punkte nachgewiesen, an denen Augustins Textvorlage der beiden Teil-Lemmata Iob 27, 16ab von derjenigen abwich, die Hieronymus aus der Gildas-Vorlage nach O. übernahm und in den revidierten Fassungen S. T.(B.) allein stehen ließ und die auch die Fratres fälschlich in die Adnotationes einsetzten: Argentum und aurum müssen nicht als Akkusativ-Objekte, sondern als Subjekte konstruiert worden sein. Entsprechend müssen die Prädikate im Passiv statt im Aktiv gestanden haben. Außerdem war nicht mehr von einem Vergleich zwischen Silber und Erde bzw. Gold und Lehm die Rede. Auf dieser Grundlage geht es jetzt um die möglichst genaue Rekonstruktion des von Augustinus in seinem Ijob-Codex O. vorgefundenen und ausgelegten Wortlauts.

3.3.1 Die Subjekte Die Akkusativ-Objekte argentum bzw. aurum konnten ohne Veränderung ihrer Form zu Subjekten umdefiniert werden, weil bei den Neutra die Formen von Nominativ und Akkusativ identisch sind.

3.3.2 Die Prädikate als Ambrosius-Reminiszenzen Wir haben schon festgestellt, dass die Prädikate im Passiv gestanden haben müssen. Was die Details betrifft, ist hier zwischen den beiden Teil-Lemmata 27, 16a und b zu unterscheiden.

3.3.2.1 Das Prädikat von Iob 27, 16a Wie wir im nächsten Kapitel bei der Detail-Erklärung von Augustins Auslegung näher ausführen werden, beruht seine Exegese auf dem produktiven Missverständnis einer mehrdeutigen Verbform, die er nicht nur von colligere (dem in der GildasVorlage und ihrem Zitat bei Hieronymus belegten Verb), sondern gleichzeitig auch von colligare ableiten konnte299. Im Passiv kommen dafür, wenn argentum Subjekt sein soll, nur die beiden Formen colligatur und colligetur in Frage. Diese Präsensbzw. Futurformen sind insofern auffällig, als Hieronymus an dieser Stelle sonst nur Vergangenheitsformen benutzt: Die Gildas-Vorlage, die er in alle Versionen der Versio prior übernommen hat, liest collegerit; in der Vulgata schreibt Hieronymus conportaverit300.

299 S. u. Kap. 4, Punkt 4.2.1.2.2. 300 Der Vulgata-Text von Iob 27, 16a lautet: si conportaverit quasi terram argentum. (Zur nur in Vulg. Rom. nachgewiesenen Variante conportaverint s. o. Anm. 285.)

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

Bei der Suche nach den Hintergründen von Hieronymus’ Formulierung zeigt sich, dass der Übersetzer mit der hier zu rekonstruierenden Version sehr wahrscheinlich den intertextuellen Bezug zu einer Stelle herstellen wollte, an der Am­ brosius diese Ijob-Passage halb zitiert, halb paraphrasiert hat. Dieser schreibt in De interpellatione Iob et Dauid, einer Schrift, die schon vom Titel her den Ijob-Übersetzer Hieronymus interessieren musste und überdies erst jüngst erschienen war301: Iob 2, 22302: etsi congregetur pecunia sicut terra atque ut lutum praeparatum fuerit aurum.

Gleich zwei unverwechselbare Details deuten darauf hin, dass Hieronymus diese Passage des Ambrosius evozieren wollte. Erstens formuliert Ambrosius dort als einziger Kirchenvater neben Hieronymus überhaupt im Passiv303; und zweitens setzt er – ebenfalls als einziger – mit congregetur das Prädikat von Iob 27, 16a in den Konjunktiv Präsens, während er im parallelen Teilvers Iob 27, 16b den Konjunktiv Perfekt praeparatum fuerit benutzt. Weder das Passiv noch die Präsensform des Prädikats haben einen Anhalt im Text von G oder dessen Varianten, obwohl die von Ambrosius gebrauchte Vetus Latina-Version – wie alle altlateinischen Übersetzungen – auf der LXX beruhte304. Die folgende Tabelle illustriert, wie sich die Paraphrase des Ambrosius durch diese beiden Details von der LXX und zugleich von den beiden anderen erhaltenen altlateinischen Versionen abhebt, die ebenfalls auf der LXX beruhen: Iob 27

LXX

GildasVorlage305

16a

ἐὰν συναγάγῃ ὥσπερ quod et si colleγῆν ἀργύριον gerit ut terram dt.: Wenn er ­Silber argentum wie Erde gesammelt hat308

Paraphrase bei Lucifer306

Paraphrase bei Ambrosius307

et si collexerint aurum aut ­argentum tamquam lutum

etsi congregetur pecunia sicut terra

301 Frede 103 datiert die Schrift auf 387/9. Da sich Hieronymus erst 386 in Bethlehem niederließ und dort bis etwa 391 an den Versiones priores arbeitete (vgl. dazu Trenkler (2017) 22), muss er sich die Neuerscheinung unverzüglich beschafft haben. 302 Ambrosius, Iob 2, 22 (246, 19–20 Schenkl). 303 Vgl. CD Beuron s. v. Iob 27, 16. Auch Lucifer von Cagliari paraphrasiert Iob 27, 16ab im Aktiv und Perfekt. Vgl. die oben im Text folgende Tabelle. 304 Vgl. Trenkler (2017) 19–20 (Lit.). 305 Gildas, De excidio 59 (59, 4–5 Mommsen). Die hier zitierten Lesarten lt. Codex A. 306 Lucifer, reg. 11 (63, 9–11 Hartel). 307 Ambrosius, Iob 2, 22 (246, 19–20 Schenkl). 308 So Kepper / Witte (2009) 1037. Anders als oben im Lemma Iob 16, 6 (vgl. Kap. 1, S. 37, Anm. 70) deuten die Übersetzer im vorliegenden Fall die Konjunktive des Aorists (u. E. zutreffend) im vorzeitigen Sinn. Dieselbe Auffassung liegt in der Gildas-Vorlage, bei Lucifer und im zweiten Teilvers bei Ambrosius vor.

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Kapitel 3: Iob 27, 16–17a bei Hieronymus

16b

ἴσα δὲ πηλῷ ἑτοιμάσῃ χρυσίον und (wenn) er sich Gold gleich Lehm bereitet hat309

et similiter ut lutum parauerit aurum

17a

ταῦτα πάντα δίκαιοι haec omnia iusti consequentur περιποιήσονται dt.: werden Gerechte das alles erhalten310

17b

τὰ δὲ χρήματα αὐτοῦ (fehlt) ἀληθινοὶ καθέξουσιν dt.: und Aufrichtige werden sein Hab und Gut einnehmen.311

atque ut lutum praeparatum ­fuerit aurum

haec omnia iusti possidebunt

(fehlt)

(fehlt)

Die genannten abweichenden Details bei Ambrosius sind also nur aus seinem Text bekannt und dürften sich dadurch erklären, dass er an dieser Stelle die Ijob-Stelle nicht wörtlich zitierte, sondern paraphrasierte312. Das gibt der Ambrosius-Stelle ein Alleinstellungsmerkmal, das den Schluss nahelegt, dass Hieronymus hier diese Formulierungen des Ambrosius vor Augen hatte. Damit ergibt sich die Antwort auf die Frage, welche der beiden möglichen doppeldeutigen Formen – colligatur oder colligetur – in unsere Rekonstruktion gehört: Da Hieronymus, wie Augustins Auslegung erkennen lässt, auch in der hier zu rekonstruierenden Zweitübersetzung an der Vokabel colligere der Gildas-Vorlage festhielt, spricht der Konjunktiv Präsens congregetur bei Ambrosius dafür, in Augustins Textvorlage die analoge Form colligatur zu rekonstruieren, die aus Hieronymus’ Sicht als Konjunktiv Präsens zu colligere zu verstehen war. Wenn diese Überlegungen zutreffen, hat Hieronymus in seiner Erstfassung O. von Iob 27, 16 gleich zwei Vetus Latina-Fassungen berücksichtigt: Er hat zum einen als Basistext die Gildas-Vorlage fast unverändert übernommen und zum anderen in der von Augustinus ausgelegten Variante zumindest syntaktisch-strukturell auch noch zwei deutliche Anspielungen auf die Paraphrase des Ambrosius untergebracht313. 309 So Kepper / Witte a. a. O. 1037. Zum Tempus vgl. die vorige Anm. 310 So Kepper / Witte ebd. 311 So Kepper / Witte ebd. 312 Diese Deutung wird dadurch bestätigt, dass Ambrosius gleich anschließend (ZZ. 20–22) zu einer freien Paraphrase im Passiv (consumetur) übergeht. 313 Dass für Hieronymus das Zitat aus der Gildas-Vorlage den Vorrang hatte, zeigt sich nicht nur an dessen alleiniger Übernahme nach S. T.(B.), sondern auch in der Wahl von quodsi (das als erstes Wort des Lemmas von Augustinus diktiert worden sein muss) statt Ambrosius’ etsi und von argentum statt Ambrosius’ pecunia. Aber Augustinus hat sich ebenso deutlich mehr für den Text interessiert, der die von Ambrosius angeregten Strukturen enthielt. Wenn es zutrifft, dass Ambrosius die Homilien De interpellatione Iob et Dauid zwischen 385 und 387 gepredigt hat, also in den Jahren, in denen Augustinus in Mailand unter seinen Zuhörern war (so Geerlings

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

Bevor wir fragen, was Hieronymus zu dieser Anspielung auf einen von ihm wenig geschätzten Autor314 veranlasst haben mag, führen wir die Rekonstruktion von Augustins Textvorlage im Lemma Iob 27, 16ab zu Ende. Zu einem vollständigen Bild fehlen noch zwei Mosaiksteine.

3.3.2.2 Das Prädikat von Iob 27, 16b Bei der Analyse von Iob 27, 16a hat sich gezeigt, dass Hieronymus von Ambrosius nur Genus Verbi und Tempus des Prädikats übernahm, aber die Vokabeln beibehielt, die er in der Gildas-Vorlage vorfand. Wenn also Ambrosius im Teil-Lemma Iob 27, 16b praeparatum fuerit schrieb, während Gildas aus seiner Vorlage das Simplex parauerit zitiert, kann man vermuten, dass Hieronymus entsprechend die Form paratum fuerit gebildet hat. Die Überlegung, dass Augustinus in seiner Textvorlage O. nicht nur das Präsens colligatur, sondern auch die Vergangenheitsform paratum fuerit vorfand, wird durch den Befund unterstützt, dass er für das Prädikat seines si-Satzes, der den si-Satz von Iob 27, 16ab zusammenfasst, die Vergangenheitsform (565, 18) consenserint gewählt hat. Ambrosius muss sein praeparatum fuerit wegen der Parallelität zu dem vorangehenden Konjunktiv Präsens congregetur als Konjunktiv Perfekt aufgefasst haben. Gleiches gilt auch für Hieronymus, der u. E. colligatur und paratum fuerit schrieb. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass Hieronymus deshalb auch die Formen collegerit und parauerit der Gildas-Vorlage als Konjunktive des Perfekts verstanden hat. Diese Vermutung liegt zwar nahe, weil es sich um eine Übersetzung des in der LXX vorliegenden klassischen griechischen Futuralis mit den vorzeitigen Konjunktiven des Aorists συναγάγῃ und ἑτοιμάσῃ im Nebensatz handelt. Im lateinischen Futuralis könnte man aber Formen wie collegerit und parauerit ebenso gut auch als Futur II ansprechen. Wenn man nun die in der Ijob-Versio prior nicht seltenen Belege für diese Satzbaustruktur durchmustert, kommt man zu dem Ergebnis, dass Hieronymus zumindest in den eindeutigen Fällen die Verbformen der Nebensätze tatsächlich immer als Futur II-Formen aufgefasst hat315. Falls sich also unsere These bewährt, dass er in der Zweitübersetzung von Iob 27, 16ab einmal eindeutige Konjunktive verwandt hat, dann würde diese Abweichung von seinem üblichen Sprachgebrauch unsere These bezüglich seiner Abhängigkeit von der Ambrosius-Passage weiter bestätigen. (1997/2010) 64/169; aber vgl. Frede 104, Mara (1996) 161–162 und Lane Fox (2017) 408 zur umstrittenen Chronologie), könnte sich Augustins auffällige Präferenz dadurch erklären, dass er die hier vorliegenden Entlehnungen des Hieronymus aus den Ambrosius-Predigten wiedererkannt hat. 314 Vgl. Warns (2017) 469 mit Anm. 99 (Lit.). 315 Eindeutiges Futur II sind nur die Formen der 1. Ps. Sing. wegen der Endung -ero (der Konjunktiv Perfekt hat -erim). Vgl. dazu drei Zitate aus Iob 9: Iob 9, 15a (528, 5–6): quodsi etiam iustus fuero, non exaudiet me; Iob 9, 16ab (528, 12–13): si uero inuocauero et non exaudierit, non credam quoniam exaudiuit uocem meam; Iob 9, 20a (528, 28–529, 1): quodsi et fuero iustus, os meum inpia loquetur.

Kapitel 3: Iob 27, 16–17a bei Hieronymus

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3.3.3 de terra / luto oder e terra / luto? Augustins Auslegung in den Adnotationes, die wir im nächsten Kapitel analysieren werden, impliziert, dass er in seiner Textvorlage statt der Formulierung „wenn Silber (bzw. Gold) wie Erde (bzw. Lehm) gewonnen wird“ die Aussage las „wenn Silber aus der Erde (bzw. aus Lehm) gewonnen wird“. Diese Lesart mit der Präposition „aus“ ist sonst nicht nachweisbar. Wie die folgende Tabelle zeigt, enthalten alle anderen Belege der Stelle (ob Zitate oder Paraphrasen) die Vergleichspartikel „wie“: Iob 27 M

G

GildasVorlage316

16a

‫ם־ִיצ ֹּ֣בר‬ ‫ִא‬ ְ ‫ּכֶ ָע ָ ֣פר ָּכ ֶ֑סף‬ dt.: Wenn er anhäufen wird wie Staub Silber

ἐὰν συναγάγῃ quod et si ὥσπερ γῆν collegerit ἀργύριον ut terram argentum

16b

ֹ ֗ ַ‫ְ֝וכ‬ ‫ח ֶמר יָ ִכ֥ין‬ ‫ַמלְ ּֽבּוׁש‬ dt.: und wie Lehm herrichten wird Kleidung

ἴσα δὲ πηλῷ ἑτοιμάσῃ χρυσίον319

et similiter ut lutum parauerit aurum

Paraphrase bei Lucifer317

Paraphrase bei Ambrosius318

et si collexerint aurum aut argentum tamquam lutum

etsi congregetur pecunia sicut terra

atque ut lutum praeparatum fuerit aurum

316 Gildas Sapiens, De excidio 59 (59, 4–5 Mommsen), Lesarten des Codex A. 317 Lucifer, reg. 11 (63, 9–10 Hartel). Man beachte den kollektiven Plural collexerint in Lucifers Paraphrase. 318 Ambrosius, Iob 2, 22 (246, 19–20 Schenkl). 319 Der Wechsel von M „Kleidung“ zu G „Gold“ wird verschieden erklärt. Er lässt sich schwerlich durch eine Variante des hebräischen Konsonantentextes erklären (pace Wutz (1933) 208 mit Anm. 3 und nochmals (1939) 96 in Anm.: Wutz postuliert ein sonst weder im Hebräischen noch Aramäischen belegtes Substantiv ‫מבלוׁש‬, das trotzdem noch nicht den eindeutigen Sinn von „Gold“ ergibt). Eher hat Schleusner 5 (1821) 545 s. v. χρυσίον Recht: Es handelt sich um eine freie Übersetzung der LXX, für die im Gegenüber zum „Silber“ das „Gold“ als Sinnbild von Reichtum leichter verständlich schien als „Kleidung“. Diesen Ansatz hat Dhorme (1926) u. E. überzeugend ausgebaut: Er weist (S. 361) zu M die atl. Hochschätzung von Kleidung als Luxusgut neben Gold und Silber nach (Verweis auf Za 14, 14) und erklärt gleichzeitig (S. 360–361) G als intertextuellen Bezug auf Za 9, 3bc. Die Vulgata lautet dort: et coacervavit argentum quasi humum et aurum ut lutum platearum. Bickell (1862) 17 bucht unsere Stelle dagegen unter den manifesten Irrtümern des LXX-Übersetzers ab. König (1929) 266, Anm. b) zu Iob 16, 6b verweist als Belege für Kleider als Luxusartikel im AT auf Gn 27, 15 und Gn 45, 22 (bei König irrtümlich 47, 22). Beim Auszug aus Ägypten lassen sich die Israeliten nicht nur silberne und goldene Gefäße, sondern auch Kleidung aushändigen: Ex 3, 22a; 12, 35b.

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

Die Vergleichspartikel „wie“ ist auch in der jüdischen Auslegungstradition fest verankert: Sie ist nicht nur im rabbinischen Targum erhalten320, sondern findet sich sogar in dem sonst an dieser Stelle nur fragmentarisch erhaltenen Targum von Qumran321. Wir haben oben gesehen, dass Hieronymus selbst das „wie“ in den revidierten Fassungen S. T. (B.) der Versio prior und in der Vulgata beibehalten hat. Da also die Lesart „aus der Erde / aus Lehm“ nur in Augustins Textvorlage O. nachweisbar ist, handelt es sich offensichtlich um eine auf die Erstfassung beschränkte Konjektur des Hieronymus, der die Aussage des Textes glätten wollte. Vielleicht schwebte ihm auch schon die Idee des aurum in luto quaerere vor, die er in einem späteren Brief formulierte322. Diese Konjektur lag insofern nahe, als Hieronymus im hebräischen Urtext lediglich die vergleichende Präposition ‫„( כ‬wie“) durch die Präposition ‫„( מ‬aus / von“) zu ersetzen brauchte – eine aufgrund der graphischen Ähnlichkeit im Alten Testament häufige Verwechslung323. Gerade für den Wechsel zwischen „wie Ton“ und „aus Ton“ erschließt Wutz noch eine genaue Parallele in Iob 38, 14a324. Offen bleibt bei dieser Ableitung aber noch, ob Hieronymus in Augustins Textvorlage O. de terra / de luto oder e terra / e luto schrieb. Wie vor allem die Vulgata-Konkordanz zeigt, benutzt Hieronymus in der Regel die Junktur de terra325 bzw. de luto326 und nur ausnahmsweise einmal  e terra327 oder e luto328. Angesichts der überwältigenden Überzahl der Belege für de terra / de luto möchte man zunächst auch hier de terra / de luto rekonstruieren. Jedoch wird sich bei der Analyse von Augustins Auslegung zeigen, dass seine Entscheidung, die Form colligatur nicht wie Hieronymus von colligere, sondern von colligare abzuleiten, auch dadurch erleichtert wurde, dass er beide Verben mit der Präposition e / ex verbinden konnte329, während eine Konstruktion mit de in seinen Werken weder bei colligere noch bei colligare nachweisbar ist. Deshalb halten wir für plausibel, dass Augustinus in seiner Vorlage die Ausdrücke e terra und e luto vorfand. 320 Siehe Stec (1994) 179* (wo die Handschriften zwischen aramäischem ‫( היך‬s. Levy (1881) 1, 197) und hebräischem ‫ כ‬schwanken) und Mangan (1991) 64. 321 Siehe York (1973) 96. 101 und Sokoloff (1974) [48]–[49]. Der Text hat hebräisches ‫כ‬. 322 Hieronymus, epist. 107, 12 (datiert lt. Frede 516 auf 400), nachgewiesen von Otto (1890) 202, 6 samt Überlegungen, ob es sich um eine Anspielung auf Vergils Dictum aurum in stercore quaero anlässlich seiner Ennius-Lektüre handelt. 323 Vgl. Wutz (1933) 251–252 mit mehreren Hinweisen auf Ijob-Stellen. 324 Vgl. Wutz a. a. O. 252. 325 de terra: Diesen Ausdruck weisen Peultier u. a. (1939) 1122 auf nicht weniger als 1,5 engbedruckten Spalten nach. 326 de luto: Iob 33, 6 (jeweils S. T.(B.) und Vulg.); Ps 39, 3; 68, 15 (jeweils beide Psalterien); Sap 15, 7–8 lt. Peultier a. a. O. 690. 327 e terra: nur Sir 33, 10 lt. Peultier a. a. O. 1122. 328 e(x) luto: Ier 18, 4; Dn 2, 41. 43 lt. Peultier a. a. O. 690. 329 Lt. CAG 2 ist colligere + e(x) sehr häufig: z. B. Acad. 1, 5; 2, 30; imm. an. 23; lib. arb. 3, 38 u. ö. Dagegen ist colligare + e(x) sehr selten, begegnet aber an prominenter Stelle: conf. 8, 2.

Kapitel 3: Iob 27, 16–17a bei Hieronymus

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3.4 Fazit der Rekonstruktion von Augustins Textvorlage zu Iob 27, 16ab 3.4.1 Der Text in der rekonstruierten Doppelfassung Insgesamt ergibt sich als Resultat unseres Rekonstruktionsversuchs, dass Augustinus in O. eine Doppelübersetzung des Lemmas Iob 27, 16ab vorfand: Erstens die Vetus Latina-Version nach der Gildas-Vorlage quod si et collegerit ut terram argentum et uelut lutum parauerit aurum. Auf diese Version ist Augustinus nicht eingegangen. Zweitens die von ihm kommentierte Übersetzung, die zwei Ambrosius-Reminiszenzen enthält. Sie hatte vermutlich folgenden Wortlau: quod si et colligatur e terra argentum et e luto paratum fuerit aurum.

3.4.2 Hieronymus’ Vorgehen bei den beiden Fassungen des Lemmas in O. Es wurde schon deutlich, dass Hieronymus die Gildas-Vorlage deshalb fast unverändert übernahm, weil sie eine genaue Übersetzung der LXX darstellte. Dagegen kann man Hieronymus’ Vorgehen, das zu der von Augustinus kommentierten alternativen Version führte, auf zweierlei Weise deuten.

3.4.2.1 Integration möglichst vieler Traditionselemente? In früheren Analysen war häufig festzustellen, dass Hieronymus dazu neigte, Details mehrerer ursprachlicher Vorlagen miteinander zu kombinieren, um in seiner Version möglichst viele Quellen anklingen zu lassen330. Auch im vorliegenden Fall kann man die von Augustinus ausgelegte Fassung von Iob 27, 16 aus Hieronymus’ Bestreben erklären, durch Kombination verschiedener Bausteine eine sinnvolle Aussage zusammenzusetzen: Die grammatische Grundstruktur als Konstruktion im Passiv, in der die beiden Prädikate in verschiedenen Tempora stehen, entstammt der Ijob-Paraphrase des Ambrosius. Die für die Prädikate gewählten Verben sind aber identisch mit denen der Gildas-Vorlage, die ihrerseits die LXX widerspiegelt. Außerdem kommt als Emendation zur Glättung des Sinns noch Hieronymus’ eigene Konjektur im hebräischen Urtext hinzu, die aus der Vergleichspartikel „wie“ die Präposition „aus“ macht. In dieser Perspektive liegt also ein weiterer Fall von Konflationstechnik vor.

330 Vgl. z. B. Kap. 1 der vorliegenden Studie mit weiteren Verweisen.

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

3.4.2.2 Eine frühe Versio iuxta Hebraeos? Es gibt aber auch eine Perspektive, in der sich die oben rekonstruierte Zweitübersetzung als Entwurf aus einem Guss verstehen lässt. In der Erstfassung O. der Versio prior haben sich schon früher sehr viele Doppel- oder sogar Mehrfachübersetzungen nachweisen lassen331. Oft handelte es sich dabei um Fälle, bei denen die eine Variante auf einer hebräischen, die andere auf einer griechischen Vorlage beruhte. Wenn die hebräische Vorlage von M abwich, was häufig vorkam, blieb in der Regel offen, ob Hieronymus Zugang zu einer anderen Überlieferung hatte oder eigene Veränderungen am hebräischen Text vornahm. Nun erwies sich die Gildas-Vorlage, die Hieronymus fast unverändert als Erstübersetzung nach O. übernahm und die die Fratres fälschlich in die Adnotationes einsetzten, als getreue Übersetzung der LXX. Dieser Umstand dürfte erklären, warum Hieronymus gerade diese Version in seinen revidierten Fassungen S. und T. beibehielt, die er – wie an anderer Stelle nachgewiesen wurde – im Gegenüber zur Vulgata zu Wiedergaben der griechischen Überlieferung machen wollte. Damit stellt sich die Frage, ob die von uns rekonstruierte Zweitfassung aus Hieronymus’ Sicht vielleicht das Pendant nach dem Hebräischen darstellen sollte. Immerhin enthält sie ja mit der Änderung des „wie“ zu „aus“ sehr wahrscheinlich eine sonst nirgends belegte Konjektur des Übersetzers, die sich zwanglos als Emendation einer hebräischen Textvorlage erklären lässt. Interessanterweise lassen sich die beiden Parameter, die Hieronymus aus der Paraphrase des Ambrosius übernahm – also die passivische Konstruktion der Prädikate und deren verschiedene Tempora – zugleich auch als korrekte Übersetzungen des hebräischen Konsonantentextes ansehen. In M wird der Text wie folgt als Aktiv vokalisiert. Diese Konstruktion übersetzt Hieronymus in der Vulgata: Iob 27

M

Vulgata

16a

‫ם־ִיצ ֹּ֣בר ּכֶ ָע ָ ֣פר ָּכ ֶ֑סף‬ ‫ִא‬ ְ dt.: Wenn er anhäufen wird wie Staub Silber

si conportaverit quasi terram argentum

16b

ֹ ֗ ַ‫ְ֝וכ‬ ‫ח ֶמר יָ ִכ֥ין ַמלְ ּֽבּוׁש‬ dt.: und wie Lehm herrichten wird Kleidung

et sicut lutum praeparaverit vestimenta332

Es war für Hieronymus aber ein Leichtes, den Text auch als Passiv zu konstruieren. Er brauchte lediglich den überlieferten Konsonantenbestand anders zu vokalisieren – also die aktiven Imperfekt-Formen des Qal bzw. Hif ’il, die M bietet, als 331 Für die hier referierten Phänomene vgl. Warns (2017). 332 Der Plural uestimena statt des hebräischen Singulars „Kleidung“ hat eine Parallele im rabbinischen Targum zur Stelle: Vgl. Stec (1994) 179*.

Kapitel 3: Iob 27, 16–17a bei Hieronymus

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Passivformen im Nif ’al bzw. Hof ’al aufzufassen333. Da es sich um Imperfektformen handelt, hat ein Übersetzer auch die Freiheit, sie je nach seiner Auffassung des Kontextes entweder als Konjunktive des Präsens oder des Perfekts oder als Futur I oder II wiederzugeben. So verstanden hätte Hieronymus nicht primär das Ziel verfolgt, auch die altlateinische Version des Ambrosius in seine Übersetzung mit einzubeziehen oder einen intertextuellen Bezug auf einen Ambrosius-Text herzustellen, sondern hätte diesen nur als Anregung aufgegriffen, neben der reinen LXX-Version der GildasVorlage für Iob 27, 16 auch eine Zweitversion nach dem Hebräischen zu entwickeln. Dass Hieronymus den Text anders konstruierte als M, den Sinn durch eine eigene Konjektur stark veränderte und möglicherweise noch rabbinische Anregungen in seine Version integrierte, würde gut zu der Vorgehensweise passen, die sich für die Erstfassung O. als typisch erwiesen hat334. Da Hieronymus – anders als Augustinus – kein Bewunderer des Ambrosius war, könnte die Integration der relativ freien Paraphrase des Ambrosius in die Übersetzung eines von Hieronymus emendierten hebräischen Urtextes auch noch eine Spitze enthalten: Da Ambrosius kein Hebräisch konnte und rein nach der LXX, wenn nicht einer Vetus Latina-Fassung arbeitete, konnte der aufstrebende Hebraist Hieronymus mit seiner Version etwas gönnerhaft durchblicken lassen, dass Ambrosius mit seiner Paraphrase unbeabsichtigt sogar eine vertretbare Version des eigentlichen Urtextes geliefert hatte.

3.5 Der Wortlaut von Iob 27, 17a: Rekonstruktion von Augustins Textvorlage in O. 3.5.1 These Alle bisherigen Editionen vermitteln den Eindruck, dass Augustinus in den Adnotationes das Lemma Iob 27, 17 einfach übersprungen hat. Obwohl er in vielen anderen Fällen so verfuhr335, trifft diese Diagnose im vorliegenden Fall u. E. nicht zu. Der falsche Schluss beruht auf zwei richtigen Beobachtungen: Zum einen ist Augustinus hier nicht auf den Wortlaut der Gildas-Vorlage eingegangen, die Hieronymus zunächst in seine Erstfassung O. übernommen und später auch in S. T. (B.) festgehalten hatte. Diese Formulierung lautet – wie schon einleitend zitiert336 – 333 Man beachte, dass das rabbinische Targum im folgenden Vers Iob 27, 17 die in M als Aktiv vokalisierte Form ‫„( ִילְ ָ ּ֑בׁש‬er wird sich kleiden“) als Passiv konstruiert („er wird gekleidet sein“ bzw. „werden“): Vgl. Stec (1994) 180* und Mangan (1991) 64. 334 Vgl. Warns (2017). 335 Vgl. die Lücken in der Liste der von Augustinus zitierten Ijob-Lemmata bei La Bonnardière (1960) 122–172. 336 Vgl. zu Anfang dieses Kapitels Punkt 3.1.2.

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

haec omnia iusti337 consequentur. Zum anderen hat Augustinus das abschließende Teil-Lemma Iob 27, 17b nicht berücksichtigt, das in allen Fassungen O. S.T.(B.) der Versio prior des Hieronymus et substantiam eius ueraces possidebunt lautet338. Augustins Zurückhaltung erklärt sich möglicherweise dadurch, dass Hieronymus die beiden letzten Wörter von Iob 27, 17b ueraces possidebunt durch Obelos und Metobelos als späteren Zusatz markiert hat339. (Übrigens stellt sich auch für das folgende Lemma Iob 27, 18 die Frage, ob Augustinus dort ein textkritisches Zeichen des Hieronymus berücksichtigte340.) Im vorliegenden Fall hat Hieronymus seinen Obelos jedoch nicht wie üblich aus der Hexapla kopiert, denn der Teilvers Iob 27, 17b ist in M und G überliefert und wurde deshalb auch von Origenes nicht mit textkritischen Zeichen versehen341. Jedoch könnte der auffällige Umstand, dass auch Lucifer und Ambrosius in ihren Paraphrasen und Gildas in seinem Zitat dieses Teil-Lemma beiseitegelassen haben342, darauf hinweisen, dass Iob 27, 17b auch in all ihren Vetus Latina-Texten fehlte. Wenn jedoch Hieronymus mit seinem Obelos auf diese Lücke in der Vetus Latina-Überlieferung hinweisen wollte, müsste man zwei neue, unerwartete Schlüsse ziehen. Sein Vorgehen würde erstens bedeuten, dass er die textkritischen Zeichen nicht nur wie Origenes auf das Verhältnis zwischen M und G, sondern analog auch auf das Verhältnis zwischen der Vetus Latina und der LXX anwandte. Es würde zweitens implizieren, dass er dabei die altlateinische Version zum Maßstab nahm, der gegenüber der vollere Text der LXX als fragwürdiger Zusatz erschien. Damit würde Hieronymus aber seine in beiden Vorreden zum Buch Ijob geäußerte Kritik, ein Kernfehler der altlateinische Ijob-Texte seien die zahlreichen Lücken gegenüber den Urtexten343, stillschweigend auf den Kopf stellen. Hier zeichnet sich also weiterer Forschungsbedarf ab. 337 iusti om. (B.). 338 Die Erstfassung O. ist als Randglosse im Bibelcodex von Burgos erhalten: Warns (2017) 198. 339 So nach der Überlieferung des Codex T. Im Codex (B.) steht stattdessen ein verfehlter Asterisk am Rand. Zur problematischen Überlieferung der Asterisken in den Hieronymus-Hss. T. und (B.) vgl. Ziegler 144–147, der aber unseren Fall nicht erwähnt. Bickell, der (B.) noch nicht kannte, erklärte (1862) 49 die Notiz in T. (bei ihm „M.“) für ein Versehen. Zu den Asterisken und Obelen in Augustins Vorlage O. vgl. Hieronymus’ Praefatio, Römische Vulgata, Libri Hester et Iob (1951) 75 und Augustinus, ep. 28, 2; 71, 3. 340 Vgl. Warns (2017) 428–429. 436. 341 Vgl. Ziegler 329 sowie Rahlfs / Hanhart (2006) 2, 315 und Meade (2012) 117. Der Teilvers Iob 27, 17b wird auch mitzitiert in den erhaltenen griechischen Kommentaren: Vgl. den Arianer Julian (ed. Hagedorn (1973) 167); Johannes Chrysostomos (ed. Hagedorn / Hagedorn (1990) 147) und Olympiodor (ed. Hagedorn / Hagedorn (1984) 228). Olympiodor und Julian werden auch in den Katenen zitiert: Vgl. Hagedorn / Hagedorn 3 (2000) 54. Auch im rabbinischen Targum steht der Teilvers: Vgl. Stec (1994) 180* und Mangan (1991) 64. Er ist sogar im Targum von Qumran erhalten, das an dieser Stelle sonst stark zerstört ist: York (1973) 96. 102 und Sokoloff (1974) [48]–[49]. [119]. 342 Vgl. die Tabelle oben S. 78–79 mit Nachweis der Fundstellen. 343 Prologus zur Versio prior: Vulg. Rom. 75, 8–12; Prologus zur Iob-Vulgata: Vulg. Stuttg. 731, 12–14; cf. 732, 38–39. 46.

Kapitel 3: Iob 27, 16–17a bei Hieronymus

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Weil jedenfalls Iob 27, 17b auch an keiner anderen Stelle der lateinischen patristischen Literatur in einer Vetus Latina-Fassung nachgewiesen ist344, müssen wir uns im Folgenden auf den Teilvers Iob 27, 17a beschränken. Hier vertreten wir die These, dass die Formulierung (565, 18–19) ad iustos con­ uertentur, mit der Augustinus die vorliegende Passage abschließt, ein wörtliches Zitat von Iob 27, 17a aus der Zweitübersetzung des Hieronymus darstellt, die Augustinus – wie oben dargelegt – zu dieser Passage in seinem Ijob-Codex O. vorfand.

3.5.2 Einwände gegen die These Auf den ersten Blick mag unsere These, der Ausdruck (565, 18–19) ad iustos con­ uertentur sei ein wörtliches Teilzitat von Iob 27, 17a aus der Erstfassung O. des Hieronymus, wenig überzeugend klingen, weil bis auf die zentrale Vokabel iust- im Zentrum weder in Wortwahl noch Syntax Ähnlichkeiten zu einem der Urtexte zu bestehen scheinen. Zudem hat Hieronymus den hebräischen Urtext in der Vulgata und die LXX-Fassung in den revidierten Versionen S. T.(B.) der Versio prior sehr genau wiedergegeben. Dieser Befund lässt sich tabellarisch wie folgt zusammenfassen: Iob 27

Urtexte

Hieronymus’ spätere Übersetzungen

17a

M: ‫ָ֭יכִ ין וְ ַצ ִ ּ֣דיק ִילְ ָ ּ֑בׁש‬ dt.: er wird herrichten, aber ein Gerechter wird sich kleiden

Vulgata: praeparabit quidem sed iu­ stus vestietur illis

G: ταῦτα πάντα δίκαιοι περιποιήσονται dt.: werden Gerechte das alles erhalten345

Versio prior in S. T.(B.) als Zitat der Gildas-Vorlage: haec omnia iusti346 consequentur

Die Übersicht zeigt, dass sich Hieronymus in der Vulgata eindeutig auf M gestützt hat (nur illis ist ein erklärender Zusatz, der sich auf die uestimenta im vorigen Vers zurückbezieht). Die Gildas-Vorlage, die Hieronymus von S. bis T. zitiert, beruht dagegen in Wortstellung und jedem Detail ebenso eindeutig auf G. Angesichts so klarer Verhältnisse scheint es, als habe Hieronymus keinen Anlass gehabt, für Iob 27, 17a eine weitere, zumal so freie Übersetzung zu entwickeln, wie wir in unserer These postulieren.

344 Lt. CD Beuron s. v. Iob 27, 17.  345 So Kepper / Witte (2009) 1037. 346 iusti om. (B.).

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

3.5.3 Erstes Argument für die These Ein erster Hinweis darauf, dass es sich bei der Formulierung ad iustos conuertentur um die Anspielung auf einen vorgegebenen Text, nicht um eine freie, genuin augustinische Formulierung handelt, ergibt sich aus dem Umstand, dass es für den Ausdruck ad iustos conuertere / conuerti bei Augustinus keine Parallele gibt347. Dass zumindest eine Anspielung auf Iob 27, 17a vorliegen könnte, erhellt daraus, dass der Begriff des bzw. der „Gerechten“ auch in M, LXX, in der Gildas-Vorlage und in O. S.T.(B.) sowie schließlich in der Vulgata im Zentrum von Iob 27, 17a steht.

3.5.4 Detaillierte Begründung im Licht der Urtexte Soweit wir sehen, hat Hieronymus die Formulierung ad iustos conuertentur mit dem Ziel entwickelt, das Problem anzugehen, dass sich die hebräischen und griechischen Urtexte im Lemma Iob 27, 17a so auffällig unterscheiden: Iob 27

Urtext hebräisch

Urtext griechisch

17a

‫ָ֭יכִ ין וְ ַצ ִ ּ֣דיק ִילְ ָ ּ֑בׁש‬

ταῦτα πάντα δίκαιοι περιποιήσονται

dt.: er schafft an, doch der Gerechte zieht an348

dt.: werden Gerechte das alles erhalten349

Wir verstehen den Ausdruck ad iustos conuertentur zumindest grundsätzlich als Versuch des Hieronymus, typische Elemente beider ursprachlicher Versionen in seiner üblichen Konflationstechnik miteinander zu verbinden. Um dies zu zeigen, müssen wir zunächst das Verhältnis zwischen M und G klären.

3.5.4.1 Das Verhältnis zwischen M und G Im Teilvers Iob 27, 17a bewahrt die LXX nur die Kernaussage von M, dass „der Gerechte“ Subjekt ist. Sie fasst dabei den hebräischen Singular mit ihrem Plural δίκαιοι als Kollektivbegriff auf. Dieselbe kollektive Auffassung ist konsequenterweise auch auf das abschließende Prädikat περιποιήσονται („sie werden erhalten“) übertragen. Der Unterschied zwischen dem περιποιήσονται der LXX und dem ‫„ ( ִילְ ָ ּ֑בׁש‬er wird anziehen“) von M beruht auf einer Verwechslung der beiden graphisch ähnlichen hebräischen Verbwurzeln ‫„( לבׁש‬kleiden“)350 und ‫„( רכׁש‬erwerben“)351: Die hier 347 So der Befund lt. CAG 2. 348 So Strauss (2000) 114. 349 So Kepper / Witte (2009) 1037. 350 GD 596. 351 GD 1245. So Wutz (1933) 208 mit Verweis auf Gn 31, 18 (2 Belege) und Gn 36, 6. 

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vorliegenden Buchstabenvertauschungen zwischen Lamed und Resch352 sowie Beth und Kaf353 sind auch sonst belegt. Der inhaltlich und syntaktisch auffallendste Unterschied zwischen M und G besteht darin, dass der griechische Übersetzer am Anfang von Vers 27, 17a das spitzengestellte hebräische Prädikat ‫ ָ֭יכִ ין‬mitsamt dem folgenden ְ‫„( ו‬und / aber“) durch das Akkusativ-Objekt ταῦτα πάντα ersetzt hat. Für diese starke Abweichung sind mehrere Anlässe denkbar. Vermutlich hat der griechische Übersetzer die Buchstabenfolge von M ‫ וְ ָ֭יכִ ין‬in seiner Vorlage nicht klar entziffern können. Bei seinen Überlegungen zum Sinn der Stelle hat er offenbar nicht damit gerechnet, dass M dort das dasselbe Prädikat ‫ ָ֭יכִ ין‬wie im vorigen Vers 27, 16b nochmals emphatisch wiederholt hat. Vor allem aber dürfte er in Vers 17a ein Akkusativ-Objekt vermisst haben. So jonglierte er vermutlich mit einer ganzen Reihe ähnlich geformter Buchstaben354 und konjizierte statt der Konso­nantenfolge ‫ יכין ו‬von M (wörtlich: „er wird bereitstellen und / aber“) den präpositionalen Ausdruck ‫( בכולו‬wörtlich „durch ihn ganz“355). Dieser kann im Hebräischen ohne weiteres auch als Akkusativ-Objekt „ihn ganz“ verstanden werden356. Auf diese Weise erhielt das zweite Prädikat von 17a (in M ‫ִילְ ָ ּ֑בׁש‬, in der LXX περιποιήσονται) ein Objekt. Das maskuline Possessiv-Suffix „ihn“ bezieht sich auf das letzte Wort von Vers 16b zurück, dessen Wortlaut („Kleidung“ oder „Gold“) zwar umstritten ist357, das aber in jedem Fall ein Maskulinum war. Wie die anderen Wörter dieses Lemmas wurde auch der suffigierte Begriff ‫ כולו‬in der LXX kollektiv aufgefasst und als Plural ταῦτα πάντα wiedergegeben. Dadurch konnte auch noch das „Silber“ von Vers 16a in die Aussage integriert werden, wie es der Gesamtsinn nahelegt. Auf dieser Basis lässt sich jetzt auch das Vorgehen des Hieronymus nachvollziehen, das unserer These zufolge zu der Formulierung ad iustos conuertentur führte.

3.5.4.2 Griechische Einflüsse auf Hieronymus’ Formulierung Die Formulierung ad iustos conuertentur, die wir für ein wörtliches Zitat aus O. halten, enthält kein Subjekt. Augustinus setzt in seinem Text als Subjekt die prudentes et sapientes ein, also die Christen, die er durch die Edelmetalle argentum und aurum des Lemmas Iob 27, 16ab symbolisiert sieht. Daraus lässt sich schließen, dass in der 352 Wutz a. a. O. 206–209. 353 Wutz a. a. O. 243–244. 354 Die Konjektur der LXX involviert u. E. drei Buchstabenvertauschungen: Jod und Beth, Jod und Waw sowie Nun finale und Lamed. Nur der Wechsel zwischen Jod und Waw kommt häufig vor: Vgl. Wutz a. a. O. 201–204. 355 „Er ganz“ und analoge idiomatische Ausdrücke sind im Hebräischen üblich: Vgl. die strukturierte Übersicht bei Mandelkern (1937) 1, 582–583. Für den präpositionalen Ausdruck ‫ בכול‬vgl. Iob 1, 22a (wie hier in Spitzenstellung) sowie 12, 9a. Für die suffigierte Form ‫ כולו‬vgl. Iob 21, 23b. 356 Vgl. Grether (1967) 199, § 79 x. 357 S. o. S. 81 mit Anm. 319.

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hier zu rekonstruierenden Version des Hieronymus als Subjekt dieselbe Wortgruppe haec omnia stand, die in der LXX (als ταῦτα πάντα) sowie in deren wörtlicher Wiedergabe in der Gildas-Vorlage358 als Zusammenfassung für argentum und aurum diente. Die damit einhergehende Umdeutung eines Neutrums vom Akkusativ-Objekt zum Subjekt hatte Hieronymus – wie oben gezeigt – in vergleichbarer Weise bereits bei den Begriffen argentum und aurum im vorangehenden Lemma Iob 27, 16ab vollzogen. Wenn diese Überlegungen zutreffen, lautete Augustins Textvorlage von Vers 27, 17a in ihrer vollständigen Form haec omnia ad iustos conuertentur. Diese Formulierung enthält noch drei weitere Elemente des griechischen Textes: Sie zeichnet mit der Spitzenstellung von haec omnia und der Endstellung des Prädikats deren Wortstellung nach. Auch der Plural „die Gerechten“ und die Pluralform des futurischen Prädikats conuertentur stammen aus der LXX.

3.5.4.3 Hebräische Einflüsse auf Hieronymus’ Formulierung Damit sind aber noch nicht alle Parameter dieser Formulierung erklärt. Andere Elemente gehen auf eine hebräische Vorlage zurück. Das gilt für das Genus Verbi und die Vokabelbedeutung des Prädikats conuertentur sowie nicht zuletzt für die präpositionale Konstruktion mit ad. Die Übersetzung conuertentur beruht auf der Verbform ‫ ָ֭יכִ ין‬, mit der das Lemma Iob 27, 17a in M beginnt. Der hebräische Autor nimmt hier noch einmal dasselbe Prädikat in derselben Imperfektform auf, das er bereits im vorangehenden Lemma 27, 16b gebraucht hatte. Anders als das rabbinische Targum konnte Hieronymus diese rhetorische Figur im Lateinischen ohnehin nicht genau nachahmen, weil er zum Ausdruck des vorzeitigen Futuralis im Nebensatz eine andere Verbform (sc. Konjunktiv Perfekt oder Futur II359) benutzen musste als das Futur I im Hauptsatz. Also hat er – vermutlich um über den Sinn der Stelle im Lateinischen keinen Zweifel zu lassen – beide Verbformen sogar mit verschiedenen Vokabeln übersetzt: in 27, 16b mit praeparare, in 27, 17a mit conuertere. Diese Maßnahme mag drastisch erscheinen, lag aber aus hebraistischer Perspektive sogar nahe, denn das Hif ’il der Wurzel ‫ כון‬hat nicht nur den Sinn von „vorbereiten“, sondern auch von „hinwenden“360. Wie im vorangehenden Vers 27, 16b hat Hieronymus das aktivische Hif ’il von M wieder als passivisches Hof ’al vokalisiert. Im Gefolge der LXX hat er den Singular hier – passend zum Subjekt haec omnia – als kollektiven Plural interpretiert. Schließlich erklärt sich die Präposition ad vor iustos als Konjektur des Hieronymus im hebräischen Urtext. Da die Konjunktion ‫„( ו‬und“), die in M vor dem Begriff „der Gerechte“ steht, ihre Funktion dadurch verloren hatte, dass der Halbvers 358 Ebenso in der Paraphrase des Lucifer: S. o. die Tabelle auf S. 78–79. 359 Oben in Kap. 1 zu Iob 16, 6ab fand sich sogar ein Fall, in dem er den vorzeitigen Konjunktiv Aorist der LXX erst in der Vulgata durch Futur II wiedergab (S. 42–43), aber zuvor in der Versio prior durch den gleichzeitigen Konjunktiv Präsens ersetzte (S. 44–45). 360 GD 533. Eine vergleichbare Mehrdeutigkeit liegt beim deutschen Verb „ausrichten“ vor.

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Iob 27, 17a nur noch ein einziges Prädikat in Endstellung enthielt, hat sie Hieronymus zur graphisch ähnlichen Präposition ‫„( ל‬zu / hin“) umgedeutet. Diese Umdeutung, für die weitere Beispiele vorliegen361, erlaubte ihm, die Aussage conuertentur mit der Zielangabe ad iustos zu verbinden.

3.6 Fazit der Rekonstruktion von Augustins Textvorlage zu Iob 27, 17a 3.6.1 Der Text in der rekonstruierten Doppelfassung Als Fazit scheint uns plausibel, dass Hieronymus’ Erstfassung O. der Versio prior auch für das Lemma Iob 27, 17a eine Doppelübersetzung enthielt: zum einen den Schluss des Zitats der Gildas-Vorlage haec omnia iusti consequentur, das Hieronymus in seinen folgenden Revisionen allein stehen ließ, zum andern die von Augustinus partiell in seine Interpretation eingearbeitete Formulierung haec omnia ad iustos conuertentur.

3.6.2 Hieronymus’ Vorgehen bei den beiden Fassungen in O. Wie schon oben beim vorigen Lemma Iob 27, 16ab angemerkt, erklärt sich die Übernahme der Gildas-Vorlage von selbst als genaue Wiedergabe der LXX. Dagegen macht die Analyse des Ausdrucks ad iustos conuertentur drei interessante Übersetzungstechniken des Hieronymus sichtbar:

3.6.2.1 M als Ausgangsbasis für Konjekturen Wenn wir einleitend feststellen mussten, dass der fragliche Ausdruck mit Ausnahme des zentralen Stichwortes der „Gerechten“ auf den ersten Blick keine Ähnlichkeit mit einem Urtext aufzuweisen schien, so muss dieser Eindruck jetzt revidiert werden. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, wie sehr Hieronymus darauf bedacht war, die einzelnen Elemente seiner Zweitfassung durch Rückbezüge auf die Urtexte abzusichern. Gerade bei den Details, die aus dem Hebräischen stammen, hat er sich hier nirgendwo frei über den Urtext hinweggesetzt, sondern den überlieferten Konsonantentext entweder nur anders vokalisiert oder so emendiert, dass sich die von ihm diagnostizierten Versehen der Vorlage durch naheliegende Buchstabenvertauschungen erklärten. Dieselben Regeln gelten für Konjekturen im alttestamentlichen Text bis heute.

361 Vgl. Wutz (1933) 205–206.

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3.6.2.2 Die Verschiebung von Prädikaten Bisher noch ohne Parallele ist die Beobachtung, dass Hieronymus das ursprüng­liche Prädikat eines Verses gegen ein anderes aus dem näheren Kontext ausgetauscht hat. M und die Vulgata bieten am Ende von Iob 27, 17a die Aussage „er wird sich kleiden“, während G und die Gildas-Vorlage stattdessen „sie werden erlangen“ schreiben – im Lateinischen also consequentur. Hieronymus dagegen ersetzte dieses Prädikat durch conuertentur, sein Äquivalent des Verbums, das in M (‫ ) ָ֭יכִ ין‬und der Vulgata (praeparabit) am Versanfang steht, aber in G und der Gildas-Vorlage durch den Ausdruck ταῦτα πάντα = haec omnia verdrängt worden war. Wenn man fragt, warum Hieronymus das consequi der Vetus Latina gegen eine Form von conuertere ausgetauscht hat, kann man zunächst darauf verweisen, dass consequi in Hieronymus’ Augen ein ausdrucksschwaches Verb gewesen sein muss. Das zeigt sich daran, dass er es zur Umschreibung einer ganzen Reihe griechischer und hebräischer Verben benutzte362. Dagegen hat es mit dem Ausdruck conuertentur hier noch eine besondere Bewandtnis, die u. E. den eigentlichen Grund darstellt, warum Hieronymus ihm an dieser Stelle den Vorzug gab.

3.6.2.3 Die Integration einer Cicero-Anspielung Wir haben oben argumentiert, dass Hieronymus hier conuerti als Übersetzung des Hif ’ils der hebräischen Wurzel ‫ כון‬benutzt. Jetzt ist nachzutragen, dass er für ‫כון‬ im Sinn von „hinwenden“ an anderen Stellen nur ausnahmsweise von conuertere sprach363 und stattdessen meist die Vokabel dirigere wählte364. Offenbar hat er im vorliegenden Kontext also auf conuertere besonderen Wert gelegt. Der Kontext der Ijob-Passage besagt, dass Silber und Gold ursprünglich von dem impius gesammelt wurden, während die Gerechten keinen Anteil daran hatten. Obwohl ihnen also diese Vermögenswerte am Ende zufließen werden, so haben sie doch von Rechts wegen eigentlich keinen Anspruch darauf. Im TLL findet man für die hier von Hieronymus vorausgesetzte spezielle Nuance von conuertere im Sinn von „Geld für jemanden abzweigen, der kein Recht darauf hat“ nur eine einzige gute Parallele in der klassischen lateinischen Literatur365. Es ist Ciceros anklagende Frage an Verres:

362 Lt. der Liste von consequi-Belegen bei Erbes (1950) im Glossar, S. 6 kommt consequi in der Versio prior noch an zwei weiteren Stellen vor: Iob 6, 20a confusionem consequentur; Iob 7, 2a seruus […] consecutus umbram. Vgl. die vielen Nuancen der zahlreichen Vulgata-Belege bei Peultier u. a. (1939) 256–257. 363 Ez 4, 7 Vulg.: ad obsidionem Hierusalem conuertes faciem tuam. 364 Vgl. in der Vulgata bes. den vergleichbaren Ausdruck dirigere gressus: Ps 118, 133; Prv 16, 9; Ier 10, 23. In der Versio prior ist dirigere nicht belegt. 365 TLL s. v. conuerto, hier 4.0.863, 29–30.

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Verr. II 3, 176366: Quid igitur est reliquum nisi uti fateare te […] publicam pecuniam domum tuam convertisse?367

Es scheint uns daher plausibel, dass der unverbesserliche Ciceronianus Hieronymus368 auch mit dem conuertentur von Iob 27, 17a wieder einmal auf seinen bevorzugten lateinischen Klassiker anspielen wollte369; denn auch an anderen Stellen erweist sich die Technik, intertextuelle Bezüge auf Stellen der lateinischen Literatur einzufügen, als typisch für die Erstfassung O. von Hieronymus’ Versio prior370. Wenn unsere Vermutung überzeugt, muss man aus Hieronymus’ Perspektive seinen Ausdruck haec omnia ad iustos conuertentur wie folgt übersetzen: „Alle diese werden den Gerechten zugewendet werden.“ Im folgenden Kapitel werden wir sehen, wie Augustinus diese Aussage produktiv missverstanden hat.

366 Der TLL verweist auf die Stelle nach früherer Zählweise als Verr. 4, 176. 367 Der TLL selbst ordnet die Stelle allerdings unter der Rubrik „consumere“ ein. Die eigentliche Spitze hat Fuhrmann gesehen; er übersetzt (Bd. 4 (21982) 111): „Was bleibt dir also übrig als einzugestehen, du habest […] die öffentlichen Mittel für dich selber beiseite geschafft?“ Dass man die Stelle so verstanden hat, zeigt auch die weitere Anspielung in der spätantiken Schrift Vir. ill. 33, 8: nihil amplius de praeda sua domum convertisse (Nachweis im TLL 4.0.863.30). 368 Vgl. vor allem Hagendahl (1958), 91 ff.; bes. für die ersten Jahre in Bethlehem: 115–141; zusammenfassend zu Cicero: 284–292; dazu Kelly (1975) 41–44; vgl. auch 333. 335; Fürst (2003) 139–144; Schlange-Schöningen (2018) 18–22. 369 Hagendahl a. a. O. 246. 287 kennt nur ein einziges Zitat aus den Verres-Reden (II, I. 40), weist aber zahlreiche Belege aus anderen Cicero-Reden nach: Vgl. seinen Index 399–401. 370 S. u. in Kap. 5, Punkt 5.4.2.2 fin. zu excludere mit weiteren Beispielen.

Kapitel 4: Iob 27, 16–17a bei Augustinus Zur Gliederung Nach einem Vorspann, in dem auch im vorliegenden Fall der ursprüngliche Wortlaut der Adnotationes geklärt werden muss, umfasst das vorliegende Kapitel zwei Hauptteile. Im ersten untersuchen wir Augustins Auslegung von Iob 27, 16ab, im zweiten seine Auffassung von Iob 27, 17a. In beiden Fällen hat er einen von Hieronymus’ Kernbegriffen produktiv missverstanden. Am Kapitelende thematisieren wir im Rückblick und Vorblick die Frage, wieweit Augustinus bei der Arbeit am Ijob-Text seine Gedanken zu prudentia und sapientia geklärt und weiterent­ wickelt hat.

4.1 Der ursprüngliche Wortlaut der Adnotationes in Iob Die folgenden Überlegungen basieren auf den Ergebnissen des vorigen Kapitels. Wie sich dort gezeigt hat, ist die Textüberlieferung von Augustins Adnotationes in dieser Passage zwar in beiden Rezensionen ω1 und ω2 übereinstimmend tradiert und nur von leichten Kopierversehen beeinträchtigt, bietet aber die Lemmata nicht in der von Augustinus selbst zitierten und kommentierten Form. Als Zwischenergebnis unseres Rekonstruktionsversuchs, der im Folgenden noch durch weitere Details ergänzt werden wird, hat sich folgender Text der Adnotationes-Passage ergeben371: (565, 15–19) quodsi et colligatur e terra argentum (Iob 27, 16a) , id est: si prudentes et sapientes, cum adhuc terra et lutum sunt, id est, cum adhuc stulta et carnalia sentiunt, eis consenserint, postea correcti et cognoscentes ad iustos conuertentur (Iob 27, 17a; vgl. Cic., Verr. 3, 176).

Auf dieser Basis versuchen wir jetzt, Augustins teilweise schwierige Ausdrucksweise genauer zu verstehen372. Wir unterscheiden zwischen Augustins Auslegung der TeilLemmata Iob 27, 16ab und Iob 27, 17a und klären zunächst die Grundstruktur der Gedankenführung.

371 Für die Varianten der Überlieferung s. o. Kap. 3, Punkt 3.1.1. 372 Ein weithin zutreffendes Verständnis des Zycha-Textes ist bisher nur Cosgaya (1992) 85 gelungen. Unser eigener Übersetzungsvorschlag folgt am Ende des vorliegenden Kapitels als Zusammenfassung der folgenden Analysen.

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4.2 Augustins Auslegung von Iob 27, 16ab 4.2.1 Übergreifende Aspekte 4.2.1.1 Die drei Kerngedanken der Allegorie Augustins allegorische Auslegung beruht auf drei Kernaussagen des Bibeltextes: auf der parallelen Nennung der Edelmetalle Silber und Gold, auf der Feststellung, dass diese Bodenschätze der Erde erst abgewonnen werden müssen, und schließlich auf dem Kontrast zwischen dem Wert der Metalle und ihrer unedlen Herkunft aus terra und lutum. Die Edelmetalle Silber und Gold setzt Augustinus mit den prudentes und sapientes gleich, also zwei spirituell fortgeschrittenen Christengruppen. Die Gewinnung von Silber und Gold aus Erde bzw. Lehm wird als spirituelle Entwicklung dieser Gruppen verstanden. Dabei unterscheidet Augustinus mit cum adhuc und postea nur zwei Stadien: Erde und Lehm schildern die anfängliche Unvollkommenheit, während der Übergang in den geläuterten Zustand der Edelmetalle durch das Teilzitat von Iob 27, 17a ad iustos conuertentur bezeichnet wird.

4.2.1.2 Produktives Missverständnis von Iob 27, 16a Diese Deutung impliziert ein erstes produktives Missverständnis der Ijob-Passage. 4.2.1.2.1 Das Phänomen: Verschiebung der „Metallgewinnung“ vom Nebensatz in den Hauptsatz Im Bibeltext nämlich sind die genannten beiden Phasen der Edelmetallgewinnung anders auf die Teilsätze des Bedingungsgefüges verteilt als bei Augustinus. Zwar hat man auf den ersten Blick den Eindruck, dass Augustinus der Bibel auch syntaktisch sehr genau folgt, weil beide Texte als konditionale si-Gefüge formuliert sind. Erst bei näherer Prüfung zeigt sich eine Sinnverschiebung. In dem Augustinus vorliegenden Bibeltext O. wird das Ergebnis der Metallaufbereitung mit colligatur argentum und paratum fuerit aurum bereits im si-Satz von Iob 27, 16ab geschildert, so dass sich der anschließende Hauptsatz Iob 27, 17a schon auf die weiterführende Frage bezieht, was mit den so gewonnenen Metallen anschließend geschieht. Augustinus dagegen interpretiert erst Iob 27, 17a als Beschreibung der zweiten, abschließenden Phase der Gewinnung des reinen Metalls, während er den gesamten vorangehenden si-Satz von Iob 27, 16ab noch als Schilderung des unvollkommenen Ausgangsstadiums auffasst. Diese Sinnverschiebung des si-Satzes in Augustins Auslegung lässt sich an zwei Indizien ablesen. Das erste Indiz dafür, dass der gesamte si-Satz bei Augustinus noch eine unvollkommene Vorstufe beschreibt, besteht in den beiden cum adhuc-Sätzen, die er zur Verdeutlichung in seinen si-Satz eingefügt hat: Gerade die Verdoppelung des cum

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adhuc („während / solange noch“) unterstreicht seine Absicht, die Vorläufigkeit des geschilderten Zustandes zu betonen. Das zweite, zunächst weniger augenfällige Indiz besteht in der Wahl des Prädikats consenserint mit dem Dativ-Objekt eis (sc. stultis et carnalibus). Denn mit der Formulierung „wenn sie (sc. die spirituell noch im Anfangsstadium befindlichen späteren Weisen) diesen (sc. noch dummen und fleischlichen Vorstellungen) innerlich zugestimmt haben“ schildert Augustinus ein sündhaftes Verhalten, das schlimmer ist als nur törichte Unreife. Hier ist daran zu erinnern, dass Augustinus an mehreren früheren Kernstellen seiner Werke ausführlich dargelegt hatte, dass nicht die Versuchung durch sinnliche Verlockungen schon Sünde ist, sondern Sünde erst durch die freie consensio des Menschen zu solchen Reizen zustande kommt373. Insofern impliziert die Paraphrase von Iob 27, 16ab mit consentire im Verbund mit den Stichworten stulta et carnalia, dass Augustinus im gesamten Vers Iob 27, 16ab das sündige Vorleben der späteren prudentes und sapientes beschrieben fand. 4.2.1.2.2 Die Erklärung: Ableitung des colligatur von colligare statt von colligere Die hier nachgewiesene Verschiebung erklärt sich u. E. so, dass Augustinus im Teil-Lemma Iob 27, 16a die doppeldeutige Verbform colligatur vorgefunden und produktiv missverstanden hat: Statt sie mit Hieronymus von colligere („sammeln“) abzuleiten, also als Beschreibung der Trennung des Metalls von der Erde zu verstehen, hat Augustinus das Prädikat colligatur als eine Form von colligare („an etwas binden“) aufgefasst. Statt mit der Bibel von der Ablösung des Silbers von der Erde zu sprechen, meinte Augustinus also gerade umgekehrt eine Aussage über die anfängliche Bindung des Metalls an die Erde vorzufinden. Erleichtert wurde die Verwechslung von colligere und colligare für Augustinus vermutlich noch dadurch, dass er beide Verben mit der Präposition ex verband: colligere ex im Sinn von „einen Sachverhalt aus einem anderen erschließen“374, colligari ex im Sinn von „sündhaft an jemanden gebunden sein“375. 373 So zuerst Gn. adu. Man. 2, 21. 25 in klar antimanichäischer Tendenz. Der Gedanke wird dann als bewiesen vorausgesetzt in uera rel. 28, lib. arb. 3, 29.31.75; duab. an. 18; s. dom. m. 1, 31, aber anschließend nochmals genauer entfaltet in s. dom. m. 1, 33–35. Dann wird die Idee in den ersten Paulusauslegungen wieder mehrfach als bekannt behandelt: so exp. prop. Rom., bes. 13–18: non enim in ipso desiderio prauo, sed in nostra consensione peccamus sowie 35–36. 45–46; exp. Gal. 48.57.61; diu. qu. 66, 6. Direkt nach den Adnotationes fällt eine Häufung in antimanichäischen Schriften auf: c. Faust. 21, 9; c. Fel. 2, 6. 11; nat. bon. 32; c. Sec. 8 und bes. ausführlich 13–20; vgl. noch 26. 374 So ab den Frühschriften: Acad. 1, 5; 2, 30; imm. an. 23; mus. 1, 6; lib. arb. 3, 38. 375 So conf. 8, 2: sed adhuc tenaciter conligabar ex femina. O’Donnell (1992) 3, 10 sieht in dieser Formulierung wohl zu Recht eine Anspielung auf Paulus’ Frage in I Cor 7, 27a, die Augustinus, wenn er wörtlich zitiert, immer in der Form alligatus es uxori? anführt (so en. Ps. 103, 3, 4; 121, 10; 149, 15; uirg. 15). Es ist kein Einwand gegen O’Donnells These, dass Augustinus hier von femina statt uxor spricht (denn er war mit seiner Geliebten nicht verheiratet) oder dass er conligare statt

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Auch die parallele Formulierung in Iob 27, 16b (si) e luto paratum fuerit aurum brauchte nicht gegen diese Interpretation zu sprechen. Wie schon dargelegt, hat Augustinus aus diesem Teil-Lemma die Stichwörter aurum und lutum aufgenommen. Dagegen überging er das Prädikat paratum fuerit mit Schweigen. Vermutlich ist er deshalb so verfahren, weil er paratum fuerit nur etwas gezwungen in seine Allegorese integrieren konnte: Er musste es zu diesem Zweck nicht im Sinn von „wenn Gold bereits gewonnen worden war“, sondern im Sinn von „wenn Gold erst noch zum Abbau bereit stand“ auffassen. Das lag zwar nicht nahe, war aber nicht unmöglich aufgrund der Mehrdeutigkeit eines Partizips Perfekt Passiv im biblischen Latein, die sich aus seiner Funktion als Äquivalent eines griechischen Verbaladjektivs auf -τόϚ ergibt376. Für die griechische Form ist diese Doppelbedeutung typisch377, die alligare gebraucht (denn er war gewohnt, das Verb alligare von I Cor 7, 27 mit colligare zu paraphrasieren: so en. Ps. 103, 3, 4; 149, 15). Auffällig ist nur die Verbindung von colligare mit der Präposition ex. Hier liegt keine Vetus Latina-Variante des Paulus-Zitats vor (die nächste Analogie wäre lt. CD Beuron (Bild 18/59) die singuläre Formulierung ligatus es ab uxore? aus einer anonymen Predigt (datiert 334–337: Frede 162 zu AN s ET 11). Der TLL weist nur eine einzige Stelle mit colligare + ex und drei Belege für alligare + ex nach. Damit wird deutlich, dass Augustins Konstruktion zwar sehr selten ist, aber nicht völlig aus dem Rahmen fällt. Die Stelle mit colligare + ex (nachgewiesen s. v. colligo 3.0.1624.15–16) stammt aber erst von Mutianus, einem Zeitgenossen Cassiodors (vgl. Frede 646), und ist inhaltlich nicht mit der Confessiones-Stelle vergleichbar. Mutianus schreibt in seiner Übersetzung von Chrysostomus’ Homilien über den Hebräerbrief 26, 3 (XII, 343 fin. Montfaucon) duplum efficitur malum: quia et nos ejus (sc. dei) obliviscimur, et ille nostri: haec quippe duo colligata sunt ex invicem. Genauso wenig Bezug auf Augustins Formulierung haben zwei der drei Belege für alligare + ex. Die Fügung fasciculos ex virgis alligatos bei Vitruv 2, 9, 15 (126, 29 Fensterbusch; nachgewiesen im TLL 1.0.1683.8) heißt „aus Reisig zusammengebundene Faschinen“. Bei Seneca, nat. 2, 53, 1 (142 Schönberger; nachgewiesen im TLL 1.0.1684.28–29) geht es um die Eindickung, die Wein durch einen Blitzeinschlag erfährt. Dort ist der Ausdruck nec enim (sc. vinum) alligari potuisset („denn der Wein hätte nicht eingedickt werden können“) vermutlich gar nicht mit dem weiter vorn genannten ex hoc („von ihm“ (sc. dem Blitz“) zu verbinden, sondern steht absolut. Falls man trotzdem mit dem TLL eine Verbindung annehmen wollte, hieße ex hoc alligari nicht etwa „von ihm abhängig werden“, sondern „aufgrund seiner Einwirkung verdickt werden“. Damit bleibt nur noch eine Stelle übrig, die überhaupt mit conf. 8, 2 verglichen werden kann. Vitruv schreibt 10, 15, 4 (520, 19–21 Fensterbusch; nachgewiesen im TLL 1.0.1681.11–12): axiculi duo, e quibus funes alligati retinebant arietem („zwei Seilwalzen, an denen angebunden Seile den Rammbock hielten“). Vielleicht kann man den Umstand, dass diese einzige Parallele aus einem rein technischen Kontext stammt, so interpretieren, dass Augustins ebenfalls singuläre Formulierung conligabar ex femina in römischen Ohren besonders sachlich, unpersönlich und somit distanziert klingen sollte. 376 Vgl. Kaulen (1904) 228–229 und Plater / White (1926) 111–112. So übersetzt etwa die Vulgata I Cor 9, 25b in der Form et illi quidem ut corruptibilem coronam accipiant, nos autem incorruptam (so auch Augustinus spec. 31), während der Ambrosiaster (2, 106, 11–12 Vogels) liest: et illi quidem, ut corruptibilem coronam accipiant, nos autem incorruptibilem. Die Aussage von I Cor 15, 52 et mortui resurgent incorrupti erklärt der Ambrosiaster mit den Worten (2, 185, 14–16 Vogels): id est, ut iam inmortales sint, non tamen inpassibiles. 377 Vgl. Kaegi / Bruhn (1989) 53, § 78, 9; 155, § 201, 1; Blass / Debrunner / Rehkopf (1990) 91–92, § 112; 94–95, § 117.

Kapitel 4: Iob 27, 16–17a bei Augustinus

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im vorliegenden Fall erlaubt, paratum nicht nur als „abgebaut“, sondern auch als „abbaubar“ zu interpretieren. Vor diesem Hintergrund konnte Augustinus darauf verfallen, erst den Hauptsatz Iob 27, 17a auf den endgültigen Schritt der Gewinnung des reinen Metalls zu beziehen. Er selbst unterstreicht diesen Punkt, indem er den Hauptsatz betont mit postea einleitet. Vergleichbare Perioden mit si als Nebensatz- und postea als Hauptsatzeinleitung zur Beschreibung zweistufiger Entwicklungsprozesse finden sich auch sonst inner- und außerhalb der Adnotationes378. Mit dieser Beobachtung kommen wir schon zur Einzelerklärung der Passage.

4.2.2 Einzelerklärungen 4.2.2.1 prudentes und sapientes als Allegorie von argentum und aurum Augustinus wurde von der parallelen Erwähnung von Silber und Gold im Lemma Iob 27, 16ab dazu angeregt, seine Allegorie der Edelmetalle fortzuentwickeln. Der neue Schritt besteht darin, dass Augustinus jetzt zum ersten Mal in seinen Werken das Begriffspaar argentum und aurum mit dem Begriffspaar prudentes et sapientes gleichsetzt. In früheren Werken hatte Augustinus beide Doppelausdrücke bereits verwendet, ohne sie jedoch wie hier miteinander zu verbinden. Das Paar argentum und aurum taucht sowohl in vielen Bibelzitaten als auch in freien Formulierungen seiner Werke auf. Was die Zitate anbelangt, lässt sich meist an der Wortstellung ablesen, welcher Ursprache sie ursprünglich entstammen. Der Hebräer nämlich nennt das Silber fast immer vor dem Gold379, damit nicht zwei 378 Gleich zwei Belege finden sich adn. 23 (557, 2–5): educit in finem iudicium meum (Iob 23, 7b): etiam si modo corripit, postea manifestabit. nam si primus ambulauero, postea non ero (Iob 23, 8a). Vgl. ebenso: s. 154A, 4 (= s. Morin 4, 4; undatiert: Gryson 239): si enim uicerimus, et desideriis carnis nostrae malis non consenserimus, postea resurget caro; sowie s. 229F, 3 (= s. Guelf. 10, 3; datiert „nicht vor 412“: Gryson 244): unde erant apostoli, qui et si primo nuntiantibus mulieribus non crediderunt, ipsum tamen (sc. Christum) postea audierunt? Dagegen zeigt das Fehlen jeglicher Parallelen, dass Augustins postea nicht von der vorangehenden doppelten Nebensatzeinleitung mit (565, 16. 17) cum adhuc induziert ist. 379 Ex 3, 22 uasa argentea et aurea, zitiert loc. 2, 12; 2, 60; qu. 2, 39. Num 22, 18 si dederit mihi Balac plenam domum suam argento et auro, zit. qu. 4, 48. Dt 5, 27 et argentum et aurum non multiplicabit sibi ualde, zit. qu. 5, 27. Ios 22, 8 argentum et aurum, zit. loc. 6, 24. Ps 104, 37 et eduxit eos in argento et auro, zit. en. Ps. 104, 28. 39. Ps 113, 12/134, 15 idola gentium argentum et aurum, zit. qu. 2, 76 u. ö.; en. Ps. 80, 13; 94, 6; 107, 1; 113, 2, 1. 5; 134, 23; s. 105, 12; s. Dolbeau 6, 8.  Prv 27, 21 probatio, inquit, argenti et auri ignis, zit. en. Ps. 69, 5. Is 2, 7 repleta est enim regio eorum argento et auro, zit. cons. eu. 1, 44. Ausnahme: Ps 118, 72 bonum mihi lex oris tui super milia auri et argenti, zitiert c. Adim. 19 und en. Ps. 118, 17, 10.

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Wortakzente zusammenstoßen380. Dagegen stellt der Grieche in der Regel χρυσίον vor ἀργύριον, um das Gesetz der wachsenden Glieder zu wahren381. Aus demselben Grunde spricht Augustinus in eigenen freien Formulierungen viel häufiger von aurum et argentum382 als von argentum et aurum383. Diese Neigung zeigt sich dort besonders deutlich, wo der Bischof die ihm in einem Bibelzitat vorgegebene Reihenfolge argentum – aurum anschließend in der umgekehrten Reihenfolge aurum – argentum paraphrasiert384. Auch das Begriffspaar prudentes  – sapientes (bzw. prudentia  – sapientia)  kam in Augustins bisherigen Werken schon in mehreren Bibelzitaten385 und ebenso in freien Formulierungen vor386, für die sich Parallelen bei Cicero, Apuleius, Ambrosius und Hieronymus fanden387. Die neue Idee, die beiden bisher nur getrennt verwendeten Begriffspaare aufeinander zu beziehen, impliziert die Entdeckung, dass die Metalle Silber und Gold als Symbole für Menschengruppen aufgefasst werden konnten. Dieser Gedanke war bei Augustinus bisher nur andeutungsweise aufgetaucht388. Insoweit betrat er 380 Zur Vermeidung des Zusammenstoßens zweier Tonsilben vgl. Gesenius / Kautzsch (1909) 99–100, § 29, e-f, Joüon (1923) 78, § 31 c sowie Grether (1967) 48–49, § 10 i. Joüon erklärt auch, dass der Murmelvokal (hier das Schwa mobile des „und“ zwischen den beiden Nomina) nach hebräischer Auffassung nicht ausreicht, um den störenden Zusammenprall zu vermeiden. 381 Sir 2, 5 quoniam in igne probatur aurum et argentum et homines acceptabiles in camino humiliationis, zitiert mor. 1, 43; Gn. adu. Man. 2, 35. Ausnahme: 1 Pt 1, 18 non enim argento et auro redemti estis, zit. qu. 7, 17, 1. 382 mor. 2, 21: nec uideo quomodo deus non sit, quae pars dicitur dei, nam et auri pars aurum et argenti argentum; lib. arb. 2, 31: in eius ueritatis conparatione non eis aurum et argentum et cetera de quibus homines dimicant, sed ipsi etiam uilescunt sibi; lib. arb. 2, 35: luce auri et argenti; vgl. aus Werken vor adn. noch util. cred. 28; mend. 41; agon. 18; conf. 2, 10; 5, 17; 11, 4. 383 Belege für argentum et aurum in freien Formulierungen Augustins: lib. arb. 1, 33; Gn. adu. Man. 1, 10. 384 So in diu. qu. 53: Im Exodus-Text steht jeweils uasa argentea et aurea (Ex 3, 22a; 11, 2b; 12, 35b), aber Augustinus paraphrasiert im Titel der Quaestio und in § 2 frei de auro et argento bzw. uasa aurea et argentea. Weitere Beispiele: doctr. chr. 2, 60–61; c. Faust. 22, 91; en. Ps. 80, 13; 104, 28; s. Dolbeau 24, 8.  Dieselbe Umkehrung der biblischen Reihenfolge von argentum und aurum zu aurum und argentum findet sich bei Lucifer und bei Ambrosius in ihren Paraphrasen von Iob 27, 16ab bzw. Iob 28, 1ab: Siehe die Zitate der betreffenden Stellen in Kap. 3, Abschnitte 3.3.2.1 und 3.3.3. Zu Ambrosius s. noch Kap. 5, Anm. 524. 385 S. o. Kap. 2, Anm. 144. 160. 386 S. o. Kap. 2, Anm. 156–159. 161. 387 S. o. Kap. 2, Anm. 150–152; 153–154; 157. 388 Schon in Gn. adu. Man. 2, 35 zitiert Augustinus Sir 2, 5: quoniam in igne probatur aurum et argentum et homines acceptabiles in camino, wo aurum et argentum zwar noch nicht als Symbol für die Gruppe der homines acceptabiles, aber immerhin als vergleichbares Phänomen im Paralle­ lismus membrorum zitiert werden. Dagegen hatte er noch in doctr. chr. 2, 60–61 die uasa argentea et aurea der Ägypter, die die Israeliten bei ihrem Auszug mitgehen ließen (Ex 3, 22a; 11, 2b; 12, 35b), als Symbole für deren hochstehende geistige Errungenschaften interpretiert (disciplinas usui ueritatis aptiores et quaedam morum praecepta utilissima). Auf dieselbe Deutung verwies er nach den Adnotationes in c. Faust. 22, 91 nochmals zurück.

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an der vorliegenden Stelle Neuland. Die hier entdeckte Deutungsmöglichkeit hat er dann aber gleich auf der nächsten Seite der Adnotationes wieder aufgenommen und weiter vertieft. Die betreffende Passage Iob 28, 1–2 wird uns im dritten Teil der vorliegenden Studie beschäftigen389.

4.2.2.2 Die Allegorese von terra und lutum Mit der Formulierung cum adhuc terra et lutum sunt, id est, cum adhuc stulta et carnalia sentiunt deutet Augustinus im vorliegenden Kontext Erde und Lehm als Symbole für den unvollkommenen Ausgangszustand solcher Christen, die sich später zu Klugen und Weisen entwickeln. Da diese beiden cum-Sätze in den vorzeitigen si […] consenserint-Satz eingeschoben sind, fällt zunächst auf, dass die Prädikate sunt und sentiunt im Indikativ Präsens stehen. In der Regel stehen mit cum adhuc eingeleitete Nebensätze bei Augustinus im Konjunktiv – im Sinn von „weil noch“390, „obwohl noch“391, „wo doch noch“392 oder „als noch“393. Der hier verwandte seltene (aber einhellig überlieferte) Indikativ Präsens zeigt, dass Augustinus im vorliegenden Fall cum  – verdeutlicht durch adhuc  – im Sinn des klassischen dum („während / solange“)394 gebraucht und konstruiert395. Im Deutschen müssen die beiden Präsensformen sunt und sentiunt deshalb als Vergangenheitsformen wiedergegeben werden. Als Übersetzung ergibt sich: „[…] solange sie noch Erde und Lehm waren, d. h. solange sie noch dumme und fleischliche Gedanken hegten“. Bisher hatte Augustinus terra und lutum noch nicht wie hier in Parallele zueinander allegorisiert. Der Schritt zu dieser Koppelung war jedoch nur klein. Denn Augustinus hatte schon zuvor nicht nur terra als Symbol für sündlich-irdische Denkweise gedeutet396, sondern auch lutum bereits als Symbol für die fleischliche 389 Zur inneren Verbindung zwischen beiden Stellen vgl. Trenkler (2017) 115. 390 Frühere Stellen sind Acad. 1, 8; lib. arb. 3, 16; Gn. litt. inp. 10, 32; c. Adim. 22. 391 Frühere Stellen: s. dom. m. 2, 18; agon. 14. 392 Frühere Stellen: Gn. adu. Man. 2, 11; Gn. litt. inp. 4, 13; s. dom. m. 2, 71; exp. prop. Rm. 20. 393 Frühere Stellen: diu. qu. 66, 6; conf. 1, 17; 6, 14; 11, 18. 394 Für die klassische Syntax von dum mit Indikativ Präsens vgl. Kühner / Stegmann (1962) 2, 374–375, § 210, 3. 395 Seltene Parallelen bei Augustinus sind exp. prop. Rm. 36; Gn. litt. 10, 16, 28; pecc. mer. 1, 28; spir. et litt. 41. Zu cum adhuc mit Indikativ Präsens statt dum bei Augustinus vgl. auch Paluszak (1935) 239, der ep. 87, 1 und 93, 25 zitiert und auf Leumann / Hofmann / Szantyr verweist (die Stelle jetzt (1965) 620, § 332 b).Gelegentlich kommt cum adhuc in diesem Sinn bei Augustinus auch mit Indikativ Imperfekt vor: so b. coniug. 15; Gn. litt. 6, 9, 16.  396 Mehrere Ansätze zur Allegorese von terra finden sich schon anlässlich des Schöpfungsberichtes in Gn. adu. Man. So in 2, 5: deinde quod addidit: antequam esset super terram (Gn 2, 5a), intellegitur: antequam anima peccaret. terrenis enim cupiditatibus sordidata tamquam super terram nata uel super terram esse recte dicitur. Ähnlich a. a. O. 2, 6: […] in terra, id est in peccatorum ariditate […]. 2, 12: productum autem ex terra omne illud lignum (Gn 2, 9a) accipimus omne illud gaudium spiritale, id est supereminere terrae et non inuolui atque obrui terrenarum cupiditatum implicamentis. 2, 27: […] peccatores, qui terrae nomine significantur […].

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Gesinnung eines noch unspirituellen Menschen interpretiert und verwendet397. Überdies legte ihm vermutlich der biblische Schöpfungsbericht nahe, beide Metaphern auch im selben Kontext zu verwenden398. Der Bischof zitiert die Formulierung des zweiten Schöpfungsberichtes (Gn 2, 7) in zwei verschiedenen Varianten – in der wörtlichen Übersetzung nach M und G et formauit deus hominem puluerem de terra399 sowie in der glatteren Version400 et finxit deus401 hominem de limo terrae402. Aus den beiden Fassungen ergibt sich aus seiner Sicht die Identität von terrae puluis und limus terrae403. Vor diesem Hintergrund lassen sich nun die Einzelheiten der Formulierung genauer verstehen, in der er seinen kurzen Satz cum adhuc terra et lutum sunt noch einmal anaphorisch präzisiert: (565, 17–18) id est: cum adhuc stulta et carnalia sentiunt. Von den beiden Ausdrücken stulta sentire und carnalia sentire ist der zweite fester in Augustins Gedankenwelt verankert als der erste. Im vorliegenden Kontext Ein weiterer Impuls ergab sich aus dem Zitat von I Cor 15, 46–49, zitiert in c. Adim. 12: sed non primum quod spiritale est, sed quod animale, postea spiritale. primus homo de terra terrenus; secundus homo de caelo caelestis. qualis terrenus, tales et terreni, et qualis caelestis, tales et caelestes. et quomodo induimus imaginem terreni, induamus et imaginem eius, qui de caelo est. Vgl. ferner seine Auslegung der Vaterunser-Bitte fiat uoluntas tua sicut in caelo et in terra (Mt. 6, 10) in s. dom. m. 2, 22 in dem Sinne, dass mit terra die peccatores gemeint seien, sowie die Glossierung des Dativs terrae von Ps 11, 7b mit dem Dativ peccatoribus in en. Ps. 11, 7: argentum igne examinatum terrae (Ps 11, 7b): ipsa eloquia domini per tribulationes probata peccatoribus. Vgl. noch diu. qu. 65 über die Auferweckung des Lazarus: dicit illi Martha: domine, iam quarta dies est et putet (Io 11, 39). ultimum quattuor elementorum terra est, significat ergo putorem terrenorum peccatorum, id est cupiditatum carnalium. terra enim es, inquit dominus Adae cum peccasset, et in terram ibis (Gn 3, 19). Auch in adn. 9 hatte er terra als Symbol für die peccatores bzw. den homo peccator secundum mortalitatem suam interpretiert (527, 16–18 bzw. 529, 9–13) und nochmals in adn. 12 die terra als peccatores identifiziert (536, 1–2). 397 So zweimal exp. prop. Rm. 62 und vor allem conf. 6, 18. Zur Confessiones-Stelle vgl. auch unten Anm. 415. 398 Diese Kombination in ein- und demselben Kontext taucht erstmals in drei Antithesen in diu. qu. 68, 3 auf: non sanctificato spiritui, sed carnali luto; non secundum caelum, sed secundum terram, id est non secundum spiritum, sed secundum carnem; noli esse lutum, sed efficere filius dei. Der Begriff lutum stammt dort aus Rm 9, 21 und führt Augustinus zu der Formulierung omnes una massa luti facti sumus, quod est massa peccati. 399 In Gn. litt. 6, 1, 1; 7, 1, 1 und en. Ps. 118, 18, 2 in der Fassung et finxit deus hominem puluerem de terra; leicht verändert c. Iul. imp. 2, 178: finxit deus hominem puluerem terrae. 400 In ciu. 13, 24 leitet Augustinus das Zitat mit den Worten ein: quod quidam planius interpretandum putantes dixerunt. 401 Hieronymus schreibt in der Vulgata stattdessen formavit igitur dominus deus etc. 402 So schon Gn. adu. Man. 2, 9; später auch Gn litt. 3, 22, 34; en. Ps. 89, 3. Kurz vor den Adnotationes geht Augustinus in Simpl. 1, 2, 17 vom Stichwort lutum in Rm 9, 21 zum Stichwort limus aus Gn 2, 7 über und folgert, schon diese Begriffe bewiesen, dass an beiden Stellen vom homo carnalis die Rede sei. Zum Bild des lutum als Metapher für seinen eigenen sündigen Zustand vgl. conf. 3, 20: in illo luto profundi (Ps 68, 3) […] uolutatus sum. Vgl. noch den Hinweis auf seine limosa concupiscentia in conf. 2, 2.  403 Gn. litt. 6, 11, 19: formauit deus hominem puluerem terrae (Gn 2, 7), uel limum terrae – hoc est de puluere uel limo terrae -. ciu. 13, 24: hunc igitur formatum hominem de terrae puluere siue limo (erat enim puluis umectus).

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dürfte die Junktur carnalia sentiunt primär als Anspielung auf zwei Paulus-Zitate zu verstehen sein. Zunächst einmal evozierte das Stichwort terra von Iob 27, 16a vermutlich den Leitbegriff terrena von Phil 3, 19d qui terrena sapiunt404. Diesen Teilvers hatte Augustinus schon vor den Adnotationes mehrfach zitiert405. An unserer Stelle dient der Philipper-Vers jedoch nur als Katalysator: Er wird hier nicht selbst angeführt, sondern vermittelt lediglich im Hintergrund den assoziativen Überstieg von Iob 27, 16a zu Rm 8, 5406: qui enim secundum carnem sunt, quae carnis sunt sapiunt407. Diesem Vers hat Augustinus den Gedanken der „fleischlichen Gesinnung“ entnommen. Auch diese Römer-Stelle hatte er schon vor den Adnotationes entweder wörtlich zitiert408 oder aber – noch häufiger – in Variationen der zu carnaliter sapere verkürzten Form anklingen lassen409. Zur Assoziation des Zitats in der vorliegenden Ijob-Auslegung, in der Augustinus das Silber von Iob 27, 16a mit den prudentes identifiziert, mag noch beigetragen haben, dass im Folgevers Rm 8, 6 auch das Stichwort prudentia erscheint: nam prudentia carnis mors410. Im vorliegenden Kontext dürfte die Wahl gerade des Begriffs carnalia (statt des Ausdrucks terrena aus dem Katalysator-Zitat Phil 3, 19) jedoch vor allem durch seine enge assoziative Verknüpfung mit dem Stichwort colligare zu erklären sein, das wir oben für Augustins Textvorlage in der Erstfassung O. der Versio prior erschlossen haben411: Augustinus sprach vor den Adnotationes mehrfach und an zunehmend zentralen Stellen von der Gebundenheit des Menschen an seine fleischlichen Regungen412. 404 In ep. 55, 9 (datiert um 400: Divjak 1029) formuliert Augustinus zweimal: […] terrae, id est eis, qui terrena sapiunt. Ähnlich später ciu. 20, 29: terra sunt enim, qui terrena sapiunt und noch en. Ps. 81, 7. Vgl. auch en. Ps. 103, 4, 11: si non sapis terrena, non es terra. 405 Frühe Zitate von qui terrena sapiunt: Gn. adu. Man. 2, 40; en. Ps. 17, 10. (Beide Belege sind im CAG 2 nicht als Zitate erkannt.) 406 Phil 3, 19 und Rm 8, 6 werden kombiniert ciu. 20, 21: […] terrenos atque carnales, de qualibus dictum est: qui terrena sapiunt (Phil 3, 19), et: sapere secundum carnem mors est (Rm 8, 6). 407 So beim Ambrosiaster ebenso wie in der Vulgata. Das Vollzitat ist belegt bei Augustinus schon vor den Adnotationes in diu. qu. 66, 6 in der Form qui enim secundum carnem sunt, quae carnis sunt sapiunt (Rm 8, 5). Undatiert lt. Gryson 239 ist das Zitat in s. 155, 10: qui enim secundum carnem sunt, quae carnis sunt sapiunt; qui autem secundum spiritum, quae sunt spiritus (Rm 8, 4–5). prudentia enim carnis mors est. 408 Siehe die vorige Anmerkung zu diu. qu. 66, 6. 409 So diu. qu. 49; 64, 5. 7; s. dom. m. 2, 18; doct. chr. 3, 9 (datiert Ende 396/Anfang 397: Gryson 212). Kurz darauf: s. Dolbeau 17, 3. 5 (datiert 403/4: Gryson 260). 410 Beim frühen Augustinus findet sich eine andere Fassung des Zitats bereits en. Ps. 17, 47: secundum carnem autem sapere, mors est (im CAG 2 nicht als Zitat erkannt). Dieselbe Fassung auch c. Faust. 12, 12. 411 S. o. in diesem Kap. S. 97. (Den Ersatz der Ausdrücke quae carnis sunt bzw. carnaliter durch carnalia und von sapiunt durch sentiunt erklären wir unten.) 412 Vgl. schon uera rel. 48: haec est uita hominis uiuentis ex corpore et cupiditatibus rerum temporalium colligati sowie den Verweis in agon. 6 auf ea, quae in hoc mundo perniciosa delectatione conligant amatores rerum temporalium. Zentral ist dann eine Reihe von Stellen in den Confessiones. conf. 3, 1: rui etiam in amorem, quo cupiebam capi. […] quia et amatus sum et perueni occulte ad uinculum fruendi et conligabar

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Was stulta betrifft, so war terra bei Augustinus – wie oben gezeigt – speziell mit spiritueller Unvollkommenheit assoziiert413. Bei den Römern war lutum sprichwörtlich für Unsauberkeit im weitesten Sinn414; Augustinus hatte es in den Confessiones in Form eines Terenz-Zitats bereits als Metapher für seine eigene sittliche Verderbnis gebraucht415. Jedenfalls galten die beiden Begriffe terra und lutum anders als hier in den Adnotationes noch nicht als Symbole für Dummheit. Gerade diese Symbolik wollte Augustinus im vorliegenden Fall jedoch herstellen, weil ihn seine Allegorese der Edelmetalle als Symbole der prudentes und sapientes in diese Richtung drängte. Erleichtert wurde ihm dieser Schritt möglicherweise dadurch, dass er in seiner Auslegung von Iob 5, 3a (515, 20–21) ego autem uidi stultos radicem mittentes die „Dummen“ bereits einmal mit den Gottlosen identifiziert hatte: (515, 21) stultos nunc inpios accipiendum, und zwar mit Hinweis darauf, dass in Iob 28, 28a die pietas als sapientia definiert wird416. Das Zustandekommen der vorliegenden Junktur stulta et carnalia lässt sich in doppelter Weise erklären. Zum einen könnte man argumentieren, dass Augustinus den ihm wichtigen Begriff stulta dadurch im Kontext verankern wollte, dass er ihn sozusagen als Proklitikon mit dem besser etablierten Folgebegriff carnalia zu einem Hendiadyoin verknüpfte. Diese Technik der Gedankenführung konnte Augustinus in Sallusts Prologen beobachten417. laetus aerumnosis nexibus. Sodann conf. 8, 2: sed adhuc tenaciter conligabar ex femina. Weiter conf. 8, 10: cui rei (sc. occasioni uacandi tibi) ego suspirabam ligatus non ferro alieno, sed mea ferrea uoluntate. uelle meum tenebat inimicus et inde mihi catenam fecerat et constrinxerat me. quippe ex uoluntate peruersa facta est libido, et dum seruitur libidini, facta est consuetudo, et dum consuetudini non resistitur, facta est necessitas. quibus quasi ansulis sibimet innexis – unde catenam appellaui – tenebat me obstrictum dura seruitus. Schließlich conf. 8, 25: sic aegrotabam et excruciabar accusans memet ipsum solito acerbius nimis ac uoluens et uersans me in uinculo meo, donec abrumperetur totum, quo iam exiguo tenebar. sed tenebar tamen. et instabas tu in occultis meis, domine, seuera misericordia flagella ingeminans timoris et pudoris, ne rursus cessarem et non abrumperetur id ipsum exiguum et tenue, quod remanserat, et reualesceret iterum et me robustius alligaret. Das Bild von der Fesselung der Seele durch die sexuelle consuetudo carnalis dürfte von den Manichäern beeinflusst sein, die von der Gefahr sprachen, bei der Zeugung göttliche Lichtpartikel an menschliches Fleisch zu fesseln: So etwa mor. 2, 36. 65–66; c. Faust. 3, 6; 15, 7; 22, 98. 413 S. o. S. 101–102 mit Anm. 396. 398–399. 402–403. 414 Zu lutum vgl. Otto (1890) 201–203 und Häussler (1968) 109, zu lutum als gebräuchlichem Schimpfwort auch Wissemann (1992) 120–121. 415 S. o. S. 101–102 mit Anm. 397–398. 402. Der Ausdruck in conf. 6, 18 in eodem luto haesitans erklärt sich als Zitat von Terenz, Phormio 780, das als geflügeltes Wort von Otto (1890) 201–202, Punkt 3) vor allem bei Hieronymus zahlreich nachgewiesen wird. 416 adn. Iob 5 (515, 21–23): stultos nunc inpios accipiendum, ut e contrario sapientia hominis pietas sit, sicut in consequentibus dicitur. Augustinus passt in diesem Referat die Wortfolge von Iob 28, 28a an seine eigene Formulierung an, in der stultos vor inpios steht, zitiert also offenbar aus dem Gedächtnis. Im biblischen Original heißt es ecce pietas est sapientia (so wörtlich zitiert auch zweimal in conf. (5, 5, 8 und 8, 1, 2; vgl. Trenkler (2017) 39, Anm. 24) getreu der griechischen Vorlage ἰδοὺ ἡ θεοσέβειά ἐστιν σοφία. 417 Vgl. in den Sallust-Prooimien die folgenden zweigliedrigen Ausdrücke, bei denen der gewagtere dem leichter verständlichen oder eindeutigeren Begriff, der als Anker bzw. Interpretationshilfe dient, vorangeht:

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Zum andern aber könnte man aus dem Ausdruck stulta et carnalia auch schließen, dass er erst kürzlich die Canones des Priscillian zu den theologischen Schwerpunkten der Paulusbriefe in der Hand gehabt hatte. Denn dort heißt es kurz nach Beginn in Canon VII: Quia stultorum atque carnalium uel dubiorum sit crasse de diuinitate sapere uel sentire418. Diese Lesefrucht würde nicht nur generell zu Augustins besonderem Interesse an der paulinischen Theologie, sondern speziell auch zu den Bezügen auf Phil 3 und Rm 8 passen, die wir eben im vorliegenden Kontext nachgewiesen haben: Im Canon VII steht ein Verweis auf Rm 8 an erster Stelle419. Auch chronologisch wäre ein Bezug auf Priscillian in den Adnotationes eine nicht uninteressante Ergänzung des Bildes, das die Forschung von Augustins allmählicher Kenntnisnahme des Priscillianismus gezeichnet hat420. In jedem Fall handelt es sich bei der Aussage cum adhuc stulta et carnalia sentiunt um eine Formulierung, die in Augustins Werken kaum fortgewirkt hat. Denn für die Koppelung der Kernbegriffe stultus und carnalis gibt es später nur ganz wenige, und zwar ebenso spontane und kontextgebundene Belege421. Das verwundert umso mehr, als beide Begriffe auch in Gal 3, 1. 3 verbunden sind: o stulti Galatae […] sic stulti estis; cum Spiritu coeperitis, nunc carne consummamini. Augustinus hatte diesen Vers schon vor den Adnotationes kommentiert422, kam aber später nur Catil. 1, 4 fluxa atque fragilis; 2, 3 aequabilius atque constantius; 4, 2 a quo incepto studioque; und häufiger noch: Iug. 1, 1 inbecilla atque aevi brevis; 1, 3 pollens potensque; 2, 3 animus incorruptus, aeternus; 2, 4 incultu atque socordia; 3, 4 decus atque libertatem; 4, 6 non ceram illam neque figuram; 4, 9 liberius altiusque processi. Zur Sallustrezeption durch Augustinus vgl. Hagendahl (1967) 1, 225–244 (Testimonien) und 2, 631–649 (Auswertung). Für die vorliegende Stelle ist der Befund interessant, dass Augustinus vor allem Sallusts Vorreden zitiert hat: Vgl. die Testimonien in Bd. 1 und Hagendahls Kommentar in Bd. 2, hier 637–638 sowie Ulery (1999) 749. Allerdings äußern sich weder Hagendahl noch Ulery zu der Frage, wieweit Augustinus Sallust bei Gelegenheit – wie möglicherweise hier – rein formal in der Technik der Gedankenführung imitiert haben mag. 418 Priscillianus, can. VII (115, 7–8 Schepss). Zur Geschichte der Canones als wertvollen Hilfen zum Bibelstudium trotz der Verurteilung Priscillians als Häretiker vgl. Chadwick (1976) 58–62. 419 Priscillianus, can. VII (115, 9 Schepss). 420 Bisher hat man aus Augustins Hinweis in ep. 166, 7 (415 an Hieronymus: Divjak 1032) geschlossen, er habe bis zum Abschluss seiner Schrift De libero arbitrio (also 395: Gryson 223) so gut wie nichts und noch bis zur Ankunft des Orosius in Afrika (also nicht vor 409, vielleicht auch erst 414) nur sehr wenig über den Priscillianismus gewusst: so Chadwick (1976) 190. 206–207 und Petri (2013) 158. Wurst (2016) 924, 4 mit Anm. [35] hält offenbar schon eine etwas frühere Kenntnisnahme für wahrscheinlich, wenn er vorsichtig formuliert, dass die Nennungen Priscillians in Augustins Werken „sämtlich aus der Zeit ab 400“ datieren. Falls jedoch ep. 36, 28 schon auf 396 zu datieren ist (für die Möglichkeit s. Divjak 952. 1027– 1028), wäre das vermutlich der früheste Verweis auf Priscillian bei Augustinus. Sonst könnte es sein, dass die hier erwogene Anspielung in den Adnotationes das erste schwache Zeugnis wäre. 421 Zum Ausdruck stulta et carnalia sentiunt sind die relativ engsten Parallelen s. 53, 12 (datiert 413: Gryson 234): quid agis, stulta et carnalis cogitatio? und Io. eu. tr. 67, 3 (datiert 419/420: Gryson 221): stulti homines et carnalibus cogitationibus excaecati. 422 exp. Gal. 20 (datiert 394/5: Frede 209).

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selten auf ihn zurück423. Es handelt sich also bei stulta et carnalia sentiunt um eine Formulierung, die ganz aus dem Zusammenhang der vorliegenden Ijob-Auslegung verstanden werden muss.

4.2.2.3 consenserint als Schlüsselbegriff Wie oben dargelegt, paraphrasiert Augustinus den si-Satz von Iob 27, 16ab mit der Formulierung si prudentes et sapientes […] eis (sc. stultis et carnalibus) consenserint. Dass er den Begriff consenserint wählte, um die beiden Prädikate des si-Satzes von Iob 27, 16ab – also vermutlich colligatur und paratum fuerit – zu paraphrasieren424, ist das Kernargument für unsere These, Augustinus habe in seiner Textvorlage das Stichwort colligatur vorgefunden425. Diese hier anlässlich des Ijob-Textes hergestellte Assoziation zwischen sündiger Zustimmung (consentire)  und sündiger Gebundenheit (colligari) findet sich bei Augustinus schon einmal an früherer Stelle426 und taucht gelegentlich auch später wieder in zumindest verwandten Bildzusammenhängen wieder auf427. Im Hintergrund angebahnt und vermittelt wurde die Verbindung zwischen consentire und colligari vermutlich durch den Begriff der consuetudo, der hier als Katalysator gewirkt hat: Bereits früher hatte Augustinus nicht nur darauf hingewiesen, dass die sündige consensio zur consuetudo führt428, 423 ep. 93, 31 (datiert 407/408: Divjak 965. 1029); s. 10, 2 (datiert um 412: Gryson 232). 424 Nach colligatur und paratum fuerit muss die Form consenserint als Konjunktiv Perfekt gedeutet werden. Aufgrund des Zycha-Textes würde man im Blick auf das folgende consequentur eher zum Futur II neigen. In jedem Fall wollte Augustinus betonen, dass der si-Satz vorzeitig zum folgenden Hauptsatz mit conuertentur aufzufassen sei. (Dieses Detail hat Cosgaya in seiner sonst zutreffenden Übersetzung (1992) 85 geopfert.) 425 Vgl. Kap. 3, Punkt 3.3.2.1. und hier Kap. 4, oben Punkt 4.2.1.2.2. 426 Vgl. s. dom. m. 1, 34–36. 427 en. Ps. 68, 1, 18 (datiert zwischen 408 und 414/15: Müller 817): saluum me fac de luto, ut non inhaeream (Ps 68, 15), cum secundum sententiam priorem deberet dicere: saluum me fac de luto ubi haeseram, eruendo me, non agendo ut non inhaeream. ergo haeserat carne, sed non haeserat spiritu. dicit hoc ex infirmitate membrorum suorum. quando forte caperis ab eo qui te premit ad iniquitatem, tenetur quidem corpus tuum; secundum corpus infixus es in limo profundi; sed quamdiu non consentis, non haesisti; si autem consentis, haesisti. Ähnlich s. 30, 4 (datiert 416: Gryson 232): nulla est in te concupiscentia carnis, quae resistat legi mentis (cf. Rm 7, 23)? […] si spiritus tuus a carne contra concupiscente non dissentit, uide ne forte carni mens tua tota consentiat, uide ne forte ideo non sit bellum, quia pax peruersa est. forte in totum carni consentis, et nulla rixa est. quam spem habes quod possis aliquando uincere, qui nondum coepisti pugnare? si autem condelectaris legi dei secundum interiorem hominem, uides autem aliam legem in membris tuis repugnantem legi mentis tuae (Rm 7, 22–23), si hac condelectaris, hac ligaris, liber in mente seruus in carne, si iam ita est, compatere potius homini dicenti: non quod uolo ago (Rm 7, 15). Später legt Augustinus den Umstand, dass der auferweckte Lazarus lt. Io 11, 44 mit Binden umwunden war, als Hnweis auf seine Verstrickung in Sünde aus: s. 98, 6 (datiert nicht vor 418: Gryson 237) und s. 139 A, 2 (= s. Mai 125, 2; datiert 420/430: Gryson 239). Ein Ansatz zu dieser Deutung findet sich aber schon in diu. qu. 65. 428 s. dom. m. 1, 34–35.

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sondern auch das Bild gebraucht, dass die sündliche consuetudo den Menschen verstrickt und fesselt429. Im Rückblick wirft Augustins Entscheidung, den Inhalt der beiden si-Sätze des Lemmas Iob 27, 16–17a mit dem Prädikat consenserint zusammenzufassen, nun noch weiteres Licht auf seine vorangehenden Ausführungen: Zwei Umformungen des Paulus-Zitats Rm 8, 5, das – wie oben dargelegt – im Hintergrund seiner Ausführungen steht, zeigen, wie stark die Wahl von consenserint als Zielbegriff schon die vorangehenden Formulierungen dieser Passage beeinflusst hat. Die erste Umformulierung betrifft das Prädikat des Zitats Rm 8, 5. Der latei­ nische Bibeltext bietet dort sapiunt. (Dasselbe Verbum steht auch in dem Parallelvers Phil 3, 19.) Üblicherweise behält Augustinus in seinen Zitaten oder Anspielungen dieses sapiunt bei430. Im vorliegenden Kontext dagegen hat er sapiunt durch sentiunt ersetzt – vielleicht angeregt von Priscillians eben zitierter Iuxtaposition von sapere uel sentire in Kanon VII Quia stultorum atque carnalium […] sit crasse de diuinitate sapere uel sentire  –, jedenfalls aber vor allem mit dem offensichtlichen Ziel, ein Wortspiel mit dem folgenden consenserint zu bilden. Wortspiele zwischen sentire und consentire kommen bei Augustinus häufiger vor. Oft sind sie vor allem rhetorisch veranlasst431. Selten nur geht es um die moraltheologisch relevante Unterscheidung, ob der Mensch eine Versuchung nur empfindet, ohne ihr zu erliegen, oder ob er ihr auch zustimmt und nachgibt432. Andere Belege 429 exp. prop. Rm. 45–46: legem peccati (Rm 7, 23) dicit, qua quisque carnali consuetudine implicatus adstringitur; c. ep. Man. 3, 3; conf. 8, 10: cui rei (sc. uacando tibi) ego suspirabam ligatus non ferro alieno, sed mea ferrea uoluntate. uelle meum tenebat inimicus et inde mihi catenam fecerat et constrinxerat me. quippe ex uoluntate peruersa facta est libido, et dum seruitur libidini, facta est consuetudo, et dum consuetudini non resistitur, facta est necessitas. Ein Echo dieser Stelle, das genauer von einer Bindung an die terra als Symbol für Sünde spricht, folgt in conf. 8, 11: ego autem adhuc terra obligatus […] impedimentis omnibus sic timebam expediri, quemadmodum impediri timendum est. Vgl. noch in conf. 9, 32 den Ausdruck consuetudinis uinculum. 430 Für die Belege zu Rm 8, 5 vgl. die Anm. 406–409. Phil 3, 19d wird nur selten zitiert, aber stets mit sapere: ep. 55, 9 (zweimal); ciu. 20, 21; vgl. noch die Anspielung ep. Div. 3*, 1: multam terram sapit haec cogitatio. 431 Vgl. uera rel. 46: sicut […] nec in genere humano multitudinis ulla potentia est nisi consentientis, id est unum sentientis, ita […]; doctr. chr. 1, 41: adserendo enim temere quod ille non sensit quem legit, plerumque incurrit in alia, quae illi sententiae contexere nequeat. quae si uera et certa esse consentit, illud non possit uerum esse quod senserat, fitque in eo, nescio quomodo, ut amando sententiam suam scripturae incipiat offensior esse quam sibi; trin. 15, 16: cogitatio uisio est animi quaedam siue […] etiam mala et uana ac falsa cogitemus uel non consentiente sensu uel errante consensu; gr. et pecc. or. 1, 52: potest Pelagius ita se latebris obscuritatis huius inuoluere, ut etiam his quae a sancto Ambrosio conscripta posuimus consentire se dicat et ea se quoque sentire proclamet semperque sensisse; ep. 186, 34: nec in istis libris recentioribus, quos idem Pelagius post illud iudicium dicitur edidisse, quamuis adiutorio diuinae gratiae consentire uideatur, quid de hac re sentiat, satis euidenter apparet; ep. 248, 1: coram pio uiuens impie, etsi non obligat consentientem, cruciat sentientem; c. Iul. 1, 19: nam si hoc non sentitis, nobis utique consentitis. sed quia nobis non consentitis, illud sine dubitatione sentitis. 432 cont. 5: nunc autem quamdiu caro concupiscit aduersus spiritum et spiritus aduersus carnem (Gal 5, 17), sat est nobis non consentire malis, quae sentimus in nobis. Zu diesem Thema vgl. die

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lassen sich inhaltlich einem von zwei Themenkreisen zuordnen. Im Zusammenhang der antidonatistischen Debatte bezeichnet consentire das Verhalten der auf Wahrung der Kircheneinheit bedachten Kleriker. Das Simplex sentire dagegen wird für Privat- bzw. Sondermeinungen benutzt (die auf consensus bedachte Bischöfe auch schon einmal in die mehrheitsfähigen Formulierungen hineinzulesen bereit waren)433. Die hier in den Adnotationes vorliegende Stelle repräsentiert den anderen Themenkreis: Dort unterscheidet Augustinus zwei verschieden intensive Weisen, sich zu einem Faktum oder einer Lehrmeinung zu verhalten. Es ist ein Unterschied, ob man ein Faktum nur wahrnimmt oder auch akzeptiert434. Ähnlich kann man eine Meinung oder Lehre vertreten, ohne sich von innen heraus mit ihr zu identifizieren435. Wenn also Augustinus in seiner Auslegung von Iob 27, 16 betont, terra und lutum hätten „dumme und fleischliche Vorstellungen“ nicht nur gehegt, sondern sich auch zu eigen gemacht, dann hebt er damit hervor, wie ernst die anfängliche Fehlhaltung der späteren prudentes et sapientes zu nehmen ist. Gleichzeitig ist dieses Wortspiel ein Beleg für Augustins Bestreben, seiner im Ganzen eher ungelenk formulierten Exegese von Iob 27, 16–17a doch noch ein sprachliches Glanzlicht aufzusetzen. Auch die zweite Umformung von Rm 8, 5 zeigt, dass im vorliegenden Zusammenhang alle Details der Formulierung stulta et carnalia sentiunt auf das abschließende Prädikat consenserint hinleiten sollen. Entsprechend dem griechischen Urtext von Rm 8, 5 οἱ γὰρ κατὰ σάρκα ὄντεϚ τὰ τῆϚ σαρκὸϚ φρονοῦσιν lautet die volle lateinische Fassung bei Augustinus436 ebenso oben in Anm. 373 zitierten Stellen, an denen Augustinus aber nicht mit dem Kontrast sentire – consentire arbeitet. 433 bapt. 6, 8: si enim solus (sc. Cyprianus) ista sentiens nullo consentiente remaneret, uideretur propterea refriguisse ab scelere schismatis, quia socios non inueniebat erroris. tam multis autem sibi consentientibus quod cum ceteris diuersa sentientibus in unitate permansit, catholicae uniuersitatis sanctissimum uinculum non timore solitudinis, sed pacis amore seruauit. bapt 7, 5: et haec poterat etiam nostra esse sententia; uiderit autem auctor eius quo animo dicta sit. uerbis tamen ita modificata est, ut non me pigeat eo animo consentire atque suscribere, quo et ego sentio baptismum quidem Christi haereticos posse habere, sed remissionem peccatorum non habere. 434 c. Max. 2, 19: ad quod te respondere non potuisse, quid prodest quia sentis, quando non consentis? adu. Iud. 8: apertioribus itaque testimoniis cum eis agendum est, quae siue consentiant, siue dissentiant, tamen sentiant. c. Iul. imp. 1, 85: tu ergo adiutorem Manichei te non esse ostende, si potes, qui miserias hominum, cum quibus eos nasci, quoniam sine dubio sentit, sine dubio consentit genus humanum, nolens tribuere peccato uitiatae naturae nostrae facis, ut eas ille permixtae nobis naturae tribuat alienae. 435 Die beste Parallele findet sich conf. 8, 22. Augustinus sagt über die Manichäer: ipsi uere mali sunt, cum ista mala sentiunt, et idem ipsi boni erunt, si uera senserint uerisque consenserint. Weitere Fälle: ep. 217, 30: si autem, quod de te magis credo, sentis atque consentis orare nos deum debere ac solere pro nolentibus credere, ut uelint credere, si sentis atque consentis debere nos etiam deo agere gratias ac solere pro talibus, quod ad eius fidem doctrinamque conuersi uolentes ex nolentibus fiunt, […]. Vgl. auch bapt. 7, 21: porro auaritiam idololatriam Paulus sentit, Cyprianus consentit; ciu. 20, 19: in id, quod senserunt illi (sc. patres), consentiunt et isti (sc. filii). 436 diu. qu. 66, 6.

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wie beim Ambrosiaster437 und in der Vulgata qui enim secundum carnem sunt, quae carnis sunt sapiunt. In seinen zahlreichen Anspielungen auf das Versende benutzt Augustinus aber normalerweise die Wendung carnaliter sapiunt, ersetzt also den Relativsatz quae carnis sunt durch das Adverb carnaliter438. Für die Junktur carnalia sapere gibt es dagegen erst in späteren Werken vereinzelte Belege439, die sich durch Angleichung an die parallele Formulierung qui terrena sapiunt in Phil 3, 19d (griechisch: οἱ τὰ ἐπίγεια φρονοῦντεϚ) erklären dürften. Mit der in den Adnotationes vorliegenden singulären Formulierung carnalia sentiunt weicht Augustinus also zum ersten Mal von seinem sonstigen Sprachgebrauch bei der Paraphrase paulinischer Stellen ab. Die Einführung der substantivierten Adjektive im Neutrum Plural stulta et carnalia als Akkusativ-Objekte zu sentiunt lag einerseits nahe, weil Augustinus sentire schon zuvor mehrfach mit solchen Formen verbunden hatte440. Vor allem aber ermöglichte ihm im vorliegenden Zusammenhang erst diese Konstruktion den syntaktischen Übergang zu seinem folgenden Leitbegriff consenserint, den er üblicherweise441 mit einem Dativobjekt der Person442 oder der Sache443 konstruierte. Mit dem Dativ Plural Neutrum eines substantivierten Adjektivs hatte Augustinus consentire in diesem Sinn erstmals in conf. 8, 22 verbunden444. Indem er nun hier weder quae carnis sunt sapiunt noch carnaliter sapiunt, sondern carnalia sentiunt diktierte, führte er mit carnalia erneut ein substantiviertes Adjektiv ein, von dem aus er mit Hilfe des rückbezüglichen Dativs eis zu consenserint überleiten konnte445. Augustinus entwickelte also in seiner Auslegung von Iob 27, 16ab die doppelte Junktur stulta et carnalia sentire  – stultis et carnalibus consentire. Ein auffälliges 437 1, 258, 17–18 = 1, 259, 14–15 Vogels. 438 Vgl. die oben in Anm. 409 gesammelten Stellen. 439 c. ep. Pel. 1, 17; Io. eu. tr. 10, 10; en. Ps. 97, 7. 440 Zuerst imm. an. 23: sensibilia tantum non sentit (sc. animus dormiens); an. quant. 24: corporea sentire; dann folgt in c. ep. Man. 2, 1 (verfasst vor den Confessiones) ein Zitat von II Tim 2, 24–25, in dem dieselbe Struktur vorliegt: in modestia corripientem diuersa sentientes. Zweimal steht die Konstruktion in conf. 8, 22: […] cum ista mala sentiunt (sc. Manichaei) […] si uera senserint […]. Ein späterer Fall ist z. B. ep. 89, 5: illos autem uana sentientes. Das Zitat Prv 13, 3b qui autem inconsideratus est ad loquendum, sentiet mala ist bei Augustinus nur in spec. 7 nachgewiesen. 441 Wir sehen hier ab von dem absoluten Gebrauch von consentire im Sinne von „zustimmen“, der sich häufig in Augustins Dialogen findet: so etwa beata u. 7.10.20; sol. 2, 34; lib. arb. 1, 16; 2, 12 u. ö. Vereinzelt kommen auch andere Konstruktionen vor: consentio aliquid: Acad. 3, 36; beata u. 11; sogar consentio in aliquid: duab. an. 13; ciu. 2, 18; 19, 12; 20, 29. 442 So etwa Acad. 3, 21; lib. arb. 3, 29.31.75; mus. 2, 21. 443 So etwa Acad. 3, 11–12.31.35; mor. 1, 4; an. quant. 9; Gn adu. Man. 1, 31. 444 conf. 8, 22: […] si […] ueris[…] consenserint (sc. Manichaei). Ein viel späterer Beleg für diese in Augustins freien Formulierungen seltene Konstruktion ist cont. 5: consentire malis (s. o. Anm. 432). 445 Vgl. für die sprachliche Struktur c. litt. Parm. 2, 174: caritas te […], etiamsi qua mala intus (sc. in ecclesia) nosses, cogeret non eis quidem consentire, sed tamen ea, si prohibere non poteras, sustinere.

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Strukturvorbild, auf das wir bereits für mehrere Details verwiesen haben446, steht in der Passage über die Manichäer in conf. 8, 22. Wir zitieren sie noch einmal im Zusammenhang: ipsi uere mali sunt, cum ista mala sentiunt447, et idem ipsi boni erunt, si448 uera senserint uerisque consenserint. Die Frage liegt nahe, ob dieses mehrfache Echo vielleicht auf eine zeitliche Nähe zwischen den beiden Passagen schließen lässt449. Vergleichbare Stellen kommen jedenfalls erst in deutlich späteren Werken wieder vor, und dann nur als Zitate von Rm 12, 16 non alta sapientes, sed humilibus consentientes450.

4.3 Augustins Auslegung von Iob 27, 17a Im Folgenden vertreten wir die These, dass Augustinus mit seiner abschließenden Formulierung (565, 18–19) ad iustos conuertentur den ersten Teil des folgenden Verses Iob 27, 17a in seine Auslegung mit einbezieht, ohne ihn ausdrücklich als Lemma zu zitieren.

4.3.1 Produktives Missverständnis des conuertentur Hieronymus hat den Satz ad iustos conuertentur als echte passivische Aussage in dem Sinn verstanden, dass „künftig den Gerechten zugewendet werden“. Das ergibt sich aus der obigen Analyse des hebräischen Hintergrundes und aus dem Nachweis der hier vermutlich vorliegenden CiceroAnspielung451. Augustinus dagegen hat das conuertentur im Gefolge seiner vorangehenden Allegorese anders aufgefasst, obwohl der Ausdruck aliquid conuertere ad im Sinne von „Abzweigen von Ressourcen für andere Zwecke“ schon seit der Pres-

446 S. die Anm. 435.440.444. 447 Nachzutragen ist, dass dieser cum […] sentiunt-Satz ebenso einem klassischen dum-Satz entspricht wie die beiden oben in Punkt 4.2.2.2 init. besprochenen cum-Sätze in Augustins Auslegung von Iob 27, 16ab. 448 Auch der Übergang von dem vorangehenden cum-Satz zu dem vorliegenden si-Satz ist mit der Auslegung von Iob 27, 16ab vergleichbar, wo der umgreifende si …consenserint-Satz durch die beiden eingeschobenen cum-Sätze erläutert wird. 449 Die einzige Anmerkung zu dieser Passage in conf. 8, 22 in den vorliegenden Kommentaren ist ein Hinweis auf den manichäischen Hintergrund des Ausdrucks mala sentiunt bei Raumer (1876) 203, Anm. 1. Die Passage bleibt unkommentiert bei Gibb / Montgomery (1927) 224; Sizoo (o. J.) 175; Solignac (1962) 2, 53 und O’Donnell (1992) 3, 49. Kein Kommentar auch in Bolgianis Monographie zu Buch 8 (1956), bei Balmus (1930) 297–298 (im Abschnitt über die Wortspiele in den Confessiones) oder in den Arbeiten von Pizzolato (1972) und Burton (2007) über Stil und Sprache in den Confessiones. 450 ep. 145, 8; doctr. chr. 4, 40; en. Ps. 118, 2, 1. 451 Vgl. oben Kap. 3, Punkte 3.5 und 3.6.2.

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byterzeit zu seinem aktiven Wortschatz gehörte452. Damit liegt hier bei Augustinus ein weiteres produktives Missverständnis dieser Ijob-Passage vor453. Bei Hieronymus sind die Subjekte zu conuertentur die Edelmetalle argentum et aurum, bei Augustinus dagegen die christlichen Gruppen der prudentes et sapientes. Damit musste für Augustinus die Cicero-Anspielung inhaltlich verblassen und das Stichwort conuerti primär seine theologische Bedeutung im Sinne von „Bekehrung“ annehmen. Da Augustinus den unvollkommenen Zustand dieser Gruppen mit der Formulierung cum […] carnalia sentiunt, also mit Anspielungen auf Rm 8, 5 und Phil 3, 19, beschrieben hatte454, ist aufschlussreich, dass er auch in anderen, kurz vor oder nach den Adnotationes entstandenen Werken im Zusammenhang eben dieser Paulus-Stellen die Notwendigkeit einer conuersio einschärfte455.

4.3.2 Einzelerklärungen 4.3.2.1 Das Genus Verbi von conuertentur Offen ist jedoch, wie Augustinus im Rahmen seiner Allegorese das Genus Verbi des Teilzitats von Iob 27, 17a ad iustos conuertentur verstanden hat. Rein grammatisch hatte er die Wahl zwischen einer passivischen und einer aktiv-deponentialen Auffassung von conuerti. Verben, die beide Auffassungen zulassen, werden von antiken Grammatikern als verba communia klassifiziert456. Auch Augustinus gebraucht diesen Fachausdruck in seiner Frühschrift De grammatica457. Wenn auch conuerti 452 Als Presbyter formulierte er in en. Ps. 25, 1, 10 (datiert bald nach der Priesterweihe von 391: Müller 806): dextera eorum repleta est muneribus (Ps 25, 10). et quod eis ad obtinendam salutem aeternam datum est, ad accipienda huius saeculi munera conuerterunt, existimantes quaestum esse pietatem. Ähnlich führte er in ep. 47, 3 (datiert vor August 399: Divjak 1029) mit Blick auf die staatlich gestattete Plünderung heidnischer Tempel und Haine aus, solche Vermögenswerte dürfe man sich zwar nicht privat aneignen, aber sehr wohl öffentlicher oder kirchlicher Verwendung zuführen: et cum templa, idola, luci et si quid huius modi data potestate euertuntur, quamuis manifestum est, cum id agimus, non ea nos honorare, sed potius detestari, ideo tamen in usus nostros priuatos dum taxat et proprios non debemus inde aliquid usurpare, ut appareat nos pietate ista destruere, non auaritia. cum uero in usus communes, non proprios ac priuatos, uel in honorem dei ueri conuertuntur, hoc de illis fit, quod de ipsis hominibus, cum ex sacrilegis et impiis in ueram religionem mutantur. Vgl. noch s. 278, 9 (datiert Ostersamstag 412/416: Gryson 248): nam et uinum de apotheca tua bibis, et tamen si sic bibis, ut inebrieris, non quia re tua usus es, ideo non peccasti: donum enim dei conuertisti ad corruptionem tuam. 453 Zum ersten Missverständnis s. o. Punkt 4.2.1.2. 454 S. o. Punkt 4.2.2.2. 455 So in diu. qu. 66, 6 (datiert kurz vor 397: Gryson 228) zu Rm 8, 5 und in ep. 55, 9 (datiert um 400: Divjak 1029) zu Phil 3, 19. 456 Vgl. Orbán (1974) 235. 238–239. 457 gramm. (regulae, 513–514 Keil).

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weder bei ihm noch bei anderen in einer Liste von verba communia auftaucht, ergibt sich doch aus seinen Werken, dass er sich dieser schwebenden Bedeutung des Wortes bewusst bedient hat, um auszudrücken, dass an einer conuersio des Menschen zu Gott sowohl Gott als auch Mensch als Handelnde beteiligt sind458. Wenn er also hier am Passiv der ihm vorliegenden Ijob-Übersetzung des Hieronymus festhielt, hieß der Satz aus seiner Sicht „ werden zu den Gerechten bekehrt werden“. Wenn er dagegen conuertentur medial-reflexiv verstehen wollte, ergab sich der Sinn „ werden sich zu den Gerechten bekehren“. Beide grammatisch möglichen Deutungen der vorliegenden Stelle liegen auch vom Inhalt her nahe. Für die passive Interpretation von conuerti kann man auf das von Augustinus mehrfach verwendete Bild verweisen, wonach tote Sünder von Christus wie von einem Geier verschlungen und auf diese Weise in die Kirche als Leib Christi integriert werden. In den Adnotationes selbst finden sich gleich zwei entsprechende Passagen: adn. Iob 5 (516, 10–13): pulli autem uulturis altissime uolitant (Iob 5, 7b): uultur bene intellegitur dominus, quia altitudine prophetiae uidit mortalitatem nostram, qua descendens pasceretur, conuertens nos in corpus suum459. adn. Iob 39 (624, 25–27): […] ut inpii qui pro mortuis habentur iustificati per uerbum, hoc est quasi ore deuorati conuertantur in corpus ecclesiae460.

Für die aktiv-deponentiale Deutung, wonach sich die Sünder aus eigenem Antrieb der Gemeinschaft der Gläubigen bzw. der Kirche zuwenden, finden sich Parallelen in antidonatistischen Werken. In diesem Sinne zitiert Augustinus eine Stelle aus Cyprians Briefen:

458 Wir können hier auf diesen Kernpunkt seiner Auffassung von conuersio nur hindeuten. 459 Das Bild von Christus als Geier korrespondiert mit dem Bild der Dämonen, die sich vom Tod, d. h. den Sünden der Menschen nähren. Augustinus setzt die eben zitierte Stelle mit folgenden Worten fort (516, 17–19): possunt et „pulli uulturis“ in malo intelligi aeriae potestates, quae mortibus, hoc est peccatis, pascuntur. Im selben Sinn formuliert er später zu Iob 15, 23a et decretus est in escam uulturum: (541, 6–7) aerium potestatum, quae mortibus peccatorum pascuntur. Für den Ausdruck de morte / de mortibus pasci vgl. noch Io. eu. tr. 6, 4 und s. 46, 16. Schon als Presbyter hatte Augustinus das Bild sehr ausführlich auf menschliche Verführer angewandt. Er schrieb in en. Ps. 5, 12: sepulcrum patens est guttur eorum (Ps 5, 11). ad uoracitatis significationem referri potest, propter quam plerumque homines adulatione mentiuntur. et mirabiliter dixit: patens sepulcrum (Ps 5, 11), quoniam semper inhiat illa uoracitas, non ut sepulcra quae receptis cadaueribus muniuntur. potest et illud intellegi, quod mendacio et blanda adulatione trahunt in se quos ad peccata illectant, et eos tamquam deuorant cum in suam uitam conuertunt. quod quibus contingit quoniam peccato moriuntur, recte illi a quibus inducuntur, sepulcra patentia dicti sunt; quia et ipsi quodammodo exanimes sunt uitam non habendo ueritatis, et mortuos in se recipiunt quos uerbis mendacibus et uano corde interemtos in se conuertunt. 460 Vgl. für dieses Bild noch Augustins Referat der Pfingstereignisse Cresc. 4, 64: Christus […] centum uiginti homines congregatos die pentecostes misso de caelo sancto spiritu impleuit, ibi uno die tria, alio quinque milia credentium in suum corpus conuersa suscepit.

Kapitel 4: Iob 27, 16–17a bei Augustinus

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bapt. 3, 17: atque exinde in hodiernum tot milia haereticorum in prouinciis nostris ad ecclesiam conuersi non aspernati sunt neque cunctati, immo et rationabiliter et libenter amplexi sunt, ut lauacri uitalis et salutaris baptismi gratiam consequerentur (Cypr. epist. 73, 3).

Derselbe Sprachgebrauch findet sich in einem von Augustinus zitierten Votum eines der Mitbischöfe Cyprians: bapt. 7, 64: Donatulus a Capse dixit: et ego semper hoc sensi, ut haeretici qui nihil foris consecuti sunt, quando ad ecclesiam conuertuntur, baptizentur (Cypr. sent. episc. 69).

Dass diese conuerti-Formen so aufzufassen sind, dass sich Donatisten aktiv bekehren, wird durch die folgende Stelle bestätigt, an der Augustinus denselben Gedanken mit der reflexiven Konstruktion se conuertere ausgedrückt hat: Cresc. 2, 40: iustum est ut uicti taceatis ac uos aliquando ab errore perniciosissimae dissensionis ad unitatem catholicam conuertatis.

Wenn man allerdings die sehr variantenreiche Weise berücksichtigt, in der Augustinus in seinen Werken generell über conuersio spricht, liegt u. E. der Schluss nahe, dass er sich an der vorliegenden Stelle gerade nicht auf eine dieser beiden Deutungsmöglichkeiten festlegen will, sondern bewusst schwebend formuliert. Für diese äquivoke Interpretation scheint uns auch zu sprechen, dass Augustinus zu dem mehrdeutigen conuertentur im Zitat von Iob 27, 17a mit zwei prädikativen Partizipien überleitet, von denen das erste (correcti) im Passiv und das zweite (cognoscentes) im Aktiv steht: (565, 18–19) postea correcti et cognoscentes ad iustos conuertentur. Er ist also offenbar auf die Balance zwischen den passiven und den aktiven Aspekten der conuerti-Form besonders bedacht. Im Deutschen kann man Augustins schwebende Aussage leider nur unvollkommen wiedergeben. Denkbar wäre etwa die Formulierung „sie werden eine Bekehrung zu den Gerechten durchmachen“.

4.3.2.2 ad iustos conuertentur Während es – wie im vorigen Kapitel festgestellt – für diesen Ausdruck keine genaue Parallele in Augustins Werken gibt461, lassen die nächsten Sinnparallelen doch erkennen, dass der Bischof daran dachte, dass die geläuterten prudentes et sapientes eine Bekehrung zur katholischen Kirche durchmachen würden462. Diese wird hier, wie von dem Ijob-Zitat Iob 27, 17a suggeriert, von den iusti repräsentiert. Für solch 461 Vgl. Kap. 3, Punkt 3.5.3. 462 Vgl. nur später ep. 264, 2: gaudium uero, quod percipimus, quando aliqui ex eis (sc. malis) correcti in melius commutantur et sanctorum societati copulantur, nulli gaudio in hac uita comparari potest. Den Anschluss an andere Gläubige als wesentlichen Aspekt einer christlichen conuersio behandelt historisch und systematisch Sandness (1994).

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

eine positive Aussage über die Kirche finden sich bei Augustinus nur wenige Parallelen, von denen aber gleich mehrere aus den Adnotationes stammen463. Normalerweise machte er kein Hehl daraus, dass die Kirche in dieser Weltzeit eine höchst problematische Mischung von boni und mali darstellt464.

4.3.2.3 correcti et cognoscentes […] conuertentur Wir haben oben schon darauf hingewiesen, dass Augustinus seine Zuhörer durch die Einführung des passiven correcti und des aktiven cognoscentes im Vorfeld zu dem conuertentur von Iob 27, 17a möglicherweise daran erinnern wollte, dass der Vorgang der Bekehrung sowohl eine passive als auch eine aktive Komponente enthält. Jetzt ist nachzutragen, dass Augustinus auch sonst dazu neigt, Hinweise auf conuersio durch solche prädikativen Partizipien im Kontext genauer zu erläutern. Ein Beispiel findet sich schon in den neuplatonisch geprägten Frühschriften465. Ähnliche Formulierungen kommen in der Zwischenzeit hinzu466. Eine fast wörtliche Parallele zu der hier zuerst geprägten Formulierung correcti […] conuertentur taucht später in der Form correctus conuertatur in der antidonatistischen Schrift contra litteras Petiliani auf467. Wie die angeführten Parallelen zeigen, assoziiert Augustinus die Begriffe se corrigere bzw. corrigi mit der Abkehr von falschen Überzeugungen bzw. Irrtümern. Während also das Stichwort correcti die Dogmatik betrifft, hat das cognoscentes einen doppelten Sinngehalt. Auf der einen Seite geht es für Augustinus bei cognoscere im Kontext einer conuersio um die ethische Perspektive: um die Erkenntnis der 463 In seiner Auslegung von Iob 3, 6 spricht er von (511, 7) iusti in ecclesia. In seiner Auslegung von Iob 38 formuliert der Bischof (601, 13–14): […] iustus […] sicut Iob, sicut Paulus, sicut ecclesia. In der antidonatistischen Schrift bapt. 5, 38 argumentiert er: et quod in canticis canticorum ecclesia sic describitur: hortus conclusus, soror mea sponsa, fons signatus, puteus aquae uiuae, paradisus cum fructu pomorum (Ct 4, 12–13), hoc intellegere non audeo nisi in sanctis et iustis. Ganz ähnlich schärft er ebendort 6, 5 nach demselben Zitat aus dem Hohen Lied nochmals ein: quod non intellegitur nisi in bonis et sanctis et iustis. 464 Vgl. dazu unten die Kapitel 6 und 7. 465 beata u. 34: ueritas autem ut sit (sc. sapientia), fit per aliquem summum modum, a quo procedit et in quem se perfecta conuertit. Vgl. auch uera rel. 93: nos commemorat diuina prouidentia, […] quo debeamus redire correcti. 466 doctr. chr. 1, 17: […] quisquis autem crederet seque ab his correctus auerteret, […]. Eine mit der vorliegenden Stelle der Adnotationes vergleichbare Gedankenverbindung zwischen prädikativem correcti und der Hinwendung zur katholischen Kirche findet sich Cresc. 2, 15: […] ut eo (sc. errore) relicto correcti ad ecclesiam catholicam transeatis und nochmals a. a. O. 2, 18: ad hanc itaque ciuitatem (sc. angelicam) quisquis haeresis uel schismatis deposito errore correctis moribus pia mente conuertitur, […]. 467 c. litt. Pet. 2, 189: quisquis igitur in ecclesia non inuenitur, iam non interrogetur, sed aut correctus conuertatur aut correptus non conqueratur. An vielen späteren Stellen werden se corrigere und conuerti ad deum synonym gebraucht: so cat. rud. 32; bapt. 4, 14; ep. 91, 6; 93, 26; Io. eu. tr. 33, 7; s. 18, 5; 82, 14; vgl. bapt. 6, 7; 7, 89; gr. et pecc. or. 2, 10; c. Iul. imp. 3, 48; ep. 217, 10; s.16B, 2 (= s. Mai 17, 2).

Kapitel 4: Iob 27, 16–17a bei Augustinus

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eigenen Sündhaftigkeit468 bzw. die Kenntnisnahme der göttlichen Gebote für das menschliche Verhalten469. Dieser Gesichtspunkt scheint uns an der vorliegenden Stelle im Vordergrund zu stehen, denn damit korrespondieren die Begriffe correcti et cognoscentes hier in chiastischer Reihenfolge mit den Stichworten stulta et carnalia, mit denen Augustinus zuvor die unvollkommenen intellektuellen und moralischen Anfänge der späteren prudentes et sapientes geschildert hatte. Durch den Chiasmus, zu dem noch die Alliteration zwischen correcti und cognoscentes und die Beachtung des Gesetzes der wachsenden Glieder hinzukommen, wollte der Bischof offensichtlich seiner im Übrigen so verwickelt formulierten Exegese des Lemmas Iob 27, 16–17a nach dem Wortspiel mit sentiunt / consenserint noch ein zweites stilistisches Licht aufsetzen. Ein ähnlicher, plötzlicher Wechsel zwischen Stilebenen wird uns in größerem Maßstab bei seiner Auslegung von Iob 28, 2ab begegnen470. An späteren Stellen benutzt Augustinus das Stichwort cognoscere jedoch eher parallel zu corrigi im Sinne der Erkenntnis und Korrektur eines früher gehegten Irrtums471.

4.4 Zusammenfassung 4.4.1 Zur Identifikation der angesprochenen Gruppen Aus allen bisher erörterten Details zu den Teil-Lemmata Iob 27, 16ab und 17a ergaben sich noch keine klaren Hinweise auf die Frage, welche konkreten Gruppen seiner Zeit Augustinus eigentlich im Auge hatte, als er zur Auslegung von Iob 27, 16–17a die spirituelle Entwicklung von Sündern zu prudentes bzw. sapientes skizzierte. Die meisten bisher angeführten Parallelen entstammten antimanichäischen oder antidonatistischen Kontexten. Schon damit ist eine eindeutige Identifikation ausgeschlossen. Dieser Eindruck verstärkt sich noch bei einer Sichtung weiterer möglicher Parallelen. Was die Formulierung (565, 17–18) cum adhuc stulta et carnalia sentiunt betrifft, so hat Augustinus den Vorwurf der stultitia gegen jeden seiner vielen Gegner erhoben472. Dagegen wirft er fleischliches Denken vor allem den Juden 468 So schon Gn. adu. Man. 2, 41: qui si aliquando se ad deum conuerterit per flammeam frameam, id est per temporales tribulationes, sua peccata cognoscendo et gemendo et non iam extraneam naturam, quae nulla est, sed seipsum accusando, ut ipse ueniam mereatur […]. 469 So doctr. chr. 2, 9: ante omnia igitur opus est dei timore conuerti ad cognoscendam eius uoluntatem, quid nobis appetendum fugiendumque praecipiat. 470 S. u. Kap. 7. 471 c. ep. Parm. 2, 28 (datiert 403/404: Gryson 226): et si quando ignoranter fit nec animose defenditur factum, sed pie corrigitur cognitum, uenia facilis impetratur. Ähnlich a. a. O. 3, 29: et nunc iam tandem aliquando cognoscant et corrigant, quod se impie fecisse […] didicerunt. 472 Vgl. zur stultitia als Vorwurf gegen Manichäer: util. cred. 7; c. Faust. 6, 8; 20, 8. Gegen Donatisten: c. ep. Parm. 1, 3; c. Don. 36. Gegen Pelagianer: pecc. mer. 1, 37; c. Iul. 2, 37; 6, 64; c. Iul. imp. 1, 63. 86. Gegen Heiden: ciu. 4, 23. Gegen Gestirngläubige: ciu. 5, 7.

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

vor473. Mit den Ausdrücken (565, 18) correcti et cognoscentes scheint er auf ehemalige Donatisten zu zielen; jedenfalls begegnet die ähnlichste Begriffskombination später in antidonatistischem Kontext474. Aber schon bei dem prädikativ gebrauchten correctus verwischt sich das Bild: Zwar stammen die meisten Belege aus Schriften gegen Donatisten475, aber Augustinus benutzt die Wendung auch zur Selbstkritik476 und später gegen den Pelagianer Caelestius477. Wenn er ferner am Ende mit dem Teilzitat von Iob 27, 17a (565, 18–19) ad iustos conuertentur auf eine Bekehrung der prudentes und sapientes zur Großkirche hindeutet, lässt sich dieser Gedanke nicht nur aus seinen antidonatistischen478, sondern auch aus seinen antimanichäischen479 Schriften belegen. Auch den Vorwurf der imprudentia erhebt Augustinus gleichermaßen gegen Donatisten480 wie Manichäer481. Noch häufiger wirft er insipientia nicht nur Donatisten482 und Manichäern483 vor, sondern auch Heiden484, Dämonenverehrern485, Gestirngläubigen486 und Anhängern magischer Praktiken487 sowie später auch Arianern488 und Pelagianern489. Insgesamt hat Augustinus hier also offenbar keine fest umrissenen Gruppen vor Augen, sondern kombiniert nur typische Versatzstücke seines polemischen Repertoires.

473 Dies ist ein Leitmotiv seiner Auslegung des Galaterbriefes. Vgl. etwa exp. Gal. 34: nam et Iudaei seruiliter obseruant dies et menses et annos et tempora in carnali obseruatione sabbati et neomeniae et mense nouorum et septimo quoque anno, quem uocant sabbatum sabbatorum. Vgl. schon a. a. O. 7.17.22 und noch 35.37.40–42. Ferner c. Adim. 2; exp. prop. Rm. 11; doctr. chr. 3, 36. 474 Io. eu. tr. 5, 12: et uides illos inuidiam nobis facere, quasi de persecutionibus quas passi sunt. corporales quidem passi quasi persecutiones, cum essent flagella domini manifeste dantis disciplinam ad tempus, ne damnet in aeternum, si eam non cognouerint seque correxerint. 475 Vgl. bapt. 5, 30 über Donatisten, die später zur Kirche übertreten: quibus tamen postea correctis non rursum baptismus datur. Vgl. noch c. Cresc. 2, 15 (zitiert in Anm. 478) und ep. 185, 7. 476 ep. 74. 477 ep. 157, 22. 478 So fragt Augustinus in s. 358, 4 gegen die Donatisten: quare ergo non conuertuntur ad ecclesiam? und schreibt an den Donatisten Cresconius c. Cresc. 2, 15: nos autem ita uestrum dicimus haereticum et sacrilegum errorem, ut tamen inexpiabilem non dicamus; alioquin frustra uobiscum, ut eo relicto correcti ad ecclesiam catholicam transeatis, quibus modis possumus agendum esse censuimus. 479 Vgl. die Anrede an den Manichäer Secundinus in c. Sec. 26: tu scripturas illas nefandarum blasphemiarum plenissimas […] debes abicere et ad ecclesiam catholicam […] transire. 480 Vgl. c. litt. Pet. 2, 205; Cresc. 3, 57. 481 Vgl. nur c. Faust. 14, 1; 21, 1; 21, 16; 33, 7. 482 c. Gaud. 1, 36; s. 269, 3. 483 Gn. litt. 11, 8, 10. 484 ciu. 3, 30. 485 ciu. 8, 17; 10, 27. 486 s. 199, 3. 487 Io. eu. tr. 97, 2–3. 488 c. Max. 1, 5; 2, 2. 489 c. Iul. 5, 7. 51; c. Iul. imp. 3, 187; 4, 129; 5, 22; c. ep. Pel. 3, 20–21.

Kapitel 4: Iob 27, 16–17a bei Augustinus

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4.4.2 Lateinischer Text und Übersetzung Als Zusammenfassung der vorstehenden Analysen wiederholen wir noch einmal die von uns rekonstruierten Texte von Hieronymus’ erster Ijob-Version und von Augustins Auslegung des Lemmas Iob 27, 16ab-17a, fügen aber nun die neu gefundenen Verweise auf Rm 8, 5 und Phil 3, 19 hinzu. Die beigefügte Übersetzung enthält hier und da zur Verdeutlichung etwas breitere Paraphrasen: Rekonstruierter Text

Übersetzung aus Augustins Perspektive

(565, 15–19) quodsi et colligatur e terra argentum (Iob 27, 16a)  , id est: si prudentes et sapientes, cum adhuc terra et lutum sunt, id est, cum adhuc stulta et carnalia sentiunt (cf. Rm 8, 5; Phil 3, 19), eis consenserint, postea correcti et cognoscentes ad iustos conuertentur (Iob 27, 17a; vgl. Cic., Verr. 3, 176).

Wenn sich also auch Silber noch an Erde bindet und Gold erst noch aus Lehm abbaubar war (Iob 27, 16ab), d. h. wenn die Klugen und Weisen, solange sie noch Erde und Lehm waren, d. h. solange sie noch dumme und fleischliche Gedanken und Empfindungen hegten, diesen Regungen auch innerlich zustimmten und nachgaben, dann werden sie anschließend, gebessert und einsichtig, eine Bekehrung zu den Gerechten durchmachen.

4.5 Die Position der Passage in Augustins Überlegungen zu prudentia und sapientia Zum Schluss dieses Versuches, Augustins Auslegung von Iob 27, 16–17a im Einzelnen zu verstehen, fragen wir noch nach der Position der vorliegenden Passage in der Entwicklung seines Denkens. Nach unserem Eindruck blickt der Text wie ein Januskopf zugleich rückwärts und vorwärts. In allen früheren Fällen, die wir oben aufgeführt haben, hatte Augustinus sowohl das Begriffspaar argentum – aurum als auch das Paar prudentes – sapientes (bzw. prudentia – sapientia) jeweils als Hendiadyoin verstanden; zumindest hatte er in keinem Fall versucht, zwischen den Gliedern der beiden Paare in irgendeiner Weise zu differenzieren. Wenn man nun unsere Passage der Adnotationes in Iob im Licht der angeführten Parallelen liest, kann man den Eindruck gewinnen, dass Augustinus erneut die beiden Begriffspaare wieder nur als Hendiadyoin versteht, also die beiden Edelmetalle ohne weitere Binnendifferenzierung als Symbol für fortgeschrittene Christen auffassen will, die ebenso gut als prudentes wie als sapientes bezeichnet werden können. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass er im vorliegenden Kontext nicht weniger als drei weitere neue Begriffspaare bildet, die in jedem Fall als Hendiadyoin zu lesen sind. Das erste Paar (565, 17) terra et lutum stammt aus dem Lemma Iob 27, 16 a und b, während die beiden anderen Paare (565, 17)

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Zweiter Teil: Iob 27, 16–17a

stulta et carnalia sowie (565, 18) correcti et cognoscentes frei formuliert sind490. In keinem dieser Fälle läge es nahe, zwischen den beiden Gliedern in dem Sinne zu unterscheiden, dass man die Begriffe terra, stulta und correcti nur auf argentum / prudentes und entsprechend lutum, carnalia und cognoscentes nur auf aurum / sapientes bezöge. Es liegt also jeweils ein Hendiadyoin vor. In diesem Licht lässt sich u. E. kaum bezweifeln, dass Augustinus auch die Begriffspaare argentum / prudentes und aurum / sapientes hier jedenfalls primär noch als Hendiadyoin aufgefasst hat. Trotzdem scheint uns dies nicht die einzige Implikation der Stelle zu sein. Denn auf der nächsten Seite der Adnotationes hat Augustinus bei der Interpretation von Iob 28, 1–2 zwischen argentum und aurum und den auch dort wieder durch diese Metalle symbolisierten prudentes und sapientes eindeutig differenziert: Dort wird das Silber als spezifisches Symbol für die prudentes und Gold als ebenso eindeutiges Symbol für die sapientes verstanden. Man kann also fragen, ob der gedankliche Durchbruch zu dieser Differenzierung nicht schon an der vorliegenden Stelle erfolgte. Dafür könnte sprechen, dass Augustinus auch bisher schon mehrfach auf die symbolische Gleichung zwischen aurum und sapientia hingewiesen hatte, zuerst in einer frühen Predigt491 und dann vor allem mehrfach in den Adnotationes selbst492. Somit musste als neuer Schritt nur noch die entsprechende Gleichung zwischen argentum und prudentia hergestellt werden. Dieser Bezug zwischen argen­ tum und prudentes ergab sich aber an der vorliegenden Stelle aus der neuen Gleichsetzung der beiden Begriffspaare argentum  – aurum und prudentes  – sapientes gleichsam von selbst, sofern man die beiden Paare nicht mehr als Hendiadyoin auffasste, sondern jeweils die ersten und die zweiten Glieder separat miteinander korrelierte. Dieser Umstand kann Augustinus schon hier kaum verborgen geblieben sein493. Wir neigen daher zu der Ansicht, dass in Augustins Auslegung von Iob 27, 16ab wieder einmal ein Fall von mehrschichtiger oder schwebender Exegese vorliegt. Wenn man sie im Licht der früheren Parallelen liest, muss man die Aussage insgesamt doch noch im Rahmen der früheren Stellen als Gleichung zwischen zwei Hendiadyoin verstehen. Erst im Rückblick von der nächsten vergleichbaren Stelle aus (hier der Auslegung von Iob 28, 1–2) wird das volle Potential von Augustins

490 Die Junktur stulta et carnalia stammt möglicherweise von Priscillian: S. o. Punkt 4.2.2.2 fin. 491 s. 50 (datiert 394/5: Gryson 234), 11: meum est argentum et aurum (Agg 2, 9). omnis enim sapientia quae nomine auri figurate significatur […]. 492 adn. 3 (511, 27–512, 1): aut cum principibus, quibus multum fuit aurum (Iob 3, 15a): sapien­ tia; adn. 28 (568, 12–15): non aequabitur ei aurum et uitrum (Iob 28, 17a): aut intellegendum aliquod uitrum speciosum aut quia sunt homines qui uitrum plus diligant quam sapientiam; adn. 31 (578, 22–24): posui aurum robur meum? (Iob 31, 24a): numquid praesumpsi de doctrina aut sapientia dei? Der Gedanke kehrt auch in späteren Werken wieder: Vgl. qu. 2, 105; en. Ps. 44, 24; 71, 17. 493 Auffälligerweise hat das Zitat Prv 8, 10 accipite prudentiam sicut argentum et sapientiam sicut aurum probatum bei dieser Entwicklung keine Rolle gespielt oder zumindest keine Spur hinterlassen: Augustinus zitiert es ein einziges Mal in en. Ps. 71, 17 (datiert 415: Müller 829).

Kapitel 4: Iob 27, 16–17a bei Augustinus

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Ausdrucksweise sichtbar. Insofern handelt es sich bei der vorliegenden Passage um den vorletzten Schritt in einer Gedankenreihe, die allmählich immer präziser wird. Insgesamt erweist sich die vorliegende Passage als Zwischenstufe in einem langsamen und kleinschrittigen Entwicklungsprozess, zu dem Augustinus hier und da durch seine Auseinandersetzung mit dem Buch Ijob angeregt wurde.

Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus Zur Gliederung Die fünf Teilverse der Passage Iob 28, 1–3a sind in beiden Rezensionen der Adno­ tationes überliefert. Wenn die Rezensionen divergieren, ist in jedem Falle auch klar ersichtlich, welcher Herausgeber den Wortlaut der Erstfassung O. tradiert, den Augustinus ausgelegt hat. Anders als in den Kapiteln 1 und 3 dieser Studie ist es im vorliegenden Kapitel also nicht notwendig, zunächst einmal umständlich eine unvollständige oder fehlerhafte Tradition der Teil-Lemmata in den Adnotationes zu identifizieren und zu verbessern. Stattdessen geht es von vornherein vor allem darum, durch den Vergleich der verschiedenen Textfassungen des Hieronymus mit ihren Vorlagen weitere Einblicke in die Übersetzerwerkstatt von Bethlehem zu gewinnen.

5.1 Iob 28, 1a 5.1.1 Die Beziehungen zwischen Hieronymus’ Vorlagen Für den Halbvers Iob 28, 1a sind nur wenige mögliche Vorlagen des Hieronymus überliefert. Für dieses Teil-Lemma gibt es keine Überlieferung im Targum von Qumran, in der Hexapla oder in den verschiedenen Vetus Latina-Traditionen494. Das rabbinische Targum folgt mit Ausnahme einer schwach bezeugten Variante genau dem hebräischen Text; die von ihm vertretene Auslegungstradition kommt deshalb kaum als eigene Quelle in Betracht. Soweit ersichtlich, hat sich Hieronymus hier also fast ausschließlich mit M und G auseinandergesetzt.

5.1.1.1 Die Texte Iob 28, 1a M

‫ֹוצא‬ ֑ ָ ‫ִ ּ֤כי ֵיׁ֣ש לַ ֶּכ ֶ֣סף מ‬

dt.: Wahrlich, es gibt für das Silber einen Ausgangspunkt

494 Ambrosius hat die Ijob-Passage nur sehr frei  – und unter Vertauschung der biblischen Reihenfolge von Silber und Gold – paraphrasiert. Mit Blick auf Iob 28, 1ab schreibt er Iob 2, 22 (246, 24–247, 5 Schenkl): aurum in metallis, argentum in metallis: de metallo eruitur et in metallum reuertitur. […] de metallis cottidie aurum promitur.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

LXX Hauptüberlieferung

ἔστιν γὰρ ἀργυρίῳ τόποϚ ὅθεν γίνεται

dt.495: Denn für das496 Silber gibt es einen Ort, von dem es kommt497

LXX Nebenἔστιν γὰρ ἀργυρίου τόποϚ überlieferung498 ὅθεν γίνεται

dt.: Denn Silber hat einen Ort, von dem es kommt

rabb. Targum499 ‫ימא ַמ ְפ ָקנָ א‬ ָ ‫ֲארּום ִאית לְ ִס‬

engl.500: There is indeed a mine for silver

5.1.1.2 Das Verhältnis zwischen den möglichen Vorlagen Die Bedeutung der einleitenden Partikel ‫ ִּכ֤י‬ist bis heute unter den Auslegern umstritten501. Das Targum fasst sie als emphatische Eröffnung des Kapitels im Sinne von „wahrlich“ auf502. Der griechische Übersetzer gibt sie – was rein grammatisch ebenso möglich ist – mit γὰρ wieder503. Die Hauptversion der LXX entspricht strukturell recht genau dem masoretischen Text mit seinem Dativ ‫לַ ֶּכ ֶ֣סף‬. Die Auslassung des bestimmten Artikels bei „Silber“, den der masoretische Text bietet, kann zwei Gründe haben: Der Grieche hat ihn entweder gar nicht vermutet, weil er im bloßen Konsonantentext nach der Präposition ‫ל‬ nicht zum Ausdruck kam, oder hat ihn bewusst weggelassen, um dem Griechischen einen poetischen Klang zu verleihen504. Auffällig ist die Paraphrase des Begriffs ‫ֹוצא‬ ֑ ָ ‫( מ‬wörtlich „Ausgangsort, Quelle“505) durch die Wendung τόποϚ ὅθεν γίνεται. Ihre Funktion erschließt sich erst im Folgenden: Dort wird klar, dass die beiden Begriffe τόποϚ und γίνεται hier gezielt aus inhaltlichen bzw. stilistischen Gründen eingeführt worden sind. Der Genetiv ἀργυρίου der Nebenversion hat keinen Anhalt im Hebräischen, erklärt sich also als sekundäre innergriechische Variante. Vermutlich wollte man den Anstoß beseitigen, dass der Dativus possessivus, wie ihn die

495 So Kepper / Witte (2009) 1037. 496 Der Zusatz des bestimmten Artikels im Deutschen setzt voraus, dass der griechische Text als Dichtung aufgefasst wird. Zum Fehlen des Artikels in der griechischen Poesie aller Epochen vgl. Kühner / Gerth (1904) 1, 581–582. 497 Cox (2007) 686 übersetzt ohne Zusatz des bestimmten Artikels: „For silver has a place from which it comes“. 498 Lt. Ziegler 330, 1. Apparat. 499 Quelle des vokalisierten Textes: Internet unter https://www.sefaria.org/Aramaic_Targum_ to_Job. Der Konsonantentext entspricht Stecs Edition (1994) 181*. Lt. Apparat fehlt ‫ ֲארּום‬im Codex ‫ד‬. 500 So Mangan (1991) 64. 501 Vgl. etwa Duhm (1897) 134; Budde (1913) 163–164; Hölscher (1952) 66; Fohrer (1988) 389; Strauss (2000) 130–131; Lo (2003) 197–198. 502 Zur Bedeutung von ‫ ֲארּום‬im Targum vgl. Jastrow (1903) 118. 503 Vgl. GD 539–541. 504 Siehe Anm. 496. 505 GD 646.

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus 

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Hauptüberlieferung aus dem Hebräischen übernommen hat, in gutem Griechisch nur bei Personen oder persönlich gedachten Sachen üblich war506.

5.1.2 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen 5.1.2.1 Die Texte Trotz dieser vergleichsweise einfachen Ausgangslage hat Hieronymus für den vorliegenden Halbvers nicht weniger als vier verschiedene Versionen entwickelt: Iob 28, 1a Versio prior

Vulgata

O.507

est enim argenti locus unde fit

S.

est enim argento locus unde fiet

T. ( B.)

est enim argento locus unde fit habet argentum venarum suarum principia

Die drei Revisionsstufen der Versio prior unterscheiden sich nur durch kleine Nuan­cen; die Vulgata-Fassung steht für sich. Es wird deutlich, mit welcher Hingabe Hieronymus auch an inhaltlich unstrittigen Texten gefeilt hat.

5.1.2.2 Analyse Die drei Versionen der Versio prior beruhen sämtlich auf der LXX. Das zeigt schon der unde-Satz am Schluss, der dem griechischen ὅθεν-Satz entspricht. Nur in S. bezieht Hieronymus in einem Detail auch den hebräischen Text mit ein. Die Erstfassung O. ist nur in der ω2-Rezension von Augustins Adnotationes überliefert; der ω1-Frater hat stattdessen die Endfassung T. eingesetzt508. In O. übersetzt Hieronymus die Nebenversion der LXX ἔστιν γὰρ ἀργυρίου τόποϚ ὅθεν γίνεται. Diese unterscheidet sich nur durch den Genetiv ἀργυρίου ~ argenti von dem Dativ ἀργυρίῳ ~ argento, der in der Hauptversion der LXX die hebräische Vorlage widerspiegelt. Die Wahl der innergriechischen Variante ἀργυρίου ~ argenti, deren Hintergrund oben erklärt wurde, ist ein Beispiel für die Vorliebe, die Hieronymus in seiner Erstfassung O. für seltene Textvarianten bewies509. Bei der Revision in S. wich Hieronymus in zwei Punkten von O. ab. Er ersetzte den Genetiv argenti durch den Dativ argento, ging also von der griechischen Neben-

506 Vgl. Kühner / Gerth (1904) 1, 416, 15. 507 Überliefert in der ω2-Rezension der Adnotationes: adn. 28 (566, 14). 508 Nachweis bei Trenkler (2017) 173. 186. 509 Vgl. Warns (2017) 40.

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überlieferung typischerweise zur Hauptüberlieferung über510, die hier gleichzeitig dem hebräischen Urtext entspricht. Ein Experiment, wie es sich in S. häufiger beobachten lässt511, stellt das Futur fiet dar. Dieses Tempus lässt sich nur aus dem Hebräischen begründen, weil das dem paraphrastischen Ausdruck locus unde fit / fiet zugrundeliegende hebräische Nomen ‫ֹוצא‬ ֑ ָ ‫„( מ‬Ausgangsort“) auf kein bestimmtes Tempus festgelegt ist. Hieronymus mag hier das Futur deshalb für möglich gehalten haben, weil er auch in der Vulgata beim anschließenden Lemma Iob 28, 2a nicht sicher war, ob er das dort überlieferte hebräische Imperfekt ‫( יֻ ָּק ֑ח‬dt. wörtlich: „Er wird genommen / wird genommen werden“) mit dem Präsens tollitur oder dem Futur tolletur wiedergeben sollte512. Die Endfassung T. (die auch in B. bezeugt ist) entspricht mit dem Dativ argento und dem Präsens fit wörtlich der Hauptversion der LXX. Sie wurde vom ω1-Frater in seine Rezension der Adnotationes übernommen513. Die ω1-Version und (B.) als Abkömmlinge von T. sichern die Lesart fit für T. Sonst könnte man die karolingische Minuskel im Codex Turonensis rein vom Schriftbild her auch als sit lesen514. Sachlich freilich wäre sit ein Kopierfehler, wie sich an Bedeutung, Modus und Fehlen einer ursprachlichen Vorlage zeigt. Die Vulgata weist hier keine Einflüsse der LXX auf, behandelt die hebräische Vorlage aber ziemlich frei. Zunächst fällt ins Auge, dass Hieronymus das einleitende ‫ ִּכ֤י‬nicht berücksichtigt hat. Dies könnte auf rabbinischen Einfluss hinweisen, weil das aramäische Äquivalent ‫ ֲארּום‬auch in einer Handschrift des Targums fehlt515. Es wäre zu klären, inwieweit Hieronymus – vielleicht wie manche Rabbinen – Asyndese als sprachliches Mittel eingesetzt hat, um den Beginn eines neuen Kapitels zu markieren516. Jedenfalls hat er schon in der Schlussrevision der Versio prior T. den Sprecherwechsel zu Beginn der Kapitel 18, 19, 22, 23, 25 und 26 und ebenso den Beginn der zweiten Elihu-Rede in Kap. 34 durch die auffällige Asyndese vom Typ Respondit autem Baldad dixit hervorgehoben. Diese hat keinen Anhalt in den Urtexten und wurde daher von allen bisherigen Editoren des Codex T. konsequent als Textverderbnis angesehen und nach dem Muster Respondens autem Baldad dixit emendiert.

510 Vgl. Warns ebd. 511 Vgl. Warns a. a. O. 107–108. 512 Vgl. unten Punkt 5.3.2.1. 513 Nachweis bei Trenkler (2017) 173. 186. 514 Nur T. Migne 93 C liest sit, aber vermutlich eher aufgrund eines Druckfehlers als aufgrund eigener Nachkollation des Codex T.  Zycha (1895) 566 notiert im Apparat „sit Hier“. Es bleibt offen, ob er von T. Migne abhängt oder T. selbst nachkollationiert hat. 515 Vgl. oben Anm. 499. 516 Einige der Belege, die Kedar-Kopfstein (1968) 263 dafür anführt, dass Hieronymus ein hebräisches Waw unübersetzt ließ, könnten so gedeutet werden: Ru 1, 1; Est 1, 1. Dem stehen ebd. andere Stellen gegenüber, an denen Hieronymus das Waw zu Beginn einer neuen Passage variabel mit igitur, autem oder ergo wiedergab.

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Besonders auffällig ist die verdeutlichende Paraphrase von ‫ֹוצא‬ ֑ ָ ‫„( מ‬Ausgangsort / Quelle“) durch venarum suarum principia. Zwar ließen sich die Pluralformen auch durch Hieronymus’ Neigung erklären, einen hebräischen Singular kollektiv zu deuten und als Plural wiederzugeben; aber der eigentliche Hintergrund seiner vorliegenden Formulierung dürfte in der bewusst ausgenutzten Mehrdeutigkeit des lateinischen Begriffs principium zu suchen sein. Zunächst einmal kann principium genau wie das hebräische ‫ֹוצא‬ ֑ ָ ‫ מ‬im Wortfeld „Graben-Fluss-Wasserader“ so viel wie „Anfangspunkt“, „Ausgangspunkt“ oder „Quelle“ heißen517. Indem Hieronymus nun diesen Begriff seiner Vorlage nicht einfach übersetzte, sondern noch den für Erzadern geläufigen Begriff uenae518 heranzog und die Paraphrase venarum suarum principia formulierte, konnte er ganz präzise zwei typische Aspekte der antiken Silbergewinnung ansprechen. Im Unterschied zu Gold kannte man kein gediegenes Silber, das von selbst ins Auge sprang519, sondern musste dieses Metall typischerweise aus Bleierzen gewinnen. Das zu diesem Zweck am leichtesten verhüttbare Weißbleierz (den Cerussit) konnte man an den „Ausbissen“, also am Zutagetreten der Erzgänge an der Erdoberfläche, auffinden520. Man könnte diese principia als solche „Ausbisse“ verstehen, die für die Bleierzgänge typisch sind, die überhaupt erst das Ausgangsprodukt für die Silbergewinnung liefern. Darüber hinaus scheint uns Hieronymus’ Paraphrase venarum suarum principia noch eine weitere Assoziation zu enthalten. Hieronymus spielt u. E. auf eine Vetus Latina-Version von Gn 2, 10 an. An dieser prominenten Stelle wurde der Plural principia als Übersetzung des griechischen ἀρχὰϚ in dem ungewöhnlichen Sinn von „Verzweigungen eines Wasserlaufs in mehrere Arme“ gebraucht521. Da die Vokabel uena zwischen den Bedeutungen „Wasserader“ und „Erzader“ oszilliert522, evoziert Hieronymus mit der Formulierung venarum suarum principia also zugleich noch die Verästelungen, die Vergil gerade den Silberadern zuschrieb523. Indem Hieronymus hier ausnahmsweise einmal ‫ֹוצא‬ ֑ ָ ‫ מ‬mit principium übersetzte, zugleich aber im Plural von principia sprach und zusätzlich noch das geläufige Bild von „Metall-Adern“ (uenae) einführte, reicherte er den Bibeltext mit mehreren neuen Bedeutungsnuancen an: Das Lemma lässt jetzt nicht nur – wie in den Ur 517 Vgl. TLL s. v. principium: 10.2.1317.38–45. 518 Der Begriff uena kann auf alle Metalle angewandt werden. Das OLD 2232 s. v. uena 6 zitiert Cic., nat. deor. 2, 151: nos aeris argenti auri uenas penitus abditas inuenimus. Speziell von argenti uenae spricht Plinius, nat. 33, 95.96.98. 519 Pace König (1929) 273. Plinius, nat. 33, 95 schreibt: nulla […] spe sui nascitur nullis, ut in auro, lucentibus scintillis. 520 Zur Sache und Terminologie siehe Moesta / Franke (1995) 60. Lt. Rosumek (1982) 53 bestand die früheste Abbaumethode darin, solchen Ausbissen in den Berg hinein zu folgen. 521 Vgl. TLL s. v. principium: 10.2.1317.45–50. Die früheste Stelle (datiert lt. Frede 543 auf ca. 365) ist Hilarius, in psalm. 1, 14 (28, 18–19): inrigari deinde paradisum flumine, quod postea in quattuor principia diuisum sit (Gn 2, 10). (Der TLL gibt die Fundstelle irrtümlich mit in psalm. 2, 14 an.) 522 Vgl. OLD 2232 s. v. uena. 523 Vgl. Vergil, georg. 2, 165 (in den laudes Italiae): haec eadem (sc. Saturnia tellus) argenti rivos […]/ostendit.

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texten – an ein Bergwerk als Silberfundort denken524, sondern verweist genauer auf die typischen Ausbisse und Verzweigungen von Erzgängen. Unsere These, dass Hieronymus in der Vulgata den auffälligen Begriff principia im Lemma Iob 28, 1a auch als bewusste Anspielung auf eine altlateinische Version von Gn 2, 10 gewählt hat, beruht hauptsächlich auf der inhaltlichen Plausibilität dieses intertextuellen Bezuges. Sie lässt sich aber durch einen Blick auf die sonstigen Belege für diese seltene Vetus Latina-Lesart weiter stützen525. Die oben zitierte, auf ca. 365 datierte Stelle aus dem Psalmenkommentar des Hilarius von Poitiers526 ist nicht nur das älteste, sondern auch das einzige Zeugnis, das aus der Zeit vor Hieronymus überliefert ist. Dann aber hat Hieronymus in kurzer Zeit diese Lesart gleich dreimal in seinen Werken zur Sprache gebracht: Nach der hier vorliegenden Anspielung in der Vulgata von Iob 28, 1a, deren Ausarbeitung 393 abgeschlossen wurde527, hat er das volle Zitat gleich darauf auch noch in zwei Briefen angeführt: in seiner Übersetzung eines Schreibens des Epiphanius von Salamis528, die etwa ins Jahr 394 gehört529, und nur wenig später nochmals in ep. 69530 (vermutlich aus dem Jahr 397531). Die dichte Folge der Zitate legt nahe, dass Hieronymus eine Zeitlang von dieser sprachlichen Besonderheit fasziniert war532. Er hatte sie also möglicherweise erst kürzlich im Zusammenhang mit der Arbeit an der IjobVulgata kennengelernt. Sein besonderes Interesse an dieser Lesart wird auch daran deutlich, dass sich bei Augustinus ein anderes Bild bietet. Dieser zitiert Gn 2, 10 in seinen Genesis-Auslegungen konsequent nur mit dem üblicheren Begriff partes533 und zeigt sich später anlässlich von drei Stellen aus dem Buch der Richter irritiert über den biblischen Gebrauch des Begriffs principia im Sinn von partes (dort im Sinn von „militärischen Abteilungen“)534. Erst am Ende seines Lebens führt er dann selbst einmal Gn 2, 10 in der spröderen Vetus Latina-Fassung mit principia an, entschärft dort aber die Sonderbedeutung von principia durch den Zusatz von fluuiorum535. 524 So fasste Ambrosius die Stelle in seiner Paraphrase Iob 2, 22 (246, 24–247, 2 Schenkl) auf: aurum in metallis, argentum in metallis: de metallo eruitur et in metallum reuertitur. Auch Plinius betont nat. 33, 95, dass Silber nur in Bergwerken abgebaut werden konnte: non nisi in puteis reperitur. 525 Die vollständigen Belege zu den Versionen von Gn 2, 10 findet sich bei Fischer (1951) 43–44. 526 Vgl. Anm. 521. 527 Vgl. Trenkler (2017) 18. 528 Hieronymus, epist. 51, 5, 5: fluuius […] diuiditur in quattuor principia. 529 Frede 514. 530 Hieronymus, epist. 69, 6, 3: unus fons in quattuor principia diuiditur. 531 Frede 515. 532 In der Genesis-Vulgata schrieb er dann vorsichtiger: (Gn 2, 10) fluvius […] qui inde dividitur in quattuor capita. 533 Augustinus, Gn. adu. Man. 2, 1; 2, 13: flumen […] diuiditur in quattuor partes; Gn..litt. 8, 7, 13: flumen […] inde diuisum est in quattuor partes. 534 Augustinus, loc. 7, 34. 42–43 (zu Idc 7, 16; 9, 34; 9, 43). Vgl. dazu Süss (1933) 49. Augustins Schrift ist auf 419 datiert: Gryson 223. 535 Augustinus, doctr. chr. 3, 52: flumen […] diuisum in quattuor principia fluuiorum. Ab Buch 3, 36 ff. stammt dieses Werk erst aus den Jahren 426/7: Gryson 212.

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Eine präzise Übersetzung der assoziationsgesättigten Stelle erscheint kaum möglich536. Eine zumindest sachlich zutreffende Paraphrase der Paraphrase könnte lauten: „Silber weist Ausbisse seiner typischen Bleierzadern auf, die sich verzweigen.“ In jedem Fall liegt bei Hieronymus hier eine Übersetzungstechnik vor, die durch die Einführung eines metallurgischen Fachterminus in Kombination mit einer innerbiblischen Anspielung den Text mit zusätzlichen Informationen bzw. Assoziationen anreichert, die in der Vorlage nicht enthalten waren. Es dürfte sich lohnen, nach weiteren Stellen dieser Art Ausschau zu halten. In der Ijob-Vulgata löste sich Hieronymus bei der Übersetzung von Iob 28, 1a auch von der wörtlichen Konstruktion von est mit dem Dativus possessoris argento, wie sie in M und der Hauptversion von G vorlag. Stattdessen schrieb er jetzt habet argentum. Das stellt eine stilistische Verbesserung des lateinischen Ausdrucks nach dem Vorbild Ciceros dar, der bei materiellem Besitz (hier den venarum principia) die Konstruktion mit habere dem Dativus possessoris vorzog537. Auffällig ist schließlich, dass der Halbvers Iob 28, 1a in der Vulgata-Fassung, wenn man nach den fünf Wortakzenten geht, eine eindeutig daktylische Silbenfolge aufweist: hábet argéntum venárum suárum princípia. Die Daktylen hängen von der Auslassung der einleitenden Konjunktion sowie der poetischen Wortstellung venárum suárum princípia ab: Sie hätten sich nicht ergeben, wenn der Übersetzer das enim der Versio prior beibehalten und dann ganz prosaisch princípia venárum suárum geschrieben hätte. Da Hieronymus im Prolog zur Ijob-Vulgata dargelegt hatte, dass der gesamte Mittelteil des hebräischen Buches Ijob in dichterischer Form gestaltet ist, und überdies behauptet hatte, dass diese Partien in Hexametern gehalten seien538, halten wir für möglich, dass er an dieser Stelle einmal mit spätlateinischen Sprachmitteln einen Eindruck von Stil und Klang der Dialogpartien des Ijob-Buches vermitteln wollte. Tatsächlich könnte man den gesamten Vers Iob 28, 1ab in M als akzentuierenden Versus spondiacus auffassen: ‫ֹוצא ו֝ ָּמ ֗ ֹקום לַ ּזָ ָ ֥הב יָ ֽ ֹזּקּו‬ ֑ ָ ‫ ִ ּ֤כי ֵיׁ֣ש לַ ֶּכ ֶ֣סף מ‬. Zur Verdeutlichung heben wir in lateinischer Umschrift die betonten Silben durch Fettdruck hervor: ki jesch lakkäsäf moza umaqom lassahaw jasoqqu539. Damit rückt bereits das folgende Teil-Lemma 28, 1b in den Blick.

536 Oborski (2018) 1422 übersetzt: „Silber hat Anfänge seiner Adern.“ Vgl. seine Hinweise auf die Schwierigkeiten der Übersetzungsarbeit: Vulgata in Dialogue 2 (2018) 97–110. 537 Zu dieser Tendenz bei Cicero vgl. Kühner / Stegmann (1962) 1, 308 und Leumann / Hofmann / Szantyr 2 (1965) 90. 538 Vulg. Stuttg. 731, 25–28. Hieronymus beeilt sich hinzuzufügen, dass es sich nicht immer um regelrechte Hexameter in Daktylen und Spondeen handele: a. a. O. ZZ. 29–31. 539 Ehlers / Fieger / Tauwinkl (2018) neigen zu der Ansicht, Hieronymus gebrauche in seinem Prolog den Begriff „Hexameter“ mit Blick auf das AT in derselben unpräzisen Weise wie die meisten der von ihm dort zitierten griechischen Theologen, um klassisch gebildete Leser von der hohen poetischen Qualität der hebräischen Bibel zu überzeugen. Beispiele für mögliche hexametrische Teilverse in der Vulgata enthält ihr Artikel nicht.

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5.2 Iob 28, 1b 5.2.1 Die Beziehungen zwischen Hieronymus’ Vorlagen Für das Teil-Lemma Iob 28, 1b sind mehr mögliche Vorlagen des Hieronymus überliefert als für den vorangehenden Halbvers 1a: Zu M, den beiden Versionen der LXX und dem rabbinischen Targum kommen noch zwei in der Hexapla überlieferte jüngere griechische Übersetzungen hinzu. Im Targum von Qumran und in der Vetus Latina-Überlieferung ist die Stelle nicht erhalten.

5.2.1.1 Die Texte Iob 28, 1b M

‫ו֝ ָּמ ֗ ֹקום לַ ּזָ ָ ֥הב יָ ֽ ֹזּקּו‬

dt.: und einen Ort für das Gold, sie/ sie auswaschen.

G Hauptversion

τόποϚ δὲ χρυσίῳ, ὅθεν διηθεῖται.

dt.540: und für das541 Gold einen Ort, von dem es ausgewaschen wird542.

τόποϚ δὲ χρυσίου, ὅθεν διηθεῖται. G Nebenversion543

dt.: aber einen Ort Goldes, von wo es durch Ausschwemmen gereinigt wird.

Aquila und Theodotion544

τόποϚ δὲ χρυσίῳ, ὅθεν χωνευθῆ.

dt.: aber einen Ort für Gold, von wo es jeweils eingeschmolzen wird.

Symmachos545

τόποϚ δὲ χρυσίῳ, ὅπου χωνευθῇ.

dt.: aber einen Ort für Gold, wo es jeweils eingeschmolzen wird.

‫וַ ֲא ַתר לְ ַד ֲה ָבא ְמ ַסנְ נִ ין‬ rabb. Targum Hauptversion546

engl.547: and a place where they refine gold.

540 So Kepper / Witte (2009) 1037. 541 Zum bestimmten Artikel vgl. oben Anm. 496 zum parallelen Lemma Iob 28, 1a. 542 Cox (2007) 686 übersetzt (wieder ohne Zusatz des bestimmten Artikels): „and gold [has] a place from where it is sifted.“ 543 Lt. Ziegler 330, 1. Apparat. 544 Lt. Ziegler 330, 2. Apparat; vgl. Meade (2012) 123. 545 Lt. Ziegler ebd. – Meade ebd. hält die Zuweisung an Symmachos in Ms. 252 sowie das dort überlieferte ὅπου für nicht gesichert. Aber der im weiteren Verlauf unserer Analyse nachgewiesene Einfluss des ὅπου auf Hieronymus spricht für die Richtigkeit der Notiz in 252. 546 Quelle des vokalisierten Textes: Internet unter https://www.sefaria.org/Aramaic_Targum_ to_Job. Der Konsonantentext entspricht Stecs Edition (1994) 181*. 547 So frei Mangan (1991) 64. Die syntaktische Grundstruktur entspricht M, so dass eine wörtliche Übersetzung lauten würde: „und ein Ort für das Gold, sie/ sie filtern.“ Der

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‫ואתר לדהבא מסננן‬ rabb. Targum Nebenversion548

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dt.: und einen Ort für das Gold, geläutert wird.

5.2.1.2 Das Verhältnis zwischen den möglichen Vorlagen Zum Wegfall des bestimmten Artikels bei „Gold“ und zum Genetiv χρυσίου der Nebenüberlieferung der LXX wurde schon zum vorigen Halbvers das Nötige gesagt549. Das abschließende hebräische Wort ‫ יָ ֽ ֹזּקּו‬stellt einen verkürzten Relativsatz dar550, wie er gerade in poetischer Sprache häufig ist551. Das haben die griechischen Übersetzer richtig erkannt. Dieselbe syntaktische Struktur liegt im Targum vor. Auffällig ist aber, dass alle griechischen Versionen nur eine von zwei möglichen Deutungen vertreten, die dieser Relativsatz im Hebräischen und Aramäischen zulässt. Theoretisch kann man hier zwischen zwei Beziehungsworten wählen und entsprechend die Einleitung des Relativsatzes in zwei verschiedenen Weisen ergänzen. Am nächsten läge es, den Satz auf das direkt vorangehende Nomen „Gold“ zu beziehen. Als Relativpronomen wäre dann das Akkusativobjekt „das / welches“ hinzuzufügen552. Diese Deutung würde zu der Übersetzung führen „ aber einen Ort für das Gold, das sie läutern“553. Man kann den Relativsatz aber auch auf den „Ort“ vom Versanfang beziehen. Dann ergibt sich als Einleitung eine Ortsangabe („von wo“ oder „wo jeweils“). Dieser hebräische Satzbautyp ist seltener554, wird aber hier von allen griechischen Übersetzern vorausgesetzt555. Tatsächlich spricht für ihre Auffassung, dass die Frage nach dem Herkunftsort bzw. Fundort einer Sache das inhaltliche Zentrum der gesamten Passage bildet, gipfelnd in dem Refrain in Versen 12 und 20 (LXX)): ἡ δὲ σοφία πόθεν εὑρέθη; ποῖος δὲ τόπος ἐστὶν τῆς ἐπιστήμης;556 Alle griechischen Übersetzer unterstreichen diese Aussageabsicht, indem sie in beiden Teilversen Iob 28, 1a und b dasselbe Stichwort τόποϚ zur Wiedergabe der beiden verschiedenen hebräischen Ortsbegriffe557 Austausch der hebräischen Imperfektform im letzten Wort gegen ein aramäisches Partizip wird im Folgenden besprochen. 548 Lt. Stec (1994) 181* mit Apparat: Die Hs.  ‫ ג‬bietet das abschließende Partizip im Mask. Sing. Pa’el Passiv, bezogen auf „Gold“ (zur Form vgl. Dalman (1905) 332). 549 S. o. S. 124–125. 550 So etwa Fohrer (1988) 390 und Strauß (2000) 131. 551 Vgl. Joüon (1923) 481, § 158 a. 552 Dies wäre der häufiger belegte Satzbautyp: Vgl. Gesenius / Kautzsch (1909) 510–511, § 155 h. 553 Diese Deutung vertreten Budde (1913) 162. 164 und König (1929) 273. 554 Vgl. Gesenius / Kautzsch (1909) 511–512, § 155 i-k und n; Joüon (1923) 482, § 158 c. 555 Bei Fohrer (1988) finden sich beide Deutungen nebeneinander: In seiner Übersetzung (S. 389) ergänzt er als Nebensatzeinleitung „wo“, deutet aber in der grammatischen Fußnote zur Stelle (S. 390, 1 c) das zu ergänzende Relativpronomen als Objektsakkusativ. 556 Zum Refrain vgl. Strauß (2000) 134–135.145.151 und Lo (2003) 197. 198. 557 Lo a. a. O. 198 weist darauf hin, dass die Verse 12 und 20 im Hebräischen mit Vers 1 durch dasselbe Wort für „Ort“ korrespondieren, und weist außerdem auf das Wortspiel in Vers 12 zwischen ‫„( מוצא‬Ausgangsort“) und der Verbalwurzel ‫„( מצא‬finden“) hin, die hinter dem εὑρέθη der

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verwenden558. Dabei behalten sie den im Hebräischen vorliegenden Chiasmus bei, in dem die Metalle die Außenglieder und die Fundorte die Binnenglieder bilden. Die in M überlieferte Form ‫ יָ ֽ ֹזּקּו‬ist eine 3. Ps. Plural mask. Qal von der Wurzel ‫זקק‬. Der unbestimmte Plural entspricht im Hebräischen dem deutschen unbestimmten Subjekt „man“559. Demnach ist die Wiedergabe mit dem unpersönlichen Passiv, das alle griechischen Versionen teilen, inhaltlich und stilistisch adäquat. Interessanterweise wird diese passivische Konstruktion auch im Codex ‫ ג‬des Targums geboten. Die verschiedene Deutung der Verbwurzel durch die Griechen – in der LXX als διηθέω „filtern / auswaschen“560, bei den Jüngeren als χωνεύω „ausschmelzen“561 – beruht darauf, dass die seltene hebräische Wurzel für beide Bedeutungen in Anspruch genommen werden kann: Im Qal vermittelt sie die Assoziation von stockend sickerndem Wasser, während sie im Pu’al das ebenfalls langsam fließende flüssige Metall evoziert562. Überdies werden bei der Goldgewinnung tatsächlich beide Verfahren nacheinander angewandt: Zunächst werden Goldstaub bzw. -klümpchen aus Sand oder Gesteinsbrocken ausgewaschen und anschließend durch Schmelzen weiter gereinigt563. Insofern kann man tatsächlich im Zweifel sein, welcher Arbeitsgang bei der Läuterung des Goldes hier gemeint ist. Das Targum wählt ein Wort, das als „filtern“ oder allgemein „läutern“ verstanden werden kann564, steht also M näher als den griechischen Versionen. Der auffällige Konjunktiv (Aorist Passiv) χωνευθῇ der jüngeren Übersetzer erklärt sich aus ihrer Deutung des hebräischen Imperfekts als einer iterativ-verallgemeinernden Form565. Auch die beiden Fassungen des rabbinischen Targums vertreten diese Interpretation, indem sie ein Partizip an die Stelle des hebräischen Imperfekts setzen und so einen Nominalsatz schaffen, der den typischen Charakter des Vorgangs unterstreicht566. Vermutlich Symmachos hat die iterative Interpretation dadurch verdeutlicht, dass er die Relativpartikel ὅθεν („von wo“) durch das verallgemeinernde ὅπου („wo auch immer“) ersetzte567. In verallgemeinernden LXX steht. Auch deshalb überzeugt die von Wutz in späteren Werken verfochtene These (1937, 438 und 1939, 97) nicht, beide Ortsausdrücke in M gingen auf Buchstabenvertauschungen bzw. Missverständnisse zurück: Statt „Ausgangsort“ bzw. „Ort“ solle man „Dürsten“ bzw. „Heißhunger“ lesen. Zuvor hatte Wutz den überlieferten Text nicht angezweifelt: (1933) 432. 558 So die Beobachtung von Ziegler (1934/1971) [19] und Kepper / Witte (2011) 2104. Allerdings sieht Ziegler a. a. O. [18]. [20] in solchen Wiederholungen, die im griechischen Ijob nicht selten sind (vgl. seine Liste [18]–[19]), nur einen Beweis für mangelndes Engagement des Übersetzers. Das wird dem programmatischen Charakter der vorliegenden Stelle kaum gerecht. 559 Vgl. Grether (1967) 217, § 87. b. 1). 560 Kepper / Witte (2011) 2104 bezeichnen διηθέω als Hapax legomenon; aber vgl. die vielen fachsprachlichen Belege bei LSJ, 427 s. v. 561 Zu χωνεύω als Nebenform von χοανεύω vgl. LSJ, 1095–1096. 562 Vgl. GD 310. 563 Vgl. zur Sache etwa Moesta (1983) 101–104. 108–110. 564 Zu ‫ סנן‬vgl. Levy (1881) 2, 176; Jastrow (1903) 1008. 565 Zu dieser Bedeutung des hebräischen Imperfekts vgl. etwa Brockelmann (1956) 44, d. 566 Vgl. Schlesinger (1928) 40. 567 Zum Zweifel Meades an der Autorschaft des Symmachos s. o. Anm. 544–545.

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Relativsätzen war der iterative Konjunktiv üblich568; er verlangt allerdings in klassischer Prosa den Zusatz von ἄν569. Die in Iob 28, 1b vorliegende Auslassung des ἄν beim iterativen Konjunktiv ist dagegen seit Homer ein typisch poetisches Stilmerkmal570. Wie schon Hieronymus im vorigen Lemma Iob 28, 1a, so lassen hier die jüngeren griechischen Übersetzer erkennen, dass es sich im vorliegenden Kontext um Dichtung handelt. Auch das Fehlen der bestimmten Artikel bei „Silber“ und „Gold“ in Iob 28, 1a und b in G kann man als solchen Hinweis deuten571.

5.2.2 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen Für diesen Halbvers hat Hieronymus nur zwei verschiedene Versionen entwickelt.

5.2.2.1 Die Texte Iob 28, 1b Versio prior Vulgata

O.572S. T. (B.)

locus autem auro ubi purgatur et auro locus est in quo conflatur

5.2.2.2 Analyse In der Versio prior hat Hieronymus Elemente der LXX und der jüngeren griechischen Übersetzungen kombiniert. Aus der Hauptversion der LXX behält er Wortstellung und Nominalsatz-Syntax bei. Mit purgatur dagegen nimmt er das χωνευθῇ („Ausschmelzen“) der Jüngeren auf; denn der Lateiner assoziiert purgare im Kontext der Metallverarbeitung ausschließlich mit der Läuterung durch Feuer, wie die Nachweise im TLL573 und im CAG574 zeigen. Mit der Nebensatzeinleitung ubi hat sich Hieronymus an ὅπου orientiert, das – vermutlich von Symmachos eingeführt575 – besser zum Kontext passt. Denn dort ist nicht mehr – wie im vorangehenden Halbvers – von einem Ausgangspunkt die Rede, von dem sich etwas ableitet, sondern von 568 Vgl. Kühner / Gerth (1904) 2, 425–426 mit Anm. 1 569 Vgl. Kühner / Gerth a. a. O. 426, Anm. 1. 570 Vgl. Kühner / Gerth ebd. und Blass / Debrunner / Rehkopf (1990) 308–309, § 380, 4 mit Anm. 7 (Lit.). 571 S. o. Anm. 496 und 549. 572 O. ist in diesem Wortlaut in beiden Rezensionen der Adnotationes überliefert: adn. 28 (566, 15–16). 573 Vgl. TLL s. v. purgo: 10.2.2684.22–24 mit dem Zitat von Ovid, fast. 4, 785/6: omnia purgat edax ignis vitiumque metallis / excoquit. 574 Von den zahlreichen Belegen im CAG 2 sei hier nur verwiesen auf c. Faust. 6, 4: non enim oportet uacare fornacem, in qua spiritale aurum […] purgatur; en. Ps. 18, 2, 7: sicut ignis uenit spiritus sanctus, fenum carnis consumturus, aurum cocturus et purgaturus. 575 Vgl. zum Hintergrund von ὅπου Anm. 544–545. 571.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

einem Ort, an dem etwas geschieht. Indem er aber das einfache ubi an die Stelle des verallgemeinernden ὅπου setzte, verzichtete er zugleich auf die iterativ-verallgemeinernde Deutung des Relativsatzes, die alle drei jüngeren griechischen Übersetzer und die im Targum vorliegende Tradition bieten. Der Grund war vermutlich, dass diese Nuance weder in M vorlag noch im Lateinischen mit einem konjunktivischen Relativsatz ausgedrückt werden konnte576. Auffällig ist, dass Hieronymus in diesem Halbvers schon in der Erstfassung O. den Dativ auro gewählt hat, der der Hauptüberlieferung der LXX und zugleich M entspricht, während er sich im vorigen TeilLemma – wie oben dargelegt – in O. für den Genetiv auri der Nebenüberlieferung von G entschieden hatte und erst in S. zur Lesart auro der Hauptüberlieferung überging. Der Unterschied fällt umso mehr ins Auge, als der Genetiv χρυσίου im vorliegenden Teilvers Iob 28, 1b stärker bezeugt ist als im Teilvers Iob 28, 1a577. Möglicherweise strebte hier also Hieronymus in O. nach stilistischer Variatio. In der Vulgata hat Hieronymus die hebräische Wortstellung nicht beibehalten, sondern das Stichwort auro nach vorn gezogen. Damit schuf er eine Parallele zum vorigen Teilsatz, den er mit habet argentum begann. Mit der Zufügung von est hat er den in M und G vorliegenden Kurzsatz leserfreundlich vervollständigt und zugleich mit auro est nach habet argentum einen eigenen Chiasmus geschaffen – vielleicht als Ersatz für den Chiasmus in M und G, den er für die Spitzenstellung von auro in Iob 28, 1b geopfert hatte. Bei der Übersetzung des Relativsatzes am Ende bestätigt sich wieder einmal, dass die Vulgata nicht allein auf dem hebräischen Text beruht, sondern von mehreren griechischen Übersetzungen beeinflusst ist, und dass Hieronymus trotz aller Vorbilder immer wieder auf eigene Wege bedacht war. Er hat sich also nicht mit einer mechanischen Wiedergabe begnügt. Wie schon in der Versio prior, so behält Hieronymus auch hier zwei Grundentscheidungen der Griechen bei, die sich aber genauso auch im rabbinischen Targum finden: die Auffassung, dass nicht das Gold, sondern der Ort das Beziehungswort des Relativsatzes sei, sowie die Entscheidung, die aktive hebräische Konstruktion im Passiv wiederzugeben. Mit der Verbbedeutung conflatur („es wird eingeschmolzen“) folgt Hieronymus erneut, aber noch eindeutiger als in der Versio prior dem χωνευθῇ des Symmachos und der anderen jüngeren Übersetzer, das – wie oben dargelegt – auch aus hebraistischer Sicht vertretbar ist. Jedoch schließt sich Hieronymus diesen Vorgängern nicht in jedem Detail an. Denn er hat auch in der Vulgata deren iterative Deutung des hebräischen Imperfekts ebenso wenig übernommen wie die dazugehörige verallgemeinernde Relativsatzeinleitung durch ὅπου. Der erneute Wechsel vom ubi der Versio prior zum in quo der Vulgata erklärt sich vielleicht aus dem Bemühen, dem gesamten Halbvers eine jambische Akzentfolge 576 In der ausführlichen Besprechung der konjunktivischen Relativsätze bei Kühner / Stegmann (1962) 2, 291–309 kommt diese Nuance nicht vor. 577 Vgl. Ziegler 330 im 1. Apparat.

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus 

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zu verleihen: et aúro lócus ést in quó conflátur. Diese Deutung erscheint uns naheliegend angesichts der oben konstatierten daktylischen Folge der Wortakzente im Halbvers Iob 28, 1a. Wieder unterstreicht Hieronymus den poetischen Charakter der Passage578.

5.3 Iob 28, 2a Um Hieronymus’ Versionen dieses Halbverses zu erklären, stehen M, G und das rabbinische Targum zur Verfügung.

5.3.1 Die Beziehungen zwischen Hieronymus’ Vorlagen 5.3.1.1 Die Texte Iob 28, 2a M

‫֭ ַבּ ְרזֶ ל ֵמ ָע ָ ֣פר יֻ ָּק ֑ח‬

dt.: Eisen wird aus Staub genommen

G

σίδηρος μὲν γὰρ ἐκ γῆς γίνεται

dt.579: Denn Eisen jedenfalls kommt aus der580 Erde

rabb. Targum Hauptversion581

‫פרזלא מן עפרא יתנסב‬

rabb. Targum Nebenversion583

‫ִיתנֵ ִסיב‬ ְ ‫ַּפ ְרזְ לָ א ֵמ ַע ְפ ָרא‬

engl.582: Iron is taken out of the dust

578 Die Verwendung des in bei der Ortsangabe mit locus (statt des reinen Ablativs) ist nicht so auffällig, dass man daraus einen Schluss ziehen könnte: Vgl. Kühner / Stegmann (1962) 1, 348–349. Aber ohne dieses in käme hier keine Jambenfolge zustande. 579 So Kepper / Witte (2009) 1037. 580 Auch hier ist der Zusatz des bestimmten Artikels im Deutschen legitim, denn er wird im Griechischen vor γῆ, besonders nach Präpositionen, gern weggelassen: Vgl. Kühner / Gerth (1898) 1, 602 b) und Blass / Debrunner / Rehkopf (1990) 203, § 253, 3.  581 ed. Stec (1994) 181*. 582 So Mangan (1991) 64. Die Differenzen zwischen Haupt- und Nebenversion berühren Kon­ struktion und Übersetzung nicht: Beide Prädikate stehen in der 3. Ps. Sg. Mask. Imperfekt Passiv (bei Stec im Ithpa’al, in der Internetversion im Ithpe’el) und haben dieselbe Bedeutung. Vgl. zu den Formen Dalman (1905) 296–297 und zum Nebeneinander der verschiedenen Passiv-Stämme der Wurzel ‫ נסב‬Jastrow (1903) 915. 583 So die Online-Version unter https://www.sefaria.org/Aramaic_Targum_to_Job.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

5.3.1.2 Die Beziehungen zwischen M, G und dem Targum Die LXX hat durch die Zufügung von μὲν γὰρ die Asyndese des Hebräischen beseitigt und einen glatteren Anschluss an den vorangehenden Vers geschaffen. Die weiteren Änderungen in G gegenüber M sind schwer zu beurteilen. Ob der griechische Ausdruck ἐκ γῆϚ verglichen mit ‫ ֵמ ָע ָ ֣פר‬eine inhaltliche Abschwächung darstellt, ist nicht klar, weil das hebräische Nomen sowohl „Staub“ als auch „lockere Erde / Erdoberfläche“ heißen kann584. Schwer einzuschätzen ist auch der Wechsel des kräftigen hebräischen „wird genommen“ (Passiv Qal der Wurzel ‫ )לקח‬zu γίνεται. Die Wahl dieses Allerweltverbums hat Ziegler auf Desinteresse des Übersetzers zurückgeführt585. Wenn man andererseits das Targum vergleicht, kann man γίνεται auch als Präzisierung des mehrdeutigen hebräischen Verbums verstehen: Der Grieche deutete den Text so, dass Eisen als Bodenschatz definiert werden soll. Nicht zuletzt kann man darauf verweisen, dass γίνεται am Versende von 2a mit dem γίνεται am Versende von 1a korrespondiert586 und daraus schließen, dass dieses Echo bewusst so gewählt wurde. Die Vermutung, dass der Übersetzer hier die Versenden parallel gestalten wollte, lässt sich durch die Beobachtung stützen, dass er auch die Enden der anschließenden Teilverse 1b und 2b durch die korrespondierenden Prädikate διηθεῖται und λατομεῖται nicht nur syntaktisch, sondern auch durch Isokolon und ausgeprägtes Homoioteleuton aufeinander bezogen hat. Anders als die LXX ersetzt das Targum die in M vorliegende hebräische Wurzel ‫„( לקח‬nehmen“) durch die Wurzel ‫„( נסב‬wegnehmen / aufheben“)587. Gleichzeitig formulieren LXX und Targum beide im Passiv und stützen damit die masoretische Punktation ‫ יֻ ָּק ֑ח‬588. Die Wiedergabe von ‫ לקח‬durch ‫ נסב‬ist im Aramäischen grundsätzlich nicht ungewöhnlich589, dürfte aber im vorliegenden Zusammenhang die Aussage verengen: In dem Satz „Eisen wird aus dem Staub / aus der losen Erde / von der Erdoberfläche aufgeklaubt“ wird vermutlich nicht wie in G das Metall als Bodenschatz bezeichnet, sondern ein spezieller früher Arbeitsschritt des Eisenerzabbaus beschrieben590.

584 Vgl. GD 996 und Strauß (2000) 138. 585 Ziegler (1934/1971) [18]–[19]. 586 So Kepper / Witte (2011) 2104. 587 Vgl. Levy (1881) 2, 113 und Jastrow (1903) 915. 588 Duhm (1897) 134 und Beer in BH 2, 1093 z. St. im Apparat schlugen vor, den Text als Aktiv Qal zu vokalisieren. Als Übersetzung ergäbe sich „Eisen nimmt man aus der Erde“. Denselben Vorschlag machten beide für die korrespondierende Form im folgenden Teilvers 28, 2b: dazu unten. 589 Zur Äquivalenz der beiden Verben vgl. Levy (1881) 2, 113. 590 Zum Aufklauben des losgeschlagenen Erzes, bei dem dieses gleichzeitig vom tauben Nebengestein getrennt wurde, vgl. Rebrik (1987) 70 (Bild 21). 115. 132–133.

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus 

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5.3.2 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen Entsprechend diesen Vorlagen hat Hieronymus zwei verschiedene Versionen vorgelegt.

5.3.2.1 Die Texte Iob 28, 2a Versio prior Vulgata

O.591 S. T. (B.)

ferrum enim592 de terra fit593 ferrum de terra tollitur594

5.3.2.2 Analyse In der Versio prior folgt Hieronymus der LXX, in der Vulgata dem asyndetischen hebräischen Urtext. Insofern könnte man meinen, dieser Teilvers entspräche tatsächlich einmal seiner Sprachregelung, wonach die Versio prior eine editio iuxta Graecos, die Vulgata dagegen eine editio iuxta Hebraeos sei595. Jedoch geht die Wortwahl tollitur (bzw. tolletur) der Vulgata u. E. eher auf den Einfluss der im rabbinischen Targum vorliegenden Tradition zurück: Denn das lateinischen tollere entspricht weniger der Wurzel ‫„( לקח‬nehmen“) von M als vielmehr der im Targum gebrauchten Wurzel ‫„( נסב‬aufheben / hochnehmen / wegnehmen“596). Unabhängig von der Frage nach der zugrundeliegenden Wurzel erklärt sich Hieronymus’ Schwanken zwischen dem Präsens tollitur und dem Futur tolletur, wie es die Überlieferung zeigt, durch die Vieldeutigkeit der hebräischen und aramäischen Imperfektformen. Dass er im vorliegenden Kontext auch ein Futur für möglich hielt, zeigte sich schon oben im Lemma Iob 28, 1a an dem fiet in S.597. 591 So überliefert in beiden Rezensionen der Adnotationes: adn. 28 (566, 16–17). 592 autem N. Da N sehr weit vom Hyparchetypos entfernt ist, erscheint uns wenig wahrscheinlich, dass Hieronymus in O. angesichts des μὲν γὰρ der LXX eine Doppelübersetzung von autem und enim vorgeschlagen hat. Es handelt sich eher um eine Verwechslung der konventionellen Abkürzungen der beiden Wörter: Vgl. für deren Ähnlichkeit Cappelli (1979) 406–407. 593 sit F. Angesichts der ursprachlichen Vorlagen liegt keine kontaminierte Form aus der ω1Rezension vor, sondern dieselbe typische Verwechselung von f und s in karolingischen Minuskeln, die oben in der Handschrift T. der Versio prior zu beobachten war (s. o. Anm. 514). 594 tolletur L: Vulg. Rom. 102. Die beiden verschiedenen Tempora sind auch noch in der Clavis Melitonis (datiert lt. Frede 644 auf vielleicht 7. oder 8. Jh. im Frankenreich) überliefert: tollitur steht in der Recensio vulgata 6, 16 (Bd. 2, 292, 24 Pitra): Ferrum, conversorum soliditas: „Ferrum de terra tollitur“. Dagegen begegnet tolletur in der Recensio primitiva 10, 1, 44 (p. 79 Pitra): Ferrum, fortes quique in Ecclesia. In Job: Ferrum de terra tolletur. 595 Hieronymus, Vorrede zur Ijob-Vulgata, Vulg. Stuttg. 732, 51–52. Vgl. dazu Trenkler (2017) 24–25. 596 Zur Bedeutung vgl. Levy (1881) 1, 113 und Jastrow (1903) 915. 597 S. o. S. 125–126.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

5.4 Iob 28, 2b Der Teilvers Iob 28, 2b hat Hieronymus besondere Schwierigkeiten bereitet. Davon zeugen die vielen Varianten, die er dazu entwickelt hat. Als Vergleichsmaterial zur Klärung seines Vorgehens steht uns hier außer den Texten von M und G und dem rabbinischen Targum auch noch eine vom Bischof Polychronios von Apamea mit der Quellenangabe ὁ ἙβραῖοϚ zitierte Version nach dem Hebräischen zur Verfügung.

5.4.1 Die Beziehungen zwischen Hieronymus’ Vorlagen 5.4.1.1 Die Texte Iob 28, 2b M

‫חּוׁשה‬ ֽ ָ ְ‫ְ֝ו ֶ֗א ֶבן יָ ֥צּוק נ‬

dt.: und Gestein schmilzt er / man Kupfer alternativ: und Gestein  – geschmolzen wird Kupfer

LXX

χαλκὸϚ δὲ ἴσα λίθῳ598 λατομεῖται

dt.599: und Kupfer wird gleich dem600 Stein herausgehauen601

rabb. Targum Hauptüberlieferung602

‫ּכֹומא‬ ָ ‫ַאבנָ א יַ ִּתיְך ּכַ ְר‬ ְ ְ‫ו‬

dt.: und Gestein schmilzt er / man Kupfer

rabb. Targum Nebenüberlieferung603

‫ומנ אבנא יתנתח נחׁשא‬

engl.604: and from the stone copper is smelted

ὁ ἙβραῖοϚ lt. Polychronios605

ἀπὸ λίθων χωνεύεται

dt.606: Es (sc. das Erz) wird aus Steinen herausgeschmolzen.

598 Fehlerhafte Variante lt. Ziegler 330: ἴσα λίθοϚ lΙ. Richtig wäre ἴσα καὶ λίθοϚ: Vgl. Kühner / ​ Gerth (1904) 1, 411–413 mit Anm. 11 und kurz Blass / Debrunner / Rehkopf (1990) 156, § 194, 1. 599 So Kepper / Witte (2009) 1037. 600 Zur Ergänzung des bestimmten Artikels vgl. wieder Anm. 496 und 541. 601 Cox (2007) 686 übersetzt wieder ohne Artikel: „copper is quarried like stone.“ 602 So die Online-Version unter https://www.sefaria.org/Aramaic_Targum_to_Job. Der Konsonantentext entspricht der Ausgabe von Stec (1994) 181*. 603 Bei Stec (1994) 181* lt. Apparat in den Hss. ‫זח‬. 604 So Mangan (1991) 64. 605 Lt. Ziegler 330, 2. Apparat; Hagedorn / Hagedorn, Katenen 3 (2000) 59, Nr. 64; Meade (2012) 123. 606 So Hagedorn / Hagedorn, Katenen 4 (2004) 95.

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus 

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5.4.1.2 Die Beziehungen zwischen den Vorlagen 5.4.1.2.1 Die hebräische und aramäische Überlieferung Die in M überlieferte Verbform ‫ יָ ֥צּוק‬ist mehrdeutig: Sie kann entweder als Imper­ fekt Qal zur Wurzel ‫צוק‬‎ 2 („er / man wird gießen“)607 oder als Partizip Passiv Qal zur Wurzel ‫( יצק‬wörtlich: „einer, der gegossen wird“)608 aufgefasst werden. Bei der ersten Auffassung heißt der Satz „und Gestein schmilzt man zu Kupfer“. In diesem Fall steckt das Subjekt „er“ (im allgemeinen Sinn von „man“609) im Prädikat, der feminine Begriff ‫„( ֶ֗א ֶבן‬Gestein“) stellt das Akkusativ-Objekt dar und das dritte Wort ‫חּוׁשה‬ ֽ ָ ְ‫„( נ‬Kupfer“) ist prädikativ zu konstruieren610. Aber auch die zweite Auffassung der Verbform ‫ יָ ֥צּוק‬als Partizip Passiv Qal ist nicht unmöglich. Sie führt allerdings zu einer komplizierteren Syntax611: Das maskuline Partizip kann als unpersönlicher Ausdruck konstruiert werden612. Das davorstehende Femininum „Stein“ mutiert dann vom Akkusativ-Objekt zum Casus pendens (der in Dichtung als Nominativ oder Akkusativ aufgefasst werden kann). Gleich bleibt nur die prädikative Funktion von „Kupfer“. Insgesamt heißt das TeilLemma Iob 28, 2a dann „und Gestein  – geschmolzen wird zu Kupfer“. Der Sinn ist in beiden Fällen derselbe; er wird nur bei der ersten Auffassung im Aktiv, bei der zweiten Deutung im Passiv ausgedrückt. Zwei Emendationsvorschläge variieren lediglich die genannten beiden Möglichkeiten. Zuerst Duhm613, später auch Beer614 schlugen eine einfache Umvokalisation von ‫ יָ ֥צּוק‬zu ‫ ִיצֹוק‬vor (also vom Imperfekt Qal der Wurzel ‫צוק‬‎ 2 zur selben Form der gleichbedeutenden Wurzel ‫)יצק‬. Dieser Vorschlag ändert nichts an der aktivischen Aussage „und Gestein schmilzt man zu Kupfer“. Zuvor und später schlug Beer stattdessen615 das Imperfekt Hof ’al ‫יּוצק‬ ַ („er wird gegossen“) zur Wurzel ‫ יצק‬vor und fand damit den Beifall von Budde616, Gerlemann617 und Fohrer618. Auch dieser Austausch eines passiven Partizips gegen eine finite Passiv-Form (wobei beide im Maskulinum stehen) ändert jedoch nichts an der komplizierten Syntax des Satzes. Denn auch die Form ‫יּוצק‬ ַ müsste wieder als unpersönlicher Ausdruck konstruiert

607 Vgl. GD 1110. 608 Vgl. GD 485. 609 Vgl. Gesenius / Kautzsch (1909) 481–482, 3. a). 610 Vgl. Gesenius / Kautzsch a. a. O. 387, c). Die Autoren bezeichnen den zweiten Akkusativ als „Akkusativ des Produkts“. 611 Das Folgende gegen Beer (1897) 177. 612 Vgl. Gesenius / Kautzsch a. a. O. 481, 2. 613 Duhm (1897) 134. 614 BH (1909) 2, 1093 im Apparat. 615 Beer (1897) 177 und wieder BHK (1932) 2, 1134 im Apparat. 616 Budde (1913) 164. 617 BHS (1974) 1255 im Apparat. 618 Fohrer (1988) 390, Anm. 2b.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

werden, weil das Substantiv ‫„( ֶ֗א ֶבן‬Gestein“) als Femininum619 nicht Subjekt zum nachfolgenden maskulinen Prädikat sein kann620. Die Vorschläge von Duhm und Beer bezwecken, eine genaue Parallele zwischen den Prädikaten in beiden Teilen von Vers 28, 2 herzustellen. Im Zusammenhang mit seinem Vorschlag von 1909621 wollte Beer wie schon Duhm622 im vorangehenden Teilvers 28, 2a das überlieferte Passiv ‫ יֻ ָּק ֑ח‬zum Aktiv ‫ ִַיּקח‬umvokalisieren und damit parallel zu ‫ ִיצֹוק‬stellen, das beide für Vers 28, 2b favorisierten623. Beers zweiter Vorschlag624 zielt umgekehrt darauf ab, mit dem Hof ’al ‫יּוצק‬ ַ eine Parallele zum Passiv ‫ יֻ ָּק ֑ח‬zu schaffen, das in M für Vers 28, 2a überliefert ist. Beide Operationen scheinen uns jedoch wenig plausibel zu sein, denn beim Blick auf alle vier Teilverse des Abschnitts Iob 28, 1–2 zeigt sich u. E., dass es dem hebräischen Dichter gerade darauf ankam, die Konstruktion jedes Mal neu zu variieren. Als Fazit für die hebräische Überlieferung in M ergibt sich, dass man das TeilLemma Iob 28, 2b – ob nun in seiner originalen oder in leicht emendierter Form – grundsätzlich entweder als aktive oder passive Aussage konstruieren kann. Im Targum von Qumran ist die ganze Passage Iob 27, 20b – 28, 3c nicht erhalten625. Das rabbinische Targum beruht in der von Stec edierten Version nach Sinn und Syntax auf M, wonach „Stein“ Objekt und „Kupfer“ Prädikativum ist. Da die dort verwendete aramäische Verbwurzel ‫ נתך‬eindeutig „schmelzen“ heißt626, hat dem Targum beim Prädikat die schon in M bezeugte Wurzel ‫צוק‬‎2 (bzw. deren Variante ‫ )יצק‬vorgelegen. Über deren genaue Form herrscht dagegen in den Handschriften des Targums keine Einigkeit. Stec druckt das Imperfekt Aph’el, also die aktive Form „er / man schmilzt“627. Im Apparat zitiert er aus den Handschriften ‫ זח‬aber auch die entsprechende passive Ithpa’al-Form628. Im Targum spiegelt sich also dieselbe Unsicherheit über das Genus Verbi der Konstruktion von Iob 28, 2 wider wie im Konsonantentext von M. In denselben Handschriften, die die passive Ithpa’al-Form aufweisen, hat der Targumist auch die Syntax geglättet, indem er vor „Gestein“ ein ‫„( מן‬von“) einfügte. 619 Vgl. GD 9. Auf dem Femininum insistiert zu Recht Budde (1913) 164. 620 Vgl. die Regeln zur Kongruenz bei Gesenius / Kautzsch (1909) 484–489, bes. 487, 7. o. Dhorme (1926) 366 versucht noch eine andere Konstruktion mit Hilfe der These, „Stein“ sei hier als Maskulinum gebraucht. Sein Verweis auf die maskuline Pluralbildung von hbr. „Stein“ (ähnlich Hölscher (1952) 66) ist dafür kein überzeugendes Argument: Vgl. zu diesem Phänomen Gesenius / Kautzsch a. a. O. 251. 253, § 87, 1 c und 4 p sowie Joüon (1923) 216, § 90 b mit Anm. 1. 621 BH (1909) 2, 1093 im Apparat. 622 Duhm (1897) 134. 623 Diese Vorschläge finden sich auch bei Wutz (1937) 438 mit Anm. 5 und nochmals (1939) 97 mit Anm.  624 BHK (1932) 2, 1134 im Apparat. 625 Vgl. Sokoloff (1974) 48–51. 626 Vgl. Levy (1881) 2, 133 und Jastrow (1903) 944. 627 Zum Aph’el vgl. Levy und Jastrow, jeweils ebd. 628 Zum Ithpa’al der Verba PeNun vgl. Dalman (1905) 297. Levy und Jastrow (s. Anm. 626) weisen beide kein Ithpa’al der Wurzel ‫ נתך‬nach.

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus 

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Dadurch mutierte „Kupfer“ (das im Aramäischen anders als im Hebräischen ein Maskulinum ist629) vom Prädikativum zum Sinnsubjekt. Diese Version hat Mangan übersetzt: „and from the stone copper is smelted“630. 5.4.1.2.2 Die griechischen Versionen Die LXX liest in Iob 28, 2b: χαλκὸϚ δὲ ἴσα λίθῳ λατομεῖται. Zum Hintergrund der passiven Form äußern wir uns unten. Hier geht es uns zunächst um die Wortwahl: Die entscheidende Abweichung von den überlieferten hebräischen Texten liegt in der Vokabel des Prädikats. Während im Hebräischen immer nur vom „Schmelzen“ die Rede ist, spricht die LXX vom „Aushauen“. Die weiteren syntaktischen Abweichungen von M, die in der Konstruktion χαλκὸϚ δὲ ἴσα λίθῳ vorliegen, könnte man dagegen zur Not als sekundäre Freiheiten erklären, die sich aus dem anderslautenden Prädikat ergeben. Die entscheidende Frage lautet also, wie der LXX-Übersetzer auf λατομεῖται verfallen ist. Normalerweise wird das Verb λατομεῖν in LXX und Hexapla zur Wiedergabe der hebräischen Wurzel ‫( חצב‬selten ‫ )כרה‬gebraucht631. Jedoch scheint uns aus paläographischen Gründen eine Verwechslung der oben erörterten hebräischen Verbformen in Iob 28, 2b (wie z. B. ‫ )יָ ֥צּוק‬mit einer dieser beiden Wurzeln kaum plausibel. Wir erklären uns deshalb die Sachlage so, dass der Verfasser der Ijob-LXX hier von einer hebräischen Vorlage ausging, die durch einen mehrfachen Hörfehler zustande kam, vornehmlich durch die Verwechslung der tonlosen S-Laute Sade und Samech und der Gutturale Qof und Kaf, aber auch durch eine Vernachlässigung des Ajin632. Der Übersetzer, der sich hier vermutlich den hebräischen Text von einem Helfer vorlesen ließ, hörte nach unserer Hypothese nicht ‫( יָ ֥צּוק‬M), sondern ‫יַ ִּסיעּו‬ ‫כ‬, d. h. eine Hif ’il-Form der Wurzel ‫ נסע‬in der Bedeutung „Steine brechen“633, gefolgt von der Vergleichspartikel ‫„( כ‬wie“)634. Das ergab für das Teil-Lemma Iob 28, 2b zunächst die wörtliche Übersetzung „und sie brechen / man bricht Gestein wie 629 Vgl. Levy (1881) 1, 388 und GD 800. 630 Mangan (1991) 64. 631 Vgl. Hatch / Redpath (1897) 2, 862c und Turner (1966) 146. 632 All diese Phänomene lassen darauf schließen, dass der Famulus, der den (unvokalisierten) hebräischen Urtext laut vorlas, nicht Aramäisch (geschweige denn Hebräisch), sondern Latein oder Griechisch als Muttersprache hatte. 633 Vgl. GD 824. 634 In der uns bekannten Literatur wird das Zustandekommen des „wie“ vor dem Einzelwort λίθῳ in G kaum thematisiert und in keinem Fall plausibel erklärt. Schleusner 3 (1820) 117 s. v. ἴσοϚ verweist auf zwei Ijob-Stellen, an denen M ebenfalls kein „wie“ aufweist (Iob 11, 12b; 13, 12a). Beides sind aber keine echten Parallelen: Der Teilvers Iob 11, 12b wird durch ein Waw adaequationis als kompletter Vergleichssatz zu Vers 12a bezeichnet (so Gesenius / Kautzsch (1909) 523 § 161. 1. a mit Anm. 1; ebenso Joüon (1923) 528 § 174 h); in Iob 13, 12 a liegt in M ein Nominalsatz vor, der „Denksprüche“ mit „Aschensprüchen“ gleichsetzt und somit abqualifiziert. Die Übersetzung als Vergleich in G bedeutet eine Abschwächung und hängt zugleich an dem dort eingeführten ἀποβήσεται (einem Lieblingswort des LXX-Übersetzers): Vgl. Orlinski (1962) 130. Bickell (1862) 12 erwog hier einen Zusatz „sine causa“. Für hebräisches ‫ כ‬als Vergleichspartikel vor Einzelwörtern s. o. Kap. 3, Abschnitt 3.3.3 zum Text von Iob 27, 16a und b.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

Kupfer“635. Weil aber im Zusammenhang der Lemmata 28, 1–2 erkennbar Aussagen über den Abbau verschiedener Metalle, nicht unterschiedlicher anderer Rohstoffe getroffen werden sollen, drehte der griechische Übersetzer den Vergleich in einem zweiten Schritt um, so dass nun das Kupfer ebenso zum Subjekt wurde wie Silber, Gold und Eisen in den vorangehenden drei Teilversen. Damit ergab sich zugleich auch die passivische Formulierung „und Kupfer wird wie Gestein ausgehauen“. Zugleich diente diese Umformung einem stilistischen Ziel: Während die Formulierung der vier Teilverse von Iob 28, 1–2 in M durch immer neue syntaktische Variation geprägt ist, hat der LXX-Übersetzer ebenso konsequent alle vier Teilsätze als medio / passivische Homoioteleuta gestaltet636. Das Passiv der LXX lässt also u. E. nicht darauf zurückschließen, dass der Übersetzer auch den Text von M passivisch konstruiert hat. Schließlich gibt es zu unserer Stelle noch ein Fragment aus einer weiteren griechischen Übersetzung aus dem Hebräischen, die Bischof Polychronios von Apamea (gest. 428/430)637 hier und da in seinem – heute nur noch auszugsweise in Katenen erhaltenen – Ijob-Kommentar638 unter dem Stichwort ὁ ἙβραῖοϚ anführt639. Für unsere Frage nach den möglichen Vorlagen für die Ijob-Versionen des Hieronymus sind die Polychronios-Fragmente insofern von Interesse, als zumindest nicht ausgeschlossen erscheint, dass Hieronymus diese Übersetzung schon kannte, als er zwischen 386 und 391 in Bethlehem an seinen Versiones priores arbeitete640. Da der noch berühmtere ältere Bruder des Polychronios, der Bischof Theodor von Mopsuestia, ca. 350 geboren wurde und seinerseits seinen ersten Bibelkommentar schon als kaum Zwanzigjähriger publizierte641, könnte auch Polychronios seinen Ijob-Kommentar als immerhin Dreißigjähriger noch rechtzeitig vor Beginn von Hieronymus’ Übersetzungstätigkeit im Jahr 386 vorgelegt haben. Hieronymus seinerseits strebte nach breitester Vernetzung, so dass auch von seiner Seite her die Benutzung eines aktuellen griechischen Kommentars naheläge. Bisher jedoch ist über Kontakte zwischen Hieronymus und Polychronios (bzw. Theodor von ­Mopsuestia) nichts bekannt642. Es bleibt abzuwarten, ob sich künftig tatsächlich Einflüsse nachweisen lassen. 635 Die 3. Pers. Plural steht – wie der entsprechende Singular in M – für das allgemeine Subjekt „man“: Vgl. König (1900) 238 sowie Gesenius / Kautzsch (1909) 482, 3.b) f. 636 Die vier Kola enden jeweils mit analogen Medio-Passivformen: γίνεται  – διηθεῖται  – γίνεται – λατομεῖται. Wenn man in Iob 28, 2b bei δὲ vοr ἴσα eine Elision annimmt, handelt es sich bei den Halbversen 28, 2a und b sogar um Isokola. 637 Zu Polychronios vgl. Quasten (1959) 423; Bruns (1998) 511. 638 Zum Ijob-Kommentar und dessen Überlieferung vgl. Hagedorn / Hagedorn, Katenen 1 (1994) 104–106. Eine Übersetzung aller Polychronios-Fragmente bieten Hagedorn / Hagedorn in Katenen 4 (2004) 35–95. 639 Es ist offen, ob diese Übersetzung von Polychronios selbst oder aus seinem Umfeld stammt: Hagedorn / Hagedorn, Katenen 1 (1994) 105. 640 Zur Chronologie der Versiones priores vgl. Trenkler (2017) 22. 641 Vgl. Quasten (1959) 401–423, hier bes. 401. 404 und kürzer Bruns (1998) 592–594. 642 Beider Namen tauchen in den umfassenden Studien zu Hieronymus’ Kontakten von Rebenich (1992) und Fürst (2003) 150–220 nicht auf.

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus 

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Zu unserem Teil-Lemma Iob 28, 2b zitiert Polychronios die Übersetzung ἀπὸ λίθων χωνεύεται (dt. „aus Steinen wird geschmolzen“)643, zu der als Subjekt „Kupfer“ zu ergänzen ist. Diese Version zeigt keine Abhängigkeit von G, ist aber offensichtlich auch keine wörtliche Übersetzung von M, wo zwar vom „Schmelzen“ die Rede ist, aber die Präposition „aus“ fehlt644. Vielmehr findet sich die genaueste Parallele in dem oben angeführten rabbinischen Targum: Nur dort findet sich die Kombination des Stichwortes „Schmelzen“ mit der präpositionalen Wendung ἀπὸ λίθων (deren Plural vermutlich auf kollektiver Interpretation des hebräischen Singulars ‫ ֶא ֶבן‬beruht). Damit ergibt sich als weitere offene Frage zu den Polychronios-Fragmenten, wie sich die dem Hebraios zugeschriebenen Übersetzungen zur targumischen Überlieferung verhalten.

5.4.2 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen Zum Lemma Iob 28, 2b hat Hieronymus drei verschiedene Fassungen vorgelegt: zwei in der Versio prior und eine weitere in der Vulgata.

5.4.2.1 Die Texte Iob 28, 2b Versio prior

O.645: aes autem similiter ut lapides excluditur S. T.(B.): aes646 autem similiter ut lapis exciditur647

Vulgata

et lapis solutus calore in aes vertitur648

5.4.2.2 Analyse Im Fall von Iob 28, 2b ist der Hintergrund von Hieronymus’ erstem Übersetzungsversuch, also der Erstfassung O., besonders unklar. Wir gehen daher im Folgenden in umgekehrter Reihenfolge vor und fragen zunächst, wie Hieronymus in der Vulgata und in den revidierten Fassungen S. und T. (B.) der Versio prior mit den Urtexten verfahren ist. Erst vor diesem Hintergrund versuchen wir schließlich, die charakteristischen Besonderheiten der Erstfassung O. zu verstehen.

643 Vgl. für die Belege oben Anm. 605. 644 Es verwundert daher, dass Fohrer (1988) 389 trotz 390, Anm. 2 c) eben diese Übersetzung für M anbietet. 645 Nur in der ω2-Rezension der Adnotationes überliefert: Trenkler (2017) 183. 646 est S.; es Caspari 89 (ohne Anmerkung, also vermutlich stillschweigende Emendation im Sinn von aes). 647 excidi (B.) (Lagarde im Text 219 exciditur). 648 conuertitur E: Vulg. Rom. 162 im Apparat.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

In der Vulgata formuliert Hieronymus das Teil-Lemma Iob 28, 2b wie folgt: et lapis solutus calore in aes vertitur. Wie der Ausdruck solutus calore zeigt, handelt es sich um eine verdeutlichende Paraphrase des masoretischen Textes, in dessen Zentrum der Begriff „schmelzen“ steht und dessen Syntax keine Vergleichspartikel „wie“ enthält. In den revidierten Fassungen S. T.(B.) seiner Versio prior legte Hieronymus eine getreue Übersetzung der LXX χαλκὸϚ δὲ ἴσα λίθῳ λατομεῖται vor, die nicht vom Schmelzen, sondern vom Aushauen spricht: aes autem similiter ut lapis exciditur. Der Begriff excidere lag Hieronymus hier nahe, weil er ihn auch sonst benutzte, um sowohl das griechische λατομέω als auch das Hif ’il der Wurzel ‫ נסע‬zu übersetzen, das wir oben als Vorlage für die LXX-Fassung der vorliegenden Stelle Iob 28, 2b erschlossen haben649. Hieronymus’ Erstfassung O. der Versio prior von Iob 28, 2b wird beim gegenwärtigen Forschungsstand einzig in Augustins Adnotationes fassbar650, und zwar nur in der ω2-Rezension. Das Lemma lautet dort (566, 21) aes autem similiter ut lapides excluditur651. (Der ω1-Frater hat dagegen die revidierte T.-Version eingesetzt und geschrieben aes652 autem similiter ut lapis exciditur653.) Besonders die Übersetzung excluditur ist auffällig, wird aber dadurch gesichert, dass Augustins ausführliche Auslegung ganz auf der durch excluditur vorgegebenen Idee des Abtrennens beruht, wie die mehrfache Paraphrase durch die Schlüsselbegriffe separare bzw. separatio zeigt654. Wie später in den revidierten Fassungen S. und T. (B.), so entspricht die als Vergleich im Passiv formulierte Aussage auch schon in O. der syntaktischen Grundstruktur der LXX. In der für O. typischen Weise klingt aber zugleich der hebräische Urtext an: Der Plural lapides erklärt sich durch kollektive Auffassung des hebräischen Singulars ‫ ֶא ֶבן‬655. Das eigentliche Problem von O. spitzt sich also auf die Frage zu, warum Hieronymus hier die Übersetzung excluditur gewählt hat, statt wie anschließend in S. und T.(B.) das vom λατομεῖται der LXX suggerierte exciditur zu verwenden. Wir sehen die Lösung darin, dass Hieronymus mit der Wahl von excluditur wieder einmal zwei Anliegen zur Deckung bringen wollte, die sein Vorgehen in O. von seinen späteren Versionen unterscheiden: zum einen die Vorliebe für randständige 649 excidere für λατομέω: Vulg. Is 22, 16 und 51, 1; excidere für das Hif ’il der Wurzel ‫נסע‬: Versio prior Iob, Version T.(B.), Lemma 19, 10b: excidit spem meam (et scidit spem meam S.). 650 Eine Ausgabe der noch unedierten Handschriften des Philippus Presbyter ist ein dringendes Desiderat: Vgl. Warns (2017) 230–231. 651 Für die  – sachlich unwesentlichen  – Kopierfehler in mehreren Handschriften der ω2Rezension vgl. Trenkler (2017) 183 mit Anm. 12–15. Dagegen sind die hier zu besprechenden Lesarten lapides und excluditur beide ohne Abweichungen überliefert. 652 eas Fragment B. 653 Vgl. Trenkler a. a. O. 183, Beleg 7; danach Warns a. a. O. 59–60. 102. 654 Vgl. für die Details Trenkler ebd., zu Beleg 7. 655 Warns a. a. O. 60.

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus 

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ursprachliche Textvorlagen und zum anderen die Neigung, bei passender Gelegenheit intertextuelle Bezüge zur lateinischen Literatur herzustellen. Zwei andere Beispiele für eine Konvergenz dieser beiden Interessen ließen sich bereits an anderen Stellen von O. nachweisen, die unserer Stelle nahe benachbart sind. In seiner Übersetzung von Iob 28, 8a wählte sich Hieronymus die ungewöhnliche Übersetzung des Aquila υἱοὶ βαναυσίαϚ (statt der griechischen Haupversion υἱοὶ ἀλαζόνων) zum Vorbild und fand von da aus den assoziativen Überstieg zu den horazischen institores656. In Kapitel 3 der vorliegenden Studie zeigte sich, dass Hieronymus im Lemma Iob 27, 17a von der Hauptbedeutung praeparare der hebräischen Wurzel, die er im vorigen Halbvers Iob 27, 16b benutzt hatte, zu deren zweiter Bedeutung conuertere überging und auf diese Weise eine charakteristische Stelle aus Ciceros Reden gegen Verres evozieren konnte657. Im Licht dieser Analogien erklären wir uns nun auch Hieronymus’ auffällige Wortwahl excluditur in Iob 28, 2b. Seine ursprachliche Vorlage finden wir im Hebräischen. Allerdings scheint uns mittlerweile die früher von Warns geäußerte Vermutung verfehlt, Hieronymus habe die Verbform ‫צוק‬‎ 2 des masoretischen Textes mit der Bedeutung „Gießen / Schmelzen“ mit der homonymen Wurzel ‫צוק‬‎ 1 „Bedrängen“ verwechselt658. Zwar könnte sie insofern etwas Richtiges treffen, als Hieronymus die Wurzel ‫צוק‬‎ 1 an anderer Stelle einmal mit concludere wiedergab659, also immerhin mit claudere assoziierte. Auch lassen beide Begriffe gleichermaßen an Kraft- oder Gewaltanwendung denken660. Aber auch wenn diese Assoziationen bei der Wahl von excludere eine gewisse Rolle gespielt haben mögen, meinen wir inzwischen, dass die hebräische Basis, die Hieronymus als Rechtfertigung für excludere ansehen konnte, anders gelautet hat. Aus paläographischen Gründen kommt keine der hebräischen Wurzeln, die Hieronymus an anderer Stelle mit excludere wiedergibt661, für eine einfache Verwechslung mit der masoretischen Verbform ‫ יָ ֥צּוק‬von Iob 28, 2b infrage. Stattdessen hat Hieronymus vermutlich angenommen, es sei die Hif ’il-Form ‫„( י ִֹצאּו‬sie bringen / man bringt hervor“) der Wurzel ‫ יצא‬662 mit folgendem ‫ כ‬des Vergleichs zu lesen. Diese Lesart kann entweder als bewusste Konjektur verstanden werden, die der Übersetzer entwickelte, weil er beim Prädikat von Iob 28, 2b mit den beiden

656 Vgl. Warns (2017) 353–354 mit Anm. 86: Horaz, carm. 3, 6, 29 und epod. 17, 20. Für eine mögliche Vergil-Reminiszenz im Lemma Iob 31, 17b vgl. Warns a. a. O. 54 (zu Beleg 14). 657 S. o. Kap. 3, Abschnitt 3.6.2.3. 658 So Warns a. a. O. 60. 659 Ier 19, 9 Vulg. in angustia in qua concludent eos inimici eorum. 660 Für das Hebräische vgl. GD s. v.; für excludere vgl. TLL s. v. excludo, 5.2.1270.82 ff. und Rehm, Excudere – excludere (1936) 270–271. 661 Num 12, 15 ‫ ;סגר‬Thren 3, 8 ‫סתם‬. (Der hebräische Hintergrund von Ps 67, 31 LXX / Vulg. (= 68, 31 M) ist ungeklärt.) 662 Vgl. GD 482.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

Lesarten ‫( יָ ֥צּוק‬so M) und ‫( יַ ִּסיעּו כ‬so die Vorlage der LXX) konfrontiert war und beide sinnvoll zu kombinieren suchte. Es kann sich aber auch um ein produktives Missverständnis aufgrund eines Hörfehlers handeln. Für die hier vorgeschlagene Rekonstruktion der ursprachlichen Vorlage des excluditur spricht neben der gewissen lautlichen und paläographischen Ähnlichkeit mit den in M und indirekt in G überlieferten hebräischen Lesarten vor allem, dass das Hif ’il von ‫ יצא‬im rabbinischen Hebräisch, mit dem Hieronymus als Zeitgenosse vertraut war, dem deutschen „Ausschließen“ bzw. dem englischen „to exclude“ entspricht663. Überdies begegnet im AT das Hif ’il von ‫ יצא‬mehrfach in Aussagen über Produkte, die die Erde hervorbringt664. Auch deshalb also konnte Hieronymus im Kontext von Iob 28, 2b, in dem es um die Gewinnung von Rohstoffen aus der Erde geht, diese Form für naheliegend halten. Aber diese hebraistische Erklärung des excluditur ist u. E. nur die eine Seite der Medaille. Wir vermuten, dass Hieronymus mit der Wahl dieses auffälligen Prädikats zugleich auch noch auf eine Stelle bei dem zeitgenössischen Dichter Avienus anspielen wollte, die vom Sinn her zum vorliegenden Kontext passt. Avienus – ein Dichter der Mitte oder zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts665, dessen „erst kürzlich“ vorgelegte Übersetzung von Arats Phainomena Hieronymus in seinem Titus-Kommentar vom Jahre 386666 ausdrücklich erwähnt667 – bespricht in seiner Descriptio orbis terrae668 auch die Lebensweisen indischer Stämme und erwähnt, dass sich ein Teil der Bevölkerung dem Goldabbau widmet. In diesem Zusammenhang ist in Avienus’ Text von erster Hand das Verb excludere überliefert, das allerdings noch vom selben Schreiber zu excudere verändert wurde: Avien., orb. terr. 1312 Pars subit abrupti sola caespitis, aurea ut illis 1313 Terrarum in latebris excludant669 caute metalla.

Die in der Avienus-Überlieferung umstrittene Lesart excludant, die Rehm verteidigt670, aber van de Woestijne verwirft671, steht als Beschreibung der Goldgewin-

663 Vgl. Jastrow (1903) 587. Dieselbe Bedeutung lebt im modernen Hebräisch fort: Vgl. Lavy (1989) 61 sowie Y. Levy (1995) 145 bzw. 55. 664 Vgl. GD 482, 2. h): z. B. Gn 1, 12. 24; Ps  104, 14 M (= 103, 14 LXX / Vulg.); Is 61, 11; Agg. 1, 11. 665 Über Avienus orientieren Fuhrmann (1975) 788–789, Cameron (1995) und Scourfield (1996) 226. 666 Diese Datierung bei Frede (1995) 531. 667 Hier. in Tit. 1, 12 (PL 26 (1845) 572 B): quem (sc. Aratum) Cicero in Latinum sermonem transtulit et Germanicus Caesar et nuper Avienus. Vgl. dazu Cameron (1995) 259. 668 ed. van de Woestijne, 1961. 669 excludant A*, excudant A1 (Selbstkorrektur des Schreibers von A): Vgl. Rehm (1936) 269 und van de Woestijne (1961) 68 und 93, textkritische Erklärung Nr. 156. 670 Vgl. außer seinem in Anm. 669 genannten Artikel noch seinen Eintrag im TLL s. v. excludo: 5.2.1272.14–16. 671 S. Anm. 669.

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus 

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nung in der lateinischen Literatur ebenso allein672 wie das excluditur in Iob 28, 2b als Hinweis auf den Kupferabbau673. Die beiden fast zeitgenössischen Stellen illustrieren und bestätigen einander also zumindest insofern, als sie zeigen, dass das Verb excludere überhaupt in diesem Sinne gebraucht werden konnte. Daher scheint es uns verfehlt, in der Descriptio orbis terrae das primär überlieferte excludant durch das leichter verständliche excudant zu ersetzen, wie es die derzeit maßgebende Ausgabe tut. Wenn darüber hinaus unser Vorschlag überzeugt, dass Hieronymus hier in der Erstfassung O. der Versio prior bewusst auf Avienus anspielt, ergäbe sich eine relative Datierung für ein weiteres Werk dieses Dichters: Während die Notiz im Titus-Kommentar das Jahr 386 als Terminus ante quem für die Arat-Übersetzung fixiert674, käme jetzt ein Indiz für die Descriptio orbis terrae hinzu. Dieses Gedicht müsste Hieronymus vorgelegen haben, als er an der Erstfassung O. seiner ersten Ijob-Übersetzung arbeitete, also jedenfalls im Zeitraum 386–391675, möglicherweise genauer gegen dessen Ende676. Allen Begriffen der Erstfassung O., die wir bisher als mögliche intertextuelle Bezüge auf Stellen der lateinischen Literatur meinen identifizieren zu können, ist gemeinsam, dass sie von Hieronymus schon bei der ersten Revision in S. wieder getilgt wurden. Offenbar hat er entschieden, dass solche profanen Anspielungen in einer Übersetzung der Heiligen Schrift fehl am Platz waren. Zumindest lässt sich das für die revidierten Fassungen S. und T. der Versio prior vermuten; denn in der Vulgata hat Hieronymus doch wieder klassische Reminiszenzen untergebracht677.

5.5 Iob 28, 3a 5.5.1 Die Beziehungen zwischen Hieronymus’ Vorlagen 5.5.1.1 Die Texte Das Teil-Lemma Iob 28, 3a ist weder im Targum von Qumran noch in der Version des von Polychronios zitierten Hebraios oder in einer Vetus Latina-Fassung erhalten. Als mögliche Vorlagen für Hieronymus kommen also folgende Texte in Frage:

672 Rehm verzeichnet im TLL s. v. excludo keine genaue, auf Metallgewinnung bezogene Parallele zu der Avienus-Stelle: TLL 5.2.1272.14–16. 673 Der Beleg aus den Adnotationes wird weder in Rehms Aufsatz noch im TLL-Artikel zitiert. Offenbar wurde er bei der Verzettelung der Adnotationes übersehen. 674 S. o. Anm. 666. 675 Auf diese Jahre datiert Trenkler (2017) 22 alle erhaltenen Versiones priores des Hieronymus. 676 Warns (2017) 138. 143 argumentiert, die Ijob-Übersetzung sei das letzte Glied der erhaltenen Serie. 677 Vgl. Adkin (2000).

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

Iob 28, 3a M

ֹ ֗ ַ‫ׂשם ל‬ ‫ח ֶׁשְך‬ ֤ ָ ‫ֵק֤ץ‬

dt.678: Ein Ende hat er gesetzt der Finsternis. alternativ679: Man setzt der Finsternis ein Ende.

LXX

τάξιν ἔθετο σκότει680

dt.681: Eine Ordnung hat er für die682 ­Finsternis gesetzt683.

Aquila684

τέλοϚ

dt.: ein Ende

Symmachos685

προθεσμίαν

dt.: eine begrenzte Zeit

Theodotion686

πέραϚ

dt.: eine Grenze

rabb. Targum687

‫סֹוף ַׁשוֵ י לַ ֲחׁשֹוכָ א‬

engl.688: He sets a boundary for darkness.

5.5.1.2 Das Verhältnis zwischen den Vorlagen Der Text von M stellt alle Übersetzer vor drei Entscheidungen, die eng miteinander zusammenhängen. Strittig sind der Sinn von ‫ ֵק ֤ץ‬, die Identität des maskulinen Subjekts, das im Prädikat ‫ׂשם‬ ֤ ָ steckt und auch im engeren Kontext nicht klar benannt wird, und schließlich die Analyse und Konstruktion der Verbform ‫ׂשם‬ ָ֤ . Für die Identifikation des Subjekts sind drei Lösungen möglich: Man kann entweder Gott689 oder einen Menschen690 (genauer: einen Bergmann) als Subjekt an 678 Wutz (1939) 97; zuvor (1937) 438 mit anderer Wortstellung: „Ein Ende hat er der Finsternis gesetzt“. 679 Fohrer (1988) 389. Das „man“ dient lt. Anm. a (S. 390) als Übersetzung des allgemeinen „er“. Ähnlich Weiser (1951) 195 und ebenso Kaiser (2014) 50: „Man macht der Finsternis ein Ende“. Diese Übersetzer deuten hier das hebräische Perfekt – anders als ihre antiken Vorgänger – nicht als Vergangenheitstempus, sondern als Beschreibung einer Handlung in der Gegenwart. Für diesen Tempusgebrauch vgl. die zahlreichen Belege aus den Psalmen bei Michel (1960) 79–89, bes. 87–89. 680 σκότοϚ LXX Nebenüberlieferung; σκότουϚ Julian der Arianer (Ziegler 330, 1. Apparat). Beide Varianten spielen bei Hieronymus keine Rolle. 681 Kepper / Witte (2009) 1037. 682 Zur Ergänzung des bestimmten Artikels vgl. wieder Anm. 496 und 549. 683 Cox (2007) 686 übersetzt: „He imposed order on darkness.“ 684 Vgl. Ziegler 330 im 2. Apparat und Meade (2012) 123. 685 Vgl. Ziegler ebd. und Meade (2012) 124. 686 Vgl. Ziegler und Meade, beide ebd. 687 So die Online-Version unter https://www.sefaria.org/Aramaic_Targum_to_Job. Der Konsonantentext entspricht der Ausgabe von Stec (1994) 182*, der für diesen Versteil keine Varianten anführt. 688 So etwas ungenau Mangan (1991) 64. Vgl. Anm. 692. 689 So unseres Wissens keiner der modernen Exegeten mit Ausnahme von Torczyner (1920) 197 (zu pauschal abgelehnt von König (1929) 274 angesichts des Umstandes, dass auch die Kirchenväter diese Auffassung vertraten: Vgl. dazu gleich Seiten 150–151 mit Anm. 705–707. 711–713 und 716 sowie Kap. 7, S. 205 mit Anm. 1000 und 1003). 690 So fast alle Modernen: Vgl. z. B. Duhm (1897) 135; Budde (1913) 164; König (1929) 274 und die oben in Anm. 678–679 zitierten Übersetzer Wutz (1937. 1939), Weiser (1951), Fohrer (1988), Kaiser (2014); sinngemäß auch Kepper / Witte (2011) 2104.

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus 

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sehen oder aber annehmen, dass der Hebräer bewusst schwebend formuliert hat, um beide Möglichkeiten offen zu halten691. Welche Auffassung des Subjekts einer der antiken Versionen zugrunde liegt, erhellt aus der jeweiligen Übersetzung von ‫ ֵק ֤ץ‬. Wer ‫ ֵק ֤ץ‬als „Ende“ (wie Aquila und das Targum692) bzw. als „Grenze“ (wie Theodotion) wiedergibt, optiert für die schwebende Lösung. Denn die Aussage „er hat der Finsternis ein Ende / eine Grenze gesetzt“ kann in doppelter Weise verstanden werden693, entweder im Sinne von „Gott hat der Finsternis ebenso eine Grenze gesetzt, wie er es auch bei anderen Chaosmächten wie dem Meer getan hat“694, oder im Sinn von „der Bergmann hat die Finsternis unter Tage durch sein Grubenlicht immer weiter zurückgedrängt“695. Dass Aquila, Theodotion und das Targum eine genauere Festlegung vermeiden wollten, lässt sich auch daran ablesen, dass sie alle die zu ihrer Zeit unvokalisierte Verbform ‫ ׂשם‬als Perfekt und nicht etwa als Partizip Aktiv oder Passiv Qal gedeutet haben696. Eine Interpretation als Partizip Aktiv ‫ ָׂשם‬hätte zwar angesichts des im nächsten Halbvers Iob 28, 3b folgenden Partizips ‫ֹוק ֑ר‬ ֵ ‫„( ח‬durchforschend“) nahe gelegen697, hätte aber die Balance in Richtung auf eine immer wiederkehrende menschliche Tätigkeit verschoben, weil die göttliche Eingrenzung der Finsternis ein einmaliger Schöpfungsakt war698. Umgekehrt hätte eine Interpretation als Partizip Passiv Qal ‫ׂשם‬‎ ִ 699 eine Deutung als Passivum divinum begünstigt700. Die LXX übersetzt ‫ ֵק ֤ץ‬frei interpretierend701 mit τάξιν („Ordnung“)702, Symmachos dagegen mit προθεσμίαν („eine begrenzte Zeit“) – also mit einem klassisch 691 So Strauss (2000) 140; vgl. auch Lo (2003) 198–199. 692 Der im Targum gewählte Begriff heißt eindeutig „Ende“, nicht „boundary“ (pace Mangan): Vgl. Levy (1881) 2, 152 und Jastrow (1903) 968. Die Wiedergabe des aramäischen Perfekts als präsentische Aussage dürfte in Analogie zum Hebräischen gewählt sein: Vgl. dazu oben Anm. 679. 693 So Strauss (2000) 140; vgl. auch Lo (2003) 198–199. 694 Strauss ebd. verweist für das Abtrennen der Finsternis auf Iob 28, 10b. Zur Einhegung des Meeres vgl. Iob 26, 10; 38, 10–11; Prv 8, 29; Ier 5, 22; cf. Ps 103, 9. 695 So z. B. Fohrer (1988) 397 und Lo (2003) 198. Zur antiken Beleuchtung unter Tage s. Rosumek (1982) 42–46. 696 Zum eindeutig perfektischen Prädikat des Targums vgl. Levy (1881) 2, 461. Zum Unterschied zwischen dem Perfekt Pa’el des Targums und der entsprechenden Partizipialform vgl. Dalman (1905) 341 und 350. 697 König (1929) 274 weist auf die in M vorliegende Inkonzinnität der Verbformen hin. 698 Vgl. Gn 1, 4–5 und Iob 26, 10. 699 Tatsächlich übersetzt Strauss (2000) 130 im Passiv: „Eine Grenze wird der Dunkelheit gesetzt“. Eine Erläuterung dieser Version erfolgt nicht. 700 Diese Vokalisation wurde erwogen von Wutz (1933) 352, aber in seinen späteren Publikationen nicht wiederholt. 701 So die einleuchtende Erklärung der Wortwahl durch Schleusner 5 (1821) 260. 702 Für die vielen verschiedenen griechischen Begriffe für ‫ ֵק ֤ץ‬in der LXX vgl. Muraoka (1998) 131. Umgekehrt gibt τάξιϚ eine ganze Reihe hebräischer Termini wieder: Vgl. Hatch-Redpath (1897) 2, 1334. Die rein sprachlich nächste Parallele zu unserer Stelle ist Iob 16, 3a μὴ τάξιϚ ἐστὶν ῥήμασι πνεύματοϚ; (Hinweis von Schleusner 5 (1821) 260.) Hieronymus schrieb dort in der Versio prior in O. S.T.(B.) Quid enim? Numquid ordo est in sermonibus spiritus? und in der Vulgata numquid habebunt finem verba ventosa? Der Sinn von τάξιϚ / ordo an der Stelle erschließt sich, wenn

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

attischen Ausdruck703, der zugleich dem Hebräischen genauer gerecht wird als τάξιν704. Beide verstehen damit Iob 28, 3a als Verweis auf Gott, der die Herrschaft der Finsternis durch den geordneten Wechsel von Nacht und Tag beschränkt hat. So haben auch alle drei antiken Kommentatoren der Ijob-LXX den Begriff τάξιν in Iob 28, 3a als Ausdruck der göttlichen Schöpfungsordnung interpretiert: der Arianer Julian705, Johannes Chrysostomus706 und Olympiodor707.

5.5.2 Hieronymus’ Versionen verglichen mit den Vorlagen 5.5.2.1 Die Texte Iob 28, 3a Versio prior

O.708: ordinem […??…] S. T.(B.): ordinem posuit tenebris

Vulgata

tempus posuit tenebris

5.5.2.2 Analyse Hieronymus übersetzte mit dem Ausdruck ordinem posuit tenebris wörtlich die Formulierung τάξιν ἔθετο σκότει, die er in der LXX vorfand. Also hat er ebenso wie die eben genannten griechischen Ijob-Kommentatoren den Teilvers Iob 28, 3a als Beschreibung des göttlichen Schöpfungshandelns verstanden. Wir werden unten sehen, dass diese Auffassung auch in Augustins Adnotationes eine Spur hinterlassen hat709. In der Vulgata folgte Hieronymus mit seiner Formulierung tempus posuit tenebris nicht dem hebräischen Urtext, sondern der griechischen Fassung des Symmachos: Der Begriff tempus entspricht hier προθεσμίαν710. Damit hat er auch dort das Teilman bedenkt, wie sehr sich die gegenseitigen Vorwürfe zwischen Ijob und den Freunden fruchtlos im Kreis drehen: Vgl. die Übersicht bei Orlinsky (1958) 234. 703 Vgl. LSJ 1481 s. v. προθεσμία. 704 Vgl. zu den hebräischen Nuancen GD 1179, bes. Punkt 2 zu den temporalen Bedeutungen. 705 Vgl. Julian zu Iob 28, 1–3b (168–169 Hagedorn). Julian liest erst abweichend von der LXX τάξιν ἔθετο σκότουϚ, paraphrasiert dann aber mit den Worten τῷ σκότει τόπον ἐπέθηκεν. 706 Vgl. Chrysostomos zu Iob 28, 3a (147, 1–2. 10–14 Hagedorn / Hagedorn und Katenen 3 (2000), 58–59, Nr. 62–63 Hagedorn / Hagedorn). 707 Vgl. Olympiodor zu Iob 28, 1–3 (230–231 Hagedorn / Hagedorn und Katenen 3 (2000), 58, Nr.  61 Hagedorn / Hagedorn). 708 Ein volles Zitat der Erstfassung O. ist unseres Wissens nirgendwo in der patristischen Literatur nachgewiesen. Eine Anspielung auf den Begriff ordinem weisen wir unten am Ende von Kapitel 7, Punkt 7.2.4.3.1 in Augustins Adnotationes nach. 709 Vgl. die vorige Anm.  710 Dhorme (1926) 366.

Kapitel 5: Iob 28, 1–3a bei Hieronymus 

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Lemma Iob 28, 3a eindeutig als Beschreibung des göttlichen Handelns aufgefasst. Dasselbe Verständnis findet sich auch bei allen drei spätantiken Lateinern, die die Ijob-Vulgata kommentierten: bei Philippus Presbyter711, Julian von Aeclanum712 und Gregor dem Großen713. Obwohl man den Terminus προθεσμία in Hieronymus’ Vorlage grundsätzlich mit „Frist“ wiedergeben kann714, sprechen sowohl der Bezug der vorliegenden Stelle auf Gn 1, 4–5 als auch der lateinische Begriff tempus selbst gegen die Version „Er hat der Finsternis eine Frist gesetzt“715: Denn gemeint ist nicht, dass Gott ein eschatologisches Ablaufdatum für die Macht der Finsternis festgelegt hat, sondern dass er der Nacht nur einen jeweils begrenzten  – allerdings regelmäßig wiederkehrenden  – Zeitraum zugestanden hat716. Insofern impliziert der Wechsel vom Stichwort ordinem der Versio prior zum Stichwort tempus der Vulgata keine neue Interpretation, sondern bringt nur in idiomatischem Latein denselben Sinn eindeutiger zum Ausdruck.

5.6 Fazit Im Rückblick auf die Passage Iob 28, 1–3a bestätigt sich zunächst, dass Hieronymus typischerweise jeden Halbvers als separate Einheit betrachtet hat. Das wird am Unterschied zwischen Iob 28, 1a und b besonders deutlich, und zwar an ihren Vorlagen und an der Intensität ihrer Überarbeitung. Das Teil-Lemma Iob 28, 2a ist das einzige, das der schon von Hieronymus lancierten, aber irreführenden Sprachregelung entspricht, die Versio prior sei eine Versio iuxta Graecos und die Vulgata die entsprechende Versio iuxta Hebraeos. In allen anderen Fällen bezog der Übersetzer Details verschiedener ursprachlicher Vorlagen mit ein. In der in Iob 28, 2b vorliegenden Doppelübersetzung in O. stimmt das Prädikat der auf das Hebräische zurückgehenden Fassung nicht mit M überein, sondern geht entweder auf eine Kon 711 In der längeren Version seines Kommentares setzt Philippus zu Iob 28, 3a (in Iob rec. long., PL 26 = Hieronymi tom. 7, 696 C) Gott als Handelnden stillschweigend voraus. Deutlicher heißt es in der Interlinearversion (in Iob rec. breu., PL 23 = Hieronymus tom. 2–3, 1441 A) als Glosse zu tempus posuit tenebris: Finem peccatis, vel malis hominibus; quale meritum homo accepturus sit. 712 Julian versteht die gesamte Passage Iob 28, 1–4 ausdrücklich als Schilderung von Gottes Handeln am Menschen: in Iob 28, 1–4 (73–75 de Coninck). 713 Gregor setzt wieder als selbstverständlich voraus, dass Gott das Subjekt in Iob 28, 3 ist: mor. 18, 29, 46 (2, 915, 1 ff. Adriaen). Als handelndes Subjekt genannt wird Gott erst in der Mitte (Z. 15) des langen Abschnitts. 714 Vgl. LSJ 1481 s. v. προθεσμία. 715 So übersetzt Oborski (2018) 1423. 716 Auch Julian von Aeclanum legt die Stelle so aus: Tempus posuit tenebris (Iob 28, 3a). […] intra mensuram redegit (sc. deus) uicissitudines lucis ac noctis. […] Tempus posuit tenebris (Iob 28, 3a), id est, diem noctemque discreuit (in Iob 28, 3 (74, 27–29. 34–35 de Coninck). Für die Bedeutung von tempus als „wiederkehrende Phase“ vgl. das OLD 2112 s. v. tempus, Punkt 3b. Für „Termin“ benutzt der Lateiner eher Ausdrücke mit dies (fem.): Vgl. OLD 592 s. v. dies, Punkt 7.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

jektur oder einen Hörfehler des Hieronymus zurück. Zugleich nutzte Hieronymus diese Wortwahl für einen intertextuellen Bezug auf einen zeitgenössischen Dichter. Die chronologische Betrachtung der verschiedenen von Hieronymus entwickelten Fassungen macht in dieser Passage vor allem einige besondere Qualitäten der Vulgata sichtbar. In den Lemmata Iob 28, 1a, 1b und 3a waren stilistische Verbesserungen gegenüber der Versio prior zu beobachten. In 1a und 2b fielen freie, aber den Sinn treffende und sogar um weitere Assoziationen erweiternde Paraphrasen auf. In 1a stellte das Stichwort principia zudem noch einen intertextuellen Bezug auf den Vetus Latina-Text von Gn 2, 10 her. Hinzu kam in 1a und 1b eine auffällige Regulierung der Wortakzente nach Daktylen und Jamben. Im tollitur von Iob 28, 2a zeigte sich ein Einfluss der späteren hebräischen Auslegungstradition.

Kapitel 6: Iob 28, 1–2a bei Augustinus Zur Gliederung Augustinus hat seine Auslegung von Iob 28, 1–2 in drei Schritte gegliedert, die nach dem Gesetz der wachsenden Glieder an Länge zunehmen: Er äußert sich zunächst zu Iob 28, 1a und  b (Zy 566, 14–16), sodann zu Iob 28, 2a (Zy 566, 16–21) und schließlich zu Iob 28, 2b und 3a (Zy 566, 21–567, 1). Damit ist die Grobgliederung unseres folgenden Kommentars vorgegeben. Um unsere Ausführungen nicht zu unübersichtlich werden zu lassen, teilen wir diesmal den Stoff in zwei Kapitel: Augustins Darlegungen zu Iob 28, 1ab und 2a behandeln wir in Kapitel 6 und besprechen seine besonders detailreiche Auslegung von Iob 28, 2b und 3a in Kapitel 7. Die Aufgabe, diese Texte zu verstehen, stellt sich hier anders dar als in den ersten beiden Teilen unserer Studie: Da der überlieferte Wortlaut der Adnotationes in dieser Passage kaum strittig ist, können wir uns darauf beschränken, die betreffenden Texte zu Beginn eines jeden Abschnitts in Erinnerung zu rufen. In der Hauptsache geht es dann darum, Augustins Gedankengang nachzuvollziehen und in die Entwicklung seines Denkens einzuordnen. Erst in diesem Zusammenhang werden auch einzelne textkritische Fragen zu erörtern sein.

6.1 Augustins Auslegung von Iob 28, 1ab 6.1.1 Der Text der Adnotationes in Iob Der Text dieser Passage lautet: adn. 28 (566, 14–16): Est717 enim argenti718 locus unde fit719 (Iob 28, 1a): prudentes, qui magis in actione sunt. locus autem auro, ubi purgatur (Iob 28,1b): sapientes, qui in contemplatione sunt.

Die einzig erhebliche Variante der Texttradition betrifft die Lesart argenti in Iob 28, 1a: Wie in Kapitel 5 dargelegt, stand der Genetiv als Echo einer griechischen Nebenüberlieferung in Augustins Textvorlage O., wurde aber nur von dem ω2-Frater beibehalten, während der ω1-Frater in seiner Rezension den Dativ argento aus der revidierten Fassung T. einsetzte, die M und G genauer wiedergibt720. 717 Et N. 718 argento B. 719 sit V Am. Er. 720 Vgl. Kap. 5, Punkte 5.1.2.1 und 5.1.2.2.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

6.1.2 Augustins Auslegung 6.1.2.1 Der Kerngedanke der Allegorie 6.1.2.1.1 Die Ausgangsgleichung: argentum ~ prudentes, aurum ~ sapientes In den beiden Teil-Lemmata von Iob 28, 1a und b wird jeweils betont, dass es einen Ort gibt, an dem die Edelmetalle Silber und Gold abgebaut bzw. geläutert werden. Jedoch spielen zu Beginn von Augustins Auslegung diese Hinweise auf Örtlichkeiten und die dortigen Vorgänge noch keine Rolle. Vielmehr beschränkt er sich zunächst darauf, Silber und Gold allegorisch zu deuten. Dabei greift er einerseits die Auslegung von Iob 27, 16 auf, in der er zum ersten Mal in seinen Werken die beiden Edelmetalle als Symbole für zwei Gruppen von Gläubigen gedeutet hatte: Silber als Symbol für prudentes und Gold als Symbol für sapientes721. 6.1.2.1.2 Die Präzisierung: prudentes ~ uita actiua, sapientes ~ uita contemplatiua Andererseits geht Augustinus jetzt einen entscheidenden Schritt weiter. Denn in seiner Exegese von Iob 27, 16 hatte er noch nicht erkennen lassen, wie er das Verhältnis zwischen sapientes und prudentes inhaltlich verstehen wollte. Dies dürfte ihm selbst als Problem erschienen sein, weil er in seinen bisherigen Schriften die Begriffe prudentes / prudentia und sapientes / sapientia mehr oder weniger synonym gebraucht hatte722. Diese noch offene Frage beantwortet er jetzt mit der Auskunft, prudentes seien diejenigen Gläubigen, deren Lebens-Schwerpunkt in der uita actiua liege, während sapientes die uita contemplatiua leben. Die hier ausgesprochene Differenzierung verstand sich nicht von selbst. Wie groß der Schritt für Augustinus war, zeigt sich daran, dass er früher auch prudentia als Bezeichnung für die contemplatio ueritatis hatte definieren können723. 6.1.2.1.3 Nicht genutzte Varianten zu dieser Interpretation Augustins Entschluss, zur Unterscheidung zwischen prudentes und sapientes das Begriffspaar actio und contemplatio einzuführen, lässt sich besser verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es zu dieser Entscheidung zwei mögliche Varianten gab, die er in den Adnotationes in Iob gerade nicht herangezogen hat.

721 Hübner (2012) 8 sieht hier – etwas ungenau – keinen Bezug auf drei Menschengruppen, sondern „auf drei verschiedene Tugenden“. 722 Vgl. Kap. 4, Punkt 4.5. 723 Gn. adu. Man. 2, 14: prudentia ergo, quae significat ipsam contemplationem ueritatis. Vgl. auch mus. 6, 37: (Mag.) haec igitur affectio animae uel motus, quo intellegit aeterna, […] nonne tibi prudentia uidetur? (Disc.) nihil aliud uidetur.

Kapitel 6: Iob 28, 1–2a bei Augustinus

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6.1.2.1.3.1 Die neuplatonische Theorie der Tugendgrade Zunächst fällt auf, dass er nicht jene Verhältnisbestimmung zwischen sapientia und prudentia übernommen hat, die ihm in der neuplatonischen Tradition vorlag. Macrobius referiert die philosophische Position, wonach sapientia die agnitio rerum divinarum sei724, während den vier Kardinaltugenden, unter denen prudentia an erster Stelle steht, nur die vorbereitende Funktion von exercitia zukomme725. Macro­bius bezieht sich hier auf die von Plotin und Porphyrios vertretene Theorie der Tugendgrade726, derzufolge die Kardinaltugenden und somit nicht zuletzt prudentia beim Aufstieg zur Schau des Einen der Reinigung der Seele dienen sollen727. Augustinus hat diese Lehre von den Tugendgraden gekannt und zur Strukturierung eigener Gedankengänge benutzt728. Wie die Platoniker war er überzeugt, dass die ersehnte Gottesschau durch mundatio der Seele vorbereitet werden müsse729, und teilte lange auch die Überzeugung, dass diese Reinigung in der Tugendübung 724 Macrobius, somn. 1, 8, 3 (37, 6–7 Willis). 725 a. a. O. 1, 8, 3 fin.-4 (37, 10–20 Willis). 726 a. a. O. 1, 8, 5 ff. Vgl. zu diesem Thema zur ersten Orientierung Horn / Rapp (2002) 63–64; ausführlich Schissel von Fleschenberg (1928). 727 Macrobius, somn. 1, 8, 8 (38, 19–26, mit Rückverweis auf 1, 8, 4). Für die kathartischen Tugenden bei Plotin siehe Enn. I 6 [1] 6 (Ia, 16, 2–13 Harder) und Enn. I 2 [19] 3 (Ia, 338, 12–19 Harder), dazu den Kommentar im Band Ib, S. 560 sowie bei Porphyrios sent. 32 (bes. 24, 1–27, 2 Lamberz) und noch die Anmerkungen bei Sodano (1979) 36–42. 728 Vgl. Schissel von Fleschenberg (1928) 81–94 zu De animae quantitate (datiert Ende 387/ August 388 in Rom: Gryson 230). 729 Frühe Stellen sind: sol. 1, 6: tu ipse me munda et fac idoneum ad uidendum te; an. quant. 73: anima se […] uniuerso corpori audet praeponere bonaque eius bona sua non putare atque potentiae pulchritudinique suae comparata discernere atque contemnere et inde, quo magis se delectat, eo magis sese abs­trahere a sordibus totamque emaculare ac mundissimam et comptissimam reddere. […] cui (sc. deo anima) sese in opere tam difficili mundationis suae adiuuandam et perficiendam piissime tutissimeque conmittit; und das Schlusswort von f. et symb. 25: haec est fides, quae paucis uerbis tenenda in symbolo nouellis christianis datur. quae pauca uerba fidelibus nota sunt, ut credendo subiugentur deo, subiugati recte uiuant, recte uiuendo cor mundent, corde mundato quod credunt intellegant. Dann hat Augustinus das Thema mehrfach in s. dom. m. im Zusammenhang mit der Auslegung von Mt 5, 8 beati mundicordes angesprochen: s. dom. m. 1, 8: et quemadmodum lumen hoc uideri non potest nisi oculis mundis, ita nec deus uidetur, nisi mundum sit illud quo uideri potest. a. a. O. 1, 11: intellectus congruit mundis corde tamquam purgato oculo, quo cerni possit quod corporeus oculus non uidit […] de quibus hic dicitur: beati mundicordes (Mt 5, 8). a. a. O. 1, 12: mundis corde facultas uidendi deum (sc. data est) tamquam purum oculum ad intellegenda aeterna gerentibus: beati mundicordes, quoniam ipsi deum uidebunt (Mt 5, 8). Ähnlich äußerte sich auch wieder der junge Bischof: c. ep. Man. 42, 48: beati mundicordes, quoniam ipsi deum uidebunt (Mt 5, 8). non enim eos oculos ad illud bonum cernendum praeparari oportet, quibus cernitur ista lux diffusa per locos, et non ubique integra, sed aliam partem hic habens et alibi aliam. uerum illum aspectum aciemque purgemus, qua cernitur, quantum in hac uita licet, quid sit iustum, quid pium, quae sit sapientiae pulchritudo. agon. 35: debemus itaque tanto auidius adpetere apertissimam et euidentissimam cognitionem ueritatis, quanto nos uidemus in caritate proficere et eius simplicitate cor habere mundatum, quia ipso interiore oculo uidetur ueritas, beati enim mundo corde, inquit, quia ipsi deum uidebunt (Mt 5, 8).

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

bestehe730, obwohl er schon früh auch auf die göttliche Hilfe731 und auf die reini­ gende Kraft der fides732 verwies. Vor allem kommt hinzu, dass das vorliegende Lemma Iob 28, 1b locus autem auro, ubi purgatur selbst den Schlüsselbegriff der purgatio enthält. Angesichts all dessen hätte nahegelegen, dass Augustinus hier die neuplatonische Theorie ins Spiel gebracht hätte. Da er die Überzeugung teilte, dass die sapientia in der Erkenntnis der res diuinae bestehe733, wäre es nur ein kleiner 730 Vgl. uera rel. 6: qui ergo sensibilem istum mundum contemnere et animam uirtute purgandam summo deo subicere atque subiungere uanum aut malum putant, alia ratione refellendi sunt. Vgl. a. a. O. 13: mentem purgabit uitae modus diuinis praeceptis conciliatus et idoneam faciet spiritalibus percipiendis. mus. 6, 52: […] in his uirtutibus quae ipsa conuersione animam purgant. Besonders interessant sowohl durch die zeitliche Nähe zu den Adnotationes als auch durch den Bezug auf actio und contemplatio ist der Beleg für diese These in cons. eu. 1, 8: proinde cum duae uirtutes propositae sint animae humanae, una actiua, altera contemplatiua, illa qua itur, ista quo peruenitur, illa qua laboratur, ut cor mundetur ad uidendum deum, ista qua uacatur et uidetur deus: illa est in praeceptis exercendae uitae huius temporalis, ista in doctrina uitae illius sempiternae. Vgl. noch s. 38, 1 (datiert vor 411: Gryson 234): duo sunt quae in hac uita ueluti laboriosa nobis praecipiuntur a domino: continere et sustinere. iubemur enim continere ab eis quae in hoc mundo dicuntur bona, et sustinere ea quae in hoc mundo abundant mala. illa continentia, illa sustinentia uocatur. duae uirtutes quae mundant animam et capacem faciunt diuinitatis. Diese Überzeugung schreibt Augustinus später (ciu. 10, 28) ausdrücklich Porphyrios zu, den er folgendermaßen anspricht: confiteris tamen etiam spiritalem animam sine theurgicis artibus et sine teletis, quibus frustra discendis elaborasti, posse continentiae uirtute purgari. 731 Vgl. dazu in Anm. 729 das Zitat aus an. quant. 73 fin. Ferner eine Stelle, die u. U. den Adnotationes zeitlich nahe steht: en. Ps. 85, 9 (datiert von La Bonnardière auf 401 oder 405 lt. Müller 820): cor nondum habes ad uidendum fabricatorem caeli; ideo uenit de caelo in terram, ut mundet cor, quo uideatur qui fecit caelum et terram. 732 Vgl. schon diu. qu. 68, 3: peccatores igitur credere iubentur, ut a peccatis credendo purgentur. nesciunt enim quid recte uiuendo uisuri sint. quapropter cum uidere non possint nisi recte uiuant, nec recte uiuere ualeant nisi credant, manifestum est a fide incipiendum, ut praecepta, quibus credentes a saeculo hoc auertuntur, cor mundum faciant, ubi uideri deus possit. beati enim mundo corde, quoniam ipsi deum uidebunt (Mt 5, 8). Spätere Stellen zur mundatio durch fides: en. Ps. 134, 5 (datiert zwischen 403 und 412: Müller 821): in operibus artificem laudemus; quia ipsum contemplari idonei non sumus. et si contemplari idonei aliquando erimus, cum fuerit mun­ datum cor nostrum fide, ut postremo gaudeat ueritate; nunc quoniam ipse a nobis uideri non potest, opera eius uideamus, ne sine eius laude remaneamus. en. Ps. 130, 8 (datiert zwischen 405 und Juni 411: Müller 825): ex fide mundatur cor eius, ex mundatione cordis uidebit illam faciem de qua dictum est: beati mundo corde, quoniam ipsi deum uidebunt (Mt 5, 8). s. 143, 4 (datiert 410/412: Gryson 239): qua fide iustificati et beatificati, idipsum uerbum deum apud deum […] corde mundato contemplari mereremur. en. Ps. 109, 13 (datiert 412: Müller 821): ad quam uisionem seruamur, ad quam uisionem differimur, ad quam uisionem fide mundamur. 733 So schon Acad. 1, 22: illa diuina, qualia se sola scire sapientia profitetur. In den Werken der Reifezeit definiert Augustinus diese Funktion der sapientia mehrfach ausführlich in Abgrenzung zur scientia. Dabei wird sapientia immer auf die Gotteserkenntnis bezogen, während scientia verschieden definiert wird. Wir zitieren drei Passagen: 1. en. Ps. 135, 8 (datiert nach 415: Müller 829): haec autem duo, id est sapientiam et scientiam, distare inter se aliquid, alia quoque scripturarum testantur eloquia, maxime loquente sancto Iob, ubi

Kapitel 6: Iob 28, 1–2a bei Augustinus

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Schritt gewesen, prudentia mit der kathartisch verstandenen Tugendübung zu identifizieren, die für die so verstandene sapientia erst die Voraussetzung schafft. Was Augustinus davon abhielt, seine Auslegung von Iob 28, 1ab in diese Richtung zu entwickeln, war vermutlich der Umstand, dass die neuplatonische Theorie prudentia als Mittel zur Erlangung der sapientia ansah. Um diese Aussage im vorliegenden Ijob-Text wiederzufinden, hätte Augustinus gegen jedes metallurgische Wissen behaupten müssen, Silber sei ein Mittel zur Goldgewinnung. Dagegen war er zur Zeit der Abfassung der Adnotationes offenbar noch nicht so weit, in der Konsequenz seiner Gnadenlehre ganz grundsätzlich zu bezweifeln, dass die purgatio im Sinne der Platoniker als menschliche Tugendleistung zu verstehen sei, und darauf zu bestehen, dass sie vielmehr als göttliche Gnadengabe aufgefasst werden müsse734. Denn einerseits legte er in den Adnotationes das Lemma Iob 25, 4b uel quomodo se mundabit natus ex muliere? mit den Worten aus nisi enim a deo mundatus fuerit, inmundus est (561, 2–3) und verwies auch an anderen Stellen darauf, dass die purgatio von Gott gewirkt werde735. Andererseits schwankte er quodammodo singula definiuntur, ait enim: dixit autem homini: ecce pietas est sapientia, abstinere autem a malo scientia est (Iob 28, 28): non incongruenter intellegimus sapientiam in cognitione et dilectione eius quod semper est, atque incommutabiliter manet, quod deus est. nam et quod ait: ecce pietas est sapientia (Iob 28, 28), θεοσέβεια dicta est in Graeco; quod ut totum Latine exprimatur, dei cultus dici potest. abstinere autem a malo (Iob 28, 28), quod dixit esse scientiam, quid est aliud, quam in medio nationis tortuosae et peruersae (Phil 2, 15), tamquam in nocte huius saeculi, caute prudenterque uersari; ut abstinendo quisque ab iniquitate non confundatur tenebris, proprii muneris luce discretus? 2. trin. 12, 25 (datiert nach 420: Gryson 270): si ergo haec est sapientiae et scientiae recta di­ stinctio, ut ad sapientiam pertineat aeternarum rerum cognitio intellectualis, ad scientiam uero temporalium rerum cognitio rationalis, quid cui praeponendum siue postponendum sit non est difficile iudicare. 3. trin. 14, 3 (datiert nach 420: Gryson 270): disputantes autem de sapientia definierunt eam dicentes: sapientia est rerum humanarum diuinarumque scientia (vgl. v. Arnim (1903) 2, 15, Nr. 35. 36). unde ego quoque in libro superiore utrarumque rerum cognitionem, id est diuinarum atque humanarum, et sapientiam et scientiam dici posse non tacui. uerum secundum hanc distinctionem qua dixit apostolus: alii datur sermo sapientiae, alii sermo scientiae (I Cor 12, 8), ista definitio diuidenda est ut rerum diuinarum scientia sapientia proprie nuncupetur, humanarum autem proprie scientiae nomen obtineat, de qua uolumine tertio decimo disputaui. 734 Für eine eindeutige Ablehnung der purgatio als Leistung menschlicher uirtus, wie sie die Platoniker lehrten, vgl. trin. 4, 20 (datiert Ende 414/Anfang 415: Gryson 270): sunt autem quidam qui se putant ad contemplandum deum et inhaerendum deo uirtute propria posse purgari, quos ipsa superbia maxime maculat. ciu. 10, 22 (datiert 416/418: Gryson 209): non enim nisi peccatis homines separantur  a deo, quorum in hac uita non fit nostra uirtute, sed diuina miseratione purgatio, per indulgentiam illius, non per nostram potentiam; quia et ipsa quantulacumque uirtus, quae dicitur nostra, illius est nobis bonitate concessa. 735 Drei Stellen begegnen in adn. 7. Zuerst deutet Ijob an, dass er zu seiner Reinigung Hilfe vom Himmel erhalten habe: (523, 3–6) tamquam nubes expurgata de caelo (Iob 7, 9a): […] ut hic significauerit (sc. Iob) auxilium sibi fuisse de caelo, ut purgaretur. Dann wird Gott zweimal darauf angesprochen, dass er die Sünde reinigt: (524, 21–22) […] non obliuisceris peccatum eius (sc. ­hominis), sed purgas illud potius; (525, 6–7) cum enim purges peccatum meum […]. In der Aus-

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

angesichts des Lemmas Iob 9, 30b et mundatus fuero mundis manibus, ob die Reinigung durch Gottes Hände oder die guten Werke des Menschen erfolge: aut dei manibus aut suis, id est: bonis operibus per regenerationem (530, 14–15). Außerdem sprach er auch noch in seiner nach den Adnotationes verfassten Schrift De consensu euangelistarum von der Pflicht des Gläubigen, die cupiditates huius saeculi, die die contemplatio verhindern, durch aktive Betätigung der sittlichen Tugend zu vermindern und zu überwinden736. 6.1.2.1.3.2 Das Begriffspaar sapientia – scientia In seiner Allegorese der ersten Schöpfungsgeschichte in Buch 13 der Confessiones stand Augustinus vor der Frage, wie er das Verhältnis von Sonne und Mond deuten solle. Dort bediente er sich des Begriffspaars sapientia und scientia: Die Sonne als das hellste Gestirn symbolisiert die sapientia, der Mond als kleinere Leuchte die scientia737. Es hätte also nahe gelegen, wenn Augustinus, nachdem er in den Adnotationes das Gold bereits mehrfach als Symbol der sapientia gedeutet hatte738, auch in dem vorliegenden Kommentar zu Iob 28, 1 auf das Begriffspaar sapientia und scientia zurückgegriffen hätte, um das Verhältnis zwischen Gold und Silber (bzw. sapientes und prudentes) zu definieren. Dann hätte sich die Aussage ergeben, dass prudentes jene Christengruppe bezeichnen, die – wie Paulus in I Cor 12 deutlich unterschieden hatte – zwar scientia, aber keine sapientia besitzen. Mit dieser Deutung hätte Augustinus nicht nur an Stellen aus seinen Frühschriften anknüpfen können, in denen er bereits eine enge Verbindung zwischen scientia und prudentia hergestellt hatte739, sondern hätte sich auch auf entsprechende Bibelzitate nach dem Wortlaut der Vulgata berufen können740. Ein Bezug auf das Begriffspaar sapientiascientia wäre umso leichter gewesen, als Augustinus seine Auffassung von sapientia und scientia nach anfänglichen terminologischen Unsicherheiten741 schon in seiner

legung von Iob 37, 21c et spiritus transit et mundabit eas wird die mundatio auf Gottes Zorngeist zurückgeführt (598, 23–599, 3). 736 Vgl. das Zitat aus cons. eu. 1, 8 in Anm. 730. 737 conf. 13, 23 unter Rückgriff auf I Cor 12, 8 alii quidem datur per spiritum sermo sapientiae, alii sermo scientiae secundum eundem spiritum. 738 S. o. Kap. 4, Anm. 492. 739 mor. 1, 70: […] singuli grauitate atque prudentia et diuina scientia praepollentes […]; lib. arb. 1, 27: A. considera nunc utrum tibi uideatur esse prudentia adpetendarum et uitandarum rerum scientia. E. uidetur; diu. qu. 31, 1: prudentia est rerum bonarum et malarum et neutrarum scientia (Zitat von Cicero, inv. 2, 159). 740 Prv 2, 6 quia dominus dat sapientiam et ex ore eius scientia et prudentia (so der VulgataWortlaut in spec. 7; in doctr. chr. 3, 56 steht intellectus statt prudentia); Prv 2, 10–11 si intrauerit sapientia cor tuum et scientia animae tuae placuerit, consilium custodiet te et prudentia seruabit te (so wieder der Vulgata-Wortlaut in spec. 7; dagegen steht in en Ps. 36, 3, 5 und 118, 24, 6 cogitatio sancta statt prudentia).- Zu Vulgata-Zitaten bei Augustinus schon zur Zeit der Confessiones vgl. Trenkler (2017) 36–37 mit Anm. 10–13. 741 In den Frühschriften kann Augustinus von einer scientia sapientiae (so Acad. 2, 1) bzw. von scire sapientiam (so Acad. 3, 8–10. 30) sprechen. Zuvor hatte er mehrfach an Ciceros Definition

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Zeit als Presbyter in Gn. adu. Man. 2, 33 anlässlich der Interpretation von Gn 3, 21 Adam factus est tamquam unus ex nobis ad scientiam cognoscendi bonum et malum geklärt hatte: Es handele sich bei scientia um ein aus Erfahrung (per experimentum) gewonnenes menschliches Wissen, während sapientia das göttliche Wissen bezeichne, das nicht auf Erfahrung angewiesen sei742. Warum also hat Augustinus bei der Allegorese von Iob 28, 1 nicht ebenfalls von scientia und sapientia, sondern von actio und contemplatio gesprochen? Wir finden die Erklärung in Augustins Bestreben, in der vorliegenden Ijob-Exegese gerade denjenigen Aspekt zu vermeiden, der aus seiner Sicht für das Verhältnis zwischen sapientia und scientia kennzeichnend war, nämlich die deutliche Abwertung der scientia gegenüber der sapientia. Für Augustins Neigung, beim Sprechen über das Verhältnis zwischen sapientia und scientia die geringere Wertigkeit der scientia hervorzuheben, gibt es zahlreiche Belege. Aus seiner Presbyterzeit lassen sich zwei Schlüsseltexte anführen, in denen er den spirituellen Fortschritt des Christen in sieben Stufen skizziert. Sowohl in den Seligpreisungen der Bergpredigt (Mt 5, 3–9) als auch in den sieben Gaben des Heiligen Geistes nach Jesaja 11, 2–3 verortet Augustinus die scientia auf der dritten Stufe von unten, während die sapientia für den Höhepunkt der Entwicklung auf der siebten Stufe reserviert ist743. Noch deutlicher wird der Abstand, den der junge Bischof zwischen sapientia und scientia sah, in den Quaestiones ad Simplicianum. Dort schreibt er unter Bezug auf I Cor 12, 8, also auf jenes Zitat, das er auch in conf. 13, 23 zur Allegorese von Sonne und Mond heranzog: Simpl. 2, 2, 3: quamquam et in ipsis hominibus solet discerni a sapientia scientia, ut etiam apostolus dicit: alii quidem datur per spiritum sermo sapientiae, alii sermo scientiae secundum eundem spiritum (I Cor 12, 8). in deo autem nimirum non sunt haec duo sed unum. et in hominibus quidem ita discerni probabiliter solent, ut sapientia pertineat ad intellectum aeternorum, scientia uero ad ea quae sensibus corporis experimur.

der sapientia in Tusc. 4, 57 bzw. off. 2, 5 erinnert: sapientiam esse rerum humanarum diuinarumque scientiam (Acad. 1, 16.18.22.23). Diese Belege sind nachgewiesen bei Testard (1958) 2, 2 und Hagendahl (1967) 1, 111–112 (Nr. 233, a-d) bzw. 1, 152–153 (Nr. 322, a-d). Zum Einfluss Ciceros auf Augustinus ausführlich Testard (1958) Bde. 1–2 passim sowie Hagendahl (1967) 1, 35–169 und 2, 479–588; kürzer Testard (1994, Lit.); kurz Curley (1999, Lit.). 742 Gn. adu. Man. 2, 33: ad scientiam scilicet dinoscendi boni et mali, ut iste (sc. Adam) per experimentum disceret, dum sentit malum, quod deus per sapientiam nouit. Der reife Augustinus definierte dann in trin. 12, 17 die Begriffe scientia und sapientia wie folgt: scientia, id est cognitio rerum temporalium atque mutabilium nauandis uitae huius actionibus necessaria; […] aeterna uero et incommutabilia spiritalia ratione sapientiae intelleguntur. Drei weitere Formulierungen des späten Augustinus zum Verhältnis zwischen sapientia und scientia wurden bereits oben in Anm. 733 zitiert. Vgl. auch noch trin. 12, 22. 743 In s. dom. m. 1, 10: postrema est septima ipsa sapientia, id est contemplatio ueritatis, pacificans totum hominem et suscipiens similitudinem dei. Ähnlich auch a. a. O. 1, 11 in der Auslegung von Is 11, 2–3.

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Hätte also Augustinus das argentum / die prudentes von Iob 28,1 mit scientia gleichgesetzt, hätte er den prudentes eine deutlich niedrigere spirituelle Stufe als den sapientes angewiesen. Das hätte einen Bruch mit seinem bisherigem Verständnis bedeutet, wonach zwischen sapientes und prudentes kaum ein Unterschied bestand. Dass er aber gerade an dieser Auffassung möglichst wenig ändern wollte, wird aus den Details seiner Exegese von Iob 28 deutlich, die wir im Folgenden kommentieren werden: Obwohl der Text Iob 28, 1–2 in der Aufzählung der verschiedenen Metalle den Blick in erster Linie auf ihre Vielfalt744 und damit auch für Augustinus auf ihre unterschiedliche Wertigkeit lenkt745, deutet er diesen Aspekt nur zu Beginn eben an. Anschließend drängt er ihn dann fast gewaltsam zurück und insistiert stattdessen umgekehrt auf den Gesichtspunkten, die für alle Metalle gemeinsam gelten. 6.1.2.1.4 Positive Gründe für die Wahl der Begriffe actio und contemplatio Die Wahl des Begriffspaars actio und contemplatio erklärt sich u. E. daher so, dass Augustinus auf diese Weise zwar eine Überlegenheit der sapientia über die pruden­ tia definieren, aber gleichzeitig die Wertdifferenz möglichst klein erscheinen lassen konnte. Auf der einen Seite war Augustinus zu der Zeit, als er an den Adnotationes in Iob arbeitete, zu der festen Überzeugung gelangt746, dass die contemplatio höheren spirituellen Rang besaß als die actio. Dazu seien drei Kernstellen angeführt: conf. 13, 22: de ista inferiore fruge actionis in delicias contemplationis uerbum uitae superius obtinentes appareamus sicut luminaria in mundo (Phil 2, 15). trin. 1, 17: haec enim nobis contemplatio promittitur actionum omnium finis atque aeterna perfectio gaudiorum (vgl. auch 1, 20). c. Faust. 22, 27: inque ipsa ratione, quae partim contemplatiua est, partim actiua, procul dubio contemplatio praecellit. in hac enim et imago dei est, qua per fidem ad speciem reformamur. actio itaque rationalis contemplationi rationali debet oboedire.

744 Diesen Aspekt zum Lemma Iob 28, 1–3 betonen in ihren Kommentaren sowohl der Arianer Julian (168, 17–20 Hagedorn) als auch Olympiodor (231, 2–4 Hagedorn / Hagedorn; dieselbe Stelle als Auszug in den Katenen: 3 (2000) 58, Nr. 61, 3–5 Hagedorn / Hagedorn). 745 Zu Augustins Zeit bestand zwischen Gold und Silber ein Wertverhältnis von 15: 1 (vgl. Rosumek (1982) 154). Augustins Bewusstsein von einer festen Wertordnung der Metalle wird deutlich aus en. Ps. 145, 4: melius est, etsi sordidum, aurum quam purgatissimum plumbum. Für die spontan empfundene Wertdifferenz zwischen Gold und Silber vgl. s. 86, 5: ego tibi, inquit deus, omnia quae dedisti, in melius commutabo. si enim dares libram argenti et reciperes libram auri, quanto capereris gaudio? inspice, et interroga auaritiam: libram argenti dedi, libram auri recipio. quid simile argentum et aurum? Für die klare Wertdifferenz zwischen den Metallen im Alltagsbewusstsein vgl. s. 21, 4: ecce si in negotio tuo argentum praeponas auro, si plumbum argento, si puluerem plumbo, nonne ab omnibus sociis tuis, si forte negotiator es, dementissimus iudicaberis, et ab eorum societate secluderis, dicerisque damnosus, et fortasse etiam capite foto sanandus? und s. 349, 5: amatis argentum, quia melius est ferro et aeramento: amatis plus aurum, quia melius est argento. Vgl. noch Hübner (2012) 7. 746 Die Belege zu contemplatio und actio in den Frühschriften weisen noch keine so eindeutige Sprachregelung auf: Vgl. an. quant. 74; lib. arb. 2, 25; mus. 6, 39–42; s. dom. m. 1, 38; 2, 71.

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Auf dem Hintergrund dieser Überzeugung deutet Augustinus an der vorliegenden Stelle das Silber als Symbol für Vertreter der uita actiua und das Gold als Symbol für Vertreter der uita contemplatiua. Denn damit betont er zunächst den Unterschied zwischen prudentens und sapientes, wie er ihm durch die evidente Wertdifferenz zwischen Silber und Gold suggeriert wurde747. Auf der anderen Seite repräsentieren diese Passagen aber nicht die ganze Breite von Augustins Denken zu dieser Zeit. Es gibt nämlich Hinweise, dass er gerade damals auch umgekehrt über eine mögliche Nähe zwischen contemplatio und actio nachdachte. Der Grund dürfte seine eigene Lebenssituation mit den ersten Erfahrungen im Bischofsamt gewesen sein. Hier lassen sich zwei Aspekte unterscheiden. Zum einen war er mit Amtsgeschäften überhäuft, und zwar sowohl mit geistlichen wie der Auseinandersetzung mit Schismatikern und Häretikern748 als auch mit weltlichen wie dem Richteramt749, und musste feststellen, dass er als Bischof das ersehnte ideale Leben der contemplatio in seinem Amt nicht verwirklichen konnte750. Daraus ergab sich für ihn eine erste Notwendigkeit, das Verhältnis von contemplatio und actio neu zu überdenken751. Dieses Ringen spiegelt sich in der langen Debatte in c. Faust. über die Rolle von actio und contemplatio im Leben leitender Kleriker752. Das Ergebnis dieser Diskussion fasst Augustinus in einer für unsere Hypothese bedeutsamen Weise zusammen, wenn er in cons. eu. 1, 8 unter Rückverweis auf die ausführlichen Erörterungen in c. Faust. feststellt, dass nicht nur die uita contemplatiua, sondern auch die uita actiua als uirtus zu gelten habe: cons. eu. 1, 8: proinde cum duae uirtutes propositae sint animae humanae, una actiua, altera contemplatiua, illa qua itur, ista quo peruenitur, illa qua laboratur, ut cor mundetur ad uidendum deum, ista qua uacatur et uidetur deus: illa est in praeceptis exercendae uitae huius temporalis, ista in doctrina uitae illius sempiternae. ac per hoc illa operatur, ista requiescit, quia illa est in purgatione peccatorum, ista in lumine purgatorum. ac per hoc in hac uita mortali illa est in opere bonae conuersationis (cf. Iac 3, 13), ista uero magis in fide et aput perpaucos per speculum in enigmate et ex parte (cf. I Cor 13, 12) in aliqua uisione incommutabilis ueritatis. hae duae uirtutes in duabus uxoribus Iacob figuratae intelleguntur. de quibus aduersus Faustum Manicheum pro modulo meo, quantum illi operi sufficere uidebatur, disserui753.

Zum anderen setzte sich Augustinus zur Zeit der Abfassung der Adnotationes auch zum ersten Mal – soweit man aus den sicher datierten Belegen schließen kann – mit

747 Vgl. nochmals die in Anm. 745 zitierten Stellen. 748 Vgl. die in Buch 2 der Retractationes unter den Nummern 28.31.33–37 aufgeführten polemischen Schriften. 749 Zu diesem Aspekt vgl. van der Meer (1953) 273–284. 750 Vgl. dazu ep. 48, 1. 751 Vgl. Torchia (1999) 235. 752 c. Faust. 22, 52–58. 753 S. die vorige Anm.

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der Perikope von Maria und Martha (Lc 10, 38–42) auseinander754. Auch dieses Interesse dürfte mit seinen Erfahrungen im Bischofamt zusammenhängen. Denn gerade weil in Jesu Aussage Lc 10, 42 Maria optimam partem elegit quae non aufe­ retur ab ea der contemplatio der Maria so provokativ der Vorrang zugesprochen wird, konnte sich Augustinus als Gemeindeleiter vor die Frage gestellt sehen, wie dann praktisches kirchliches Leben, das ohne das Engagement vieler „Marthas“ gar nicht denkbar ist, überhaupt noch stattfinden könne. Auch in dieser Perspektive musste es Augustins Anliegen sein, den Wertunterschied zwischen actio und contemplatio nach Möglichkeit abzumindern755. Argumentative Unterstützung könnte diese relative Neubewertung der actio in Augustins ersten Bischofsjahren zumindest im Hintergrund auch aus der philosophischen Tradition bezogen haben. Augustinus verdankt seine Überzeugung, dass grundsätzlich das höchste Glück des Menschen in seiner Anlage zur contemplatio bestehe, der platonischen Überlieferung. Aber bereits in den Frühschriften zitiert er auch den Gegenentwurf der Stoiker, demzufolge sich der ideale Mensch, der sapiens, in der actio verwirklicht, also im Einsatz für das Wohlergehen des Staates und der Mitbürger756. Aus stoischer Perspektive war es also ein fundamentaler Irrtum, überhaupt einen Widerspruch zwischen sapientia und actio anzunehmen. 6.1.2.1.5 Zwischenbilanz Wenn nun Augustinus die Edelmetalle Gold und Silber von Iob 28, 1 mit den Begriffen sapientia und scientia (wie Sonne und Mond in den Confessiones) gedeutet hätte, hätte er den Akzent allein auf ihren Wertunterschied gelegt. Dagegen ermöglichte ihm das Begriffspaar contemplatio – actio, aufgefasst im Licht der Maria-Martha-Problematik sowie eigener aktueller Ansätze in anderen Werken, sowohl den offensichtlichen Unterschied zwischen argentum und aurum als auch das heikle Verhältnis zwischen den prudentes (bzw. Martha) und den sapientes (bzw. Maria) zu reflektieren. Tatsächlich zeigt der weitere Verlauf seiner Auslegung zu Iob 28, 1–2, dass er dort vor allem auf den Aspekt der Gemeinsamkeit abhebt und den zunächst näherliegenden Gesichtspunkt ihrer Wertdifferenz rasch auf sich beruhen lässt. Diese Gewichtsverschiebung ist allerdings gut nachvollziehbar: Im Grunde seines Herzens war sich Augustinus der überragenden Bedeutung von sapientia und contemplatio so gewiss, dass er sie nicht mehr aufwendig zu begründen brauchte. Was 754 Zuerst offenbar direkt vor den Adnotationes in qu. eu. 2, 20 (lt. der Reihenfolge in retr. 2, 12–13), sodann in trin. 1, 20 (datiert 400/403: Gryson 270). Augustins spätere Auslegungen dieser Perikope stehen zumeist in Predigten: s. 103 (datiert „um 403?“: Gryson 237); s. 179, 3–6 (datiert „vor 405?“: Gryson 241); s. 104 (= s. Gue. 29; datiert „um 415“: Gryson 237); 169, 17 (datiert „September 416“: Gryson 240); 255, 6 (datiert „Osterzeit 418“: Gryson 246). Zu Maria und Martha bei Augustinus vgl. La Bonnardière (1986) und Seelbach (2010; Lit.). 755 Zum Thema contemplatio und actio bei Augustinus vgl. Torchia (1999) und bes. Verheijen (1994). 756 In lib. arb. 2, 25 ist die Rede von Leuten, qui […] laboriosissimis curis et officiis agunt ut hominibus consulant, et in rerum humanarum iuste moderandarum et gubernandarum actione uersantur, sapientes se esse arbitrantur.

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aus seiner Sicht nach Klärung verlangte, war umgekehrt der relative Wert der nachgeordneten Lebensvollzüge757. Wenn der Hintergrund der Auslegung in den Adnotationes damit richtig skizziert ist, liegt hier ein Beispiel dafür vor, wie Augustinus in seinem Ijob-Kommentar nicht nur bereits früher gewonnene Ansichten in einem Bibeltext wiedergefunden, sondern aus dem Text heraus auch neue Einsichten entwickelt hat.

6.1.2.2 Einzelerklärungen Im Folgenden kommentieren wir die Details von Augustins Auslegung. Dazu nochmals sein Text: (566, 14–16) Est enim argenti locus unde fit (Iob 28, 1a): prudentes, qui magis in actione sunt. locus autem auro, ubi purgatur (Iob 28,1b): sapientes, qui in contemplatione sunt.

6.1.2.2.1 Zur sprachlichen Form Sprachlich sind die Ausdrücke in actione / in contemplatione esse (mit esse als Vollverb)  auffällig: Der TLL erwähnt sie nicht. Da die ersten Belege in Augustins Schriften aus seinen Frühwerken als grammaticus stammen758, hat Augustinus sie möglicherweise zunächst in seiner Unterrichtstätigkeit geprägt. Dass weitere vergleichbare Formulierungen in den Kommentarpartien der Adnotationes überraschend häufig vorkommen759, könnte sich also zum einen daraus erklären, dass 757 Dieses Anliegen zeigt sich auch in seinem Bemühen, kurz nach den Adnotationes in De bono coniugali den relativen Wert der Ehe zu verteidigen: Vgl. Hunter (1999) 110, van Geest (2012) 251– 253 und Reynolds (2013) 243. Der höhere Wert der Jungfräulichkeit stand ihm ohnehin fest, wie aus der anschließend verfassten Schrift De sancta uirginitate und vielen anderen Stellen hervorgeht: Vgl. Hunter (1999) 870–871, van Geest (2012) 252 mit Anm. [58] und Grote (2013) 379. (Die genaue Datierung der beiden Schriften ist umstritten: van Geest, Grote, Hunter und Reynolds gehen alle von ca. 401 aus, Gryson dagegen (210 bzw. 270) nimmt die Jahre 403/404 bzw. 404/412 an.) 758 Vgl. gramm. (regulae, 511 Keil): sed ne te commoueat, quare dicuntur neutralia, haec ratio est, quia nec agunt aliquid nec patiuntur, ut est sto iaceo cubo sedeo. haec in nulla actione sunt, in nulla passione. Ferner mus. 6, 16: […] quoniam illos (sc. sonos) qui sunt in actione, non ob aliud praeponendos iis qui sunt in memoria dixeramus, nisi quod illi facientes sunt, isti ab his facti. Vgl. auch den Ausdruck mus. 6, 22: motus eius actionis, in qua sumus. 759 (523, 3) interficis enim in me uitam carnalem in qua fui. (532, 19–21) quia repente pleraeque accidunt tribulationes, quae turbant quietem ipsius uitae mortalis, cum in salute est uel securitate rerum quamuis temporalium. (543, 24–544, 1) peccata interiora, quibus reminiscitur se fuisse in bonis. (553, 3–4) rediens ad affectum praeteritum ab isto, in quo nunc est. (556, 23) cum sum in terrore. (557, 11 ) quia ipse (sc. deus) in spiritalibus est. (571, 13–14) ero sicut arbor palmae in honore sempiterno et celsitudine et rectitudine. (594, 6–7) qui foris sunt in delectationibus rerum uisibilium. (605, 1–2) uita saecularis, quaecumque est in profundo malorum. (611, 24–26) siue Pleiadis nomen siue Orionis, in eadem significatione est, si per utrumlibet omnia sidera intelleguntur.

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der Bischof seine Anmerkungen zum Buch Ijob im Kreis seiner Fratres formulierte, denen er wie ein Lehrer gegenübersaß. Zum andern dürfte zu dieser Häufung beigetragen haben, dass der Bischof solche Ausdrücke schon in mehreren Lemmata seines Ijob-Textes vorfand760, so dass er sie auch als gehobene Bibelsprache deuten und in seiner Auslegung wieder aufnehmen konnte761. Jedenfalls dürfte Augustinus diese Wendungen seit den Adnotationes nicht mehr nur als Schuljargon empfunden haben, denn er benutzte sie später gelegentlich auch in stilistisch anspuchsvol­ leren Schriften762. Allerdings gebrauchte er dort etwas häufiger die gleichbedeutende Fügung in actione / contemplatione uersari763. Auch diese wird im TLL nicht dokumentiert. 6.1.2.2.2 Zum Inhalt Die hier nur knapp angedeutete Argumentation hat Augustinus später in ciu. 8, 4 ausführlich entfaltet. Der Vergleich beider Texte zeigt, dass Augustinus in den Adnotationes bereits die Eckpunkte jenes späteren Gedankengangs vor Augen hatte.

760 (541, 3–4) cum putauerint se esse iam in pace (Iob 15, 21b). (543, 13–15) in pace cum essem, discerpsit me (Iob 16, 12a). (590, 22–25) a precibus infirmorum, cum in necessitate fuerint (Iob 36,19b). 761 (512, 18–19) et uita animabus quae sunt in doloribus? (Iob 3, 20b): in dolorum materia, hoc est: in peccatis. (529, 7–9) quia nequam homines in magna morte erunt (Iob 9, 23a): non in mediocri, in qua sunt etiam iusti, cum tribulantur et ab eis deridentur (cf. Iob 9, 23b). (559, 8–9) anima uero paruulorum in gemitu ualde (Iob 24, 12b): fuit. (594, 11–13) in sonitu superbiae suae (Iob 37, 4b): superbiam pro celsitudine posuit, quia primus aduentus in humilitate fuit. 762 ep. 55, 23: animae quippe omnium sanctorum ante resurrectionem corporis sunt quidem in requie, sed in ea non sunt actione, qua corpora recepta uegetantur; ench. 29: sed illorum ciuium nume­rus […] in contemplatione est eius artificis qui uocat ea quae non sunt tamquam quae sint; c. Iul. 6, 61: […] idolis immolatio, quae iam nec in actione est, quia praeteriit. Stellen aus exegetischen Zusammenhängen wie qu. eu. 2, 44, 1: et ex illis qui sunt in otio et ex illis qui sunt in negotiis saeculi et ex illis qui deo ministrant in ecclesia sowie a. a. O. 2, 44, 2: genus eorum […] qui sunt in otio sind stilistisch schwer einzuschätzen. Vgl. noch adn. 19 (548, 20–22) et amici mei inmisericordes facti sunt (Iob 19, 13c): in malis spiritalibus, qui condolent proximis suis, sed eos potius inrident; quos non inriderent in malis carnalibus constitutos. 763 lib. arb. 2, 25: qui […] in rerum humanarum iuste moderandarum et gubernandarum actione uersantur, sapientes se esse arbitrantur; c. Faust. 22, 56: […] quicumque in actionum periculis et labore uersantur; trin. 12, 3: illud uero nostrum quod in actione corporalium atque temporalium tractandorum ita uersatur ut non sit nobis commune cum pecore, rationale est quidem; ep. 167, 2: hoc uero, quod de litteris apostoli Iacobi nunc requiro, in hac ipsa, qua uiuimus […], actione uersatur. Vgl. ferner die unten aus ciu. 8, 4 zitierten Stellen. Ähnlich auch noch trin. 1, 20: […] Martha quippe sorore sua in necessitatis actione conuersante […]. Offenbar handelt es sich aber in allen Fällen um Augustins eigene Formulierungen; jedenfalls zitiert der TLL s. vv. actio bzw. contemplatio weder einen der augustinischen Belege mit esse bzw. uersari noch eine mögliche Parallele oder Quelle bei anderen Autoren.

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Daher eignet sich der Text aus De ciuitate dei als Schlüssel zum Verständnis der lakonischen Formulierungen in den Adnotationes764. In ciu. 8, 4 geht Augustinus von der in seinen anderen Werken nicht belegten, aber offenbar aus Seneca entlehnten Definition aus, das studium sapientiae bestehe aus zwei Teilen: der pars actiua und der pars contemplatiua765. Augustinus führt aus, die pars actiua beziehe sich auf die Lebensführung766, die pars contemplatiua dagegen auf die Erkenntnis der Naturursachen und der reinsten Wahrheit767. Als Hauptvertreter der pars actiua gelte Sokrates768, während sich Pythagoras mehr der pars contemplatiua gewidmet habe769. In dieser Argumentation stehen actio und contemplatio als gleichwertige Gebiete der Philosophie nebeneinander770. Auch der Verweis auf Sokrates und Pythagoras als die jeweils bedeutendsten Repräsentanten zeigt, dass hier kein Rangunterschied impliziert sein soll771. Augustinus unterstreicht diesen Punkt, indem er in ciu. 8, 4 daran erinnert, dass Platon sowohl Schüler des Sokrates war als auch in Italien die hervorragendsten Pythagoreer gehört hatte. In dieser Tradition konnte Augustinus also mit gutem Recht auch den prudentes (wie Sokrates) gleichen Rang wie den sapientes (wie Pythagoras) zuerkennen772. Differenzierter und dichter wird der Gedankengang in ciu. 8, 4, wenn Augustinus sich anschließend mit Platons dreifacher Einteilung der Philosophie auseinandersetzt. Er referiert die drei von Platon unterschiedenen Teilgebiete: die pars moralis, quae maxime in actione uersatur; die pars naturalis, quae contemplationi deputata

764 Dagegen beruht Augustins Auslegung der Martha-Maria-Perikope schon seit qu. eu. 2, 20 und trin. 1, 20 auf der Grundidee, dass Marthas actio nur für diese vergängliche Welt gut und notwendig sei, während Marias contemplatio eine Vorwegnahme der Gottesschau im Ewigen Leben darstelle. Diese Unterscheidung nach Zeit und Ewigkeit (die Augustinus auch an dem Schwesternpaar Lea und Rachel durchdekliniert: c. Faust. 22, 52. 56) spielt an der vorliegenden Stelle der Adnotationes und in ciu. 8, 4 für Augustins Überlegungen zu actio und contemplatio keine Rolle. 765 […] cum studium sapientiae in actione et contemplatione uersetur unde una pars eius actiua, altera contemplatiua dici potest. Vgl. Seneca, epist. 94, 45: In duas partes uirtus diuiditur, in contemplationem ueri et actionem. Vgl. TLL 1.0.438.57–58 s. v. actio. Zur Frage, wieweit sich Einflüsse Senecas bei Augustinus nachweisen lassen, s. o. Kap. 2, 58 mit Anm. 198. Hagendahl (1967) kennt keine Bezüge auf Senecas epist. 94. 766 actiua ad agendam uitam, id est ad mores instituendos pertinet. 767 contemplatiua autem ad conspiciendas naturae causas et sincerissimam ueritatem. 768 Socrates in actiua excelluisse memoratur. 769 Pythagoras uero magis contemplatiuae […] institisse . 770 Auch hier lässt sich wieder Seneca vergleichen. Er schreibt in De otio (= dial. 8) 5, 1: natura nos ad utrumque genuit: et contemplationi rerum et actioni. (Ebenfalls nicht bei Hagendahl (1967).) 771 Ein weiterer Beleg in diesem Sinne: Die Verweise in cons. eu. 1, 12 (datiert 403/404: Gryson 217) auf Pythagoras, quo in illa contemplatiua uirtute nihil tunc habuit Graecia clarius, und Sokrates, quem rursus in actiua, qua mores informantur, omnibus praetulerunt. 772 Der Unterschied zwischen beiden wurde auch dadurch minimiert, dass Sokrates von Apollo als omnium sapientissimus bezeichnet wurde: Daran erinnert Augustinus selbst an der eben zitierten Stelle cons. eu. 1, 12: […] testimonio quoque dei sui Apollinis omnium sapientissimum pronuntiatum esse; ähnlich a. a. O. 1, 26.

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est, und schließlich als drittes Gebiet, das Platon der anderen Definition hinzugefügt habe, die pars rationalis, qua uerum disterminatur a falso. Er kommentiert diese Einteilung so, dass die pars rationalis für beide anderen Teile, also für actio und contemplatio, gleich notwendig sei773. Bis hierher lässt auch diese Definition keinen Rangunterschied zwischen actio und contemplatio erkennen. Insofern erstaunt es nicht, wenn Augustinus zum Schluss erklärt, diese dreifache platonische Einteilung der Philosophie stehe nicht im Widerspruch zu der zuvor zitierten Definition, derzufolge das gesamte studium sapientiae in actione et contemplatione bestehe774. Allerdings ist in den eben referierten Gedankengang noch eine Formulierung eingeschoben, die schlaglichtartig zeigt, dass Augustinus bei aller im Kontext behaupteten Gleichwertigkeit von actio und contemplatio doch dazu neigt, der contemplatio einen höheren Wert als der actio beizumessen. Diese Formulierung lautet: maxime tamen contemplatio perspectionem sibi uindicat ueritatis. Da die Erkenntnis der Wahrheit775 für Augustinus das höchste Ziel überhaupt darstellt776, impliziert dieser Satz das Urteil, dass die contemplatio höheren Rang hat als die actio. Insofern versucht Augustinus auch in ciu. 8, 4, in einem Balanceakt zwei in seinen Augen gleich wichtige, aber logisch schwer vermittelbare Anliegen zur Geltung zu bringen. Gerade weil er jedoch im Grunde die contemplatio, die er als Vorwegnahme des Ewigen Lebens auffasst777, höher wertet als die actio, gibt er sich besondere 773 quae licet utrique, id est actioni et contemplationi, sit necessaria. 774 ideo haec tripertitio non est contraria illi distinctioni, qua intellegitur omne studium sapientiae in actione et contemplatione consistere. 775 Die Vokabel perspectio ist selten und spät (vgl. TLL s. v. 10.1.1736.29–49; sie fehlt im OLD). Der Ausdruck perspectio ueritatis stammt weder von Cicero noch von Seneca. Wie die Parallele a perspectione purae illius et sincerae ueritatis in mus. 6, 41 nahelegt, handelt es sich um eine freie, vermutlich bewusst erlesene Formulierung Augustins. Der Gebrauch von perspectio ist vielleicht von Lactanz angeregt: Der TLL a. a. O. 33–35 zitiert als früheste Belege Lact. inst. 2, 8, 68 (141, 24 Brandt) und ira 1, 4 (68, 7 Brandt). Zu Augustinus und Laktanz vgl. McHugh (1999) 489–490. 776 Vgl. z. B. Acad. 1, 25: nam cum beati esse cupiamus, siue id fieri non potest nisi inuenta siue non nisi diligenter quaesita ueritate, postpositis ceteris omnibus rebus nobis, si beati esse uolumus, perquirenda est. lib. arb. 2, 26: summo autem bono adsecuto et adepto beatus quisque fit, quod omnes sine contro­ uersia uolumus. ut ergo constat nos beatos esse uelle, ita nos constat esse uelle sapientes, quia nemo sine sapientia beatus est. nemo enim beatus est nisi summo bono, quod in ea ueritate quam sapientiam uocamus cernitur et tenetur. Ähnlich, aber kürzer: lib. arb. 2, 25: quid enim petis amplius quam ut beatus sis? et quid beatius eo qui fruitur inconcussa et incommutabili et excellentissima ueritate? Nicht zuletzt lib. arb. 2, 36: quoniam in ueritate cognoscitur et tenetur summum bonum eaque ueritas sapientia est, cernamus in ea teneamusque summum bonum eoque perfruamur. beatus est quippe qui fruitur summo bono. haec enim ueritas ostendit omnia bona quae uera sunt, quae sibi suo captu intellegentes homines uel singula uel plura eligunt quibus fruantur. Interessanterweise zieht Augustinus zur Bestätigung dieser Kernidee das potentiell einschlägige Zitat I Tim 2, 4 qui uult omnes homines saluos fieri et in agnitionem ueritatis uenire nie heran, sondern konzentriert sich ausschließlich auf die Aussage qui uult omnes homines saluos fieri (so schon seit den ersten Verweisen in exp. prop. Rm. 74 und exp. Gal. 28, beide datiert 394/395: Gryson 231. 219). 777 Vgl. duab. an. 10: quod enim nobis aliud praemium quam uita aeterna promittitur, quae dei cognitio est? ait enim magister deus: haec est autem uita aeterna, ut cognoscant te solum et uerum

Kapitel 6: Iob 28, 1–2a bei Augustinus

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Mühe, einer drohenden Abwertung der actio vorzubeugen778. Wiederholt insinuiert er in ciu. 8, 4 durch ein qualifizierendes magis bzw. maxime, dass es bei der Unterscheidung der philosophischen Teilgebiete nur um verschiedene Schwerpunkte, aber nicht um absolute Gegensätze gehe. Wenn er also sagt, Pythagoras habe sich bevorzugt (magis) der pars contemplatiua gewidmet779, impliziert das, dass dieser Philosoph auch die pars actiua nicht vernachlässigt hat780. Wenn er dagegen in der oben zitierten Bemerkung formuliert, dass die contemplatio die Erkenntnis der Wahrheit in besonderem Maße (maxime) für sich beanspruche781, dann soll das darauf hinweisen, dass auch die actio, wenn auch in geringerem Maße, nach Wahrheitserkenntnis strebt782. Dieselbe Aussage steckt sachlich in der Definition von Platons pars moralis in ciu. 8, 4 als dem Gebiet, quae maxime in actione uersatur. Diese Definition aus ciu. 8, 4 schlägt den Bogen zurück zur Auslegung von Iob 28, 1 in den Adnotationes; denn schon hier – aber auch nur hier in Augustins sämtlichen Schriften! – begegnet eine vergleichbare Formulierung in der Definition der prudentes (566, 15) qui magis in actione sunt. Damit ist dieses zunächst unscheinbare magis ein Beleg dafür, dass Augustinus bei seinen Bemühungen, sich in den Adnotationes in Iob einen besonders schwierigen biblischen Text im Detail zu erschließen, zu einer Formulierung fand, die in einem späteren Hauptwerk gleich mehrfach wieder anklingt. Auch in diesem Punkt deum et quem misisti Iesum Christum (Io 17, 3). etenim anima quamuis sit inmortalis, tamen quia mors eius rite dicitur a dei cognitione auersio, cum se conuertit ad deum, meritum est aeternae uitae consequendae, ut sit aeterna uita, sicut dictum est, ipsa cognitio. Das Zitat Io 17, 3 zum Ausdruck dieses Gedankens findet sich beim frühen Augustinus auch noch mor. 1, 47; diu. qu. 35, 2; lib. arb. 2, 6; dann trin. 1, 17. 30–31; cons. eu. 3, 86 u. ö. Vgl. zur Sache auch c. Faust. 32, 18: docemus etiam non dixisse Paulum: cum uenerit quod perfectum est (I Cor 13, 10), nisi de perfectione illa, quae in perceptione uitae aeternae futura est. hoc enim cum loqueretur, uidemus enim, inquit, nunc per speculum in aenigmate, tunc autem facie ad faciem (I Cor 13, 12) sowie s. 362, 31: illa uita in contemplatione ueritatis non solum ineffabiliter, sed […] et delectabiliter permanebit. 778 Diese Tendenz durchzieht alle seine Auslegungen der Maria-und-Martha-Perikope (s. o. Anm. 754): Angesichts von Jesu’ Wort Lc 10, 42 unum est necessarium: Maria optimam partem elegit, quae non auferetur ab ea betont Augustinus von Anfang an (so schon qu. eu. 2, 20 und trin. 1, 20), damit sei auch die actio in dieser Welt als gut und nützlich anerkannt. In den Predigten zu dieser Perikope warnt er seine Hörer vor dem Missverständnis, Jesus leugne die Bedeutung christlicher Liebestätigkeit: So bes. s. 104, 2–3; auch s. 103, 5; 179, 3. 779 […] Pythagoras uero magis contemplatiuae […] institisse. 780 Der Begriff magis impliziert im Unterschied zu potius, dass auch der Wert der weniger bevorzugten Variante nicht bestritten werden soll. Vgl. dazu im TLL s. v. magis 8.0.53.23–24 die aus einem Synonymenverzeichnis angeführte Definition (Diff. ed. Beck p. 68, 3): magis sic alterum ex duobus profert, ut utrumque probet; potius alterum probat, alterum damnat. Verkürzt und verderbt bei Isidor von Sevilla, Differentiae 1, 378 (PL 83, 49AB): Inter Magis et potius. Magis est alterum ex duobus praeferre, utrum comparet; potius alterum damnat. 781 maxime […] contemplatio perspectionem sibi uindicat ueritatis. 782 Vgl. nochmals Seneca, De otio (= dial. 8), hier 7, 1: […] nec ille, cuius uita actionibus destinata est, sine contemplatione est.

168

Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

haben also die Adnotationes in Iob zu der allmählichen Entwicklung von Augustins Gedanken beigetragen783.

6.1.3 Zusammenfassung: Lateinischer Text und Übersetzung Seite / Zeile Zycha

lateinisch

deutsch

366, 14–16

Est enim argenti locus unde fit (Iob 28, 1a): prudentes, qui magis in actione sunt. locus autem auro, ubi purgatur (Iob 28, 1b): sapientes, qui in contemplatione sunt.

Es gibt nämlich eine Stelle des Silbers, von der aus es gewonnen wird (Iob 28, 1a): die Verständigen, die mehr im aktiven Leben stehen. Es gibt aber eine Stelle für das Gold, wo es gereinigt wird (Iob 28, 1b): die Weisen, die in der Gottesschau leben.

6.2 Augustins Auslegung zu Iob 28, 2a 6.2.1 Der Text der Adnotationes in Iob Augustinus zitiert zunächst das Lemma Iob 28, 2a: (566, 16–17) ferrum enim784 de terra fit785 und formuliert anschließend seine Auslegung in vier teilweise schwierigen Sätzen. Der derzeitige Standardtext lautet: 1. (566, 17–18): haec786 metalla787 indifferenter accipienda in bono788 sunt789;

783 Gegenüber der neugewonnenen Differenzierung zwischen prudentia und sapientia hat die Differenzierung zwischen Silber und Gold weniger stark nachgewirkt. Soweit wir sehen, hat Augus­tinus die beiden Metalle nur noch einmal als Symbole für zwei verschiedene Menschengruppen interpretiert: In s. 8, 16 (= s. Frangip. 1, 16; datiert 403: Gryson 232) deutet er das Gold und Silber, das die Israeliten bei ihrem Auszug aus Ägypten mitnahmen, als deren sapientes bzw. eloquentes. Dann erlahmt sein Interesse an diesem Unterschied. Sooft er später auf die uasa ­aurea et argentea von II Tim 2, 20 zu sprechen kommt, behandelt er beide Glieder summarisch als Symbol für gute Christen im Gegensatz zu den uasa lignea et fictilia, die ebenso undifferenziert für schlechte Christen stehen: so en. Ps. 80, 14 (datiert 403 oder 411: Müller 828); c. ep. Parm. 3, 25 (datiert 403/4: Gryson 226); bapt. 3, 26; 4, 18; 7, 99 (datiert 2. Halbjahr 404: Gryson 208); s. 340A, 9 (= s. Guelf. 32, 9; datiert Ende 411: Gryson 252); s. 15, 2 (datiert 418: Gryson 232). 784 autem N. 785 ait K. 786 haec + enim B. Vgl. zu diesem und anderen erläuternden Zusätzen des ω1-Fraters Trenkler (2017) 231–234. 787 metella B. 788 in bono accipienda B R CUV M Am. Er. Lovv. 1+2. 789 sunt in bono OQ.

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2. (566, 18–19): nam ideo ferrum790 dixit791, quia nihil interest, quasi superius de ferro diceret 3. (566, 19): (quamuis792 ferrum possint793 fortes intellegi). 4. (566, 19–21): re794 uera enim nulla distinctio795 est in sapientia hominum quam796 in ea797 sunt798.

Nach Ausweis der Fußnoten ist die Überlieferung dieser Passage von vielen unwesentlichen Varianten der ω2-Rezension und von kleinen Eingriffen des ω1-Fraters geprägt. Erst die weitere Analyse zeigt, dass der vierte Satz am Ende verderbt ist. Dieses Problem lässt sich jedoch erst im Rahmen der genaueren Kommentierung besprechen und lösen.

6.2.2 Augustins Auslegung 6.2.2.1 Augustins dreifaches Anliegen Insgesamt verstehen wir Augustinus so, dass er in seiner Exegese drei Gesichtspunkte zusammenbringen will: Er will das Verhältnis zwischen dem Begriff ferrum von v. 2a und den Begriffen argentum und aurum von v. 1ab klären, will den Hinweis in v. 2a auf terra als Fundort des Eisens aufgreifen und vor allem nachweisen, wie bereits in seiner Auslegung des Lemmas Iob 28, 1ab, inwiefern der Wertunterschied zwischen argentum und aurum, also zwischen actio und contemplatio, doch nicht von letzter Bedeutung sei.

6.2.2.2 Einzelerklärungen 6.2.2.2.1 Satz 1: (566, 17–18) haec metalla indifferenter accipienda in bono sunt. Dieser Satz zeugt von Augustins Anliegen, im vorliegenden Kontext die Differenz zwischen actio und contemplatio möglichst klein erscheinen zu lassen. Seine Formulierung bündelt in aller Kürze mehrere Assoziationen. Die These „Die genannten Metalle (also argentum, aurum und ferrum) müssen unterschiedslos in einem positiven Sinn aufgefasst werden“ ist alles andere als selbst 790 ferrum + enim B. 791 dicit N. 792 quamuis + etiam V; quamuis + per B Am. Er. Lovv. 1+2. Zum per in B s. Trenkler (2017) 243. Für den Zusatz von Präpositionen durch den ω1-Frater vgl. Trenkler a. a. O. 231–232. 793 possunt B YZ. 794 re om. B. 795 diffinitio Z. 796 quoniam WXZ. 797 Statt in ea: mea TP (unklar H K). 798 in ea sunt om. R.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

verständlich. Alle drei Metalle nämlich sind für den gebildeten Römer vor allem negativ konnotiert. Bei aurum assoziierte man sofort Vergils auri sacra fames799. Plinius nennt argentum die (sc. auf Gold) sequens insania800, nachdem er zuvor ausführlich gegen den verbreiteten Gold- und Silberluxus polemisiert hat. Bei ferrum lässt dessen metaphorische Bedeutung als „Schwert“ oder „Lanze“ an tödliche Angriffswaffen denken801: Ovid spricht in der Weltalterpassage vom nocens ferrum802 und schildert das eiserne Zeitalter als Periode völligen moralischen Verfalls803. Auch Plinius verbindet Eisen schon bei dessen erster Erwähnung mit dem Stichwort temeritas und charakterisiert es als auro etiam gratius inter bella caedesque804. Augustinus assoziiert Eisen – wie bereits Ovid – normalerweise mit dem Adjektiv durus805 im negativen Sinn806. Sogar in den Adnotationes interpretiert er ferrum an einer späteren Stelle eindeutig negativ als Symbol der duri et acuti, also der verhärteten Christenverfolger807. Es ist also auffällig, dass er im vorliegenden Zusammenhang mit Iob 28, 1b eine negative Konnotation ausschließt. Negative Assoziationen verbinden sich womöglich noch eindeutiger mit der zweiten Bedeutung des Begriffs metalla im Sinne von „Bergwerke“. Auch diese Nuance liegt hier nahe, denn in Iob 28, 1ab wird von den loci gesprochen, an denen Silber und Gold gewonnen bzw. verarbeitet werden, und in v. 2a heißt es, dass das Eisen aus der terra gewonnen wird. Tatsächlich hat Ambrosius im Zusammenhang mit Iob 28, 1 auf diesen Punkt hingewiesen808. Die negative Assoziation ergibt sich daraus, dass die damnatio ad metalla, also die Verurteilung zu lebenslänglicher

799 Vergil, Aen. 3, 57. Die breite Nachwirkung dieses geflügelten Wortes wird dokumentiert bei Otto (1890) 49–50 s. v. aurum 5) sowie bei Häussler (1968) 96.139.233. Auch Ambrosius evoziert das Zitat in seiner Paraphrase von Iob 28, 1 mit der Formulierung (Job 2, 22; 247, 5–6 Schenkl) cum igitur nihil prosit uana fames auri, […]. Plinius nennt das Gold uitae pestem (nat. 33, 4). Etwas weiter (a. a. O. 33, 6) fügen die Hss. einen Verweis auf das Vergilzitat ein. Plinius selbst spielt auf das Zitat an a. a. O. 33, 72. 800 Plinius, nat. 33, 95. 801 Im OLD s. v. ferrum (758–759) sind die Unterpunkte 3 bis 7 (von insgesamt 8) solch negativen Facetten des Wortes gewidmet. 802 Ovid, met. 1, 141. 803 Ovid, met. 1, 127–129: de duro est ultima (sc. proles) ferro. / protinus inrupit venae peioris in aevum / omne nefas: fugere pudor verumque fidesque. 804 Plinius, nat. 33, 1. Differenzierter äußert er sich über die Ambivalenz des Eisengebrauchs a. a. O. 34, 138. 805 Vgl. Anm. 803. 806 s. 114A, 5 (= s. Frangip. 9, 5): tamquam ferrum durum non corrigis; loc. 5, 9: et eduxit uos de fornace ferrea ex Aegypto (Dt 4, 20): fornacem ferream duram tribulationem intellegi uoluit. Vgl. noch ep. 149, 33 und en. Ps. 104, 13. 807 Iob 39, 22b (621, 6–8): nec se auertit  a ferro (Iob 39, 22b)  (Subjekt zu se auertit ist das Schlachtross als Symbol des vorbildlichen Märtyrers): […] quia sunt (sc. die Christenverfolger) et duri ad non consentiendum ueritati et acuti ad persequendum, a quibus se non auertit. 808 Ambrosius glossiert in Iob 2, 22 (246, 24 – 247, 1 Schenkl) Iob 28, 1b und a (sic!) mit der Formulierung aurum in metallis, argentum in metallis und fährt fort (247, 1–2) de metallo eruitur et in metallum reuertitur.

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Zwangsarbeit im Bergwerk, abgesehen von der Todesstrafe die schwerste Strafe im römischen Reich war809. Augustinus formuliert hier mit Bedacht „Die genannten Metalle müssen unterschiedslos in einem guten Sinn aufgefasst werden“810. Er behauptet also nicht etwa, Gold, Silber und Eisen seien alle gleichwertig. Vielmehr setzt er eine neuplatonische Denkform voraus: Danach hat alles Seiende als solches auch Anteil am Guten. Da jedoch die Intensität dieses Anteils sehr verschieden ist, ergibt sich eine differenzierte Abstufung, die jedem Seienden seinen Ort auf einer Skala zwischen mehr und weniger Gutem zuweist. Damit lässt sich aber grundsätzlich alles Seiende gut nennen, ohne zu bestreiten, dass manches Seiende besser als anderes ist811. Damit ist diese Denkform wie geschaffen für Augustins Anliegen, in der Martha-Maria-Problematik gleichermaßen sowohl die Gleichwertigkeit als auch die Unterschiedlichkeit von actio und contemplatio auszusagen812. Da es ihm – wie oben gezeigt – auch im vorliegenden Kontext um diese Frage geht und schon durch die bloße Aufzählung von Gold, Silber und Eisen zunächst einmal der Aspekt des Wertunterschiedes vorgegeben war813, musste es Augustinus darum gehen, um der Balance willen eher das den drei Metallen Gemeinsame zu betonen. Dass er dieses Gemeinsame im Positiven (und nicht etwa in dem negativen Aspekt der von ihnen ausgehenden Gefährdungen) findet, folgt aus seiner vorangehenden Allegorese von Silber und Gold als Symbole für die prudentes bzw. sapientes, also für spirituell fortgeschrittene Christen, deren potentielle Sündhaftigkeit hier nicht im Blick ist814. 809 Geerlings (2010) 336. Dort 339–344 eine Zusammenstellung der Testimonien über von der damnatio ad metalla betroffene Christen. Kurz zu metallum und Strafvollzug auch Hübner (2012) 5. Trotzdem sah Augustinus die damnatio ad metalla nicht nur kritisch. In s. 125, 5 (datiert Fastenzeit 400/405: Gryson 238) führt er die Verurteilung eines Einbrechers zu dieser Strafe als Beispiel einer funktionierenden Weltordnung an: effractor esse uoluit nescio quis: nouit lex iudicis quia contra legem fecit; nouit lex iudicis ubi illum ponat: ordinat illum optime. ille quidem male uixit: sed non male ordinauit lex. ex effractore erit metallicus: de opere metallici quanta opera construuntur? 810 Vgl. für die Formulierung zwei andere Stellen aus den Adnotationes: 38 (608, 5–8): austrum, quamuis mortalibus carnibus grauis sentiatur, non tamen uspiam memini in sanctis libris mali aliquid significare, sicut aquilonem numquam in bono; 38 (609, 29 – 610, 3): utrum glacies in bono accipienda est propter stabilitatem et a fluxu continentiam, ut ita dictum sit: de cuius utero procedit glacies (Iob 38, 29a), quemadmodum illud: quis est pluuiae pater (Iob 38, 28a)? 811 Vgl. c. ep. Man. 25, 27: quare si uobis (sc. Manichaeis) iam persuadetur posse aliquid boni omnipotentem deum de nihilo facere, uenite in catholicam et discite omnes naturas, quas fecit et condidit deus, excellentiae gradibus ordinatas a summis usque ad infimas, omnes bonas, sed alias aliis esse potiores. 812 Nach Lc 10, 42 hat Maria das beste Teil (die contemplatio) erwählt; das heißt aber nicht, dass nicht auch Marthas Teil (die actio) gut und nützlich ist: So Augustinus schon in seiner ersten Auslegung der Perikope in qu. eu. 2, 20 und trin. 1, 20. 813 Auch Julian von Aeclanum weist zu Iob 28, 2 auf den Unterschied zwischen Silber und Gold als metalla superiora und Eisen als metallum inferius hin: in Iob 28, 2 (74, 24–26 de Coninck). 814 Vgl. Augustins Ausführungen zur bald positiven, bald negativen Bedeutung identischer Ausdrücke in doctr. chr. 3, 36: huius igitur uarietatis obseruatio duas habet formas: sic enim aliud atque aliud res quaeque significant, ut aut contraria aut tantummodo diuersa significent. contraria

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6.2.2.2.2 Satz 2: (566, 18–19) nam ideo ferrum dixit, quia nihil interest, quasi superius de ferro diceret. Dieser zweite Satz der Auslegung ist auf den ersten Blick kaum verständlich: ein sprechender Beweis dafür, dass auch ein Augustinus im Kreis seiner Fratres nicht immer druckreif formulierte. Erst wenn man sich die Parallelität zwischen der Aussage in Iob 28, 2a ferrum enim de terra fit und der vorangehenden Aussage in Iob 28, 1a est enim argenti locus unde fit vergegenwärtigt, kann man sich zusammenreimen, dass Augustinus auf die folgende, hier der Verständlichkeit halber breit paraphrasierte Aussage hinauswollte: „Denn deshalb hat er (sc. der Sprecher Ijob in Vers 2a) das Eisen genannt, weil es keinen Unterschied gibt, als ob er zuvor (sc. in Vers 1a)  vom Eisen spräche816“. Weil quasi keinen indirekten Fragesatz einleiten kann, wie er sonst zuweilen von interest abhängt817, ist der quasi-Satz als locker angefügte Explikation zur These quia nihil interest aufzufassen. Inhaltlich unterstreicht der Satz erneut Augustins Anliegen, die Gleichwertigkeit der Metalle zu behaupten: Während der vorige Satz mit der Formulierung indifferenter in bono accipienda sunt, wenn neuplatonisch aufgefasst, nicht ausschließt, dass das, was gleichermaßen gut genannt werden muss, trotzdem von verschiedener Güte sein kann, geht Augustinus hier noch einen Schritt weiter, indem er mit quia nihil interest zu bestreiten scheint, dass überhaupt ein Unterschied besteht. Erst bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass auch diese Aussage zutrifft, sofern man sie auf einen Teilaspekt beschränkt, nämlich die Gewinnung (fit) aus terra lt. Iob 28,

scilicet, cum alias in bono, alias in malo res eadem per similitudinem ponitur, sicut hoc est quod de fermento supra diximus, samt den weiteren dort folgenden Beispielen. Ausführlich auch ciu. 14, 7 zur je nach Kontext zwischen in bono et in malo schwankenden Bedeutung der Begriffe amor und dilectio. Vgl. zur Mehrdeutigkeit biblischer Begriffe je nach Kontext auch noch cons. eu. 2, 72. 815 Wir wählen diese Paraphrase, weil wir weder im TLL oder OLD noch im CAG einen Anhalt dafür finden, dass ferrum im allgemeinen Sinn von „Metall“ als Oberbegriff für andere Metalle (hier das Silber) gebraucht werden könnte. 816 Das diceret ist nicht vorzeitig aufzufassen, wie man vom Sinn her vermuten könnte, sondern gehorcht den Regeln der consecutio temporum: Vgl. dazu die Sammlung von quasi-Sätzen mit Konjunktiv in Augustins Briefen bei Paluszak (1935) 311. Augustinus hält sich also an die klassischen Regeln für die Tempora in quasi-Sätzen (vgl. dazu Kühner / Stegmann (1962) 2, 453–455 und Leumann / Hofmann / Szantyr 2 (1965) 674–675). 817 Zu den verschiedenen Konstruktionen, die von interest abhängen können, vgl. Kühner / Stegmann (1962) 1, 461 mit drei Beispielen zum abhängigen Fragesatz bei Cicero. Bei Augustinus findet sich interest mit abhängigen Fragesätzen häufiger: so in den Frühschriften mit utrum (sol. 1, 19; mor. 2, 57; mus. 4, 9), quamdiu (imm. an. 6), quo ordine (mus. 5, 28), quibus spatiis (mus. 6, 21) und zur Zeit der Adnotationes z. B. mit unde (conf. 6, 10), quis quo loco (cons. eu. 2, 51), quam diuersus modus (cons. eu. 2, 121).

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1a und 2a bzw. die gemeinsame Zugehörigkeit aller genannten Metalle zur Klasse der Bodenschätze818. 6.2.2.2.3 Satz 3: (566, 19) (quamuis ferrum possint fortes intellegi) Bevor Augustinus seine These weiter ausführt, dass es zwischen den Metallen, soweit es ihre Herkunft betrifft, keinen Unterschied gebe, fügt er als dritten Satz seiner Exegese von Iob 28, 2a in Parenthese noch die ergänzende Idee ein, das Eisen könne auch die fortes symbolisieren: (566, 19) quamuis ferrum possint fortes intellegi. Diese Allegorie hat in seinen Werken keine Parallele, ist hier also offensichtlich ein spontaner, wenn auch naheliegender Einfall819, wie man das Eisen in Parallele zu Silber und Gold als Symbol einer fortgeschrittenen christlichen Gruppe verstehen könnte. Bei dem Begriff uiri fortes denkt Augustinus typischerweise an solche Christen, die auch in Versuchungen standhaft bleiben820. Im Zusammenhang der vorliegenden Auslegung dient die schnell eingeschobene Gleichung zwischen ferrum und fortes vor allem dazu, dass der Leser unter den „Menschen“, von denen der nächste Satz spricht (566, 20 hominum), nicht nur die prudentes und sapientes der Auslegung von Iob 28, 1ab, sondern auch die fortes der Exposition von Iob 28, 2a verstehen kann. Damit stellt Augustinus den beabsichtigten unterschiedslosen Bezug seiner folgenden Ausführungen über die spirituelle

818 Augustinus geht davon aus, dass Gold aus der Erde gewonnen wird: Vgl. en. Ps. 76, 9: si scrutaretur iste terram, ut uenas auri inueniret, nemo eum desipere diceret. Auch Plinius notiert, dass alle Metalle aus der Erde abgebaut werden: nat. 33, 1–3. Dieser Umstand ist in seinen Augen keine Selbstverständlichkeit, weil nicht nur Gold auch aus Flüssen gewonnen wurde (vgl. a. a. O. 33, 66), sondern auch der Eisenabbau zum Teil von vorangehenden Überschwemmungen abhing (vgl. a. a. O. 34, 142). Auch der Verfasser der Katene zu Iob 28, 1–2 hat in Olympiodors Kommentar die Notiz eingefügt, dass die vor dem Kupfer genannten Elemente (also Gold, Silber und Eisen) aus der Erde gewonnen werden: Hagedorn / Hagedorn, Katenen 3 (2000) 58, 7–8. Dieser Passus stammt nicht aus dem Original (Hagedorn / Hagedorn (1984) 231, 7–8). 819 Auch der Arianer Julian nennt das Eisen von Iob 28, 2a κραταιόϚ (168, 19 Hagedorn). Unabhängig von Augustinus deuten Philippus Presbyter ferrum in Iob 28, 2a als fortitudo im Sinn des tapferen Kampfes gegen die malitia carnis nostrae (in Iob rec. long., PL 26 = Hieronymi tom. 7, 696 BC) und Gregor der Große etwas anders als Symbol für fortes uiri im Sinne von Vorkämpfern für den Glauben (moral. 18, 44; 914, 7 ff. Adriaen). 820 Vgl. qu. eu. 2, 44, 2: Danihel autem, quia elegit caelibem uitam, id est nuptias terrenas contempsit, ut, sicut dicit apostolus, sine sollicitudine uiueret cogitans quae sunt dei (cf. I Cor 7, 32), genus eorum significat qui sunt in otio, sed tamen fortissimi in temptationibus. In ciu. 14, 9 führt Augustinus aus, dass echte Christen die Versuchung einerseits fürchten und andererseits herbeisehnen. In diesem Zusammenhang heißt es: ut autem cupiant temptari, audiunt quendam uirum fortem ciuitatis dei dicentem: proba me, domine, et tempta me; ure renes meos et cor meum (Ps 25, 2). Wenig später nennt Augustinus dort Paulus einen optimum et fortissimum uirum. Im vorliegenden Kontext hängt die Deutung des ferrum als Symbol für Christen, die sich mit Versuchungen auseinanderzusetzen haben, vermutlich auch damit zusammen, dass Augustinus in der folgenden Auslegung von Iob 28, 2b von fortgeschrittenen Gläubigen sprechen wird, die durch den Umgang mit schlechten Christen versucht werden. S. u. Kap. 7.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

Entwicklung christlicher Gruppen auf alle drei in den Teil-Lemmata Iob 28, 1–2a genannten Metalle her, in denen er solche Gruppen symbolisiert sieht. 6.2.2.2.4 Satz 4: (566, 19–21) re uera enim nulla distinctio est in sapientia hominum, quam in ea sunt. Hier wird der theologisch-philosophische Schluss aus der These vom fehlenden Unterschied zwischen den Metallen bzw. den durch sie symbolisierten christlichen Gruppen gezogen. 6.2.2.2.4.1 Der Hauptsatz Die Schlusswendung quam (quoniam WXZ) in ea sunt halten wir für verderbt. Bevor wir jedoch auf dieses Problem eingehen, betrachten wir zunächst den Hauptsatz re uera enim nulla distinctio est in sapientia hominum. Diese Aussage scheint zwar Augustins gerade erst zu Iob 28, 1ab entwickelter Unterscheidung zwischen prudentes und sapientes zu widersprechen, die impliziert, dass es den prudentes an voller sapientia mangelt, entspricht aber der nun schon mehrfach beobachteten Tendenz, diese Differenz möglichst herunterzuspielen. Offenbar mit dem Ziel, diese zunächst überraschende Nivellierung biblisch zu begründen, kleidet Augustinus seine Aussage in Anspielungen auf zwei paulinische Formulierungen, die seiner These theologische Autorität verleihen. Der Ausdruck […] enim nulla distinctio est evoziert Rm 3, 22 non enim est distinctio. Dort geht es bei Paulus nicht um sapientia, sondern lt. dem folgenden Vers Rm 3, 23 omnes enim peccauerunt um die unterschiedslose Sündhaftigkeit aller Menschen. Augustinus deutet mit dieser Anspielung also vermutlich an, dass sich die Unterschiede menschlicher sapientia dann nivellieren, wenn man die allen Menschen gemeinsame Sündhaftigkeit in den Blick nimmt. Die Wendung […] est in sapientia hominum spielt auf I Cor 2, 5 […] ut fides uestra non sit in sapientia hominum an. Hier besteht die assoziative Brücke zwischen Augustins Aussage und dem paulinischen Original darin, dass die sapientia hominum in beiden Kontexten kritisch gesehen wird. Wieder wird die Sorgfalt deutlich, mit der Augustinus formuliert: Er wertet nicht die sapientia als solche ab, sondern insinuiert, dass Menschenweisheit im Vergleich zur göttlichen Weisheit auf einer so niederen Ebene liegt, dass etwaige Unterschiede zwischen den Menschen keine Rolle spielen. Möglicherweise steht hier auch der Vers Agg 2, 9 meum est aurum, et meum est argentum als Katalysator-Zitat im Hintergrund, den Augustinus bereits als Presbyter in s. 50821 ausführlich gegen die Manichäer verteidigt und dabei auch in dem Sinn ausgelegt hatte, dass alle durch aurum symbolisierte sapientia Sache Gottes, nicht der Menschen und daher kein Grund zur menschlichen Selbstüberhebung sei822. 821 s. 50 wird von Gryson 234 auf etwa 394/395 datiert. 822 s. 50, 1 ff. Vgl. hier besonders 11: subiecit: meum est argentum et aurum (Agg 2, 9). omnis enim sapientia quae nomine auri figurate significatur, […] non est hominum sed domini, […] ne quis forte […] in ecclesia, si quid sapienter potuerit uel sentire uel dicere quasi sua propria uolens

Kapitel 6: Iob 28, 1–2a bei Augustinus

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6.2.2.2.4.2 Die verderbte Schlusswendung Unser Verdacht, die überlieferte Schlusswendung quam in ea sunt sei verderbt, gründet sich auf zwei Details, die unterschiedslos in beiden Rezensionen überliefert sind und demnach schon auf den gemeinsamen Archetypos zurückgehen. Zum einen ist quam nicht zu konstruieren, weder als Vergleichspartikel noch als Nebensatzeinleitung. Deshalb hat der Bearbeiter der gemeinsamen Vorlage der italienischen Handschriften WXZ (15. Jh.) quam durch quoniam ersetzen wollen. Offenbar war er angesichts der Verwechselbarkeit der frühen Kürzel für quam und quoniam823 der Meinung, ein früherer Schreiber habe die beiden Worte irrtümlich vertauscht. Aber weil das Einsetzen von quoniam zwar einen syntaktisch korrekten Nebensatz, aber immer noch keinen Sinn ergibt, hilft diese diagnostische Konjektur nicht weiter. Weiter führt dagegen ein Blick in die vorliegenden Übersetzungen. Sie zeigen zunächst einmal, dass man an der Lesart quam nur scheitern kann. Der amerikanische Übersetzer will offenbar quam als Vergleichspartikel auffassen, wenn er schreibt: „In fact, there is no distinction in the wisdom of human beings any more than in these [metals].“824 Aber seine Version scheitert am Fehlen eines Komparativs im Kontext, am Plural sunt und nicht zuletzt daran, dass es am Schluss in ea und nicht in eis heißt. Die französische Übersetzung überspielt das Problem des quam durch eine freie Paraphrase: „La sagesse est la même chez tous les hommes; elle s’y trouve seulement à des degrés différents.“825 Die italienische Übersetzung löst sich an der entscheidenden Stelle noch weiter vom Text: „non c’è distinzione nella sapienza degli uomini all’infuori826 dell’ essere o no in suo possesso.“827 Dagegen scheint der spanischen Übersetzung die richtige Emendation zu Grunde zu liegen. Sie lautet: „no hay diferencia alguna en la sabiduria de los hombres mientras permanecen en ella.“828 Das mientras („während“) lässt vermuten, dass der Übersetzer J.  Cosgaya das sinnlose quam stillschweigend zu quam („solange“) ergänzte. Das ist auch u. E. die richtige, sowohl syntaktisch als auch inhaltlich überzeugende Lösung. Denn die Fassung quam sunt in + Ablativ ergibt eine Konstruktion und Aussage, die sich bei Augustinus sehr häufig findet als Anspielung auf den Paulusvers II Cor 5, 6 quam diu sumus in hoc corpore, peregrinamur a domino829. Inhaltlich geht es in allen uideri extollatur. Vgl. auch trin. 14, 15: sic enim dicitur ista hominis sapientia ut etiam dei sit. tunc enim uera est; nam si humana est, uana est. 823 Für diese Verwechselbarkeit vgl. Lindsay (1915) 219. 265. 824 Lienhard (2016) 665. 825 Joyeux (1866) 615. 826 all’ infuori heißt „ausgenommen“. 827 Tarulli (1999) z. St. 828 Cosgaya (1992) 87. 829 In diesem Wortlaut zitiert in adn. 36 (587, 5–6).

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

Fällen um die Beschreibung eines noch vorläufigen, unvollkommenen Zustandes der Christen, der erst im Leben nach dem Tode überwunden werden wird830. Die vorliegende Stelle enthält aber noch ein zweites Textproblem. Zwar hat J. Cosgaya das Problem des quam überzeugend gelöst, jedoch u. E. übersehen, dass auch die überlieferte Lesart in ea sehr wahrscheinlich fehlerhaft ist. Wie die spanische Übersetzung zeigt, liegt es vom Satzverlauf her nahe, das ea auf sapientia zu beziehen. Allerdings ergibt die Aussage „solange sie“ (sc. die Menschen) „in dieser sind“, wie sie Cosgaya bietet, keinen Sinn. Es müsste stattdessen etwa heißen „solange sie in dieser (sc. allen Menschen gemeinsamen unvollkommenen) Lage bzw.Verfassung sind“. Das würde aber bei Augustinus eher quam diu sunt in ea condicione lauten831. Angesichts des Kontextes, in dem Augustinus ausgehend von (566, 16) Iob 28, 2a ferrum enim de terra fit zunächst nur andeutend, im Folgenden aber von 566, 21 bis 567, 1, also über viele Zeilen hinweg immer offener seine These entwickelt, dass und in welchem Sinne alle Metalle gleichermaßen „aus der Erde“ kommen, schlagen wir deshalb vor, das überlieferte ea in terra zu verbessern. Der so rekonstruierte Teilsatz quam diu sunt in terra wäre in sehr passender Weise mehrdeutig: Der Ausdruck in terra bliebe zum einen im Rückblick auf Iob 28, 2a im Bilde und hieße „noch in der Erde“, zum anderen aber wäre er nach Augustins üblichem spirituellem Sprach­ gebrauch auch im Sinne von „noch hier auf Erden“ zu verstehen, wo (im Gegensatz zur künftigen himmlischen Herrlichkeit) ohnehin noch keine volle sapientia im Sinne der Gotteserkenntnis zu erhoffen ist832. Entsprechend kommen als Subjekte des sunt sowohl die Metalle von Iob 28, 1–2a als auch die durch sie symbolisierten verschiedenen Menschengruppen in Frage. In jedem Fall erklärt erst die durch 830 Vgl. nur en. Ps. 38, 21; 48, 1, 5; 64, 1; 114, 8; 123, 2; 148, 4. 831 Vgl. zu dieser Ausdrucksweise Augustins Kommentar zu Iob 14, 18 in adn. 14 (539, 19–20): et petra ueterascit in loco suo (Iob 14, 18b): ut homo in genere suo et condicione sua; c. Fel. 2, 11: Augustinus dixit: quos Christus redemit a diabolo, per consensionem suam tenebantur a diabolo et in eius condicione constituti erant; s. 229H, 1 (= s. Guelf. 12, 1): in condicione mortalitatis nostrae; ciu. 13, 19: in hac itaque durissima condicione constituit (sc. deus) etiam bonas atque sapientes animas; ciu. 19, 8: in huius uitae misera condicione; ciu. 19, 27: in hac tamen condicione mortali et corpore corruptibili, quod adgrauat animam (Sap 9, 15), non perfecte uitiis imperat ratio; ep. 190, 23: in omni sexu, aetate, condicione generis humani. 832 Vgl. etwa c. ep. Parm. 2, 16: sic oratio pro inuicem membrorum omnium adhuc in terra laborantium ascendet ad caput quod praecessit in caelum, in quo est propitiatio pro peccatis nostris (1 Io 2, 2); pecc. mer. 2, 18: sunt ergo in terra iusti, sunt magni, fortes, prudentes, continentes, patientes, pii, misericordes, temporalia mala omnia propter iustitiam aequo animo tolerantes sowie als biblischer Beleg Ecl 7, 21 non est iustus in terra qui faciet bonum et non peccabit (so zitiert ep. 167, 14; Io. eu. tr. 95, 2; spir. et litt. 65), aber auch in anderer Fassung: non est homo iustus in terra, qui faciat bonum et non peccet (so perf. iust. 37). Im Hintergrund stehen wieder die paulinischen Kernaussagen über die Weisheit dieser Welt (allerdings mit den Stichworten hic mundus bzw. hoc saeculum, nicht haec terra): so I Cor 1, 20 nonne stultam fecit Deus sapientiam huius mundi? (zitiert etwa in s. 46, 28; 68, 3; bes. 240, 4; s. Dolbeau 22, 24) und die seltener angeführte Stelle I Cor 3, 18–19 si quis uidetur inter uos sapiens esse in hoc saeculo, stultus fiat, ut sit sapiens; sapientia enim huius mundi stultitia est apud Deum (zitiert in cons. eu. 2, 72 und trin. 14, 1).

Kapitel 6: Iob 28, 1–2a bei Augustinus

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Cosgayas quam zurückgewonnene eschatologische Perspektive, warum Augustinus im vorliegenden Kontext einerseits seine übliche Unterscheidung zwischen den prudentes und sapientes wiederholen, aber anschließend behaupten kann, ohne einen Widerspruch zu empfinden, während des Erdenlebens gebe es letztlich keinen Unterschied in der sapientia hominum. Da die Lesarten quam und in ea in beiden Rezensionen überliefert sind, dürften sie schon bis auf den Archetypos zurückgehen und durch die Umschrift des Stenogramms in Fließtext veranlasst sein. Tatsächlich lässt sich die Verwechslung von terra und ea durch die Ähnlichkeit der betreffenden tironischen Kürzel leicht erklären833. Da ferner die drei nebeneinanderstehenden Wörter quam, diu und in im Stenogramm sämtlich nur durch einfache oder leicht geschlängelte Schräg- oder Senkrechtstriche von gleicher Höhe angedeutet wurden834, konnte dort der mittlere Strich für diu leicht einer Haplographie zum Opfer fallen, wie sie im Archetypos immer wieder zu beobachten ist.

6.2.3 Zusammenfassung: Lateinischer Text und Übersetzung Seite / Zeile Zycha

lateinisch

deutsch

566, 16–21

ferrum enim de terra fit (Iob 28, 2a): haec metalla indifferenter accipienda in bono sunt; nam ideo ferrum dixit, quia nihil interest (quasi superius de ferro diceret) – quamuis ferrum possint fortes intellegi. re uera enim nulla distinctio est (cf. Rm 3, 22) in sapientia hominum (cf. I Cor 2, 5), quam in terra sunt.

Eisen nämlich wird aus der Erde gewonnen (Iob 28, 2a): diese Metalle müssen unterschiedslos in einem positiven Sinn aufgefasst werden; denn deshalb hat er (sc. Ijob)  das Eisen genannt, weil es (sc. im Hinblick auf die Fundstätten) keinen Unterschied gibt (als ob er zuvor (sc. in Vers 1a)  vom Eisen spräche) – obwohl unter dem Eisen auch die starken Christen verstanden werden können. Tatsächlich nämlich gibt es keinen Unterschied (cf. Rm 3, 22) in der Weisheit der Menschen (cf. I Cor 2, 5), solange sie auf Erden leben.

833 Vgl. zu ea: Kopp (1817) 114 und Chatelain (1900) 69 sowie zu terra: Kopp 368 und Chatelain 33. 834 Vgl. zu quam: Kopp a. a. O. 304 und Chatelain a. a. O. 70; zu diu: Kopp 110 und Chatelain 41; zu in: Kopp 163 ff. und Chatelain 42. 93–97.

Kapitel 7: Iob 28, 2b-3a bei Augustinus Zur Gliederung Augustins Auslegung dieser kurzen Lemmata ist sehr ausführlich und inhaltsreich. Auch seine dispositio erweist sich als überraschend kunstvoll. Um diesen Besonderheiten gerecht zu werden, haben wir die folgenden Erläuterungen stärker untergliedert als in Kapitel 6. 

7.1 Der Text der Adnotationes in Iob 7.1.1 Der Standardtext nach Zycha adn. Iob 28 (566, 21–567, 1): aes835 autem836 similiter837 ut lapides838, 839 excluditur840 (Iob 28, 2b): quia totum de terra separatur841; ut ostendat propterea esse bonos malis mixtos ad tempus, quia de ipsis malis842 secluduntur843 boni et per illos purgantur844 tamquam metalla operi uel aedificio845 necessaria846, cum ipsa terra847 opus habeant848 eliquari atque849 formari, unde et850 separandi851 sunt, ut post hanc852 separationem habeat terra locum atque853 ordinem suum sicut inpii per damnationem854 pro meritis suis.

835 Es KN QR WXZ Am.; Est CUV M; Eas B; aes om. P. 836 aut WXZ. 837 super M*, simpliciter M2. Vgl. Trenkler (2017) 183 mit Anm. 14. 838 lapis B. 839 ut lapides similiter H. 840 id est sculpitur uel purgatur excluditur M; exciditur B. 841 seperatur M; superatur Z; speratur B. 842 mali F. 843 secluduntur R Maur. Mign.; seducuntur T* O*, seclucuntur (sic) T2 O2; seducuntur cett. 844 persona agantur Z. 845 hedifitio Z. 846 necessario F. 847 cum in ipsa terra B. Zum Zusatz der Präposition in B vgl. Trenkler (2017) 232, Anm. 26. 848 habeat WXYZ. 849 ac OQR CUV WXYZ Am. Er. Lovv. 1+2 Maur.; ac uel M. 850 est F N; et om. B H*; et H2. 851 se parandi Z; seperandi M. 852 post hanc + uitam V. 853 aut WXYZ. 854 dampnationem + suam R.

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

7.1.2 Anmerkungen zum Standardtext Wir haben in Kapitel 5 dargelegt, dass Augustinus in der ihm vorliegenden Erstfassung O. von Hieronymus’ Versio prior des Buches Ijob den Vers Iob 28, 2b in der Fassung (566, 21) aes autem similiter ut lapides excluditur vorfand855. Diese Version ist jedoch nur in der ω2-Rezension überliefert. Der ω1-Frater hat stattdessen den Text aes autem similiter ut lapis exciditur aus der revidierten Fassung T. eingesetzt, die eine wörtliche Übersetzung der LXX darstellt. Die meisten der angeführten Varianten sind bloße Versehen. Sie zeigen immerhin ebenso wie die erklärenden Zusätze, die in M schon in den Fließtext eingedrungen sind, dass sich Leser und Kopisten mit dem Verständnis der Passage schwer taten. Die sinnvollen Sonderlesarten von B hat Trenkler als Indizien dafür identifiziert, dass der Fragment-Codex B / A eine eigene Rezension der Adnotationes enthält856. Trotzdem birgt diese Passage ein noch ungelöstes textkritisches Problem: Es wird zu entscheiden sein, ob mit den meisten (darunter den ältesten) Handschriften quia de ipsis malis seducuntur boni oder mit einer Konjektur quia de ipsis malis secluduntur boni zu lesen ist.

7.2 Augustins Auslegung 7.2.1 Augustins Kernthese Augustins gesamte Interpretation der biblischen Aussage „Kupfer aber wird ähnlich wie Steine abgebaut“ beruht auf einer doppelten Kernthese. In Augustins Werken erfährt Kupfer (aes) im Unterschied zu Silber und Gold keine allegorische Interpretation. Steine dagegen galten ihm nach biblischem Vorbild als ambivalentes Symbol857 von teils negativer858, teils positiver Bedeutung859. Da im Lemma Iob 28, 2b der Abbau von Kupfer mit dem von Steinen verglichen wird, musste Augustinus entscheiden, in welche Richtung er seine Auslegung ent 855 Kap. 5, Abschnitt 5.4.2.2. 856 Trenkler (2017) 183. 857 Auf diese Ambivalenz weist Augustinus selbst hin. In c. Faust. 15, 4 verweist er zunächst auf I Pt 2, 4 (Christus als lapis uiuus ab hominibus reprobatus, a deo autem electus et honorificatus) und 2, 7–8 (Christus, der lapis offensionis bzw. der lapis, quem reprobauerunt aedificantes, factus est in capite anguli) und sagt dann: aliis lapis ille significauit duram stoliditatem, tibi autem firmam stabilitatem. ep. 164, 16: in figura […], quod de lapide scriptum est, quo significatus est Christus, duo quaedam praenuntiata sunt, et infidelibus offendiculum et fidelibus aedificium. 858 So der lapis von Mt 7, 9b lt. s. dom. m. 2, 73; der lapis von Io 11, 39b lt. diu. qu. 65; der lapis offensionis von Rm 9, 32–33 lt. c. Faust. 12, 9. 859 So der lapis prasinus von Gn 2, 12b lt. Gn. adu. Man. 2, 1; bes. 2, 14; Gott als lapis angularis: exp. prop. Rm. 65; Christus als lapis angularis (Eph 2, 20): ep. Rm. inch. 1; c. Faust. 12, 24; Jakobs Kopfkissenstein (lt. Gn 28, 11. 18) als Christussymbol: c. Faust. 12, 26. 

Kapitel 7: Iob 28, 2b-3a bei Augustinus

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wickeln wollte. Nachdem er im Kontext bereits die Metalle Silber, Gold und Eisen mit Nachdruck positiv als Symbole fortgeschrittener Christen gedeutet hatte, lag nahe, dieselbe Interpretation auch auf Steine und Kupfer auszudehnen860. Die weitere Ausführung dieser Idee ergab sich aus dem auffälligen Stichwort excluditur in Hieronymus’ Erstübersetzung O.  Augustinus nämlich assoziierte excludere vielfach mit separare, und zwar in verschiedenen Kontexten861. Deshalb suggerierte ihm das Lemma Iob 28, 2b hier die These, die seine ganze folgende Auslegung als Leitmotiv bestimmt: (566, 22) quia totum de terra separatur862.

7.2.2 Erklärung der These Augustins These (566, 22) quia totum863 de terra separatur ist mehrdeutig, weil das lateinische totum hier in dreifacher Weise aufgefasst werden kann: Man kann totum entweder nur auf aes beziehen oder als zusammenfasssenden Oberbegriff für aes und lapides verstehen oder sogar als Oberbegriff für alle bisher genannten Bodenschätze Silber, Gold, Eisen, Kupfer und Steine interpretieren. Wenn man totum nur auf das unmittelbar vorher genannte Neutrum aes bezieht, steht es prädikativ im Sinn von „als Ganzes“ bzw. „gänzlich / völlig / ausnahmslos“864. Von der Sache her ist diese Aussage jedoch ihrerseits nicht eindeutig865. Joyeux ver 860 Philippus Presbyter dagegen und Gregor d. Gr. verstehen lapis in Iob 28, 2b negativ als Symbol der Herzenshärte: Philippus, in Iob rec. long. (PL 26 = Hieronymi tom. 7, 696 C); ebenso in Iob rec. breu. (PL 23 = Hieronymi tom. 2–3, 1444 A); Gregorius, mor. 18, 28, 45 (2, 914, 2–13 Adriaen). 861 Antidonatistisch: ps. c. Don. 211–212: sed nobis exemplum datum est malos fratres tolerare,/ ut quando excludi non possunt, solo separemur corde. antihäretisch: en. Ps. 67, 39: hanc enim habent intentionem haeretici doctores, ut ab auribus animarum, quas seducere moliuntur, excludant eos, id est, separent eos. trinitätstheologisch: trin. 1, 19: an forte putabitur exclusus esse ab hac mansione spiritus sanctus? […] non itaque ab hac mansione separatus est . ekklesiologisch: en. Ps. 101, 1, 2: sunt et paenitentes in membris eius. non enim exclusi et separati sunt ab ecclesia eius. Vgl. auch s. 94A, 2 (= s. Caillau II, 6, 2): Ait enim (sc. Paulus): omnes qui pie uolunt uiuere in Christo Iesu, persecutionem patientur (II Tim 3, 12). omnes, ait: neminem exclusit, neminem separauit. 862 Zu separare / separatio als Leitmotiv der ganzen Passage vgl. Trenkler (2017) 183: Sie verweist auf separatur (566, 22) sowie separandi sunt und post hanc separationem (566, 26). 863 Zur Satzeinleitung mit quia totum vgl. aus zeitgenössischen Schriften etwa cat. rud. 38: sed quia totum figurate agebatur […] und besonders das doppelte Wortspiel in c. Faust. 16, 14: et hic cito respondeam: totum te (sc. Faustum) praeteriit, quia totum ille (sc. Moyses) de Christo scripsit. sed quia totum discutere et pertractare non possumus […]. 864 Zu diesem prädikativen Sinn von totum vgl. qu. 7, 53: non autem omne sacrificium holocaustum erat; nam de holocausto non manducabatur, quia totum incendebatur, et ideo uocabatur holocaustum. 865 Mehrdeutig übersetzt auch Tartulli (1999, z. St.): „Cioè lo (sc. il rame) si separa totalmente dalla terra.“ Ebenso Lienhard (2016) 665: „[…] because it (sc. the bronze (sic)) is completely removed from the earth.“

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Dritter Teil: Iob 28, 1–3a

steht totum in seiner Paraphrase im Sinn von „rückstandsfrei“: „ […] parce qu’il (sc. l’airain) est purifié de tout melange avec la terre.“866 Gegen diese Auffassung spricht jedoch der Umstand, dass bei jedem Verhüttungsprozeß immer nur ein gewisser Prozentsatz des reinen Erzes extrahiert werden konnte867, so dass man schon seit der augusteischen Zeit mit verbesserten Techniken auch aus altem Abraum noch weiteres Metall zu gewinnen vermochte868. Bei prädikativer Auffassung des totum sollte man also sachlich zutreffender übersetzen: „Weil ausnahmslos durch Abscheiden aus der Erde gewonnen wird“. Diese Aussage ist sinnvoll, weil nicht selbstverständlich: Anders als Gold konnte Kupfer nicht aus Wasser herausgefiltert werden869. Wenn man totum als Zusammenfassung für aes und lapides auffasst870 und mit „das Ganze“ übersetzt871, konstruiert man es als Subjekt. In diesem Fall wird ebenfalls betont, dass beide Materialien nur aus der Erde gewonnen werden. Diese Aussage könnte darauf anspielen, dass sich der antike Abbau von Kupfer und Steinen von der Gewinnung der anderen Bodenschätze aus der Erde insofern unterschied, als nur Kupfer und Steine sowohl überirdisch im Tagebau als auch unterirdisch in Gruben abgebaut wurden872. Schließlich kann man totum aber auch als Oberbegriff für alle bisher aufgeführten Bodenschätze interpretieren, weil totum bei Augustinus auch eine Vielzahl von Einzelpunkten zusammenfassen kann873. Auch hier wäre totum Subjekt. Da Gold

866 Joyeux (1866) 615. 867 Neuburger (1919) 17 spricht von einem Restkupfergehalt der antiken Schlacke von zuweilen nicht weniger als 50 %, Rosumek (1982) 98 von einer Eisen-Ausbeute von nur 50 %, Kloft (1992) 19 von einem Restsilbergehalt der Laurion-Schlacken von 10 %. 868 Kloft ebd. verweist auf Strabo 9, 1, 23 (2, 564–565 Meinecke) zur erneuten Auswertung von Laurion-Schlacken zur Zeit des Augustus; vgl. dazu Neuburger a. a. O. 22 und Rosumek a. a. O. 74. 97–98. 164. Rosumek 4. 28 erinnert zusätzlich an dasselbe Vorgehen der Römer in Riotinto (Andalusien). 869 Zur Goldgewinnung aus Flüssen vgl. Plinius, nat. 33, 66; Rosumek (1982) 55–58; Moesta (1983) 101–105; Rebrik (1987) 87–88. 90; Moesta / Franke (1995) 12–14. 870 Für den Ausdruck totum hoc als Zusammenfassung zweier Glieder vgl. conf. 13, 1: et tamen ecce sum ex bonitate tua praeueniente totum hoc, quod me fecisti et unde me fecisti sowie Io. eu. tr. 41, 8: an forte totum hoc filius, caput et corpus? 871 So Cosgaya (1992) 87: „[…] porque todo se extrae o se desprende de la tierra.“ 872 Plinius, nat. 34, 117 unterscheidet zwischen ober- und unterirdischem Kupferabbau. Vgl. dazu Bol (1985) 9. Ein bekanntes Beispiel für unterirdische Steinbrüche sind die Latomien von Syrakus. Viele weitere Beispiele bei Rosumek (1982) 44 (Paros). 122–124. 196, Anm. 23; für die parischen Marmorbrüche auch Rebrik (1987) 136. 873 Für den Ausdruck totum hoc als Zusammenfassung dreier Glieder vgl. en. Ps. 85, 4: neque enim, ut nonnulli dixerunt, caro sola erat et uerbum; sed et caro, et anima, et uerbum; et totum hoc unus filius dei, unus Christus, unus saluator. Für den häufigen Gebrauch von totum hoc als Zusammenfassung einer noch größeren Anzahl vgl.: en. Ps. 91, 11: totum hoc quod modo patitur corpus Christi in laboribus, in aerumnis, in uigiliis, in fame, in siti, in scandalis, in iniquitatibus, in pressuris, iuuentus ipsius est.

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und Eisen nach Plinius auch aus Wasser herausgefiltert werden konnten874, erhielte die Aussage hier einen etwas anderen Sinn: Es ginge nicht darum, dass die gesamte Vielfalt von Bodenschätzen einzig aus der Erde gewonnen wird, sondern darum, dass jeder der genannten Stoffe zumindest auch aus der terra extrahiert werden kann. Totum würde hier also  – wie oft in der Spätantike  – im Sinn von omne („jeder“) gebraucht875. Wie die angeführten syntaktischen und inhaltlichen Parallelen zeigen, sind alle drei Möglichkeiten auf den ersten Blick sinnvoll. Erst im weiteren Verlauf der Auslegung lässt Augustinus indirekt erkennen, dass er primär auf die hier an dritter Stelle genannte Interpretation hinaus will. Denn er findet die boni, deren Trennung von der Erde er im Folgenden beschreibt, nicht in aes bzw. lapides (Iob 28, 2) verbildlicht, sondern setzt stillschweigend voraus, dass es sich bei ihnen um die von Silber, Gold und Eisen (Iob 28, 1ab) symbolisierten prudentes, sapientes und fortes handelt. Wir werden eine ähnliche, schrittweise präzisierende Gedankenführung weiter unten noch mehrfach vorfinden876. Mit dem Ausdruck de terra trägt Augustinus jetzt die Interpretation eines bisher noch nicht erörterten Details im Lemma 28, 1b ferrum enim de terra fit nach. Seine Deutung setzt die Auslegung voraus, die er im vorigen Kapitel der Adnotationes dem Lemma Iob 27, 16ab quodsi et collegerit ut terram argentum et ueluit lutum parauerit aurum gegeben hatte: Die dort gewonnene Interpretation id est: si prudentes et sapientes, cum adhuc terra et lutum sunt […], wonach terra für einen erst vorläufigen, noch unvollkommenen, ja sündigen Zustand der Christen steht877, dient jetzt als gedankliche Grundlage für die gesamten noch folgenden Ausführungen zum Lemma Iob 28, 2b. en. Ps. 102, 6: ad ipsum deum cogitandum, sicut dignum est ab homine cogitari deum, quanta impediunt, ueluti interpellantia de necessitate corruptionis humanae? quanta reuocant? quanta a sublimi intentione detorquent? quanta interpellant? quae turba phantasmatum? qui populi suggestionum? totum hoc in corde humano, tamquam de uermibus corruptionis huius scatet. en. Ps. 148, 9: ubi nubes, ubi uenti, ubi tempestates, ubi pluuiae, coruscationes, tonitrua, grandines, nix, et quidquid uult deus fieri super terras de isto humido et caliginoso aere, totum hoc terrae nomine appellauit, quia nimis mutabile est atque mortale. Io. eu. tr. 27, 10: quid Iuda peius? inter omnes adhaerentes magistro, inter duodecim, loculi illi commissi sunt, et dispensatio pauperum distributa; ingratus tanto beneficio, honori tanto, accepit pecuniam, perdidit iustitiam, tradidit uitam mortuus; quem ut discipulus secutus, ut inimicus persecutus est. totum hoc malum Iudae. s. 241, 7: libros uestros lego: mundum istum animal dicitis, id est, caelum, terram, maria, omnia quae sunt ingentia corpora, immensa usquequaque elementa; totum hoc, uniuersumque corpus, quod ex his elementis omnibus constat, dicitis esse animal magnum. 874 S. o. Kap. 6, Anm. 818. 875 Zum volkssprachlichen und spätlateinischen Gebrauch von totus im Sinne von omnis („jeder“) bzw. quiuis („jeder beliebige“) vgl. die Stellensammlung bei Rönsch (1875) 338 und die Belege aus Hieronymus bei Goelzer (1884) 402–403. Ausführlich zu diesem Phänomen Leumann / Hofmann / Szantyr 2 (1965) 203, e); kurz Stotz 2 (2000) 225, § 109.4. 876 S. u. zu ad tempus und de (beides 566, 23). 877 S. o. Kap. 4, Punkt 4.2.2.2.

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7.2.3 Augustins Entfaltung der These: Übergreifende Aspekte 7.2.3.1 Die dispositio nach dem Prinzip Stollen-Stollen-Abgesang Bevor wir Augustins Auslegung weiter im Einzelnen kommentieren, sei bemerkt, dass sich die ganze Passage stilistisch deutlich von den vorangehenden beiden Abschnitten zu Iob 28, 1ab bzw. 28, 2a unterscheidet. Die Auslegung von Iob 28, 1ab war geprägt von bloßen Stichworten. Die Auslegung von Iob 28, 2a bestand dagegen aus vollständigen Sätzen, die aber nicht durchstilisiert waren: Satz 2 war kaum verständlich, Satz 3 ein Seitenblick in Parenthese. Man hatte den Eindruck, dass Augustinus dort etwas unkonzentriert war. Die vorliegende Auslegung von Iob 28, 2b-3a dagegen zeigt ein verändertes Bild: Nach der vorangestellten, soeben besprochenen These entfaltet Augustinus seine Exegese in einer einzigen, fallenden, lang ausschwingenden Periode, die eine unerwartet ausgefeilte Gestaltung erkennen lässt878. Zunächst fällt die klare Gliederung auf. Die Auslegung zerfällt in drei Teile nach dem Prinzip von Stollen-Stollen-Abgesang. Jeder Stollen weist einen längeren ersten und kürzeren zweiten Teil auf. Diese vier Unterteile (im Folgenden von a bis d durchnummeriert) nehmen an Länge kontinuierlich ab: Unterteil  a ist dreiteilig (wobei auch diese Glieder immer kürzer werden), die Unterteile b und c je zweiteilig und Unterteil d nur noch einteilig. Es handelt sich also um eine konsequente Umkehrung des Prinzips der wachsenden Glieder. Darüber hinaus bildet Augustinus jeweils am Ende der beiden inneren Unterteile b und c zweigliedrige Ausdrücke (operi uel aedificio und eliquari atque formari) und führt damit eine chiastische Struktur ein. Auch der Abgesang (e und f)  ist zweiteilig gebaut mit derselben Umkehrung des Gesetzes der wachsenden Glieder und einer zweiteiligen Amplificatio am Ende des ersten Teils (locum atque ordinem suum), wobei beide Hälften des Abgesangs durch die syntaktische Untergliederung in je drei Wortblöcke eine gewisse parallele Binnenstruktur erhalten. Überdies hat Augustinus die gesamte Passage mittels akzentuierender Klauseln durchrhythmisiert879. Häufigste Klausel ist der Cursus planus. Die Schlusswendun 878 Solch unvermitteltes und unausgeglichenes Nebeneinander stilistisch ganz unterschiedlicher Passagen hat Norden auch in Plinius’ Naturalis historia nachgewiesen: Vgl. Norden (ND 1958) 1, 315–318. Wir sind aber nicht sicher, ob Augustinus den abrupten Stilwechsel im vorliegenden Abschnitt zur Metallgewinnung als ehrende imitatio des Plinius verstanden wissen wollte. Überhaupt ist unklar, wieweit Augustinus Plinius d. Ä. gelesen hat: Hagendahl (1967) 1, 219–222 und 2, 670–671 hat eine auf nat. Buch 7 beschränkte Benutzung erst in De ciuitate dei nachweisen können. Vgl. zu diesem Problem noch unten Anm. 887–888. 879 Di Capua (1931) 607–764 hat Augustins Gesamtwerk auf Klauseln untersucht, aber in den Adnotationes in Iob keine nachgewiesen: 673. Aufschlussreich sind seine Hinweise (666–667), dass in anderen exegetischen Werken, die Augustinus ähnlich wie die Adnotationes im Kreis von Freunden diktiert hat, Klauseln nur gelegentlich verwendet sind: in der Expositio quarundam propositionum ex epistula ad Romanos und in De diuersis quaestionibus LXXXIII.

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gen der beiden Stollen sind durch den seltenen Cursus octosyllabicus besonders hervorgehoben880. In weniger betonten Binneneinschnitten finden sich daneben die akzentuierenden Äquivalente zweier typisch quantitierender Klauseln, die auch in Hieronymus’ Kunstprosa nachweisbar sind881: der Ditrochäus (ábáb)882 und die Verbindung von Trochäus und Creticus (ábába)883. Das folgende Druckbild soll die genannten Beobachtungen zur dispositio und Rhythmisierung sichtbar machen. Die akzentuierenden Klauseln werden durch Kursivdruck und folgende Indices identifiziert: * Cursus planus: ábbáb ** Cursus octosyllabicus: ábbbbább *** Äquivalent des Ditrochäus: ábáb **** Äquivalent von Trochäus und Creticus: ábába Stollen 1: a) ut ostendat propterea esse bonos*** malis mixtos ad tempus*, quia de ipsis malis seducuntur boni*** et per illos purgantur* b) tamquam metalla* operi uel aedificio necessaria**, Stollen 2: c) cum ipsa terra opus habeant**** eliquari atque formari*, d) unde et884 separandi sunt**, Abgesang: e) ut post hanc separationem*** habeat terra* locum atque ordinem suum*, f) sicut inpii**** per damnationem* pro meritis suis*.

880 Zum Cursus octosyllabicus vgl. Trenkler (2017) 212 mit Anm. 79 (Lit.). Herron (1937) 65 nennt diesen Typ bei Hieronymus „Cadence Form B“. 881 Vgl. z. B. die Analyse von Hieronymus’ epist. 82, 1–3 bei Herron a. a. O. 99–103. 882 Zum Ditrochäus generell vgl. Crusius-Rubenbauer (1963) 135. Zum „dicoreo“ bei Augustinus siehe Di Capua (1931) 637–638, zum häufigen Gebrauch bei Cyprian und Symmachus 643. Herron a. a. O. 65 nennt den akzentuierenden Typ bei Hieronymus „Cadence Form A“. 883 Zur Verbindung von Trochäus und Creticus vgl. Crusius-Rubenbauer a. a. O. 135. Zu dieser Form bei Augustinus vgl. Di Capua a. a. O. 642 („forma 4a“). Herron a. a. O. 75–76. 88–90 nennt den akzentuierenden Typ bei Hieronymus „Cursus medius“. 884 Der Hiat zwischen unde und et wird hier nicht durch Elision beseitigt. Zur flexiblen Handhabung von Hiat bzw. Elision in Klauseln vgl. Herron a. a. O. 116–119.

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7.2.3.2 Das Verhältnis von Form und Inhalt Augustins Darlegung lässt sich wie folgt zusammenfassen885: Inhaltlich geht es in jedem der drei Hauptteile um andere Aspekte der separatio von Metallen und Erde. Indem Augustinus die sukzessiven Stadien der Metallverarbeitung nachzeichnet, ändert das mehrdeutige Stichwort terra ständig seinen genauen Sinn. In Stollen 1 spielt Augustinus zunächst auf die erste, grob mechanische Trennung an, bei der die erzführenden Brocken manuell vom tauben Gestein gesondert werden. Anschließend spricht er von der Reinigung, d. h. dem Ausschmelzen des Metalls aus dem umgebenden Gestein. Durch per deutet Augustinus an, dass er an diesem Punkt terra als den sogenannten Zuschlag versteht, der – meist in der Form von Kalkstein – der Mischung von erzhaltigem Gestein und Holzkohle im Schmelzofen beigegeben werden muss, damit der physikalisch-chemische Läuterungsprozess gelingt. In Stollen 2 bezieht sich Augustinus auf die drei Arbeitsgänge beim Metallguss. Zunächst wird das Metall verflüssigt. Hier heißt terra soviel wie irdener Schmelztiegel. Dann wird das flüssige Metall in Formen gegossen. Ab hier bezieht sich terra auf die Gußformen im Sandbett oder aus gebranntem Ton. Schließlich werden die fertigen Gussstücke von ihren Formen getrennt, die zu diesem Zweck zerstört werden müssen. Im Abgesang verweist Augustinus auf die Entsorgung der zerschlagenen irdenen Formen auf Abraumhalden und deutet diesen Vorgang als Symbol für die endzeitliche Verdammung der Gottlosen zur Hölle. Auch hier spiegelt sich Augustins rhetorische Gewandtheit in den Details der Gliederung: Die beiden Stollen sind vom Inhalt her chiastisch gebaut: In Stollen 1 spricht Augustinus im ersten Unterteil von den Christen und erst im zweiten Teil metaphorisch von den Metallen. In Stollen 2 beginnt er umgekehrt mit der Bildrede über metallurgische Details und wendet sie erst im zweiten Teil auf die Christen an. Dieselbe Reihenfolge findet sich auch in den beiden Hälften des Abgesangs.

7.2.3.3 Die elocutio Für die elocutio, also die im engeren Sinn sprachliche Gestaltung der Passage, sind zwei Aspekte charakteristisch. Zum einen gebraucht Augustinus – wie schon im Fall des totum in der einleitenden These – auch weiterhin mit Vorliebe mehrdeutige Wendungen, um so den Gehalt seines Textes in feinsinniger Weise anzureichern. Zum anderen vermeidet Augustinus bei all seinen Hinweisen auf metallurgische Vorgänge jede Fachsprache. Dieselbe Tendenz hat man in der Naturalis historia des älteren Plinius beobachtet und als typisches Kennzeichen guten literarischen Stils 885 Diese orientierende Übersicht verzichtet auf Belege. Die begründenden Einzelnachweise finden sich im anschließenden Lemma-Kommentar (Abschnitt 7.2.4).

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identifiziert886. Falls Augustinus also für dieses Kapitel der Adnotationes Plinius benutzt hat (den er später in De ciuitate dei namentlich anführt887), hätte nichts gegen wörtliche Zitate oder Anklänge gesprochen. Da aber keine verbalen Übereinstimmungen zwischen den Adnotationes und der Naturalis historia festzustellen sind, obwohl Plinius’ Ausführungen zur Metallurgie in der Sache mehrfach Licht auf Augustins Darlegungen werfen, lässt sich u. E. nicht klären, ob dieser zur Vorbereitung seiner Exegese speziell bei Plinius nachgelesen oder aus dem Fundus seiner sonstigen Belesenheit bzw. seiner Allgemeinbildung geschöpft hat888.

7.2.4 Augustins Entfaltung der These: Einzelerklärungen Der Übersichtlichkeit halber kommentieren wir im Folgenden die einzelnen Wortgruppen der beiden Stollen und des Abgesangs in Form eines Lemma-Kommentars.

7.2.4.1 Stollen 1 7.2.4.1.1 Stollen 1, Teil a ut ostendat: sc. Iob. Ähnliche Ausdrücke mit ostendere gebraucht Augustinus in adn. häufiger zur Überleitung zwischen Bibelzitat und Auslegung. Das Subjekt zu ostendere muss jeweils aus dem Kontext erschlossen werden. Wenn es sich bei dem Zitat um ein Ijob-Lemma handelt, ist als Subjekt der Sprecher der betreffenden Passage vorausgesetzt, im vorliegenden Fall (Kap. 28) also Ijob (wie bereits in den Kapiteln 7, 24 und 26889). Elihu ist Subjekt in den Kapiteln 35 und 36890. Bei einem Psalmzitat ist David als Subjekt zu verstehen891, bei einem Vers aus dem Johannesevangelium dagegen Christus892. Ein Passivum divinum begegnet in Kapitel 27893. Diese Verwendung von ostendere ist zu unterscheiden von zwei anderen, kleineren Gruppen von Belegen: Das Verbum kann zum einen ausdrücken, dass jemand durch sein Verhalten sein Wesen zu erkennen gibt, z. B. die Freunde Ijobs894 oder

886 Dihle (1989) 197. 887 Lt. CAG 2 s. v. Plinius zweimal in ciu. 15, 9 und nochmals in ciu. 15, 12. 888 Auch Marrou (1958) 138.139.145 (je in Anm. 1) hat Augustinus-Stellen gesammelt, deren Informationen möglicherweise aus Plinius, aber ebenso gut auch aus anderen Sammmelwerken stammen können. Er hält daher (a. a. O. 147) in solchen Fällen eine direkte Benutzung des Plinius für nicht nachweisbar. Zum selben Ergebnis kommt Hagendahl (1967) 2, 671. 889 adn. 7 (521, 18); 24 (559, 15); 26 (563, 15). 890 adn. 35 (585, 14); 36 (588, 6). 891 adn. 38 (605, 26). 892 adn. 38 (612, 2). 893 adn. 27 (563, 25). 894 adn. 16 (542, 15).

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Christus auf dem Berg der Verklärung895. Zum anderen kann es sich auf Machterweise bzw. Offenbarungen beziehen, die von Gott ausgehen896. Diesen Gebrauch fand Augustinus bereits in Ijob-Lemmata vor897. Insgesamt zeigen diese Belege, dass Augustinus das Verb ostendere dann gebraucht, wenn er die Bedeutsamkeit einer Aussage hervorheben möchte. propterea esse bonos malis mixtos ad tempus Grundsätzlich ist diese Formulierung typisch für Augustins Auseinandersetzung mit den Donatisten. Während die Schismatiker fordern, die wahre Kirche dürfe keine schlechten Christen als Mitglieder dulden, stellt sich Augustinus der Tatsache, dass die Großkirche eine Mischung aus echten und falschen Christen darstellt898. Biblische Texte, die diese Thematik entfalten, sind die beiden Gleichnisse vom Unkraut unter dem Weizen899 und vom Netz, in dem sich gute und schlechte Fische beieinander fanden900. Chronologisch gesehen handelt es sich bei der vorliegenden Stelle aus den Adno­tationes um einen sehr frühen Beleg für diesen antidonatistischen Topos bei Augustinus: Wenn man den vorliegenden Datierungen seiner Werke folgt, hatte er zuvor auf beide einschlägige Gleichnisse erst wenige Male Bezug genommen901. Überhaupt fällt auf, dass die meisten Parallelstellen, die wir für die Einzelheiten seiner Auslegung anführen können, aus Werken stammen, die erst nach den Adnotationes entstanden sind. Vielleicht hat also die Allegorese von Iob 28, 2b-3a einen produktiven Beitrag zur Entwicklung von Augustins antidonatistischen Argumenten geleistet. Leider lässt sich diese Möglichkeit nicht überprüfen, weil die beiden Prosawerke, die Augustinus als Presbyter bzw. als junger Bischof vor den Adnotationes gegen den Donatismus verfasst hat, also Contra epistulam Donati haeretici902 895 adn. 38 (600, 12). 896 adn. 16 (543, 9); 36 (592, 24); 37 (598, 26). 897 Iob 28, 11b: ostenditque uirtutem suam in lumine (568, 5); Iob 34, 32a: absque me uidebo; tu ostende mihi (584, 1). 898 Er konstatiert die Tatsache in vergleichbaren Formulierungen wie hier in c. Gaud. 2, 6: uides ecclesiam testimonio Cypriani et a toto catholicam dictam et non esse sine manifestis malis, propter quos tamen ammonet non relinquendam. in ea sunt boni per se ipsos multi, in comparatione autem zizaniorum uel paleae profecto pauci; en. Ps. 99, 3: et mixti sunt boni malis, et mali per omnem terram, et boni per omnem terram. in malis murmurat omnis terra, in bonis iubilat omnis terra; en. Ps. 128, 8: mali mixti sunt bonis, non solum in saeculo, sed et in ipsa intus ecclesia mali mixti sunt bonis. nostis, et probastis; et magis probabitis, si boni fueritis. 899 Mt 13, 24–30. 36–42: c. ep. Parm. 1, 21; 2, 5; c. litt. Pet. 2, 174; 3, 3–4; cath. fr. 35; en Ps. 64, 16; s. 88, 22. 900 Mt 13, 47–50: c. litt. Pet. 3, 3–4; en. Ps. 64, 9; cath. fr. 35; s. 251, 3; 252 A, 3–4 (= s. Wilm. 13, 3–4); 362, 3.  901 Ein früher Bezug auf Mt 13, 24 ff. findet sich Gn. adu. Man. 2, 4 (datiert Winter 388/389: Gryson 220); ein Verweis auf Mt 13, 47 ff. begegnet in s. 252, 2 (datiert Osterfreitag 396: Gryson 246). 902 Vgl. retr. 1, 21.

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und Contra partem Donati903, verloren sind904, so dass kein Vergleich mit Vorstufen mehr möglich ist. In der vorliegenden Passage passt Augustinus seine Formulierung an den Kontext an: Üblicherweise wird gefragt, warum so viele Schlechte in der Kirche seien. In seiner Ijob-Auslegung jedoch hat er gerade die verschiedenen Metalle als Symbole für gute Christen gedeutet. Deshalb behält er jetzt diese Perspektive bei und stellt die umgekehrte Frage, warum die guten Christen sich unter so vielen Bösen wiederfinden905. Mit dem Zusatz ad tempus deutet er zugleich die Lösung des Problems an: Zwar ist der derzeitige Zustand der Großkirche anstößig, muss und kann aber toleriert werden, weil er nicht von Dauer ist. Hier kommen zwei verschiedene Nuancen des Ausdrucks ad tempus ins Spiel: Ad tempus heißt zum einen nach Ciceros Sprachgebrauch „nur vorläufig“906. Diese Nuance, die wir aus früheren antidonatistischen Kontexten nicht belegen können, eröffnet die Möglichkeit, dass sich auch schlechte Christen im Lauf der Zeit doch noch bekehren907. Daneben aber – und zwar vorrangig im Licht der frühen Schrift De uera religione908 sowie mit Blick auf die weitere Entwicklung der vorliegenden Ijob-Allegorese – heißt ad tempus hier „nur für die Dauer dieser geschichtlichen Zeit“909. Diese eschatologische Aussage war Augus­ 903 Vgl. retr. 2, 5. 904 Vgl. Geerlings (2002) 212. 905 Dieselbe Perspektive auch en. Ps. 98, 12; qu. Mt. 11, 7. 906 Vgl. Cicero, off. 1, 27: in omni iniustitia permultum interest, utrum permutatione aliqua animi, quae plerumque brevis est et ad tempus, an consulto et cogitata fiat iniuria; Lael. 53: coluntur tamen (sc. etiam tyranni) simulatione dumtaxat ad tempus. Nachweise zu Augustins Kenntnis dieser beiden Werke Ciceros finden sich bei Testard (1958) 2, 135 (Index) und Hagendahl (1967) 1, 110–112 (Nr. 230–236) bzw. 94–96 (Nr. 202–205); vgl den Index 2, 572. Augustinus kannte den Ausdruck in dieser Bedeutung auch aus I Cor 7, 5 nolite fraudare inuicem nisi forte ex consensu ad tempus, ut uacetis orationi. Ein früher Beleg ist mor. 1, 78; später z. B. c. Faust. 5, 9: s. 51, 22; s. Dolbeau 12, 6. In eigenen Formulierungen benutzte er die Wendung etwa exp. Gal. 11; Simpl. 2, 1, 2; nat. b. 43; adn. 36 (587, 23). In diesem Sinn fassen auch alle vier Übersetzer die vorliegende Stelle auf: Joyeux (1866) 615: „ne […] que pour un temps“; Cosgaya (1992) 87: „temporalmente“; Tarulli (1999) z. St.: „temporaneamente“; Lienhard (2016) 665: „for a time“. 907 Vgl. später en. Ps. 119, 9: et forte hodie qui mali apparent, cras boni erunt und qu. Mt. 11, 7: et ideo non esse tales auferendos de hac uita, ne cum malos interficere conatur bonos interficiat, quod forte futuri sunt; vgl. auch s. 73A, 1 (= s. Caillau II, 5, 1): in agro autem domini id est ecclesia, aliquando, quod erat frumentum, uertitur in zizania; et aliquando, quae zizania erant, conuertuntur in frumentum: et nemo scit quid cras futurum sit. 908 uera rel. 9: nam de his, qui schismata fecerunt, alia quaestio est. posset enim eos area dominica usque ad tempus ultimae uentilationis uelut paleas sustinere, nisi uento superbiae nimia leuitate cessissent et sese a nobis ultro separassent (vgl. Mt 3, 12). 909 Vgl. cat. rud. 66: isti reprobi sunt: et si ad tempus eos portat ecclesia, sicut area usque ad tempus uentilationis paleam sustinet (cf. Mt 3, 12); si non se correxerint et propter futuram sempiternamque requiem christiani esse coeperint, in fine separabuntur. en. Ps. 119, 9: catholica dicit: non est dimittenda unitas, non est praecidenda ecclesia dei. iudicabit deus de malis et bonis postea. si nunc mali a bonis separari non possunt, ferendi sunt ad tempus; mali

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tinus im NT vorgegeben: durch die ausdrückliche Deutung im Anschluss an die beiden Gleichnisse vom Unkraut unter dem Weizen910 und vom großen Fischzug911 sowie durch die Bildreden von der Scheidung zwischen Spreu und Weizen912 bzw. zwischen Schafen und Böcken913 im Endgericht914. Mit der Formel ad tempus schlägt Augustinus also bereits das Thema der eschatologischen Trennung zwischen Guten und Bösen im Endgericht an, auf das er am Ende der vorliegenden Passage noch genauer eingehen wird. Aber auch hier bedient er sich einer zunächst mehrdeutigen Wendung und lässt erst später erkennen, auf welchen Aspekt er vor allem hinauswill915. quia de ipsis malis seducuntur boni Augustins ganze Auslegung geht von dem Stichwort excluditur in Iob 28, 2b aus, das er mit verschiedenen Formen des leichter verständlichen separare aufnimmt und erklärt916. Offenbar angeregt von excluditur hatte der Bearbeiter der verlorenen in area nobiscum esse possunt, in horreo non possunt. […] quisquis ergo humiliter malos ad tempus fert, ipse perueniet ad requiem sempiternam. haec uox catholica est. Ähnlich en. Ps. 130, 13: si iam est in te fructus, cognoscis, quia cum bonis toleras zizania usque ad messem; quia cum malis ad tempus potes esse, non in aeternum. palea hic tibi mixta est in hoc tempore in area; in horreo tecum non erit. Zur Sache auch später en. Ps. 128, 8: nulli apparent mali in ecclesia, nisi ei qui fuerit bonus. nostis ergo quia mixti sunt, et semper et ubique dicit scriptura quia non separabuntur, nisi in fine. Vgl. cath. fr. 38. 51; Io. eu. tr. 122, 6. c. litt. Pet. 3, 4: si ab iniquis ad tempus corporaliter non potest, recedat tamen ab ipsa iniquitate omnis qui nominat nomen domini (II Tim 2, 19). licet enim a malis interim uita, moribus, corde ac uoluntate separari atque discedere, quae separatio semper oportet custodiatur. corporalis autem separatio ad saeculi finem fidenter patienter fortiter expectetur. 910 Vgl. Anm. 899 und 901. 911 Vgl. Anm. 900 und 901. 912 Mt 3, 12. Zitiert vor den Adnotationes nur in uera rel. 9 (s. o. Anm. 908). Später in c. Don. 14; s. 111, 3; 223, 2; 260D, 2 (= s. Guelf. 18, 2). 913 Mt. 25, 31–48. Diese Perikope hatte Augustinus vor den Adnotationes bereits oft angeführt: s. dom. m. 2, 38; en. Ps. 4, 2; en. Ps. 52, 4 (datiert nach 396: Müller 813); s. 113B, 4 (= s. Mai 13, 4; datiert 391/398: Gryson 238); s. 178, 4 (datiert nach 396: Gryson 241); s. 75, 9 (datiert vor 400: Gryson 236). Möglicherweise gingen auch folgende Stellen den Adnotationes noch voraus: en. Ps. 29, 2, 22 (datiert vielleicht 395/6: Müller 809–810); en. Ps. 40, 2. 11 (datiert viell. vor 400: Müller 813) und s. 263A, 1 (= s. Mai 98, 1: datiert 396/400: Gryson 247). In dieselbe Zeit wie die Adnotationes fallen die Zitate in c. Faust. 5, 9–10; c. Fel. 2, 8 und trin. 1, 28–29. 31. Nur etwas später – bis etwa 404 – datiert werden cons. eu. 4, 6; en Ps. 32, 2, 1, 2. 11 (lt. Müller 812); en. Ps. 111, 5 und 113, 1, 9 (lt. Müller 829); s. 328 (lt. Gryson 251); s. Dolbeau 22, 6 (lt. Gryson 260); 25, 22 (lt. Gryson 261); 26, 4. 53 (lt. Gryson 261). 914 Für die Rolle dieser vier Texte bei der entscheidenden Synode in Karthago 411 vgl. Ale­ xander (2002) 634. 915 Für einen früheren Fall dieser Art der Gedankenführung vgl. oben Punkt 7.2.2 zu den Bedeutungen von totum. Für ein weiteres Beispiel vgl. unten S. 195–196 zur Präposition de. 916 S. o. Anm. 862. Wie erläuterungsbedürftig der von Hieronymus im Lemma Iob 28, 2b eingeführte Begriff excludere war (den wir uns in Kap. 5, Punkt 5.3.2.2 als Avienus-Anspielung erklärt haben), zeigt die bereits in den Fließtext eingewanderte Glosse id est sculpitur uel purgatur in M (s. o. Anm. 840).

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Handschrift, von der nach unseren Kollationen sowohl der Text im Codex T917 als auch alle jüngeren Abschriften der Adnotationes abhängen, die Idee, den schwierigen Begriff seducuntur zu secluduntur („sie werden abgesondert“) zu emendieren918. Diese Konjektur erscheint zwar zunächst verführerisch919, ist aber u. E. verfehlt. Denn die Lesart seducuntur erweist sich nicht allein aufgrund der besser bezeugten Überlieferung, sondern auch aus inhaltlichen Gründen als die Lectio potior. Es handelt sich hier nach totum und ad tempus um den dritten Fall einer von Augustinus bewusst gewählten mehrdeutigen Wendung. Anders als bei totum und ad tempus lässt er aber hier nicht im Nachgang erkennen, dass er eine der Nuancen präferiert, sondern will offenbar ein ganzes Spektrum gleichzeitig zutreffender und einander ergänzender Assoziationen evozieren. Weil Augustinus das Verbum seducere ganz überwiegend in der Bedeutung „zur Sünde verführen“ benutzt920, ist man allerdings zunächst geneigt, einem falschen Impuls zu folgen und zu übersetzen: „weil die Guten unter dem Einfluss921 gerade der Bösen zur Sünde verführt werden“. Tatsächlich spricht Augustinus andernorts mehrfach davon, dass die Guten schon durch den bloßen Anblick922 bzw. durch das böse Beispiel der schlechten Christen in der Kirche in Versuchung oder auf Abwege Der Glossator hat in seiner Ungeduld nicht weitergelesen; sonst hätte er gesehen, dass Augustinus selbst durch die wiederholte Verwendung von separare / separatio im Folgenden eine andere Erklärung geliefert hatte. 917 Geschrieben etwa um 1150 in Clairvaux. Zum Ijob-Codex T vgl. Bouhot / Genest (1997) 382–383 (Signatur Troyes, BM 403). Er ist Teil einer seltenen mittelalterlichen Sammelausgabe in sieben Bänden vor allem vieler kleinerer Werke Augustins: de Ghellinck (1950). Zu möglichen Vorlagen der Sammlung aus der Bibliothek von Pontigny vgl. de Ghellinck a. a. O., bes. 71–73 sowie Bouhot / Genest a. a. O. 379–380. 918 Hier noch einmal die Überlieferungslage (s. o. Anm. 843): secluduntur R Maur. Mign. Zy.; seducuntur T* O*, seclucuntur (sic) T2 O2; seducuntur cett. Die in T2 und O2 vorliegenden Korrekturen von zweiter Hand erweisen sich auch dadurch als sekundär, dass sie den Schluss des ursprünglichen seducuntur, also -cuntur, stehen ließen und nicht – wie eigentlich gefordert – zu -duntur korrigiert haben. Erst der Schreiber von R hat die vollständige Form secluduntur als einzige Lesart in den Text gesetzt. 919 Die Mauriner markierten die Lesart von R im Kollationsbuch als evident richtig und setzten sie in den Text, aber immerhin mit der Anmerkung, dass die übrigen von ihnen ausgewerteten Handschriften sämtlich seducuntur böten. Da Migne und Zycha ebenfalls secluduntur drucken, liegt diese Lesart auch allen vier Übersetzungen zugrunde. 920 Vgl. nur folgende Stellen aus den Adnotationes selbst: adn. 17 (546, 17–18): aut bona mea uidebo? (Iob 17, 15 b) quibus seductus est, conuerti noluit; adn. 20 (550, 19–20): filios eius disperdat inpius (Iob 20, 10a): siue imitatores eius siue seductos ab eo diabolus; adn. 20 (551, 12–13): interficiat illum lingua colubri (Iob 20, 16b): seducat eum diabolus; adn. 27 (565, 6–13): quodsi multi fuerint filii eius, in occisionem erunt (Iob 27, 14a): filios eius dicit, qui eum ad seducendum inuitant, falsorum dogmatum persuasorem in damnationem. si autem iuuenes facti fuerint, indigebunt (Iob 27, 14b), id est: si confirmati fuerint in errore, indigebunt; non enim eos satiauit uanitas. et qui circa eum sunt, morte morientur (Iob 27, 15a): qui simillimi ei sunt ad seducendum. et uiduis eorum non miserebitur (Iob 27, 15b): plebibus, quas seduxit cum eis. 921 Zur Bedeutung von de an dieser Stelle s. u. S. 195–196. 922 s. 167, 2: qui inter malos uiuunt, persecutionem patiuntur (cf. II Tim  3, 12). omnes mali persequuntur bonos, non ferro et lapidibus, sed uita et moribus. numquid aliquis sanctum Lot per-

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geführt werden923. Im vorliegenden Kontext scheidet diese Auffassung jedoch aufgrund von zwei Schwächen aus. Zum einen kann sie das steigernde ipsis vor malis nicht erklären, weil die Aussage „die Guten werden ausgerechnet unter dem Einfluss der Schlechten verführt“ eine bloße Binsenweisheit wäre. Zum anderen passt diese Interpretation nicht zum Kontext. Denn das einleitende propterea […] quod kündigt eine Erklärung des Phänomens an, dass sich boni unter mali wiederfinden. Dagegen würde die bisher erwogene Deutung der Lesart seducuntur umgekehrt erklären, warum aus Guten überhaupt Böse werden. Dieser Befund reicht aber nicht hin, um die besser überlieferte Lesart seducuntur zu verwerfen. Wir glauben sogar, in seducuntur drei Bedeutungsnuancen nachweisen zu können, die nicht nur einzeln möglich, sondern gerade auch in ihrer Bündelung für das Verständnis der vorliegenden Passage unverzichtbar sind. Erstens muss man seducere einfach als Synonym für die Begriffe excludere und separare auffassen: Alle drei Verben drücken im Lateinischen den Gedanken der Abtrennung aus924. Da  – wie schon gezeigt  – Augustins ganze Auslegung von Iob 28, 2b von dem schwierigen excluditur in Hieronymus’ Erstfassung O. ausgeht und dann um die mehrfach wiederholten, eindeutigeren Begriffe separare bzw. separatio kreist925, kann man die Wahl von seducere als rein sprachliche Variatio verstehen, mit der Augustinus vermeiden konnte, noch ein weiteres Mal von separare zu sprechen. Wenn aber die altüberlieferte Lesart seducuntur schon dasselbe aussagt wie die Konjektur secluduntur, erweist sich die Änderung bereits aufgrund dieser Überlegung als überflüssig. Bergbau- und hüttentechnisch verstanden geht es bei dieser ersten „Trennung“ um zwei aufeinanderfolgende Vorgänge: die erste, manuell-mechanische Sonderung der erzhaltigen Brocken vom tauben Gestein926 und das anschließende Erschmelzen des reinen Metalls927. sequebatur in Sodomis? nemo illi molestus erat: et tamen inter impios uiuebat, et inter immundos, superbos, blasphemos, persecutionem patiebatur, non uapulando, sed malos uidendo. 923 ep. 78, 5: ne mala exempla imitando ad nequitiam seducamini, ita uos per apostolum adloquitur deus: ne sitis iugum ducentes cum infidelibus; quae enim participatio iustitiae cum iniquitate aut quae societas luci ad tenebras? (II Cor 6, 14) item alio loco: nolite, inquit, seduci; corrumpunt mores bonos conloquia mala (I Cor 15, 33). Vgl. zum gefährlichen Einfluss schlechter Christen auf Taufbewerber noch Augustins leidenschaftlichen Appell an den Katecheten in cat. rud. 11: cum uero aduersus eos instruitur (sc. catechumenus), quorum peruersae turbae corporaliter implent ecclesias, simul etiam praecepta breuiter et decenter commemorentur christianae atque honestae conuersationis, ne ab ebriosis, auaris, fraudatoribus, aleatoribus, adulteris, fornicatoribus, spectaculorum amatoribus remediorum sacrilegorum alligatoribus, praecantatoribus, mathematicis, uel quarumlibet artium uanarum et malarum diuinatoribus, atque huiusmodi ceteris ita facile seducatur et impunitum sibi fore arbitretur, quia uidet multos qui christiani appellantur, haec amare et agere et defendere et suadere et persuadere. 924 Das OLD weist für alle drei Verben die geläufige Bedeutung „to separate“ bzw. „to separate off “ nach: s. v. excludo 2 (p. 698), s. v. seduco 2–3 (p. 1903) und s. v. separo 1. 4 (p. 1916). 925 S. o. S. 181 mit Anm. 862. 926 Zur Handauslese bzw. zum sogenannten „Klauben“ vgl. Rosumek (1982) 82 und Rebrik (1987) 133 mit Verweis auf Abb. 21 (S. 70); zur Sache auch 115. 927 Für die verschiedenen Trennvorgänge vgl. Rosumek (1982) 90–97.

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Eine zweite Bedeutungsnuance von seducere zeigt, dass die überlieferte Lesart an der vorliegenden Stelle der Konjektur secluduntur nicht nur gleichwertig, sondern sogar überlegen ist. Das Medio-Passivum seduci (bzw. das Partizip seductus) kann den Rückzug geistiger Menschen aus der lauten Menge unter besonderer Betonung ihrer inneren Distanzierung vom Weltgetöse bezeichnen928. Im Kontext der IjobAuslegung sagt der Begriff also nicht nur aus, dass eine Trennung zwischen guten und schlechten Christen herbeigeführt wird, sondern deutet auch an, in welcher Weise sich diese Trennung vollzieht, nämlich als innere Emigration. Mit dieser Nuance von seducere verwahrt sich Augustinus gegen den Einwand, dass seine Haupt-These, die Guten würden von den Bösen getrennt, im vorliegenden Zusammenhang unvereinbar mit dem Kontext sei. Denn in diesem will er erklären, warum für die Dauer dieser Weltzeit die Guten mit den Bösen vermischt sind und vermischt bleiben. Diese Kritik konnte Augustinus durch den Begriff seducuntur, in dem die Idee einer inneren Distanzierung von allem Gemeinen mitschwingt, implizit zurückweisen. Gleichzeitig ließ er die These anklingen, die er schon in der einzigen aus der Zeit vor den Adnotationes erhaltenen Schrift gegen die Donatisten formuliert hatte, und die in seinen späteren Werken wiederkehrt: Gute Christen ziehen sich von schlechten Christen gerade nicht so zurück, dass sie ihnen – wie die Donatisten – die äußere Kirchengemeinschaft aufkündigen, sondern nur so, dass sie sich innerlich von ihnen und ihrem Treiben distanzieren929. 928 OLD s. v. seduco 3 c und s. v. seductus 2 (p. 1903). Vgl. bes. Senecas Ausführungen in dial. 9 (de tranquillitate animi) 3, 2–3 und die Schilderung seiner Tante in dial. 12 (ad Helviam) 19, 2 sowie das Charakterbild des Terentius Iunior bei Plinius d. J., epist. 7, 25, 2–5. Mögliche Anklänge an Senecas Dialogi sind bei Hagendahl (1967) bisher nicht nachgewiesen (s. o. Kap. 6, Anm. 765 und 770; vgl. auch Anm. 782). Plinius d. J. wird von Augustinus gar nicht erwähnt: Vgl. Hagendahl (1967) 2, 756 und MacCormack (1999) 205. 929 Schon aus der Presbyterzeit (393/4 lt. Gryson 218) stammt die Stelle in ps. c. Don. 211–212: sed nobis exemplum datum est malos fratres tolerare,/ut quando excludi non possunt, solo separemur corde. Aus der Zeit bald nach den Adnotationes vgl. etwa: c. ep. Parm. 2, 34 (datiert 403/404: Gryson 226): quos (sc. iniquos) uelut paleam frumenta dominica usque ad tempus uentilationis (cf. Mt 3, 12) corde interim separata non temeritate corporaliter deserunt, sed pietate spiritaliter ferunt. a. a. O. 3, 2: cum quisque impeditur ab ecclesiae congregatione malos homines separare, si a se ipso auferat malum, non eis corde miscetur atque ita spiritaliter non solum coniungitur bonis, sed etiam separatur a malis. a. a. O. 3, 25: in magna autem domo non solum aurea uasa sunt et argentea, sed et lignea et fictilia. et illa quidem sunt in honore, illa autem in contumelia (II Tim 2, 20). et mundabat semet ipsum ab huiusmodi, ut esset etiam ipse uas in honore sanctificatum, utile domino, ad omne opus bonum paratum (II Tim 2, 21) nec propter uasa quae erant in contumelia se a domo magna separaret, sed eos in unitate illius domus arguens tolerabat a quibus se non imitando mundabat. bapt. 3, 26 (datiert Frühjahr 404: Gryson 199): quid est autem mundare semet ipsum a talibus nisi quod paulo ante dixit: recedat ab iniustitia omnis qui nominat nomen domini (II Tim 2, 19)? a. a. O. 4, 21: et utique de uasis in domo magna positis dicebat apostolus: si quis autem emun­ dauerit semet ipsum ab istiusmodi, erit uas in honore sanctificatum, utile domino, ad omne opus bonum semper paratum (II Tim 2, 21). quomodo autem se ab eiusmodi quisque mundare debeat, paulo superius ostendit dicens: recedat ab iniquitate omnis qui nominat nomen domini (II Tim 2, 19).

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So sinnvoll die beiden bisher nachgewiesenen Nuancen des seducuntur im vorliegenden Kontext auch sind, sie können beide nicht recht erklären, warum Augustinus mit dem steigernden de ipsis malis darauf insistiert, dass sich die Trennung der guten von schlechten Christen in Form einer inneren Emigration „ausgerechnet unter dem Einfluss der Bösen“ vollzieht. Für die beiden bisher betrachteten Bedeutungen des seducuntur wäre die Formulierung „unter dem Einfluss der Bösen“ vollkommen ausreichend gewesen. Die Erklärung für den Zusatz von ipsis ergibt sich erst aus der dritten Nuance des hier überlieferten seducuntur. Weil nur sie das ipsis ohne Einschränkung verständlich macht, erweist sie sich als die Aussage, auf die es Augustinus vor allem ankam, und sichert damit die Echtheit der tradierten auffälligen Lesart. Während die ersten beiden Aspekte von seducere dem üblichen lateinischen Sprachgebrauch entsprechen, können wir den dritten nur aus Augustins eigenen Schriften belegen. Dort verwendet er nämlich das Verbum ganz gelegentlich auch in dem Sinn von „jemanden von einer falschen zu einer richtigen Einstellung bringen“. Wenn man diese Nuance hier annimmt, ergibt sich die Übersetzung „weil die Guten ausgerechnet unter dem Einfluss der Schlechten zur rechten Einstellung hingeleitet werden“. Erst diese Aussage macht die Funktion des steigernden ipsis verständlich: Augustinus will auf das Paradox hinweisen, dass ausgerechnet die Bösen bei der positiven Beeinflussung der Guten eine wesentliche Rolle spielen930. Dieser Punkt ist in keiner der vier Übersetzungen getroffen931. Die hier vorliegende ungewöhnliche Verwendung von seducere lässt sich noch an zwei anderen Stellen bei Augustinus nachweisen. In beiden Fällen entwickelte er diese Sonderbedeutung bei der Auslegung eines Bibeltextes, der ihm eine Form von seducere als Stichwort vorgab. Ein klarer Beleg für die Selbstverständlichkeit, mit der er diese Nuance ohne weitere Erläuterungen ins Spiel bringen konnte, findet sich schon an einer früheren Stelle der Adnotationes selbst. Augustinus interpretiert in adn. 12 (536, 23–24) das c. litt. Pet. 3, 4 (datiert 403/405: Gryson 227): si ab iniquis ad tempus corporaliter non potest, recedat tamen ab ipsa iniquitate omnis qui nominat nomen domini (II Tim 2,19). licet enim a malis interim uita, moribus, corde ac uoluntate separari atque discedere, quae separatio semper oportet custodiatur. corporalis autem separatio ad saeculi finem fidenter patienter fortiter expectetur. Auch in seiner abschließenden Schrift gegen die Donatisten nach dem Konzil von Karthago (Juni 411) kommt Augustinus nochmals ausführlich auf diesen Punkt zurück: c. Don. 35 (datiert Anfang 412: Gryson 212); der Spitzensatz lautet: moribus ergo eos (sc. Corinthios) monet (sc. Paulus), non altaribus separari. 930 Dieselbe Funktion von ipse findet sich später noch einmal in ep. 264, 1: sicut ergo ipsi (sc. mali in ecclesia) benignitate et patientia, id est bonis dei male utuntur, dum non corriguntur, sic contra deus etiam malis eorum bene utitur […] ad exercitationem et prouectum sanctorum suorum, ut ex ipsa etiam malorum peruersitate boni proficiant et probentur. 931 Die steigernde Funktion von ipsis hat allein Joyeux (1866) 615 in seiner Paraphrase zumindest angedeutet, aber gleichzeitig das Wort falsch bezogen: „ils (sc. les bons) sont même purifiés par leur contact“. Cosgaya (1992) 87 und Tarulli (1999) z. St. verwechseln die Vokabeln ipsis und eisdem. Lienhard (2016) 665 lässt ipsis sogar unübersetzt. Vgl. die Zitate aus diesen Übersetzungen unten in Anm. 937 bzw. 941.

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Lemma Iob 12, 24b seduxit autem eos in uiam quam non nouerant mit den Worten (536, 24–25) subruendo legis opera, ut simpliciter intellegerentur; hinc eis uisus est peccator. Er deutet den Vers also als Hinweis darauf, dass Christus die Gläubigen auf den rechten, ihnen bis dahin unbekannten Weg leitete932. Die Umorientierung bestand darin, dass Christus die (zuvor jüdisch missverstandenen) Werke des Gesetzes aufhob (zur Formulierung vgl. I Io 3, 8), und führte dazu, dass er den Juden als Sünder erschien. Möglicherweise steckt in dem Nachsatz hinc eis (sc. Iudaeis Christus) uisus est peccator dieser Stelle schon ein Hinweis auf den zweiten Bibelvers, der Augustinus zu seiner besonderen Auffassung von seducere angeregt hat. Dabei handelt es sich um Io 7, 12. Dort macht ein Teil der Juden Christus den Vorwurf seducit turbas933 bzw. seducit populum934. Erst später hat Augustinus einmal aus Anlass dieses Zitats ausdrücklich dargelegt, seducere könne je nach Kontext nicht nur heißen „jemanden durch Überredung zum Bösen verführen“, sondern auch „jemanden durch Überzeugung zu einer richtigen Einstellung hinführen“935. Aber da er Io 7, 12 bereits zweimal – und sogar in verschiedenem Wortlaut – in den Adnotationes angeführt hatte936, lässt seine entsprechende Verwendung von seducere in den Auslegungen von Iob 12, 24b und 28, 2b vermuten, dass er sich bereits davor mit Wortlaut und Bedeutung der Johannes-Stelle auseinandergesetzt hatte und dabei zu seiner erst viel später ausdrücklich ausgesprochenen positiven Auffassung von seducere gelangt war. Insgesamt erweist sich seducuntur damit als weiterer Beleg für Augustins Neigung, seinen Kommentar zu Iob 28, 2b durch mehrdeutige Begriffe inhaltlich anzureichern. Ein weiterer Doppelsinn liegt in dem de des Ausdrucks de ipsis malis vor. Man kann zum einen übersetzen: „weil gerade aus den Reihen der Bösen Gute auf den rechten Weg gebracht werden“. Diese Deutung, die von der Mehrzahl der Übersetzer vertreten wird937, liegt zunächst nicht nur grammatisch938, sondern auch inhaltlich 932 Diese Deutung beruht freilich auf einem Missverständnis: Weil Augustinus nur den lateinischen Text berücksichtigte, hat er nicht beachtet, dass seduxit das eindeutig negative griechische ἐπλάνησεν („er führte in die Irre“) wiedergibt. 933 So en. Ps. 92, 2; Io. eu. tr. 28, 11–12; genauso die Vulgata. 934 So s. dom. m. 1, 14; en. Ps. 28, 7.  935 Io. eu. tr. 29, 1 (datiert Juli bis Oktober 414: Gryson 221): si enim seducere decipere est, nec Christus seductor, nec apostoli eius; nec quisquam seductor debet esse christianus; si autem seducere, aliunde aliquem ad aliud persuadendo ducere est, quaerendum est unde et quo: si a malo ad bonum, bonus seductor est; si a bono ad malum, malus seductor est. in hanc ergo partem qua seducuntur homines de malo ad bonum, utinam omnes seductores et uocemur et simus! 936 adn. 5 (517, 2): seducit populum; adn. 17 (545, 13): seducit turbas. 937 Joyeux (1866) 615 paraphrasiert: „ils (sc. les bons) en (sc. des méchants) sont séparés“. Cosgaya (1992) 87 formuliert: „los buenos salen des los mismos malos“. (Er setzt voraus, dass ipsis hier im Sinn von eisdem gebraucht ist; vgl. dazu Goelzer (1884) 406.) Lienhard (2016) 665 schreibt (unter Auslassung von ipsis): „the good are separated from the bad“. 938 Für diese verbreitete Nuance des de vgl. Roensch (1875) 395–396; Goelzer (1884) 339–340.

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mit Blick auf die Bekehrung so bekannter Christengegner wie Saulus oder Marius Victorinus nahe939. Wir haben aber oben schon mehrfach übersetzt: „weil gerade unter dem Einfluss von Bösen Gute auf den rechten Weg gebracht werden“. Für diese Auffassung von einer positiven Einwirkung der mali spricht der Umstand, dass im nächsten Satz (566, 24) der Ausdruck de ipsis malis mit der Wendung per illos (und nicht ex illis) wieder aufgenommen wird. Dabei liegt dem Übergang von de zu per ein stillschweigender Perspektivwechsel von der Bild- auf die Bedeutungsebene zugrunde: Weil de im Sinn von „unter dem Einfluss von“ nur von Sachen gebräuchlich ist940, hat Augustinus bei de malis primär die Ausgangsstoffe terra und lutum vor Augen, während die Formulierung per illos impliziert, dass er jetzt die durch terra und lutum symbolisierten Personen in den Blick nimmt. In dem Ausdruck de ipsis malis sehen wir also ein letztes Beispiel dafür, dass Augustinus im vorliegenden Kontext zunächst mehrdeutige Formulierungen anbietet und erst anschließend durchblicken lässt, welche Nuance für ihn im Vordergrund steht. Eine deutsche Übersetzung ist dieser literarischen Technik nicht gewachsen, sondern muss sich notgedrungen auf die jeweils primäre Aussage beschränken941. Diese lautet hier: Deshalb sind die Guten mit den Bösen für die Dauer dieser Weltzeit gemischt, weil die Guten unter dem Einfluss gerade der Bösen auf den rechten Weg geleitet werden. et per illos purgantur Der Begriff der Reinigung steht hier vermutlich deshalb an letzter Stelle am Übergang von der (unbildlichen) Rede über die Kirchenmitglieder zur Bildrede über die Metalle, weil er zwanglos sowohl auf das spirituelle Leben der Christen942 als auch auf die Verhüttung von Metallen angewendet werden kann943, von der anschließend die Rede ist. Im Hintergrund steht immer das Wissen darum, dass Metalle durch Schmelzen im Feuer gereinigt werden müssen944. Weil dies für Gestein nicht gilt, 939 Zur Bekehrung des Christenverfolgers Saulus vgl. etwa cat. rud. 43; c. ep. Parm. 1, 8; bapt. 2, 2. Die Bekehrung des Victorinus schildert Augustinus in conf. 8, 9. 940 Vgl. die reichen Belege bei Rönsch (1875) 392–395 und Goelzer (1884) 341–342. 941 Die Doppeldeutigkeit des de bleibt nur im Italienischen erhalten. Tarulli (1999) z. St. paraphrasiert (mit gelungener Verdeutlichung der stofflichen Implikation des de): „i buoni sono stati separati dall’identica massa dei cattivi“. Zur Auffassung von ipsis im Sinn von eisdem vgl. Anm. 937. 942 Vgl. dazu oben in Kap. 6 den Abschnitt 6.1.2.1.3.1 über die Tugendgrade. 943 Beide Aspekte werden bereits im AT verbunden. Vgl. Sir 2, 5 quoniam in igne probatur aurum et argentum, et homines acceptabiles in camino humiliationis. Diese Stelle wird schon zitiert in Gn. adu. Man. 2, 35; später dann in s. Dolbeau 6, 11 (datiert „wohl Winter 403/4: Gryson 258); exc. urb. 3 (datiert kurz nach dem 24.8.410: Gryson 270); s. 38, 6 (datiert vor 411: Gryson 234); pat. 11 (datiert 418: Gryson 226); en. Ps. 118, 15, 2.  944 Vgl. für die purgatio von Gold im Feuer cons. eu. 1, 46 (datiert 403/4: Gryson 217): […] isto igne […] sicut aurum a sorde purgari […]; en. Ps. 18, 2, 7 (datiert 400–412: Müller 809–810): sicut ignis uenit spiritus sanctus (cf. Act 2, 2–3) […] aurum cocturus et purgaturus; en. Ps. 62, 2 (datiert 399–412: Müller 816): […] ut igne tamquam aurum purgetur. Weitere Belege finden sich unten in Anm. 982.

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schließt Augustinus mit dieser Formulierung die lapides des Lemmas Iob 28, 2b zunächst von weiterer Betrachtung aus945. Durch die Formulierung per illos betont Augustinus jetzt die Nuance, die er soeben durch die Wahl von de anstelle von a schon angedeutet hatte, dass nämlich die mali für die Reinigung der boni letztlich nur katalytische Funktion haben946, so dass, bildlich gesprochen, die beiden Gruppen keine feste chemische Verbindung mitein­ ander eingehen. Da die mali seit Beginn der Auslegung mit der terra identifiziert wurden, spielen die Bösen also die Rolle des Zuschlags im metallurgischen Prozess947. Die vorliegende Formulierung per illos im Sinne von „unter dem Einfluss der Schlechten“ ist zwar nicht die erste, aber doch eine der frühesten ihrer Art in Augustins Werken. Offenbar hat Augustinus die Idee, dass Gott auch „durch Schlechte“ wirkt, als junger Bischof zuerst in der antimanichäischen Polemik formuliert948, dann in der Zeit der Confessiones949 und Adnotationes erprobt950 und schließlich seit seinen späteren antidonatistischen Schriften951 als geläufigen Topos verwendet952. In der Entwicklung dieser Idee bedeutet die Allegorese von Iob 28, 2b insofern einen interessanten neuen Schritt, als die hier vom Bibeltext suggerierte Auffassung der mali als bloßen Katalysatoren im metallurgischen Prozess die sonst eher paradoxe These von einer sogar notwendigen Mitwirkung der Sünder beim Fortschritt der Die purgatio von Silber wird in dem häufig zitierten Ps 11, 7 argentum igne probatum terrae, purgatum septuplum angesprochen: in der Presbyterzeit en. Ps. 11, 7; s. dom. m. 2, 87; später: ep. 55, 31 (datiert um 400: Divjak 956. 1029); en. Ps. 54, 22 (datiert verschieden zwischen 394 und 411: Müller 816); qu. 1, 143 (datiert 419/20: Gryson 220) u. ö. 945 Für einen späteren Seitenblick vgl. unten S. 200–201. 946 Für Parallelstellen mit per vgl. gleich unten die Anm. 948–953. 947 Zum Zuschlag vgl. Moesta (1983) 19–21. 948 c. ep. Man. 1, 1 (datiert 396: Gryson 218): quaedam etiam per malos nescientes operatur summa dei iustitia. 949 conf. 9, 18: sicut amici adulantes peruertunt, sic inimici litigantes plerumque corrigunt. nec tu quod per eos agis, sed quod ipsi uoluerunt, retribuis eis. 950 Vgl. neben dem gleich im Text zitierten Passus aus cat. rud. 48 noch cons. eu. 2, 137 (datiert 403/404: Gryson 217): ueritas est, quae etiam per malos atque nescientes saepe loquitur. 951 c. ep. Parm. 2, 22 (datiert 403/4: Gryson 226): hoc paene in omnibus talibus quaestionibus intellegendum ammonemus, quia scilicet omnia sacramenta, cum obsunt indigne tractantibus, prosunt tamen per eos digne sumentibus. Vgl. a. a. O. 2, 34: sed quod pertinet ad baptismi sanctitatem, adest deus qui det et homo qui accipiat, siue per se ipsum deo dante siue per angelum, siue per hominem sanctum […] siue per hominem iniquum. In bapt. 1, 25 (datiert 2. Semester 404: Gryson 208) zählt Augustinus sodann in einer ganzen Liste von Möglichkeiten mit per auf, durch wessen Einfluss Christen bekehrt werden können. Darin findet sich auch der Ausdruck per illos qui non caste adnuntiant euangelium. Dieses Thema hat Augustinus später erschöpfend in Io. eu. tr. 11, 8–11 behandelt. Weitere antidonatistische Belege sind: bapt. 5, 29: sacramentum gratiae dat deus etiam per malos; Cresc. 2, 25 (datiert 406/407: Gryson 210): hoc est uerum, hoc sanum, hoc catholicum, quod Christus mundet accipientium conscientias siue per bonos ministros baptismi sui siue per malos. 952 Spätere Stellen sind außer der schon in Anm. 951 angeführten Darlegung Io. eu. tr. 11, 8–11 noch Gn. litt. 11, 6, 8: cum ergo etiam per iniustos iusti ac per inpios pii proficiant, […] und qu. 7, 49, 11 (datiert 419/420: Gryson 221 s. v. Jdc): agit enim spiritus domini et per bonos et per malos et per scientes et per nescientes.

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Guten plötzlich plausibel erscheinen lässt. Trotzdem hat Augustinus später, soweit wir sehen, diesen Aspekt nicht wieder aufgegriffen953. Als Abschluss der Überlegungen zu diesem ersten Teil von Augustins Auslegung von Iob 28, 2b bietet sich ein längeres Zitat aus der wenig später verfassten Schrift De catechezandis rudibus an954. Zwar fällt dort die Allegorese der Metalle weg, aber im Übrigen greift Augustinus die in den Adnotationes entwickelten Gedanken mit vielen sprachlichen Parallelen wieder auf. Dazu zählen auch mehrere Ausdrücke mit per, die sich auf die Mittlerfunktion schlechter Christen beziehen. Zugleich wird deutlicher als in den Adnotationes zwischen den beiden Aspekten unterschieden, dass sowohl die bereits Guten durch die Bösen in Geduld und Glauben geübt als auch ursprünglich Böse zum Glauben bekehrt werden: cat. rud. 48: sed maxime cauendum est, ne per homines qui sunt in ipsa catholica ecclesia, quos uelut paleam usque ad tempus uentilationis suae sustinet, unusquisque tentetur et decipiatur. propterea enim deus patiens est in illos, ut et suorum electorum fidem atque prudentiam per illorum peruersitatem exercendo confirmet; et quia de numero eorum multi proficiunt, et ad placendum deo miseranti animas suas magno impetu conuertuntur. non enim omnes sibi per patientiam dei thesaurizant iram in die irae iusti iudicii eius (cf. Rm 2, 5): sed multos eadem omnipotentis patientia perducit ad saluberrimum paenitentiae dolorem. quod donec fiat, exercetur per eos illorum qui iam rectam uiam tenent non solum tolerantia, sed etiam misericordia. multos ergo uisurus es ebriosos, auaros, fraudatores, aleatores, adulteros, fornicatores, remedia sacrilega sibi alligantes, praecantatoribus et mathematicis uel quarumlibet impiarum artium diuinatoribus deditos, animaduersurus etiam quod illae turbae impleant ecclesias per dies festos christianorum, quae implent et theatra per dies sollemnes paganorum; et haec uidendo ad imitandum tentaberis.

7.2.4.1.2 Stollen 1, Teil b tamquam metalla operi uel aedificio necessaria Hier lenkt Augustinus zurück zu den Aussagen der Lemmata Iob 28, 1–2 über die verschiedenen Metalle. Die nach dem Gesetz der wachsenden Glieder gestaltete zweigliedrige Formel operi uel aedificio dürfte – wie oben aus parallelen Fällen im Umfeld erschlossen wurde – zunächst stilistisch veranlasst sein955. Zugleich aber definieren sich die Begriffe opus und aedificium hier gegenseitig. Für sich genommen wäre keiner von beiden eindeutig. Der Ausdruck operi nessaria ist ein Versatzstück, das sich bei Augustinus auf verschiedene opera beziehen kann956. Der Terminus 953 Ein schwaches Analogon liegt vor in dem Ausdruck per paleam in s. 301, 6 (datiert 1.8.417: Gryson 250): in illa enim uita futura quis locus impii? numquid adhuc opus habemus exerceri malis? numquid necesse habet aurum adhuc purgari per paleam? totus enim mundus fornax aurificis. ibi iusti tanquam aurum: ibi impii tanquam palea. ibi tribulatio sicut ignis: ibi deus sicut aurifex. 954 Gryson 209 datiert cat. rud. „wohl 2. Semester 403“. 955 S. o. S. 184. 956 An zwei zeitgenössischen Stellen heißt opus soviel wie „literarisches Werk“: doctr. chr. 2, 3: […] alia quaestio est et ad rem quae agitur non pertinet. quam partem ab hoc opere tamquam non

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aedificium oszilliert – wie der deutsche Begriff „Bau“ – zwischen den Bedeutungen „Gebäude“957 und „Bauvorgang“958. Darüber hinaus kommt opus bei Augustinus auch als Oberbegriff für aedificium vor959. Erst die Parallelisierung der beiden Begriffe durch uel macht deutlich, dass Augustinus an der vorliegenden Stelle bei opus an ein Kunstwerk960 und bei aedificium an ein Bauwerk denkt. Damit verweist hier der Ausdruck metalla operi uel aedificio necessaria auf die beiden großen Gruppen von Gegenständen, die in der Antike durch Metallguss hergestellt wurden: einerseits Kunstwerke (opera) wie Statuen961 oder korinthische Gefäße962, andererseits Architekturteile für Gebäude (aedificia) wie Dachziegel, Decken-Kassetten, Türen, Gitter und Beschläge aller Art963. Während auf der wörtlichen Ebene die beiden durch uel verbundenen Begriffe operi und aedificio gleichwertig nebeneinander stehen, beruht die Aussage auf der allegorischen Ebene allein auf dem an zweiter Stelle platzierten Begriff aedificio, dem damit hier die gedankliche Priorität gegenüber operi zukommt. Mit aedificio spielt Augustinus auf die biblische Bildrede von dem aus Christen als lebenden Steinecessariam remouemus; c. Faust. 19, 15: sed nunc istam quaestionem […] pertractando discutere […] et longum est et huic operi non necessarium. In De Trinitate wird opus in einem unspezifischen Sinn von „Projekt / Unternehmen“ gebraucht. trin. 3, 8: […] ipsa etiam corpora omni sensu carentia quae illi operi essent necessaria, frumentum scilicet, uinum, oleum, uestem, nummum, codicem, et si qua huiusmodi; trin. 12, 4: […] actio temporalium, cui operi necessarium sit adiutorium […]. 957 So adn. 5 (517, 21–22): de aedificio lapides. 958 So an der zunächst ähnlich klingenden Stelle noch im selben Kapitel: adn. 28 (567, 17–18): locus sapphiri (cf. Ex 24, 10, zitiert auch trin. 2, 25 und qu. 2, 102), id est pretiosi et necessarii ­aedificio ciuitatis caelestis. Deutlich vor allem ep. 157, 34 mit einer Anspielung auf Lc 14, 28: […] de sumptibus ad turris aedificium necessariis […]. Diese Nuance ist im OLD 68 s. v. aedificium nicht erwähnt, aber im TLL s. v. aedificium 1.0.919.67–72 als selten und spätlateinisch verzeichnet. 959 So exp. Gal. 35: aliquid […] aut aedificiorum aut huiusmodi quorumlibet operum […]; ciu. 22, 24: uestimentorum et aedificiorum ad opera quam mirabilia, quam stupenda industria humana peruenerit,[…] quis possit eloqui? 960 Die Deutung von operi als „for a machine“ bei Lienhard (2016) 665 ist verfehlt und die Interpretation als „oggetto“ bei Tarulli (1999 z. St.) ohne den Zusatz „dell’ arte“ zumindest unpräzise. Der Gebrauch von opus im Sinne von „Kunstwerk“ war Augustinus schon sehr geläufig. Vgl.: mor. 2, 6: quis enim hoc tam insanus audet exigere, ut aequalia sint artifici opera et condita conditori? Gn. adu. Man. 1, 13: quod uidet artifex intus in arte, hoc foris probat in opere. a. a. O. 1, 25: in operibus […] omnipotentis artificis uolunt (sc. Manichaei) se uideri scire quod nesciunt. uera rel. 58: […] ut in suis operibus artifices faciunt. lib. arb. 2, 42: omnium quidem formarum corporearum artifices homines in arte habent numeros quibus coaptant opera sua. a. a. O. 43: artifex enim quodammodo innuit spectatori operis sui de ipsa operis pulchritudine. doctr. chr. 2, 39: in picturis uero et statuis ceterisque huiusmodi simulatis operibus, maxime peritorum artificum, nemo errat, cum similia uiderit, ut agnoscat quibus sint rebus similia. 961 Vgl. Bol (1985) 110–172. 962 Vgl. Bol a. a. O. 65–89, bes. 86. 963 Vgl. Bol a. a. O. 92–96. Für Metalle als Baumaterialien vgl. bei Augustinus ep. 187, 35: fit […] per Salomonem regem templum lapidibus, lignis, metallis.

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nen erbauten Tempel an964. Er konnte sich auf diese Andeutung beschränken, weil er das Motiv vor den Adnotationes schon mehrfach ausdrücklich behandelt hatte965. Auch einige ältere, mehr beiläufige Erwähnungen lassen erkennen, wie vertraut ihm diese Symbolik bereits geworden war966. Zugleich baute er aber das Thema in der Zeit der Adnotationes durch erste Zitate von I Pt 2, 5 und Eph 2, 19–22 noch weiter aus967 und komplettierte so sein Repertoire, auf das er in der Folge zurückgreifen konnte968. Dagegen kommt ein entsprechender Vergleich der Kirche oder Christengemeinde mit einem Kunstwerk (operi) – soweit wir sehen – weder in der Bibel noch in Augustins Werken vor. Mit dem obigen Verweis auf die purgatio hatte Augustinus seine Auslegung bereits auf die Metalle verengt969, und seine Formulierung metalla operi uel aedificio necessaria setzte diese Exegese sinnvoll fort. Allerdings lässt sich diese Wendung zugleich auch wieder auf die lapides von Iob 28, 2b beziehen. Denn das lateinische 964 Augustinus bezieht sich in wechselndem Umfang auf drei ntl. Stellen: Am frühesten und häufigsten auf I Cor 3, 17, sodann auf I Pt 2, 5 und später gelegentlich auch auf Eph 2, 19–22. Vgl. die folgenden Anmerkungen. 965 Die frühen Belege zitieren alle I Cor 3, 17. So en. Ps. 5, 8: introibo in domum tuam (Ps 5, 8), tamquam lapis, credo, in aedificium, dictum est. quid enim aliud domus dei quam templum dei est, de quo dictum est: templum enim dei sanctum est, quod estis uos (I Cor 3, 17)? Ähnlich auch en. Ps. 10, 7: in hoc templo sancto suo (Ps 10, 5 ~ I Cor 3, 17) dominus est; quod constat multis membris suis, sua quaeque officia gerentibus, in unam aedificationem caritate constructis. Wichtig ist der ausdrückliche Bezug auf die iusti in s. dom. m. 2, 17: iustis enim dicitur: templum enim dei sanctum est, quod estis uos (I Cor 3, 17). 966 Beiläufige Verweise auf das Bild mit I Cor 3, 17 finden sich vor den Adnotationes in: en. Ps. 9, 12; s. dom. m. 1, 27; Simpl. 1, 2, 2. 967 Etwa gleichzeitig mit den Adnotationes setzen Zitate mit I Pt 2, 5 und Eph 2, 19–22 ein. Im frühesten sicher datierten Beleg in s. 24, 1–2 (datiert 16.6.401: Gryson 233) werden I Cor 3, 17 und I Pt 2, 5 kombiniert. Auch das erste Zitat von Eph 2, 19–22 erscheint im zeitlichen Umfeld der Adnotationes: en. Ps. 111, 1 (datiert um 400: Müller 829), ebenfalls in Kombination mit I Cor 3, 17 und I Pt 2, 5. 968 Der spätere Gebrauch dieser drei Zitate lässt sich wie folgt klassifizieren: Einzelzitate von I Cor 3, 17 finden sich en. Ps. 130, 1 (datiert zwischen 405 und 411: Müller 825); ciu. 17, 8 (datiert 420–422: Gryson 209); s. 337, 2 (datiert „um 425?“: Gryson 252). Einzelzitate von I Pt 2, 5 finden sich ab etwa 403: en. Ps. 86, 3 (datiert „nicht vor 403“: Müller 820): in istis ciuitatibus alia est fabrica aedificiorum, alii sunt ciues inhabitantes in fabrica: illa ciuitas ciuibus suis aedificatur, ipsi sunt lapides qui sunt ciues; lapides enim uiui sunt. et uos, inquit, tamquam lapides uiui aedificamini in domum spiritalem (I Pt 2, 5); en. Ps. 95, 9 (datiert vor 405 oder 412: Müller 825): gaudete, quia aedificamini in templum dei. qui enim intrant, ipsi aedificantur, ipsi sunt domus dei. Vgl. noch später ep. 187, 33 (datiert 417: Divjak 1033); s. 306E, 4 (= s. Dolbeau 18, 4; datiert 415/420: Gryson 260); s. 337, 4 (datiert „um 425?“: Gryson 252). Während sich also Augustinus zunächst auf I Cor 3, 17 stützte, bevorzugte er später I Pt 2, 5. Einzelzitate von Eph 2, 19–22 sind selten: en. Ps. 86, 2 (datiert nicht vor 403: Müller 820) und en. Ps. 81, 5 (datiert frühestens 418: Müller 829). Auch Kombinationen von Zitaten kommen später wieder vor: So vor allem I Cor 3, 17 mit I Pt 2, 5 in en. Ps. 121, 4 (datiert zwischen 405 und 411: Müller 825); en. Ps. 78, 4 (datiert frühestens 418: Müller 829) und s. 15, 1 (datiert 418: Gryson 232). I Pt 2, 5 und Eph 2, 22 werden zusammen angeführt in s. 156, 13 (undatiert: Gryson 239). 969 S. o. S. 196–197.

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metallum kann auch nichtmetallische Bodenschätze wie Kreide oder Marmor bezeichnen970, und Augustinus assoziierte mit dem Begriff aedificio bzw. aedificio necessaria an zwei anderen Stelle der Adnotationes ausdrücklich Steine971. Auch das Bild vom Aufbau der Kirche, das hier im Hintergrund steht, spricht von Christen als lebendigen Steinen972. Insofern liegt ein weiteres Beispiel dafür vor, dass Augustinus seine Auslegung mit mehrdeutigen Formulierungen angereichert hat. Jedoch handelt es sich hier nur um einen letzten Rückblick auf die lapides von Iob 28, 2b, denn im folgenden Rest der Allegorese geht es ausschließlich um die Verarbeitung von Metallen im eigentlichen Sinn.

7.2.4.2 Stollen 2 7.2.4.2.1 Stollen 2, Teil c cum ipsa terra opus habeant eliquari atque formari Nach ihrer Trennung vom umschließenden Gestein sind die edlen Metalle erneut in zweifacher Weise auf die unedle Erde angewiesen: terra dient erstens als gebrannter Tontiegel zum Verflüssigen, Transportieren und kontrollierten Vergießen des Metalls973 und zweitens als Form – sei es als lehmdurchmischter Formsand974 oder als gebrannte Hohlform975 – für den anschließenden Guss976. Bei beiden Aspekten von terra spielt im Hintergrund wieder das lutum von Iob 27, 16b mit hinein. Im Zusammenhang mit dem Schmelzen von Metallen kann das Verb eliquare zwei verschiedene Vorgänge bezeichnen: erstens die Entfernung von Verunreinigungen977 und zweitens die Verflüssigung für den Guss978. An anderen Stellen seines Werkes wird deutlich, dass Augustinus zwischen den verschiedenen Zwecken bzw. Stadien 970 Vgl. OLD 1215–1216 s. v. metallum 2; zur Bezeichnung von Gesteinen vor allem TLL s. v. metallum 8.0.872.42–43 und 66–68 sowie 873.7–8. 971 adn. 5 (517, 21–22): de aedificio lapides; adn. 28 (567, 17–18): locus sapphiri (cf. Ex 24, 10), id est […] necessarii aedificio. 972 Vgl. die Anm. 964–968. 973 Zu Schmelztiegeln vgl. Plinius, nat. 33, 69; Neuburger (1919) 57; Moesta (1983) 39. 56; Wübbenhorst (1984) 11; Bol (1985) 26. 129–130. 974 Zu frühen Sandbettformen vgl. Moesta a. a. O. 38 und Bol a. a. O. 23. 95–96. 975 Zu frühen Gussformen vgl. Wübbenhorst a. a. O. 11–13. Zu den Formen bei Großbronzen vgl. Bol a. a. O. 118–133. 976 Augustinus bezieht sich in an. et or. 4, 20 auf den Metallguss in irdenen Formen: si enim per membra exterioris (sc. hominis) cucurrit interior et gelauit […] – tamquam figmentum fusile fieret ex forma lutea, quae de puluere facta est –, quomodo eadem manente forma, quae inpressa illi est uel expressa de corpore, potest reformari ad imaginem dei? 977 Für eliquare im Sinn von „reinigen“ in verschiedenen Zusammenhängen vgl. etwa an. quant. 75; c. litt. Pet. 2, 93; ciu. 1, 8; auf Olivenöl bezogen en. Ps. 80, 1.11.17; 136, 9. 978 Die Nuance „verflüssigen zum Zweck der Ableitung“ ist deutlich seltener. Sie findet sich auf die Verarbeitung von Honig angewendet en. Ps. 18, 1, 11 und auf die Reaktivierung von Gedächtnisinhalten übertragen s. 47, 23: etenim quod legisti, quod audisti, si purum et liquidum et sanctum memoriae mandaueris, […] eliquatur de interioribus mentis tuae, et manat quodam modo recordatio uerbi dei.

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der Metallverflüssigung zu unterscheiden wusste979. Weil im vorliegenden Kontext die purgatio bereits im vorigen Satz beschrieben wurde, ist eliquari hier – zumal in der engen Verbindung mit formari – auf die Gussvorbereitung zu beziehen980. Dabei ist der Metallguss in einer Hohlform981 ein schlagendes Beispiel für Augus­ tins These, dass ein negatives Vorbild ein positives Ergebnis hervorbringen kann. Augustinus führt das hier nicht näher aus, vielleicht weil das Bild so evident für sich selbst spricht. Der Zusatz von ipsa macht erneut auf das Paradox aufmerksam, dass das Edle auf das Unedle angewiesen ist. Dieselbe Idee drückt Augustinus häufiger aus durch den Hinweis darauf, dass die Läuterung des wertvollen Goldes mit einem Feuer erfolgt, dem ausgerechnet die wertlose Spreu (palea) als Brennmaterial dient982. 7.2.4.2.2 Stollen 2, Teil d unde et separandi sunt Die maskuline Form separandi zeigt an, dass Augustinus jetzt wieder chiastisch von den Metallen zu den durch sie symbolisierten Christen zurücklenkt: Die guten Christen, die zum Aufbau der Kirche notwendig sind, müssen sich von terra und lutum trennen, also von den schlechten Christen, die ihnen durch ihre katalytische Wirkung dazu verholfen haben, gereinigt und in Form gebracht zu werden. Nachdem Augustinus mit eliquari atque formari bereits den Gussvorgang beschrieben hatte, bezieht sich diese separatio nicht mehr auf die Trennung des reinen Metalls von den Schlacken beim Ausschmelzen983, sondern nur noch auf die Trennung des Gussstücks von seiner Gussform aus Sand oder gebranntem Lehm984. Wie schon oben ausgeführt, unterscheidet Augustinus bei der Trennung zwischen guten und schlechten Christen zwei verschiedene Phasen: In der Weltzeit bleiben Gute und Böse in der Kirche grundsätzlich gemischt985. Es ist sogar vielfach unklar, wer 979 Die Abfolge Verflüssigung – Reinigung wird beschrieben in c. Faust. 2, 5: si mundo stante solui et purgari non potuerint (sc. exiguae reliquiae Christi), iam illo igne ultimo, quo ipse mundus ardebit, soluantur atque purgentur. Umgekehrt wird die Abfolge Reinigung – Verflüssigung – Guss vorausgesetzt in conf. 11, 39: […] donec in te confluam purgatus et liquidus igne amoris tui. 980 Im TLL s. v. eliquo 5.2.392.31–32 wird unsere Stelle zu unspezifisch als Beleg für die Bedeutung „metalla liquefacta sordibus purgare“ angeführt. 981 Hübner (2012) 7–8 verweist auf s. Mai 158, 1: quemadmodum si quis artifex rerum formandarum de aliquo metallo, aere aut argento, formas quas fusurus est primo de cera conponit, et prima adumbratio uiam facit futurae soliditatis – ipsas enim formas facit, quas impleturus est –, sic etiam dominus ueteri populo figuris delineauit omnia et deformauit, nouo populo autem effusione perfectissima impleuit.- Zu den Techniken vgl. Neuburger (1919) 56–61 sowie Bol (1985) 22–29 und 118–133. 982 Vgl. en. Ps. 36, 1, 11: ardet palea, ut aurum purgetur; a. a. O. 61, 11: in fornace ardet palea, et purgatur aurum. Längere Ausführungen, in denen aurum gute und palea schlechte Christen symbolisiert, finden sich en. Ps. 21, 2, 5 und s. 15, 4. Zu palea als Brennstoff zur Läuterung von Gold vgl. auch Plinius, nat. 33, 60. 94. 983 Vgl. Moesta (1983) 25. 40. 984 Vgl. Bol (1985) 130–135. 985 S. die Belege in Anm. 898–901.

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eigentlich diese Guten und Bösen jeweils sind bzw. auch auf Dauer bleiben werden986. Deshalb zeigt sich die notwendige Trennung zwischen den Guten und Bösen auch nur darin, dass sich die Guten innerlich von den Bösen zurückziehen und von der Ungerechtigkeit ablassen, aber nicht etwa äußerlich die Kirche wegen der schlechten Mitchristen verlassen987. Die tatsächliche endgültige Trennung erfolgt erst beim Jüngsten Gericht988. Das Gerundivum (566, 26) separandi sunt deutet (wie schon die vorige Formulierung (566, 25) necessaria sunt und die anfängliche Formulierung (566, 22–23) ut ostendat, propterea […] quia) an, dass es sich nicht um zufällige Geschichtswahrheiten, sondern um notwendige Vernunftwahrheiten handelt. Augustinus will so seine paradoxe These zwingender erscheinen lassen, dass die irritierende Gegenwart schlechter Christen in der Kirche dem spirituellen Fortschritt der Guten dient. Andernorts wendet er den Gedanken so, dass er auf die logische Notwendigkeit verweist, die allen menschlichen Fortschritt begleitet: dass nämlich jeder Mensch, der Fortschritte zum Guten macht, sich damit automatisch unter Sündern wiederfindet und Anstoß nehmen muss989.

7.2.4.3 Abgesang Der Abgesang spricht die bisher nur angedeutete eschatologische Dimension der Trennung zwischen Guten und Bösen ausdrücklich an. 7.2.4.3.1 Abgesang, Teil e ut post hanc separationem habeat terra locum atque ordinem suum Mit der Formulierung post hanc separationem lässt Augustinus jedoch erkennen, dass er nicht den Vorgang der eschatologischen Scheidung zwischen Guten und Bösen schildern, sondern gleich zur Beschreibung des auf die Trennung folgenden Zustandes übergehen will. Der Grund dürfte sein, dass die Ijob-Passage nur das Faktum der Trennung zwischen Metallen und terra konstatiert, aber keine Details über den Ablauf des Prozesses enthält, an die eine Allegorese hätte anknüpfen können. Möglicherweise sah Augustinus auch keinen Anlass, das endzeitliche Geschehen besonders auszumalen, weil es ihm und seinen Hörern aufgrund der bekannten biblischen Gleichnisse vom Unkraut unter dem Weizen, vom Sortieren der Fische nach dem großen Fischzug, von der Trennung zwischen Spreu und Weizen sowie Schafen und Böcken beim Endgericht ohnehin vor Augen gestanden haben dürfte990. 986 S. die Belege in Anm. 907. 987 S. die Belege in Anm. 929. 988 S. die Belege in Anm. 909–914. 989 en. Ps. 92, 5: necesse est ut, si proficis, inter iniquos uiuas. Ähnlich schon en. Ps. 25, 2, 5: cum quisque profecerit in ecclesia, necesse est patiatur malos in ecclesia. sed non eos cognoscit qui talis est; en. Ps. 119, 6: quantum proficit, tantum uidet maiora scandala in populo. nam si non proficiat, non uidet iniquitates; si non sit uerax christianus, non uidet fictos. Vgl. noch en. Ps. 98, 12: tantum te enim torquet iniustitia aliena, quantum recesseris a tua sowie en. Ps. 29, 2, 8; 42, 2. 990 Für detaillierte Belege zum Einfluss dieser vier Stellen s. o. Anm. 899–902 sowie 910–913.

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Wie dieser gedankliche Hintergrund zeigt, nimmt Augustinus Christi Warnung ernst, dass die Bösen, die derzeit in Welt und Kirche noch ihr Wesen treiben, im Endgericht ihre gerechte Strafe erhalten werden. Wie bereits oben bei den Ausdrücken stulta et carnalia991, operi uel aedificio992 und eliquari atque formari993 bildet Augustinus auch hier mit der Formulierung locum atque ordinem suum zum Zweck der amplificatio eine zweigliedrige Phrase aus wachsenden Gliedern. Schon in den drei früheren Fällen hatte jeweils das zweite Glied die gedankliche Priorität gegenüber dem ersten, während sich das erste zunächst aus dem engeren Kontext ergab und – in Sallusts Manier – als eine Art von Proklitikon an dem nachgestellten Leitbegriff sozusagen verankert wurde994. Diese Gedankenführung liegt auch dem Ausdruck locum atque ordinem suum zu Grunde. Dass hier dem zweiten Glied ordinem suum die Priorität zukommt und das erste Glied locum erst in einem zweiten Gedankenschritt hinzugefügt wurde, wird dadurch bewiesen, dass Augustinus mit dem Begriff ordinem (was man bisher noch nicht gesehen hat) bereits das folgende, von ihm nicht explizit zitierte Teil-Lemma Iob 28, 3a mit einbezieht995. Dieses lautet in der Versio prior ordinem posuit tenebris996. Im vorliegenden Text müsste also das Stichwort ordinem als Anspielung auf Iob 28, 3a gekennzeichnet werden. Der Vers Iob 28, 3a ordinem posuit tenebris (sc. deus) musste Augustinus an die nicht wenigen Stellen erinnern, an denen er gegenüber der manichäischen Kritik an der ersten biblischen Schöpfungsgeschichte erklärt hatte, dass Gott auch die tenebrae von Gn 1, 2. 4–5 in seine gute Ordnung eingegliedert habe997. Da Augustinus 991 So in der Auslegung von Iob 27, 16: S. o. Kap. 4, S. 104–106. 992 S. o. S. 198–201. 993 S. o. S. 201–202. 994 Vgl. Kap. 4, S. 105 mit Anm. 417. 995 Diese Art der Gedankenführung fanden wir auch schon im Verhältnis der Lemmata Iob 27, 16 und 17a vor: S. o. Kap. 4, Punkt 4.3. 996 S. o. Kap. 5, Punkt 5.5. 997 So Gn. litt. inp. 5, 25: diuisisse deum inter lucem et tenebras eo ipso, quo lux facta est (Gn 1, 3–4), oportet accipi, quod aliud est lux, aliud illae priuationes lucis, quas in contrariis tenebris ordinauit deus. non enim deum fecisse tenebras dictum est, quoniam species ipsas deus fecit, non priuationes, quae ad nihilum pertinent, unde ab artifice deo facta sunt omnia: quas ab eo tamen ordinatas intellegimus, cum dicitur: et diuisit deus inter lucem et tenebras (Gn 1, 4), ne uel ipsae priuationes non haberent ordinem suum deo cuncta regente atque administrante. Vgl. noch a. a. O. 6, 26. en. Ps. 7, 19: ita ergo ait: confitebor domino secundum iustitiam eius (Ps 7, 18), tamquam ille qui uiderit non factas tenebras a deo, sed ordinatas tamen. deus enim dixit: fiat lux, et facta est lux (Gn 1, 3). non dixit: fiant tenebrae, et factae sunt tenebrae; et tamen ipsas ordinauit. et ideo dicitur: diuisit deus inter lucem et tenebras, et uocauit deus lucem diem, et tenebras uocauit noctem (Gn 1, 4–5). ista distinctio: aliud fecit, et ordinauit; aliud autem non fecit, sed tamen etiam hoc ordinauit. Vgl. noch a. a. O. 9, 20. nat. bon. 15–16: ita sunt tenebrae lucis absentia sicut silentium uocis absentia. quae tamen etiam priuationes rerum sic in uniuersitate naturae ordinantur, ut sapienter considerantibus non indecenter uices suas habeant. nam et deus certa loca et tempora non inluminando tenebras fecit tam decenter quam dies. Gn. litt. 1, 17, 34: an diuisio quidem lucis a tenebris distinctio est iam rei formatae ab informi, appellatio uero diei et noctis insinuatio distributionis est, qua significetur nihil deum inordinatum relinquere atque ipsam informitatem, per quam res de specie in speciem modo quodam transeundo

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aus der Bibel auch die allegorische Bedeutung von tenebrae als Symbol schlechter Christen998 bzw. böser Geister999 geläufig war1000, konnte er Iob 28, 3a ohne weiteres als Bestätigung seiner These lesen, dass auch die mali Teil des göttlichen ordo seien1001. Zugleich war für ihn diese Aussage eng mit der Erwartung verknüpft, dass die Eingliederung der mali in den ordo erst im Endgericht sichtbar und dauerhaft hergestellt werden werde1002. So haben auch Philippus Presbyter und Gregor der Große das Lemma Iob 28, 3a verstanden1003. Der Nachweis, dass die Formulierung der vorliegenden Stelle von dem Stichwort ordinem in Iob 28, 3a ausging, darf nicht dazu verführen, die proklitische Erweiterung durch das Glied locum in ihrer Bedeutung für den Kontext gering zu schätzen. Vielmehr erklärt sich diese Zufügung hier aus nicht weniger als vier Gründen. Augustinus war gewohnt, in seinen Darlegungen über den ordo dieser Welt in mehrfacher Weise mit der Idee vom „eigenen Platz“ zu argumentieren. Erstens schilderte er mit Vorliebe den Vorgang, dass jeder Gegenstand in dieser Welt mutantur, non esse indispositam neque defectus profectusque creaturae, quibus sibimet temporalia quaeque succedunt, sine subplemento esse decoris uniuersi? nox enim ordinatae sunt tenebrae. Auch später klingt die Idee an in praed. sanct. 33: est ergo in malorum potestate peccare: ut ­autem peccando hoc uel hoc illa malitia faciant, non est in eorum potestate, sed dei diuidentis tenebras et ordinantis eas. 998 Am Anfang seines Weges hielt Augustinus auch dumme Menschen für schlechte Menschen. So ord. 2, 11: non enim illa commemoratio tenebrarum ad id, quod a me inuolutum erat, parum nobis attulit luminis. namque omnis uita stultorum quamuis per eos ipsos minime constans minimeque ordinata sit, per diuinam tamen prouidentiam necessario rerum ordine includitur et quasi quibusdam locis illa ineffabili et sempiterna lege dispositis nullo modo esse sinitur, ubi esse non debet. Bald aber stützte er sich für die Deutung von tenebrae als Symbol für Sünder besonders auf Eph 5, 8 fuistis aliquando tenebrae, nunc autem lux in domino. Frühe Belege sind c. Adim. 26 und agon. 3. Eine fast explosionsartige Zunahme dieses Zitates findet sich dann in den Confessiones und den Adnotationes: Vgl. die Indices der Ausgaben von Verheijen (p. 290: 7 Belege) und von Zycha (p. 663: 4 Belege). 999 Er zitiert in diesem Sinn in adn. den Ausdruck principes et potestates et rectores mundi tenebrarum harum aus Eph 6, 12: adn. 39 (622, 21–22). 1000 Philippus Presbyter glossiert zu Iob 28, 3a das Stichwort tenebrae mit folgender Aufzählung (in Iob rec. long., PL 26 = Hieronymi tom. 7, 696 C): In Scripturis divinis, peccatores homines, daemones et ignorantiae atque tribulationes, sive peccata. Auch Gregor d. Gr. interpretiert die tenebrae von Iob 28, 3a unter Verweis auf Eph 5, 8 erst als iniqui und dann als peccata: mor. 18, 29, 46 (2, 915, 2–5. 11–12 Adriaen). 1001 Das gilt in seiner Sicht sogar vom Teufel. Vgl. en. Ps. 148, 9 (datiert zwischen 395 und 411: Müller 824): noli enim cogitare quid accepit diabolus, sed quid perdidit. omnia ergo ista uidetis qualia sunt, mutabilia, turbata, terribilia, corruptibilia; tamen habent locum suum, habent ordinem suum, implent et ipsa uniuersi pulchritudinem pro modo suo, et ideo laudant dominum. en. Ps. 103, 4, 7 (datiert zwischen 403 und 412: Müller 828): ipse cadens peccato suo de sublimi habitatione caelorum, et ex angelo factus diabolus, accepit quemdam locum suum. 1002 S. u. die Belege in Anm. 1005. 1003 Philippus merkt in der Interlinearversion (in Iob rec. breu., PL 23 = Hieronymi tom. 2–3, 1441 A) als Glosse zu tempus posuit tenebris an: Finem peccatis, vel malis hominibus; quale meritum homo accepturus sit. Gregor formuliert die Erwartung der eschatologischen Strafe der iniqui mit den Worten (mor. 18, 29, 46: 2, 915, 19–21 Aderiaen): Intuetur […] (sc. deus) reproborum finem quo de malo opere dignum se trahantur ad supplicium.

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durch die Schwerkraft (sein spezifisches pondus) an „seinen Ort“ gelangt, dort zur Ruhe kommt und sich so am Ende in die Weltordnung einfügt1004. Zweitens musste er, um diese Idee glaubhaft auf Gerechte und Sünder anwenden zu können, die biblisch-eschatologische Dimension einbeziehen und daran erinnern, dass die boni und mali zwar noch nicht jetzt, aber doch im künftigen Weltgericht ihren gerechten Lohn empfangen werden. Auch in diesem Zusammenhang gebrauchte er das Bild, dass Gerechten und Sündern „ihr Platz“ zugewiesen werden werde1005. Diese Redeweise konnte sich drittens auf Act 1, 25 stützen, wo der Selbstmord des Verräters Judas mit den Worten abiit in locum suum geschildert wird1006. Viertens kam im 1004 Wir zitieren drei Stellen aus dem engeren Umfeld der Adnotationes: 1. en. Ps. 29, 2, 10 (wohl aus den ersten Episkopatsjahren: Müller 809–810): pondera gemina sunt. pondus enim est impetus quidam cuiusque rei, uelut conantis ad locum suum; hoc est pondus. fers lapidem manu, pateris pondus; premit manum tuam, quia locum suum quaerit. et uis uidere quid quaerat? subtrahe manum, uenit ad terram, quiescit in terra; peruenit quo tendebat, inuenit locum suum. pondus ergo illud motus erat quasi spontaneus, sine anima, sine sensu. sunt alia quae sursum uersus petunt locum. namque si aquam mittas super oleum, pondere suo in ima tendit. locum enim suum quaerit, ordinari quaerit; quia praeter ordinem est aqua super oleum. donec ergo ueniat ad ordinem suum, inquietus motus est, donec teneat locum suum. contra, oleum funde sub aqua, uerbi gratia, quemadmodum si uas olei cadat in aquam, in abyssum, in mare, et frangatur, non se patitur oleum subter. quomodo aqua super oleum missa, pondere ad ima locum suum quaerit, sic oleum subter aquam fusum, pondere ad summa locum suum quaerit. 2. conf. 13, 10: corpus pondere suo nititur ad locum suum. pondus non ad ima tantum est, sed ad locum suum. ignis sursum tendit, deorsum lapis. ponderibus suis aguntur, loca sua petunt. oleum infra aquam fusum super aquam attollitur, aqua supra oleum fusa infra oleum demergitur: ponderibus suis aguntur, loca sua petunt. minus ordinata inquieta sunt: ordinantur et quiescunt. 3. Gn. litt. 2, 1, 2: non […] tamen olei natura nobis esset incognita, quod ita facta sit, ut adpetendo suum locum, etiam si subterfusa fuerit, perrumpat aquas eisque se superpositam conlocet. nunc ergo quaerimus, utrum conditor rerum, qui omnia in mensura et numero et pondere disposuit (Sap 11, 21), non unum locum proprium ponderi aquarum circa terram tribuerit, sed et super caelum. 1005 So sinngemäß schon uera rel. 78: quod si ab ea parte, cui dominari nos deus iubet, […] per neglegentiam et impietatem uir subditus fuerit, […] erit quidem homo turpis et miser, sed destinatur in hac uita et post hanc uitam ordinatur, quo eum destinari et ubi ordinari summus ille rector et dominus iudicat. nulla itaque foeditate uniuersam creaturam maculare permittitur. en. Ps. 57, 16 (datiert zwischen 396 und 403: Müller 816): omnes impii, omnes superbi […] non uos terreant; hiemales aquae sunt, semper manare non possunt; necesse est decurrant in locum suum, in finem suum. Vgl. noch ciu. 18, 28: nam utique isti (sc. Israelitae, qui nunc nolunt credere in Christum) in suum locum moriendo transibunt. Umgekehrt gelten auch für die Frommen verschiedene Rangstufen im Himmel. Vgl. Augustins frühen Hinweis in s. 159A, 13 (= s. Dolbeau 13, 13; datiert 15.7.394/5: Gryson 259): ita tenebunt omnes gradus ordinem suum: excellens uirginitas, subsequens uiduitas, tertia coniugalitas, nulla sine mercede. Ähnlich später in b. uid. 28 (datiert Frühjahr 414: Gryson 270): habebunt ergo illic (sc. im Himmel) omnia ista bona (sc. coniugalia im Unterschied zur uirginitas) suum locum. 1006 Als Paraphrase schon c. Fel. 1, 4: excessit Iudas ambulare in locum suum (cf. Act 1, 25). Dann vor allem s. 125, 5 (datiert 400/405: Gryson 238): noli putare quia turbas consilium dei, si peruersus esse uolueris. qui creare te nouerat, ordinare te non nouit? bonum est ibi ut illuc coneris, ut bono loco ponaris. quid dictum est de Iuda ab apostolo? abiit in locum suum (Act 1, 25). operante utique diuina prouidentia, quia per malam uoluntatem malus esse uoluit, non autem deus malum ordinando fecit. sed quia ipse malus peccator esse uoluit, fecit quod uoluit, sed passus est quod no-

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vorliegenden Zusammenhang noch hinzu, dass sich das Bild, dass die mali an „ihren Ort“ verbracht werden, besser als der philosophische Begriff ordo dazu eignete, Augustins Schilderung der konkreten metallurgischen Prozesse abzuschließen, und zwar als Hinweis darauf, dass terra, nachdem ihr Dienst getan ist, als Schlacke oder als zerbrochene Gussform auf der zugehörigen Abraumhalde deponiert wird1007. So erweist sich auch hier wie schon an den drei anderen stilistisch vergleichbaren Stellen, dass die gedankliche Priorität des zweiten Gliedes die Bedeutung des proklitischen ersten Begriffes in keiner Weise schmälert, weil dieser mit besonderem Bezug auf den jeweiligen Kontext gewählt wurde. 7.2.4.3.2 Abgesang, Teil f sicut inpii per damnationem pro meritis suis. Augustinus endet mit der Entschlüsselung dieses Bildes: Die Gottlosen werden je nach ihren Vergehen im Endgericht zu dem ihnen gebührenden Platz in der Hölle verurteilt werden1008. Der Ausdruck pro meritis (ohne weiteren Zusatz) wird von Augustinus je nach Kontext in zwei verschiedenen Nuancen gebraucht. Der ambivalente Gebrauch deutet an, dass es um eine Abwägung zwischen bona und mala merita geht1009. Häufiger belegt ist jedoch vor den Adnotationes die rein negative Verwendung, die eine Stufenfolge von zunehmend schlimmen Sünden impliziert1010. luit. in eo quod fecit quod uoluit, peccatum eius deprehenditur: in eo quod passus est quod noluit, ordo dei laudatur. Später heißt es in en. Ps. 30, 2, 2, 13: Iudas tradito domino periit et, sicut de illo scriptum et: abiit in locum suum (Act 1, 25). 1007 Für eine analoge Aussage über Mist vgl. s. 254, 2 (datiert 412/413: Gryson 246): stercus non loco suo positum inmunditia est. stercus non loco suo positum inmundam facit domum. loco suo positum fertilem facit agrum. 1008 Vgl. die Belege in Anm. 1005. 1009 Belege vor den Adnotationes: lib. arb. 2, 53: quae (sc. diuina prouidentia) congruis sedibus ordinat omnia et pro meritis sua cuique distribuit. diu. qu. 27: ita etiam cetera creatura pro meritis animarum rationalium uel sentitur uel latet, uel molesta uel commoda est. Simpl. 2, 6: […] deum scilicet omnipotentem et iustum distributorem poenarum praemiorumque pro meritis […]. 1010 So schon mor. 2, 9: fiunt ergo miseriae diuino iudicio, dum conuenienter pro meritis ordinantur. lib. arb. 3, 65: creator uero […] ubique laudatur, […] quod peccantem, id est aut ab initiis suis sese ad perfectionem adtollere recusantem aut iam ex profectu aliquo relabentem, iustissima damnatione pro meritis ordinat. diu. qu. 27: quia pro meritis ibi est (sc. anima peccatrix), ubi esse talem decet, et ea patitur, quae talem pati aequum est, uniuersum dei regnum nulla sua foeditate deformat. c. ep. Man. 41, 47: cur ergo, inquis, quod naturae deus dedit, tollit corruptio? non tollit, nisi ubi permittit deus; ibi autem permittit, ubi ordinatissimum et iustissimum iudicat pro rerum gradibus et pro meritis animarum. Vgl. noch adn. 30 (573, 9–11): egentes omni bono (Iob 30, 4c2): amisso primatus honore, ab spe promissionis; quia et ipsum terrenum donum pro meritis suis amiserant et regnum caelorum non tenent.

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Da es nach Augustins Auslegung in Iob 28, 3a um die Verdammung der Gottlosen geht, liegt hier die rein negative Auffassung vor. In jedem Fall impliziert die Formulierung pro meritis, dass merita differenziert zu beurteilen sind. Deshalb entwickelt Augustinus schon früh die Idee eines ordo meritorum1011 und spricht später auch von einer Korrespondenz zwischen den merita und den loci der Sünder1012. Solche Passagen sind Teil seiner Verteidigung der guten göttlichen Weltordnung gegen die Manichäer. Nachdem die Allegorese von Iob 28, 1–2 also weithin von antidonatistischen Gedanken geprägt war, endet sie angesichts des Lemmas Iob 28, 3a ordinem posuit tenebris mit einer antimanichäischen Note.

7.3 Zusammenfassung: Lateinischer Text und Übersetzung Text (566, 21–567, 1 Zy) aes autem similiter ut lapides excluditur (Iob 28, 2b): quia totum de terra separatur; ut ostendat propterea esse bonos malis mixtos ad tempus, quia de ipsis malis seducuntur boni et per illos purgantur tamquam metalla operi uel aedificio necessaria, cum ipsa terra opus habeant eliquari atque formari, unde et separandi sunt, ut post hanc separationem habeat terra locum atque ordinem (cf. Iob 28, 3a) suum sicut inpii per damnationem pro meritis suis.

Übersetzung Kupfer aber wird ähnlich wie Steine abgebaut (Iob 28, 2b): weil jeder von der Erde getrennt wird. um darauf hinzuweisen, dass gute Christen deshalb für die Dauer dieser Weltzeit mit Sündern vermischt sind, weil die Guten ausgerechnet von den Sündern hingeleitet und durch sie gereinigt werden wie Metalle, die für ein Kunstwerk oder ein Bauprojekt benötigt werden, weil sie gerade mittels der Erde verflüssigt und geformt werden müssen, von der sie auch getrennt werden müssen, damit die Erde nach dieser Trennung den ihr zukommenden Platz in der Weltordnung (vgl. Iob 28, 3a) hat, so wie die Gottlosen durch die Verdammung gemäß dem, was sie verdienen.

In cat. rud. 47 spricht Augustinus ebenfalls von der ewigen Höllenstrafe:[…] ut […]homines mereantur aut commutationem caelestis incorruptionis pro meritis pietatis, aut corruptibilem corporis conditionem pro meritis iniquitatis, non quae morte soluatur, sed quae materiam sempiternis doloribus praebeat. 1011 Gn. litt. inp. 5, 25: nam et uitiorum nostrorum non est auctor deus; sed tamen ordinator est, cum eo loco peccatores constituit et ea perpeti cogit quae merentur. ad hoc ualet quod oues ponuntur ad dexteram, haedi autem ad sinistram. quaedam ergo et facit deus et ordinat; quaedam uero tantum ordinat. iustos et facit et ordinat; peccatores autem, in quantum peccatores sunt, non facit sed ordinat tantum, quippe cum illos ad dexteram, illos ad sinistram constituit et quod in ignem aeternum iubet ire, ad meritorum ordinem ualet. Ebenfalls in antimanichäischem Kontext steht die These in c. Faust. 22, 78: […] in suo singula quaeque ordine siue naturarum siue meritorum uel cedere uel succedere uel manere […]. 1012 c. Faust. 22, 78: non tamen ideo nescimus omnia ista iudicio aut misericordia dei fieri, licet in abdito positis mensuris et numeris et ponderibus, quibus omnia disponuntur (cf. Sap 11, 21) a deo creatore omnium, quae naturaliter sunt, nec auctore, sed tamen ordinatore etiam peccatorum, ut ea, quae peccata non essent, nisi contra naturam essent, sic iudicentur et ordinentur, ne uniuersitatis naturam turbare uel turpare permittantur, meritorum suorum locis et condicionibus deputata.

8. Zusammenfassung 8.1 Ergebnisse zu Hieronymus In der vorliegenden Studie fanden wir zunächst einmal einige unserer früher erzielten Ergebnisse bestätigt. Unsere Rekonstruktion ergab drei weitere Belege für Hieronymus’ Neigung zu Doppel- bzw. Mehrfachübersetzungen in O.1013. Bestätigung gab es auch für den Hang zu randständigen Textvorlagen in O.1014, zu Experimenten in S.1015 und für Sonderfehler in B.1016 Vielfach bestätigt hat sich auch der Befund, dass Hieronymus – anders als von ihm selbst in konsequenter Sprachregelung suggeriert1017 – weder die Versio prior als reine Übersetzung nach der LXX noch die Vulgata als reine Übersetzung nach dem hebräischen Urtext erarbeitete1018. Vielmehr beruht gerade die Erstfassung O. in besonders starkem Maße schon auf hebräischen Texten1019 (wobei Hieronymus häufig von der Masora abweicht1020), während umgekehrt in der Vulgata immer wieder auch der Einfluss griechischer Textvorlagen nachweisbar ist1021. Dabei ergaben sich weitere Belege für seine Technik, Elemente beider Urtexte zu einer neuen Verbindung zu vermischen1022, und seine Verwendung bewusst mehrdeutiger Formulierungen1023. Bestätigt hat sich schließlich Hieronymus’ charakteristische Neigung, seine Übersetzungen unablässig zu überarbeiten. Das kommt nicht nur in den drei Revisionsstufen O., S. und T. der Versio prior zum Ausdruck1024, sondern auch im Nebeneinander von Versio prior und Vulgata1025. Keinen Fortschritt haben wir bei der Erklärung von Stellen erzielt, an denen Hieronymus den Sinn der Urtexte stark verändert oder sogar ins Gegenteil verkehrt hat. Sie lassen sich weiterhin entweder als bewusste, inhaltlich motivierte Eingriffe des Übersetzers verstehen oder aber als mechanische Kopierversehen in seinem 1013 S. 32–33; 46–48; 75–83; 87–91. 1014 S. 125; 144–145. 1015 S. 126. 1016 S. 45–46. 1017 Vgl. Trenkler (2017) 24–29. 1018 S. 151. 1019 S. 46.48; 144–146. Für einen Fall in S. vgl. S. 126. 1020 S. 35–36; 81–82; 90–92; 145–146. 1021 S. 43–44; 134; 150. 1022 S. 34; 43–44; 83; 89–91. 1023 S. 127; 144–147. 1024 S. 30; 44–45; 125–126; 138; 143–144. 1025 S. 30; 70; 125; 133–134; 137; 143; 150–151.

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Skriptorium erklären (etwa bei der Umschrift eines schwer lesbaren Stenogramms in Fließtext)1026. Neue Einsichten zu Hieronymus haben wir hauptsächlich zu zwei Themenkomplexen gewonnen. Der erste betrifft den Umgang des Übersetzers mit seinen verschiedenen hebräischen und griechischen Textvorlagen1027. Fortschritte erzielt haben wir u. E. vor allem bei der Erklärung der Differenzen, die einerseits zwischen Hieronymus’ hebräischen und griechischen Vorlagen1028 und andererseits zwischen Hieronymus’ hebräischen Texten und der Masora bestehen1029. Angesichts der vielen offenen Fragen, die den Hebraisten Hieronymus betreffen1030, können wir deutlicher als bisher feststellen, dass Hieronymus in O. bei seinen vielen hebräischen Konjekturen durchaus nicht unmethodisch vorgegangen ist1031. Neu in der vorliegenden Studie ist zugleich unsere systematische Berücksichtigung der IjobTargumim1032. Allerdings haben wir häufiger mögliche Beziehungen zwischen der targumischen Überlieferung und den griechischen Übersetzungen festgestellt1033 als Einflüsse der Targumim auf Hieronymus1034 . Neue Beobachtungen haben wir zweitens vor allem zu Hieronymus’ Umgang mit lateinischen Bezugstexten gemacht. Wir glauben weitere Stellen identifiziert zu haben, an denen er die Erstfassung O. seiner ersten Ijob-Übersetzung mit intertextuellen Bezügen auf verschiedene klassische und christliche Autoren anreicherte. Neue Anspielungen ergaben sich auf Cicero1035 sowie auf Hilarius von Poitiers1036 und nicht zuletzt auf Hieronymus’ Zeitgenossen Avienus1037 und Ambrosius1038. Die Bezüge auf Ambrosius sind insofern besonders interessant, als Hieronymus lateinische Wendungen aus dem Buch Ijob einfließen lässt, die in dieser Form nur bei Ambrosius belegt sind1039, und diese mit ebenso charakteristischen Zitaten aus einer anderen Vetus Latina-Version des Buches Ijob kombiniert, die wir zuvor noch nicht als eine von Hieronymus’ lateinischen Vorlagen wahrgenommen hatten1040. Damit ist jetzt geklärt, dass Hieronymus in seiner Versio prior nicht nur eine einzige ältere Vetus Latina-Fassung korrigieren und vervollständigen wollte, sondern jedenfalls mehrere altlateinische Ijob-Versionen ausgewertet hat1041. Vor allem an 1026 S. 47–48. 1027 S. 33–36. 1028 S. 37–41; 88–89; 123–125; 130–133; 135–136; 138–143; 147–150. 1029 S. 81–82. 84–85; 90–92; 145. 1030 S. 36. 1031 S. 91. 1032 S. 35; 82; 124.126; 130–132; 135–137; 138–141; 148. 1033 S. 35; 39–40; 41–42; 134; 143; 148–149. 1034 S. 137; 146; 152. 1035 S. 92–93. 1036 S. 128. 1037 S. 146–147. 1038 S. 77–80. 1039 S. 78–79. 1040 S. 36; 75–79. 1041 S. 75–76.

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gesichts der entsprechenden Zitate aus Ambrosius drängt sich sogar die Vermutung auf, dass Hieronymus bemüht war, möglichst viele und möglichst rezente lateinische Ijob-Texte bei seiner Neufassung des Buches Ijob zu berücksichtigen1042. Somit wird sein Streben nach Auswertung möglichst vieler Vorlagen jetzt auch im Bereich der Vetus Latina-Tradition zunehmend deutlich1043. Einige neue Beobachtungen betreffen schließlich Details. Hieronymus hat zuweilen charakteristische stilistische Aspekte der Urtexte an einer Stelle geopfert, aber sozusagen als Ausgleich noch im selben Kontext von sich aus neu eingeführt1044. In der Vulgata reicherte Hieronymus den Sinngehalt einer Ijob-Stelle dadurch an, dass er zwei Stichworte einschleuste, die eine andere Bibelstelle evozieren1045 bzw. bei einem Latein-sprachigen Leser eine zusätzliche, zum Sinn passende Assoziation wecken1046. Auffällig ist auch die metrische Gestaltung zweier benachbarter Halbverse, die möglicherweise widerspiegeln sollen, dass der Hauptteil des Buches Ijob in hebräischen Versen gehalten ist: Wenn man von den Wortakzenten ausgeht, handelt es sich erst um Daktylen1047 und anschließend um Iamben1048. Auch mögliche Entwicklungen deuten sich an. Zum einen fasste Hieronymus in der Versio prior offensichtlich jeden Teilvers des Ijob-Textes als selbständige Aussage auf1049, während er in der Vulgata gelegentlich zwei parallele Teilverse ausdrücklich zu einer Sinneinheit verband1050. Zum anderen hat Hieronymus möglicherweise bewusst hier und da asyndetisch formuliert, um den Neubeginn eines Kapitels deutlicher zu markieren1051.

8.2 Ergebnisse zu Augustinus Auch für Augustins Adnotationes haben sich zunächst frühere Ergebnisse bestätigt. Alle drei Passagen zeigen, dass die Adnotationes in zwei Rezensionen überliefert sind1052. Mehrere Einzelheiten legen nahe, dass die ω2-Überlieferung hier und da aus der ω1-Rezension kontaminiert ist1053. Nicht zuletzt hat sich auch die These bewährt, dass beide Fratres in ihren Rezensionen öfter statt des von Augustinus aus 1042 S. 36–37; 78–79. Ungeklärt ist, ob Hieronymus auch schon den Ijob-Kommentar seines Zeitgenossen Polychronios von Apamea mit Übersetzungen aus dem Hebräischen ins Griechische gekannt hat: S. 142–143. 1043 S. 36–37. 1044 S. 44; 134. 1045 S. 127–128. 1046 S. 127. 129. 1047 S. 129. 1048 S. 134–135. 1049 S. 151. 1050 S. 44. 1051 S. 126. 1052 S. 71; 125; 143; 168–169; 179–180. 1053 S. 29–30; 32.

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gelegten Lemmas der Erstfassung O. einen anderen Wortlaut eingesetzt haben1054. Neu ist der Befund, dass solche abweichenden Texte nicht nur der von Hieronymus später redigierten Endversion T. entnommen wurden1055, sondern teilweise auch schon als Varianten in der Erstfassung O. standen1056. Was die Ijob-Auslegung in den Adnotationes betrifft, so illustrieren auch die in der vorliegenden Studie genauer analysierten drei Passagen, dass Augustinus zwar von Anfang an das gesamte Buch Ijob vor Augen hatte, aber seinen Zuhörern letztlich keine übergreifende Gesamtauffassung vermitteln wollte. Stattdessen lässt er sich von Vers zu Vers von den Assoziationen leiten, die die in O. vorgefundenen lateinischen Formulierungen bei ihm wachrufen. Das führt zu einer großen Vielfalt von Themen, die er allein schon in unseren drei Passagen angesprochen findet. Teils sind es Themen, die auch sonst im Mittelpunkt seines Interesses stehen, wie etwa die confessio als christliche Grundhaltung vor Gott1057, die Stadien spirituellen Fortschritts vom Unglauben zur Kirchengemeinschaft1058 sowie das Verhältnis zwischen actio und contemplatio1059. Auch mehrere neu nachgewiesene Bezüge auf Paulusbriefe sind hier zu nennen1060. Teils suggerieren ihm die Texte aber auch Themen, auf die er sonst kaum zu sprechen kommt, wie etwa die Kunst der rechten consolatio1061 und viele Details zur antiken Metallurgie1062. Das Bemühen, Augustins Aussagen inhaltlich nachzuvollziehen, führte uns an zwei Punkten dazu, frühere Einschätzungen zu modifizieren. Wir meinten früher, dass sich Augustinus in aller Regel sehr kleinschrittig von Halbvers zu Halbvers vorarbeitete. Auch die vorliegende Studie enthält wieder ein Beispiel für seine Tendenz, den Ijob-Text in unverbundene Einheiten zu zerlegen1063. Daneben jedoch beobachten wir jetzt, dass er nicht nur von Anfang an den gesamten Ijob-Text im Auge hat1064, sondern mehrfach auch den Parallelismus membrorum beachtet und daher zwei Halbverse als Einheit zitiert und auslegt1065. Freilich bleibt signifikant, dass die frühesten Herausgeber der Adnotationes mit dieser Technik offensichtlich nicht rechneten und daher dazu tendierten, den jeweils zweiten von Augustinus zitierten Halbvers unter den Tisch fallen zu lassen1066. Etwas modifiziert haben wir auch unsere Einschätzung, welche Rolle polemische Gesichtspunkte in den Adnotationes spielen. Während wir diese früher für margi 1054 S. 32; 74–75; 126; 153. 1055 S. 125; 126; 143–144; 153. 1056 S. 31; 75. 1057 S. 66–67. 1058 S. 96–97; 110–116. 1059 S. 154; 160–163. 1060 S. 103; 105; 107; 108–109; 174–176. 1061 S. 55–66. 1062 Kap. 6 und 7. 1063 S. 74. 1064 S. 68. 1065 S. 30–31; 72–73. 1066 S. 30–31; 73.

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nal hielten1067, zeigte sich jetzt, dass zumindest im Hintergrund seiner Gedanken ein Fundus von Argumenten hauptsächlich gegen Donatisten und Manichäer eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt1068. Leider lässt sich aufgrund der Quellenlage nicht klären, wieweit Augustinus diesen Fundus bei seiner Ijob-Exegese noch weiter ausgebaut hat1069. Unter den neuen Erkenntnissen zu den Adnotationes möchten wir vier Aspekte besonders hervorheben. Zunächst einmal haben wir unser ursprüngliches Hauptanliegen fördern können, durch die Vorklärung dieser drei schwierigen Stellen Vorarbeiten für unsere Edition zu leisten1070. In den ersten beiden Passagen ging es darum, die Textüberlieferung zu emendieren1071. An der dritten Stelle war zunächst eine schon aus dem Archetypos stammende Verderbnis zu heilen1072 und später eine zentrale alte Lectio difficilior zu verteidigen1073. Bei der Fehlerdiagnose und Emendation half uns die Auseinandersetzung mit den vier zu den Adnotationes vorliegenden Übersetzungen1074. Das gilt auch für die inhaltliche Erklärung der Texte1075. Ein weiterer Fortschritt besteht in dem Nachweis, dass Augustinus am Ende von zwei der drei Stellen den Ijob-Text nicht mehr wie üblich zunächst als Lemma anführt und anschließend auslegt, sondern nur noch als mehr oder weniger versteckte Paraphrase in seine Exegese einflicht1076. Neu ist zweitens der Vergleich mit den anderen griechischen und lateinischen Ijob-Auslegungen, die aus der Patristik erhalten sind1077. Im Ergebnis zeigt sich, dass Augustins Adnotationes weder einer früheren Auslegung verpflichtet sind noch eine spätere Auslegung beeinflusst haben1078. Auch an anderen Punkten wird Augustins Unabhängigkeit deutlich. So steht er in seiner Auffassung von rechter consolatio überraschend allein1079. Gelegentlich gestattet er sich auch ein produktives Missverständnis – sei es, dass er den Bibeltext umstrukturiert1080 oder dass er mehrdeutige Formulierungen bei Hieronymus gegen den ursprünglichen Sinn interpretiert1081. Solche Missverständnisse gehen teilweise darauf zurück, dass er in den Adnotatio-

1067 Trenkler / Warns (2013) 155. 1068 S. 112–113; 115–116; 188–189; 193; 202–203. 1069 S. 188–189. 1070 Dazu gehört auch die Diagnose von verbleibenden Unsicherheiten: S. 33; 47–48. 1071 S. 29–31; 51–53; 71–72.73–75.77; 95. 1072 S. 174–177. 1073 S. 180; 190–195. 1074 S. 52; 175–176; 194–196. 1075 S. 56; 95; 181–182; 191; 194–196; 199. 1076 S. 85–93; 110; 204–205. 1077 S. 38; 64–66; 150–151; 160; 170–171; 181; 205. 1078 S. 66. 1079 S. 57–60. 1080 S. 96–97. 1081 S. 77; 93; 95; 97–98; 106–107; 110–111.

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nes rein mit der lateinischen Ijob-Übersetzung des Hieronymus arbeitete, ohne den Sinn in Zweifelsfällen anhand der Septuaginta nachzuprüfen1082. Als besonders ergiebig haben sich im Verlauf der Arbeit zwei weitere neue Perspektiven auf die Adnotationes erwiesen. Zunächst bemühten wir uns dadurch um ein besseres Verständnis von Augustins Ausführungen, dass wir sie konsequent in die chronologische Entwicklung seiner Gedanken einzuordnen suchten. Im Ergebnis wurde an weiteren Details die enge Beziehung zwischen den Adnotationes und den Confessiones deutlich1083. Vor allem aber bewährte sich der chronologische Ansatz generell. Besonders am Beispiel der Allegorie von terra und lutum als Symbole eines sündhaften Anfangszustandes1084 sowie der Edelmetalle als Symbol für verschiedene Menschengruppen1085 und mit der schrittweisen Klärung des Verhältnisses zwischen den Begriffen prudentia und sapientia wurde sichtbar, dass Augustinus in den Adnotationes zu einer klareren Unterscheidung von Symbolen und Begriffen vorgestoßen ist, als er sie vorher besaß1086. Am Beispiel der Begriffe actio und contemplatio ließ sich zeigen, dass er in den Adnotationes in aller Kürze Gedankengänge vorwegnahm, die er später in De ciuitate genauer ausführte1087. Solche Beobachtungen verdeutlichen, dass Augustins Adnotationes nicht einfach als gründlich verunglücktes Parergon abgeschrieben werden können, wie es der Autor selbst in den Retractationes angesichts der unzulänglichen Edition durch Mitarbeiter getan hat1088, sondern als Stufe in Augustins geistiger Entwicklung genauere Beachtung verdienen. Dabei darf man die Adnotationes nicht so lesen, als bedeuteten sie in ihrer Gänze einen linearen Fortschritt innerhalb des augustinischen Œuvre. Vielmehr deckt die Beachtung der relativen Chronologie auf, dass sich Augustinus mit manchen Themen nur phasenweise bzw. in Schüben beschäftigt hat1089. Es gibt auch Punkte, denen er nur in den Adnotationes genauere Aufmerksamkeit geschenkt hat, an denen er aber zuvor oder später kein weiteres Interesse zeigte1090. Dies deuten wir als weiteren Hinweis darauf, dass er nicht nur Eisegese trieb, also im Ijob-Text Aussagen wiederfand, die er von außen – teilweise sogar fast gewaltsam1091- herantrug, sondern für Impulse aus der Bibel offen war. Diese konnten ihm entweder eine sonst unübliche Aussage suggerieren1092 oder umgekehrt nahelegen, auch einmal auf einen Lieblingsgedanken zu verzichten1093. 1082 S. 48. 1083 So die mehrfachen Bezüge auf Kernstellen in conf. 8: S. 97–98; 101–102; 103–104; 108; 110. 1084 S. 101–106. 1085 S. 96; 100–101; 161. 1086 S. 53–55; 95; 99–101; 117–119; 154. 1087 S. 164–168. 1088 Zu Augustins übersteigerter Selbstkritik vgl. Trenkler / Warns (2013) 155. 1089 S. 56; 97–98. 1090 S. 64; 104–106; 168; 197–198. 1091 S. 104; 160; 162; 169–171. 1092 S. 109; 163; 173. 1093 S. 155–158.

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Der letzte weiterführende Gesichtspunkt unserer Studie betrifft verschiedene neu beobachtete Phänomene von Augustins Textgestaltung in den Adnotationes. Auffällig ist ein oft abrupter Wechsel zwischen eher ungeschickt formulierten Aussagen1094 und anspruchsvoll stilisierten Passagen, die entweder mit einzelnen rhetorischen Glanzlichtern aufwarten1095 oder sogar – wie unsere dritte Stelle zeigt – über eine längere Strecke hin überraschend kunstvoll disponiert und sogar mit akzentuierenden Klauseln durchrhythmisiert sind1096. Wir finden keinen Hinweis darauf, dass Augustinus nur die ungelenken Passagen extemporiert und die stilistisch brillanten stattdessen vorbereitet hätte. Mit Blick auf ähnliche Stilbrüche beim älteren Plinius1097 könnte man eher fragen, ob sich Augustinus in seinen Anmerkungen zu Ijob bewusst an den Genus-Regeln eines Sachtextes orientierte, der ein Detail auf das andere häuft und sich die Aufmerksamkeit des Lesers durch ausgeprägte stilistische Variation erhalten möchte. In jedem Fall zeigen die durchstilisierten Passagen, zu welchen Höhenflügen der Rhetor Augustinus aus dem Stegreif fähig war1098. Weitere Vorgehensweisen der Adnotationes lassen vermuten, dass sich Augustinus trotz aller grundsätzlichen Unabhängigkeit durchaus auch an anderen lateinischen Autoren orientierte. So praktiziert er mehrfach eine Form des Hendiadyoin, für die er Beispiele bei Sallust finden konnte: Er verankert einen weiter hergeholten Ausdruck dadurch im Gedankengang, dass er ihn als Proklitikon an einen gängigeren zweiten Begriff anlehnt1099. Mehrere literarische Methoden Augustins sind vielleicht sogar als bewusste aemulatio von Vorgehensweisen des Hieronymus zu verstehen, die in der Erstfassung O. von dessen Ijob-Übersetzung zu beobachten sind. Wir haben oben daran erinnert, dass Hieronymus in O. sowohl bewusst mehrdeutige Formulierungen gebrauchte als auch gern Anspielungen auf profane und christliche Autoren einfließen ließ. Interessanterweise finden sich dieselben Techniken auch in den Adnotationes, und zwar in gesteigerter Weise. Augustinus hat wiederholt so vieldeutig formuliert, dass er aus einem Text mehrere mögliche Aussagen herauslas1100. Dabei ließ er meist zunächst in der Schwebe, welcher Nuance er selbst den Vorzug einräumte, und ließ erst im Weitergehen erkennen, auf welchen Punkt er vor allem hinauswollte1101. Die Überbietung der mehrdeutigen Formulierungen bei Hieronymus liegt darin, dass Hieronymus solche Begriffe nur hinsetzt, während Augustinus sie sukzessiv entfaltet. Beide Autoren 1094 S. 52; 95; 108; 115; 168; 172–173; 184. 1095 S. 107–108; 115. 1096 S. 179; 184–185; 186. 1097 S. 184. 1098 Auch Ausdrücke wie in actione / contemplatione esse zeigen Bezug auf die Rhetorenschule: S. 163–164. 1099 S. 104; 199; 204; 205–207. 1100 Vor allem S. 112–113; 189–190; 190–195; 200–201 sowie die Stellen in der folgenden Anm. 1101 S. 181–183; 186; 189–195; 195–196.

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setzen dabei eine Theorie des multiplen Schriftsinnes voraus. Augustinus hat diese vor allem in Buch 12 der Confessiones ausführlich vorgeführt, wendet sie aber in den Adnotationes in konzentrierterer und verfeinerter Weise an. In den Confessiones hat er die verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten ausdrücklich nebeneinander aufgeführt und mit langen methodologischen Erörterungen gerechtfertigt. In den Adnotationes dagegen praktiziert er dieselbe Methode in eleganterer Weise, indem er den Leser ohne weitere Erklärungen in gleitender Steigerung von einer möglichen Interpretation zur anderen führt und mit der Nuance endet, die ihm am wichtigsten ist. In den Adnotationes lässt sich ferner eine Neigung zu Anspielungen auf profane und christliche Autoren feststellen, die man als Echo oder sogar Überbietung von Hieronymus’ Vorgehen in seiner Ijob-Übersetzung O. verstehen kann. So sind wir auf mögliche Zitate aus bzw. Anspielungen auf Sulpicius Rufus1102, Seneca1103 und Paulinus von Nola1104 gestoßen. Eine weitere Formulierung zeugt vielleicht sogar von einer frühen Berührung mit der Paulusexegese des Priscillian von Avila1105. Solche Bezüge hat man bisher in den Adnotationes nicht nachgewiesen. Nicht immer jedoch sind erkennbar überkommene Gedanken auf eine bestimmte Quelle zurückzuführen. So haben die Ausführungen zur Metallurgie zwar in fast allen Einzelheiten Parallelen bei Plinius, ohne dass sich ein einziges konkretes Zitat hätte finden lassen1106. In dieser Weise lassen sich vielleicht die kleineren und größeren Mosaiksteine, auf die wir bei unseren Bemühungen um Hieronymus’ Ijob-Übersetzungen und Augustins Ijob-Auslegung gestoßen sind, zu einem vorläufigen Gesamtbild ordnen.

1102 S. 58. 1103 S. 62; 165; 167. 1104 S. 67–68. 1105 S. 105; 107. 1106 S. 186–187.

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1107 Für die späteren Drucke von T. s. o. das Abkürzungsverzeichnis unter Vallarsi, Sabatier sowie T. Migne.

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10.1 Zitate 10.1.1 Bibel 10.1.1.1 Altes Testament Gn 1, 2 1, 3 1, 3–4 1, 4 1, 4–5 2, 5a 2, 7 2, 9a 2, 10 2, 12b 3, 21 27, 15 28, 11. 18 45, 22 Ex 3, 22a

204, 997 204, 997 204, 997 204, 997 149, 698; 204, 997 101, 396 102, 399–403 101, 396 127, 521; 128, 525. 528–533. 535; 152 180, 859 159, 742 81, 319 180, 859 81, 319

11, 2b 12, 35b 24, 10

81, 319; 99, 379; 100, 384. 388 100, 384. 388 81, 319; 100, 384. 388 199, 958; 201, 971

Nm 12, 15 22, 18

145, 661 99, 379

Dt 4, 20 5, 27

170, 806 99, 379

Ios 22, 8

99, 379

Idc 7, 16 9, 34. 43

128, 534 128, 534

Rt 1, 1

126, 516

Est 1, 1

126, 516

Iob 1, 8d 2, 11f-g 2, 11–13 2, 12–13 2, 13 3, 1 3, 6 3, 11 3, 14 3, 15a 3, 20b 3, 21 4, 12b 6, 11a–12a 6, 20 6, 21b 6, 25b 7, 2a 7, 9a 9, 23ab 9, 30b 9, 33a 11, 12ab

64, 236; 67, 260 63, 233 65, 240 65, 239 64, 235; 65, 241–242. 245; 66, 250 66, 250 114, 463 65, 244 65, 244 118, 492 164, 761 65, 244 66, 253 67, 258 92, 362 66, 254 67, 258 92, 362 157, 735 164, 761 158 64, 236 141, 634

230 12, 24b 13, 12a 14, 18b 15, 21b 16, 2b 16, 3a 16, 6ab (=7ab Vulg.)

16, 6a

16, 6b

16, 7–10 16, 12a 17, 15b 18, 1 19, 1 19, 10b 19, 13c 19, 21b 19, 22a 20, 2b 20, 10a 20, 16b 22, 1 23, 1 23, 7b 23, 8a 24, 12b 25, 1 25, 4b 26, 1 26, 10 27, 8–10 27, 8–12 27, 13–15 27, 13–23 27, 14ab 27, 15ab 27, 15–16 27, 16–17 27, 16–17a 27, 16ab

Register 195, 932 141, 634 176, 831 164, 760 64, 236 149, 702 Kap. 1–2 pass.; 29–33; 37, 68–74; 40; 44, 118; 46; 48; 51–53; 63, 231–232; 68 30, 24–25; 31; 32, 39; 38, 77–82; 39; 41, 99–100; 42, 105–109; 43, 115–116; 44–45; 51–52; 66, 252; 67, 259 30, 33–34; 31–32; 38, 78; 39; 40, 96; 43, 117; 44, 118–120; 46, 126–128; 52 68, 265 164, 760 191, 920 126 126 144, 649 56, 177; 164, 762 45, 121; 67, 259 67, 258 47–48, 138–139 191, 920 191, 920 126 126 99, 378 99, 378 164, 761 126 157 126 149, 694. 698 73 74 74 73 191, 920 75, 288; 191, 920 74, 285 74, 286 Kap. 3–4 pass.; 71; 76, 293–294; 107–108; 115; 117 71; 73, 284–285;

74; 76–77; 78, 303. 305–307; 79, 313; 80; 81, 316–319; 83; 85; 89–91; 95–97; 99; 100, 384; 106, 424–425; 108–109; 110, 447– 448; 141, 634; 153; 183; 204, 991. 995 27, 16a 72–73, 283; 74; 77, 300; 78, 305–308; 80; 96–97; 99; 103 27, 16b 72–73; 77–78; 79, 309; 80–81; 89, 357; 90, 360; 98; 145, 657; 201 27, 17ab 74, 285; 79, 310–311; 85, 333. 335 27, 17a 71, 267–268; 72; 85–86, 336–337; 87, 345–346; 88, 348–349; 89; 90, 360; 91–92; 93, 369; 95–96; 99; 110–111; 113–114; 116; 145, 657; 204, 995 27, 17b 86, 338–339. 341–342; 87, 344 27, 18 75, 288 27, 18–23 74 28, 1–3a Kap. 5–7 pass.; 160, 744 28, 1–2 160; 162; 173, 818; 174; 176; 198; 208 28, 1ab 131–132, 557; 153– 154; 157–160; 162; 167–170; 173–174; 183–184 28, 1a 123–129; 137, 597; 152–153; 163; 172–173 28, 1b 130–135; 152–153; 163; 170; 183 28, 2ab 142, 636; 171, 813; 183 28, 2a 126, 512; 135–137; 140; 151; 153; 168, 784–785; 169–170; 172–173, 819; ­176–177; 184 28, 2b 138–147; 151–152; 173, 820; 180, 855; 181, 860; 183, 878; 190, 916; 195; ­197–198; 200–201 28, 2b–3a 153; 179, 835–840; 184

231

Zitate 28, 3a

147–152; 204, 9­ 95–996; 205, 1000; 208 28, 3b 149, 697 28, 8a 145, 656 28, 10b 149, 694 28, 11b 188, 897 28, 12 131, 557 28, 17a 118, 492 28, 20 131, 557 28, 28 68, 266; 104, 416; 157, 733 30, 4c 207, 1010 31, 17b 145, 656 31, 24a 118, 492 34, 1 126 34, 32a 188, 897 35, 14 47, 136 36, 19b 164, 760 36, 27a 47, 137 36, 32a 48, 140 37, 4b 164, 761 37, 7b 47, 137 37, 21c 157–158, 735 38 114, 463 38, 10–11 149, 694 38, 28a 171, 810 38, 29a 171, 810 39, 22b 170, 807 42, 1–6 68, 266 42, 7–8 63, 236 Ps iux. G 5, 8 5, 11 7, 18 10, 5 11, 7 11, 7b 25, 2 25, 10 67, 31 68, 3 68, 15 103, 9 104, 37 113, 12 118, 72 134, 15

200, 965 112, 459 204, 997 200, 965 197, 944 102, 396 173, 820 111, 452 145, 661 102, 402 106, 427 149, 694 99, 379 99, 379 99, 379 99, 379

Ps iux. M 118, 133

92, 364

Prv 2, 6 2, 10–11 3, 13 8, 10 8, 29 11, 12b 13, 3b 16, 9 27, 21

158, 740 158, 740 53, 144 118, 493 149, 694 62, 224 109, 440 92, 364 99, 379

Ecl 7, 21

176, 832

Ct 4, 12–13

114, 463

Sap 9, 15 11, 21

176, 831 206, 1004; 208, 1012

Sir 2, 5

100, 381. 388; 196, 943

Is 2, 7 11, 2–3 22, 16 51, 1

99, 379 159, 743 144, 649 144, 649

Ier 5, 22 10, 23 19, 9

149, 694 92, 364 145, 659

Lam 3, 8

145, 661

Ez 4, 7

92, 363

Agg 2, 9

118, 491; 174, 821–822

Za 9, 3bc 14, 14

81, 319 81, 319

232

Register

10.1.1.2 Neues Testament Mt 3, 12 5, 3–9 5, 8 6, 10 6, 20 7, 9b 11, 25 13, 24–30.  36–42 13, 47–50 25, 2.4.8.9 25, 31–48

189, 908–909; 190, 912; 193, 929 159, 743 155, 729; 156, 732 102, 396 54, 161 180, 858 53, 144 188, 899–901 188, 900–901 53, 144 190, 913

Lc 10, 38–42 10, 42 14, 28

162, 754 167, 778; 171, 812 199, 958

Io 7, 12 11, 39 11, 44 17, 3

195, 933–936 102, 396; 180, 858 106, 427 166–167, 777

Act 1, 25

206, 1006

Rm 3, 22 3, 23 7, 15 7, 22–23 8, 4–5 8, 5

8, 6 9, 21 9, 32–33 12, 15 12, 16

174; 177 174 106, 427 106, 427 103, 407 103, 406–409; 105; 107, 430; 108–109, 436–438; 111, 454; 117 103, 410 102, 398. 402 180, 858 55, 164. 167 110, 450

I Cor 1, 20 1, 24 2, 5 3, 17

176, 832 54, 157–158 174; 177 200, 964–968

3, 18–19 7, 5 7, 27a 7, 32 9, 20 9, 22 9, 25b 12, 8 13, 10 13, 12 15, 33 15, 46–49

176, 832 189, 906 97, 375 173, 820 55, 168 55, 169 98, 376 157, 733; 158, 737; 159 167, 777 161; 167, 777 192, 923 102, 396

II Cor 5, 6 6, 14 11, 29

175, 829 192, 923 55, 170

Gal 3, 1. 3 5, 17

105–106, 422–423 107, 432

Eph 1, 8 2, 19–22 2, 20 5, 8 6, 12

53, 144; 54, 160 200, 964. 967–968 180, 859 205, 998. 1000 205, 999

Phil 2, 15 3, 19d

157, 733; 160 103, 404–406; 105; 107, 430; 109; 111, 454; 117

I Tim 2, 4

166, 776

II Tim 2, 19 2, 20 2, 21 2, 24–25 3, 12

190, 909; 193–194, 929 168, 783; 193, 929 193, 929 109, 440 181, 861; 191, 922

Iac 3, 13

161

I Pt 1, 18

100, 381

233

Zitate 180, 857 200, 964. 967–968 180, 857

2, 4 2, 5 2, 7–8

I Io 2, 2 3, 8

176, 832 195

10.1.2 Antike Autoren 10.1.2.1 Aramäische Schriften Targume Targum Iob   (Qumran 11QtgJob) zu 16, 6ab zu 27, 16ab zu 27, 17 zu 27, 20b–28, 3c zu 28, 1a zu 28, 1b zu 28, 3a

35; 39–40, 86–87. 90–92; 143; 210, 1033–1034 35, 50. 52 37 82, 321 86, 341 140, 625 123 130 147

Targum Iob  (rabbinisch) zu 16, 6ab

35, 50. 53–56 41, 101–104; 42, 105–109 zu 27, 16ab 82, 320; 84, 332 zu 27, 17 85, 333; 86, 341; 90 zu 28, 1a 123; 124, 499–500. 502; 126, 515 zu 28, 1b 130–131, 546–548; 132, 564. 566; 134 zu 28, 2a 135, 581–583; 136, 587–590; 137, 596 zu 28, 2b 138, 602–604; 140, 626–628; 143 zu 28, 3a 148, 687–688; 149, 692. 696

10.1.2.2 Griechische und lateinische Autoren Stoicorum Veterum Fragmenta 2, 15, Nr. 35–36 157, 733

10.1.2.3 Griechische Autoren Aquila zu 28, 1b zu 28, 3a zu 28, 8a

130, 544; 134 148, 684; 149, 692. 696 145

Didymos der Blinde Kommentar zu Hiob zu 2, 13 65, 241 Johannes Chrysostomos Kommentar zu Hiob zu 2, 12–13 65, 239 zu 16, 6 38, 79 zu 28, 3a 150, 706

Julian der Arianer Hiobkommentar zu 2, 11–13 zu 16, 6 zu 28, 1–3b zu 28, 2a

65, 240 38, 77 150, 705; 160, 744 173, 819

Olympiodor von Alexandria Kommentar zu Hiob zu 2, 13 65, 242 zu 16, 5 38, 78 zu 28, 1–3 150, 707; 160, 744 Origenes Hexapla, Liber Iob 34, 44–45; 55, 164. 167–170

234

Register

Platon Euthydemos 281d 54, 149 Menon 88b–c 53, 148 Phaidon 69a–c 53, 148 Politeia 428b. 429a 53, 147 433b 53, 148 Protagoras 330a 53, 147 Plotin Enneaden I 6 [1] 6 I 2 [19] 3

Porphyrios Sententiae 32 155, 727 Strabon Geographica 9, 1, 23 Symmachos zu 16, 6ab zu 28, 1b zu 28, 3a

155, 727 155, 727

Polychronios von Apamea Hiobkommentar zu 28, 2b 138, 605–606; 142– 143, 637–639

Theodotion zu 28, 1b zu 28, 3a

182, 868 41, 100; 42–44 130, 545; 132, 567; 133, 575; 134 148, 685; 149–150, 703–704. 710 130, 544; 134 148, 686; 149, 696

10.1.2.4 Lateinische Autoren Anonymi Ambrosiaster zu Rm 8, 5 zu I Cor 9, 25b 15, 52 Clavis Melitonis, Recensio primitiva 10, 1, 44 Clavis Melitonis, Recensio vulgata 6, 16 Commentarius in Iob (ed. Steinhauser) 3, 11, 14 3, 21 Gloss. codd. Hisp. (ed. Ziegler) zu 27, 17b Ambrosius epist. VIII (39) LI (15), 1. 10 in Luc. 5, 62.66.68

103, 407; 109, 437 98, 376 98, 376 137, 594 137, 594

65, 244 65, 244; 66, 250 36, 63 86, 338

59, 202–203 59, 204 54, 156

in psalm. 37, 42, 3–7 37, 42, 4 Iob 2, 22

obit. Theod. 33–37. 55 obit. Valent. 26–29. 79 off. 1, 24, 115 1, 25, 117–118 1, 25, 119–121 parad. 3, 18–19

65, 243 66, 250 74, 286; 78, 301–303. 307–308; 79, 312; 81, 318; 123, 494; 128, 524; 170, 799. 808 59, 206 59, 205 54, 156 54, 157 54, 157 54, 156

Apuleius Plat. I, VIII. XIV 54, 154 II, I 54, 153 II, IV. VI 54, 155 II, VI. IX. XXIV 54, 154

Zitate Augustinus Acad. 1, 5 97, 374 1, 8 101, 390 1, 16. 18 159, 741 1, 20 54, 156 1, 22 156, 733; 159, 741 1, 23 159, 741 1, 25 166, 776 2, 1 158, 741 2, 30 97, 374 3, 8–10 158, 741 3, 11–12 109, 443 3, 21 109, 442 3, 30 158, 741 3, 31 109, 443 3, 35 109, 443 3, 36 109, 441 c. Adim. 2 116, 473 12 102, 396 19 53, 144; 99, 379 22 101, 390 26 205, 998 adn. Iob 184, 879 3 114, 463; 118, 492; 164, 761 4 66, 253 5 68, 266; 104, 416; 112, 459; 195, 936; 199, 957; 201, 971 6 67, 258 7 157, 735; 163, 759; 187, 889 9 102, 396; 158; 164, 761 10 163, 759 12 102, 396; 194–195, 932 14 176, 831 15 112, 459; 164, 760 16 68, 265; 163, 759; 164, 760; 187, 894; 188, 896 17 191, 920; 195, 936 19 45, 121; 56, 177; 67, 258–259; 164, 762 20 191, 920 21 163, 759 23 99, 378; 163, 759 24 164, 761; 187, 889 26 187, 889 27 187, 893; 191, 920 28 118, 492; 187; 199, 958; 201, 971

235 29 163, 759 30 207, 1010 31 118, 492 35 187, 890 36 164, 760; 175, 829; 187, 890; 188, 896; 189, 906 37 163, 759; 164, 761; 188, 896 38 114, 463; 163, 759; 171, 810; 187, ­891–892; 188, 895 39 68, 266; 112, 460; 170, 807; 205, 999 agon. 3 205, 998 6 103, 412 14 101, 391 18 100, 382 35 155, 729 an. et or. 4, 20 201, 976 an. quant. 155, 728 9 109, 443 24 109, 440 73 155, 729; 156, 731 74 160, 746 75 201, 977 bapt. 1, 25 197, 951 2, 2 196, 939 3, 17 113 3, 26 168, 783; 193, 929 4, 14 114, 467 4, 18 168, 783 4, 21 193, 929 5, 29 197, 951 5, 30 116, 475 5, 38 114, 463 6, 5 114, 463 6, 7 114, 467 6, 8 108, 433 7, 5 108, 433 7, 21 108, 435 7, 64 113 7, 89 114, 467 7, 99 168, 783 beata u. 7. 10.11.20 109, 441 34 114, 465 b. coniug. 163, 757 15 101, 395

236

Register

b. uid. 28 206, 1005 cat. rud. 11 191, 923 32 114, 467 38 181, 863 43 196, 939 47 208, 1010 48 197, 950; 198, 954 66 189, 909 cath. fr. 35 188, 899–900 38 190, 909 51 190, 909 ciu. 1, 8 201, 977 2, 18 109, 441 3, 30 116, 484 4, 20 54, 157 4, 23 115, 472 4, 32 55, 161 5, 7 115, 472 5, 20 54, 156 8, 4 164–168; 164, 763; 165, 764–772; 166, 773–777; 167, 778–782 8, 17 116, 485 9, 5 55, 166 10, 22 157, 734 10, 27 116, 485 10, 28 156, 730 12, 21 62, 222 13, 19 176, 831 13, 24 102, 399. 403 14, 7 172, 814 14, 7–9 55, 166 14, 9 173, 820 15, 9. 12 187, 887 17, 8 200, 968 18, 28 206, 1005 19, 12 109, 441 19, 27 176, 831 20, 19 108, 435 20, 21 103, 406; 107, 430 20, 29 103, 404; 109, 441 22, 24 199, 959 conf. 1, 17 101, 393 2, 2 102, 402 2, 10 100, 382 3, 1 103, 412 3, 20 102, 402

104, 416 54, 159 100, 382 66, 257 172, 817 66, 257 101, 393 102, 397; 104, 415 66, 257 66, 257 53, 144 97, 375; 104, 412. 416 196, 939 104, 412; 107, 429 107, 429 108, 434; 109, 440. 444; 110, 446–449 8, 25 104, 412 9, 18 197, 949 9, 32 107, 429 9, 35 66, 257 10, 39. 64 66, 257 11, 4 100, 382 11, 18 101, 393 11, 39 202, 979 12 216 13, 1 182, 870 13, 10 206, 1004 13, 22 160 13, 23 158, 737 cons. eu. 1, 8 156, 730; 158, 736; 161 1, 12 165, 771–772 1, 26 165, 772 1, 44 99, 379 1, 46 196, 944 2, 51 172, 817 2, 72 172, 814; 176, 832 2, 80 53, 144 2, 121 172, 817 2, 137 197, 950 3, 86 167, 777 4, 6 190, 913 cont. 5 107, 431; 109, 444 Cresc. 2, 15 114, 466; 116, 475. 478 2, 18 114, 466 2, 25 197, 951 2, 40 113 3, 57 116, 480 4, 64 112, 460 5, 8 5, 10 5, 17 6, 9 6, 10 6, 13 6, 14 6, 18 6, 21. 25 7, 11. 26 7, 27 8, 2 8, 9 8, 10 8, 11 8, 22

237

Zitate diu. qu. 184, 879 27 207, 1009–1010 31 54, 150 31, 1 158, 739 35, 2 167, 777 49 103, 409 53, 2 100, 384 59, 2 53, 144 64, 5. 7 103, 409 65 102, 396; 106, 427; 180, 858 66, 6 97, 373; 101, 393; 103, 407–408; 108, 436; 111, 455 68, 3 102, 398; 156, 732 70 66, 255 doctr. chr. 1, 13 66, 256 1, 17 114, 466 1, 41 107, 431 2, 3 198–199, 956 2, 9 115, 469 2, 39 199, 960 2, 60–61 100, 384. 388 3, 9 103, 409 3, 36 116, 473; 171, 814 3, 52 128, 535 3, 56 158, 740 4, 40 110, 450 c. Don. 14 190, 912 35 194, 929 36 115, 472 duab. an. 10 166, 777 13 109, 441 18 97, 373 en. Ps. 4, 2 190, 913 5, 8 200, 965 5, 12 112, 459 7, 19 204, 997 9, 12 200, 966 10, 7 200, 965 11, 7 102, 396; 197, 944 17, 10 103, 405 17, 47 103, 410 18, 1, 11 201, 978 18, 2, 7 133, 574; 196, 944 21, 2, 5 202, 982 25, 1, 10 111, 452 25, 2, 5 203, 989

28, 7 29, 2, 8 29, 2, 10 29, 2, 11 29, 2, 22 30, 2, 2, 13 32, 2, 1, 2 32, 2, 1, 11 36, 1, 11 36, 3, 5 37, 24 38, 21 39, 20 40, 2. 11 42, 2 44, 24 48, 1, 5 52, 4 54, 22 57, 16 61, 11 62, 2 64, 1 64, 9 64, 16 67, 39 68, 1, 10 68, 1, 18 69, 5 70, 1, 14 71, 17 76, 9 78, 4 80, 1. 11 80, 13 80, 14 80, 17 81, 5 81, 7 85, 4 85, 9 86, 2. 3 89, 3 91, 11 92, 2 92, 5 93, 2 93, 9 94, 6 95, 9 97, 7

195, 934 203, 989 206, 1004 45, 121 190, 913 207, 1006 190, 913 190, 913 202, 982 158, 740 45, 121; 66, 257 176, 830 66, 257 190, 913 203, 989 118, 492 176, 830 190, 913 197, 944 206, 1005 202, 982 196, 944 176, 830 188, 900 188, 899 181, 861 66, 257 106, 427 99, 379 64, 235 118, 492–493 173, 818 200, 968 201, 977 99, 379; 100, 384 168, 783 201, 977 200, 968 103, 404 182, 873 156, 731 200, 968 102, 402 182, 873 195, 933 203, 989 45, 121 55, 164. 167 99, 379 200, 968 109, 439

238

Register 98, 12

45, 121; 189, 905; 203, 989 188, 898 181, 861 183, 873 97, 375 205, 1001 64, 236 103, 404 170, 806 99, 379; 100, 384 99, 379 99, 379 156, 732 200, 967 190, 913 190, 913 99, 379 176, 830 110, 450 196, 943 99, 379 102, 399 158, 740 203, 989 189, 907. 909 200, 968 97, 375 176, 830 188, 898; 190, 909 200, 968 156, 732 190, 909 156, 732 99, 379 156, 733 201, 977 160, 745 176, 830 183, 873; 205, 1001 97, 375

99, 3 101, 1, 2 102, 6 103, 3, 4 103, 4, 7 103, 4, 8 103, 4, 11 104, 13 104, 28 104, 39 107, 1 109, 13 111, 1 111, 5 113, 1, 9 113, 2, 1. 5 114, 8 118, 2, 1 118, 15, 2 118, 17, 10 118, 18, 2 118, 24, 6 119, 6 119, 9 121, 4 121, 10 123, 2 128, 8 130, 1 130, 8 130, 13 134, 5 134, 23 135, 8 136, 9 145, 4 148, 4 148, 9 149, 15 ench. 29 164, 762 ep. 36, 28 105, 420 40, 4. 6 55, 164. 168–170 47, 3 111, 452 48, 1 161, 750 55, 9 103, 404; 107, 430; 111, 455 55, 23 164, 762 55, 31 197, 944

74 116, 476 78 57, 180. 184 78, 5 191, 923 87, 1 101, 395 91, 6 114, 467 92 57, 181–182 93, 25 101, 395 93, 26 114, 467 93, 31 106, 423 99 55, 167; 57, 180. 184 104, 16 55, 166 111 57, 180. 184 130, 4 55, 167 145, 8 110, 450 149, 33 170, 806 155, 10 54, 156 157, 22 116, 477 157, 34 199, 958 164, 16 180, 857 166, 7 105, 420 167, 2 164, 763 167, 14 176, 832 173 57, 180. 184 185, 7 116, 475 186, 34 107, 431 187, 33 200, 968 187, 35 199, 963 190, 23 176, 831 203 57, 180. 185 208 55, 170; 57, 180. 184 217, 10 114, 467 217, 30 108, 435 243 57, 180. 184 248 57, 180. 185 248, 1 107, 431 249 57, 180. 185 259 57, 181–182. 186 263 57, 181–182 264 57, 180. 184 264, 1 194, 930 264, 2 113, 462 ep. Div. 3*, 1 107, 430 c. ep. Don. 188–189, 902. 904 ep. Io. tr. 9, 4 45, 121 c. ep. Man. 1, 1 197, 948 2, 1 109, 440 3, 3 107, 429 25, 27 171, 811 41, 47 207, 1010

Zitate 42, 48 155, 729 c. ep. Parm. 1, 3 115, 472 1, 8 196, 939 1, 21 188, 899 2, 5 188, 899 2, 16 176, 832 2, 22 197, 951 2, 28 115, 471 2, 34 193, 929; 197, 951 3, 2 193, 929 3, 25 168, 783; 193, 929 3, 29 115, 471 c. ep. Pel. 1, 17 109, 439 3, 20–21 116, 489 ep. Rm. inch. 1 180, 859 exc. urb. 3 196, 943 exp. Gal. 7 116, 473 11 189, 906 17 116, 473 20 105, 422 22 116, 473 28 166, 776 34 116, 473 35 116, 473; 199, 959 37 116, 473 40–42 116, 473 48.57.61 97, 373 65 180, 859 exp. prop. Rm. 184, 879 11 116, 473 13–18 97, 373 20 101, 392 35 97, 373 36 97, 373; 101, 395 45–46 97, 373; 107, 429 62 102, 397 74 166, 776 c. Faust. 2, 5 202, 979 3, 6 103, 412 5, 9 189, 906 5, 9–10 190, 913 6, 4 133, 574 6, 8 115, 472 12, 9 180, 858 12, 12 103, 410 12, 24. 26 180, 859

239 14, 1 116, 481 15, 4 180, 857 15, 7 103, 412 16, 14 181, 863 19, 15 199, 956 20, 8 115, 472 21, 1 116, 481 21, 9 97, 373 21, 16 116, 481 22, 27 160 22, 52–58 161, 752–753 22, 52 165, 764 22, 56 164, 763; 165, 764 22, 78 208, 1011–1012 22, 91 100, 384. 388 22, 98 103, 412 32, 18 167, 777 33, 7 116, 481 c. Fel. 1, 4 206, 1006 2, 6 97, 373 2, 8 190, 913 2, 11 97, 373; 176, 831 f. et symb. 25 155, 729 c. Fort. 17 66, 255 c. Gaud. 1, 36 116, 482 2, 6 188, 898 Gn. litt. 1, 17, 34 204, 997 2, 1, 2 206, 1004 3, 22, 34 102, 402 6, 1, 1 102, 399 6, 9, 16 101, 395 6, 11, 19 102, 403 7, 1, 1 102, 399 8, 7, 13 128, 533 10, 16, 28 101, 395 11, 6, 8 197, 952 11, 8, 10 116, 483 Gn. litt. inp. 4, 13 101, 392 5, 25 204, 997; 208, 1011 6, 26 204, 997 10, 32 101, 390 Gn. adu. Man. 1, 10 100, 383 1, 13 199, 960 1, 25 199, 960 1, 31 109, 443

240

Register

2, 1 128, 533; 180, 859 2, 4 188, 901 2, 5. 6 101, 396 2, 9 102, 402 2, 11 101, 392 2, 12 101, 396 2, 13 128, 533 2, 14 154, 723; 180, 859 2, 21. 25 97, 373 2, 27 101, 396 2, 33 159, 742 2, 35 100, 381. 388; 196, 943 2, 40 103, 405 2, 41 115, 468 gramm. (regulae) 111, 457; 163, 758 gr. et pecc. or. 1, 52 107, 431 2, 10 114, 467 imm. an. 6 172, 817 23 97, 274; 109, 440 Io. eu. tr. 3, 2–3 66, 257 5, 12 116, 474 6, 4 112, 459 10, 10 109, 439 11, 8–11 197, 951–952 27, 10 183, 873 28, 11–12 195, 933 29, 1 195, 935 33, 7 114, 467 41, 8 182, 870 60, 3 55, 166 67, 3 105, 421 95, 2 176, 832 97, 2–3 116, 487 122, 6 190, 909 adu. Iud. 8 108, 434 c. Iul. 1, 19 107, 431 2, 37 115, 472 5, 7. 51 116, 489 6, 61 164, 762 6, 64 115, 472 c. Iul. imp. 1, 63 115, 472 1, 85 108, 434 1, 86 115, 472 2, 178 102, 399 3, 48 114, 467 3, 187 116, 489

4, 129 5, 22 lib. arb. 1, 16 1, 27 1, 33 2, 6 2, 12 2, 25

116, 489 116, 489 109, 441 54, 156; 158, 739 100, 383 167, 777 109, 441 160, 746; 162, 756; 164, 763; 166, 776 166, 776 100, 382 166, 776 199, 960 41, 155 207, 1009 101, 390 97, 373; 109, 442 97, 374 207, 1010 97, 373; 109, 442

2, 26 2, 31. 35 2, 36 2, 42. 43 2, 52 2, 53 3, 16 3, 29. 31 3, 38 3, 65 3, 75 c. litt. Pet. 2, 93 201, 977 2, 174 109, 445; 188, 899 2, 189 114, 467 2, 205 116, 480 3, 3–4 188, 899–900 3, 4 190, 909; 194, 929 loc. 2, 12. 60 99, 379 5, 9 170, 806 6, 24 99, 379 7, 34. 42–43 128, 534 c. Max. 1, 5 116, 488 2, 2 116, 488 2, 19 108, 434 2, 26, 14 62, 222 mend. 41 100, 382 mor. 1, 4 109, 443 1, 25 54, 158 1, 43 100, 381 1, 46 54, 156 1, 47 167, 777 1, 53–54 55, 165; 56, 174 1, 55–56 66, 255 1, 70 158, 739 1, 78 189, 906 2, 6 199, 960 2, 9 207, 1010

241

Zitate 2, 21 100, 382 2, 36 104, 412 2, 57 172, 817 2, 65–66 104, 412 mus. 1, 6 97, 374 2, 21 109, 442 4, 9 172, 817 5, 28 172, 817 6, 16 163, 758 6, 21 172, 817 6, 22 163, 758 6, 37 154, 723 6, 39–42 160, 746 6, 41 166, 775 6, 52 54, 158; 156, 730 nat. bon. 15–16 204, 997 32 97, 373 43 189, 906 nat. et gr. 73 67, 260 ord. 1, 29 66, 255 2, 11 205, 998 pat. 9 64, 236 11 196, 943 c. p. Don. 189, 903–904 pecc. mer. 1, 28 101, 395 1, 37 115, 472 2, 18 176, 832 perf. iust. 37 176, 832 perseu. 15 54, 160 praed. sanct. 33 205, 997 35–36 54, 160 c. Prisc. 12 64, 236 ps. c. Don. 211–212 181, 861; 193, 929 qu. 1, 143 197, 944 2, 39. 76 99, 379 2, 102 199, 958 2, 105 118, 492 4, 48 99, 379 5, 27 99, 379 7, 17, 1 100, 381

7, 49, 11 7, 53 qu. eu. 2, 20

197, 952 181, 864 162, 754; 165, 764; 167, 778; 171, 812 164, 762 164, 762; 173, 820

2, 44, 1 2, 44, 2 qu. Mt. 11, 7 189, 905. 907 retr. 1, 21 188, 902 2, 5 189, 903 2, 12–13 162, 754 2, 13 18, 6–7 2, 28.31.33–37 161, 748 c. Sec. 8. 13–20 97, 373 26 97, 373; 116, 479 s. 10, 2 106, 423 15, 1 200, 968 15, 2 168, 783 15, 4 202, 982 18, 5 114, 467 21, 4 160, 745 24, 1–2 200, 967 30, 4 106, 427 38, 1 156, 730 38, 6 196, 943 46, 16 112, 459 46, 28 176, 832 47, 23 201, 978 50, 1–11 174, 822 50, 11 118, 491 51, 22 189, 906 53, 12 105, 421 68, 3 176, 832 75, 9 190, 913 82, 14 114, 467 86, 5 160, 745 88, 22 188, 899 98, 6 106, 427 103 162, 754 103, 5 167, 778 104 162, 754 104, 2–3 167, 778 105, 12 99, 379 111, 3 190, 912 125, 5 171, 809; 206, 1006 143, 4 156, 732 155, 10 103, 407 156, 13 200, 968

242 167, 2 191, 922 169, 17 162, 754 178, 4 190, 913 179, 3 167, 778 179, 3–6 162, 754 199, 3 116, 486 223, 2 190, 912 240, 4 176, 832 241, 7 183, 873 251, 3 188, 900 252, 2 188, 901 254, 2 207, 1007 255, 6 162, 754 269, 3 116, 482 278, 9 111, 452 296, 11 54, 161 301, 6 198, 953 328 190, 913 337, 2. 4 200, 968 348, 3 55, 166; 56, 174 349, 5 160, 745 351, 1 66, 257 358, 4 116, 478 362, 31 167, 777 396 57, 187–189 s. Caillau II, 5, 1 189, 907 II, 6, 2 181, 861 s. Dolbeau 6, 8 99, 379 6, 11 196, 943 12, 6 189, 906 13, 13 206, 1005 17, 3. 5 103, 409 18, 4 200, 968 22, 6 190, 913 22, 24 176, 832 24, 8 100, 384 25, 22 190, 913 26, 4. 53 190, 913 s. Frangip. 1, 16 168, 783 9, 5 170, 806 s. Guelf. 10, 3 99, 378 12, 1 176, 831 18, 2 190, 912 32, 9 168, 783 s. Mai 13, 4 190, 913 17, 2 114, 467 17, 4 66, 257

Register 98, 1 190, 913 125, 2 106, 427 158, 1 202, 981 s. Morin 4, 4 99, 378 16, 7 45, 121 s. Wilm. 13, 3–4 188, 900 s. dom. m. 1, 8 155, 729 1, 10 159, 743 1, 11 155, 729; 159, 743 1, 12 155, 729 1, 14 195, 934 1, 27 200, 966 1, 31. 33–35 97, 373 1, 34–35 106, 428 1, 34–36 106, 426 1, 38 160, 746 2, 17 200, 965 2, 18 101, 391; 103, 409 2, 22 102, 396 2, 38 190, 913 2, 71 101, 392; 160, 746 2, 73 180, 858 2, 87 197, 944 Simpl. 1, 2, 2 200, 966 1, 2, 17 102, 402 2, 1, 2 189, 906 2, 2, 3 159 2, 6 207, 1009 sol. 1, 6 155, 729 1, 19 172, 817 2, 34 109, 441 spec. 7 62, 224; 109, 440; 158, 740 31 98, 376 spir. et litt. 41 101, 395 65 176, 832 trin. 1, 17 160; 167, 777 1, 19 181, 861 1, 20 162, 754; 164, 763; 165, 764; 167, 778; 171, 812 1, 28–29 190, 913 1, 30–31 167, 777 1, 31 190, 913 2, 25 199, 958

243

Zitate 3, 8 199, 956 4, 20 157, 734 6, 6 54, 156 12, 3 164, 763 12, 4 199, 956 12, 17. 22 159, 742 12, 25 157, 733 14, 1 176, 832 14, 3 157, 733 14, 12 54, 156 14, 15 175, 822 15, 16 107, 431 uera rel. 6 156, 730 9 189, 908; 190, 912 13 156, 730 28 97, 373 29–30 54, 158 46 107, 431 48 103, 412 58 199, 960 78 206, 1005 93 114, 465 uirg. 163, 757 15 97, 375 util. cred. 7 115, 472 28 100, 382 Avienus orb. terr. 1312–1313 146–147, 669–670. 672 Cicero ac. 1, 38 ad Brut. 1, 9 Att. 12, 10 fam. 4, 5 4, 5, 4 4, 6, 1 5, 17, 1 5, 19, 1 6, 3 fin. 1, 42–43. 46. 50 inv. 2, 159 2, 159–160

55, 163 58, 196 58, 190 58, 193 59, 200 58, 194–195 58, 190 58, 190 58, 196 54, 151 158, 739 54, 150

Lael. 53 189, 906 nat. deor. 2, 151 127, 518 off. 1, 15 54, 152 1, 16 54, 159 1, 27 189, 906 2, 5 158–159, 741 Tusc. 3, 21 55, 163 4, 57 158–159, 741 Verr. II 1, 40 93, 369 II 3, 176 92–93, 366–369; 95; 110, 451; 145, 657 Cyprian epist. 73, 3 113 mortal. 60, 218 sent. episc. 69 113 Gildas Sapiens Brit. 59 71, 267; 75, 291; 77, 293; 78, 305. 308; 79, 313; 80; 83; 85; 91–92 Gregor der Große moral. 3, 13, 23–24 3, 26, 52–3, 28,  54–55 18, 27, 44 18, 28, 45 18, 29, 46

65, 246–247 64, 238 173, 819 181, 860 151, 713; 205, 1000. 1003

Hieronymus epist. 23 59, 211–212 39 59–60, 211. 213–217 51, 5, 5 128, 528–529 60 59–60, 211. 213–214. 216–217. 220; 64, 234 66 59, 211. 213 66, 1 66, 251 66, 3 54, 156–157 69, 6, 3 128, 530–531 75 59, 211. 213–214

244

Register

77 59, 211. 213 79 59, 211–212 82, 1–3 185, 881 108 59, 211. 213–214 118 59, 211–212 127 59, 211. 213 interpr. Iob praef. 86, 343 in Tit. 1, 12 146, 667; 147, 674 praef. Vulg. Iob 18, 5; 19, 11; 36; 60; 86, 343; 129, 538; 137, 595 Hilarius von Poitiers in psalm. 1, 14 127, 521; 128, 526 Horaz carm. 3, 6, 29 epod. 17, 20

145, 656 145, 656

Isidor von Sevilla diff. 1, 378

167, 780

Julian von Aeclanum in Iob 2, 13 3, 1 28, 1–4 28, 2 28, 3a

65, 246; 66, 250 66, 250 151, 712 171, 813 151, 716

Laktanz inst. 2, 8, 68 ira 1, 4

166, 775 166, 775

Lucifervon Cagliari reg. apost. 11 73–74, 285–286; 78, 303.306.308 Macrobius somn. 1, 8, 3 1, 8, 3–4 1, 8, 5 ff. 1, 8, 8

155, 724 155, 725. 727 155, 726 155, 727

Mutianus Chrysost. hom. 26, 3 Ovid fast. 4, 785–786 met. 1, 127–129 1, 141 Pont. 4, 11, 9–10 Paulinus von Nola carm. 31, 7–12 31, 411–412 epist. 13, 1–2 Philippus Presbyter in Iob rec. long. 2, 13 28, 2a 28, 2b 28, 3a in Iob rec. breu. 28, 2b 28, 3a

98, 375

133, 573 170, 803 170, 802 58, 191

59, 209 67, 261–263 59, 209; 62, 225–227

64, 237 173, 819 181, 860 151, 711; 205, 1000 181, 860 151, 711; 205, 1003

Plinius d. Ä. nat. 184, 878 7 184, 878 33, 1 170, 804 33, 1–3 173, 818 33, 4. 6 170, 799 33, 60 202, 982 33, 66 173, 818; 182, 869 33, 69 201, 973 33, 72 170, 799 33, 94 202, 982 33, 95 127, 518–519; 128, 524; 170, 800 33, 96. 98 127, 518 34, 117 182, 872 34, 138 170, 804 34, 142 173, 818 Plinius d. J. epist. 7, 25, 2–5

193, 928

245

Begriffe und Sachen Priscillian von Avila can. VII 105, 418–420; 107 Sallust Catil. 1, 4; 2, 3; 4, 2 104–105, 417 Iug. 1, 1; 1, 3; 2, 3; 2, 4;   3, 4; 4, 6; 4, 9 104–105, 417 Seneca d. J. dial. 6 (Ad Marciam) 58, 198 dial. 8 (De otio) 5, 1 165, 770 7, 1 167, 782 dial. 9 (De tranqu. anim.) 3, 2–3 193, 928 dial. 11 (Ad Polybium) 11, 18, 5 58, 198; 59, 199 dial. 12 (Ad Helv.  matrem) 58, 198 19, 2 193, 928 epist. 63, 1. 16 59, 200 93 58, 198 94, 45 165, 765 99 58, 198 107, 10–11 58, 198 113, 20 62, 223 nat. 2, 53, 1 98, 375

Statius silv. 2, 1, 17–18. 35 2, 5, 14–15 3, 3, 39–42 5, 1

58, 192 58, 192 58, 192 58, 196

Sulpicius Rufus [Cic.] fam. 4, 5

58, 193; 59, 203

Terenz Phormio 780 194, 415 Tertullian anim. 5 56, 176 Vergil Aen. 1, 92 3, 57 12, 951 georg. 2, 165 Vitruv 2, 9, 15 10, 15, 4

145, 656 170, 799 145, 656 127, 523 98, 375 98, 375

10.2 Begriffe und Sachen actio – contemplatio  153–154; 156, 730; 160–162, 746. 755; 164–168, 764–774; 169; 171, 812; 212, 1059; 214, 1087 s. a. uersari in actione/contemplatione adhuc  95–97 – adhuc-postea  71–72, 275; 95–96 s. a. Syntactica/lateinisch/cum adhuc Adnotationes in Iob (Augustinus) – Textgeschichte der Adnotationes – im Kreis von Fratres diktiert  79, 313 – ab Kap. 3 mitstenographiert  47, 131 – fehlerträchtige Umschrift in Normalschrift 177, 833–834 – Publikation – gegen Aug.s Willen  18, 7; 214, 1088

– in zwei Rezensionen  29, 22; 32; 46; 71; 123; 125; 133, 572; 137, 591; 143, 645; 153; 168–169; 179–180; 211, 1052 – ω1-Rez.: Mss.  25, 20; 29, 22 – ω2-Rez.: Mss.  25–26, 20 – Editionen der ω2-Rez. – (B.) spätestens 12. Jh.  25, 18 – ed. princ. (Amerbach 1506)  23 – ed. Erasmus (1528) bis ed. Mauriner (1688) 23–24 – ed. Zycha (CSEL 1895)  24 – Textvorlage der Adnotationes 17–18 – Versio prior, Erstfassung O.  17; 18, 2; 29, 21; 71; 96

246

Register

– Umgang mit Mehrfach-Übers.  48, 141; 76–77 – Umgang mit Übers. ohne ursprachliche Basis 63, 232 – Einflüsse auf die Adnotationes – kein Einfluss von – Urtexten 48, 140; 214, 1082 – anderen Ijob-Kommentaren  65–66; 213, 1078 – Einfluss von Bibelzitaten – Katalysator-Zitate 103, 404–405; 174, 821–822 – Paulus-Zitate s. das Zitatenregister, bes. Rm 3, 22; 8, 5; I Cor 2, 5; Phil 3, 19; 212, 1060 – ungenutzte Zitate  105–106, 422–423; 118, 493; 158, 740; 166, 776 – Einfluss anderer Autoren s. das Zitatenregister zu Ambrosius, Apuleius, Cicero, Cyprian, Hieronymus, Laktanz, Ovid, Paulinus von Nola, Priscillian, Sallust, Seneca d. J., Statius, Plinius d. Ä., Sulpicius Rufus, Vergil – Einfluss Aug.-Schriften s. das Zitaten­ register, bes. zu conf.; 214, 1083 – Lemmata der Adnotationes – als Halbverse  30–31; 73–74; 212, 1063. 1066 – als Ganzverse  30–31; 72–73; 212, 1065 – übersprungen 85, 335; 86, 338 – vorweggenommen 68, 266 – wiederholt 67 – in Auslegung verflochten  85; 87; 91; 110; 204, 995; 213, 1076 – Exegese in den Adnotationes – allegorisch  96; 154 – assoziativ 212 – aufgrund biblischer Motive  67–68, 259. 265; 96; 103, 404–412 – aufgrund sonstiger Motive  53; 67–68, 261–264 – Exegese – Eisegese  214, 1090–1093 – Mehrdeutigkeit von Aussagen  113; 186; 205–207, 1004–1007; 215, 1100 – multipler Schriftsinn  216 – schwebende Formulierungen  112, 458; 113; 118–119; 176; 181–183, 864–875; 189-190, 906–909; 191–195, 920–936; 195–196, 937–940; 215, 1101 – Kontext – berücksichtigt 68, 265 – zurückgedrängt  160; 162

– ausgeblendet 74 – gedankliche Entwicklung – Rückgriff auf Bekanntes  99–100; 101–102, 396–403; 102–103 – neue Ideen  104; 163; 167–168 – produkt. Missverständnisse  77; 93; 95; 96–99; 110–111, 453; 213, 1080–1081 – spontane Einfälle  19; 68; 105–106, 421; 173, 819 – schrittweise Entwicklung s. argentum – aurum bzw. aurum – argentum; prudentia – sapientia; actio – contemplatio; terra et lutum – Polemik in den Adnotationes – Donatisten 112–113, 433; 114, 467; 115–116, 472. 474–475. 478. 480. 482; 188–189, 898–904; 213, 1068–1069 – Manichäer 97, 373; 108, 435; 109, 444; 110, 446–449; 115–116, 472.479.481.483; 213, 1068 – andere – identifiziert 115, 472; 116, 484–488 – nicht identifiziert  74, 289; 115–116 – Gedankenführung in den Adnotationes – Proklise (Sallust)  104–105, 417; 199; 203, 994; 205; 207; 215, 1099 – Präzisierung in Schritten  183, 876; 190, 915; 215, 1101; 216 – Sprunghaftigkeit  52–53; 66–67; 173– 174; 184 – Stil der Adnotationes – kunstlos 215, 1094 – holpriger Satzbau  52; 108; 115; 172; 184 – kunstvoll  184–185; 215, 1095–1096 – Alliteration 115 – Amplificatio  184–185; 203 – Anapher  96–97; 102 – Chiasmus  115; 184–186; 202 – Klauseln/cursus  184–185, 879–883; 215, 1096 – dispositio  179; 184; 186; 215, 1096 – elocutio  186–187 – Gesetz der wachs. Glieder  55, 161; 100, 384; 115; 153; 184–185; 198; 203 – Hendiadyoin 104, 417; 215, 1099 – Polyptoton  179; 185 – Stollen – Stollen – Abgesang  184–186 – Wechsel der Stilebenen  115, 470; 184, 878; 215 – Wortspiele 107–108, 431–435

Begriffe und Sachen – Textprobleme der Adnotationes 17 – Lemmata fehlerhaft  31; 33; 71; 75, 288; 95 – unvollständig  30–31; 51–52; 72–73, 283–284 – mit falschem Wortlaut  31, 35; 48; 73–74; 212, 1054 – aus Versio prior O.  32, 37; 45; 51; 63; 75–77; 212, 1056 – aus Versio prior T.  46, 129; 75, 289; 125, 508; 126, 513; 144, 652–653; 153; 179–180, 840; 212, 105 – Kopierfehler 71, 267–268; 168, 784–785; 179, 835–839 – Kommentartext fehlerhaft  174–175 – veranlasst durch Stenogramm  31, 35; 47, 132–135; 175–177, 833–834 – durch Eingriffe der Fratres  31, 35; 168–169, 786.790.792; 179, 847 – Kopierfehler 30, 28–34; 71–72, 269–278; 153, 717. 719; 168–169, 787–789.791.793–795; 179, 841–842. 844–846. 848-854 – Kontamination – der ω2-Rez. aus der ω1-Rez.  29, 23; 30, 24–25. 27; 31, 35; 32, 39; 211, 1053 – alte Konjekturen  30, 26–27; 31, 35; 169, 796; 175, 823; 179–180, 843;   190–191, 918–919; 213, 1073 – Emendation/Rekonstruktion 213, 1071–1072 – Vorschläge  31; 47; 52; 79; 82–83; ­175–176, 828–830; 176–177, 832 – Grenzen  33; 48–49 – Übersetzungen der ω2-Rez.  52, 142; 213, 1074–1075 – Joyeux (1866)  56, 173; 175, 825; 181–182, 866; 194, 931; 195, 937 – Cosgaya (1992)  52, 143; 56, 172; 95, 372; 106, 424; 175, 828; 182, 871; 194, 931; 195, 937 – Tarulli (1999)  56, 173; 175, 826–827; 181, 865; 194, 931; 196, 941 – Lienhard (2016)  52, 143; 56, 171; 175, 824; 181, 865; 194, 931; 195, 937 ad tempus  179; 183, 876; 185; 189–190, 906–915 aedificium  179; 185; 198–200, 959.963.964– 968; 203, 992 aes  179–183 aeterna memoria  59–60, 214–217 alligare  198

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argentum  74; 78; 89; 96; 125–129; 169–170, 800; 171 – argentum – aurum  99–100, 379–380; 383–384. 388; 117–118; 153; 168, 783; 196–197, 944 – Wertverhältnis 160, 745; 162; 168–169 – argentum ~ prudentes  118; 154; 158 – argentum ~ prudentia  118, 493 – argentum ~ uita actiua  161 Augustinus – Bischof 161–162, 748–755 – grammaticus  163–164, 758 – Rhetor 215, 1098 – selbstkritisch zu adn. Iob 18, 6–7; 19; 116, 476 aurum  74; 77; 81, 319; 89, 357; 96; 98; 118, 491–492; 131; 133; 169–170, 799; 171 – aurum – argentum  100, 381–382. 384; 117–118; 123, 494 – aurum ~ sapientes  118; 154; 158 – aurum ~ sapientia  118, 491–493; 158, 738; 174, 822 – aurum ~ uita contemplatiua  161 boni s. ecclesia carnalia sentire 102–103, 404–412 Ciuitate Dei, De (Augustinus) s. Zitaten­ register, bes. zu ciu. 8, 4; 164–168 Christus – lapis  180, 857. 859 – medicus 66, 257 – Sapientia lt. I Cor 1, 24  54, 158 – uultur  112, 459 cognoscere/cognoscentes  113–115, 468–471 s. a. correcti et cognoscentes colligare  77; 79; 82, 329; 97–98, 375; 103–104, 411–412; 106, 426–427 – colligare ex  97–98, 375 colligere  77; 79; 82, 329; 96–97, 374 – colligere ex  97, 374 condolere/condolescere  55–56, 174–179; 58; 60–61; 63 s. a. Konsolationsliteratur confessio/confiteri  52; 66, 254; 67, 258; 212, 1057 s. a. Sündenbekenntnis Confessiones (Augustinus)  s. Zitatenregister, bes. zu conf. 8, 22 consensio/consentire  97, 373; 106–110, 424. 426–427. 441–445 – consentire stultis et carnalibus  97; 106; 109

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Register

– s. a. sentire – consentire consequi  92, 362 consolari/consolatio  52; 55–56; 67; 212, 1061; 213, 1079 s. a. Konsolationsliteratur consuetudo 106–107, 428–429 conuersio/conuertere/conuerti  90, 360; 92, 365; 110–111, 452. 455; 113–115; 145, 657 – conuerti als Verbum commune  111–114, 456–458. 465–467 correctus  113, 462; 114–115, 465–467; 116, 475–477 – correcti et cognoscentes  113; 114–115, 465–467; 116, 474; 118 Dämonen 112, 459; 205, 999–1000 damnatio  179; 185; 207, 1008 de  179; 185; 190, 915; 191, 921; 195–196, 937–941 delere  44–45 dirigere  92, 364 dum  60, 215 s. a. Syntactica/lateinisch/cum statt dum ecclesia – boni et mali in ecclesia  114, 463–464; 179; 183; 185; 188–189, 898–901. 905; 190; 197–​ 198, 951–952; 202–203, 985–987; 206, 1005 – Eingliederung 112, 459–460 – fortes in ecclesia  173–174, 819–820; 183 – iusti in ecclesia  113–114, 463 Eisen s. ferrum eliquare  179; 185; 201–202, 977–980; 203, 993 Elision 142, 636 Endgericht 203, 988; 205, 1002–1003; 206, 1005 Entwicklung  s. Fortschritt esse in condicione aliqua  153; 163–164, 758–762; 176, 831 excidere  143–144, 649. 653; 179–180, 840 excludere  143, 645; 144, 650–651. 654; 145– 147, 658–673; 181, 861; 190, 916; 192, 924 ferrum  168–170, 801–807; 171–173, 815 fides  156, 732 formare  179; 185; 201–202; 203, 993 fortes  s. ecclesia Fortschritt – gedanklicher F. Augustins  17; 214, 1084–1086 – spiritueller F. von Christen  96–97; 110– 116; 212, 1058

Gold s. aurum Hiat 185, 884 Hieronymus’ Ijob-Übersetzungen – Arbeitsweise – Vorleser 141, 632 – Stenographen 47, 131 – fehlerträchtige Umschrift in Normalschrift 47, 132–135; 210, 1026 – Revisionen  30; 44–45; 48; 70; 125–126; 133–134; 137–138; 143–144; 150–151; 209, 1024–1025 – Textvorlagen  33–36; 210, 1027 – hebräisch – M unvokalisiert  35, 49 – Rabbinen 35, 51 – andere Fassungen  35, 50; 36, 57; 84 – Hieronymus‘ Konjekturen  36; 82, 323–324; 84; 145–146; 210, 1031 – aramäisch/Targume 35, 52–56; 123–124, 499. 502; 124; 126, 515; 130; 135, 581–583; 138, 602–604; 146, 663; 148, 687–688; 210, 1032–1034 – griechisch – LXX (Haupt- u. Nebenüberliefe­ rungen) ​34–35; 44–45; 124–125, 498; 125–126, 515; 130; 133 – Hexapla 34, 44; 130; 133 – Polychronios? 142–143 – lateinisch (Vetus Latina)  36–37, 59–67 – Differenzen zwischen Textvorlagen – hebräisch vs. griechisch  37–41; 88–89; 123–125; 130–133; 135–136; 138–143; 147–150; 210, 1028 – M vs. andere hebr. Texte  81–82; 84–85; 90–92; 145; 210, 1029 – Umgang mit den Textvorlagen – Kombination von Vorlagen  34, 41. 43; 36–37; 43–44; 48; 83; 88, 330; 89–91; 146; 151; 209, 1022 – Wiedergabe nur einer Vorlage  151 – Halbverse als Grundeinheit  34; 43; 48; 151; 211, 1049 – Neigung zu mehrdeutigen Formulie­ rungen  44; 127; 144–147; 209, 1023 – Sprachkompetenz – griechisch – Vokabeln 46 – Aoristfunktionen 90, 359 – hebräisch 36, 58; 210, 1030 – Nomina

Begriffe und Sachen – kollektive Singulare  84, 332; 88–90; 127; 144, 655 – Verben 36 – Bedeutungen 90 – Aktiv/Passiv 84–85, 333; 90–91; 134 – Imperfektfunktionen  45–46; 85; 126, 512; 137, 597 – Partikeln 82, 323–324; 90–91; 141 – Syntax 90–91 – Konjekturen  36; 82, 323–324; 90–91, 361; 145–146; 210, 1031 – Fehler/Missverständnisse  36; 145, 658 Hiob/Ijob in adn. Iob als bußfertiger Sünder ​ 67, 258–260 Iob Versio prior (Hieronymus) – Begriff 18, 3 – Datierung 142, 640 – 4 Fassungen O. S.T.(B.)  18, 3; 25, 13–19 – Details zur Erstfassung O.  29, 21 – Entstehungszeit 147, 675–676 – nur teilweise rekonstruierbar  25; 33 – Textvorlagen O.  18 – Nebenüberlieferungen 34–35, 48; 125, 509; 134; 144–145; 153; 209, 1014 – griechisch 71, 267; 75, 290–292; 77; 80; 83; 85; 89–91; 125; 150 – hebräisch  46; 48; 90–91; 209, 1019 – hebräisch und griechisch  46; 48; 89–91, 358; 133–134; 144, 655 – Vetus Latina-Versionen  36–37; 75, 292; 76; 79, 313; 210–211, 1041–1043 – 1. Clemensbrief  37, 67 – Ambrosius 36, 66; 77–80, 314; 210, 1039 – Cyprian 36, 65 – Glossen ed, Ziegler  36, 63; 75, 292 – Hilarius v. Poitiers  127–128, 521. 526 – Lucifer v. Cagliari  73, 285 – Gildas Sapiens’ Vorlage  36, 64; 71, 267; 75, 290–292; 76, 298; 80; 83; 85; 91–92; 210, 104 – Übersetzungstechnik O. – Korrektur der Vetus Latina  76, 295 – Kombination von Vorlagen  34; 75, 292; 79, 313; 133–134; 144, 655 – Mehrfachübersetzungen 209, 1013 – doppelt 29, 21; 48; 76; 83–84, 331; 87; 91; 151 – dreifach 29, 21; 32–33; 46–48; 84, 331 – mehrdeutige Wendungen  31; 38, 76; 51–52, 142; 215

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– intertextuelle Bezüge  215 – Bibel 127–128, 521. 525–532 – christliche Autoren – Ambrosius 78, 301–303; 79; 85; 210, 1038–1039 – Hilarius  128; 210, 1036 – pagane Autoren  93, 370; 145 – Avienus 146–147, 665–676; 152; 210, 1037 – Cicero 92–93, 366–369; 210, 1035 – Horaz 145, 656 – Streben nach Variatio  134 – Verschieben von Prädikaten  92 – aristarchische Zeichen  86, 339–343 – Stellen in O. ohne ursprachliche Basis – Hörfehler vs. Konjektur  151–152 – Stenogramm vs. Konjektur  47–49, 136–139 – Konjekturen 82, 322–324 – Details zur Revisionsfassung S.  – Begriff und Überlieferung  25 – kein Einfluss auf adn. Iob 32, 3 – Textvorlagen S. – griechisch  45; 144; 150 – hebräisch 45 – lateinisch 76, 297–298; 84; 87 – Hauptüberlieferungen 35, 48; 46 – Nebenüberlieferungen 37, 73; 46, 128; 125–126, 510 – Vetus Latina-Spuren aus O.  76, 293–297; 84; 87, 346; 91–92 – Übersetzungstechnik S. – Kombination von Vorlagen  45; 125 – Experimente  47, 137; 126, 511; 209, 1015 – freie Übersetzungen  46 – Verzicht auf – Mehrfachübersetzungen 49 – intertextuelle Bezüge  147 – Details zur Endfassung T.  – Begriff und Überlieferung  25 – Einfluss auf Lemmata der adn. Iob  32, 37; 75; 125, 508; 126, 513; 144, 652–653; 153, 720; 179–180, 840; 212, 1055 – Textvorlagen T. – Hauptüberlieferungen 35, 48 – S. 45 – Textgeschichte T. – Textschichten T. I-II-III  25, 17. 19; 45, 122; 49

250

Register

– Textprobleme T. – Kopierfehler 4 – aristarchische Zeichen  86, 339 – Asyndese 126 – Details zur Mischfassung (B.) – Begriff und Überlieferung  25, 18 – Textgeschichte (B.) – Konflation aus O. und T.  25, 18; 45, 123; 49 – Datierung zw. T. II und T. III  45, 122; 49 – Textprobleme (B.) – Sonderfehler 45–46, 124–125; 49; 72, 281; 76, 294; 86, 337; 87, 346; 143, 647; 209, 1016 – aristarchische Zeichen  86, 339 Iob Vulgata (Hieronymus) – Textvorlagen Vulgata – hebräisch  42–43; 73, 285; 87 – aramäisch 137, 596; 152 – griechisch 43–44, 115; 130; 134; 209, 1021 – Vetus Latina  73, 285 – Übersetzungstechnik Vulgata – Kombination von Vorlagen  34, 43; 43–44; 134 – Doppelübersetzungen 42, 111; 43, 113; 73, 285; 137, 594; 143, 648 – freie Übersetzungen  43–44, 117; 144; 152 – Mehrdeutigkeit 44 – Anreicherung des Sinns  127–129; 152; 211, 1045–1046 – intertextuelle Bezüge auf – Bibel  127–129; 152; 211, 1045 – christliche Autoren  127, 521; 128, 526–531 – pagane Autoren  127, 518. 522–523; 147, 677; 211, 1046 – Stil der Vulgata – Asyndese 126, 516; 211, 1051 – klassischer Prosastil  129, 537; 152 – akzentuierende Metrik – Hexameter  129; 135; 152; 211, 1047 – Trimeter 134–135, 578; 152; 211, 1048 – poetischer Stil  129, 538–539 – ursprachliche Details – geopfert 43 – vereinfacht 43, 117 – kompensiert 44, 118; 134; 211, 1044 – Parallelismus statt Variatio  43–44; 134 immortalitas  59–60, 215

imprudentia  116, 480–481 impii  179; 185; 197–198, 952–953; 207 insipientia  116, 482–489 ipse – steigernd  179; 185; 190; 192; 194, 930–931 – ~ idem  195, 937; 196, 941 Judas 206–207, 1006 Juden 116–117, 473 iusti  88; 113 s. a. ecclesia Kardinaltugenden  40; 53, 145–146; 155, 725–727 Katalysator 197, 946–947 – Begriff 106 – Zitat 103, 404–405; 174, 821–822 Kirche s. ecclesia Kondolenzthematik  57; 64–66 Konsolationsliteratur – Autoren – Ambrosius 59, 201–207; 65, 243 – Augustinus 57, 180–186; 60, 218–219; 61, 221; 65–66 – Cicero 58, 190 – Cyprian 60, 218 – Hieronymus 59–60, 210–217; 62, 228; 65–66, 250 – Ovid 58, 191 – Paulinus von Nola  59, 209; 62, 225–227; 65–66, 250; 67, 261–263 – Seneca d. J.  58–59, 198–200 – Statius 58, 192 – Sulpicius Rufus  58, 193–195 – Topoi 58, 190–195. 197; 59–60, 210–217. 220; 62, 221. 229-230; 65, 244 s. a. consolari/consolatio Kupfer s. aes lapis  179–181, 857–860; 182–183, 872; ­196–197, 945; 200-201, 970–972 Leichenpredigt (s. 396)  57, 187–189 locus  153–154; 172; 208, 1012 – locus suus  179; 185; 203–204; 205–207, 1001. 1004–1007 lutum  95–96; 98; 101–104, 414–415 – de luto  82, 326 – e luto  82, 328 – s. a. terra et lutum magis  153; 167, 779–780 s. a. potius mali  s. ecclesia

Begriffe und Sachen

251

Maria und Martha  161–162, 754–755; 165, 764 metallum  168–171, 808–809. 813; 179; 185; 198; 200–201, 970; 214, 1085 Metallurgie  157; 186; 196–197; 212, 1062 mundare/mundatio  155–156, 729–732 s. a. purgare/purgatio

– s. a. prudentes – sapientes prudentia ~ scientia  158, 739–740 purgare/purgatio  133, 573–574; 153; 155–156, 729–730; 179; 185; 196–197, 943–944. 946–947; 200, 969; 202, 979 s. a. mundare/mundatio Pythagoras 165, 769. 771

opus  179; 185; 198–199, 956. 959–962; 200; 203, 992 opus habere  179; 185; 201 ordo  150, 708–709; 179; 185; 203–205, 997. 1001–1002; 208, 1011 ostendere  179; 185; 187–188, 889–897

Reinigung der Seele  s. mundare/mundatio und purgare/purgatio – menschliche Leistung  157–158, 736 – Gnadengeschenk 157, 734–735 s. a. fides

palea  202, 982 partes philosophiae (platonisch)  165–166, 773–774 Parzival 66 Paulus bei Augustinus  54, 158. 160; 55, 164. 167–170; 97, 373. 375; 103, 404–410 s. a. das Zitatenregister Pelagianer 115, 472; 116, 477. 489 perspectio  166, 775 φρόνησιϚ 53, 148 pondus  206, 1004 postea  96; 99, 378 potius  167, 780 s. a. magis praeparare  90, 360; 92; 145, 657 principium  127, 517. 519–520; 128 pro meritis  179; 185; 207–208, 1009–1012 prudentes ~ uita actiua  154 prudentes – sapientes  53–55, 144; 74; 89; 95–96; 100, 385–387; 108; 113; 115–116; 153–154; 162; 171, 814; 183 s. a. prudentia – sapientia prudentia – Kardinaltugend 54, 150. 156; 155 – contemplatio ueritatis  154, 723 – exercitium  155, 725 – Mangel an  52–53; 61; 63–66, 234 prudentia – sapientia  53, 144; 54, 150–154. 156–161; 100, 385–387; 214, 1086 – problematisches Verhältnis  17, 1; 53–54; 117–119; 153–154 – Hendiadyoin 54, 152. 154; 117–118 – synonym 54, 149.157.159.160–161; 117; 154, 722 – Differenz 54, 155; 55, 162; 154–155; 157; 168, 783 – Minimierung der Differenz  160; 162

sapere  103, 404–409; 105, 418; 107, 430 sapiens  44; 47–48; 52–53; 55–56; 60–61; 67 – non dolet 55, 163–170 – prudenter tacet  61–62, 222–224 sapientes – neuplatonisch: ~ uita contemplatiua  154 – stoisch: in actione uersantur 162, 756 sapientia  17, 1; 58, 195 – Ideal 162 – Kardinaltugend 54, 150–151. 153–155. 157 – agnitio rerum diuinarum 155, 724; 156, 733; 158–159, 741 – contemplatio ueritatis  159, 743 sapientia hominum  169; 174; 177 sapientia – scientia  156–157, 733; 158–160, 737. 741–743 Sapientia  s. Christus schweigen/Schweigen s. tacere secludere  191, 918–919 seducere  179; 185; 190–191, 918; 192, 924; 193, 928–929 – seductus  193, 928 sentire  102; 107; 109, 440 s. a. carnalia sentire s. a. stulta sentire s. a. stulta et carnalia sentire s. a. consensio/consentire sentire – consentire  107–108, 431–435. 440 separare/separatio  144, 654; 181, 861–862; 179; 185; 186; 190, 916; 192, 924–925; 202–203 Silber s. argentum Sokrates 165, 768. 771–772 σοφία 53, 147 Stein s. lapis Steinbruch 182, 872 stultitia  115, 472 stultus  104–106, 416; 205, 998

252

Register

– stulta sentire  102 – stulta et carnalia  104–106; 108–109; 118, 490; 204, 991 – stulta et carnalia sentire  105–106, 418. 422–423; 109 – stultis et carnalibus consentire  109–110 Sündenbekenntnis ~ Weisheit  67–68, 260   s. a. confessio/confiteri Syntactica – Aussage- oder Fragesatz?  51–52, 142 – griechisch – ἄν in Poesie ausgelassen  133, 569–570 – Artikel – statt Possessivpronomen  38, 82; 40, 94 – Auslassung 124, 496. 504; 130, 541; 131, 549; 133, 571; 135, 580; 138, 600; 148, 682 – Dativus possessivus  124–125, 506 – ἐάν-Satz: Futuralis oder Iterativus?  39, 84; 43, 116 – Modusfunktion Konjunktiv  132–133, 568–569 – Tempusfunktionen Aorist  37, 70; 78, 308; 90, 359 – hebräisch/aramäisch – Aktiv oder Passiv?  84–85, 333; 90–91; 134; 140 – Artikel vor Pronomen  124 – Nominalsyntax  40; 140–141, 629–630 – Relativsatz 131, 550–551 – Singular kollektiv  84, 332; 88–90; 127; 144, 655 – Tempusfunktionen – Imperfekt  85; 132, 565; 137, 597 – Partizip 131, 547; 132, 566; 149 – Perfekt 148, 679; 149, 696 – lateinisch – cum statt dum  95–97; 101, 394–395; 110, 447 – cum als Paraphrase für si  33, 40; 96–97; 110, 448 – cum adhuc – + Konj.  101, 390–393 – + Ind. Präs.  95–97; 101, 394–395 – + Ind. Impf.   101, 395 – Dativus possessivus  129, 537 – interest + abh. Fragesatz  172, 817 – ipse ~ idem  195, 937; 196, 941 – Konj. Perfekt oder Futur II?  106, 424 – PPP i. S. eines griech. Verbaladjektivs auf -τος  98–99, 376–377

– quasi-Sätze 172, 816 – si-Sätze  95–96; 99, 378; 101; 106, 424; 107 – Tempusfunktionen – Präsens  95–97; 101, 394–395; 110, 447 – Imperfekt 172, 816 – Futur II  80, 315 – totum ~ omne  183, 875 – Verba communia  111–112, 456–457 tacere  30–33; 44; 46–47, 130; 49; 51; 53; 60–66, 220. 222–224.226.234.236–247; 68, 250–251 tempus  150–151, 716 tenebrae  204–205, 997–1003 terra  95–96; 101–104, 413; 107, 429; 169; 179; 185; 201, 973–976; 203 – de terra  82, 323; 168; 172–173, 818; 183, 877 – e terra  82, 327 – in terra  176, 832 – terra et lutum  71; 96; 98; 101–106; 117; 202; 214, 1084 τετραίνω 46 Teufel 205, 1001 tironische Kürzel  31, 35; 47, 132–135; 48, 139 τιτρώσϰω  40–41, 96. 98; 46 totum  181–183, 863–874 – totum ~ omne  183, 875 τραῦμα 40–41 s. a. uulnus trösten/Trost s. consolari/consolatio Trostschriften  s. Konsolationsliteratur Tugendgrade (neuplatonisch)  155–158 Tun-Ergehen-Zusammenhang 63 Unsterblichkeit s. immortalitas uel  52–53; 179; 185; 199 uena  127, 518. 522–523 Verba communia  s. Syntactica, lateinisch Verführer 74, 287; 112, 459 Verhältnis zwischen den ursprachlichen Ijob-Versionen – Targum und M – Targum wie M 42, 105–107; 82, 320– 321; 86, 341; 90; 123; 131; 136, 588; 140 – Targum interpretiert M 84, 332; 85, 333; 124, 502; 132, 564; 136, 587; 140–141, 629–630; 149, 696–700

Begriffe und Sachen – G und M – G beruht auf M 74, 285; 130–133 – genaue Übersetzung  38, 75; 40, 131–132 – Mehrdeutigkeit wie in M 40 – freie Übersetzung  40, 96; 74, 285; 81, 319; 149, 701 – Sinn-Aspekte – Präzisierung 40, 95; 136 – Abschwächung 141, 634 – Umdeutung 39–41, 90–92 – Umkehrung e. Vergleichs  142 – Mehrdeutigkeit gegenüber M 38, 76–82 – Stil-Aspekte 124 – Parallelismen statt hebr. Variatio ​ 38–39, 83; 40; 131–132, 557–558; 136, 586; 104; 142, 636 – Variatio statt emphat. Doppelung 89 – analoge Kompensation – syntaktischer hebr. Elemente ​ 40–41, 97 – des poet. hebr. Stils  133, 570–571 – G beruht nicht auf M 39–40, 85–89; 40, 93. 96; 81, 319; 88, 348–349. 350–351; 89, 354–357; 141 – G und Targum  35, 56; 39–40, 90–92; 132; 210, 1033 – Hexapla und M – Hexapla beruht auf M 38, 82 – Hexapla beruht nicht auf M 41 – Hexapla und Targum  35, 56; 41–42; 132, 566; 134; 149, 696; 210, 1033 – Aquila und Targum  149, 692 – Symmachos und Targum?  42

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– Hexapla und G  34–35; 38, 82; 41, 99 – Symmachos und G  41; 149–150, 703–704 – Polychronios und Targum?  143, 644 – Vetus Latina und G 76, 296; 78, 304; 83; 91 uersari in actione/contemplatione  164, 763 Vertauschung/Verwechslung – von Buchstaben – hebräisch – Hörfehler 141, 632–634; 145–146, 662 – Lesefehler 88–89, 350–353 – in Konjekturen  75; 77; 81–82, 323–324; 89, 354–355; 90–91, 361; 145–146, 662 – lateinisch – Hörfehler – Endungen -bit/-uit 72, 282 – Lesefehler – f und s in karoling. Minuskeln  126, 514; 137, 593; 153, 719 – Kürzel enim/autem  137, 592 – Konjektur ulnere/-ra 45, 122 – von Vokabeln – hebräisch 39–40, 86–87. 90–92; 145, 658–660 – lateinisch 82, 329; 97, 374–375 uita actiua – uita contemplatiua  154; 161 uulnus  45, 121. 124; 66–67, 253–259. 262 s. a. τραῦμα Wahrheitserkenntnis als höchstes Glück ​ ­166–167, 776–777 Wert der Ehe  162–163, 757 Wertverhältnis Gold – Silber  160, 745; 162; 168–169