Behemoth oder Das Lange Parlament 9783787328086, 9783787328079

Dem biblischen Seeungeheuer Leviathan, das in Hobbes gleichnamigem Hauptwerk für die Allmacht des absolutistischen Staat

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German Pages 256 [325] Year 2015

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Behemoth oder Das Lange Parlament
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Philosophische Bibliothek

Thomas Hobbes Behemoth oder Das Lange Parlament

Meiner

T HOM AS HOBBE S

Behemoth oder

Das Lange Parlament Übersetzt, mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Peter Schröder

FEL I X M EI N ER V ER L AG H A M BU RG

PH I L O S OPH I S C H E BI BL IO T H E K BA N D 6 8 0

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bi­­­blio­g ra­phi­sche Daten sind im Internet a­ brufbar über ‹http://portal.dnb.de›. ISBN 978-3-7873-2807-9 ISBN eBook: 978-3-7873-2808-6

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I N H A LT

Einleitung Behemoth or the Long Parliament im Kontext von ­ Hobbes’ politischer Philosophie. Von Peter Schröder . . . . . Zur Editionsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Dialogform des Behemoth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die politische Intention der Geschichtsschreibung . . . . Das Politische der Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auseinandersetzung mit den Anglikanern . . . . . . . . Der politische Meinungsstreit und die Rolle der Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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ix xiv xviii xxi xxxv xliv

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hobbes’ Leben und Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lxv Thomas Hobbes Behemoth oder Das Lange Parlament [Widmungsschreiben] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dritter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Vierter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Anmerkungen des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

Den Freunden in Oxford Peter Creak, Ray Ockenden, David Parrott & Larry Siedentop •

EINLEITUNG Behemoth or the Long Parliament im Kontext von ­Hobbes’ politischer Philosophie The Long Parliament bestand im Gegensatz zum Short Parliament, das nur 22 Tage, beginnend am 13. April 1640, tagte, offiziell von 1640 – 1660.1 Dies ist die Periode, die von Hobbes in seinem Behemoth behandelt wird. Während der Leviathan systematisch erarbeitet, welche Bedingungen für einen funktionierenden Staat erfüllt sein müssen, diskutiert der Behemoth die Gründe für den durch Aufruhr und Bürgerkrieg herbeigeführten Verfall des englischen Staates. Titel und Inhalt scheinen das bewusst gewählte Gegenbild zum konstruktiven Staatsentwurf des Leviathan zu bilden.2 Behemoth or the Long Parliament steht als Chiffre für 1 Zu

Hobbes’ Periodisierung siehe Behemoth, S. 224 (alle Seitenangaben zu Behemoth beziehen sich auf die vorliegende Ausgabe). Vgl. zum Langen Parlament auch H.-C. Schröder, Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert, Frankfurt/Main 1986, S. 49 – 77; K. v. Greyerz, England im Jahrhundert der Revolutionen 1603 – 1714, Stuttgart 1994, S. 165 – 178 und B. Worden, The English Civil Wars 1640 – 1660, London 2009. Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Langen Parlament vgl. G. E. Aylmer, The Struggle for the Constitution, London 1963, S. 106 – 111. Zu Hobbes und der englischen Revolution siehe J. P. Sommerville, Thomas Hobbes. Political Ideas in Context und H.-D. Metzger, Thomas Hobbes und die Englische Revolution. Den Kontext der Restaurationszeit behandelt J. Parking, Tam­ing the Leviathan, S. 312 – 377. (Literatur, die nicht in der Auswahlbibliographie verzeichnet ist, wird in den jeweiligen Fußnoten genau nachgewiesen, alle anderen Angaben werden in den Fußnoten in verkürzter Form ge­geben). 2 Im 12. Kapitel von De Cive sowie im 29. Kapitel des Leviathan werden bereits die wesentlichen Ursachen, warum ein Staat sich auflöst, behandelt. Wie im Weiteren genauer zu zeigen sein wird, steht diese Analyse im Mittelpunkt des Behemoth. In einer interessanten, wenn auch nicht weiter begründeten Überlegung vertritt G. Vaughan, Behemoth teaches Leviathan, S. 114 die These, man müsse den Titel so auffassen, dass Behemoth sich vom Langen Parlament unterscheide und die Alternative damit nicht im Titel (Behemoth oder das Lange Parlament), sondern in der Regierung liege

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Einleitung

Anarchie und Auflösung staatlicher Gewalt. Aber alle Texte von Hobbes, die sich mit Politik und Rechtsphilosophie auseinandersetzen, sind nach seinen wiederholten Bekundungen durch den herandrohenden englischen Bürgerkrieg motiviert worden.3 Dieser Sachverhalt verweist bereits auf einen deutlich engeren Zusammenhang zwischen Behemoth und Leviathan, als das zumeist in der Hobbesforschung zur Kenntnis genommen wird. Bedeutender aber ist, dass Hobbes’ Lehre für die Gründe staat­licher Stabilität, wie er sie in seinen politischen Schriften Elements of Law, De Cive und Leviathan entwickelt, inhaltlich mit seiner Analyse der Ursachen für die staatliche Auflösung im Behemoth unmittelbar verbunden ist. Es wird im Weiteren zu zeigen sein, dass von den Elements of Law bis zum Behemoth die Fragen nach einer erfolgreichen politischen Erziehung nicht nur sachlich einen wichtigen Stellenwert einnehmen, sondern dass Hobbes diese Schriften selbst als Instrumente zur politischen Erziehung gedacht hatte. Inwiefern sich daraus dann auch Unterschiede in Methode und Stil der Werke erklären lassen, da unterschiedliche Adressaten angesprochen werden sollten und unter Umständen sogar unterschiedliche Arten der politischen Erziehung verfolgt wurden, gehört zu den zugrundeliegenden Fragen, die zu erörtern (Behemoth oder das Lange Parlament). Hobbes „verwendet das Bild vom Behemoth in der Weise, in der er das Bild des Leviathan verwandt hatte“. Diese alternative Interpretation ändert allerdings nichts an der grundsätzlichen These, dass der Behemoth wie keine der vorhergehenden Schriften von Hobbes die Gründe für die Auflösung des Staates untersucht. 3 Vgl. Th. Hobbes, Vom Bürger (Vorwort), S. 71 f. sowie Th. Hobbes, Levia­t han, S. 544: „Und somit bin ich am Ende meiner Abhandlung über die bürgerliche und kirchliche Regierung, die von den Wirren der Gegenwart veranlasst wurde, angelangt“. Siehe auch Th. Hobbes, Six Lessons, S. 335. Die Elements of Law, Hobbes’ erste politische Schrift, zirkulierten zur Zeit des Short Parliament Ende April 1640, also am Vorabend des Englischen Bürgerkriegs, zunächst in Manuskriptform. Vgl. auch Th. Hobbes, Considerations, S. 414: „Mr. Hobbes schrieb einen kleinen Traktat in Englisch […]. Er war der erste, der es unternommen hatte, zur Verteidigung des Königs zu schreiben“.

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sind, wenn man sich dem Behemoth zuwendet. Dieser einleitende Essay bestimmt den Ort, die Bedeutung und die Besonderheiten des Behemoth innerhalb von Hobbes’ politischer Philosophie.4

Zur Editionsgeschichte Die Editionsgeschichte des Behemoth ist noch immer nicht völlig geklärt. Seit Ferdinand Tönnies 1889 auf der Grundlage des im St. John’s College, Oxford, befindlichen Manuskripts eine neue Ausgabe vorgelegt hat, kann davon ausgegangen werden, dass die früheren Ausgaben nicht auf diesem von Hobbes noch autorisierten Manuskript basieren.5 Inzwischen sind sieben Manuskripte bekannt, die sich in Oxford, Aberdeen, London (drei Exemplare) und Dublin (zwei Exemplare) befinden.6 Auch der Behemoth zirFachliteratur zum Behemoth ist inzwischen umfangreicher, als gemeinhin angenommen wird. Bisher ist aber nur eine monographische Studie zum Behemoth erschienen: G. Vaughan, Behemoth teaches Levia­ than. Von den wenigen deutschsprachigen Studien vgl. v. a. B. Willms, Staatsräson und das Problem der politischen Definition; B. Willms, Systemüberwindung und Bürgerkrieg, sowie D. Braun, Der sterbliche Gott. 5 F. Tönnies, Preface, S. IX : „Now, though it is true that Crooke’s edition was very much improved as compared with the spurious ones, yet it was not made from the original copy, which I believe myself to have discovered and made use of now for the first time“. Eine Beschäftigung mit Tönnies’ Hobbesinterpretation ist immer noch lohnend, und seine Bedeutung für die Hobbesforschung wird, sieht man von seinem Verdienst, den Behemoth herausgegeben zu haben, einmal ab, weitgehend ignoriert. Dieser Neuauflage des Behemoth mag es vielleicht auch gelingen, diesen großen deutschen Gelehrten den heutigen Hobbesforschern wieder in Erinnerung zu rufen. Vgl. v. a. F. Tönnies, Thomas Hobbes, und F. Tönnies, Studien zur Philosophie, sowie die Einführung zu der von Tönnies ebenfalls besorgten Ausgabe der Elements of Law. 6 Eine detaillierte Erörterung zur Text- und Editionsgeschichte, auf die sich meine Ausführungen im Wesentlichen stützen, findet sich in P. Seaward, Textual Introduction, S. 71 – 83. Die entsprechenden Angaben 4 Die

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Einleitung

kulierte zunächst offensichtlich in Manuskriptform.7 1679 erschienen in rascher Folge verschiedene nicht autorisierte Raubdrucke unter dem Titel The History of the Civil Wars of England from the Year 1640 to 1660. Der Name Behemoth war also nicht Teil des Titels dieser ersten Ausgaben. Umgekehrt findet sich in den von Hobbes autorisierten Ausgaben und Manuskripten kein Verweis auf History im Titel. Bis 1700 wurden insgesamt sechs verschiedene Drucke vorgelegt, wobei die 1682 von William Crooke herausgebrachte Ausgabe nach seinen eigenen Angaben auf ein von Hobbes autorisiertes Manuskript zurückgeht. 8 Die von Crooke verwendete Vorlage ist allerdings nicht das im St. John’s College befindliche Manuskript. Bei diesem handelt es sich um eine sogenannte presentation copy, die dem in der Widmung genannten Lord Arlington überreicht werden sollte.9 Einige der Abweichunin den zwei deutschen Ausgaben des Behemoth von Lips und Münkler fehlen entweder ganz oder sind im besten Falle ungenau und flüchtig. In seiner deutlich solider gearbeiteten Einleitung zu der von ihm herausgegebenen französischen Übersetzung des Behemoth ging Luc Borot noch von nur vier vorhandenen Manuskripten aus. L. Borot, Introduction, S. 12. Der Behemoth wurde offensichtlich auch in Manuskriptform auf dem europäischen Kontinent verbreitet. Vgl. N. Malcolm, Behemoth latinus: Adam Eberts, Tacitism and Hobbes. 7 Im Februar 1673, also noch deutlich vor den ersten gedruckten Ausgaben des Behemoth, schreibt John Aubrey an John Locke, dass er in William Crookes Buchladen „ebenfalls seine [Hobbes’] Geschichte Englands von 1640 – 1660 finden“ könne. J. Locke, The Correspondence of John Locke, hg. v. E. S. De Beer, Oxford 1976, Bd. I, S. 376. 8 Vgl. zu den verschiedenen Ausgaben des Behemoth unten die bibliographischen Hinweise sowie die detaillierten Angaben bei P. Seaward, Textual Introduction, S. 83 – 92. 9 Die Widmung fehlt in allen anderen bekannten Manuskripten. Lord Arlington (1618 – 1685) war Secretary of State und einer der engsten Vertrauten von König Charles II. Hobbes hatte Arlington bereits 1666 De principiis ratiocinatione Geometrarum gewidmet. Trotz vieler Feinde am königlichen Hof hatte Hobbes Zugang zum König und erhielt eine königliche Pension von hundert Pfund pro Jahr, die auf die Vermittlung von Arlington zurückzugehen scheint. Vgl. auch P. Seaward, General Introduction,



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gen zwischen dem von Crooke genutzten Manuskript und dem in St. John’s befindlichen Text erklären sich aus von Hobbes selbst veranlassten späteren Änderungen. Auch wenn das in St. John’s befindliche Manuskript zu Recht als die von Hobbes autorisierte Fassung gilt, muss wohl davon ausgegangen werden, dass es sich bei dieser Repräsentationskopie nicht um die offenbar verlorengegangene Originalfassung handelt.10 Das von Crooke genutzte Manuskript geht wahrscheinlich ebenfalls auf eine von diesem Original erstellte Abschrift zurück. Crooke wollte angesichts der zirkulierenden Raubdrucke Hobbes’ Andenken vor diesen „gefälschten Editionen“11 schützen und mit seiner Ausgabe einen S. 2. Hobbes’ Freund John Aubrey berichtet: „Es traf sich nun, zwei oder drei Tage nach der glücklichen Rückkehr seiner Majestät, dass er mit seiner Kutsche über den Strand fuhr, als Mr. Hobbes an der Pforte des Little Salisbury House stand […]. Der König erspähte ihn, grüßte ihn sehr freundlich mit seinem Hut und fragte ihn, wie es ihm gehe. Etwa eine Woche später hatte er eine Unterredung mit seiner Majestät […]. Hier wurde das Wohlwollen seiner Majestät ihm gegenüber wiederhergestellt und Anordnung gegeben, dass er freien Zugang zu seiner Majestät habe, der von seinem Geist und seiner Schlagfertigkeit immer sehr angetan war“. J. Aubrey, Brief Lives, S. 232. Vgl. zu Hobbes’ Lebensumständen zu dieser Zeit auch S. Sorbière, Relation d’un Voyage en Angleterre, Paris 1664, S. 96 f. Samuel Sorbière war ein Freund von Hobbes und hatte 1642 eine französische Übersetzung seines De Cive herausgebracht. In einem Brief an Hobbes verglich er diesen mit Galileo, denn Hobbes habe für das Verständnis der Politik geleistet, was jener für die Physik vollbracht habe. Th. Hobbes, Correspondence, Bd. 2, S. 516. Zur Frage der königlichen Pension vgl. auch Hobbes’ Bitte an den König in Th. Hobbes, Letters and other Pieces, S. 471 f. 10 Vgl. P. Seaward, Textual Introduction, S. 94 – 96. 11 Das Vorwort von Crooke ist für die Editionsgeschichte wichtig und wird hier in deutscher Übersetzung erstmals zugänglich gemacht: „Meine Pflicht, sowohl gegenüber der Öffentlichkeit als auch gegenüber dem Andenken von Mr. Hobbs [sic], hat es mir anbefohlen, mit der größten Sorgfalt dafür zu sorgen, dass diese Ausführungen [des Behemoth] mit akribischer Genauigkeit veröffentlicht werden. Die Kraft der Wahrheit zwingt mich zu erklären, wie sehr die Welt und der Name von Mr. Hobbs durch

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Einleitung

authen­tischen Text vorlegen. Das von ihm verwendete Manuskript dürfte ebenfalls von Hobbes autorisiert gewesen sein. In einem Brief an Crooke hatte Hobbes ausgeführt: „Ich hätte gern bereits vor langer Zeit meinen Dialog über den englischen Bürgerkrieg publiziert. Und mit diesem Ziel hatte ich ihn seiner Majestät präsentiert und einige Tage später, als ich annehmen konnte, dass er diesen gelesen hatte, ersuchte ich ihn untertänigst, mir zu erlauben, ihn drucken zu lassen. Aber Seine Majestät (obwohl er mich wohlwollend anhörte) verweigerte schlicht die Druck­ erlaubnis. Daher nahm ich das Buch wieder an mich und erlaubte Ihnen, eine Kopie anzufertigen. Nachdem Sie dies getan hatten, überreichte ich das Original einem ehrenhaften und gelehrten Freund, der ungefähr ein Jahr später starb. Der König weiß es besser als ich, und ihn betrifft die Publikation von Büchern mehr als mich. Daher wage ich nicht, mich in dieser Angelegenheit herdie verschiedenen gefälschten Ausgaben der Geschichte des Bürgerkrieges [videlicet Behemoth] misshandelt wurden. In diesen wurden über tausend Fehler durch verschiedene und ungeschickte Übertragungen begangen und an über hundert Stellen wurden ganze Sätze ausgelassen, wie ich dies zeigen werde. Ich muss allerdings zugeben, dass Mr. Hobbs, nach reiflicherem Nachdenken, von einer Veröffentlichung Abstand nahm. Da es aber unmöglich ist, es zu unterdrücken, denn kein Buch wird bei allen Buchhändlern häufiger verkauft, hoffe ich doch, keinen zu beleidigen, indem ich der Welt und diesem Werk Gerechtigkeit widerfahren lasse. Ich publiziere diese Schrift von dem originalen Manuskript, welches durch seinen eigenen Sekretär angefertigt wurde und vor über zwölf Jahren mir von ihm selbst [i. e. Hobbes] gegeben wurde. Ich habe diesem die Abhandlung gegen den Bischof Bramhall hinzugefügt, um ähnliche Vorurteile abzuwehren, die diesem Text angesichts so vieler gefälschter Kopien sicherlich auch widerfahren musste. So auch den Diskurs zur Häresie von einer akkurateren Vorlage. Ebenfalls habe ich die von ihm selbst übersetzten und seinerzeit seiner Majestät vorgelegten Physikalischen Probleme beigegeben. […] Diese Dinge vorausgeschickt bleibt mir nichts, als mir einen guten Verkauf zu wünschen und dem Käufer viel Vergnügen und Zufriedenheit. Euer untertänigster Diener, William Crooke“. W. Crooke, Bookseller to the Reader, in: Tracts of Mr Thomas Hobbs (keine Paginierung).

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vorzutun, da ich bei ihm nicht Anstoß erregen möchte. Ich bitte Sie daher, diese Sache nicht weiter zu verfolgen“.12 Crooke besaß also offenbar eine von Hobbes autorisierte Kopie, die weder das von Hobbes als Original bezeichnete Manuskript war noch jenes in St. John’s. Als Crooke nach Hobbes’ Tod schließlich den Behemoth publiziert, gesteht er freimütig zu,13 dass Hobbes sich gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen hatte, nachdem er vergeblich versucht hatte, eine königliche Druckerlaubnis zu erhalten.14 Seit der Wiederentdeckung des Manuskripts in St. John’s durch Tönnies muss dieses als die verlässlichste Textgrundlage des Behe­moth angesehen werden.

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Th. Hobbes, Correspondence Bd. 2, S. 771. Vgl. Crookes Vorwort. 14 Der Licensing Act von 1662 regelte in England das Zensurrecht und die Vergabe der Imprimatur. Vgl. oben den teilweise zitierten Brief von Hobbes an Crooke. Lord Arlington war unter dem Licensing Act unmittelbar für die Lizensierung historischer Bücher verantwortlich. Hobbes hat aber offenbar nicht versucht, über Arlington doch noch die Imprimatur zu erhalten, denn in dem Manuskript in St. John’s, das die Widmung an Lord Arlington enthält, sagt Hobbes ausdrücklich: „Euer Gnaden mögen nach Ihrem Belieben über diese Schrift verfügen. Ich bitte nicht darum, sie zu veröffentlichen. Aber ich bitte darum, dass Euer Gnaden mir auch fernerhin gewogen bleiben, wie Sie es stets gewesen sind“. Behemoth, unten S. 2. Das bedeutet allerdings nicht, dass Hobbes zu dieser Zeit die Publikation seiner Werke nicht vorantrieb, denn 1668 erschien die Gesamtausgabe seiner bisherigen lateinischen Werke, die nun auch seine lateinische Übersetzung des Leviathan enthielt. Th. Hobbes, Opera philosophica, quae latine scripsit, omnia, 2 Bde., Amsterdam 1668. Dass Hobbes diese lateinische Ausgabe durchaus auch für den englischen Buchmarkt intendierte, geht aus seiner Korrespondenz mit Pierre Blaeu, dem Sohn seines niederländischen Verlegers, eindeutig hervor. Vgl. Th. Hobbes, Correspondence, Bd. 2, S. 693 f. 13

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Einleitung

Zur Dialogform des Behemoth Hobbes hatte die Arbeiten am Behemoth 1668 im Wesent­lichen abgeschlossen. Bereits gegen Ende des vorhergehenden Jahres hatte er gut zwei Drittel der lateinischen Übersetzung seines Levia­than beendet. Bemerkenswert ist der Appendix des lateinischen Leviathan, der die Review and Conclusion des englischen Leviathan ersetzt und der ebenfalls in Dialogform zwischen A und B gehalten ist.15 Diese drei Dialoge des Appendix sind etwa zur gleichen Zeit geschrieben wie der Behemoth. Trotz seines hohen Alters und zunehmender gesundheitlicher Probleme16 entwickelte Hobbes in den sechziger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts eine erstaunliche Produktivität, denn in diese Zeit fallen auch die Arbeiten An Answer to a Book published by Dr Bramhall17 und An Historical Narration concerning Heresy.18 Diese Schriften waren von William Crooke in der von ihm 1682 besorgten Ausgabe enthalten, in welcher der Behemoth mit einigen anderen Texten erschienen war. So war der Behemoth sowohl als einzelne Schrift als auch in einem Band gesammelter Texte von Crooke publiziert worden.19 In diese Zeit fällt eine weitere Schrift, die sich, ebenfalls in Dialogform, mit dem englischen Common Law auseinandersetzt. 15

Vgl. dazu auch G. Wright, The 1668 Appendix. Hobbes lebte von 1588 – 1679. Vgl. Aubrey, Brief Lives, S. 235. 17 Diese Schrift wurde erst 1682 nach Hobbes’ Tod von W. Crooke in den Tracts of Mr Thomas Hobbs publiziert. Der Text ist zugänglich in Bd. IV der English Works. Vgl. Th. Hobbes, An Answer sowie die Studie von N. D. Jackson, Hobbes, Bramhall and the Politics of Liberty and Necessity. 18 Auch diese Schrift wurde erst 1682 nach Hobbes’ Tod von W. Crooke in den Tracts of Mr Thomas Hobbs publiziert. Der Text ist zugänglich in Bd. IV der English Works. Vgl. Th. Hobbes, An Historical Narration. Justin Champion bereitet derzeit eine textkritische Ausgabe dieser Schrift für die Clarendon Edition der Oxford University Press vor. Bereits seit 1659 arbeitete Hobbes an seiner Historia Ecclesiastica. Vgl. auch P. Springborg, Hobbes, Heresy, and the Historia Ecclesistica. 19 Vgl. die Übersetzung von Crookes Vorwort oben, Anm. 11. 16

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Die Form des Dialogs wird von Hobbes in dieser Zeit offensichtlich bevorzugt.20 Er steht damit in der bis auf Plato zurückgehenden Tradition 21, aber seine Dialoge haben nicht den gleichen dramatischen Charakter.22 Gründe oder Vorteile des Dialogs können natürlich darin gesehen werden, dass sie pädagogisch wirk­ samer sind, da die Argumentationsform eines Pro und Contra das Ab­wägen von Positionen erlaubt. Abgesehen von dem Dialogue between a Philosopher and a Student of the Common Laws of England,23 unterscheidet Hobbes seine Dialogpartner lediglich als A und B, ohne spezifische Angaben zu Person, Status usw. Im Behe­moth wird lediglich darauf verwiesen, dass A deutlich älter sei als B und daher den Bürgerkrieg aus eigener Anschauung kenne. Der Jüngere, B, ist aber offensichtlich in der Kirchen20 Bernard

Willms’ Behauptung, Hobbes habe sich der Form des Dialoges „sonst nur in seinen mathematischen und naturwissenschaftlichen Schriften“ bedient, muss daher korrigiert werden. B. Willms, Systemüberwindung und Bürgerkrieg, S. 280. 21 Zum Genre des Dialogs in der englischen Literatur des 17. Jahrhunderts vgl. K. Sharpe, Representations and Negotiations: Texts, Images, and Authority in Early Modern England, in: The Historical Journal 10 (1982), S. 853 – 881. 22 Geoffrey Vaughan behauptet, dass man den Behemoth nicht verstehen könne, wenn man die dramatische Form des Dialogs nicht berücksichtige. G. Vaughan, Behemoth teaches Leviathan, S. 116 – 118. 23 In diesem Dialog nimmt der Philosoph eindeutig die von Hobbes vertretene Position gegen das Common Law ein, während der gelehrte Jurist (Student ist hier eher als Gelehrter denn als Student in unserem landläufigen Sinne zu lesen), der das Common Law zu verteidigen sucht, leicht mit den Positionen des Juristen Sir Edward Coke (1552 – 1634) identifiziert werden kann, auf die der Dialog auch wiederholt Bezug nimmt. Zu Coke vgl. auch G. Burgess, Absolute Monarchy and The Stuart Constitution, New Haven 1996, S. 165 – 208. Es ist naheliegend, diesen Dialogpartner mit dem Common-Law-Experten und Richter Sir Matthew Hale (1609 – 1676) zu identifizieren, der einer der bekanntesten Kommentatoren von Coke war. Siehe auch D. E. C. Yale, Hobbes and Hale, sowie M. Kriele, Zwei Konzeptionen des modernen Staates. Hobbes und englische Juristen, in: Studium Generale 22 (1969), S. 839 – 848.

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Einleitung

geschichte versierter als A. Es werden im Behemoth im Grunde keine kontroversen Positionen dialogisch entwickelt. A und B sind sich zumeist einig, und insofern ist es auch nicht einsichtig, wenn behauptet wird, „in Hobbes’ Dialogen werden Dispute durch Konversation gelöst und nicht durch das Schwert; in Hobbes’ Dialogen besteht Konsens ohne Gewalt“.24 Bereits Hobbes’ Zeitgenosse John Wallis (1616 – 1703) bemerkte zu einem früheren Hobbes’schen Dialog 25 spöttisch, Hobbes habe „durch das Medium des Dialogs zwischen A und B (Thomas und Hobs [sic]) einen Mittelweg gefunden, wobei Thomas Hobs lobt, und Hobs Thomas lobt, und beide loben Thomas Hobs als dritte Person, ohne des Selbstlobs schuldig zu sein“.26 Auch wenn diese Kritik etwas ungerecht ist, zeigt sie doch, dass Hobbes’ Dialoge sich nicht durch in der Disputation geschlichtete Kontroversen auszeichneten.27 Man könnte weitere Gründe für die Dialogform darin sehen, dass sie Hobbes erlaubt habe, „Überlegungen auszusprechen, die er selbst öffentlich kaum bekennen würde“.28 Inwieweit die Zensur und Hobbes’ Gegner sich von einem derartigen Argument hätten überzeugen lassen, ist fraglich. Es scheint unwahrscheinlich, dass Hobbes glaubte oder gar beabsichtigte, sich durch die Dialogform der feindlichen Kritik entziehen zu können. Die Form des Dialogs 24 G.

Vaughan, Behemoth teaches Leviathan, S. 115. Wiederholt – und ungeachtet gegenteiliger Textstellen – behauptet Vaughan, B sei Schüler von A, und nur, wenn man dieses Verhältnis beachte, welches bedeute, dass „B von A unterrichtet wird“ (ebd., S. 116), könne man Behemoth angemessen beurteilen. 25 Es handelt sich um Hobbes’ Dialogus Physicus. Wallis war Presbyterianer und Mathematiker. Er stritt mit Hobbes über mathematische Pro­ bleme, griff Hobbes aber auch wegen seiner religionspolitischen Positionen an. S. Sorbière, Relation d’un Voyage en Angleterre, S. 96 f. verteidigt Hobbes gegen Wallis. Vgl. zu dieser Kontroverse auch D. Jesseph, Squaring the Circle. 26 J. Wallis, Hobbius Heuton-tomorumenos, S. 15. 27 Vgl. auch Behemoth, S. 18, wo A den B etwas ungehalten darauf hinweist, er sei „jetzt bei einer Erzählung, nicht bei einer Disputation“. 28 R. MacGillivray, Thomas Hobbes’s History, S. 180.

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hätte ihm auch erlaubt, seinen Kritikern zuvorzukommen und so gewissermaßen eine präemptive Argumentation in Form einer Antizipation von potenzieller Kritik im Dialog aufzunehmen. Aber das ist nicht Hobbes’ Vorgehen, denn man findet in den Dialogen, und ganz besonders im Behemoth, nicht eine gelegentliche Relativierung oder Zurücknahme von Positionen, die zumindest im Dialog angedeutet wäre, sondern der Behemoth zeichnet sich im Gegenteil durch besonders scharfe und ausgesprochen deutliche Kritik aus, die zumeist von beiden Dialogpartnern vorgebracht und geteilt wird. Man wird aber die Argumente, die Hobbes in dem Dialog vorbringt, nicht unbesehen als genuine Positionen von Hobbes einschätzen oder akzeptieren können, sondern im Einzelfall ist jeweils genauer zu prüfen, inwieweit die im Dialog geäußerten Positionen tatsächlich mit Hobbes’ Argumentationsstrategien übereinstimmen. Dabei ist dann freilich auch zu beachten, dass es durchaus zu Hobbes’ Vorgehen gehört, seine Positionen je nach intendierter Leserschaft unterschiedlich vorzutragen. Es gibt zwar eine übergeordnete argumentative Kohärenz in Hobbes’ politischem Gesamtwerk, das bedeutet aber nicht, dass Hobbes nicht auch bewusst unterschiedliche Positionen vertreten hat, wenn er dies als im Interesse seiner Argumentation liegend ansah. Und doch neigen einige Hobbes-Interpreten immer wieder dazu, seine Dialoge völlig unbedarft als authentische Positionen von Hobbes zu zitieren, ohne zu prüfen, inwieweit das tatsächlich gerechtfertigt ist.29 Die Anforderungen an die Lektüre und 29

Siehe als nur eines der jüngeren Beispiele Bryan Garsten, der die von A im Behemoth als Frage vorgebrachte Überlegung, ob man nicht gut daran getan hätte, die aufrührerischen presbyterianischen Prediger zu töten, da man so das größere Übel des Bürgerkriegs vermieden hätte, als Hobbes’ Überzeugung zitiert, was man „hätte tun sollen, um die […] Prediger zum Schweigen zu bringen“. B. Garsten, The Rhetoric against Rhetoric: Hobbes, S. 30. Dies ist eine Position, die von B ganz augenscheinlich nicht geteilt wird und von Hobbes nicht als verpasste Handlungsalternative vorgebracht wird. Vgl. unten, S. 108.

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Einleitung

Interpretation von Hobbes Behemoth sind nicht auf eine einfache Formel zu reduzieren. Die Dialogform war in jedem Fall eher unüblich, um historische Ereignisse zu schildern. Insofern ist Hobbes’ Behemoth auch keine konventionelle Geschichte des englischen Bürgerkrieges.30 Gegenüber seinen Kritikern hatte Hobbes sich damit verteidigt, dass der Act of Oblivion and Indemnity ihn vor Verfolgung schütze. Die anglikanischen Royalisten kritisierten nicht nur Aspekte seiner Philosophie, sie beriefen sich auch auf den Leviathan und behaupteten, Hobbes habe dort bereits seine Rückkehr nach England unter dem neuen Regime vorbereitet, denn er hatte geschrieben: „Ich möchte […] das Ende jenes mit dem Schwert ausgetragenen Disputs über die Autorität abwarten, der unter meinen Landsleuten noch nicht entschieden ist“.31 Diese Stelle lässt den Ausgang offen, ist aber kein offenes Bekenntnis zum neuen Regime in England. Hobbes hatte kein Interesse daran, alte Rechnungen zu begleichen, denn inzwischen sei „die Schuld auf allen Seiten vergeben worden“.32 Die politische Intention der Geschichtsschreibung Hobbes geht es, wie er in der Widmung an Lord Arlington ausdrücklich hervorhebt, darum, die Gründe zu verstehen, die zur Auflösung des englischen Gemeinwesens geführt haben.33 Er 30 Vgl.

auch Hobbes’ eigene Überlegungen zur Geschichtsschreibung. Th. Hobbes, Leviathan (VIII), S. 53: „Bei einer guten historischen Darstellung muß die Urteilskraft überwiegen, denn ihre Güte liegt in der Darstellung, der Wahrheit und der Auswahl der Begebenheiten, die zu wissen am nützlichsten ist. Phantasie ist nicht am Platz, außer bei der Ausschmückung des Stils“. 31 Th. Hobbes, Leviathan (XXXVIII), S. 346. 32 Behemoth, S. 134 Vgl. Auch J. R. Collins, The Alligiance of Thomas Hobbes, S. 115 – 158. 33 Behemoth, S. 2. Diese zentrale Frage nach der Ursachenanalyse des



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konnte sich an den konventionellen Geschichtsschreibungen seiner Zeit orientieren, denn aus eigener Anschauung kannte Hobbes den englischen Bürgerkrieg, anders als der Gesprächspartner A im Dialog, nicht, da er 1640 aus England geflohen war.34 Hobbes war an Thukydides geschult, dessen Peloponnesischen Krieg er übersetzt und 1629 publiziert hatte. In Thukydides sah er das entscheidende Vorbild dafür, was historische Werke leisten sollten, denn Thukydides hatte erfolgreich demonstriert, wie politische Geschichtsschreibung weit mehr sein konnte als eine bloße Darstellung historischer Ereignisse.35 Hobbes wollte mit seinem Behemoth nicht bloß eine historische Darstellung des englischen Bürgerkriegs liefern, sondern er verfolgte – ähnlich wie Thukydi­ des – zugleich auch politische Absichten.36 Der Behemoth war als politischer Beitrag konzipiert und intendiert. An ihm ist abzulesen, dass die Interpretation der historischen Ereignisse an sich schon politisch ist und dass die Interpretation zum Instrument der Politik wird. Es geht Hobbes nicht um die historische WahrBürgerkriegs bzw. der Auflösung des Staates wird im Folgenden ausführlicher diskutiert. 34 Die beiden wichtigsten Quellen dürften für Hobbes J. Heath, A Brief Chronicle of All the chief Actions so fatally falling out in these Kingdoms, viz. England, Scotland & Ireland. From the Year 1640 to this present twentieth November 1661, London 1662 und E. Husband, An Exact Collection of all Remonstrances, Declarations, Votes, Orders, Ordinances, Proclam­ ations, Petitions, Messages, Answers, and other Remarkable Passages between the Kings most Excellent Majesty and his High Court of Parliament, 2 Bde., London 1643 / Oxford 1646 gewesen sein. Ersterer wird von ihm ausdrücklich als Grundlage der beiden letzten Dialoge in der Widmung an Lord Arlington genannt. Siehe Behemoth, S. 2. 35 Vgl. Th. Hobbes, To the Readers, in: The History of the Grecian War, S. VII: „Thucydides […] is the most politic historiographer that ever writ“. Siehe auch R. Sowerby, Thomas Hobbes’s Translation of Thucydides und I. Evrigenis, Images of Anarchy, S. 25 – 43. 36 Vgl. Th. Hobbes, Of the Life and History of Thucydides, S. XXII: „the narration secretly instructs the reader, and more effectually than can possibly be done by precept“.

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heit, sondern um den erzieherischen und politischen Nutzen der historischen Interpretation.37 So wird im ersten Dialog von B zustimmend konstatiert, „ich denke, dein Ziel war, mich mit der Geschichte bekannt zu machen, nicht so sehr jener Handlungen, die in der Zeit der kürzlichen Unruhen geschahen, als vielmehr mit ihren Ursachen und mit den Ratschlägen und den Kunstgriffen, durch welche sie zuwege gebracht wurden. Es gibt verschiedene Leute, die die Geschichte geschrieben haben, von denen ich gelernt haben könnte […] aber ich finde wenig darin, was ich fragen möchte“.38 Hobbes lag daran sicherzustellen, dass die Interpretation nicht nur der jüngsten englischen Geschichte, sondern auch der englischen Rechtstradition des Common Law39 und vor allem der Bibel in den richtigen Händen lag. Deswegen führt B seinen Dialogpartner A im Fortgang des Zitats auch wieder auf die entscheidende Frage nach der Religion zurück.40 De Homine hatte Hobbes die erzieherische und politische Bedeutung der Geschichte ausdrücklich hervorgehoben. Es heißt dort: „Auch die philologischen und historischen Wissenschaften sind ein Gut. Sie sind ebenfalls nützlich, besonders Geschichte; denn sie liefert uns die Erfahrungen, auf die sich die Kenntnis der Ursachen stützt, und zwar als Naturgeschichte der Physik, als Staatengeschichte der Staats- und Moralwissenschaft, und das gleichviel ob sie wahr oder falsch ist, wenn sie nur nicht unmöglich ist“. Th. Hobbes, Vom Menschen (XI-10), S. 26. Vgl. auch W. R. Lund, The Use and Abuse of the Past, sowie allgemein N. Smith, Literature & Revolution in England, 1640 – 1660, Yale/New Haven 1994, S. 338 f. und J. Peacy, Print and Public Politics in the English Revolution, Cambridge 2013. 38 Behemoth, S. 52. 39 Das Common Law wird im Behemoth nur am Rande erörtert, was insofern nicht verwunderlich ist, als Hobbes dieses mehr oder weniger zur gleichen Zeit in seinem A Dialogue between a Philosopher and a Student abgehandelt hatte und es natürlich auch nur sehr bedingt als Ursache des Bürgerkriegs ausgemacht werden konnte. 40 B bittet A darum, „mich nach meiner eigenen Methode zu informieren. Und damit wir deshalb nicht in Verwirrung geraten, will ich dich an den Ort zurückführen, von wo ich ausging“. Behemoth, S. 52. Textstellen wie diese widerlegen eindeutig die von Geoffrey Vaughan vertretene und weiter oben bereits kritisch diskutierte These, B sei lediglich Schüler von 37 In



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Das Politische der Religion Hobbes’ Auseinandersetzung mit der Religion ist eng mit seiner politischen Theorie verbunden.41 Das macht auch bereits die Titelwahl deutlich, denn Behemoth verweist unmittelbar auf sein politisches Meisterwerk.42 Behemoth fungiert als Chiffre für A. Interessanterweise weiß A auch sofort, worum es B geht, und kommt direkt auf „die Frage betreffs der Religion“ (ebd.) zurück. Das Verhältnis der beiden Dialogpartner erschöpft sich trotz des Altersunterschieds eben nicht in der einseitigen Rollenzuweisung von zwei grundsätzlich unterschiedenen Niveaus des Wissens. So aber die Argumentation und zentrale These bei G. Vaughan, Behemoth teaches Leviathan, S. 116. 41 Bedenkenswert, wenn auch letztlich in der Gesamtbeurteilung übertrieben ist Leo Strauss’ Behauptung, Hobbes bekämpfe die „Theologie […] weil sie, und nicht etwa die Religion, die Urheberin der Religionskriege ist. Hobbes geht weiter: er gibt vor, den Kampf gegen die Theologie nicht bloss im Interesse der Philosophie und des bürgerlichen Friedens, sondern gleichermaßen im Interesse der Religion, der Frömmigkeit zu führen“. L. Strauss, Die Religionskritik des Hobbes, S. 279. Im Behemoth findet sich allerdings eine Stelle, die Strauss’ Interpretation stützt, von ihm aber, soweit ich sehe, nicht genannt wird: Behemoth, S. 65: „denn Religion hielt man lange Zeit […] für dasselbe wie Theologie – zum größten Vorteil der Geistlichkeit“. 42 Vgl. zur Wahl der Titel Leviathan und Behemoth J. M. Steadman, Leviathan and Renaissance Etymology, in: Journal of the History of Ideas 28 (1967), S. 575 f.; J. Tralau, Leviathan, the Beast of Myth und v. a. P. Springborg, Hobbes’s Biblical Beasts. Die einschlägige Bibelstelle, auf die Hobbes wiederholt Bezug nimmt, lautet in der für die Anglikaner autoritativen Fassung der King James Bibel (Job 40 – 15 f.): „Behold now behemoth, which I made with thee; his strength is in his loins, and his force is in the navel of his belly. […] He is the chief of the ways of God“. Zu Leviathan vgl. ebd. Job 41 – 1 f. Vgl. ebenfalls Biblia Sacra juxta Vulgatae, Job XL-10: „Ecce behemoth“ und ebd., XL-20 zu Leviathan. Luthers deutsche Übersetzung spricht ebenfalls von Behemoth und Leviathan und fügt erklärend in einer Randbemerkung hinzu (Hiob XL): „Behemoth heisst alle grosse ungehewre Thier. Wie Leviathan alle grosse ungehewre Fische. Aber dar unter beschreibet er die gewalt und macht des Teufels und seines gesinds/ des gottlosen Haufens in der Welt“. Die moderne deutsche Übersetzung spricht

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Aufruhr und Bürgerkrieg, wofür Hobbes hauptsächlich reli­giöse Konflikte verantwortlich macht.43 In De Cive und im Leviathan hatte er vor allem die Presbyterianer und die Katholiken kritisiert. Im Behemoth werden nun auch ausdrücklich die Anglikaner angegriffen. Angesichts der sich in den sechziger Jahren verschärfenden Kontroverse mit den Anglikanern und den von Bramhall44 und anderen geplanten Publikationen gegen Hobbes, die diesem offensichtlich bekannt waren, erklärt Hobbes, noch bevor er seine Arbeiten am Behemoth abgeschlossen hat, ironisch, „ich kann ihnen einen Titel für ihr Buch geben, Behemoth gegen Leviathan“.45 Die drei Dialoge im Appendix des Leviathan wie von Nilpferd und Krokodil und nicht von Behemoth und Leviathan: Buch Hiob/Job 40 f., was allerdings durchaus zeittypisch auch für das England des 17. Jahrhunderts ist. Siehe zum Beispiel S. Bochart, Hierozoicon sive bibertitum opus de Animalibus Sacrae Scripturae, London 1663, S. 753. Vgl. auch allgemein die ansonsten zu Hobbes aber kaum einschlägige Studie von J. Ebach, Leviathan und Behemoth. Eine biblische Erinnerung wider die Kolonisierung der Lebenswelt durch das Prinzip der Zweckrationalität, Paderborn 1984, S. 15 – 28. 43 So auch MacGillivray, Hobbes’s History, S. 186; R. Kraynak, History and Modernity, S. 35; P. Springborg, Hobbes’s Biblical Beasts, S. 368 und D. Baumgold, Hobbes’s Political Theory, S. 120. 44 Der anglikanische Bischof Bramhall ist am 25. Juni 1663 gestorben. Siehe auch J. W. Daly, John Bramhall and the Theoretical Problems of Royalist Moderation, in: The Journal of British Studies 11 (1971), S. 26 – 44 und L. Foisneau, Modération et raioson d’Etat dans l’anglicanisme selon Bramhall, in: F. Lessay / G. A. J. Rogers / Y. Zarker (Hg.), Les fondements philosophiques de la tolerance, Bd. I, Paris 2002, S. 153 – 174. 45 Th. Hobbes, Liberty, Necessity, and Chance, S. 27. Bramhall hatte mit Hobbes bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1645 im Pariser Exil nach Aufforderung des Marquis von Newcastle über den freien Willen debattiert. Diese verbale Kontroverse wurde offenbar mitgeschrieben und führte zu der sich verschärfenden Auseinandersetzung zwischen Bramhall und Hobbes. 1655, als Hobbes bereits vom Exilhof in Paris verdrängt worden war, veröffentlichte Bramhall eine erste Schrift gegen Hobbes, auf welche Hobbes im folgenden Jahr mit seinen Questions concerning Liberty rea­g ierte. Bereits 1653 hatte Alexander Ross Hobbes scharf angegriffen



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die anderen genannten Schriften haben – das gilt selbst für den Dialog über das Common Law46 – theologische Fragen und die daraus resultierenden Kontroversen zum Gegenstand. Der Behe­ moth macht da keine Ausnahme, und es wird im Weiteren zu zeigen sein, dass diese vordergründig historisch argumentierende Schrift vor allem als einer der wichtigsten Beiträge aus Hobbes’ Feder zu den religionspolitischen Fragen seiner Zeit zu lesen ist. Das England der Restaurationszeit war zwar äußerlich befriedet, aber die Gesellschaft war durch vielfältige Antagonismen und eine aggressive Religionspolitik gekennzeichnet: „Die kirchlichen und staatlichen Mächte versuchten systematisch, reli­giöse Einheit durch Zwangsmittel sicherzustellen“.47 Hobbes sah sich von diesen Versuchen unmittelbar betroffen. Das unter dem Einfluss der Anglikaner stehende Parlament hatte im Interesse der anglikanischen Kirche mehrere Gesetzesvorlagen durchgebracht, die die anderen Konfessionen benachteiligten. Der Corporation Act von 1661 bestimmte, dass alle Staatsdiener vor ihrer Ernennung bereits ein Jahr lang das Abendmahl nach dem Riund ihn des Atheismus beschuldigt. A. Ross, Leviathan drawn out with a Hook. 1657 attackierte Bramhall Hobbes erneut polemisch in seiner Schrift Casti­gations of Mr Hobbes. Hobbes behauptete, von dieser Schrift erst 1667 Kenntnis erhalten zu haben. Vgl. auch J. Parkin, Taming the Leviathan, S. 37 – 50 und N. D. Jackson, Hobbes, Bramhall and the Politics of Liberty and Necessity. Ein guter Überblick und eine hilfreiche Textauswahl ist zugänglich in V. Chappell (Hg.), Hobbes and Bramhall on Liberty and Necessity, Cambridge 1999. 46 Das 5. Kapitel des Dialogs über das Common Law behandelt die Häresie. Der Philosoph vertritt hier gegenüber dem Juristen die Meinung, dass Ketzerei nicht justiziabel sei, ja, dass es im Grunde unmöglich sei, genau zu bestimmen, was Häresie eigentlich ausmache, denn „wer kann sicher sein, Ketzerei [Heresie] zu vermeiden, wenn er es etwa wagt, Rechenschaft über seinen Glauben abzulegen“. Th. Hobbes, Dialog zwischen einem Philosophen und einem Juristen, S. 137. 47 M. Goldie, The Theory of Religious Intolerance in Restoration Eng­ land, in: O. P. Grell / J. Israel / N. Tyacke (Hg.), From Persecution to Toleration. The Glorius Revolution and Religion in England, Oxford 1991, S. 331.

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tus der Anglikaner gefeiert haben mussten. Nur ein Jahr später wurden Priester und Universitätslehrer im Act of Uniformity auf den Inhalt des anglikanischen Common Prayer Book verpflichtet. Der Conventicle Act und der Five Miles Act schränkten die anderen Konfessionen weiter ein. Die Universität Oxford lieferte bei diesen Bemühungen verlässliche ideologische Schützenhilfe. Nach dem großen Brand von London 1666 wurde die Situation für Hobbes bedrohlicher, denn seine anglikanischen Wider­ sacher verschärften ihre polemische Kritik ihm gegenüber. 48 Vor allem in verschiedenen einflussreichen Predigten vor dem englischen Parlament wurden zentrale Hobbes’sche Positionen angegriffen.49 Angesichts der letztlich erfolglosen Versuche, im englischen Parlament eine Gesetzesvorlage zur Strafbarkeit des 48

Durch die Restauration waren viele von Hobbes’ alten Widersachern, nachdem sie aus dem Exil zurückgekehrt waren, in einflussreiche Positio­ nen gerückt. Hobbes war bereits Ende 1651 wieder in England und hatte sich mit dem neuen System arrangiert, da der zunehmende Druck der Anglikaner und Royalisten am Exilhof ihn dort vertrieben hatte. In einem Brief an Edward Hyde wird dies von Sir Edward Nicholas anschaulich zusammengefasst: „Alle ehrlichen Männer hier, die Anhänger der Monarchie sind, sind sehr zufrieden, dass der König endlich den Vater der Atheisten von seinem Hof verbannt hat. Mr Hobbes, der, wie gesagt wird, den Hof der Königin und viele der Familie des Grafen von York zu Atheisten gemacht hat, hätte, wenn es ihm möglich gewesen wäre, auch den Hof des Königs vergiftet“. G. F. Warner (Hg.), The Nicholas Papers. Correspondence of Sir Edward Nicholas, Bd. I (1641 – 1652), London 1886, S. 284. Zur Kritik der Anglikaner an Hobbes während der Zeit seines Pariser Exils von 1640 – 1651 vgl. T. Raylor, The Anglican Attack on Hobbes und J. Parkin, Taming the Leviathan, S. 18 – 84. Hobbes machte in der Rückschau nicht die Anglikaner am Exilhof, sondern die französischen katholischen Geistlichen dafür verantwortlich, dass er Paris verlassen musste. Vgl. Th. Hobbes, Considerations upon the Reputation, S. 415. 49 Vgl. zum Beispiel S. Ward, A Sermon Preached before the Peers, in the Abbey-Church at Westminster, o. O. 1666 und E. Stillingfleet, A Sermon preached before the honourable House of Commons at St Margarets Westminster, Octob. 10, 1666 being the fast-day appointed for the late dreadfull Fire in the City of London, London 1666.

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Atheismus durchzubringen50 – in einer Sitzung im Oktober 1666 wurde Hobbes’ Leviathan in diesem Zusammenhang ausdrücklich genannt –, ist es nicht verwunderlich, dass Hobbes auch um die Sicherheit seiner eigenen Person fürchtete.51 Zugleich stieg das Interesse an Hobbes’ Schriften zu dieser Zeit merklich aufgrund der Versuche, seine umstrittenen Lehren zu unterdrücken. Dies wird zum Beispiel unter dem Eintrag des 3. September 1668 von Samuel Pepys in seinen Tagebüchern vermerkt.52 Auch nach seinem Tod blieb Hobbes Ziel vielfältiger Anfeindungen. In seiner gegen Hobbes gerichteten Streitschrift The Leviathan heretical, or, the Charge exhibited in Parliament against Mr Hobbs justified reflektiert John Dowell die im Parlament vorgebrachten Anklagen gegen Hobbes.53 Hobbes habe sich der Häresie schuldig gemacht und gegen die Lehre der anglikanischen Kirche polemisiert.54 Der Zusammenhang von Religion und Politik wird nicht nur von Hobbes immer wieder hervorgehoben. Auch die Anglikaner betonen diesen Zusammenhang und lehnen Hobbes’ Lehre aus theologischen und politischen Gründen ab. „Niemand“, so Dowell, „der sich Hobbes’ Prinzipien zu eigen gemacht hat, kann ein loyaler Untertan sein“.55 Hier wird noch einmal anschaulich deutlich, dass Hobbes als Person bis über seinen Tod hinaus von den Anglikanern als Friedensstörer und Häretiker vehement be50

Zu den Parlamentssitzungen vgl. P. Seaward, The Cavalier Parliament and the Reconstruction of the Old Regime 1661 – 1667, Cambridge 1988, S. 265 f. Zu den Attacken gegen Hobbes vgl. J. Parking, Baiting the Bear: The Anglican Attack on Hobbes, S. 430 – 438. 51 P. Milton, Hobbes, Heresy and Lord Arlington; J. Champion, An Historical Narration Concerning Heresie und J. Parking, Baiting the Bear: The Anglican Attack on Hobbes. 52 S. Pepys, The Diary of Samuel Pepys, hg. v. R. Latham, London 2003, S. 942: „Hobbs’s [sic!] Leviathan […] is now mightily called for, […] being a book the Bishops will not let be printed again“. 53 Vgl. bes. J. Dowell, The Leviathan heretical, S. 108. 54 Vgl. ebd., S. 99. 55 Ebd., S. 142.

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kämpft und verfolgt wurde. Jon Parkin hat detailliert gezeigt, dass diese Verfolgung zum Ziel hatte, „den Philosophen [Hobbes] einzuschüchtern, seine Reputation zu untergraben, seinen Einfluss zu zerstören und letztlich sein Leben zu bedrohen“.56 Selbst alte Freunde und Verbündete wandten sich gegen ihn. So schrieb zum Beispiel Edward Hyde, First Earl of Clarendon, im Juli 1659: „Mr Hobbes ist mein alter Freund, aber ich kann ihn nicht von dem Schaden freisprechen, den er dem König, der [anglikanischen] Kirche, den Gesetzen und der Nation zugefügt hat“.57 Die ihm feindliche Atmosphäre erklärt auch die Schwierigkeiten bei der Publikation des Behemoth, hat aber nicht dazu geführt, dass Hobbes seine entschiedene inhaltliche Stellungnahme zu diesen kontroversen Fragen relativierte. Im Gegenteil, nicht nur wird man sagen können, dass Hobbes’ Position zu den religionspolitischen Fragen seiner Zeit sich von der Publikation seines De Cive über den Leviathan bis zum Behemoth im Wesentlichen durchgehalten hat, sondern man sieht vor allem im Behemoth, dass seine Kritik an Klerus und Religionspolitik eher noch radikaler wird und er nun vor allem auch die Anglikaner ausdrücklich in diese mit einbezieht. Behemoth ist damit Hobbes’ wichtigste Schrift zu dieser Thematik, denn noch im Levia­than hatte Hobbes sich nicht ausdrücklich gegen den anglikanischen Klerus gewandt. Seine dort vorgebrachte scharfe Kritik an „der Widerwärtigkeit der Priester“58 richtet er nur gegen den römisch-­katholischen und den presbyterianischen Klerus.59 56

J. Parking, Baiting the Bear: The Anglican Attack on Hobbes, S. 423. nach R. W. Harris, Clarendon and the English Revolution, Stanford 1983, S. 403. Vgl. auch E. Hyde, A Brief View and Survey, sowie M. Dzelzainis, M., Edward Hyde and Thomas Hobbes’s Elements of Law. 58 Th. Hobbes, Leviathan (XII), S. 93. 59 Hobbes nennt ebd. die Katholiken sowie die „Kirche, die in der Reformation am weitesten ging“, womit die von Calvin beeinflussten Presbyterianer, keinesfalls aber die Anglikaner gemeint sind. Vgl. auch Th. Hobbes, Leviathan (XLVII), S. 526: „Wenn man irgendeine Person exkommuniziert, ohne vom bürgerlichen Souverän hierzu autorisiert zu sein – 57 Zitiert



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Behemoth radikalisiert seine bekannten Positionen und kritisiert nun wie sonst nirgends in seinen Schriften das wiedererstarkte anglikanische Kirchensystem. 60 Angesichts der konfliktuellen Lage ist dies besonders bemerkenswert und zeigt, dass der streitbare Philosoph auch in hohem Alter seine Verve nicht verloren hatte. Hobbes hielt den Meinungsstreit für einen der entscheidenden Gründe für politische Unruhen und die daraus letztlich resultierende Zersetzung des Staates. Schon in den Elements of Law ist das prägnant formuliert, wenn er vor allem mit Stoßrichtung gegen den presbyterianischen Klerus erklärt, die Schuld am Meinungsstreit liege bei „den Dogmatikern, das heißt denjenigen, die keine umfassende Bildung besitzen und mit Eifer darauf dringen, daß ihre Ansichten überall als Wahrheit ausgegeben werden, ohne daß irgendein deutlicher Beweis aus der Erfahrung oder aus Stellen der Heiligen Schrift, die eindeutig ausgelegt werden bedeutet das etwas anderes, als ihr ihre rechtmäßige Freiheit zu nehmen, das heißt sich eine unrechtmäßige Gewalt anzumaßen? Deshalb ist der Urheber dieser Finsternis in Dingen der Religion der römische und der presbyterianische Klerus“. Vgl. auch H. Flieger, Die öffentliche Meinung, S. 121 und N. Malcolm, Aspects of Hobbes, S. 543. 60 Vgl. aber das Widmungsschreiben der Seven Philosophical Problems von 1662 an den König, das allerdings erst 1682 in der von Crooke besorgten Ausgabe (Tracts of Mr Thomas Hobbs) gedruckt wurde. Hobbes scheint hier seine religionspolitischen Positionen zu relativieren, wenn er behauptet, der Leviathan enthalte zu Fragen der Theologie nichts, „was der gängigen Lehrmeinung der Theologen widerspricht“. Seit der Restauration hatte Hobbes wiederholt versucht, die Gunst von Charles II. wiederzugewinnen. Bemerkenswert ist in diesem Widmungsschreiben vor allem, dass Hobbes fortfährt, er habe seit dem Erscheinen des Leviathan „weder schriftlich noch im Gespräch die dort geäußerte Meinung erneut vertreten“. Th. Hobbes, Seven Philosophical Problems, S. 5. Angesichts seiner späteren Schriften, vor allem des Behemoth, wird man dieser Behauptung nicht zustimmen können. Hobbes fühlte sich von den Anglikanern bedroht und versuchte seinen König davon zu überzeugen, dass er sich von deren Vorwürfen nicht einnehmen lassen solle.

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können, dafür gegeben wird“.61 Und auch in De Cive wird die Überzeugung, dass jede Auflösung der politischen Autorität im Meinungsstreit ihren Ursprung habe, an prominenter Stelle in der Widmung vermerkt.62 Indem Hobbes dem Souverän ein uneingeschränktes Zensurrecht zuspricht, versucht er zunächst auf diesem Wege politische Agitation und daraus resultierenden Aufruhr zu unterbinden.63 Hobbes hat aber spätestens im Leviathan diese Strategie modifiziert. Nicht zuletzt die Prämissen seiner Psychologie führten ihn dazu, die politische Dimension individueller Meinungen neu zu überdenken. Hobbes ging davon aus, dass es unrealistisch sei, „von einem mit eigener Vernunft begabten Menschen [zu] verlangen, der Vernunft irgendeines anderen Menschen oder dem Mehrheitsbeschluß anderer Menschen zu folgen“.64 In Glaubensangelegenheiten könne es keine Kontrolle geben, da nur Gott in die Herzen der Menschen sehen könne. Insofern sei der Glaube in foro interno frei und politisch unproblematisch, solange dieser nicht öffentlich (in foro externo) propagiert werde. Die Sphäre eines individuellen Urteilsvermögens in Glaubensangelegenheiten wird von Hobbes durchaus zugestanden, aber er setzt alles daran, sicherzustellen, dass individuelle private Urteile und Meinungen im Bereich des Politischen neutralisiert werden. Das konnte aber nicht durch Zwang gewährleistet werden. Denn auch die weitgehenden Souveränitätsrechte und die dem Staat zur Verfügung stehenden Machtmittel waren nach Hobbes nicht ausreichend, um den Staat effektiv vor Aufruhr und Bürgerkrieg zu schützen. Gehorsam gegenüber den Gesetzen und dem Souverän ist nur gewährleistet, wenn die Untertanen erkennen, warum sie die Ge61

Th. Hobbes, Naturrecht und allgemeines Staatsrecht, (I.-XIII-4) S. 94. Vgl. auch das Vorwort an die Leser in De Cive. Th. Hobbes, Vom Bürger, S. 66 f. 62 Th. Hobbes, Vom Bürger (Widmung), S. 61. 63 Ebd. (VI-11), S. 136 f. 64 Th. Hobbes, Leviathan, S. 530.

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setze befolgen müssen.65 Der Begriff der politischen Macht wird von Hobbes zwar nicht grundsätzlich neu, wohl aber komplexer und differenzierter gefasst. Die konkrete Macht der Exekutive, die das Militär durchaus miteinschließt, wird zwar auch im Behe­moth66 als das bestimmende Mittel zur Machtausübung und damit zur Durchsetzung der Entscheidungen des Souveräns gesehen; damit ist Hobbes’ Analyse aber noch nicht an ihrem dezidierten Punkt angelangt.67 Denn Hobbes hatte zunehmend klarer erkannt, dass nicht die Befehlsgewalt über Staatsdiener und Militär die Macht im Staate sicherstellte, sondern der Einfluss auf die öffentliche Meinung der letztlich entscheidende Machtfaktor im Staat war. Dies ist zwar bereits in den Elements of Law und in De Cive angelegt und wird dann im Leviathan aufgegriffen und weiter ausgeführt. Im Behemoth kommt diesem Aspekt nun aber eine zentrale Bedeutung zu. Hatte Hobbes im 18. Kapitel des Leviathan noch wie in De Cive das Zensurrecht des Staates als eines der entscheidenden Souverränitätsrechte erwähnt, so hat er hier doch auch bereits weiter ausgeführt, wie wichtig die in Reden und Büchern verbreiteten Lehren und Meinungen für das menschliche Handeln seien, „denn die Handlungen der Menschen entspringen ihren Meinungen“.68 Daher besteht für Hobbes „eine gute Lenkung der menschlichen Handlungen, die Frieden und Eintracht unter ihnen bewirken soll, […] in einer guten Lenkung ihrer Meinungen“.69 Hobbes’ Staatsräson und Souveränitätstheorie ordnet die Kirche, die wie 65

Vgl. auch J. Waldron, Hobbes and the Principle of Publicity und W. R. Lund, Hobbes on Opinion. 66 Vgl. Behemoth, S. 111: „der Herr der Miliz [ist] auch der Herr des Königreiches […] und folglich der Inhaber einer absoluten, unbedingten Souveränität“. 67 Das wird von H. Münkler, Thomas Hobbes’ Analytik des Bürgerkrieges, S. 233 f. übersehen. 68 Th. Hobbes, Leviathan (XVIII), S. 140. 69 Ebd. Zum Spektrum der widerstreitenden radikalen Ideen während des englischen Bürgerkriegs vgl. die klassische Studie von C. Hill, The

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keine andere Institution auf die Meinungen der Untertanen einwirkt, dem Staat unter. Dieser Hierarchie korrespondiert seine Forderung nach politischer Erziehung.70 Die größte Gefahr für den Staat geht für Hobbes von den Klerikern aus. Sie bedrohen das friedliche Zusammenleben mit ihrem endlosen Streit und ihren Lehren, die, angeblich im Dienste der christlichen Religion, die Macht des Souveräns in Frage stellen. Hobbes macht sich nicht nur die seit der Renaissance allgemein übliche Kritik am Klerus zu eigen. Für ihn liegt in der Religion auch eine psychologische Macht, durch die der Kirche ungeahnte Möglichkeiten der ideologischen Manipulation und Dominanz gegeben waren. Denn das Besondere der Religion lag für Hobbes in der „Furcht vor einer unsichtbaren Gewalt, die vom Geist erdichtet oder auf Grund öffentlich zugelassener Erzählungen eingebildet ist“.71 Hobbes sucht in seiner Religionskritik Anlehnungen an den Epikurëismus, die ihm einen Rückgriff auf nichtchristliche und antiklerikale religionspolitische Traditionen erlauben.72 Denn wenn er die inneren Ursachen der Auflösung des World turned upside down. Radical Ideas during the English Revolution, London 1972. 70 Das wurde im Übrigen auch bereits von Ferdinand Tönnies hervorgehoben: „Die Kirche hat kein eigenes Recht und kein Dasein, das vom Dasein des Staates gesondert wäre. Sie ist eine Einrichtung, die der Gesetzgeber nach Gesichtspunkten der Staatsraison gestalten und verändern kann, ja soll. Hobbes denkt sich und will eigentlich anstatt der Kirche ein Unterrichtswesen, das ausschließlich durch wissenschaftliche und moralische Zwecke beherrscht wäre. Religiöser Glaube und religiöse Bedürfnisse mögen als Privatangelegenheiten fortdauern“. F. Tönnies, Thomas Hobbes, S. 264. 71 Th. Hobbes, Leviathan (VI), S. 44. 72 Zum Epikurëismus bei Hobbes vgl. B. Ludwig, Die Wiederent­ deckung des Epikureischen Naturrechts; P. Springborg, Hobbes and Epicurean Religion; G. Paganini, Hobbes, Gassendi and the Tradition of political Epicureanism und kritisch D. Schotte, Die Entmachtung Gottes durch den Leviathan, S. 75 – 85. Vgl. allgemein C. Wilson, Epicureanism at the Origins of Modernity, Oxford 2008.

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Staates analysiert, fragt Hobbes rhetorisch: „Was gibt es aber Verderblicheres für den Staat, als wenn die Menschen durch die Drohung der ewigen Höllenqualen von dem Gehorsam gegen die Fürsten, d. h. gegen die Gesetze […] abgeschreckt werden?“73 Der bemerkenswert angewachsene Umfang des Leviathan gegenüber De Cive geht vor allem darauf zurück, dass der dritte und vierte Teil nun ausdrücklich und detaillierter auf die durch die christliche Religion für den Staat entstehende Herausforderung eingehen. „Der häufigste Vorwand“, so der Beginn des 43. Kapi­tels, „für Aufstand und Bürgerkrieg ergab sich in christlichen [meine Hervorhebung] Staaten lange Zeit aus einer immer noch nicht zureichend gelösten Schwierigkeit, nämlich wie man gleichzeitig Gott und den Menschen gehorchen könne, wenn sich ihre Befehle widersprechen“.74 Diese Problematik wird nun im Behemoth ausdrücklich wieder aufgenommen und mit polemischer Wendung auch gegen die herrschende Lehre der Anglikaner weiter erörtert.75 Es ist wahrscheinlich, dass hierin auch der Grund zu sehen ist, warum Charles II. Hobbes’ Behemoth die Imprimatur verweigerte.76 73

Th. Hobbes, Vom Bürger (XII-5), S. 197. Th. Hobbes, Leviathan (XLIII), S. 446. So dann auch erneut im Behemoth, S. 19. Zu Hobbes und der Bedeutung der Religion für seine politische Philosophie siehe L. Strauss, Die Religionskritik des Hobbes; P. Schröder, Die Heilige Schrift in Hobbes’ Leviathan und D. Schotte, Die Entmachtung Gottes durch den Leviathan. 75 Dietrich Schotte hat überzeugend gezeigt, dass Hobbes’ Religionspolitik maßgeblich darin bestand, „dass die menschliche Anlage zur Religion im Sinne der Friedensstiftung und -erhaltung vonseiten des Souveräns funktionalisiert werden muss“. D. Schotte, Die Entmachtung Gottes durch den Leviathan, S. 75. 76 Vgl. auch Aubreys Urteil in einem Brief an Locke. J. Locke, The Correspondence, S. 375 f.: „When you goe by the Palsgrave-head Taverne be pleased to call on mr W: Crooke at the green dragon and remember him by the same token I desired Mr Hobbes to give his Workes to Magd: hall and he will shew it to you. I have a conceit that if your Lord sawe it he would like it. You may there see likewise his History of England from 1640 to 1660 74

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Zwar hatte Hobbes bereits in De Cive und im Leviathan auf das „Gift aufruhrstiftender Theorien“,77 die den Staat schwächen und bedrohen, verwiesen, aber erst im Behemoth wird die Rolle des Gefährdungspotentials politischer und religiöser Ideologien zum zentralen Thema. Schon in der Widmung beschreibt Hobbes sein Vorgehen, indem er die Struktur der vier Dialoge benennt. Der erste behandelt den Ursprung, oder wie es im englischen Original heißt, „the seed“, der für den Bürgerkrieg verantwortlich zu machen ist, den Hobbes in gewissen „theologische[n] und politische[n] Meinungen“ ausmacht.78 Insofern wird man auch dem ersten Dialog die größte Bedeutung beizumessen haben.79 Der dritte und vierte Dialog wird von Hobbes auch nicht durch eine zeitliche Unterbrechung, wie sie noch die vorhergehenden Dialoge voneinander trennt, unterschieden. 80 Obwohl die letzten beiden Dialoge die eigentlichen Kriegshandlungen behandeln sollen, 81 wird darauf nicht eingegangen. Vielmehr verweist A im dritten Dialog darauf, dass es ihm, als B ihn bittet, „nun zum militärischen Teil über[zu]gehen“82 , nur darum gehe, „die Geabout a quire of paper, which the King haz read and likes extremely, but tells him there is so much truth in it he dares not license for feare of displeasing the Bishops“. 77 Th. Hobbes, Leviathan (XXIX), S. 246. 78 Behemoth, S. 2. 79 Vgl. ebd., wo er die Bedeutung des 1. Dialogs hervorhebt und die anderen drei Dialoge im Vergleich als weniger bedeutsam charakterisiert. Besonders der 3. und der 4. Dialog büßen als „eine sehr kurze Zusammenfassung des Krieges selbst […], die aus der Chronik des Herrn Heath entnommen wurde“ (ebd.), gegenüber dem 1. Dialog deutlich an Signifikanz ein. 80 Für die Unterbrechung des ersten und zweiten Dialogs vgl. Behemoth, S. 68 und 125. 81 A hatte am Ende des zweiten Dialogs erklärt: „Doch ich habe jetzt keine Zeit, auf die einzelnen Kriegshandlungen einzugehen. B: Gut, denn wir wollen davon bei unserem nächsten Beisammensein sprechen“. Behemoth, S. 125. 82 Ebd., S. 137.

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schichte ihrer [der Rebellen] Widerrechtlichkeit, Unverschämtheit und Heuchelei zu erzählen, deshalb verweise ich dich zur Verfolgung des Kriegsgeschehens auf die ausführliche historische Darstellung in englischer Sprache“. 83 Unterschiedliche Gruppeninteressen hatten dazu geführt, dass verschiedene Fraktionen ihre Partikularinteressen gegen den König verfolgten.84 Im Einzelnen werden von Hobbes im Behemoth folgende Gruppen für den Bürgerkrieg verantwortlich gemacht: Zuallererst sind die Presbyterianer zu nennen, dann aber auch die Katholiken und die Independenten und verschiedene Splittergruppen kleinerer Glaubensgemeinschaften.85 Daneben werden von Hobbes aber auch jene Adligen genannt, die durch die Lektüre griechischer und römischer Philosophen zur Rebellion animiert wurden, 86 sowie die Kaufmannschaft von London und an83 Ebd.

Hobbes hatte bereits im Leviathan kritisiert, dass „die Menschen […] die staatlichen Befehle untereinander […] diskutieren und […] kritisieren und ihnen später […] gehorchen oder nicht […] gehorchen, wie sie es nach ihrem privaten Urteil für richtig halten. Dadurch gerät der Staat in Verwirrung und wird geschwächt“. Th. Hobbes, Leviathan (XXIX), S. 247. 85 Die Fifth-Monarchy-Men, die von Hobbes auch eigens genannt werden (vgl. Behemoth, S. 5), sind hier als radikalste Sekte hervorzuheben. Sie vertraten einen extremen Puritanismus. Ihr Name erklärt sich aus der aus dem Buch Daniel gewonnenen Überzeugung, dass das fünfte Königreich, nach dem assyrischen, persischen, griechisch-mazedonischen und römischen nun unmittelbar bevorstehe und das Reich Christi sein werde. Die Fifth Monarchy Men fanden vor allem in den größeren Handelsstädten ihre Anhängerschaft. Sie unterstützten zunächst Oliver Cromwell, aber ab 1653 versuchten sie gewaltsam die Herrschaft der Heiligen zu etablieren. Cromwell ließ daraufhin ihre Anführer gefangen nehmen. Vgl. auch B. Capp, The Fifth Monarchy Men: A Study in Seventeenth-century Millenarianism, London 1972. 86 Siehe Behemoth, S. 5 und S. 27. Auch diese Kritik ist nicht neu bei Hobbes. Vgl. Th. Hobbes, Leviathan (XXI), S. 167 und (XXIX), S. 249: „Was die Rebellion gegen die Monarchie im besonderen betrifft, so ist eine ihrer häufigsten Ursachen die Lektüre der politischen und historischen Schriften der alten Griechen und Römer“. 84

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deren großen Handelsstädten im englischen Königreich. 87 Die Ignoranz des Volkes und die Ambitionen von Adel und Klerus führten zur Schwächung königlicher Souveränitätsrechte. Allerdings trug das royalistische Lager nach Hobbes auch seinen Teil der Verantwortung, insbesondere durch den unglücklichen und unklugen Versuch, das common prayer book in Schottland einzu­ führen.88 Diese Fehleinschätzung wurde von Hobbes als wesentliches Moment der Eskalation gedeutet. Er macht aber nicht Charles I. verantwortlich, sondern dessen Berater. Trotz der vielfältigen Gründe, die zu Beginn vorgebracht werden, zielt der erste Dialog unmissverständlich auf die religiös motivierten Gruppen als die entscheidenden „Verführer“, die das Volk ­korrumpierten.89 Siehe Behemoth, S. 5. James Harrington hatte im Interesse der landed gentry bereits gegen die big city polemisiert. Vgl. J. Harrington, Oceana, hg. v. H. Klenner / K. U. Szurda, Leipzig 1991, S. 96 ff.; sowie C. B. Macpherson, Die politische Theorie des Besitzindividualismus, Frankfurt/Main 1973, S. 197 – 215 und J. G. A. Pocock, The Machiavellian Moment, Princeton 1975, S. 401 – 461. Für Hobbes ist diese Bemerkung eher ungewöhnlich, auch wenn sie sich durchaus mit den anderen von ihm vorgebrachten Gründen für den englischen Bürgerkrieg verträgt. Da einer der konkreten Streitpunkte das Besteuerungsrecht war, ist es naheliegend, dass Hobbes auch auf diese kommerziellen Interessen eingeht. Im Sinne der königlichen Prärogative des Steuerrechts werden diese Überlegungen allerdings dann auch bereits in De Cive und im Leviathan unter den Souveränitätsrechten angestellt. Vgl. Th. Hobbes, Vom Bürger (XIII-11), S. 211 und Th. Hobbes, Leviathan (XVIII), S. 136 – 144. Letztlich muss London aber eine größere Bedeutung zugemessen werden, als Hobbes dies zumindest im ersten Dialog nahezulegen scheint. Erst fast am Ende des vierten Dialogs konstatiert B: „ohne Hilfe der City [London] hätte das Parlament niemals vermocht, den Krieg zu führen“. Behemoth, S. 231. 88 Siehe Behemoth, S. 32. Vgl. zum weiteren Kontext R. Ashton, Reformation and Revolution, London 1984; C. Hill, The Century of Revolution, London 1967 und J. P. Sommerville, Politics and Ideology in England, London 1986. 89 Behemoth, S. 4. Vgl. zu den einzelnen von Hobbes aufgeführten Gründen für den Bürgerkrieg beziehungsweise die für diesen verantwortlichen gesellschaftlichen Gruppen ebd., S. 4 – 6. Ein guter Überblick über 87



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Die Auseinandersetzung mit den Anglikanern Auch im Behemoth werden unter den verschiedenen Konfessio­ nen die Presbyterianer als die maßgeblichen Aufrührer attackiert.90 Aber der bereits aus dem Leviathan bekannte Vorbehalt gegenüber den Katholiken wird hier ebenfalls unnachsichtig vorgebracht, da die katholische Lehre der päpstlichen Suprematie mit Hobbes’ Souveränitätsverständnis nicht vereinbar ist.91 ­Hobbes gesteht im Dialog ein, dass die Katholiken keine unmittelbare Gefahr für das Königreich darstellten, obwohl sie auf eine Gelegenheit warteten, die päpstliche Autorität wieder herzustellen.92 Es gibt allerdings noch einen weiteren, nicht unmittelbar einsichtigen Grund, warum Hobbes im Behemoth erneut so ausführlich seine Kritik an den Lehren der römisch-katholischen Kirche vorträgt: Er wird diese Kritik am Ende des ersten Dialogs gegen die Anglikaner wenden. Obwohl Hobbes’ Leviathan von verschiedenen führenden Anglikanern angegriffen worden war,93 hatte er immer darauf hingewiesen, dass er im Leviathan die anglikanische Kirche nicht kritisiert habe. Er hatte sich dort nur gegen die Katholiken und die Presbyterianer ausgesprochen, die Schriften der verschiedenen politischen und religiösen Strömungen dieser Zeit findet sich in D. Wootton (Hg.), Divine Right and D ­ emocracy. An Anthology of Political Writing in Stuart England, London 1986. 90 Vgl. auch W. Förster, Thomas Hobbes und der Puritanismus, der aber bedauerlicherweise in seiner Analyse nicht auf den Behemoth eingeht. 91 Vgl. v. a. Th. Hobbes, Leviathan (XLII), S. 414. Im Appendix zum lateinischen Leviathan erörtert A im dritten Dialog diese Position des Leviathan auch mit Hinblick auf den Bürgerkrieg. Diese Selbstreferenz von Hobbes fasst seine Auffassung noch einmal bündig zusammen. Th. Hobbes, Appendix, S. 1227 f. Siehe auch R. MacGillivray, Thomas Hobbes’s History, S. 190 f.; P. Schröder, Die Heilige Schrift in Hobbes’ Leviathan, S. 190 – 197; D. Schotte, Die Entmachtung Gottes durch den Leviathan, S. 267 – 318 und G. Wright, The 1668 Appendix, S. 395. 92 Behemoth, S. 24. 93 Vgl. hierzu die vorzügliche Studie von J. Parkin, Taming the Leviathan.

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da beide die Menschen verführt und die königliche Souveränität untergraben hätten.94 Hobbes wurde unter anderem für seinen Materialismus kritisiert,95 hatte aber auch in politicis führende Anglikaner gegen sich. Die grundsätzliche Prämisse der Anglikaner, dass die anglikanische Kirche unter der Hoheit des Königs stehe, war mit Hobbes’ Souveränitätslehre durchaus vereinbar. Innerhalb der anglikanischen Kirche gab es aber auch jene, die die episko­palen Rechte iure divino ableiten wollten und damit beanspruchten, ihre bischöfliche Autorität nicht vom König, sondern direkt von Gott erhalten zu haben.96 Dieser Position wurde bereits im Leviathan widersprochen, denn nach Hobbes hatten sie ihr Amt durch die Gnade des Monarchen erhalten.97 Hobbes Verhältnis zu den Anglikanern ist komplex. Einerseits wollte er die Anglikaner, die zur Partei des Königs gezählt hatten, nicht für den Bürgerkrieg mitverantwortlich machen. Knapp das Hinsichtlich des Leviathan sind diese Fragen gründlich untersucht. Eine hilfreiche Zusammenfassung findet sich in J. P. Sommerville, Leviathan and Its Anglican Context. Vgl. auch J. R. Collins, The Allegiance of Thomas Hobbes, S. 159 – 206. 95 Vgl. hierzu Th. Hobbes, Appendix, S. 1229, wo er sich einmal mehr gegen die Existenz von Geistern ausspricht, die dem Klerus nur dazu dienten, das Volk zu gängeln. Die Existenz von körperlosen Substanzen wird hier ebenfalls erneut verworfen. „Was heißt das anderes, als die Existenz Gottes zu verneinen oder zu behaupten, Gott sei ein Körper?“ Ebd., S. 1229. Bischof Bramhall, einer der frühesten und scharfsinnigsten anglikanischen Kritiker von Hobbes, hatte deswegen gegen Hobbes den Vorwurf des Atheismus erhoben. J. Bramhall, Castigations of Mr Hobbes, S. III. 96 Vgl. J. F. Collins, The Restoration Bishops and the Royal Supremacy, in: Church History 68 (1999), S. 549 – 580. 97 Th. Hobbes, Leviathan (XLII), S. 414: „Alle Priester, der höchste ausgenommen, üben ihre Ämter […] auf Grund der Autorität des bürgerlichen Souveräns aus, das heißt iure civili. Jedoch der König […] übt das Amt eines obersten Priesters auf Grund unmittelbarer göttlicher Autorität aus, das heißt […] iure divino“. Ähnlich dann auch erneut im Behe­moth, S. 10 und S. 23. Vgl. R. Tuck, Hobbes, S. 85 f.; R. Tuck, The civil Religion of Thomas Hobbes, S. 120 f. und J. P. Sommerville, S. 369 f. 94

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letzte Viertel des ersten Dialogs ist aber offensichtlich mit Blick auf die Restaurationszeit geschrieben.98 Das wird leicht über­ sehen, denn auf die Frage von B, ob A ihm nicht „ein gegenwärtiges Moralsystem […], das von einem Theologen von gutem Ruf und Gelehrsamkeit aus der Partei des verstorbenen Königs geschrieben ist“,99 bekannt machen könne, empfiehlt ihm dieser The whole Duty of Man laid down in a plain and familiar way. Obwohl diese Schrift zunächst anonym erschienen war, dürfte Hobbes bekannt gewesen sein, dass sie von dem anglikanischen Royalisten und Regius-Professor für Theologie an der Universität Oxford, Richard Allestree (1619 – 1681), verfasst worden war. Ferner dürfte Hobbes gewusst haben, dass Allestree, der seit 1663 auch einer der Prediger am Hof des Königs war, am 17. November 1667, also noch vor Abschluss der Arbeit am Behemoth, vor dem König eine Predigt gehalten hatte, die nur wenige Wochen später veröffentlicht wurde.100 In dieser Predigt wurde Hobbes’ politische Lehre unmissverständlich angegriffen und sein Leviathan ausdrücklich genannt. Es konnte für Hobbes kein Zweifel bestehen, dass einer seiner gefährlichsten Feinde aus dem anglikanischen Lager direkten Einfluss auf den König ausübte und versuchte, Hobbes zu diskreditieren. Die Predigt wurde über eine Stelle aus dem Jakobusbrief gehalten (IV-7): „Widerstehet dem Teufel, so fleuhet er von euch“.101 Die Versuchungen des Teufels führten, so Allestree, dazu, dass, wenn Gottesfurcht, Redlichkeit und Tugend nichts mehr gälten, die Gesellschaft „in den Naturzustand Leviathans“  98 Angesichts

der etwas merkwürdigen Wendung des letzten Teils des ersten Dialogs, der mit der Diskussion von The Whole Duty of Man anhebt (vgl. Behemoth, S. 54 ff.), bemerkt Paul Seaward zutreffend, dass dieser Teil „den Eindruck vermittelt, eher nachträglich hinzugefügt worden zu sein […] und so eine radikale Kritik der anglikanischen Kirche“ darstelle. P. Seward, General Introduction, S. 10.  99 Behemoth, S. 54. 100 R. Allestree, A Sermon preached before the King at White Hall on Sunday Nov. 17. 1667, published by His Majesties Command, London 1667. 101 Die Bibel, übersetzt v. M. Luther [1545], S. 2460.

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verfiele.102 Es bestehe „keine Verpflichtung, Verträge oder Eide zu halten. Und warum auch sollte derjenige, der sie gefahrlos brechen kann, sie halten? Dies ist der Schluss ihrer Lehre, zu der ihre Ungläubigkeit führt“.103 Dieser Atheismus „lege die Prinzipien für Rebellion und Königsmord“.104 Allestree beschuldigt Hobbes explizit des Atheismus und wirft ihm in der Konsequenz genau das vor, was Hobbes mit seinem Leviathan um jeden Preis zu vermeiden suchte: Hobbes’ Lehre zerstöre alle gesellschaftlichen Bande und – für Hobbes musste dies ein genauso schmerzlicher wie absurder Vorwurf sein – führe zu Rebellion und Königsmord. Hobbes, so die implizite, aber unmissverständliche Botschaft, stehe im Dienst des Teufels und, wie er – Allestree – anhand seiner Exegese des Jakobusbriefes gezeigt habe, dieser Versuchung müsse man ­ llestrees widerstehen. Dieser Kontext erklärt,105 warum Hobbes A Whole Duty of Man so ausführlich, wenn auch etwas unvermittelt, im ersten Dialog erörtert. Im Dialog kommt A unmittelbar auf das grundsätzliche Pro­ blem dieser anglikanischen Erbauungsschrift zu sprechen: Die dort entwickelte Pflichtenlehre sei nicht geeignet, die Herrschaft des Souveräns zu begründen, denn sie erlaube den „Untertanen […], dem König Widerstand zu leisten, insofern er etwas verlangt, das gegen die Heilige Schrift […] ist“.106 Nach Hobbes kann es keine befriedete Gesellschaft geben, solange sich jeder anmaße, „Richter zu sein über die Auslegung der Bibel […]. Diese Lehre spaltet ein Königreich“.107 Hobbes trägt hier im Wesentlichen bereits aus dem Leviathan bekannte Positionen vor, wendet diese nun aber explizit gegen die anglikanische Morallehre. Allestrees R. Allestree, A Sermon, S. 7. Ebd. 104 Ebd., S. 8. 105 Vgl. dazu auch J. Parkin, Baiting the Bear: The Anglican Attack on Hobbes, S. 438 – 446. 106 Behemoth, S. 57. 107 Ebd. 102 103

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wird von Hobbes nicht erwähnt, aber Hobbes dürfte über dessen jüngste Attacke gegen ihn im Bilde gewesen sein. Wenn Hobbes im Folgenden dann gegen die Universitäten polemisiert, dann ist der Regius-Professor für Theologie der Universität Oxford durchaus fast schon persönlich angesprochen. Aber es ging Hobbes nicht um diese persönlichen Querelen. Die im Dialog ent­w ickelte Argumentation führt unmittelbar zu der grundsätz­lichen Frage, wie der Meinungsstreit vermieden werden kann. Für Hobbes steht außer Frage, dass die Anglikaner ebenfalls mitverantwortlich für dieses fundamentale Problem sind: „Der Herd der Empörung […] sind die Universitäten, die trotzdem nicht abgeschafft, sondern besser diszipliniert werden sollen, d. h., dass die dort gelehrte Politik (so wie wahre Politik es sollte) in solche Bahnen geleitet werden sollte, dass die Menschen erkennen lernen, dass es ihre Pflicht ist, allen Gesetzen zu gehorchen, welche auch immer von des ­Königs Autorität Gesetzeskraft bekommen haben“.108 Hobbes setzt im Behemoth seine in De Cive und im Leviathan ausführlich entwickelte Souveränitätslehre stillschweigend voraus. Zu den Pflichten des Souveräns gehört es demnach, „zu prüfen, welche Lehren mit der Verteidigung, dem Frieden und dem Wohl des Volkes vereinbar sind oder ihnen widersprechen“.109 Es verstieße gegen die Pflicht des Souveräns, wenn er das Volk über die Gründe und Rechte souveräner Gewalt in Unkenntnis lassen oder gar „falsche Unterrichtung […] dulden“ würde.110 Der Souverän hat nach Hobbes nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht zur politischen Erziehung des Volkes. Hobbes lässt kei Ebd., S. 66 f. So auch bereits in De Cive. Th. Hobbes, Vom Bürger (XIII-9), S. 209: „Deshalb muß man […], wenn man heilsame Lehren zur Geltung bringen will, bei den Universitäten beginnen. Dort müssen die wahren und wahrhaft bewiesenen Grundlagen für eine Staatslehre gelegt werden; die darin unterrichteten jungen Leute werden dann später die Masse im einzelnen und öffentlich darüber belehren können“. 109 Th. Hobbes, Leviathan (XXX), S. 255. 110 Ebd. 108

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nen Zweifel daran, dass die richtige politische Lehre letztlich die Überlebensfähigkeit eines Staates bestimmt, denn „es ist um so notwendiger, die Grundlagen dieser Rechte sorgfältig und wahrheitsgetreu lehren zu lassen, da sie durch kein bürgerliches Gesetz oder durch die Furcht vor gesetzmäßiger Bestrafung aufrechterhalten werden können“.111 In dieser Überlegung ist der Grund zu sehen, warum Hobbes in seinen politischen Schriften konsequent eine Reform der Universitäten einfordert und die Dominanz der Kleriker an den Universitäten scharf kritisiert. Diese Position hält sich von den Elements of Law bis zum Behemoth durch, wird aber zunehmend radikaler vorgetragen.112 Im ersten Dialog wird das Verhältnis zu Hobbes’ früheren Schriften zur politischen Philosophie besonders deutlich. Auch im Behemoth wird erneut vorgebracht, dass die Universitäten sich im Meinungsstreit auf die falsche Seite geschlagen hätten. Aber was heißt es konkret, dass von Hobbes als hauptsächliches Pro­ blem und Grund für Aufruhr und Bürgerkrieg der Meinungsstreit über theologische Fragen bezeichnet wird? Hier wird der Begriff der politischen Macht neu gefasst, denn der Machtapparat des Staates stößt mit dem Zensurrecht an die Grenzen seiner E ­ xe­kutivgewalt: „Ein Staat kann Gehorsam erzwingen, aber Ebd., S. 256. Vgl. auch Behemoth, S. 64: „Darum bezweifle ich, dass jemals anhaltender Frieden unter uns herrschen wird, bis die Universitäten sich beugen und ihre Studien auf Verständigung richten, d. h. auf die Lehre des absoluten Gehorsams gegen die Gesetze des Königs […]. Ich hege keinen Zweifel, dass dieser feste Grund, gestützt auf die Autorität so vieler gelehrter Männer, für die Erhaltung des Friedens unter uns selbst mehr leisten wird, als irgendein Sieg über die Rebellen es tun kann. Aber ich fürchte, es ist unmöglich, die Universitäten zu solcher Nachgiebigkeit gegen die Staatshandlungen zu bringen, wie es für die Sache notwendig ist.“ 112 Vgl. Th. Hobbes, Naturrecht und allgemeines Staatsrecht (deutsche Ausgabe der Elements of Law), (II-X-8), S. 204 f. Vgl. allgemein R. W. Serjeanston, ‚Vaine Philosophy‘: Thomas Hobbes and the Philosophy of the Schools, S. 113, der Hobbes als „einen Feind der Universitäten tout court“ bezeichnet. 111

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keinem Irrtum abhelfen noch die Herzen derjenigen ändern, die meinen, sie hätten die bessere Einsicht. Die Unterdrückung einer Lehre vereint nur und erbittert, das heißt, vermehrt sowohl die Bosheit als auch die Macht derer, die bereits daran glaubten“.113 Der für Hobbes einzig realistische Weg zur Stabilisierung der staatlichen Herrschaft und damit des friedlichen Zusammenlebens liegt in der politischen Erziehung des gemeinen Volkes, das nur wenig von Recht und Unrecht wisse und deshalb umso leichter verführbar sei. Hobbes spricht schon im ersten Abschnitt seines Textes vom „Berg der Versuchung“. Mit dieser auffälligen Metapher zu Beginn des Behemoth spielt er auf das Neue Testament an, wo mit Verweis auf den „Berg der Versuchung“114 oder Devil’s Mountain (Matthäus IV-8)115 die Frage nach der Unterscheidung zwischen Gut und Böse gestellt wird. A solle B den Ausblick von diesem Berge ermöglichen, von dem aus es möglich sei, „Gutes und Böses am besten zu sehen“.116 Es geht aber nicht darum, dass jeder Gut und Böse, Recht und Unrecht philosophisch angemessen versteht. Hobbes will im Gegenteil durch politische Erziehung den Bürgern verständlich machen, warum sie derlei Urteile an den Souverän delegieren müssten und sich nicht selbst in den politischen Diskurs einmischen sollten.117 Diese Art der Erziehung ist nach Behemoth, S. 71. Ebd., S. 3. 115 Vgl. Bibel, übersetzt v. M. Luther [1545], S. 1972: „Wjderumb füret in der Teufel mit sich auff einen seer hohen Berg und zeiget im alle Reich der Welt und ire Herrlichkeit Und sprach zum im Das alles will ich dir geben So du niderfellest und mich anbetest“. Vgl. auch Hobbes’ Kommentar zu dieser Bibelstelle in Th. Hobbes, Leviathan (XLV), S. 490. 116 Behemoth, S. 3. 117 Noch sei es sinnvoll (wie Aristoteles), einfach davon auszugehen, dass die Menschen sich von Natur aus zu einer staatlich verfassten Gesellschaft zusammenschließen würden, denn „der Mensch [ist] nicht von Natur, sondern durch Zucht (non natura sed disciplina) zur Gesellschaft geeignet“. Th. Hobbes, Vom Bürger (I-2), S. 76. 113 114

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Hobbes notwendig, da eine schlichte Auflistung der Souveränitätsrechte deren Befolgung noch nicht garantiert. Obwohl Hobbes sich darum bemüht, Einfluss und Bedeutung individueller Urteile soweit es geht zu neutralisieren und zu begrenzen, kommt er nicht umhin, hier die Schwäche und die Grenzen der Macht des Souveräns zu konstatieren.118 Es verstößt nach Hobbes gegen die Pflicht des Souveräns, das Volk in Unkenntnis zu lassen oder sogar eine falsche Unterrichtung zu dulden, da so „die Menschen leicht zu verführen“ sind.119 Nur die Einsicht der Untertanen in die Notwendigkeit der Staatsgewalt und des damit einhergehenden Gehorsams, den sie dem Souverän schulden, ermöglicht die Erhaltung der souveränen Staatsmacht, die durch kein Gewaltmittel diese Einsicht erzwingen oder ersetzen kann.120 Hobbes hatte im ersten Dialog erklärt, dass die gesamte militärische Gewalt, die dem König zu Beginn des Konfliktes mit dem Parlament noch zur Verfügung gestanden hatte, wenig bedeute, wenn seine „Untertanen […] durch die Predigten der presbyterianischen Geistlichen und durch verführerische Einflüsterungen von falschen und ignoranten Politikern zu seinen Feinden gemacht“ würden.121 Nicht die sozioökonomischen Verhältnisse waren nach Hobbes für die zum Bürgerkrieg führenden Konflikte verantwortlich,122 Vgl. dazu auch K. Hoekstra, Tyrannus Rex vs. Leviathan, S. 438. Th. Hobbes, Leviathan (XXX), S. 255. 120 Auch im Behemoth lässt Hobbes seine Leser wissen, dass „das gemeine Volk […] nichts von Recht und Unrecht aus eigener Überlegung [weiß], und ihm müssen deshalb die Grundlagen seiner Pflicht beigebracht werden sowie die Gründe dafür, warum dem Ungehorsam gegen den rechtmäßigen Herrscher immer ein Unglück folgt“. Behemoth, S. 165. 121 Ebd., S. 32. 122 Macphersons soziologische Deutung, Hobbes habe die Gesellschaft als Klassengesellschaft aufgefasst, in der „das einfache Volk, der Mensch ohne Eigentum, […] keine andere Möglichkeit [hatte], als die Eigentumsmarktgesellschaft zu akzeptieren“, ist in dieser einseitigen Lesart nicht aufrechtzuerhalten. C. B. Macpherson, Die politische Theorie des Besitzindividualismus, Frankfurt/Main 1973, S. 117. 118

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sondern die ideellen Antagonismen, die letztlich auf theologische Fragen zurückgingen. Hobbes antwortet auf diese Konfliktlage mit seiner absolutistischen Souveränitätslehre, deren Ziel in der Sicherung und Befriedung der Gesellschaft lag.123 Dazu gehörte zentral die Beendigung religiös motivierter Streitigkeiten: „Es gibt […] in diesem Leben keine andere Herrschaft über einen Staat oder eine Religion als eine zeitliche [vide licet weltliche], noch kann ein Untertan rechtmäßig eine Lehre verbreiten, deren Verbreitung der Herrscher über Staat und Religion verbietet. Und dieser Herrscher muß eine Person sein, oder aber es ergeben sich im Staat notwendig Hader und Bürgerkrieg, und zwar zwischen Kirche und Staat […] und was mehr ist, in der eigenen Brust eines jeden Christen zwischen dem Christen und dem Menschen“.124 Die unsäglichen theologischen Dispute über die wahre Religion dienten, das wird von Hobbes immer wieder betont,125 nicht der Erlangung des Seelenheils. Hobbes’ Angriffe gegen den Klerus jeder konfessionellen Provenienz waren im Behemoth kompromisslos. Bereits der vierte Teil des Leviathan handelt vom „Reich der Finsternis“, welches „nichts anderes [sei] als eine Verschwörung von Betrügern, die zur Erlangung der Herrschaft über die Menschen in dieser gegenwärtigen Welt versuchen, durch dunkle und irrige Lehren das Licht der Natur und des Evangeliums auszu­ löschen, um die Menschen von der Vorbereitung auf das künftige Reich Gottes abzubringen“.126 Diese Streitigkeiten sind also durch partikulare Interessen bestimmt und betreffen „Fragen der Auto­rität und der Macht über die Kirche oder des Vorteils oder der Ehre von Kirchenmännern, durch die hauptsächlich alle Streitigkeiten ausgelöst werden“.127 Theologen wie Allestree wer Vgl. auch P. Pettit, Made with Words, S. 121. Th. Hobbes, Leviathan (XXXIX), S. 357 f. 125 Vgl. Th. Hobbes, Leviathan (XXIX), S. 247 f. Ähnlich dann auch erneut im Behemoth, S. 27 ff. 126 Th. Hobbes, Leviathan (XLIV), S. 463. 127 Behemoth, S. 72. Das 46. Kapitel des lateinischen Leviathan wurde 123

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den für diese unnötigen und gefährlichen Dispute verantwortlich ­gemacht. Der politische Meinungsstreit und die Rolle der Universitäten Der Anspruch der Theologen und damit das „Problem der Ursachen des Bürgerkriegs wird von Hobbes eindeutig als das Pro­ blem einer illegitimen Definitionskonkurrenz angesehen“.128 Der alles entscheidende Punkt, von dem aus erfolgreich Einfluss auf diese Entwicklung genommen werden kann, lag für Hobbes, wie oben bereits gesagt, von je her in den Universitäten.129 Interessant ist nun, dass eine der wenigen Meinungsverschiedenheiten im Dialog über die Frage nach der Rolle der Universitäten entsteht. A und B sind sich über die Beurteilung der Gründe für den Bürgerkrieg weitgehend einig, nur bei diesem für Hobbes wichtigsten Punkt lässt er durch die Dramaturgie seines Dia­ loges durchblicken, dass, solange nicht Einigkeit in dieser Frage besteht, jede Stabilisierung der staatlichen Herrschaft letztlich ohne verlässliches Fundament und daher prekär bleiben wird. Im dritten Dialog lobt A die Maßnahme des Parlaments, die Universität Oxford „zu säubern“.130 Aber B hält dem entgegen, dass die Menschen nirgends „besser Gottseligkeit lernen“ würden „als in den Universitäten“.131 A geht auf Bs Position nicht detailliert ein, obwohl er ihn doch darauf hätte hinweisen können, dass B zum von Hobbes im Wesentlichen neu geschrieben. Diese Änderungen fallen in etwa in die gleiche Zeit wie Hobbes’ Arbeiten am Behemoth. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass dieses Kapitel der lateinischen noch enger als die frühere englische Ausgabe des Leviathan mit den Überlegungen des Behemoth übereinstimmt. Vgl. Th. Hobbes, Leviathan, Bd. III, S. 1097. 128 B. Willms, Systemüberwindung und Bürgerkrieg, S. 282. 129 Vgl. auch Th. Hobbes, Leviathan (XXX), S. 261. 130 Behemoth, S. 168. 131 Ebd., S. 169.

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Ende des ersten Dialogs bereits ausdrücklich einer umfangreichen Universitätsreform im Sinne As zugestimmt hatte.132 A weist lediglich darauf hin, dass „eine Universität ein ausgezeichneter Diener der Geistlichkeit [ist], und die Geistlichkeit ist, wenn sie nicht sorgfältig beobachtet wird (durch ihre Lehrstreitigkeiten und durch den Vorteil, ihre Meinungsverschiedenheiten öffentlich bekanntzugeben), ein vorzügliches Mittel, ein Königreich in Parteien zu zerspalten“.133 Kann es sein, dass B trotz des langen Dialogs, den er mit A geführt hat, die fundamentalen Prinzipien letztlich doch nicht versteht? Hobbes scheint jedenfalls durch diesen dramaturgisch inszenierten Konflikt zwischen A und B seinen Lesern nahezulegen, der Frage nach der Bedeutung der Universitäten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Im Leviathan hatte Hobbes an prominenter Stelle bereits nichts Geringeres vorgeschlagen, als dass seine Schrift mit „Nutzen an den Universitäten gelehrt werden“ solle.134 Das war – obwohl nicht besonders bescheiden – durchaus ein sehr ernst gemeinter Vorschlag; Hobbes hatte die Autorität des Aristoteles hinsichtlich der Lehre von Politik und Moral seit jeher verworfen. Auch insofern war es nur konsequent, die vorherrschende Lehrmeinung des Aristotelismus durch seine eigene Lehre zu ersetzen.135 Zur Zeit der Restauration hatte Hobbes aber einsehen müssen, dass er von einer Verwirklichung solcher Pläne weiter als je zuvor entfernt war. Er befand sich in der Defensive. Der Behemoth ist als eindringliche Warnung vor den Konsequenzen zu lesen, die eintreten, wenn der Meinungsstreit nicht an seiner Wurzel unter Kontrolle gebracht wird. Für Hobbes sind „die Vgl. ebd., S. 67. Ebd., S. 169. Vgl. auch N. Flinker, The View from the „Devil’s Mountain“, S. 18. 134 Th. Hobbes, Leviathan (Rückblick und Schluss), S. 543. 135 Die Angriffe gegen Aristoteles sind im Behemoth besonders scharf. Vgl. beispielhaft Behemoth, S. 48. Zu Hobbes’ konstruktiven Auseinandersetzung mit Aristoteles vgl. I. Evrigenis, Images of Anarchy, S. 48 – 54. 132 133

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Universitäten […] dieser Nation das gewesen, was das hölzerne Pferd den Trojanern war“.136 An dieser Stelle wird ein fundamentales Problem von Hobbes’ Vorgehensweise deutlich. Obwohl er durchgängig in allen seinen politischen Schriften behauptet, klar bewiesen zu haben, dass nur auf der Grundlage der konsequenten Umsetzung seiner Souveränitätslehre Konflikt und Bürgerkrieg vermieden werden könnten, läuft diese Behauptung Gefahr, letztlich nur als eine weitere Stimme im Streit der Meinungen gesehen zu werden. Hobbes’ Lehre steht nicht über den Konfliktparteien, wie ja auch der König nicht über ihnen stand, sondern sie droht Teil beziehungsweise Partei im Konflikt zu werden, wie auch der König es wurde. ­Hobbes setzte daher seine ganze rhetorische und argumentative Brillanz daran, dass seine politische Lehre nicht als eine wei Behemoth, S. 46. Vgl. auch die lateinische Version von Hobbes Leviathan. Th. Hobbes, Leviathan, Bd. III, S. 1097: „Bellum civile accenderunt; in quo Bello multi Civium Myriades occisi sunt, & Rex indigna morte trucidatus. Tanti constitit didicisse Eloquentiam & Philosophiam Graecam & Latinam; nisi autem Praedicatores populum, & Vniversitates nostrae Praedicatores ipsos melius doceant, forte Iterum ad Trojam magnus mittetur Achilles“. R. P. Kraynak, Hobbes’s Behemoth, S. 838 weist zutreffend darauf hin, dass Hobbes, um den Streit über vermeintliche theologische Wahrheiten und einander widersprechende Meinungen zu verhindern, seinen Dialog mit „erzieherischer Absicht, um so die versteckten Motive der intellektuellen Ambitionen hinter allen Meinungen bloßzulegen“, geschrieben habe. Dieses Vorgehen sollte man aber nicht mit der historischen Aufklärung verwechseln. So aber Kraynak im weiteren Verlauf seines Aufsatzes, der „Aufklärung als Voraussetzung“ für den von Hobbes vertretenen „Absolutismus“ ansieht. R. P. Kraynak, Hobbes’s Behemoth, S. 844. Hobbes’ Warnungen vor dem Bürgerkrieg, der sich potenziell einstellt, wenn der Staat sich nicht um die angemessene politische Erziehung kümmert, sind, wie hier gezeigt wurde, aber wesentlich eindringlicher und radikaler, als dies von Kraynak gesehen wird. Kraynak hat seine Position später insofern revidiert, als er treffend feststellte, dass „das Paradox von Hobbes’ Unternehmen […] darin zu sehen ist, dass er seine eigene ‚Lehre‘ einführt, um die ideologisch motivierte Politik zu beenden“. R. P. Kraynak, History and Modernity, S. 63. 136

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tere bloß beliebige Position verstanden wurde.137 Er versuchte sicherzustellen, dass mit seiner Lehre alle zukünftigen politischen Delibera­tio­nen grundsätzlich von seinen Prämissen ausgehen würden. Die Deutungshoheit, die Hobbes für sich in Anspruch nahm, war eine wichtige und erfolgversprechende Strategie, denn immer „im politischen Kampf sind Begriffe und begrifflich gewordene Worte alles andere als leerer Schall. Sie sind Ausdruck scharf und präzis herausgearbeiteter Gegensätze und FreundFeind-Konstellationen. So verstanden, ist der unserem Bewußtsein zugängliche Inhalt der Weltgeschichte zu allen Zeiten ein Kampf um Worte und Begriffe gewesen. Das sind natürlich keine leeren, sondern energiegeladene Worte und Begriffe und oft sehr scharfe Waffen“.138 Genau dieser Vorgang ist im Behemoth zu beobachten, der konsequent mit der Behauptung anhebt, dass vor Ausbruch der Rebellion Englands legitime Regierung monarchisch gewesen sei und die dynastischen Ansprüche Charles I. „über 600 Jahre“ zurückreichen würden.139 Nun ist der Verweis auf dynastische Herrschaftsansprüche für Hobbes eher ungewöhnlich140 und erklärt sich allein aus dem Versuch, von Anfang an die Deutungshoheit zugunsten monarchischer Souveränität festzuschreiben.141 Die verführerischen Lehren der Rebellen hätten mit Rekurs auf Theologie und antike Philosophie diese Legitimität in Frage gestellt, indem sie „die Monarchie unter dem Namen der Tyrannei“ Vgl. D. Johnston, The Rhetoric of Leviathan, S. 114 f. und Q. Skinner, Reason and Rhetoric, S. 354 f. 138 C. Schmitt, Reich – Staat – Bund, in: C. Schmitt, Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles, Berlin 1988, S. 191. Vgl zu Hobbes’ Strategie im Streit der Meinungen auch B. Garsten, The Rhetoric against Rhetoric: Hobbes, S. 27 f. 139 Behemoth, S. 3 sowie S. 88. 140 Dieses dynastische Argument findet sich allerdings so auch fast wörtlich bereits in Th. Hobbes, Leviathan (XIX), S. 146. 141 Die Legitimität politischer Herrschaft wird bei Hobbes nur sekundär durch dynastische Legitimität begründet. Vgl. D. Hüning, Freiheit und Herrschaft, S. 192 f. 137

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diffamierten.142 Hobbes’ Überzeugung und politische Strategie war es, sicherzustellen, dass der Begriff der Tyrannei nicht zur Charakterisierung der Monarchie benutzt oder instrumentalisiert wurde. Nun ist Hobbes’ Anspruch auf begriffliche Definition aber durch seine eigenen politischen Überzeugungen und Werte geprägt, was am Begriff der Tyrannei auch insofern fassbar wird, als er die Herrschaftsansprüche des Papstes und des Parlaments gegenüber dem Monarchen als „Tyrannei“ charakterisiert.143 Ein weiteres Beispiel für dieses Vorgehen ist in Hobbes’ beißender Kritik der gemischten Verfassung, der mixed Monarchy, zu sehen.144 Hobbes lehnt die aus der Antike stammende Idee einer Mischverfassung, wie sie zum Beispiel Aristoteles oder Polybius vertreten hatten, ab. Diese hielten eine gemischte Verfassung, die monarchische, aristokratische oder auch demokratische Elemente enthalten konnte, einer reinen Verfassungsform gegenüber an Stabilität überlegen. Für Hobbes verkennen solche Ansichten die Notwendigkeit einer absoluten und einheitlichen Souveränität.145 Bereits in den Elements of Law und im De Cive hatte er sich ausdrücklich gegen jede Idee der Gewaltenteilung gewandt.146 Da aber selbst die meisten Anhänger des Königs „dachten, die Regierung von England sei nicht eine absolute, sondern eine gemischte Monarchie“,147 wurde für Hobbes die legitime Herrschaft des Königs in Frage gestellt. Seiner Ansicht nach war zur Befriedigung des Staates absolute Souveränität notwendig, wobei er die absolute Monarchie bevorzugte. Es ging ihm nicht um die Begrün Behemoth, S. 5. Vgl. auch ebd., S. 26 und Th. Hobbes, Leviathan (XXIX), S. 249. Siehe auch K. Hoek­stra, The de facto Turn, S. 69. 143 Behemoth, S. 24 sowie 92 und 132. 144 Zur Theorie der englischen Mischverfassung vgl. W. Nippel, Misch­ verfassungstheorie und Verfassungsrealität in Antike und Früher Neuzeit, Stuttgart 1980, S. 211 – 311. 145 Vgl. Th. Hobbes, Leviathan (XVII), S. 134 f. 146 Vgl. Th. Hobbes, Vom Bürger (VI-8), S. 134. 147 Behemoth, S. 132. 142

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dung von verfassungsrechtlichen Institutionen, sondern um die Existenz ungeteilter Souveränitätsrechte, die auch in einer aristokratischen oder demokratischen Versammlung liegen konnten. Da nun aber selbst die Anhänger des Königs vor absoluter Souveränität warnten, liegt auf dieser Ebene der entscheidende Konflikt, der Hobbes zunehmend als Außenseiter in der Auseinandersetzung über die politische Organisation Englands erscheinen ließ. Dass es auch um die Deutungshoheit von politischen Begriffen geht, wird daran deutlich, dass Hobbes abschätzig einen neuen Begriff für die politische Organisationsform der mixed Monarchy einführt. Auch den Anhängern des Königs fehle es, so Hobbes, an politischer Einsicht und Bildung. Sie seien „der absoluten Monarchie gegenüber abgeneigt wie auch gegen absolute Demokratie oder Aristokratie, denn alle diese Staatsformen hielten sie für Tyrannei und begeisterten sich für die „Mixarchie“, welche sie unter dem Namen einer gemischten Monarchie zu rühmen pflegten, obgleich sie in der Tat nichts anderes als reine Anarchie war“.148 Diese Begriffsverwirrung führte also dazu, dass im Namen der königlichen Sache eine Staatsform (mixed Monarchy oder Mixarchie) vertreten wurde, die nach Hobbes’ Souveränitätstheorie nur als Anarchie bezeichnet werden konnte.149 Hobbes argumentiert hier nicht rechtsphilosophisch, sondern politisch: Wer die Definitionshoheit der politischen Begriffe innehat, kann auch die Meinungen der Bevölkerung beeinflussen, politische Gegner als Aufrührer stigmatisieren und so weitgehend unschädlich machen. Hobbes lässt im Behemoth von Anfang an seine Dialogpartner darin übereinstimmen, dass die Parlamentspartei „abscheuliche Pläne“ im Schilde führte und ihre Anführer „gottlose Heuchler waren“.150 Diese konsequent als Rebellen zu bezeichnen, verweist bereits auf seine fundamentale Prämisse, dass das legitime royalistische Lager sich gegen die illegitimen Ebd., S. 134. Vgl. Th. Hobbes, Leviathan (XIX), S. 145 f. 150 Behemoth, S. 30 f. 148 149

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Herrschaftsansprüche der Parlamentspartei zu wehren hatte.151 Aus dieser Perspektive ergibt sich dann konsequent Hobbes’ Deutung politischer Begriffe und Doktrinen, die er am klarsten in seiner eigenen Staatsphilosophie verwirklicht sah, wie er dies auch in kaum zweideutiger Selbstreferenz im Behemoth zu verstehen gibt: „B: […] die gemeinen Leute waren und werden immer unwissend sein hinsichtlich ihrer Pflicht dem Gemeinwohl gegenüber, da sie nie über andere Dinge als ihre Einzelinteressen nachdenken. […] Wenn du denkst, das vergangene Elend habe sie klüger gemacht, so irrst du dich […]  A: Warum bringt man den Leuten nicht ihre Pflichten bei, d. h. das Wissen um Recht und Unrecht […] nach wahren Grundsätzen und klarliegender Beweisführung? Das wäre viel leichter, als Aufruhr und Verrat zu lehren wie manche jener Priester und demokra­tischen Edelleute es taten.  B: Aber wer kann lehren, was keiner gelernt hat? […]  A: Die Regeln von Recht und Unrecht, genügend bewiesen und an Prinzipien klargemacht, dass auch die geringste geistige Fähigkeit sie erkennen muss, haben nicht gefehlt“.152 An dieser Stelle im Text sind die grundsätzliche Problematik, um die es Hobbes geht, und deren Lösung zusammengefasst. Die institutionelle Souveränität schließt die politische Definition mit ein. Eine Lösung des konfessionellen Bürgerkriegs ist für Hobbes nur auf dieser Grundlage möglich. Hobbes konnte jedoch keinen Zweifel darüber hegen, dass seine Überzeugung und seine politische Lehre eben nicht zum etablierten Konsens politischer Grundbegriffe gehörten. Er stand zwischen allen Parteien und war zunehmend isoliert. Seine Analyse der „Strategie und Taktik der Destruktion einer historisch gegebenen politischen Legitimität“153 – das wird von Bernard Willms übersehen – war Zu den Gründen des englischen Bürgerkriegs vgl. auch P. Zagorin, The Court and the Country, London 1969. 152 Behemoth, S. 44 f. 153 B. Willms, Staatsräson und das Problem der politischen Definition, S. 297. 151

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trotz aller Brillanz und Scharfsicht vor allem ein kontroverser Beitrag zum bestehenden Meinungsstreit. Das wurde von Hobbes bereits selbst reflektiert, wobei er die Hoffnung nicht aufgab, dass seine politische Lehre an den Universitäten eines Tages durch Befehl des Souveräns zum Nutzen der politischen Erziehung gelehrt werden würde.154 Hobbes blieb auch nach seinem Tod am 4. Dezember 1679 einer der umstrittensten Denker. Kritik und Anfeindungen ließen nicht nach. John Dowell hielt es in angestrengter Rhetorik für nötig, sich dafür zu rechtfertigen, dass er die heilige Ruhe eines Toten nicht respektiere und Hobbes noch nach seinem Tod kritisiere.155 Im Juli 1683 wurde von der Universität Oxford angeordnet, Hobbes’ Bücher zu verbrennen. Aber Hobbes hatte auch einige Anglikaner auf seiner Seite. So vertrat der spätere Bischof von Canterbury, John Tillotson, in einer Predigt, die er nur ein knappes Jahr vor Hobbes’ Tod im November 1678 hielt, unverkennbar Positionen, die von Hobbes beeinflusst waren.156 Hobbes’ Bedeutung wurde aber zunächst auf dem europäischen Kontinent und nicht in England erkannt.157 Darin mag ein Grund liegen, warum Th. Hobbes, Leviathan (XXX), S. 261 f.: „es [ist] offenkundig, daß die Unterrichtung des Volkes gänzlich von der richtigen Belehrung der Jugend an den Universitäten abhängt. Sind aber nicht, mag mancher sagen, die englischen Universitäten schon gelehrt genug, um dies zu leisten? Oder willst ausgerechnet du die Universitäten belehren? Schwierige Fragen. Doch ich stehe nicht an auf die erste Frage zu antworten […] was die letzte Frage betrifft, so schickt es sich nicht, noch ist es nötig, daß ich ja oder nein sage, da jeder, der mein Tun sieht, leicht bemerken kann, was ich denke“. Vgl. auch T. M. Bejan, Teaching the Leviathan. 155 Vgl. J. Dowell, The Leviathan Heretical, Vorwort (ohne Pagi­ nierung). 156 J. Tillotson, A Sermon preached November 5. 1678 at St. Margarets Westminster, before the Honourable House of Commons, London 1678, S. 20. Zu Hobbes’ Einfluß auf Tillotson vgl. auch J. Marshall, The Ecclesiology of the Latitude-men 1660 – 1689, S. 421 – 426. 157 Quentin Skinner ging bereits in den sechziger Jahren zutreffend davon aus, dass „die unmittelbare Rezeption von Hobbes’ politischer 154

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sein Behemoth, der ausgehend von den spezifischen Ereignissen des englischen Bürgerkrieges die Gründe für die Auflösung des englischen Staates untersucht, zunächst kaum zur Kenntnis genommen wurde.158 Hobbes’ Bedeutung als einer der originellsten und bedeutendsten Staatsdenker ist unstrittig und geht aus guten Gründen auf seine rechtsphilosophischen Hauptwerke De Cive und Leviathan zurück. Um Hobbes’ Antworten auf die dort bereits aufgeworfenen Fragen nach religiös motiviertem Bürgerkrieg und dogmatischem Meinungsstreit angemessen würdigen zu können, wird man sich seinem Behemoth zuwenden müssen. Diese Schrift enthält einen spezifischen Teil von Hobbes’ politischer Philosophie: Sie ist entscheidend für das Verständnis seiner Krisenanalyse und seiner Reformbemühungen und steht in engem inhaltlichen Zusammenhang mit seinen bekannteren Schriften zur politischen Philosophie. Dieser Ausgabe liegt die Übersetzung des Behemoth von Julius Lips zugrunde, die 1927 erstmals erschien. Auch wenn die von Herfried Münkler 1991 vorgelegte Ausgabe des Behemoth im Wesentlichen auf einer weitgehend unveränderten Übersetzung von Lips basiert, so wurde diese ebenfalls konsultiert. Die zahlreichen Irrtümer und Ungenauigkeiten in den früheren Ausgaben sind in der hier neu erarbeiteten Übersetzung zumeist stillschweigend korrigiert. Theorie auf dem Kontinent […] längst nicht so feindlich war wie in England“. Q. Skinner, The Ideological Context, S. 291. Vgl. aus der umfangreichen neueren Literatur H. Dreitzel, Hobbes-Rezeption, Y. Glaziou, Hobbes en France, P. Schröder, Naturrecht und absolutistisches Staatsrecht, S. 43 – 99. 158 Obwohl der englische Bürgerkrieg in Kontinentaleuropa intensiv diskutiert wurde, waren Hobbes’ Schriften nicht Gegenstand dieser Rezeptionszusammenhänge. Vgl. G. Berghaus, Die Aufnahme der englischen Revolution in Deutschland 1640 – 1669, Wiesbaden 1989.



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Die im Kolumnentitel jeweils innen angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die kritsche Ausgabe des englischen Originaltextes: Thomas Hobbes, Behemoth or The Long Parliament, ed. by Paul Seaward (The Clarendon Edition of the Works of Thomas Hobbes, Vol. X), Oxford 2010. Der unten auf S. LXVIII wiedergegebene handschriftliche Titel ist eine Reproduktion des Originaltitelblatts von Hobbes’ Manuskript (St. John’s Ms. 13, fol. 1r), „reproduced by permission of the President and Fellows of St John’s College, Oxford“.

Danksagung Das Wadham College in Oxford ist mir seit den neunziger Jahren viel mehr gewesen als nur ein angenehmer Anlaufpunkt. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um den Fellows in Wadham für ihre großzügige Gastfreundschaft und die Aufnahme als asso­ciate member in der Senior Common Room zu danken. Dank auch an Steward Tiley, Bibliothekar in St. John’s College Oxford, der mir die Konsultation des Manuskripts von Behemoth gewährte und mir auch sonst bei mancherlei Detailfragen behilflich war. Nachdrücklicher Dank gilt meinen Freunden und Kollegen Justin Champion, Luc Foisneau, Dieter Hüning, Eva Odzuck, Jon Parkin, Raffaella Santi, Dietrich Schotte, Luciano Venezia, die meine Einleitung kommentiert haben oder mir bei Fragen zu Hobbes und Behemoth mit ihrer Expertise zur Seite standen. Ganz besonderer Dank gilt zu guter Letzt Marcel Simon-Gadhof vom Meiner Verlag, der mir bei der Vorbereitung dieser Ausgabe mit seinem umsichtigen und kompetenten Lektorat enorm ­geholfen hat. Peter Schröder, London

BI BL IOGR A PH I E

Editionen von Behemoth The History of the Civil Wars of England from the Year 1640 to 1660, (o. O.) 1679 [erster von insgesamt fünf nicht autorisierten Raubdrucken, von denen vier 1679 und einer 1680 publiziert wurden]. Behemoth The History of the Civil Wars of England From the Year 1640 to 1660, hg. v. W. Crooke, London 1680. Tracts of Mr. Thomas Hobbs of Malmsbury. Containing: I. Behemoth, the history of the causes of the Civil wars of England, from 1640. to 1660. printed from the author’s own copy: Never printed (but with a thousand faults) before.  II. An Answer to Arch-Bishop Bramhall’s book, called The catching of the Leviathan: Never printed before.  III. An Historical Narration of Heresie, and the punishment thereof: Corrected by the true Copy.  IV. Philosophical problems, dedicated to the King in 1662, but never printed before, hg. v. W. Crooke, London 1682. Behemoth or the Long Parliament, hg. v. F. Tönnies, [EA London 1889] Chicago 1990. Behemoth or the Long Parliament, hg. v. P. Seaward (The Clarendon Edition of the Works of Thomas Hobbes, vol. 10), Oxford 2010. Behemoth oder Das lange Parlament, in: Lips, J., Die Stellung des Thomas Hobbes zu den politischen Parteien der großen englischen Revolution, Leipzig 1927 [erneut Darmstadt 1970], S. 101 – 288. Behemoth oder Das lange Parlament, hg. v. H. Münkler, Frankfurt/ Main 1991. Behemoth Histoire des causes des guerres civiles d’Angleterre et des conseils et articles par lesquels elles furent conduites de 1640 à 1660, hg. v. P. Naville, Paris 1989. Béhémoth ou le long Parlement, hg. v. L. Borot, Paris 1990. Behemoth, ovvero il Lungo Parlamento, hg. v. O. Nicastro, Rom 1979.

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HOBBE S’ L EBEN U N D W ER K E

1588  Hobbes wird am 5. April geboren. 1596  Schulausbildung in den klassischen Sprachen in Malmesbury. 1603 – 07  Studium in Oxford, Magdalen Hall. Abschluss mit Bacca­ laureus Artium. 1608  Erzieher, dann Sekretär im Dienst der politisch einflussreichen Familie Cavendish. William Cavendish (1551 – 1626), der 1618 zum First Earl of Devonshire ernannt wurde, engagierte Hobbes 1608 als Tutor für seinen Sohn. 1610  In seiner Funktion als Erzieher Reise mit William Cavendish (1590–1628) durch Frankreich und Italien. Hobbes begleitete ihn zwanzig Jahre lang, erst als Tutor und dann als sein Sekretär. 1628  Hobbes gibt seine englische Übersetzung von Thukydides’ Peleponnesischem Krieg heraus. 1634  Erneute Reise – mit einem anderen Zögling (William, 1617 – 1684) der Familie Cavendish – durch Frankreich und Italien. In Paris lernt er den französischen Mönch und Gelehrten Marin Mersenne kennen, der Hobbes mit führenden Wissenschaftlern wie Descartes und Gassendi bekannt macht. 1636  Hobbes besucht Galilei in Florenz. 1639  Erster Schottischer Krieg gegen England. 1640  Das Short Parliament tagt vom 13. April bis zum 5. Mai. Politische Unruhen in England und zweiter Schottischer Krieg. Hobbes verfasst, durch William Cavendish (1592 – 1676), Earl of Newcastle, angehalten, seine erste rechtsphilosophische Schrift, die Elements of Law. Hobbes meint, diese zunächst nur in Manuskriptform zirku-

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leben und werke

lierte Schrift habe ihn unter den Gegnern der Monarchie in Verruf gebracht. Er fühlt sich bedroht und flieht noch vor Ausbruch des englischen Bürgerkriegs nach Paris. Am 3. November 1640 tritt das Long Parliament zusammen, das seinen Namen der Tatsache verdankt, dass ein Act of Parliament verfügt hat, dass das Parlament nur durch Zustimmung seiner Mitglieder aufgelöst werden kann. Die Mitglieder des Parlaments stimmen der Auflösung aber erst gegen Ende des Interregnums und nach dem englischen Bürgerkrieg zu. Das Parlament wird offiziell erst am 16. März 1660 aufgelöst. 1642  De Cive erscheint in Paris als Privatdruck und wird unter den Gelehrten um den Kreis von Mersenne verteilt und diskutiert. 1647  In Amsterdam erscheint die zweite überarbeitete Auflage von De Cive. Hobbes reagiert in längeren Anmerkungen auf die Kritik an der ersten Auflage. 1649  Verurteilung und Hinrichtung Charles I., England wird zunächst republikanisch und dann unter Cromwells Protektorat autokratisch, quasi-monarchisch regiert. 1651  Der Leviathan erscheint in London, die englischen Monarchisten im französischen Exil sehen in diesem Werk einen Verrat an der Monarchie. 1652  Hobbes kehrt aus dem französischen Exil nach London zurück. 1660  Restauration der Stuarts – England wird erneut Monarchie ­unter Charles II. 1666  Vom 2. – 7. September der „große Brand“ von London, bei dem ein Großteil der City zerstört wird. Anglikanische Widersacher von Hobbes versuchen – letztlich vergeblich – im englischen Parlament eine Gesetzesvorlage zur Strafbarkeit des Atheismus durchzubringen. In der Parlamentssitzung am 20. Oktober wird von seinen Gegnern auch unmittelbar auf Hobbes Bezug genommen. Hobbes fühlt sich zu Recht erneut bedroht.



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1666/67  Hobbes arbeitet an einer lateinischen Fassung seines Levia­ than. (Einige Forscher, so v. a. Tricaud und Łubienski, gehen davon aus, Hobbes habe die lateinische Version des Leviathan vor der englischen in etwa um 1646-49 verfasst). 1667/68  Hobbes setzt sich mit religionspolitischen Fragen auseinander und arbeitet an An Answer to a Book published by Dr Bramhall und An Historical Narration concerning Heresy. 1667 – ca. 1670  Hobbes arbeitet an einer Geschichte des englischen Bürgerkriegs – trotz einiger Raubkopien in den späten 1670er Jahren erscheint diese Schrift in autorisierter Fassung erst posthum 1682 unter dem Titel Behemoth or the Long Parliament. Der König Charles II. hatte Hobbes die Druckerlaubnis verweigert. In diese Zeit fällt in etwa auch Hobbes Auseinandersetzung mit dem englischen Common Law, die er in der 1681 publizierten Schrift Dialogue between a Philosopher and a Student of the Common Laws of England führt. 1668  In Amsterdam erscheint in zwei Bänden eine Gesamtausgabe seiner Werke in Latein (Opera philosophica quae Latine scripsit omnia), in der auch die lateinische Version des Leviathan enthalten ist. 1669  Hobbes’ Schrift Quadratura Circuli, breviter demonstrata ­erscheint in London. 1675/76  Hobbes übersetzt Homers Ilias und Odyssee. 1679  Hobbes stirbt am 4. Dezember. 1683  Seine politischen Schriften werden in Oxford im Innenhof der Bodleian Library öffentlich verbrannt.

THOMAS HOBBES

Behemoth oder Das Lange Parlament

An Seine Hochwohlgeboren, Sir Henry Bennet, Baron von Arlington. Gnädiger Herr, ich erlaube mir, Euer Gnaden vier kurze Dialoge zu überreichen, die den unvergesslichen Bürgerkrieg von 1640 bis 1660 im Reich seiner Majestät behandeln. Der erste enthält dessen Kern: gewisse theologische und politische Meinungen. Der zweite zeigt sein Heranwachsen durch Verlautbarungen und Beschwerden und andere Schriften, die zwischen König und Parlament öffentlich gewechselt wurden. Die beiden letzten stellen eine sehr kurze Zusammenfassung des Krieges selbst dar, die aus der Chronik des Herrn Heath entnommen wurde. Es gibt nichts Belehrenderes über die Untertanentreue und Gerechtigkeit als die Erinnerung an diesen Krieg, solange sie dauert. Euer Gnaden mögen nach Ihrem Belieben über diese Schrift verfügen. Ich bitte nicht darum, sie zu veröffentlichen. Aber ich bitte darum, dass Euer Gnaden mir auch fernerhin gewogen bleiben, wie Sie es stets gewesen sind. Ich bin, Mylord, Euer Gnaden untertänigster Diener Thomas Hobbes

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ER ST ER DI A LOG

A  Wenn es ebenso wie im Raum auch in der Zeit Höhen und Tiefen gäbe, so möchte ich wahrhaft glauben, dass der Höhepunkt der Zeit zwischen 1640 und 1660 liegt. Denn wer damals wie vom Berge der Versuchung1 aus die Welt betrachtete und die Handlungsweise der Menschen insbesondere in England beobachtete, hätte einen Überblick über alle Arten von Ungerechtigkeiten und Torheiten, die die Welt sich je leisten konnte, bekommen. Er hätte gesehen, wie diese Ungerechtigkeiten und Torheiten von den Müttern Heuchelei und Dünkel geboren wurden, deren eine die doppelte Ungerechtigkeit, die andere die zwiefache Torheit verkörpert. B  Ich möchte allzu gern auch eine Aussicht von jenem Berge haben. Du hast in jener Zeit gelebt und hast sie gerade in dem Abschnitt deines Zeitalters erlebt, worin die Menschen Gutes und Böses am besten zu sehen pflegten. Ich bitte dich, stelle mich (der ich damals nicht so gut schauen konnte) mit auf jenen Berg, ­indem du mir die Zusammenhänge der Geschehnisse, die du ­damals sahst, ebenso ihre Ursachen, Vorwände, Gerechtigkeit, Reihenfolge, Listen und Erfolge schilderst. A  Im Jahre 1640 war die Regierung Englands monarchisch, und der damals regierende König Charles, der erste seines Namens, herrschte auf Grund der Herkunft aus einem Geschlecht, das über 600 Jahre ununterbrochen regiert hat, und einer noch viel längeren Abstammung als König von Schottland und als König von Irland seit der Zeit seines Vorfahren Henry II.; König Charles war ein Mann, dem es an keiner Tugend, weder des Körpers noch des Geistes, gebrach, der nichts mehr anstrebte, als seine Pflichten gegen Gott zu erfüllen, indem er seine Unter­tanen gut regierte. B  Wie konnte er dann so großen Misserfolg haben? Er hatte doch in jeder Grafschaft so viele ausgebildete Soldaten, die zu-

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sammengenommen ein Heer von über 60 000 Mann ergeben hät­ ten, und verschiedene Waffenlager in befestigten Stellungen. A  Wenn diese Soldaten Seiner Majestät zur Verfügung gestanden hätten, wie sie und alle seine anderen Untertanen es hätten tun müssen, so wären die drei Königreiche friedlich und glücklich geblieben, wie König James sie hinterlassen hatte. Aber das Volk war allgemein verderbt, und ungehorsame Personen wurden für die besten Patrioten gehalten. B  Aber es gab doch sicherlich neben jenen Übelgesinnten noch Männer genug, die ein Heer hätten bilden können, das in der Lage gewesen wäre, das Volk davon abzuhalten, sich zu einem oppositionellen Block gegen ihn zu vereinigen. A  Ich glaube bestimmt, dass der König genug Soldaten in England gehabt hätte, wenn er nur Geld besessen hätte. Denn es gab im gemeinen Volk nur sehr wenige, die sich viel um das Anliegen der einen oder anderen Seite scherten; sie hätten gegen Bezahlung oder die Gelegenheit zu plündern jede Partei ergriffen. Aber die Schatzkammer des Königs war erschöpft, und seine Feinde, die dem Volk Steuererleichterungen und andere schöne Dinge versprachen, verfügten über die Finanzen der Stadt London, der meisten Städte und größeren Landstädte in England und außerdem vieler Privatpersonen. B  Wie kam es denn, dass das Volk so verderbt wurde? Und was waren das für Leute, die es es so verführen konnten? A  Die Verführer waren verschiedener Art. Bei den einen handelte es sich um Geistliche, Diener Christi, wie sie sich nannten, und manchmal, in ihren Predigten ans Volk, Gottes Abgesandte; sie gaben vor, von Gott ein Recht erhalten zu haben, jeder seine Gemeinde und alle zusammen die ganze Nation zu regieren. Zweitens gab es eine sehr große Menge Leute – den anderen der Zahl nach allerdings nicht vergleichbar –, die trotz der durch Parlamentsakte in England abgeschafften geistlichen wie weltlichen Gewalt des Papstes die Meinung vertraten, dass wir vom Papst regiert werden müssten, den sie als den Stellvertreter Christi und

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als den Herrscher in Christi Namen über die gesamte christliche Welt ansahen. Diese waren unter dem Namen Papisten bekannt, während die Geistlichen, von denen ich oben gesprochen habe, allgemein Presbyterianer genannt wurden. Drittens gab es nicht wenige, die bei Beginn der Unruhen nicht gleich entdeckt wurden, sich aber kurz darauf für die Reli­ gionsfreiheit aussprachen; und diese unterschieden sich wieder untereinander in ihrer Meinung. Einige von ihnen nannte man Independenten, weil sie freie und voneinander unabhängige Gemeinden haben wollten. Andere, welche die Taufe von Kindern und von Personen, die nicht begriffen, was es mit der Taufe auf sich hatte, für wirkungslos hielten, wurden Anabaptisten genannt. Wieder andere, die dachten, dass Christi Reich schon jetzt auf Erden begönne, nannte man Fifth-Monarchy-Men.2 Außerdem gab es verschiedene andere Sekten, wie Quäker, Adamiten usw., auf deren Namen und besonders deren Lehren ich mich nicht mehr besinne. Das waren die Feinde, die sich gegen Seine Majestät erhoben auf Grund einer privaten Auslegung der Heiligen Schrift, die jedermanns oberflächlichem Blick in seiner Muttersprache ausgesetzt ist. Viertens gab es eine überaus große Zahl von Männern der besseren Sorte, die gebildeter waren, denn in ihrer Jugend hatten sie Bücher berühmter Männer des griechischen und römischen Staatswesens über deren Politik und Staatsgeschäfte gelesen. In diesen Büchern wurde die Volksherrschaft unter dem erhabenen Namen der „Freiheit“ gepriesen, die Monarchie aber unter dem Namen „Tyrannei“ geschmäht. Sie bekamen dadurch eine Vorliebe für deren Staatsform. Aus diesen Männern wurde der größte Teil der Mitglieder des englischen House of Commons gewählt, und wenn sie auch nicht in der Mehrheit waren, so gaben sie doch immer kraft ihrer Beredsamkeit den Ausschlag. Fünftens blickten London und andere große Handelsstädte mit Bewunderung auf das starke Aufblühen der Niederlande nach deren Abfall von ihrem Herrscher, dem König von Spanien, und

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neigten zu der Ansicht, dass ein solcher Wechsel in der Regierung ihnen den gleichen Wohlstand bringen würde.3 Sechstens gab es viele, die ihr Vermögen vergeudet hatten oder es für zu gering im Vergleich zu den Fähigkeiten hielten, die sie in sich wähnten. Noch mehr gab es solche, die körperlich tüchtig waren, aber keinen Weg sahen, um ehrlich ihr Brot zu verdienen. Diese sehnten sich nach einem Krieg und hofften, durch glück­liche Wahl einer Partei sich selbst künftig zu unterhalten. Sie dienten daher in erster Linie denen, die das meiste Geld hatten. Endlich kannte das Volk im allgemeinen seine Pflichten so wenig, dass vielleicht unter Zehntausend kaum einer wusste, welches Recht irgendjemand habe, ihm zu befehlen, oder welche Notwendigkeit vorhanden sei für König oder Staat [ Common wealth ]4, für die er sich von seinem Geld gegen seinen Willen trennen sollte; sie glaubten, sie selbst seien Herren über alles, was auch immer sie besäßen, und meinten, dass es ohne ihre eigene Einwilligung ihnen nicht unter dem Vorwand des Gemeinwohls weggenommen werden könne. Sie glaubten, König sei nur ein Titel für die höchste Ehre, zu der Adel, Ritter [ Knights ], Barone [ Baron ], Earls, Dukes5 nur die Sprossen zum Aufstieg auf dem Wege des Reichtums wären. Sie hatten keine Regel der Billigkeit außer Präzedenzfällen und Gewohnheitsrecht. Als der Klügste und Geeignetste für das Parlament wurde der angesehen, der sich am meisten abgeneigt zeigte, Subsidien oder andere öffentliche Gelder zu gewähren. B  Bei einer solchen geistigen Verfassung des Volkes ist der König eigentlich schon seiner Regierung enthoben, so dass das Volk gar nicht erst hätte zu den Waffen greifen müssen; denn wie hätte der König Widerstand leisten können? Ich kann es mir nicht vorstellen. A  Es war in dieser Lage wirklich sehr schwer. Doch über diesen Punkt wirst du besser im Laufe meiner Erzählung unterrichtet werden.

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B  Aber zuerst möchte ich vor allem die verschiedenen Begründungen für die Angriffe des Papstes und der Presbyterianer wissen, aus denen sie das Recht ableiten, uns zu regieren, wie sie es tun; und danach möchte ich wissen, von wo und wann in jenes Lange Parlament der Anspruch auf Demokratie sich einschlich. A  Die Papisten leiten dieses Recht aus Deuteronomium XVII,12 (und anderen ähnlichen Stellen) ab, die nach der alten lateinischen Übersetzung lautet: „Und wo jemand vermessen handeln würde, dass er dem Priester nicht gehorchte, der daselbst in des Herrn, deines Gottes, Amt steht, der soll nach dem Spruche des Richters sterben.“ Und weil, wie damals die Juden, heute alle Christenwelt das Volk Gottes ist, schließen sie daraus, dass dem Papst, der nach ihrer Meinung Hohepriester der ganzen Christenheit ist, in allen seinen Dekreten von allen Christen bei Todesstrafe gehorcht werden müsse. Ebenso, weil Christus im Neuen Testament sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, darum gehet und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“ (Mt 28,18–20), folgern sie, dass den Aposteln gehorcht werden müsse und infolgedessen die Nationen von ihnen beherrscht werden sollten, und im besonderen von dem obersten der Apostel, St. Peter, und seinen Nachfolgern, den Päpsten von Rom. B  Was den Text im Alten Testament angeht, so verstehe ich nicht, wie Gottes Befehl so ausgelegt werden kann, der doch nur für die Juden galt, dass sie ihren Priestern gehorchen sollten. Ich verstehe nicht, dass er die gleiche Kraft in Bezug auf andere christliche Völker haben soll oder gar auch auf unchristliche Völker (denn alle Welt ist doch Gottes Volk), außer wir geben zu, dass aus einem ungläubigen König nicht ein Christ gemacht werden kann, ohne ihn selbst den Gesetzen eines Apostels oder Priesters, der ihn bekehren soll, zu unterwerfen. Die Juden waren ein auserwähltes Volk Gottes, ein priesterliches Königreich und an kein anderes Gesetz gebunden als an das, welches Moses und später

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jeder Hohepriester unmittelbar aus dem Mund Gottes auf dem Berg Sinai und in der Stiftshütte in dem Allerheiligsten des Tempels entgegennahm. Was den Text bei Matthäus anbelangt, so weiß ich, dass dort nicht steht: „Gehet und lehret“, sondern: „Gehet und machet Jünger“. Es ist ein großer Unterschied zwischen Schüler und Untertan, zwischen Lehren und Befehlen, und wenn solche Texte so interpretiert werden müssten, warum legen nicht alle Könige ihre Rechte auf Majestät und Herrschaft ab und nennen sich des Papstes Stellvertreter? Aber die Lehrer der römischen Kirche scheinen in ihrer Unterscheidung zwischen geist­licher und weltlicher Macht das Recht auf absolute Gewalt abzulehnen, eine Unterscheidung, die ich indessen nicht recht verstehe. A  Unter geistlicher Macht verstehen sie die Macht, Glaubenssätze festzusetzen und im innerlichen Gericht des Gewissens Richter über sittliche Pflichten zu sein und die Macht zu haben, jene Leute, die ihren Vorschriften nicht gehorchen, durch kirchliche Jurisdiktion, das ist Exkommunikation, zu bestrafen.6 Diese Macht habe der Papst, sagen sie, unmittelbar von Christus ohne Abhängigkeit von irgendeinem König oder einer souveränen Körperschaft erhalten, deren Untertanen die zu Exkommunizierenden sind. Aber was die weltliche Macht betrifft, die darin besteht, dass sie richtet und alle Handlungen bestraft, die gegen die bürgerlichen Gesetze verstoßen, so sagen sie, dass sie nicht direkt diese Macht beanspruchen, sondern doch nur indirekt, insoweit solche Handlungen die Religion und die guten Sitten hindern oder fördern. Das meinen sie, wenn sie sagen in ordine ad spiritualia.7 B  Was bleibt denn nun den Königen und anderen Trägern der Staatsgewalt noch für Macht, die der Papst nicht als die seinige in ordine ad spiritualia beanspruchen könnte? A  Keine oder nur eine sehr kleine. Und diese Macht beansprucht nicht nur der Papst für die gesamte Christenheit, [ sondern auch die meisten Bischöfe in ihren verschiedenen Diözesen kraft göttlichen Rechts, das heißt unmittelbar von Christus, ohne sie vom Papst abzuleiten. ]8

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B  Aber was geschieht, wenn ein Mann der angemaßten Macht des Papstes oder seiner Bischöfe den Gehorsam verweigert? Welchen Schaden kann ihm der Bann bringen, besonders wenn er der Untertan eines anderen Herrschers ist? A  Sehr großen Schaden, denn auf des Papstes oder Bischofs Geheiß an die zivile Gewalt wird er genügend bestraft. B  Der wäre also in einer üblen Lage, der es wagen würde, die zivile Gewalt in Wort und Schrift zu verteidigen, wenn er durch den bestraft werden müsste, dessen Rechte er verteidigt, wie Uzza,9 der erschlagen wurde, weil er ungeheißen seine Hand vorstrecken wollte, um die Bundeslade vor dem Fallen zu bewahren. Aber wenn eine ganze Nation sich auf einmal vom Papst lossagen würde, welche Wirkung könnte da der Bann für die Nation noch haben? A  Nun, sie würden nicht mehr die Messe gelesen bekommen, wenigstens nicht durch einen päpstlichen Priester, außerdem würde der Papst nichts anderes mit ihnen tun, als sie kurz entschlossen ausschließen, und so würden sie in derselben Lage sein wie eine Nation, die von ihrem König verworfen würde und der es überlassen wäre, sich selbst zu regieren oder regiert zu werden, durch wen sie wollte. B  Das wäre nicht so sehr für das Volk eine Strafe als vielmehr für den König. Darum, wenn der Papst eine ganze Nation in den Bann tut, exkommuniziert er mehr sich selbst als sie. Aber bitte erzähle mir, welches waren denn die Rechte, die der Papst in den Reichen anderer Fürsten beanspruchte? A  Erstens eine Befreiung aller Priester, Ordensbrüder und Mönche, die strafbare Handlungen begangen hatten, von der welt­ lichen Gerichtsbarkeit. Zweitens: Übertragung von Benefizien an solche, die ihm gefielen, an Einwohner oder Fremde, oder Zehntenabgaben, Erstlingsfrucht und andere Zahlungen. Drittens: Berufung [ appeales ] auf Rom in allen Angelegenheiten, an welchen die Kirche angeblich ein Interesse beanspruchen konnte. Viertens: der oberste Richter zu sein in Bezug auf Gesetzlichkeit der

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Heirat, das heißt auf Erbfolge von Königen, und die rechtliche Zuständigkeit in allen Angelegenheiten zu haben, die Ehebruch und Hurerei betreffen. B  Angenehm! Ein Monopol auf Frauen. A  Fünftens: die Macht, Untertanen ihrer Pflichten, ihres Treueides ihren gesetzmäßigen Herrschern gegenüber zu entbinden, wenn der Papst es zur Ausrottung der Ketzerei für dienlich hält. B  Diese Macht, Untertanen ihres Gehorsams zu entbinden, wie auch die andere, Richter über Sitte und Lehre zu sein, ist eine absolute Herrschaft, wie sie absoluter gar nicht gedacht werden kann. Es muss folglich in ein und derselben Nation zwei Königtümer geben, und kein Mensch kann wissen, welchem von beiden Herren er gehorchen soll. A  Ich für mein Teil würde eher dem Herrn gehorchen, der Gesetze machen und Strafe auferlegen darf, als demjenigen, der nur vorgibt, das Recht zu haben, Canones, d. h. Glaubensregeln, zu machen, und nicht das Recht zu zwingen oder anders zu strafen, es sei denn durch den Bann. B  Aber auch der Papst behauptet, dass sein Kanon Gesetz sei. Und was die Strafe anbelangt, gibt es eine größere als den Bann? Gesetzt, es ist so, wie der Papst sagt, ist dann nicht derjenige, der im Bann stirbt, verdammt? Du scheinst das nicht zu glauben, sonst würdest du vorgezogen haben, dem Papst zu gehorchen, der deinen Körper und deine Seele in die Hölle werfen kann, als dem König, der nur deinen Körper töten kann. A  Da hast du recht. Es wäre sehr lieblos von mir zu glauben, dass alle Engländer – außer wenigen Papisten, die seit der Reformation geboren und als Ketzer [ heretics ] bezeichnet wurden – verdammt sein sollen. B  Aber glaubst du nicht, dass auch alle, die heute im Bann der Kirche von England sterben, verdammt sind? A  Zweifellos: Derjenige, der in Sünde ohne Reue stirbt, ist verdammt, und derjenige, der wegen Ungehorsams gegen die Gesetze des Königs in geistlicher wie in weltlicher Beziehung im

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Bann ist, ist wegen der Sünde im Bann, und daher stirbt er unbußfertig, wenn er im Bann und ohne Wunsch nach Versöhnung stirbt. Du siehst, was hieraus folgt. Aber im Ungehorsam gegen die Vorschriften und Lehren derjenigen Männer zu sterben, die weder Autorität noch Recht über uns haben, ist ein ganz anderer Fall und bringt keine solche Gefahr mit sich. B  Aber was ist denn nun diese Häresie, welche die römische Kirche so grausam verfolgt, indem sie Könige absetzt, die, wenn sie dazu aufgefordert werden, nicht alle Häretiker aus ihrem Reiche entfernen? A  Häresie ist, wenn es ohne Affekt gebraucht wird, ein Wort, das eine Privatmeinung darstellt. So wurden die verschiedenen Schulen der alten Philosophen, Akademiker, Peripatetiker, Epiku­reer und Stoiker, als Häresien bezeichnet; aber in der christ­ lichen Kirche lag in der Bedeutung dieses Wortes ein sündhaftes Auflehnen gegen den mit inbegriffen, welcher der oberste Richter über die das Seelenheil der Menschen betreffenden Lehren war.10 Folglich hat die Häresie dieselbe Beziehung zur geistlichen Macht wie der Aufruhr zur weltlichen und wird am geeignetsten durch den verfolgt, der eine geistige Macht und Herrschaft über die Gewis­sen der Menschen hat. B  Weil wir alle die Heilige Schrift lesen dürfen und sie zur Richtschnur unserer Handlungen, sowohl der öffentlichen als auch der privaten, machen sollen, wäre es sehr gut, wenn der Begriff Ketzerei durch irgendein Gesetz bestimmt wäre und die besonderen Meinungen darüber vorgebracht würden, wann ein Mensch verdammt und als Ketzer bestraft werden soll; denn sonst könnten nicht nur mittelmäßige Köpfe, sondern auch der klügste und frömmste Christ in Ketzerei verfallen, ohne die Absicht gehabt zu haben, sich der Kirche zu widersetzen, denn die Heilige Schrift ist schwer und die unterschiedlichen Menschen legen sie unterschiedlich aus. A  Die Bedeutung des Wortes Ketzerei [ heresy ] ist durch Gesetz klargelegt in einer Parlamentsakte aus dem ersten Regie-

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rungsjahr der Königin Elisabeth, worin verfügt wird, dass Personen, die durch Privileg der Königin die geistliche Autorität besitzen, d. h. der höchste kirchliche Gerichtshof [ High Commission ], „nicht das Recht haben sollen, irgendeine Sache als Ketzerei zu verurteilen außer solchen, die schon bisher als Ketzerei gerichtet wurden auf Grund der Autorität der kanonischen Schriften oder durch die vier ersten allgemeinen Konzilien oder irgendein anderes allgemeines Konzil, auf dem dasselbe zur Ketzerei erklärt wurde durch die einfachen und ausdrücklichen Worte der kanonischen Schriften, oder solche, die künftig der Hohe Gerichtshof des Parlaments dieses Reiches als Ketzerei – mit der Zustimmung der Geistlichkeit in ihrer Versammlung – bezeichnen würde.“ B  Es scheint daher, dass, wenn sich irgendein neuer Irrtum erhebt – und viele derartige mögen entstehen –, der noch nicht zur Ketzerei erklärt worden ist, er ohne ein Parlament nicht verurteilt werden kann. Wie schwer auch immer der Irrtum sein mag, er kann nicht zur Ketzerei erklärt werden, weder auf Grund der Heiligen Schrift noch der Konzilien, weil man von ihm noch nie vorher hörte. Infolgedessen kann es keinen Irrtum geben, außer wenn er in den Bereich der Gotteslästerung oder des Hochverrates fällt, wofür ein Mensch billigerweise bestraft werden kann. Außerdem, wer kann sagen, was von der Heiligen Schrift verkündigt wird, die doch jedermann lesen und für sich selbst auslegen darf? Ja, noch mehr, welcher Protestant, Laie oder Geistlicher, ist nicht schon verurteilt, wenn jedes allgemeine Konzil ein berufener Richter der Ketzerei sein kann? Denn verschiedene Konzilien haben einen großen Teil unserer Lehren zu Ketzereien erklärt, und das haben sie, wie sie behaupten, auf die Autorität der Heiligen Schrift hin getan. A  Welches sind jene Punkte, die die ersten vier allgemeinen Konzilien zur Ketzerei erklärt haben? B  Das erste allgemeine Konzil zu Nicaea erklärte alles zur Ketzerei, was gegen das Glaubensbekenntnis von Nicaea verstieß, veranlasst durch die Irrlehre des Arius, welcher die Göttlichkeit

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Christi leugnete. Das zweite allgemeine Konzil von Konstantinopel erklärte die Lehre des Macedonius zur Ketzerei, die behauptete, der Heilige Geist sei geschaffen. Das dritte allgemeine Konzil von Ephesus verdammte die Lehre des Nestorius, derzufolge in Christus zwei Personen seien. Das vierte allgemeine Konzil von Chalcedon verdammte die Irrlehre von Eutyches, dass in Christus nur ein Wesen sei. Ich kenne keine anderen Punkte, die in diesen vier Konzilien verurteilt worden sind, als die, die das Kirchenregiment betreffen, oder dieselben Lehren, die von anderen Männern mit anderen Worten gelehrt werden. Diese Konzilien wurden alle von den Kaisern einberufen und durch sie wurden ihre Dekrete auf Antrag der Konzilien bestätigt. A  Ich sehe also, dass die Berufung des Konzils und die Bestätigung der Lehre und des Kirchenregiments nur verpflichtende Kraft durch die Autorität des Kaisers hatten. Wie kommt es nun, dass sie jetzt eine legislative Gewalt in Anspruch nehmen und sagen, ihre Canones seien Gesetze? Jene Stelle: „Alle Macht ist mir gegeben im Himmel und auf Erden“ hatte dieselbe Kraft damals wie jetzt und verlieh den Konzilien eine legislative Gewalt nicht nur über die Christen, sondern auch über alle Nationen der Welt. B  Sie sagen nein, denn die Macht, die sie beanspruchen, wird davon abgeleitet, dass, wenn ein König vom Heidentum zum Christentum bekehrt wurde, er sich durch die Unterwerfung unter den Bischof, der ihn bekehrte, unter die Herrschaft des Bischofs begab und eines seiner Schafe wurde, welches Recht er daher über keine Nation haben konnte, die nicht christlich war. A  Sagte Sylvester, der als Papst von Rom zur Zeit Konstantins des Großen den Kaiser bekehrte, seinem neuen Jünger vorher, dass, wenn er Christ würde, er des Papstes Untertan werden müsse? B  Ich glaube nicht. Denn es ist wahrscheinlich genug, dass, wenn er es ihm so geradeheraus gesagt oder es ihm nur leise angedeutet hätte, Konstantin entweder überhaupt kein Christ oder nur ein falscher Christ geworden wäre.

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A  Aber wenn er es ihm nicht so geradeheraus sagte, war es dann nicht ein falsches Spiel, nicht nur für einen Priester, sondern für jeden Christen? Was die Ableitung ihres Rechtsanspruches von der Einwilligung des Kaisers betrifft, so geht dies nur daraus hervor, dass sie es nicht wagen, gesetzgebende Macht zu fordern noch ihre Canones in irgendeinem christlichen Königreich Gesetze zu nennen, ehe der König sie zu solchen gemacht hat. Aber als Atabalipa in Peru König war, sagte ihm ein Mönch, dass, da Christus König über die ganze Welt sei, er dem Papst das Verfügungsrecht über alle Königreiche in ihr gegeben habe und dass der Papst Peru Karl V., dem römischen Kaiser, gegeben habe und Atabalipa ersuchen lasse, es abzutreten. Da er sich weigerte, wurde er von dem dort anwesenden spanischen Heer gefangengenommen und ermordet. Du siehst daraus, wie viel sie fordern, wenn sie die Gewalt haben, es auszuführen. B  Wann begannen die Päpste zum ersten Mal diese Machtvollkommenheit zu beanspruchen? A  Nachdem die Völker des Nordens die westlichen Teile des Reiches überflutet und von Italien Besitz genommen hatten, unterwarf sich das Volk von Rom seinem Bischof in geistlicher und weltlicher Hinsicht. Damals war der Papst zum ersten Mal welt­ licher Fürst und stand nicht mehr in so großer Furcht vor den Kaisern, die fern in Konstantinopel lebten. In dieser Zeit begann der Papst kraft seiner geistlichen Macht in die weltlichen Rechte aller anderen Fürsten des Westens einzugreifen. So lief er ihnen nach und nach den Rang ab, bis seine Macht den Höhepunkt in den dreihundert Jahren zwischen dem achten und elften Jahrhundert, das heißt im Zeitraum zwischen Papst Leo III. und Inno­zenz  III., erreichte, denn in dieser Zeit setzte Papst Zacharias I. den Chilperich ab, der damals König von Frankreich war, und gab das Königreich einem seiner Untertanen, Pippin. Pippin nahm einen großen Landstrich den Langobarden ab und gab ihn der Kirche. Kurz darauf eroberten die Langobarden ihr Gebiet wieder zurück. Dann nahm Karl der Große es ihnen erneut ab

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und gab es abermals der Kirche, und dafür machte Papst Leo III. Karl zum Kaiser. B  Aber welches Recht hatte denn der Papst, eine Kaiserwürde zu verleihen? A  Er behauptete, er habe das Recht, weil er der Stellvertreter Christi sei. Was Christus geben könne, das könne sein Stellvertreter auch – und Christus war bekanntlich König über alle Welt. B  Ja, als Gott. Und so vergibt er alle Königreiche der Welt, die nichtsdestoweniger aus der Einwilligung des Volkes hervorgehen, entweder aus Gründen der Furcht oder der Hoffnung. A  Aber die Schenkung des Kaisertums geschah in einer ganz besonderen Weise, wie Moses die Herrschaft über Israel erlangt hatte, oder besser, wie sie Josua gegeben wurde, vor dem Volk aus und ein zu gehen, wie der Hohepriester ihn leitete. So auch verstand man die Schenkung des Kaisertums: nämlich unter der Bedingung, dass der Papst ihn leitete, denn als der Papst ihn mit den Herrschaftsattributen belehnte, schrie das ganze Volk: „Deus dat“, das heißt: Gott ist es, der es gibt, und der Kaiser war zufrieden, es so anzunehmen, und seit der Zeit haben alle oder doch die meisten christlichen Könige die Worte „dei gratia“, „durch die Gnade Gottes“, in ihre Titel gesetzt, und ihre Nachfolger pflegen noch immer von einem Bischof Krone und Zepter zu empfangen. B  Gewiss ist es eine sehr schöne Sitte, dass Könige daran er­ innert werden, aufgrund von wessen Geschenk sie regieren. Aber aus dieser Sitte kann nicht geschlossen werden, dass sie das Königreich durch Vermittlung des Papstes oder durch irgendeine andere Geistlichkeit erhalten, denn die Päpste selbst erhielten ja die Papstwürde erst von den Kaisern. Der erste, der ohne Einwilligung des Kaisers zum Bischof von Rom gewählt wurde, nachdem die Kaiser Christen wurden, entschuldigte sich in Briefen an den Kaiser damit, dass das Volk und die Geistlichkeit von Rom ihn zwängen, die Bischofswürde anzunehmen, und bat den Kaiser, ihn zu bestätigen, was der Kaiser auch tat, allerdings indem

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er des Volkes Handlungsweise rügte und ihre Wiederholung in Zukunft verbot. Der Kaiser war Lothar und der Papst Calixtus I. A  Du siehst hieraus, dass der Kaiser nie anerkannte, dass dieses Gottesgeschenk das Geschenk des Papstes sei, sondern behauptete, dass die Papstwürde vielmehr das Geschenk des Kaisers sei. Aber im Laufe der Zeit, besonders durch die Nachlässigkeit der Kaiser (denn die Größe der Könige bewirkt, dass sie nicht leicht in die finsteren und engen Minen eines ehrgeizigen Klerus hinabsteigen) fanden sie Mittel und Wege, das Volk glauben zu machen, es gebe eine Macht im Papst und in der Geistlichkeit, der sie sich eher unterwerfen müssten als den Befehlen ihrer eigenen Könige, wenn es in strittigen Fällen zum Konflikt kommen sollte. Zu diesem Zweck ersannen und dekretierten sie viele neue Glaubens­ artikel, die auf Herabsetzung und Schmälerung der Macht der Könige, auf die Trennung derselben von ihren Untertanen und einen engeren Anschluss ihrer Untertanen an die römische Kirche abzielten; Artikel, die entweder überhaupt nicht in der Bibel standen oder sich nicht gut auf die Bibel gründen ließen, wie gleich der erste, dass es einem Priester nicht gestattet sei zu heiraten. ­ aben? B  Welchen Einfluss konnte das auf die Macht der Könige h A  Siehst du nicht, dass infolgedessen der König gezwungenermaßen entweder die Priesterwürde entbehren musste, und damit einen großen Teil der Verehrung, die ihm von dem am meisten religiösen Teile seiner Untertanen zustand, oder aber andernfalls gesetzliche Erben als Nachfolger? Denn wenn er nicht als Haupt der Kirche betrachtet würde, würde sein Volk in jeglichem Streit zwischen ihm und dem Papst gegen ihn sein. B  Ist nicht ein christlicher König heute ebenso gut ein Bischof, wie die heidnischen Könige es von alters her waren? Denn unter ihnen war Episcopus ein allen Königen gemeinsamer Name. Ist nicht der heute Bischof, dem Gott die Pflege aller Seelen seiner Untertanen anvertraut hat, sowohl der Laien als auch der Geistlichen? Obgleich er im Verhältnis zum Heiland, der der oberste Hirte ist, nur ein Schaf ist, ist er doch, verglichen mit seinen Un-

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tertanen, die alle, Laien und Kleriker, zur Herde gehören, der einzige Hirte. Da ein christlicher Bischof nur ein Christ ist, mit der Macht ausgestattet, über die Geistlichkeit zu herrschen, so folgt daraus, dass jeder christliche König nicht nur Bischof, sondern auch Erzbischof und sein ganzer Machtbereich seine Diö­zese ist. Obgleich es ausgemacht war, dass das Handauflegen durch einen Priester nötig sei, so ist es doch offenbar, dass Könige die Herrschaft über die Geistlichkeit haben, die ihre Untertanen sind, sogar noch vor der Taufe. Die Taufe selbst, durch die er zum Christen wird, ist aber des Handauflegens genug, so dass er jetzt ein christlicher Bischof ist, während er vordem nur Bischof war. A  Darin stimme ich dir zu: Das Zölibat kam um die Zeit Papst Gregors VII. und Williams I., König von England, auf. Dadurch hatte der Papst in England sowohl unter den Welt- als auch unter den Ordensgeistlichen eine Menge munterer Junggesellen zu seinen Diensten. Zweitens war die Ohrenbeichte zum Seelenheil nötig. Es stimmt, dass auch vor jener Zeit Beichte beim Priester üblich war, und zwar zumeist schriftlich vom Beichtenden geübt. Aber dieser Brauch wurde um die Zeit Edwards III. abgeschafft und den Priestern befohlen, die Beichte dem Büßenden mündlich abzunehmen. Die Leute glaubten allgemein, dass sie nicht selig werden könnten, ohne vor ihrem Abscheiden aus dieser Welt gebeichtet und Absolution empfangen zu haben, und dass sie nicht verdammt werden könnten, wenn sie Absolution vom Priester hatten. Man sieht daraus, in wie großer Ehrfurcht bei ihnen der Papst und die Geistlichkeit standen, mehr als der König, und wie unangenehm es für einen Staat ist, die geheimen Gedanken seiner Untertanen Spionen preiszugeben. B  Ja, so wie ewige Qual furchtbarer als der Tod ist, in gleicher Weise mussten sie sich vor der Geistlichkeit mehr als vor dem König fürchten. A  Obgleich vielleicht die römische Geistlichkeit nicht behaupten wird, dass ein Priester die Macht habe, Sünden unbedingt zu erlassen, sondern nur unter der Bedingung der Reue, so wurde

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das Volk doch nie darüber belehrt, sondern man ließ es in dem Glauben, dass, sooft es Absolution erhielt, die früheren Sünden alle vergeben seien, wenn die Buße, die es für Reue hielt, getan war. In der gleichen Zeit entstand der Glaubensartikel über die Transsubstantiation. Lange schon vorher wurde darüber gestritten, in welcher Weise man den Leib unseres Heilands Jesu Christi esse, da das für einen Menschen sehr schwer zu begreifen und vorzustellen ist. Aber jetzt wurde klargemacht, dass das Brot verwandelt werde in Christi Leib und so nicht mehr Brot, sondern Fleisch sei. B  Es scheint, dass Christus viele Körper hat und an so vielen Orten zugleich ist, als da Kommunikanten sind. Ich denke, die Priester waren damals so schamlos, die Stumpfheit nicht nur des gemeinen Volkes, sondern auch der Könige und ihrer Ratgeber schändlich auszunützen. A  Ich bin jetzt bei einer Erzählung, nicht bei einer Disputation, und darum möchte ich dich bitten, dass du jetzt nichts anderes in Betracht ziehst, als was diese Lehre auf die Könige und ihre Untertanen für eine Wirkung ausüben mochte, in Beziehung zu der Geistlichkeit, die allein fähig war, aus einem Stück Brot unseres Heilands Körper zu machen und dadurch in der Todesstunde ihre Seele zu retten. B  Es hätte auf mich die Wirkung, dass ich dächte, sie seien Götter, und dass ich Ehrfurcht vor ihnen hegte wie vor Gott selbst, wenn er sichtbar gegenwärtig wäre. A  Neben diesen und anderen Glaubensartikeln, die darauf abzielten, die Autorität des Papstes aufrechtzuerhalten, hatten sie viele schöne Punkte in ihrer Kirchenpolitik, die zum selben Ziel führten. Davon will ich nur die erwähnen, die in derselben Zeit eingeführt wurden. Damals kam der Orden der predigenden Brüder auf, die umherwanderten mit der Befugnis zu predigen, in welcher Gemeinde es ihnen immer gefiel, und die jedenfalls dem Volk nichts einflößten, was den Gehorsam gegen die römische

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Kirche hätte schwächen können, sondern im Gegenteil das, was dieser Vorteile über die weltliche Macht gab. Außerdem schmeichelten sie sich insgeheim bei Frauen und Männern von schwachem Urteil ein, indem sie deren Anhänglichkeit an den Papst bekräftigten und sie antrieben, auf dem Krankenbett der Kirche Gutes zu tun durch Geld, Kirchen- und Kapellenbauten oder fromme Werke, die notwendig für den Erlass ihrer Sünden seien. B  Ich erinnere mich nicht, von irgendeinem Königreich oder Staat in der Welt gelesen zu haben, in dem einer Privatperson die Erlaubnis gegeben wurde, das Volk zu Versammlungen zusammenzurufen und häufig oder überhaupt Reden zu halten, ohne erst den Staat zu benachrichtigen, außer in der Christenheit. Ich glaube, die heidnischen Könige sahen voraus, dass ein paar solcher Redner fähig sein würden, einen großen Aufruhr zu ver­ ursachen. Moses hat zwar befohlen, die Schriften zu lesen und sie jeden Sabbat in der Synagoge auszulegen. Aber die Schriften waren damals nichts anderes als die Gesetze der Nation, wie sie Moses ihnen selbst gegeben hatte. Ich glaube, es würde nichts schaden, wenn die Gesetze Englands oft gelesen würden und in den verschiedenen Versammlungen von Engländern zu festgesetzten Zeiten ausgelegt würden, damit sie wissen, was sie zu tun haben; denn sie wissen schon, was sie zu glauben haben. A  Ich denke, weder die Predigt von Brüdern und Mönchen noch die von Gemeindepriestern vermochte die Menschen zu lehren, was sie glauben, als vielmehr, wem sie glauben sollten. Denn die Macht des Gewaltigen hat ihre Grundlage allein in der Meinung und in dem Glauben des Volkes. Und der Zweck, den der Papst bei der Vervielfachung der Predigten verfolgte, war kein anderer, als seine eigene Autorität über alle christlichen Könige und Staaten zu verstärken und auszudehnen. Zur gleichen Zeit, in dem Zeitraum zwischen der Regierung Karls des Großen und König Edwards III. von England, begann ihre andere Politik, die darin bestand, die Religion in eine praktische Wissenschaft zu verwandeln und dadurch alle Dekrete der römischen Kirche zu

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verteidigen, durch Disputation, nicht nur aus der Heiligen Schrift, sondern auch aus der Moral- und Naturphilosophie des Aristoteles. Zu diesem Zweck hielt der Papst den besagten Kaiser durch einen Brief dazu an, Schulen für alle Arten der Gelehrsamkeit zu errichten, und von da an begann die Einrichtung von Universitäten. Nicht lange danach entstanden Universitäten in Paris und Oxford. Es stimmt, dass es in England schon vor dieser Zeit an verschiedenen Orten Schulen für den Unterricht der Kinder im Lateinischen, das heißt in der Sprache der Kirche, gab. Aber eine richtige Universität [ university of learning ] war bisher noch nicht eingerichtet, obwohl es wahrscheinlich doch Leute gegeben haben mag, die Philosophie, Logik und andere Disziplinen in verschiedenen Klöstern lehrten, denn die Mönche hatten wenig anderes zu tun als zu studieren. Nachdem einige Schulen [ colleges ] zu diesem Zweck aufgebaut worden waren, kamen bald zahlreiche andere mit Unterstützung von Fürsten, Bischöfen und anderen reichen Leuten hinzu. Ihr Fächerkanon [ discipline ] wurde von den damaligen Päpsten bestätigt, und eine große Menge an Studierenden wurde von ihren Gönnern dorthin geschickt als an einen Ort, an dem der Karriereweg in Kirche und Staat offen stand. Der Nutzen, den die römische Kirche von ihnen erwartete und tatsächlich daraus zog, war die Aufrechterhaltung der päpstlichen Lehre und seiner Oberherrschaft über Könige und Untertanen durch Scholastiker. Diese waren bestrebt, zahlreiche Glaubenssätze unverständlich zu machen, und indem sie die Philosophie des Aristoteles zu Hilfe nahmen, schrieben sie große Bücher über scholastische Theologie, die kein anderer, auch sie selbst nicht, zu verstehen in der Lage waren, wie jedermann selbst beobachten kann, der sich mit den Büchern von Petrus Lombardus oder Duns Scotus, der Kommentare dazu schrieb, oder Suarez oder anderer Scholastiker der späteren Zeit beschäftigt. Diese Sorte Gelehrsamkeit ist nichtsdestoweniger von zwei Arten von Männern sehr bewundert worden, die sonst klug genug waren; die einen waren schon mit Leib und Seele der römischen Kirche

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ergeben und hatten wirkliche Zuneigung zu ihr, denn sie glaubten schon vorher an die Lehren und bewunderten die Argumente, weil sie diese nicht verstanden, und fanden doch ihre zwingenden Schlussfolgerungen in ihrem Sinne. Die anderen waren törichte Leute, die alles mit den anderen bewunderten, statt sich die Mühe zu machen, den Sachverhalt zu prüfen. So war alles Volk ganz und gar entschlossen, beides anzuerkennen, nämlich dass die Lehre wahr sei und des Papstes Autorität nur das war, was ihm zustand. B  Ich verstehe: Wo die römische Kirche eine solche Autorität besitzt, wird ein christlicher König oder Staat, wie gut auch immer er mit Geld und Waffen ausgestattet sein mag, aus Mangel an Leuten einen harten Kampf mit ihr haben, denn seine Untertanen werden wohl kaum ins Feld geführt werden und mit Courage gegen ihr eigenes Gewissen kämpfen. A  Es ist wahr, dass in dem Streit der Päpste mit den Königen schwere Aufstände durch Geistliche angestiftet worden sind, wie in England gegen König John und in Frankreich gegen König Heinrich IV.,11 in denen die Könige einen beträchtlicheren Teil auf ihrer Seite hatten als der Papst auf seiner, und es wird immer so sein, sofern sie Geld haben. Denn es gibt nur wenige, deren Gewissen so empfindlich ist, Geld zurückzuweisen, wenn sie es brauchen. Aber das größte Unrecht, welches den Königen unter dem Deckmantel der Religion zugefügt wird, geschieht dann, wenn der Papst dem einen König das Recht zuspricht, den anderen zu überfallen. B  Ich frage mich, wie dann König Henry VIII. so gänzlich die Autorität des Papstes in England vernichten konnte, und das ohne Aufruhr in der Heimat oder irgendeinen Einfall von außen. A  Erstens wurden die Priester, Mönche und Ordensbrüder, auf dem Gipfel ihrer Macht angelangt, nun zum größten Teil anmaßend und ausschweifend, und daher wurde durch ihren liederlichen Lebenswandel ihren Argumenten die bindende Kraft genommen, was der Adel und Leute von guter Bildung leicht bemerkten. Das Parlament, das aus solchen Leuten bestand, war

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daher gewillt, ihnen die Macht zu nehmen, und im großen und ganzen war das gewöhnliche Volk, das infolge langer Gewohnheit Parlamente liebte, nicht böse darum. Zweitens: Luthers Lehre, die etwas früher einsetzte, wurde von einer großen Anzahl von Leuten höchster Urteilsfähigkeit so gut aufgenommen, dass keine Hoffnung bestand, die Macht des Papstes durch einen Aufstand wieder herzustellen. Drittens: Die Einkünfte der Abteien und aller anderen Klöster, die dadurch dem König in die Hand fielen und von ihm an die bedeutendsten Edelleute in jeder Grafschaft verteilt wurden, waren nur dazu angetan, diese ihr bestes tun zu lassen, um sich in ihren Besitztümern festzusetzen. Viertens: König Henry war seinem Wesen nach rasch und streng bei der Bestrafung all derer, von denen er annahm, dass sie sich als erste seinen Plänen widersetzen würden. Schließlich (betreffend einen Einfall von außen), wenn der Papst das Königreich einem anderen Fürsten gegeben hätte, wäre dies vergeblich gewesen. Denn England ist eine andere Sorte Königreich als Navarra. Außerdem waren die französischen und spanischen Streitkräfte gegeneinander im Kampf gebunden, und selbst wenn sie Zeit und Gelegenheit gehabt hätten, so wären sie nicht erfolgreicher gewesen als die Spanier später im Jahre 1588. Und doch hätte trotz der Unverfrorenheit, Habgier und Scheinheiligkeit der damaligen Geistlichkeit und trotz der Lehre Luthers die Autorität des Papstes in England bestehen bleiben können, bis irgendein anderer Streit entstanden wäre, wenn der Papst den König nicht dadurch herausgefordert hätte, dass er sich bemühte, dessen Ehe mit seiner zweiten Gemahlin zu verhindern. B  Widersetzten sich denn die damaligen Bischöfe nicht, die einen Eid geleistet hatten, worin unter anderem auch stand, dass sie die heiligen Rechte von St. Peter verteidigen und behaupten würden? (Die Worte lauten: Regalia Sancti Petri, die nichtsdesto­ weniger Regulae Sancti Petri heißen sollten, wie einige sagten: St. Peters Verordnungen oder Lehren, und dass die Geistlichkeit vielleicht später, weil es abgekürzt war, irrtümlich zugunsten des

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Papstes Regalia lasen.)12 Widersetzten sich die Bischöfe nicht, sage ich, jener Parlamentsakte gegen den Papst und der Ableistung des Supremats-Eides?13 A  Nein, ich finde nicht, dass sich viele Bischöfe dem König widersetzten. Sie hatten ja ohne ihn keine Macht, und es wäre sehr unklug von ihnen gewesen, seinen Zorn herauszufordern. Außerdem bestand gerade damals ein Streit zwischen dem Papst und den Bischöfen. Die meisten behaupteten nämlich, dass sie ihre bischöfliche Gewalt nach göttlichem Recht ebenso unmittelbar ausübten wie der Papst über die ganze Kirche. Und weil sie sahen, dass durch diese Königsakte im Parlament sie ihre Macht nicht mehr vom Papst erhalten sollten, und sich wiederum nicht vorstellen konnten, sie vom König zu erhalten, so waren sie vielleicht eher damit einverstanden, das Gesetz hinzunehmen. Unter der Regierung Edwards VI. hatte Luthers Lehre in England so stark Wurzeln gefasst, dass man eine große Menge neuer Glaubensartikel des Papstes hinauswarf, die die Königin Mary, welche ihm folgte, jedoch wiederherstellte, zusammen mit allem, was Henry  VIII. abgeschafft hatte, mit Ausnahme dessen, was nicht wieder in Stand gesetzt werden konnte: nämlich den Klöstern. Die Bischöfe und die Geistlichen König Edwards wurden teils als Ketzer verbrannt, teils flohen sie, teils widerriefen sie. Und die Fliehenden begaben sich über See dorthin, wo die reformierte Religion geschützt oder wenigstens nicht verfolgt wurde. Diese kehrten nach dem Tod der Königin Mary unter der Königin Elisabeth in Amt und Würden zurück, welch letztere die Religion ihres Bruders, des Königs Edward, wiederherstellte, und so blieb es bis heute, abgesehen von der Unterbrechung, die durch die jüngste Rebellion der Presbyterianer und anderer demokratischer Leute verursacht wurde. Aber obgleich die römische Religion mit den Mitteln des Gesetzes vertrieben war, gab es doch noch eine Menge Leute, darunter viele Adelige, die an der Religion ihrer Vorfahren festhielten; diese waren für die zivile Gewalt aber, da sie in Gewissensfragen nicht sehr belästigt wurden, kein besonderes Ärgernis.

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Doch die geheime Tätigkeit der Jesuiten und anderer Emissäre der römischen Kirche bewirkte, dass sie weniger ruhig waren, als sie hätten sein sollen, und einige wenige von ihnen wagten sich an den entsetzlichsten Anschlag, von dem man je gehört hat, ich meine den Gunpowder-Plot.14 Deshalb wurden die Papisten von England als Leute betrachtet, die jede wie immer geartete Unordnung, die möglicherweise den Weg freimachen konnte zur Wiederherstellung der päpstlichen Autorität, in Kauf nehmen würden. Darum nannte ich sie eine der Krankheiten des englischen Staates in der Zeit unseres verstorbenen Königs Charles. B  Man sieht, dass Herr Mornay du Plessis und Dr. Morton, Bischof von Durham, beide recht hatten, als sie über den Fortschritt der päpstlichen Macht schrieben und ihren Büchern die Titel „Das Geheimnis der Ungerechtigkeit“ bzw. „Der große Betrug“ gaben.15 Denn ich glaube, es gab in der Welt niemals wieder einen größeren Betrug, und ich wundere mich, dass die Könige und Staaten der Christenheit ihn nie bemerkten. A  Es ist offensichtlich, dass sie es bemerkten. Wie anders durften sie Krieg führen, wie sie es gegen den Papst getan haben, und einige ihn sogar als Gefangenen aus Rom wegführen? Aber wenn sie sich von seiner Tyrannei hätten befreien wollen, so hätten sie untereinander einig sein und ein jeder, wie Henry VIII. es tat, in seinem Gebiet sich zum Oberhaupt der Kirche machen müssen. Aber da sie nicht einig waren, so ließen sie seine Macht bestehen; jeder hoffte, Gebrauch von ihr zu machen, wenn Veranlassung vorlag, gegen seine Nachbarn vorzugehen. B  Nun, was den anderen Schaden durch die Presbyterianer betrifft, wie kamen denn sie zu einer so großen Macht, da die meisten von ihnen doch zweitrangige Gelehrte waren? A  Dieser Streit zwischen den Papisten und den reformierten Kirchen hatte zur Folge, dass jeder Laie nach bestem Vermögen mit Hilfe der Heiligen Schrift selbst zu untersuchen hatte, welche von beiden im Recht war. Deshalb wurde die Bibel in die Volkssprachen übersetzt, während doch früher ihre Übersetzung ver-

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boten und keinem Menschen, außer denen, welche die besondere Erlaubnis dafür hatten, gestattet war, sie zu lesen. Denn der Papst tat in Bezug auf die Heilige Schrift dasselbe, was Moses bezüglich des Berges Sinai tat. Moses ließ keinen Menschen auf den Berg ­Sinai, um Gottes Stimme zu hören oder ihn zu schauen, außer solchen, die er mit sich nahm. Und der Papst ließ keinen in der Bibel mit Gott sprechen, der nicht etwas von dem päpstlichen Geist in sich hatte, dessentwegen man ihm trauen konnte. B  Sicherlich handelte Moses damit sehr weise und in Übereinstimmung mit Gottes eigenem Befehl. A  Kein Zweifel, und der Erfolg selbst hat es seither so erscheinen lassen. Denn nachdem die Bibel ins Englische übersetzt war, glaubte jedermann, ja sogar jeder Junge und jedes Mädchen, die lesen konnten, sie sprächen mit Gott dem Allmächtigen und verstünden, was er sagte, wenn sie eine Anzahl Kapitel pro Tag aus der Heiligen Schrift ein- oder zweimal durchgelesen hätten. Damit wurden die Ehrfurcht und der Gehorsam, die der hiesigen reformierten Kirche und ihren Bischöfen und Pastoren gebühren, verworfen, und jeder wurde jetzt selbst Richter der Religion und Ausleger der Heiligen Schrift für sich selbst. B  Beabsichtigte die Kirche von England nicht, dass es so sein sollte? Was für ein anderes Ziel konnten sie haben, mir die Bibel zu empfehlen, wenn sie damit nicht bezweckten, dass ich sie zur Richtschnur meines Handelns machen solle? Sonst hätten sie sie für sich behalten können, zumal sie für sie offen war, mir jedoch auf Hebräisch, Griechisch und Latein verschlossen, und sie hätten mich in dem Maße füttern können, wie es für mein Seelenheil und den kirchlichen Frieden erforderlich gewesen wäre. A  Ich gestehe: Dieser Freibrief bei der Auslegung der Heiligen Schrift war die Ursache so vieler verschiedener Sekten, die bis zum Beginn der Regierung des verstorbenen Königs im Verborgenen blieben und die dann zur Störung des Staates [ Common wealth ] auftauchten. Aber kehren wir zur Erzählung zurück. Jene Perso­ nen, die um ihrer Religion willen zur Zeit der Königin Mary ge-

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flohen waren, hielten sich zum größten Teil an Orten auf, wo man sich zur reformierten Religion bekannte und wo eine Versammlung von Geistlichen regierte, deren man sich nicht zum wenigsten in Sachen der zivilen Verwaltung aus Mangel an besseren Staatsmännern bediente. Dies gefiel den englischen und schottischen Protestanten, die unter ihnen lebten, so sehr, dass sie bei ihrer Rückkehr wünschten, es möge die gleiche Ehre und Ver­ehrung der Geistlichkeit in ihrem eigenen Lande gezollt werden, und in Schottland (König James war damals noch jung) brachten sie es bald mit Hilfe einiger mächtiger Adliger auch so weit. Diejenigen, die zu Beginn der Regierungszeit der Königin Elisabeth nach England zurückkehrten, versuchten dies ebenfalls, aber sie konnten es nie durchsetzen, bis zu diesem letzten Aufruhr und auch da nicht ohne die Hilfe der Schotten. Und es war kaum zustande gebracht, da wurden sie von den anderen Sekten wieder geschlagen, welche durch die Predigten der Presbyterianer und die Privatauslegungen der Heiligen Schrift vielfältig angewachsen waren. B  Ich weiß ja, dass zu Beginn des Bürgerkrieges die Macht der Presbyterianer so groß war, dass nicht nur fast alle Bürger Londons ihnen zu Diensten standen, sondern auch die meisten anderen Städte und Marktflecken Englands. Aber du hast mir noch nicht erzählt, durch welche Kunst und durch welche Schritte sie so mächtig wurden. A  Nicht die eigene Kunstfertigkeit allein vermochte es, sondern sie besaßen auch die Mitwirkung einer großen Zahl von Adeligen, die nicht weniger eine Volksherrschaft im Staat wünschten als diese Priester [ ministers ] in der Kirche. Und wie diese von der Kanzel aus die Leute dazu brachten, ihren Meinungen zu folgen und eine Abneigung gegen Kirchenregiment, Kanon und das Common Prayer Book 16 zu entwickeln, so flößten jene ihnen Liebe zur Demokratie ein durch ihre Reden [ Harangues ] im Parlament und durch ihre Unterredungen und Gespräche mit dem Volk auf dem Lande. Sie priesen beständig die Freiheit, schmähten die Tyrannei und überließen es den Leuten, selbst darauf zu kommen,

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dass diese Tyrannei die jetzige Regierung des Staates sei. Und wie die Presbyterianer ihre Theologie in ihre Kirchen von den Universitäten mitbrachten, so brachten viele Edelleute die Politik von dort in das Parlament mit. Keiner von ihnen aber tat das sehr kühn während der Regierungszeit der Königin Elisabeth. Wenn es auch nicht wahrscheinlich ist, dass alle es aus Bosheit taten, sondern viele von ihnen nur irrtümlich, so waren doch die Hauptanführer ehrgeizige Geistliche und ehrgeizige Adelige. Die Geistlichen beneideten die Bischöfe, die sie für weniger gelehrt hielten, um ihre Autorität; die Adeligen beneideten den geheimen Kronrat [ Privy Council ] und die Hofleute, die sie für weniger klug hielten als sich selber. Denn es ist ein schwerer Brocken für Leute, die alle von ihrem eigenen Verstand eine hohe Meinung haben (wenn sie sich die Gelehrsamkeit der Universität angeeignet haben), sich davon überzeugen zu lassen, dass es ihnen an irgendeiner Fähigkeit fehle, die für die Regierung eines Gemeinwesens erforderlich ist; besonders, wenn sie die ruhmreiche Geschichte und die bündig abgefasste Staatslehre der antiken Volksregierungen bei den Griechen und Römern gelesen haben, deren Könige gehasst und als Tyrannen gebrandmarkt wurden und deren Volksregierung (obwohl kein Tyrann je so grausam gewesen ist wie eine demokratische Versammlung) unter dem Namen der Freiheit gepriesen wurde. Die Presbyterianergeistlichen predigten zu Beginn der Regierungszeit der Königin Elisabeth nicht öffentlich und geradeheraus gegen den Gehorsam der Kirche gegenüber, weil sie sich nicht trauten. Aber nicht lange danach gingen sie, vielleicht mit der Gunst einiger einflussreicher Hofleute, hinaus und predigten in den meisten Marktstädten Englands an den Werktagen morgens, wie die wandernden Mönche es früher getan hatten. In diesen Predigten verlegten sich diese und andere, die den gleichen Glaubenslehren anhingen und denen die Seelsorge oblag, sowohl durch die Art als auch durch den Gegenstand ihrer Predigt ganz darauf, das Volk für die Annahme ihrer Lehren und für eine gute Meinung über ihre Person zu gewinnen.

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Erstens: Was die Art ihres Predigens anbelangt, so gestalteten sie ihre Haltung und ihre Gesten beim Gang auf die Kanzel wie auch ihren Tonfall im Gebet und in der Predigt und gebrauchten die Bibelworte (ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Volk verstanden wurden oder nicht) derart, dass kein Schauspieler der Welt die Rolle eines wahrhaft frommen Mannes besser hätte spielen können. Sie taten dies so gut, dass ein in solcher Kunst Nichtbewanderter nie den ehrgeizigen Plan, einen Aufruhr gegen den Staat anzuzetteln, hätte ahnen können, wie sie es in der Tat planten. Niemand konnte zweifeln, dass die Macht ihrer Stimme (denn dieselben Worte bei gewöhnlicher Aussprache hätten wenig Eindruck gemacht) und die zwingende Gewalt ihrer Gesten und ihres Gesichtsausdrucks aus etwas anderem hervorgehen konnten als dem Eifer, Gott zu dienen. Durch diese Kunst kamen sie zu solchem Ansehen, dass Scharen von Menschen an den Werktagen aus ihren eigenen Gemeinden zu kommen pflegten, ihre Gewerbe und an Sonntagen ihre eigenen Kirchen verließen, um sie in anderen Städten und Orten predigen zu hören, und jene Geistlichen verachteten, die nicht so gut schauspielerten wie sie. Und jene Geistlichen, die nicht zu predigen pflegten, sondern die dem Volk an Stelle von Predigten solche erbaulichen Bibelaus­ legungen vorlasen, wie sie die Kirche vorschrieb, betrachteten und bezeichneten sie als dumme Hunde.17 Zweitens: Was den Stoff ihrer Predigten angeht, weil der Zorn des Volkes über die frühere römische Besatzung noch frisch war, so erkannten sie, dass nichts günstiger wirken konnte, als gegen diejenigen anderen Punkte der römischen Religion zu predigen, die die Bischöfe noch nicht verworfen hatten, und dass, wenn sie sich so noch weiter von der päpstlichen Lehre entfernten, als die Bischöfe es taten, sie zu ihrem eigenen Ruhm einen Verdacht auf den Bischöfen ruhen lassen konnten wie auf Menschen, die noch nicht ganz vom Götzendienst gereinigt seien. Drittens: Das Gebet vor ihren Predigten war oder schien aus dem Stegreif gehalten zu sein. Sie gaben vor, der Heilige Geist

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Gottes gebe es ihnen ein, und viele im Volk glaubten es oder schienen es zu glauben. Denn jedermann von Urteil konnte sehen, dass sie keine Sorgfalt darauf verwandten, das vorzubereiten, was sie in ihren Gebeten sagen würden. Daraus entsprang eine Abneigung gegen das Common Prayer Book, das eine feste, vorbedachte Form hatte, damit die Leute sehen konnten, wozu sie Amen sagen sollten. Viertens: Sie schimpften nie oder nur andeutungsweise in ihren Predigten auf die gewinnbringenden Laster der Handelsleute oder des Handwerks, wie Verstellung, Lüge, Prellerei, Heuchelei oder andere Hartherzigkeit, außer den Mangel an christlicher Liebe gegenüber ihren Pastoren und den Gläubigen, was eine große Erleichterung für die Allgemeinheit der Bürger, zumal die Bewohner der Marktflecken, war und ihnen selbst keinen geringen Vorteil brachte. Fünftens: Sie predigten die Meinung, dass die Menschen ­i hrer Erlösung sicher seien durch das Zeugnis ihres eigenen ­privaten Geistes; damit meinten sie den Heiligen Geist, der in ihnen wohne. Aus dieser Anschauung heraus zweifelten die Menschen, die in sich einen hinreichend großen Hass gegen die Papisten verspürten und eine Fähigkeit, die Predigten dieser Leute zu Hause zu wiederholen, nicht daran, dass sie alles hätten, was zur Erlösung nötig war, wie betrügerisch und gehässig sie sich auch immer gegenüber ihren Nächsten benahmen, die nicht unter die Heiligen gerechnet wurden – und manchmal selbst gegen diese. Sechstens: Mit großem Ernst und großer Strenge wetterten sie in der Tat oft gegen zwei Sünden: fleischliche Lust und Fluchen, was ohne Frage ein sehr gutes Werk war. Aber die gewöhnlichen Leute waren dadurch zu glauben geneigt, dass nichts anderes Sünde sei außer dem, was im dritten und siebten Gebot verboten ist, denn wenige Leute verstehen unter Lust irgendeine andere fleischliche Lüsternheit als die, die im siebten Gebot untersagt ist.18 Denn man sagt gewöhnlich nicht von den Menschen, dass sie nach eines anderen Vieh oder anderen Gütern und Besitz lüstern

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sind. Daher machte man sich nie Gewissensbisse bei Betrug und Bosheit, sondern bemühte sich, sich zu hüten vor Unkeuschheit oder wenigstens vor dem Ärgernis. Und da sie sowohl in ihren Predigten als auch in ihren Schriften behaupteten und den Leuten einschärften, dass die allerersten Regungen der Seele, d. h. das Entzücken der Männer und Frauen beim Anblick der Gestalt des anderen – selbst wenn sie die Weiterentwicklung [ des Gefühls ] unter Kontrolle hatten, so dass nie eine Absicht daraus wurde –, trotz alledem eine Sünde sei, brachten sie viele junge Leute zur Verzweiflung und zu dem Glauben, sie seien verdammt, weil sie nicht ein entzückendes Ding ohne Entzücken anschauen konnten (was kein Mensch kann und was gegen die Natur des Menschen ist). Durch solche Mittel wurden sie Beichtväter für alle, die von ihrem Gewissen bedrängt wurden, und diese folgten ihnen als ihren geistlichen Ärzten in allen Gewissensfragen. B  Aber viele von ihnen predigten oft gegen Unterdrückung. A  Es ist wahr, das habe ich vergessen. Aber nur vor solchen, die davon frei genug waren, ich meine das gewöhnliche Volk, das sich leicht für unterdrückt, niemals aber für den Unterdrücker hält. Und darum darfst du dies zu ihren Kniffen rechnen, das Volk glauben zu machen, es werde vom König oder vielleicht von den Bischöfen oder von beiden unterdrückt, um dadurch die weniger Edlen auf ihre Seite zu ziehen, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Dies geschah aber nur selten in der Zeit der Königin Elisabeth, vor deren Sorge und Eifersucht sie Angst hatten. Bislang hatten sie auch noch keine ernstzunehmende Macht im Parlament, die es ihnen erlaubt hätte, die Prärogative der Königin durch Rechtsanträge oder andere Kunstgriffe in Frage zu stellen, wie sie es später taten, als demokratische Herren sie in ihren Rat aufnahmen mit dem Plan, die monarchische in eine Volksregierung zu verwandeln, welches sie Freiheit nannten. B  Wer würde denken, dass so abscheuliche Pläne wie diese so leicht und so lange unter dem Mantel der Gottseligkeit versteckt bleiben konnten? Denn dass es höchst gottlose Heuchler

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waren, ersieht man hinreichend aus dem Krieg, in den ihr Vorgehen mündete, und an den gottlosen Handlungen, die in diesem Krieg begangen wurden. Aber wann kam es im Parlament zum ersten Mal zu dem Versuch, eine Volksregierung zu errichten, und durch wen? A  Was den Zeitpunkt des Versuchs eines Regierungswechsels von der Monarchie zur Demokratie anbelangt, so müssen wir unterscheiden: Sie forderten die souveräne Herrschaft nicht in klaren Worten und unter dem richtigen Namen heraus, bis sie den König erschlagen hatten, auch nicht die Rechte einer solchen unter ihren speziellen Bezeichnungen, bis der König durch Tumulte, die sich in der Stadt erhoben, aus London verjagt war und sich seiner persönlichen Sicherheit wegen nach York zurückgezogen hatte. Er war dort erst seit wenigen Tagen, als sie ihm die Nineteen Propositions sandten, von denen über ein Dutzend Forderungen nach verschiedenen Machtbefugnissen waren, die wesentliche Teile der souveränen Gewalt ausmachten. Vorher aber hatten sie schon einige Punkte in einer Bittschrift eingefordert, die sie eine Petition of Right19 nannten. Nichtsdestoweniger hatte der König diese bereits in einem früheren Parlament gewährt, obwohl er sich damit nicht nur der Befugnis beraubte, Steuern ohne ihre Einwilligung zu erheben, sondern auch seiner üblichen gewohnheitsmäßigen Einkünfte aus Tonnagen- und Pfundzöllen und der Freiheit, solche Menschen ins Gefängnis zu werfen, die er für mutmaßliche Friedensstörer und Aufrührer im Königreich hielt. Was die Leute betrifft, die das taten, so genügt es zu sagen, dass sie Mitglieder des letzten Parlaments und einiger anderer Parlamente zur Zeit des Beginns der Regierung von König Charles und des Endes der Regierung von König James waren. Sie alle mit Namen aufzuführen, ist nicht nötig, nur insofern es der Fortgang der Erzählung erfordert. Die meisten von ihnen waren Mitglieder des House of Commons, einige wenige auch vom House of Lords; alle hatten sie eine hohe Meinung von ihren eige­ nen politischen Fähigkeiten, von denen sie der Ansicht waren,

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dass sie vom Könige nicht genügend zur Kenntnis genommen wurden. B  Wie konnte das Parlament in der Lage sein, diesen Krieg anzuzetteln, wo doch der König eine große Flotte, eine große Zahl ausgebildeter Soldaten und alle Waffenlager unter Kontrolle hatte? A  Rechtlich gesehen hatte der König all dies in der Tat, aber das bedeutete wenig, wenn diejenigen, denen die Überwachung der Flotte und der Vorräte und damit aller ausgebildeten Soldaten oblag, und in gewisser Weise alle seine Untertanen, durch die Predigten der presbyterianischen Geistlichen und durch verführerische Einflüsterungen von falschen und ignoranten Politikern zu seinen Feinden gemacht wurden und wenn der König an keine Gelder herankam außer denen, die das Parlament ihm gab, was, wie du dir denken kannst, nicht ausreichte, um seine königliche Gewalt aufrechtzuerhalten, die sie ihm nehmen wollten. Und doch glaube ich, sie hätten sich nie ins Feld gewagt, wenn nicht jene unglückliche Sache gewesen wäre, dass man den Schotten, die alle Presbyterianer waren, unser Common Prayer Book aufzwingen wollte. Denn ich glaube, die Engländer hätten es nie für gut befunden, dass das Parlament auf irgendeine Herausforderung hin Krieg gegen den König führe, es sei denn aus Selbstverteidigung in dem Fall, dass der König als erster gegen sie einen Krieg beginnen würde. Darum passte es ihnen, den König herauszufordern, damit er etwas tun würde, was so aussähe wie Feindseligkeit. Es geschah im Jahre 1637, dass der König auf den Rat, wie man vermutete, des Erzbischofs von Canterbury hin ein Common Prayer Book nach Schottland schickte, das sich inhaltlich nicht und auch in der Wortwahl kaum von dem unsrigen unterschied, außer dass an Stelle des Wortes Priester [ minister ] Presbyter stand, mit dem Befehl, es solle von jetzt ab von den dortigen Priestern (aus Gründen der Einheitlichkeit im Königreich) in der alltäglichen Form des Gottesdienstes gebraucht werden.

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Als dies in der Kirche zu Edinburgh verlesen wurde, verursachte es dort einen solchen Tumult, dass der, der es verlas, kaum mit dem Leben davonkam; das gab dem größten Teil des Adels und anderen Gelegenheit, aus eigener Machtvollkommenheit einen Bund zu schließen, den sie frech Bund mit Gott [ Covenant with God ] nannten, zu dem Zweck, das Episkopat abzuschaffen, ohne den König zu fragen.20 Dies taten sie sofort, angetrieben durch ihre eigene Zuversicht oder durch die Zusicherung von einigen der demokratischen Engländer, die in früheren Parlamenten die größten Gegner der königlichen Interessen gewesen waren, dass der König nicht in der Lage sein würde, eine Armee zu bilden, um sie zu züchtigen, ohne ein Parlament zu berufen, dessen Gunst ihnen sicher war. Denn worauf diese Demokraten vor allem abzielten, war, den König zu zwingen, ein Parlament einzuberufen, was er seit zehn Jahren nicht getan hatte, da er in den Parlamenten, die er vorher zusammenrief, keine Unterstützung, sondern nur Hindernisse für seine Pläne gefunden hatte. Aber anders als sie erwarteten, gelang es dem König indessen mit Hilfe der ihm wohlgesinnten Untertanen des hohen und des niederen Adels, eine Armee zusammenzubringen, die groß genug gewesen wäre, die Schotten zu ihrem früheren Gehorsam zu zwingen, wenn es zur Schlacht gekommen wäre. Mit dieser Armee marschierte er in Schottland ein, wo die schottische Armee ihm entgegentrat, als ob sie vorhätte zu kämpfen. Aber dann sandten die Schotten zum König mit der Bitte, in Verhandlungen zu treten durch Bevollmächtigte von beiden Seiten. Der König, der Tod und Zerstörung von seinen Untertanen abwenden wollte, ließ sich darauf ein. Das Ergebnis war Frieden, und der König ging darauf nach Edinburgh und brachte einen Parlamentsbeschluss zu ihrer Zufriedenheit durch.21 B  Bestätigte er dann nicht die bischöfliche Verfassung? A  Nein, sondern er willigte ein, dass sie abgeschafft wurde. Aber damit war die Hoffnung der Engländer auf ein Parlament durchkreuzt. Die besagten Demokraten jedoch, die früheren

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Gegner der Interessen des Königs, ließen nicht nach in ihren Bemühungen, einen Krieg zwischen den beiden Nationen anzustiften. Der König sollte die Hilfe des Parlaments zu keinem geringeren Preis als dem der Souveränität selbst erkaufen. B  Welches waren die Ursachen dafür, dass der schottische Adel so gegen das Episkopat war? Ich kann es kaum glauben, dass ihr Gewissen so außergewöhnlich empfindlich war, noch, dass sie so große Theologen waren, dass sie wissen konnten, was die wahre Kirchenverfassung sei, die unser Erlöser und seine Apos­tel eingerichtet haben; auch schätzten sie ihre Priester nicht so sehr, dass sie von ihnen in ihrer Regierung, sei es der kirchlichen, sei es der zivilen, beherrscht werden wollten. Denn in ihrem Leben waren sie genauso wie alle anderen Menschen und verfolgten ihre persönlichen Interessen und Karrieren, worin sie unter den Bischöfen nicht mehr Gegner als unter ihren presbyterianischen Geistlichen fanden. A  Ich weiß es wirklich nicht. Ich kann nicht tiefer in die Gedanken anderer eindringen, als ich durch Erwägung der menschlichen Natur im Allgemeinen geleitet werde. Aber bei dieser Erwägung sehe ich erstens, dass Leute von altem Wohlstand und Adel nicht geneigt sind, zu dulden, dass arme Gelehrte ihresgleichen sein sollen (wie sie es müssen, wenn sie zu Bischöfen gemacht werden). Zweitens, dass gemäß der eifersüchtigen Ruhmsucht unter den Nationen sie wünschen mochten, diese Nation in einen Bürgerkrieg verwickelt zu sehen, und etwa hofften, indem sie den Aufrührern hier halfen, dass sie etwas Gewalt über die Engländer bekamen, wenigstens so weit, um die presbyterianische Kirchenordnung aufrichten zu können, welches auch einer der Punkte war, die sie später offen forderten. Schließlich mochten sie in dem Krieg auf eine große Summe Geldes hoffen als eine Art Belohnung für ihre Unterstützung, abgesehen von der großen Beute, die sie anschließend erhielten. Aber was auch immer die Ursache des Hasses gegen die Bischöfe war, war doch der Sturz der Bischöfe nicht alles, wonach sie strebten. Denn wenn es so

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gewesen wäre (jetzt, da das Episkopat per Parlamentsakte abgeschafft war), hätten sie zufrieden sein müssen, was sie aber nicht waren; denn nachdem der König nach London zurückgekehrt war, hielten die englischen Presbyterianer und Demokraten, mit deren Hilfe sie in Schottland die Bischöfe abgesetzt hatten, es für Grund genug, [ im Gegenzug ] beim Sturz der Bischöfe in England die Unterstützung der Schotten zu erhalten. Zu dem Zweck mochten sie wohl mit den Schotten heimlich verhandeln, dass diese mit der Verständigung unzufrieden sein sollten, mit der sie sich vorher begnügt hatten. Wie dem auch sei – nicht lange nach der Rückkehr des Königs nach London sandten sie einigen ihrer Freunde am Hof ein gewisses Schreiben, das, wie sie behaupteten, die Artikel der besagten Verständigung enthielte: Dieses war jedoch ein gefälschtes und skandalöses Schreiben, das auf Befehl des Königs, wie ich gehört habe, öffentlich verbrannt wurde.22 So kehrten beide Seiten in die gleiche Lage zurück, in der sie sich befanden, als der König mit seinem Heer kam. B  So war also ein großer Teil des Geldes unnütz ausgegeben? Aber wer der Befehlshaber jenes Heeres war, hast du mir nicht gesagt. A  Ich sagte dir, der König war in Person dabei. Unter ihm befahl Earl of Arundel, ein Mann, dem es weder an Tapferkeit noch an Urteil gebrach. Aber die Entscheidung, ob man zum Kampf oder zu Verhandlungen schreiten sollte, lag nicht in seiner Macht, sondern in der des Königs. B  Er war ein Mann aus edler und treuer Familie, dessen Vorfahre ehemals den Schotten in ihrem eigenen Land eine schwere Niederlage beigebracht hatte, und wahrscheinlich hätte er ihnen eine gleiche beibringen können, wenn es zum Kampf gekommen wäre. A  Er hätte es wohl, aber es war doch mit einer Art Aberglauben verbunden, ihn gerade deshalb zum General zu machen, wobei schon viele Generäle auf Grund des Glücks ihrer Vorfahren bei ähnlichen Gelegenheiten ausgewählt worden waren. In dem

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langen Krieg zwischen Athen und Sparta errang ein General der Athener zur See viele Siege gegen die Spartaner, darum wählten sie nach seinem Tod seinen Sohn mit schlechtem Erfolg zum Anführer. Die Römer, die durch die Tapferkeit und unter der Führung des Scipio Karthago eroberten, wählten, als sie wieder in Afrika Krieg gegen Cäsar führten, einen anderen Scipio zum Heerführer, einen Mann, tapfer und weise genug, aber er kam bei der Sache um. Und nun, um zu unserer eigenen Nation zurückzukommen: Der Earl of Essex unternahm eine glückliche Expedition nach Cadiz, aber als sein Sohn später an denselben Ort geschickt wurde, konnte er nichts ausrichten.23 Es ist nur ein törichter Aberglaube zu hoffen, dass Gott Erfolg im Krieg an einen Namen oder an eine Familie geknüpft hat. B  Was geschah nun nach dem Bruch des Friedens als nächstes? A  Der König schickte den Duke of Hamilton nach Schottland mit der Bevollmächtigung und Instruktionen, dort ein Parlament einzuberufen und alle Mittel, die er anwenden konnte, einzusetzen. Aber alles war zwecklos; denn die Schotten waren nun entschlossen, ein Heer aufzustellen und in England einzumarschieren, um, wie sie vorgaben, ihre Beschwerden Seiner Majestät in einer Petition vorzutragen, weil der König, wie sie sagten, unter dem Einfluss schlechter Ratgeber stehe und sie nicht anders zu ihrem Recht kommen könnten. Aber in Wahrheit waren sie durch die demokratischen und presbyterianischen Engländer dazu angespornt worden mit der Verheißung einer Belohnung und der Hoffnung auf Beute. Einige haben gesagt, dass der Duke of Hamilton sie eher zu der Expedition ermutigte, als sie von derselben abzuhalten, da er hoffte, durch den Aufruhr in den beiden Königreichen es so weit zu bringen, sich selber zum König von Schottland zu machen, wessen man ihn früher einmal bezichtigt hatte. Aber ich halte es für ein sehr liebloses Urteil, auf Grund schwacher Belege so hart über einen Mann zu richten, der nachher sein Leben verlor, als er versuchte, dem König, seinem Herrn, die Freiheit zu retten.

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Nachdem der Entschluss der Schotten, in England einzufallen, bekannt wurde, brauchte der König Geld, um ein Heer gegen sie aufzustellen, und war nun, wie seine Feinde es wünschten, gezwungen, ein Parlament in Westminster am 13. April 1640 zusammenzurufen.24 B  Ein solches Parlament, denke ich, hätte, wenn je, bei dieser Gelegenheit dem König Geld bewilligen müssen zu einem Krieg gegen die Schotten aus einer eingewurzelten Abneigung gegen diese Nation, die früher immer zu ihren Feinden, den Franzosen, gehalten und für die der Ruhm Englands immer als eine Beeinträchtigung ihres eigenen Ruhmes gegolten hatte. A  In der Tat sind Nachbarnationen gewöhnlich neidisch auf den Ruhm der jeweils anderen und die schwächere ist boshafter, aber das hindert sie nicht zusammenzustehen, wo es das gemeinsame Ziel erfordert. So fand der König nicht umso mehr, sondern umso geringere Hilfe beim Parlament, und die meisten Mitglieder desselben schienen sich in ihren persönlichen Gesprächen zu wundern, warum der König Krieg gegen Schottland führen sollte. Und in diesem Parlament sprachen sie zuweilen von „ihren schottischen Brüdern“. Aber anstatt über des Königs Angelegenheiten, d. h. über die Aufbringung der Gelder, zu beraten, verhandelten sie über die Erledigung von Beschwerden, insbesondere über jene Arten von Besteuerung, die der König während der Aussetzung des Parlaments anzuwenden gezwungen war, wie Ship-money,25 Gebühren für Ritterschlag und andere Liebesgaben [ vailes ] (wie man sie nennen mag) für das königliche Amt, die Juristen auf Grund der alten Urkunden des Königreiches für gerechtfertigt hielten. Außerdem fielen sie über die Handlungen verschiedener Staatsminister her, obgleich diese nur auf Geheiß und mit Vollmacht des Königs geschahen. So, ehe sie dazu gekommen wären, das für diesen Krieg notwendige Geld zu bewilligen – und darum waren sie doch berufen –, wären sie zu spät gekommen, selbst wenn sie etwas gegeben hätten, was sie doch niemals beabsichtigten. Zwar wurde von einer Summe Geldes gesprochen, die

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dem König übergeben werden sollte als Entgelt für das Aufgeben seines Rechtes auf das Ship-money und einige andere Vorrechte, aber so selten und ohne die Summe zu bestimmen, dass es für den König müßig war, auf Erfolg zu hoffen, und darum löste er am 5. Mai das Parlament auf. B  Woher hatte denn der König Geld, um sein Heer anzuwerben und zu besolden? A  Er war zum zweiten Mal gezwungen, den Adel und andere Grundbesitzer anzugehen, die teils mehr, teils weniger beisteuerten, je nach der Größe ihrer Güter; aber im Ganzen brachten sie ein beträchtliches Heer auf die Beine. B  Es scheint, dass dieselben Männer, die seine Angelegenheit im Parlament durchkreuzten, diese nun außerhalb des Parlaments nach Kräften unterstützten. Welches war der Grund dafür? A  Der größte Teil der Lords im Parlament und der Junker in ganz England war mehr für die Monarchie als für eine Volks­ regie­rung, wollte aber nichts von der absoluten Macht des Königs hören. Das veranlasste sie, in der Zeit des Parlaments sich leicht herbeizulassen, jene zu beschneiden, und die Regierung zu einer gemischten Monarchie zu machen – wie sie es nannten –, worin die oberste Gewalt zwischen dem König, dem House of Lords und dem House of Commons geteilt werden sollte. B  Aber wie, wenn sie sich nicht verständigen können? A  Ich glaube, das haben sie nie bedacht. Aber ich bin sicher, sie wollten nie, dass die Souveränität ganz in der Hand eines oder beider Häuser liege. Außerdem waren sie abgeneigt, den König zu verlassen, wenn er von Fremden angegriffen wurde, denn die Schotten waren für sie eine fremde Nation. B  Es scheint mir sonderbar, dass England und Schottland, die doch eine einzige Insel bilden, deren Sprache beinahe dieselbe ist und die von einem König regiert werden, sich doch gegenseitig als Fremde ansehen. Die Römer waren Herren über viele Völker, und um diese stärker zu verpflichten, den Edikten und Gesetzen zu gehorchen, die ihnen von Rom gesandt wurden, hielten sie es

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für das geeignete Mittel, sie alle zu Römern zu machen und aus verschiedenen Nationen, wie Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich, einige, die sie für würdig hielten, zu Senatoren von Rom zu befördern und jedem aus dem gemeinen Volk das römische Bürgerrecht zu geben, wodurch sie gegen die Kränkungen anderer Nationen, wo sie wohnten, beschützt wurden. Warum waren die Engländer und Schotten nicht in gleicher Weise zu einem einzigen Volk vereinigt? A  König James versuchte es zuerst, als er die englische Krone erhielt, konnte aber nicht durchdringen. Aber trotzdem glaube ich, dass die Schotten jetzt ebenso viele Vorrechte in England haben wie irgendeines der Völker, welche, wie du sagst, zu Römern gemacht worden waren, in Rom hatte. Denn sie sind alle eingebürgert und haben das Recht, für sich und ihre Erben in England Land zu kaufen. B  Das stimmt, es gilt für alle, die in Schottland nach der Zeit geboren wurden, in der König James im Besitz der Königswürde von England war. A  Es mag jetzt nur sehr wenige geben, die vorher geboren sind. Aber warum haben die Spätergeborenen besseres Recht als die, die vorher geboren wurden? B  Weil sie bei ihrer Geburt Untertanen des Königs von England waren und die übrigen nicht. A  Waren nicht die Übrigen bei ihrer Geburt Untertanen des Königs James und war er nicht König von England? B  Ja, aber damals noch nicht. A  Ich verstehe die Spitzfindigkeit dieser Unterscheidung nicht. Auf welches Gesetz ist denn jener Unterschied begründet? Gibt es eine bestimmte Satzung darüber? B  Ich kann es nicht sagen, ich denke nicht. Aber er ist auf Billigkeit gegründet. A  Ich sehe wenig Billigkeit darin, dass jene Nationen, die zu gleichem Gehorsam demselben König gegenüber verpflichtet sind, nicht gleiche Rechte haben sollen. Und jetzt, da ich sehe,

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dass es so Wenige gibt, die geboren wurden, bevor König James an die Macht kam, welche größeren Vorrechte hatten jene eingepflanzten Römer durch ihre Einbürgerung im römischen Reich oder im englischen Staat die Engländer gegenüber den Schotten? B  Jene Römer, wenn ja einige von ihnen in Rom waren, hatten Stimmrecht im Gesetzgebungsverfahren. A  Und die Schotten haben ihre Parlamente, wo ihre Zustimmung zu den dort geschaffenen Gesetzen erforderlich ist, was ebenso gut ist. Haben nicht viele französische Provinzen ihre verschiedenen Parlamente und Verfassungen? Und doch sind sie alle gleiche natürliche Untertanen des Königs von Frankreich. Deshalb denke ich für meinen Teil, dass es bei Engländern und Schotten immer ein Fehler war, sich gegenseitig Fremde zu nennen. Wie dem auch sei, der König hatte eine völlig ausreichende Armee, mit der er nach Schottland marschierte, und als er nach York kam, war das schottische Heer an der Grenze zusammengezogen und bereit, in England einzufallen, was sie auch sofort taten. Auf dem ganzen Wege machten sie bekannt, dass ihr Vormarsch ohne Schaden für das Land sein solle und ihre Aufgabe nur darin bestehe, dem König eine Petition zu überreichen, damit er viele angebliche Verletzungen abstelle, die sie von denen vom Hofe erlitten hatten, deren Rat der König meistens folgte. So marschierten sie ruhig durch Northumberland, bis sie zu einer Furt des Tyne kamen, ein wenig oberhalb von Newcastle, wo sie auf etwas Widerstand stießen durch einen Teil des königlichen Heeres, der dorthin gesandt worden war, um sie aufzuhalten. Dieses wurden die Schotten bald Herr, und sobald sie hinüber waren, bemächtigten sie sich Newcastles und, weiter vorgehend, der Stadt Durham und schickten zum König, um eine Unterhandlung zu erbitten, die auch gewährt wurde. Die Unterhändler beider Parteien trafen sich bei Ripon. Sie beschlossen, dass alles dem Parlament vorgelegt werden solle, das der König am 3. des kommenden November in Westminster zusammenrufen sollte, also im selben Jahr 1640 – und darauf kehrte der König nach London zurück.

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B  Die Heere wurden also aufgelöst? A  Nein. Für das schottische Heer sollten die Grafschaften von Northumberland und Durham die Kosten tragen und der König sollte sein eigenes Heer bezahlen, bis die Auflösung beider Heere im Parlament beschlossen sei. B  So waren im Ergebnis auf Kosten des Königs beide Heere unter Waffen, und der ganze Streit sollte durch ein Parlament, das fast ganz aus Presbyterianern bestand, entschieden werden, natürlich den Schotten gegenüber so parteiisch, wie sie selbst es nur hätten wünschen können. A  Und doch wagten sie bei alledem jetzt noch keinen Krieg gegen den König: Es war noch so viel Ehrfurcht in den Herzen der Leute für ihn, dass sie sich missliebig gemacht hätten, wenn sie erklärt hätten, was sie wollten. So mussten sie irgendeinen Vorwand haben, um glaubhaft zu machen, der König habe zuerst das Parlament angegriffen. Außerdem hatten sie ihn und seine Handlungen in Predigten und Schmähschriften noch nicht genügend in Verruf gebracht und hatten noch nicht alle, von denen sie glaubten, sie könnten den König am besten beraten, von ihm entfernt. Darum beschlossen sie, wie geschickte Jäger mit ihm zu verfahren und ihn zunächst abzusondern, und zwar durch Leute, die ihn durch ihren Lärm von allen Seiten ins offene Feld treiben sollten, und anschließend, falls er sich zu wenden schien, dies als eine Kriegserklärung gegen das Parlament auszulegen. Zunächst zogen sie jene in Zweifel, die entweder durch Predigt oder durch Schrift irgendwelche Rechte verteidigt hatten, die sie, da sie zur Krone gehörten, dem König abzunehmen und an sich zu reißen gedachten, worauf einige Prediger und Schriftsteller gefangen gesetzt oder zur Flucht gezwungen wurden. Da der König sie nicht beschützte, gingen sie dazu über, einige der eigenen Handlungen des Königs an seinen Ministern zu beanstanden, worauf wieder einige ins Gefängnis geworfen wurden und einige ins Exil gingen. Als einige Personen, die in Schrift und Predigt sich bemüht hatten, das Volk zu verführen, und die einige andere

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politische Verbrechen [ crimes of high nature ] begangen hatten, durch königlichen Rat im Star Chamber verurteilt und inhaftiert wurden, befahl das Parlament kraft seiner eigenen Autorität ihre Freilassung, um zu erproben, wie der König und das Volk dies aufnehmen würden (denn ihre Personen waren unbedeutend). Dies geschah auch unter großem Beifall des Volkes, das sich in London triumphierend um sie scharte. Nachdem dies ohne Widerstand geschehen war, zogen sie des Königs Recht auf Shipmoney in Zweifel. B  Ship-money? Was ist das? A  Die Könige von England hatten zur Seeverteidigung das Recht, allen Grafschaften Steuern aufzuerlegen, ob sie nun an der See lagen oder nicht, zum Zwecke des Schiffsbaus und der Schiffsausrüstung. Der König hatte vor kurzem Grund gefunden, diese Steuern zu erheben, und das Parlament lehnte sich dagegen auf wie gegen eine Unterdrückung. Ein Parlamentsmitglied, das mit nur zwanzig Schilling besteuert worden war (beachte die Unterdrückung, ein Abgeordneter mit fünfhundert Pfund im Jahr wird mit zwanzig Schilling besteuert), verweigerte die Zahlung, um die Sache vor Gericht zu bringen, und wurde verurteilt.26 Als wiederum alle Richter von Westminster gebeten wurden, über die Gesetzlichkeit dieser Sache ihre Meinungen abzugeben, hielten zehn von zwölf Richtern die Angelegenheit für rechtsgültig. Sie wurden dafür nicht bestraft, aber doch vom Parlament in Furcht versetzt. B  Was meinte das Parlament damit, dass sie das Urteil für unrechtmäßig erklärten? Meinten sie, dass es gegen das geschriebene Gesetz des Landes27 verstoße oder gegen die Urteile, die von Juristen diesbezüglich abgegeben wurden und die man gewöhnlich Spruchsammlungen nennt, oder meinten sie, dass es gegen die Billigkeit sei, was nach meinem Dafürhalten gleichbedeutend mit dem Naturrecht ist? A  Es ist harte Arbeit oder beinahe unmöglich zu erfahren, was andere Menschen meinen, besonders wenn sie schlau sind, aber ich bin sicher, Billigkeit war nicht der Grund für diesen Anspruch

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auf Befreiung vom Tribut an den König, sondern es geschah aus ihrer persönlichen Willkür. Denn wenn sie die Last, das ganze Königreich zu verteidigen und zu regieren, irgendeiner Person übertragen haben, dann liegt darin wenig Billigkeit, wenn diese ihrerseits hinsichtlich der Mittel zur Ausführung von anderen abhängig ist. Ist dies der Fall, dann sind sie sein Souverän, nicht er der ihrige. Was das gemeine Recht betrifft, das in Spruchsammlungen enthalten ist, so haben diese keine Macht außer der, die der König ihnen gibt. Außerdem wäre es unvernünftig, dass der ungerechte Richterspruch eines bestechlichen oder törichten Richters zu irgendeiner Zeit und für welchen Zeitraum auch immer die Autorität und die Kraft eines Gesetzes erhalten sollte. Aber unter den geschriebenen Gesetzen gibt es eines, genannt Magna Charta oder Great Charter of the liberties of Englishmen, in dem ein früherer König eingewilligt hat, dass kein Mensch gepfändet, d. h. seiner Güter beraubt werden darf, es sei denn nach dem Recht des Landes. B  Ist das nicht eine hinreichende Grundlage für ihren Zweck? A  Nein. Es lässt uns gerade in demselben Zweifel, von dem du annimmst, dass es ihn aufklärt. Denn wo war das Recht des Landes damals? Meinten sie eine andere Magna Charta, die von einem noch früheren König gemacht wurde? Nein. Das Gesetz wurde nicht gemacht, um irgendjemanden von öffentlichen Zahlungen zu befreien, sondern um jedermann vor solchen Leuten zu sichern, die des Königs Gewalt missbrauchen durch die Erschleichung von königlichen Vollmachten, um diejenigen zu unterdrücken, mit denen er sich im Rechtsstreit befand. Aber es förderte die Zwecke einiger aufrührerischer Geister in diesem Parlament, es im unrechten Sinne auszulegen, und war gerade recht für das Verständnis der übrigen oder des größten Teils von ihnen, um es durchgehen zu lassen. B  Du machst aber die Parlamentsmitglieder zu sehr einfältigen Menschen, und doch wählte das Volk sie als die Klügsten des Landes.

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A  Wenn List Klugheit ist, dann waren sie klug genug; aber klug, wie ich es definiere, ist derjenige, der seine Angelegenheiten auszuführen weiß mittels der alleinigen Kraft seines Scharfsinns (ohne Hilfe von Schurkerei und wenig ehrenvollen Tricks). Ein Narr kann gegen einen besseren Spieler gewinnen durch den Vorteil falscher Würfel und falscher Karten. B  Nach deiner Definition gäbe es heute sehr wenige kluge Leute. Solche Klugheit ist eine Art Vornehmheit, zu der wenige erzogen werden und die die meisten für töricht halten. Schöne Kleider, große Federn, Höflichkeit gegenüber Menschen, die keine Grobheiten hinnehmen, und Grobheit gegenüber denen, die diese einstecken: das ist die gegenwärtige Galanterie. Aber als das Parlament später, nachdem die Macht in seine Hände gelangt war, Geld erhob für eigenen Nutzen, was sagte das Volk dazu? A  Was sonst, als dass es gesetzlich sei und man es bezahlen müsse, weil es durch Parlamentsbeschluss auferlegt sei? B  Ich habe oft gehört, dass sie zahlen mussten, was ihnen auf Parlamentsbeschluss auferlegt war für den Gebrauch des Königs, aber früher niemals etwas für ihren eigenen Gebrauch. Ich sehe daraus: Es ist leichter, die Menge zu betrügen als irgendeinen Einzelnen unter ihnen. Denn welcher Mann, dem sein natürliches Urteilsvermögen nicht zufällig abhanden gekommen ist, könnte so leicht in einer Sache, die seinen Geldbeutel angeht, überzeugt werden, wenn er durch die anderen nicht leidenschaftlich fortgerissen wäre zu einer Änderung der Regierung oder zu einer Freiheit für jeden, sich selbst zu regieren? A  Urteile, welche Leute eine solche Menge unwissenden Volkes wahrscheinlich zu ihren Deputierten und Grafschaftsvertretern wählen würden. B  Ich kann kein anderes Urteil fällen, als dass die damals Gewählten gerade solche waren, wie sie auch in frühere Parlamente gewählt wurden und wie sie wahrscheinlich auch in kommende Parlamente gewählt werden. Denn die gemeinen Leute waren und werden immer unwissend sein hinsichtlich ihrer Pflicht dem

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Gemein­wohl [  public ] gegenüber, da sie nie über andere Dinge als ihre Einzelinteressen nachdenken. In anderen Dingen folgen sie ihren unmittelbaren Führern, die entweder Priester sind oder die mächtigsten Edelleute, die unter ihnen wohnen, so wie gewöhnliche Soldaten zumeist ihren unmittelbaren Hauptleuten folgen, wenn diese bei ihnen beliebt sind. Wenn du denkst, das vergangene Elend habe sie klüger gemacht, so irrst du dich, das wird schnell vergessen sein, und dann werden wir nicht klüger sein als vorher. A  Warum bringt man den Leuten nicht ihre Pflichten bei, d. h. das Wissen um Recht und Unrecht, wie so viele andere Wissenschaften gelehrt worden sind nach wahren Grundsätzen und klarliegender Beweisführung? Das wäre viel leichter, als Aufruhr und Verrat zu lehren wie manche jener Priester und demokra­ tischen Edelleute es taten. B  Aber wer kann lehren, was keiner gelernt hat? Oder wenn jemand ausnahmsweise die Wissenschaft von Gerechtigkeit und Billigkeit studiert hat, wie kann er solches unangefochten lehren, wenn es gegen das Interesse derer ist, welche die Macht haben, ihm zu schaden? A  Die Regeln von Recht und Unrecht, genügend bewiesen und an Prinzipien klargemacht, dass auch die geringste geistige Fähigkeit sie erkennen muss, haben nicht gefehlt, und trotz der Unbekanntheit ihres Autors haben sie nicht bloß in diesem, sondern auch in fremden Ländern allen Männern von guter Bildung geleuchtet. Aber das sind wenige im Vergleich zu den übrigen Menschen, von denen viele nicht lesen können. Viele haben, obwohl sie lesen können, keine Zeit; und von denen, die Muße haben, ist der größte Teil geistig völlig beschäftigt und geht in Privat­ geschäften und Vergnügungen auf, so dass es unmöglich ist, dass die große Menge jemals ihre Pflicht lernt außer von der Kanzel und an Feiertagen. Aber damals, gerade von der Zeit an, lernten sie ihren Ungehorsam. Deshalb war das Licht dieser Lehre bisher verdeckt und von einer Menge von Gegnern unterdrückt worden,

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die keines Privatmannes Ruf überwinden konnte, ohne die Auto­ rität der Universitäten zu Hilfe zu nehmen. Aber von den Universitäten kamen alle jene Priester, die das Gegenteil lehrten. Die Universitäten sind dieser Nation das gewesen, was das hölzerne Pferd den Trojanern war. [ B Kannst du mir erklären, wie und wann hier und an anderen Orten zuerst Universitäten gegründet wurden? A  Es scheint, dass sie unter der Regierung Karls des Großen errichtet wurden. Ich bezweifle nicht, dass es vor dieser Zeit viele Elementarschulen für die lateinische Sprache gab, welche die natürliche Sprache der römisch-katholischen Kirche war, aber was die Einrichtung von Universitäten anbetrifft, d. h. Schulen für die Wissenschaften im Allgemeinen und insbesondere für Theologie, so wurde ihre Einrichtung offenbar erst durch den Brief des Papstes an Kaiser Karl den Großen empfohlen und später durch ein Konzil, das in dieser Zeit abgehalten wurde, ich glaube, es war das von Chalons-sur-Saone. Nicht lange danach wurden eine Universität in Paris und das sogenannte University College von Oxford errichtet.28 So gelangten zuletzt die Universitäten allmählich durch die Beiträge, die Bischöfe, Adelige, reiche Männer, einige Könige und Königinnen beisteuerten, zu ihrem gegenwärtigen Glanz. ] B  Was war des Papstes Plan, als er die Universitäten gründete? A  Welch andere Absicht konnte er haben als die, die du vorhin gehört hast, nämlich die Stärkung seiner eigenen Autorität in den Ländern, in denen die Universitäten errichtet wurden? Dort lernten sie, für ihn zu disputieren und mit unverständlichen Unterscheidungen die Augen der Menschen zu blenden, während sie das Recht der Könige schmälerten. Es war ein augenscheinlicher Beweis für diese Absicht, dass sie mit der Arbeit so schnell anfingen, denn der erste Rektor der Universität von Paris war (wie ich irgendwo gelesen habe) Petrus Lombardus, der dort als erster das Lehrfach der scholastischen Theologie einführte. Er wurde von Johannes Duns Scotus unterstützt, der ungefähr um dieselbe Zeit

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lebte. Diese beiden hätte jeder gescheite Leser, der nicht wüsste, dass Absicht darin lag, für zwei der größten Dummköpfe der Welt gehalten, so dunkel und sinnlos sind ihre Schriften. Und von diesen lernten die Scholastiker, die ihnen nachfolgten, das Kunststück, alles, wozu sie Lust hatten, ihren Lesern weiszumachen und die Kraft des wahren Verstandes abzubiegen durch Wortzangen: Ich meine damit Unterscheidungen, die nichts bedeuten und nur dazu dienen, die Menge unwissender Leute in Erstaunen zu versetzen. Verständige Leser gab es so wenige, dass diese neuen erhabenen Doktoren sich nicht darum kümmerten, was jene dachten. Diese Scholastiker sollten alle Glaubensartikel gutheißen, die die Päpste von Zeit zu Zeit zu glauben befahlen, unter welchen sich sehr viele befanden, die mit den Rechten der Könige oder anderer weltlicher Herrscher unvereinbar waren und dem Papst alle Autorität zusprachen, was auch immer sie für notwendig in ordine ad spiritualia erklären sollten, d. h. für die Religion. Aus den Universitäten gingen auch alle Priester hervor und ergossen sich über Stadt und Land, um das Volk in einen unbedingten Gehorsam gegenüber dem Kanon und den Befehlen des Papstes hineinzuschrecken, die sie aber noch nicht Gesetze zu nennen wagten, aus Furcht, die Könige und Fürsten dadurch zu sehr zu schwächen. Von den Universitäten wurde auch die aristotelische Philosophie zum Bestandteil der Religion gemacht, da sie eine große Anzahl absurder Artikel stützte, welche die Natur des Körpers Christi und den Zustand der Engel und Heiligen im Himmel betrafen; und diese Artikel hielten sie für geeignet, Glaubenssätze zu werden, weil sie einigen von ihnen Gewinn, anderen Ehrfurcht vor dem Klerus, selbst für den Geringsten unter ihnen, brachten. Denn wenn sie das Volk glauben gemacht haben, dass der Geringste unter ihnen den Körper Christi machen konnte, möchte ich sehen, wer ihnen gegenüber keine Ehrfurcht zeigen wollte und nicht freigebig ihnen oder der Kirche gegenüber wäre, besonders

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in der Zeit einer Krankheit oder wenn sie denken, jene machen und bringen ihnen den Heiland. B  Aber welchen Vorteil brachte ihnen die aristotelische Lehre bei diesen Betrügereien? A  Mehr Gebrauch machten sie von seiner Dunkelheit als von seiner Lehre. Keine Schrift der antiken Philosophen ist mit denen des Aristoteles zu vergleichen bezüglich der Geschicklichkeit, mit denen sie Menschen mit Worten verwirren und Dispute aus­hecken, die schließlich in den Entscheidungen der römischen Kirche enden mussten. Und trotzdem machten sie Gebrauch von vielen Punkten dieser Lehre des Aristoteles, wie zum Beispiel ­zuerst von der Lehre von den getrennten Wesenheiten [ essences ]. B  Was sind getrennte Wesenheiten? A  Getrennte Seinsformen [ beings ]. B  Wovon getrennt? A  Von allem, was ist. B  Ich verstehe nicht das Sein eines Dinges, das nicht sein soll. Aber was können sie daraus machen? A  Sehr viel in Fragen, die die Natur Gottes und den Zustand der Seele nach dem Tod im Himmel, in der Hölle und im Fegefeuer betreffen. Du und jedermann wissen ja, wie groß der Gehorsam ist und wie viel Geld sie mit diesen Mitteln vom gemeinen Volk verdienen. Aristoteles dagegen hält die Seele für die erste Ursache der Bewe­gung des Körpers und infolgedessen der Seele selbst. Sie ­machen Gebrauch davon in der Lehre vom freien Willen. Wie und was sie dadurch gewinnen, will ich nicht sagen. Er sagt weiter, dass es viele Dinge in dieser Welt gibt, die aus keiner kausalen Notwendigkeit hervorgehen, sondern aus bloßem Zufall, von ungefähr und durch Glück. B  Mich dünkt, damit machen sie Gott überflüssig und zum bloßen Zuschauer beim Spiel des Schicksals. Denn wovon Gott die Ursache ist, das muss notwendig geschehen und (meines Erachtens) sonst nichts. Aber weil es einen Grund für die Gerech-

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tigkeit der ewigen Qual der Verdammten geben muss, so ist es vielleicht dieser, dass Wille und Neigungen des Menschen nicht in Gottes Hand sind (so denken sie), sondern in ihrer Hand, und hierin sehe ich auch etwas, was zur Autorität der Kirche führt. A  Das ist nicht viel. Auch Aristoteles stand bei ihnen nicht in solchem Ansehen, dass sie ihn nicht beiseiteschieben konnten, wenn seine Meinung gegen die ihre stand. Was er auch immer als unmöglich in der Natur betrachtet, können sie gut genug als möglich beweisen durch die Allmacht Gottes, der an ein und demselben Ort viele Körper und einen Körper zur gleichen Zeit an vielen Orten haben kann, wenn die Lehre von der Transsubstantiation es erfordert, obgleich Aristoteles dies leugnet. Ich habe nichts für die Absicht übrig, die Religion zu einer Wissenschaft zu machen, wo sie doch ein Gesetz sein sollte. Obwohl sie nicht in allen Ländern die gleiche ist, so ist sie doch in jedem Land unbestreitbar. Auch liebe ich es nicht, dass sie sie so lehren, wie Wissenschaften gelehrt werden müssen, indem sie zuerst die Bedeutung ihrer Ausdrücke klarlegen, um dann die Wahrheiten daraus abzuleiten, die sie uns glauben machen wollen. Zudem sind ihre Ausdrücke zum größten Teil unverständlich. Doch, um es so erscheinen zu lassen, als sei es eher Mangel an Gelehrsamkeit beim Leser als Mangel an Ehrlichkeit bei ihnen selbst, handelt es sich hierbei größtenteils um lateinische und griechische Worte, die etwas in die Landessprache der Länder, wo sie benutzt werden, verdreht werden. Aber was am wenigsten geduldet werden sollte, ist, dass alle Geistlichen gezwungen sind, so zu tun, als glaubten sie selber daran, wenn sie irgendeine kirch­ liche Beförderung erlangen wollen, deren Erfüllung in der Hand des Papstes liegt. Und die gewöhnlichen Leute, was sie auch immer von diesen spitzfindigen Lehren glauben mögen, werden niemals wegen deren Erlernung für bessere Söhne der Kirche gehalten werden. Es gibt dort nur einen Weg zum Seelenheil: das ist außerordent­liche Frömmigkeit und Freigebigkeit gegenüber der

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Kirche und die Bereitwilligkeit, wenn diese es fordert, für der Kirche Heil gegen die natürlichen und gesetzlichen Herrscher zu kämpfen. B  Ich verstehe, wie sie Aristoteles’ Logik, Physik und Metaphysik in Anspruch nehmen, aber ich sehe noch nicht, wie seine Politik ihren Zielen nutzbar sein könnte. A  Ich auch nicht; sie hat, wie ich denke, ihnen nichts Gutes gestiftet, obgleich sie uns zufällig viel Schaden gebracht hat. Denn die Leute, die der Anmaßung der Priester schließlich müde wurden und die Wahrheit jener Lehren prüften, die ihnen auferlegt wurden, begannen den Sinn der Heiligen Schrift zu untersuchen, wie er in den gelehrten Sprachen niedergelegt ist, und wurden deshalb, indem sie Griechisch und Latein studierten, bekannt mit den demokratischen Grundsätzen von Aristoteles und Cicero, und aus Liebe zu deren Beredsamkeit wurden sie für deren Politik mehr und mehr eingenommen, bis es in die Empörung ausartete, von der wir jetzt sprechen, ohne einen anderen Vorteil für die römische Kirche zu bringen als eine Schwächung für uns, die sie, seit wir zur Zeit Henrys VIII. aus ihrem Netz ausbrachen, ­beständig sich bemüht wieder einzufangen. B  Was haben sie gewonnen, indem sie die Ethik des Aristoteles lehrten? A  Es gereicht ihnen zum Vorteil, dass weder Aristoteles’ Morallehre noch die irgendeines anderen ihnen etwas Böses oder uns etwas Gutes gebracht hat. Ihre Lehre hat eine große Anzahl Dispute über Laster und Tugend hervorgebracht, aber keine Kenntnis dessen, worum es sich bei diesen handelt, noch eine Methode, wie man Tugend erlangt oder das Laster vermeidet. Das Ziel der Moralphilosophie ist, alle Arten von Menschen ihre Pflichten zu lehren sowohl gegenüber dem Staat [ public ] als auch gegeneinander. Sie schätzen die Tugend, einerseits weil sie eine Mäßigung der menschlichen Leidenschaften mit sich bringt, andererseits, weil sie gelobt werden. Indessen macht nicht das Viel oder Wenig eine Handlung tugendhaft, sondern ihre Ur­

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sache; auch macht nicht das Viel oder Wenig eine Handlung lasterhaft, sondern das Nichtübereinstimmen mit den Gesetzen bei solchen Leuten, die dem Gesetz untertan sind, oder das Nichtübereinstimmen mit Billigkeit und Nächstenliebe bei allen Menschen überhaupt. B  Mir scheint, du machst einen Unterschied zwischen der Ethik der Untertanen [ subjects ] und der Ethik der Herrscher [ sove­reigns ]. A  Ja, das tue ich. Die Tugend des Untertanen besteht ganz und gar im Gehorsam gegenüber den Gesetzen des Staates [ Common wealth ]. Den Gesetzen zu gehorchen ist recht und billig, das ist das Naturrecht und dadurch auch das bürgerliche Recht bei a­ llen Nationen der Welt. Und nichts anderes ist ungerecht und unbil­lig als das, was gegen das Gesetz verstößt. Entsprechend ist Gehorsam gegen das Gesetz die Klugheit des Untertanen, denn ohne diesen Gehorsam kann der Staat [ Common wealth ], welcher jedermanns Sicherheit und Schutz ist, nicht bestehen. Obgleich es schon für Privatpersonen klug ist, gerecht und moderat nach Reichtum zu streben, so ist doch das geschickte Zurückhalten oder Hinterziehen desjenigen Teils ihrer Güter dem Staat [ ­public ] gegenüber, der durch das Gesetz gefordert wird, kein Zeichen von Klugheit, sondern eines Mangels an Kenntnis dessen, was zu ihrer eigenen Verteidigung notwendig ist. Die Tugenden der Herrscher zielen auf Erhaltung des Friedens im eigenen Lande und Widerstand gegen fremde Feinde. Tapferkeit ist eine königliche Tugend, und obgleich sie vonnöten sein mag für solche Privatleute, die Soldaten werden sollen, so ist es doch für andere Menschen besser, weniger zu wagen, besser sowohl für den Staat [ Common wealth ] wie für sie selbst. Sparsamkeit ist (obgleich du das seltsam finden wirst) auch eine könig­ liche Tugend, denn sie vermehrt den allgemeinen Schatz, der gar nicht groß genug sein kann für den allgemeinen Nutzen, auch kann niemand zu sparsam sein mit dem, was er für das Wohl anderer in Obhut hat. Großzügigkeit [ liberality ] ist auch eine

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königliche Tugend, denn der Staat [ Common wealth ] kann gar nicht gut verwaltet werden ohne außergewöhnlichen Fleiß und Dienstbeflissenheit der Minister und große Treue ihrem Herrscher gegenüber; diese sollten deshalb ermutigt werden, besonders diejenigen, die ihm im Kriege dienen. Zusammengefasst: Alle Handlungen und Gewohnheiten sind als gut oder schlecht zu bewerten nach ihren Gründen und ihrer Nützlichkeit für das Gemeinwesen [ Common wealth ] und nicht nach ihrer Mäßigkeit, auch nicht wegen des Lobes, das ihnen zuteilwird. Denn verschiedene Menschen preisen verschiedene Sitten, und das, was dem einen eine Tugend ist, wird von anderen getadelt und umgekehrt. Was der eine Laster nennt, nennt ein anderer Tugend, gerade wie ihre augenblicklichen Neigungen sie leiten. B  Mir scheint, du hättest noch die Religion, die nach meiner Meinung doch die größte aller Tugenden ist, unter diese einfügen können. A  Die ist schon dabei; doch scheint es mir, du hast es nicht bemerkt. Aber wohin schweifen wir von unserem Wege ab? B  Ich glaube, du bist überhaupt nicht abgeschweift, denn ich denke, dein Ziel war, mich mit der Geschichte bekannt zu machen, nicht so sehr jener Handlungen, die in der Zeit der kürz­ lichen Unruhen geschahen, als vielmehr mit ihren Ursachen und mit den Ratschlägen und den Kunstgriffen, durch welche sie zuwege gebracht wurden. Es gibt verschiedene Leute, die die Geschichte geschrieben haben, von denen ich gelernt haben könnte, was sie taten, und ebenfalls auch etwas von den Kniffen; aber ich finde wenig darin, was ich fragen möchte. Da es dir gefiel, auf meine Bitte in diesen Diskurs einzutreten, bitte ich dich auch, mich nach meiner eigenen Methode zu informieren. Und damit wir deshalb nicht in Verwirrung geraten, will ich dich an den Ort zurückführen, von wo ich ausging, denn ich besinne mich noch gut darauf, wo es war. A  Also gut. Was deine Frage betreffs der Religion anlangt: Insofern ich dir gesagt habe, dass alle Tugend im Gehorsam gegen

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die Gesetze des Staates liegt, von denen die Religion eins ist, habe ich die Religion zu den Tugenden gerechnet. B  Ist Religion denn das Gesetz eines Staates? A  Es gibt auf der Welt keine Nation, deren Religion nicht durch die Gesetze dieser Nation verankert ist und durch sie ihre Autorität erhält. Es ist wahr, Gottes Gesetz braucht keinen Beweis durch die Gesetze der Menschen. Aber weil die Menschen nie durch ihre eigene Weisheit zur Kenntnis dessen kommen, was Gott gesprochen und zu befolgen befohlen hat, und auch nicht gezwungen werden können, den Gesetzen zu gehorchen, deren Urheber sie nicht kennen, haben sie sich irgendeiner menschlichen Autorität zu fügen. So dass die Frage sein wird, ob ein Mensch in Religionsangelegenheiten, d. h. wenn es sich um seine Pflicht gegen Gott und König handelt, sich auf die Predigt seiner Mituntertanen oder eines Fremden verlassen soll oder auf die Stimme des Gesetzes. B  In diesem Punkt liegt keine große Schwierigkeit. Denn es gibt niemanden, der predigt oder predigen sollte, hier oder sonstwo, als diejenigen, welche die Autorität dazu von dem oder denen haben, welche die souveräne Herrschaft innehaben. So dass, wenn der König uns Erlaubnis gibt, du oder ich ebenso predigen dürfen wie einer von ihnen, und ich glaube, wir würden jenen Dienst besser verrichten als diejenigen, die uns in die Rebellion hineingepredigt haben. A  Die kirchliche Moral ist in vielen Punkten sehr verschieden von der, die ich hier für die Lehre von Tugend und Laster aufgestellt habe, und doch ohne jegliche Übereinstimmung mit jener des Aristoteles. Denn in der römischen Kirche sind die Haupt­ tugenden: ihrer Lehre zu gehorchen, auch wenn es Hochverrat ist, denn das heißt für sie, religiös zu sein; wohltätig der Geistlichkeit gegenüber sein, das ist ihre Frömmigkeit und Freigebigkeit; und ihnen das aufs Wort zu glauben, von dem ein Mensch in seinem Gewissen weiß, dass es falsch ist, das ist der Glaube, den sie verlangen. Ich könnte noch eine große Menge solcher Punkte ihrer Moral benennen, aber ich weiß, dass du sie schon kennst, da du

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so vertraut bist mit den Gewissensfragen, wie sie die Scholastiker betreiben, die das Gute und Böse aller Handlungen danach bemessen, wie weit sie mit den Lehren des römischen Klerus übereinstimmen. B  Aber was ist die Moralphilosophie der protestantischen Geistlichkeit in England? A  Was sie in ihrem Leben und in ihrer Konversation zeigen, ist zum größten Teil sehr gut und von gutem Beispiel, viel besser als ihre Schriften. B  Oft leben Leute aus Furcht ehrlich, die, wenn sie die Macht hätten, nach ihren eigenen Anschauungen leben würden; das heißt, wenn ihre Anschauungen nicht richtig wären, lebten sie ungerecht. A  Behaupten die Anglikaner, wie der Papst oder die Presbyterianer es tun, ein Recht unmittelbar von Gott zu haben, den König und seine Untertanen in allen Fragen der Religion und Sitten zu beherrschen? Wenn dem so ist, dann kannst du nicht bezweifeln, dass sie, wenn sie die nötige Zahl und Stärke hätten, die sie wahrscheinlich nie haben werden, versuchen würden, jene Macht zu erlangen, wie jene es taten. B  Ich würde mich freuen, ein gegenwärtiges Moralsystem kennenzulernen, das von einem Theologen von gutem Ruf und Gelehrsamkeit aus der Partei des verstorbenen Königs geschrieben ist. A  Ich kann dir das beste, das es gibt, empfehlen, das (mit Ausnahme einiger Stellen, die mir missfallen) wohl wert ist, von dir gelesen zu werden. Sein Titel ist: The whole Duty of Man laid down in a plain and familiar way.29 Und doch kann ich sagen, dass, wenn die presbyterianischen Geistlichen, selbst diejenigen von ihnen, welche die eifrigsten Prediger des letzten Aufstandes waren, auf seiner Grundlage abgeurteilt würden, so würden sie nahezu für nicht schuldig befunden werden. Der Autor hat die Pflicht des Menschen in drei Zweige geteilt, welche sind: seine Pflicht gegen Gott, gegen sich selbst und gegen seinen Nächsten.

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Als Pflicht gegen Gott betrachtet er die Anerkennung Gottes in seinem Wesen und seinen Attributen und den Glauben an sein Wort. Seine Attribute sind: Allmacht, Allwissenheit, Unendlichkeit, Gerechtigkeit, Wahrheit, Barmherzigkeit und all die anderen, die in der Bibel stehen. Welche dieser Attribute erkannten jene aufrührerischen Priester nicht gleichermaßen an wie die besten Christen? Das Wort Gottes besteht aus den Büchern der Heiligen Schrift, die in England als kanonisch anerkannt sind. B  Sie nehmen das Wort Gottes auf, aber nach ihrer persön­ lichen Auslegung. A  Nach wessen Interpretation wurde es denn von den Bischöfen und dem Rest der loyalen Partei aufgenommen, wenn nicht nach ihrer eignen? Als eine andere Pflicht betrachtet er: Gehorsam und Unterwerfung unter den Willen Gottes. Tat irgendeiner von ihnen, ja sogar irgendein lebendiger Mensch zu irgendeiner Zeit etwas gegen den Willen Gottes? B  Unter Gottes Willen, so vermute ich, versteht er hier seinen geoffenbarten Willen, d. h. seine Gebote, die sie sicherlich schrecklich übertraten, sowohl durch ihre Predigten als auch auf andere Weise. A  In ihren eigenen Handlungen sind zweifellos alle Menschen schuldig genug, um verdammt zu werden, wenn Gott streng mit ihnen verfährt. Und was ihre Predigten anbelangt, so werden sie sagen, sie hätten es in Übereinstimmung gehalten mit dem in der Schrift geoffenbarten Willen Gottes. Wenn sie so dachten, war es kein Ungehorsam, sondern ein Irrtum. Und wie kann einer beweisen, dass sie anders dachten? B  Heuchelei hat in der Tat dieses große Vorrecht vor allen anderen Sünden, dass sie nicht angeklagt werden kann. A  Eine andere Pflicht, die er aufstellt, ist, Gott in seinem Hause (das ist in der Kirche), in seinem Eigentum, an seinem Tage, in seinem Wort und in seinen Sakramenten zu ehren. B  Sie tun diese Pflicht so gut wie irgendwelche anderen Priester, wie ich denke; ich meine die loyale Partei. So auch die Pres-

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byterianer, die immer eine gleiche Sorgfalt darauf verwandten, Gottes Haus rein von Entweihung zu halten, die immer darauf sahen, dass der Zehnte richtig bezahlt, Opfer angenommen, der Sonntag heiliggehalten, das Wort richtig gelehrt und das Abendmahl und die Taufe richtig durchgeführt wurden. Aber ist nicht das Einhalten von Festen und Fasten eine jener Pflichten, die zur Ehrung Gottes gehören? Wenn es so ist, dann machen sich die Presbyterianer einer Unterlassung schuldig. A  Warum? Sie hielten einige Feiertage und hatten Fastentage darunter, obgleich es nicht dieselben Tage sind, die die Kirche anordnete, sondern dann, wenn sie es für richtig hielten, so z. B. wenn es Gott gefiel, dem König einen großen Sieg zu verleihen. Und sie richteten sich in diesem Punkt nach der Heiligen Schrift, wie sie zu glauben vorgeben. Wer kann beweisen, dass sie es nicht glauben? B  Übergehen wir alle anderen Pflichten, um zu jener zu kommen, welche wir dem König schuldig sind, und betrachten wir, ob die von jenen Theologen, die dem König anhingen, gelehrte Lehre so beschaffen war in jenem Punkt, dass es die Presbyterianer rechtfertigte, die das Volk zum Aufstand anstachelten, denn das ist die Sache, die du in Frage stellst. A  Betreffs der Pflichten gegen unseren Herrscher stellt er diese Worte auf: Gehorsam müssen wir ihm zollen, entweder aktiven oder passiven. Den aktiven im Falle aller gesetzlichen Befehle, d. i. wenn die Behörde [ Magistrate ] etwas anordnet, das nicht gegen irgendein Gebot Gottes ist, dann sind wir verpflichtet, gemäß dieser Anordnung der Behörde zu handeln und auszuführen, was sie verlangt; aber wenn sie irgendetwas befiehlt, das gegen Gottes Gebot ist, brauchen wir nicht diesen aktiven Gehorsam zu leisten. Wir können, nein, wir müssen uns weigern, so zu handeln (jedoch hier müssen wir so sicher sein, dass die Sache klar entgegengesetzt ist, und nicht das Gewissen vorschützen als eine Ummantelung der Widerspenstigkeit). Wir müssen in diesem Fall Gott eher gehorchen als den Menschen. Aber selbst dies ist ein Fall

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für den passiven Gehorsam: Wir müssen geduldig ertragen, was er uns für die Weigerung auferlegt, und dürfen uns nicht, um uns selbst zu sichern, gegen ihn empören.30 B  In welcher Beziehung steht das zu der kürzlichen Rebellion? A  Sie werden sagen, sie taten es im Gehorsam gegen Gott, insofern sie glaubten, dass es in der Bibel steht, aus der sie Beispiele bringen, etwa das von David und seinen Anhängern, die dem König Saul Widerstand leisteten, und das von den Propheten später, die heftig von Zeit zu Zeit gegen die abgöttischen Könige von Juda und Israel predigten. Saul war ihr rechtmäßiger König, und doch zollten sie ihm weder aktiven noch passiven Gehorsam, denn sie nahmen eine widerständige Haltung gegen ihn ein, wenn auch David selbst Sauls Person schonte. Und so machten es auch die Presbyterianer, indem sie in den Aufträgen an ihren General erklärten, dass die Person des Königs geschont werden solle. Außerdem kannst du nicht bezweifeln, dass sie, die von der Kanzel herunter das Volk ermunterten, zu den Waffen zu greifen und das damalige Parlament zu verteidigen, die Bibel, d. h. also Gottes Wort, für diese Maßnahmen als Grund anführten. Wenn es also für die Untertanen rechtmäßig ist, dem König Widerstand zu leisten, insofern er etwas verlangt, das gegen die Heilige Schrift, d. h. gegen den Befehl Gottes ist, und dabei gleichzeitig Richter zu sein über die Auslegung der Bibel, so ist es unmöglich, dass das Leben eines Königs oder der Frieden eines christlichen Königreiches lange sicher sein kann. Diese Lehre spaltet ein Königreich innerlich, mögen die Menschen, die dies schreiben oder öffentlich predigen, nun loyal oder Rebellen sein. Und so verstehst du, dass, wenn jene aufrührerischen Geistlichen wegen dieser Lehre vor Gericht gezogen würden, sie gut genug davonkommen würden. B  Ich verstehe es und wundere mich darüber, dass Leute, die nie mit Gott dem Allmächtigen gesprochen haben und von denen auch keiner mehr Wissen als der andere darüber hat, was Gott gesagt hat, immer dann, wenn Gesetze und Prediger nicht übereinstimmen, mit solchem Eifer dem Geistlichen folgen (der

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meistens ein unwissender, wenn auch redegewandter Gelehrter ist), anstatt den Gesetzen, die vom König gegeben wurden mit der Einwilligung der Peers und Commons des Landes. A  Prüfen wir seine Worte ein wenig näher. Zuerst, was den passiven Gehorsam betrifft. Wenn ein Dieb das Gesetz übertreten hat und nach dem Gesetz deshalb hingerichtet wird, kann irgendjemand das so auffassen, dass dieses sein Leiden Gehorsam gegen das Gesetz sei? Jedes Gesetz ist ein Befehl, etwas zu tun oder zu unterlassen. Keines von beidem wird erfüllt durch Leiden. Wenn irgendein Leiden Gehorsam genannt werden kann, so muss es freiwillig sein, denn eine unfreiwillige Handlung kann nicht als Unterwerfung unter das Gesetz gezählt werden. Derjenige, der meint, dass sein Erleiden als Gehorsam betrachtet werden soll, darf nicht nur keinen Widerstand leisten, sondern darf auch weder fliehen noch sich verbergen, um seine Bestrafung zu vermeiden. Und wer unter denen, die von passivem Gehorsam reden, wird, wenn sein Leben in äußerster Gefahr ist, sich freiwillig den Richtern stellen? Sehen wir nicht, dass alle Menschen, wenn sie zur Hinrichtung geführt werden, gefesselt und bewacht werden, denn würden sie sich nicht befreien und davonrennen, wenn sie es könnten? Solcherart ist ihr passiver Gehorsam. Christus sagt (Matth. 23,2–3): „Auf Moses Stuhl sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer, alles nun, was immer sie sagen, das ihr halten sollt, das haltet und tut.“ Dies ist ein Tun, aktiver Gehorsam. Und doch sind offenbar Schriftgelehrte und Pharisäer der Bibel nicht so gott­ selige Männer gewesen, dass sie niemals etwas befohlen hätten, was gegen den geoffenbarten Willen Gottes war. B  Muss man auch Tyrannen in jeder Hinsicht aktiv gehorchen? Oder gibt es nichts, worin der Befehl eines rechtmäßigen Königs nicht befolgt werden darf? Wie, wenn er mir befehlen sollte, mit meinen eigenen Händen meinen Vater umzubringen, falls er rechtmäßig zum Tode verurteilt wäre? A  Dies ist ein Fall, der nicht als möglich gesetzt zu werden braucht. Wir haben nie von einem Tyrannen gelesen oder gehört,

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der so unmenschlich gewesen wäre, so etwas zu befehlen. Wenn es einer täte, so müssen wir erwägen, ob dieser Befehl einem seiner Gesetze entspräche. Denn unter Ungehorsam gegen Könige verstehen wir Ungehorsam gegen seine Gesetze, die erlassen wurden, bevor sie auf irgendeine Person Anwendung fanden. Denn der König, obgleich er als Vater von Kindern und als Herr von Dienern vieles befiehlt, was diese Kinder und Diener verpflichtet, so befiehlt er doch dem Volk im allgemeinen nie anders als durch ein vorangegangenes Gesetz und als eine politische, nicht als natürliche Person. Und wenn solch ein Befehl wie der, von dem du gesprochen hast, zu einem allgemeinen Gesetz gemacht werden würde (was nie geschah und auch nie geschehen wird), so wärst du verpflichtet, es zu befolgen, wenn du nicht das Königreich nach der Veröffentlichung des Gesetzes und vor der Verurteilung deines Vaters verlässt. B  Dein Autor sagt ferner, dass, wenn jemand dem König, der etwas befiehlt, was gegen Gottes Gesetz ist, den aktiven Gehorsam verweigert, wir uns sehr sicher sein müssten, dass die Sache wirklich gegen Gottes Gebot ist. Ich möchte gern wissen, wie man sich dessen gut versichern kann. A  Ich denke, du glaubst nicht, dass irgendeiner von denen, die den Gehorsam verweigern, unmittelbar aus Gottes eigenem Mund irgendeinen Befehl erhalten hat, der im Gegensatz zu dem des Königs, der Gottes Statthalter ist, steht, noch auf irgendeinem anderen Weg als ich und du, das heißt durch die Bibel. Und weil die Menschen zum größten Teil die Heilige Schrift nach ihrem eigenen Sinn deuten, anstatt dem wahren Sinn der Bibel zu folgen, gibt es keinen anderen Weg, gewiss und in allen anderen Fällen zu wissen, was Gott uns befiehlt oder uns zu tun verbietet, als durch das Wort derer, die durch den König eingesetzt sind, den Sinn der Bibel zu bestimmen, nach Anhörung der besonderen Gewissensfrage, von der die Rede ist. Und diejenigen, die so eingesetzt sind, sind in allen christlichen Staaten [ Common wealths ] leicht zu erkennen, seien es nun Bischöfe, Priester oder Versammlun-

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gen, die die Kirche regieren unter dem oder denen, die die souveräne Gewalt innehaben. B  Einige Zweifel mögen aus dem aufgeworfen werden, was du sagst, denn wenn Menschen ihre Pflicht erlernen sollen aus der Auslegung, die andere Leute dem Sinn der Bibel geben und nicht aus ihrer eigenen Auslegung, so verstehe ich nicht, warum sie ins Englische übersetzt worden ist und jedermann nicht nur die Erlaubnis hat, sondern sogar ermahnt wird, sie zu lesen. Denn was anderes konnte das hervorbringen als eine Vielfalt an Auffassungen und daher (wie die Natur des Menschen einmal ist) Streit, Verletzung der christlichen Nächstenliebe, Ungehorsam und zuletzt Aufruhr? Ferner, da einmal die Bibel englisch gelesen werden durfte, warum sind die Übersetzungen nicht so, dass auch Leute von geringer Auffassungsgabe sie begreifen? Verstanden diejenigen Juden, die lesen konnten, nicht ihr Gesetz in jüdischer Sprache so, wie wir unser Gesetz des Landes auf Englisch verstehen? Und was solche Stellen der Bibel betrifft, die nichts von der Natur eines Gesetzes hatten, so machte es für die Pflicht der Juden nichts aus, ob sie verstanden wurden oder nicht, da nur das Überschreiten eines Gesetzes strafbar ist. Dieselbe Frage kann ich bezüglich des Neuen Testaments stellen, denn ich glaube, dass jene Leute, deren Sprache die des Originals war, genügend verstanden, welche Befehle und Ratschläge ihnen gegeben wurden durch unseren Heiland, seine Apostel und seine unmittelbaren Jünger. Noch einmal, wie wirst du antworten auf die Frage, die von Petrus und Johannes gestellt wurde (Apostelgeschichte IV,19), als durch Hannas, den Hohepriester, und von anderen des Hohen Rats von Jerusalem ihnen verboten wurde, in Jesu Namen weiter zu lehren: „Richtet ihr selbst, ob es vor Gott recht sei, dass wir euch mehr gehorchen denn Gott“? A  Das ist nicht derselbe Fall. Petrus und Johannes haben unseren Heiland jeden Tag gesprochen und durch die Wunder, die er wirkte, wussten sie, dass er Gott war, und folglich wussten sie sicher, dass ihr Ungehorsam gegen den ausdrücklichen Befehl des

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Hohepriesters recht war. Kann ein Geistlicher nun sagen, dass er unmittelbar aus Gottes eigenem Mund einen Befehl erhielt, dem König den Gehorsam zu verweigern, oder dass er auf andere Weise als durch die Bibel wisse, dass irgendein königlicher Befehl, der die Form und die Natur eines Gesetzes hat, gegen Gottes Gesetz ist, das an verschiedenen Stellen unmittelbar und offensichtlich gebietet, ihm in allen Dingen zu gehorchen? Der Text, den du zitierst, sagt uns nicht, dass die Autorität eines Geistlichen eher dazu berufen ist als die eines christlichen Königs, die Fragen, die aus den verschiedenen Auslegungen der Bibel entstehen, zu entscheiden. Daher: Wo der König Haupt der Kirche ist und infolgedessen auch Hauptrichter über die Richtigkeit aller Auslegungen der Bibel (gar nicht davon zu reden, dass die Schrift vom Volk nur kraft der Autorität des Königs und des Staates empfangen wurde), da ist der Gehorsam gegen die Gesetze und öffentlichen Edikte des Königs nicht Ungehorsam, sondern Gehorsam gegen Gott.31 Ein Geistlicher sollte nicht denken, dass seine Kenntnis der lateinischen, griechischen oder hebräischen Sprache, wenn er solche hat, ihm ein Vorrecht gäbe, allen seinen Mituntertanen seine eigenen Auslegungen oder das, was er als ihren Sinn ausgibt, von jeder dunklen Stelle der Bibel aufzuerlegen; auch sollte er nicht, sooft er eine nach seiner Meinung feinsinnige Auslegung gefunden hat, die von ihm und nicht zuvor von anderen erdacht ist, meinen, er habe sie durch Inspiration erhalten, denn darüber kann er keine Sicherheit haben, ebenso wenig darüber, ob seine Interpretation, so feinsinnig sie auch allen scheinen mag, nicht falsch sei, und dann ist all seine Störrigkeit und Widerspenstigkeit gegen den König und gegen seine Gesetze nichts als Stolz des Herzens, Ehrgeiz oder sonst Betrug. Wenn du es auch für unnütz oder vielleicht für schädlich hältst, die Bibel in englischer Sprache zu haben, so bin ich anderer Meinung. Es gibt so viele leichtverständliche Stellen in der Bibel, die beides lehren, wahren Glauben und gute Moral (und beides so vollständig, wie es für das Seelenheil nötig ist), die kein Verführer dem Geist gewöhnlicher Leser

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rauben kann, weswegen das Lesen dieser Stellen so nützlich ist, dass es nicht verboten werden sollte ohne großen Schaden für sie und das Gemeinwesen [ Common wealth ]. B  Alles, was für das Seelenheil erforderlich ist im Glauben und in der Sitte, ist (ich bekenne es) in der Bibel so einfach wie möglich niedergelegt: Kinder, gehorcht euren Eltern in allen Dingen, Diener, euren Herrn! Lasst alle Menschen der höheren Macht untertan sein, sei es dem König oder jenen, die von ihm gesandt sind. Liebet Gott von ganzer Seele und euren Nächsten wie euch selbst, das sind Worte der Heiligen Schrift, die gut genug verstanden werden. Aber weder Kinder noch der größte Teil der Menschen verstehen, warum es ihre Pflicht ist, sich so zu verhalten. Sie sehen nicht, dass die Sicherheit des Staates – und daher auch ihre eigene – von der Erfüllung ihrer Pflicht abhängt. Jedermann schaut (ohne Zucht [ discipline ]32) von Natur aus bei allen seinen Handlungen, soweit er das absehen kann, auf den Nutzen, den er persönlich aus seinem Gehorsam ziehen kann. Er liest, dass Habsucht die Wurzel allen Übels ist, aber er denkt und findet zuweilen, dass sie die Wurzel seines Vermögens ist. Und so ist es auch in anderen Dingen: Die Bibel sagt so, und sie denken anders. Die Bequemlichkeit und die Unbequemlichkeit dieses gegenwärtigen Lebens, das in ihrer Sichtweite ist, abwägend, stellen sie niemals das Gute und das Böse des zukünftigen Lebens, das sie nicht ­sehen, in Rechnung. A  Alles dies und nicht mehr geschieht da, wo die Bibel durch Griechisch und Latein versiegelt ist und dem Volk dieselben Dinge daraus durch die Presbyterianer gelehrt werden. Aber die, die in der Lage und in dem Alter sind, um fähig zu sein, den Sinn des Gelesenen zu prüfen, und die, die Freude daran haben, die Gründe ihrer Pflicht zu erforschen, können nicht anders, als beim Lesen der Bibel zu dem einen Sinn ihrer Pflicht zu kommen: nicht nur selber den Gesetzen zu gehorchen, sondern auch andere dazu zu bringen, es zu tun. Denn gewöhnlich folgen den Leuten von Alter und Rang ihre unter ihnen stehenden

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Nächsten, die mehr auf das Beispiel jener Menschen schauen, die sie verehren und denen sie ungern missfallen möchten, als auf Vorschriften und Gesetze. B  Diese Leute von Alter und Stand, von denen du sprichst, sind meines Erachtens die ungeeignetsten von allen, denen man das Lesen der Bibel anvertrauen darf. Ich weiß, du meinst solche, die Griechisch oder Latein oder beides studiert haben und die zugleich solche sind, die die Wissenschaft lieben und daher Vergnügen daran haben, die Bedeutung der schwersten Texte herauszufinden, oder die denken, sie haben sie gefunden, wenn sie etwas ganz Neues und noch nicht von anderen Entdecktes herausgefunden haben. Diese sind daher solche, welche die leichten Stellen übergehen, die ihnen ihre Pflicht vermitteln würden, und stattdessen darauf verfallen, die Mysterien der Religion zu erforschen, so z. B., wie es mit Scharfsinn herausgebracht werden könne, dass es drei gäbe, die im Himmel herrschen, und dass diese drei nur einer sind; wie die Gottheit Fleisch werden konnte; wie jenes Fleisch in Wirklichkeit an verschiedenen Stellen zugleich gegenwärtig sein konnte; wo der Ort der Hölle ist und welches ihre Qualen sind, und andere metaphysische Lehren: ob der Wille des Menschen frei sei oder durch den Willen Gottes beherrscht werde; ob Heiligkeit durch Inspiration oder durch Erziehung komme; durch wen Christus jetzt zu uns spricht, ob durch den König, durch die Geistlichkeit oder durch die Bibel, zu jedermann, der sie liest und für sich auslegt, oder durch persönliche Offenbarung zu jedem einzelnen Menschen. Diese und ähnliche Punkte machen das Studium der Wissbegierigen aus, und sie sind die Ursache all unseres jüngst erlebten Unheils und die Ursache dessen, dass die einfacheren Menschen, welche die Bibel Glaube an Christus, Liebe zu Gott, Gehorsam gegenüber dem König und Besonnenheit im Betragen gelehrt hat, alles vergessen und ihre Religion in die zweifelhaften Lehren dieser deiner weisen Männer setzen. A  Ich halte diese Menschen für ungeeignet, die Bibel den anderen auszulegen, auch bin ich nicht der Meinung, dass die anderen

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ihre Auslegung als Wort Gottes ansehen sollen. Alles was zu wissen für sie notwendig ist, ist so einfach, dass es nicht interpretiert zu werden braucht; was darüber hinausgeht, tut ihnen nicht gut. Aber für den Fall, dass eine jener unnötigen Lehren durch die Gesetze des Königs oder eines anderen Staates autorisiert werde, so sage ich, ist es die Pflicht eines jeden Untertanen, sich nicht dagegen zu äußern, insofern es auch jedermanns Pflicht ist, dem oder denen, die die souveräne Macht haben, zu gehorchen, und insofern die Weisheit aller solcher Mächte darin besteht, diejenigen zu bestrafen, die ihre eigene private Auslegung veröffentlichen oder lehren, wenn sie gegen das Gesetz sind und dazu neigen, die Menschen zum Aufruhr zu bringen oder gegen das Gesetz zu streiten. B  Dann müssen sie die meisten bestrafen, die ihre Ausbildung auf der Universität gehabt haben, denn solche merkwürdigen theologischen Fragen sind zuerst von den Universitäten ausgegangen und so auch alle jene politischen Fragen, die das Recht der weltlichen und geistlichen Herrschaft [ civil and ecclesiastic government ] betreffen. Sie sind mit Argumenten für die Freiheit ausgerüstet, die aus den Werken von Aristoteles, Plato, Cicero, Seneca und aus der Geschichte von Rom und Griechenland stammen, für ihren Streit gegen die notwendige Macht ihrer Souveräne. Darum bezweifle ich, dass jemals anhaltender Frieden unter uns herrschen wird, bis die Universitäten sich beugen und ihre Studien auf Verständigung richten, d. h. auf die Lehre des absoluten Gehorsams gegen die Gesetze des Königs und seine öffentlichen Edikte mit dem großen Siegel von England. Ich hege keinen Zweifel, dass dieser feste Grund, gestützt auf die Autorität so vieler gelehrter Männer, für die Erhaltung des Friedens unter uns selbst mehr leisten wird, als irgendein Sieg über die Rebellen es tun kann. Aber ich fürchte, es ist unmöglich, die Universitäten zu solcher Nachgiebigkeit gegen die Staatshandlungen zu ­bringen, wie es für die Sache notwendig ist. A  Die Universitäten haben doch bisher von Zeit zu Zeit die

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Auto­rität des Papstes im Gegensatz zu allen göttlichen, bürgerlichen und natürlichen Gesetzen unterstützt, gegen das Recht unserer Könige; warum können sie nicht ebenso gut die Rechte dessen unterstützen, der beides zugleich ist: oberster Herrscher des Königreiches und Haupt der Kirche, wo er doch jede Art von Gesetz und Gerechtigkeit auf seiner Seite hat? B  Warum waren sie damals nicht in allen Punkten für die Macht des Königs, gleich nachdem König Henry VIII. im Parlament zum Haupt der Kirche erklärt wurde, wie sie früher für die Autorität des Papstes waren? A  Weil der Klerus in den Universitäten, der dort alles beherrscht, und der Klerus außerhalb der Universitäten, sowohl ­Bischöfe als auch niedere Geistliche, dachten, dass der Sturz des Papstes gleichbedeutend sei mit der Errichtung ihrer Macht an seiner Stelle (soweit es England betrifft), und für den größten Teil von ihnen stand außer Frage, dass ihre geistliche Autorität nicht von der Macht der Könige abhinge, sondern allein von der Christi, die ihnen gegeben sei durch eine sukzessive Handauflegung von Bischof zu Bischof; und das wiewohl sie wussten, dass diese Übertragung durch die Hände der Päpste und Bischöfe ging, deren Autorität sie verworfen hatten. Denn obgleich sie damit einverstanden waren, dass das göttliche Recht, das der Papst in England beanspruchte, ihm aberkannt werden sollte, waren sie doch nicht dafür, es der Kirche von England zu nehmen, die sie jetzt zu vertreten vorgaben. Wie es scheint, hielten sie es nicht für vernünftig, dass eine Frau oder ein Kind oder ein Mann, der nicht richtig die hebräische, griechische oder lateinische Bibel übersetzen konnte noch die Deklinationen und Konjugationen der griechischen oder lateinischen Nomina oder Verba kannte, es übernehmen sollte, so viele gelehrte Doktoren in Religionsangelegenheiten zu beherrschen, d. h. in Theologiesachen, denn Religion hielt man lange Zeit, und noch jetzt ist der größte Teil des Volkes dieser Auffassung, für dasselbe wie Theologie – zum größten Vorteil der Geistlichkeit.

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B  Und besonders jetzt unter den Presbyterianern. Denn ich sehe wenige, die von ihnen für gute Christen gehalten werden außer solchen, die ihre Predigten wiederholen können, für sie bezüglich der Bibelauslegung streiten und für sie auch mit Körper und Börse kämpfen können, wenn man es von ihnen fordert. An Christus zu glauben, gilt ihnen nichts, es sei denn, du glaubst es so, wie sie es von dir verlangen. Wohltätigkeit gilt bei ihnen nichts, wenn es nicht Wohltätigkeit für sie und die Mitgliedschaft in ihrer Partei ist. Wie wir Frieden haben können, solange dieses unsere Religion ist, das kann ich nicht sagen. Haeret lateri letha­ lis arundo.33 Die aufrührerische Lehre der Presbyterianer ist so fest in Kopf und Gedächtnis des Volkes sitzen geblieben – ich will nicht sagen, in ihrem Herzen, denn sie verstehen nichts von ihr, außer dass sie rechtmäßig rebellieren können –, so dass ich fürchte, dass der Staat niemals gesunden wird. A  Die zwei großen Tugenden, die Henry VII. und Henry VIII. je einzeln verkörperten, werden ihn leicht heilen, wenn sie in einem König vereint sein werden. Die von Henry VII. bestand darin, ohne viel Lärm des Volkes seine Schatzkammer zu füllen. Die von Henry VIII. war eine frühzeitige Strenge; aber eine Tugend kann ohne die andere nicht geübt werden. B  Das sieht – dünkt mich – wie ein Ratschlag für den König aus, sie in Ruhe zu lassen, bis er genug Geld zur Verfügung habe, um ein Heer auszuheben und zu erhalten und dann über sie herzufallen und sie zu vernichten. A  Gott verhüte, dass so ein fürchterlicher, unchristlicher und unmenschlicher Plan jemals in des Königs Herz einziehe. Ich wünschte ihm, er hätte Geld genug für sein Heer zur Unterdrückung jeglicher Revolte, um seinen Feinden alle Hoffnung auf Erfolg zu nehmen, so dass sie ihn bei der Reform der Universitäten nicht zu stören wagten, aber keinen töten zu lassen, wenn er nicht Verbrechen begangen hat, die laut Gesetz als Kapitalverbrechen bezeichnet werden. Der Herd der Empörung – wie du hier gesehen und von anderen Rebellionen gelesen hast – sind

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die Universitäten, die trotzdem nicht abgeschafft, sondern besser diszipliniert werden sollen, d. h., dass die dort gelehrte Politik (so wie wahre Politik es sollte) in solche Bahnen geleitet werden sollte, dass die Menschen erkennen lernen, dass es ihre Pflicht ist, allen Gesetzen zu gehorchen, welche auch immer von des Königs Autorität Gesetzeskraft bekommen haben, bis sie von derselben Autorität aufgehoben werden; dass sie verstehen lernen, dass die staatlichen Gesetze [ civil laws ] Gottes Gesetze sind, weil die Gesetzgeber dazu von Gott bestimmt sind, und dass das Volk und die Kirche eins sind und nur ein Haupt haben, das ist der König;34 und dass kein Mensch, der es nicht von ihm hat, das Recht hat, unter ihm zu regieren; dass der König seine Krone Gott allein verdankt und keinem Menschen, kirchlichem oder anderem; dass die Religion, die sie lehren, ein ruhiges Warten auf das Wiederkommen unseres gesegneten Heilands ist und bis dahin allen Gesetzen des Königs – welche auch Gottes Gesetze sind – zu gehorchen ist; keinen Menschen zu beleidigen, wohltätig gegen alle Menschen zu sein, die Armen und Kranken zu pflegen; besonnen und frei von Schande zu leben, ohne unsere Religion mit Fragen der Naturphilosophie zu vermengen, wie Freiheit des Willens, körperlose Substanz, das immerwährende Jetzt, Ubiquitäten und Hypostasen, die das Volk nicht versteht und um die es sich auch niemals kümmern wird. Wenn die Universitäten so diszipliniert sein werden, dann werden allmählich aus ihnen gediegene Priester mit guten Grundsätzen hervorgehen, und die, die jetzt schlechte Grundsätze haben, fallen nach und nach weg. B  Ich halte es für einen sehr guten Weg, ja vielleicht für den einzigen, der den Frieden unter uns dauernd erhalten kann, denn wenn die Menschen nicht ihre Pflicht kennen, was zwingt sie dann, den Gesetzen zu gehorchen? Ein Heer, wirst du sagen. Was soll aber das Heer zwingen? Waren nicht die Söldnerbanden ein Heer? Waren es nicht die Janitscharen, die vor nicht langer Zeit Osman in seinem eigenen Palast in Konstantinopel erschlugen? Ich stimme daher mit dir in beidem überein, dass die

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Menschen zu einer Liebe des Gehorsams gebracht werden müssen durch Prediger und Edelleute, die sich in ihrer Jugend in den Universitäten gute Grundsätze zu eigen machen, und dass wir niemals einen dauernden Frieden haben werden, bis die Universitäten selbst – wie du gesagt hast – in der Weise reformiert sind und die Geist­lichen wissen, dass sie keine Autorität außer der haben, die ihnen die oberste zivile Gewalt gibt. Und der höhere und niedere Adel weiß, dass die Freiheit eines Staates nicht eine Befreiung von den Gesetzen ihres eigenen Landes ist, ob diese nun von einer Versammlung oder einem Monarchen gemacht sind, sondern eine Befreiung von dem Zwang und der Unverschämtheit ihrer Nachbarn. – Und nun bin ich in diesem Punkt zufriedengestellt. Ich bringe dich zurück an die Stelle, von der aus dich meine Wiss­begierde zu dieser langen Abschweifung bewegte. Wir waren beim Thema Ship-money, einem jener Beschwerdepunkte, gegen die das Parlament als Tyrannei und Willkürherrschaft wetterte, um dadurch den König – wie du es nanntest – von seinen Untertanen zu isolieren und eine Partei gegen ihn zu bilden für den Fall, dass sie diese brauchten. Und nun kannst du bitte weitergehen zu anderen Kunstgriffen, die sie zum gleichen Zweck anwandten. A  Ich denke, es ist besser, wir brechen hier unsern Diskurs über diese Sache ab und heben ihn auf für einen anderen Tag, den du dazu für geeignet hältst. B  Gut. Ich glaube, der Tag wird nicht fern sein.

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Z W EI T ER DI A LOG

A  Du bist mir willkommen, doch hättest du nach einer längeren Pause mein Gedächtnis noch besser auf dich vorbereitet gefunden. B  Nein, ich bitte dich, gib mir jetzt das, was dir davon gegenwärtig ist; ich bin zufrieden, wenn du mir den Rest erzählst, wann du willst. A  Nachdem das Parlament das Volk von der Unrechtmäßigkeit der Erhebung des Ship-money überzeugt hatte und es damit dazu gebracht hatte, dies für tyrannisch zu halten, klagte es außerdem den König – um die Abneigung gegen ihn zu steigern – der Absicht an, die römische Religion in seinem Reich einführen und vertreten zu wollen, denn nichts war dem Volk verhasster; nicht, weil sie irrig war (was zu prüfen es weder genug Wissen noch Urteilsfähigkeit besaß), sondern weil es die Schmähungen gegen sie in den Predigten und Reden der Priester gehört hatte, denen es vertraute. Und dies war in der Tat die wirksamste Verleumdung, die erfunden werden konnte, um dem König die Zuneigung des Volkes zu entziehen. Der Vorwand, den sie für diese Verleumdung hatten, war erstens, dass es einen gewissen Rosetti, einen Gesandten (zu oder ein wenig vor dieser Zeit) des Papstes bei der Königin, gab und außerdem einen Herrn George Con, Sekretär des Kardinals Francisco Barberini und Neffen des Papstes Urban VIII., der unter dem Schutz und mit Begünstigung der Königin (wie man meinte) gesandt worden war, um bei Hofe so viele einflussreiche Personen wie möglich zu veranlassen, sich mit der römischen Kirche auszusöhnen – mit welchem Erfolg, kann ich nicht sagen; doch wahrscheinlich gewann er einige, besonders vom schwächeren Geschlecht; obgleich ich sagen möchte, dass nicht seine Gründe, sondern nur die Hoffnung auf die Gunst der Königin sie aller Wahrscheinlichkeit nach dazu bewogen haben.

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B  Unter diesen Umständen wäre es wohl besser gewesen, sie wären nicht gesandt worden. A  Auch war ein Konvent der Kapuziner im Somerset House getadelt worden, obgleich er durch die Heiratsverträge der Königin erlaubt war, und es wurde berichtet, dass den Jesuiten kurz danach eine Zusammenkunft in Clerkenwell zugestanden wurde. Und inzwischen wurde Sir Francis Windebank angeklagt, eigenmächtig einige englische Jesuiten befreit zu haben, die ergriffen und ins Gefängnis geworfen worden waren, weil sie trotz ihrer Verbannung nach England zurückgekehrt waren, entgegen dem Gesetz, nach dem dies ein Kapitalverbrechen war. Auch die Zusammenkunft der englischen Katholiken in der Kapelle der Königin gab ihnen den Vorwand, die Königin selbst zu tadeln, nicht nur dafür, sondern auch für alle Gnade, die sie den Katholiken bezeigt habe, und einige zögerten nicht, öffentlich zu sagen, dass der König von ihr regiert werde. B  Welch seltsame Ungerechtigkeit! Die Königin war von Bekenntnis Katholikin und konnte deshalb nicht anders, als zu versuchen, den Katholiken Gutes zu tun, soviel sie konnte: Sonst wäre sie nicht wahrhaftig gewesen, was sie doch zu sein versicherte. Doch es scheint, sie hatten vor, sie zur Heuchelei zu zwingen, während sie selbst Heuchler waren. Kann es jemand einer frommen Dame zum Verbrechen machen, von welcher Sekte sie auch sei, dass sie bemüht ist, Gnade und Segen der Kirche zu erlangen, deren Mitglied sie ist? A  Um dem Parlament einen anderen Vorwand für die auf dem Fuße folgende Anklage gegen den König wegen der Einführung des Papismus zu geben, fand ein großer Streit über den freien Willen zwischen der bischöflichen und der presbyterianischen Geistlichkeit statt. Der Disput begann zuerst in den Niederlanden zwischen Gomar und Arminius zur Zeit des Königs James, der voraussah, dass der Streit die Kirche von England durcheinander bringen würde, und deshalb tat, was er konnte, um die Zwistigkeit beizulegen. Und eine Versammlung von Theologen

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war deshalb in Dordrecht zusammengekommen, wohin auch König James einen oder zwei Theologen sandte, doch es kam dabei nichts heraus; die Frage blieb unentschieden und wurde zum Disputationsgegenstand in den hiesigen Universitäten. Alle Presbyterianer stimmten mit Gomar in ihren Ansichten überein, aber eine sehr große Anzahl anderer nicht, und diese wurden hier Arminianer genannt, welche allgemein gehasst wurden, weil die Lehre vom freien Willen als eine papistische Lehre verworfen worden war und weil die Presbyterianer zahlenmäßig weitaus mehr waren und die Gunst des Volkes besaßen. Es war deshalb leicht für das Parlament, diese Verleumdung allgemein im Volk zu verbreiten, da der Erzbischof von Canterbury, Dr. Laud,35 für Arminius eintrat und etwas früher kraft seiner kirchlichen Macht allen Geistlichen verboten hatte, dem Volk von der Prädestination zu predigen; und da alle Geistlichen, die ihm zugeneigt waren oder auf Beförderung in der Kirche hofften, mit äußerstem Nachdruck für den freien Willen zu schreiben und zu predigen begannen, wodurch sie einen Beweis ihrer Fähigkeit und ihres Verdienstes geben wollten. Außerdem verbreiteten einige von ihnen, dass der Erzbischof im Herzen Papist sei, und für den Fall, dass er hier eine Duldung der römischen Religion zustande bringen würde, er eines Kardinalshutes sicher sein könne – was nicht nur falsch, sondern auch eine grundlose Verdächtigung war. B  Es ist seltsam, dass es Gelehrten, undurchsichtigen Menschen und solchen, die nur Klarheit durch das Licht des Staates erhalten konnten, erlaubt werden sollte, ihre unnötigen Dispute und damit ihre persönlichen Streitereien aus den Universitäten in das Gemeinwesen zu bringen, und noch seltsamer, dass der Staat Partei für sie ergriff und sie nicht lieber beide zum Schweigen brachte. Ein Staat kann Gehorsam erzwingen, aber keinem Irrtum abhelfen noch die Herzen derjenigen ändern, die meinen, sie hätten die bessere Einsicht. Die Unterdrückung einer Lehre vereint nur und erbittert, das heißt, vermehrt sowohl die Bosheit als auch die Macht derer, die bereits daran glaubten. Doch

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welches sind die Punkte, in welchen sie nicht übereinstimmen? Gibt es irgendeine Streitfrage zwischen Bischof und Presbyterianern, die die Göttlichkeit oder das Menschwerden Christi betrifft? Leugnet eine von ihnen die Dreieinigkeit oder irgendeinen Glaubensartikel? Predigt eine Partei öffentlich oder schreibt sie unverhohlen gegen Gerechtigkeit, Wohltätigkeit, Besonnenheit oder irgendeine andere Pflicht, die zum Seelenheil notwendig ist, ausgenommen nur die Pflicht, die wir dem König schulden, und auch dies nur, wenn sie die Absicht hegt, den König zu beherrschen oder zu vernichten? Gott, erbarme dich unser! Kann niemand selig werden, der ihre Streitereien nicht versteht? Oder ist mehr an Glauben und Ehrenhaftigkeit für das Seelenheil des einen Menschen erforderlich als für das eines andern? Ist es nötig, uns, die wir keine Heiden sind und die wir alles glauben, was Christus und seine Jünger uns als nötig zur Seligkeit gelehrt haben und noch mehr, so sehr vom Glauben zu predigen? Warum predigt man so wenig Gerechtigkeit [ justice ]? Ich habe freilich oft gehört, dass dem Volk Rechtschaffenheit empfohlen wurde, doch ich habe in ihren Predigten selten das Wort Gerechtigkeit vernommen; ja, während in der lateinischen und griechischen Bibel das Wort Gerechtigkeit außerordentlich oft vorkommt, ist nunmehr in der englischen, obschon jeder dies Wort versteht, der Ausdruck Rechtschaffenheit [ righteousness ] (welchen wenige im selben Sinne verstehen, eher als Aufrichtigkeit der Gesinnung als der Tat oder Absicht) an seine Stelle gesetzt worden. A  Ich gestehe, dass ich sehr wenige Streitfragen zwischen den Christen kenne, die für die Seligkeit Bedeutung haben. Es sind Fragen der Autorität und der Macht über die Kirche oder des Vorteils oder der Ehre von Kirchenmännern, durch die hauptsächlich alle Streitigkeiten ausgelöst werden. Was ist das für ein Mann, der wegen des Heils meiner Seele oder der irgendeines anderen sich beunruhigt und Streit mit seinen Nachbarn anfängt? Als die presbyterianischen Priester und andere so grimmig den Aufruhr predigten und die Menschen in diesen letzten Kriegen

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zur Rebellion aufstachelten, wer besaß nicht eine Pfründe oder wer fürchtete nicht, sie oder andere Teile seines Unterhalts durch einen Regierungswechsel zu verlieren, und wer predigte deshalb freiwillig, ohne Hoffnung auf Lohn, ebenso leidenschaftlich gegen den Aufruhr wie die anderen Parteien dafür? Soviel ich aus der Geschichte und aus anderen griechischen und lateinischen Schriften der Ungläubigen beobachtet habe, muss ich bekennen, dass jene Heiden uns durchaus nicht hinsichtlich der Tugend und der Sittenpflichten unterlegen waren, obwohl wir viele Predigten gehört haben und sie keine. Ich bekenne auch, dass ich vieles Predigen für eine Ungehörigkeit gehalten habe, wenn man den Schaden in Betracht zieht, der aus der Freiheit der Menschen entspringen kann, jeden Sonntag und öfter allen Menschen einer Nation zur gleichen Zeit Ansprachen halten zu dürfen, während der Staat nicht weiß, wovon sie sprechen, und bin überzeugt, dass in der außerchristlichen Welt nichts dergleichen erlaubt ist und dort deshalb auch keine Bürgerkriege wegen der Religion entstehen. Dessen ungeachtet kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Predigen zum Volk über seine Pflichten gegen Gott und die Menschen zu häufig erfolgen kann, wenn es von ernsten, taktvollen und alten Männern getan wird, die vom Volk verehrt werden, und nicht von luftigen, witzelnden jungen Leuten, auf die zu sehen oder sich von ihnen belehren zu lassen keine Gemeinde töricht genug ist (was widernatürlich wäre) oder ihnen irgendwelche Ehrerbietung zu zollen oder darauf zu achten, was sie sagen, ausgenommen einige wenige, die sich an ihrem Wortgeklingel erbauen. Ich wünsche von ganzem Herzen, dass es genug solcher taktvoller und alter Männer gäbe, die für alle Gemeinden Englands ausreichten und die es übernehmen würden zu predigen. Doch das ist bloß ein Wunsch; ich überlasse es der Weisheit des Staates zu tun, was er für richtig hält. B  Was taten sie danach? A  Da nun der König drei Personen, die wegen der Verbreitung aufrührerischer Lehren in Schrift und Wort verurteilt worden

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waren,36 in von London entfernt gelegenen Orten gefangengesetzt hatte, veranlasste das Parlament (ob mit Einwilligung des Königs oder nicht, habe ich vergessen) ihre Freilassung und Rückkehr nach London, um (wie ich glaube) in Erfahrung zu bringen, wie das Volk dieses aufnehmen würde, und folglich, wie weit sein Bemühen, dem König die Zuneigung des Volkes zu nehmen, bereits gelungen sei. Als diese drei durch London kamen, wurde dies zu einer Art von Triumph, das Volk strömte herzu, um sie zu sehen, und empfing sie mit solchem Freudengeschrei und beinahe mit Anbetung, als wenn sie vom Himmel gekommen wären, so dass das Parlament nun einer großen und ungestümen Anhängerschaft genügend sicher sein konnte, wann auch immer es Gelegenheit haben sollte, sie einzusetzen. Im Vertrauen hierauf schritt es zu seinem nächsten Anschlag, welcher das Ziel hatte, den König solcher Minister zu berauben, die es kraft Weisheit, Mut und Ansehen am meisten für fähig hielt, seine weiteren Pläne gegen den König zu verhindern oder dem Parlament entgegenzutreten. Als erstes beschloss das House of Commons, den Earl of Strafford, Lord-Leutnant von Irland, des Hochverrats anzuklagen. B  Was war der Earl of Strafford, ehe er diese Stelle einnahm? Wodurch hatte er das Parlament beleidigt oder ihm Grund gegeben, ihn für einen Feind zu halten? Denn ich habe gehört, dass er in früheren Parlamenten genau so parlamentarisch wie jeder andere gewesen sei. A  Er hieß Sir Thomas Wentworth, war Adeliger von Geburt und Rang und in seiner Heimat – Yorkshire – sehr angesehen; doch war er noch angesehener wegen seines Urteils in öffentlichen Angelegenheiten, nicht nur bezogen auf diese Grafschaft, sondern ganz allgemein auf das Königreich. Er wurde deshalb oft ins Parlament gewählt, entweder als Abgeordneter eines Wahlfleckens oder als Ritter [ Knight ] für die Grafschaft. Denn seine politischen Grundsätze waren die gleichen wie die, die im Allgemeinen von all denen verfolgt wurden, die man für geeignet

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hielt, ins Parlament gewählt zu werden. Diese Grundsätze waren gemeinhin folgende: die Urteile und Handlungen früherer Parlamente, die man gewöhnlich Präzedenzfälle nennt, zur Richtschnur der Rechtspflege und der Regierung zu nehmen; zu versuchen, das Volk vor nichtparlamentarischen Steuern zu schützen und es fernerhin vor zu großer Bedrückung durch parlamentarische Steuern zu bewahren; dem Volk seine leibliche Freiheit zu erhalten gegenüber der willkürlichen Macht des Königs außerhalb des Parlaments; und Abhilfe von Beschwerden zu schaffen. B  Welcher Beschwerden? A  Die Beschwerden waren gewöhnlich dieser Art: die zu große Freigebigkeit des Königs einigen Günstlingen gegenüber; die zu große Macht einiger Beamter und Offiziere des Staates; das schlechte Betragen der weltlichen und geistlichen Richter; aber besonders jede nicht vom Parlament beschlossene Steuererhebung von den Untertanen. Bis diese Missstände abgeschafft seien, weigerten sie sich, den König mit dem nötigen Geld für die dringendsten Notwendigkeiten des Staates auszustatten, oder sie machten wenigstens große Schwierigkeiten. B  Wie kann dann ein König seine Pflicht so erfüllen, wie er muss, oder wie kann der Untertan wissen, welchem seiner Herren er zu gehorchen hat? Denn hier sind offensichtlich zwei Mächte, denen nicht zugleich gehorcht werden kann, wenn sie sich gelegentlich widersprechen. A  Dies ist wahr; aber sie haben sich nicht oft so sehr bezüglich der Gefahr für den Staat widersprochen wie in diesem Parlament von 1640. In allen Parlamenten des letzten Königs Charles vor dem Jahr 1640 stand der Earl of Strafford genauso wie jeder andere im Gegensatz zu den Forderungen des Königs und war gerade deshalb hochgeachtet und beim Volk als guter Patriot bekannt sowie als einer, der mutig für die Verteidigung seiner Freiheiten eintrat. Er wurde aus demselben Grund später umso mehr gehasst, als er sich bemühte, die königliche und gerechte Autorität Seiner Majestät zu stützen.

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B  Wie kam er dazu, seine Ansicht so stark zu ändern, wie er es getan zu haben scheint? A  Nach der Auflösung des Parlaments, das in den Jahren 1627 und 1628 tagte, zögerte der König – der von Parlamenten kein Geld erhalten konnte, ohne es mit dem Blut seiner liebsten Ratgeber und Minister zu erkaufen – lange Zeit, ein neues einzuberufen, und er hätte sich dessen noch länger enthalten, wenn ihn nicht der Aufstand der Schotten dazu gezwungen hätte. Während jener Parlamentsperiode machte der König Sir Thomas Wentworth zum Baron, weil er ihm wegen seiner großen Begabung empfohlen worden war, einer Begabung, die besonders durch den Schaden auffiel, den sie dem König in früheren Parlamenten verursacht hatte, die aber künftig für ihn nützlich sein konnte. Und nicht lange danach kam er in das Star Chamber und wurde hierauf Statthalter für Irland, eine Stelle, die er zur größten Zufriedenheit und zum Nutzen Seiner Majestät ausfüllte. Er behielt diese Stelle, bis er durch den Neid und die Gewalt der Lords und Commons dieses verhängnisvollen Parlaments von 1640 zu Tode gebracht wurde. In diesem Jahr war er zum General der könig­ lichen Streitkräfte gegen die Schotten ernannt worden, die damals in England einfielen, und ein Jahr vorher zum Earl of Strafford. Nachdem der Friede geschlossen war, die beiderseitigen Streitkräfte aufgelöst waren und das Parlament nun in Westminster tagte, dauerte es nicht mehr lange, bis das House of Commons ihn beim House of Lords des Hochverrats anklagte. B  Es war nicht sehr wahrscheinlich, dass er den König verraten hatte, durch dessen Gnade er ja seine Machtstellung erhalten hätte und von dessen Schutz seine Sicherheit abhing. Welchen Verrat legten sie ihm zur Last? A  Viele Punkte wurden gegen ihn angeführt, doch die Summe aller war in den beiden folgenden enthalten: erstens, dass er verräterisch versucht habe, die grundlegenden Gesetze und die Regierung des Königreichs umzustürzen und stattdessen gesetzwidrig eine willkürliche und tyrannische Regierung einzuführen;

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zweitens, dass er sich bemüht habe, die Parlamentsrechte und den ­a lten Weg des parlamentarischen Verfahrens zu ändern. B  Tat er das ohne das Wissen des Königs? A  Nein. B  Wenn es also Verrat war, warum ließ ihn dann nicht der König selbst durch seinen Staatsanwalt zur Verantwortung ziehen? Was berechtigte das House of Commons ohne dessen Befehl ihn beim House of Lords anzuklagen? Sie hätten sich beim König beschweren müssen, wenn er es nicht vorher gewusst hätte. Ich verstehe diese Handlungsweise nicht. A  Ich auch nicht. B  War dies durch irgendwelche vorhergehenden Gesetze zum Hochverrat erklärt worden? A  Ich habe nie davon gehört. Auch verstehe ich nicht, wie irgendetwas Hochverrat gegen den König sein kann, was dieser hörte und wusste und nicht für Hochverrat hielt. Doch es war einer von den Kunstgriffen dieses Parlaments, das Wort „verräte­ risch“ in jede Anklage zu setzen, die gegen Menschen gerichtet war, deren Leben es zu vernichten trachtete. B  Gab es einen besonderen Beweis seiner Taten und Worte, aus welchem sie sein Bemühen, die grundlegenden Gesetze des Parlaments umzustoßen – wessen sie ihn anklagten –, ableiteten? A  Ja, sie sagten, er habe dem König geraten, das Parlament durch die irische Armee zur Räson zu bringen, welche Lord Strafford nicht lange vorher zu des Königs Dienst hatte ausheben lassen. Aber es wurde ihm niemals nachgewiesen, dass er dem König geraten habe, diese Armee gegen das Parlament einzusetzen. B  Aber welche Gesetze werden grundlegend genannt? Ich verstehe nicht, dass ein Gesetz grundlegender sein kann als ein anderes, außer dem Naturrecht, das uns alle verpflichtet, dem zu gehorchen, wer es auch sein mag, welchem wir gesetzlich und unserer eigenen Sicherheit wegen Gehorsam gelobt haben; für den König aber gibt es kein anderes als die salus populi, die Sicherheit und das Wohlergehen seines Volkes.

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A  Dieses Parlament sah nie auf die Bedeutung der Anklageworte, sondern nur auf ihr Gewicht, um der Anklage gegenüber der unwissenden Menge Nachdruck zu verleihen, die alle Fehler für abscheulich hält, welche mit abscheulichen Ausdrücken bezeichnet werden, wenn sie nur die angeklagte Person hasst, wie diesen Mann, nicht nur in seiner Eigenschaft als Angehörigen der Königspartei, sondern auch als Abtrünnigen der Parlaments­ partei. B  Sag mir doch bitte auch, was sie unter einer willkürlichen Regierung verstanden, die sie so sehr zu hassen schienen? Gibt es auf der Welt irgendeinen Regenten eines Volkes, der gezwungen ist, es zu regieren, oder der gezwungen ist, dieses oder jenes Gesetz, ob er will oder nicht, zu erlassen? Ich denke nicht: oder wenn es einen gibt, so erlässt gewiss der, der ihn zwingt, auch Gesetze und regiert willkürlich. A  Das ist wahr, und die wahre Meinung des Parlaments war, dass nicht der König, sondern es selbst die absolute Gewalt haben sollte, und zwar nicht nur über England, sondern auch über Irland und (wie es in der Folge zutage trat) über Schottland. B  Jedermann weiß, dass der König durch die Erbfolge zur Herrschaft über Schottland und Irland gekommen ist; doch wenn der König von England und seine Erben umkommen sollten (was Gott verhüte), so kann ich mir nicht denken, welchen Rechtsanspruch das Parlament von England auf eine der beiden Nationen erheben kann. A  Ja, sie werden sagen, dass sie früher mit dem Geld der englischen Untertanen erobert worden seien. B  Wahrscheinlich, und es passt zu ihren übrigen Anmaßungen. A  Anmaßung bewirkt in demokratischen Versammlungen fast alles, was getan wird; sie ist die Göttin der Rhetorik und trägt ihren Beweis in sich. Denn welcher gewöhnliche Mann wird nicht aus einer derart großen Unverfrorenheit der Behauptung auf die entsprechend große Wahrscheinlichkeit der behaupteten Sache

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schließen? Auf diese Anklage hin wurde er zum Verhör vor das House of Lords nach Westminster Hall gebracht, für schuldig befunden und sofort danach durch die Bill of Attainder, also durch Parlamentsbeschluss, zum Verräter erklärt. B  Es ist recht eigenartig, dass die Lords mit so geringfügigen Gründen dazu bewegt werden sollten, ihr Urteil zu fällen oder ihre Zustimmung einer Bill zu geben, die so nachteilig für sie und ihre Nachkommen war. A  Es war nicht recht und doch, wie es scheint, geschah es nicht aus Unwissenheit. Denn in der Bill ist eine Klausel, dass sie künftighin nicht als Beispiel, das heißt als Präjudiz in vergleichbaren Fällen, gelten solle. B  Das ist schlechter als das Gesetz selbst und ist ein volles Bekenntnis, dass ihr Urteil ungerecht war. Denn welchen Schaden enthalten Beispiele gerechter Urteile? Nebenbei, wenn künftighin derselbe Fall eintreten sollte, so ist das Urteil durch diesen Vorbehalt noch längst nicht abgeschwächt. A  In der Tat glaube ich, dass die meisten Lords nach Art kriegsliebender und unkultivierter Menschen neidisch auf seine Größe waren, doch wünschte gleichwohl keiner von ihnen, ihn wegen Hochverrats zu verdammen. Sie wurden durch das Geschrei des gemeinen Volkes dazu gebracht, das nach Westminster kam und schrie: „Gerechtigkeit, Gerechtigkeit gegen den Earl of Strafford!“ Einige vom House of Commons, die nach dem triumphierenden Empfang Prynnes, Burtons und Bastwicks so sicher geworden waren, das Volk bei jeder gewünschten Gelegenheit zum Aufruhr bringen zu können, hatten die Leute veranlasst, sich dort zusammenzurotten. Sie wurden zum Teil auch durch das House of Commons selbst dazu gebracht, das, wenn es einen Lord loszuwerden wünschte, ihn nur zum Verbrecher zu stempeln brauchte. B  Was ist ein Verbrecher? Ein Sünder, oder? Beabsichtigten sie, alle Sünder loszuwerden? A  Mit Verbrecher meinten sie nur einen Mann, dem sie alles Schlechte antun wollten, was sie nur konnten. Doch die Lords be-

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fürchteten jetzt, glaube ich, noch nicht, dass sie damit ihr ganzes Haus abschaffen würden. B  Es ist sonderbar, dass das ganze House of Lords nicht bemerkt haben sollte, dass der Untergang und die Schwächung der königlichen Macht ihren eigenen Untergang und ihre eigene Schwächung mit bedeuteten. Denn sie konnten es kaum für wahrscheinlich halten, dass das Volk jemals beabsichtigte, dem König die Souveränität zu nehmen und sie ihnen zu geben, die gering an Zahl waren und ohnmächtiger als manche Commons, weil sie beim Volk weniger beliebt waren. A  Mir erscheint es nicht so sonderbar. Denn die Lords waren, was ihre persönlichen Fähigkeiten angeht, nicht geschickter in öffentlichen Angelegenheiten als die Ritter und Bürger. Es ist also kein Grund zu glauben, dass, wenn heute einer Abgeordneter im House of Commons ist, der morgen zum Lord und zum Mitglied des House of Lords ernannt wird, er deshalb klüger würde als vorher. Die Mitglieder beider Häuser sind wie nur irgendjemand im Lande kluge und fähige Menschen, aber nur in den Geschäften ihrer eigenen Güter, deren Verwaltung nichts weiter erfordert als Sorgfalt und Mutterwitz. Aber für die Regierung eines Staates genügen weder Witz noch Sorgfalt, noch Fleiß allein ohne unfehlbare Regeln und die echte Wissenschaft von Billigkeit und Recht.37 B  Wenn das wahr ist, so ist es unmöglich, dass irgendein Staat in der Welt, sei er monarchisch, aristokratisch oder demokratisch, lange bestehen kann, ohne dass es zu einem Wandel oder einem Aufruhr kommt, der zum Ziel hat, eine Änderung der Regierungsform oder einen Wechsel der Regierenden herbeizuführen. A  Das stimmt; und auch die größten Staaten der Welt sind nicht lange frei von Aufruhr gewesen. Die Griechen hatten eine Zeitlang ihre kleinen Könige, und dann wurden sie durch Aufruhr zu kleinen Republiken, die dann zu größeren Republiken erwuchsen, bis sie wieder durch Empörung zu Monarchien wurden; und dies alles wegen des Fehlens von Rechtsgrundsätzen für das

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gemeine Volk. Denn wenn das Volk diese Rechtsgrundsätze am Anfang jedes dieser Aufstände gekannt hätte, hätten ehrgeizige Personen niemals die Hoffnung haben können, die Regierung nach ihrer Errichtung wieder zu stürzen. Denn Ehrgeiz allein kann ohne ausführende Organe wenig bewirken, und es hätte deren wenige gegeben, wenn das gemeine Volk genauso sorgfältig über die wahren Richtlinien seiner Pflichten aufgeklärt worden wäre, wie es durch Prediger erschreckt und verwirrt wurde mit fruchtlosen und gefährlichen Lehren über die Natur des menschlichen Willens und viele andere philosophische Fragen, die niemals zur Rettung ihrer Seelen in der künftigen Welt noch zu ihrem Wohlbefinden in diesem Leben beitrugen, sondern nur dazu dienten, die Pflicht, die sie dem König schulden, der Geistlichkeit zu erweisen. B  Soviel ich sehe, werden alle Staaten der Christenheit diesen rebellischen Ausbrüchen ausgesetzt sein, solange die Welt besteht. A  Wahrscheinlich; und doch könnte der Fehler (wie ich schon sagte) leicht vermieden werden, wenn die Universitäten reformiert würden. B  Wie lange tagte nun das Parlament? A  Es begann am 3. November 1640. Der Earl of Strafford wurde vor den Lords am 12. November des Verrats angeklagt, am 22. November in den Tower geworfen; sein Prozess begann am 22. März und endete am 13. April. Nach dem Prozess wurde er am 6. Mai vom House of Commons und danach vom House of Lords des Hochverrats für schuldig erklärt und am 12. Mai enthauptet. B  Das ging schnell. Aber hätte ihn nicht der König trotz alledem durch eine Begnadigung retten können? A  Der König hörte alle Vorgänge dieser Verhandlung mit an und erklärte sich mit ihrem Richterspruch unzufrieden. Und ich glaube, er hätte ihn begnadigt, ungeachtet der Gefahr, die ihm selbst aus der Wut des Volkes drohte. Doch nicht nur solche, auf die er sich verlassen konnte, sondern auch der Earl of Strafford selbst rieten ihm, sich dem Strafvollzug nicht entgegenzustellen.

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Er hätte es getan, wenn die Begnadigung ihn vor dem im Parlament erfolgten und unterstützten Aufruhr hätte bewahren können, der dazu diente, diejenigen in Schrecken zu versetzen, von denen man annahm, dass sie Strafford wohlwollend gegenüberstanden. Und doch zögerte der König später nicht zu bekennen, dass er falsch damit gehandelt habe, ihn nicht zu begnadigen. B  Das war ein Zeichen der guten Gesinnung des Königs. Aber ich habe niemals gelesen, dass Augustus zugab, einen Fehler begangen zu haben, als er Cicero der Wut seines Feindes Antonius preisgab. Vielleicht weil Cicero, der zur Gegenpartei seines Vaters gehörte, dem Augustus nicht aus Zuneigung Dienste erwies, sondern nur aus Feindschaft gegen Antonius und aus Liebe zum Senat, das heißt, aus Eigenliebe, weil er den Senat regierte; wie gleicherweise der Earl of Strafford um seiner eigenen Zwecke willen zur Partei des Königs übertrat, da er doch in früheren Parlamenten so sehr gegen ihn gewesen war. A  Wir können über die Absichten der Menschen nicht sicher urteilen. Doch ich habe oft beobachtet, dass solche, die nach Beför­derung streben, durch ihre Verbissenheit ihr Ziel verfehlt haben und dass andererseits Fürsten, die gezwungen sind, den Gehorsam ihrer Untertanen mit Karriereaussichten zu erkaufen, bereits in dieser Situation oder schon bald nachher in einer recht schwachen Lage sein müssen. Denn auf einem Markt, wo man Ehre und Macht mit Hartnäckigkeit erkaufen kann, werden recht viele Leute genau so zahlungskräftig sein, wie der Earl of Strafford es war. B  Du hast doch davon gelesen, dass Herakles, als er mit der Hydra kämpfte, ihr einen ihrer vielen Köpfe abgeschlagen hatte und, als ihr an deren Stelle zwei andere wuchsen, sie endlich alle abschlug. A  Die Geschichte ist falsch erzählt. Denn Herakles schlug zunächst diese Köpfe nicht ab, sondern bestach sie, und erst später, als er sah, dass ihm dies nichts Gutes einbrachte, schlug er sie ab und errang den Sieg.

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B  Was taten sie als nächstes? A  Nach der ersten Ministeranklage des Earl of Strafford klagte das House of Commons am 18. Dezember auch den Erzbischof von Canterbury des Hochverrats an, und zwar der Absicht, eine Willkürherrschaft einführen zu wollen usw., wofür er am 28. Februar in den Tower geworfen wurde; doch sein Prozess und seine Bestrafung wurden lange Zeit, bis zum 10. Januar 1643, vertagt, zur Belustigung der Schotten, die nach England gekommen waren, um dem Parlament zu helfen.38 B  Warum hielten die Schotten den Erzbischof von Canterbury für so gefährlich? Er war weder ein Krieger noch ein Mann, der imstande war, ein Heer ins Feld zu führen; aber er war vielleicht ein sehr großer Politiker. A  Dies zeigte sich nicht durch irgendeinen erkennbaren Erfolg seiner Ratschläge. Ich hörte nur, dass er wegen seiner moralischen Grundsätze ein sehr ehrenwerter Mann und ein sehr eifriger Befürworter des bischöflichen Kirchenregiments sei, das eine Gottesdienstform und eine Kirchengestaltung wünschte, wie es der Ehre, die wir der göttlichen Majestät darzubringen verpflichtet sind, angemessen ist. Aber wie er den Staat mit seinen früheren Streitigkeiten behelligte, ich meine sein Geschnatter in den Universitäten über den freien Willen und sein Bestehen auf der kleinlich-genauen Beachtung des Gebetbuches und seiner Liturgien, war nach meiner Meinung kein Beweis für seine Befähigung in Staatsangelegenheiten. Zur selben Zeit ging ein Gesetz für ein dreijähriges Parlament durch, dem der König zustimmte. Hierin war beschlossen, dass nach diesem gegenwärtigen Parlament ein Parlament innerhalb dreier Jahre vom König zusammengerufen werden sollte, und so alle drei Jahre in Westminster an einem in dem Gesetz bezeichneten Tag. B  Aber was geschah, wenn es der König nicht einberief, weil er es vielleicht nicht für zweckmäßig oder gar verderblich für die Sicherheit oder den Frieden seines Volkes hielt, welches Gott

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ihm anvertraut hatte? Denn ich verstehe nicht recht, wie irgendein Herrscher ein Volk gut in Ordnung halten kann, wenn ihm die Hände gebunden sind oder wenn irgendwelche anderen Verpflichtungen auf ihm ruhen als das Wohlergehen derjenigen, die er regiert; und gleichzeitig erkannten sie den König als ihren Herrscher an, soviel du mir erzählt hast. A  Ich weiß nicht; aber so lautete der Beschluss des Parlaments. Und es wurde weiter bestimmt, dass der Lordkanzler oder der Lordsiegelbewahrer dann die Berufungsschreiben versenden sollten, wenn der König die Einberufung nicht selber befahl. Und wenn der Kanzler sich weigerte, sollten die Sheriffs der einzelnen Grafschaften von sich aus im nächsten Grafschaftsgerichtshof vor dem Tag, der für den Parlamentszusammentritt festgesetzt war, zur Wahl der Mitglieder des besagten Parlaments schreiten. B  Doch was geschah, wenn auch die Sheriffs sich weigerten? A  Ich denke, sie waren darauf vereidigt, aber in dieser Hinsicht und wegen anderer Einzelheiten verweise ich dich auf die Parlamentsakte. B  Auf wen sollten sie vereidigt sein, wenn es kein Parlament gibt? A  Doch ohne Zweifel auf den König, ob nun ein Parlament tagt oder nicht. B  Dann mag der König sie von ihrem Eid entbinden. Nebenbei: Wenn der König wegen ihrer Weigerung auf sie zornig werden sollte, wer soll (falls das Parlament nicht tagt) sowohl Kanzler als auch Sheriffs in ihrem Ungehorsam beschützen? A  Ich bitte dich, mich nicht nach den Gründen von Dingen zu fragen, die ich nicht besser kenne als du. Ich erzähle dir nur von einer Parlamentsakte, die zu diesem Zweck verabschiedet und Mitte Februar vom König unterzeichnet wurde, kurz bevor der Erzbischof in den Tower geworfen wurde. Außer diesem Gesetz stimmten die beiden Häuser einem anderen zu, worin festgelegt war, dass das gegenwärtige Parlament so lange dauern solle, bis

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beide Häuser seiner Auflösung zustimmten. Auch dieses Gesetz unterzeichnete der König am gleichen Tag wie das Hinrichtungsurteil des Earl of Strafford. B  Welch großen Fortschritt machte das Parlament in so kurzer Zeit im Hinblick auf sein Ziel oder zumindest auf das Ziel der aufrührerischsten Mitglieder beider Häuser! Es begann im November zu tagen, und nun war es Mai: In diesem Zeitraum von nur einem halben Jahr gewann es die Ergebenheit, die das Volk dem König schuldete, für sich, entriss ihm seine treuesten Diener, enthauptete den Earl of Strafford, warf den Erzbischof von Canterbury ins Gefängnis, erreichte nach seiner Auflösung ein dreijähriges Parlament und eine beliebige Fortdauer seiner Tagungen, welch Letzteres auf eine völlige Ausschaltung des königlichen Rechts hinauslief, wenn diese Bewilligung rechtsgültig war, was ich jedoch nicht glaube, weil der König nicht ausdrücklich auf seine Herrscherrechte verzichtet hatte. A  Außerdem erreichten sie vom König die Abschaffung des Star Chamber und des höchsten kirchlichen Gerichtshofs. B  Aber welche finanzielle Unterstützung gewährten sie dem König für all diese weitreichenden Zugeständnisse? A  Gar keine; sie versprachen ihm aber oft, ihn zum ruhmreichsten König zu machen, der jemals in England geherrscht habe, was zwar Phrasen waren, die aber recht gut als wohlmeinende Absichten beim gemeinen Volk gelten konnten. B  War aber das Parlament nun zufriedengestellt? Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es noch mehr vom König wünschen konnte, als er ihm bereits zugestanden hatte. A  Doch. Sie wünschten die gesamte und unumschränkte Souveränität und die Umwandlung der monarchischen Regierung in eine Oligarchie. Er sollte also das Parlament, das nur aus ein paar Lords und ungefähr vierhundert Commons bestand, erst einmal mit unumschränkter Gewalt ausstatten und gleich darauf das House of Lords aufgeben. Denn das war die Absicht der presbyterianischen Geistlichen, die sich kraft göttlichen Rechts

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für die einzigen gesetzlichen Herrscher der Kirche hielten und beabsichtigten, dieselbe Regierungsform auf den weltlichen Staat anzuwenden. Und wie die geistlichen Gesetze durch ihre Synoden festgelegt werden sollten, sollten die bürgerlichen Gesetze durch das House of Commons festgelegt werden, das, wie sie dachten, später nicht weniger von ihnen beherrscht werden sollte, als es schon früher geschehen war. Darin täuschten sie sich aber und wurden durch ihre eigenen Schüler übertroffen, wenn auch nicht in der Bosheit, so doch im Verstand. B  Was geschah dann? A  Im folgenden August unternahm der König, der dachte, er habe nun das Parlament genug verpflichtet, dass es nichts weiter gegen ihn unternehmen werde, eine Reise nach Schottland, um dort seine Untertanen zufriedenzustellen, wie er es hier getan hatte; er beabsichtigte vielleicht damit, ihre Zuneigung zu erwerben, so dass das Parlament, falls es hier die Waffen gegen ihn erheben sollte, bei den Schotten keine Unterstützung fände, worin er sich aber täuschte. Denn obgleich diese mit seinen Handlungen, von denen eine seine Zustimmung zur Abschaffung des Bischofstums war, einverstanden zu sein schienen, verbündeten sie sich doch später mit dem Parlament und fielen um Geldes willen im Parlamentsstreit in England ein, als der König dem Parlament gegenüber im Vorteil war. Doch das geschah ein oder zwei Jahre später. B  Ehe du mir weiter erzählst, möchte ich die Begründung und den Ursprung jenes Rechtes erfahren, welches das House of Lords oder das House of Commons oder beide zusammen nun als Vorwand benutzten. A  Das ist eine Frage nach Geschehnissen, die so weit zurückliegen, dass sie jetzt vergessen sind. Wir können auch nichts anderes mutmaßen, als die Urkunden unserer eigenen Nation und einige wenige unklare Bruchstücke aus der römischen Geschichte bekunden, und aus den Urkunden kannst du, wenn du siehst, dass sie nur über Geschehnisse, die manchmal gerecht, manch-

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mal ungerecht sind, berichten, niemals erfahren, welches Recht sie hatten, sondern nur, welches sie zu haben vorgaben. B  Lass mich dennoch wissen, welche Aufklärung wir in diesem Punkt aus der römischen Geschichte bekommen. A  Es würde zu weit führen und wäre eine nutzlose Abschweifung, alle alten Schriftsteller zu zitieren, die von den Formen derjenigen Staaten sprechen, die es unter unseren ersten Vorfahren, den Sachsen und anderen Germanen, gab, sowie unter den anderen Nationen, von denen wir unsere jetzt in England gebräuchlichen Ehrentitel ableiten, noch ist es möglich, von ihnen irgendeinen Rechtsbeweis herzuleiten, sondern nur Berichte von Tatsachen, die wegen des Ehrgeizes mächtiger Personen öfter als anderswo ungerecht waren. Und was jene Sachsen und Angeln angeht, die sich in alten Zeiten durch verschiedene Einfälle zu Herren dieses Volkes machten, so bildeten sie selbst nicht einen Staatskörper, sondern nur einen Bund verschiedener kleiner germanischer Fürsten und Staaten, wie das griechische Heer im Trojanischen Krieg, ohne andere Verpflichtung als die, die aus ihrer eigenen Furcht und Schwäche hervorging. Meistenteils waren diese Fürsten auch daheim in ihrem Lande keine unumschränkten Herrscher, sondern nur vom Volk zu Führern der mitgeführten Streitkräfte gewählt. Und deshalb war es nicht unbillig, dass, wenn sie irgendeinen Teil des Landes erobert hatten und einen unter sich zum König darüber machten, die übrigen größere Vorrechte genossen als das gemeine Volk und die Soldaten. Unter diesen Vorrechten kann man eines leicht als ein solches erkennen: dass sie mit dem Inhaber der höchsten Regierungsgewalt bekannt waren, ihn auch beraten durften und die höchsten und vornehmsten Ämter in Krieg und Frieden erhielten. Aber weil es keine Regierung geben kann, in der es mehr als einen Souverän gibt, so kann auch nicht gefolgert werden, dass sie ein Recht hatten, den Beschlüssen des Königs mit Gewalt entgegenzutreten noch solche Stellungen und Ehrungen länger genießen zu wollen, als sie gute Untertanen blieben. Und wir finden, dass die Könige von England

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sie bei jedem bedeutenden Anlass als besonnene und kluge Männer des Landes zusammenriefen, ihren Rat hörten und sie zum Richter über alle Dinge machten, die ihnen während ihrer Tagung vorgelegt wurden. Aber wie der König sie nach seinem Gutdünken zusammenrief, so hatte er auch die Macht, ihre Tagung nach seinem Gutdünken wieder aufzu­lösen. Die Normannen, die wie wir von den Germanen abstammen, pflegten dies­bezüglich denselben Brauch, und hierdurch wurde dieses Vorrecht der Lords, zum großen Rat des Königs zu gehören und bei der Tagung der höchste Gerichtshof des Königs zu sein, noch nach der Eroberung bis heute fortgesetzt. Aber obgleich es unter den Lords verschiedene Namen und Titel gibt, erhalten sie doch ihr Vorrecht nur durch die Bezeichnung Baron, die von den alten Galliern überliefert ist, bei denen jener Name „Mann des Königs“ bedeutet, oder vielmehr, „Einer seiner Großen“, wobei mir scheint, dass sie, obschon sie ihn auf sein Verlangen berieten, doch kein Recht hatten, ihn zu bekämpfen, wenn er ihren Rat nicht befolgte. B  Seit wann gehörte das House of Commons zum großen Rat des Königs? A  Ich zweifle nicht daran, dass vor der Eroberung einige verständige Männer, die auch dem König als solche bekannt waren, durch eine spezielle Urkunde zu diesem Rat berufen wurden, obgleich sie keine Lords waren; doch das betrifft nicht das House of Commons. Die Vertreter der Grafschaften und die Abgeordneten der Wahlflecken sind, soviel ich weiß, niemals ins Parlament berufen worden bis zum Beginn der Regierung Edwards I. oder bis gegen Ende der Regierung Henry III. gleich nach dem schlechten Betragen der Barone. Jeder weiß, dass sie in der Absicht berufen wurden, den Einfluss der Lords, die diese neuerdings missbrauchten, zu schwächen. Vor der Zeit Henry III. waren die meisten Lords Abkömmlinge der Pairs und Mitkönige zur Zeit der germanischen Einfälle und Eroberungen, bis einer zum König über sie alle gemacht wurde; und ihre Lehnsleute waren ihre Untertanen, wie es heutzutage noch bei den Lords in Frankreich der

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Fall ist. Doch nach der Regierungszeit Henry III. begannen die Könige, Lords an Stelle derer zu ernennen, die keine Nachkommenschaft hatten. Sie bekamen nur den Titel ohne das Land, das dazu gehörte, und dadurch waren ihre Lehnsmannen, die nun nicht mehr verpflichtet waren, ihnen im Kriege zu dienen, weniger und weniger imstande, eine Partei gegen den König zu gründen, obgleich sie noch weiter zu seinem großen Rat gehörten. Und in dem Maße, in dem ihre Macht abnahm, nahm die Macht des House of Commons zu, doch ich finde nicht, dass sie überhaupt am Rat des Königs beteiligt oder Richter über andere Menschen waren; obgleich nicht geleugnet werden kann, dass auch ein König ihren Rat so gut wie den eines jeden anderen beanspruchen kann. Doch ich finde nicht, dass der Zweck ihrer Einbestellung der war, Ratschläge zu erteilen, sondern allein der, dass sie, falls sie irgendwelche Gesuche hinsichtlich der Abstellung von Beschwerden hätten, diese bereithielten, während der König seinen großen Rat um sich versammelte. Doch weder sie noch die Lords konnten dem König als Beschwerde die Tatsache unterbreiten, dass der König von sich aus die Gesetze gab, seine eigenen Staatsräte auswählte, Geld aufbrachte und Soldaten anwarb, um Frieden und Ehre des Königreichs zu verteidigen, in seiner Armee Offiziere beförderte und Gouverneure seiner Schlösser berief, wie es ihm beliebte. Denn dies hätte geheißen, dem König zu sagen, es sei eine ihrer Beschwerden, dass er König sei. B  Was tat das Parlament, während der König in Schottland war? A  Der König reiste im August, worauf das Parlament sich vom 8. September bis zum 20. Oktober vertagte; und der König kehrte Anfang Dezember zurück. In dieser Zeit entstand unter den aufrührerischsten Elementen beider Häuser, die einen Regierungswechsel und eine Vernichtung der Monarchie ins Auge fassten (aber doch nicht Geist genug hatten, eine neue Staatsform an ihre Stelle zu setzen, und dies folglich dem Kriegsglück überließen), eine Intrige in ihren eigenen Reihen, wobei sie planten, wie sie,

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wenn sie einander helfen würden, das House of Commons regieren könnten, und ausklügelten, wie sie das Königreich mit der Macht dieses Hauses in Aufruhr versetzen könnten, was sie damals als eine Verteidigungsstellung gegen Gefahren von außen bezeichneten, die sie aber selbst erfinden und bekanntgeben wollten. Daneben schlossen sich die irischen Papisten, während der König in Schottland war, zu einer großen Partei zusammen, die den Zweck hatte, die dortigen Protestanten zu ermorden, und sie hatten einen Plan für den 23. Oktober zur Überrumplung des Dub­liner Schlosses entworfen, wo die königlichen Offiziere der Regierung dieses Landes wohnten. Sie hätten ihn auch ausgeführt, wenn er nicht in der Nacht vorher entdeckt worden wäre. Welcher Art die Entdeckung und die Morde, die sie nachher in diesem Land begingen, waren, brauche ich dir nicht zu erzählen, da die ganze Geschichte noch gegenwärtig ist.39 B  Ich wundere mich darüber, dass sie nicht, sobald sie mit dem König in England zu streiten begannen, einen Aufstand in Irland erwarteten und beförderten. Denn war irgendjemand so unkundig, nicht zu wissen, dass die irischen Papisten dort ebenso nach einer Veränderung der Religion strebten wie die Presbyterianer in England? Oder dass die irische Nation im Allgemeinen es hasste, England untertan zu sein, und sich nicht weiterhin ruhig verhalten würde, sobald sie nicht mehr die Züchtigung durch ein englisches Heer fürchtete? Welchen besseren Zeitpunkt konnten sie sich dann für ihren Aufstand wählen als diesen, wo sie nicht nur durch unsere Schwäche, die aus der Uneinigkeit zwischen dem König und seinem Parlament entstand, ermutigt wurden, sondern auch durch das Beispiel der schottischen und englischen Presbyterianer? Doch was tat das Parlament während der Abwesenheit des Königs bei dieser Gelegenheit? A  Nichts; doch bedenke, welchen Gebrauch sie davon zu ihrem eigenen Vorteil machen konnten, indem sie es teils den schlechten Beratern des Königs zur Last legten und teils bei dieser Gelegenheit vom König die Befugnis zu erlangen suchten, Soldaten auszu-

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heben und zu befehligen, wo doch der Inhaber dieser Gewalt, wer er auch sei, ohne Zweifel die ganze Souveränität besitzt. B  Wann kehrte der König zurück? A  Er kam am 25. November wieder und wurde von dem Freudengeschrei des gemeinen Volkes empfangen, so sehr, als ob er der beliebteste unter allen Königen vor ihm gewesen wäre. Doch fand er beim Parlament keinen Empfang, der dem des Volkes entsprach. Sie begannen sofort, aus jedem Wort, das er zu ihnen sprach, neue Streitereien gegen ihn vom Zaun zu brechen. Am 2. Dezember rief der König beide Häuser des Parlaments zusammen und bat sie, ihn gegen Irland zu unterstützen. B  Welche Auseinandersetzung konnten sie hieraus provo­zieren? A  Keine; aber dazu erörterten sie, wie sie vorgaben, ein Gesetz, das die Befugnis, Soldaten auszuheben, den beiden Häusern der Lords und Commons zuschrieb, was gleichbedeutend damit war, dem König die Macht über das Militär zu nehmen, die im Wesentlichen die ganze souveräne Macht bedeutet. Denn derjenige, der die Macht hat, Soldaten auszuheben und zu befehligen, besitzt auch alle anderen Souveränitätsrechte, die er zu fordern beliebt. Als der König davon hörte, rief er das Parlament nochmals am 14. Dezember zusammen und forcierte anscheinend noch einmal die irische Angelegenheit (denn das war nötig, da inzwischen die Iren dabei waren, die Engländer in Irland umzubringen, und gegen die aus England erwarteten Streitkräfte Verstärkungen ­gesammelt hatten), und zugleich sagte er ihnen, dass er an dem erörterten Gesetz über die Aushebung von Soldaten Interesse habe und einverstanden sei, wenn es mit einem salvo jure für ihn und sie durchgehen würde,40 weil die gegenwärtige Lage zu ungünstig sei, um darüber zu streiten. B  Was war daran unvernünftig? A  Nichts. Was unvernünftig ist, ist die eine Frage, eine andere ist, um was sie sich stritten. Sie stritten sich darum, dass Seine Majestät von diesem Gesetz, solange darüber im House of Lords verhandelt wurde, überhaupt Kenntnis genommen hatte,

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ehe es ihm auf parlamentarischem Wege vorgelegt wurde, und auch, dass er sich mit denen, die das besagte Gesetz vorschlugen, unzufrieden gezeigt habe, was sie beides zu einem Verstoß gegen die Vorrechte des Parlaments erklärten und den König baten, ihnen Genugtuung gegen diejenigen zu geben, durch deren schlechten Rat er dazu veranlasst worden sei, und sie gebührend zu bestrafen. B  Dies war ein grausames Verfahren. Pflegen die Könige von England nicht an den Tagungen des House of Lords teilzunehmen, wann es ihnen beliebt? Und wurde nicht über dieses Gesetz damals im House of Lords debattiert? Es ist sonderbar, dass ein Mann, der sich rechtmäßig in der Gesellschaft von Menschen befindet und dort notwendigerweise hören und sehen muss, was sie sagen und tun, dem doch nicht genauso viel Beachtung schenken soll wie der Gesellschaft selber; denn obgleich der König nicht an der Debatte selbst teilnahm, so war doch rechtlich jeder Lord befugt, ihm davon Nachricht zu geben. Jeder vom House of Commons würde, wenn er bei einem Gesetzesantrag oder bei einer Diskussion im Hause auch nicht anwesend wäre, sich doch nicht nur damit beschäftigen, sondern sogar im House of Commons darüber reden, wenn er durch seine Kollegen davon hörte. Aber um den König dazu zu bewegen, ihnen seine Freunde und Ratgeber auszuliefern, um von ihnen für ihre Treue gegen den König zum Tode verurteilt, in die Verbannung geschickt oder gefangengenommen zu werden, errichteten sie eine derartige Tyrannei über einen König, wie es kein König jemals mit irgendeinem Untertan, außer in Fällen von Verrat und Mord, und dann noch selten, getan hat. A  Darauf begann eine Art Federkrieg zwischen Parlament und Staatssekretären und anderen tüchtigen Leuten, die beim König waren. Denn nach dem 15. Dezember sandten sie dem König eine Schrift mit dem Titel A Remonstrance of the State of the Kingdom und gleichzeitig eine Petition, welche sie beide veröffentlichen ließen. In der Remonstranz beschwerten sie sich über verschiedene

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verderbliche Vorhaben einer böswilligen Partei, die damals vor Beginn des Parlaments reif zur Ausführung geworden seien, und setzten weiterhin auseinander, welche Mittel zu ihrer Abwendung von der Weisheit des Parlaments angewandt worden, auf wie viel Schwierigkeiten sie dabei gestoßen seien und welcher Weg geeignet sei, um die alte Ehre, Größe und Sicherheit der Krone und der Nation zu erneuern und zu erhalten. Die Förderer und Urheber dieser verderblichen Absichten waren (wie sie sagten): 1. jesuitische Papisten; 2. die Bischöfe und der Teil der Geistlichen, der das Zere­mo­ niell zur Stütze seiner eigenen kirchlichen Tyrannei und Anmaßung gebrauchte; 3. Ratgeber und Höflinge, die sich (wie sie sagten) zu eigennützigen Zwecken damit abgegeben hatten, die Interessen ausländischer Fürsten zu fördern. B  Es ist sehr gut möglich, dass einige Bischöfe und auch einige vom Hofe bei der Verfolgung ihrer Privatinteressen manches auf unbesonnene und vielleicht niederträchtige Art getan haben. Deshalb bitte ich dich, mir im Einzelnen ihre Verfehlungen mitzuteilen: Denn mich dünkt, der König hätte nicht irgendetwas, das gegen seine eigene höchste Autorität verstieß, nachsichtig behan­deln dürfen. A  Das Parlament ging nicht sehr streng gegen jene vor, die für den König waren, sie ließen keinen Zweifel, dass alles, was sie taten, auf Befehl des Königs geschähe; doch klagten sie dessen die Bischöfe, Räte und Höflinge an, da dies ein gesittererer Weg war, den König selber anzuklagen und ihn bei seinen Untertanen in Verruf zu bringen. Denn in Wahrheit war das gegen jene Vorgebrachte so allgemeiner Natur, dass es nicht eine Anklage, sondern eine Beschimpfung heißen sollte. Zum ersten (sagten sie) erörterten sie Fragen über Prärogative und Freiheit zwischen dem König und seinem Volk, mit dem Hintergedanken, unter dem Deckmantel großer Ergebenheit im Dienst des Königs selbst die Plätze größten Vertrauens und größter Macht im Reich einzunehmen.

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B  Wie konnte dies eine Anklage genannt werden, worin nichts Tatsächliches enthalten ist, was irgendwelche Ankläger oder ihre Zeugen hätten beweisen können. Denn angenommen, diese Fragen über die Prärogative wären wirklich von ihnen aufgeworfen worden – wer kann beweisen, dass es ihr Ziel war, sich selbst oder ihren Freunden die Vertrauens- und Machtstellungen im Königreich zu verschaffen? A  Eine zweite Anklage war, dass sie versuchten, die Reinheit und Macht der Religion zu unterdrücken. B  Das ist Schwindel. Es ist keinem Menschen gegeben, die Macht der Religion zu unterdrücken. A  Sie meinten, dass sie die Lehre der Presbyterianer unterdrücken wollten, das heißt, gerade das stärkste Fundament der ver­ räterischen Ansprüche des damaligen Parlaments. Eine dritte, dass sie Arminianer, Papisten und Freigeister (womit sie die gewöhnlichen Protestanten meinten, welche sich nicht in Streitereien mischen) zu dem Zweck begünstigten, eine Körperschaft zusammenzufügen, die bereit sei, nach ihren Ratschlägen und Entschlüssen zu handeln. Eine vierte, dass sie versuchten, den König zu anderen Arten der Geldeinnahme als auf dem gewöhnlichen parlamentarischen Weg zu veranlassen. Entscheide selbst, ob dies im wahren Sinne Anklagen oder nicht vielmehr gehässige Vorwürfe gegen die Regierung des Königs waren. B  Mir scheint, dieses letzte war ein sehr schwerer Fehler. Denn welcher Nutzen konnte darin liegen, den König zu irgendeiner abweichenden Art der Gelderhebung zu bewegen, wenn das Parlament gewillt war, ihm welches zu verschaffen, soweit es zur Sicherung des Königreiches oder zur Ehre des Königs nötig sein sollte? A  Ich erzählte dir doch vorher, dass sie ihm nichts geben wollten außer unter der Bedingung, dass er diejenigen, die sie bezeichneten, köpfen lassen sollte, wie treu sie ihm auch gedient haben mochten. Und wenn er auch alle seine Freunde ihrem Ehr-

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geiz geopfert hätte, so hätten sie doch noch andere Ausflüchte gefunden, ihm Hilfsgelder zu verweigern, denn sie waren entschlossen, die souveräne Macht von ihm auf sich zu übertragen, was sie niemals tun konnten, ohne große Sorgfalt darauf zu verwenden, dass er durchaus kein Geld bekäme. Fernerhin bezeichneten sie in der Remonstranz alle die Vorkommnisse, welche seit dem Anfang der Regierung des Königs ihr Missfallen erregt hatten, als Fehler derjenigen, deren Rat der König befolgte, gleichgültig, ob es Fehler waren oder nicht, zumal sie darüber zu urteilen gar nicht fähig waren, aus Mangel an Kenntnis der Ursachen und Motive, die den König dazu veranlasst hatten und die nur der König selbst und jene Mitglieder seines Privy Councel kannten, denen er sie offenbarte. B  Doch welcher Art waren im Einzelnen solche angeblichen Fehler? A  1. Die Auflösung seines ersten Parlaments in Oxford. 2. Die Auflösung seines zweiten Parlaments im zweiten Jahr seiner Regierung. 3. Die Auflösung seines Parlaments im vierten Jahr seiner Regierung. 4. Die ergebnislose Expedition nach Cales.41 5. Der mit Spanien geschlossene Friede, wodurch die Sache des Kurfürsten von der Pfalz aufgegeben wurde und in belastenden und hoffnungslosen Verhandlungen endete. 6. Die Entsendung von Abordnungen, um Geld auf dem Wege von Darlehen zu erhalten. 7. Das Erheben von Ship-money. 8. Die Vergrößerung von Waldungen entgegen der Magna Charta. 9. Die Absicht, alle Munition in eine Hand zu bringen und sie im Tower von London aufzubewahren. 10. Ein Plan, den Gebrauch von Kupfergeld einzuführen. 11. Die Geldstrafen, Gefangennahmen, Brandmarkungen, Verstümmelungen, Geiselungen, das An-den-PrangerStellen, Knebeln, die Einkerkerungen und Verbannungen kraft des Urteils des Star Chamber. 12. Die Absetzung von Richtern. 13. Die widerrechtlichen Handlungen des Privy Council. 14. Die willkürliche und widerrechtliche Macht des Lord-Marschall-­ Gerichtshofs. 15. Die Missbräuche im Kanzleigericht, im Finanz-

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amt und im Vormundschaftsgericht. 16. Der Verkauf von Ehrentiteln, die Käuflichkeit von Richter-, Beamten- und anderen Ämtern. 17. Die Anmaßung der Bischöfe und anderer Geistlicher, die sich in Amtsentsetzungen, Bann, Absetzung und Herabwürdigung verschiedener arbeitsamer, gelehrter und gottesfürchtiger Geistlichen geäußert habe. B  Wurden denn irgendwelche dieser Geistlichen degradiert, abgesetzt oder verbannt? A  Ich kann es dir nicht sagen. Aber ich erinnere mich, gehört zu haben, dass verschiedene umtriebige, ungelehrte und aufrührerische Priester bedroht wurden. 18. Das Übermaß von Strenge bei Urteilen des obersten kirchlichen Gerichts [ High Commission ]. 19. Das Predigen vor dem König gegen das Eigentum der Untertanen und für die Prärogative des Königs vor dem Gesetz. Und verschiedene andere, unbedeutende Auseinandersetzungen, die sie mit der Regierung hatten, von denen sie, obgleich sie jener Faktion in die Schuhe geschoben wurden, doch wussten, dass sie in der Meinung des Volkes, das durch Flugblätter davon unterrichtet worden war, auf den König zurückfallen würden. Nun weiter. Nach Auflösung des Parlaments am 5. Mai 1640 finden sie andere Fehler, wie die Auflösung selbst, die Gefangennahme einiger Mitglieder beider Häuser, eine Zwangsanleihe, die in London versucht wurde, die Fortsetzung der Synode nach Beendigung des Parlaments und die durch den Staatssekretär Windebank und andere den Papisten gegenüber bezeigte Gunst. B  Alles dieses wird im gemeinen Volk als Beweis für eine schlechte Regierung allgemein bekannt werden und dem König als Fehler ausgelegt werden, obgleich einige davon unglückliche Zufälle waren; und beides, Unglück und Missregierung (wenn es sie gab), sind die Fehler des Parlaments, welches durch die Weigerung, dem König Geld zu bewilligen, seine auswärtigen Unternehmungen durchkreuzte und ihn auf diese ungewöhnlichen Wege (welche sie widerrechtlich nennen) brachte, um daheim Geld einzutreiben.

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A  Du siehst, welche Menge Unheil sie heraufbeschworen haben, um dem Volk eine Anschauung von schlechter Regierung zu geben, welches sie durch eine Aufzählung derjenigen Dienste unterstützten, die sie dem König erwiesen hätten durch Übernahme einer großen Anzahl davon, wenn auch nicht aller, und mehreres andere; sie taten dies, indem sie erklärten, dass, obgleich sie den Schotten gegenüber eine Schuld von 200000 £ eingegangen und sechs Hilfsgelder bewilligt hätten sowie ein Gesetz über Kopfsteuergeld, das sechs weitere Hilfsgelder wert sei, doch Gott die Bemühungen dieses Parlaments so gesegnet habe, dass das Königreich noch dabei gewann. Und dann folgt das Verzeichnis der für König und Reich getanen guten Dinge. Für das Königreich hatten sie (wie sie sagten) Folgendes getan: Sie hatten das Shipmoney, welches das Königreich jährlich 200 000 £ kostete, abgeschafft; sie hatten die Gelder für Bewaffnung und Bekleidung und andere militärische Lasten aufgehoben, welche, wie sie sagten, auf kaum weniger als das Ship-money hinausliefen, sie hatten alle Monopole unterdrückt, was sie auf eine Million jährlich als Ersparnis für die Untertanen schätzten; sie hatten lebende Missstände, womit sie schlechte Ratgeber und Handelnde meinten, durch den Tod des Earl of Strafford beseitigt, durch die Flucht des Kanzlers Finch und des Staatssekretärs Windebank, durch die Einkerkerung des Erzbischofs von Canterbury und des Richters Bartlet und die Gefangennahme anderer Bischöfe und Richter; sie hatten ein Gesetz für ein dreijähriges Parlament durchgebracht und ein anderes für die Fortsetzung des gegenwärtigen Parlaments, bis sie es für geeignet hielten, sich selbst aufzulösen. B  Das heißt, für immer, wenn sie nicht daran gehindert werden. Doch die Summe aller dieser Dinge, welche sie für das Königreich taten, ist, dass sie es ohne Regierung ließen, ohne Kraft, ohne Geld, ohne Gesetz und ohne guten Rat. A  Sie hielten sich außerdem die Abschaffung des obersten kirchlichen Gerichts [ High Commission ] und die Minderung der Macht des Staatsrats [ Councel Table ], der Bischöfe und ihrer Ge-

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richtsbarkeit zugute, dazu die Beseitigung unnötiger religiöser Zeremonien, die Vertreibung von Geistlichen, die nicht von ihrer Faktion waren, aus ihren Pfründen und die Besetzung ihrer Stellungen mit solchen, die es waren. B  All dieses war nur zu ihrem eigenen Vorteil, jedoch kein Gewinn für das Königreich. A  Das Gute, das sie dem König getan hatten, war erstens (wie sie sagten) die monatliche Gewährung von 25 000 £ zur Unterstützung der nördlichen Grafschaften. B  Warum brauchten die nördlichen Hilfe nötiger als die anderen englischen Grafschaften? A  In den nördlichen Grafschaften lag die schottische Armee, die das Parlament zum Widerstand gegen den König herbeigerufen hatte, und folglich musste ihr Aufenthalt bezahlt werden. B  Gut; doch vom Parlament, das sie herbeirief. A  Aber sie verneinten dies und behaupteten, dass das Geld dem König gegeben worden sei, weil er verpflichtet wäre, seine Untertanen zu beschützen. B  Er ist nicht weiter dazu verpflichtet, als sie ihm das nötige Geld geben, es zu tun. Es ist eine gewaltige Unverfrorenheit, ein Heer gegen den König zu sammeln, mit diesem Heer die Mit­ unter­tanen zu unterdrücken und dann zu fordern, dass der König ihnen helfen soll, das heißt, verpflichtet sein soll, die Armee zu bezahlen, die gebildet worden war, um gegen ihn zu kämpfen. A  Ja darüber hinaus berechneten sie dem König sogar die 300 000 £, die den Schotten ausbezahlt worden waren, ohne die sie nicht in England eingefallen wären, außerdem vieles andere, dessen ich mich jetzt nicht mehr erinnere. B  Ich hätte nicht geglaubt, dass es in der Menschheit eine solche Unverschämtheit und Schurkerei geben könnte. A  Du hast die Welt nicht lange genug beobachtet, um all ihre Schlechtigkeit zu erkennen. Ihre Remonstranz war so, wie ich es dir erzählte. Gleichzeitig übersandten sie eine Petition, die drei Punkte enthielt: 1. dass Seine Majestät den Bischöfen die Stimmen

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im Parlament entziehen und die Unterdrückung hinsichtlich der Religion, Kirchenverwaltung und Kirchenzucht, über die sie sich beschwerten, abschaffen solle; 2. dass er aus seinem Rat alle entfernen solle, die die Beschwerden des Volkes vergrößern würden, und dass er in seinen großen und öffentlichen Angelegenheiten solche Menschen einsetzen solle, denen das Parlament Vertrauen schenkte; 3. dass er nicht das Land weggeben solle, das der Krone durch die Rebellion in Irland anheimgefallen sei. B  Es war, wie mir scheint, zu dieser Zeit nicht klug, jenen letzten Punkt zu erörtern; er hätte aufgehoben werden müssen, bis sie die Aufrührer unterworfen hatten, gegen die jetzt keine Streitkräfte gesandt waren. Es ist, als ob man des Löwen Fell verteilt, ehe man ihn getötet hat. Doch welche Antwort bekamen sie auf die anderen beiden Vorschläge? A  Welche sonst als eine abschlägige? Ungefähr zur gleichen Zeit legte der König selbst ein Schriftstück gegen sechs Parlamentsmitglieder vor, von denen fünf dem House of Commons und einer dem House of Lords angehörten; er klagte sie des Hochverrats an, und um den 4. Januar ging er selbst zum House of Commons, um die Herausgabe jener fünf zu fordern. Doch sie waren von einem Verräter aus der Umgebung des Königs heimlich benachrichtigt worden und hatten sich beurlaubt, und dadurch vereitelten sie das Vorhaben Seiner Majestät.42 Nachdem er gegangen war, machte das House of Commons eine fürchterliche Affäre und eine scharfe Verletzung seiner Vorrechte daraus und vertagte sich nach London, um dort als Hauptausschuss zu tagen, wobei sie vorgaben, dass sie in Westminster nicht sicher seien: Als nämlich der König ins Parlament kam, um die Auslieferung jener Personen zu verlangen, hatte er etwas mehr Gefolge bei sich gehabt als gewöhnlich (doch nicht anders bewaffnet, als seine Diener zu sein pflegten). Und sie wollten sich nicht beruhigen (obgleich der König später auf die Verfolgung jener Personen verzichtete), wenn er ihnen nicht auch diejenigen nenne, die ihm geraten hatten, in dieser Weise in das Parlament einzudringen, damit sie die gebüh-

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rende Strafe empfingen. Dieses Wort gebrauchten sie an Stelle von Grausamkeit. B  Das war eine harte Forderung. War es nicht genug, dass der König seine Feinde schonen sollte, sollte er nun auch seine Freunde verraten? Wenn sie den König auf solche Weise tyrannisierten, ehe sie die souveräne Macht an sich gerissen hatten, wie würden sie dann erst ihre Mituntertanen tyrannisieren, wenn sie die Macht erhielten? A  So, wie sie es taten. B  Wie lange blieb dieser Ausschuss in London? A  Nicht länger als zwei oder drei Tage. Und dann wurden sie von London in großem Triumph zu Schiff ins Parlamentsgebäude geleitet, bewacht von einer lärmenden Menge Bewaffneter, um dort in Sicherheit dem König zum Trotz zu tagen und gegen ihn verräterische Gesetze zu erlassen, welcher Art und so viele sie Lust hatten, und unter dem Schutz dieses Pöbels alle die aus dem House of Peers wegzugraulen43, die nicht zu ihrer Partei gehörten. Denn zu dieser Zeit war der Pöbel so unverschämt, dass aus Angst vor Gewalttätigkeiten kaum irgendeiner der Bischöfe in das Parlament zu gehen wagte, wie auch deshalb zwölf von ihnen sich wegen ihres Ausbleibens entschuldigten, und in einer Petition an den König machten sie ihm Vorhaltungen, dass es ihnen nicht gestattet werde, in Ruhe zur Ausübung dieser Pflicht zu gehen, protestierten gegen alle Maßregeln, die während ihrer erzwungenen Abwesenheit im House of Lords beschlossen werden sollten, und bezeichneten sie als ungültig. Das nahm das House of Commons zum Anlass, nun eins seiner Mitglieder zu den Peers zu senden, um sie des Hochverrats anzuklagen, worauf zehn von ihnen in den Tower geworfen wurden. Nach dieser Zeit hörte man nichts von ihrem Hochverrat, doch ging dort eine Bill durch, durch die sie ihres Stimmrechts im Parlament beraubt wurden, und zu diesem Gesetz erhielten sie die Zustimmung des Königs. Und zu Anfang des nächsten September bestimmten sie, dass die Bischöfe nichts mehr mit der Kirchenverwaltung zu tun haben sollten.

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Doch dazu hatten sie nicht die Zustimmung des Königs, da jetzt der Bürgerkrieg begonnen hatte. B  Was machte das Parlament so abgeneigt gegen das Episkopat, insbesondere das House of Lords, dessen Mitglieder doch die Bischöfe waren? Denn ich sehe keinen Grund dafür, weshalb sie diesen Beschluss fassen sollten, um eine Anzahl armer presby­ terianischer Gemeindepfarrer zufriedenzustellen, die niemals irgendwie den Lords nützen konnten, die aber im Gegenteil ihr Bestes dafür taten, deren Macht zu vernichten und sie zu Untertanen ihrer Synoden und ihrer Klasse zu machen. A  Weil unter den Lords nur sehr wenige die Absichten der Presbyterianer durchschauten und sie es außerdem nicht wagten (wie ich annehme), dem House of Commons entgegenzutreten. B  Aber warum war das House of Commons so entschieden gegen sie? A  Weil sie die Absicht hatten, ihre Lehrmeinungen anzuwenden [ make use of their tenents ] und mit erheuchelter Heiligkeit den König und seine Partei dem Volk verhasst zu machen, mit dessen Hilfe sie die Demokratie einführen und den König entthronen oder ihm nur so lange seinen Titel lassen wollten, wie er in ihrem Sinne handeln würde. Aber in einer Hinsicht war nicht nur das Parlament, sondern gewissermaßen das ganze englische Volk den Bischöfen feind, und zwar in Anbetracht ihres (wie sie sagten) allzu herrischen Betragens. [ Denn die meisten von ihnen benahmen sich in der Tat so, als verdankten sie ihre Größe nicht der Gnade des Königs und seiner Bestallung, welche ihnen ihre Autorität verlieh, sondern dem Verdienst ihres eigenen vermeintlichen Witzes und ihrer Gelehrsamkeit und gaben ebenso viel auf ihre gegenseitige Verherrlichung wie auf ihre zur Schau getragene Reizbarkeit in der Verteidigung der Würde ihrer Rechtsprechung und ihres Amtes, indem sie immer über die, die mit ihrem Geist und ihren Einfällen von ihnen abwichen, höchlichst beleidigt waren; und folglich wurden sie für ein wenig zu eifrig gehalten, sich selber zur Geltung zu bringen. ]

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Dies war alles, was ihnen in Wahrheit zur Last gelegt wurde. Der Hauptgrund, sie zu demütigen, war der Neid der Presbyterianer, der das Volk gegen sie und gegen das Bischofstum selbst aufhetzte. B  Wie wollten die Presbyterianer die Kirche verwaltet haben? A  Durch National- und Provinzialsynoden. B  Heißt das nicht, die Nationalsynode zum Erzbischof zu erheben und die Provinzialversammlungen zu ebenso vielen Bischöfen? A  Ja. Aber jeder Geistliche soll das Vergnügen haben, an der Regierung teilzunehmen und folglich imstande zu sein, sich an allen zu rächen, die seine Gelehrsamkeit nicht bewundern und ihm nicht beim Füllen seiner Geldbörse helfen, und für seinen Dienst solche zu gewinnen, die dies tun. B  Es ist eine böse Sache, dass es zwei Faktionen geben soll, die den Staat [ Common wealth ] beunruhigen, ohne irgendein anderes Interesse daran zu haben als das Sonderinteresse jedes einzelnen; und dass ihr Streit sich nur um Meinungen drehen soll, das heißt darum, wer die größte Gelehrsamkeit besitzt, als ob ihre Gelehrsamkeit der Maßstab für die Regierung der ganzen Welt wäre. Worin sind sie gelehrt? Sind es Politik und Regeln des Staatsrechts? Ich weiß, dass man es Theologie nennt; doch ich höre über beinahe nichts anderes predigen als über philosophische Stoffe. Denn wahre Religion gestattet keine wissenschaftlichen Dispute. Sie ist ein Gesetz des Staates und bedarf keiner Streitereien. Ich glaube nicht, dass sie so tun, als sprächen sie mit Gott und erführen seinen Willen auf irgendeinem anderen Wege als durch das Lesen der Heiligen Schrift, genauso wie wir. A  Doch, einige von ihnen behaupten das und geben sich für Propheten aus, die auf außerordentliche Weise erleuchtet sind. Doch die andern behaupten nur (um zu Pfründen und Seelsorge zu kommen), eine größere Beschlagenheit in der Schrift als andere Menschen zu haben, begründet durch ihre Universitätsbildung und die dort erlangte Kenntnis der lateinischen Sprache,

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und einige rühmen sich auch der Kenntnis der griechischen und hebräischen Sprache, in der die Bibel verfasst wurde, neben ihrer Kenntnis der Naturphilosophie, die dort öffentlich gelehrt wird. B  Was die lateinische, griechische und hebräische Sprache anbelangt, so war ihre Kenntnis einstmals (zur Entdeckung des römischen Betrugs und zur Vertreibung der römischen Macht) sehr nützlich, oder besser, nötig; doch das ist nun vorbei, wir besitzen die Bibel in englischer Sprache, und da wir auch englisch predigen, sehe ich keinen großen Bedarf für die griechische, lateinische und hebräische Sprache. Ich käme mir qualifizierter vor, wenn ich die Sprachen unserer Nachbarn, Französisch, Niederländisch und Spanisch, gut verstünde.44 Bevor die Päpste mächtig wurden, denke ich, war niemals in der Welt zu beobachten gewesen, dass die Philosophie zur Macht im Staate viel beigetragen hat. A  Aber Philosophie, vereint mit Theologie, hat sehr oft dazu geführt, dass die Professoren den Platz der höchsten Autorität nach der Autorität der Könige selbst erhielten, das geschah in den meisten der alten Königreiche, wie es aus der Geschichte dieser Zeiten klar zu ersehen ist. B  Ich bitte dich, nenne mir einige Autoren und Quellen. A  Erstens, was waren die Druiden in alten Zeiten in Britannien und Frankreich? Welchen Einfluss sie hatten, kannst du bei Caesar, Strabo und anderen nachlesen, besonders bei Diodorus Siculus, vielleicht dem größten der Alten, der jemals gelebt hat; der sagt über die Druiden (die er Saroviden nennt) in Frankreich folgendes: „Es gibt auch unter ihnen gewisse Philosophen und Theologen, die außerordentlich geehrt werden und deren man sich auch als Propheten bedient. Diese Menschen wahrsagen die Zukunft kraft ihrer Geschicklichkeit in der Deutung des Vogelfluges und der Untersuchung von Knochen heiliger Tiere, und die Menge gehorcht ihnen.“ Und etwas weiter unten: „Es ist bei ihnen Brauch, dass niemand ohne einen Philosophen opfern soll, weil (wie sie sagen) die Menschen den Göttern ihren Dank nicht anders ausdrücken können als durch solche, die die göttliche Na-

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tur kennen, die wie diese in derselben Sprache sprechen, und alle guten Dinge müssen von solchen erbeten werden.“ 45 B  Ich kann kaum glauben, dass diese Druiden in Naturphilosophie oder Ethik sehr bewandert waren. A  Ich auch nicht; weil sie wie Pythagoras die Seelenwanderung von einem Körper in den anderen lehrten; ob sie diese Anschauung von ihm hatten oder er von ihnen, weiß ich nicht. Was waren die Magier in Persien anderes als Philosophen und Astrologen? Du weißt, wie sie kamen, um unseren Heiland mit Hilfe eines Sternes zu finden, entweder von Persien selbst oder von einigen Ländern östlich Judäas aus. Standen sie nicht in ihrem Lande in großem Ansehen? Und werden sie nicht vom größten Teil der Christenheit für Könige gehalten? Ägypten wurde von vielen als das älteste Königreich und die älteste Nation der Welt bezeichnet; und seine Priester hatten die größte Macht in Staatsangelegenheiten wie sie irgendein Untertan in irgendeinem Staat je gehabt hat. Und was waren sie anderes als Philosophen und Theologen? Von ihnen sagt derselbe Diodorus Siculus das Folgende: „Das ganze Land (Ägypten) ist in drei Teile geteilt, der eine gehört der Priesterkaste, weil sie das meiste Vertrauen des Volkes genießt, sowohl wegen ihrer Ergebenheit den Göttern gegenüber als auch wegen ihres anerzogenen Verstandes.“ Und gleich danach: „Denn gewöhnlich sind diese Männer in den wichtigsten Angelegenheiten die Ratgeber des Königs, teilweise ausübend, teilweise ihn beratend und belehrend; sie weissagen ihm auch (vermittels ihrer Kenntnis der Astrologie und ihrer Kunst, aus Opfern zu weissagen) die künftigen Geschehnisse und lesen ihm aus ihren heiligen Büchern diejenigen der dort aufgezeichneten Begebenheiten vor, deren Wissen für ihn nutzbringend ist. Es ist dort nicht wie in Griechenland, wo ein Mann oder eine Frau im Besitz des Priesteramtes ist, sondern viele versehen die Ehrungen und Opfer der Götter und hinterlassen ihrer Nachkommenschaft dieselbe Beschäftigung. Sie haben nächst dem König die größte Macht und Autorität.“ 46 Über die

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Rechtspflege der Ägypter sagt er das Folgende: „Aus den bedeutendsten Städten, wie Hieropolis, Theben und Memphis, wählen sie Richter, die einen Rat bilden, der dem Areopag der Athener oder dem Senat der Lakedämonier an Bedeutung nicht nachsteht. Wenn sie sich, dreißig an der Zahl, versammelt haben, wählen sie einen aus ihrer Mitte als Oberrichter, und die Stadt, aus der er stammt, sendet einen anderen an seiner Stelle. Dieser Oberrichter trug um seinen Hals einen Schmuck von köstlichen Edelsteinen, der an einer goldenen Kette hing, und dieses Kleinod hieß Wahrheit und war, wenn es der Oberrichter umlegte, das Zeichen zum Beginn der Verhandlung usw.; und wenn die Richter über einen Urteilsspruch sich einig geworden waren, gab der Oberrichter sein Kleinod Wahrheit einem der Rechtsuchenden.“ 47 Du siehst nun, welche Macht die Verknüpfung von Philosophie und Theologie in Staatsangelegenheiten erreichte. Lass uns nun den Staat der Juden betrachten. War dort nicht die Priesterwürde so gut wie in Ägypten in einer Familie (nämlich in der der Leviten)? Gab nicht der Hohepriester sein Urteil durch den Brustschild von Urim und Thummim ab? Sieht dir das assyrische Königreich und die chaldäischen Philosophen an. Besaßen sie nicht Länder und Städte als Familieneigentum wie zu Abrahams Zeiten, der (wie du weißt) in der Stadt Ur der Chaldäer wohnte? Von ihnen sagt derselbe Autor: „Die Chaldäer sind eine politische Sekte ähnlich der der ägyptischen Priester; die, da sie zum Dienst der Götter eingesetzt sind, ihr ganzes Leben mit Philosophie ausfüllen; die in der astrologischen Wissenschaft ein außerordentlich großes Ansehen genießen und auch künftige Dinge durch Läuterung und Opfer vorhersagen können und durch gewisse Zauberformeln auch die Verhütung von Unheil erreichen und das Gute herbeirufen, und viele von ihnen erheben deshalb darauf Anspruch, Propheten zu sein. Sie verstehen sich auch auf die Vogeldeutung und auf die Auslegung von Träumen und Wundern, auch sind sie nicht unbewandert im Wahrsagen aus den Eingeweiden heiliger Tiere, und sie haben ihre Wissenschaft nicht

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von den Griechen, denn die Philosophie der Chaldäer wird in ihrer Familie durch Tradition vererbt, und der Sohn übernimmt sie von seinem Vater.“ 48 Lass uns von Assyrien nach Indien gehen und schauen, welche Achtung die Philosophen dort genießen. „Alle Inder“ (sagt Diodorus) „sind in sieben Schichten eingeteilt, deren erste die Körperschaft der Philosophen ist, die an Zahl die geringste, an Bedeutung die erste ist, denn sie sind von Steuern befreit, und wie sie nicht Herren über andere sind, so sind auch andere nicht Herren über sie. Von Privatpersonen werden sie zu den Opfern und zu den Totenbestattungen gerufen, weil sie als Lieblinge der Götter und als erfahren in der Lehre von der Hölle gelten; und für dieses Amt erhalten sie sehr beträchtliche Gaben und Ehrungen. Sie sind auch von großem Nutzen für das indische Volk, weil sie zu Beginn des Jahres in einer großen Versammlung dem Volk große Dürren, Regen, auch Winde und Krankheiten vorhersagen, und was auch immer für die Leute vorherzuwissen von Vorteil ist.“ 49 Derselbe Autor sagt von den Gesetzen der Äthiopier Folgendes: „Die Gesetze der Äthiopier scheinen von denen der anderen Nationen sehr verschieden zu sein, besonders betreffs der Wahl ihrer Könige. Denn die Priester schlagen einige der höchsten unter sich vor, die in einem Verzeichnis genannt sind, und der, mit dem der Gott (der nach einem gewissen Ritus während der Festfeier umhergetragen wird) einverstanden ist, wird von der Menge zu ihrem König erwählt und sogleich von ihr als ein Gott angebetet und geehrt, der durch göttliche Vorsehung an seine Stelle gesetzt worden ist. Wenn der König gewählt ist, ist ihm seine Lebenshaltung durch die Gesetze vorgeschrieben, und er ordnet alle anderen Angelegenheiten nach der Sitte des Landes, ohne irgendjemanden anders zu belohnen oder zu strafen, als es von Anfang an durch die Gesetze festgelegt ist. Auch pflegen sie niemanden zu töten, obgleich er zum Tode verurteilt ist, sondern senden zu ihm einen Beamten mit einem Todeszeichen, und er geht, sobald er dies Zeichen sieht, sofort ins Haus und tötet sich

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selbst.“ Und gleich danach: „Doch das Seltsamste tun sie im Zusammenhang mit dem Tod des Königs. Denn die Priester, die in Meroe leben und ihre Zeit mit der Anbetung und Ehrung ihrer Götter verbringen und in größtem Ansehen sind, senden, sobald sie dazu gesonnen sind, einen Boten zum König, um ihn zu bitten, zu sterben, weil die Götter es befohlen hätten, und die Befehle der Unsterblichen dürften auf keinen Fall von den Sterblichen vernachlässigt werden; auch geben sie ihm noch andere Anweisungen, welche von Menschen mit geringer Urteilsfähigkeit, die nicht genug Verstand haben, gegen solche unnötigen Befehle zu streiten, weil sie in alter und unauslöschlicher Tradition erzogen sind, willig gelten gelassen wurden. Deshalb gehorchten in früheren Zeiten die Könige den Priestern, nicht weil sie mit Macht und Waffen beherrscht wurden, sondern weil ihr Verstand von Aberglauben beherrscht war. Aber zur Zeit Ptolemäus II. war Ergamenes König der Äthiopier, der seine philosophische Bildung nach griechischem Muster erhalten hatte, der erste, der es wagte, ihre Macht zu verachten; er fasste Mut, wie es sich für einen König geziemt, und zog mit Soldaten nach einem Ort, Abaton, wo damals der goldene Tempel der Äthiopier stand, tötete alle Priester, schaffte den Brauch ab und säuberte das Königreich nach seinem Willen.“ 50 B  Obgleich die von ihm Getöteten schändliche Betrüger waren, war doch seine Handlungsweise grausam. A  Das war sie. Doch waren nicht auch die Priester grausam, ihre Könige, die sie kurz vorher als Götter anbeteten, zu zwingen, selber Hand an sich zu legen? Der König tötete sie zur Sicherheit seiner Person, sie ihn aus Ehrgeiz oder Liebe am Wechsel. Die Tat des Königs kann mit dem Wohl des Volkes entschuldigt werden, die Priester aber hatten keinen Vorwand, gegen ihre Könige zu sein, die gewiss sehr gut waren, sonst hätten sie nicht dem Befehl der Priester gehorcht und sich selbst getötet, auch wenn dieser Befehl durch einen unbewaffneten Boten überbracht wurde. Unser letzter König, wie du weißt, vielleicht einer der besten Könige,

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die jemals lebten, wurde ermordet, nachdem er zunächst durch die Anstachelung der presbyterianischen Geistlichen mit Waffen verfolgt wurde; welche deshalb den Tod aller verschuldeten, die in diesem Krieg fielen, was, wie ich glaube, in England, Schottland und Irland nahezu Hunderttausend waren. Wäre es nicht viel besser gewesen, wenn diese aufrührerischen Geistlichen, welche vielleicht nicht Tausend an der Zahl waren, getötet worden wären, ehe sie gepredigt hatten? Es wäre (wie ich bekenne) ein großes Massaker geworden, doch die Tötung von Hunderttausend ist ein größeres. B  Ich bin froh, dass die Bischöfe daran unbeteiligt waren. In dieser Handlung trat zutage, dass sie nicht so ehrgeizig sind, wie ihnen nachgesagt wird, denn sie waren die Feinde der daran Beteiligten. [ A Obgleich sie behaupteten, ein göttliches Recht (unabhängig von der Erlaubnis des Königs) auf die Herrschaft der Kirche zu haben, was konnten sie – obwohl sie wenig an Zahl waren und nicht sehr in der Gunst des Volkes standen – anderes tun als auf der Seite des Königs stehen? ] A  Ich beabsichtige mit diesen Zitaten nicht, die Theologie oder die Philosophie dieser heidnischen Völker zu loben, sondern will nur zeigen, was das Ansehen solcher Wissenschaften im Volk ausrichten kann. Denn ihre Theologie war nichts als Götzendienst, und ihre Philosophie (ausgenommen die Kenntnisse, die sich die ägyptischen Priester und von ihnen die Chaldäer durch lange Beobachtung und das Studium der Astronomie, Geome­trie und Arithmetik angeeignet hatten) war recht gering; und dies wurde wiederum zum großen Teil in der Astrologie und beim Wahrsagen missbraucht. Wohingegen die Theologie der Geistlichkeit in dieser Nation die wahre Religion ist, abgesehen von der Vermischung (was durch die römische Kirche eingeführt wurde und teilweise hier beibehalten worden ist) des philosophischen Geschwätzes des Aristoteles und anderer Griechen, das keine Ähnlichkeit mit Religion hat und nur dazu dient, Unzufriedenheit, Uneinigkeit und endlich Aufruhr und Bürgerkrieg (wie wir

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vor kurzem herausfanden durch die kostspielige Erfahrung der Meinungsverschiedenheiten zwischen Presbyterianern und Bischöfen) zu erzeugen. Aber trotz dieser Auseinandersetzung unterdrückten beide Parteien, als sie zur Macht kamen, nicht nur ihre wechselseitigen Grundsätze, sondern auch jede Lehre, welche es auch immer war, die ihren Interessen nicht förderlich war, und folglich alle wahre Philosophie, besonders die politische und moralische, die niemals dem Ehrgeiz oder einer Befreiung von der Untertanenpflicht gegen die höchste Gewalt günstig gegenüberstehen kann. [ Dieses Ansehen, das sie in den Wissenschaften genießen, ist nicht aus irgendetwas hervorgegangen, was sie durch diese Wissenschaften bewirkt haben, sondern aus der Unsicherheit des Volkes, das nichts davon verstand und nichts mehr bewundert, als was es nicht versteht. Kürzlich wurde eine Gesellschaft zur Förderung der Naturphilosophie und Mathematik gegründet.51 Ich weiß noch nicht, wie weit sie es bringen werden, aber ich bin sicher, dass die Befugnis, die Bücher zu zensieren, die über jene Materie geschrieben werden, nicht ihnen, sondern einigen Geistlichen obliegt, die wenig Kenntnisse in Physik und überhaupt keine in Mathematik haben. ] Nachdem der König Lord Kimbolton vom House of Lords und fünf Mitglieder des House of Commons, Holles, Haselrig, Hampden, Pym und Stroud, des Hochverrats bezichtigt hatte und nachdem das Parlament die Bischöfe aus dem House of Lords ausgeschlossen hatte, versuchten sie in ihren Petitionen an Seine Majestät vor allem zwei Dinge zu erreichen: erstens, dass der König angeben solle, wer ihm geraten habe, ins Parlament zu gehen, um sie zu verhaften, und dass er die Betreffenden dem Parlament überlassen solle, damit sie ihre angemessene Strafe erhielten. Und dies taten sie, um Seiner Majestät den Makel anzuheften, dass er seine Freunde im Stich lasse und sie seinen Feinden verrate. Zweitens wollten sie seine Erlaubnis für eine Wache aus der Stadt London haben, die der Earl of Essex befehligen sollte; das begründeten sie damit, dass sie anders nicht sicher seien. Dieser Vorwand

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sollte nichts als ein Vorwurf gegen Seine Majestät sein, weil er, um die fünf aufrührerischen Mitglieder zu verhaften, mit größerem Gefolge als gewöhnlich ins Parlament gekommen war. B  Ich sehe keinen Grund, warum sie, wenn sie um eine Wache baten, diese speziell auf die Stadt London beschränkten und den Oberbefehl dem Earl of Essex gaben, es sei denn, dass der König es als eine Wache gegen sich selbst auffassen sollte. A  Sie wollten, dass der König es so auffassen sollte, und sie beabsichtigten damit (wie ich durchaus glaube) einen Affront; der König selbst fasste es so auf und lehnte ab, dies zu bewilligen, obgleich er, wenn sie nicht anderweitig zufriedenzustellen gewesen wären, bereit gewesen wäre, solch eine Wache für ihre Sicherheit zu stellen, was er gegenüber Gott dem Allmächtigen hätte verantworten können. Außerdem bat die Stadt London den König (ohne Zweifel von einigen Mitgliedern des House of Commons dazu veranlasst), den Tower von London vertrauenswürdigen Personen zu übergeben, unter denen die Stadt solche verstand, mit denen das Parlament einverstanden wäre, und eine Wache zur Sicherheit Seiner Majestät und des Parlaments zu stellen. Diese Methode, Petitionen in aufrührerischer Art und Weise einzureichen, begleitet von großen Mengen lärmenden Volkes, war üblich beim House of Commons, dessen Ambitionen niemals auf dem Wege der Bitte oder Frage, ohne außerordentliche Schreckmittel, befriedigt wurden. Nachdem der König auf die Verfolgung der fünf Mitglieder verzichtet hatte, sich jedoch weigerte, anzugeben, wer ihm geraten hatte, persönlich in das House of Commons zu kommen, stellten sie den Attorney General zur Rede, der auf Befehl des Königs die Bestimmungen gegen sie verfasst hatte, und erklärten ihn des Bruches der Parlamentsprivilegien für schuldig und hätten ihn ohne Zweifel ihre Grausamkeit fühlen lassen, wenn er nicht eiligst aus dem Land geflohen wäre.52 Gegen Ende Januar erließen beide Häuser des Parlaments eine Verfügung, um dem Übertritt papistisch gesonnener Komman-

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deure auf die Seite der Iren vorzubeugen, wobei sie nicht so sehr dieses fürchteten als vielmehr, dass bei dieser Gelegenheit der König selbst seine Offiziere mit dieser Aufgabe betrauten würde, um von Irland aus gegen das Parlament Hilfe zu erhalten. Doch das war noch gar nichts gegen eine Petition, die sie Seiner Majestät um dieselbe Zeit, das heißt um den 27. oder 28. Januar 1641, sandten, worin sie in der Tat die absolute Souveränität über England begehrten, obgleich sie diese zu Lebzeiten des Königs nicht mit dem Ausdruck Souveränität forderten. Denn am Ende wünschten sie, die Besorgnisse und Gefahren in diesem Königtum bald zu beseitigen und die schädlichen Absichten der Feinde des Friedens zu vereiteln, damit Seine Majestät dazu bewegt würde, erstens den Tower von London, zweitens alle anderen Festungen, drittens die gesamte Miliz des Reiches den ihm von beiden Häusern des Parlaments dazu vorgeschlagenen Personen zu übergeben. Und dies nannten sie eine notwendige Petition. B  Wurden dort wirklich solche Besorgnisse und Gefahren allgemein empfunden, oder traten zu dieser Zeit irgendwelche Feinde mit solchen Plänen auf, wie sie in der Petition erwähnt sind? A  Ja. Doch bestanden keine anderen Befürchtungen vor Gefahren als jene, wie sie jeder besonnene und ehrliche Mann vor den Plänen des Parlaments mit Recht hegen musste, das der größte Feind des Friedens im Königreich war, den man sich nur denken kann. Es ist also beachtenswert, dass diese Petition mit den Worten „Allergnädigster Souverän“ begann; sie waren so einfältig, nicht zu wissen, dass der Herr der Miliz auch der Herr des Königreiches ist und folglich der Inhaber einer absoluten, unbedingten Souveränität. Der König war nun in Windsor, um den Ansammlungen des gemeinen Volkes vor den Toren von Whitehall und seinem Lärmen und seinen Schmähungen dort zu entgehen. Am 9. Februar kam er nach Hampton Court, und von dort aus ging er mit der Königin und seiner Tochter, der Prinzessin von Oranien, nach Dover, wo sich die Königin mit der Prinzes-

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sin von Oranien nach Holland einschiffte, aber der König kehrte nach Greenwich zurück, von wo aus er den Prinzen von Wales und den Duke of York zu sich kommen ließ und mit ihnen nach York ging. B  Stimmten die Lords mit den Commons in dieser Petition ­wegen der Miliz überein? A  Allem Anschein nach ja. Doch ich glaube, sie wagten auch nichts anderes. Das House of Commons maß ihnen keinerlei Bedeutung bei und sah in ihnen nur Leute mit Titel, ohne wirkliche Macht. Vielleicht dachten auch die meisten von ihnen, dass die Wegnahme des Oberbefehls über die Miliz vom König eine Stärkung ihrer eigenen Macht bedeute, doch sie irrten sich sehr, denn das House of Commons hatte niemals die Absicht, mit ihnen zu teilen. B  Welche Antwort gab der König auf diese Petition? A  „Wenn er die Machtbefugnis kennenlerne, welche den Oberbefehlshabern der Miliz in den verschiedenen Grafschaften ein­ zuräumen beabsichtigt sei, und ebenfalls, auf welche Zeit begrenzt sein solle, dass Seine Majestät keine Macht ohne Anweisung des Parlaments ausüben dürfe, dann wolle er erklären, dass Seine ­Majestät (um sie vor allen Gefahren oder Eifersüchten zu sichern) damit einverstanden sei, alle Plätze, sowohl die Festungen als auch die Miliz in den verschiedenen Grafschaften, an solche Personen zu übergeben, die beide Häuser des Parlaments billigten oder ihm empfehlen würden; so dass sie Seiner Majestät die Namen derjenigen, die sie billigten oder empfahlen, nennen sollten. Ausgenommen sollten solche Personen sein, gegen die er gerechte und unzweifelhafte Einwendungen zu machen habe.“ 53 B  Welche Macht, für wie lange und über wen verlangte das Parlament in Bezug auf die Miliz? A  Dieselbe Macht, die der König vorher seinen Statthaltern und Vizestatthaltern gegeben hatte, und ohne andere zeitliche Begrenzung in ihrem eigenen Belieben. B  Wer sollte diese Macht erhalten?

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A  Es gibt ein gedrucktes Verzeichnis von ihnen. Es sind sehr viele, und die meisten sind Lords, es ist unnötig, sie zu nennen, denn dies ist (nach meiner Ansicht) gleichbedeutend mit der Kenntlichmachung ihrer Treulosigkeit oder Dummheit. Nachdem sie ein Verzeichnis von ihnen aufgestellt hatten, sandten sie es mit einer neuen Petition wegen der Miliz zum König. Auch schickten sie gleich darauf einen Boten mit der Bitte zu Seiner Majestät, den Prinzen in Hampton Court zurückzulassen. Aber der König gewährte keines von beiden. B  Es war dennoch klug von ihnen, von dem König (wenn sie konnten), ehe er von ihnen ging, Geiseln zu nehmen. A  Inzwischen zog das Parlament Männer heran, um durch Darlehensgeschäfte Geld für die Unterdrückung von Irland unter folgenden Bedingungen zu erhalten: 1. Dass 2500000 acres54 Land in Irland den Spekulanten in folgendem Verhältnis zugeteilt werden sollten: Für eine Einlage von 200 £ 1000 acres in Ulster, 300 £ 1000 acres in Connaught, 4 50 £ 1000 acres in Munster, 600 £ 1000 acres in Leinster. Alles nach englischem Maß und bestehend aus fruchtbaren Wiesen und ertragreichem Weideland. Sümpfe, Wälder und unfruchtbare Berge sollten außerdem obendrauf gegeben werden. 2. Eine Einnahme von einem Penny bis zu drei Pence pro acre wurde der Krone vorbehalten. 3. Vom Parlament sollten Abordnungen gesandt werden, um Gasthöfe einzurichten, Einöden zu besiedeln und Gemeinden zu gründen, Prediger zu unterstützen, Gemeindebehörden aufzubauen und Anpflanzungen durchzuführen. Die übrigen Bedingungen betrafen nur Zeit und Art der Bezahlung der von den Spekulanten gezeichneten Summen. Und diesen Vorschlägen gab Seine Majestät seine Zustimmung; aber die Petition über die Miliz bewilligte er nicht. B  Wenn er nicht so gehandelt hätte, hätte ich dies auch sehr sonderbar gefunden. Was tat das Parlament hierauf?

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A  Es sandte ihm eine andere Petition, die ihm in Theobald, während er nach York unterwegs war, überreicht wurde; worin sie ihm deutlich sagten, „dass sie, wenn er nicht beliebte, ihnen durch später gesandte Boten zuzustimmen und er schnell seine königliche Zustimmung zur Befriedigung ihrer früheren Wünsche gäbe, sich gezwungen sähen, zur Sicherheit Seiner Majestät und seines Königtums kraft der Autorität beider Häuser über die Miliz zu verfügen usw.“ Sie baten Seine Majestät auch, den Prinzen in St. James oder in einem anderen der Schlösser Seiner Majestät in der Nähe Londons zu lassen. Ferner sagten sie ihm, dass das Recht, die Miliz auszuheben, zu befehligen und über sie zu verfügen, nicht irgendeiner Körperschaft ohne Autorität und Zustimmung des Parlaments überwiesen werden könne und dass die Teile des Königreiches, die sich in Verteidigungszustand gesetzt hätten, nicht anders als mit der Zustimmung beider Häuser gehandelt hätten, und zwar gemäß dem, was durch die Gesetze des Königreiches gerechtfertigt sei. B  Welche Antwort gab der König hierauf? A  Er gab ihnen eine unbedingte Absage nicht nur hinsichtlich der Miliz, sondern auch der Residenz des Prinzen in der Nähe Londons. Worauf sie sofort darauf verfielen, das Folgende zu beschließen: erstens, dass die Antwort Seiner Majestät eine Ablehnung ihrer Forderungen bezüglich der Miliz sei; zweitens, dass diejenigen, die Seiner Majestät dazu geraten hatten, Feinde des Staates seien; drittens, dass die Teile des Königreiches, die sich in Verteidigungszustand gesetzt hatten, nur recht gehandelt hätten. B  Was nannten sie Verteidigungszustand? A  Es war das Sich-Bewaffnen unter dem Befehl der vom Parlament bewilligten Offiziere. Viertens beschlossen sie, dass Seine Majestät noch einmal gebeten werden solle, den Prinzen in der Nähe Londons zu belassen. Endlich beschlossen sie, an den König eine Erklärung beider Häuser zu senden, worin sie Seine Majestät der Absicht anklagten, die Religion zu ändern, und wenn diese Anklage auch nicht ihm direkt galt, so doch denen, die ihn

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berieten, welche sie auch anklagten, den schottischen Krieg herausgefordert und angestiftet zu haben und Urheber der Rebellion in Irland zu sein; wiederum klagten sie den König wegen der Anklage des Lord Kimbolton und der fünf Mitglieder an und warfen ihm vor, dass er Mitwisser des Planes sei, sein Heer, das gegen die Schotten geworben war, gegen das Parlament zu verwenden. Seine Antwort hierauf sandte der König aus Newmarket. Hierauf beschlossen beide Häuser, dass in diesem Fall äußerster Gefahr und in Anbetracht ihrer Zurückweisung durch Seine Majestät die Ordonanz über die Miliz, der beide Häuser zugestimmt hatten, das Volk kraft der Grundgesetze des Königreiches verpflichte; ferner, dass jeder, der über die Miliz unter dem Vorwand eines militärischen Auftrags ohne Zustimmung beider Häuser des Parlaments irgendwelche Macht ausüben würde, zum Friedensstörer des Königreiches erklärt werden solle, woraufhin Seine Majestät von Huntingdon aus eine Botschaft an beide Häuser sandte, Gehorsam gegen die bestehenden Gesetze forderte und allen Untertanen verbot, unter dem Vorwand ihrer Bestallung irgendetwas betreffs der Miliz zu unternehmen, was nicht durch diese Gesetze erlaubt sei. Darauf beschloss das Parlament, auf seinen früheren Beschlüssen zu bestehen wie auch darauf, dass Lords und Commons im Parlament, welches ja der höchste Gerichtshof des Königreiches sei, erklären sollten, was das Gesetz des Landes sei.55 Es bedeute einen scharfen Bruch der Privilegien des Parlaments, wenn jemand dies in Frage stelle oder in Widerspruch dazu stehe. B  Ich dachte, dass der Gesetzgeber auch den Sinn des Gesetzes erklären müsse. Denn was heißt ein Gesetz zu erlassen anderes als zu erklären, was es bedeutet? Dadurch haben sie nicht nur dem König das Kommando über die Miliz, sondern auch die gesetzgebende Gewalt genommen. A  Sie haben dies getan; aber ich ziehe in Betracht, dass die gesetzgebende Gewalt (und in der Tat alle mögliche Gewalt) in der militärischen enthalten ist. Danach bemächtigten sie sich des Geldes, das nach dem Gesetz über das Tonnagen- und Pfund-

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geld [ Bill of Tonnage and Poundage ] und nach dem Gesetz über die Hilfsgelder [ Bill of Subsidies ] Seiner Majestät gehörte, und schwächten ihn auf jede nur mögliche Art. Nach seiner Ankunft in York schickten sie ihm auch viele andere schimpfliche Botschaften und Petitionen, von denen eine lautete: „Weil der Admiral wegen Unpässlichkeit die Flotte nicht persönlich befehligen kann, wäre er erfreut, das Kommando dem Earl of Warwick an seiner Stelle zu übertragen.“ Diese übersandten sie, als sie erfuhren, dass der König vorher dieses Amt an John Pennington vergeben hatte. B  Zu welchem Zweck ging der König auf so viele Petitionen, Botschaften, Erklärungen und Darlegungen ein und ließ sich zu Antworten herab, wo er doch nicht anders konnte, als klar erkennen, dass sie entschlossen waren, ihm seine königliche Macht, und folglich sein Leben, zu nehmen? Denn es war mit ihrer Sicherheit nicht zu vereinbaren, ihn oder seine Nachkommen am Leben zu lassen, nachdem sie ihm so großes Unrecht zugefügt hatten. A  Außerdem hatte das Parlament zur selben Zeit einen Ausschuss, der in York tagte, um die Handlungen Seiner Majestät auszuspionieren und das Parlament davon zu benachrichtigen und um zu verhindern, dass der König die Bevölkerung dieser Grafschaft für sich gewönne, so dass der Ausschuss, als der König die dortigen Edelleute empfing, die Freisassen [ Yeomanry ] gegen ihn aufhetzte. Hierzu trugen die Geistlichen sehr viel bei, so dass der König in York seine günstige Position verlor. B  Warum bemächtigte sich der König nicht des Ausschusses oder vertrieb ihn aus der Stadt? A  Ich weiß nicht; aber ich glaube, er wusste, dass die Parlamentspartei größer war als seine eigene, und zwar nicht nur in Yorkshire, sondern auch in York. Gegen Ende April hielt der König auf Grund einer Bitte der Bevölkerung von Yorkshire, das Pulvermagazin von Hull wegen der größeren Sicherheit der nördlichen Landstriche noch dort zu

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belassen, die Gelegenheit für gekommen, dieses in seine Hand zu bringen. Er hatte kurz vorher den Earl of Newcastle zum Gouverneur dieser Stadt ernannt; doch die schon vom Parlament bestochenen Städter weigerten sich, ihn zu empfangen, weigerten sich aber keineswegs, Sir John Hotham zu empfangen, der vom Parlament zum Gouverneur ernannt worden war. Als der König, nur von seinem eigenen Gefolge und wenigen Edelleuten aus der Umgebung begleitet, vor der Stadt ankam, wurde ihm von Sir John Hotham, der auf der Mauer stand, der Zutritt verweigert; daraufhin ließ er Sir John Hotham sofort als Verräter bezeichnen und sandte eine Botschaft an das Parlament, in der er forderte, dem besagten Hotham Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und Stadt und Pulvermagazin ihm zu übergeben. Das Parlament gab darauf keine Antwort, veröffentlichte aber stattdessen eine andere Erklärung, worin sie keine ihrer früheren Verleumdungen gegen die Regierung Seiner Majestät wegließen, sondern gewisse Bedingungen, die ihre angeblichen Rechte erläutern sollten, hinzufügten, nämlich: 1. Dass der König kein Recht habe, was sie auch immer zum Gesetz erklärten, in Frage zu stellen; 2. dass keine Präzedenzfälle ihr Vorgehen einschränken könnten; 3. dass ein Parlament um des Allgemeinwohls willen über alles, worauf König oder Untertan ein Recht haben, verfügen könne und dass sie dieses Parlament und Richter über das Allgemeinwohl seien, und zwar ohne den König, dessen Zustimmung nicht nötig sei; 4. dass kein Mitglied eines der beiden Häuser des Verrats oder anderer hochnotpeinlicher Verbrechen beschuldigt werden könne, ohne dass die Angelegenheit zuvor vor das Parlament gebracht würde, damit die Parlamentarier über die Tat urteilten und die Weiterverfolgung der Sache veranlassten, wenn sie dafür einen Anlass sähen; 5. dass die souveräne Macht bei beiden Häusern liegen und dass der König kein Vetorecht haben solle; 6. dass die Aushebung von Streitkräften gegen die persönlichen Befehle des Königs (auch wenn sie in seiner Gegenwart gegeben würden) nicht gleichbedeutend mit einem Krieg gegen den König sei, dass

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aber der Krieg gegen seine politische Person, nämlich gegen seine Gesetze usw., obgleich diese nicht mit seiner Person verbunden seien, Krieg gegen den König bedeute; 7. dass Verrat gegen seine Person nur insoweit begangen werden könne, als ihm das Reich anvertraut sei und er dieses Vertrauen erfülle, und dass sie die Befugnis hätten, darüber zu richten, ob er dieses Vertrauen erfüllt habe oder nicht; 8. dass sie über den König verfügen könnten, wann sie wollten. B  Dies ist eine deutliche Handlungsweise ohne Heuchelei. Konnte die Stadt London dies hinnehmen? A  Ja, und noch mehr, wenn es sein soll. London hat, wie du weißt, einen großen Bauch, aber keinen Gaumen und keinen Geschmack für Recht und Unrecht. In der Parlamentsrolle Henrys  IV. lautet einer unter den Artikeln, die der König bei seiner Krönung zu schwören hatte, wie folgt: „Concedes justas leges et consuetudines esse tenendas; et promittis per te eas esse protegendas, et ad honorem Dei corroborandas quas vulgus elegerit.“ Darauf gründete das Parlament seine legislative Gewalt und legte deshalb „quas vulgus elegerit“ so aus: „welche das Volk wählen soll“, als ob der König schwören solle, Gesetze zu beschützen und zu bestätigen, ehe sie erlassen waren, seien sie nun gut oder schlecht, während die Stelle nicht mehr bedeutet, als dass er solche Gesetze beschützen und bestätigen solle, die sie erlassen hatten, das heißt die in Kraft befindlichen Parlamentsakte. Und in den Urkunden des Schatzkammergerichts [ Exchequer ] heißt es so: „Willst du dich verpflichten, die Gesetze und das Gewohnheitsrecht, welches die Bürger dieses deines Königreiches anerkennen, zu halten und zu bewahren, und willst du sie verteidigen und aufrechterhalten? usw.“ Dies war die Antwort Seiner Majestät auf diesen Punkt. B  Und ich halte diese Antwort für sehr gründlich und klar. Aber auch wenn die Worte in dem anderen Sinne ausgelegt würden, sehe ich noch keinen Grund, warum der König verpflichtet sein sollte, sie zu beschwören. Denn Henry IV. kam durch die Zustimmung eines Parlaments zur Regierung, das diesem Langen

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Parlament, welches seinen rechtmäßigen König ermordet und abgesetzt hat, an Niedertracht nicht sehr nachstand, ausgenommen, dass es nicht das Parlament selbst, sondern der Thronräuber war, der Richard II. ermordete. A  Etwa eine Woche später, Anfang Mai, sandte das Parlament dem König ein anderes Schreiben, das es als demütige Bittschrift und Mitteilung beider Häuser bezeichnete und das neunzehn Punkte enthielt, nach welchen du, wenn du sie hörst, beurteilen kannst, wie viel mehr Macht sie gewillt waren dem König als irgendeinem seiner Untertanen zu lassen. Die erste davon war folgende: 1. Dass die Lords und andere Mitglieder des Privy Council und alle hohen Beamten und Staatsminister sowohl in England als auch auswärts von ihren Ämtern und aus seinem Rat entfernt werden sollten, ausgenommen allein die, die von beiden Häusern des Parlaments bestätigt würden, und dass niemand ohne Zustimmung der besagten Häuser an ihre Stelle gesetzt werden dürfe. Und dass alle Privy Councellors einen Eid in der von besagten beiden Häusern bestimmten Form ablegen müssten, ihre Stellungen angemessen auszufüllen. 2. Dass die bedeutenden Angelegenheiten des Königreiches allein im Parlament beraten, beschlossen und durchgeführt werden dürften und dass, wer sich anmaße, dem entgegenzuhandeln, sich die Missbilligung des Parlaments zuziehe; und die Staatsangelegenheiten, für die das Privy Council Seiner Majestät zuständig ist, sollten von denjenigen besprochen und beschlossen werden, die von Zeit zu Zeit für dieses Amt von beiden Häusern gewählt würden, und dass keine öffentliche Akte in Bezug auf das Königreich, die seinem Privy Council zukämen, als rechtsgültig, als ausgehend von der königlichen Autorität angesehen werden dürften, wenn es nicht auf den Rat und auf die Zustimmung der Majorität des Council ausgeführt und von ihm beglaubigt worden sei, und dass das Council aus nicht mehr als fünfundzwanzig und nicht weniger als fünfzehn Mitgliedern bestehen solle und dass, wenn der Platz

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eines Mitgliedes während der Parlamentspausen frei geworden sei, er nicht ohne die Zustimmung des größten Teils des Council wiederbesetzt werden dürfe und dass solche Wahlen ungültig sein sollten, wenn das folgende Parlament sie nicht bestätige. 3. Dass die höchsten Beamten, nämlich der Oberhofmeister [ Lord High Steward ], der Oberstallmeister [ Lord High Constable ], der Lordkanzler [ Lord Chancellor ], der Großsiegelbewahrer [ Lord Keeper of the Great Seale ], der Lord Schatzmeister [ Lord Treasurer ], der Lord Geheimsiegelbewahrer [ Lord Privy Seale ], der Oberhofmarschall [ Earle Marshall ], der Großadmiral [ Lord Admirall ], der Gouverneur der fünf Häfen [ Warden of the Cinque-Ports ], der Generalgouverneur von Irland [ Chief Governor of Ireland ], der Schatzkanzler [ Chancellor of the Exchequer ], der Stadthauptmann [ Master of the Wards ], die Staatssekretäre [ Secretaries of State ], zwei Oberrichter [ Chief Justices ] und der Präsident des Schatzkammergerichts [ chief Baron ] immer mit der Genehmigung beider Häuser des Parlaments gewählt werden sollen und in den Parlamentspausen von der Mehrheit des Privy Council. 4. Dass die Erzieher der Kinder des Königs von beiden Häusern empfohlen werden sollten und in den Parlamentspausen, wie der Privy Council sie für richtig halten würde, und dass das ganze Gefolge entlassen werden müsse, wenn die beiden Häuser berechtigte Einwendungen erheben. 5. Dass hinsichtlich der königlichen Prinzen ohne Zustimmung des Parlaments keine Heirat geschlossen noch über eine solche verhandelt werden dürfe. 6. Dass die in Kraft befindlichen Gesetze gegen Jesuiten, Priester und die papistischen Eidesverweigerer streng zur Ausführung gebracht würden. 7. Dass die Stimmen der papistischen Lords im House of Peers abgeschafft würden und dass ein Gesetz betreffs der Erziehung der Kinder der Papisten in protestantischer Religion erlassen werden solle.

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8. Dass der König geruhen möge, die Kirchenverwaltung und die Liturgie so zu erneuern, wie beide Häuser des Parlaments ihm rieten. 9. Dass er geruhen möge, sich mit dem Weg, den die Lords und Commons für die Einrichtung der Miliz vorgeschrieben hätten, zu begnügen und seine Erklärungen und Proklamationen dagegen zu widerrufen. 10. Dass solche Mitglieder, die seit Beginn des Parlaments ihrer Stellungen oder Ämter entsetzt worden seien, wieder eingesetzt oder entschädigt würden. 11. Dass alle Privy Councellors und Richter einen Eid (dessen Form durch eine Parlamentsakte festgesetzt werden solle) auf die Aufrechterhaltung der Petition of Right und bestimmter von diesem Parlament erlassener Gesetze ablegen sollten. 12. Dass alle mit der Zustimmung beider Häuser des Parlaments eingesetzten Richter und Beamten ihre Stellungen behalten könnten, quam diu bene se gesserint (solange sie ihr Amt gut versehen). 13. Dass die Gerechtigkeit des Parlaments allen Delinquenten in- und außerhalb des Königreiches widerfahren solle und dass alle von einem der Häuser des Parlaments vorgeladenen Personen erscheinen müssten und das Urteil des Parlaments auf sich zu nehmen hätten. 14. Dass die von Seiner Majestät vorgeschlagene Amnestie mit den von beiden Häusern des Parlaments vorgeschlagenen Ausnahmen in Kraft treten solle. B  Wie gehässig war diese Bestimmung! Alle anderen entstammten dem Ehrgeiz, dem oft gutgeartete Menschen unterworfen sind, aber diese entsprang einer unmenschlichen und teuflischen Grausamkeit. A  15. Dass die Festungen und Schlösser unter den Oberbefehl solcher Personen kämen, die der König mit Genehmigung des Parlaments bestimmen solle. 16. Dass die besonderen Wachen des Königs entlassen werden

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sollten und in Zukunft im Fall eines Einfalls oder einer Rebellion solche nur gemäß dem Gesetz ausgehoben werden dürften. B  Mir scheint, dass alle diese dem König vorgelegten Propositionen wirklich eine Rebellion darstellen. A  17. Dass Seine Majestät geruhen möge, mit den Vereinigten Provinzen und anderen benachbarten protestantischen Fürsten und Staaten in ein engeres Bündnis zu treten.56 18. Dass Seine Majestät geruhen möge, Lord Kimbolton und die fünf Mitglieder des House of Commons durch eine Parlamentsakte freizusprechen, und zwar derart, dass künftige Parlamente vor den Folgen dieses üblen Präzedenzfalles bewahrt würden. 19. Dass Seine Majestät geruhen möge, ein Gesetz zu erlassen, um zu verhindern, dass zukünftig zu ernennende Peers Sitz und Stimme im Parlament erhielten, bis sie mit der Zustimmung beider Häuser zugelassen würden. Würden diese Bedingungen angenommen, so versprachen sie, sich für die Einkünfte Seiner Majestät zu seinem besten Vorteil zu verwenden, sie zur Unterstützung seiner königlichen Würde ehrenvoll und reichlich zu regeln und auch das Kommando der Stadt Hull in die Hände desjenigen zu legen, den Seine Majestät mit der Zustimmung des Parlaments ernennen würde. B  Heißt dies nicht, das Kommando in die Hände dessen zu legen, den der König mit ihrer Zustimmung ernennen werde, und das ist weiter nichts, als es in ihren Händen zu belassen? Fehlte ihnen der gesunde Menschenverstand, oder glaubten sie dies vom König, um nicht zu begreifen, dass ihr diesbezügliches Versprechen nichts wert war? A  Nach der Übersendung dieser Punkte an den König und der Weigerung Seiner Majestät, ihnen zu willfahren, begann man sich auf beiden Seiten zum Krieg zu rüsten. Der König hob eine Garde zu seinem persönlichen Schutz in Yorkshire aus und das Parlament, das deshalb den König der Absicht bezichtigt hatte, gegen sein Parlament Krieg zu führen, gab Befehl, das Volk anzu­mus­ tern und an den Waffen auszubilden, und erließ eine Bekannt­

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machung, um es aufzufordern und anzuregen, ihnen entweder Bargeld oder Silbergerät abzuliefern oder heimlich zu versprechen, eine gewisse Anzahl Pferde, Reiter und Waffen zur Verteidigung von König und Parlament zu liefern und zu unterhalten (mit König meinten sie, wie sie vorher erklärt hatten, nicht seine Person, sondern seine Gesetze), indem sie versprachen, ihr Geld mit 8% Zinsen und den Wert des Edelmetalls mit 12 Pence für die Unze, je nach der Form, zurückzuzahlen. Auf der anderen Seite ging der König nach Nottingham, setzte dort seine Standarte und sandte Musterungskommissionen aus, um alle einzuberufen, die durch die alten Gesetze Englands verpflichtet waren, ihm im Kriege zu dienen. Bei dieser Gelegenheit gingen zwischen König und Parlament verschiedene Erklärungen über die Gesetzmäßigkeit dieser Musterung hin und her, die zu lang sind, um sie dir jetzt zu erzählen. B  Ich wünsche auch nicht, irgendwelches Gerede über diese Fragen zu hören. Denn ich halte das Grundprinzip der salus populi und das Recht der Selbstverteidigung gegen diejenigen, die ihm seine souveräne Macht genommen hatten, für ausreichend, um alles, was es auch immer sei, was er zur Rückeroberung seines Königreichs oder zur Bestrafung der Rebellen tat, zum Gesetz zu machen. A  Inzwischen hob das Parlament ein Heer aus und gab dem Earl of Essex den Oberbefehl darüber; durch diese Akte erklärten sie, was sie früher damit meinten, als sie den König um eine von dem besagten Earl of Essex zu befehligende Leibwache baten. Nun erließ der König seine Proklamationen, in denen er verbot, den Anordnungen des Parlaments betreffs der Miliz Gehorsam zu leisten; und das Parlament erließ Bestimmungen gegen die Durchführung der Musterungskommissionen. Bisher war, obwohl der Krieg erklärt war, kein Blut geflossen, sie beschossen sich gegenseitig mit nichts als Papier. B  Nun verstehe ich, wie das Parlament den Frieden des Reiches zerstörte und wie leicht es mit Hilfe der aufrührerischen presby-

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terianischen Geistlichen und ehrgeizigen, unwissenden Redner diese Regierung in Anarchie gestürzt hatte. Doch ich glaube, es wäre für sie eine schwerere Aufgabe, den Frieden wiederherzustellen und eine neue Regierung entweder bei sich selbst oder mit irgendeinem anderen Regenten oder in einer anderen Staatsform einzurichten. Denn angenommen, dass sie in diesem Krieg siegen, so müssen sie den Mut, die gute Führung oder das Glück ­derer, denen sie den Befehl über ihre Heere gaben, anerkennen, besonders aber eines Generals, dessen guter Erfolg ohne Zweifel die Liebe und Bewunderung der Soldaten mit sich bringt, so dass es in seiner Macht stünde, entweder die Regierung an sich zu reißen oder eine solche zu errichten, die er für gut hielt. Er würde in diesem Fall, wenn er sie nicht selbst ergriffe, ein Narr sein; und wenn er es täte, wäre er des Neides seiner untergeordneten Befehlshaber sicher, die nach einem Gewinnanteil, entweder in der gegenwärtigen Regierung oder in ihrer Nachfolge, gierten. Denn sie würden sagen: „Hat er diese Macht aus eigenem Verdienst, ohne unsere Gefahr, unsere Tapferkeit und unseren Rat erlangt? Und müssen wir, die wir ihm dieses erreichen halfen, seine Sklaven sein? Oder ist auf unserer Seite nicht genau so viel Recht, gegen ihn zu sein, wie auf seiner Seite gegen den König war?“ A  Sie handelten auch so, insoweit war dies der Grund, warum Cromwell, nachdem er unter dem Titel Protektor die absolute Macht über England, Schottland und Irland in seine Hände bekommen hatte, doch nicht wagte, den Titel König anzunehmen noch jemals dazu imstande war, diesen an seine Kinder zu vererben. Seine Offiziere hätten es nicht geduldet, da sie Anspruch auf die Nachfolge nach seinem Tode erhoben, auch hätte das Heer nicht zugestimmt, weil er sich ihm gegenüber immer gegen die Regierung einer einzigen Person ausgesprochen hatte. B  Doch zurück zum König. Welche Mittel hatte er zur Bezahlung, welche Vorräte hatte er zur Bewaffnung, ja auch nur zur Aushebung eines Heeres, das fähig war, dem Parlament Widerstand zu leisten, welches durch den großen Geldbeutel der City

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und die Abgaben beinahe aller in England vereinigten Städte erhalten und mit Waffen, soviel sie irgend erlangen konnten, versorgt wurde? A  Es ist wahr, dass der König sehr im Nachteil war, und doch bekam er nach und nach ein ansehnliches Heer zusammen. Dies machte seine Stellung so günstig, dass er jeden Tag stärker wurde und das Parlament schwächer; bis sie die Schotten bewogen hatten, mit einer Armee von 21 000 Mann zu ihrer Hilfe nach England zu kommen. Doch ich habe jetzt keine Zeit, auf die einzelnen Kriegshandlungen einzugehen. B  Gut denn; wir wollen davon bei unserem nächsten Beisammensein sprechen.

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DR I T T ER DI A LOG

B  Wir waren bei den beiderseitigen Kriegsvorbereitungen stehengeblieben. Wenn ich darüber nachdenke, frage ich mich wirklich, welche Möglichkeiten dem König blieben, in einem solchen Rennen mit dem Parlament mitzuhalten, und welche Aussichten auf ausreichend Geld, Soldaten, Waffen, Festungen, Kriegsschiffe, Ratgeber und Offiziere er für ein solches Unternehmen gegen das Parlament hatte, das so viel Geld und Menschen zur Verfügung hatte, wie die City of London und andere Gildenstädte zu liefern imstande waren – und das war mehr, als sie brauchten. Und was die Männer anbelangt, die sie als Soldaten ins Feld schicken wollten, so waren fast alle voller Hass gegen den König und seine ganze Partei, der sie vorwarfen, entweder Papisten oder Schmeichler des Königs zu sein oder zu beabsichtigen, ihre Güter durch die Plünderung der Hauptstadt und anderer verbündeter Städte zu vermehren. Und obgleich ich nicht glaube, dass sie mutiger als andere Männer waren oder dass sie genug Kriegs­ erfahrung hatten, um als gute Soldaten bezeichnet zu werden, so hatten sie doch etwas in sich, was im Augenblick der Schlacht eher zum Sieg führt als Mut und Erfahrung zusammen, und das war Erbitterung. An Waffen besaßen sie die Hauptmagazine, den ­Tower von London und die Stadt Kingston upon Hull, außerdem das meiste Pulver und Blei, das in verschiedenen Städten für den Einsatz durch die ausgebildeten Truppen bereitlag. Es gab nicht viele Festungen in England, und die meisten waren in den Händen des Parlaments. Die gesamte Flotte des Königs stand gänzlich zu ihrer Ver­ fügung unter dem Earl of Warwick. Ratgeber benötigten sie nicht mehr als jene, die schon zu ihrer Partei gehörten, so dass der König ihnen in jeder Hinsicht unterlegen war, ausgenommen vielleicht an Offizieren.

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A  Ich kann ihre Führungsoffiziere nicht vergleichen. Denn das Parlament hatte den Earl of Essex (nachdem es den Krieg beschlossen hatte) zum General aller seiner Streitkräfte von England wie von Irland gemacht, von dem alle anderen Befehlshaber ihre Bestallung erhielten.57 B  Was bewegte sie dazu, den Earl of Essex zum General zu ernennen? Und warum war der Earl of Essex so gegen den König, dass er dieses Amt annahm? A  Ich weiß nicht recht, was ich auf diese beiden Fragen antworten soll; aber der Earl of Essex hatte an auswärtigen Kriegen teilgenommen, und es fehlte ihm weder an Erfahrung und Urteilsfähigkeit noch an Mut, um ein solches Unternehmen auszuführen. Außerdem hast du, wie ich glaube, gehört, welch großer Liebling des Volkes vor ihm sein Vater war und welche Ehrungen er durch den Erfolg seines Unternehmens nach Cales58 und andere militärische Taten erwarb. Dem darf ich hinzufügen, dass dieser Earl vom Volk nicht für einen so großen Günstling bei Hofe gehalten wurde, dass sie ihm nicht das Heer gegen den König anvertrauen mochten. Und daraus kannst du vielleicht den Grund dafür vermuten, dass die Wahl des Parlaments auf ihn fiel. B  Aber warum hielten sie ihn für unzufrieden mit dem Hof? A  Das weiß ich nicht, ebenso wenig wie ich weiß, ob er es wirklich war. Er kam wie andere Edelleute an den Hof, um gelegentlich dem König seine Aufwartung zu machen, aber er hatte (bis kurz vor dieser Zeit) kein Amt, das ihn zu einem ständigen Bleiben dort verpflichtet hätte. Aber ich glaube wirklich, dass seine unglücklichen Heiraten ihn in seiner Unterhaltung mit Damen so verlegen gemacht hatten, dass der Hof nicht sein eigentlicher Bereich sein konnte, wenn er dort nicht außergewöhnlich begünstigt worden wäre, um diese Peinlichkeit aufzuheben. Aber eine besondere Unzufriedenheit auf Seiten des Königs oder die Absicht auf seiner Seite, sich für irgendwelche vermutete Ungnade zu rächen – beides lag, glaube ich, nicht vor, noch war er jemals presbyterianischen Lehrmeinungen oder anderen fanatischen Lehren

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in Kirche und Staat besonders zugetan, ausgenommen nur, dass er sich (sozusagen) von dem Strom der ganzen Nation forttreiben ließ in der Überzeugung, dass England nicht eine absolute, sondern eine gemischte Monarchie sei. Hierbei bedachte er nicht, dass die höchste Gewalt immer absolut sein muss, sei sie nun im König verkörpert oder im Parlament. B  Wer war der General der königlichen Armee? A  Noch niemand als der König selbst. Allerdings hatte er noch gar kein Heer. Doch da gerade zu dieser Zeit seine beiden Neffen, die Prinzen Rupert und Moritz, zu ihm kamen, gab er den Oberbefehl über seine Reiterei dem Prinzen Rupert, einem Mann, den kein anderer an Mut oder Tatkraft und Sorgfalt in der Erfüllung seiner Aufträge übertraf. Obgleich damals noch ein junger Mann, war er nicht ohne Erfahrung in der Führung von Soldaten, weil er in den Kriegen in Deutschland auf Seiten seines Vaters mitgekämpft hatte.59 B  Doch wie konnte der König Geld auftreiben, um ein solches Heer, wie er es gegen das Parlament benötigte, zu bezahlen? A  Weder König noch Parlament hatten zu dieser Zeit viel Geld in Händen, sondern mussten sich auf das Wohlwollen derer verlassen, die ihre Partei ergriffen. Und darin, muss ich sagen, war das Parlament gewaltig im Vorteil. Diejenigen, die den König in dieser Weise unterstützten, waren nur Lords und große Herren. Sie missbilligten das Vorgehen des Parlaments, und jeder von ihnen war bereit, die Bezahlung einer gewissen Zahl berittener Mannschaft zu übernehmen. Man kann dies aber nicht als große Hilfe bezeichnen, da die Anzahl der Bezahlenden so gering war. Von anderen Geldmitteln, über die der König darüber hinaus verfügte, habe ich nichts gehört, ausgenommen das, was er in den Niederlanden gegen Juwelen lieh. Das Parlament hingegen erhielt eine sehr reichliche Zuwendung. Sie kam nicht allein aus London, sondern ganz allgemein von seiner Partei an allen anderen Orten Englands, die unter gewissen Bedingungen (die im Juni 1642 von Lords und Commons veröffentlicht wurden, wo-

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bei sie neuerdings erklärten, der König beabsichtige, Krieg gegen sie zu führen) Geld oder Geräte einbrachten, um Pferde und Reiter zu unterhalten, Waffen für die Erhaltung des Friedens im Staat und für die Verteidigung des Königs und beider Häuser des Parlaments anzuschaffen. Für die Rückzahlung des beigesteuerten Geldes und der Geräte sollte das Vertrauen in den Staat bürgen. B  Was gibt es für ein Vertrauen in den Staat [ public ], wenn es keinen Staat gibt? Was kann wohl staatlich heißen in einem Bürgerkrieg ohne den König? A  In Wahrheit war die Bürgschaft natürlich nichts wert. Aber sie war dazu gut, diejenigen aufrührerischen Dummköpfe zu prellen, die mehr auf den Wechsel erpicht waren als auf ihren Frieden oder ihren Vorteil. Nachdem sie auf diese Weise von ihren Parteigängern Kontributionen erhalten hatten, machten sie später hiervon Gebrauch, um die gleiche Kontribution von anderen zu erzwingen. Denn sie erließen im November eine Verordnung zur Veranlagung auch derjenigen, die damals noch nichts beigesteuert hatten oder die dies zwar getan hatten, aber nicht ihrem Vermögen entsprechend. Und doch war dies das Gegenteil dessen, was das Parlament versprochen und in den Propositions selbst erklärt hatte. Denn sie erklärten in ihrer ersten Proposition, dass die Gewogenheit eines Mannes nicht an der Höhe seines angebotenen Beitrags bemessen werden solle, so dass er seinen guten Willen, einen Beitrag zum Militärdienst zu leisten, mit einem Anteil in beliebiger Höhe zum Ausdruck bringen könne. Außerdem erließen sie Anfang März eine Verordnung, um in jeder Grafschaft, Stadt, in jedem Flecken und beinahe von jeder Person mit irgendwelchem Vermögen in England wöchentlich eine große Geldsumme zu erheben. Diese wöchentliche Summe (wie aus der Verordnung selbst hervorgeht, die im März 1642 auf Anordnung beider Häuser gedruckt und veröffentlicht wurde) belief sich auf fast 33 000 und folglich jährlich auf über 1 700 000

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Pfund. Darüber hinaus verfügten sie über die Einkünfte aus den Ländereien und dem Waldbesitz des Königs und über all das, was von Hilfsgeldern, die ihm früher zugestanden hatten, unbezahlt geblieben war, dazu das gewöhnlich vom König erhobene Tonnagen- und Pfundgeld, außerdem den Gewinn aus der Beschlagnahmung des Vermögens hochstehender Personen, die sie als Delinquenten zu bezeichnen beliebten, und den Gewinn aus den Ländereien der Bischöfe, die sie nach einem Jahr oder etwas später an sich nahmen. B  In Anbetracht der Tatsache, dass das Parlament hinsichtlich finanzieller Mittel, Waffen und Menge der Soldaten dem König gegenüber so im Vorteil war und dass es die Flotte des Königs in seiner Gewalt hatte, kann ich mir nicht vorstellen, welche Aussicht auf Sieg der König haben konnte oder (falls er ihnen die Souveränität übergeben würde) auf sein eigenes Überleben. Denn ich kann kaum glauben, dass er ihnen gegenüber überhaupt irgendeinen Vorteil hatte, weder in Bezug auf Ratgeber noch militärische Anführer, noch die Entschlossenheit seiner Soldaten. A  Im Gegenteil denke ich, dass er auch darin im Nachteil war, denn wenn er auch mindestens ebenso gute Offiziere hatte wie das Parlament, so zweifle ich doch daran, dass er so gute Ratgeber hatte, wie er benötigte. Und was seine Soldaten betrifft, so waren sie freilich so starke Kerle wie die des Parlaments, weil jedoch ihr Mut nicht auch mit Bosheit gewürzt war wie auf der Seite des Gegners, fochten sie nicht so eifrig wie ihre Feinde. Unter den Soldaten des Parlaments befand sich eine große Anzahl Lehrburschen aus London, welche aus Mangel an Kriegserfahrung wohl vor Tod und Wunden, wenn sie sichtbar in funkelnden Schwertern zu gewärtigen gewesen wären, Angst gehabt hätten, aber aus Mangel an Urteilsvermögen kaum an einen Tod dachten, der unsichtbar in Gestalt einer Kugel herankommt, und die sich deshalb sehr schwer aus dem Felde schlagen ließen. B  Aber welchen Mangel findest du bei den Ratgebern und Lords des Königs und anderen Personen von Rang und Erfahrung?

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A  Nur den Fehler, der allgemein in der ganzen Nation verbreitet war, dass sie dachten, die Regierung von England sei nicht eine absolute, sondern eine gemischte Monarchie. Wenn der König dieses Parlament wirklich unterworfen hätte, so wäre seine Macht so groß gewesen, wie es ihm gefiel, und ihre so klein, wie er wollte. Dies aber nannten sie Tyrannei. Diese Ansicht verringerte zwar nicht ihre Bemühungen um einen Sieg für den König in der Schlacht, falls eine solche sich nicht umgehen ließ, aber sie schwächte doch ihr Bestreben, ihm im Krieg einen absoluten Sieg zu verschaffen. Und aus diesem Grund gaben sie dem König – ­obgleich sie wussten, dass das Parlament fest entschlossen war, ihm die königliche Macht unter allen Umständen aus den Händen zu reißen – doch bei allen Gelegenheiten den Rat, ihnen Vorschläge für Verhandlung und Vergleich zu unterbreiten und Erklärungen zu verfassen und zu veröffentlichen, deren Fruchtlosigkeit jeder leicht vorausgesehen hätte, und nicht nur das, sie waren auch von großem Nachteil für ein solches Vorgehen des Königs, durch das er seine Krone hätte wiedergewinnen und sein Leben hätte retten können. Denn es nahm den besten und hoffnungsvollsten seiner Soldaten den Mut, die die Erwartung hatten, durch ihren Kriegsdienst großen Gewinn aus den Besitztümern der Rebellen zu ziehen, falls sie diese bezwingen könnten, aber gar keinen, wenn der Kampf mit einem Vertrag beendet würde. B  Da hatten sie recht: Denn ein Bürgerkrieg endet niemals mit Vertrag ohne den Untergang derjenigen, die auf beiden Seiten die Scharfmacher waren. Du weißt gut genug, was bei der Aussöhnung von Augustus und Antonius in Rom geschah. Aber ich dachte, dass sie, nachdem sie einmal angefangen hatten, Soldaten gegeneinander auszuheben, auf keiner Seite mehr zu Erklärungen oder zu anderen Papierkriegen zurückgekehrt wären, denn wenn das überhaupt etwas nützen konnte, dann hätte es lange vorher genützt. A  Aber da das Parlament mit dem Schreiben fortfuhr und seine Kundgebungen an das Volk gegen die Rechtmäßigkeit der

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königlichen Musterungskommission erließ und Petitionen an den König sandte, die so wüst und rebellisch wie je zuvor waren und in denen sie von ihm verlangten, dass er sein Heer auflösen und auf das Parlament zugehen solle, diejenigen aber, die das Parlament Delinquenten nannte (das waren gerade die besten Untertanen des Königs), auf Gnade und Ungnade ihnen ausliefern und alle Gesetze nach ihrer Anweisung genehmigen solle – wenn es so stand, war es da nicht richtig, dass der König Deklarationen und Proklamationen gegen die Ungesetzlichkeit ihrer Verordnungen erließ, durch welche sie Soldaten gegen ihn aushoben, und dass er ihre frechen Petitionen beantwortete? B  Nein; es hatte ihm vorher nichts Gutes eingebracht, und so war zu erwarten, dass es ihm nachher gleicherweise nichts nützen würde. Denn das gemeine Volk, dessen Hände den Streit entscheiden sollten, verstand nicht die Beweggründe der einen oder der anderen Partei, und diejenigen, die nur mehr aus Ehrgeiz das Wagnis unternommen hatten, die Staatsform zu ändern, kümmerten sich nicht viel um Beweggründe und Gerechtigkeit der Sache, sondern darum, welche Macht sie durch die Verführung der Menge mit Remonstranzen des Parlaments oder durch Predigten in den Kirchen erreichen konnten. Und was ihre Petitionen anbelangt, so hätte ich überhaupt keine andere Antwort darauf gegeben als diese, dass sie, wenn sie ihr Heer auflösen und sich auf Gnade und Ungnade ihm ergeben würden, ihn gnädiger fänden, als sie erwarteten. A  Das wäre in der Tat eine prächtige Antwort gewesen, wenn sie nach einem außerordentlich großen Sieg in der Schlacht erfolgt wäre oder bei außergewöhnlicher Gewissheit, am Ende den ganzen Krieg zu gewinnen. B  Was hätte ihm trotz seiner gütigen Antworten und aller seiner maßvollen Erklärungen wohl Schlimmeres geschehen können als das, was er zuletzt erleiden musste? A  Nichts; aber wer wusste das? B  Jeder konnte sehen, dass er wahrscheinlich niemals in der

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Lage sein würde, sein Recht ohne Sieg zurückzuerobern, und wenn das Volk von einer solchen Festigkeit seinerseits gewusst hätte, hätte es zu seinem Beistand viel mehr Hilfe geleistet, als alle juristischen Argumente oder alle rhetorische Macht, die in Erklärungen und anderen Schreibereien Ausdruck finden, bei weitem gebracht haben. Und ich wundere mich darüber, was das für Menschen waren, die den König daran hinderten, diesen Entschluss zu fassen. A  Du kannst aus den Erklärungen selbst sehen – die sehr lang und voller Zitate aus Protokollen und früher erledigten Fällen waren –, dass ihre Verfasser entweder (von Beruf) Juristen oder solche sind, die den Ehrgeiz haben, dafür gehalten zu werden. Überdies waren, wie ich dir vorher sagte, diejenigen, die dann die meisten Chancen hatten, nach ihrem Rat in dieser Angelegenheit gefragt zu werden, der absoluten Monarchie gegenüber abgeneigt wie auch gegen absolute Demokratie oder Aristokratie, denn alle diese Staatsformen hielten sie für Tyrannei und begeisterten sich für die „Mixarchie“, welche sie unter dem Namen einer gemischten Monarchie zu rühmen pflegten, obgleich sie in der Tat nichts anderes als reine Anarchie war. Und diese Männer, deren Federn sich der König in diesen juridischen und politischen Streitereien am meisten bediente, waren (wenn ich nicht falsch unterrichtet bin) Mitglieder dieses Parlaments gewesen und hatten sich so stark wie sonst jemand gegen das Ship-money und andere außerparlamentarischen Abgaben ereifert, doch als sie sahen, dass das Parlament in seinen Ansprüchen weiter ging, als sie für richtig hielten, gingen sie zur Partei des Königs über. B  Wer waren sie? A  Es ist nicht nötig, irgendjemanden zu nennen,60 da ich ja nur in Kürze die Torheiten und andere menschliche Fehler während dieser Unruhen zu schildern unternommen habe, aber nicht (mit Namensnennung der Betreffenden) dir oder irgendjemand anderem Gelegenheit zu geben, sie weniger zu achten, jetzt, wo die Schuld auf allen Seiten vergeben worden ist.61

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B  Als nun die Sache durch die Aushebung von Soldaten und die Besitzergreifung von Flotte, Waffen und anderen Vorräten auf beiden Seiten ihren Höhepunkt erreicht hatte, so dass niemand so blind war, nicht zu sehen, dass sie sich im Kriegszustand befanden – warum entschloss sich da der König nicht (durch Proklamation oder Botschaft), nach seinem unbezweifelten Recht das Parlament aufzulösen, um damit in gewissem Grade die Autorität ihrer Aushebungen und anderer unrechten Anordnungen zu vermindern? A  Du hast vergessen, dass, wie ich dir erzählte, der König ihnen selbst durch ein Gesetz, das er zur selben Zeit unterzeichnete wie das wegen der Hinrichtung des Earl of Strafford, die Vollmacht gegeben hatte, das Parlament so lange tagen zu lassen, bis sie es mit Zustimmung beider Häuser selbst auflösten. Wenn er es mithin durch irgendeine Proklamation oder Botschaft an das Parlament aufgelöst hätte, so hätten sie zu ihren früheren Ent­ ehrungen der Handlungen Seiner Majestät auch noch die hinzugefügt, dass er wortbrüchig sei, und hätten nicht nur ihm zum Trotz ihre Sitzungen fortgesetzt, sondern auch von ihrer Über­ legenheit gegen ihn zur Vergrößerung und Stärkung ihrer eigenen Partei Gebrauch gemacht. B  Wurde nicht die Tatsache, dass der König ein Heer gegen sie rüstete, als Absicht interpretiert, sie mit Gewalt aufzulösen? Und war es nicht ein ebenso großer Wortbruch, sie mit Gewalt zu vernichten, als sie durch eine Proklamation aufzulösen? Außerdem kann ich nicht glauben, dass die Genehmigung jenes Gesetzes anders als bedingt gemeint war, solange sie nicht irgendetwas dem souveränen Recht des Königs Entgegengesetztes beschlössen, und diese Bedingung hatten sie schon durch viele ihrer Verordnungen gebrochen. Ich denke, dass sogar nach dem Gesetz der Billigkeit, d. h. nach dem unverbrüchlichen Gesetz der Natur, der Inhaber der souveränen Macht niemals das Recht auf irgendetwas aufgeben kann, was zur guten Regierung seiner Untertanen nötig ist, selbst wenn er wollte. Es sei denn, er sagte in klaren Worten, er

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wolle die Souveränität nicht länger behalten. Denn der Verzicht auf etwas, was in logischer Folge den Verlust der Souveränität mit sich zieht, ist nach meiner Ansicht noch nicht das Aufgeben der Souveränität selbst, sondern ein Irrtum, der keine andere Wirkung hat als die Ungültigkeit des Verzichts selbst. Und solcherart war die Bill des Königs hinsichtlich eines Parlaments, das tagen sollte, so lange wie beide Häuser es wollten. Doch nun, da dieser Krieg auf beiden Seiten beschlossen war, was bedurfte es jetzt noch irgendeines schriftlichen Disputs? A  Ich weiß nicht, wozu sie das benötigten. Doch sie hielten es auf beiden Seiten für nötig, sich gegenseitig so viel sie konnten an der Aushebung von Soldaten zu hindern, und deshalb veröffentlichte der König gedruckte Erklärungen, um dem Volk bekanntzugeben, dass es den Offizieren der neuen Miliz, die auf Anordnung des Parlaments aufgebaut worden war, nicht zu gehor­chen habe, und auch, um sie die Legalität seiner eigenen Musterungskommissionen erkennen zu lassen. Und das Parlament tat seinerseits dasselbe, um vor dem Volk die besagten Befehle zu rechtfertigen und die Musterungskommissionen als ungesetzlich erscheinen zu lassen. B  Als das Parlament Soldaten aushob, war es da nicht auch für den König legitim, Soldaten zur Verteidigung seiner Person und seines Rechtes auszuheben, selbst wenn er dafür keinen anderen Rechtstitel gehabt hätte als seine eigene Sicherheit und wenn man auch den Namen Musterungskommission niemals zuvor gehört hätte? A  Ich denke meinerseits, dass es für einen Krieg keinen besseren Grund geben kann, als dass jemand sein eigenes Recht verteidigt. Aber das Volk meinte zu jener Zeit, dass der König von Rechts wegen nichts tun dürfe, wenn es nicht das Parlament gesetzlich bestimmt hätte. Denn die Juristen – ich meine die Richter der Gerichtshöfe in Westminster und einige andere, die zwar nur Advokaten waren, aber großes Ansehen hatten wegen ihrer Beschlagenheit im Common Law und den Gesetzen Englands –

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hatten den größten Teil der englischen Gentry mit ihren Maximen und rechtskräftig entschiedenen Fällen, die sie Präzedenzfälle nennen, infiziert und ihnen eine so hohe Meinung von ihrer eigenen Rechtskenntnis vermittelt, dass sie über die Gelegenheit, sie gegen den König unter Beweis zu stellen und dadurch beim Parlament den Ruf guter Patrioten und weiser Staatsmänner zu erwerben, sehr froh waren. B  Was war diese Musterungskommission? A  König William the Conqueror hatte durch seine Siege den ganzen Grundbesitz Englands in seine Hand bekommen, wovon er einen Teil zu Jagdgrund für seine Erholung bestimmte und einen Teil den Lords und Edelleuten gab, die ihm in den Kriegen beigestanden hatten. Danach legte er ihnen die Pflicht auf, je nach dem Land, das er ihnen gegeben hatte, ihm mit mehr oder weniger Mann in seinen Kriegen zu dienen. Demgemäß waren sie, wenn der König seine Beauftragten zu ihnen schickte, um ihren Dienst in Anspruch zu nehmen, verpflichtet, in Waffen zu erscheinen und dem König für eine gewisse Zeit auf ihre eigenen Kosten in den Krieg zu folgen. Und das waren die Kommissionen, mit deren Hilfe dieser König damals seine Truppen aushob. B  Warum war dies dann nicht rechtsgültig? A  Es war ohne Zweifel rechtsgültig. Aber was zählte dies bei Menschen, die schon entschlossen waren, nichts als Gesetz anzuerkennen, was gegen ihre Absicht war, die Monarchie abzuschaffen und dem House of Commons eine souveräne und absolute willkürliche Gewalt zu geben? B  Die Monarchie abzuschaffen und das House of Commons an ihre Stelle zu setzen, sind zwei verschiedene Dinge. A  Zuletzt merkten sie dies, aber damals noch nicht. B  Lass uns nun zum militärischen Teil übergehen. A  Ich beabsichtigte nur, die Geschichte ihrer Widerrechtlichkeit, Unverschämtheit und Heuchelei zu erzählen, deshalb verweise ich dich zur Verfolgung des Kriegsgeschehens auf die ausführliche historische Darstellung in englischer Sprache. Ich werde

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mich dieses Leitfadens durch die Ereignisse nur bedienen, sofern es nötig ist, um die Schurkerei und auch Torheit darzustellen, die ich an ihren verschiedenen Handlungen beobachten werde. Von York aus ging der König nach Hull, wo sein Waffenmagazin für die nördlichen Teile Englands war, um herauszufinden, ob sie ihn hereinließen. Das Parlament hatte Sir John Hotham zum Gouverneur der Stadt ernannt, der die Tore schließen ließ und ihm von der Mauer herab rundweg den Eintritt verweigerte; dafür veranlasste der König, dass er zum Verräter erklärt wurde, und sandte eine Botschaft ans Parlament, um zu erfahren, ob es diese Handlung Sir Hothams billige; und es billigte sie.62 B  Aus welchen Gründen? A  Ihr Vorwand war, dass weder diese noch irgendeine andere Stadt in England dem König in anderer Weise gehöre als zu treuen Händen für das englische Volk. B  Doch was bedeutete das in Bezug auf das Parlament? Gehörte dem Parlament deshalb die Stadt? A  Sie sagten ja, denn es sei die Vertretung des englischen Volkes. B  Die Beweiskraft dieses Arguments kann ich nicht einsehen. Wir vertreten das Volk, ergo ist alles, was dem Volk gehört, unser Eigentum. Der Bürgermeister von Hull vertrat den König. Gehört deshalb alles, was der König in Hull besitzt, dem Bürgermeister? Das englische Volk mag mit Einschränkung vertreten werden, zum Beispiel eine Petition oder dergleichen einzureichen. Folgt daraus, dass diejenigen, die die Petition einreichen, ein Recht auf alle Städte Englands haben? Von wann an war dieses Parlament die Vertretung Englands? War dies nicht vom 3. November 1640 an? Wer hatte am Tag vorher, am 2. November, das Recht, den König aus Hull auszuschließen und die Stadt für sich selbst zu besitzen? Denn damals gab es noch kein Parlament. Wem gehörte Hull damals? A  Ich denke, es gehörte dem König, und zwar nicht nur, weil es die Stadt des Königs, „King’s Town upon Hull“ [ d. i. Kingston upon Hull ], hieß, sondern weil es der König war, der damals

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und zu allen Zeiten das englische Volk verkörperte. Wer hätte dies denn getan, wenn nicht er, als das Parlament noch nicht da war? B  Sie könnten vielleicht sagen, dass das Volk damals noch keinen Vertreter hatte. A  Dann war es kein Gemeinwesen. Und da folglich alle Städte Englands dem Volk gehörten, könnten wir, du und ich, und jeder andere seinen Anteil daran fordern. Du kannst daraus ersehen, welch schwaches Volk das war, das durch eine solche Beweisführung, wie es die des Parlaments war, zum Aufruhr gebracht wurde, und wie unverfroren diejenigen waren, die ihnen solche Fehlschlüsse aufdrängten. B  Sicherlich wurden sie als die klügsten Männer Englands geachtet, die aus dieser Erwägung heraus ins Parlament gewählt wurden. A  Und wurden auch die, die sie wählten, als die klügsten Männer Englands angesehen? B  Das kann ich nicht sagen. Denn ich weiß, dass es bei den Grundbesitzern in den Grafschaften und bei den Geschäftsleuten in den Städten und Flecken üblich ist, soweit es irgend geht solche vorzuziehen, denen die Gewährung von Subsidien am meisten widerstrebte. A  Der König errichtete Anfang August seine Standarte in Nottingham, nachdem er Hull zur Übergabe aufgefordert und geprüft hatte, was einige der umliegenden Grafschaften für ihn tun würden; doch es kamen dorthin nicht genug Mann, um ein Heer zu bilden, das ausgereicht hätte, um eine Schlacht gegen den Earl of Essex zu liefern. Von dort aus ging er nach Shrewsbury, wo er sich schnell versorgte; und nachdem er den Earl of Lindsey zum General ernannt hatte, beschloss er, nach London vorzurücken. Der Earl of Essex war nun mit der Armee des Parlaments in Worcester und machte keine Anstalten, seinen Anmarsch zu verhindern, doch sobald der König vorübergezogen war, mar­schierte er dicht hinter ihm her.

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Um zu vermeiden, dass er zwischen dem Heer des Earl of Essex und der Stadt London eingeschlossen würde, wandte sich der König gegen ihn und stellte sich ihm bei Edgehill. Hier errang er zwar keinen vollständigen Sieg, behielt aber die Oberhand, sofern es eine Oberhand gab. Er erntete zumindest die Frucht des Sieges, der im Weitermarsch auf seinem Weg nach London bestand. Am nächsten Morgen nahm er Banbury-Castle und von dort aus marschierte er nach Oxford und von dort nach Brentford, wo er drei Regimentern des Parlaments eine große Niederlage bereitete und dann nach Oxford zurückkehrte. B  Warum marschierte der König nicht von Brentford weiter? A  Bei der ersten Nachricht vom Abmarsch des Königs aus Shrewsbury ließ das Parlament die gesamte Bürgerwehr und die Hilfstruppen der Stadt London (wo man so in Furcht war, dass man alle Läden schloss) versammeln, so dass ein vollständiges und großes Heer für den Earl of Essex bereitstand, der gerade zu dieser Zeit heimlich nach London gekommen war, um es zu befehligen. Und dies veranlasste den König, sich nach Oxford zurückzuziehen. Anfang Februar nahm Prinz Rupert dem Parlament Ciren­cester mit vielen Gefangenen und Waffen ab, denn es war kürzlich als Magazin eingerichtet worden. Und so stand die Sache zwischen den stärksten Streitkräften des Königs und des Parlaments. Inzwischen ließ das Parlament eine Verbindungslinie zwischen London und den Vorstädten im Umfang von zwölf Meilen herstellen und setzte eine Kommission ein, um die Grafschaften Essex, Cambridge und Suffolk und einige andere in Verteidigungszustand zu versetzen. Und einer dieser Kommissare war Oliver Cromwell, der von diesem Posten aus zu seiner späteren Größe gelangte. B  Was geschah während dieser Zeit in den anderen Teilen des Landes? A  In den westlichen hatte der Earl of Stamford die Aufgabe, die Befehle des Parlaments betreffs der Miliz zur Ausführung zu bringen, und für den König leitete Sir Ralph Hopton die Mus-

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terungskommission. Zwischen diesen beiden fand bei Liskeard in Cornwall eine Schlacht statt, wo Sir Ralph Hopton siegte und gleich darauf eine Stadt, Saltash, mit vielen Waffen, schwerem Geschütz und zahlreichen Gefangenen einnahm. In der Zwischenzeit gewann Sir William Waller Winchester und Chinchester für das Parlament. Im Norden befehligte Lord Newcastle63 die königlichen Truppen und Lord Fairfax die Miliz des Parlaments. Lord Newcastle entriss dem Parlament Tadcaster, worin der größte Teil der Streitkräfte des Parlaments für diesen Landstrich lag, und hatte sich sozusagen zum Herrn des gesamten Nordens gemacht. Um diese Zeit, das heißt im Februar, landete die Königin in Burlington und wurde von Lord Newcastle und dem Marquis von Montrose nach York geleitet und von dort aus nicht lange darauf zum König. ­Außer diesen hatte die Partei des Königs dem Parlament gegenüber im Norden verschiedene kleine Vorteile. Dort kam es zwischen der Miliz des Parlaments und der königlichen Armee in Straffordshire, zwischen Lord Brooke (auf Seiten des Parlaments) und Lord Northampton (von der Partei des Königs), zu schweren Kämpfen, wobei beide Befehlshaber fielen. Denn Lord Brook, der Litchfield-Close belagerte, wurde durch eine Kugel getötet; dessen ungeachtet gaben sie die Belagerung nicht auf, bis sie Herren der Zitadelle waren. Aber gleich danach belagerte sie Lord Northampton wieder für den König, und zu ihrem Entsatz rückten Sir William Brereton und Sir John Gell nach Litchfield vor. Diese gerieten bei Hopton Heath mit dem Earl of Northampton zusammen, der sie in die Flucht schlug. Der Earl selbst fiel, doch seine Streitkräfte kehrten siegreich zur Belagerung zurück, und kurz darauf eroberten sie den Ort, von Prinz Rupert, der sich eben in dieser Gegend befand, unterstützt. Dies waren die Hauptereignisse des Jahres 1642, in dem die Partei des Königs sich noch leidlich behauptete. B  Aber das Parlament hatte nun ein besseres Heer. Wäre der Earl of Essex dem König sofort nach dem noch nicht gut befestig-

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ten Oxford gefolgt, so hätte er es aller Wahrscheinlichkeit nach erobern können. Denn es mangelte ihm nicht an Soldaten oder Munition, wovon die Stadt London (die ganz zur Verfügung des Parlaments stand) Vorrat genug hatte. A  Ich kann das nicht beurteilen. Aber so viel ist klar: Wenn man erwägt, in welchem Zustand der König sich bei seinem ersten Ausmarsch aus York befand, wo er weder Geld noch Mannschaften, noch Waffen genug hatte, die ihm Aussicht auf Sieg gaben, so war dieses Jahr im Großen und Ganzen recht glücklich. B  Doch welch große Torheit oder Schlechtigkeit beobachtest du bei den Handlungen des Parlaments in diesem ersten Jahr? A  Alles, was in dieser Hinsicht gegen es gesagt werden kann, kann mit dem Vorwand des Krieges entschuldigt werden und fällt unter den einen Namen Rebellion, ausgenommen dass sie, wenn sie irgendeine Stadt zur Übergabe aufforderten, dies immer im Namen des Königs und des Parlaments taten, obgleich der König die feindliche Armee anführte und manchmal ihre Belagerung abschlug. Ich kann nicht einsehen, wie das Recht des Krieges eine Impertinenz wie diese rechtfertigen kann. Aber sie behaupteten, dass der König immer virtuell in beiden Häusern des Parlaments verkörpert sei, indem sie zwischen seiner natürlichen und poli­ ti­schen Person eine Unterscheidung machten, was die Unverschämtheit außer ihrer Dummheit noch größer machte.64 Denn dies war nur eine Wortklauberei von der Universität her, wie sie von Jungen (in den Schulen) gebraucht wird, um Grundsätze aufrechtzuerhalten, die sie nicht anders verteidigen können. Ende dieses Jahres forderten sie auch die Schotten auf, in England mit einem Heer einzurücken, um die Macht des Earl of Newcastle im Norden niederzuwerfen. Dies war ein glattes Zugeständnis, dass zu dieser Zeit die Streitkräfte des Parlaments denen des Königs nicht gewachsen waren. Viele dachten damals, dass die meisten Parlamentsmitglieder aus England geflohen wären, wenn der Earl of Newcastle südwärts marschiert wäre und seine Soldaten mit denen des Königs vereinigt hätte.

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Anfang 1643, als das Parlament die Macht des Earl of Newcastle im Norden so bedrohlich anwachsen sah, schickte es zu den Schotten, um sie für einen Einfall in England anzuheuern. Um mit ihnen gleichzuziehen, schlossen sie unter sich einen Bund, genau wie es die Schotten vorher gegen die Bischöfe getan hatten, und zerstörten in ganz England Kreuze und Kirchenfenster (solche, die Heiligenbilder enthielten). Mitte des Jahres gründeten sie außerdem mit der Nation ein feierliches Bündnis und nannten es „feierliches Bündnis und Abkommen“ [ Solemn League and Covenant ].65 B  Muss man die Schotten nicht mit dem gleichen Recht wie die Iren als Ausländer bezeichnen, nachdem sie, wie wir gesehen haben, damals den Earl of Strafford sogar bis zum Tode verfolgten, weil er dem König geraten habe, irische Streitkräfte gegen das Parlament einzusetzen? Wie konnte es ihnen nun in den Sinn kommen, die schottische Armee gegen den König herbeizurufen? A  Die Partei des Königs konnte hier leicht ihre Absicht durchschauen, sich selbst zu absoluten Herren des Reiches zu machen und den König zu entthronen. Eine andere große Unverschämtheit oder besser eine bestialische Rohheit war es von ihnen, dass sie die Königin des Hochverrats bezichtigten, weil sie dem König von Holland aus Munition und englische Offiziere zu Hilfe schickte. B  War es möglich, dass all dies geschehen konnte und die Menschen nicht einsahen, dass Schriften und Erklärungen nutzlos waren und dass sie nichts befriedigen konnte als die Absetzung des Königs mit dem Ziel, sich selbst an seine Stelle zu setzen? A  Ja, das ist sehr wahrscheinlich. Denn wen gab es unter ihnen, der, obgleich er wusste, dass der König Inhaber der souveränen Gewalt war, die wesentlichen Souveränitätsrechte kannte? Sie träumten von einer gemischten Gewalt des Königs und der beiden Häuser des Parlaments; dass dies eine geteilte Macht war, in der kein Frieden ruhen konnte, ging über ihren Verstand.66 Deshalb drängten sie den König immer zu Erklärungen und Un-

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terhandlungen (aus Angst, sich dem König gegenüber einem absoluten Gehorsam zu unterwerfen), was Hoffnung und Mut der Aufrührer vermehrte, aber dem König wenig nützte. Denn das Volk versteht sie entweder nicht oder will sich nicht mit schriftlichen Kontroversen abgeben, sondern zieht es vor, durch Zustimmung und Botschaften mit der Meinung übereinzustimmen, dass das Parlament wahrscheinlich den Sieg im Kriege erringen würde. Außerdem sahen die Menschen, dass die Verfasser und Erfinder dieser Schriftstücke frühere Parlamentsmitglieder und von anderer Gesinnung waren und nun vom Parlament abfielen, weil sie dort nicht die Rolle spielen konnten, die sie erhofft hatten, und neigten daher zu der Auffassung, dass diese nicht glaubten, was sie da schrieben. Was nun die militärischen Vorgänge anbetrifft (um mit den Hauptquartieren zu beginnen), so nahm Prinz Rupert Birmingham, das eine Garnison des Parlaments war. Im folgenden Juli errangen die Truppen des Königs bei Devizes am Roundway-Down einen großen Sieg über die des Parlaments, wobei sie zweitausend Gefangene, vier Geschütze, achtundzwanzig Fahnen und ihren gesamten Tross erbeuteten, und kurz danach wurde Bristol dem Prinzen Rupert für den König übergeben, und der König selbst rückte nach Westen vor und nahm dem Parlament viele andere wichtige Orte weg. Aber dieses Glück wurde nicht wenig durch seine Belagerung von Gloucester gedämpft, ein Ort, der, nachdem er beinahe in den letzten Zügen lag, durch den Earl of Essex befreit wurde, dessen Heer vorher sehr geschwächt worden war, aber nun plötzlich durch die Bürgerwehr und die Lehrburschen Londons verstärkt wurde. B  Es scheint nicht nur hiernach, sondern auch nach vielen Beispielen aus der Geschichte, dass eine lange oder gefährliche Rebellion kaum ausbrechen kann, ohne dass eine so übergroße Stadt dabei ist, mit einem oder zwei Heeren in ihrem Bauch, um sie aufzublähen.

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A  Ja, mehr noch, solche großen Hauptstädte müssen notwendig auf Seiten der Rebellen stehen, wenn der Aufstand unter dem Vorwand von herrschenden Missständen ausbricht, weil die Missstände in Steuern bestehen, deren natürliche Todfeinde die Städter sind, d. h. die Kaufleute, deren Beruf ihr Profit ist; ihr einziger Stolz besteht darin, durch die Kenntnis von Einkauf und Verkauf übermäßig reich zu werden. B  Doch sollen, wie man sagt, gerade sie von allen Berufen die nützlichsten für den Staat [ Common wealth ] sein, weil sie den armen Leuten Arbeit geben. A  Das heißt, sie bringen die Armen dazu, ihnen ihre Arbeit zu ihren eigenen, der Kaufleute, Preisen zu verkaufen, so dass zum größten Teil das arme Volk sich durch die Arbeit in Bridewell67 einen besseren Lebensunterhalt hätte verdienen können als durch Spinnen, Weben und andere solcher Arbeiten, wie sie sie hier leisten können; außer sie können sich durch nachlässige Arbeit ein wenig helfen, doch dies zur Blamage unserer Manufaktur. Und wie die Kaufleute häufig, indem sie sich auf ihre eigenen Mittel verlassen, die ersten Anstifter der Rebellion sind, so sind sie auch meistens die ersten, die es bereuen, weil sie von denen, die über ihre Mittel verfügen, enttäuscht werden. Doch zurück zum Krieg. Obgleich der König sich von Gloucester zurückzog, so geschah dies doch nicht, um vor dem Earl of Essex zu fliehen, sondern um mit ihm zu kämpfen, was er gleich darauf bei Newbury tat, wo die Schlacht blutig war und der König nicht schlecht fuhr, wenn nicht Cirencester die Waagschale niedergedrückt hätte, das der Earl of Essex wenige Tage vorher auf seinem Wege überrumpelt hatte. Doch im Norden und Westen war der König dem Parlament gegenüber sehr im Vorteil. Denn im Norden besiegten die Earls of Newcastle und Cumberland gleich zu Beginn des Jahres, am 29. März, den Lord Fairfax (der in dieser Gegend auf Parlamentsseite den Befehl hatte) bei Bramham Moor, und das veranlasste das Parlament, die Hilfe der Schotten zu beschleunigen.

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Im folgenden Juni schlug der Earl of Newcastle Sir Thomas Fairfax (den Sohn des Lord Fairfax) auf Adderton Heath in die Flucht und verfolgte ihn nach Bradford, wobei er zweitausend Mann tötete, und am nächsten Tag nahm er die Stadt und machte weitere zweitausend Gefangene (Sir Thomas konnte kaum selbst entkommen) mit ihren gesamten Waffen und Munition, und außerdem zwang er Lord Fairfax, Halifax und Beverley aufzugeben. Endlich entsetzte Prinz Rupert das von Sir John Meldrun (für das Parlament) mit siebentausend Mann belagerte Newark, von denen tausend blieben, und die übrigen erhielten freien Abzug, bewilligt gegen Preisgabe ihrer Waffen und ihres gesamten Trosses. Dieser Erfolg wurde (teilweise) dadurch ausgeglichen, dass der Earl of Manchester, dessen Generalleutnant Oliver Cromwell war, über die Königlichen bei Horncastle siegte, wobei vierhundert Mann fielen, und er machte achthundert Gefangene und erbeutete tausend Gewehre, und gleich darauf nahm und plünderte er die Stadt Lincoln. Im Westen errang Sir Ralph Hopton bei Straton in Devonshire am 16. Mai einen Sieg über die parlamentarische Armee, wobei er eintausendsiebenhundert Gefangene machte, dreizehn Kanonen und ihren gesamten Kriegsvorrat erbeutete, der aus siebzig Tonnen Pulver und den Magazinen ihrer anderen Vorräte in der Stadt bestand. Bei Lansdown tobte wieder zwischen Sir Ralph Hopton und der Parlamentspartei unter Sir William Waller eine wütende Schlacht, wobei der Sieg auf keiner Seite ganz klar war, außer dass die Parlamentspartei möglicherweise im Vorteil war, weil gleich darauf Sir William Waller Sir Ralph Hopton bis Devizes in Wiltshire verfolgte, obgleich auf seine Kosten, denn er wurde, wie ich dir schon erzählte, geschlagen. Danach marschierte der König in Person nach Westen und nahm Exeter, Dorchester, Barnstable und verschiedene andere Orte ein; und hätte er bei seiner Rückkehr nicht Gloucester belagert und damit dem Parlament Zeit zu neuen Truppenaus­hebun­

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gen gegeben, hätte er nach allgemeiner Ansicht das House of Commons vernichten können. Doch das Ende dieses Jahres war für das Parlament günstiger. Denn im Januar rückten die Schotten in England ein und überschritten am 1. März den Tyne; und während der Earl of Newcastle ihnen entgegenmarschierte, sammelte Sir Thomas Fairfax in Yorkshire eine beträchtliche Schar, und der Earl of Manchester rückte von Lyn nach York vor, so dass der Earl of Newcastle zwei Heere der Rebellen gegen sich hatte, eins hinter sich, eins vor sich, und also gezwungen war, nach York zurückzukehren, wo (da auch der Earl of Manchester sich ihnen anschloss) alsbald drei Heere ihn belagerten. – Dies alles sind die wichtigsten militärischen Ereignisse des Jahres 1643. Im selben Jahr veranlasste das Parlament die Schaffung eines neuen Großen Staatssiegels [ Great Seale ]. Der Lord Großsiegelbewahrer [ L ord Keeper ] hatte das frühere Siegel nach Oxford gebracht. Daraufhin sandte der König einen Boten zu den Richtern von Westminster, um ihnen zu untersagen, es zu benutzen. Dieser Bote wurde ergriffen, von einem Kriegsgericht verurteilt und als Spion aufgehängt. B  Nennt sich das Kriegsrecht? A  Ich weiß nicht, doch es scheint, dass ein Soldat, wenn er, ohne dass eine Zuschrift oder Notiz dem Oberbefehlshaber zugeht, das feindliche Lager betritt, für einen Spion gehalten wird. Im selben Jahr wurden verschiedene Herren in London entdeckt, die einen Musterungsbefehl vom König erhielten, um in dieser Stadt Soldaten für seinen Dienst auszuheben. Sie wurden verurteilt und einige von ihnen hingerichtet. Dieser Vorfall ist dem vorhergehenden nicht unähnlich. B  War nicht die Schaffung des neuen Großen Siegels ein genügender Beweis dafür, dass der Krieg nicht ausgebrochen war, um schlechte Ratgeber vom König zu entfernen, sondern um den König selbst aus der Regierung zu entfernen? Welche Aussicht konnte dann noch in Botschaften und Verhandlungen liegen?

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A  Der Einzug der Schotten war für den König unerwartet, weil man ihn durch fortwährende Briefe von seinem Beauftragten in Schottland, dem Duke Hamilton, in dem Glauben bestärkt hatte, dass die Schotten niemals irgendeinen Einfall beabsichtigten. Als der Duke dann in Oxford war, sandte ihn der König (als er sicher war, dass die Schotten nun eingerückt waren) als Gefangenen nach Pendennis Castle in Cornwall. Anfang des Jahres 1644 sandte der König den Prinzen Rupert, um die Stadt York, wo der Earl of Newcastle (wie ich dir erzählte) von den vereinten Streitkräften der Schotten, des Earl of Manchester und Sir Thomas Fairfax belagert wurde, zu entsetzen und dem Feind sobald wie möglich eine Schlacht zu liefern. Prinz Rupert marschierte durch Lancashire und kam, nachdem er auf dem Weg die aufrührerische Stadt Bolton gestürmt und Stopford und Liverpool eingenommen hatte, am 1. Juli nach York und befreite es; der Feind war nach Marston Moor marschiert, ungefähr fünf Meilen entfernt, und dort wurde jene unglückliche Schlacht geschlagen, durch die der König eigentlich den gesamten Norden verlor. Prinz Rupert zog auf dem Weg, den er gekommen war, zurück, und der Earl of Newcastle ging nach York und von dort aus mit einigen seiner Offiziere über See nach Hamburg. Die Ehre dieses Sieges gebührte hauptsächlich Oliver Cromwell (dem Generalleutnant des Earl of Manchester). Die Parlaments­ partei kehrte vom Schlachtfeld zur Belagerung Yorks zurück, welches sich nicht lange danach unter ehrenvollen Bedingungen ergab, nicht aus Güte, sondern weil das Parlament weder viel Zeit noch viele Leute für Belagerungen aufwandte. B  Dies war eine bedeutende und plötzliche Minderung der günstigen Aussichten des Königs. A  So war es; aber sie wurde ungefähr fünf oder sechs Wochen später wieder gutgemacht. Denn Sir William Waller hatte (nach dem Verlust seines Heeres bei Roundway Down) aus der Stadt London ein neues für sich ausgehoben, und die Stadt erlegte für die Bezahlung jedem Bürger eine wöchentliche Steuer im Wert

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einer Fleischmahlzeit auf. Mit diesem Heer beabsichtigte der Earl of Essex Oxford zu belagern. Als der König dies erkannte, sandte er die Königin nach Westen und marschierte selbst auf Worcester zu. Dies veranlasste sie, sich noch einmal zu trennen; Essex ging nach Westen, und Waller verfolgte den König. Dadurch (das war das Ergebnis) wurden ihre beiden Armeen vernichtet. Denn der König wandte sich gegen Waller, schlug ihn bei Cropredybridge in die Flucht, eroberte seinen Artilleriepark und nahm viele seiner Offiziere gefangen; und dann folgte er gleich darauf dem Earl of Essex nach Cornwall, wo er ihm gegenüber so im Vorteil war, dass der Earl sich freuen konnte, in einem kleinen Boot nach Plymouth zu entkommen; seine Reiterei durchbrach die königliche Stellung bei Nacht, doch die gesamte Infanterie wurde gezwungen, die Waffen niederzulegen, und ihnen wurde unter der Bedingung, niemals mehr Waffen gegen den König zu erheben, freier Abzug bewilligt. Im folgenden Oktober fand eine zweite heftige Schlacht bei Newbury statt. Denn jene Infanterie hatte, da sie sich aus den mit dem König getroffenen Abmachungen kein Gewissen machte, als sie in die Gegend von London, etwa bis Basingstoke, gekommen war, wieder Waffen in die Hand bekommen; zu ihnen stießen einige Bürgerwehren aus London, und der Earl of Essex hatte plötzlich ein so großes Heer, dass er den König wieder bei Newbury stellte; und er hatte zwar den Erfolg des Tages, aber da die Nacht sie trennte, so wurde es kein vollständiger Sieg. Und es wurde beobachtet, dass kein Teil der Armee des Earl so tapfer kämpfte wie derjenige, der in Cornwall die Waffen niedergelegt hatte. Das waren die wichtigsten Kämpfe des Jahres 1644, und der König war noch (nach seiner Ansicht und der Ansicht anderer) in ebenso guter Verfassung wie das Parlament, welches wegen der damaligen Befehlshaber am Sieg zweifelte. Deshalb beschlossen sie eine Umformung ihres Heeres, weil sie den Earl of Essex, wenn ich auch glaube zu Unrecht, im Verdacht hatten, dass er zu sehr Royalist sei, da er in dieser zweiten

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Schlacht von Newbury nicht so viel geleistet hatte, wie sie erwartet hatten. Essex und Manchester legten, als sie bemerkten, was man vorhatte, freiwillig ihren Befehl nieder, und das House of Commons erließ eine Verordnung, dass kein Mitglied der beiden Häuser ein staatliches oder militärisches Amt innehaben dürfe, und mit diesem verdeckten Schlag schüttelten sie jene ab, die ihnen bisher so gut gedient hatten. Und doch nahmen sie Oliver Cromwell, in dessen Führungskraft und Kühnheit sie sehr großes Vertrauen setzten, von dieser Verordnung aus (was sie nicht getan hätten, wenn sie ihn gleich so gut gekannt hätten wie später) und machten ihn zum Generalleutnant bei Sir Thomas Fairfax, ihrem neuen General. Im Auftrag an den Earl of Essex stand eine Klausel über die Unverletzlichkeit der Person Seiner Majestät, die war in dem neuen Auftrag weggelassen worden, obgleich das Parlament (so gut wie der General) immer noch presbyterianisch war. B  Es scheint, dass auch die Presbyterianer (um ihrer Ziele willen) gern den König ermordet gesehen hätten. A  Ich für mein Teil bezweifle es nicht. Denn wenn ein rechtmäßiger König am Leben ist, kann eine unrechtmäßige Gewalt niemals ausreichend sicher sein. Im selben Jahr brachte das Parlament Sir John Hotham und seinen Sohn um, weil sie mit dem Earl of Newcastle über die Auslieferung von Hull heimlich verhandelt hätten, und außerdem Sir Alexander Carew, der versucht haben soll, Plymouth, wo er Gouverneur für das Parlament war, zu übergeben, und den Erzbischof von Canterbury, lediglich den Schotten zu Gefallen, denn die allgemeine Anklage, dass er darauf aus sei, die grundlegenden Gesetze des Landes zu ändern, war keine Anklage, sondern bestand nur aus üblen Worten. Dann schafften sie auch das Common Prayer Book ab und ordneten den Gebrauch eines Regelverzeichnisses an, der von einer Versammlung presbyterianischer Geistlicher vor kurzem zusammengestellt worden war. Sie führten dann auch unter großem Getöse Verhandlungen mit dem König in Uxbridge, wo sie keine ihrer früheren Forderungen zurücknahmen.

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Der König hatte auch zu dieser Zeit ein Parlament in Oxford, das aus unzufriedenen Mitgliedern bestand, die das Parlament in Westminster verlassen hatten, aber nur wenige von ihnen hatten ihre alten Grundsätze geändert, und deshalb war dieses Parlament nicht viel wert. Im Gegenteil, weil sie nichts im Auge hatten als Botschaften und Unterhandlungen, d. h. die Hoffnung der Soldaten auf Kriegsglück zu vereiteln, war die gängige Ansicht, dass sie für den König mehr Schaden als Nutzen brachten. Das Jahr 1645 war für den König sehr unglücklich, denn durch den Verlust einer großen Schlacht verlor er alles, was er zuvor gewonnen hatte, und am Ende auch sein Leben. Die neugebildete Armee entschloss sich – nach einer Beratung, ob sie Oxford belagern oder zur Entsetzung von Taunton vor­ rücken sollte (das damals von Lord Goring belagert und von Blake, später wegen seiner Taten zur See berühmt, verteidigt wurde) – für Taunton; sie überließen es Cromwell, die Bewegungen des Königs zu beobachten, obwohl er nicht stark genug war, ihn zu hindern. Der König zog auf diesen Vorteil hin seine Streitkräfte und seine Artillerie aus Oxford heraus. Das veranlasste das Parlament, seinen General Fairfax zurückzurufen und ihm zu befehlen, Oxford zu belagern. Inzwischen befreite der König Chester, das von Sir William Brereton belagert wurde, und auf dem Rückweg eroberte er Leicester, einen Ort von großer Bedeutung, in dem es reichlich Artillerie und viele Vorräte gab. Wegen dieses Erfolges war die Partei des Königs nach allgemeiner Ansicht die stärkere. Der König selbst dachte so, und das Parlament gestand gewissermaßen dasselbe ein, als es Fairfax befahl, von der Belagerung abzulassen und zu versuchen, dem König eine Schlacht zu liefern. Denn die Erfolge des Königs und die nun zwischen ihnen entstehenden Uneinigkeiten und Verrätereien hatten sie dazu gezwungen, sich auf das Glück eines Tages zu verlassen; und an diesem wurde bei Naseby das Heer des Königs gänzlich vernichtet, und ihm blieb keine Hoffnung, ein neues auszuheben. Deshalb kämpfte er nach der Schlacht noch mit einem kleinen

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Teil seiner Soldaten hier und dort, versetzte dem Parlament hier und da einige heftige Schläge, konnte aber niemals die Zahl seiner Leute erheblich vergrößern. In der Zwischenzeit eroberte Fairfax wieder Leicester und unterwarf den gesamten Westen mit Ausnahme nur weniger Orte, indem er Lord Hopton mit viel Mühe dazu zwang, sein Heer aufzulösen (unter ehrenvollen Bedingungen) und mit dem Prinzen von Wales zu den Scilly Islands überzusetzen, von wo aus sie nicht lange darauf nach Paris gingen. Im April 1646 begann General Fairfax nach Oxford zurückzumarschieren. Inzwischen hatte sich Woodstock, das von Rainsborough belagert wurde, ergeben. Der König, der nun auch nach Oxford zurückkehrte, von wo Woodstock nur sechs (englische) Meilen entfernt war, zweifelte deshalb nicht daran, dass er dort von Fairfax belagert werden würde, und da er keine Armee hatte, mit der er den Ort entsetzen konnte, beschloss er, verkleidet zur schottischen Armee in der Nähe von Newark überzugehen; er kam dort am 4. Mai an, und die schottische Armee, die auf dem Heimweg war, nahm ihn mit sich nach Newcastle, wo er am 13. Mai eintraf. B  Warum vertraute sich der König den Schotten an? Sie waren die ersten, die sich empörten. Sie waren Presbyterianer, id est grausam, außerdem waren sie arm, und folglich musste man befürchten, dass sie ihn für Geld an seine Feinde verkauften. Und endlich waren sie zu schwach, um ihn zu verteidigen oder ihn in ihrem Land aufzunehmen. A  Was hätte er Besseres tun können? Denn er hatte im vorhergehenden Winter das Parlament um freies Geleit für den Duke of Richmond und andere gebeten, um ihnen Friedensvorschläge zu bringen; es wurde abgelehnt. Er sandte wieder hin, es wurde wieder abgelehnt. Dann wünschte er, persönlich zu ihnen zu kommen, auch das wurde abgelehnt. Er sandte wieder und wieder zu demselben Zweck; aber anstatt es zu gewähren, erließen sie eine Verordnung, dass die Befehlshaber der Miliz in London, falls der

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König versuchen sollte, in das Etappengebiet zu kommen, so viel Streitkräfte ausheben sollten, wie sie für nötig hielten, um Aufstände zu unterdrücken, sein Gefolge festzunehmen und seine Person vor Gefahr zu schützen (was nichts anderes bedeutete, als ihn gefangenzunehmen). Wenn der König gewagt hätte zu kommen und gefangengenommen worden wäre, was hätte das Parlament mit ihm tun können? Sie hätten ihn mit Stimmenmehrheit entthront und wären deshalb – obgleich er im Gefängnis war – nicht sicher gewesen, solange er lebte. Mag sein, dass sie ihn nicht von Staats wegen durch einen hohen Gerichtshof hätten umbringen lassen, sondern heimlich auf anderem Wege. B  Er hätte versuchen sollen, über See zu entkommen. A  Das wäre (von Oxford aus) sehr schwer gewesen. Außerdem glaubte man allgemein, das schottische Heer habe ihm versprochen, dass nicht nur Seine Majestät, sondern auch seine Freunde, die mit ihm kommen würden, in ihrem Heer sicher seien, nicht nur für ihre Person, sondern auch für Ehre und Gewissen. B  Das ist ein hübscher Kniff, wenn zwischen Heer und einzelnen Soldaten ein Unterschied gemacht wird, die Soldaten versprechen zu lassen, was das Heer nicht halten will. A  Am 11. Juli sandte das Parlament seine Vorschläge dem König nach Newcastle; von diesen Vorschlägen behaupteten sie, dass sie der einzige Weg zu einem gefestigten und wohlbegründeten Frieden seien. Sie wurden von dem Earl of Pembroke, dem Earl of Suffolk, Sir Walter Earle, Sir John Hippisley, Mr. Goodwin und Mr. Robinson überreicht, die der König fragte, ob sie die Vollmacht hätten zu unterhandeln, und (als sie dies verneinten) warum die Vorschläge nicht ebenso gut von einem Trompeter gesandt sein könnten. Diese Vorschläge zielten ebenso wie die bisher gesandten auf Entthronung ab, und deshalb wollte der König diesen nicht zustimmen. Auch schluckten die Schotten diese Vorschläge zuerst nicht, sondern machten einige Einwendungen dagegen, nur um, wie es scheint, dem Parlament begreiflich zu machen, dass sie ihm den König nicht umsonst ausliefern wür-

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den. Und so kam zuletzt der Handel zwischen ihnen zustande, und für den Preis von zweihunderttausend Pfund wurde der König den Beauftragten ausgeliefert, die das englische Parlament herschickte, um ihn in Empfang zu nehmen. B  Was für einen niederträchtigen Anblick bietet diese Handlungsweise, die aus erheuchelter Religiosität und ausgemachter Habsucht, Feigheit, Meineid und Verrat bestand! A  Nun, da der Krieg, der viele schändliche Handlungen zu rechtfertigen schien, beendet ist, wirst du bei diesen Rebellen neben ihrer Narrheit fast nichts als Niedertracht und Falschheit finden. Unterdessen hatte das Parlament alle übrigen Garnisonen des Königs eingenommen, deren letzte Pendennis Castle war, wohin der Duke Hamilton vom König als Gefangener gebracht worden war. B  Was geschah während dieser Zeit in Irland und Schottland? A  In Irland war auf Befehl Seiner Majestät ein Waffenstillstand geschlossen worden, der durch Uneinigkeiten der Iren schlecht gehalten worden war. Die papistische Partei (der päpstliche Nuntius war damals dort) hielt nun den Augenblick für gekommen, um sich von der englischen Herrschaft zu befreien. Außerdem war der Waffenstillstand nun abgelaufen. B  Inwiefern wurden sie von den Engländern mehr beherrscht als die Engländer von den Iren? Sie waren Untertanen des Königs von England, aber ebenso waren die Engländer dem König von Irland untertan. A  Diese Unterscheidung ist etwas zu subtil für das gewöhn­ liche Verständnis. In Schottland hatte der Marquis von Montrose für den König mit ganz wenigen Männern und durch wunderbare Siege das ganze Land überrannt; dort wurde vielen seiner Leute (aus dem Gefühl zu großer Sicherheit) ein kurzer Urlaub gewährt. Als der Feind davon Kenntnis erhielt, fiel er plötzlich über ihn her und zwang ihn, um sich zu verstärken, ins Hochland zu fliehen, wo er begann, neue Streitkräfte zu sammeln, als ihm vom König (der

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damals in der Gewalt der Schotten in Newcastle war) befohlen wurde, seine Truppen aufzulösen, und so verließ er Schottland und ging über See. Ende desselben Jahres 1646 ließ das Parlament das Große Siegel des Königs zerbrechen, auch war der König nach Holmeby gebracht worden und wurde dort von Beauftragten des Parlaments in Haft gehalten. Und hier wurde der Krieg zwischen England und Schottland beendet, aber nicht der mit Irland. Um diese Zeit starb auch der Earl of Essex, den das Parlament früher kaltgestellt hatte. B  Da in England nun Frieden herrschte und der König gefangen war, wer verkörperte jetzt die souveräne Gewalt? A  Das Recht war gewiss beim König, aber die Ausübung lag noch bei niemandem, sondern war wie in einem Kartenspiel während der ganzen Jahre 1647 und 1648 ohne Kampf zwischen dem Parlament und Oliver Cromwell, dem Generalleutnant von Sir Thomas Fairfax, umstritten. B  Welche Trümpfe besaß Cromwell in diesem Spiel? A  Du musst Folgendes wissen: Als König Henry VIII. hier in England die Autorität des Papstes aufhob und sich zum Oberhaupt dieser Kirche erklärte, vermochten die Bischöfe ihm keinen Widerstand zu leisten, aber sie waren auch nicht unzufrieden damit. Denn da der Papst den Bischöfen nicht erlaubte, die Jurisdiktion in ihren Diözesen jure divino zu beanspruchen, d. h. kraft unmittelbar göttlichen Rechts, sondern nur kraft Gabe und Autorität des Papstes, so ließen sie nun, da der Papst hinausgeworfen war, keinen Zweifel daran, dass das göttliche Recht in ihnen selber sei. Später setzten die Stadt Genf und mehrere andere Orte auf dem Festland, die gegen den Papismus revoltiert hatten, Presbyterien zur Regierung ihrer verschiedenen Kirchen ein. Und manche englische Gelehrte, die während der Verfolgung zur Zeit der Königin Mary über See gingen, waren sehr für diese Einrichtung eingenommen, und sie haben bei ihrer Rückkehr zur Zeit der Königin Elisabeth und von da ab immer zur großen Beunruhi-

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gung von Kirche und Volk versucht, diese Einrichtung auch hier zu schaffen, bei der sie herrschen und ihrem eigenen Witz und ihrer eigenen Gelehrsamkeit Beifall spenden können. Und diese nahmen für sich nicht nur ein göttliches Recht, sondern auch eine göttliche Inspiration in Anspruch. Und da man mit ihnen Nachsicht hatte und auch manchmal ihr häufiges Predigen nicht ungern sah, so führten sie viele sonderbare und verderbliche Lehren ein, die (wie sie behaupteten) die Reformation Luthers und Calvins übertrafen, indem sie von der früheren Theologie (oder Kirchenphilosophie, denn Religion ist etwas anderes) so stark abwichen, wie Luther und Calvin vom Papst abgewichen waren, und zersplitterten ihre Zuhörer in eine große Anzahl Sekten, wie Brownisten, Anabaptisten, Independenten, Fifth-Monarchy-Men, Quäker und verschiedene andere, die man gewöhnlich alle unter dem Namen Fanatiker zusammenfasst: so dass es am Ende keinen so gefährlichen Feind der Presbyterianer gab wie diese Brut, die sie selbst geheckt hatten. Dies waren Cromwells beste Karten, und von ihnen befand sich eine große Zahl im Heer und einige im Parlament, und er selber wurde für einen Sektierer gehalten, obgleich er nichts Bestimmtes war, sondern sich immer der stärksten Gruppierung anschloss und deren Farbe annahm. In der Armee gab es eine große Anzahl solcher (wenn es nicht der größte Teil war), die nur nach Raub und Teilung der Ländereien und Güter ihrer Feinde trachteten, und auch diese dachten auf Grund der Meinung, die sie von Cromwells Mut und Führungsvermögen hatten, dass sie auf keinem Wege besser zu ihrem Ziel gelangen könnten, als wenn sie es mit ihm hielten. Endlich gab es im Parlament selbst, auch wenn sie nicht die Mehrheit stellten, so doch eine beträchtliche Anzahl Fanatiker, genug, um die Beschlüsse des Hauses in Frage zu stellen und zu verzögern und manchmal auch mit der Mehrheit eines spärlich besuchten Hauses einen Beschluss zugunsten Cromwells durchzubringen, wie sie es am 26. Juli taten. Denn das Parlament hatte am 4. Mai zuvor

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bestimmt, dass die Londoner Miliz in den Händen eines Bürger­ ausschusses liegen solle, zu dem der jeweilige Bürgermeister gehören solle; kurz danach erließen die Independenten, die zufällig in der Mehrheit waren, eine Verordnung, wodurch die Miliz in Hände, die der Armee günstiger waren, gelegt wurde. Die besten Karten des Parlaments waren die Londoner City und die Person des Königs. Der General, Sir Thomas Fairfax, war ein richtiger Presbyterianer, aber in den Händen der Armee, und die Armee war in den Händen Cromwells; welche Partei aber das Übergewicht erhielt, hing vom Verlauf des Spiels ab. Cromwell beteuerte noch Gehorsam und Treue gegen das Parlament, aber da nichts weniger als das in seiner Absicht lag, besann und entschied er sich für einen Weg, auf dem er alles, was er im gegenteiligen Sinne tun würde, gestützt auf die Armee rechtfertigen konnte. Deshalb legten er und sein Schwiegersohn, der Generalkommissar [ Commissary General ] Ireton, der im Plänemachen so bewandert war wie er selbst, im Sprechen und Schrei­ ben aber sogar gewandter, es darauf an, das Heer gegen das Parlament zur Meuterei anzustiften. Zu diesem Zweck verbreiteten sie heimlich das Gerücht in der Armee, dass das Parlament, nachdem es nun den König in seiner Macht habe, beabsichtige, das Heer aufzulösen, es um seine ausstehenden Zahlungen zu betrügen und nach Irland zu senden, damit es von den Iren vernichtet werde. Das Heer, hierdurch in Wut gebracht, wurde von Ireton angestiftet, einen Rat unter sich zu wählen, der aus zwei Soldaten von jedem Trupp und jeder Kompanie bestehen und beratschlagen sollte, was für das Heer am besten wäre. Dieser sollte dem Kriegsrat beiwohnen und zum Frieden und zur Sicherheit des Königreiches mitberaten. Sie wurden Agitatoren genannt, so dass Cromwell, was auch immer er ausgeführt haben wollte, nichts anderes zu tun hatte, wenn er sie dazu bringen wollte, als es heimlich in die Köpfe dieser Agitatoren zu setzen. Der Erfolg ihrer ersten Beratung war, den König von Holmeby zu entfernen und ihn zum Heer zu bringen.

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In einem Brief an das Parlament entschuldigte deshalb der General sich selbst, Cromwell und das Heer, als ob sie von nichts wüssten, und behauptete, dass der König mit den Soldaten, die ihn gebracht hätten, willig mitgekommen sei: Er versicherte ­ihnen zugleich, dass die gesamte Armee nichts als den Frieden beabsichtige und nicht den Presbyterianern entgegenstünde, nicht vom Independentismus angesteckt sei und auch nicht irgendwelche dreiste Religionsfreiheit pflege. B  Es ist sonderbar, dass Sir Thomas Fairfax so von Cromwell missbraucht werden konnte, das zu glauben, was er selbst hier schreibt. A  Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kornett Joyce mit 1000 Soldaten das Heer verlassen konnte, um den König zu holen, ohne dass der General, ohne dass der Generalleutnant, ohne dass die ganze Armee es bemerkt hätten. Und dass der König willig mit ihnen ging, ist durch eine Botschaft, die er zu diesem Behufe an das Parlament sandte, als falsch erwiesen. B  Hier folgt Perfidie auf Perfidie, erst die Perfidie des Parlaments gegen den König und dann die Perfidie des Heeres gegen das Parlament. A  Dies war der erste Stich, den Cromwell gegen sie gewann, und dabei glaubte er selbst einen so großen Vorteil erreicht zu haben, dass er offen sagte, „er habe das Parlament in seiner Tasche“; das hatte er wirklich, und die Londoner City dazu. Denn auf die Kunde davon gerieten beide Seiten in sehr große Unruhe, umso mehr, als in der Stadt ein Gerücht umging, dass das Heer auf London zumarschiere. Der König wurde inzwischen, bis man Hampton Court zu seiner Residenz machte, nicht ohne einiges Gepränge von einem Ort an den anderen geschleppt; doch wurde ihm bei weitem mehr Freiheit gelassen und Ehrerbietung gezollt als in der Zeit, da er in der Gewalt der Beauftragten des Parlaments war, denn ihm wurden seine eigenen Kaplane gelassen und seinen Kindern und einigen Freunden erlaubt, ihn zu sehen. Außerdem wurde er

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von Cromwell viel umworben, der ihm in einer ernsthaften und scheinbar leidenschaftlichen Art versprach, ihm gegen das Parlament wieder zu seinem Recht zu verhelfen. B  Wie war er sicher, dass er dies tun konnte? A  Er war nicht sicher, aber er war entschlossen, gegen City und Parlament zu marschieren und den König wieder einzusetzen (und dann der zweite im Reich zu sein); dies für den Fall, dass er in diesem Unternehmen größere Chancen sah, als er bis dahin hatte, sich durch die Absetzung des Königs zum ersten Mann im Reich zu machen. B  Welche Hilfe gegen Parlament und City konnte Cromwell vom König erwarten? A  Dadurch, dass er sich geradewegs für ihn erklärte, hätte er die ganze Partei des Königs haben können, und das waren seit dessen Unglück viel mehr als je zuvor. Denn im Parlament selbst hatten viele die Heuchelei und die persönlichen Absichten ihrer Kollegen durchschaut; viele wurden von ihrer eigenen natür­ lichen Vernunft zu ihrer Pflicht bekehrt, und ihr Mitgefühl für die Leiden des Königs erzeugte eine allgemeine Abneigung gegen das Parlament. Wenn diese unter dem Schutz des gegenwärtigen Heeres zusammengebracht und organisiert worden wären, hätte Cromwell umsetzen können, was er vorhatte, an erster Stelle für den König und an zweiter für sich selbst. Doch scheinbar wollte er erst erproben, was er ohne den König vermochte, um, wenn ihm dies genügte, seine Hand von ihm abzuziehen. B  Was taten Parlament und City, um der Armee Widerstand zu leisten? A  Erstens sandte das Parlament an den General, er möge den König ihren Beauftragten wieder ausliefern. An Stelle einer Antwort sandte die Armee Forderungen an das Parlament und zugleich eine Anklage gegen elf ihrer Mitglieder, die alle eifrige Presbyterianer waren. Einige von diesen Forderungen waren: 1. Dass das Haus von solchen Mitgliedern, die nach der Verordnung über den Verzicht nicht darin sein sollten, gereinigt werden

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solle; 2. dass es solchen, die das Königreich beschimpften und gefährdeten, unmöglich gemacht werde, dasselbe noch einmal zu tun; 3. dass ein Termin zur Beendigung der Sitzungsperiode von diesem Parlament bestimmt werden solle; 4. dass sie dem Königreich über die großen Summen, die sie erhalten hätten, Rechnung legen sollten; 5. dass die elf Mitglieder sofort von den Sitzungen suspendiert werden sollten. Das waren die Forderungen, die sie zwangen, ihre Karten offenzulegen, und sie beantworteten keine davon, außer die über die Suspension der elf Mitglieder, die sie, wie sie sagten, nicht gesetzmäßig ausführen könnten, bis die Einzelheiten der Anklage vorgebracht seien: Doch das war bald mit ihrem eigenen Vorgehen gegen den Erzbischof von Canterbury und den Earl of Strafford beantwortet. Als das Parlament auf diese Weise etwas eingeschüchtert und der König zuversichtlicher geworden war, übernahm Cromwell die City und forderte vom Parlament, das Kommando über die Londoner Miliz in andere Hände zu legen. B  In welche anderen Hände? Ich verstehe dich nicht recht. A  Ich erzählte dir, dass die Londoner Miliz am 4. Mai in die Hände des Bürgermeisters und anderer Bürger übergeben worden war und bald darauf in die Hände solcher kam, die dem Heer günstiger gesonnen waren. Und nun muss ich dir erzählen, dass am 26. Juli die Gewalttätigkeiten etlicher Lehrburschen und entlassener Soldaten das Parlament veranlassten, die Miliz wie vordem der Bürgerschaft zu unterstellen; hierauf liefen die beiden Sprecher und mehrere andere Mitglieder zur Armee über, wo man sie zu Sitz und Stimme im Kriegsrat einlud nach Art eines Parlaments und sie damit zufriedenstellte. Und sie wollten die Miliz dem Befehl der Bürgerschaft entziehen und sie wieder in die Hände, denen sie am 26. Juli entzogen worden war, zurücklegen. B  Was sagte die City dazu? A  Die Londoner bemannten ihre Befestigungen, nämlich die rückwärtigen Verbindungen, hoben innerhalb der Linie ein Heer von tapferen Männern aus, wählten gute Offiziere, die alle begie-

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rig waren hinauszugehen und zu kämpfen, wann auch immer die City ihnen Befehl dazu gäbe, und in dieser Stellung standen sie, den Feind zu erwarten. Inzwischen erklärten die Soldaten in einer Bekanntmachung, mit Sir Thomas Fairfax und dem Parlament und dem Heer zu leben und zu sterben. B  Das ist köstlich. Sie ahmten das nach, was das Parlament tat, als es zuerst die Waffen gegen den König erhob und unter der Bezeichnung „König und Parlament“ behauptete, dass der König immer virtuell in seinem Parlament sei. So machte es nun das Heer: Es führte Krieg gegen das Parlament, nannte sich selbst aber Parlament und Armee; sie hätten mit mehr Grund sagen können, dass das Parlament, seit Cromwell es in der Tasche hatte, virtuell in der Armee sei. A  Zugleich sandten sie eine Deklaration über die Gründe ihres Marsches auf London, worin sie sich zu Richtern über das Parlament aufwarfen und darüber, wer dazu tauge, mit den Geschäften des Königreiches betraut zu werden; sie sprachen sie aber nicht als Parlament an, sondern als die Herren in Westminster. Denn seit den Gewalttätigkeiten, denen sie am 26. Juli unterstanden, erkannte das Heer es nicht mehr als rechtmäßiges Parlament an. Gleichzeitig sandten sie einen Brief an den Bürgermeister und die Ratsherren Londons, warfen ihnen darin diese letzten Unruhen vor, erklärten, dass diese Feinde des Friedens seien, verräterisch am Parlament gehandelt hätten und unfähig seien, sich oder das Parlament zu verteidigen, und forderten, ihnen die City zu übergeben, und dass sie zu diesem Zweck jetzt, wie sie sagten, zu ihnen kämen. Der General sandte auch den angrenzenden Grafschaften seine Vollmachten, um ihre ausgebildeten Soldaten aufzufordern, zu den seinigen zu stoßen. B  Waren die ausgebildeten Soldaten ein Teil der Armee des Generals? A  Nein, weder standen sie im Sold noch konnten sie es ohne Befehl des Parlaments sein. Doch was vermag ein Heer nicht,

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nachdem es alle Gesetze des Landes überwunden hat? Das Heer war nun nach Hounslow Heath, etwa zehn Meilen von London entfernt, gekommen, als der Stadtrat [ Court of Aldermen ] einberufen wurde, um zu beraten, was zu tun sei. Die Hauptleute und Soldaten der City waren willens und gut gerüstet, um vorzu­rücken und ihnen eine Schlacht zu liefern. Doch ein verräterischer Offizier, der den Befehl über ein Fort in der Vorstadt Southwark hatte, ließ einen kleinen Trupp der Feinde in die Stellungen ein, der bis zum Tor der London Bridge marschierte; und dann unterwarf sich der Stadtrat, dem der Mut gesunken war, unter den folgenden Bedingungen: ihre Miliz aufzugeben, die elf Mitglieder auszuschließen, die Forts und die Verbindungslinie zusammen mit dem Tower von London und allen dort befind­ lichen Pulvermagazinen und Waffenlagern dem Heer auszuliefern, ihre Streitkräfte aufzulösen und die abgedankten Offiziere, d. h. die alten Soldaten des Essex, zu entlassen, die Wache vom Parlament zurückzuziehen. Dies alles geschah, und das Heer marschierte im Triumph durch die Hauptstraßen der City. B  Es ist sonderbar, dass Bürgermeister und Stadtrat so schnell nachgaben, wo sie doch eine solche Armee hatten. Hätten sie nicht dem feindlichen Trupp an der Brücke mit einer Truppe Widerstand leisten können und dem übrigen Feind mit dem Rest ihrer Soldaten? A  Ich kann darüber nicht urteilen, aber mir wäre es sonderbar vorgekommen, wenn sie anders gehandelt hätten. Denn ich betrachte den größten Teil der reichen Leute, die durch Handwerk und Handel zu Wohlstand gekommen sind, als Menschen, die auf nichts anderes als auf ihren augenblicklichen Nutzen sehen und die gegen alles, was nicht in dieser Richtung liegt, blind sind, weil sie schon bei dem bloßen Gedanken an Plünderung entsetzt sind. Wenn sie verstanden hätten, von wie großem Wert es gewesen wäre, ihr Wohl in Gehorsam gegenüber ihrem gesetzmäßigen Herrscher zu wahren, hätten sie sich nie auf die Seite des Parlaments geschlagen, und so wäre es nie nötig gewesen, zu

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den Waffen zu greifen. Deshalb scheinen mir Bürgermeister und Stadtrat [ Aldermen ] den klügsten Weg eingeschlagen zu haben, weil sie durch diese Unterwerfung sicher sein konnten, ihre Besitztümer zu retten, deren sie bei Widerstand nicht sicher gewesen wären. Auch war das Parlament nicht weniger zahm als die City. Denn schon am 6. August brachte der General die flüchtigen Sprecher und Mitglieder unter starker Bewachung zum Parlament und setzte die Sprecher wieder in ihr Amt ein. Und dafür dankten sie dem General nicht nur dort im Parlament, sondern bestimmten auch einen Tag für eine heilige Danksagung, und nicht lange danach machten sie ihn zum Generalissimus aller Streitkräfte Englands und zum Kommandanten des Tower. Aber in der Wirkung war dies alles das Fortschreiten Cromwells, denn er war der Nutznießer, auch wenn die Macht offiziell bei Sir Thomas Fairfax lag.68 Denn die Independenten legten sofort die Verbindungslinien nieder, teilten die vorher vereinigte Miliz von London, Westminster und Southwark, setzten Festungsgouverneure ab, die nicht von ihrer Richtung waren, obgleich sie auf Befehl des Parlaments eingesetzt worden waren, und setzten an deren Stelle ihre eigenen Parteigänger. Sie veranlassten auch das Parlament, alles, was vom 26. Juli bis 6. August in beiden Häusern geschehen war, für ungültig zu erklären, und warfen einige Lords und einige der bedeutendsten Bürger, darunter auch den Bürgermeister, ins Gefängnis. B  Cromwell hatte nun ja Macht genug, um den König wieder einzusetzen. Warum tat er dies nicht? A  Sein Hauptziel war, sich selbst an jene Stelle zu setzen. Die Restauration war nur eine Rückversicherung gegenüber dem Parlament, und da er dies in der Tasche hatte, brauchte er den König nicht mehr, der ihm nun ein Hindernis war. Ihn in der Armee zu halten, war eine Last, ihn in die Hände der Presbyterianer fallen zu lassen, hätte seine Hoffnungen jäh zerstört. Ihn heimlich umzubringen, hätte (außer dem Greuel) ihn, während er noch nicht mehr war als Generalleutnant, verhasst gemacht, ohne seinem Plan zu dienen. Deshalb war für seine Zwecke nichts besser, als ihn

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von Hampton Court (wo er dem Parlament zu nahe war) wohin er mochte über das Meer entfliehen zu lassen. Denn obgleich Cromwell im Parlament über eine große Partei verfügte, solange sie seinen Ehrgeiz, ihr Herr zu sein, nicht erkannten, wären sie doch, sobald dieses zutage getreten wäre, zu seinen Feinden geworden. Um den König zu einem Fluchtversuch zu bewegen, erzählten ihm einige seiner Aufseher, von Cromwell dazu veranlasst, dass die Agitatoren ihn zu ermorden beabsichtigten, und ließen zugleich ein Gerücht desselben Inhalts zu dem Zweck allgemein verbreiten, dass es auf diese Art auch zu Ohren des Königs kommen sollte, was auch geschah. Der König verließ deshalb, als sich seine Wachen, wie man annahm, absichtlich zurückgezogen hatten, in einer dunklen und regnerischen Nacht Hampton Court und wandte sich an die Küste bei Southampton, wo ein Schiff bestellt worden war, um ihn wegzuführen. Aber es blieb aus, so dass der König gezwungen war, sich Oberst Hammond, dem damaligen Gouverneur der Isle of Wight, anzuvertrauen; er erwartete vielleicht einige Rücksicht von ihm um des Dr. Hammond willen, der ein Bruder des Obersten und der meistbegünstigte Kaplan Seiner Majestät war. Aber es kam anders, denn der Oberst sandte an seine Vorgesetzten im Parlament, um ihre Befehle entgegenzunehmen. Diese Flucht nach der Isle of Wight war wahrscheinlich nicht Bestandteil von Cromwells Plan, der weder wusste, welchen Weg der König nehmen, noch, wohin er sich wenden würde; auch hätte Hammond es ebenso wenig wie andere gewusst, wenn das Schiff zur bestimmten Zeit am bestimmten Ort gewesen wäre. B  Wenn der König nach Frankreich gekommen wäre, hätten ihm dann nicht die Franzosen mit Streitkräften beistehen können, um sein Königtum zurückzuerobern, und so die Pläne Cromwells und aller anderen Feinde des Königs vereitelt? A  Ja, gewiss. Genauso wie sie seinem Sohn, unserem jetzigen allergnädigsten Herrn, beistanden, der zwei Jahre zuvor von Cornwall aus dorthin floh.

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B  Es ist, dünkt mich, keine große Politik, wenn benachbarte Fürsten, wie sie es so oft tun, gegenseitig die Rebellen begünstigen, zumal wenn diese gegen die Monarchie selbst rebellieren. Sie sollten lieber erst ein Bündnis gegen Rebellionen schließen und später (wenn es nicht anders geht) sich gegenseitig bekämpfen. Doch würde dieses unter christlichen Herrschern so lange nichts nützen, bis auf die Predigten besser achtgegeben wird; denn dadurch wird die Auslegung einer Zeile in der hebräischen, lateinischen oder griechischen Bibel oftmals zur Ursache von Bürgerkriegen und der Absetzung und Ermordung der Gesalbten des Herrn. Und doch: Rede mit jenen theologischen Disputanten, solange du willst, du wirst unter hundert kaum einen finden, der gescheit genug wäre, um in irgendeiner wichtigen Angelegenheit im Frieden oder im Krieg verwendbar zu sein. Es ist nicht das Recht des Herrschers, auch wenn es ihm durch die ausdrückliche Zustimmung jedes Einzelnen gewährt wäre, das ihn ermächtigt, seines Amtes zu walten; der Gehorsam der Untertanen muss das leisten. Denn was nützt es, Ergebenheit zu versprechen und nachher (wie einige Geistliche es getan haben) auszurufen: „Zu deinen Zelten, o Israel!“ Das gemeine Volk weiß nichts von Recht und Unrecht aus eigener Überlegung, und ihm müssen deshalb die Grundlagen seiner Pflicht beigebracht werden sowie die Gründe dafür, warum dem Ungehorsam gegen den rechtmäßigen Herrscher immer ein Unglück folgt. Aber im Gegenteil, unsere Rebellen erhielten geradezu öffentliche Unterweisung von den Kanzeln; es wurde erklärt, dass es keine Sünde außer der gäbe, das von den Predigern Verbotene zu tun oder ihre Anweisungen nicht zu befolgen. Aber nun war der König der Gefangene des Parlaments, warum förderten die Presbyterianer nicht ihr eigenes Interesse durch seine Wiedereinsetzung? A  Die Abgeordneten des Parlaments, von denen immer noch mehr Presbyterianer als Independenten waren, hätten schon zu Lebzeiten des Königs alles erreichen können, was sie wollten,

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wenn sie sich nicht den Weg zu ihren Zielen durch gewissenlosen und törichten Ehrgeiz versperrt hätten. Sie sandten ihm vier Forderungen, die er unterzeichnen und als Parlamentsakte genehmigen solle, indem sie ihm sagen ließen, wenn diese bewilligt seien, so wollten sie ihm Vertrauensleute schicken, um mit ihm über irgendwelche anderen Punkte zu verhandeln. Die Forderungen waren die folgenden: erstens, dass das Parlament die Hoheit über die Miliz und das Recht, Geld zu erheben, um sie aufrechtzuerhalten, auf zwanzig Jahre haben solle, und nach dieser Frist solle die Militärhoheit dem König zurückgegeben werden, falls das Parlament dächte, dass die Sicherheit des Reiches davon abhinge. B  Der erste Artikel nimmt dem König die Militärhoheit und folglich für immer die ganze Souveränität. A  Die zweite war, dass der König das Vorgehen des Parlaments gegen ihn gutheißen und alle von ihm erlassenen Erklärungen gegen das Parlament für nichtig erklären solle. B  Dies bedeutete, ihm die Schuld am Krieg und an allem darin vergossenen Blut zuzuschieben. A  Die dritte war, alle vom König seit Mai 1642 verliehenen ­Ehrentitel von der Zeit an, da ihm das Große Siegel gebracht worden war, zu tilgen. Die vierte war, dass es dem Parlament möglich sein solle, sich wann, wohin und wie lange es wolle zu vertagen. Der König weigerte sich aus gutem Grund, diese Forderungen zu erfüllen, aber er sandte andere eigene Vorschläge, die nicht viel weniger vorteilhaft für das Parlament waren, und wünschte eine persönliche Verhandlung hierüber mit dem Parlament, um den Frieden im Königreich zu festigen. Doch das Parlament lehnte sie als für diesen Zweck ungeeignet ab und beschloss, dass an ihn keine Zuschriften mehr gerichtet und auch keine Botschaften von ihm empfangen werden sollten, sondern dass sie das Königreich ohne ihn beruhigen wollten. Und dies beschlossen sie zum Teil auf die Worte und Drohungen der Heerespartei hin, die damals

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im House of Commons anwesend war, von der einer diese drei Punkte empfahl: 1. den König zu einem im Innern des Landes gelegenen Schloss in Verwahrung zu bringen; 2. einen Staatsprozess gegen ihn einzuleiten; 3. ihn abzusetzen und das Königreich ohne ihn neu aufzurichten. Ein anderer sagte, dass die Ablehnung der vier Forderungen die Weigerung bedeutete, seine Untertanen zu schützen, und dass sie ihm deshalb die Untertänigkeit verweigern könnten, und setzte hinzu: Solange das Parlament die Armee nicht im Stich lasse, werde die Armee niemals das Parlament im Stich lassen. Das war eine Drohung. Endlich sagte Cromwell ihnen selber, nun werde erwartet, dass das Parlament das Königreich regieren und verteidigen werde, und man werde das Volk nicht länger seine Sicherheit von einem Mann erhoffen lassen, dessen Herz Gott verhärtet habe, und dass man auch nicht diejenigen, die das Parlament so gut verteidigt hätten, zukünftig der Wut eines unversöhnlichen Feindes preisgeben dürfe, damit sie nicht ihre Sicherheit anderweitig suchten. Dies war wieder eine Drohung, wie auch, dass er seine Hand aufs Schwert legte, während er sprach. Und hierauf wurde der Beschluss, dem König keine Schreiben mehr zu senden, zur Verordnung erhoben. Diese hätte das Parlament später zurückgenommen, wenn es nicht von Cromwell gezwungen worden wäre, sein Wort zu halten. Die Schotten waren nicht damit einverstanden, teils weil ihre presbyterianischen Brüder einen guten Teil ihrer Macht in England verloren hatten, teils auch weil sie ihnen den König verkauft hatten. Der König veröffentlichte nun eine leidenschaftliche Klage an sein Volk über die harte Behandlung, die ihm widerfuhr; dies führte zwar dazu, dass es Mitleid mit ihm hatte, aber noch nicht, dass es sich für ihn erhob. B  Denkst du nicht, dass dies für Cromwell die geeignete Zeit war, die Macht zu übernehmen?

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A  Auf keinen Fall. Es gab noch viele Hindernisse zu beseitigen. Er war noch nicht der Führer der Armee. Die Armee war noch für ein Parlament. Die Stadt London war unzufrieden wegen der Miliz. Die Schotten warteten mit einer Armee, um den König zu retten. Cromwells Adjutanten waren Levellers69 und gegen die Monarchie; wenn sie ihm auch geholfen hatten, das Parlament unterzukriegen, so wollten sie ihn doch nicht zum König machen, wie Hunde, denen man leicht das Apportieren beibringt und die man nur schwer das Zurückgeben lehren kann. So dass Cromwell, ehe er sich förmlich zum souveränen Fürsten machen konnte, noch folgende Aufgaben hatte: 1. Generalissimus zu werden; 2.  den König zu beseitigen; 3. alle Aufstände zu unterdrücken; 4. den Schotten Widerstand zu leisten; und zuletzt, das gegenwärtige Parlament aufzulösen. Mächtige Aufgaben, die zu bewältigen er sich selbst niemals in Aussicht stellen konnte. Deshalb kann ich nicht glauben, dass er damals daran dachte, König zu werden, sondern nur dadurch, dass er der stärksten Partei gute Dienste leistete – das war immer seine hauptsächliche Politik –, soweit voranzukommen, wie diese und das Glück ihn tragen würden. B  Das Parlament war gewiss nicht weniger töricht als niederträchtig, den König so preiszugeben, ehe es das Heer unter einem besseren Kommando hatte, als es der Fall war. A  Anfang 1648 gab das Parlament Philip Earl of Pembroke, der eben zum Kanzler von Oxford ernannt worden war, zusammen mit einigen dortigen Doktoren, die ebenso gute Theologen waren wie er, den Auftrag, die Universität zu säubern. Kraft dieses Auftrags jagten sie alle fort, die nicht zu ihrer Clique gehörten, und alle, die den Gebrauch des Common Prayer Book empfohlen hatten, wie auch verschiedene skandalträchtige Gelehrte und Geistliche (d. h. solche, die gewohnheitsmäßig ohne Ursache den Namen Gottes im Munde führten oder zügellos zu sprechen pflegten oder häufig die Gesellschaft unzüchtiger Weiber suchten). Und was dies letzte betrifft, so kann ich sie nur loben. B  Ich nicht, denn es ist just so ein Stück Frömmigkeit, als wenn

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man Menschen aus einem Krankenhaus vertriebe, weil sie lahm sind. Wo kann ein Mensch mutmaßlich besser Gottseligkeit lernen und seine Laster korrigieren als in den Universitäten, die zu diesem Zweck errichtet wurden? A  Kann sein, dass das Parlament anders dachte. Denn ich habe oft Eltern klagen hören, dass ihre Kinder dort zu Trunksucht, Übermut, Glücksspiel und anderen Lastern, die daraus folgen, verführt worden seien. Es ist auch kein Wunder unter so vielen jungen Leuten, wenn sie sich gegenseitig trotz ihrer Tutoren verderben, die oft nur wenig älter sind als sie selber. Und ich denke deshalb, dass das Parlament keine große Ehrfurcht vor der Institution der Universitäten hegte, was die Erziehung anbelangt, wenn auch manche von ihnen dort predigen lernten und dadurch befähigt wurden, Ränge und Pfründe zu erlangen. Und manch andere wurden von ihren Eltern dorthin geschickt, um sich von der Mühe zu befreien, sie zu Hause zu beaufsichtigen, in dem Alter, wo Kinder am wenigsten zu steuern sind. Ich denke auch nicht, dass das Parlament mehr als andere Leute für die Geistlichkeit sorgte. Doch gewiss ist eine Universität ein ausgezeichneter Diener der Geistlichkeit, und die Geistlichkeit ist, wenn sie nicht sorgfältig beobachtet wird (durch ihre Lehrstreitigkeiten und durch den Vorteil, ihre Meinungsverschiedenheiten öffentlich bekanntzugeben), ein vorzügliches Mittel, ein Königreich in Parteien zu zerspalten. B  Aber wenn man sieht, dass es in diesem Teil der Welt keinen Ort gibt, wo Philosophie und andere Humanwissenschaften ­[­  human Sciences ] nicht hochgeschätzt werden, wo sollen sie besser gelehrt werden als in den Universitäten? A  Welche anderen Wissenschaften? Rechnen nicht die Theologen alle Staats- und Moralphilosophie zur Theologie? Und ist die Naturphilosophie nicht von Oxford und Cambridge aus in das Gresham College in London70 verpflanzt worden und muss aus dessen Programmen [ Gazettes ] gelernt werden? Doch wir sind von unserem Thema abgekommen.

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B  Nein. In der Tat sind wir allerdings von den großen Angelegenheiten des Königreiches abgekommen; wenn du magst, lass uns darauf zurückkommen. A  Der erste Aufruhr oder vielmehr Tumult war der der Lehrburschen am 9. April. Aber dieser betraf nicht den König, sondern entstand auf einer ihrer üblichen Belustigungen in Moorfields, von wo einige pflichteifrige Offiziere der ausgebildeten Soldaten sie mit Gewalt vertreiben wollten, aber selbst mit Steinen in Flucht geschlagen wurden; ihnen wurde ihre Fahne von den Lehrburschen weggenommen; diese trugen sie in den Straßen herum und scheuchten den Bürgermeister in sein Haus; dorthin nahmen sie eine Kanone mit, die man Drache nennt, und dann stellten sie Wachen an einigen der Tore auf, und den ganzen Rest des Tages stolzierten sie kindisch auf und ab: Aber am nächsten Tag marschierte der General selber in die City und jagte sie schnell auseinander. Das war nur eine kleine Sache, aber sie genügte doch, um zu zeigen, dass das Parlament beim Volk unbeliebt war. Dann erhoben die Walliser [ the Welsh ] die Waffen gegen sie. In Wales befehligten drei Oberste, Langhorne, Poyer und Powel, die früher dem Parlament gute Dienste geleistet hatten, aber nun den Befehl erhielten, ihre Trupps aufzulösen. Sie weigerten sich, und um dem Nachdruck zu verleihen, erklärten sie sich für den König; und es waren ungefähr 8000 Mann. Um dieselbe Zeit entstand ein anderer Aufruhr in Wales, der von Sir Nicholas Keymish angeführt wurde, und ein dritter unter Sir John Owen, so dass nun ganz Wales in Aufruhr gegen das Parlament war; und trotzdem wurden alle diese von Cromwell und seinen Offizieren innerhalb eines Monats niedergeworfen, aber nicht ohne großes Blutvergießen auf beiden Seiten. B  Ich kann den Tod dieser Menschen nicht sehr bedauern, die dem König das zur Last legen, was sie in ihrer eigenen Auseinandersetzung selbst tun. A  Gleich danach sandten einige Bürger von Surrey eine Petition an das Parlament und baten um persönliche Verhandlungen

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zwischen König und Parlament, aber ihre Boten wurden von den Soldaten, die in der Nähe von Westminster und den Marställen [ the Mews ] lagen, wieder heimgetrieben. Als dann die Leute von Kent auch eine solche Petition einreichen wollten und sahen, wie schlecht sie wahrscheinlich aufgenommen werden würde, verwarfen sie diesen Plan und erhoben die Waffen. Sie besaßen viele tapfere Offiziere, ihr General war der Earl of Norwich. Täglich wuchs ihre Partei durch eintretende Lehrburschen und abgedankte Soldaten. Insofern war das Parlament froh, die Miliz der Stadt wieder herzustellen und die der Themse zugekehrte Seite bewachen zu lassen, und dann marschierte Fairfax gegen den Feind. B  Und nun hätten die Londoner meiner Ansicht nach leicht und plötzlich erst das Parlament und dann Fairfax’ Achttausend und endlich Cromwells Heer niederwerfen können oder hätten der schottischen Armee wenigstens Gelegenheit geben können, unangefochten nach London zu marschieren. A  Das ist wahr: Aber die City war niemals sehr wagemutig. Auch wollten weder sie noch die Schotten aus Prinzip einen König über sich, sondern nur einen unter sich haben. Fairfax, der mit seinen Achttausend gegen die Royalisten marschierte, schlug einen Teil von ihnen bei Maidstone; ein anderer Teil nahm weiter entlegene Orte Kents ein, und der Earl of Norwich kam mit den übrigen nach Blackheath und forderte von dort aus die City auf, den Durchmarsch freizugeben, um sich mit denjenigen zu vereinen, die sich in Essex unter Sir Charles Lucas und Sir George Lisle erhoben hatten; da dieses verweigert wurde, ließ ihn der größte Teil seiner Leute aus Kent im Stich. Mit den übrigen kaum 500 überschritt er die Themse, kam zur Isle of Dogs und so in das Dorf Bow und von dort nach Colchester. Als Fairfax dies erfuhr, überschritt er die Themse bei Gravesend, überholte sie und belagerte sie in Colchester. Die Stadt hatte außer einer Brustwehr keine Verteidigung und hielt trotzdem zwei Monate aus in der Hoffnung, dass das schottische Heer sie entsetzen würde. Als sie von der Niederlage der Schotten hörten, waren sie gezwungen, sich zu

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ergeben. Der Earl of Norwich wurde als Gefangener nach London geschickt. Sir Charles Lucas und Sir George Lisle, zwei loyale und tapfere Männer, wurden erschossen. Es entstand dann noch ein anderer kleiner Aufstand in der Nähe Kingstons, der vom Earl of Holland angeführt wurde, aber dieser wurde schnell unterdrückt, und der Earl selbst wurde gefangengenommen. B  Wie kam es, dass die Schotten so schnell abgefertigt wurden? A  Wie man sagt, nur aus Mangel an Führung. Ihr Heer wurde von Duke Hamilton befehligt, der eben in die Freiheit gelangt war, als Pendennis Castle, wo er gefangen saß, von der Parlamentspartei eingenommen wurde. Er kam nach England mit 15 000 Mann zu Pferd und zu Fuß, wozu noch etwa 3000 englische Royalisten kamen. Gegen diese marschierte Cromwell von Wales aus mit 11000 Mann Reiterei und Infanterie und schlug sie bei Preston in Lancashire in weniger als zwei Stunden. Und der Grund dafür war, wie man sagt, dass das schottische Heer in solcher Schlachtordnung stand, dass nicht alle in den Kampf eingreifen konnten, um ihre Gefährten zu unterstützen. Nach der Niederlage blieb ihnen kein anderer Weg, als weiter nach England hinein zu fliehen, so dass sie bei der Verfolgung beinahe alle gefangen wurden und alles verloren, was ein Heer verlieren kann, denn die wenigen, die wieder heimkamen, brachten nicht einmal alle ihre Schwerter mit. Duke Hamilton wurde ergriffen und nicht lange darauf nach London geschickt. Aber Cromwell marschierte weiter nach Edinburgh, und dort verschaffte er sich mit Hilfe der Faktion, die derjenigen Hamiltons entgegen stand, die Sicherheit, an seinen Plänen nicht gehindert zu werden, deren erster war, dem König mittels des Parlaments das Leben zu nehmen. Während dies alles im Norden geschah, kam das Parlament (als Cromwell fort war) zu sich selbst, widerrief sein Gesetz, dem König keine Schreiben mehr zu schicken, und sandte dem König neue Forderungen, etwas (aber nicht viel) leichtere als früher. Und auf die Antwort des Königs hin sandten sie Bevollmächtigte, um mit ihm in Newport auf der Isle of Wight zu verhandeln, wo

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sie mit ihm so lange über Lappalien hin und her sprachen, dass Cromwell, ehe sie fertig waren, zur Vernichtung des Königs nach London gekommen war. Denn die Armee stand nun geschlossen zur Verfügung Cromwells, der die Agitatoren noch einmal dazu veranlasste, an das House of Commons eine Remonstranz zu richten, worin sie forderten: 1. dass der König gerichtet würde; 2. dass der Kronprinz und der Duke of York vorgeladen werden sollten, an einem festgesetzten Tage zu erscheinen, um ihnen den Prozess zu machen, je nachdem ob sie Genugtuung geben würden; 3. dass das Parlament über Frieden und zukünftige Regierung bestimmen, dann für seine eigene Sitzung eine vernünftige Frist setzen und zukünftige Parlamente, jährliche oder zweijährige, sichern solle; 4. dass eine beträchtliche Anzahl der Hauptwerkzeuge des Königs gerichtet werden sollten. Und das sollte sowohl vom House of Commons als auch in einem allgemeinen Volksvertrag durch Unterschriften bezeugt werden. Sie warteten auch nicht auf eine Antwort, sondern stellten sofort vor das Tor des Parlamentshauses eine Wache und andere Soldaten in die Westminster Hall, die keinen in das Haus gehen ließen, der nicht von den Ihren war. Alle anderen wurden verscheucht oder gefangengenommen und einige wegen verschiedener Streitereien suspendiert, ungefähr neunzig von ihnen, weil sie sich geweigert hatten, gegen die Schotten zu stimmen, und andere, weil sie gegen den Beschluss, dem König keine Schreiben mehr zu senden, gestimmt hatten – und die übrigen waren ein Parlament für Cromwell. Die Fanatiker der City riefen, mit Billigung des Heeres, einen neuen Gemeinderat [ Common Council ] zusammen, wovon vierzig über den Bürgermeister gestellt wurden; und ihre erste Handlung war, eine Petition abzufassen, die Gerechtigkeit gegen den König forderte, welche Tichborne, der Bürgermeister (der damit die City in den Königsmord verwickelte), dem Parlament überreichte.71 Zur selben Zeit brachten sie auf gleich gewaltsame Weise den König aus Newport auf der Isle of Wight nach Hurst Castle, bis alles für sein Verhör vorbereitet war.

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Das Parlament erklärte in der Zwischenzeit (um den Meineid abzuwenden) durch eine Verordnung den Supremats- und Untertaneneid für ungültig und erließ gleich danach eine andere, um den König abzuurteilen. B  Das ist ein Stück Recht, von dem ich nie gehört habe, dass viele, die als einzelne geschworen haben, sich, so sie wollen, durch gemeinsamen Beschluss davon entbinden können. A  Die Verordnung wurde, nachdem sie entworfen war, dem Parlament vorgelegt, wo nach drei Lesungen72 Folgendes bestimmt wurde: Die im Parlament vereinten Lords und Commons von England erklären, dass es nach den Grundgesetzen des Reiches Hochverrat ist, wenn der König Krieg gegen das Parlament anfängt. Dieser Beschluss wurde den Lords gesandt, und als sie ihre Zustimmung verweigerten, fassten die Commons im Zorn einen anderen Beschluss: Alle Mitglieder von Ausschüssen können alle Gesetze erlassen und ausüben, ob nun die Lords diesem zustimmen oder nicht. Nach Gott ist das Volk der Ursprung aller wirklichen Macht. Das House of Commons hat also die oberste Gewalt der Nation inne. Alles, was das House of Commons beschließt, ist Gesetz. Alles dieses ging nemine contradicente [ ohne Gegenstimme ] durch. B  Diese Bestimmungen kämpfen nicht nur gegen den König von England, sondern gegen alle Könige der Welt. Es wäre gut, wenn sie daran gedacht hätten, und doch glaube ich, dass nach Gott der Ursprung aller Gesetze im Volk lag. A  Das Volk und seine Erben hat lange vorher durch Zustimmung und Eide die absolute Gewalt des Reiches in die Gewalt seiner Könige und ihrer Erben gegeben, und deshalb auch in die Gewalt dieses Königs, ihres anerkannten und gesetzmäßigen Herrschers. B  Aber verkörperte das Parlament nicht das Volk? A  Ja, zu einigen Zwecken, etwa: Petitionen an den König zu richten, wenn sie die Erlaubnis haben und sich beschwert fühlen, aber nicht, sich zu beschweren über des Königs Macht. Außerdem

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vertritt das Parlament niemals das Volk, außer wenn der König es dazu beruft, auch ist es undenkbar, dass er ein Parlament beruft, um ihn abzusetzen. Gesetzt den Fall, jede Grafschaft und jeder Wahlflecken hätten diesem Parlament aus Wohlwollen eine Summe Geldes gegeben und jede Grafschaft sich in ihrem Grafschaftsgerichtshof [ County Court ] oder sonstwo versammelt und jeder Wahlflecken in seinem Rathaus und sie hätten dort etliche Männer gewählt, um je ihre verschiedenen Summen dem Parlament zu bringen: Hätten nicht diese Männer die ganze Nation vertreten? B  Ja, ohne Zweifel. A  Denkst du, dass das Parlament es für vernünftig gehalten hätte, von dieser Vertretung zur Rechenschaft gezogen zu werden? B  Sicherlich nicht; und doch muss ich zugeben, dass der Fall derselbe ist. A  Diese Verordnung enthielt erstens eine Zusammenfassung der Anklage gegen den König. Ihr Hauptinhalt war folgender: dass er, nicht zufrieden mit den Eingriffen seiner Vorgänger in die Freiheit des Volkes, beabsichtigt habe, eine tyrannische Regierung zu errichten und zu diesem Zweck im Land einen Bürgerkrieg gegen das Parlament angezettelt und geführt habe, wodurch das Land furchtbar verwüstet, der Staatsschatz erschöpft, Tausende ermordet und endloses anderes Unheil angerichtet worden seien. Zweitens die Einsetzung eines hohen Gerichtshofs [ high Court of Justice ], d. h. von einer gewissen Anzahl Beauftragter, von denen einige zwanzig die Macht hatten, den König zu verhören und ein Urteil gemäß der Wichtigkeit der Sache zu fällen und dieses schleunigst zu vollstrecken. Die Beauftragten tagten am Sonnabend, dem 20. Januar, in Westminster Hall, und der König wurde vorgeführt; auf einem Stuhl sitzend, hörte er die Verlesung der Anklage, weigerte sich aber, über seine Schuld oder Unschuld zu rechten, bis er wisse, kraft welcher gesetzmäßigen Autorität er vorgeführt worden sei. Der Präsident sagte ihm, dass das Parla-

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ment seine eigene Autorität behaupte, und der König verharrte bei seiner Weigerung sich zu äußern. Obgleich er und der Präsident viele Worte wechselten, war dies doch alles Wesentliche. Am Montag, den 22. Januar, tagte der Gerichtshof wieder. Und da stellte der Anwalt den Antrag: Wenn der König darauf beharre, die Kompetenz des Gerichtshofes abzustreiten, so könne die Anklage pro confesso gelten. Der König aber leugnete auch jetzt ihre Kompetenz. Am 23. Januar tagten sie wieder, und dann stellte der Anwalt den förmlichen Antrag, das Gericht solle ein Urteil fällen, wo­ raufhin der König aufgefordert wurde, seine endgültige Antwort zu geben; diese war wieder eine Leugnung ihrer Kompetenz. Endlich tagten sie wieder am 27. Januar, wo der König den Wunsch aussprach, vor den Lords und Commons im Painted Cham­ber verhört zu werden, und er versprach, sich hierauf dem Urteil des Gerichts zu unterwerfen. Die Beauftragten zogen sich für eine halbe Stunde zur Beratung zurück, und als sie wieder­ kamen, ließen sie den König wieder vor die Schranken bringen und sagten ihm, dass sein Verlangen nichts als eine erneute Leugnung der Rechtmäßigkeit des Gerichtshofes sei und dass sie, wenn er nichts weiter zu sagen habe, in der Verhandlung fortfahren würden. Als dann der König antwortete, dass er nichts weiter zu sagen habe, hielt der Präsident eine lange Rede zur Rechtfertigung des Vorgehens des Parlaments, indem er die Beispiele vieler Könige anführte, die in England und Schottland und anderen Teilen der Welt von verruchten Parlamenten in früheren und neueren Zeiten getötet oder abgesetzt worden waren. Dies alles versuchte er aus diesem einzigen Grundsatz heraus zu rechtfertigen, dass das Volk die höchste Gewalt besitze und dass das Parlament das Volk sei. Nachdem die Rede beendet war, wurde das Todesurteil verlesen und am nächsten Donnerstag, dem 30. Januar, vor dem Tor seines eigenen Palastes Whitehall vollstreckt. Wer sich daran freuen kann zu lesen, wie schurkisch der König von den Soldaten zwischen Urteil und Hinrichtung behandelt wurde, möge an die

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Chronik selbst gehen; darin kann er sehen, welch ein Mut, welche Geduld, Weisheit und Güte in diesem Fürsten waren, den die Mitglieder dieses verruchten Parlaments in ihrer Anklage einen Tyrannen, Verräter und Mörder nannten. Nach dem Tod des Königs erließen sie ein Gesetz folgenden Inhalts: Auch wenn verschiedene Ansprüche auf die Krone usw. erhoben werden sollten, wird verfügt durch dies gegenwärtige Parlament und kraft der Autorität desselbigen, dass keine Person sich anmaße, zu proklamieren oder sonst zu verkünden oder auf irgendeine Weise zu befördern Charles Stuart, Sohn des Charles weiland König von England, gemeinhin genannt Prince of Wales, oder irgendeine andere Person zum König von England oder Irland usw.73 B  Nachdem der König tot und sein Nachfolger verbannt war, kraft welcher anerkannter Autorität wurde der Friede aufrechterhalten? A  Sie hatten in ihrem Zorn gegen die Lords früher erklärt, dass die höchste Gewalt des Reiches im House of Commons liege, und nun bestimmten sie am 5. Februar, dass das House of Lords nutzlos und gefährlich sei. Und so wurde das Königreich in eine Demokratie, oder besser Oligarchie, verwandelt, denn sie erließen sofort ein Gesetz, dass keines derjenigen Mitglieder, die wegen ihres Widerstands gegen die Abmachung, an den König keine Schreiben mehr zu senden, ausgeschlossen worden waren, jemals wieder zugelassen werden dürfte. Und diese nannte man gewöhnlich „die ausgeschlossenen Mitglieder“, und die übrigen wurden von einigen Parlament genannt und von anderen das „Rumpfparlament“ [ the Rump ]. Ich glaube nicht, dass du jetzt noch einen Katalog der Laster, Verbrechen oder Torheiten des größten Teils derer, aus denen das Lange Parlament sich zusammensetzte, nötig hast; es kann keine größeren geben auf der Welt. Welche größeren Laster als Irreligion, Heuchelei, Geiz und Grausamkeit, die in den Handlungen presbyterianischer Parlamentsmitglieder und presbyterianischer

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Geistlicher so ungeheuerlich zutage getreten sind? Welche größeren Verbrechen, als den Gesalbten Gottes zu lästern und zu töten? Das geschah durch die Hände der Independenten, aber durch die Torheit und den ersten Verrat der Presbyterianer, die ihn an seine Mörder verrieten und verkauften. Auch war es eine nicht geringe Torheit der Lords, nicht zu bemerken, dass sie mit der Wegnahme der königlichen Macht auch ihre eigenen Vorrechte verloren, oder zu wähnen, dass sie ihrer Zahl oder ihrer Urteilsfähigkeit nach irgendeinen maßgeblichen Beistand für das House of Commons bedeuteten. Und für diese Männer, die die Kenntnis der Gesetze besaßen, war es kein großes Zeichen von Verstand, dass sie nicht begriffen, dass die vom König erlassenen Landesgesetze [ Laws oft the Land ]74 seine Untertanen zu Frieden und Gerechtigkeit verpflichten, und nicht ihn, der sie gegeben hat. Und endlich und ganz allgemein sind alle Menschen Narren, die etwas niederreißen, das ihnen Gutes tut, ehe sie etwas Besseres an seine Stelle gesetzt haben. Wer mit einem Heer die Demokratie errichten wollte, müsste ein Heer haben, um sie aufrechtzuerhalten, doch diese taten es, als die anderen, die entschlossen waren, sie niederzureißen, das Heer besaßen. Zu diesen Torheiten möchte ich die Torheit derjenigen feinen Leute rechnen, welche aufgrund ihrer Belesenheit in Cicero, Seneca und anderen Antimonarchisten sich für befähigte Politiker halten und ihre Unzufriedenheit zeigen, wenn sie nicht in die Staatsführung berufen werden, und die von einer Seite zur anderen pendeln, wenn sie sich vom König oder von seinen Feinden vernachlässigt glauben.

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V I ERT ER DI A LOG

A  Du hast gesehen, wie das Rumpfparlament nunmehr (so meinte es) im Besitz der höchsten Gewalt über die beiden Natio­ nen England und Irland und über die Armee als ihren Diener war; auch wenn Cromwell anders darüber dachte, der ihnen zur Beförderung seiner eigenen Absichten sorgsam zu Diensten war. Ich muss dir deshalb nun ihr weiteres Vorgehen zeigen. B  Sag mir zuerst, wie diese Art Regierung unter dem Rumpfparlament oder dem Überbleibsel eines House of Commons genannt werden muss. A  Es ist ohne Zweifel eine Oligarchie. Die höchste Gewalt muss nämlich notwendigerweise in Einem oder Mehreren verkörpert sein. Wenn sie bei Einem liegt, ist es eine Monarchie; deshalb war das Rumpfparlament keine Monarchie. Wenn die Staats­gewalt bei mehr als einem ist, so ist sie bei allen oder weniger als allen. Wenn sie bei allen liegt, ist es eine Demokratie; denn jeder darf in die Versammlung, die den souveränen Entscheidungsort darstellt, eintreten; das konnten sie aber hier nicht. Deshalb steht fest, dass die Autorität bei einigen Wenigen lag, und folglich war der Staat eine Oligarchie. B  Ist es für ein Volk nicht unmöglich, gut regiert zu werden, wenn es mehr Herren dienen soll als einem? A  Sowohl das Rumpfparlament als auch alle anderen souve­ ränen Versammlungen sind, wenn sie nur eine Stimme haben, obgleich es viele Leute sind, doch nur eine Person. Denn entgegengesetzte Befehle können nicht in ein und derselben Stimme, die die Stimme der Mehrheit ist, bestehen. Und mithin mochten sie gut genug regieren, wenn sie Ehrlichkeit und Witz genug hatten. Die erste Tat des Rumpfparlaments war die Ausschließung derjenigen Mitglieder des House of Commons, die früher schon mit Gewalt ausgeschlossen worden waren, um eine Verordnung für

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den Prozess des Königs durchzusetzen; denn diese Mitglieder waren gegen das Gesetz, dem König keine Schreiben mehr zu senden, öffentlich aufgetreten und mussten deshalb ausgeschlossen werden, weil sie sonst ein Hindernis für ihre künftigen Pläne hätten darstellen können. B  Geschah es nicht vielmehr deswegen, weil sie bei der Gewalt Weniger dachten: je weniger, desto besser, sowohl hinsichtlich ihres Anteils als auch der größeren Annäherung eines jeden von ihnen an die Würde eines Königs? A  Ja, gewiss, das war ihr Hauptziel. B  Warum wählten die Grafschaften und Städte nicht andere an Stelle derer, die ausgeschlossen wurden? A  Sie konnten es ohne Auftrag des Parlaments nicht tun. Danach setzten sie einen Rat von vierzig Mitgliedern ein, den sie als Staatsrat bezeichneten, dessen Aufgabe es war, die Befehle des Rumpfparlaments auszuführen. B  Wenn es weder König noch House of Lords gab, so konnten sie sich nicht Parlament nennen, denn ein Parlament ist eine Zusammenkunft von König, Lords und Commons, um zusammen über die Angelegenheiten des Gemeinwesens zu beraten. Mit wem beriet sich das Rumpfparlament? A  Menschen können ihre Zusammenkünfte nennen, wie sie wollen; welche Bedeutung dieser Name früher auch immer gehabt haben mag. Und der Rumpf nahm den Namen Parlament an, weil dies für ihren Zweck am geeignetsten war, und ein solcher Name hat schon, weil er dem Volk verehrungswürdig erschien, viele hundert Jahre lang Subsidien und andere Gelderhebungen, die anders dem Untertan sehr unliebsam waren, begünstigt und versüßt. Sie verwendeten später auch eine andere Bezeichnung, Custodes Liber­tatis Angliae [ Wächter der Freiheit Englands ]; diesen Namen wandten sie nur auf ihren Schriftstücken aus den Gerichtshöfen an. B  Ich sehe nicht ein, wie ein Untertan, der an die Gesetze gebunden ist, in der einen Staatsform mehr Freiheit haben kann als in einer anderen.75

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A  Wie auch immer, für das Volk, das unter Freiheit nichts anderes versteht als die Erlaubnis zu tun, was sie mögen, war es ein nicht unangenehmer Titel. Ihr nächstes Werk war, eine öffentliche Erklärung vorzulegen, dass sie völlig entschlossen seien, die grundlegenden Gesetze der Nation [ Fundamental Laws ] über die Erhaltung von Leben, Freiheit und Eigentum des Volkes aufrechtzuerhalten.76 B  Was meinten sie mit den grundlegenden Gesetzen der Nation? A  Nichts als das Volk zu missbrauchen. Denn das einzige Grundgesetz in jedem Gemeinwesen besteht im Gehorsam gegenüber den Gesetzen, die derjenige erlässt, dem das Volk die höchste Gewalt gegeben hat. Wie wahrscheinlich war es denn, dass diejenigen die Grundgesetze stützten, die den ermordet hatten, der von ihnen selber so oft als ihr rechtmäßiger Souverän anerkannt wurde? Außerdem schufen sie zur selben Zeit, als diese Erklärung verkündet wurde, jenen Hohen Gerichtshof [ High Court of Justice ], der dem Leben des Dukes of Hamilton, des Earls of Holland und des Lord Capel ein Ende setzte. Was sie auch immer unter grundlegenden Gesetzen verstehen mochten, so bedeutete doch schon die Errichtung dieses Gerichtshofes deren Bruch, weil er durch kein früheres Gesetz oder Vorbild in England gerechtfertigt war. Zur selben Zeit trieben sie auch Steuern durch die Soldaten ein und gaben diesen freies Quartier und taten vieles andere, von dem sie, wenn der König es getan hätte, behauptet hätten, dass es gegen die Freiheit und das Eigentum der Untertanen verstoße. B  Was für einfältige Dinger sind die gemeinen Leute, so gröblich sich beschwindeln zu lassen! A  Welche Sorte Mensch gehört in dieser Hinsicht nicht zum gemeinen Volk? Die verschlagensten Halunken des gesamten Rumpfparlaments waren nicht klüger als die Übrigen, die sie beschwindelten. Denn die meisten von ihnen, besonders die großen Rädelsführer und solche, die auf Gelehrsamkeit Anspruch

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erhoben, glaubten, dass dieselben Dinge, die sie der Allgemeinheit auferlegten, gerecht und vernünftig seien. Denn wer kann ein guter Untertan der Monarchie sein, wenn dessen Grundsätze von den Feinden der Monarchie, wie Cicero, Seneca, Cato und anderen Politikern aus Rom, und von Aristoteles entlehnt sind, die von Königen selten sprechen, es sei denn als von Wölfen und anderen reißenden Tieren? Du denkst vielleicht, dass ein Mann, um zu wissen, welche Pflicht er seinem Herrscher schuldet und welches Recht, ihm zu befehlen, dieser hat, nichts anderes braucht als gesunden Menschenverstand, aber es ist anders. Denn es ist eine Wissenschaft [ Science ], die auf sicheren und klaren Grundsätzen aufgebaut ist und die nur durch intensives und sorgfältiges Studium oder von Meistern, die sie gründlich studiert haben, zu erlernen ist. Und wen gab es im Parlament oder im Volk, der solche offenbaren Grundsätze ausfindig machen und daraus die notwendigen Regeln der Gerechtigkeit und den notwendigen Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Frieden ableiten konnte? Das Volk hat in sieben Tagen an einem die Muße, Unterweisungen zu hören, und es sind Geistliche dazu bestimmt, es seine Pflicht zu lehren. Aber wie haben diese Geistlichen ihre Aufgabe erfüllt? Ein großer Teil von ihnen, nämlich die presbyterianischen Geistlichen, haben während des ganzen Krieges das Volk gegen den König aufgehetzt, und dies taten auch die unabhängigen und andere fanatische Geistliche. Die übrigen, die mit ihren Pfründen zufrieden waren, predigten vor ihren Gemeinden über Glaubensstreitigkeiten, die nichts mit Religion zu tun haben, die aber für die Verletzung der Nächstenliebe unter ihnen sehr wirksam sind, oder über andere spitzfindige Dinge, die das Volk entweder nicht verstand oder an denen es nicht interessiert war. Diese Art Prediger nützten wenig, schadeten aber auch wenig. Das Unheil kam allein von den presbyterianischen Predigern, die vermöge einer langgeübten schauspielerischen Fähigkeit machtvoll die Rebellion predigten. B  Zu welchem Ende?

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A  Zu dem Ende, dass, wenn der Staat ein Volksstaat würde, die Kirche dies ebenso würde, also regiert durch eine Versammlung; und sie folglich, wie sie glaubten, weil die Politik der Religion untergeordnet wäre, beides regieren würden und dabei nicht nur ihrer gierigen Laune durch Reichtum Genüge tun, sondern auch ihrer Bosheit, und zwar durch die Macht, allen Leuten, die ihre Weisheit nicht bewunderten, den Garaus zu machen. Dass du das Volk einfältig nanntest, nötigte mich, durch diese Abschweifung dir zu zeigen, dass es nicht Mangel an Witz, sondern Mangel an der Rechtswissenschaft ist77, was die Leute in diese Verwirrung stürzte. Überzeuge, wenn du kannst, den Mann, der ein Vermögen erworben oder vergrößert hat, oder einen geschickten Redner, einen hinreißenden Poeten, einen scharfsinnigen Rechtsgelehrten oder auch nur einen tüchtigen Jäger, einen pfiffigen Spieler – irgendjemand von diesen, dass er wohl einen guten Verstand habe; und doch waren von diesen allen sehr viele so einfältig, dass sie sich durch das Rumpfparlament betrügen ließen, und doch waren sie gleichzeitig Mitglieder desselben Rumpfparlaments. Es fehlte ihnen nicht an Geist, sondern an der Kenntnis der Gründe und Ursachen, warum eine Person das Recht hat zu regieren und die übrigen die Verpflichtung zu gehorchen; diese Gründe müssen schlechterdings dem Volk beigebracht werden, das ohne sie nicht lange in Frieden miteinander leben kann. B  Lass uns, wenn es dir recht ist, zu den Sitzungen des Rumpfparlaments zurückkehren. A  Gegen Ende dieses Jahres beschlossen sie, eine neue Münze zu prägen. Sie erwogen auch, Gesandte in ausländische Staaten zu schicken, und sie schufen, nachdem kurz zuvor das Heer ihrer Tätigkeit im Hohen Gerichtshof applaudiert und sie ermutigt hatte, so weiter fortzufahren, einen anderen obersten Gerichtshof [ High Court of Justice ], vor dem Duke Hamilton, der Earl of Holland, Lord Capel, der Earl of Norwich und Sir John Owen verhört wurden; von ihnen wurden die ersten drei, wie ich bereits erwähnte, enthauptet. Dieses Vorkommnis entsetzte einige An-

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hänger des Königs so sehr, dass sie das Land verließen, denn nicht nur sie, sondern alle, die für den König die Waffen geführt hatten, waren zu dieser Zeit in sehr großer Lebensgefahr. Denn von der Armee war in einem Kriegsrat die Frage aufgeworfen worden, ob sie alle massakriert werden sollten oder nicht, wobei die dies ablehnende Partei mit nur zwei Stimmen siegte. Endlich enthoben sie am 24. März den Bürgermeister von London seines Amtes, erlegten ihm 2000 Pfund Geldstrafe auf, entzogen ihm das Bürgerrecht und verurteilten ihn zu zwei Monaten Gefängnis im Tower, weil er sich geweigert hatte, das Gesetz über die Abschaffung der königlichen Gewalt zu verkünden. Und so schloss das Jahr 1648 und das monatliche Fasten; Gott hatte ihnen das, wofür sie fasteten und beteten, gewährt: den Tod des Königs und den Besitz seines Erbes. Durch diese ihre Maßnahmen hatten sie freilich die Herzen der großen Menge des Volkes verloren und hatten nichts, dem sie vertrauen konnten außer dem Heer, das sich aber nicht in ihrer, sondern in Cromwells Gewalt befand. Er versäumte niemals, wenn sich die Gelegenheit dazu bot, ihnen alle Taten vorzuhalten, die geeignet waren, sie beim Volk verhasst zu machen, um sie in Zukunft aufzulösen, sobald es ihm dienlich sein würde. Anfang 1649 begannen die Schotten, die mit dem Vorgehen des Rumpfparlaments gegen den König unzufrieden waren, Soldaten auszuheben, um von neuem in England einzufallen. Die irischen Rebellen waren, weil England nicht rechtzeitig eingegriffen hatte, furchterregend geworden, und die englische Armee, die zu Hause blieb, überlegte, angestiftet von den Agitatoren, wie man das Land unter den Gottseligen aufteilen könne, womit sie sich selbst und solche, die ihnen passten, meinten und die deshalb Levellers [ Gleichmacher ] genannt wurden. Auch war das Rumpfparlament zu diesem Zeitpunkt nicht sehr gut mit Geld ausgestattet, und deshalb war das Erste, was sie taten, dass sie dem Volk für die Erhaltung des Heeres eine monatliche Steuer von 90 000 Pfund auferlegten.

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B  Drehte sich nicht eine der Streitigkeiten mit dem König ­darum, dass er Geld ohne die Zustimmung des Parlaments erhoben hatte? A  Du kannst daraus sehen, welchen Grund der Rumpf hatte, sich Parlament zu nennen. Denn die vom Parlament auferlegten Steuern werden immer so aufgefasst, als seien sie mit der Zustimmung des Volkes erhoben worden und folglich gesetzlich. Um die Schotten zu besänftigen, sandten sie Boten mit schmeichelhaften Briefen, die sie davon abhalten sollten, den gegenwärtigen König zu unterstützen, aber vergeblich. Denn diese wollten nichts vom „House of Commons at Westminster“ (wie sie es nannten) ohne König und Lords wissen. Aber sie sandten Beauftragte an den König, um ihn wissen zu lassen, was sie für ihn täten; denn sie hatten beschlossen, ein Heer von 17000 Mann Fußvolk und 6000 Mann Kavallerie (für sich selbst) auszuheben. Um Irland zu befreien, beschloss das Rumpfparlament, 11 Regimenter aus der englischen Armee dorthin zu senden. Dies kam Cromwell gerade recht. Denn die den Levellers angehörenden Soldaten, von denen es in jedem Regiment viele gab und die in manchen die Mehrheit stellten, waren nicht damit einverstanden, dass sie, anstatt das Land daheim zu aufzuteilen, ihr Leben in Irland aufs Spiel setzen sollten; sie weigerten sich rundweg loszuziehen; und ein Regiment, das bei Salisbury seinen Obersten abgesetzt hatte, zog aus, um sich mit drei weiteren Regimentern derselben Überzeugung zu vereinigen; aber der General und Cromwell überfielen sie, besiegten sie bei Burford völlig und zwangen bald darauf die ganze Armee zum Gehorsam. Und so wurde ein weiteres Hindernis für Cromwells Aufstieg bald beseitigt. Danach kamen sie nach Oxford und von dort nach London. In Oxford wurden der General und Cromwell zu Doktoren des Bürgerlichen Rechts ernannt, und in London wurden sie von der City gefeiert und beschenkt. B  Wurden sie nicht erst zum Magister [ Master ] und dann zum Doktor ernannt?

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A  Sie machten sich schon selbst allenthalben zum Meister [ Master ]78, sowohl der Gesetze als auch des Parlaments. Da das Heer nun gefügig war, sandte das Rumpfparlament jene elf Regi­ menter unter dem Oberbefehl des Dr. Cromwell nach Irland.79 Man nannte ihn den Gouverneur dieses Königreiches, während Lord Fairfax noch weiter General aller Streitkräfte, sowohl hier wie dort, blieb. Der Marquis (nun Duke) von Ormond war Statthalter des Königs in Irland; die Rebellen hatten ein Bündnis unter sich geschlossen und auch eine Art Bündnis mit Ormond, worin sie übereinkamen, für die Freiheit ihrer Religionsübung dem König treu zu bleiben und beizustehen. Zu diesen stießen auch einige der von den Earls of Castlehaven und Clanricarde sowie Lord Inchiquin ausgehobenen Streitkräfte, so dass sie die größte vereinigte Macht der Insel waren. Aber unter ihnen gab es auch eine große Anzahl anderer Papisten, die sich unter keinen Umständen den Protestanten unterwerfen wollten, und diese nannte man die Partei des Nuntius, wie die anderen die konföderierte Partei hießen. Diese Parteien vertrugen sich nicht, da die konföderierte Partei ihre Vereinbarungen gebrochen hatte, und der Statthalter sah, dass sie sich anschickten, ihn in Dublin zu belagern; da er aber nicht imstande war, die Stadt zu verteidigen, entschloss er sich, sie dem Parlament von England zu übergeben, um den Ort für die Protestanten zu retten; er selbst begab sich zum König zu der Zeit, als dieser vom Heer von einem Ort zum anderen geschleppt wurde. Von England aus ging er zum Prinzen (dem jetzigen König), der damals in Paris residierte. Aber die Konföderierten, die vor der Nachricht erschraken, dass das Rumpfparlament ein Heer dorthin sandte, baten den Prinzen brieflich, Lord Ormond zurückzuschicken, indem sie sich verpflichteten, sich der Autorität des Königs unbedingt zu unterwerfen und Lord Ormond als seinem Statthalter zu gehorchen. Und daraufhin wurde er zurückgesandt. Dies war ungefähr ein Jahr, bevor Cromwell dort hinüberging.

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Um diese Zeit ergab es sich durch den Zwist zwischen der konföderierten Partei und der Partei des Nuntius und durch den Hader über das Kommando, dass die sonst hinlängliche Streitmacht nichts ausrichtete; und sie wurde zuletzt am 2. August durch ­einen Ausfall aus Dublin, das sie belagerten, geschlagen. Wenige Tage später traf Cromwell ein, der mit außerordentlicher Umsicht und schrecklichen Gewalttaten in den weniger als zwölf Monaten, in denen er sich hier aufhielt, die ganze Nation unterwarf, indem er einen großen Teil der Einwohner tötete und vernichtete und es seinem Schwiegersohn Ireton überließ, die übrigen zu unterwerfen. Aber Ireton starb dort (ehe die Sache völlig erledigt war) an der Pest. Dies war wieder ein Schritt zu Cromwells Thronerhebung. B  In welch unglückliche Lage war Irland geraten durch die Gelehrtheit der römischen Geistlichkeit, gerade wie England durch die Gelehrtheit der presbyterianischen Geistlichkeit! A  Gegen Ende des vorhergehenden Jahres war der König [ Charles II. ] von Paris zum Haag gekommen und kurz darauf kam dorthin der Gesandte des Rumpfparlaments, Dorislaus, der Doktor des Bürgerlichen Rechts war und für die Abfassung der Anklage gegen den vorigen König engagiert worden war. Doch am ersten Abend nach seiner Ankunft betrat, er war gerade beim Abendessen, ein Trupp Kavaliere, etwa zwölf Mann, sein Zimmer, tötete ihn und verschwand. Nicht lange darauf wurde auch ihr Gesandter in Madrid, ein gewisser Asham, der zur Verteidigung seiner Herren geschrieben hatte, auf dieselbe Weise umgebracht. Um diese Zeit erschienen zwei Bücher, eines von Salmasius, einem Presbyterianer, gegen den Mord am König, ein anderes von Milton, einem englischen Independenten, als Antwort darauf.80 B  Ich kenne sie beide. Beide sind in sehr gutem Latein geschrieben, und es ist schwer zu entscheiden, welches besser ist. Beide sind jedoch sehr schlecht in ihren Beweisgründen, und es ist schwer zu sagen, welches schlechter ist; sie sind wie zwei

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Dekla­mationen pro und contra, die nur als Übung in einer Schule der Rhetorik von demselben Mann angefertigt wurden. So ähnlich ist ein Presbyterianer einem Independenten. A  In diesem Jahr tat das Rumpfparlament im Lande nicht viel, außer dass sie zu Anfang England zu einem Freistaat [ Free-State ] machten, durch ein Gesetz, das folgendermaßen lautet: „Durch das gegenwärtige Parlament und kraft dessen Autorität wird beschlossen und verkündet, dass das Volk von England und alle dazugehörigen Gebiete und Territorien hierdurch für Gegenwart und Zukunft zu einer Republik [ Common Wealth ]81 und zu einem Freistaat usw. konstituiert, umgewandelt und erklärt werden.“ 82 B  Was meinten sie mit Freistaat und Republik? Sollte das Volk nicht länger Gesetzen unterworfen sein? Das konnten sie nicht meinen, denn das Parlament wollte sie nach seinen eigenen Gesetzen regieren und diejenigen, die sie brachen bestrafen. Wollten sie sagen, dass England keinem auswärtigen Königreich oder keiner Republik untertan sein sollte? Das brauchte nicht gesetzlich festgelegt zu werden, da kein König oder Volk vorhanden war, das darauf Anspruch erhob, ihre Herren zu sein. Was meinten sie denn? A  Sie meinten, dass weder dieser noch ein anderer König noch eine einzige Person außer ihnen selbst Herr über das Volk sein solle, und sie hätten es auch in so deutlichen Worten niedergelegt, wenn das Volk sich mit verständlichen Worten so leicht hätte beschwindeln lassen wie mit unverständlichen. Anschließend verteilten sie unter sich Geld und Grundstücke aus den Ländereien und Gütern der loyalen Partei. Sie beschlossen auch, dass jedermann die folgende Verpflichtung [ Engagement ] auf sich nehmen solle: „Du sollst geloben, treu und ergeben zu sein der Republik von England, in ihrer jetzigen Verfassung, ohne König oder House of Lords.“ 83 Außerdem verbannten sie aus einem Umkreis von zwanzig (englischen) Meilen in der Umgebung Londons alle von der Königspartei und verboten jedem Einzelnen, sich weiter als fünf Meilen von seinem Wohnsitz zu entfernen.

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B  Sie wollten sie vielleicht verfügbar haben, falls es nötig würde, sie niederzumetzeln. Doch was taten die Schotten zu dieser Zeit? A  Sie überlegten, wie sie in der Armee, die sie eben für den König aushoben, alle diejenigen vom Kommando ausschließen könnten, die seinem Vater treu gedient hatten, dazu alle Independenten und alle, die in der Armee des Duke of Hamilton ein Kommando innehatten. Und das waren die Hauptereignisse dieses Jahres. Der Marquis von Montrose, der im Jahr 1645 mit wenig Leuten und in kurzer Zeit gegen die Feinde des früheren Königs in Schottland beinahe unglaubliche Dinge vollbracht hatte, landete nun wieder Anfang des Jahres 1650 im Norden Schottlands im Auftrag des gegenwärtigen Königs in der Hoffnung, ihm ebenso gute Dienste leisten zu können wie früher seinem Vater. Aber der Fall war anders, denn die schottischen Streitkräfte standen damals in England im Dienst des Parlaments, wohingegen sie jetzt in Schottland waren und viele (für ihren beabsichtigten Einfall) neu ausgehoben worden waren. Außerdem waren die Soldaten, die der Marquis mitbrachte, klein an Zahl und Ausländer, auch schlossen die Hochländer sich ihm nicht an, wie er erwartete; so war er bald besiegt und wurde kurz danach gefangengenommen und (mit boshafterer Behandlung, als die Rache erforderte) am 2. Mai von den Covenanters von Edinburgh hingerichtet. B  Welchen Nutzen konnte der König von einer Verbindung mit diesen Männern erwarten, die während der Verhandlungen so viel Niedertracht gegen ihn an einem seiner besten Diener zeigten? A  Ohne Zweifel (ihre Kirchenleute hatten damals die Oberhand) hätten sie diesem König so viel angetan wie das englische Parlament seinem Vater, wenn sie damit das erreicht hätten, wonach sie törichterweise strebten: die Regierung über die Nation. Glaube nicht, dass die Independenten schlimmer waren als die Presbyterianer, die einen wie die anderen waren entschlossen,

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a­ lles zu zerstören, was ihrem Ehrgeiz im Wege stand. Aber die Not ließ den König lieber über dies und viele andere ihrer Beschimpfungen hinwegsehen, als die Verfolgung seines Rechts in England erkalten und fast erlöschen zu lassen. B  Ich glaube in der Tat, dass ein Königtum, wenn man es eine Altschuld werden lässt, kaum jemals wieder gewonnen wird. Außerdem war der König sicher, dass er, wohin auch immer der Sieg sich neigen würde, im Krieg nichts als Feinde verlieren konnte. A  Um die Zeit von Montroses Tod, der in den Mai fiel, war Cromwell noch in Irland und sein Werk unvollendet. Aber da er fand oder von seinen Freunden darauf hingewiesen wurde, dass seine Teilnahme an dem Feldzug, der nun gegen die Schotten vorbereitet wurde, für seine Absichten notwendig sein würde, ließ er beim Parlament anfragen, welche Vorstellungen man dort bezüglich seiner Rückkehr habe. Trotzdem wusste oder dachte er zumindest, dass es nicht notwendig sein würde, auf die Antwort zu warten, sondern verließ Irland und kam am 6. Juni in London an, vom Rumpfparlament willkommen geheißen. Nun war aber General Fairfax, der in Wirklichkeit das war, was er zu sein vorgab, nämlich ein Presbyterianer, von den presbyterianischen Geistlichen hier so katechisiert, dass er sich weigerte, gegen die Brüder in Schottland zu kämpfen; dagegen machten weder das Rumpfparlament noch Cromwell sich in dieser Frage Umstände, ihr Gewissen reinzuhalten. Und als deshalb Fairfax sein Kommando niederlegte, wurde Cromwell zum General aller Streitkräfte in England und Irland ernannt, was ein weiterer Schritt zur Erlangung der souveränen Gewalt war. Und es schien nur ein weiterer nötig: die Unterwerfung Schottlands. Dorthin setzte er sich am 12. Juni in Marsch, und er kam am 21. Juni mit seinem Heer, das 16 000 Mann Fußvolk und Reiterei zählte, nach Barwick. B  Wo war der König? A  In Schottland, eben herübergekommen. Er landete im Norden und wurde mit Ehren nach Edinburgh geleitet, obgleich zwischen ihm und den Schotten noch nicht alles gut geregelt war.

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Denn obwohl er auf genauso schwere Bedingungen eingegangen war wie der verstorbene König auf der Isle of Wight, so hatten sie doch noch etwas hinzuzufügen, bis der König es nicht mehr länger aushielt und sie verließ, um sich wieder nach Norden zu wenden. Doch sie sandten Boten hinter ihm her, um ihn zur Rückkehr zu bewegen; zugleich gaben sie diesen Boten genug Soldaten mit, um ihn zurückzubringen, falls er sich weigern sollte. Am Ende schlossen sie ein Abkommen, aber sie wollten nicht dulden, dass der König oder irgendein Royalist ein Kommando in der Armee innehatte. B  Alles in allem war also der König dort ein Gefangener. A  Cromwell sandte von Barwick aus eine Deklaration an die Schotten, in der er versicherte, dass er nicht gegen das schottische Volk, sondern gegen eine böswillige Partei, die den König zur Störung des Friedens zwischen beiden Völkern hergebracht habe, Krieg führe und dass er gewillt sei, entweder durch Verhandlung Genugtuung zu geben und zu erhalten oder die Gerechtigkeit der Sache durch eine Schlacht zu entscheiden. Die Schotten erklärten hierzu in ihrer Antwort, dass sie des Königs Interesse nicht verfolgen würden, bevor er nicht die Sünden seines Hauses und seine eigenen früheren Schritte anerkennen würde, und er dem Volk Gottes in beiden Reichen Genugtuung gäbe. Urteile selbst, ob hiernach nicht der gegenwärtige König hier in ebenso schlechter Lage war wie sein Vater in den Händen der Presbyterianer in England. B  Die Presbyterianer sind überall dieselben. Sie möchten wohl gern absolute Herren über alle sein, mit denen sie verkehren, obgleich sie keinen Rechtsanspruch haben, außer der Behauptung, dass, wo sie regieren, Gott regiere und nirgendwo anders. Doch ich bemerke eine seltsame Forderung, nämlich die, dass der König die Sünden seines Hauses anerkennen solle, denn ich meinte, es sei doch wohl die Ansicht aller Theologen, dass niemand verpflichtet sei, irgendjemandes Sünden außer seinen eigenen anzuerkennen.

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A  Als der König allem, was die Kirche forderte, nachgegeben hatte, setzten die Schotten ihren beabsichtigten Krieg fort. Cromwell marschierte weiter auf Edinburgh und reizte sie, sosehr er konnte, zur Schlacht; da sie darauf nicht eingingen und der Proviant in der englischen Armee knapp wurde, zog sich Cromwell nach Dunbar zurück, verzweifelte am Erfolg und beabsichtigte, zu See oder zu Land nach England zurückzukehren. Und in einen solchen Zustand hatte dieser General (Cromwell), der wegen seiner Heerführung so sehr gepriesen wurde, seine Armee gebracht, dass all sein Ruhm in Schande und Strafe geendet hätte, wenn nicht das Glück und die Fehler seiner Feinde ihn herausgerissen hätten. Denn als er sich zurückzog, folgten ihm die Schotten geschlossen den ganzen Weg bis etwa eine Meile vor Dunbar. Dort ist eine Hügelkette, die über Edinburgh hinaus an der See entlang in Windungen führt und die Heerstraße zwischen Dunbar und Barwick bei dem Dorf Copperspeith schneidet, wo die Passage so schwierig ist, dass die Engländer, wenn die Schotten rechtzeitig einige wenige Mann zur Bewachung dorthin geschickt hätten, niemals heimgekommen wären. Denn die Schotten hätten die Hügel besetzt gehalten und nicht anders als mit großem Vorteil gekämpft und wären fast zwei zu eins gewesen. Cromwells Heer befand sich an der Nordseite am Fuße dieser Hügel, und dort war zwischen ihm und den Hügeln ein großer Graben bzw. das Bett eines Bergstroms, so dass er zu Land niemals hätte heimkehren können, und er hätte auch nicht, ohne den vollständigen Untergang des Heeres zu riskieren, wagen können, es einzuschiffen, noch hätte er aus Mangel an Proviant bleiben können, wo er war. Als Cromwell nun wusste, dass der Pass frei war, und einem größeren Trupp Reiterei und Fußvolk befahl, ihn einzunehmen, mussten die Schotten sie ziehen lassen, wo sie doch geprahlt hatten, ihn eingekesselt zu haben, oder aber sie mussten fechten; und deshalb griffen sie die Engländer mit ihrer tüchtigsten Reiterei an und brachten sie zuerst ein wenig ins Wanken. Aber als das

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englische Fußvolk anrückte, wurden die Schotten in die Flucht geschlagen, und die Flucht der Reiterei hinderte die schottische Infanterie daran einzugreifen; die daher die Flucht ergriff, wie es auch der Rest der Reiterei tat. So brachte die Dummheit der schottischen Befehlshaber ihr völliges Übergewicht ins Gleichgewicht zwischen zwei kleinen und gleichen Parteien; und da gab denn das Glück den Sieg den Engländern, die nicht mehr viel mehr waren, als an Schotten getötet und gefangengenommen wurden; und die Kirche [ d. h. die Presbyterianer ] verlor ihre Kanonen und ihren Tross mit 10000 Gewehren und fast ihre ganze Armee. Der Rest wurde von Lesley bei Stirling gesammelt. B  Dieser Sieg kam dem König zunutze. Denn hätten die Schotten gesiegt, so hätten die Presbyterianer hier wie dort wieder das Heft in Händen gehabt, und der König wäre in derselben Lage gewesen wie sein Vater in Newcastle, eben in der Gewalt des schottischen Heeres. Denn im Verfolg dieses Sieges brachten die Engländer schließlich die Schotten zu einer leidlichen Gewöhnung an Gehorsam, zum Besten des Königs, wenn er je sein Recht wiedererlangen würde. A  In Verfolg dieses Sieges marschierten die Engländer nach Edinburgh (von den Schotten unbehelligt), befestigten Leith und nahmen alle Befestigungen und Schlösser, die sie an dieser Seite der Förde brauchen konnten, welche nun die Grenze zwischen den beiden Ländern geworden war. Und die schottischen Kirchenleute fingen an, sich selbst besser zu kennen, und beschlossen, in ihrem neuen Heer, welches sie auszuheben beabsichtigten, einige Royalisten im Führungsstab zuzulassen. Cromwell marschierte von Edinburgh nach Stirling, um den Feind zum Kampf herauszufordern, zog aber, da er es für gefährlich hielt, nach Edinburgh zurück und belagerte das Schloss. Inzwischen sandte er einen Trupp in den Westen Schottlands, um Strachan und Kerr, zwei eifrige Presbyterianer, die dort Streitkräfte für ihre neue Armee aushoben, zu unterdrücken. Und gleichzeitig krönten die Schotten den König in Scone.

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Ende dieses Jahres nahm Cromwell in Schottland das Schloss von Edinburgh ein und versuchte, die Förde zu überschreiten oder auf anderem Wege die schottischen Truppen zu überrumpeln. Die Schotten beschleunigten inzwischen ihre Truppenaushebungen im Norden. B  Was tat während dieser Zeit das Rumpfparlament daheim? A  Es gewährte den Sektierern Gewissensfreiheit, das heißt, sie rissen dem Presbyterianertum den Stachel aus, der darin bestand, dem Volk mit Strenge wunderliche Ansichten beizubringen, die nichts mit Religion zu tun haben, aber dazu führen, die Macht der presbyterianischen Geistlichen zu fördern. Auch hoben sie mehr Soldaten aus und gaben den Oberbefehl über sie an Harrison, einen Fifth-Monarchy-Man, der nun zum Generalmajor ernannt wurde, und von diesen Soldaten waren zwei Regimenter Reiterei und ein Regiment Fußvolk von den Fifth-Monarchy-Men und anderen Sektierern, aus Dankbarkeit für diese ihre Freiheit von der presbyterianischen Tyrannei, gestellt worden. Sie rissen auch die Statue des verstorbenen Königs, die in der Börse stand, nieder, und veranlassten, dass in die Nische, wo sie stand, folgendes ­geschrieben wurde: „Exit tyrannus, Regum ultimus etc.“ B  Was nützte ihnen das, und warum rissen sie nicht die Statuen aller anderen Könige auch nieder? A  Was für eine Rechenschaft kann man von solchen Handlungen geben, deren Quelle nicht die Vernunft, sondern Boshaftigkeit und dergleichen Leidenschaften sind? Außerdem empfingen sie Gesandte aus Portugal und Spanien, die ihre Macht anerkannten. Und gegen Ende des Jahres schickten sie sich an, Gesandte nach den Niederlanden zu senden, um dort ihre Freundschaft anzubieten. Die Verfolgung und Bestrafung von Royalisten war alles, was sie sonst noch taten. Anfang 1651 traf General Dean in Schottland ein, und am 11. April versammelte sich das schottische Parlament und fasste gewisse Beschlüsse zum Zweck ihres besseren Zusammenschlusses unter sich und eines besseren Gehorsams gegen den König, der nun mit seinen schottischen Soldaten

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in Stirling war, noch mehr als die eben ausgehobenen erwartend. Cromwell zog von Edinburgh aus verschiedene Male nach Stirling, um die Schotten zum Kampf herauszufordern. Es gab dort keine Furt, wo er seine Leute übersetzen konnte; zuletzt schaffte Oberst Overton mit Schiffen, die von London und Newcastle kamen (obgleich es zuerst langsam ging, denn es wurde inzwischen Juli), 1400 Mann seines Fußvolks hinüber und außerdem noch ein anderes Infanterieregiment und vier Trupps Reiterei und verschanzte sich in Northferry auf der anderen Seite, und ehe von Stirling irgendwelche Hilfe kommen konnte, war auch Generalmajor Lambert mit ebenso vielen Leuten übergesetzt. Unterdessen war Sir John Browne mit 4500 Mann gekommen, um sich ihnen entgegenzustellen. Die Engländer besiegten ihn, töteten etwa 2000 und machten 1600 Gefangene. Nachdem dies geschehen war und so viel Truppen übergesetzt waren, wie er für gut hielt, zog Cromwell nach St. Johneston (von wo aus das schottische Parlament sich auf die Nachricht hin, dass er die Furt passiert habe, nach Dundee zurückgezogen hatte) und forderte es zur Übergabe auf, und am selben Tage wurde ihm die Nachricht gebracht, dass der König von Stirling nach England marschierte, was tatsächlich der Fall war. Aber obgleich ihm der König um drei Tagemärsche voraus war, beschloss er, die Stadt in Besitz zu nehmen, ehe er ihm folgte, und demgemäß hatte er sie am nächsten Tage durch Übergabe. B  Welche Hoffnung verband der König mit seinem Kommen nach England, da er vor und hinter sich niemanden, wenigstens keine Bewaffneten, außer seinen Feinden hatte? A  Ja. Vor ihm lag die Stadt London, die gemeinhin das Rumpfparlament hasste und die man wohl auf 20000 gutbewaffnete Soldaten veranschlagen konnte, und die meisten Leute glaubten, dass sie seine Partei ergreifen würde, wenn er in die Nähe der City kommen würde. B  Welche Wahrscheinlichkeit sprach dafür? Glaubst du, dass das Rumpfparlament nicht der Treue des Bürgermeisters und de-

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rer sicher war, die in der City das Kommando über die Miliz hatten? Und wenn sie wirklich Freunde des Königs gewesen wären, was brauchten sie darauf zu warten, dass er nach London käme? Sie hätten sich, wenn sie gewollt hätten, des Rumpfparlaments bemächtigen können, das keine Möglichkeit hatte, sich zu verteidigen, oder hätten es mindestens aus dem Haus werfen können. A  Dies taten sie nicht, im Gegenteil, sie erlaubten die Aufstellung der Armee Cromwells und die Aushebung von Soldaten, um das Land daran zu hindern, dem König zu Hilfe zu kommen. Der König begann seinen Abmarsch von Stirling am letzten Tag im Juli, und am 22. August kam er über Carlisle nach Worcester mit einem erschöpften Heer von ungefähr 13 000 Mann; Cromwell folgte und belagerte, mit den neu ausgehobenen Truppen vereint, Worcester mit 40 000 Soldaten und brachte am 3. September dem Heer des Königs eine vollständige Niederlage bei. Hier fiel auch der Duke of Hamilton, der Bruder des Enthaupteten. B  Was wurde aus dem König? A  Als die Nacht kam, verließ er die Stadt, ehe sie gänzlich erobert war; es war dunkel, und keiner der feindlichen Reiter war innerhalb der Mauern, um ihn zu verfolgen, da das plündernde Fußvolk die Tore geschlossen hielt, damit die Reiterei nicht hereinkam und sich ihren Anteil an der Beute nahm. Noch vor Tagesanbruch gelangte der König nach Warwickshire, 25 Meilen von Worcester entfernt, und lag dort kurze Zeit versteckt; er ging hin und her in großer Angst, entdeckt zu werden, bis er endlich von Bright-Hempstedt in Sussex aus nach Frankreich übersetzte. B  Was geschah weiter in Schottland, als Cromwell fort war? A  Generalleutnant Monck, den Cromwell dort mit 7000 Mann zurückließ, nahm Stirling am 14. August durch Übergabe und Dundee am 3. September im Sturm, weil es Widerstand leistete. Die Soldaten plünderten die Stadt und machten reiche Beute, weil die Schotten zur Sicherheit ihre kostbarsten Güter von Edinburgh und St. Johnstone dorthin gebracht hatten. Ebenso nahm er Aberdeen durch Übergabe und (den Ort, wo die schottischen Geist­

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lichen zuerst lernten, die Narren zu spielen) St. Andrew’s.84 Auch im Hochland nahm der Oberst Alured eine Gruppe Lords und Herren [ Gentlemen ] gefangen, nämlich vier Earles, vier Lords und etwa zwanzig Ritter [ Knights ] und Herren, die er als Gefangene nach England schickte. So war von Schottland nichts mehr zu befürchten. Die ganze Sorge des Rumpfparlaments bestand darin zu bestimmen, was sie mit Schottland tun sollten. Endlich beschlossen sie, es mit England und Irland in einen Staat aufgehen zu lassen. Und zu diesem Zweck sandten sie St. Johns, Vane und andere Bevollmächtigte dorthin, um ihnen diese Union durch eine öffentliche Erklärung anzubieten und sie aufzufordern, ihre Vertreter der Grafschaften wie Bürger der Städte zu wählen und sie nach Westminster zu schicken. B  Dies war eine große Vergünstigung. A  Das meine ich auch, und trotzdem wurde es von vielen Schotten, besonders von den Geistlichen und anderen Presbyterianern, zurückgewiesen. Die Geistlichen hatten bei der Steuererhebung zur Bezahlung der englischen Soldaten nachgegeben, aber sie lehnten es schlechterdings ab, der Deklaration der eng­ lischen Bevollmächtigten zu entsprechen. B  Mir scheint, dass dieser Beitrag zur Bezahlung ihrer Unterdrücker ein Zeichen von Knechtschaft war, während ihr Eintritt in die Union sie freimachte und ihnen gleiches Recht gab wie den Engländern. A  Die Begründung, die von den presbyterianischen Geist­ lichen selbst für die Ablehnung der Union angegeben wurde, war, dass diese gleichbedeutend mit der Unterordnung der Kirche unter den bürgerlichen Staat [ Civil State ] in Sachen Christi wäre. B  Das ist eine unzweideutige Erklärung an alle Könige und Staaten überhaupt: Dass ein presbyterianischer Geistlicher keinem von ihnen ein treuer Untertan in Sachen Christi sein wird und welches diese Sachen sind, darüber wollen sie selbst Richter sein. Was haben wir denn durch unsere Befreiung von der Tyrannei des Papstes gewonnen, wenn diese kleinen Leute dafür an

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dessen Stelle rücken, die nichts an sich haben, was dem Publikum wohltun kann, es sei denn, dass sie ihren Mund halten? Denn ihre Gelehrsamkeit läuft auf nicht mehr hinaus als auf eine mangelhafte Kenntnis von Griechisch und Latein und eine erworbene Fertigkeit in der Sprache der Schrift mit entsprechenden Gesten und Tonfall. Doch von Gerechtigkeit und Nächstenliebe (dem Innersten der Religion) haben sie weder Kenntnis noch Übung, was durch die Geschehnisse, die ich dir schon erzählte, offenbar wird. Auch unterscheiden sie nicht anders zwischen gottesfürchtig und gottlos als danach, ob bei Leuten von Urteil eine ihnen gemäße Tendenz vorhanden ist, oder bei einfachen Leuten, ob sie ihre Predigten wiedergeben können. A  Aber diese Halsstarrigkeit der Schotten war umsonst. Denn von Westminster aus wurde die Union der zwei Nationen und die Abschaffung der Monarchie in Schottland beschlossen, und es wurden Strafen für diejenigen angeordnet, die dies Gesetz übertreten würden. B  Was tat das Rumpfparlament weiterhin in diesem Jahr? A  Es sandte St. Johns und Strickland als Gesandte in den Haag, um den Vereinigten Provinzen ein Bündnis anzubieten; am 3. März wurden diese in Audienz empfangen; St. Johns legte in seiner Rede den Generalstaaten dar, welchen Vorteil sie bei diesem Bündnis durch die Benutzung der englischen Häfen für ihren Handel und ihre Schifffahrt hätten. Die Holländer bestimmten, obgleich sie an der Sache kein großes Interesse zeigten, Bevollmächtigte, um mit ihnen darüber zu verhandeln. Doch das Volk war im Allgemeinen dagegen und nannte die Gesandten und ihren Anhang (was sie auch waren) Verräter und Mörder und machte solchen Tumult vor ihrem Haus, dass ihr Gefolge nicht auszugehen wagte, bis die Generalstaaten das Volk beruhigt hätten. Als das Rumpfparlament davon Kenntnis erhielt, rief es sie sofort zurück. Die Zuvorkommenheit, mit der St. Johns sich von den Bevollmächtigten verabschiedete, ist wert, dass du sie hörst. „Ihr habt“, sagte er, „ein Auge auf den Ausgang der schottischen

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Angelegenheiten und verweigert deshalb die Freundschaft, die wir angeboten haben. Doch ich kann Euch versichern, dass viele vom Parlament der Meinung sind, dass wir zu Euch keine Gesandten hätten schicken sollen, bis wir diese Dinge zwischen ihnen und jenem König entschieden haben, und dann hätten wir Eure Gesandten bei uns erwartet. Ich begreife nun unseren Irrtum und sehe ein, dass jene Herren recht hatten. In kurzer Zeit werdet Ihr die Sache beendet sehen, und Ihr werdet schon kommen und um das bitten, was wir frei angeboten haben, wenn es Euch in Verlegenheit bringen wird, dass Ihr unseren Antrag abgewiesen habt.“ B  St. Johns war nicht sicher, dass die schottische Sache so ausgehen würde, wie es geschah. Denn obgleich die Schotten bei Dunbar geschlagen wurden, konnte er nicht sicher wissen, wie ihre Invasion verlaufen würde. A  Aber er hatte das richtige Gespür: Denn innerhalb eines Monats nach der Schlacht von Worcester wurde ein Entwurf Gesetz, der den Import irgendwelcher Waren in anderen als englischen Schiffen verbot. Die Engländer wollten auch den Fischfang der Holländer vor unserer Küste nicht dulden. Oftmals durchsuchten sie ihre Schiffe (aus Anlass unseres Krieges mit Frankreich) und brachten einige davon auf. Und dann schickten die Holländer ihre Gesandten hierher, um das zu erbitten, was sie vorher verweigerten, aber teilweise auch, um auszukundschaften, welche Seestreitkräfte England zur Verfügung standen und wie das Volk hier mit der Regierung zufrieden sei. B  Wie gelang ihnen das? A  Das Rumpfparlament zeigte nun genauso wenig den Wunsch nach einer Abmachung wie die Holländer damals, indem es auf Forderungen bestand, deren Annahme ganz unwahrscheinlich war. Was erstens das Fischen vor der englischen Küste betraf, so sollten sie es nicht dürfen, ohne dafür zu bezahlen. Zweitens sollten die Engländer freien Handel haben von Middleburgh bis Antwerpen, wie sie ihn vor dem Abfall der Niederlande hatten. Drittens verlangten sie Entschädigung für die alte (aber nicht ver-

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gessene) Sache von Amboyna.85 So war der Krieg schon gewiss; allein die Jahreszeit hielt sie von einer Unternehmung bis zum nächsten Frühling zurück. Der eigentliche Grund für den Streit war auf englischer Seite, dass ihre angebotene Freundschaft verschmäht und ihre Gesandten gekränkt worden waren, von der holländischen Seite die Gier, den gesamten Handel an sich zu reißen, und eine falsche Einschätzung der wechselseitigen Kräfte­ verhältnisse. Während dieser Ereignisse wurden die Überbleibsel des Krieges in Irland und Schottland nicht vernachlässigt, obgleich jene Völker erst zwei Jahre später völlig befriedet wurden. Auch die Verfolgung von Royalisten wurde fortgesetzt, unter denen ein Mr. Love enthauptet wurde, weil er mit dem König in brieflichem Verkehr stand. B  Ich hätte gedacht, dass ein presbyterianischer Geistlicher, solange er ein solcher war, kein Royalist sein konnte, weil die Presbyterianer denken, dass ihre Versammlung in Sachen Christi die höchste Gewalt hat, und deshalb gelten sie in England (nach statutarischem Recht) als Hochverräter. A  Du kannst es so auffassen; denn obgleich ich Mr. Love einen Royalisten nannte, so meinte ich dies nur in Bezug auf diese eine Handlung, um derentwillen er verurteilt wurde. Er war es, der während der Verhandlungen in Uxbridge sagte, als er vor den Bevollmächtigten predigte, es sei ebenso leicht, dass Himmel und Hölle zusammenkämen wie König und Parlament. Er und die übrigen Presbyterianer sind und waren die Feinde der Feinde des Königs, Cromwells und seiner Fanatiker, jedoch um ihrer selbst, nicht um des Königs willen. Ihre Untertanentreue war wie die des Sir John Hotham, der den König nicht nach Hull hineinließ und danach fast die Stadt an den Marquis von Newcastle verraten hätte. Diese Presbyterianer können deshalb nicht mit Recht loyal genannt werden, sondern besser doppelt verräterisch; es sei denn, du denkst, dass, wie zwei Negative ein Positivum, zwei Verrate eine Loyalität ergeben.

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In diesem Jahr wurden auch die Inseln Scilly und Man sowie die Barbados-Inseln und St. Christopher zur Gefügigkeit gegenüber dem Rumpfparlament gebracht. Eine Sache begab sich freilich, die sie nicht mochten: Cromwell erinnerte sie, ihre Sitzungsperiode gemäß der Bill für dreijährige Parlamente zu beenden. B  Dies war, meine ich, in der Tat hart. A  Am 14. Mai des Jahres 1652 begann der Holländische Krieg folgendermaßen: Drei holländische Kriegsschiffe mit mehreren Kaufleuten, die aus der Straße von Dover kamen, wurden von einem Kapitän Young entdeckt, der einige englische Fregatten kommandierte. Dieser Young sandte ihrem Admiral eine Botschaft und forderte ihn auf, seine Flagge zu streichen (was als Anerkennung der englischen Hoheit über die Meerengen zu geschehen pflegte), was er demgemäß auch tat. Dann tauchte der Vizeadmiral auf, und als er (wie der andere) aufgefordert wurde, seine Flagge niederzuholen, antwortete er, dass er dies nicht tun wolle, aber nach dem Austausch von vier oder fünf Breitseiten und beiderseitigem Schaden strich er sie. Aber Kapitän Young verlangte auch, dass entweder der Vizeadmiral persönlich oder sein Schiff den angerichteten Schaden gutmachen solle; darauf antwortete der Vizeadmiral, dass er seine Flagge gestrichen habe, aber sich und sein Schiff verteidigen wolle. Darauf beriet Kapitän Young sich mit den Kapitänen seiner anderen Schiffe: Aus Furcht, dass der Ausbruch des Krieges in dieser Zeit der Verhandlungen ihm zur Last gelegt würde, und da es auch Nacht wurde, hielt er es für richtig, nicht weiter vorzugehen. B  Der Krieg brach gewiss bestimmt in dieser Zeit aus. Doch wer begann ihn? A  Da die Meerhoheit den Engländern gehörte, steht es außer Frage, dass ihn die Holländer begannen, und dass diese Hoheit den Engländern gehörte, wurde zuerst durch den Admiral selbst friedlich zugegeben und dann durch den Vizeadmiral, da sie ihre Flaggen herunterholten.86

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Etwa vierzehn Tage später fand ein ähnlicher Kampf aus gleichem Anlass statt. Van Tromp segelte mit zweiundvierzig Kriegsschiffen zur Rückseite der Goodwin-Sandbank (Major Bourne kreuzte damals mit wenigen Schiffen des Parlaments vor der Küste von Kent und Blake mit den übrigen weiter westlich) und sandte zwei seiner Kapitäne zu Bourne, um seine Ankunft zu entschuldigen. Ihm antwortete Bourne, die Botschaft sei höflich gewesen, doch um sie wahr zu machen, müsse er abziehen. So fuhr Tromp ab, in der Absicht (da Bourne nun zufriedengestellt war), auf Blake zuzusegeln, und er tat dies; doch dasselbe tat auch Bourne, weil er das Schlimmste befürchtete. Als Tromp und Blake einander nahe waren, gab Blake einen Schuss über Tromps Schiff ab, als Warnung, seine Flagge zu streichen. Dies tat er dreimal, und dann feuerte Tromp eine Breitseite gegen ihn ab. Und so begann die Schlacht (in die Bourne von Anfang an eingriff) und dauerte von zwei Uhr bis in die Nacht; die Engländer hatten die Oberhand. Und die Flagge verursachte, wie zuvor, den Streit. B  Warum ist es nötig, wenn beide Nationen fest zum Kampf entschlossen sind, so viel auf diese Formalität zu geben, wer anfängt? Denn dadurch Freunde und Verbündete gewinnen zu wollen, war nach meiner Ansicht vergeblich, wenn man weiß, dass Fürsten und Staaten bei solchen Gelegenheiten nicht viel auf die Rechte ihrer Nachbarn achten, sondern auf ihr eigenes Interesse in der Sache. A  Gewöhnlich ist es so; aber in diesem Fall wussten die Holländer, dass die Hoheit über die Meerengen [ Narrow Seas ]87 ein vornehmer Anspruch war, der für alle Nationen, die an diese Küste grenzen, ein Gegenstand des Neides war; und dass sie deshalb wahrscheinlich jenem Anspruch sich widersetzen würden, und sie taten klug daran, diesen Gedanken zum Mittelpunkt der Auseinandersetzung zu machen. Nach dieser Schlacht sandten die in England befindlichen holländischen Gesandten ein Schreiben an den Staatsrat, worin sie diesen letzten Zusammenstoß als eine „übereilte Handlung“ be-

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zeichneten und bestätigten, dass sie ohne das Wissen und gegen den Willen der Regierung der Generalstaaten geschehen sei, und sie baten, dass in Bezug darauf nichts hitzig getan werden solle, was dann nicht wieder gutzumachen sei. Das Parlament beschloss hierauf: 1. dass die Generalstaaten die daraus entstandenen Kosten und ihren eigenen Schaden tragen sollten; 2. dass nach der Bezahlung ein Waffenstillstand und eine beiderseitige Zurückerstattung aller eroberten Schiffe und Güter eintreten solle; und 3. dass nach der Zustimmung zu diesen beiden Punkten die beiden Staaten ein Bündnis schließen sollten. Diese Beschlüsse wurden den holländischen Gesandten als Antwort auf ihr Schreiben übersandt; sie waren jedoch mit einer Präambel versehen, die das frühere Wohlwollen Englands gegen die Niederlande hervorhob und von ihrer neuen Flotte von 150 Kriegsschiffen sprach, die keine andere Aufgabe habe, als die englische Flotte zu zerstören. B  Welche Antwort gaben die Holländer darauf? A  Keine. Tromp segelte sofort nach Seeland und Blake mit Kriegsschiffen nach den Orkney-Inseln88, um sich ihrer Büsen89 zu bemächtigen und fünf holländische Schiffe, die von Ostindien kamen, zu erwarten. Und Sir George Askew, der kürzlich von den Barbados zurückgekehrt war, kam mit fünfzehn Kriegsschiffen in die Downs, wo ihm befohlen war, auf Ersatz von der Themse her zu warten. Van Tromp, dessen Bestand auf 120 Segelschiffe ergänzt worden war, beabsichtigte, zwischen Sir George Askew und der Flussmündung einzudringen, wurde aber so lange durch Gegenwinde daran gehindert, dass er, da die Kauffahrer nach seinem Schutz verlangten, nicht länger warten konnte; und so fuhr er zurück nach Holland und von dort zu den Orkney-Inseln, wo er mit den besagten fünf ostindischen Schiffen zusammentraf und sie heimschickte. Und dann versuchte er Blake zum Kampf zu stellen, aber ein plötzlicher Sturm zwang ihn, in die offene See hinauszufahren, und seine Flotte wurde so zerstreut, dass nur zweiundvierzig Schiffe geschlossen nach Hause zurückkehrten und die übrigen

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einzeln, so gut sie konnten. Auch Blake fuhr nach Hause, doch er wandte sich zuerst der holländischen Küste zu mit 900 Gefangenen und sechs erbeuteten Kriegsschiffen, welche ein Teil der zwölf waren, die er bei der Bewachung ihrer Fischerflottille antraf. Dies war der erste Waffengang nach der Kriegserklärung. Im folgenden August fand eine Schlacht zwischen De Ruyter, dem Admiral von Seeland, mit fünfzig Kriegsschiffen, und Sir George Askew mit vierzig bei Plymouth statt, worin Sir George überlegen war, und er hätte einen vollständigen Sieg errungen, wenn die ganze Flotte am Kampf teilgenommen hätte. Was auch immer die Ursache sein mochte, so setzte ihn das Rumpfparlament (obgleich es ihn belohnte) nach seiner Rückkehr nicht mehr zum Dienst auf See ein, ernannte aber im kommenden Jahr drei Generäle: Blake, der es bereits war, Dean und Monck. Um diese Zeit belagerte der Erzherzog Leopold Dünkirchen, und die Franzosen sandten eine Flotte, um es zu entsetzen, und als General Blake bei Calais auf die Franzosen stieß und ihnen sieben Schiffe abnahm, war das die Ursache zur Übergabe der Stadt. Im September kämpften sie wieder, De Witt und De Ruyter befehligten die Holländer und Blake die Engländer, und die Holländer zogen wieder den Kürzeren. Ende November zeigte sich van Tromp wieder mit achtzig Kriegsschiffen auf der Rückseite der Goodwin-Sandbank, wo Blake, obgleich er bloß vierzig dabei hatte, es wagte, mit ihm zu kämpfen. Er erlitt eine große Niederlage und zog sich (die Nacht trennte sie) in die Themse zurück, während van Tromp die See beherrschte und einige unbedeutende Schiffe von den Engländern erbeutete und hierauf (wie gesagt wurde) in kindischer Eitelkeit vom Top seines Großmasts einen Besen heraushing, was bedeuten sollte, dass er beabsichtigte, die See von allen englischen Schiffen reinzufegen. Danach wurden im Februar die Holländer unter van Tromp von den Engländern unter Blake und Dean bei Portsmouth an-

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gegriffen und besiegt. Und dies waren alle Zusammenstöße in der Meerenge [ Narrow Seas ] zwischen ihnen in diesem Jahr. Sie kämpften auch einmal bei Leghorn, wo die Holländer die Oberhand hatten. B  Ich sehe noch keinen großen Vorteil auf einer Seite; wenn es einen gab, lag er auf Seiten der Engländer. A  Auch hatte keiner von ihnen bis jetzt die größere Neigung zum Frieden. Denn die Holländer hatten Gesandte nach Dänemark, Schweden, Polen und zu den Hansestädten (woher Teer und Tauwerk gewöhnlich bezogen werden) geschickt, um die Kriegs­ erklärung anzuzeigen und sie für ihre Partei zu gewinnen; alsdann riefen sie ihre Gesandten aus England zurück. Und das Rumpfparlament gab ihnen unverzüglich ihre Abschiedsaudienz, ohne eine Silbe seiner früheren strengen Bedingungen zu mildern, und erlegte dem Volk sogleich, um den Krieg für das nächste Jahr bezahlen zu können, eine Steuer von 120 000 £ pro Monat auf. B  Was geschah in der Zwischenzeit zuhause? A  Cromwell bekämpfte nun (als letztes und größtes Hindernis seiner Pläne) das Rumpfparlament. Und zu diesem Zweck kamen täglich von der Armee Petitionen, Eingaben, Remonstranzen und andere derartige Schreiben; einige davon forderten das Parlament dringend auf, sich aufzulösen und einem anderen Parlament Platz zu machen. In Bezug auf diese Forderungen bestimmte das Parlament, das sich nicht unterwerfen wollte, aber auch nicht wagte, sich zu weigern, den 5. November 1654 als Schlusstermin seiner Tagungen. Aber Cromwell wollte nicht so lange warten. In der Zwischenzeit nahm das Heer in Irland Unterwerfungen entgegen, veranlasste die Deportation von Iren und verurteilte, wen es wollte, in einem zu diesem Zweck errichteten obersten Gericht [ High Court of Justice ]. Unter den Verurteilten war Sir Phelim O’Neale, der erste Anstifter der Rebellion, der gehängt wurde. In Schottland bauten die Engländer einige Zitadellen, um diese widerspenstige Nation im Zaum zu halten. Und so endete das Jahr 1652.

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B  Kommen wir jetzt zum Jahr 1653. A  Cromwell musste nun nur noch einen Schritt bis zum Ziel seiner Ambitionen tun, und das war der, seinen Fuß auf den Nacken dieses Langen Parlaments zu setzen; und dies tat er am 23. April dieses Jahres 1653 zu einem sehr günstigen Zeitpunkt. Denn obgleich man der Holländer noch nicht Herr geworden war, so waren sie doch sehr geschwächt; und teils durch Beute vom Feind, teils durch Ausquetschen der königlichen Partei war die Schatzkammer ziemlich voll, und die monatliche Steuer von 120 000 £ fing nun an einzugehen. Dies alles stand zu seiner Verfügung zwecks Versorgung des Heeres. Deshalb zog er ohne weitere Umstände, begleitet von den Generalmajoren Lambert und Harrison, einigen andern Offizieren und so vielen Soldaten, wie er für erforderlich hielt, zum Parlamentsgebäude und löste das Parlament auf, indem er die Mitglieder hinausjagte und die Türen verschloss. Und wegen dieses Vorgehens fand er größeren Beifall beim Volk als wegen irgend­ eines seiner Siege im Krieg, und die Parlamentsmitglieder wurden umso mehr verachtet und verhöhnt. B  Wer besaß nun, wo es kein Parlament mehr gab, die höchste Gewalt? A  Wenn du mit Gewalt das Recht zu regieren meinst, so hatte es hier niemand. Wenn du die größte Macht meinst, so lag sie ohne Zweifel bei Cromwell, dem man als dem General aller Streitkräfte Englands, Schottlands und Irlands gehorchte. B  Gründete er darauf seinen Anspruch? A  Nein, aber gleich darauf erfand er den folgenden Rechtsanspruch: Er sei genötigt gewesen, für die Verteidigung der Sache, um derentwillen das Parlament zuerst die Waffen erhoben (das heißt, rebelliert) hatte, seine Zuflucht zu außergewöhnlichen Handlungen zu nehmen.90 Du weißt, der Vorwand zur Rebellion des Langen Parlaments war die salus populi, die Sicherheit des Volkes gegen eine gefährliche Verschwörung von Papisten und eine böswillige Partei im Lande, und jeder sei verpflichtet,

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soweit seine Macht reicht, die Sicherheit des ganzes Volkes zu erhalten (was niemand außer der Armee vermöge, und das Parlament habe dies bisher versäumt); war es da nicht die Pflicht des Generals, dies zu tun? Hatte er deshalb nicht recht? Denn jenes Gesetz der salus populi gilt nur für die, die Macht genug haben, das Volk zu verteidigen, d. h. für die, welche die höchste Gewalt haben. B  Ja, sicher hatte er einen ebenso guten Rechtsanspruch darauf wie das Lange Parlament. Aber das Lange Parlament repräsentierte das Volk, und es scheint mir, dass die souveräne Gewalt mit der Vertretung des Volkes wesentlich verbunden ist. A  Ja, wenn derjenige, der eine Volksvertretung macht, das heißt (im gegenwärtigen Fall), wenn der König sie einberuft, um die souveräne Gewalt zu empfangen, und er sich ihrer entkleidet, sonst nicht. Auch war das House of Commons niemals der Vertreter der ganzen Nation, sondern nur der Commons und hatte nicht die Macht, durch seine Gesetze oder Verordnungen irgendeinen Lord oder Priester zu verpflichten. B  Kam Cromwell nur hoch mit dem einzigen Titel der salus populi? A  Nein. Denn das ist ein Titel, den sehr wenige Menschen verstehen. Sein Weg war, die oberste Gewalt vom Parlament übertragen zu bekommen. Deshalb berief er ein Parlament und gab diesem die oberste Gewalt unter der Bedingung, dass sie ihm diese übertrügen. War das nicht geistreich? Zuerst veröffentlichte er eine Erklärung der Gründe, warum er das Parlament aufgelöst habe. Die Quintessenz davon war, sie hätten, anstatt zu versuchen, das Wohl von Gottes Volk zu fördern, durch eine Bill, die zur Abstimmung vorbereitet war, versucht, das Haus zu erneuern und ihre eigene Macht zur dauernden zu machen. Als nächstes konstituierte er einen Staatsrat [ Council of State ] aus seinen Gefolgsleuten, der die höchste Gewalt in England verkörpern sollte, aber nicht länger, als bis das nächste Parlament gewählt und zusammengetreten sei. Drittens berief er 142 Personen, die er selbst

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oder seine zuverlässigen Offiziere auslasen. Von diesen war der größte Teil angewiesen, was sie tun sollten; zumeist zweifelhafte Personen und die meisten von ihnen Fanatiker, ­obgleich sie von Cromwell als Leute von bewährter Treue und Ehrenhaftigkeit bezeichnet wurden. Diesen übertrug der Staatsrat die höchste Autorität, und nicht lange danach übertrugen diese Leute sie Cromwell. Am 4. Juli trat das Parlament zusammen und wählte zu seinem Sprecher einen Herrn Rous und nannte sich von dieser Zeit ab das Parlament von England. Aber zur größeren Sicherheit konstituierte Cromwell außerdem einen Staatsrat, der sich aus nicht so unbedeutenden Männern wie jenen zusammensetzte, sondern aus ihm selbst und seinen ersten Offizieren bestand. Diese führten alle Geschäfte, öffentliche und private, erließen Verordnungen und empfingen fremde Gesandte. Aber er hatte jetzt mehr Feinde als vorher. Harrison, der Führer der Fifth-­Monarchy-Men, legte sein Amt [ commission ] nieder und tat nichts, als seine Partei gegen ihn aufzureizen, wofür er später eingekerkert wurde. Dieses kleine Parlament erließ in der Zwischenzeit derart lächerliche und beim Volk unbeliebte Gesetze, dass man glaubte, er habe sie nur zu dem Zweck ausgewählt, um alle herrschenden Parlamente der Verachtung preiszugeben und die Monarchie wieder zu Ehren zu bringen. B  Welche Beschlüsse waren das? A  Einer davon war, dass alle Heiraten durch einen Friedensrichter geschlossen werden sollten, und das Aufgebot sollte drei Tage lang am nächsten Markt aushängen. Es war niemandem verboten, die Ehe vor einem Geistlichen zu schließen, aber ohne Friedensrichter war die Ehe ungültig. So dass kluge Paare (die sichergehen wollten, auch wenn sie es später bereuen sollten), auf beide Arten verheiratet wurden. Sie schafften auch die Bindung [ Engagement ] ab, wonach niemand vor einem Gerichtshof klagen durfte, der sie nicht übernommen, d. h. das damalige Rumpf­ parla­ment nicht anerkannt hatte. B  Nichts hiervon schädigte Cromwell.

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A  Sie berieten auch ein Gesetz, alle gegenwärtigen Gesetze und Gesetzbücher abzuschaffen, und ein neues Gesetzbuch zu schreiben, das mehr der Denkweise der Fifth-Monarchy-Men angemessen sein sollte, deren es viele in diesem Parlament gab. Ihr Grundsatz war, dass niemand Herrscher sein solle außer dem König Jesus und dass niemand unter ihm zu herrschen habe außer den Heiligen. Aber ihre Macht endete, ehe die Parlamentsakte durchging. B  Was bedeutete dies für Cromwell? A  Noch nichts, aber sie berieten gleicherweise über ein Gesetz, das fast fertig zur Abstimmung war, wonach künftige Parlamente eines nach dem anderen beständig tagen sollten. B  Ich verstehe das nicht, es sei denn, dass ein Parlament das andere erzeugen könnte gleich Tieren oder wie der Phönix. A  Warum denn nicht wie der Phönix? Kann nicht ein Parlament am Tag seines Endes Wahlausschreiben für ein neues erlassen? B  Glaubst du nicht, dass sie sich nicht lieber von neuem selber berufen würden und dass sie, um sich die Mühe, nach Westminster zurückzukehren, zu ersparen, ruhig sitzen blieben, wo sie saßen? Oder wenn sie das Land zu Neuwahlen aufforderten und sich dann auflösten, kraft welcher Autorität soll sich das Volk in seinen Grafschaftsgerichten versammeln, da doch keine bestehende oberste Gewalt vorhanden ist? A  Alles, was sie taten, war abwegig, obgleich sie das nicht wussten, auch nicht, dass es Cromwell verletzen würde, dessen Anschlag auf die Souveränität die Urheber dieses Gesetzes, wie es scheint, nicht bemerkten, aber Cromwells Partei im Parlament sah es wohl. Und deshalb erhob sich (als das Gesetz beraten wurde) eines der Mitglieder und stellte den Antrag, dass sie sich, weil der Staat wahrscheinlich von ihren Tagungen wenig Nutzen habe, auflösen sollten. Harrison und seine Sekte waren hierüber bestürzt und hielten Reden dagegen, aber Cromwells Partei, zu der der Sprecher gehörte, verließ das Haus und ging,

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indem sie den Amtsstab des Präsidenten vor sich hertrug, nach Whitehall und übergab ihre Macht Cromwell, der sie ihnen verliehen hatte. Und so erhielt er die Souveränität durch einen Akt des Parlaments, und vier Tage später, am 16. Dezember, wurde er zum Protektor der drei Nationen erhoben. Und er leistete seinen Eid, gewisse Regeln der Regierung zu beachten, die schön auf Pergament geschrieben waren und ihm verlesen wurden. Dieses Schriftstück hieß The Instrument.91 B  Welche Regeln waren es, die er beschwor? A  Eine davon war, jedes dritte Jahr ein Parlament zu berufen. Das erste sollte am folgenden 3. September beginnen. B  Ich glaube, er war etwas abergläubisch in der Wahl des 3. September, weil es ein Glückstag für ihn war: 1650 und 1651 bei Dunbar und Worcester. A  Aber er wusste nicht, was für ein Glückstag derselbe Tag 1658 in Whitehall für die ganze Nation sein würde.92 Eine andere war, dass kein Parlament aufgelöst werden sollte, bevor es fünf Monate getagt hatte, und dass diejenigen Gesetzentwürfe, die sie ihm unterbreiteten, von ihm innerhalb von zwanzig Tagen bestätigt werden sollten, andernfalls sollten sie ohne ihn rechtskräftig werden. Eine dritte, dass er einen Staatsrat, dessen Mitgliederzahl nicht unter dreizehn und nicht über einundzwanzig betragen sollte, haben und dass nach dem Tod des Protektors dieser Rat zusammentreten und, ehe sie auseinandergingen, einen neuen Protektor wählen sollte. Es gab außerdem noch viele andere, deren Erwähnung nicht notwendig ist. B  Wie ging der Krieg gegen die Holländer weiter? A  Die englischen Generäle waren Blake, Dean und Monck, der holländische van Tromp. Zwischen diesen fand am 2. Juni eine Schlacht statt (einen Monat vor dem Beginn dieses kleinen Parlaments), in der die Engländer Sieger blieben und die Feinde in ihre Häfen zurücktrieben, allerdings mit dem Verlust des Generals Dean, der von einer Kanonenkugel getötet wurde. Dieser Sieg war

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so groß, dass die Holländer Gesandte nach England schickten, um zu verhandeln; aber inzwischen rüsteten sie eine andere Flotte aus und ließen sie in See stechen; diese wurde ebenfalls Ende Juli von General Monck geschlagen, der nun einen noch größeren Sieg als vorher errang, und das entmutigte die Holländer so sehr, dass sie den Frieden mit der Bezahlung der Kriegskosten erkauften und unter anderen Bedingungen auch akzeptierten, dass die Engländer das Flaggenrecht hatten. Der Frieden wurde im März geschlossen und war das Resultat dieses Jahres. Er wurde aber erst im April verkündet, da, wie es scheint, das Geld erst zu diesem Zeitpunkt bezahlt wurde. Als der holländische Krieg nun zu Ende war, sandte der Protektor seinen jüngsten Sohn Henry nach Irland, den er einige Zeit später zum Statthalter dort machte, und schickte Monck als Generalleutnant nach Schottland, um jene Nationen in Botmäßigkeit zu halten. Nichts Denkwürdiges geschah mehr in diesem Jahr daheim, außer der Entdeckung einer royalistischen Verschwörung, wie man sagt, gegen das Leben des Protektors, der während all dieser Zeit von den Absichten des Königs durch einen Verräter an seinem Hof unterrichtet wurde, der später auf frischer Tat ertappt und getötet wurde. B  Wie konnte ihm der König so viel Vertrauen schenken? A  Er war der Sohn eines Obersten, der in den Kriegen auf der Seite des verstorbenen Königs gefallen war. Außerdem gab er vor, im Dienst der hiesigen treuen und ergebenen Untertanen des Königs Seiner Majestät Gelder, die sie ihm von Zeit zu Zeit senden würden, zu übermitteln, und um dies glaubhaft zu machen, sorgte Cromwell selber dafür, dass ihm Geld zur Verfügung gestellt wurde. Das folgende Jahr 1654 brachte keinen Krieg, sondern es war ausgefüllt von Zivilverordnungen, mit Ernennung von Richtern, mit Verhinderung von Verschwörungen (denn Thronräuber sind argwöhnisch) und mit Verurteilungen der Freunde des Königs und dem Verkauf ihrer Ländereien. Am 3. September trat, gemäß

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den Verlautbarungen des Instruments, das Parlament zusammen. Es gab darin kein House of Lords, und das House of Commons setzte sich wie früher aus Rittern [ Knights ] und Bürgern [ Burgesses ] zusammen, aber nicht wie früher aus zwei Bürgern für eine Stadt [ Burrough ] und aus zwei Rittern für eine Grafschaft [ County ], denn die Städte hatten zum großen Teil nur einen Abgeordneten und einige Grafschaften sechs oder sieben Ritter. Außerdem befanden sich darunter zwanzig Mitglieder für Schottland und ebenso viele für Irland, so dass Cromwell nun nichts anderes zu tun hatte, als seine Regierungskunst an sechs Kutschpferden zu zeigen, die ihm kürzlich geschenkt worden waren und die ihn, da sie ebenso rebellisch wie er selbst waren, aus der Kutsche warfen und ihn beinahe getötet hätten. B  Dieses Parlament, welches gesehen hatte, wie Cromwell die beiden früheren, das lange und das kurze, behandelt hatte, war sicherlich klug genug, sich ihm gegenüber besser zu verhalten, als jene es getan hatten? A  Ja, besonders jetzt, da Cromwell ihnen in seiner Rede bei der Eröffnung des Parlaments ausdrücklich verboten hatte, sich in die Regierung oder in die Militärhoheit durch eine einzelne Person oder das Parlament einzumischen oder sich herauszunehmen, das Parlament zu verewigen oder die Gewissensfreiheit abzuschaffen, und er sagte ihnen auch, dass jedes Mitglied des Hauses vor dem Zusammentritt seine Befugnis in mehreren Punkten ausdrücklich anerkennen müsse. Darauf erschienen zuerst von über vierhundert nicht mehr als zweihundert, obgleich später (da einige nachgaben) über dreihundert dasaßen. Außerdem veröffentlichte er gerade zu Beginn ihrer Sitzung einige seiner eigenen Verordnungen, die vor dem Termin ihrer Sitzung datiert waren, damit sie sehen sollten, dass seine eigenen Erlasse ebenso rechtsgültig wie die ihren waren. Aber all dies trug nicht dazu bei, dass sie ihre Lage erkannten. Sie schritten zur Debatte jedes einzelnen Artikels der Anerkennung. B  Sie hätten dies debattieren sollen, bevor sie es annahmen.

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A  Aber dann wäre ihnen nicht gestattet worden zu tagen. Cromwell, der von ihrem eigensinnigen Vorgehen unterrichtet war und keine Hilfe mehr von ihnen erwartete, löste sie auf. Alles, was außerdem in diesem Jahr geschah, war die Verurteilung einiger Royalisten vor dem High Court of Justice wegen ihrer Verschwörungen.93 Im Jahr 1655 landeten die Engländer, nahezu 10 000 an Zahl, auf der Insel Hispaniola, in der Hoffnung, Silber und Gold, von dem sie glaubten, dass es in der Stadt Santo Domingo im Überfluss vorhanden sei, zu plündern. Aber sie wurden von wenigen Spaniern geschlagen und wandten sich mit Verlust von beinahe tausend Mann nach Jamaika, das sie besetzten.94 In diesem Jahr machte die Königspartei von neuem einen Versuch im Westen und proklamierte dort König Charles II., aber nur wenige verbanden sich mit ihnen, und als einige abfielen, wurden sie bald unterworfen und viele Führer hingerichtet. B  Mit diesen vielen Aufständen verursachten die Royalisten, obgleich sie es gut meinten, dem König durch ihre Ungeduld nur Schaden. Wie konnten sie hoffen, sich gegen eine so große Armee, wie der Protektor sie in Bereitschaft hatte, durchzusetzen? Welche Ursache hatte man zu verzweifeln, da man doch sah, dass die Sache des Königs durch die Unstimmigkeit und den Ehrgeiz der großen Befehlshaber in jenem Heer besser vorankam, wobei viele den Vorzug hatten, von ihnen ebenso geschätzt zu werden wie Cromwell selber. A  Das war ziemlich ungewiss. Der Protektor, der in seiner Hoffnung, in Santo Domingo Gold zu finden, getäuscht war, beschloss, den Royalisten jährlich den zehnten Teil ihrer Einkünfte abzunehmen. Und hauptsächlich zu diesem Zweck teilte er England in elf Generalmajorschaften ein und gab jedem Generalmajor den Befehl, eine Liste aller derjenigen Personen und ihrer Güter innerhalb seines Bezirks anzulegen, die verdächtig waren, zur Königspartei zu gehören, und ebenso, von ihnen Sicherheiten zu fordern, dass sie nicht gegen den Staat tätig sein und alle

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Verschwörungen, die zu ihrer Kenntnis kommen würden, auf­ decken würden und sich in derselben Hinsicht für ihre Untergebenen zu verpflichten. Sie hatten ebenfalls den Befehl, Pferderennen und Volksversammlungen zu verbieten und das Geld von diesem Zehnten in Empfang zu nehmen und darüber Rechnung zu legen.95 B  Dadurch konnte der Usurpator sich leicht über die Werte aller Güter in England und über das Verhalten und die Stimmung einer jeden Person von Rang unterrichten, was vordem als große Tyrannei gegolten hat. A  Das Jahr 1656 war nach dem Instrument ein Parlamentsjahr. In dem Zeitraum zwischen dem Anfang dieses Jahres und der Parlamentseröffnung am 17. September residierten diese Generalmajore in verschiedenen Provinzen und benahmen sich äußerst despotisch. Unter anderem war eine ihrer tyrannischen Handlungen die Einschüchterung bei Wahlen, wobei sie sich selber und diejenigen, die ihnen genehm waren, in das Parlament hineinbrachten; dies galt auch für einen Teil der Absichten Cromwells bei ihrer Einsetzung, denn er benötigte ein bewilligendes Parlament, nachdem er kürzlich infolge eines mit den Franzosen geschlossenen Friedens mit Spanien in Krieg verwickelt wurde.96 In diesem Jahr lauerte Kapitän Stainer der spanischen Silberflotte auf, die aus acht Schiffen bestand. Er versenkte zwei davon auf der Höhe von Cadiz und kaperte zwei, wovon sich in einem zwei Millionen Piaster befanden, die einen Wert von 400 000 £ Sterling hatten. In diesem Jahr war es auch, dass James Naylor in Bristol auftrat und für Jesus Christus gehalten werden wollte. Er trug den Bart gabelförmig, und seine Haartracht war nach Art des Bildes im Volto Santo angeordnet, und wenn er gefragt wurde, antwortete er manchmal: „Du sagst es.“ Er hatte auch seine Jünger, die neben seinem Pferd einherzugehen pflegten und bis an die Knie im Dreck wateten. Als das Parlament ihn kommen ließ, wurde er

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dazu verurteilt, am Pranger zu stehen, seine Zunge durchbohren zu lassen, an der Stirn mit dem Buchstaben B wegen Blasphemie gebrandmarkt zu werden und in Bridewell97 in Haft zu bleiben. Lambert, ein großer Liebling des Heeres, versuchte ihn zu retten, teils, weil er unter ihm gedient hatte, und teils, um sich bei den Sektierern der Armee einzuschmeicheln, denn er stand bei dem Protektor nicht mehr in Gunst, aber sann darauf, wie er sein Nachfolger an der Macht werden könnte. Etwa zwei Jahre vor diesem Ereignis trat in Cornwall eine Prophetin auf, die wegen ihrer Träume und Visionen sehr berühmt war, und viele, darunter verschiedene bedeutende Offiziere, hörten ihr zu. Doch seit sie und einige ihrer Mitschuldigen gefangengenommen wurden, hörten wir nichts mehr von ihr. B  Ich habe von einem anderen gehört; er hieß Lilly und prophezeite während der ganzen Zeit des Langen Parlaments. Doch was machten sie mit ihm? A  Seine Prophezeiungen waren anderer Art. Er schrieb Almanache und war ein angeblicher Kenner einer angeblichen Kunst von kritischer Astrologie, ein bloßer Schwindler, der von einer Menge unwissenden Volkes sich Unterhalt verschaffen wollte, und ohne Zweifel wäre er zur Verantwortung gezogen worden, wenn seine Prophezeiungen irgendwie nachteilig für jenes Parlament gewesen wären. B  Ich verstehe nicht, wie die Träume und Weissagungen von Verrückten (dafür halte ich alle, die zukünftige Ereignisse voraussagen) für den Staat von großem Nachteil sein können. A  Doch. Du weißt, dass es nichts gibt, was menschliche Entschlüsse so schwierig macht wie die Ungewissheit der Zukunft, und nichts, was die Menschen so trefflich in ihren Überlegungen leitet wie das Voraussehen der Folgen ihrer Handlungen; die Prophezeiung ist oft die Hauptursache für das bereits vorhergesagte Ereignis gewesen. Wenn das Volk auf Grund einer Weissagung fest davon überzeugt worden wäre, dass Cromwell und sein Heer an einem kommenden Tage eine vollkommene Niederlage erlei-

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den würden, hätte dann nicht jeder versucht, der Partei, die ihm diese Niederlage beibringen sollte, beizustehen und sich um sie verdient zu machen? Dies war der Grund, warum die Wahrsager und Astrologen so oft aus Rom verbannt wurden. Das letzte bemerkenswerte Ereignis dieses Jahres war ein Antrag, den ein Mitglied des Hauses, ein Stadtrat [ Alderman ] Londons, stellte, dass das Haus den Protektor bitten und ihm raten sollte, den Titel Protektor abzulegen und den Titel König anzunehmen. B  Das war in der Tat ein kühner Antrag, der, wenn er durchgegangen wäre, dem Ehrgeiz vieler Menschen und der Zügel­ losigkeit des ganzen Heeres ein Ende gesetzt hätte. Ich glaube, der Antrag wurde in der Absicht gestellt, sowohl den Protektor als auch seine ehrgeizigen Offiziere zu verderben. A  Das ist möglich. Die erste Tat des Parlaments im Jahre 1657 war der Entwurf dieser Petition an den Protektor, die Regierung der drei Nationen mit dem Titel König zu übernehmen. Es war auch hier wie bei früheren Parlamenten: Der größte Teil der Mitglieder war entweder gewaltsam aus dem Haus ferngehalten worden oder sie hatten vermieden, an der Tagung teilzunehmen, um nicht an der Einsetzung dieses Königs Oliver mitschuldig zu werden. Aber jene wenigen, die an der Sitzung teilnahmen, überreichten am 9. April im Bankettsaal von Whitehall dem Protektor ihre Petition, wo der Sprecher Sir Thomas Widdrington sie begründete, und der Protektor wünschte erst einmal, im Gebet mit Gott zu sprechen, da die Sache gewichtig sei. Am folgenden Tag sandten sie eine Abordnung zu ihm, um seine Antwort in Empfang zu nehmen. Die Antwort war nicht sehr klar, sie drängten ihn von neuem zu einem Entschluss, worauf er in einer langen Rede Antwort erteilte, die in einer entschiedenen Weigerung bestand. Und indem er so noch den Titel Protektor beibehielt, übernahm er die Regierung gemäß einigen in der Petition enthaltenen Artikeln.

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B  Warum lehnte er den Titel König ab? A  Weil er nicht wagte, ihn zu dieser Zeit anzunehmen; das Heer war seinen höheren Offizieren ergeben; da nun unter diesen viele auf die Nachfolge hofften, die sogar dem Generalmajor Lambert versprochen worden war, so hätten sie wohl am Ende gegen ihn gemeutert. Er war deshalb gezwungen, auf eine günstigere Gelegenheit zu warten.98 B  Was waren das für Artikel? A  Die wichtigsten davon waren: 1. Dass er das Amt des obersten Beamten von England, Schottland und Irland unter dem Titel Protektor ausüben und diese Nationen entsprechend jener Petition und Anweisung regieren und bei Lebzeiten seinen Nachfolger ernennen solle. B  Ich glaube, die Schotten haben, als sie erstmals rebellierten, niemals daran gedacht, dass sie absolut regiert werden würden, wie es dann unter Oliver Cromwell geschah. A  2. Dass er spätestens alle drei Jahre ein Parlament einberufen solle. 3. Dass die rechtmäßig gewählten Mitglieder nicht ohne Zustimmung des Hauses ausgeschlossen werden durften. Bei der Zustimmung zu dieser Klausel entging dem Protektor, dass die ausgeschlossenen Mitglieder des gegenwärtigen Parlaments damit wieder zugelassen waren. 4. Die Mitglieder wurden näher qualifiziert. 5. Die Macht des „Anderen Hauses“ wurde genau bestimmt. 6. Dass kein Gesetz anders als durch eine Parlamentsakte erlassen werden dürfe. 7. Dass eine feste jährliche Summe von einer Million Pfund zur Unterhaltung von Heer und Flotte festgesetzt würde und dreihunderttausend Pfund zur Unterstützung der Regierung, außer anderen zeitweiligen Hilfsgeldern, die das House of Commons für notwendig halten würde. 8. Dass alle Staatsbeamten durch das Parlament gewählt werden sollten. 9. Dass der Protektor die Geistlichkeit unterstützen solle. Endlich, dass er ein Religionsbekenntnis beschließen und ver­ öffentlichen lassen solle. Es gab noch verschiedene andere von geringerer Wichtigkeit.

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Als er die Artikel unterzeichnet hatte, wurde er sofort von neuem mit großer Feierlichkeit eingesetzt. B  Wozu war das nötig, da er doch auch jetzt nur Protektor war? A  Aber die Artikel dieser Petition waren nicht alle dieselben wie die seines früheren Instruments. Denn es gab jetzt eine zweite Kammer, und während vorher sein Staatsrat den Nachfolger ernennen sollte, so war er nun berechtigt, es selber zu tun. Er war also ein absoluter Monarch und konnte seine Nachfolge, wenn er wollte, seinem Sohn hinterlassen und sie so vererben oder sonst nach eigenem Gutdünken übertragen. Als die Zeremonie beendet war, vertagte sich das Parlament auf den 20. Januar, und dann tagte auch die Zweite Kammer und die ausgeschlossenen Mitglieder saßen, entsprechend einem Artikel der Petition, neben ihren Kollegen. Das House of Commons, das nun vollzählig war, schenkte der zweiten Kammer, worin von 60 Mitgliedern nicht über neun Lords waren, wenig Beachtung, sondern begann alles in Frage zu stellen, was ihre Kollegen während der Zeit ihres Ausschlusses getan hatten; daraus wäre die Annullierung der kürzlich dem Protektor verliehenen Macht gefolgt. Deshalb ging er ins Parlament und hielt ihnen eine Rede, die mit diesen Worten endete: Beim lebendigen Gott, ich muss und werde euch auflösen! In diesem Jahr führten die Engländer wieder einen großen Schlag gegen die Spanier bei Santa Cruz, der nicht viel schwächer war als der, den sie ihnen im vorigen Jahr in der Bucht von Cadiz versetzt hatten. Um die Zeit der Auflösung dieses Parlaments unternahmen die Royalisten wieder einen Anschlag gegen den Protektor, der darin bestand, einen Aufruhr in England herbeizuführen. Der König befand sich damals in Flandern und war bereit, ihnen mit einem Heer von dort aus beizustehen. Doch auch dies wurde durch Verrat entdeckt und führte zu nichts anderem als zum Verderben derer, die daran beteiligt waren, von denen Anfang des nächsten

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Jahres viele durch einen Hohen Gerichtshof ins Gefängnis geworfen und einige hingerichtet wurden. In diesem Jahr wurde auch der Generalmajor Lambert aller Würden entkleidet, ein Mann, der niemandem außer Oliver in der Gunst der Armee nachstand. Aber weil er erwartete, auf Grund dieser Gunst oder eines Versprechens vom Protektor sein Nachfolger in der höchsten Gewalt zu werden, so wäre es gefährlich gewesen, ihn Befehlsgewalt in der Armee behalten zu lassen, da der Protektor seinen ältesten Sohn Richard zu seinem Nachfolger bestimmt hatte. Im Jahre 1658, am 3. September, starb der Protektor, der seit seiner letzten Einsetzung ständig mit der Furcht lebte, durch einen verzweifelten Anschlag der Royalisten umzukommen, in White­ hall. Da er während seiner Krankheit von seinem geheimen Rat [ Privy Council ] dringend gebeten wurde, seinen Nachfolger zu bestimmen, benannte er seinen Sohn Richard, der nicht durch seinen eigenen Ehrgeiz, sondern durch Fleetwood, Desborough, Thurlow und andere aus seinem Rat dazu gebracht wurde, das Amt anzunehmen. Und sofort sandten ihm die Heere in England, Schottland und Irland Ergebenheitsadressen. Seine erste Amtshandlung war das kostspielige und prächtige Begräbnis seines Vaters. So übernahm Richard Cromwell seinen Sitz auf dem Thron Englands, Irlands und Schottlands als Nachfolger seines Vaters, von den in London befindlichen Offizieren des Heeres dazu erhoben und beglückwünscht von allen Teilen der Armee der drei Länder; kaum eine Garnison verabsäumte, ihm besonders schmeichelhafte Glückwünsche zu senden. B  Da ihn die Armee doch anerkannte, warum wurde er so bald gestürzt? A  Die Armee war unbeständig, er selbst unentschlossen und ohne jeglichen militärischen Ruhm. Und obgleich die beiden einflussreichsten Offiziere in nahem Verhältnis zu ihm standen, so

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war doch keiner von ihnen, sondern Lambert der große Günstling der Armee, der dadurch, dass er Fleetwood schmeichelte, die Protektorschaft anzunehmen, und dadurch, dass er mit den Soldaten sich einließ, wieder Oberst geworden war. Er und die übrigen Offiziere hielten einen Rat in Wallingford House (wo Fleetwood wohnte), um Richard abzusetzen, obgleich sie noch nicht darüber nachgedacht hatten, wie die Nationen anschließend regiert werden sollten. Denn von Beginn der Rebellion an war die Methode des Ehrgeizes beständig diese: erst zu zerstören und dann darüber nachzudenken, was sie an seine Stelle setzen sollten. B  Konnte nicht der Protektor, der in Whitehall hofhielt, dahinterkommen, was die Offiziere in Wallingford House vorhatten, das ihm so nahe war? A  Ja. Er wurde von mehreren seiner Freunde darüber unterrichtet, und einige, die sich dazu erboten, rieten ihm, die Rädelsführer zu töten. Aber er hatte nicht genug Mut, ihnen einen solchen Auftrag zu erteilen. Er folgte deshalb dem Rat einiger gemäßigterer Personen, der dahin ging, ein Parlament einzube­ rufen. Deshalb wurden sofort Vorladungen an diejenigen gesandt, die im letzten Parlament die zweite Kammer gebildet hatten, und andere Schreiben an die Sheriffs, sich für die Wahl von Rittern und Bürgern am 27. Januar zu versammeln. Die Wahlen geschahen nach der althergebrachten Weise, und es wurde ein House of Commons nach der richtigen englischen Art gebildet, etwa vierhundert an der Zahl, einschließlich zwanzig für Schottland und ebenso viel für Irland. Nach ihrem Zusammentritt setzten sie sich selbst ohne den Protektor und die Zweite Kammer als Parlament ein, das die höchste Gewalt über die drei Nationen besitze. Als ihre erste Handlung beabsichtigten sie, die Macht jener Zweiten Kammer in Frage zu stellen, aber weil der Protektor ihnen als ersten Verhandlungsgegenstand eine (schon entworfene) Akte zur Anerkennung seiner Protektorgewalt anempfohlen hatte, so begannen sie hiermit; sie beschlossen (nach vierzehn­tägiger Beratung), dass eine Parlamentsakte erlassen werden sollte, von der

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diese Anerkennungsakte ein Teil sein sollte, und dass ein anderer Teil die Beschränkung der Macht des Protektors und die Sicherung der Vorrechte des Parlaments und der Freiheiten der Untertanen behandeln und dass alles zusammen verabschiedet werden sollte. B  Warum gehorchten diese Leute zunächst dem Protektor, da sie auf seine bloße Einberufung hin zusammentraten? War das nicht bereits eine Anerkennung seiner Macht in dem Maße, wie es erforderlich war? Warum lehrten sie das Volk durch dieses Beispiel, dass man ihm gehorchen müsse, und dann dadurch, dass sie ihm Gesetze auflegten, das Gegenteil? War es nicht der Protektor, der das Parlament schuf? Warum erkannten sie ihren Schöpfer nicht an? A  Ich glaube, der Wunsch der meisten Menschen besteht darin, Macht auszuüben. Aber nur wenige von ihnen wissen, welches Recht einer mehr als der andere darauf hat, außer dem Recht des Schwertes. B  Wenn sie das Recht des Schwertes anerkannten, so war es weder gerecht noch klug, sich der gegenwärtigen Staatsform zu widersetzen, die von allen Streitmächten der drei Königreiche errichtet und anerkannt war. Die Grundsätze dieses House of Commons waren ohne Zweifel ganz dieselben wie die derer, die die Rebellion anzettelten, und sie hätten, wenn sie ein ausreichendes Heer hätten ausheben können, genau so gegen den Protektor gehandelt und der General ihrer Armee hätte sie gleicherweise zu einem Rumpf verkürzt. Denn wer ein Heer unterhält und es nicht in der Hand hat, muss ihm unterworfen sein wie einer, der einen Löwen in seinem Hause hält. Der Charakter aller Parlamente ist seit der Zeit der Königin Elisabeth derselbe wie der dieses Parlamentes gewesen und wird immer so sein, solange Presbyterianer und Menschen mit demokratischen Grundsätzen den gleichen Einfluss auf die Wahlen haben. A  Danach beschlossen sie in Bezug auf die Zweite Kammer, während der Dauer dieses Parlaments mit ihr zu verhandeln, aber

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ohne die Rechte der Peers zu beschneiden, zu allen zukünftigen Parlamenten Wahlausschreiben zu empfangen. Als diese Bestimmungen durchgegangen waren, verhandelten sie über eine andere, worin sie selbst die Militärhoheit beanspruchten. Sie befreiten auch, um ihre oberste Gewalt zu zeigen, einige aus dem Gefängnis, die (wie sie sagten) vom vorigen Protektor ungesetzlicherweise verhaftet worden waren. Andere Punkte in Bezug auf bürgerliche Rechte und Religion, die dem Volk sehr angenehm waren, fielen nun auch unter ihre Erwägung, so dass der Protektor am Ende dieses Jahres nicht weniger eifersüchtig auf das Parlament war als auf den Offiziersrat in Wallingford House. B  So ist es, wenn unwissende Menschen eine Reform unternehmen. Da sind drei Parteien: Protektor, Parlament und Heer. Der Protektor gegen Parlament und Heer, das Parlament gegen Heer und Protektor und das Heer gegen Protektor und Parlament. A  Anfang 1659 gingen im Parlament verschiedene andere Akte durch. Einer war, die Zusammenkünfte der Offiziersräte der Armee ohne Befehl des Protektors und beider Häuser zu verbieten; eine andere, dass niemand ein Kommando oder eine Vertrauensstellung im Heer haben sollte, der sich nicht zuvor unter der Hand verpflichtete, niemals irgendein Parlamentsmitglied zu unterbrechen, damit sie frei im Hause zusammenkommen und debattieren konnten. Und um den Soldaten zu gefallen, bestimmten sie, dass sie sogleich über die Mittel beraten wollten, die erforderlich waren, um ihnen ihren rückständigen Sold zu zahlen. Aber während sie darüber berieten, verbot der Protektor (auf Grund der ersten dieser Parlamentsakte) die Zusammenkünfte der Offiziere in Wallingford House. Dies bewirkte, dass die Regierung, die durch die Meinungsverschiedenheit zwischen Protektor und Heer schon gelockert war, auseinanderfiel. Denn die Offiziere von Wallingford House zogen mit einer Anzahl Soldaten nach White­ hall und brachten eine fertiggeschriebene Vollmacht (mit dem

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Auftrag für Desborough, das Parlament aufzulösen) mit sich, zur Unterzeichnung durch den Protektor; da diesem der Mut sank und seine Partei versagte, unterzeichnete er wirklich. Das Parlament setzte dessen ungeachtet seine Tagungen fort, doch Ende der Woche vertagte sich das Haus auf den nächsten Montag, den 25. April. Als die Mitglieder am Montagmorgen kamen, fanden sie das Tor des Parlamentshauses verschlossen und die Zugänge von Soldaten besetzt, die ihnen offen sagten, dass sie nicht länger tagen dürften. So endete Richards Autorität und Aufgabe in London, und er zog sich aufs Land zurück, wo er innerhalb weniger Tage (unter dem Versprechen, dass seine Schulden, die durch das Begräbnis seines Vaters beträchtlich angewachsen waren, bezahlt würden) den Verzicht auf seine Protektorwürde unterzeichnete. B  Zu wessen Gunsten? A  Niemandes. Aber nach zehntägiger Unterbrechung der souveränen Gewalt beschlossen einige der Mitglieder des Rumpfparlaments, die in London waren, zusammen mit dem alten Sprecher William Lenthal, gemeinsam mit Lambert, Hazlerig und anderen Offizieren, die auch Mitglieder des Rumpfes und zusammen zweiundvierzig waren, in das Haus zu gehen. Sie taten das und wurden vom Heer zum Parlament erklärt. Während all dieser Zeit befanden sich in Westminster Hall in persönlichen Geschäften einige derer, die die Armee im Jahre 1648 ausgeschlossen hatte und welche die ausgeschlossenen Mitglieder genannt wurden. Diese versuchten, da sie wussten, dass sie kraft derselben Autorität gewählt worden waren und dasselbe Recht hatten zu tagen, in das Parlament zu gelangen, wurden aber von den Soldaten daran gehindert. Der erste Beschluss des wieder zusammengetretenen Rumpfparlaments war der, dass solche Personen, die vordem Mitglieder dieses Parlaments waren, jedoch seit dem Jahre 1648 nicht an diesem Parlament teilgenommen hatten, auch in diesem Hause sitzen sollten bis auf ferneren Befehl des Parlaments. Und so erlangte das Rumpfparlament seine im April 1653 verlorene Autorität am 7. Mai 1659 wieder.

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B  Da so viele Verschiebungen in der obersten Autorität stattgefunden hatten, bitte ich dich um meines Gedächtnisses willen, sie kurz in chronologischer Reihenfolge zu wiederholen. A  Zuerst war von 1640 bis 1648, als der König ermordet wurde, die Souveränität zwischen Charles I. und dem presbyterianischen Parlament umstritten. Zweitens lag von 1648 bis 1653 die Macht bei dem Teil des Parlaments, welcher die Verurteilung des Königs beschlossen und sich selbst ohne König und House of Lords zum Träger der obersten Gewalt von England und Irland erklärt hatte. Denn es gab im Langen Parlament zwei Parteien, Presbyterianer und Independenten, die ersteren beabsichtigten nur eine Unterwerfung des Königs, nicht direkt seine Vernichtung, die letzteren zielten unmittelbar auf seine Vernichtung ab, und dieser Teil ist es, der das Rumpfparlament heißt. Drittens lag die oberste Gewalt vom 20. April bis zum 4. Juli in den Händen eines von Cromwell geschaffenen Staatsrates. Viertens lag sie vom 4. Juli bis zum 12. Dezember desselben Jahres in den Händen der Männer, die Cromwell dazu berufen hatte und die er Leute von Treue und Lauterkeit nannte und zu einem Parlament konstituierte, welches nach einem der Mitglieder verächtlich Barebone’s Parlament genannt wurde. Fünftens lag sie vom 12. Dezember 1653 bis zum 3. September 1658 bei Oliver Cromwell, der sie unter dem Namen Protektor innehatte. Sechstens hatte sie als Nachfolger seines Vaters vom 3. September 1658 bis zum 25. April 1659 Richard Cromwell inne. Siebentens war sie zwischen dem 25. April 1659 und dem 7. Mai desselben Jahres nirgends. Achtens erlangte das Rumpfparlament, das 1653 verjagt worden war, sie am 7. Mai 1659 wieder und sollte sie wieder an einen Sicherheitsausschuss verlieren und sie wiedererlangen und dann von neuem an den rechtmäßigen Inhaber99 verlieren. B  Durch wen und wie wurde das Rumpfparlament das zweite Mal verjagt? A  Man sollte denken, dass sie sicher genug waren. Das in Schottland befindliche Heer, welches, als es in London war, Oli-

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Vierter Dialog 225

ver geholfen hatte, das Rumpfparlament niederzuschlagen, unterwarf sich nun, bat um Verzeihung und versprach Gehorsam. Den Soldaten in London wurde der Sold erhöht, und überall nahmen die Kommandeure ihre alte Verpflichtung wieder auf, wodurch sie ihre Autorität früher anerkannt hatten. Auch empfingen sie ihre Anweisungen im Parlament selbst von dem Sprecher, der Generalissimus war. Fleetwood wurde zum Generalleutnant ernannt, jedoch mit so vielen Beschränkungen, wie sie dem Rumpfparlament notwendig erschienen, das sich erinnerte, wie ihm vom General Oliver gedient worden war. Auch Henry Cromwell, der Statthalter (Lord Lieutenant) von Irland, kehrte, nachdem er auf Befehl seinen Abschied genommen hatte, nach England zurück. Aber Lambert, dem (wie gesagt wurde) Oliver die Nachfolge versprochen hatte und der genauso gut wie das Rumpfparlament den Weg zur Protektorschaft in Olivers eigenen Fußtapfen kannte, war entschlossen, ihn bei der ersten Gelegenheit zu gehen, welche sich ihm kurz danach bot. Außer einigen Verschwörungen der Royalisten, die sie nach alter Weise wieder verfolgten, wurde ein Aufstand gegen sie von Presbyterianern in Cheshire unternommen, der von Sir George Booth, einem der ausgeschlossenen Mitglieder, angeführt wurde. Sie waren ungefähr dreitausend an der Zahl, und ihre Forderung war ein freies Parlament. Zur selben Zeit war die Rede von einer anderen Erhebung oder von dem Versuch einer solchen in Devon­ shire und Cornwall. Um Sir George Booth zu unterwerfen, sandte das Rumpfparlament ein mehr als genügendes Heer unter Lambert aus, welches schnell die Cheshire-Partei schlug und Chester, Liverpool und alle anderen Orte, die sie eingenommen hatten, wiedereroberte. Ebenfalls wurden verschiedene ihrer Kommandeure in und nach der Schlacht gefangengenommen, worunter sich auch Sir George Booth befand. Nachdem dieser Kampf beendet war, schmeichelte Lambert vor seiner Rückkehr seinen Soldaten mit einem Gastmahl in seinem

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Vierter Dialog

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eigenen Haus in Yorkshire und erhielt ihre Einwilligung zu einer Petition, die an das Parlament gerichtet werden sollte, dass das Heer einen General erhalten sollte, da es unangemessen sei, dass das Heer einer außer ihm stehenden Gewalt unterworfen sei. B  Ich sehe diese Unangemessenheit nicht ein. A  Ich auch nicht. Aber es war (wie ich gehört habe) ein Grundsatz des Sir Henry Vane. Aber er missfiel dem Rumpfparlament so, dass es beschloss, dass eine Vermehrung über die bereits bestehende Zahl der Generäle in der Armee hinaus unnötig, lästig und gefährlich für den Staat sei. B  Das war nicht Olivers Methode. Denn obgleich dieser Cheshire-Sieg ebenso ruhmreich wie jener Olivers bei Dunbar gewesen war, so war es doch nicht dieser Sieg, der Oliver Cromwell zum General machte, sondern der Abschied Fairfax’ und das Anerbieten des Parlaments. A  Aber Lambert hatte eine so hohe Meinung von sich, dass er es erwartete. Deshalb setzten er und andere Offiziere, die sich nach ihrer Rückkehr nach London in Wallingford House versammelten, ihre Petition in gehöriger Form auf und nannten sie eine Darstellung, worin der Hauptpunkt die Forderung nach einem General war, aber viele andere von geringerer Wichtigkeit waren hinzugefügt. Diese Petition ließen sie durch Generalmajor Desborough am 4. Oktober dem Parlament unterbreiten, das sich dadurch so stark einschüchtern ließ, dass sie gute Miene machten und versprachen, sofort darüber in Verhandlung zu treten. Das taten sie, und am 12. Oktober, nachdem sie wieder zu sich gekommen waren, beschlossen sie, dass die Offizierspatente Lamberts, Desboroughs und der anderen vom Rat in Wallingford House ungültig sein sollten, ebenso dass der Oberbefehl über die Armee von einer Kommission, die aus Fleetwood, Monck, Hazlerig, Walton, Morley und Overton bestand, bis zum 12. Februar ausgeübt werden sollte. Und um dies geschickt und zuverlässig gegen den Widerstand, den sie von Lambert erwarteten, durchzuführen, befahlen sie Hazlerig und Morley, solche Offiziere, denen sie

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Vierter Dialog 227

trauen konnten, zu beauftragen, mit ihren Soldaten am nächsten Morgen nach Westminster zu marschieren; das geschah etwas zu spät. Denn Lambert hatte zuerst seine Soldaten dahingebracht und das Haus besetzt und schickte den Sprecher, der eben herankam, zurück; aber Hazlerigs Streitkräfte, die die Mauer des St. James-Parks umgingen, besetzten den Kirchhof St. Margaret, und so behandelten sich beide Parteien den ganzen Tag gegenseitig als Feinde, aber machten keinen Angriff: Hierdurch wurde dem Rumpfparlament der Besitz des Hauses genommen, und die Offiziere fuhren fort, wie zuvor ihre Tagungen in Wallingford House zu halten. Dort wählten sie einen Ausschuss, der sich aus einigen von ihnen und aus einigen Bürgern der City zusammensetzte, welchen sie Sicherheitsausschuss [ Committee of Safety ] nannten, dessen Führer Lambert und Vane waren, die zusammen mit der Zustimmung eines allgemeinen Offiziersrates die Macht hatten, Delinquenten den Prozess zu machen, mit fremden Staaten zu verhandeln usw. Du siehst nun, dass das Rumpfparlament ­abgetan und dass die höchste Gewalt (die mit der salus populi betraut ist) einem Offiziersrat übertragen war. Und trotzdem rechnete am Ende Lambert darauf. Aber eine ihrer Einschränkungen war, dass sie der Armee innerhalb von sechs Wochen ein neues Regierungssystem vorlegen sollten. Wenn sie dies getan hätten, meinst du, dass sie eher Lambert oder irgendeinen anderen als Träger der obersten Gewalt als sich selbst vorgeschlagen hätten? B  Ich denke nein. Wenn das Rumpfparlament unter wenigen anderen zur Führung der Armee, das heißt zur Regierung der drei Nationen, General Monck, der bereits Oberbefehlshaber in Schottland war und im Krieg viel größere Leistungen vollbracht hatte als Lambert, in Dienst gestellt hatte, wie durften sie ihn von diesem Sicherheitsausschuss ausschließen? Oder wie konnte Lambert glauben, dass General Monck es vergeben würde und nicht versuchen würde, das Rumpfparlament wieder zu festigen?

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Vierter Dialog

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A  Sie dachten nicht an ihn; seine Tapferkeit hatte er auf ent­ legenen Schauplätzen, nämlich in Irland und Schottland, gezeigt. Sein Ehrgeiz war hier nicht in ihren Streitigkeiten um die Regierung aufgetaucht, sondern er hatte sich sowohl Richard als auch dem Rumpfparlament gefügt. Nachdem General Monck brieflich sein Missfallen über das Vorgehen Lamberts und seiner Genossen ausgedrückt hatte, waren sie sehr überrascht und begannen, ihn für bedeutender zu halten, als sie es getan hatten, aber es war zu spät. B  Warum? Sein Heer war sehr klein für ein so großes Unternehmen. A  Der General kannte sehr wohl seine eigenen und ihre Streitkräfte, sowohl ihren damaligen Zustand als auch ihre Verstärkungsmöglichkeiten, und wusste auch, was im Allgemeinen Stadt und Land wünschten, nämlich die Wiedereinsetzung des Königs. Um das auszuführen, brauchte er nur mit seiner Armee (wenn sie auch nicht groß war) nach London zu kommen; dabei stand ihm nur die Armee Lamberts als Hindernis im Wege. Was konnte er in diesem Fall tun? Wenn er sich sofort für den König oder für ein freies Parlament erklärt hätte, so hätten alle Armeen Englands sich gegen ihn verbündet, und den Titel eines Parlaments annehmend, hätten sie sich mit Geld versorgt. Nachdem General Monck so durch seinen Brief mit dem Offiziersrat gestritten hatte, nahm er zuerst diejenigen Offiziere seiner eigenen Armee in Gewahrsam, welche Anabaptisten waren und denen er deshalb nicht traute, und setzte andere an ihre Stelle; dann zog er seine Truppen zusammen und marschierte nach Berwick. Dort berief er eine Versammlung der Schotten ein, von denen er wünschte, dass sie für die Sicherheit jener Nation während seiner Abwesenheit Sorge trügen und ihm für seine Armee während des Marsches einige Unterstützung gewährten. Die Versammlung versprach, ihr Bestes für die Sicherheit der Nation zu versuchen und brachte für ihn eine Summe Geldes zusammen, die nicht groß war, aber für diesen Zweck ausreichte, und

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Vierter Dialog 229

sie entschuldigten sich wegen ihrer gegenwärtigen Armut. Auf der anderen Seite schickte der Sicherheitsausschuss Lambert mit dem größten und besten Teil der Armee aus, um ihm Widerstand zu leisten, aber zur gleichen Zeit drängten sie ihn durch verschiedene Botschaften und Unterhändler zur Verhandlung, worin er einwilligte, und er sandte drei Offiziere nach London, um mit der gleichen Anzahl von ihnen zu verhandeln. Diese sechs beschlossen vorschnell (ohne Vollmacht von Seiten des Generals) neben verschiedenen anderen diese Artikel: dass der König ausgeschlossen sein solle; dass ein Freistaat errichtet werden und die Geistlichkeit und die Universitäten unterstützt werden sollten. Dieses missbilligte der General und setzte einen seiner Beauftragten wegen Überschreitung seiner Vollmacht gefangen. Worauf ein anderer Vertrag zwischen fünf Abgeordneten von jeder Seite geschlossen wurde. Aber während dieser Verhandlungen unternahm Hazlerig, ein Mitglied des Rumpfparlaments, einen Angriff auf die Stadt Portsmouth, und die Soldaten, die von dem Sicherheitsausschuss ausgeschickt waren, um sie wieder einzunehmen, marschierten stattdessen in die Stadt ein und verbanden sich mit Hazlerig. Zweitens war die Stadt London von neuem wegen der Forderung eines freien Parlaments im Aufruhr. Drittens hob Lord Fairfax, ebenfalls ein Mitglied des Rumpfparlaments, der in Yorkshire großen Einfluss besaß, Streitkräfte im Rücken Lamberts aus; da dieser nun zwischen zwei Heeren stand, hätten seine Feinde gern unter dem General gekämpft. Viertens kam Nachricht, dass Devonshire und Cornwall dabei waren, Soldaten anzuwerben; endlich wurde Lamberts Heer, dem es an Geld fehlte und das sicher war, nicht von dem Offiziersrat versorgt zu werden, welcher weder die Autorität noch die Macht hatte, Geld zu erheben, unzufrieden, und es war (wegen der Einquartierung) in den nördlichen Grafschaften verhasst. B  Es wundert mich, dass die Schotten so bereit waren, General Monck mit Geld zu versorgen, da sie doch keine Freunde des Rumpfparlaments waren.

230

Vierter Dialog

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A  Ich weiß es nicht, aber ich glaube, die Schotten hätten sich noch zu einer größeren Summe entschlossen, um nur zu erreichen, dass die Engländer einander an den Ohren zausten. Der Offiziersrat war nun von so vielen Feinden bedrängt, dass er schleunigst sein Regierungssystem aufstellte, das in der Forderung eines freien Parlaments bestand, welches am 15. Dezember zusammentreten sollte, und zwar so modifiziert, dass es weder König noch House of Lords geben sollte, was London noch mehr als vorher erbitterte. Sie wagten nicht, Soldaten in den Westen zu senden, aus Angst vor der City, um den Aufruhr dort zu unterdrücken, auch konnten sie aus Mangel an Geld ein anderes Heer nicht anwerben. Es blieb ihnen nichts übrig, als sich aufzulösen und Wallingford House zu verlassen, um sich aus dem Staub zu machen. Als dies ihr Heer im Norden erfuhr, ließen sie Lambert im Stich, und am 26. Dezember nahm das Rumpfparlament das Haus wieder in Besitz. B  So war der Vorwand des Generals Monck für seinen Marsch auf London fortgefallen, nachdem das Rumpfparlament wieder eingesetzt war. A  Obgleich der Rumpf seine Sitze eingenommen hatte, so saß er doch nicht gut, sondern (mitten in so vielen Unruhen wegen der Forderung nach Wahl eines freien Parlaments) bedurfte er des Einrückens des Generals so sehr wie zuvor. Er ließ sie deshalb wissen, dass er, weil er glaubte, dass sie jetzt noch nicht genug gesichert seien, mit seinem Heer nach London kommen werde, was sie nicht nur annahmen, sondern ihn auch dringend darum baten, und sie bewilligten ihm für seine Dienste jährlich 1000 £. Als der General nach London marschierte, erhielt er vom ganzen Land Petitionen für ein freies Parlament. Das Rumpfparlament quartierte seine Armee aus, um der des Generals Platz zu schaffen. Der General hatte bei alledem während dieser ganzen Zeit kein Wort fallenlassen, das als eine Erklärung seiner end­ lichen Absicht verstanden werden konnte. B  Wie rächte sich das Rumpfparlament an Lambert?

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Vierter Dialog 231

A  Sie belästigten ihn nicht, ich kenne auch nicht den Grund, warum sie so glimpflich mit ihm verfuhren, aber sicherlich war Lambert der fähigste von allen Offizieren, die ihnen zu Diensten standen, wenn sie die Mittel und das Bedürfnis gehabt hätten, ihn einzusetzen. Nachdem der General nach London gekommen war, verlangte das Rumpfparlament den Steueranteil von 100 000 £ monatlich, den die City beizutragen hatte, für den Zeitraum von sechs Monaten, gemäß einer Parlamentsakte, welche das Rumpfparlament früher vor ihrer Vertreibung durch den Sicherheitsausschuss erlassen hatte. Aber die Stadt, die dem Rumpfparlament feindlich gegenüberstand und erpicht war auf ein freies Parlament, konnte nicht dazu gebracht werden, ihr Geld ihren Feinden und deren Zwecken hinzugeben, die ihren eigenen entgegengesetzt waren. Hierauf gab das Rumpfparlament dem General den Befehl, die Stadttore und Gatter niederzulegen und verschiedene widerspenstige Bürger einzukerkern. Er führte das aus, und das war der letzte Dienst, den er ihnen leistete. Um diese Zeit lief die Vollmacht ab, die General Monck und andere vom Rumpfparlament vor der Usurpation des Offiziersrates erhalten hatten, die Armee zu befehligen; das gegenwärtige Parlament erneuerte sie. B  Er erhielt dadurch den Oberbefehl über den sechsten Teil der gesamten Streitkräfte des Staates. Wenn ich das Rumpfparlament gewesen wäre, so hätte er der alleinige General sein müssen. In Fällen wie in diesem kann es kein größeres Verbrechen geben, als zu knickern. Der Ehrgeiz sollte freigebig sein. A  Nach der Niederlegung der Stadttore sandte der General einen Brief an das Rumpfparlament, um sie wissen zu lassen, dass dieser Dienst gar sehr gegen seine Neigung sei, und erinnerte sie daran, wie gut die City dem Parlament während des ganzen Krieges gedient habe. B  Ja. Denn ohne Hilfe der City hätte das Parlament niemals vermocht, den Krieg zu führen, noch hätte das Rumpfparlament jemals den König ermorden können.

232

Vierter Dialog

386 – 387

A  Das Rumpfparlament kümmerte sich weder um das Verdienst der City noch um die Gutherzigkeit des Generals. Es war rastlos tätig. Es erteilte Aufträge, fasste Beschlüsse, dem König und seinem Haus abzuschwören und die alte Verbindlichkeit zu erneuern, und beriet sich mit der City, um Geld zu erhalten. Der General wünschte auch einer Verhandlung zwischen einigen vom Rumpf und einigen der ausgeschlossenen Mitglieder über die Zulässigkeit ihrer Ausschließung und über den Schaden, der aus ihrer Wiederzulassung folgen könnte, beizuwohnen; dies wurde bewilligt. Nach langer Verhandlung fand der General die Ansprüche des Rumpfs unvernünftig und selbstsüchtig und erklärte sich mit der City für ein freies Parlament; er kam nach Westminster mit den ausgeschlossenen Mitgliedern (die er angewiesen hatte, in Whitehall zusammenzukommen und auf ihn zu warten) und wies ihnen wieder im Haus unter den Rumpfleuten ihre Plätze an; so dass jetzt von dem Vieh, das 1640 im House of Commons gewesen war, alles wieder im Stall war, mit Ausnahme derer, die tot waren, und derer, die seinerzeit zum König nach Oxford übergegangen waren.100 B  Aber dieses (scheint mir) war kein guter Dienst für den ­König, es sei denn, dass sie bessere Grundsätze gelernt hätten. A  Nichts hatten sie gelernt. Die Mehrheit war nun wieder presbyterianisch. Es ist wahr, sie zeigten sich gegenüber dem General Monck so erkenntlich, ihn zum Oberbefehlshaber der gesamten Streitkräfte der drei Nationen zu machen. Sie taten auch gut daran, ihre sogenannte Verpflichtung aufzuheben, das geschah aber, weil jene Beschlüsse zum Nachteil ihrer Partei erlassen worden waren, jedoch widerriefen sie keine ihrer eigenen rebellischen Verordnungen, noch taten sie irgendetwas zum Besten des gegen­wärtigen Königs, im Gegenteil erklärten sie durch einen Beschluss, dass der ehemalige König den Krieg gegen seine beiden Häuser begonnen habe. B  Waren die beiden Häuser, wenn man sie als Personen betrachtet, nicht beide Untertanen des Königs? Wenn ein König

387 – 389

Vierter Dialog 233

eine Armee gegen seine Untertanen aushebt, kann dann jener Untertan mit Recht gewaltsam Widerstand leisten, wenn er (wie in diesem Fall) durch seine Unterwerfung Frieden erreichen kann? A  Sie wussten, dass sie gemein und dumm gehandelt hatten, aber weil sie immer auf mehr denn gewöhnliche Weisheit und Gottseligkeit Anspruch erhoben hatten, ekelte ihnen davor, es zu gestehen. Die Presbyterianer hielten nun die Zeit für gekommen, ein Glaubensbekenntnis zu verfassen und legten dieses dem House of Commons vor; dieses, um zu zeigen, dass sie ihre Grundsätze nicht geändert hätten, beschloss (nach sechs Lesungen im Haus), dass das Glaubensbekenntnis gedruckt und einmal im Jahr in jeder Kirche öffentlich verlesen werden solle. B  Ich wiederhole, dass diese Wiedereinsetzung des Langen Parlaments dem König nicht zum Nutzen gereichte. A  Hab’ ein wenig Geduld. Es wurde unter zwei Bedingungen wiedereingesetzt. Die eine war, ihre Tagungen vor Ende März zu beenden, die andere, vor Schluss der Tagungen neue Wahlausschreibungen zu veranlassen. B  Das sind Einschränkungen. A  Das brachte den König herein: Denn nur wenige Mitglieder dieses Langen Parlaments (das Land fühlte noch den Schmerz, den ihm ihr früheres Wirken beigebracht hatte) konnten durchsetzen, wiedergewählt zu werden.101 Dieses neue Parlament begann seine Tagungen am 25. April 1660. Wie bald dies den König zurückrief, mit welcher Freude und mit welchem Triumph er empfangen wurde, wie sehr Seine Majestät bei diesem Parlament auf eine Amnestie102 drängte und wie wenige davon ausgenommen wurden: das weißt du so gut wie ich. B  Aber ich habe bei den Presbyterianern noch nicht beobachtet, dass sie ihre früheren Grundsätze vergessen hätten. Wir sind nur zu dem Zustand zurückgekehrt, wie er zu Beginn des Aufruhrs war. A  Nein, dem ist nicht so, denn vor jener Zeit besaßen die Könige von England die Militärhoheit kraft der Souveränität, ohne

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Vierter Dialog

389 – 390

dass es bestritten wurde und ohne eine besondere Akte des Parlaments hierfür, jetzt aber, nach diesem blutigen Kampf, hat das nächste Parlament (welches das gegenwärtige ist) in besonderen und ausdrücklichen Worten dasselbe für das ausschließliche Recht des Königs allein erklärt, ohne eines der Häuser des Parlaments; diese Akte ist für das Volk lehrreicher als irgendwelche Beweisgründe, die aus dem Titel „Souverän“ abgeleitet sind und die folglich besser dazu geeignet sind, den Ehrgeiz aller zukünftigen aufrührerischen Redner zu entwaffnen. B  Ich bitte Gott, dass es sich so erweist. Immerhin muss ich bekennen, dass dieses Parlament alles zur Sicherung unseres Friedens getan hat, was ein Parlament tun kann; ich denke, dies würde auch genügen, wenn die Prediger darauf achtgäben, ihrer Zuhörerschaft nicht schlechte Grundsätze einzuflößen. Ich habe in dieser Revolution103 eine Kreisbewegung der souveränen Gewalt über zwei Thronräuber, Vater und Sohn, vom verstorbenen König an bis zu diesem seinen Sohn, beobachtet. Denn (wenn man von der Macht des Offiziersrates absieht, die nur vorübergehend und ihnen nur zu treuen Händen übertragen war) sie bewegte sich von König Charles I. über das Lange Parlament zum Rumpfparlament, vom Rumpfparlament zu Oliver Cromwell, und dann von Richard Cromwell zum Rumpf zurück, von da aus zu dem Langen Parlament und von da zu König Charles II., wo sie lange bleiben möge. A  Amen. Und möge er, sooft es nötig sein wird, einen solchen General haben.104 B  Du hast mir von dem General wenig erzählt bis jetzt am Ende, aber wahrlich, ich meine, diese kleine Armee vollzählig aus Schottland nach London heraufzubringen, war die größte strategische Leistung, von der die Geschichte weiß.

A N M ER K U NGEN DE S H ER AUSGEBER S

erster dialog 1 

Vgl. dazu oben die Einleitung, S. XLI 2  Vgl. dazu oben die Einleitung, Anm. 85. 3  Vgl. Th.  Hobbes, Leviathan (XXIX), S. 249: „ich zweifle nicht daran, dass viele Leute die neuerlichen Wirren in England gern sahen, weil sie die Niederlande nachahmen wollten, in der Annahme, um reich zu werden brauche man nur wie die Niederländer die Regierungsform zu ändern“. 4  Vgl. unten, Anm. 81. 5  Die englischen Titel Earl für Graf und Duke für Herzog wurden, wie auch Eigennamen und Bezeichnungen von Institutionen (wie z. B. House of Commons) in der Übersetzung im englischen Original belassen. 6  Zur Thematik der Exkommunikation vgl. Th. Hobbes, Vom Bürger (XVII-25), S. 299 und Th. Hobbes, Leviathan (XLII), S. 387 – 392. 7  Hobbes resümiert hier seine Kritik an dem jesuitischen Kardinal Robert Bellarmin (1542 – 1621), die er im Leviathan in Kapitel 42 ausführlich entwickelt hatte. Vgl. Th. Hobbes, Leviathan (XLII), S. 437 – 445. Hobbes hatte dort insbesondere Buch V von R. Bellarmin, Tractatus de potestate summi Pontificis in rebus temporalibus, Rom 1610 scharf angegriffen und dann am Ende dieser Attacke vermerkt, dass er sich „die Untersuchung dieser Argumente Bellarmins erspart [ hätte ], wenn sie die eines Privatmannes und nicht die des Hauptverfechters des Papsttums gegen alle anderen christlichen Fürsten und Staaten gewesen wäre“. Th. Hobbes, Leviathan (XLII), S. 445. 8  In eckige Klammern eingeschlossene Stellen sind von Hobbes im Manuskript gestrichen. 9  Vgl. II. Samuel VI-6 f.: „Als sie zur Tenne Nachons kamen, brachen die Rinder aus, und Usa streckte seine Hand nach der Lade Gottes aus und fasste sie an. Da entbrannte der Zorn des Herrn gegen Usa, und Gott erschlug ihn auf der Stelle wegen dieser Vermessenheit, so dass er neben der Lade Gottes starb“.

236 10 

Anmerkungen des Herausgebers 

Vgl. dazu Th. Hobbes, An Historical Narration concerning Heresy, S. 539 f. und Th. Hobbes, Dialog zwischen einem Philosophen und einem Juristen über das englische Recht, S. 137 – 150. 11  Der englische König John wurde wegen eines Streits über die Investitur des Erzbischofs von Canterbury 1209 von Papst Innozenz III. exkommuniziert. Der König von Navarre und spätere französische König Heinrich IV. wurde 1585 von Papst Sixtus V. exkommuniziert. 12  Vgl. J. Bramhall, A just Vindication of the Church of England, London 1654, S. 82. 13  Henry VIII hatte 1534 mit dem Act of Supremacy die Loslösung der englischen Kirche von der Suprematie des Papstes offiziell begründet. 14  Unter diesem Begriff wird allgemein der frühzeitig vereitelte Versuch eines Aufstands englischer Katholiken mit dem Ziel der Rekatholisierung Englands bezeichnet. Im englischen Original des Behemoth heißt es Gunpowder Treason (Verrat). 15  Philippe de Mornay war einer der führenden Hugenotten in Frankreich. Er hatte sich wiederholt für ein Widerstandsrecht gegen tyrannische Königsherrschaft ausgesprochen. Die wirkmächtigste Schrift, mit der Mornay auch als Autor in Verbindung gebracht wurde, war die Vindiciae contra Tyrannos. Vgl. J. Dennert (Hg.), Beza, Brutus und Hotman. Calvinistische Monarchomachen, Köln 1968. Mornay und Morton hatten beide die Anmaßungen katholischer Herrschaftsansprüche kritisiert. Vgl. P. de Mornay, Le Mystère d’Iniquitie c’est à dire l’histoire de la Papauté par quelles progrez elle est montée à ce comble, & quelles oppositions les gens de bien lui ont faict de temps en temps, Saumur 1611 und T. Morton, The Grand Imposture of the Church of Rome, London 1628. 16  Das Common Prayer Book wurde 1549 in England eingeführt und enthält die Ordnungen für die Riten der anglikanischen Kirche. 17  Diese Kritik am anglikanischen Klerus war weit verbreitet und Hobbes dürften derlei Formulierungen bekannt gewesen sein. Vgl. zum Beispiel J. Crauford, An Abstract of some late Characters. Or, How the principall means appointed for our Reformation is become the main fuell of our wickedness, London 1643, S. 3: „Dumme Hunde [ dumb Dogs ] sind jene […], die wegen ihrer Rückständigkeit nicht predigen können“. 18  Im englischen Original heißt es „Seventh Commandement“. In den Übersetzungen von Lips und diesem folgend Münkler wurde diese



Anmerkungen des Herausgebers 237

Stelle stillschweigend geändert. Dort ist vom „sechsten Gebot“ die Rede. Damit folgen sie der römisch-katholischen und lutherischen Zählung, bei der „Du sollst nicht ehebrechen“ als sechstes Gebot gezählt wird. In der reformierten und anglikanischen Kirche wird dieses Gebot aber als siebtes Gebot geführt, wie es sich dann auch im englischen Original des Behe­moth findet. Unabhängig von der Zählung ist unstrittig, dass hier das Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“ gemeint ist. 19  Die Petition of Right wurde am 7. Juni 1628 vom Parlament ratifiziert. 20  Der Covenant with God, der ganz in der calvinistischen Tradition steht, wurde am 28. Februar 1638 vom schottischen Adel und der schottischen Gentry unterzeichnet. Vgl. Th. Hobbes, Leviathan (XXXV), S. 313 f. 21  Der König begab sich nicht selbst nach Edinburgh, sondern sandte lediglich seinen Bevollmächtigten John Steward, Earl of Traquair (1599 – 1659). Dies ist der einzige bedeutende Fehler in Hobbes’ Berichterstattung der historischen Fakten. Vgl. auch R. MacGillivray, Thomas Hobbes’s History of the English Civil War, S. 182. 22  Und zwar am 11. August 1639. Siehe auch F. Windebank, His Majesties Declaration concerning His Proceedings with His Subjects of Scotland, London 1640. 23  Vgl. unten, Anm. 41. 24  Das später sogenannte Short Parliament. 25  Vgl. unten, Anm. 26. 26  Hobbes bezieht sich hier auf den Disput über das Ship-money. John Hampden hatte die Zahlung verweigert. Diese Steuer war als außer­ gewöhnliche Erhebung zur Küstenverteidigung gedacht. Ob der König tatsächlich das Recht hatte, diese Steuer auch dort zu erheben, wo die Grafschaften nicht an der See lagen, war einer der grundsätzlichen Streitpunkte. Hobbes macht sich hier stillschweigend die Position des Königs zu eigen. Vgl. auch Th. Hobbes, Leviathan (XXIV), S. 190 – 194, wo er die königliche Prärogative der Steuererhebung uneingeschränkt verteidigt. Der Royalist Edward Hyde kritisierte Hobbes ausdrücklich wegen seiner Behauptung, der König könne „willkürlich Steuern erheben, da […] der Souverän mehr Schaden als Nutzen davon gehabt hatte und das Königreich […] in einem schlechteren Verteidigungszustand als zuvor“ gewesen sei. E. Hyde, A Brief View and Survey, S. 112.

238

Anmerkungen des Herausgebers 

Bereits in der Magna Charta wird das Gesetz des Landes (lex terrae) als spezifischer juristischer Terminus erwähnt. In seinem zuerst 1606 erschienenen Kommentar zur Magna Charta schreibt Edward Coke: „no man be taken or imprisoned but per legem terrae, that is, by the common law, statute law, or custom of England“. Vgl. E. Coke, The Second Part of the Institutes of the Law of England, London 1797, S. 45. Der von Hobbes hier verwandte Begriff law of the land hat also eine wichtige und spezifische Bedeutung innerhalb der englischen Rechtstradition, auf die er hier bewusst Bezug nimmt. 28  König Alfred hatte das erste College der Universität Oxford in den 880er Jahren gegründet. Hobbes geht auf die Universität Cambridge und ihren Anspruch, bereits im 7. Jahrhundert gegründet worden zu sein, nicht ein. Das mag vor allem damit zusammenhängen, dass seine anglikanischen Gegner, auf die sich seine Kritik im Behemoth durchgehend bezieht, sich vornehmlich in Oxford fanden. 29  Der Autor war der spätere Regius-Professor für Theologie der Universität Oxford, Richard Allestree (1619 – 1681). Vgl. die Einleitung, S. XXXVII. 30  Hobbes zitiert hier beinahe verbatim The Whole Duty of Man laid down in a Plain and Familiar Way for the use of all, but especially the meanest Reader, London 1661, S. 280. 31  Vgl. Th. Hobbes, Leviathan (XXXVIII), S. 341. 32  Th. Hobbes, Vom Bürger (I-2), S. 76: „der Mensch [ ist ] nicht von Natur, sondern durch Zucht (non natura sed disciplina) zur Gesellschaft geeignet“. 33  „Es haftet das tödliche Rohr in der Seite“. Vergil, Aeneis, hg. v. W.  Plankl, Stuttgart 1989, (IV-73), S. 86. John Bramhall hatte in seiner spöttischen Kritik an Hobbes diese Stelle bereits 1657 zitiert: J. Bramhall, Castigations of Mr. Hobbes, S. 462. Hobbes’ Zitat verweist den aufmerksamen Leser auf Bramhall und ist gegen diesen gerichtet. Mit dieser Anspielung legt Hobbes einmal mehr nahe, dass die Lehren der Anglikaner, wenn es um Frieden und die Gesundheit des Staates geht, letztlich ebenso schädlich wie jene der Presbyterianer sind. 34  Vgl. P. Schröder, Die Heilige Schrift in Hobbes’ Leviathan und D. Schotte, Die Entmachtung Gottes durch den Leviathan. 27 

Anmerkungen des Herausgebers 239



zweiter dialog 35 

William Laud (1563 – 1645) war von 1633 – 1645 Erzbischof von ­Canterbury und ein eifriger Verfechter der royalistischen Sache. 1645 wurde Laud aufgrund eines Parlamentsurteils enthauptet (vgl. unten, Anm. 38). 36  William Pryne, John Bastwick und Henry Burton waren 1637 vom Star Chamber unter dem Vorwurf, Aufruhr gestiftet zu haben, angeklagt und dann zu Pranger und Verstümmelungen (Pryne wurden die Ohren abgeschnitten) verurteilt worden. Sie wurden getrennt außerhalb von London gefangen gehalten. Am 7. November 1640 ordnete das House of Commons ihre Freilassung an und sie zogen unter öffentlichem Jubel in London am 28. November des gleichen Jahres in London ein. 37  Vgl. Th.  Hobbes, Leviathan (XX), S. 162: „Die Kunst, Staaten zu schaffen und zu erhalten, besteht wie die Arithmetik und die Geome­ trie aus sicheren Regeln und nicht wie Tennisspielen aus bloßer Übung“. 38  Die Angaben von Hobbes sind teilweise ungenau. Erzbischof William Laud wurde zwar im Februar 1641 des Hochverrats angeklagt und in den Tower gesperrt, aber sein Prozess begann erst am 12. März 1644. Am 10. Januar 1645 wurde Laud enthauptet (vgl. oben, Anm. 35). 39  Der Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken in Irland war wiederholt von Massakern auf beiden Seiten gekennzeichnet. Der hier von Hobbes erwähnte Plan der Katholiken scheiterte und ist ausführlich in J. Heath, A Brief Chronicle of All the chief Actions so fatally falling out in these Kingdoms, viz. England, Scotland & Ireland. From the Year 1640 to this present twentieth November 1661, London 1662, S. 37 – 44 beschrieben. 40  Unbeschadet des Rechts des Königs. 41  Cales, wie es auch im Manuskript des Behemoth heißt, ist der im 17. Jahrhundert in England durchaus übliche Begriff für Cadiz und nicht mit Calais zu verwechseln. 1596 plünderte Robert Devreux, Second Earl of Essex (1565 – 1601), Cadiz. Der Angriff, der 1625 von Sir Edward Cecil und Robert Devreux, Third Earl of Essex (1591 – 1646), auf Cadiz unternommen wurde, schlug fehl. 42  Das Schriftstück wurde nicht persönlich von Charles I., sondern von dem Attorney General Sir Edward Herbert dem House of Commons

240

Anmerkungen des Herausgebers 

überreicht. Bei den sechs Abgeordneten handelt es sich um Lord Kimbolton aus dem House of Lords, sowie um John Hampden, Sir Arthur Haselrig, Denzil Holles, John Pym und William Strode aus dem House of Commons. 43  Als Peers wurden diejenigen des englischen Hochadels bezeichnet, die Sitz und Stimme im House of Lords innehatten. Der Begriff House of Peers ist in diesem Zusammenhang eher ungewöhnlich, da er vor allem zeremoniellen Zwecken vorbehalten war. 44  1460 ist zwar schriftlich belegt, dass der Begriff „Dutch“ sich auf die Deutschen bezog, aber diese Verwendung wurde zunehmend obsolet. „Dutch“ meint hier wohl kaum „deutsch“, wie es in den zwei früheren deutschen Ausgaben des Behemoth übersetzt wurde. Seit 1600 wurde der Begriff „Dutch“ in England zunehmend nur für die Niederländer verwendet. Die Präsentationskopie, die Lord Arlington von Hobbes gewidmet wurde, sowie ein weiteres Manuskript lesen „French, Dutch and Spanish“. Alle anderen Manuskripte lesen „French, Dutch and Italian“. Das besondere Interesse Lord Arlingtons an Spanien war Hobbes bekannt und dies dürfte den Wechsel in den Manuskripten von „italienisch“ zu „spanisch“ erklären: Eine Referenz gegenüber Lord Arlington. 45  Diodoros, Griechische Weltgeschichte, Buch V-31. 46  Ebd., I-73. 47  Ebd., I-75. 48  Ebd., II-29. 49  Ebd., II-40. 50  Ebd., III-5 f. 51  Gemeint ist die 1658 am Gresham College in London gegründete Society, die 1662 ein königliches Privileg erhielt und fortan als ­Royal Society bestand. Zu Hobbes und der Royal Society siehe N. Malcolm, Aspects of Hobbes, S. 317 – 335 und Q. Skinner, Visions of Politics, S. 324 – 345. 52  Der Attorney General Sir Edward Herbert wurde am 23. April 1642 aus dem House of Commons ausgeschlossen und gefangengesetzt. Allerdings wurde er bereits am 11. Mai wieder entlassen. Er schloss sich dem königlichen Lager in Oxford an und verließ England nicht, wie Hobbes hier fälschlich angibt, 1642, sondern erst 1648. 53  Dies wird ausführlich in E. Husband, An Exact Collection of all

Anmerkungen des Herausgebers 241



Remonstrances, Declarations, Votes, Orders, Ordinances, Proclamations, Petitions, Messages, Answers, and other Remarkable Passages between the Kings most Excellent Majesty and his High Court of Parliament, Bd. 1, London 1643, S. 67 – 68 wiedergegeben. 54  1 Hektar entspricht 2,4711 acres und 1 Quadratkilometer (= 100 Hektar) entspricht 247,11 acres. Es handelt sich also um knapp 10 000 Quadratkilometer Land, das verteilt werden sollte. 55  Vgl. oben, Anm. 27. 56  Hobbes unterschlägt hier die englische Hilfe für die protestantische Sache im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation während des Dreißigjährigen Krieges. Die Schwester des Königs Charles I., Elisabeth, war mit dem pfälzischen Kurfürsten Friedrich V. (dem nach dem Debakel in Böhmen sogenannten Winterkönig) verheiratet. Vgl. auch N. Malcolm, Reason of State, Propaganda, and the Thirty Years’ War, Oxford 2007, S. 74 – 91.

dr itter dialog 57 

Robert Devreux, Third Earl of Essex (1591 – 1646) wurde im Juli 1642 zum Captain-General ernannt. 58  Vgl. oben, Anm. 41. 59  Prinz Ruprecht von der Pfalz (1619 – 1682), dritter Sohn Friedrichs V. und Neffe Charles I. Moritz von der Pfalz (1621 – 1652) war der vierte Sohn Friedrichs V. Er begleitete seinen älteren Bruder Rupert auf seinen Feldzügen während des englischen Bürgerkriegs. Vgl. R. Rebitsch, Rupert von der Pfalz (1619−1682) – Ein deutscher Fürstensohn im Dienst der Stuarts, Innsbruck 2005. 60  Edward Hyde, Earl of Clarendon, war seit Mai 1642 verantwortlich für die Abfassung der meisten königlichen Erklärungen gewesen und Hobbes’ Kritik an Clarendon bedurfte nicht eigens der Namensnennung, um von seinen Lesern verstanden zu werden. 61  Hobbes’ Insistieren auf wechselseitiges Vergeben und Vergessen war durchaus ernst gemeint, angesichts der gegen ihn von den Anglikanern vehement vorgebrachten Anschuldigungen und erbittert betriebenen Verfolgungen lag dies auch unmittelbar in seinem persönlichen Interesse.

242 62 

Anmerkungen des Herausgebers 

Der König traf am 23. April 1642 in Hull ein. Diese Ereignisse wurden bereits oben im zweiten Dialog verhandelt. 63  William Cavendish (1592 – 1676) war einer der treuesten Royalisten. Er führte von 1628 – 1643 den Titel Earl of Newcastle, von 1643 – 1665 Marquess of Newcastle und von 1665 – 1676 Duke of Newcastle. Sein Vater Sir Charles Cavendish (1553 – 1617) war der Bruder von William Cavendish (1551–1626). Hobbes korrespondierte mit dem hier im Behemoth erwähnten William Cavendish, Earl of Newcastle (1592 – 1676) und stand in Diensten der Familie Cavendish. Allerdings sind die Beziehungen zu dieser Familie leicht verwirrend, da es mehrere Familienmitglieder verschiedener Linien mit dem Namen William Cavendish gab. William Cavendish (1551–1626), der 1618 zum First Earl of Devonshire ernannt wurde, engagierte Hobbes 1608 als Tutor für seinen Sohn. Dieser Sohn, William Cavendish (1590–1628) wurde später der Second Earl of Devonshire. Hobbes begleitete ihn zwanzig Jahre lang, erst als Tutor und dann als sein Sekretär. Hobbes und William Cavendish (1551 – 1626) haben 1620 wahrscheinlich zusammen eine anonym herausgegebene Sammlung von Essays unter dem Titel Horae Subsecivae publiziert. Hobbes’ Autorschaft von einigen der dort publizierten Essays ist noch nicht zweifelsfrei geklärt. Siehe zum Beispiel die Kritik von N. Malcolm, Aspects of Hobbes, S. 7. Man kann aber davon ausgehen, dass drei der dort gedruckten Essays von Hobbes stammen, und zwar unter anderem ein Diskurs zu Tacitus und ein Diskurs zu Rom (vgl. die Einleitung von Reynolds und Saxenhouse in Th.  Hobbes, Three Discourses, bes. S. 10 – 19), während William Cavendishs Beitrag bislang nicht eindeutig verifiziert werden konnte. Vgl. Th. Hobbes, Three Discourses, S. 9. Hobbes war nicht immer kohärent und verwandte sowohl den Titel Lord als auch Earl im Falle von Newcastle und anderen. 64  Vgl. zu dieser Theorie der zwei Körper des Königs, die zwischen der natürlichen und politischen Person des Königs unterscheidet, E. H. Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 1990. 65  Das House of Commons schwor die Solemn League and Covenant am 25. September, das House of Lords am 15. Oktober 1643. Damit wurde die anglikanische Kirchenverfassung abgeschafft und ein presbyterianisches Kirchenregiment etabliert.

Anmerkungen des Herausgebers 243

66 

Hobbes setzt hier einmal mehr seine Souveränitätstheorie voraus. Vgl. Th. Hobbes, Elements of Law (II-XXVII-7), S. 166 f.; Th. Hobbes, Vom Bürger, Kap. VI, Th. Hobbes, Leviathan, Kap. XVII. Vgl. auch F. Tönnies, Thomas Hobbes, S. 234: Die „ideelle Voraussetzung der Souveränität der gesetzgebenden Gewalt [ hat ] niemand vor Hobbes (auch Bodin nicht) begriffen und festgelegt“. 67  Ein Arbeits- und Zuchthaus in London in der Nähe von Black­ friars an der Themse. 68  Hobbes nutzt hier die Theorie des Verfügungsrechts (usus fructus) als rhetorisches Stilmittel, um zu zeigen, dass Cromwell zunehmend de facto die militärische und politische Macht in Händen hielt, auch wenn sie de jure nicht bei ihm lag. Das englische Original lautet: „For he [ Cromwell ] was the Usufructuary though the property were in Sir Thomas Fairfax“. 69  Levellers oder Gleichmacher wurde eine radikale Bewegung während des englischen Bürgerkriegs genannt, die für völlige Religionsfreiheit und die Abschaffung der Stände eintrat. Vgl. C. B. Macpherson, Die politische Theorie des Besitzindividualismus, Frankfurt/Main 1973, S. 126 – 181. Eine instruktive Auswahl der politischen Schriften der Levellers findet sich in A. Sharp (Hg.), The English Levellers, Cambridge 1998. 70  Die Royal Society. Vgl. oben, Anm. 51. 71  Tichborne wurde 1649 als Alderman in den Rat berufen, er wurde aber nicht vor 1656 zum Bürgermeister (Lord Mayor) ernannt. 72  Im House of Commons. 73  Der sogenannte Act prohibiting the proclaiming any person to be King of England and Ireland vom 30. Januar 1649. 74  Vgl. auch oben, Anm. 28.

vierter dialog 75 

Vgl. Th. Hobbes, Leviathan (XXI), S. 167: „Bis auf den heutigen Tag steht an den Türmen der Stadt Luca in großen Lettern das Wort Libertas geschrieben. Doch daraus kann niemand den Schluß ziehen, ein einzelner besitze dort mehr Freiheit […] als in Konstantinopel. Ob ein Staat monarchisch oder demokratisch ist – die Freiheit bleibt dieselbe“.

244

Anmerkungen des Herausgebers 

Die am 10. Februar 1649 erlassene Declaration of the Parliament of England, for Maintaining the Fundamental Laws of this Nation. 77  Im englischen Original heißt es „science of justice“, so dass mit Rechtswissenschaft hier nicht die jurisprudentia gemeint ist, sondern die Wissenschaft, die nötig ist, um zu verstehen, was Gerechtigkeit ist, wie das auch von A im vorhergehenden Absatz ausgeführt wird. Hobbes verstand seine rechtsphilosophische Lehre als eine Wissenschaft (scientia), die den Lehren von Aristoteles und Cicero vorzuziehen sei. Dieser Zusammenhang wird hier von ihm nahegelegt. Im Vorwort von De Cive heißt es dazu: „Mag man nun den Wert einer Wissenschaft (scientiarum dignitas) nach dem Wert derer, welche sie gebrauchen, oder nach der Zahl derer, welche darüber geschrieben haben, oder nach dem Urteile der weisesten Männer bemessen, so bleibt diejenige sicherlich die wertvollste, deren die Fürsten und die mit der Regierung des menschlichen Geschlechts beschäftigten Männer bedürfen […]; in Dingen […], die jeder um des Lebens willen zu erwägen hat, müssen notwendig nicht bloß aus Irrtum, sondern schon aus der Unwissenheit Beleidigungen, Streitigkeiten und Mordtaten hervorgehen. So groß wie die Schäden sind, so groß ist der Nutzen einer gut dargestellten Pflichtenlehre (officiorum doctrinâ)“. Th. Hobbes, Vom Bürger (Vorwort), S. 66. Hobbes erwähnt unmittelbar vor der zitierten Stelle u.a. Platon, Aristoteles und Cicero und bezieht sich mit seinem im Vorwort zu De Cive entwickelten Verständnis einer „justitiae scientiam“ (vgl. Th. Hobbes, De Cive (Praefatio), S. 78) auf die bereits von diesen erarbeiteten Prinzipien der Gerechtigkeit. Vgl. dazu auch Q. Skinner, ‚Scientia civilis‘, S. 81 und N. Malcolm, Aspects of Hobbes, S. 146 – 155. 78  Hobbes’ Wortspiel mit dem Master wird im Deutschen nur unzureichend wiedergegeben. Im Englischen heißt sowohl der akademische Magistergrad als auch der Meister im Sinne eines dominierenden Herrn Master. 79  Hobbes’ ironisches Insistieren auf den akademischen Doktortitel reflektiert auch seine Kritik an der Universität Oxford. 80  Es handelt sich um Claudius Salmasius, Defensio Regia, Pro Carolo I, Leiden 1649 und J. Milton, Pro Populo Anglicano Defensio contra Claudii Anonymi, Defensionem Destructivam, London 1651. 81  Der englische Begriff Common-Wealth ist hier im Sinne der repu­ 76 



Anmerkungen des Herausgebers 245

blikanischen Verfassung und im Gegensatz zur Monarchie gemeint. Von Hobbes wird Common-Wealth wertneutral verwendet und kann sich sowohl auf eine Monarchie als auch auf eine republikanische Verfassung beziehen, wie dies der Untertitel des Leviathan bereits eindeutig belegt: Leviathan, or the Matter, Forme, & Power of a Common-Wealth Ecclesiastical and Civil. Zumeist ist Common Wealth im Behemoth angemessen mit Staat zu übersetzen. 82  Der am 19. Mai 1649 erlassene Act declaring and constituting the People of England to be a Commonwealth, and Free-State. 83  Diese Verpflichtung wurde ursprünglich nur von den Mitgliedern des Parlaments, Offizieren der Armee und anderen Staatsdienern eingefordert. Vom 18. Januar 1650 an wurde diese Verpflichtung von allen englischen Staatsbürgern durch den Act for subscribing the Engagement eingefordert. Zu Hobbes und der sogenannten Engagement Controversy vgl. Q. Skinner, Conquest and Consent. 84  Zum Narren oder Fool in Hobbes’ Argumentation vgl. Th. Hobbes, Leviathan, (XV) S. 111. 85  Es handelt sich um einen Vorfall in der holländischen Kolonie Amboina in der Molukkensee (im westpazifischen Ozean nördlich von Timor/Indonesien) im Februar 1623, als englische Kaufleute von den Holländern verdächtigt wurden, sich der Stadt bemächtigen zu wollen. Die Engländer wurden von den Holländern gefangen gesetzt, gefoltert und dann hingerichtet. 86  Hobbes’ Freund John Selden (1584 – 1654) hatte gegen den Holländer Hugo Grotius (1584 – 1645) die Herrschaft der englischen Krone über die Meere vertreten. Vgl. H. Grotius, Mare liberum sive de iure quod Batavis competit ad Indicana commercia, 1609 und J. Selden, Mare clausum seu de Domiinio Maris libri duo, London 1635. Hobbes macht sich hier die Position von Selden zu eigen. 87  Hobbes meint hier vermutlich den Ärmelkanal, denn sowohl Kent als auch die Goodwin Sandbank, die vor der Straße von Dover liegt, verweisen auf diese engste Passage des Ärmelkanals, der England und Frankreich trennt. 88  Eine im Nordwesten Schottlands gelegene Inselgruppe, deren ­Gewässer reiche Fischgründe barg. 89  Ein zum Heringsfang verwendeter Schiffstyp.

246

Anmerkungen des Herausgebers 

Es handelt sich um A Declaration of the Lord Generall and his Councell of Officers; shewing the Grounds and Reasons for the dissolution of the late Parliament. Vgl. B. Worden, The Rump Parliament 1648 – 1653, Cambridge 1974, S. 351 f. 91  Es handelt sich um einen Verfassungsentwurf, der auf den Generalmajor Lambert zurückging. 92  Oliver Cromwell starb am 3. September 1658. 93  Der High Court of Justice verurteilte u. a. die Royalisten Gerard und Vowel. 94  Hispaniola ist die Insel, die heute zwischen den Staaten Haiti und der Dominikanischen Republik geteilt ist. Sie wurde am 3. Mai 1655 von den Engländern geräumt. Hobbes berichtet nicht mehr die Ereignisse des englischen Bürgerkriegs, sondern die allgemeinen historischen Abläufe der englischen Geschichte. Zu Cromwells Politik gegenüber den anderen europäischen Mächten und seinen Unternehmungen in der Karibik vgl. M. Bennett, Oliver Cromwell, London 2006, S. 237 f. 95  Von Hobbes wird hier die zivile und militärische Verwaltungsstruktur referiert, die sich durch aggressive Sozialdisziplinierung, Zensur und religiös-moralischen Rigorismus auszeichnete. 96  Vgl. zu dieser Allianz Leopold von Ranke, der bereits feststellte: „war es […] für ihn [ Cromwell ] ratsam, sich mit Frankreich zu verbinden? Es schien gegen alle gesunde Politik zu laufen, dass England die einzige kontinentale Macht verderben helfe, die den Franzosen noch Widerstand leistete. Lud er dadurch nicht eine Mitschuld an den schlimmen Folgen, welche aus der Übermacht Frankreichs auf dem Kontinent hervorgehen mussten, auf sich? Zeitgenossen wie Nachkommen haben ihm in der Tat diesen Mangel an Voraussicht ernstlich zum Vorwurf gemacht“. L. v. Ranke, Französische Geschichte, Bd. 3, Hamburg o. J., S. 381. 97  Vgl. oben, Anm. 67. 98  Hobbes deutet hier im Dialog die von Machiavelli in seinem Principe diskutierten Ratschläge für einen neu zur Macht gelangten Fürsten an. Vgl. bes. N. Machiavelli, Il Principe / Der Fürst, Stuttgart 1986, S. 41 – 75. Inwieweit Hobbes in Cromwell einen principe nuovo im Sinne Machiavellis sah, verdient eine genauere Untersuchung. 99  König Charles II. 100  In dieser Kontinuität, die Hobbes hier sarkastisch konstatiert, 90 



Anmerkungen des Herausgebers 247

liegt der Grund für die Bezeichnung der Periode von 1640 – 1660 als Long Parliament. 101  Das Long Parliament löste sich am 23. März 1660 auf. 102  Dem in der Einleitung erwähnten Act of Free and Generall Pardon, Indemnity and Oblivion. 103  Hobbes benutzt im Behemoth nur an dieser Stelle den Begriff Revo­lution. Allerdings nicht im modernen politischen Sinne, sondern um den Kreislauf (re-volvere) der Ereignisse zu kennzeichnen. Ansonsten benutzt er für den politischen Widerstand gegen den König konsequent den Begriff Rebellion. Neben anderen Mängeln war vor allem diese Begriffsverwirrung der früheren deutschen Übersetzungen zu revidieren, die unreflektiert von Revolution und Revolutionären sprechen, ­a nstatt, wie es bei Hobbes heißt, von Rebellion und Rebellen. 104  Damit ist der General George Monck, Duke of Albemarle (1608 – 1670), und nicht, wie Hans-Dietrich Metzger irrtümlich annimmt, Oliver Cromwell gemeint. Siehe H.-D. Metzger, Thomas Hobbes und die englische Revolution, S. 163. Monck hatte zunächst auf Seiten Charles I. gekämpft, sich dann aber nach einer Haft im Tower auf Seiten Cromwells geschlagen. Nach dessen Tod verhielt sich Monck gegenüber den verschiedenen Faktionen undurchsichtig. Als sich das Long Parliament am 16. April 1660 auflöste, schlug Monck sich wieder auf die Seite des royalistischen Lagers. Wie im Dialog oben erwähnt, konstituierte sich das neu gewählte Convention Parliament am 25. April 1660. Am 8. Mai des gleichen Jahres nahm es die Deklaration von Breda an, die Charles II. zusammen mit Monck entworfen hatte. Damit wurde die Restauration der Monarchie eingeleitet und Charles II. zum rechtmäßigen Monarchen erklärt.

PER SON EN R EGIST ER

Alured, Oberst 197 Antonius, Marcus 82, 132 Aristoteles 20, 48–50, 53, 64, 108, 182 Arminius 70 f. Arundel, Earl of 35 Asham, Gesandter des Rumpf­ parlaments 187 Askew, Sir George 203 f. Atabalipa, König von Peru 14 Augustus 82, 132 Barberini, Francisco, Kardinal 69 Bartlet, Richter 97 Bastwick, John 79 Blake, General 151, 202 Booth, Sir George 225 Bourne, Major 202 Brereton, Sir William 141, 151 Brooke, Lord 141 Browne, Sir John 195 Burton, Henry 79 Calixtus I., Papst 16 Calvin 156 Canterbury, Erzbischof von 32, 71, 83, 85, 97, 150, 160 Capel, Lord 181, 183 Carew, Alexander 150 Cäsar 36

Castlehaven, Earl of 186 Cato 182 Charles I., König von England 3 f., 31, 155, 157–161, 163–168, 170, 172–177, 191, 194, 211, 224, 232, 234 Charles, Prince of Wales (ab 1660 Charles II., König von England) 112, 152, 177, 187, 189–191, 193– 196, 211, 213, 218, 228, 232–234 Chilperich, König von Frankreich 14 Christus, Jesus 7 f., 13–15, 18, 58, 63, 66, 72 Cicero 50, 64, 82, 178, 182 Clanricarde, Earl of 186 Con, George, Sekretär des Kardinals Barberini 69 Cromwell, Oliver, Generalleutnant (1653–1658), Lordprotektor von England, Irland, Schottland 124, 140, 146, 148, 150 f., 155–161, 163 f., 167 f., 170–173, 179, 184–187, 190–196, 200 f., 205–215, 217, 226, 234 Cromwell, Richard (Sohn von Oliver Cromwell), Lordprotek­ tor von England, Irland, Schottland 219, 220, 223–225, 228, 231, 234

250

personenregister 

Cromwell, Henry (Sohn von ­Oliver Cromwell), Lord Lieute­ nant, Statthalter von Irland 211, 225 David 57 Dean, General 194, 204, 210 Desborough, Generalmajor 219, 223, 226 Dorislaus, Gesandter des Rumpfparlaments 187 Duns Scotus, Johannes 20, 46 Earle, Sir Walter 153 Edward I., König von England 88 Edward III., König von England 17, 19 Edward VI., König von England 23 Elisabeth, Königin 12, 23, 26 f., 30, 155, 221 Ergamenes, König der Äthopier 107 Essex, Earl of 36, 109 f., 123, 128, 139–141, 144 f., 149 f., 155, 162 Fairfax, Lord 141, 145 f. Fairfax, Sir Thomas 146–148, 150– 152, 155, 157 f., 161, 163, 171, (Lord Fairfax 186), 190, 226, 229 Finch, Sir John, Kanzler (Lord Keeper) 97 Fleetwood, Generalleutnant 219, 220, 225 f.

Gell, Sir John 141 Gomar 70, 71 Goodwin, Mr. 153 Goring, Lord 151 Gregor VII., Papst 17 Hamilton, Duke of 36, 148, 154, 172, 181, 183, 189, 196 Hammond, Henry, Kaplan 164 Hammond, Robert, Oberst, Gouverneur der Isle of Wight 164 Hampden, John, Mitglied des House of Commons 109 Hannas, Hohepriester 60 Harrison, Generalmajor, Führer der Fifth Monarchy Men 194, 206, 208 f. Haselrig, Arthur, Mitglied des House of Commons 109, 223, 226 f., 229 Heinrich IV., König von Frankreich 21 Henrietta Maria , Königin an der Seite von Charles I. 69, 70, 111, 141, 143, 149 Henry II., König von England 3 Henry III., König von England 88 f. Henry IV., König von England 118 Henry VII., König von England 66 Henry VIII., König von England 21–24, 50, 65 f., 155 Herakles 82 Hippisley, Sir John 153



personenregister 251

Holland, Earl of 181, 183 Holles, Denzil, Mitglied des House of Commons 109 Hopton, Sir Ralph 140 f., 146, (Lord 152) Hotham, Sir John 117, 138, 150, 200 Inchiquin, Lord 186 Innozenz III., Papst 14 Ireton, Generalkommissar 157, 187 James, König von England 4, 26, 31, 39 f., 70 f. Johannes 60 John, König von England 21 Josua 15 Karl der Große, Kaiser 14 f., 19, 46 Karl V., Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation 14 Kerr, Gilbert 193 Keymish, Sir Nicholas 170 Kimbolton, Lord 109, 115, 122 Lambert, Generalmajor 195, 206, 215, 217, 219 f., 223, 225–230 Langhorne, Oberst 170 Laud, Erzbischof von Canterbury 71 Lenthal, William, Sprecher des Rumpfparlaments 223

Leo III., Papst 14, 15 Leopold, Erzherzog 204 Lesley, Alexander 193 Lilly, William 215 Lisle, Sir George 171 f. Lombardus, Petrus 20, 46 Lothar, Kaiser 16 Love, Christopher 200 Lucas, Sir Charles 171 f. Luther, Martin 22 f., 156 Mary, Königin von England 23, 25, 155 Meldrun, Sir John 146 Milton, John 187 Monck, George, Generalleutnant 196, 204, 210 f., 226–232 Montagu, Edward (ab 1642 Earl of Manchester) 146–148 Montrose, Marquis von 141, 154, 189 f. Moritz, Prinz 129 Morley, Offizier 226 Morton, Bischof von Durham 24 Moses 7, 15, 19, 25 Naylor, James 214 Newcastle, Lord, Earl of 117, 141–143, 145–148, 150 Northampton, Lord 141 Norwich, Earl of 171 f., 183 O’Neale, Sir Phelim 205 Oranien, Prinzessin von 111 f.

252

personenregister 

Ormond, Marquis von 186 Osman II, Sultan 67 Overton, Robert, Oberst 195, 226 Owen, Sir John 170, 183 Pembroke, Earl of 153, 168 Pennington, John, Flottenkommandant 116 Petrus 60 Pfalz, Kurfürst von der 95 Pippin 14 Plato 64 Plessis, Mornay du 24 Powel, Oberst 170 Poyer, Oberst 170 Prynne, William 79 Ptolemäus II. 107 Pym, Mitglied des House of ­Commons 109 Pythagoras 104 Richard II., König von England 119 Richmond, Duke of 152 Robinson, Mr. 153 Rosetti, Gesandter des Papstes 69 Rous, Sprecher des Parlaments von England 208 Rupert, Prinz 129, 140 f., 144, 146, 148 Ruyter, De, Admiral von Seeland 204 Saul, König Israels 57

Salmasius, Claudius 187 Scipio 36 Seneca, Lucius Annäus 64, 178, 182 Siculus, Diodorus 103 f. St. John, Oliver Gesandter des Rumpfparlaments 197–199 Stainer, Sir Richard, Kapitän 214 Stamford, Earl of 140 Strachan, Archibald 193 Strafford, Lord, Earl of 74–77, 81–83, 85, 97, 135, 143, 160 Strickland, Gesandter des Rumpfparlaments 198 Stroud, Mitglied des House of Commons 109 Suffolk, Earl of 153 Taunton 151 Tichborne, Bürgermeister von London 173 Urban VIII., Papst 69 Van Tromp, Admiral Hollands 202–204, 210 Vane, Sir Henry, Bevollmächtigter des Rumpfparlaments 197, 226, 227 Waller, Sir William 141, 146, 148 f. Walton 226 Wentworth, Sir Thomas 74, 76 William I., König von England 17



personenregister 253

William the Conqueror, König von England 137 Windebank, Francis 70, 96 f. Witt, De, holländischer Befehlshaber 204

York, Duke of 112, 173 Young, Anthony, Kapitän 201 Zacharias I., Papst 14

ORTSR EGIST ER

Abaton 107 Aberdeen 196 Antwerpen 199 Athen 36 Barbados-Inseln 201, 203 Banbury-Castle 140 Barnstable 146 Basingstoke 149 Beverley 146 Blackheath 171 Bolton 148 Bow 171 Bradford 146 Bramham Moor 145 Brentford 140 Bright-Hempstedt 196 Bristol 144, 214 Burford 185 Burlington 141 Cadiz 36, 214, 218 Calais 204 Cales 95, 128, Cambridge 140, 169, Carlisle 196 Chalcedon 13 Chalons-sur-Saone 46 Chester 151, 225 Chinchester 141

Cirencester 140, 145 Clerkenwell 70 Colchester 171 Copperspeith 192 Cornwall 141, 148 f., 164, 215, 225, 229 Cropredybridge 149 Cumberland 145 Devizes 144, 146 Devonshire 146, 225, 229 Dorchester 146 Dover 111, 201 Dublin 186, 187 Dunbar 192, 199, 210, 226 Dundee 195, 196 Durham 40, 41 Edgehill 140 Edinburgh 33, 172, 190, 192–196 Ephesus 13 Essex 140, 171 Exeter 146 Gloucester 144–146 Goodwin-Sandbank 202, 204 Greenwich 112 Haag 187, 198 Halifax 146



Ortsregister 255

Hamburg 148 Hampton Court 111, 113, 158, 164 Hieropolis 105 Hispaniola, Insel 213 Holmeby 155, 157 Hopton Heath 141 Hounslow Heath 162 Hull, Kingston upon 116, 127, 138 f., 150, 172, 200 Huntingdon 115 Hurst Castle 173 Isle of Dogs 171 Isle of Wight 164, 172 f., 191 Kent 171, 202 Konstantinopel 13 f., 67 Lancashire 148, 172 Lansdown 146 Leicester 151 f. Leith 193 Lincoln 146 Liskeard 141 Litchfield-Close 141 Liverpool 148, 225 London 4, 5, 31, 35, 40, 42, 74, 96, 99 f., 109–111, 114, 118, 127, 129, 131, 139, 140, 142, 144, 147–149, 152, 157 f., 160–163, 168 f., 171–173, 185, 188, 190, 195 f., 219, 223–226, 228–231, 234 Lyn 147 Madrid 187

Maidstone 171 Man, Insel 201 Manchester 150 Marston Moor 148 Memphis 105 Middleburgh 199 Moorfields 170 Naseby 151 Newark 146, 152 Newbury 145, 149 f. Newcastle 40, 152 f., 155, 193, 195 Newmarket 115 Newport 172 f. Nicae 12 Northferry 195 Northumberland 40, 41 Nottingham 123, 139 Orkney-Inseln 203 Oxford 20, 46, 95, 140, 142, 147– 149, 151–153, 169, 185, 232 Paris 20, 46, 152, 186 f. Pendennis Castle 148, 154, 172 Plymouth 149 f., 204 Portsmouth 204, 229 Preston 172 Ripon 40 Rom 9, 14 f., 24, 38–40, 64, 132 Salisbury 185 Saltash 141

256

Santa Cruz 218 Santo Domingo 213 Scilly, Insel 152, 201 Scone 193 Seeland 203 Shrewsbury 139 f. Southwark 162, 163 Southampton 164 Sparta 36 St. Andrew’s 197 St. Christopher 201 St. Johnston 196 Stirling 193, 195 f. Stopford 146 Straffordshire 141 Straton 146 Suffolk 140 Sussex 196 Tadcaster 141 Taunton 151 Theben 105

Ortsregister 

Themse, Fluss 171, 203 f. Tyne, Fluss 40, 147 Ur 105 Uxbridge 150, 200 Wales 170, 172 Westminster 37, 40, 76, 79, 83, 99, 136, 151, 161, 163, 171, 197 f., 209, 227, 232 Whitehall 111, 210, 216, 219 f., 222, 232 Wiltshire 146 Winchester 141 Windsor 111 Woodstock 152 Worcester 139, 149, 196, 199, 210 York 31, 40, 112, 114, 116, 138, 141 f., 147 f. Yorkshire 74, 116, 122, 147, 226, 229