Basis und Deduktion: Studien zur Entstehung und Bedeutung der Theorie der axiomatischen Methode bei J. H. Lambert (1728-1777) 9783110864014, 3110079321, 9783110079326


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German Pages 207 [212] Year 1980

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Table of contents :
Vorbemerkung
Einleitung
Kapitel 1: Lamberts Philosophie als methodische Philosophie oder Wissenschaftstheorie. Vorläufige Abgrenzung
1.1. Lambert in der philosophihistorischen Forschung
1.2. Historische und vorgreifende Bemerkungen zur Lambert- schen Wissenschaftstheorie
Kapitel 2: Wissenschaft als axiomatisch-deduktives System
2.1. Analytische und synthetische Methode
2.2. Antike Axiomatik
2.3. Christian Wolffs Verständnis der axiomatischen Methode
Kapitel 3: Das Basisproblem
3.1. Lamberts Kritik an Lösungen des Basisproblems im „Criterium Veritatis"
3.2. Der Lambertsche Lösungsansatz
Kapitel 4: Das Deduktionsproblem
4.1. Mosgeometricus und Kalkül
4.2. Einige Hintergründe der Lambertschen Logikauffassung
4.3. Historisches zu den Liniendiagrammen
4.4. Rekonstruktion der Liniendarstellung der syllogistischen Satzarten
4.5. Rekonstruktion des Linienkalküls (LK)
Kapitel 5: Möglichkeiten und Grenzen logischer Diagramme
5.1. Klassendiagramme und Relationendiagramme
5.2. Abstraktion und Klasse
5.3. Diagramme und Klasse
Schluß
Literaturverzeichnis
Register
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Basis und Deduktion: Studien zur Entstehung und Bedeutung der Theorie der axiomatischen Methode bei J. H. Lambert (1728-1777)
 9783110864014, 3110079321, 9783110079326

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Gereon Wolters Basis und Deduktion

W DE

G

Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Günther Patzig, Erhard Scheibe, Wolfgang Wieland

Band 15

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1980

Basis und Deduktion Studien zur Entstehung und Bedeutung der Theorie der axiomatischen Methode bei J. H. Lambert (1728-1777) von Gereon Wolters

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1980

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Wolters, Gereon: Basis und Deduktion: Studien zur Entstehung u. Bedeutung d. Theorie d. axiomat. Methode bei J. H. Lambert (1728—1777) / von Gereon Wolters. — Berlin, New York: de Gruyter, 1980. Quellen und Studien zur Philosophie; Bd. 15) ISBN 3-11-007932-1

©

1979 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer · Karl J. Trübner · Veit & Comp., Berlin 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es audi nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Walter Pieper, Würzburg Einband: Wübben & Co., Berlin

et Η., illae invitae

„Lamberts Bildniß ist in Berlin vielmals gezeichnet worden, aber mehrenteils absichtlich in Caricatur. [ . . . ] Sonst ist Lambert nicht ganz unkenntlich en Medaillon, nebst Leibnitz, Locke und Voltaire auf einem kleinen Titelkupfer vor einem Theile des Abrege des Sciences des Herrn Formey." (Johann Bernoulli in: Joh. Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel, Bd. 4, Berlin 1784, S. 151)

„Ich glaube, es würde aus vielen Gründen vortheilhaft seyn, wenn die, so auf Universitäten promovieren wollen, anstatt oder wenigstens zugleich mit ihren oft nichts bedeutenden Inauguraldisputationen, angewiesen würden, Arbeiten zu übernehmen, die künftig zu größern Werken gebraucht werden können. Diese Arbeiten möchten nun Rechnungen, Zeichnungen, Sammlungen von zerstreuten Datis, Sammlungen zu künftigen Wörterbüchern, Verzeichnissen etc. seyn. Dies sind immer Sachen, die denen> so viel bessere thun können, viele Zeit wegnehmen und daher auch gewöhnlich liegen bleiben." (Johann Heinrich Lamberts Deutscher Gelehrter Briefwechsel, Bd. 2, S. 389 f.)

Vorbemerkung In den letzten Jahren hat das Interesse am Werk J. H. Lamberts erstaunlich zugenommen. Dies dokumentiert sich in der Herausgabe seiner philosophischen Schriften ebenso wie im „Colloque International J. H. Lambert", das zum Gedächtnis des 200. Todestages Lamberts (1977) in Mulhouse stattfand. Das vorliegende Buch, entstanden aus einer philosophischen Dissertation (Universität Konstanz, Frühjahr 1977), möchte in die Diskussion um Lambert dessen wissenschaftstheoretische und logische Leistungen in neuer Beleuchtung einbringen. Mein Dank gilt den Professoren W. Schulz (Tübingen), F. Kambartel und J. Mittelstraß (Konstanz) für gutachterliche und/ oder betreuende Bemühungen, Privatdozent G. Gabriel (Konstanz) für anregende Diskussionen und aufmunternde Worte, sowie P. Schroeder (Konstanz für das Lesen der Korrekturen. Ferner danke ich den Herausgebern der „Quellen und Studien zur Philosophie" für ihre freundliche Bereitschaft, das Buch in ihre Reihe aufzunehmen. Gewidmet sei das Buch denen, die am meisten Mühen und Leiden ertrugen, als es geschrieben wurde. Konstanz, im August 1979

Gereon Wolters

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung

IX

Einleitung

1

Kapitel 1: Lamberts Philosophie als methodische Philosophie oder Wissenschaftstheorie. Vorläufige Abgrenzung . . . .

9

1.1. 1.2. 1.2.1. 1.2.2.

Lambert in der philosophihistorischen Forschung . . . Historische und vorgreifende Bemerkungen zur Lambertschen Wissenschaftstheorie Metaphysik in der philosophischen Tradition . . . . Lambert und das Problem der Metaphysik

9 11 13 15

Kapitel 2: Wissenschaft als axiomatisch-deduktives System . . .

29

2.1. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.3. 2.3.1. 2.3.2.

29 35 35 36 42 42 46

Analytische und synthetische Methode Antike Axiomatik Euklid Aristoteles Christian Wolffs Verständnis der axiomatischen Methode . Axiome und Postulate, Theoreme und Probleme . . . Definitionen

Kapitel 3: Das Basisproblem 3.1. 3.3.1. 3.1.2. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.2.1. 3.2.2.2.

Lamberts Kritik an Lösungen des Basisproblems im „Criterium Veritatis" Die Kritik des Wölfischen Lösungsansatzes . . . . Die Kritik des Cartesischen Lösungsansatzes . . . . Der Lambertsche Lösungsansatz Der Ansatz des „Criterium Veritatis" Der Ansatz von „Organon" und „Architektonik" . . . Anatomisch-einfache Begriffe Einfache Begriffe als Grundbegriffe. Lamberts Begriff der Erfahrung

51 51 51 54 55 58 67 67 71

XII

3.2.2.3. 3.2.2.4. 3.2.2.5.

Inhaltsverzeichnis

Apriorität und lebensweltliche Erfahrung Apriorität und messende Erfahrung. Das pragmatische Fundament Lambert, ein Vorläufer Hilberts?

Kapitel 4: Das Deduktionsproblem 4.1. 4.2. 4.2.1. 4.2.2. 4.2.3. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.3.4. 4.3.5. 4.4. 4.4.1. 4.4.2. 4.4.3. 4.4.4. 4.4.5. 4.5. 4.5.1. 4.5.2. 4.5.3. 4.5.4.

Mosgeometricus und Kalkül Einige Hintergründe der Lambertschen Logikauffassung . Lamberts Ablehnung der psychologistischen und ontologistischen Begründung der Logik Die „Dicta" als methodologische Funktionen der syllogistischen Figuren Extension und Intension von Begriffen Historisches zu den Liniendiagrammen Der Lambertsche Linienkalkül. Historisches . . Die syllogistischen Satzarten in der Lambertschen Liniendarstellung Vorteile der Liniendarstellung der syllogistischen Satzarten Syllogistische Liniendiagramme in der Lambertschen Form Ältere Darstellungen logischer Diagramme Rekonstruktion der Liniendarstellung der syllogistischen Satzarten Einleitung Die Liniendarstellung der syllogistischen Satzarten . Die „Unter"-Relation der Liniendarstellung . Konverse und implizierte Relationen Syllogismen in Liniendarstellung Rekonstruktion des Linienkalküls (LK) Kalküle Elemente und Regeln des (LK) Die gültigen Schemata des (LK) Der Rekonstruktionsansatz von Keynes und seine Unzulänglichkeit

Klassendiagramme und Relationendiagramme . Abstraktion und Klasse Diagramme und Klasse

81 95 98

Kapitel 5: Möglichkeiten und Grenzen logischer Diagramme . 5.1. 5.2. 5.3.

76

.

100 104 104 114 117 120 120 122 124 127 130 133 133 134 139 140 143 144 144 145 150 162 167

.

.

167 168 173

Inhaltsverzeichnis

XIII

Schluß

178

Literaturverzeichnis

180

Register

188

Einleitung Johann Heinrich Lambert ist einer jener Philosophen, über die in den Werken der Philosophiegeschichte, wenn überhaupt, dann vornehmlich in Kleindruck berichtet wird. Er hat keine Schule und keine Schüler hinterlassen. Seine Werke haben gelehrten Staub angesetzt und es wurden, unvermeidlich, einige Dissertationen geschrieben, die sicherlich nicht alle Lamberts realistisch-pessimistische Einschätzung dieses Genres zu widerlegen geeignet sind. Keine philosophische Theorie ist mit dem Namen Lamberts verknüpft. Allenfalls einige Hegel- und Husserl-Kenner wissen, daß immerhin der Terminus „Phänomenologie" von Lambert in die Sprache der Philosophie eingeführt wurde In den sog. exakten Wissenschaften ist die Lage schon wesentlich besser. Der Name „Lambert" ist an einigen Stellen durchaus präsent: So ist „1 Lambert" in den USA die photometrische Einheit der Leuchtdichte; jeder Physiker kennt ζ. B. das „Lambertsche Gesetz" der Intensität der Lichtstrahlung 1

„Phänomenologie oder Lehre vom Schein" heißt der letzte der vier Teile von Lamberts Hauptwerk: „Neues Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung von Irrthum und Schein", 2 Bde., Leipzig 1764. Das „Organon", wie i. f. der Kurztitel lautet, bildet die ersten beiden der auf zehn Bände angelegten, von H. W. Arndt herausgegebenen Ausgabe der philosophischen Werke Lamberts: J. H. Lambert: Philosophische Schriften. Hildesheim 1965 ff. Die Bände 1—4, 6, 7, 9 sind bereits erschienen und bringen reprographische Nachdrucke des „Organon" (Bd. 1 und 2), der „Architektonik" (Bd. 3 und 4), der postum (1782—87) edierten „Logisch-Philosophischen Abhandlungen" (Bd. 6 und 7) sowie den ersten Band des postumen (1781/82—1787) fünfbändigen „Deutschen Gelehrten Briefwedisels" (Bd. 9). Wir zitieren nach den Kurztiteln „Architektonik", „Organon" und „Schriften" (mit Bandnummer). Während die übrigen Bände der „Philosophischen Schriften" von Lambert selbst veröffentlichte resp. bereits aus dem Nadilaß zuvor schon edierte Texte enthalten oder enthalten sollen, sieht Band 8 der „Schriften" eine Veröffentlichung von bislang unbekannten Nachlaßstücken vor. Bei der Abfassung dieser Arbeit war mir lediglich eine flüchtige Durchsicht des Lambertschen Nachlasses, der in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Basel verwahrt wird, möglich. Herrn Dr. Max Burckhard von der Handschriftenabteilung und seinen Mitarbeitern habe ich für ihre freundliche und großzügige Art zu danken, mit der sie mir die Manuskripte zugänglich machten und Kopien anfertigten. Eine umfassende, „philologische" Auswertung des Nachlasses war nicht möglich, da sie den zeitlichen und finanziellen Rahmen einer Dissertation gesprengt hätte.

2

Einleitung

nach Durchlaufen eines Mediums und das „Lambert-Beersche Gesetz" der Absorption von Licht (und Ultraviolett- und Infrarotstrahlung) beim Durchgang durch eine Lösung sowie die „Lambertschen Kosinusgesetze" der Beleuchtungsstärke; dem Astronomen ist der „Lambertsche Satz" über die Krümmung der scheinbaren Bahn von Himmelskörpern geläufig. Und erst kürzlich wurde die Frage diskutiert, ob zur Projektion der Weltkarte als Hintergrundbild bei den Fernsehnachrichten nicht „Lambertsflächentreue Azimutalabbildung" heranzuziehen sei, weil sie die Teile der Erde, die gemeinhin der „Dritten Welt" zugeredinet werden, besser zur, immerhin, optischen Geltung bringe. Der Mathematiker, der sich mit der Reihendarstellung von Funktionen befaßt, stößt bald auf die „Lambertsche Reihe". Und es gibt, bei allem Desinteresse der „working [! ] mathematicians" an der Geschichte ihrer Disziplin, doch gelegentlich in einem Lehrbuch eine Fußnote des Inhalts, daß Lambert als erster die Irrationalität von π bewiesen und — mit Gründen — die erst ein Jahrhundert später bewiesene Transzendenz vermutet hat. Manche Geometer wissen zudem, daß Lambert etwas mit den Anfängen der Nichteuklidischen Geometrie und, im Zusammenhang damit, der Theorie der Hyperbelfunktionen zu tun hatte. Während also in den exakten Wissenschaften die eine oder andere von Lamberts Bemühungen dauernde Früchte getragen hat, muß man feststellen, daß sein Denken in der heutigen Philosophie nicht mehr bewußt präsent ist, sei es in der sog. methodischen2 oder sei es in den Ausläufern der traditionellen Philosophie. So könnte denn eine Arbeit, die von der Philosophie Lamberts handelt, von vornherein in den Verdacht geraten, es ginge ihr darum, zu Archivzwekken sozusagen, einer Karte des historischen Atlanten der Philosophie, die bislang etwas unscharf und ungenau geblieben ist, schärfere und genauere Konturen zu geben. Und dies in der zufriedenen Gewißheit, im historischen Kosmos der Philosophie eine der unbewohnten ökologischen Nischen gefunden zu haben, in denen sich systematisches, d. h. eigenes, Nachdenken scheuende Dissertationen einzunisten pflegen. Nun ist vorliegende Studie eine Disser2

Der „methodischen Philosophie" sollen alle Bestebungen zugerechnet werden, die sich unter erheblichem Bemühen um eigene methodische Stringenz mit der Theorie der Einzelwissenschaften bzw. den methodischen Voraussetzungen einer solchen Theorie befassen .Hierzu sind ζ. B. die sog. Analytische Philosopie, der „Kritische Rationalismus" und die „Konstruktive Wissenschaftstheorie" zu rechnen. Obwohl auch methodische Bemühungen um eine praktische Philosophie zur methodischen Philosophie gehören, werden sie nicht in den Gesichtskreis der folgenden Überlegungen aufgenommen, die sich nur auf die theoretische Philosophie beziehen.

Einleitung

3

tation und, wie der Nominator „Johann Heinrich Lambert" zusammen mit den Daten „1728—1777" anzeigt, ohne allen Zweifel historisch. Alleine damit wäre ein solches Unternehmen zur Zeit der Herrschaft des „Historismus" in den sog. Geisteswissenschaften hinlänglich gerechtfertigt gewesen, da auch die Philosophie es als eine ihrer vornehmsten Aufgaben betrachten konnte zu sagen, wie es denn eigentlich gewesen und wie es gekommen sei. Die Wende der Philosophie zur Wissenschaftstheorie in diesem Jahrhundert hat hinsichtlich der Legitimation historischer Forschung in der Philosophie jedoch eine völlig neue Lage geschaffen. Die theoretische Philosophie hat ihr angestammtes Residuum in Erkenntnistheorie und Metaphysik verlassen und sich als methodische Philosophie den Grundlagenfragen der Wissenschaften zugewendet, die sich aus philosophischer Sicht vornehmlich als Probleme der Wissenschaftsjprac&e» darstellen. Diese wissenschaftstheoretische Wende der Philosophie läßt sich als eine Radikalisierung der Kantischen „kopernikanischen Wende" dahingehend verstehen, daß sachhaltige Aussagen nicht in der Philosophie, sondern in den dafür allein zuständigen Einzelwissenschaften zu suchen und zu finden sind. Der Philosophie verbleibt so der Kreis derjenigen Fragen, die in den Wissenschaften gar nicht oder nur nebenbei behandelt werden: Struktur und Aufbau von Wissenschaftssprachen, Probleme der Geltung wissenschaftlicher Rede, Fragen der Logik etc. Wenn man den häufigen Mangel an systematischer Fragestellung betrachtet, der die vor-methodische Philosophie nach Hegel auszeichnet, so hat sich mit der wissenschaftstheoretischen Wende dem systematischen Philosophieren ein weites und zudem von spekulativen Auswüchsen weitgehend gereinigtes Feld eröffnet. Auf diesem Felde hat die Philosophie, wie nie zuvor oder wenigstens nie in einem solchen Umfang, eine Fülle von lehrbuchgerechten Ergebnissen gezeitigt. Diese unerwartete Fruchtbarkeit der Philosophie dürfte auf den Umstand zurückzuführen sein, daß die Reflexion auf die Probleme wissenschaftlichen Redens der Philosophie selbst sehr zugute gekommen sind. Präzisionsstandards und Scheiternsmöglichkeiten wissenschaftlicher Theorien haben der Philosophie, soweit ihr ernsthaft an Wissenschaftlichkeit gelegen ist, neue Maßstäbe an Inhalt und Form ihrer Rede gesetzt. Theoretische Philosophie ist heute, so kann man ohne Übertreibung sagen, selbst so etwas wie eine exakte Wissenschaft geworden. Vom Großen Bruder „Exakte Wissenschaft" hat sie jedoch nicht nur die Tugenden, sondern audi die Laster angenommen. Hier ist in unserem Zusammenhang vor allem die eigentümliche „Geschiditslosigkeit" 3 der methodischen Philosophie zu nennen. Auch die 3 Dem widerspricht nidit die zutreffende Beobachtung von J. Mittelstraß: Das Inter-

4

Einleitung

Philosophie scheint, ganz wie die Einzelwissenschaften, nur noch unmittelbar mit den vorgeblich einzig relevanten systematischen Fragen befaßt zu sein. Ohne die mit der prätendierten Geschichtslosigkeit der methodischen Philosophie verbundenen Probleme hier erörtern zu können, geht diese Arbeit von folgenden begründbaren, hier aber nicht zu begründenden Thesen über das Verhältnis von historischer und systematischer philosophischer Forschung aus: 1. Die Unterscheidung „historisch — systematisch" ist über weite Strekken willkürlich. Systematische Forschung vollzieht sich zu einem großen Teil in den Kommunikationsprozessen der „Forschergemeinschaft" (C. S. Peirce). Dabei kann es eine apriorische Einschränkung der Kommunikationspartner, z.B. nur auf Lebende, nicht geben. Jeder, der zum verhandelten Thema etwas Sachhaltiges beizutragen hat, sollte am Kommunikationsprozeß teilnehmen. Soweit also die zweifellos notwendige Abgrenzung von denen, die nichts beizutragen haben, obwohl es vielleicht auf den ersten Blick so scheinen könnte, nicht dogmatisch erfolgen soll, muß sie in historischer Forschung unter systematischer Perspektive erbracht werden. 2. Viele, wenn nicht die meisten, Fragestellungen der methodischen Philosophie haben eine lange historische Genese, deren Kenntnis der Erfassung und evtl. der Kritik systematischer Probleme und vielleicht nur vermeintlicher Lösungen zumindest förderlich ist. 3. Gelehrte historische Bildung ist, sofern sie nicht von den in der Historismuskritik zu Recht verworfenen Begleiterscheinungen (wie ζ. B. Relativismus) betroffen ist, durchaus nicht unbedingt von Nachteil, weder für das „Leben", noch für die systematische Philosophie, insofern der Mensch als Individuum wie auch als Gattungswesen eine kulturelle Genese hat, deren Erhellung eine wesentliche Komponente seiner Identität bildet. In dem durch diese Thesen gesteckten Legitimationsrahmen bewegt sich die vorliegende Studie: Zum ersten wird der Kreis der Diskussionspartner esse der Philosophie an ihrer Geschichte. Konstanz 1976 (Manuskript), daß „das Ausmaß der historischen Forschung in der Philosophie ein Übermaß an historischer Bildung" (a. a. O., S. 1) vermuten lassen. Denn die überbordende philosophiehistorische Forschung folgt zum guten Teil alten historistischen Gewohnheiten, ohne sich aber noch systematisch des Historismus zu Legitimationszwecken bedienen zu können. Betrachtet man Wissenschaftstheorie als die angemessene Form zeitgenössischer Philosophie, dann reduziert sich das global feststellbare Übermaß in bescheidenere Dimensionen. Tendenziell bedeutet Philosophie als Wissenschaftstheorie die Aufgabe von historischer zugunsten systematischer Forschung. (Vgl. dazu die klassische Formulierung dieser Auffassung in: O. Neurath: Wege der wissenschaftlichen Weltauffassung, in: Erkenntnis, Bd. 1 (1930/31), reprogr. Nachdr. in: H. Schleichen (Ed.): Der logische Empirismus — Wiener Kreis. München 1975, S. 20—39, bes. S. 20.

Einleitung

5

der methodischen Philosophie auf Lambert ausgedehnt. Ob die dabei verfolgte systematische Perspektive die Einbeziehung der Philosophie Lamberts rechtfertigt oder nicht, muß die Arbeit selbst zeigen. Zum zweiten·. Die leitende systematische Fragestellung dieser Untersuchung ist das Problem der Begründung in axiomatischen Theorien. In dieser Frage hat sich, sieht man einmal von der Konstruktiven Wissenschaftstheorie ab, im wesentlichen die auf D. Hilbert 4 zurückgehende „formalistische" Auffassung durchgesetzt. In vergröbernder Kurzfassung5 besagt sie: Eine axiomatische Theorie besteht aus Axiomen und Deduktionsregeln. Die Axiome sind in dem Sinne „formal", als von einer „inhaltlichen" Deutung der in ihnen vorkommenden Prädikatoren, Relatoren etc. abgesehen wird: statt Prädikatoren, Relatoren etc. werden Prädikatoren-, Relatoren-, etc.variable verwendet. Genau genommen ist ein Axiomensystem dann kein System von Aussagen, sondern von Aussageformen. Dies hat die Konsequenz, daß Axiome und Axiomensysteme nicht mehr wahr oder falsch sein können. Das Bestreben der axiomatisierten Disziplinen, trotz ihres formalen Charakters inhaltliche Aussagen in ihrem Bereich zu machen, wird durch eine nachträgliche „Interpretation" befriedigt, die Axiome zu wahren Aussagen macht. Diese Interpretation besteht in einer Zuordnung der Prädikatorenvariablen etc. zu Klassen oder Eigenschaften etc. Auf diese Weise ist man der Problematik eines inhaltlichen Anfangs einer Theorie in geeigneten Definitionen enthoben, u. a. jedoch um den Preis, sich auf einer anderen Ebene das Problem wieder einzuhandeln, das man glücklich gelöst zu haben glaubte: Eine Interpretation einer formalen axiomatischen Theorie im oben angedeuteten Sinne heißt ein „Modell" dieser Theorie. Bezüglich solcher, häufig audi „konkret" genannter Modelle stellt sich jedoch erneut die Frage einer methodisch ausgewiesenen Verwendung der in ihren Aufbau eingehenden Prädikatoren. Von formalistischer Seite wird diesem Problem keine besondere Beachtung geschenkt. Dies mit folgender Begründung: Vorausgesetzt, es gebe einen Widerspruchsfreiheitsbeweis für eine formale Theorie, ferner, was letzteres impliziert, vorausgesetzt, diese Theorie habe ein konkretes Mo* D. Hilbert: Grundlagen der Geometrie. Stuttgart111972. Vgl. ferner: ders.: Axiomatisches Denken, und ders.: Die logisdien Grundlagen der Mathematik; beide Abhandlungen in: Hilbertiana. Fünf Aufsätze von D. Hilbert. Darmstadt 1964, S. 1—11 und S. 33—46. Zur formalistischen Methode in der Physik vgl. ζ. Β. H. Schleichen: Elemente der physikalischen Semantik. Wien 1966. Eine ausführliche und gründliche Kritik des formalistischen Ansatzes bringt F. Kambartel: Erfahrung und Struktur. Bausteine zu einer Kritik des Empirismus und Formalismus. Frankfurt 1968. 5 Ausführliche Darstellungen in den beiden zuletzt genannten Schriften Hilberts (Anm. 4).

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Einleitung

dell, dann sind sämtliche in diesem Modell dedu2ierten Aussagen a) widerspruchsfrei und b) wahr. Mehr könne man ja beim besten Willen nicht verlangen. In der Tat wäre an einem solchen Resultat nichts zu mäkeln, wenn es ordnungsgemäß zustande gekommen wäre. Der springende Punkt der Kritik liegt denn auch nicht in einer Unzufriedenheit mit dem Resultat, sondern mit der Art und Weise seiner Entstehung und Begründung. Denn es muß die Frage gestellt werden, ob es bereits gestattet sein soll, von einem „Modell" zu reden, wenn ein Bereich von Gegenständen, Eigenschaften etc. angegeben wird, der eine interpretative Zuordnung vom formalen System her erlaubt. Oder ob die Rede von Modellen erst dann ihre methodologische Berechtigung hat, wenn der betreifende Bereich nicht nur schlicht angegeben, sondern methodisch bereitgestellt, „konstruiert" wurde. Letzteres entspricht der Auffassung der Konstruktiven Wissenschaftstheorie 6. Diese Auffassung bedeutet an sich keine Ablehnung der axiomatischen Methode, sondern lediglich die Verwerfung von, mit ihrer formalistischen Variante einhergehenden, nicht gerechtfertigten Ansprüchen, sowie das Beharren auf dem sog. Prinzip der methodischen Ordnung, wonach im rekonstruierenden Aufbau wissenschaftlicher Handlungszusammenhänge nur von solchen Mitteln Gebrauch gemacht werden darf, die bereits methodisch ausgewiesen zur Verfügung stehen, und nur solche Resultate verwendet werden dürfen, die im Aufbauprozeß bereits methodisch gewonnen und damit begründet wurden. Aus konstruktiver Sicht, hat die Konstruktion konkreter Modelle in der methodischen Ordnung vor der Axiomatisierung den Vorrang. Ohne die Beachtung dieser methodischen Ordnung ist Axiomatik nicht mehr als ein formales Spiel. Der Konstruktivitätsbegriff hat in Mathematik und Physik eine Reihe von Präzisierungen erfahren 7 . Als allgemeines Adäquatheitskriterium für 6 Aus der umfangreichen Literatur zur konstruktiven Wissenschaftstheorie vgl. insbesondere: P. Lorenzen / O. Schwemmer: Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie. Mannheim 2 1975, passim; zur Mathematik: P. Lorenzen: Differential und Integral. Eine konstruktive Einführung in die klassische Analysis. Frankfurt 1965, S. 2 u. ö.; zur Physik: P. Janich: Die Protophysik der Zeit. Mannheim 1969, wo Janich eine konstruktive Einführung der für alle physikalischen Theorien grundlegenden Theorie der Zeitmessung und damit eine methodisch ausgewiesene Verwendung des Prädikators „Zeit" gibt. Zu anderen physikalischen Basisprädikatoren und zur Kritik an der Protophysik vgl. die entsprechenden Beiträge in: G. Böhme (Ed.): Protophysik. Für und wider eine konstruktive Wissenschaftstheorie der Physik. Frankfurt 1976. 7 Ohne diese Präzisierungen hier vorstellen und diskutieren zu können, sei erwähnt, daß neben einem Vorschlag von P. Lorenzen in: Einführung in die operative Logik und Mathematik. Berlin 2 1969 der u. a. von verallgemeinerten induktiven Definitionen

Einleitung

7

diese und vielleicht alle seine Präzisierungen dürfte die Beachtung des Prinzips der methodischen Ordnung gelten. D. h.: Eine wissenschafdiche Theorie soll dann „konstruktiv" genannt werden, wenn ihr Aufbau den Anforderungen dieses Prinzips genügt. Selbstverständlich sind die Anwendungen und Standards dieses Prinzips in verschiedenen Disziplinen unterschiedlich. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, nachzuweisen, daß die Lambertsche Philosophie in ihrer wesentlichen Intention als im gerade gekennzeichneten Sinne „konstruktive" Wissenschaftstheorie zu verstehen ist. Genauer: als Theorie konstruktiver axiomatischer Wissenschaft. Dabei wäre es ohne Zweifel anachronistisch, wollte man Lambert die Fragestellungen heutiger Metamathematik im einzelnen aufzwingen. Zwei Grundfragen jedoch haben neben dem globalen Aspekt der metatheoretischen Behandlung axiomatischer Theorien einen Bezug zur heutigen Metamathematik. Dabei ist der erste dieser beiden Aspekte, die Frage nach der Bedeutung der Grundbegriffe axiomatischer Theorien, heute durch die formalistische Ideologie weitgehend verdrängt; der zweite, das Problem der Deduktion, wenn auch nicht ihrer Begründung, im wesentlichen gelöst. Lamberts Idee diagrammatischer Kalküle ist jedoch im Blick auf ihre Durchführung neu. Im 1. Kapitel soll in vorläufiger Skizzierung Lamberts Abwendung von der traditionellen Metaphysik und seine Hinwendung zur Wissenschaftstheorie aufgezeigt werden. Das 2. Kapitel dient der Klärung des historischen Hintergrundes der Auffassung axiomatisch-deduktiver Wissenschaft, von der Lambert ausgeht und die er kritisch überschreitet. Das 3. Kapitel zeigt Lamberts Lösungsansatz für das Problem der inhaltlichen Bestimmung der in die Axiome einer Theorie eingehenden Prädikatoren und damit der Begründung der Axiome. Da diese Prädikatoren etc. gelegentlich „Basisprädikatoren" heißen, ist vom „Basisproblem" die Rede. Das 4. Kapitel widmet sich der Lambertschen Lösung des „Deduktionsproblems", d.h. der schlußfolgernden Begründung der Theoreme einer axiomatischen Theorie. Im 5. Kapitel werden systematische Überlegungen zu logischen Diagrammen durchgeführt, die deren begrenzte Möglichkeiten nachweisen. Dem historisch-systematischen Charakter der Studie gemäß kann keine einheitliche Methode verfolgt werden. Vier Weisen des Vorgehens wechseln und der damit verbundenen Möglichkeit der Konstruktion von Sprachschichthierarchien Gebrauch macht, Präzisierungen vorliegen, die den Konstruktivitätsbegriff an die Theorie rekursiver Definitionen anbinden bzw. die Einschränkung auf prädikative Begriffsbildungen fordern. Vgl. G. Haas: Zur konstruktiven Begründung der Analysis. Ein Beitrag zur Klärung des Konstruktivitätsbegriffs. (Diss. Aachen 1975). Für die Physik vgl. Anmerkung 6.

8

Einleitung

einander ab: Zunächst scheint es mir unerläßlich zu sein, (1) die historische Problemlage, von der Lambert jeweils ausgeht, stets zu skizzieren, da nur auf diese Weise Rationalität und Eigenart des Lambertschen Vorgehens hinlänglich sichtbar wird. Neben die (2) bloß paraphrasierende Darstellung Lambertscher Gedanken, deren systematische Relevanz ohne weiteres erkennbar ist, tritt, wenn Lamberts eigene Darstellung schwerer erkennbar ist, (3) die systematische Rekonstruktion seiner Intentionen. Als vierte Methodenvariante und Fortsetzung der letzten wird das systematische Vorantreiben Lambertscher Gedanken auftreten. Dies ist insbesondere bei der Rekonstruktion des Linienkalküls (Kap. 4.4 f.) und bei den Untersuchungen zu den Grenzen logischer Diagramme (Kap. 5) der Fall. Die Rekonstruktionen von Kap. 4.4 f. liefern die erste, mir bekannte, quasi-mechanische Behandlung logischer Diagramme. Deren Darstellung nimmt notwendigerweise einen über den Umfang der übrigen Kapitel hinausgehenden Raum ein.

Kapitel 1: Lamberts Philosophie als methodische Philosophie oder Wissenschaftstheorie. Vorläufige Abgrenzung 1.1.

Lambert in der philosophiehistorischen Vorsehung

Der in der Einleitung erwähnten Wirkungslosigkeit Lamberts in der Philosophie entspricht eine wenig opulente philosophiehistorische Forschung, die sich in drei Gruppen einteilen läßt: Zunächst eine Gruppe von Philosophen, auf die die Philosophie Lamberts keinen besonderen Eindruck gemacht hat. Hier ist, ungeachtet der (jedenfalls ausweislich des Namensverzeichnisses der sog. Jubiläumsausgabe) stillschweigenden Übernahme des Terminus „Phänomenologie", zunächst einmal Hegel zu nennen, in dessen „Geschichte der Philosophie" der Name „Lambert" nirgends auftaucht. An anderer Stelle wird ihm immerhin eine „trockene Verständigkeit" 1 attestiert, ohne daß jedoch mitgeteilt würde, was dies denn heißen soll. J. E. Erdmanns, aus der Perspektive der Hegeischen Philosophie geschriebener, sechsbändiger „Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung der Geschichte der neuern Philosophie" (1834—1853) 2 weiß ebenfalls mit Lambert nichts Rechtes anzufangen; er bescheidet sich auf einer knappen Seite mit der Angabe der Kapitelüberschriften des „Organon" und mit der gänzlich unzutreffenden Bemerkung, Lamberts Untersuchungen seien „rein formell, indem sie die Kriterien wahrer Sätze ganz abgesehen von ihrem Inhalt zu geben versuchen". In Band 4 („Immanuel Kant und seine Lehre. Erster Theil. Die Entstehung und Grundlegung der kritischen Philosophie") von K. Fischers monumentaler (10 Bände) „Geschichte der neueren Philosophie" 3 wird Lambert als Illustration der „eklektizistischen" und „inkohärenten" Versuche abgefertigt, rationali1 G. W.F. Hegel: Wissenschaft der Logik, in: Werke (Ed. H. Glockner), Bd. 5, Stuttgart 4 1964, S. 57: „Der große [ . . . ] und scharfsinnige Euler, besonders der trocken verständige Lambert und andere haben für diese Art von Verhältnissen der Begriffsbestimmungen eine Bezeichnung durch Linien, Figuren und dergleichen gesucht". Hegel spielt hier auf die Lambertschen Liniendarstellungen an, die wir in Kap. 4 erörtern werden. 2 Bd. 4, Nachdruck Stuttgart 1932, S. 501. 3 Heidelberg 5 1909, S. 34.

10

Lamberts Philosophie als Wissenschaftstheorie

stische und empiristische Belange bei der Grundlegung von Erkenntnis und Wissenschaft zu verbinden. D e m hiermit genügend gekennzeichneten Typus der Einschätzung L a m b e r t s als eines im G r u n d e bedeutungslosen Vertreters der deutschen Aufklärungsphilosophie zwischen Leibniz und K a n t ist auch die Dissertation von O . B a e n s c h 4 zuzurechnen, die als Reaktion auf die in der nächsten G r u p p e zu nennenden Arbeiten verstanden werden muß, die Lambert einen wesentlichen Platz in der Vorgeschichte der Kantschen Vernunftkritik einräumen. E i n e ähnliche Position wie Baensch, jedoch in besserer Wägung

der historischen

„Ueberweg"

5

Zusammenhänge,

nimmt

die Darstellung

im

ein.

D i e Zuordnung der Philosophie L a m b e r t s zur sog. kritischen Philosophie Kants beginnt mit R . Zimmermanns Wiener Akademieschrift unter dem programmatischen Titel: „ L a m b e r t der Vorgänger K a n t s " 6 . Diese These wurde von den dem Neukantianismus nahestehenden Forschern 7 übernommen. Später w u r d e sie mit einer gewissen chauvinistischen Tendenz zur These einer besonderen Bedeutung L a m b e r t s f ü r die Entwicklung einer „deutschen", in einem völlig nebulösen Sinne „idealistischen", Philosophie ausgeweitet. 8 4

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Johann Heinrich Lamberts Philosophie und seine Stellung zu Kant. Tübingen 1902. Baenschs Resume (a.a.O. S. 102 f.): „Wir haben gesehen, daß Kants Gedankenentwicklung sich ohne irgendeinen nennenswerten Einfluß Lamberts vollzogen hat. [ . . . ] Die Gestalt Lamberts läßt sich aus der Geschichte der kritischen Philosophie wegdenken". Dieses Resume trifft rezeptionsgeschichtlich weitgehend zu, was freilich nicht, wie Baensch unterstellt, auch schon heißt, daß damit die Frage nach der systematischen Bedeutung der Philosophie Lamberts erledigt wäre. F. Ueberweg: Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. 3 (Ed. M. FrischeisenKöhler / W. Moog). Berlin 121924, S. 290 ff. Ähnlich die Darstellung in E. Zeller: Geschichte der deutschen Philosophie seit Leibniz. München 1873, repr. Nadidr. New York 1965, S.292f. R. Zimmermann: Lambert der Vorgänger Kant's. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Kritik der reinen Vernunft. Wien 1879 ( = Denkschriften der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philos.-Hist. Classe, Bd. 29). Vgl. dazu im Literaturverzeichnis die Schriften von Cassirer, König, Lepsius, Riehl, Sterkmann, v. Zawadski. Auch der bislang einzige, mir bekannte ausführliche angelsächsische Beitrag von H. Griffing: J. H. Lambert. Α Study in the Development of the Critical Philosophy, in: Philosophical Review 2 (1893) gehört in diesem Zusammenhang. Baensch, obwohl dem Neukantianismus nahestehend, gehört jedoch, vgl. Anm. 4, in die erste Gruppe. Hierunter leiden vor allem die Urteile des für die Lambert-Forschung überaus verdienstvollen M. Steck. Vgl. die Einleitung von Stecks Edition der Lambertschen „Schriften zur Perspektive". Berlin 1943. Von Steck stammt im übrigen die maßgebende „Bibliographie Lambertiana. Ein Führer durch das gedruckte und ungedruckte Schrifttum von J. H. Lambert 1728—1777". (Neudrude) Hildesheim 1970. Erstdruck in den „Schriften zur Perspektive". Völlig konfus und unbrauchbar ist E. Bartheis Lambertdarstellung in: Elsässische Geistesschicksale. Ein Beitrag zur europäischen Verständigung. Heidelberg 1928, der u. a. (a. a. O. S. 50) feststellt, Lamberts „lederner

Bemerkungen zur Lambertsdien Wissenschaftstheorie

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In neuerer Zeit stehen gelehrte historische Untersuchungen zu Lambert, häufig in Verbindung zu anderen Denkern der Aufklärung, im Vordergrund 9 . Auch hier spielt oft der Vergleich mit Kant eine Rolle, ist jedoch nach Absicht der Autoren von sekundärer Bedeutung. Neben dem im engeren Sinne philosophischen ist in letzter Zeit ein wachsendes wissenschaftshistorisches Interesse 10 an Lambert zu beobachten. 1.2.

Historische und vorgreifende Bemerkungen Wissenschaftstheorie

zur Lambertschen

In dieser Arbeit geht es nicht darum, erneut zur Vorläufer-These Stellung zu nehmen. Deshalb steht der Bezug zu Kant mehr im Hintergrund und wird nicht ausführlich erörtert. Weder kann Kants Philosophie zum historischen Verständnis der Lambertschen entscheidend herbeigezogen werden, da die Lambertsche Konzeption spätestens 1765 abgeschlossen war und Lambert, wie es scheint, erst ungefähr zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von Kants Schriften erhielt 11 . Noch kann Kants Philosophie, trotz ihrer auch heute noch keinesfalls „überholten" Bedeutung, die systematische Perspektive einer Studie wie der vorliegenden abgeben. Sie muß vielmehr an gegenwärtige systematische Einstellungen und Einsichten anknüpfen. Zu den in der Einleitung erwähnten Standards heutiger theoretischer Philosophie gehört ohne Zweifel, daß sich theoretische Philosophie nur noch Rationalismus" sei in der zeitgemäßen „Vorwärtsentwicklung des Geistes zum Irrationalen hin überwunden worden". 9 Hier sind an erster Stelle die kenntnisreichen Einleitungen von H. W. Arndt zu den Bänden 1, 3, 6 und 9 von Lamberts „Schriften" zu nennen, ferner seine Monographien: Der Möglichkeitsbegrifl bei Chr. Wölfl und J . H. Lambert. (Diss.) Göttingen 1959, und: Methodo scientifica pertractatum. Mos geometricus und Kalkülbegriff in der philosophischen Theorienbildung des 17. und 18. Jahrhunderts. Berlin 1971. Unter ähnlichen, mehr historischen, Gesichtspunkten stehen (vgl. Lit.-Verz.) die Darstellungen von ζ. B. Beck, Barone, Ciafardone, Jacquel und M. Wundt. Ein systematisches Spezialproblem behandelt G. König: Vergleich der entwickelten Systemproblematik mit der J . H. Lamberts, in: A. Diemer (Ed.): System und Klassifikation in Wissenschaft und Dokumentation. Vorträge und Diskussionen im April 1967 in Düsseldorf. Meisenheim 1968, S. 178—180. Ein neuerer Beitrag zur Biographie Lamberts ist F. Humm: J . H. Lambert in Chur. Chur 1972. Entgegen der Ankündigung enthält das Buch eine vollständige biographische Skizze und bietet angesichts der farbigen Persönlichkeit Lamberts eine reizende und amüsante Lektüre. Eine umfassende auf neuem Quellenstudium gestützte Biographie steht noch aus. Als kleinen Beitrag dazu mag man das vor diese Arbeit eingelegte Bildnis betrachten, das, außer an seinem Ursprungsort, m. W. bisher noch nicht veröffentlicht wurde und auch in der biographischen Literatur nicht erwähnt wird. 1 0 Vgl. die Arbeiten von Fleckenstein/Figala, I. Scheider und Ο. B. Sheynin (Lit.-Verz.). » Vgl. Brief an Kant, in: Schriften Bd. 9, S. 336.

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Lamberts Philosophie als Wissenschaftstheorie

als Wissenschaftstheorie hinlänglich legitimieren kann. Wann die Philosophie die Wende von der Metaphysik zur Wissenschaftstheorie vollzogen hat, ist allerdings ohne Präzisierung der Fragestellung kaum zu beantworten. Zum Nachweis der Behauptung, daß bei Lambert eine wissenschaftstheoretische Wende vorliegt, wird i. f. zunächst die historische Problemlage skizziert werden. Beginnend mit dem 17. Jahrhundert tritt immer stärker die (neuzeitliche) Wissenschaft in den Gesichtskreis philosophischer Forschung. Freilich weniger als ein neu entdeckter Gegenstand philosophischer Bemühungen, sondern vielmehr als eine an die Philosophie gerichtete Herausforderung. Diese Herausforderung besteht zum einen in den Emanzipationsbestrebungen der sich aus dem Verband der Philosophie organisatorisch lösenden Einzelwissenschaften, zum anderen darin, daß die Einzelwissenschaften angesichts der chaotischen Fülle philosophischer Lehrmeinungen eine ungeheure Einheitlichkeit ihrer Resultate und angesichts der nachgesagten „Nutzlosigkeit" der Philosophie geradezu weltverändernde Anwendungsmöglichkeiten bieten. Die Antwort der Philosophie läßt u. a. zwei Strategien erkennen: Einmal tendiert die Philosophie, zuweilen in kruder Form, dazu, die methodischen und Exaktheitsstandards der Einzelwissenschaften zu übernehmen, zum anderen glaubt sie, der einzelwissenschaftlichen Forschung ein wiederum metaphysischphilosophisches Fundament geben zu müssen. Ein verbreitetes einfaches Bild vom Gang der philosophischen Dinge zeigt die Entwicklung so: Im 17. und 18. Jahrhundert stehen sich der „Rationalismus" vonz. B. Descartes, Leibniz und Wolf! und der „Empirismus" von ζ. B. Locke und Hume als miteinander konkurrierende 12 Versuche gegenüber, das komplexe Phänomen „neuzeitliche Physik" zu erklären und zu begründen. Beide Richtungen führen in Sackgassen: Der Rationalismus in den „Dogmatismus", der Empirismus in den „Skeptizismus". Die Kantische Vernunftkritik führt schließlich aus diesen Sackgassen heraus, insofern sie die Belange von Rationalismus und Empirismus, soweit sie berechtigt sind, zu einer Synthese, der „Transzendentalphilosophie", vereinigt. Die Kantische Lösung wird dann als adäquater philosophisch-wissenschaftstheoretischer Ausdruck der klassischen Physik verstanden. Dieses einfache Bild davon, wie die Geschichte gelaufen ist, hat sidh im wesentlichen auch dann noch erhalten, nachdem offenbar geworden war, daß 12 Die Konkurrenz ist keineswegs so stark, wie die Protagonisten selbst und viele Historiker glauben machen. Zur Verwandtschaft von Rationalismus und Empirismus vgl. J . Mittelstraß. Neuzeit und Aufklärung. Studien zur Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaft und Philosophie. Berlin 1970, § 11, bes. § 11.4: Ideenmetaphysik (Descartes und Locke).

Bemerkungen zur Lambertschen Wissensdhaftstheorie

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die Transzendentalphilosophie Kants zwar wichtige wissenschaftstheoretische Grundeinsichten vermittelt, hinter die man nicht wieder wird zurückgehen können, gleichwohl nicht auch schon als adäquate Theorie der klassischen Physik verstanden werden kann. Zu den unverzichtbaren Einsichten der „Kritik der reinen Vernunft" ist sicherlich zu rechnen, daß Kant die Frage, ob Metaphysik als Wissenschaft möglich ist, negativ beantwortet. Wir wollen die Voraussetzung dieser Frage, nämlich das Problem einer wissenschaftlichen Metaphysik, von dem Lamberts Kritik ihren Ausgang nimmt, im folgenden Abschnitt skizzieren. 1.2.1.

Metaphysik in der philosophischen Tradition

Soweit „Philosophie" nicht lediglich eine Bezeichnung für systematischbegründende Einzelwissenschaft13 ist, hat sie stets einen Bereich des „Wirklichen" für sich reserviert, über den sie (der Behauptung nach: sie alleine) verläßliche Aussagen machen zu können glaubte. Dabei verstand sich Philosophie in prinzipiell gleicher Weise als „Realwissenschaft" wie die Einzelwissenschaften, die ohnehin noch ihrem organisatorischen Verband angehörten. Der entscheidende Unterschied bestand lediglich darin, daß die Sätze der „eigentlichen" Philosophie (Metaphysik) von hoher oder höchster Allgemeinheit seien. Das belegen jene Bestimmungen von Philosophie seit Aristoteles H , in denen sie als Wissenschaft vom „Seienden als Seienden" (ov f) ov, ens inquantum est ens) verstanden wurde; d. h. als Wissenschaft nicht der konkreten Dinge und ihrer Eigenschaften, sondern der „allgemeinen" Dinge und der „Eigenschaften", die allem aus dem Grunde allein, daß es „ist", zukommen. Chr. Wolff glaubte mit seiner Definition der Philosophie als „Wissenschaft der möglichen Dinge, insofern sie sein können" 15, dem Allgemeinheitsideal noch besser zu entsprechen, da die „Eigenschaft" „Sein" zwar „Möglichsein" impliziere, nicht jedoch umgekehrt. Auch wenn Philosophie nicht ausschließlich in der eben skizzierten Weise als „philosophia prima", (allgemeine) „Metaphysik" oder „Ontologie" auftrat, unterschieden sich ihre spezielleren Untersuchungen (seit Wolff: „metaphysica specialis") von den korrespondierenden Einzelwissenschaften gleichfalls durch den Anspruch höherer Allgemeinheit: Während sich etwa die 13 Vgl. F. Kambartel. Erfahrung und Struktur, S. 74. (Bereits zitierte Schriften werden i. f. durch einen geeigneten Kurztitel kenntlich gemacht.) 14 Vgl. Aristoteles Met. 1003 a 21. 15 „Scientia possibilium, quatenus esse possunt", ζ. B. in: Chr. Wolff: Philosophia rationalis sive logica. Frankfurt 3 1740 (i. f. „Lateinische Logik), Discursus praeliminaris S 31.

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Lamberts Philosophie als Wissenschaftstheorie

Kinematik mit den mathematisch formulierbaren Aspekten kräftefrei bewegter Körper befaßte, fragte die Philosophie nach dem „Wesen" der Bewegung oder des physikalischen Körpers. In Fragestellung und Antwort dieser Art mochte zwar ein gut Teil des einzelwissenschaftlichen Standards eingehen, prinzipiell jedoch zielte die Philosophie auf ein Wissen über die „Welt", das einzelwissenschaftliches Wissen transzendieren sollte und dementsprechend mit dessen Mitteln auch gar nicht erreichbar sei. Gleichzeitig soll das metaphysische Wissen von Dingen und Eigenschaften überhaupt dem einzelwissenschaftlichen Wissen in der methodischen Ordnung voraufgehen: Wer beispielsweise wissen will, was beim Stoß zweier elastischer Körper passiert, der muß zuerst einmal wissen, was ein Körper überhaupt ist, was das „Wesen" eines Körpers ist. Das reicht freilich noch nicht aus, denn ein Körper ist ein „Ding", ein „Seiendes", und infolgedessen ist in der metaphysischen Ordnung des Wissens auch noch eine Kenntnis von „Dingen überhaupt" oder des „Seienden als solchen" Voraussetzung jeder (metaphysisch) begründeten Rede von Seienden in ganz konkreten Umständen. Auch die ihrem Anspruch nach antimetaphysische Wende des neuzeitlichen Empirismus, die, lange, ζ. B. im Nominalismus des Mittelalters, vorbereitet, sich mit dem Erscheinen von J. Lockes „Essay Concerning Human Understanding" (1690) datieren läßt, bedeutet noch nicht, daß die Philosophie nunmehr eine Wende von der Metaphysik zur Wissenschaftstheorie genommen hätte, wenn man mit „Wissenschaftstheorie" die Analyse und/oder Begründung der sprachlichen und experimentellen Handlungskomplexe meint, die überlicherweise mit dem Prädikator „Wissenschaft" bedacht werden. Im Empirismus geht es zwar auch um Wissenschaft und um einzelne ihrer fundamentalen Kategorien wie ζ. B. die Kausalität. Voraussetzung des Empirismus ist jedoch die wiederum „metaphysische" Auffassung, daß alle Erkenntnis auf reiner Datenfassung basiere 16 . Der Philosophie fällt sodann als „Erkenntnistheorie" die Aufgabe zu, die Konsequenzen ihrer metaphysischen Grundlage für alles menschliche und insbesondere das wissenschaftliche Wissen aufzuzeigen. Dies soll eine in der Regel psychologisierende Analyse der sinnlichen und geistigen Fähigkeiten des Menschen leisten. Philosophie erscheint so als die, selbst methodisch unausgewiesene, Erkenntnis darüber, wie die Erkenntnis angeblich zustande kommt. Die Kantische „Überwindung" von rationalistischem Dogmatismus und empiristischem Skeptizismus durch den Ausweis der subjektiven Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis geschieht in dem Bewußtsein, einen gegen16 Vgl. F. Kambartel. Erfahrung und Struktur, Kap I, bes. S. 18 ff.

Bemerkungen zur Lambertsdien Wissensdiaftstheorie

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über der Tradition völlig neuen Weg einzuschlagen. Dieses Bewußtsein findet seinen pathetischen Ausdrude in dem Wort von der „Kopernikanischen Wende" der Philosophie. Daß ein solches Bewußtsein des Neuanfangs möglich ist, beruht nicht zuletzt darauf, daß es Kant gelungen ist, das ganze Problem der Metaphysik auf einen verblüffend einfachen logisch-sprachphilosophisdien Nenner zu bringen, der zum einen die metaphysische Tradition in ihrem inhaltlichen und methodischen Selbstverständnis in ein klares Licht rückt und zum anderen eben dadurch das Revolutionäre des intendierten Neuansatzes deutlich macht: Die Frage nach der Möglichkeit der Metaphysik wird als Frage nach der Möglichkeit einschlägiger, d. h. auf Gott, Welt im ganzen und Seele des Menschen bezogener, synthetischer Urteile a priori formuliert. Zwar ist die Geschichte der Metaphysik bis Kant von ständigen Klagen über ihren miserablen Zustand begleitet, nie jedoch hatte man versucht oder war es gar gelungen, die Struktur ihrer Sätze in einer Weise zu analysieren, die einen Ansatzpunkt zu ihrer Verbesserung geboten hätte, bzw. es erlaubt hätte, sie als nicht sinnvoll möglich nachzuweisen. Kants neuartige Fragestellung markiert das historische Ende der Metaphysik als theoretischer Philosophie, die, den Reanimationsversuchen des deutschen Idealismus zum Trotz, zum philosophischen Allgemeinwissen gehören sollte. 1.2.2.

Lambert und das Problem der Metaphysik

Kants Wort von der durch die „Kritik der reinen Vernunft" eingeleiteten Kopernikanischen Wende der Philosophie kann als ein Beleg dafür angesehen werden, daß fundamentale Neuorientierungen in den Einzelwissenschaften wie audi in der Philosophie bei ihren Initiatoren durchaus von dem Bewußtsein begleitet sind, Revolutionäres geleistet zu haben. Dieses Bewußtsein mag dabei im Einzelfall dadurch gedämpft werden, daß sich das verkannte Genie (wie z.B. G.Frege) auf die Anerkennung späterer und einsichtsvollerer Zeiten verwiesen sieht. Die Anerkennung von Genialität ist bei Lambert, einer diffusen Wertschätzung ungeachtet, bislang ohne Zweifel ausgeblieben. Jedoch auch im Falle Lambert wäre es zuviel gesagt, daß sich das Genie in übergroßer Bescheidenheit auch noch selber verkannt hätte. Denn in der von Lambert selbst verfaßten Rezension der „Architektonik" in der „Allgemeinen Deutschen Bibliothek" 17, dem maßgeblichen Rezensionsorgan seiner Zeit, äußert er die 17 Allgemeine Deutsche Bibliothek [kurz: ADB] (Ed. F. Nicolai), Bd. 20, Berlin 1773, S. 12—25. Wiederabdruck in: Schriften, Bd. 7, S. 413—428. Lambert hat im übrigen unter den

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Hoffnung, daß „dieses Werk in der philosophischen Kenntniß Epoche machen werde". Desgleichen heißt es in seinem ersten Brief an Kant (13. Nov. 1765), in dem er diesen um Kontaktaufnahme mit einem Königsberger Verleger bittet: „Das honorarium pro labore [sei. für die „Architektonik"] würde ein Artikel von etwann 200 rthlr. seyn und ist desto mäßiger, weil das Werk nothwendig Aufsehen machen wird" 18. Gleichwohl kann man nicht behaupten, daß sich Lambert der Konsequenzen seines Neuansatzes in einer der Kantischen vergleichbaren Weise bewußt gewesen ist. Lambert hat nicht versucht, dem Problem der Metaphysik jene adäquate Form zu geben, von der her sowohl die Überwindung der Tradition als auch der genaue Ort des Neuanfangs hätten sichtbar werden können. Entgegen Lamberts freimütigem Selbstlob hat man auf den ersten Blick sogar den Verdacht, als hätte er das Epochemachende seiner Philosophie sich lediglich eingebildet: Lambert scheint Lehrbuchtraditionen der Philosophie fortzusetzen: Das „Organon" tritt in die lange Reihe der „Vernunftlehren" der deutschen Aufklärung ein, während die „Architektonik", einmal mehr, ein Lehrbuch der Metaphysik zu sein verspricht. Dazu paßt die Bemerkung aus der Vorrede der „Architektonik", daß dieses Buch eine, wenn auch „durchaus aufs neue vorgenommene Untersuchung der metaphysischen Grundlehren" 19 liefern soll und somit nicht mehr zur intendieren scheint, als die traditionelle Metaphysik im vorgegebenen Rahmen zu verbessern. Diesen Lambertschen Interpretationsvorschlag hat denn auch die Lambertforschung übernommen, zumeist mit dem Kompliment verbunden, er sei immerhin „originell" oder „eigenwillig" verfahren. Der Kantische Nachweis der Unmöglichkeit der Metaphysik als Wissenschaft führte dann folgerichtig dazu, die philosophischen Chiffren A, D, E, Ez, Fm, Ik, Jz, Sh, Sph, Sw, Z, Zz (Vgl. M. Steck: Standortkatalog der Lambertiana, S. 61, Manuskript in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Basel) ca. 400 ζ. T. umfangreiche Rezensionen für die ADB verfaßt, insbes. in den Gebieten Mathematik, „Naturlehre" und „Weltweisheit". So wird denn auch im Nachruf des Herausgebers der ADB (a. a. O. Bd. 32 (1777), S. 615) das Hinscheiden eines „der fleißigsten Mitarbeiter" beklagt. 18 Wir zitieren nach der Ausgabe des Kant-Briefwechsels in der „Philosophischen Bibliothek": I. Kant. Briefwechsel (Ed. O. Schöndörffer). Hamburg 1972, S. 38. In Bd. 9 von Lamberts „Schriften", der ebenfalls den Briefwechsel mit Kant enthält, ist diese Stelle den Editionsprinzipien (vgl. a. a. O. S. XII f.) des Herausgebers Johann (III) Bernoulli zum Opfer gefallen. Auch der historisch interessante Hinweis darauf, daß Lambert sich für eine Stelle an der Berliner Akademie für den noch nicht arrivierten Kant einsetzte, ist von Bernoulli gestrichen worden (Vgl. I. Kant. Briefwechsel, S. 39). 19 Anlage zur Architectonic oder Theorie des Einfachen und Ersten in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß, 2 Bde. Riga 1771 (kurz: „Architektonik", die Zitate geben die Paragraphen an), Vorrede S. III.

Bemerkungen zur Lambertschen Wissenschaftstheorie

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Werke Lamberts, soweit ihre systematische Intention betroffen ist, zu den historischen Akten zu legen. Eine genauere Untersuchung der Lambertschen Schriften jedoch muß das von Lambert selbst geförderte Vorurteil, hier handele es sich lediglich um eine, wenn auch originelle Neuauflage der Metaphysik, ins Wanken bringen. An in engerem Sinne „philosophischen" Schriften hat Lambert selbst nur das „Organon" und die „Architektonik" publiziert. Aus dem Nachlaß wurden zwei Bände „Logisch-philosophische Abhandlungen" herausgegeben, die in ihren philosophischen Teilen kaum mehr sind als vom Herausgeber überarbeitete Vorstudien zu den beiden angeführten Werken. Von den ebenfalls aus dem Nachlaß herausgegebenen 5 Bänden „Johann Heinrich Lamberts deutscher gelehrter Briefwechsel" enthält im wesentlichen nur der erste Band Briefe philosophischen Inhalts. Doch liegen der Edition der „Abhandlungen" wie der des „Briefwechsels" wenig vertrauenerweckende Kriterien zugrunde 20 . In korrekter Weise wurden zwei Nachlaßschriften von K. Bopp herausgegeben: „Abhandlung vom Criterium Veritatis" (geschrieben 1761) und „Über die Methode, die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen" (geschrieben 1 7 6 2 ) 2 1 . „Über die Methode" ist eine Skizze zu einer Lösung der Preisfrage der Berliner Akademie auf das Jahr 1763 22 . Die Frage lautete: „Sind die metaphysischen Wissenschaften derselben Evidenz fähig wie die mathematischen?". Lambert verzichtet darauf, seine Skizze auszuarbeiten und bei der Akademie einzureichen. Das „Criterium Veritatis" — der Titel soll wohl an ein gleichnamiges Lehrstück in Wolffs „Lateinischer Logik" 23 anknüpfen — ist als eine Vorstudie zum Lösungsansatz des Basisproblems, wie er in „Organon" und „Architektonik" vorgestellt wird, zu verstehen. Wie schon angedeutet, steht das „Organon" in der Tradition der „Vernunftlehren" der Aufklärung. Deren Inhalt läßt sich kurz durch die Formel „Logik + Methodenlehre" kennzeichnen. Mit dem Wort „Organon" will Lambert an die seit Beginn des 16. Jahrhunderts übliche Bezeichnung für das Corpus der Aristotelischen Sdiriften zur Logik 2 4 anknüpfen, ferner an BaVgl. Anm. 18, ferner Ch. H. Müllers Einleitung zu den „Abhandlungen", in: Schriften Bd. 6, S. IV ff. 21 Berlin 1915 ( = Kantstudien Erg. Heft 36) und Berlin 1918 ( = Kantstudien Erg. Heft 42). 2 2 Zu den Bewerbern um den Preis gehörte auch Kant mit seiner Schrift „Untersuchungen über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und Moral". M. Mendelssohn erhielt den Preis. 23 Vgl. Anm. 5 des vorigen Abschnitts. A. a. O. Pars II, Sectio I, Caput I, § 505 ff. 24 So jedenfalls L. Minio-Paluello: Die aristotelische Tradition in der Geistesgesdiidite, 20

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cons „Novum Organum", bei dem das Wort „Novum" gerade die polemische Absetzung gegen Aristoteles andeuten soll. Wem von den beiden Kontrahenten im Kampf um das rechte „Organon" der Wissenschaften Lambert sich anschließen will, läßt er offen, da der Buchtitel lediglich andeuten soll, daß „Werkzeuge" bereitgestellt werden, „deren sich der menschliche Verstand in Erforschung der Wahrheit bedienen muß". Und „in diesem Verstände genommen" seien beide Werke „in gleicher Absicht" 25 geschrieben. Eigenwillige und ungewohnte Überschriften teilen das „Organon" in vier Hauptteile: Die „Dianoiologie" (Verstandeslehre) stellt — im wesentlichen an Leibniz und Wölfl anschließend— die traditionelle Begriffs-, Urteils- und Schlußlehre dar und gibt eine Anwendung syllogistisdier Regeln auf längere wissenschaftliche Beweisführungen. Überlegungen zu „Aufgaben", dem Begriff der „Erfahrung" und dem der „wissenschaftlichen Erkenntnis" verweisen bereits auf den zweiten, für die Erörterung des Basisproblems wichtigsten Hauptteil, die „Alethiologie" (Wahrheitslehre). Hier entwickelt Lambert Grundzüge seines wissenschaftstheoretischen Neuansatzes. Der dritte Hauptteil, die „Semiotic" (Zeichenlehre), stellt die überragende Bedeutung heraus, die Lambert der Sprache als dem hauptsächlichen Medium wissenschaftlicher Erkenntnis beimißt, ohne daß es ihm jedoch gelänge, den Ansatz der „vorkritischen Sprachphilosophie" 26 bewußt zu überschreiten. Die „Phänomenologie" (Lehre vom Schein), der vierte und letzte Hauptteil, untersucht die vielfältigen Hindernisse, die nach Lamberts Meinung der Erkenntnis der Wahrheit im Wege stehen und bringt Ansätze zu einer wahrscheinlichkeitstheoretischen Syllogistik. Im folgenden wird es auf den vorläufigen Nachweis ankommen, daß das Neue in Lamberts „durchaus aufs neue vorgenommenen Untersuchung der metaphysischen Grundlehren" sich im Sinne unserer These verstehen läßt, in: P. Moraux (Ed.): Aristoteles in der neueren Forschung. Darmstadt 1968, der a. a. O. S. 318 f. „nicht erstaunt (wäre), wenn eines Tages bewiesen würde, daß dieser Titel — als Titel der sogenannten logischen Schriften des Aristoteles — zum ersten Male in einer griechischen Strophe am Anfang der Aldinischen editio princeps von 1495 auftauchte; vielleicht hat er seit 1502 Verwendung und Verbreitung durch die lateinischen Ausgaben gefunden". 25 Vorrede zum „Organon", unpag. (S. 5). 26 Zum Terminus „vorkritische Spradiphilosophie" vgl. J. Mittelstraß: Neuzeit und Aufklärung, § 11. 6, S. 411 ff. Der „Hauptsatz der vorkritischen Sprachphilosophie" lautet: „Wörter (d.h. alle Autosemantika) sind Namen für Ideen (oder Vorstellungen), die ihrerseits Bilder von Weltausschnitten sind." (Mittelstraß, a. a. O. S. 412). Obwohl auch Lambert die traditionelle Trias von Zeichenebene, mentaler Ebene und Dingebene nicht aufgibt, spielt (Vgl. Kap. 4.21) die mentale Ebene in seinen Überlegungen keine systematische Rolle und hätte mit Nutzen ausgesdilossen werden können.

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d. h. es ist zu zeigen, daß die Lambertsche „Architektonik" oder „Grundlehre" keine Metaphysik sondern Wissenschaftstheorie ist. Lambert hat das Wort „Architektonik", wie er zu Ende der Vorrede bemerkt, in G. A. Baumgartens „Metaphysica" 27 gefunden. Die philosophische Verwendung von „Architektonik" ist älter. Sie liegt z.B. bereits in Chr. Wolfis „Deutscher Metaphysik" 28 vor, jedoch, und dies wirft ein Licht auf die Umstände, unter denen Lamberts „Architektonik" entstanden ist, gesteht er: „Ich schrieb dieses Buch im Jahre 1764, kurz nachdem ich zu Berlin angekommen, und ohne damals ein ander metaphysisches Buch als Baumgarten seine Metaphysik bey der Hand zu haben." 29 Bei Baumgarten wird 27 G. A. Baumgarten: Metaphysica. Halle 1749, reprogr. Nachdr. Hildesheim 1963, § 4. Zur Begriffsgeschichte vgl. F. Kaulbach: Art. ,Architektonik — architektonisch', in: J. Ritter (Ed.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, Basel 1971, Sp. 502 f. 28 Chr. Wölfl: Vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen. Frankfurt 1720, § 169 ff. 29 Das bedeutet jedoch nicht, daß Baumgartens „Metaphysik" das einzige metaphysische Werk ist, das Lambert bis dahin „gelesen" (M. Eisenring: J. H. Lambert und die wissenschaftliche Philosophie der Gegenwart. (Diss.) Zürich 1942, S. 35) hatte. Bereits in seiner Basler Zeit (1745—1748) als Sekretär des Juristen und Erziehers J. R. Iselin hatte Lambert sich daran gemacht, „die ersten Gründe der Weltweisheit zu erlernen" und zu diesem Zweck Wolffs „Deutsche Metaphysik", Malebranches „Recherche de la verit£" und Lockes „Essay Concerning Human Understanding" gelesen (Vgl. Brief Lamberts an Pfarrer Rißler in Mühlhausen (6. Dez. 1750), in: Briefwechsel Bd. 2, S. 8). Ferner trägt Lambert in Architektonik § 11 „kein Bedenken", denen die mit Wolffs Metaphysik unzufrieden sind, die Lektüre von Daries und Crusius zu empfehlen. Lambert kann, stellt man den naheliegenden Gedanken in Rechnung, daß er die erwähnten und audi noch andere Autoren gelesen hat, zur Zeit der Abfassung der „Architektonik" als ein Kenner der zeitgenössischen Metaphysik gelten. Seine Sympathien liegen dabei offenbar bei der sog. eklektischen Schule, die sich in der Nachfolge insbes. von Andreas Rüdinger gebildet hatte. Zu ihren Hauptvertretern gehören, neben den genannten, noch A. F. Hoffmann und J. G. Walch (Vgl. zur Rüdiger-Schule H. Schepers: Andreas Rüdigers Methodologie und ihre Voraussetzungen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Schulphilosophie im 18. Jahrhundert. Köln 1959 ( = Kantstudien Erg. Heft 78)). Lamberts Vorliebe für diese Schule ist um so erstaunlicher, da „gegen die mathematische Methode polemisiert zu haben [ . . . ] das gemeinhin bekannte Merkmal der Rüdiger-Schule" ist (Schepers, a . a . O . S. 117). Freilich bedient sich, wie Schepers zeigt, auch Rüdiger synthetischer Momente der mathematischen Methode. Sein Antimathematizismus ist in der Hauptsache gegen Wolffs Verwendung der mathematischen Methode gerichtet (vgl. dazu Kap. 2 dieser Arbeit). Für das Wohlwollen Lamberts dürften vor allem die in dieser Schule im Anschluß an Locke vollzogenen erkenntnistheoretischen Überlegungen bestimmend sein. Die interessante Frage, ob Lambert die für die Entwicklung Kants so bedeutsamen erkenntnistheoretischen Schriften Humes gekannt hat, läßt sich anhand des vorliegenden Materials nicht eindeutig entscheiden. Im Lambert-Nachlaß (Cod. L I a 738) befinden sich zwei Rezensionen der deutschen Übersetzung einer Zusammenstellung von 4 Humeschen Essays (the Epicurean, the Stoic, the Platonist, the Sceptic). Vgl. D. Hume: The Philosophical Works (Ed. Τ. H. Green/T. H. Grose), Vol. 3 London 1882, S.

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das Wort „architectonica", soweit ich sehe, nur einmal gebraucht, und zwar in einer Aufzählung der Synonyma für „ontologia". „Ontologia" und damit auch „architectonica" werden als „scientia praedicatorum entis generaliorum" definiert. Dies entspricht dem früher dargestellten Wortgebrauch der Tradition: Metaphysik als Lehre von den allgemeinsten Eigenschaften des Seienden. Mit der ihm eigenen Unbekümmertheit übernimmt Lambert den Baumgartenschen Terminus und deutet ihn in seinem Sinne um. „Architektonik" ist nun nicht mehr ein Synonym für „ontologia", „ontosophia", „metaphy· sica", „metaphysica universalis" oder „philosophia prima", sondern ist wissenschaftliche Begründungs-und Methodenlehre: „.Architectonic' [ . . . ] ist in so fern ein Abstractum aus der Baukunst und hat in Absicht auf das Gebäude der menschlichen Erkenntniß eine ganz ähnliche Bedeutung, zumal, wenn es auf die erste Anlage, auf die Materiahen und ihre Zubereitung und Anordnung überhaupt und so bezogen wird, daß man sich vorsetzt, daraus ein zweckmäßiges Ganzes zu machen" 30 . In nicht metaphorischer Redeweise bedeutet das, daß die Archtektonik die wissenschaftlichen Grundbegriffe und die methodischen Hilfsmittel der darauf aufzubauenden Theorien zu erstellen hat. In einem Brief an Kant wird Lambert konkreter: Zunächst einmal verzichtet seine Architektonik auf, allerdings nicht näher bezeichnete, Lehrstücke der traditionellen Metaphysik31. Positiv werden die oben genannten „Fundamente" der menschlichen Erkenntnis als das „Einfache und Erste" bestimmt. Dazu gehören sowohl die logischen Grundsätze (wie der Satz vom Widerspruch), das (syllogistische) Schließen, die Lambert zur „Form" der Erkenntnis rechnet, wie auch die Sicherung erster „inhaltlicher" Unterscheidungen als der „Materie oder des objectiven Stoffes der Erkenntniß", eine Unterscheidung, die im dritten Kapitel dieser Arbeit noch erörtert werden wird. 197—231. Beide sind in einem, bei Lambert ungewöhnlichen, zornig-aggressiven Ton verfaßt. Die etwas gelindere Fassung ist in der ADB, Bd. 12.2 (1770), S. 297 f. abgedruckt. Die andere, von der ich nicht feststellen konnte, ob sie gedruckt wurde, beginnt: „Hume gehört mit unter die so genannten Philosophen, die etwas gelesen und übel verdaut haben, einige Grade von Scharfsinn besitzen, aber mehr als sie besitzen auskramen wollen, ihre Größe in Sophistereyen finden und in die Kindheit zurücke fallen, die zwischen recht und link keinen Unterschied mehr finden" (Mskpt. S. 261). Was Lambert Hume besonders ankreidet, scheint dessen „Skeptizismus" zu sein (Vgl. Schriften, Bd. 7, S. 215). Ob Lambert Bücher Humes besaß, läßt sich wohl nicht mehr feststellen, da der Auktionskatalog des Lambert-Nachlasses (vgl. Bibliographia Lambertiana S. 63) in nur einem einzigen Exemplar (UB Breslau) bekannt war. Dieses Exemplar ist, nach einer freundlichen Mitteilung der Biblioteka Glöwna Uniwersytetu Wroclaw (Breslau) vom 18.10.1974, „während des letzten Krieges verschollen". 30 Architektonik, Vorrede S. XX. I. Kant. Briefwechsel, S. 37: „ [ . . . ] daß ich nicht alles zur Architectonic rechne, was

Bemerkungen zur Lambertschen Wissenschaftstheorie

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Da Lambert nicht angibt, welche metaphysischen Lehrstücke er aus der „Architektonik" ausschließt, ist es erforderlich, einen summarischen Vergleich der „Architektonik" mit einem einschlägigen metaphysischen Lehrbuch durchzuführen, wozu billigerweise Baumgartens „Metaphysica" herangezogen wird. Baumgarten hält sich an die von Wolff eingeführte Einteilung der Metaphysik in metaphysica generalis (= ontologia) und metaphysica specialis (= cosmologia generalis + psychologia rationalis + theologia naturalis). Von Ontologie als „scientia praedicatorum entis generaliorum" zu handeln, muß Lambert aus Gründen der methodischen Ordnung ablehnen: Die Architektonik untersucht das „Einfache und Erste" der Erkenntnis. Immer wieder jedoch betont Lambert, daß der ontologische Grundbegriff „Ding" (ens) „unter allen Begriffen der allerzusammengesetzteste ist" 32. Metaphysische, d. h. allgemeinste, Begriffe werden nach Meinung Lamberts durch ein Abstraktionsverfahren erlangt: „Das Abstrahiren setzt nothwendig die speciellen Kenntnisse voraus, und so betrachtet, gleicht die Ontologie einer Gauckeltasche, worein man das, so man herausziehen will, vorläufig gelegt hat." 33 Es gibt also kein Wissen von hohem Allgemeinheitsgrad, das nicht in methodischem Verfahren aus einem Wissen, das wir vorderhand „konkret" nennen wollen, gewonnen wurde. Es sei denn, man verwendet Zaubertricks, zieht es aus der „Gauckeltasche". Doch Zauberei ist keine Methode der Wissenschaft, sie gaukelt höchstens eine vor. Ein architektonischer, oder, wie sich rekonstruierend sagen läßt, „methodischer" oder „konstruktiver" Aufbau wurde nach Lamberts Meinung in der traditionellen Ontologie nicht geleistet und ist wegen der Art und Weise, wie die ontologischen Begriffe eingeführt werden, auch gar nicht möglich. Architektonischer Aufbau ist — man beginnt einen Hausbau in der Regel auch nicht mit dem Dach — ein Aufbau „von unten". Ontologie als metaphysische Basisdisziplin baut jedoch „von oben". Gerade in seiner Forderung nach konstruktivem Aufbau, dem Einhalten des Prinzips der methodischen Ordnung sieht Lambert „den Unterschied der bisherigen Ontologien und ihrer Ordnung von der gegenwärtigen" 34, der „Architektonik", für die dann man bisher in der Metaphysik abgehandelt, und daß hingegen eine vollständige Metaphysik mehr enthalten muß, als bisher darin gewesen". 32 Schriften Bd. 9, S. 33 (an Holland); vgl. ferner z.B. Architektonik § 521; Brief an Kant in Sdiriften Bd. 9, S. 340. Auf die Unterscheidung von „einfach" und „allgemein" werden wir in Kap. 3 zurückkommen. 33 Rezension der anonymen Schrift „System der Wesen, enthaltend die metaphysischen Prinzipien der Natur", in ADB, Bd. 11.1 (1770), S. 273. Zum Abstraktionsbegriff der philosophischen Tradition vgl. H. J. Scheider: Historische und systematische Untersuchungen zur Abstraktion. (Diss.) Erlangen 1970, Teil A. 34 Schriften Bd. 7, S. 414.

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Lamberts Philosophie als Wissenschaftstheorie

allerdings die Bezeichnung „Ontologie" im Blick auf den üblichen Sprachgebrauch in die Nähe einer Äquivokation gerät. Wenn für Lambert Metaphysik überhaupt realisiert werden soll, dann ist diese Realisierung „methodisch zu suchen". Hierbei ist, ausgehend vom „Einfachen und Ersten", „das Schritt vor Schritt gehen [ . . . ] vor allem nothwendig" 35. Gerade auf dem schrittweisen Aufbau, beginnend beim Einfachen und Ersten, beruht in der Sicht Lamberts der exemplarische Charakter des Aufbaus der Geometrie Euklids: „Er fängt beim Einfachen an, setzt immer mehr zusammen und zählt so zu sagen jeden Schritt vor, den er thut." 36 Im Zusammenhang mit dieser Hervorhebung des schrittweisen und daher intersubjektiv nachvollziehbaren und kontrollierbaren Vorgehens beim Aufbau von Wissenschaft scheint mir ein Hinweis auf ein bis dahin, und dann wieder bis zum Wiener Kreis, einmaliges philosophisches Kooperationsangebot Lamberts an Kant erhellend zu sein. Zwar geht es Lambert zunächst darum, den auf der „Ähnlichkeit der Gedenkensart" beider möglicherweise beruhenden „Verdacht des Abschreibens zu vermeyden." 37 Wesentlicher jedoch als solche Absprachen zur Vermeidung übler Nachrede ist für Lambert der Vorschlag, „die Ausarbeitung der einzeln Stücke eines gemeinsamen Plans zu vertheilen". Ziel dieses von Kant unbeantwortet gelassenen Vorhabens ist die „Verbesserung der Metaphysik". „Zuvor" jedoch, und die Erreichung dieses Zieles bedingend, ist es „um die Vollständigkeit der dazu dienenden Methode zu thun. Man muß erst den Weg recht sehen, der dahin führt." 38 Lambert ist so fest davon überzeugt, die richtige Methode an der Hand zu haben, daß er kaum daran zweifelt, daß Kant sie ebenfalls verfolgt, und nachfragt, „ob Sie es nicht etwann schon gethan haben? So sehr glaube ich, daß wir auf einerley Wege sind" 39, dem, wie Lambert präzisiert, „Schritt-vor35 Brief an Kant, in: Schriften Bd. 9, S. 340; vgl. Architektonik § 523. 36 Schriften Bd. 7, S. 393; vgl. Brief an G. J. Holland, in: Schriften Bd. 9, S. 29, 58 und Architektonik a. a. O. Ferner: Essay de Tax£ometrie ou sur la mesure de l'ordre, in: Nouveaux Memoires de l'Academie Royal des Sciences et Belles-Lettres 1770. Berlin 1772, S. 332: „II faudra marcher pas ä pas, afin d'aller du plus simple au plus compose". Ferner: Über die Methode § 11, S. 12. 37 Schriften Bd. 9, S. 336. Auf die erwähnte Ähnlichkeit des Denkens hatte als erster Kant hingewiesen (Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes (1763), in: I. Kants Werke in 10 Bänden (Ed. W. Weischedel), Bd. 1. Darmstadt 1968, S. 625 Anm.), und zwar mit Bezug auf seine „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels" (1755) und Lamberts „Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues". Augsburg 1761. Kants Arbeit von 1755 war, da sie gleich nach dem Druck in die Konkursmasse des Verlegers geriet, kaum verbreitet und auch Lambert unbekannt geblieben. 38 Schriften Bd. 9, S. 337. 39 a. a. O. S. 340.

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Schritt"-Gehen. Für unsere These von der wissenschaftstheoretischen Wende bei Lambert ist im Zusammenhang mit seinem Kooperationsangebot von Bedeutung, daß Lambert die, insbesondere bei der Analyse Euklids gewonnene, Einsicht in die methodische Ordnung wissenschaftlichen Vorgehens als Garantie für die Intersubjektivität wissenschaftlicher Resultate ansieht. Erst dann ist ja auch eine wissenschaftliche Kooperation im vorgeschlagenen Sinne sinnvoll möglich. Wie weit es allerdings für Lambert von der in der architektonischen Metaphysik konstruktiv, und damit für jeden nachvollziehbar, zu erarbeitenden Methode bis zu den mit ihr zu erreichenden Ergebnissen ist, soll i. f. gezeigt werden. Wenn für die Metaphysik wegen der Allgemeinheit und Komplexheit ihrer Grundbegriffe ein methodisch ausgewiesener Anfang beim Einfachen und Ersten ausgeschlossen ist, muß man sich fragen, wie denn überhaupt ein methodischer Aufbau der Metaphysik soll gefunden werden können. Lambert scheint vorzuschweben, daß dies dann möglich ist, wenn man „bereits in Ansehung aller [ ! ] übrigen Theile unserer Erkenntniß eben das gethan (habe), was Euclid in Ansehung der Figuren gethan" 40 . Vorbedingung von Metaphysik als einem methodisch geordneten Unternehmen scheint also die konstruktive Begründung aller Einzelwissenschaften zu sein. Das bereits erwähnte traditionelle Fundierungsverhältnis, wonach ζ. B. physikalische Aussagen im vermeintlich bereits gesicherten Wissen über die Welt und die Dinge im allgemeinen und im ganzen ihren Sinn bekommen, wird damit umgekehrt. „Metaphysische" Aussagen, beispielsweise über die „Struktur der Welt" etc., lassen sich erst auf der Basis vollständiger Begründung der entsprechenden Teile der Physik und Chemie und der in ihnen gewonnenen Resultate machen 41 . Zwar zieht Lambert aus dieser Lage der metaphysischen Dinge nicht den Schluß, die Metaphysik oder Teile von ihr auf den St. Nimmerleinstag zu verschieben. Doch ist er weder vom Nutzen noch von der vollständigen Möglichkeit des Unternehmens „Metaphysik" besonders fest überzeugt. Denn der methodische Aufbau der Geometrie Euklids macht „eine metaphysische Theorie der Figuren so ziemlich entbehrlich" 42 . Falls man diesen Gedanken verallgemeinert, scheint begründet und systematisch aufge40 Schriften Bd. 7, S. 393. 4 1 J. Mittelstraß. Neuzeit und Aufklärung, erörtert (a. a. O. S. 477 ff.) das Verhältnis von Physik und Metaphysik bei der Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaft und kritisiert (a. a. O. S. 480) an der Physik und Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts, daß sie „im allgemeinen" kosmologisch-metaphysische Denkgewohnheiten im Fundierungsverhältnis von Physik und Philosophie beibehalten habe. Lambert jedenfalls dürfte von diesem allgemeinen Befund auszunehmen sein. 4 2 Schriften, a, a. O.

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Lamberts Philosophie als Wissenschaftstheorie

baute Wissenschaft in ihrem Bereich keinen echten Raum mehr für metaphysische Fragen zu bieten. Lambert nennt in einem Brief an Holland 43 als Beispiel den Körperbegriff: Der „Mathematiker" führt „seine Ausmessungen in besonderen Absichten, ohne Rücksicht auf die übrigen" durch, während „ein Philosoph gleich alles zusammen nehmen (will) und fragt sogleich: Was ist ein Körper?". Lambert empfiehlt, statt der dann fälligen „Nominaldefinition, die an sich überflüssig ist, weil jeder das Wort versteht [ . . . ] sich mehr (zu) bemühen, alles, was an dem Körper in jeden Absichten ausgemessen werden kann, ausfindig zu machen [ . . . ] und denn würde man en detail in allen Absichten und nach jeden Theilen wissen, was ein Körper ist". Daß die Möglichkeit von Metaphysik ernsthaft zu bezweifeln ist, bzw. ihre Realisierung in weiter Ferne liegt, drückt Lambert in einem Brief an Kant so aus: „Das Allgemeine, so darinn [sei. in der Metaphysik] herrschen solle, führt gewissermaßen auf die Allwissenheit und in so ferne über die möglichen Schranken der menschlichen Erkenntniß hinaus" 44. Die Schranken der menschlichen Erkenntnis sind jedoch, ohne daß Lambert explizit an dieser Stelle darauf hinweisen müßte, offenbar durch die ausgewiesenen Methoden ihrer Gewinnung bestimmt. Von methodischer Erkenntnis ist wohl nur Gott, zu dessen Eigenschaften seit eh und je die Allwissenheit gezählt wird, dispensiert. Die hier aufgezeigte negative Einschätzung des Zustandes, der Möglichkeit und des Nutzens der Metaphysik bleibt jedoch, und damit kommen wir auf den gegen Ende des vorigen Abschnitts angedeuteten Widerspruch in der Lambertschen Konzeption zurück, zweideutig, weil Lambert die Metaphysik eben doch nicht für Gott als den einzigen wahren Metaphysiker (Pascal) reserviert, sondern auch die Geschäfte sublunarer Metaphysiker nach wie vor für im Prinzip möglich und auch irgendwie für wünschenswert hält. Zwar empfiehlt sich fürs erste Bescheidenheit, genauer: der methodische Aufbau aller (!) Einzelwissenschaften als Vorbedingung vielleicht einmal erreichbarer Metaphysik. Es ist besser, „stückweise", als alles, d. h. metaphysisch, zu wissen, „und bey jedem Stück nur das zu wissen verlangen, was wir finden können, wenn wir Lücken, Sprünge und Circul vermeyden. Mir kömmt vor, es seye schon immer ein unerkannter Hauptfehler der Philosophen gewesen, daß sie die Sache erzwingen wollten, und anstatt etwas unerörtert zu lassen, sich selbst mit Hypothesen abspeiseten, in der That aber dadurch die Entdeckung des Wahren verspätigeten." 45 43 Schriften Bd. 9, S. 84. 44 I. Kant: Briefwechsel, S. 44. 45 a. a. O.; vgl. Brief an Holland, in: Schriften Bd. 9, S. 23, wo Lambert, anknüpfend an eine Bemerkung Hollands (a. a. O., S. 13), aus der Philosophiegeschichte das Re-

Bemerkungen zur Lambertschen Wissenschaftstheorie

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W a s hinsichtlich der Allgemeinheit von der traditionellen Ontologie als der metaphysica generalis gilt, gilt mutatis mutandis auch von den beiden Teildisziplinen Kosmologie und Psychologie, die neben der natürlichen Theologie die metaphysica specialis ausmachen. Baumgarten definiert „cosmologia" als „scientia praedicatorum mundi generalium" und „psychologia" als „scientia praedicatorum animae generalium"

46

. Beide Lehrstücke kommen denn

audi in Lamberts philosophischen Schriften nicht vor. Die Rolle seiner „Cosmologischen Briefe"

47

, die eine Fülle hochinteressanter astronomischer Hy-

pothesen entwickeln, können wir in diesem Zusammenhang nicht näher erörtern. Bei der natürlichen Theologie, als der „scientia de Deo, quatenus sine fide cognosci potest"

48

, liegen die Dinge nicht so einfach. An, soweit ich

sehe, immerhin vier Stellen der „Architektonik" und einer, wie die Numerierung der Paragraphen nahelegt, nachträglich eingeschobenen Stelle des „Orsume zieht, daß „man ohne sich selbst zu heucheln nicht sagen (kann), daß bisher noch etwas in der Metaphysic sei erfunden worden". Vgl. ferner die polemische Parallelisierung der astrologischen Termini mit „vielen Wörtern der Schulphilosophie" (Organon, Dianoiologie § 34). Im übrigen deutet eine Stelle (Architektonik § 223 f.) darauf hin, daß Lambert an so etwas wie eine Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache (Carnap) gedacht haben könnte, ohne diesen Gedanken jedoch systematisch zu entwickeln: „Wenn man demnach in der Metaphysic sagt, daß das Wesen der Dinge ewig, unveränderlich absolute nothwendig etc. sey, so kann man dadurch weiter nichts als die bloße Möglichkeit verstehen, oder man verfällt auf den Satz: Solange Α, Α ist, so lange ist es A; welcher für sich klar ist, und nicht so paradox klingt, als die erst angeführten vom Wesen der Dinge. [ . . . ] Solche etwas schwülstige Sätze sind in der Metaphysic aus der Vermischung von Begriffen entstanden, die etwas genauer unterschieden werden sollten." 4 6 Baumgarten: Metaphysica § 351 und § 501. 47 Zur Lambertschen Kosmologie vgl. z. B. J . Lepsius: J. H. Lambert. Eine Darstellung seiner kosmologischen und philosophischen Leistungen. (Diss.) München 1881, Kap. I I , und neuerdings die Studie von H. Blumenberg in: Die Genesis der kopernikanischen Welt. Frankfurt 1975, Teil 5, S. 609—713, die Lamberts Kosmologie geistesgeschichtlich einordnet. 4 8 Baumgarten, a. a. O. § 800. Die folgenden Stellen bei Lambert in Archtektonik: § 299 f., 313, 328, 473, 913 und Organon: Alethiologie § 234 a. Die Behandlung des Themas ist im übrigen so zurückhaltend, daß P. Berger: J . H. Lamberts Bedeutung in der Naturwissenschaft des 18. Jahrhunderts, in: Centaurus 6 (1959), S. 190 f. zu der Ansicht kommen konnte, das Lambertsche „suppositum intelligens" sei der auf seine Verstandestätigkeit reflektierende Mensch, der solcherart „allererst Anlaß (habe), dem geistigen Sein Realität zuzuschreiben". Auch sonst bietet Bergers Arbeit dem Lambertleser Überraschungen: so seine Bemerkung (a. a. O. S. 247), Lambert habe einen „methodisch glänzenden wissenschaftlichen Stil" geschrieben. Seit M. Mendelssohn „Organon"-Rezension (ADB Bd. 3 . 1 , S. 1—23 und Bd. 4 . 2 , S. 1—30) ist Lamberts schlechter Stil eine communis opinio der Forschung: „Hätte sich Hr. Lambert nur noch beflissen, Mängel der Deutlichkeit im Vortrage, und Nachlässigkeit in der Schreibart, die das Lesen seines Organons beschwerlich machen, zu vermeiden [ . . . ] " Mendelssohn a.a.O. Bd. 3.1, S.4). Auch gegen die Darstellungsform naturwissenschaft-

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Lamberts Philosophie als Wissenschaftstheorie

ganon" 49 scheint für Lambert die Existenz eines „suppositum intelügens" erforderlich zu sein, denn „ohne ein existirendes suppositum intelligens" sei „metaphysische Wahrheit" nicht zu garantieren, bzw. habe — ein für Lambert unerträglicher Gedanke — das „blinde Ungefähr" statt, bzw. könne man nicht erklären, warum die „unendlich vielen denkbaren Dinge [ . . . ] wirklich" seien 50 . Wenn man jedoch die zentrale Stellung der theologia naturalis in den Lehrbüchern der Metaphysik bedenkt, ist es erstaunlich, daß Lambert diesem Thema insgesamt nicht einmal 5 der weit über 900 und 2 der mehr als 1000 Seiten von „Architektonik" und „Organon" widmet. Der quantitativen Zurückhaltung hinsichtlich dieses Themas entspricht die systematische. Es handelt sich bei den angeführten Stellen nicht um Lehrstücke, in denen positiv von Gottesbeweisen oder den „Attributen" Gottes gehandelt wird. Vielmehr erscheint der Hinweis auf die Notwendigkeit der Existenz Gottes als des „suppositum intelligens" im Zusammenhang anderer, nicht-theologischer Lehrstücke mit der Funktion, in einer sehr globalen, ja oberflächlichen, Weise Lehrinhalte abzusichern, die für Lambert auf eine andere Weise offenbar nicht abzusichern sind, deren Absicherung jedoch audi aus der wohlverstandenen Sicht Lamberts nicht unbedingt erforderlich zu sein scheint. Das bedeutet ohne Zweifel einen gewissen Mangel an Konsequenz, zumal die Lehrinhalte, um die es geht, für die Lambertschen Intentionen m. E. nichts besonderes hergeben. Die Monographie zum Thema „theologia naturalis" erhebt, wie ihr Titel „Über die Methode, die Metaphysik, Theologie und Moral richtiger zu beweisen" andeutet, den Anspruch u. a. einer systematischen Behandlung des Problems der Gottesbeweise. Lambert entwirft hier eine Skizze der logischen Struktur, der ein Gottesbeweis genügen müßte, ohne jedoch selber einen definitiven Gottesbeweis vorzulegen: „Ich habe diese Formel von Be weißen nur Hypothetisch vorgetragen, weil die Metaphysik, welche solche ewigen Wahrheiten mit Geometrischer Schärfe entwickeln solle, noch dermalen in desideratis ist. Da aber vorhin die Mittel dazu angegeben worden, so wird es von der Muse u. Anlässe der Erfinder abhängen, zu sehen, wie weit man hierinn ungezwungen gehen könne?" 51 Gegen die nahezu einstimmige Meinung der mittelalterlichen und früh-neuzeitlichen Tradition ist Lambert also der Ansicht, daß stringente Gotteslicher Arbeiten wurden schwere Einwände erhoben (vgl. E. Anding im 3. Heft seiner deutschen Ausgabe der Lambertschen Photometrie: Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften Nr. 33, S. 63 f.). Gerade Lamberts Stil scheint mir ein wesentlicher Grund für seine Wirkungslosigkeit zu sein. 49 Organon § 234 a. so Architektonik § 299; vgl. § 313, 913. 51 Über die Methode § 53, S. 23.

Bemerkungen zur Lämbertschen Wissenschaftstheorie

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beweise noch nicht vorliegen. Audi er selbst sieht sich — jedenfalls für den Augenblick noch — außerstande, einen solchen Beweis anzugeben. Zwar nennt er mögliche Prämissen und logische Struktur eines Beweises, sieht jedoch ganz genau, daß die Crux im Beweis der Prämissen liegt. So blieb diese Schrift skizzenhaft und fragmentarisch, ein Beispiel dafür, wie ein Thema nach seinem oben erwähnten Vorschlag „unerörtert gelassen" wird, obwohl eine Ausarbeitung und Vorlage der Schrift bei der Akademie in Berlin für die damals schon von Lambert erstrebte Anstellung vorteilhaft gewesen wäre. Im übrigen zeigt sich hier, ähnlich wie bei Lamberts Stellung zum Problem der allgemeinen Metaphysik, ein gewisser Mangel an geeigneter logisch-sprachphilosophischer Analyse der Fragestellung, und daraus resultierend ein Mangel an Radikalität bei ihrer Lösung. Auch hier ist Kant sicher der Überlegene, indem er in gründlicher Analyse zeigt, daß „Sein" kein „Prädikat" ist 52 . Zusammenfassend läßt sich sagen, daß mangelnde Präzision in der logischen Analyse metaphysischer Fragen bei Lambert zu einer schwankenden Einschätzung von Möglichkeit und Nutzen der Metaphysik führt. Zwar ist methodisch ausgewiesene Metaphysik auch für ihn (noch) nicht möglich, jedoch scheint er, man vergleiche Kants Wort von der Metaphysik als „Naturanlage" der durch die Tradition als Tugend dargestellten Versuchung zu metaphysischer Rede gelegentlich zu erliegen. Obwohl mögliches Wissen an seinen methodischen Erwerb gebunden ist, und von daher eine systematische Überwindung mindestens großer Teile der traditionellen Metaphysik zu greifen wäre, ist Lamberts wissenschaftstheoretische Wende zwar im Ansatz systematisch, in Durchführung und Intention eher „pragmatisch". D.h. er geht zuerst an die Aufgabe, die Wissenschaften zu begründen, um sodann zu sehen, was sich vielleicht „in the long run" (C. S. Peirce) für die Metaphysik tun lasse. Daß diesem Ansatz in der Tat die Durchsichtigkeit und Konsequenz der kopernikanischen, wenn auch vielleicht nicht durchweg wissenschaftstheoretischen, Wende Kants fehlt, mag daran liegen, daß, nach dem Urteil Kants, Lamberts „heller und erfindungsreicher Geist" sich durch „Unerfahrenheit in metaphysischen Spekulationen" 53 auszeichnet. Und wirklich 52 I. Kant: Der einzig mögliche Beweisgrund, S. 629 ff., bes. S. 630—632. 53 So die späte (1781) Einschätzung Lamberts durch Kant in einem Brief an den Herausgeber des Lämbertschen Briefwechsels (Schriften Bd. 9, S. XI). Hierdurch und durch andere Bemerkungen (Vgl. ζ. B. Jäsches von Kant autorisierte Herausgabe seiner Logikvorlesung in I. Kant. Werke Bd. 5, Darmstadt 1968, S. 443) wird das von der Lambertforschung gerne zitierte Lob Kants, er halte Lambert „vor das erste Genie in Deutschland, welches fähig ist, in derjenigen Art von Untersuchungen, die auch mich vornehmlich beschäftigen, eine wichtige und dauerhafte Verbesserung zu leisten"

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Lamberts Philosophie als Wissenschaftstheorie

liegt ja auch das Schwergewicht der wissenschaftlichen Bemühungen Lamberts keineswegs in der Philosophie, sondern in den exakten Wissenschaften. Die letzten 1 2 Jahre seines Lebens hat Lambert vollständig ihnen gewidmet. Trotz der angedeuteten Mängel scheint es mir berechtigt zu sein, im Blick auf die Intention und den wesentlichen Inhalt der Lambertschen Philosophie, von einer „wissenschaftstheoretischen Wende"

zu sprechen.

(Kant: Briefwechsel, S. 40), doch ein wenig relativiert. Eine kurze Beurteilung anhand der einschlägigen Zitate, jedoch ohne inhaltlichen Vergleich beider Philosophien, gibt W. S. Peters: I. Kants Verhältnis zu J . H . Lambert, in: Kantstudien 59 (1968), S. 448—553. Exemplarisch für die Einschätzung älterer Autoren, soweit sie Lambert überhaupt erwähnen, ist eine Bemerkung J. C. Schwabs (in: Königl. Akademie der Wissenschaften (Ed.): Preisschriften über die Frage: Welche Fortschritte hat die Metaphysik seit Leibnitzens [ ! ] und Wolffs Zeiten in Deutschland gemacht? Berlin 1796, S. 59): „Es ist zu bedauern, daß er [sei. Lambert] sich nicht in die Psychologie, die Pneumatologie, und in die natürliche Theologie eingelassen hat, wo er eine schöne Gelegenheit gehabt haben würde, die Brauchbarkeit seiner neuen Methode zu zeigen." Gerade diese Verkennung der Lambertschen Intention ist geeignet, sie ins rechte Lidit zu rücken. K. L. Reinhold macht (a. a. O. S. 184) sein mangelndes Verständnis durch Polemik wett: „Die Lambertsche Architektonik kam itzt um so mehr zur Unzeit, je mehr sie in der That fast nur damit umging, das Ausgemachte auszumachen, und einen beyspiellosen Tiefsinn auf zwecklose dialektische Kunststücke, auf Vermengung der Logik mit der Ontologie, Vervielfältigung unfruchtbarer Maximen, und ein mathematisches Spiel mit den Elementarbegriffen verschwendete."

Kapitel 2: Wissenschaft als axiomatisch-deduktives System 2.1.

Analytische und synthetische Methode

Zu den historischen Binsenweisheiten gehört, daß der Beginn der Neuzeit in ganz erheblichem Maße bedingt und gekennzeichnet ist durch die stürmische Aufwärtsentwicklung der exakten Wissenschaften und die so ermöglichten technischen Innovationen, die ihrerseits die Basis veränderter Produktionsweisen und daraus resultierender gesellschaftlicher Spannungen und Umwälzungen bilden. Zwei methodologische Paradigmata leiten den Aufbau und die Systematisierung der neuen mathematischen und naturwissenschaftlichen, i. w. physikalischen Theorien: Einmal der „moderne", „analytische" Aufbau, z.B. der Mechanik Eulers und Lagranges, zum anderen der „synthetische", sich von Euklid herleitende, Aufbau ζ. B. der Galileischen Kinematik oder der Newtonschen „Principia" 1 . „Ordo geometricus", „mos geometricus", „methodus scientifica" etc. geben den Standard an, den synthetische Theorien zu erfüllen haben. Auch die Philosophie ist weitgehend bestrebt, durch Anpassung an die Methode der exakten Wissenschaft ähnliche Erfolge zu erringen. Ebenso prominentes wie mißlungenes Beispiel: Spinozas „Ethica ordine geometrico demonstrata" (postum 1677). Synthetische und analytische Methode2 bilden dabei konkurrierende Ansätze für den Aufbau der Physik, wobei sich letztlich der analytische Ansatz aufgrund seiner leichteren und übersichtlicheren kalkülmäßigen Handhabung und durchgehender Mathematisierung, trotz schwerer begründungstheoretischer Mängel, durchsetzt3. Die methodische Pointe einer analytischen Physik4, im hier angesprochenen ι Zum Verhältnis analytisdie-synthetisdie Physik vgl. J . Mittelstraß: Neuzeit und Aufklärung, § 8 . 7 , S. 294 ff. 2 Zur Begriffsgeschichte: N. W . Gilbert: Renaissance Concepts of Method. New York 1960, bes. S. 31 ff. und S. 135 ff. Ferner H . Schepers: Andreas Rüdingers Methodologie, S. 1 3 — 2 9 , und H . W . Arndt: Methodo scientifica pertractatum, Kap. I, S. 15—28. 3 Vgl. Mittelstraß a. a. O. 4 Vgl. P . Lorenzen: Die Entstehung der exakten Wissenschaften. Berlin 1960, S. 139 ff.; Mittelstraß a. a. O., S. 302 ff.

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Wissenschaft als axiomatisch-deduktives System

Sinne, besteht darin, alle physikalischen Größen durch sog. analytische Objekte (Zahlen oder Funktionen) darzustellen. Eine solche Darstellung besteht darin, die durch Messungen erhobenen empirischen Befunde möglichst gut durch Funktionen auszudrücken, die sich dann aus geeigneten Grundgleichungen (Differentialgleichungen) berechnen lassen. Demgegenüber geht die synthetische Physik (besonders klar bei Galilei) von terminologischen Bestimmungen und Axiomen aus und deduziert aus diesen geeignete physikalische Lehrsätze, die sich „an der Erfahrung" zu bewähren haben. Synthetische und analytische Physik bilden so hinsichtlich ihrer jeweiligen methodischen Ordnung von Theorie und Erfahrung wie auch hinsichtlich ihres unterschiedlichen methodischen Instrumentariums (Deduktion bzw. Rechnung) zwei völlig verschiedene methodologische Ansätze. Der kontroverse Charakter von analytischer und synthetischer Physik vermag leicht darüber hinwegzutäuschen, daß die hier erreichte Bedeutung von „analytisch" und „synthetisch" in einer langen begriffsgeschichtlichen Entwicklung steht, deren Anfang in der griechischen Mathematik gerade dadurch gekennzeichnet ist, daß „Analysis" und „Synthesis" zwei aufeinander bezogene Elemente ein und derselben Methode zum Beweis geometrischer Lehrsätze und zur Konstruktion geometrischer Figuren sind. Die früheste bekannte Reflexion auf diese alte Beweis- und Konstruktionspraxis findet sich bei Pappos 5 . Die entscheidende Leistung der Analysis besteht im Blick auf die griechische Mathematik darin, daß in der analytischen Phase eines Beweises die expliziten Voraussetzungen des zu beweisenden Theorems, die Axiome und bereits bewiesene Theoreme, aber auch das erst zu beweisende Theorem als „gegeben" angenommen werden. Sodann trägt man in eine Figur, die den, in dem zu beweisenden Theorem behaupteten, Sachverhalt repräsentiert, geeignete Hilfslinien ein. Das ganze Verfahren ist erfolgreich abgeschlossen, wenn es gelingt, solche Hilfslinien aufzufinden, die einen deduktiven (synthetischen) Beweis aus den gegebenen Stücken, unter Ausschluß des zu beweisenden Theorems, erlauben. Entsprechendes gilt für Konstruktions5 Pappi Alexandrini Collectionis quae supersunt (Ed. und lat. Übers.: F. Hultsch), 3 Bde., Berlin 1875—77, repr. Nachdr. Amsterdam 1965. Die entscheidenden methodologischen Passagen in Bd. 2, S. 634 ff. Ob Lambert die lateinische Ubersetzung der „Collectiones" durch F. Commandino (Venedig 1589), die zuletzt 1670 in einer verderbten Teilfassung erschien, gekannt hat, konnte ich nicht direkt bestätigt finden. Für eine positive Vermutung spricht die von den Zeitgenossen (vgl. Ch. H. Müller in seiner Lambertbiographie in: Schriften Bd. 7, S. 362) gerühmte mathematikgeschichtliche Kenntnis Lamberts und die Tatsache, daß Lambert selbst in seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten von der „Analysis der Alten" (Schriften Bd. 7, S. 158) ausgedehnten Gebrauch macht. Auf jeden Fall hat Lambert jedoch die Schriften F. Vietas gekannt, die ausführliche Erörterungen der Analysis der Alten enthalten (vgl. z.B.

Analytische und synthetische Methode

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aufgaben. Analyse ist demnach in der griechischen Mathematik als ein heuristisches Verfahren an geometrischen Figuren6 aufzufassen. „Analyse" als Analyse von Satzzusammenhängen geht auf eine erweiternde Verallgemeinerung des obigen Verfahrens in den „Analytiken" des Aristoteles zurück. Eine der dabei gewonnenen Bedeutungen von „Analysis" besteht bei Aristoteles und in der ihm folgenden Tradition darin, daß der „analytische" Beweis eines Satzes in einem Deduktionsverfahren folgender Art 7 besteht: (*) Ρ Pi P2 . . . Pn -»· Κ Dabei ist Ρ der zu beweisende Satz und Κ eine Konjunktion von gegebenen Voraussetzungen. Hinsichtlich der Pi sind nun folgende Auffassungen denkbar: Einmal läßt sich, beginnend mit Pi, jedes Pi als Folgerung aus Ρ bzw. Pi-i verstehen. Diese Interpretation setzt ersichtlich die Reversibilität der in (*) vorliegenden Deduktionsrichtung voraus, die jedoch nur dann besteht, wenn mit jedem „-*•" auch „*«-" gilt, was jedoch i. a. keineswegs der Fall ist. Die andere Interpretation besagt, daß ein analytisches Verfahren darin besteht, für Ρ geeignete Prämissen Pi zu suchen, so daß aus ihnen Ρ logisch folgt, und für Pi wiederum geeignete Prämissen P2 und so fort, bis man zu Κ gelangt. Dort angekommen, besteht der synthetische Beweis dann nur noch darin, den Weg, der zu Κ führte, noch einmal, diesmal beginnend bei K, aufzuschreiben. Eine weitere, ebenfalls nicht in Konkurrenz zur Synthese stehende, Variante der Anwendung der analytischen Methode, wird in der frühen neuzeitlichen Physik (insbes. bei Galilei und Newton) verwendet. Sie ist ihrer Struktur nach der Papposschen Analyse geometrischer Figuren verwandt 8 und beBrief an G. R. Davisson in: Briefwechsel Bd. 4, S. 424 f.). Der sehr starke Einfluß der Methodologie Vietas auf das 18. Jahrhundert ist m. W. noch nicht untersucht worden. Zur Methodologie Vietas vgl. J. Klein: Greek Mathematical Thought and the Origin of Algebra. Cambridge (Mass.) 1968, Teil II. Im Anhang eine englische Übersetzung der Vietaschen Programmschrift „In artem analyticam Isagoge" (1591). Zu Pappos' Auffassung von Analysis und Synthesis vgl. die gründliche Studie von J. Hintikka / U. Remes: The Method of Analysis. Its Geometrical Origin and its General Significance. Dordrecht 1974, insbes. die genaue Strukturanalyse eines geometrischen Beweises bei 6 Pappos (a. a. O. Kap. 3, S. 22 ff.). Vgl. Hintikka/Remes a. a. O. Kap. 4, S. 31 ff. Die Autoren weisen nach, daß bei Pappos, wie in der griechischen Mathematik überhaupt, unter „Analyse" nicht die Analyse von Satzzusammenhängen („prepositional analysis"), sondern die Analyse geometrischer Figuren („analysis of figures") zu verstehen ist. 7 Vgl. M. S. Mahoney: Greek Geometrical Analysis, in: Archive for History of Exact Sciences, 5 (1968/69), S. 321. s Vgl. Hintikka/Remes, a.a.O. Kap. IX, S. 105ff., insbes. S. 110: „Newton, like any experienced mathematician, is thinking of the geometrical analysis as an analysis of

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Wissenschaft als axiomatisch-deduktives System

steht in dem Versuch, eine experimentelle

Situation

mit Hilfe der Analyse

der in sie eingehenden empirischen Faktoren und deren gegenseitigen Beziehungen zu klären und sie einem synthetisch-deduktiven Beweis aus den Prinzipien der entsprechenden Theorie applizierbar zu machen. F ü r Lamberts Methodenauffassung spielen die drei zuletzt genannten Verwendungsweisen des Terminus „analytisch" bzw. „analytische Methode" eine bedeutende R o l l e 9 . Z u m einen machen die meisten geometrischen Arbeiten Lamberts von den Methoden der antiken Geometrie Gebrauch 1 0 . Zum zweiten hat Lambert immer wieder versucht, die „Logik" der geometrischen Analyse in der Begrifflichkeit der Syllogistik darzustellen, und er hat darüber hinaus einen Logikkalkül entworfen, der die kalkulatorische Behandlung analytischer Beweisprobleme ermöglichen soll 1 1 . Zum dritten ist die analytische Behandlung des Erfahrungsmaterials die von Lambert bevorzugte Methode in Physik und Astronomie

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u

.

figures, that is to say, as a systematical study of the interdependencies of the geometrical objects in a given configuration, including both the „known" (controllable) and the „unknown" (uncontrollable) factors. From this idea it is but a short step to conceiving of the analytical procedure as a general method of studying such „dynamical" interdependencies, making no difference between the known and unknown elements". Zu bestimmten methodologischen Problemen der Konzeption Newtons vgl. Mittelstraß, a. a. O. S. 298 ff. Leider haben die hier angeschnittenen Fragen in der Lambertforschung noch keine Erwähnung gefunden und können aufgrund der anderen Thematik auch in dieser Arbeit nicht weiter verfolgt werden. Vgl. ζ.B. die „Theorie der Parallellinien", Lamberts wichtigste Arbeit zur reinen Geometrie, die erstmals postum (1786) von J. Bernoulli (III) ediert wurde. Heute leicht greifbar in der Ausgabe von F. Engel / P. Stäckel (vgl. Lit.-Verz.). Besondere Probleme der Differential- und Integralrechnung (ζ. B. Mangel an Integrationsverfahren) bringen es zudem nach Lambert mit sich, „daß man oft eben so gut thut, wenn man zu den dadurch verdrungenen altern Methoden zurücke kehrt" (ADB Bd. 24 (1775), S. 133). Vgl. z.B. die Fragmente „Von den Beweisen" (Schriften Bd. 6, S.234ff.), „Von der analytischen Methode und den Voraussetzungen" (S. 285 ff.), „Anmerkungen zur analytischen Methode" (S. 305 ff.). Ferner Schriften Bd. 7, S. 1—72. Der Versuch eines Kalküls zur Lösung analytischer Probleme ist der „III. Versuch einer Zeichenkunst in der Vernunftlehre. Welcher die Einrichtung der Wissenschaften zu deren Gebrauche enthält" (Schriften Bd. 6, S. 32—79). Als methodologische Pointe kann dabei gelten, daß Lambert diese Analysen vornehmlich nicht mit dem Ziel der Formulierung (algebraischer) Gleichungen vornimmt, sondern daß er bestrebt ist, die experimentellen und beobachteten Sachverhalte in geometrischen Figuren darzustellen und die entsprechenden Probleme dann geometrisch zu lösen. Glänzendstes Beispiel für den Erfolg dieser Methode, die von den die Algebra favorisierenden Zeitgenossen als etwas „unmodern" empfunden wurde, ist der sog. Lambertsche Lehrsatz der Astronomie, in dem Lambert der geometrische Beweis dafür gelingt, daß in jeder parabolischen Bahnkurve eines Himmelskörpers, er dachte dabei an Kometen, die Zeit, in welcher ein beliebiger Bahnbogen beschrieben wird, nur

Analytische und synthetische Methode

33

Wie Lamberts Einstellung zur analytischen Physik im eingangs dieses Kapitels erwähnten Sinne aussieht, läßt sich ohne eingehende Nachforschungen und Analysen nicht erheben. Eher zurückhaltend heißt es: „Damit [sei. mit der analytischen Physik] geht es nun so leichte nicht, und wir haben in der Naturlehre noch wenige Beyspiele davon, so erwünscht sie auch wären" 13. In den auf diese Stelle folgenden Paragraphen werden die erforderlichen logischen Bedingungen einer analytischen Theorie erörtert, deren Realisierung jedoch noch „zurücke bleibt". So wundert es denn auch nicht, das Lambert, trotz Kenntnis von Eulers „Mechanica" (1736), in seinem eigenen Hauptwerk zur Mechanik, den „Gedanken über die Grundlehren des Gleichgewichts und der Bewegung" u , einen synthetischen Aufbau im Sinne Galileis und Newtons verfolgt. Seine Sensibilität in Fragen der methodischen Ordnung läßt vermuten, daß er einer analytischen Physik ferner mindestens solange ablehnend gegenübersteht, bis nicht allgemeine und spezielle Theorien des Messens vorhanden sind. Seine zahlreichen Bemühungen in dieser Richtung 15 könnten als Hinweis auf eine solche Beurteilung gedeutet werden. von der entsprechenden Sehne und der Summe der Radiuskonvektoren der Bogenextreme abhängt. Diesen und einen analogen Satz für elliptische Bahnen publizierte Lambert in den „Insigniores orbitae cometarum proprietates", Augsburg 1761 (der Beweis für parabolische Bahnen a. a. O. Sect. I I , für elliptische a. a. O. Sect. IV). Der sehr bedächtige Euler ist geradezu entzückt: „Ju puis Vous asseurer, Monsieur, que j'ai et£ tout a fait frapp£ de la beaute des decouvertes, que cette ouvrage [die „Insigniores proprietates"] renferme, la belle demonstration [ . . . ] m'a cause un tr£s sensible plaisir [ . . . ] je fu bien plus surpris d'en voir l'application aux secteurs elliptiques". (Brief an Lambert, in: K. Bopp (Ed.): L. Eulers und J . H. Lamberts Briefwechsel. Berlin 1924 ( = Abh. der preuß. Akad. d. Wiss., phys.-math. Kl., Nr. 2), S. 21. Eulers Lob wiegt um so mehr, als er selbst schon eine Reihe untauglicher Versuche zu einem algebraischen Beweis unternommen hatte (vgl. seine Bemerkung a. a. O. S. 22). Euler dürfte dabei an seine Schrift „Theoria motuum Planetarum et Cometarum" (1744) gedacht haben, die Lambert im Vorwort der „Insigniores Proprietates" als Lektüre zur Einführung in den Problemkreis empfiehlt. Eine allgemeine Charakterisierung der Experimentalanalyse in: Organon, Dianoiologie § 581 ff. Weitere Beispiele in der „Photometrie" (vgl. die Bemerkung E. Andings im bereits zitierten dritten Heft seiner deutschen Ausgabe, S. 64). Lagrange, dem später ein langwieriger algebraischer Beweis gelang, lobt den Lambertschen Lehrsatz als ein „th^oreme qui par sa simplicite et par sa generalite doit etre regarde comme une des plus ingenieuses decouvertes qui aient £te faites dans la throne du syst£me du monde" (Nouveaux Memoires de l'Academie Royale 1778, Berlin 1780, S. 119). 1 J Organon, Dianoiologie § 405. in: J . H. Lambert: Beyträge zum Gebrauch der Mathematik und deren Anwendung, Bd. I I . 2, Berlin 1770, S. 363—628. 15 Lambert hat zahlreiche Abhandlungen (vgl. ζ. B. in der „Bibliographia Lambertiana" die Nummern 1.4, I. 9, 1.14, 1.18, 1.20, 1.23, 1.27, I I . 1, I I . 7) zur Theorie des Messens und zum Bau von Meßgeräten verfaßt, u. a. zur Hygrometrie, zur Landvermessung, Photometrie, Pyrometrie. Mit dem Augsburger Präzisionsinstrumentenbauer

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Wissenschaft als axiomatisch-deduktives System

Hinsichtlich der Lichtmessung ζ. B. stellt er fest: „Es fehlt nämlich, wie es scheint, gänzlich oder wenigstens zumeist, an Stützpunkten, welche sonst geeignet sind, die Aufsuchung der Wahrheit zu fördern. Es fehlt an einer physikalischen Theorie, welche streng bewiesen und auf Schlüssen aufgebaut wäre. Es fehlen die Instrumente, um das Licht zu messen. Es fehlen endlich die ersten Principien, aus denen man das übrige ableiten könnte." 16 Grundsätzlich ist „anzumerken, daß, da sich wirkliche Ausmessungen nicht nach geometrischer Schärfe machen lassen, audh solche auf Meßreihen beruhenden Gesetze nicht weiter für richtig können angesehen werden, als die Ausmessung genau ist, und folglich, wenn das Gesetz nicht aus allgemeinen Gründen erwiesen wird, kleine Anomalien dabey statt haben können." 17 Dieses Zitat macht den Vorzug, den Lambert einer synthetischen Physik gibt, deutlich und weist auf eine grundlegende Schwierigkeit der analytischen hin. Alles scheint an einer Theorie und geeigneten Ausführung des Messens zu hängen, insbesondere natürlich für die mechanischen Grundgrößen Raum, Zeit und Masse. Eine solche Theorie könnte jedoch ergeben, daß die methodische Ordnung der analytischen Physik eher eine Unordnung ist. Im folgenden Kapitel werden wir zeigen, daß Lambert eine Theorie ansetzt, die in der Tat eine analytische Physik als unmethodisch ausweist, ohne daß er daraus jedoch den Schluß gezogen hätte, die analytische Physik gänzlich zu verwerfen. Sie scheint ihm solange durchaus nützlich zu sein, als ein synthetischer Georg Brander, bei dem er zeitweise wohnte, arbeitete er sein ganzes Leben lang zusammen. Überhaupt ist für Lambert Meßbarkeit eine Voraussetzung von Wissenschaft. Dies gilt insbesondere für die Philosophie: „Ich kann noch beweisen, daß ein Philosoph noch Verwirrung in seiner Erkenntniß hat, so ofte er sie nicht so weit treibt, daß ein Mathematiker sogleidi das Ausmessen dabey vornehmen kann." Briefwechsel Bd. I I , S. 148) Vgl. die fast gleiche Formulierung in einem Brief an den Göttinger Mathematiker (Lehrer von Gauss) und Literaten A. G. Kästner in: K. Bopp (Ed.): J . H. Lamberts und A. G. Kästners Briefe. Berlin 1928 (=r Sitz. — Ber. der Heidelberger Akad. der Wiss., Math.-Phys. Kl., S. 29); ferner Organon, Alethiologie § 130. Konsequenterweise fordert Lambert als Basis einer wissenschaftlichen Ethik eine „Agathometrie" (z.B. Organon, Alethiologie § 108, Architektonik § 110). Im Zusammenhang mit der Meßtheorie sind Lamberts erst neuerdings in ihrer Bedeutung gewürdigten Arbeiten zur Fehlertheorie zu sehen, in der Lambert „should be credited as the main predecessor of Gauss" (O. B. Sheynin: J . H. Lambert's Work on Probability, in: Archive for the History of Exact Sciences 7 (1970/71), S. 244). Vgl. ferner I. Schneider: Clausius' erste Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung, ebd. Bd. 14 (1974), S. 143—158; Schneider zeigt, daß Clausius den Hypothesen- und Wahrscheinlichkeitsbegriii seiner kinetischen Gastheorie von Lambert übernommen hat. 16 Photometrie sive de mensura et gradibus luminis, colorum et umbrae. Augsburg 1760, § 2. Deutscher Text nach der Teilübersetzung von E. Anding in: Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften (Heft 31—33). Leipzig 1892. Zitat in Heft 31, S. 3 f. 17 Organon, Dianoiologie § 569.

Antike Axiomatik

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Ausbau nicht gelingen will: besser eine analytische Physik, die z.B. zu Prognosen geeignet ist, als gar keine Physik! Die immer wieder vertretene Auffassung, Lambert sei ein Verfechter der synthetischen Methode, ist also dahingehend zu differenzieren, daß Lambert der synthetischen Physik durchaus den Vorzug vor der analytischen gibt. Dabei schätzt er die oben skizzierten drei Varianten der analytischen Methode als sehr nützliche Werkzeuge ein. Wir werden in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels eine Skizze des historischen Hintergrundes entwerfen, vor dem Lambert seine Auffassung der synthetischen Methode, die i. f. nadi ihren wesentlichen Merkmalen „axiomatisch-deduktive" oder kurz: „axiomatische" Methode genannt wird, entfaltet.

2.2.

Antike Axiomatik 2.2.1.

Euklid

Es ist im Grunde genommen keine Verkehrung der historischen Reihenfolge, wenn eine Analyse der Entwicklung der axiomatisdien Methode bei den „Elementen" Euklids18 beginnt und erst dann die „Analytica posteriora" des Aristoteles berücksichtigt, obwohl letztere ca. ein halbes Jahrhundert vor den „Elementen" verfaßt wurden. Denn die Euklidischen „Elemente" stellen zu einem nicht geringen Teil Lehrstücke und ihre methodische Behandlung zusammen, über die die griechische Mathematik bereits lange vorher verfügte, mögen sie auch wesentlich mehr als eine bloße Kompilation dieser Lehrstücke sein. In den „Elementen" liegt der merkwürdige Fall vor, daß ein Werk, das für mehr als 2000 Jahre den Maßstab für wissenschaftliche Methode überhaupt abgegeben hat, selbst keinerlei methodologische Reflexionen enthält. Euklid entwirft zwar einen höchst methodischen Aufbau von Teilen der Geometrie und Arithmetik; was er jedoch unter „geometrischer Methode" versteht, darüber lassen die „Elemente" explizit nichts verlauten; es muß sich aus dem methodischen Aufbau selbst ergeben. Man kann sich in der Skizzierung der Methode Euklids auf das 1. Buch der „Elemente" beschränken, 18 Euclidis Elemente, Vol. 1 (Ed. E. S. Stamatis (post Heiberg)). Leipzig 21969; dt. Ausgabe: Euklid: Die Elemente (Übers, und ed. von Cl. Thaer). Leipzig 1933—37, reprogr. Nachdr. Darmstadt 21962. Die Interpretation der Methode Euklids ist in der Literatur umstritten. Wir verzichten auf eine Diskussion, da es hier nur auf die Aufzählung der Methodenelemente ankommt.

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Wissenschaft als axiomatisdi-deduktives System

denn nur dort und in seinem Vorspann treten alle für die Methode Euklids relevanten Termini gemeinsam auf. Euklid beginnt mit einem Katalog von 23 „Definitionen" (δροι), es folgen 5 „Postulate" (αΐτήματα) und 9 „Axiome" (κοιναί εννοιαι). Diebeiden restlichen wesentlichen Methodenelemente sind „Lehrsätze" (θεωρήματα) und „Aufgaben" (προβλήματα). Wie schon erwähnt, fehlt jegliche Erläuterung über Status und Funktion der durch diese Termini bezeichneten Konstituentien einer axiomatischen Theorie: Nach der Aufzählung der Definitionen, Postulate und Axiome wendet sich Euklid unverzüglich der ersten „Aufgabe", nämlich der Konstruktion eines gleichseitigen Dreiecks zu, worauf, nach zwei weiteren Konstruktionsaufgaben, der erste Lehrsatz folgt. Wenn wir, auf die Lambertsche Terminologie vorgreifend, die Euklidischen Methodentermini klassifizieren wollen, dann dürften Definitionen, Axiome und Postulate zu den „Grundsätzen", Lehrsätze und Aufgaben zu den „Lehrsätzen" gehören. Die Geschichte der axiomatischen Methode bis hin zum formalistischen Ansatz Hilberts liefert kaum mehr als die Interpretation und Modifikation der innerhalb dieses von Euklid gesteckten Rahmens auftretenden Probleme. Im Altertum mag diese Interpretation noch immer im Blick auf die von den Mathematikern geübte Beweispraxis, die sich ja in den „Elementen" widerspiegelt, vor sich gehen. Dieser Praxis- und damit Problembezug verliert sich jedoch immer mehr, die axiomatische Methode degeneriert im Laufe der Zeit oft genug zu einem rein äußerlichen Darstellungsmittel (z.B. bei Spinoza), bei dem nur noch schwer ersichtlich ist, wieso es Wahrheit und Stringenz verbürgen soll. Die neueren metamathematischen Untersuchungen axiomatischer Theorien endlich sind zwar von äußerster Stringenz, haben aber kaum Kontakt zur mathematischen Praxis des Beweisens und zu einer Methodologie der Mathematik19. 2.2.2.

Aristoteles

Die älteste Diskussion der mathematischen Beweispraxis der griechischen Mathematik, wie sie in den „Elementen" überliefert ist, findet sich im Entwurf einer „beweisenden Wissenschaft" (επιστήμη άποδεικτική), den Aristoteles in den „Analytica posteriora" 20 gibt. Wissenschaft ist danach begrünVgl. I. Lakatos: Proofs and Refutations. The Logic of Mathematical Discovery (Ed. J. Worall / E. Zahar). Cambridge 1976, S.2fl. 20 Aristoteles: Analytica priora et posteriora (Ed. W. Ross). Oxford 1964; dt.: Aristoteles Lehre vom Beweis (Übers, und ed. von E. Rolfes). Leipzig 1922. Die folgende Darstellung stützt sich auf die pünktliche Rekonstruktion von H. Scholz: Die Axiomatik

Antike Axiomatik

37

dete Kenntnis. Eine Art von Begründung wissenschaftlicher Sätze ist ihr (syllogistischer) Beweis aus anderen Sätzen. Nun ist offensichtlich, daß es, wäre der Beweis die einzige Art der Begründung von Sätzen, keine Wissenschaft geben kann, da die Prämissen in einem Beweis für einen wissenschaftlichen Satz selbst wiederum auf die gleiche Art bewiesen werden müßten, und so fort. Falls also syllogistisdie oder, wie wir allgemeiner (nicht-aristotelisch) sagen wollen, „deduktive" Beweisbarkeit die einzige Form der Satzbegründung sein soll, dann ist ein unendlicher Beweisregreß unvermeidbar, es sei denn, man zieht es vor, auf Sätze als Prämissen zurückzugreifen, die sich selbst zuvor schon als begründungsbedürftig erwiesen haben, d. h. es sei denn, man zieht einen logisdien Zirkel dem unendlichen Regreß vor. Aristoteles erwähnt zwar nicht explizit die Zirkelproblematik und auch nicht die dritte Variante des „Münchhausen-Trilemma" 21 genannten Problems der Begründung „erster Sätze" einer axiomatischen Theorie, nämlich beim Begründungsregreß irgendwo dezisionistisch abzubrechen, jedoch wird sichtbar, daß er die Ausweglosigkeit einer auf deduktive Beweisbarkeit allein gebauten Begründungstheorie klar gesehen hat. Für ihn ergibt sich, da er das Unternehmen „Wissenschaft" nicht aufgeben will, die Konsequenz, daß es in jeder Wissenschaft, wenn überhaupt Wissenschaft möglich sein soll, Sätze geben muß, die deduktiv nicht beweisbar sind. Hierbei genügt es nicht, sich mit der schwächeren Forderung nach der Existenz faktisch nicht bewiesener Sätze zu begnügen, die gleichwohl beweisbar sein möchten. Dies würde nämlich ersichtlich darauf hinauslaufen, in einer „beweisenden" Wissenschaft auf mögliche Beweise noch nicht bewiesener Sätze zu verzichten, was $lie ganze Konzeption der beweisenden Wissenschaft als sinnlos erscheinen ließe. Aristoteles hat seine methodologischen Kategorien offenbar aus der zeitgenössischen mathematischen Beweispraxis gewonnen, gleichwohl sollen sie für alle Bemühungen Gültigkeit haben, die mit dem Anspruch auftreten, Wissenschaft zu sein22. Das Programm einer beweisenden Wissenschaft führt zur Disjunktion der Sätze aller Wissenschaften in zwei Klassen: die deduktiv der Alten (1930), in: H. Scholz, Mathesis Universalis. Abhandlungen zur Philosophie als strenger Wissenschaft (Ed. H. Hermes / F. Kambartel / J. Ritter). Basel 21969, bes. S. 29 f. Vgl. ferner Ε W. Beth: The Foundations of Mathematics. Amsterdam 1965. S. 30. Zur Interpretation des Aristotelischen Definitionsbegriffes wurden herangezogen: K. v. Fritz: Die APXAI in der griechischen Mathematik (1955) und ders.: Die έπαγωγή bei Aristoteles (1964), beide Schriften in: K. v. Fritz: Grundprobleme der antiken Wissenschaft. Berlin 1971, 335 ff. und S. 623 ff. Zum Aristotelischen Wissenschafts- und Philosophiebegriff vgl. F. Kambartel: Erfahrung und Struktur, S. 50 ff. 21 H. Albert: Traktat über kritische Vernunft. Tübingen 31975, S. 11 ff. 22 An. post. A 1, 71 a 1 ff.

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begründbaren Sätze und die deduktiv nicht begründbaren Sätze. Die deduktive Begründung von Sätzen fällt, wie schon bemerkt, in die formale Logik. Das eigentlich wissenschaftstheoretische Problem liegt in der Begründung der deduktiv nicht begründbaren Sätze oder der Sätze, wie wir kurz sagen wollen, die nicht „beweisbar" oder „unbeweisbar" sind. Bevor Aristoteles die unbeweisbaren Sätze in verschiedene Klassen unterteilt, legt er zunächst23 deren Eigenschaften fest, die sich aus ihrer Funktion als Deduktionsanfänge axiomatischer Theorien ergeben. Es gibt fünf, teilweise äquivalente bzw. voneinander abhängige, notwendige Merkmale unbeweisbarer Sätze: Die unbeweisbaren Sätze einer axiomatischen Theorie müssen sein: 1. wahr (άληθής), 2. Deduktionsanfänge (πρώτος), 3. „unvermittelt", d. h. nicht selber deduktiv hergeleitet (άμεσος), 4. einsichtiger (γνωριμότερος) als die deduktiv hergeleiteten Sätze, und schließlich 5. Begründungen (αϊτία) für deduktiv hergeleitete Sätze. Von diesen fünf Anforderungen beziehen sich drei, nämlich 2., 3., und 5. auf die Funktion der unbeweisbaren Sätze für den deduktiven Zusammenhang im engeren Sinne, während 2. und 4. von mehr wissenschaftstheoretischem Interesse sind: Die unbeweisbaren Sätze müssen wahr und einsichtiger sein als die anderen. Ersichtlich ist das erhöhte Maß an Einsichtigkeit, oder mit dem heute geläufigen Terminus: „Evidenz", ein Wahrheitskriterium der unbeweisbaren Sätze. Zwei Typen unbeweisbaier Sätze erfüllen nach Aristoteles die obigen Anforderungen: 1. „Axiome" (αξιώματα) und 2. „Festsetzungen" (θέσεις). Die Festsetzungen werden weiter in nicht-definitorische Festsetzungen, in „Hypothesen" , wie wir mit Vorbehalt das Aristotelische „υπόθεσις" wiedergeben wollen, und in Definitionen (ορισμοί) eingeteilt. Die Unterscheidung zwischen Axiomen und Festsetzungen beruht darauf, daß Axiome mutatis mutandis für die Wissenschaften gelten sollen, „gemeinsam" (κοινά) sind, während Festsetzungen jeweils nur für einzelne Wissenschaften (ίδια) Gültigkeit haben sollen. Die Hypothesen werden von Aristoteles als Existenzaussagen bezüglich Basisprädikatoren, wie z.B. in der Geometrie die Prädikatoren „Punkt", „Gerade", „Ebene", verstanden, sofern sie in unbeweisbaren Sätzen einer Theorie vorkommen. Existenzaussagen bezüglich Basisprädikatoren in beweisbaren Sätzen müssen selbstverständlich audi bewiesen werden, da sie ja nicht mittels „Hypothese" gesichert sind. So muß etwa die Existenz 23 a.a.O. A 2 , 71 b 2 1 ff.

Antike Axiomatik

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von Gegenständen, auf die das Definiens von „parallele Gerade" zutreffen soll, erst nachgewiesen werden24, während die Existenz gerader Linien hypothetisch angenommen wird, ebenso wie die Existenz von Punkten und Ebenen. Faktisch bedeutet „hypothetisch" im Blick auf die griechische Mathematik allerdings nicht mehr als „stillschweigend" 25, weil die Hypothesen für solche Basisprädikatoren nirgends explizit angeführt werden, die antiken Geometer vielmehr die Frage der Existenz von Punkten, Geraden und Ebenen, wie selbstverständlich gesichert, übergehen. Aristoteles26 trifft so bezüglich der Festsetzungen die audi später wesentliche Unterscheidung von „Nominaldefinitionen" (das „τί σημαίνει" der Festsetzung) und „Realdefinitionen" (das „τί εστι" der Festsetzung). Dabei ist zu beachten, daß sich zwar auch von fiktiven Entitäten, wie dem berühmten „Bockhirsch" (τραγέλαφος), eine Nominaldefinition geben, obwohl sich in der Natur wohl schwerlich ein Exemplar dieser Gattung vorzeigen läßt; ähnlich kann man durchaus definieren, wie ein regelmäßiges Hendekaeder auszusehen hätte, obwohl sich nachweisen läßt, daß ein solcher Körper nicht existieren kann. Der Gegenstandsbereich von Nominaldefinitionen kann, wie diese Beispiele zeigen, durchaus leer sein, wogegen Realdefinitionen erfordern, daß die Existenz eines Gegenstandes, dem der definierte Prädikator zugesprochen werden soll, durch die in der Definition selbst vorgeschriebene Konstruktion gesichert ist oder seine Existenz durch die Formulierung der Definition selbst erwiesen ist. Wichtig ist vor allem, daß die Basistermini, da die Existenz entsprechender Gegenstände nicht bewiesen, sondern hypothetisch vorausgesetzt wird, sämtlich nominal definiert werden. Die Postulate (αιτήματα) Euklids treten im Rahmen der Methodologie der beweisenden Wissenschaft des Aristoteles nirgends auf, werden jedoch in der Folge in der griechischen Mathematik allgemein zur Bezeichnung dessen verwendet, was bei Aristoteles „Hypothese" im oben genannten Sinne heißt. Für den uns interessierenden Sachverhalt bleibt nun noch die Frage zu erörtern, wie denn das stillschweigende Voraussetzen der Existenz der Gegenstände, denen die Basistermini zugesprochen werden, und damit die nichtdeduktive Begründung der unbeweisbaren Sätze aus der Sicht des Aristo2

* So verfährt ζ. B. Euklid im 18. Lehrsatz (dt. Text a. a. O. S. 20) hinsichtlich der Parallelen. Im übrigen ist zu beachten, daß eine Theorie durchaus verschiedene Basen habe^n kann: Ζ. B. in der Mechanik kann man statt auf „Masse" auch auf „Kraft" als Basisprädikator zurückgreifen. 25 K. v. Fritz: Die έπαγωγή, a. a. Ο. S. 651.

26 Vgl. Κ. ν. Fritz: Die APXAI, a. a. O. S. 392,

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teles beschaffen sein soll, d. h. es bleibt zu erörtern, wie Grundsätze (vgl. Kap. 2.2.1.) begründet werden sollen. Im Unterschied zu den griechischen Mathematikern reflektiert Aristoteles diese Frage ausdrücklich: Das Begründungsverfahren für Grundsätze wird von ihm als „Hinführung" (επαγωγή) bezeichnet, dessen lateinische Wiedergabe als „inductio" leicht zu dem Mißverständnis führen kann, Aristoteles hätte bei der επαγωγή an so etwas wie eine „Induktion" aus vielen Einzelfällen auf einen allgemeinen Satz gedacht. Audi die Begründung eines Grundsatzes mit Hilfe vollständiger Aufzählung der Einzelfälle bildet nur einen untergeordneten Fall von επαγωγή 27 . In der Hauptsache handelt es sich bei der Aristotelischen επαγωγή um einen Rückgriff auf die alltägliche, sinnlich vermittelte, Lebenserfahrung, die unabhängig von der Anzahl in quasi induktiver Absicht angestellten Wiederholungen zu unmittelbarer „Einsicht" in die „Wahrheit" und „Notwendigkeit" der wissenschaftlichen Grundsätze führen soll. So wird etwa das 9. Axiom Euklids: „Zwei Geraden umfassen keinen Flächenraum" durch tausendfach wiederholte Repräsentation des Sachverhalts weder „wahrer" noch „notwendiger". Zwar führt die επαγωγή zu unterschiedlichen Graden von Exaktheit und Gewißheit, diese sind aber abhängig vom Typ der gerade verhandelten Wissenschaft; die Mathematik gehört auf jeden Fall zu den Wissenschaften, deren Grundsätze von höchster Exaktheit und Gewißheit sind. Der von Aristoteles darüber hinaus noch angestellte Versuch einer Analyse der Herkunft „lebensweltlicher" Erfahrung ist jedoch, wenn er denn eine wissenschaftliche Begründung der Lebenswelt erstrebt 28 , wenig nützlich, da er in einen methodischen Regreß führt, insofern die Grundsätze dieser wissenschaftlichen Begründung der Lebenswelt ihrerseits wiederum einer durch επαγωγή zu leistenden lebensweltlichen Begründung bedürften, und so fort. Die wesentlichen Elemente des aristotelischen Entwurfs seien zusammengefaßt: Eine axiomatische Theorie besteht aus zwei Satztypen, den Grundsätzen und den Lehrsätzen. Lehrsätze werden durch syllogistische Herleitung aus Grundsätzen bewiesen, während eine solche Herleitung für Grundsätze selbst nicht möglich ist. Grundsätze erhalten die ihnen zugeschriebene Evidenz und damit Wahrheit durch Rekurs auf vorwissenschaftliche lebensweltliche Erfahrungen. Es gibt zwei Arten von Grundsätzen: Axiome und Festsetzungen. Axiome gelten für alle Wissenschaften, Festsetzungen sind jeweils nur für einzelne Bereiche gültig. Bei den Festsetzungen sind hypothetische Festsetzungen, die die Frage der Existenz auf lebensweltliche Er27 K. v. Fritz: Die επαγωγή, a. a. Ο. S. 657 ff., 675. 28 Vgl. J. Mittelstraß: Neuzeit und Aufklärung, a. a. O. S, 35 Anra.

Antike Axiomatik

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fahrung zurückführen und deshalb zu den Grundsätzen gehören bzw. diese Frage offen lassen, von den Definitionen zu unterscheiden, denen auch die Sicherung der Existenz der entsprechenden Gegenstände obliegt. Offen bleibt bei Aristoteles u. a.: 1. Der genaue Charakter der έπαγωγή als eines Begründungsverfahrens für Grundsätze. 2. Eine scharfe Präzisierung des Unterschieds von Axiomen und Festsetzungen. 3. Die Präzisierung des Verhältnisses von Grundsätzen und Basistermini. Diese und andere Probleme der Aristotelischen Methodologie werden in der antiken Mathematik und Philosophie vielfältig diskutiert, ohne daß eine Darstellung dieser Diskussion in unserem Zusammenhang von Nutzen wäre. Zum Abschluß dieser Skizze sei auf eine kleine, aber charakteristische, Differenz hingewiesen, die zwischen dem Euklidischen und dem Aristotelischen Ansatz besteht: Die Euklidischen Existenzpostulate beziehen sich, abgesehen von den, hinsichtlich ihrer Einordnung als „Postulate" seit eh und je umstrittenen (vgl. Anm. 117 von Kap. 3), Postulaten 4 und 5, auf elementare Konstruktionen. Dies könnte man so interpretieren, daß Euklid „Existenz" mit konstruktiver Herstellung verbindet, während bei den Basistermini des Aristoteles der noch recht vage Hinweis auf die έπαγωγή genügen muß. Erst die Möglichkeit der Durchführung elementarer Konstruktionshandlungen scheint bei Euklid die Bedingung der Möglichkeit der Formulierung begründeter Satzzusammenhänge zu bilden. So wird auch im Aufbau von Satzzusammenhängen ein ursprüngliches „konstruktives" Interesse Euklids sichtbar. Dieses konstruktive Interesse Euklids erstreckt sich jedoch nicht auf die geometrischen Basisprädikatoren Punkt, Gerade, Ebene, sondern beginnt erst in der „zweiten Linie". Die Basisprädikatoren setzt er, wie audi die übrigen antiken Geometer, stillschweigend voraus. Gleichwohl ist festzuhalten, daß am Anfang der geometrischen Theorie Euklids Konstruktionshandlungen eine entscheidende Rolle spielen, die bei Aristoteles nicht zu erkennen ist. Trotz dieser Differenz haben beide die entscheidende Gemeinsamkeit, daß hinsichtlich der Begründung erster Sätze überhaupt eine Begründungsverpfiicbtung besteht.

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Wissenschaft als axiomatisch-deduktives System

2.3.

Christian Wolfs Verständnis der axiomatischen

2.3.1.

Methode

Axiome und Postulate, Theoreme und Probleme

Der methodische Aufbau der Geometrie Euklids und die Aristotelische Methodologie markieren ein wissenschaftstheoretisches Niveau, das weder in den Arbeiten der Wissenschaftler noch in den Methodenreflexionen der Philosophen der folgenden Jahrhunderte wesentlich verbessert wurde. Oft wird es nicht einmal erreicht. Auch üblicherweise als „bedeutend" angesehene methodologische Arbeiten wie die „Reflexions sur la geometrie en general" von Pascal29, die durch ihre teilweise Übernahme in die „Logik von Port Royal" (1662) großen Einfluß ausübten, bilden hier keine Ausnahme, leiten vielmehr einen wichtigen begründungstheoretischen Rückschritt ein, der in der für die Position Lamberts wichtigen Methodologie Christian Wolffs seinen Niederschlag findet. Pascal, wie im übrigen auch Descartes, verzichten auf die Begründung der Grundsätze axiomatischer Theorien, indem sie durch den schlichten Hinweis auf die „Evidenz" der Axiome und einschlägigen Definitionen ein hinlänglich festes Fundament der Axiomatik gelegt zu haben glauben. Ebenso wie wir oben die fernere Entwicklung der axiomatischen Methode in Altertum und Mittelalter unberücksichtigt gelassen haben, werden wir auch deren neuzeitliche Fortsetzung nicht näher erörtern, sondern uns sogleich der Bestimmung der Methodenelemente axiomatischer Theorien bei Wolff zuwenden, die dort zumeist unter dem Titel der „methodus scientifica", oder „mathematischen Lehrart" abgehandelt werden. Die Beschränkung auf Wolff erfolgt nicht etwa, weil die axiomatische Methode bei ihm eine systematisch besonders hervorragende Analyse und Anwendung gefunden hätte. Hier wären viele andere, ζ. B. Galilei, Newton, Pascal, Descartes sicher vorzuziehen. Außerdem ist die pedantische, die Grenzen des Lächerlichen überschreitende, Ausweitung des Anwendungsbereichs der axiomatischen Methode etwa auf Probleme des Latrinenbaus30 nicht gerade eine Empfehlung dafür, ausgerechnet Wolff als einzigen Vertreter der neuzeitlichen Methodo29 Text, dt. Übers, und ausführt. Kommentar von J.-P. Schobinger. Basel 1974. Zur Methodenentwicklung der axiomatischen Methode; vgl. ferner H. Schüling: Die Geschichte der axiomatischen Methode im beginnenden 17. Jahrhundert. Hildesheim 1968. Schüling legt in der Einleitung ein ausführliches Resüme der antiken und mittelalterlichen Entwicklung vor und verfolgt den weiteren Gang bis Ramus. 3 0 Anfangsgründe aller Mathematischen Wissenschaften, Bd. 1., Frankfurt 7 1750, reprogr. Nachdr. (Ed. J . E . Hofmann) Hildesheim 1973, S . 4 8 0 f .

Christian Wolff

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logie in unsere historische Problemskizze aufzunehmen. Der Grund für die Berücksichtigung Wolffs liegt, wie oben angedeutet, vielmehr darin, daß seine Methodologie auf Lambert einen entscheidenden Εin fluβ ausgeübt hat, und zwar insofern Lamberts Auffassung von axiomatischer Methode sich der Kritik des Wölfischen Ansatzes aus der Perspektive der Rezeption des methodischen Aufbaus bei Euklid verdankt. Bei vielen Gelegenheiten in seinen größeren Werken, die ja sämtlich „methodo scientifica" abgefaßt sind, äußert sich Wolff über seine, die axiomatische Methode. Wir wenden uns zunächst der von ihm geforderten Ordnung des Aufbaus einer wissenschaftlichen Theorie, sodann den Prinzipien einer wissenschaftlichen Beweisführung zu. Wissenschaftliche Theorien beginnen mit Definitionen31. Aus diesen werden „unmittelbar" oder „per intuitum" 32 die Axiome und Postulate hergeleitet und hieraus schließlich Lehrsätze und Aufgaben. Postulate haben jedoch in diesem Aufbau eigentlich keine wesentliche, eigenständige Funktion, jedenfalls macht Wolff an keiner Stelle deutlich, worin sie bestehen könnte. Er gibt lediglich eine Art Begriffsbestimmung mit dem Hinweis, Postulate zeigten an, „daß etwas könne gethan werden" 33. Im Unterschied zu dieser „modalen" Bestimmung der Postulate haben Aufgaben so etwas wie einen „deontischen" Charakter: „Die Aufgaben handeln von etwas, so gethan oder gemacht werden soll" 34. Wolffs nähere Erläuterung der logischen Grammatik von Aufgaben besteht jedoch in ihrer Reduktion auf Theoreme. Damit haben auch Aufgaben keine selbständige methodologische Funktion, da sie jederzeit durch Theoreme ersetzt werden können und „dannenhero ist nicht nötig, von den Aufgaben besonders weitläuftig zu handeln" 35. Wir wollen diese Reduktion nun genauer untersuchen. Zunächst ist erforderlich, in einer dem Wölfischen Sprachgebrauch angemessenen Weise zu rekonstruieren, was „Theoreme" sind. In moderner Notation läßt sich im Sinne 31 Chr. Wolff: Elemente Matheseos Universae, Bd. 1. Halle 21730, repr. Nadidr. (Ed. J. E. Hofmann) Hildesheim 1962, Conspectus Commentationis de Methodo Mathematica § 2: „Ordiuntur autem mathematici a definitionibus, inde ad axiomata et postulata". Vgl. ferner: Anfangsgründe, Kurtzer Unterricht von der mathematischen Lehrart § 1. Daß hier von der Praxis der Mathematiker die Rede ist, bedeutet keine Einschränkung, da die Mathematik ja Methodenparadigma für alle Wissenschaften ist. Der deutsche Terminus für „definitio" ist „Erklärung". 32 Kurtzer Unterricht § 29; conspectus commentationis § 30. 33 Kurtzer Unterricht § 30; conspectus commentationis § 31. 34 Kurtzer Unterricht § 47; conspectus commentationis § 48. 35 Kurtzer Unterricht a. a. O.

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Wolfis ein Satz S als ein „Theorem" einer Theorie Τ bezeichnen genau dann, wenn S aus den Axiomen A i , . . A n von Τ und einer Menge einschlägiger, d. h. mit dem Vokabular von Τ gebildeter, Sätze H i , . . . , Hm, die den Axiomen hinzugefügt werden 36 , logisch folgt. Wir schreiben kurz: S ist Lehrsatz von Τ ^

Ai,..An, Hi,..Hm

Dabei soll „< s " die syllogistische Folgerbarkeit bedeuten. Alle Lehrsätze werden also eigentlich in „Wenn . . . . dann"-Sätzen ausgedrückt. Das Vorderglied der Implikation nennt Wolff „Bedingung", bzw. „Hypothesis", das Hinterglied „Aussage", bzw. „Thesis". Die hier gegebene Rekonstruktion präzisiert die Wolffsche Darstellung insofern, als bei Wolff in der Hypothesis nur Hi, . . . , Hm explizit aufgeführt werden. Wir wollen die obige Analyse an einem Wölfischen Beispiel erläutern 37 : Der Lehrsatz „Dreiecke haben den halben Flächeninhalt von Parallelogrammen, die mit ihnen Grundlinie und Höhe gemeinsam haben" ist zu zerlegen in die Hypothesis: „Ein Dreieck hat mit einem Parallelogramm gleiche Grundlinie und Höhe" und die Thesis: „Der Flächeninhalt des Dreiecks ist halb so groß wie der des Parallelogramms". Dieser Zerlegung der Lehrsätze in zwei Teile korrespondiert eine Zerlegung der Aufgaben in drei Teile: „Satz", „Auflösung", „Beweis": „In dem Satz geschiehet der Vortrag von dem, was gemacht werden soll. Die Auflösung erzählet alles, was man thun muß, und wie man eines nach dem anderen zu verrichten hat, damit geschehe, was man verlanget. Endlich der Beweiß führet aus, wenn das geschiehet, was in der Auflösung vorgeschrieben wird, so müsse man auch nothwendig erhalten, was man in dem Satz verlangete." 38 Die Rekonstruktion des Wolfischen Aufgabenbegriffs werde wiederum anhand eines Beispiels einer Aufgabe durchgeführt. Wir wählen die vierte Aufgabe aus den „Anfangsgründen der Geometrie" 39: Satz·. „Auf einer gegebenen Linie AB einen gleichseitigen Triangel aufzurichten. Auflösung: 1. Setzet den Zirkel in A, thut ihn auf bis B, und beschreibet damit über der Linie einen Bogen. 2. Setzet [ . . . ] 3. Ziehet [ . . . ] Beweiß: Es ist BC = BA, und AC = BA, folglich AC = BC. Derowegen ist der Triangel ACB gleichseitig. W. ζ. E." Die logische Grammatik der Teile der Aufgabe ist offenbar unterschiedlich: 36 37 38 39

Man spricht heute gewöhnlich von den „Voraussetzungen" eines Satzes. Kurtzer Unterricht § 37. a. a. O. § 47. Anfangsgründe Bd. 1: Anfangsgründe der Geometrie, S. 140.

Christian Wölfl

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Der „Satz" ist im grammatischen Infinitiv formuliert, allerdings in dessen imperativischer Bedeutung. Die „Auflösung" besteht aus einer Aneinanderreihung von Imperativen, während im „Beweis" nur Aussagen auftreten. Die Unterscheidung zwischen deskriptiven und präskriptiven Sätzen aufgreifend, läßt sich sagen, daß „Sätze" und „Auflösungen" präskriptive, „Beweise" hingegen deskriptive Sätze enthalten. Wir kommen nun zur Wölfischen Reduktion von Aufgaben auf Theoreme. In dieser Reduktion treten folgende Übergänge auf: Auflösung Satz

Hypothesis Thesis.

Die „Beweise" der Aufgaben, Wolff erwähnt sie nicht weiter, gehen offenbar in die Beweise von Theoremen über und sind hinsichtlich der logischen Grammatik auch nicht weiter problematisch, da hierbei deskriptive Sätze in deskriptive Sätze überführt werden. Ganz anders sieht es dagegen bei den beiden anderen Reduktionsschritten aus: Hier werden beidesmal, durch Umformulierung aus dem grammatischen Infinitiv bzw. Imperativ in den Indikativ, präskriptive Sätze auf deskriptive Sätze zu reduzieren versucht. Dies bedeutet aber jeweils eine μετάβασις εις άλλο γένος der logischen Grammatik, die darauf zurückzuführen ist, daß Wolff die Unterscheidung von präskriptiven und deskriptiven Sätzen weder explizit kennt, noch intuitiv beachtet. Durch seine Reduktion schließt Wolff präskriptive Sätze und damit HandlungsvorSchriften als irreduzible Theorienelemente aus. Es findet sich zwar keine analoge Reduktion der „modal" formulierten Postulate (Handlungsmöglichkeiten) auf Axiome, doch macht Wolff an keiner Stelle deutlich, welchen besonderen, nicht bloß deskriptiven, Status die Postulate haben könnten. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß sich in der Wölfischen Methodologie der axiomatischen Methode keine wesentlichen nicht-deskriptiven Elemente finden. Zwar tauchen Sätze von präskriptiver Form auf, Wolff fordert jedoch deren Reduktion auf deskriptive Sätze. In diesem Resultat haben wir allerdings ein Ergebnis vorweggenommen, das erst noch erbracht werden muß: Zur axiomatischen Begriindungsbasis gehören ja bei Wolff auch noch in entscheidender Weise die Definitionen. Ihnen kommt hinsichtlich der Grundsätze (Axiome und Postulate) eine Begründungsfunktion zu, „weil die Grundsätze unmittelbar aus den Erklärungen gezogen werden", jedoch nicht als eine Art logischer Folgerung, sondern, wie schon bemerkt, „per intuitum" 40. 40 Vgl. Anm. 32.

46

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2.3.2.

Definitionen

Die Wölfische Definitionstheorie baut auf der Leibnizschen Begriffs- und Definitionstheorie auf, wie sie insbesondere in „Meditationes de cognitione, veritate et ideis" (1684) enthalten ist 4 1 . Definitionen sind „ausführliche Begriffe" , d. h. Begriffe, die eine eindeutige, jederzeitige Unterscheidung und Identifikation der Gegenstände gestatten, denen der definierte Prädikator zugesprochen werden kann 42 . Es gibt zwei Typen von Definitionen: Nominaldefinitionen und Realdefinitionen43. Nominaldefinitionen sind Erklärungen von „Wörtern", Realdefinitionen erklären „Sachen". Diese Unterscheidung wird dadurch erläutert, daß Nominaldefinitionen „in einer Erzählung einiger Eigenschaften, dadurch eine Sache von allen anderen ihres gleichen unterschieden wird", bestehen, während Realdefinitionen zusätzlich noch zeigen, „wie etwas [d. h. eine zu definierende „Sache" ] möglich ist" 44 . Wir wollen nicht näher auf die wohl unlösbare Schwierigkeit eingehen, die mit der Absicht verbunden ist, „Sachen" oder „Gegenstände" zu „definieren", sondern uns sogleich rekonstruierend auf den Standpunkt stellen, daß auch bei Wolff Prädikatoren definiert werden. Dann läßt sich die Unterscheidung von Nominal- und Realdefinitionen dahingehend verstehen, daß Nominaldefinitionen 41 Dt. Übers.: Betrachtungen über die Erkenntnis, die Wahrheit und die Ideen, in: G. W. Leibniz: Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie (Ed. E. Cassirer), Bd. 1. Hamburg 31966, S. 22—29. Vgl. W. Lenders: Die analytische Begriffs- und Urteilstheorie von G. W. Leibniz und Chr. Wolff. Hildesheim 1971. Weitere Äußerungen von Leibniz zur Definitionstheorie befinden sich insbes. in den postum veröffentlichten Schriften, ζ. B. in den erstmals 1765 herausgegebenen „Nouveaux Essais sur l'entendement humain" (Buch I I I , Kap. I I I ) . Aus historischen Gründen kommen jedoch diese Quellen für Wolff und auch Lambert nicht in Betracht, da, wie bereits erwähnt, Lamberts philosophische Konzeption spätestens 1765 abgeschlossen war. Im übrigen bringen die später publizierten Schriften von Leibniz hinsichtlich der Definitionstheorie nichts, wesentlich über die erstgenannte Schrift hinausgehend, Neues. Wolff fügt zu den Unterscheidungen der „Meditationes" noch zwei weitere hinzu, die bei Leibniz in anderen Zusammenhängen ebenfalls auftreten: 1. „ausführliche" Begriffe (notiones completae) — nicht ausführliche Begriffe (Vernünftige Gedanken von den Kräften des menschlichen Verstandes. Halle 14 1754, Neudruck (Ed. H. W. Arndt) Hildesheim 1965 [ = „Deutsche Logik"], Kap. 1 § 15) und 2. „bestimmte" Begriffe (notiones determinatae) — unbestimmte Begriffe (nur in der „Lateinischen Logik", § 152). Die erste Bestimmung tritt in der Wölfischen Kennzeichnung der Nominaldefinitionen auf und besagt, daß die „Merckmahle", oder, rekonstruierend gesprochen, die im Definiens auftretenden Prädikatoren, „zureichen, die Sache jederzeit zu erkennen und von allen anderen zu unterscheiden" (Deutsche Logik, Kap. 1 § 15). « Vgl. Deutsche Logik Kap. 1 § 15, 36, 41; Lateinische Logik S 152 f. « Vgl. Deutsche Logik Kap. 1 § 41; Lateinische Logik § 191; Kurtzer Unterricht § 2 t., 12; Conspectus Commentationis § 15 ff. Deutsche Logik, a. a. O,

Christian Wolff

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nur die Bedeutung eines Prädikators betreffen, während Realdefinitionen zusätzlich auch noch die Existenzmöglichkeit von Gegenständen, denen der definierte Prädikator zugesprochen werden kann, zum Ausdruck bringen müssen, d.h. in Realdefinitionen muß bewiesen werden, daß der Bereidi des Definiendums nicht leer ist. Auf die Präzisierung dieser Forderung werden wir im nächsten Kapitel, im Zusammenhang mit der Definitionslehre Lamberts, zurückkommen. In der Wölfischen Methodologie spielen die Realdefinitionen keine besonders wichtige Rolle, da es die Nominaldefinitionen sind, die „in denen Wissenschaften einen richtigen Grund zum Beweise (geben), wie wir schon aus den mathematischen Wissenschaften zur Gnüge sehen können, audi bey Abhandlung anderer Theile der Weltweisheit, die von mir ans Tageslicht gestellt werden, erhellet." 45 Bei den folgenden Überlegungen zur Auffassung Wolffs von den Nominaldefinitionen als der eigentlichen Basis axiomatischer Theorien gehen wir von einer „Normalform" der Nominaldefinition eines Prädikators Α aus, die sowohl der heutigen Auffassung von Nominaldefinition46, als auch der Wolffsehen gerecht wird: (*)

χεΑ

genau dann, wenn

χεΑι Λ χεΑ2 Λ ... A xeAm

Nach einem heute weit verbreiteten Verständnis dienen Nominaldefinitionen der zu Abkürzungszwecken vorgenommenen Einführung neuer Prädikatoren in die Wissenschaftssprache47. Das sprachliche Gebilde, das dieser Einführung zugrunde liegt, ist nicht wahrheitswertfähig, also keine Aussage oder Behauptung. Es handelt sich dabei lediglich um einen sprachlichen Normierungsvorschlag, der einer Beurteilung hinsichtlich Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit, nicht jedoch bezüglich Wahrheit oder Falschheit unterliegen kann. Man bringt dies in der Formulierung von (*) etwa dadurdi zum Ausdruck, daß man das „genau dann, wenn" nicht durch den Junktor „ — " (Bisubjunktion), sondern durch das Definitionszeidien „ % " symbolisiert. « a.a.O. §45. Dabei sehen wir davon ab, uns durch die Symbolisierung des „genau dann, wenn" schon an dieser Stelle für die Interpretation festzulegen. Eine ausführliche Diskussion und Rekonstruktion der traditionellen Einteilung der Definitionen in Real-, Nominalund Wesensdefinitionen in: G. Gabriel: Definitionen und Interessen. Über die praktischen Grundlagen der Definitionslehre. Stuttgart-Bad Cannstatt 1972, bes. S. 20 ff. und Kap. 5, S. 97 ff. Gabriels gründliche Analysen stehen jedoch in praktisch-philosophischem Zusammenhang und sind deshalb auf die hier behandelten Probleme nicht ohne weiteres anwendbar. 47 vgl. ζ. B. W. Kamiah / P. Lorenzen: Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens. Mannheim 21973, S. 73; E. v. Savigny: Grundkurs im wissenschaftlichen Definieren. München 21971, S. 26; W. K. Essler; Wissenschaftstheorie I. Definition und Reduktion. Freiburg 1970, S. 62 f.

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Wissenschaft als axiomatisch-deduktives System

Im Blick auf die Wölfische „Nominaldefinition" sind wir nun in der mißlichen Lage, daß nahezu alle für Nominaldefinitionen angeführten Beispiele keine Nominaldefinitionen im heutigen Sinne sind. Denn bei Prädikatoren wie „Uhrwerck", „Vernunft", „Danckbarkeit", „Wachs" 48, „Monds-Finsterniß", „Dreyeck" 49 handelt es sich offenbar nicht um neue Prädikatoren, die zur Abkürzung einer längeren Redeweise allererst eingeführt würden, sondern um bereits wohletablierte, wenn audi in ihrem Gebrauch möglicherweise noch nicht genügend präzisierte, Sprachteile. Die Tatsache, daß Wolffs Beispiele mit der heutigen Auffassung von „Nominaldefinition" nicht vereinbar sind, beruht nun nicht darauf, daß Wolff zwar das gleiche gemeint, bei der Wahl der Beispiele jedoch eine unglückliche Hand gehabt hätte, sondern darauf, daß sein Begriff von „Nominaldefinition" vom heutigen verschieden ist. Wolff bestimmt als Zweck der Nominaldefinitionen, daß sie die eindeutige Identifizierung der Gegenstände, denen der definierte Prädikator zugesprochen werden soll, erlauben und damit auch die Unterscheidung dieser Gegenstände von solchen, denen dieser Prädikator nicht zugesprochen werden darf. Dieser Zweck soll dadurch erreicht werden, daß Nominaldefinitionen als „Erzählung einiger Eigenschaften, dadurch eine Sache von allen anderen ihres gleichen unterschieden wird" 50, zu verstehen sind. Die hier in Frage kommenden Eigenschaften werden genauer als dem Gegenstand „immer" oder „beständig" 51 zukommende Eigenschaften bestimmt; deren Auffindung erfordert, „wohl zu untersuchen, warum einer Sache dieses oder jenes zukomme" 52. Falls der „Grund" des Zukommens „in der Sache selbst" zu finden sei, heißt es an dieser Stelle weiter, dann liege die für Nominaldefinitionen erforderliche beständige Eigenschaft vor. Solche beständigen Eigenschaften einer Sache machen zusammengenommen das „Wesen" dieser Sache aus 53 . Auch ohne die Rekonstruktion der hier auftretenden „kritischen" Prädikatoren wie „Eigenschaft", „Grund", „Wesen" läßt sich feststellen, daß das Definiendum einer Nominaldefinition nach Wolff aus einer i. a. komplexen Aussage über etwas besteht, das „Wesen" eines Gegenstandes genannt wird. Eine solche Aussage ist offensichtlich erst nach eingehender u. a. empirischer Analyse begründbar, da sie sich auf temporale („beständig") und kausale

Deutsche Logik, Kap. 1 § 41 f. 49 Kurtzer Unterricht § 15,17. so Deutsche Logik, Kap. 1, § 41. si a. a. O. § 42. 52 a. a. O. 53 a. a. O. § 47; entsprechend werden Latein. Logik § 193 die Wesensdefinitionen unter die Nominaldefinitionen gerechnet.

Christian Wolff

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(„Grund") Sachverhalte bezieht, die ja „per definitionem" in das „Wesen" eingehen. Sachverhalte dieser Art lassen sich jedoch begründet erst dann konstatieren, wenn eine eindeutige Identifizierung der Gegenstände, auf die sie sich beziehen, bereits zuvor gelungen ist. Dies wiederum bedeutet, daß vor der Aufstellung einer Nominaldefinition ihr Zweck, nämlich Identifikation und Unterscheidung von Gegenständen, als bereits erreicht angenommen werden muß. Der damit naheliegende Verdacht auf einen methodischen Zirkel trifft dann zu, wenn die von Wolff mittels Nominaldefinitionen intendierte Identifizierung und Unterscheidung von Gegenständen wirklich eine allererste, zuvor in keiner Weise verfügbare, ist. Eben dies ist aber nicht der Fall, da ja, wie die oben angeführten Beispiele von in Nominaldefinitionen zu definierenden Prädikatoren zeigen, es sich durchaus um Prädikatoren handelt, für die eine lange, wenn u. U. auch kontroverse, Verwendungspraxis vorliegt 54 . Wir können diesen Sachverhalt so reformulieren, daß wir sagen, für die in Nominaldefinitionen definierten Prädikatoren möge eine exemplarische Bestimmung bereits vorliegen55. Dann aber sind Wolffs Nominaldefinitionen weder Nominaldefinitionen im Sinne der Tradition, da aufgrund der exemplarischen Bestimmtheit des Prädikators die Existenz des entsprechenden Gegenstandes angenommen werden muß, noch sind sie Nominaldefinitionen im heutigen Sinne. Sie sind auch nicht Realdefinitionen, da sie keinen Beweis dafür liefern, daß der Gegenstandsbereich des definierten Prädikators nicht leer ist. Was sind aber denn nun die Wölfischen Nominaldefinitionen, wenn sie außerdem auch nicht als schlichte Aussagen betrachtet werden dürfen, d. h. sich doch in irgendeiner Weise auf die „rechte" 56 Verwendung von Prädikatoren normativ beziehen, also keine eigentlich apophantische Funktion haben? Mir scheint es sowohl dem Wölfischen Gebrauch als auch den systematischen Erfordernissen gerecht zu werden, die Nominaldefinitionen nicht als Normierungen erstmals verwendeter, sondern als Präzisierungen bereits verwendeter, aber in ihrer Verwendung noch nicht hinlänglich präziser, Prädikatoren aufzufassen57. 54 Den bei Wolf selten ins Auge gefaßten Fall, daß tatsächlich ganz neue Prädikatoren definiert werden, wollen wir nicht weiter betrachten, da Wolff damit keine methodologischen Erwägungen verbindet. 55 Als „exemplarische Bestimmung" von Prädikatoren wird deren Einübung an geeigneten Beispielen und Gegenbeispielen verstanden (Vgl. Kamiah/Lorenzen: Logische Propädeutik, § 2, bes. S. 29). 56 Deutsche Logik, Kap. 1 § 45. 57 F. Kambartel: Was ist und soll Philosophie? Konstanz 1968, S. 18, schlägt vor, in

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Wissenschaft als axiomatisdi-deduktives System

Am Ende des vorigen Abschnitts wurde bereits darauf hingewiesen, daß bei Wölfl: Nominaldefinitionen die eigentlichen Basiselemente axiomatischer Theorien bilden. Sie sind die „unwidersprechliche(n) Gründe der Erkenntnis" 58, die die Gewißheit liefern, daß „alles dasjenige, was durch richtige Schlüsse aus ihnen hergeleitet wird, gleichfalls möglich sey" 59. Die Aufstellung von Nominaldefinitionen erfordert jedoch, wie gezeigt wurde, ein nicht unerhebliches „inhaltliches", z.B. Kausalwissen, das methodisch erst in einem fortgeschrittenen Aufbaustadium der jeweiligen Theorie gewonnen werden kann. M. a. W.: die in die Basis axiomatischer Theorien eingehenden inhaltlichen Präzisierungen unterliegen, sieht man von Adäquatheitsbedingungen hinsichtlich des Sprachgebrauchs ab, keinem methodischen Ausweis oder methodischer Kontrolle. Es werden in die Definitionen Inhalte eingeschmuggelt (vgl. das Lambertsche Bild von der „Gauckeltasche" S. 21), die strenggenommen erst als Ergebnisse methodisch geordneter Bemühungen begründbar sind. Gerade an dieser schwachen Stelle der Wölfischen Konzeption setzt die Kritik und die konstruktive Neubegründung Lamberts ein.

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soldien Fällen von einer „Wesensbestimmung" zu reden, wo „eine mit dem gleichen Worte [bereits früher] getroffene Unterscheidung mindestens gleich deutlich, möglichst aber deutlicher reformuliert" wird. Dieser Vorschlag trifft ersichtlich den hier vorliegenden Sachverhalt. Ich möchte jedoch weiter von „Nominaldefinitionen" reden, da Wolff die traditionelle Trichotomie von Nominal-, Real- und Wesensdefinitionen nicht vornimmt, sondern die Wesensdefinitionen als eine Art Nominaldefinitionen versteht (vgl. Anm. 53). Kurtzer Unterricht § 21. Vgl. ζ. B. Chr. Wolff: Ausführliche Nachricht von seinen eigenen Schriften, die er in teutscher Sprache heraus gegeben. Frankfurt 2 1733, repr. Nachdruck (Ed. H. W. Arndt) Hüdesheim 1973, Kap. III, S 26.

Kapitel 3: Das Basisproblem 3.1.

Lamberts Kritik an Lösungen des Basisproblems im „Critertum Veritatis"

Das „Criterium Veritatis" ist zwar keine „markige Skizze" 1 zu „Organon" und „Architektonik", bringt jedoch eine erste Fassung des Lambertseben Ansatzes zur Lösung des Basisproblems, die allerdings in den späteren Schriften an entscheidender Stelle korrigiert wird. Die leitende Fragestellung bezieht sich, wie im Titel der Abhandlung angezeigt, auf das Wahrheitskriterium (bzw. die Wahrheitskriterien) von Sätzen. Lambert gewinnt dabei den Ansatz seines eigenen Kriteriums in der Auseinandersetzung mit Wölfl und Descartes. 3.1.1.

Die Kritik des Wolfisdien Lösungsansatzes

Lambert hat der Wolfischen Methodologie stets zugute gehalten, daß in ihr „wenigstens die Hälfte der Methode angebracht" 2 sei. Ebenso klar ist jedoch für ihn, daß die andere Hälfte der Methode noch fehlt. Die Methode, um die es sich handelt, ist jene, „die lange Zeit nur die mathematische hieße, in der That aber die natürliche heißen kann, weil es die ächte Gedenkensart der Seele ist, und in jeder Wissenschaft angebracht werden kann" 3. Die von Wolfi bereits angebrachte Hälfte dieser Universalmethode besteht in der Forderung nach durchgehendem deduktiven Zusammenhang von Theorien4. Ersichtlich kann aber ein deduktiver Zusammenhang allenfalls ein Kriterium 1

So der Herausgeber (K. Bopp) im Vorwort (a.a.O. S. 4). Das Epitheton „markig" mag der Zeitgeist diktiert haben, da das Vorwort in „einer Zeit nationaler Selbstbesinnung" zu „Ettlingen beim Landsturmbataillon im September 1915" entstanden ist. 2 Schriften Bd. 9, S. 189 f. Vgl. Archtektonik § 11: „Die Ehre, eine Methode, eine richtige und brauchbare Methode in der Weltweisheit anzubringen, war Wolfen vorbehalten. Wiewohl man eigentlich nur sagen kann, daß er darinn das Eis gebrochen, aber auch verschiedenes zurücke gelassen". 3 Criterium Veritatis § 22, S. 17. « a. a. O. § 3, S. 9.

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Das Basisproblem

für die Wahrheit der Lehrsätze, nicht aber der Grundsätze einer Theorie angeben; ersteres im übrigen auch nur dann, wenn die Wahrheit der Grundsätze bereits nachgewiesen ist 5 . Grundsätze, dies macht einen Teil ihrer genaueren Kennzeichnung aus, sind deduktiv gerade nicht beweisbar. Zwar hat auch Wölfl erkannt, daß ein deduktiver Zusammenhang kein Wahrheitskriterium für Grundsätze sein kann und deshalb keine Perspektive zur Lösung des Basisproblems bietet: „Wolf machte sich eine Ehre daraus, daß er die Euclidischen Grundsätze erweisen könne. Es hat aber einmal nur die betroffen, an deren Deutlichkeit, Evidenz und Wahrheit noch kein Mensch den geringsten Zweifel und Anstand gefunden. Hingegen von dem eilften Euclidischen Grundsatze, den man sich mit mehrerer Mühe und weniger Evidenz als wahr vorstellet war bey diesem Rühmen nicht die Rede [ . . .j]. Von den [ . . . ] Grundsätzen aber kam der ganze Beweis darauf an, daß Wölfl die Definitionen so einrichtete, daß sie [sei. die Grundsätze] sich daraus beweisen ließen [ . . . ] . Sodann fielen diese Worterklärungen audi nicht immer so genau und richtig aus" 6. An Wölfls Behandlung der Definition des Prädikators „parallele Gerade" läßt sich exemplarisch verdeutlichen, daß es sich bei dem vorgeschlagenen definitorischen Lösungsverfahren um ein „Gauckeltaschen"-Verfahren handelt: Euklid hatte definiert: „Parallel sind gerade Linien, die in derselben Ebene liegen und dabei, wenn man sie nach beiden Seiten ins unendliche verlängert, auf keiner [sei. Seite] einander treffen" 7. Dieser Definition von Parallelen als nichtschneidender Geraden folgt im methodischen Aufbau der „Elemente" das Parallelenaxiom. In Satz 18 8 beweist Euklid sodann die Existenz von Parallelen als nichtschneidenden Geraden. Das Parallelenaxiom

geht, beim üblichen Aufbau der ebenen Geometrie, in den Beweis so zentraler Sätze wie dem von der Winkelsumme im Dreieck ein 9 . Wölfl macht es sich da wesentlich einfacher: Er definiert Parallelen als 5 a. a. O. § 24, S. 18. 6 Architektonik § 685; vgl. § 11 f., § 21. Als 11. Grundsatz führen die älteren Euklidausgaben das sog. Parallelenaxiom oder -postulat an. 7 Euklid, Elemente, deutsche Ausgabe S. 2, Def. 23. 8 a. a. O. S. 20. Hier zeigt sich im übrigen, daß die Aristotelische Forderung nach einem Existenzbeweis bei Nominaldefinitionen die Praxis antiker Mathematiker widerspiegelt (Vgl. Kap. 2.22, S. 38 ff.). 9 Satz 22, a. a. O. S. 23. Der Satz von der Winkelsumme im Dreieck ist im übrigen im (vollständigen) Hilbertschen Axiomensystem der ebenen Euklidischen Geometrie bei Voraussetzung der Axiomengruppen der Verknüpfung, Anordnung, Kongruenz und des Archimedischen Postulats mit dem Parallelenaxiom äquivalent (Vgl. D. Hilbert: Grundlagen der Geometrie § 12). Weitere mit dem Parallelenaxiom äquivalente Sätze z.B. in N. W.Efimow: Höhere Geometrie, Bd. 1. Braunschweig 1970, S. 10f.

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Lamberts Kritik ail Lösungen

äquidistante Geraden10; hierbei vertraut er offenbar dem Augenschein und den Resultaten einer Theorie, die es allererst noch zu begründen gilt. Obwohl seine grundlegenden Definitionen Nominaldefinitionen sind, glaubt er sich einen Existenzbeweis bzw. eine Konstruktion ersparen zu können. Die Existenz ist ihm wohl durch den exemplarischen Augenschein gesichert11: seine Definition der Parallelen scheint nicht mehr zu sein, als die Formulierung eines schier unumstößlich vor Augen liegenden Sachverhalts. Lambert kritisiert nun an Wolffs Vorgehen, daß dadurch das Problem des Parallelenaxioms „weder gehoben, noch vermieden, noch auf eine geschickte Art umgangen und gleichsam von hinten her weggehoben [würde]. Sie [sei. die Schwierigkeit] wird vielmehr, wenn Alles richtig geht, nur von dem Grundsatze weg, und in die Definition gebracht, und zwar, so viel ich sehe, ohne daß sie dadurch leichter könnte gehoben werden" 12. In der Tat, hätte Wolff sich die Auffassung der älteren Mathematiker und des Aristoteles zu eigen gemacht, daß Nominaldefinitionen einen Existenzbeweis für die Gegenstände erfordern, denen der definierte Prädikator zugesprochen wird, dann hätte er sehen müssen, daß in die Konstruktion äquidistanter Geraden eine Voraussetzung eingeht, die dem Parallelenaxiom äquivalent ist: Man zeichne eine Gerade g und errichte in zwei beliebigen Punkten A und Β von g jeweils das Lot s. Die Endpunkte von s, das eine bestimmte Länge r haben soll, seien C und D. Verbindet man C mit D, dann ist zwar die so entstehende Gerade h per constructionem in C und D äquidistant zu g, aber ob die ganze Gerade h in ihren anderen Punkten, insbesondere bei beC

D

Β

Anfangsgründe der Geometrie S. 125; Elementa Geometriae S. 128. " Vgl. Kap. 2. 32, S. 48. 2. B. in N. W. Efimow: Höhere Geometrie, Bd. 1. Braunschweig 1970, S. 10 f. 12 Theorie der Parallellinien § 8, S. 159. Lambert führt seine Kritik nicht näher aus. dürfte jedoch den im folgenden dargestellten Sachverhalt im Auge gehabt haben.

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Das Basisproblem

liebiger Verlängerung, äquidistant zu g ist, ist durch diese Konstruktion keineswegs bestimmt. Eine Äquidistanz aller Punkte von h zu g liegt nur dann vor, wenn die Winkel 1 und 2 Rechte sind. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn ein dem Parallelenaxiom äquivalenter Satz gilt. Resultat der Analyse der Wolfischen Nominaldefinition von „parallel": Äquidistante Geraden existieren nur dann, wenn das Parallelenaxiom oder ein dazu äquivalenter Satz gilt. Wolfis Annahme, das Parallelenproblem gelöst zu haben, ist deshalb irrig. Er hat es sich vielmehr schon in der Definition eingehandelt. Die „naive" Existenzvoraussetzung mathematischer Gegenstände in der Theorienbasis ist also kein geeignetes methodisches Mittel. Dies ist ein Punkt, den Lambert, in Anlehnung an die antike mathematische Praxis und deren methodologische Reflexion, stets hervorgehoben hat: wenn Definitionen konstitutiver Bestandteil von Theorien sein sollen, dann reichen bloße Nominaldefinitionen nicht aus13. 3.1.2.

Die Kritik des Cartesischen Lösungsansatzes

„Cartesius suchte dieses Merkmal oder Unterscheidungszeichen der Wahrheit in der klaren und deutlichen Vorstellung einer Sache" H . Gegen dieses Evidenzkriterium macht Lambert im einzelnen geltend: (1) Es sei zwar wünschenswert, „wenn man jedem Lehrsatze bey dem ersten Anblick ansehen könnte, ob er wahr seye oder nicht. Man würde so dann nicht nöthig haben, seinen öfters ungemein weitläufigen Beweis mit aller behörigen Aufmerksamkeit zu durchgehen und die Richtigkeit jedes Schlusses zu prüfen, der in dem Beweise vorkommt" 15. Das Cartesische Wahrheitskriterium ist also bei Lehrsätzen ziemlich nutzlos, kann aber bei Grundsätzen durchaus von Bedeutung sein16. (2) Das Cartesische Kriterium ist allenfalls ein vorläufig hinreichendes Kriterium, keineswegs ein notwendiges, da es wahre aber nicht evidente Sätze gibt. (3) Das Evidenzkriterium ist bei seiner Ausdehnung auf alle Sätze nicht intersubjektiv. Man kann zwar durch große Übung so weit kommen, daß man, gleich „einem geübten Tonkünstler, der in dem vollstän13

Wir klammern hier die Frage aus, in welchem Sinn die Begriffsbestimmung von „parallel" der Basis der Euklidischen Geometrie zuzuredinen ist. 14 Criterium Veritatis § 3, S. 9. Lambert bezieht sich offenbar auf Descartesstellen wie ζ. B. in der 3. Meditation (Vgl. Descartes: Meditationes de prima philosophia. Lat.-dt. Ausgabe (Ed. L. Grabe). Hamburg 1959, S.63). 15 Criterium Veritatis §11, S. 12. Lamberts Kritik schließt sich i. w. derjenigen von Leibniz in „Meditationes de cognitione, veritate et ideis" an. 16 Criterium Veritatis § 3, S. 10.

Der Lambertsdw Lösungsansatz

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digsten Concerte audi die geringste Abweichung von dem wahren Tone bemerkt" 17, einem Satz sofort ansieht, ob er „mit den richtigsten Begriffen und Sätzen, so ich weiß", zusammenstimmt. Solche syntaktisch-semantische Musikalität ist jedoch nicht jedermanns Sache. Zudem ist das durch Evidenzgefühle möglicherweise erlangte „Recht, [ . . . ] Beyfall zu geben oder ihn zu verweigern", von der nur auf Grund methodisch ausgewiesenen Vorgehens zu erlangenden „völlige(n) Gewißheit der Erkenntniß" zu unterscheiden. Das Schwergewicht der Lambertschen Kritik ruht somit auf der Nichtumkehrbarkeit und auf der behaupteten universalen Anwendbarkeit des Cartesischen Kriteriums. Im Prinzip jedoch scheint Lambert im „Criterium Veritatis" ein letzter Rekurs auf Evidenz bei den Grundsätzen kein völlig dubioses Verfahren zu sein: Man wird „ein Criterium gebrauchen müssen, welches von dem Cartesianischen nicht viel verschieden seyn wird" 18. 3.2.

Der Lambertsche Lösungsansatz des Basisproblems

In der Einleitung (S. 7) wurde die Frage nach der Bedeutung der in die Axiome einer axiomatischen Theorie eingehenden Prädikatoren als „Basisproblem" bezeichnet. Mit dieser Form der Problemstellung wurde bereits eine Festlegung getroffen, die nicht so ohne weiteres selbstverständlich ist, insofern sich statt nach der Bedeutung der Prädikatoren auch nach der Wahrheit der Axiome, also nach der Wahrheit bestimmter Sätze hätte fragen lassen. Jedoch führt jede der beiden Fragestellungen über kurz oder lang auch auf die jeweils andere: über die Wahrheit von Sätzen läßt sich, außer im Bereich formaler Wahrheit, ohne Kenntnis der Bedeutung ihrer Teile nicht befinden, umgekehrt ist mit der Kenntnis der Bedeutung der Wörter eine notwendige, wenn audi nicht eine hinreichende Bedingung für die Beherrschung von Wissenschaft als einem System wahrer Sätze gewonnen. Wie man aber auch die Frage nach der Basis axiomatischer Theorien ansetzen mag, von ihrer Beantwortung hängt ab, inwieweit eine Theorie als begründet und in diesem Sinne wissenschaftlich anzusehen ist. Der deduktive Begründungscharakter von Lehrsätzen einer Theorie besteht i. w. in nichts anderem als im logisdien „Transport" der an der Basis gesetzten Standards: Korrekt gefolgerte Lehrsätze sind so „gut" wie die Axiome, aus denen sie hergeleitet werden. Im Zusammenhang mit dem Basisproblem ist für die neuzeitliche Wissenschaft, Wissenschafts- und Erkenntnistheorie von je her die Frage nach dem 17 a. a. O. S 12, S. 13. 18 a. a. O. S 3, S. 9.

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Das Basisproblem

empirischen oder nicht-empirischen Status der Basis von Interesse gewesen,

soll heißen: die Frage, inwieweit die Basis mit „Erfahrungen" verknüpft und von ihnen abhängig ist, oder ob keine relevanten Zusammenhänge bestehen. Von „empiristischer" Seite wurde und wird die Bindung der Basis an Erfahrung als Garant gegen müßige Spekulation und für sachhaltige Wissenschaft verstanden, während von selten des „Rationalismus" aus verschiedenen Gründen ein Vorrang derjenigen Erkenntnis behauptet wird, die sich der Tätigkeit von „Verstand" oder „Vernunft" verdankt. Trotz der langen Geschichte der einschlägigen Begriffe wie „Erfahrung", „Empfindung", „Verstand" , „Vernunft", „a priori" etc. ist es bislang kaum gelungen, diese Begriffe in einer wohlbestimmten Weise zu normieren, die einerseits systematisch zulänglich und andererseits den historischen Phänomenen adäquat ist und somit allgemeiner Anerkennung sicher sein könnte 19 . Die Unklarheit bzw. Inkonsistenz der verwendeten Begriffe hat eine bis heute andauernde ζ. T. polemische Auseinandersetzung unter dem Titel „Rationalismus versus Empirismus" gefördert 20 , die auch durch großangelegte Vermittlungsversuche wie denjenigen Kants nicht beigelegt werden konnte. Lamberts Versuch der Lösung des Basisproblems beruht i.w. auf der Kenntnis des Cartesischen, Leibnizschen (soweit damals bekannt) und Wölfischen Rationalismus und der Inauguration des Empirismus durch John Locke, während eine nennenswerte Kenntnis Humes (vgl. Kap. 1, Anm. 29) nicht anzunehmen ist. Den Cartesischen und Wölfischen Beitrag haben wir, soweit er für das Verständnis Lamberts von Interesse ist, ausführlicher erörtert; soweit Ansätze von Leibniz relevant sind, werden sie weiter unten erwähnt werden. Von der an sich erforderlichen Skizzierung der Position Lockes muß jedoch abgesehen werden: Die Interpretation der Lockeschen Philosophie ist — nicht zuletzt begünstigt durch die Ungenauigkeit der Texte — hochkontrovers 21 . Eine historische Skizzierung wird sich deswegen auf eine audi 19 F. Kambartel: Erfahrung und Struktur, S. 20 f., weist an einem repräsentativen Beispiel für die in philosophisdien Lexika zu findenden Bestimmungen von „Empirismus" deren völlige Unzulänglichkeit nach. Für andere der genannten Begriffe ließen sich ähnliche Nachweise führen. 20 Als Widerpart werden heute etwa die an den Empirismus anschließenden Positionen der analytischen Philosophie und die über den Begriff des „Apriori" an rationalistisdie Traditionen angeschlossenen Überlegungen der Konstruktiven Wissenschaftstheorie aufgefaßt. 21 Neuere Beispiele aus der deutschsprachigen Literatur: F. Kambartel, a.a.O. Kap. I; J. Mittelstraß: Neuzeit und Aufklärung S. 397 ff.; L. Krüger: Der Begriff des Empirismus. Erkenntnistheoretische Studien am Beispiel John Lockes. Berlin 1971. Während Krüger am Leitfaden des Lockeschen „Essay" eine systematisch einsichtige Rekonstruktion des Begriffes „Empirismus" anstrebt (Vgl. a. a. O. § 2), für den allerdings

Der Lambertsche Lösungsansatz

57

nur annähernde communis opinio der Forschung nicht stützen können und würde, sollte sie denn vorgenommen werden, den Umfang einer eigenen Studie erfordern. Wir werden deshalb auf Locke nur soweit und in dem Sinne zurückgehen, wie sich Lambert auf ihn beruft, und uns darüber hinaus auf sporadische Verweise beschränken, die von einer Gesamtinterpretation der theoretischen Philosophie Lockes so gut wie unabhängig sind. Lambert knüpft in zweierlei für unser Thema relevanter Hinsicht an Locke an: Zum einen ist für ihn wie für Locke die Basis allen Wissens in „richtigen", genauer: „einfachen", Begriffen zu suchen und zum zweiten beruht die Bedeutung dieser Begriffe in einem zunächst vagen Sinne auf „Erfahrung" . Das Basisproblem stellt sich also in einer ersten Annäherung für Lambert als das Problem der als Klärung ihrer Bedeutung verstandenen Begründung wissenschaftlicher Grundbegriffe in der Erfahrung. Da andererseits wissenschaftliches Wissen par excellence axiomatisch-deduktiv entworfenes und organisiertes Wissen ist, verengt sich die Frage auf das Problem der empirischen Fundierung der Grundbegriffe axiomatischer Theorien. Falls man einer empiristisch orientierten Erkenntnistheorie die Aufgabe zuweist, die empirische Fundierung von Erkenntnis und Wissen überhaupt zu leisten, so schließt sich Lambert zwar pauschal der Forderung dieser Erkenntnistheorie an, verwendet jedoch keine besondere Mühe darauf, zu ihrer Erfüllung etwas beizutragen. Ihn interessiert lediglich der Teilaspekt der empirischen Fundierung wissenschaftlichen, insbesondere axiomatisch-deduktiven Wissens. Deshalb sind seine Überlegungen auch nicht als erkenntnistheoretisch, sondern als wissenschaftstheoretisch einzustufen. Während in dieser ersten Annäherung der enge Anschluß Lamberts an Locke eine Kennzeichnung seiner Wissenschaftstheorie als „empiristisch" nahelegt, sind seine weiteren Überlegungen, die in die Konstituierung „apriorischer" Wissenschaften münden, eher dem Rationalismus zuzuweisen. Der sich ankündigende Widereingestandenermaßen eine „optimistische" (a. a. O. S. 13, 86) Interpretationshaltung erforderlich ist, weisen Kambartel u. Mittelstraß, eher „pessimistisch" nach, daß ein im Blick auf Locke und die ihm folgende empiristische Tradition angesetzter Begriff von „Erfahrung" als reiner, d. h. sprachfreier Rezeption sinnlicher Daten (Kambartel a. a. O. S. 21), schon bei Locke seine Inkonsistenz und systematische Sinnlosigkeit offenbart. Beide Interpretationen sind textlich gründlich belegt und von hoher Plausibilität. Ihre konträre Ausrichtung dürfte auf die durch die Unklarheiten und Inkonsistenzen des Lockesdien Textes ermöglichte Entfaltung systematisch unterschiedlicher Interpretationsinteressen zurückzuführen sein. In manchen Passagen der Paragraphen 5 und 8 liest sich die Krügerische Darstellung wie eine Lambertinterpretation, mit dem Unterschied allerdings, daß die entsprechenden Lambertschen Texte keinen besonderen Interpretationsoptimismus des Interpreten erfordern.

Dos Basisproblem

58

Spruch in der Bestimmung von axioma tischer Wissenschaft als empirisch fundiert und gleichzeitig apriorisch wird sich i. f. durch die Unterscheidung zweier Erfahrungsbegriffe beheben lassen. Lamberts Klärung des Verhältnisses von Vernunft und Erfahrung oder Rationalismus und Empirismus wird mit Bezug auf die einfachen Begriffe in Kap. 3.2.2.3. dargestellt. Zuvor wenden wir uns einem frühen Lösungsversuch des Basisproblems zu, den Lambert im „Criterium Veritatis" konzipiert hat. 3.2.1.

Der Lösungsansatz der „Criterium Veritatis"

Die Lambertsche Kritik am Cartesischen und am Wölfischen Wahrheitskriterium hat ergeben (vgl. Kap. 3.1.), das Wolff mit der Forderung nach deduktivem Zusammenhang lediglich ein Wahrheitskriterium für die Lehrsätze einer Theorie gibt und daß seine, fälschlich als Extrakt aus der mathematischen Praxis verstandene, Forderung nach (Nominal-)Definitionen für die Lösung des Basisproblems nichts hergibt. Umgekehrt ist das Cartesisdhe Wahrheitskriterium für Lehrsätze auf jeden Fall ungeeignet und muß für Grundsätze auf die problematische Evidenzforderung zurückgreifen — ein Rückgriff, dem Lambert keineswegs ablehnend gegenüberzustehen schien. Im „Criterium Veritatis" unternimmt Lambert jedoch den Versuch, ein Verfahren dafür anzugeben, wann klare und deutliche Vorstellungen und damit Evidenz soll zu recht vorliegen können. Dieser wie auch die späteren Versuche haben den Nachteil, daß in ihnen nicht klar zum Ausdruck kommt, was denn ganz genau das Basisproblem sein soll und warum die vorgeschlagene Lösung eben dieses Problems bereinigen könne. Durch den Rekurs auf klare und deutliche „Vorstellungen", in der philosophischen Tradition bis dahin und auch bei Lambert mit „Begriff" assoziiert, macht Lambert jedoch deutlich, daß er das Basisproblem als die Frage nach der Bedeutung von Begriffen versteht. Der im „Criterium Veritatis" unternommene Versuch, mittels eines Verfahrens über bestimmte ausgezeichnete Begriffe und ihre Bedeutungen zu verfügen, zeigt, daß für Lambert, im Gegensatz zu seinen grundsätzlich positiven Äußerungen über Evidenz (vgl. Kap. 3.1.), das schlichte Beharren auf evidenter Einsicht kein geeigneter, intersubjektiv gültiger, Nachweis der ordnungsgemäßen Herstellung der Theorienbasis ist. Der Grundgedanke des erwähnten Verfahrens besteht darin, die Cartesische Frage nach der Klarheit und Deutlichkeit von Grundsätzen auf Begriffe zu übertragen. Analogon der Wahrheit eines Satzes ist die „Richtigkeit" eines Begriffes, was „eben so viel sagen (will), als einen klaren, deutlichen und net-

Der Lambertsche Lösungsansatz ten Begriff davon (zu) haben"

22

59

. Die Lambertsche Reduktion der Evidenzkri-

terien auf Begriffe findet historische Parallelen weder bei Descartes noch bei Wolff. Sie verdankt sich eher einer Reflexion auf die Praxis der antiken Mathematiker, insbesondere Euklids, und trifft sich in einzelnen Punkten mit den entsprechenden methodologischen Erörterungen bei Aristoteles 2 3 . Das Kategoriengerüst für Begriffe, das nun erforderlich wird, gewinnt Lambert im Anschluß an die entsprechenden Kategorien für Sätze, wiederum insbesondere derjenigen Euklids. E s ergibt sich folgendes Schema 2 4 :

Lehrsätze

{

Grundbegriffe (entsprechend Axiomen) Heischbegriffe (entsprechend Postulaten)

Grundsätze *

Lehrbegriffe

Erfahrungssätze —*•

Erfahrungsbegriffe

Hypothesen

willkürliche Begriffe.

*•

Durch diese Reduktion ist freilich der oben angesprochene Mangel in der genauen Formulierung des Basisproblems bei Lambert noch nicht behoben, da nun offenbleibt, welche Begriffe aus welchem Grund als Grundbegriffe anzusehen sind. E s liegt nahe, die in den Axiomen vorkommenden Begriffe als 22

23

Criterium Veritatis § 3, S. 10. Die „Richtigkeit" eines Begriffes bezieht sich auf das Vorliegen einer festumrissenen Bedeutung. G. Gabriel: Definitionen und Interessen, Kap. 5.2, S. 101 ff. legt eine Rekonstruktion von „klar" und „deutlich" vor, die sowohl den Intentionen der Tradition als audi den systematischen Erfordernissen der neueren Definitionstheorie entspricht. Danach besteht die Klarheit von Prädikatoren in ihrer „Lehr- und Lernbarkeit, sofern sie durch Beschränkung auf die Angabe von Beispielen und Gegenbeispielen erlangt werden kann" (a.a.O., S. 101). M. a. W.: Die Klarheit eines Prädikators ist das Resultat seiner (gelungenen) exemplarischen Einführung. Ein Prädikator Ρ ist „deutlich", wenn für ihn eine sog. Doppelpfeilregel besteht: „χεΡ«£=^ A(x)". Dabei ist „A(x)" eine Konjunktion von Aussageformen: A J ( X ) A • · · Λ A n (x); für die Ai (i = 1 , . . ., n) sollen die Prädikatorenregeln „χεΡ Aj(x) a und „χεΡ 4= A;(x) gelten (vgl. Kamlah/Lorenzen: Logische Propädeutik § 3, S. 82 ff.). Zu „netten" (von frz. „net") Begriffen bemerkt Lambert (Organon, Dianoiologie § 6): „Einen netten Begriff haben, will sagen, sich die Sache durchaus in ihrer natürlichen Ordnung und ohne Einmengung fremder und zur Sache nicht gehöriger Umstände vorstellen können." Die „Nettheit" ist deshalb nicht mehr als eine etwas vage Adäquatheitsforderung. Vgl. Kap. 2. 22, S. 36 ff. Ich vermute allerdings, daß Lambert die einschlägigen Schriften des Aristoteles nicht gelesen hat. Denn sämtliche mir bekannten Verweise auf Aristoteles sind sehr pauschal (vgl. ζ. B. Vorreden zu „Organon" und „Architektonik", Semiotik § 2, Architektonik § 153, 872) oder beziehen sich nicht direkt auf Aristoteles, sondern sind Polemiken gegen den Aristotelismus, ganz im Sinne des neuzeitlichen (ζ. B. Bacon, Galilei) Antiaristotelismus (vgl. ζ. B. Semiotik § 4 f., Architektonik § 161, Criterium Veritatis § 28). Criterium Veritatis § 23. Im Zusammenhang mit dem Basisproblem ist nur die erste der vier Reduktionen von Interesse.

60

Das Basisproblem

Grundbegriffe zu betrachten und die in den Theoremen vorkommenden Begriffe, die nicht Grundbegriffe sind, als Lehrbegriffe. Lambert geht jedoch einen etwas anderen Weg und bestimmt die Begriffe in Analogie zum beweistheoretischen Status der entsprechenden Sätze im deduktiven Zusammenhang einer Theorie: Wie Axiome nicht deduktiv beweisbar sind, so gibt es auch keine, deduktiven Verfahren vergleichbaren, Methoden zur Bedeutungsbestimmung von Grundbegriffen, während es für Lehrbegriffe solche Verfahren gebe und denn auch für sie „ebenfalls eine Art von Beweis" erforderlich sei. Dabei gehe es darum, „jede Lehrbegriffe auf Grundbegriffe zu bringen [Analyse], diese kenntlich zu machen [ ? ] und zu zeigen, wie jene aus diesen entstehen [Synthese]" 25, während Grundbegriffe „solche seyn müssen, die man für sich zugiebt und annimmt." 26 Diese Formulierung könnte den schon früher geäußerten und vorerst zurückgewiesenen Verdacht wieder erneuern, die Bedeutung von Grundbegriffen werde eben doch durch Evidenz statuiert und es komme nur darauf an, zu warten, bis man imstande sei, etwas „für sich" zuzugeben. In diesem Falle wäre in der Tat nicht mehr erreicht als eine Verschiebung des verfahrenslosen Cartesischen Kriteriums von Sätzen auf Begriffe; methodisch wäre nichts gewonnen. Jedoch verweist mein Einschub „[?]" im obigen Zitat bereits darauf, daß es Lambert bei der schlichten Behauptung der Evidenz der Grundbegriffe nicht bewenden lassen will, sondern, was immer das auch heißen mag, ihr „Kenntlich-Machen" fordert. Während die Forderung des Kenntlich-Machens in noch vagem Sinn auf die Bedeutung der Grundbegriffe verweist, deutet die Analyse der Lehrbegriffe auf ein Verfahren zu ihrer Erzeugung und Auswahl hin. Falls dieses Verfahren den an Verfahren überhaupt zu stellenden Ansprüchen genügt, und falls ferner das Kenntlich-Machen auf eine methodische Weise erfolgt, dann kann natürlich von „Evidenz" im strengen, d. h. verfahrenslosen, aller Methode überhobenen, Sinn nicht mehr die Rede sein. Denn Auswahl und Bedeutung der Grundbegriffe sind dann Ergebnis methodisch geordneten, für prinzipiell jeden nachvollziehbaren, Bemühens, nicht aber Feststellung von so etwas wie Evidenzgefühlen. In diesem Abschnitt werden wir uns nur mit dem Analyseverfahren befassen, das Lambert in den späteren Schriften zwar nicht explizit verwirft, jedoch nicht mehr verwendet 27 . Für die Analyse stützt er sich auf die „von

25 a . a . O. § 25, S. 18. 26 a . a. O. 27 Über die Gründe vgl. S. 62 ff.

Der Lambertsche Lösungsansatz

61

Leibniz bereits eingeführte Analysis der Begriffe" 28 . Danach besteht die Analyse darin, einen (Lehr-)Begriff Ρ in seine „Merkmale" Pi zu zerlegen 29 : χε Ρ

χε Pi

χε Ρ =τ· χε Ρ η Dabei ist jedes der Merkmale Pi (i = 1 , . . ,,n) von größerer Allgemeinheit (Extension) 3 0 als Ρ selbst. Setzt man nun im Sinne von Leibniz und Lambert dieses Verfahren fort, indem man zu jedem Pi wiederum dessen Merkmale Pij (j = 1 , . . . , m) aufsucht: χε Pi =£· χε Pii

χε Pi

χε Pi,

und zu den Pij wiederum deren Merkmale Pijk (k = 1, . . r ) usw., so erhält man „Merkmalsbäume" von aufsteigender Allgemeinheit. Die Verzweigung über Pi, Pn hat dann etwa die Gestalt: 'Pin P < e P I Qx. (2) V,. Px A Qx. (3) A * . P x - > - i Qx. (4) Vx.PxA-n Qx. Der Liniendarstellung der syllogistisdien Satzarten legen wir die extensionale Interpretation von Prädikatoren zugrunde. Danach bedeutet ein Prädikator die Klasse der Gegenstände, denen er zugesprochen werden kann. Eine syllogistische Satzart repräsentiert dann die für sie spezifische Relation, in der die Klassen der beiden in ihr auftretenden Prädikatoren zueinander stehen. Betrachten wir ad hoc die Buchstaben r, s, t als Variable für die möglichen Beziehungen der Klassen der beiden Prädikatorenvariablen in den Satzschemata (1) — (4), dann ist ein Syllogismus S eine logische Folgerung der Form: (5) r(P,M), e ( Q , M ) < t ( P , Q ) Genau genommen ist (S) natürlich keine logische Folgerung, sondern das Schema einer logischen Folgerung. Des weiteren sei angemerkt, daß wir (S) so vage formuliert wissen wollen, daß die Relatoren r, s, t über die Reihen120 Die Liniendiagramme werden also, in Leibniz' eigener Terminologie, als eine „ars iudicandi" verwendet, allerdings in einem sehr eingeschränkten Sinne: Das „iudicium" ist schon vorher gefällt worden.

134

Das Deduktionsproblem

folge der Relationsglieder nichts festlegen. Wesentlich soll allein sein, daß ein Syllogismus einen syllogistischen Satztyp mit den Prädikatoren Ρ und Q als logische Folgerung („Konklusion") aus zwei anderen syllogistischen Satztypen mit den Prädikatoren Ρ, Μ bzw. M, Q („Prämissen") liefert. Der Prädikator Μ („Mittelbegriff") tritt dabei in beiden Prämissen auf. In den einzelnen Satztypen sei, wie schon betont, eine beliebige Reihenfolge der Prädikatoren möglich. Entsprechend (1) — (4) unterscheidet die traditionelle Syllogistik: (1.1) a — Urteile: „Alle Ρ sind Q" (PaQ). (2.1) i — Urteile: „Einige Ρ sind Q" (PiQ). (3.1) e — Urteile: „KeinPistQ" (PeQ). (4.1) ο — Urteile: „Einige Ρ sind nicht Q" (PoQ). Wir werden i. f. von der üblichen Sprechweise: „a-Urteile" usw. abweichen und von „a-Sätzen" usw. und von „Prädikatoren" statt von „Begriffen" reden. Außerdem werden wir uns die Verwendung von („)-Zeichen in Phrasen wie „der Prädikator P" bei Ρ schenken. Die Liniendarstellung der syllogistischen Satzarten ist eine geometrischtopologische Repräsentation ihrer extensionalen Interpretation. Dabei werden die Prädikatoren durch parallele unter einander gezeichnete hinten repräsentiert, die spezifische Relation der Prädikatoren zueinander durch die Art und Weise wie die Linien „untereinanderliegen". Bevor wir uns der Präzisierung dieser „Unter"-Relation zuwenden, sei die Liniendarstellung der syllogistischen Satzarten angegeben (vgl. Kap. 4.3.3). 4.4.2.

Die Liniendarstellung der syllogistischen Satzarten

(I) „a-Sätze" — „Alle Ρ sind Q" Die extensionale Interpretation der a-Sätze besagt, daß jedem Gegenstand, dem der Prädikator Ρ zugesprochen werden darf, auch der Prädikator Q zugesprochen wird. D. h. die Klasse von Ρ ist in der Klasse von Q mengentheoretisch enthalten. Für die Liniendarstellung ergeben sich folgende möglichen „Lagen": (*3)

ο Ρ

Ρ (a 2)

q

Q

(a 4)

q

Rekonstruktion der Liniendarstellung der syllogistischen Satzarten

Die zu (a 3) „duale" Lage:

ο

135

ist auszuschließen, da sie, men-

Q _

gentheoretisch gesprochen, erfordert, daß die Klasse von Ρ größer als die Klasse von Q und gleichwohl in ihr enthalten ist. Wir repräsentieren die aus der Form der a-Sätze in ihrer extensionalen Interpretation resultierende Forderung, daß allen Gegenständen, denen Ρ zugeprochen wird, auch Q zugesprochen wird, in der Liniendarstellung dergestalt, daß alle Punkte der Linie Ρ bei einer Liniendarstellung der a-Sätze „unter" der Linie Q liegen. In (al) — (a4) wurden alle Lagen der Linien angeführt, die dieser Forderung genügen. Weitere Lagen, wie etwa die, in (a 2) die P-Linie um die Hälfte verlängert anzunehmen, bringen gegenüber den vorgestellten vier Lagen nichts für die Zwecke der Liniendarstellung und des Linienkalküls (LK) Neues, (a 1) repräsentiert den Fall, daß alle Ρ Q sind, womit der Forderung der Form der a-Sätze entsprochen ist; zusätzlich wird in (a 1) nodi repräsentiert, daß umgekehrt auch alle Q Ρ sind. Denn (man betrachte (a 1) „umgekehrt"!) alle Punkte von Q liegen auch „unter" P. Im übrigen liegen, das sei im Vorgriff auf den nächsten Abschnitt gesagt, auch „einige" P, d. h. wenigstens ein Punkt der Linie P, „unter" Q und umgekehrt. Diese zusätzlichen Lagebestimmungen werden von der Form der a-Sätze nicht ausgeschlossen; in Einzelfällen (mindestens) können sie vorliegen. (a2) erfüllt die Forderung der Form der a-Sätze und repräsentiert zusätzlich noch die durch diese Form nicht ausgeschlossenen Möglichkeiten, daß einige Punkte von Q nicht „unter" Ρ liegen, sowie die in (a 1) ebenfalls vorhandenen Möglichkeiten, daß einige Punkte von Ρ „unter" Q liegen und umgekehrt. Letztere Möglichkeiten werden neben der Forderung der a-Sätze auch in (a 3) und (a 4) repräsentiert, wo Ρ oder Q nur einem einzigen Gegenstand zugesprochen werden können, was wir durch (o) markiert haben. In (a 3) tritt zusätzlich noch die durch die Form nicht ausgeschlossene Möglichkeit, daß einige Q nicht „unter" Ρ liegen, auf. In Zukunft werden wir diese Sonderfälle nicht eigens aufführen, sondern annehmen, daß sich die Linien der Prädikatoren ( ) auch auf einen einzigen Punkt (o) „kontrahieren" können. Den Fall, daß die Prädikatoren „leere" Extensionen haben, soll hier nicht näher untersucht werden (vgl. dazu Kap. 4.6). Wir wollen nun eine wesentliche Vereinfachung der Liniendarstellung betrachten, die uns in Zukunft der Verpflichtung enthebt, wie geschehen, stets alle Lagen der Liniendarstellung einer syllogistischen Satzart herauszuarbeiten. Zuvor sei definiert:

136

Das Deduktionsproblem

1. „Durchgezogene" Linien ( ) und „determinierte" .Punkte (o) bilden den „determinierten" Teil einer Liniendarstellung. 2. „Punktierte" Linien ( ) bilden den „indeterminierten" Teil einer Liniendarstellung. Die Syllogistik ist ein Teil der formalen Logik, d.h. sie hat diejenigen Sätze bzw. Satzschemata anzugeben, die aus der Vorm bestimmter anderer Sätze oder Satzschemata logisch folgen. Wie bereits oben gesagt, fordert die Form der a-Sätze, bezogen auf ihre Liniendarstellung, lediglich, daß alle Punkte von Ρ „unter" Q liegen. Von gewissen, später zu erörternden Implikationen abgesehen, läßt die Form der a-Sätze alle anderen oben genannten Lagen zu, fordert sie aber nicht. Dies gilt analog für die restlichen syllogistischen Urteilsarten. Diese „Minimalforderung" der Form der syllogistischen Satzarten werden wir i. f. jeweils in „Formaldarstellungen" (FD) angeben. Dabei soll die Minimalforderung im determinierten Teil der Darstellung zum Ausdruck kommen. Im indeterminierten Teil sollen alle möglichen, d.h. durch die Form der jeweiligen Satzart nicht ausgeschlossenen, Lagen (indeterminiert) repräsentiert werden. Wenn, wie bei den a-Sätzen, alle Punkte von Ρ „unter" Q liegen müssen, dann ist hier ausgeschlossen, daß audi nur ein Punkt von Ρ nicht „unter" Q liegt. Zur vorläufigen Präzisierung läßt sich sagen, daß die (FD) genau die durch die syllogistischen Satzarten geforderte Form und, wie wir später sehen werden (Kap. 4.4.4), deren logische Implikationen determiniert repräsentieren. Die durch die Form jeweils zugelassenen Lagen sind nur indeterminiert vorhanden. Die unten für die a-Sätze angegebenen (FD) sind, wie auch in den anderen Fällen, nicht alle möglichen (FD), sondern lediglich diejenigen, auf die wir als Elemente des (LK) zurückgreifen werden. Vorgreifend sei schon bemerkt, daß sich die gültigen Schemata des (LK) als (FD) von syllogistischen Satzarten mit den Prädikatoren Ρ und Q herausstellen werden. Wir geben nun zwei (FD) der a-Sätze an: (a) Q Ρ Man prüft leicht, daß jede der in (a 1) — (a 4) vorhandenen Lagen in (a) determiniert oder indeterminiert enthalten ist. Determiniert ist jedoch nur die Minimalform der a-Sätze und ihre logischen Implikationen (vgl. Kap. 4.4.4) enthalten. Für die Elemente des (LK) wird es erforderlich sein, eine

Rekonstruktion der Liniendarstellung der syllogistisdien Satzarten

137

Formaldarstellung (a*) der a-Sätze zu berücksichtigen, die von ersichtlich gleicher repräsentativer Valenz wie (a) ist: (a*)

Q Ρ In (a*) variiert die Lage des determinierten Teils von Ρ gegenüber seiner Lage in (a). Eine solche Variation ist für bestimmte Schemata des (LK) erforderlich. Würde man auf sie verzichten, so würden bei der später zu definierenden „Kombination" von Liniendarstellungen Determinationen auftreten, die die Form der kombinierten Darstellungen nicht hergibt. Solche unzulässigen Determinationen werden durch Variation der jeweiligen (FD) vermieden, ohne zu unberechtigten Einschränkungen zu führen, da es sich ja in jedem Fall um (FD) handelt. (II) „i-Sätze" — „Einige Ρ sind Q" Die extensionale Interpretation der i-Sätze besagt, daß es (wenigstens) einen Gegenstand gibt, dem sowohl Ρ als auch Q zugesprochen werden kann. D. h. die Klassen von Ρ und Q haben einen nicht leeren mengentheoretischen Durchschnitt. Die Form der i-Sätze wird in der Liniendarstelung so repräsentiert, daß (wenigstens) ein determinierter Punkt von Ρ „unter" einem determinierten Punkt von Q liegt. Wir geben hier gleich zwei (FD) an. Durch Determinierung der in den (FD) indeterminierten Teile veranschaulicht man sich leicht alle möglichen Lagen. (i)

^

Q

o Ρ

Ρ

° Ο

Beide (FD) sind wiederum von ersichtlich gleicher repräsentativer Valenz. Eine weitere, erst in Schema (1) von Kap. 4.5.3 benötigte (FD) ist (i**)

...

Q Ρ Obwohl es auf den ersten Blick scheint, hier sei „mehr" repräsentiert als in (i) und (i*), zeigt genaues Hinsehen, daß determiniert nur die Forderung der Form der i-Sätze, wonach (mindestens) ein Punkt von Ρ „unter" Q liegt,

138

Das Deduktionsproblem

repräsentiert ist, denn die durchgezogenen Linien können ja, wie oben bemerkt, auf einen determinierten Punkt kontrahieren. (III) „e-Sätze" — „Kein Ρ ist Q" Die extensionale Interpretation der e-Sätze besagt, daß keinem Gegenstand, dem der Prädikator Ρ zugesprochen werden kann, auch der Prädikator Q zugesprochen werden darf, d. h. die Klassen von Ρ und Q sind disjunkt. Die Repräsentation der e-Sätze in Liniendarstellung erfordert, daß kein Punkt von Ρ „unter" Q liegt. Auch hier wiederum zwei (FD): (e) Q Ρ (e*) Q Ρ In (e*) wurde „zwischen" den beiden Linien ein Sektor freigelassen, um bei Kombinationen unzulässige Determinationen zu vermeiden. (IV) „o-Sätze" — »Einige Ρ sind nicht Q" Die extensionale Interpretation der o-Sätze besagt, daß es (wenigstens) einen Gegenstand gibt, dem zwar P, nicht jedoch Q zugesprochen werden darf, d. h. wenigstens ein Element der Klasse von Ρ ist nicht in der Klasse von Q enthalten. Entsprechend fordert die (FD), daß (wenigstens) ein determinierter Punkt von Ρ nicht „unter" Q, d. h. unter einer „determinierten Leerstelle" (0) liegt. Wir geben wiederum zwei (FD) an: (o) 0 (o*) 0 Q Q ο ο Ρ Ρ Während diese beiden (FD) für die Elemente des (LK) ausreichen, treten bei den Schemata in Kap. 4.5.3. auch andere (FD) auf. Ζ. B. Schema (21): (o**) Q

Rekonstruktion der Liniendarstellung der syllogistisdien Satzarten

139

Hier könnte der erste Augenschein darüber hinwegtäuschen, daß es sich audi bei (o**) um eine (FD) handelt. Aber determiniert ist tatsächlich nicht mehr ausgedrückt, als daß (wenigstens) ein Punkt von Ρ nicht „unter" Q liegt. Das Zeichen (0) soll, wie erwähnt, eine „determiniert leere" Stelle von Ρ bzw. Q bezeichnen. Die (FD) in (III) und (IV) unterscheiden sich von den übrigen (FD) u. a. dadurch, daß es auf einer der beiden Linien determinierte Punkte gibt, die weder „über" noch „unter" einem determinierten oder indeterminierten) Punkt der jeweils anderen liegen dürfen. In (III) liegt gar kein Punkt von Ρ „unter" einem Punkt von Q und umgekehrt. Wir wollen dafür sagen, daß diese (determinierten) Linien einen „determinierten Leerraum" für die jeweils andere induzieren. In den o-(FD) liegt „über" dem einzigen determinierten Punkt von Ρ ebenfalls kein (determinierter oder indeterminierter) Punkt von Q. Wir reden in diesem Falle von einer „determinierten Leerstelle", was wir in der Darstellung durch (0) markiert haben.

4.4.3.

Die „Unter"-Relation der Liniendarstellung

Wir werden in diesem Abschnitt die bisher bereits im Vertrauen auf ihre anschauliche Klarheit verwendete Rede von „über", „unter", „nicht unter" präzisieren. Die Präzisierung erfolgt am Beispiel der jeweils ersten der (FD) in 4.4.2. und gilt für jede (FD) des jeweiligen Typs. (I) Für die „Unter"-Relation der a-Sätze definieren wir: (Ua): U a (P, Q) (in Worten: Alle Punkte von Ρ liegen unter Q) genau dann, wenn sich in jedem determinierten oder indeterminierten Punkt von Ρ eine Senkrechte errichten läßt, die Q in einem determinierten Punkt schneidet:

Ρ Dabei sollen die beiden Senkrechten in den Endpunkten von Ρ andeuten, daß auch in allen Zwischenpunkten Senkrechte der definierten Art existieren. Die Pfeilspitzen sollen darauf hinweisen, daß die Fußpunkte der Senkrechten auf Ρ liegen, eine Einschränkung, die sich später als überflüssig erweisen wird. (II) Für die „Unter"-Relation der i-Sätze definieren wir: (Ui): Ui (P, Q) (in Worten: Wenigstens ein determinierter Punkt von Ρ

Das Deduktionsproblem

140

liegt unter einem determinierten Punkt von Q) genau dann, wenn sich wenigstens in einem determinierten Punkt von Ρ eine Senkrechte errichten läßt, die Q in einem determinierten Punkt schneidet: et

Q ο Ρ (III) Für die „Unter"-Relation der e-Sätze definieren wir: (Ue): Ue (P, Q) (in Worten: Kein Punkt von Ρ liegt unter Q) genau dann, wenn jede in einem (determinierten oder indeterminierten) Punkt von Ρ errichtete Senkrechte Q weder in einem determinierten noch in einem indeterminierten Punkt schneidet:

Q Ρ (IV) Für die „Unter"-Relation der o-Sätze wird definiert: (U 0 ): Uo (P,Q) (in Worten: Mindestens ein determinierter Punkt von Ρ liegt weder unter einem determinierten noch unter einem indeterminierten Punkt von Q) genau dann, wenn sich in einem determinierten Punkt von Ρ eine Senkrechte errichten läßt, die Q weder in einem determinierten noch in einem indeterminierten Punkt schneidet: ο

Q Q Ρ 4.4.4.

Konverse und implizierte Relationen

Bevor wir aus diesen Definitionen und den zugehörigen Liniendarstellungen weitere Folgerungen ziehen, seien einige Definitionen vorausgeschickt. Wir haben in diesem Abschnitt U(P, Q)-Relationen definiert. Dabei wurden die Fußpunkte der Senkrechten stets in Ρ angenommen. Die Schnittpunkte bzw. Nicht-Schnittpunkte wurden bezüglich Q betrachtet. Falls wir umgekehrt vorgehen und die Fußpunkte auf Q und etwaige Schnittpunkte mit Ρ betrachten, dann erhalten wir die zu U(P, Q) konversen Relationen U(Q, P). Man kann sich dies in den obigen Darstellungen etwa dadurch veranschau-

Rekonstruktion der Liniendarstellung der syllogistisdien Satzarten

141

liehen, daß man die Buchstaben Ρ und Q an den Linien vertauscht. Wir definieren die konversen Relationen Ü(P, Q) wie üblich: Definitionen: Ü a (P,Q) ^ U a ( Q , P ) Üi(P,Q) ^ U i ( Q , P ) Ü.(P,Q) ^ U e ( Q , P ) Üo(P,Q) Uo(Q,P) Im Sinne dieser Definitionen wollen wir die Darstellungen in Kap. 4.4.3 noch einmal untersuchen. Dabei legen wir die Richtigkeit von Ü ( P , Q ) = U(P,Q) zugrunde. Es mag bereits aufgefallen sein, daß in einigen Darstellungen aus 4.4.3 nicht nur die jeweils definierte U-Relation, sondern noch weitere Relationen vorliegen. Da es sich bei diesen Darstellungen um (FD) handelt, können wir sagen, daß diese weiteren Relationen in jedem Falle mit der jeweils definierten gegeben sind, m. a. W . daß die jeweils definierte die stets außerdem mit ihr zusammen noch vorliegenden logisch impliziert. Den Beweis für letztere Behauptung werden wir uns sparen, da die Sachlage hinreichend bekannt ist. Wir werden nur anhand der einzelnen Darstellungen auf die stets noch mitgebenen Relationen hinweisen. Die Prüfung von (I) aus 4.4.3

Ρ ergibt, daß hier neben U a (P, Q) außerdem noch Ui(P, Q) und Üi(P, Q) vorliegen. Letzteren Fall, wo eine U-Relation und ihre Konverse in einer Darstellung auftreten, repräsentieren wir durch einen „Doppelpfeil". Dies soll andeuten, daß der Fußpunkt der Senkrechten auf jeder der beiden Linien liegen kann. Weitere Relationen liegen, wie man sich anhand der Definitionen überzeugt, nicht vor. Wir formulieren: Satzl: U a ( P , Q ) < U i ( P , Q ) Satz 2: U . ( P , Q ) - < Ü i ( P , Q ) Der im zweiten Satz ausgedrückte Sachverhalt wird von der Tradition als „conversio per accidens" bezeichnet, der des ersten als „schwacher Syllogismus". Die Prüfung von (II) aus 4.4.3 Λ. (I Q (> .

V ψ

142

Das Deduktionsproblem

ergibt, daß mit Ui(P, Q) audi stets Üi(P, Q) vorliegt, d. h. daß die Relation Ui symmetrisch ist. Die Tradition spricht von „conversio simplex". Wir formulieren wiederum als Satz: Satz 3: U i ( P , Q ) < Ü i ( P , Q )

Weitere Relationen liegen hier nicht vor. Die Prüfung von ( I I I ) aus 4.4.3.

•v

ergibt, daß mit U e (P, Q) auch stets O e ( P , Q ) gilt, d. h. daß auch U e eine symmetrische Relation ist. Ferner gilt stets U 0 ( P , Q ) und 0 o ( P , Q ) . Wir formulieren wieder in Sätzen: Satz 4: U e (P, Q) -(.. Ü e (P, Q) („conversio simplex") Satz 5: U e ( P , Q ) - < U„(P,Q) („schwacher Syllogismus") Satz 6: U e (P,Q) C 0 0 ( P , Q ) („conversio per accidens") Weitere Relationen liegen nicht vor. In (IV) tritt außer U 0 keine weitere U- oder Ü-Relation auf. Satz l und Satz 5 weisen auf einen Sachverhalt hin, den, wie bemerkt, die Tradition mit „schwacher Syllogismus" bezeichnet hat. Damit ist gemeint: Wenn pi und p2 Prämissen eines Syllogismus mit einer Ua- bzw. Ue-Konklusion sind, dann sind pi und p2 auch Prämissen eines Syllogismus mit der entsprechenden Uibzw. Uo-Konklusion. Die Sätze ( l ) — (6) gelten auch für die entsprechenden Ü-Relationen. Dabei ist die Beziehung 0 = U zu beachten. So erhält man ζ. B. Satz 6': Ü e (P, Q) < U 0 ( P , Q). Wenn im folgenden die obigen Sätze für Ü-Relationen verwendet werden, wird dies durch einen (') neben der Nummer des Satzes kenntlich gemacht. Daß die Liniendarstellung auf „natürliche" Weise auch konverse Relationen liefert, erhellt daraus, daß nichts daran hindert zu prüfen, welche Senkrechten des U-Typs mit Fußpunkt in Q existieren. Dafür sind lediglich die Definitionen (U a ) — (U 0 ) durch entsprechende Definitionen (O a ) — (Ü 0 ) zu ergänzen. Auf den (LK) vorgreifend, bedeutet dies, daß dieser, über die traditionelle Syllogistik hinaus, auch Syllogismen mit konversen Konklusionen abzuleiten gestattet.

Rekonstruktion der Liniendarstellung der syllogistisdien Satzarten

4.4.5.

143

Syllogismen in Liniendarstellung

Nachdem wir die Liniendarstellung syllogistisdier Satzarten vorgestellt haben, liegt die Liniendarstellung von Syllogismen auf der Hand: Es gilt, eine „Kombination" der (FD) der Prämissen zu konstruieren, wobei, wie schon öfter betont, alles an der geeigneten Auswahl der jeweiligen (FD) der Prämissen hängt. Ohne die Regeln des (LK) hier schon anzuwenden, sei an einem unproblematischen Beispiel illustriert, was mit der Kombination gemeint ist: Seien (in etwas nachlässiger Redeweise) U a (M,P) und U a (M, Q) die (FD) der Prämissen. Wir kombinieren sie so, daß wir sie an der Linie Μ „zusammenhängen": Ρ Μ

Q Bezüglich Ρ und Q, und das soll ja herausgefunden werden, besteht die Relation Ü a (P,Q), da jede in einem beliebigen Punkte von Q errichtete Senkrechte einen determinierten Schnittpunkt mit Ρ hat. Ferner liegen, wie man sich leicht überzeugt, die Relation Ui und deren (symmetrische) Konverse vor. Das obige Schema liefert also eine (P, Q) — Formaldarstellung. Dies bedeutet, daß das Verhältnis zwischen Ρ und Q dem einer syllogistischen Satzart entspricht, was wiederum nichts anderes heißt, als daß der entsprechende Syllogismus einen gültigen, wenn auch, wegen der konversen Form der Konklusion, nicht traditionell gültigen, Schluß liefert. An dieser Stelle können wir die vorläufige Bestimmung des Prädikators „Formaldarstellung" (S. 136) zu einer Definition verschärfen: Definition: Eine Liniendarstellung einer syllogistischen Satzart heiße Formaldarstellung (FD) genau dann, wenn eine der in 4.4.3 definierten U- bzw. Ü-Relationen vorliegt, die die Sätze 1—6 bzw. 1'—6' erfüllt. Wir werden diese Definition in 4.5.2 als Gültigkeitskriterium für Schemata des (LK) verwenden.

144

Das Deduktionsproblem

4.5.

Rekonstruktion des Linienkalküls (LK) 4.5.1.

Kalküle

In Kap. 4.3.5 wurde das Lambertsche Verfahren der Liniendiagramme als ein der Intention nach generelles Verfahren zur Lösung des zentralen Problems der Syllogistik, nämlich der Angabe der gültigen Syllogismen, vorgestellt. Solche generellen Problemlösungsverfahren haben in der Mathematik 121 eine lange Geschichte und werden dort zumeist als „Algorithmen" oder als „Kalküle" bezeichnet. Unter einem algorithmischen Verfahren oder Kalkül wird „stets ein Prozeß verstanden, dessen Ausführung bis in die kleinsten Einzelheiten hin eindeutig vorgeschrieben ist" 122. Kalküle sind keineswegs allein auf Mathematik oder Logik beschränkt. Allgemein sind Kalküle schematische Verfahren zur Herstellung von „Figuren". Für ein solches schematisches Verfahren ist nicht mehr erforderlich als: 1. Gewisse unterscheidbare Dinge, wie z.B. Bauklötzchen, Strichkonfigurationen, Buchstaben oder überhaupt unterscheidbare Zeichen. Es können aber als solche unterscheidbaren Dinge, die häufig „Atome" eines Kalküls genannt werden, auch die Zahnräder einer Tischrechenmaschine oder elektrische Impulse angenommen werden. Im Fall des (LK) sind die Atome bestimmte parallele Konfigurationen zweier Geraden oder Linien. 2. Gewisse Konfigurationen von Atomen, die im Grenzfall auch aus einem einzigen Atom bestehen können, werden als „Anfänge" des Kalküls ausgezeichnet und als Regeln formuliert. Regeln haben hier die Form: „Man beginne mit dem und dem!" 3. Regeln („Kalkülregeln"), die die Herstellung neuer Konfigurationen leiten. Für die Formulierung der Kalkülregeln sind schließlich 4. Variable zur Bezeichnung bereits regelgerecht hergestellter Kalkülfiguren erforderlich. Im einfachsten Fall besteht ein Kalkül aus nur einem Atom, einer An-

121

Man denke etwa an den sog. Euklidischen Algorithmus zur Auffindung des größten gemeinsamen Teilers zweier nataürlidier Zahlen. 122 H. Hermes: Aufzählbarkeit, Entscheidbarkeit, Berechenbarkeit. Berlin 2 1971, S. 1. Man vgl. ferner: P. Lorenzen: Protologik. Ein Beitrag zum Begründungsproblem der Logik, in: Kant-Studien, Bd. 47 (1955/56), S. 350—358; wiederabgedruckt in: P. Lorenzen: Methodisches Denken, Frankfurt 1968, S. 81—93; ferner: P. Lorenzen: Einführung in die operative Logik und Mathematik, Berlin 2 1969, §§ 2—5.

145

Rekonstruktion des Linienkalküls (LK)

fangsregel, einer Kalkülregel und einer Variablen123. Der Linienkalkül (LK) gehört zu den als „logische Diagramme" bezeichneten Kalkülen. Das Wort „Diagramm" soll in diesem Zusammenhang andeuten, daß es sich um ein im wesentlichen geometrisch-topologisches Verfahren handelt. Logische Diagramme stehen damit in Analogie zur maschinellen Behandlung logischer Probleme 124. Folgende Anforderungen werden an den Linienkalkül gestellt: 1. Der (LK) muß alle 64 syllogistischen Liniendiagramme

erzeugen.

2. Der (LK) muß ein Entscheidungsverfahren für gültige Diagramme liefern. 3. Die gültigen Diagramme sollen gültige Syllogismen darstellen. 4. Alle gültigen syllogistischen Schlüsse sollen in gültigen Diagrammen dar-

stellbar sein. Die dritte Forderung entspricht der nach einem „korrekten" Kalkül. Korrekte Kalküle werden üblicherweise als „Logikkalküle" bezeichnet. Die vierte Forderung entspricht der „Vollständigkeit" von Kalkülen. Die Forderungen 3 und 4 lassen sich zu der Forderung zusammenziehen, daß den gültigen Diagrammen des (LK) genau die gültigen Syllogismen entsprechen. 4.5.2.

Elemente und Regeln des (LK)

Es ist zu beachten, daß der (LK) ein Logikkalkül sui generis ist: Während die Kalkülregeln von Logikkalkülen üblicherweise125 dadurch ausgezeichnet sind, daß sie ableitbare Figuren oder Ausdrücke in ableitbare Figuren oder Ausdrücke überführen, liegen die Dinge beim (LK) anders. Die Regeln des (LK) wirken sozusagen eine Stufe früher. Ihre Anwendung gestaltet die Bildung von sog. Schemata oder Figuren (vgl. S. 148) des (LK). Unter diesen Schemata werden sodann mittels des S. 143 angedeuteten und S. 149 formulierten formalen Gültigkeitskriteriums (G) die gültigen Schemata aus123 Dies ist zum Beispiel im Lorenzenschen „Stridikalkül" zur Erzeugung der natürlichen Zahlen der Fall: Atom: / Variable: η Anfangsregel: / Kalkülregel: η η / 124 Vgl. Μ. Gardner: Logic Machines, Diagrams and Boolean Algebra. New York 21968, bes. S. IX, 28 f. Den theoretischen Hintergrund der Überlegungen zu Logikmaschinen bildet die Theorie der Rekursivität und der Turing-Maschinen. Die mit diesen Theorien zusammenhängenden Probleme treten im (LK) jedoch nur in trivialer Form auf, da der (LK) nicht nur ein endliches, sondern zudem noch ein einigermaßen überschaubares Gebilde ist. 125 Vgl. ζ. Β. H. Hermes: Einführung in die mathematische Logik. Stuttgart 1963, S. 83 ff.

146

Das Deduktionsproblem

gezeichnet. Die so erreichten gültigen Schemata entsprechen erst den ableitbaren Figuren üblicher Logikkalküle. Während die üblichen Logikkalküle als „Ableitungskalküle" bezeichnet werden, entspricht der (LK) in gewisser Hinsicht den sog. Ausdruckskalkülen126, insofern hier mittels der Kalkülregeln und des Gültigkeitskriteriums gültige „Ausdrücke" erst gebildet werden. Entsprechend handelt es sich bei den „Atomen" des (LK) nicht schon um in irgendeiner Weise als „gültig" ausgezeichnete Gebilde („Ableitungsatome"), aus denen mittels der Regeln andere, ebenfalls gültige Gebilde abgeleitet werden, sondern um Atome, die zwar „geeignet" sein müssen, bei denen die Frage der Gültigkeit sich aber noch nicht stellt („Ausdrucksatome"). Dies ist, anhand des Kriteriums (G), erst dann der Fall, wenn sie regelgerecht in gewisse Konfigurationen (Schemata) gebracht wurden. Beim (LK) ist, wie sich bereits angedeutet hat, das schematische Operieren von etwas diffizilerer Art als etwa das Aneinanderreihen von Bauklötzen. Gleichwohl wird auch im (LK) der Rahmen schematischen Operierens nicht überschritten. Wir geben i. f. eine in zwei Gruppen geteilte Liste von „Atomen" oder „Elementen" des (LK). Man wird darin unschwer Formaldarstellungen der syllogistischen Satzarten (vgl. Kapitel 4.4.2) wiedererkennen. Die Zahl von 16 Elementen ergibt sich daraus, daß wir, den Prämissen eines Syllogismus entsprechend, für jede Satzart (P,M)- und (Q,M)- wie auch (Μ, P)- und (M, Q)-Formaldarstellungen zu betrachten haben. Jede Satzart erfordert somit eine Repräsentation in 4 Elementen. Besonders wichtig ist, worauf schon mehrfach hingewiesen wurde, die (FD) der einzelnen Satzarten in den Elementen des (LK) zu variieren. Wir werden an geeigneten Stellen auf die Notwendigkeit dieser Variation hinweisen. Zur Form der Elemente ist zu bemerken, daß die M-Linien aus genau 8 Schreibmaschinenanschlägen (-) oder (o), falls sie determiniert, und (.), falls sie indeterminiert sind, bestehen. Dies ist eine zweckmäßige, wenn audi nicht notwendige Voraussetzung ihrer problemlosen Kombination. Bis auf die Elemente (7), (8), (15), (16) bestehen auch die P- und Q-Linien aus 8 Anschlägen.

126 Hermes a. a. O. S. 53.

Rekonstruktion des Linienkalküls (LK)

Liste der Elemente des (LK): Gruppe

Ρ

Gruppe

(1 )

(9) p Μ

' ' ' '

Q

-Q M~

(2 ) Μ

(10)

- Μ

Ρ

Q

(3)

ο

(11)

Ρ

ο Q

ο

ο

Μ

Μ

(4) ο

(12)

Μ ο Ρ

ο Μ ο Q

(5 ) Ρ Μ

(13)

Q Μ

(6) Μ Ρ

(14)



(7)

0 Ρ ο

Q (15) 0 . . Q

Μ (8)

Μ 0

Μ

(16)

ο Μ

148

Das Deduktionsproblem

Als Schema oder Figur des (LK) soll jede Kombination eines Elements der Gruppe Ρ mit einem Element der Gruppe Q angesehen werden, die den unten folgenden Regeln (Rl) — (R4) genügt. Auf die Reihenfolge in der Kombination kommt es dabei nicht an. Es ist ja für die Existenz von (P, Q)-Formaldarstellungen ohne Belang, wie weit die Linien auseinanderliegen, da unabhängig davon die definierenden Senkrechten existieren oder nicht existieren. Sofern es also auf die Reihenfolge nicht ankommt, haben wir genau 8 · 8 = 64 Figuren oder Schemata des (LK) zu bilden und zu untersuchen. Für die Konstruktion dieser Schemata gelten folgende Regeln: (Rl) Die Konstruktion eines Schemas des (LK) erfolgt durch Kombination je eines Elements der Gruppe Ρ mit je einem Element der Gruppe Q. Die Kombination wird so vorgenommen, daß, beginnend mit dem ersten linken determinierten oder indeterminierten Punkt, die M-Linien zur Deckung gebracht werden. Dabei gelten folgende Bestimmungen: (Rl.l) Determinierte Teile, die mit indeterminierten zusammenfallen und umgekehrt, werden indeterminiert. (R1.2) Fallen indeterminierte Teile zusammen, so bleibt die Kombination indeterminiert. (R1.3) Fallen gleichartige determinierte Teile zusammen, so ist die Kombination von dieser Art, sonst (o). (R2) Die in den Elementen angegebene Lage der P- bzw. Q-Linien über bzw. unter den M-Linien ist in der Kombination beizubehalten. Ist die erste Lage über einer M-Linie bereits durch die P-Linie „besetzt" und erfordert das entsprechende Element der Gruppe Q für Q ebenfalls eine Lage über M, so werde die Q-Iinie in die nächste „freie" Lage über Μ gelegt. Für „unter" entsprechend. (R3) Liegen nach der Kombination P- und Q-Linien mit mindestens einem durchgezogenen determinierten Teil vollständig über- bzw. untereinander, so sind beide um einen indeterminierten Teil (...) zu verlängern. Die Verlängerung entfällt, falls Element (2) oder Element (10) in das Schema eingehen (vgl. R4.2) oder eine Einschränkung entsprechend (R4.1) vorliegt. (R4) Nach der Kombination sind die P- und Q-Linien jeweils bis zu den Enden des Schemas indeterminiert zu verlängern. Dabei gelten folgende Einschränkungen: (R4.1) In den Atomen (5) — (7) haben die P-Linien, in den Atomen (13) — (15) haben die Q-Linien determiniert leere Räume bzw. Stellen über dem determinierten Teil von M.

Rekonstruktion des Linienkalküls (LK)

149

Sie dürfen deshalb in diese determiniert leeren Teile nicht verlängert werden. (R4.2) Ρ bzw. Q in den Atomen (2) bzw. (10) dürfen nicht über Μ hinaus verlängert werden. Die Adäquatheit dieser Regeln ist leicht einzusehen. (Rl) besagt, daß sich Kombinieren wie logisches Schließen nach dem „schwächsten Glied" richten, d. h. nach dem indeterminierten Teil. (R2) wurde der einheitlichen Darstellung halber mit hineingenommen. Man könnte, wenn ζ. B. der Platz über Μ besetzt ist, auch einfach unter Μ antragen, da dies für die (P, Q)-Formaldarstellung, die ja durch Senkrechten definiert ist, belanglos ist. Die Adäquatkeit von (R3) und (R4.2) ergibt sich daraus, daß es gegen die in die beiden Elemente eingehende Minimalforderung der Form der a-Sätze verstieße, wenn zugelassen würde, daß Punkte von Ρ bzw. Q auch nicht unter Μ liegen dürften. Entsprechendes gilt für (R4.1) im Blick auf die Minimalforderungen der Form der e- bzw. o-Sätze. Zum ersten Teil von (R3) ist anzumerken, daß der Verzicht darauf eine durch die Form der Prämissen nicht gedeckte Determination bringen würde. Wir werden im nächsten Abschnitt gelegentlich anhand von Beispielen auf die Adäquatheit dieser Regeln hinweisen. Wir definieren nun, was ein „gültiges" Schema des (LK) ist: (G) Ein Schema des (LK) heiße gültig genau dann, wenn es nach den Regeln (Rl) — (R4) konstruiert wurde und für die Linien Ρ und Q eine (P, Q)-Formaldarstellung liefert. Es liegt dann genau eine der in 4.4.3 definierten U- bzw. Ü-Relationen mit ihren in 4.44 angegebenen jeweiligen Implikationen vor. Wir werden (G) im folgenden Abschnitt als Kriterium für die Gültigkeit von Schemata des (LK) verwenden. Wir fügen ferner, um uns im nächsten Abschnitt die Arbeit wesentlich zu erleichtern, noch 4 zulässige Regeln (ZR) ein. Allgemein heißen Regeln in einem Kalkül „zulässig", wenn ihre Hinzufügung zu den Grundregeln des Kalküls „die Klasse der ableitbaren Aussagen nicht echt erweitert" 127 . In unserem Falle heißt dies, daß die (ZR) die Klasse der gültigen Schemata nicht echt erweitern dürfen. 127

P. Lorenzen: Einführung in die operative Logik und Mathematik, S. 19. Die Bezeichnung dieser Regeln als „zulässig" steht nur in lockerer Analogie zu der üblichen Verwendung. Dies hat seinen Grund darin, daß die gültigen Schemata des (LK) nicht durch die Regeln (Rl) — (R4), sondern durch das Gültigkeitskriterium (G) definiert werden. Die zulässigen Regeln des (LK) ersparen also in anderem Sinne als bei den üblichen Logikkalkülen die Anwendung der Regeln (Rl) — (R4) einschließlich des Gültigkeitskriteriums.

150

Das Deduktionsproblem

(ZR)

Von der Gültigkeit bzw. Ungültigkeit eines Schemas S des (LK), in das das im Vorderglied der Regelpfeile bezeichnete Element eingeht, darf man zur Gültigkeit bzw. Ungültigkeit des Schemas S* übergehen, das sich von S dadurch unterscheidet, daß statt des im Vorderglied angegebenen das im Hinterglied bezeichnete Element eingeht. (ZR1): (3)=» (4) (ZR2): (11) =»(12) (ZR3): (5)=» (6) (ZR4): (13) =>(14) So darf man gemäß (ZR) ζ. B. von der Gültigkeit des Schemas, das durch Kombination der Elemente (1) und (13) entsteht, zur Gültigkeit des Schemas, das durch Kombination der Elemente (1) und (14) entsteht, übergehen. Ferner von der Ungültigkeit von (2) kombiniert mit (11) zur Ungültigkeit von (2) kombiniert mit (12). Die Zulässigkeit der (ZR) ist leicht einzusehen. Die Regeln beziehen sich sämtlich auf Elemente, die als (FD) einer syllogistischen Satzart durch eine symmetrische U- bzw. Ü-Relation definiert sind. Im Vorderglied der Regelpfeile stehen die Relationen, im Hinterglied ihre jeweiligen Konversen. Da aber in der Liniendarstellung mit einer symmetrischen Relation auch stets ihre Konverse mitrepräsentiert ist, falls es sich um eine (FD) handelt, ist das jeweilige Schema S* in S bereits mitrepräsentiert. Wir können also das bei der Untersuchung von S gewonnene Ergebnis für S* übernehmen. Die Klasse der gültigen Schemata wird dabei ersichtlich nicht erweitert. Im folgenden sollen, wenn von „U-Relationen" die Rede ist, stets auch die Ü-Relationen mitgemeint sein. 4.5.3.

Die gültigen Schemata des (LK)

Wir werden in diesem Abschnitt die gültigen Schemata des (LK) konstruieren. Dies wird darin bestehen, für jedes der 64 Schemata zu prüfen, ob es dem Kriterium (G) (S. 149) genügt. Bei der Ausweisung der Resultate werden wir meistens darauf verzichten, bei symmetrischen Relationen die dann ja stets auch vorliegenden Konversen anzugeben. Dabei kommt es, im Sinne der S. 145 angeführten Forderung (3), darauf an nachzuweisen, daß jedem gültigen Schema des (LK) eine logische Folgerung, d.h. ein gültiger Syllogismus, entspricht; damit ist die Korrektheit von (LK) nachgewiesen. (LK) kann dann im üblichen Sinne als ein „Logikkalkül" bezeichnet werden.

Rekonstruktion des Linienkalküls (LK)

151

Für einen genauen Beweis der Korrektheit wäre es allerdings erforderlich, zuvor zu definieren, was eine gültige syllogistisdie Folgerung oder ein gültiger Syllogismus sein soll; auf der Basis dieser Definition wären sodann alle gültigen Syllogismen anzugeben. „Korrektheit" des (LK) bedeutete dann, daß jedem gültigen Schema des (LK) ein so definierter gültiger Syllogismus entspräche. Wir wollen hier jedoch auf die Definition des gültigen Syllogismus und auf die Auflistung der wohlbekannten gültigen Syllogismen verzichten, da dies in der Literatur leicht zu finden ist128. Die Kombination der Elemente werden wir i. f. durch (k) symbolisieren. (1) lk9: . . . Q Ρ Μ Man beachte hier insbesondere die Anwendung von (R3), da nach der Kombination durchgezogene P- und Q-Linien vollständig übereinanderliegen. Die Adäquatheit von (R3) erhellt daraus, daß, wenn alle Punkte von Μ unter Ρ und unter Q liegen, noch längst nicht bestimmt ist, daß Ρ und Q determiniert gleichlang sind. Im übrigen liefert (1) für Ρ und Q, bei Beachtung des oben angekündigten Verzichts auf die Angabe der Konversen symmetrischer Relationen, genau die Relation Ui. Es liegt also eine (P, Q)-Formaldarstellung vor, womit (G) erfüllt ist. Dem entspricht ein mit Ρ und Q gebildeter i-Satz als syllogistisdie Konklusion. Die zugehörige traditionelle Schlußweise („Modus") ist „Darapti". (2) lklO: Ρ Μ Q Hier liegen folgende Relationen vor: Ü a (P,Q), Üi(P,Q), Ui(P,Q). Nach Satz 1' gilt: Ü a (P,Q) < Üi(P,Q). Nach Satz 2'gilt: Ü a (P,Q) - Qx. Im vorigen Beispiel beschränkten wir uns nach der Gleichheitsdefinition, die sich auch hier leicht als Definition einer Äquivalenzrelation nachweisen läßt, auf Aussagen, die bezüglich Gleichheit zwischen Brüchen „invariant" sind. D.h. wir beschränken uns auf solche Aussagen 21 über gleiche ( = B) Brüche x, y, für die gilt: (*) x = B y Aussagen 21, die die Bedingung (*) erfüllen, heißen „invariant bezüglich 6 P. Lorenzen, a. a. O. $ 3, S. 20 ff.

Abstraktion und Klasse

171

( = b ) " . Auch jetzt wollen wir uns auf invariante Aussagen 21 über die betrachteten Objekte, nämlich extensional gleiche ( = a f ) Aussageformen P, Q beschränken. Diese („Meta"-) Aussagen 21 beziehen sich also auf „objektsprachliche" Äquivalenzrelationen zwischen Aussageformen. Ihre Invarianz bedeutet das Vorliegen der Bedingung ( * * ) Px = a f Qx 21 (Px) * 21 (Qx) Bei diesen Aussagen handelt es sich wiederum um Aussagen über ein abstraktes Objekt. Wie wir vorhin den abstrakten Gegenstand „rationale Zahl x" nannten, so werden wir auch hier eine Bezeichnung für den im Abstraktionsverfahren konstruierten abstrakten Gegenstand einführen: das durch den Ausdrude „die Aussageform Px und alle mit ihr gleichen Aussageformen" definierte abstrakte Objekt soll kurz die „Klasse von P" oder: „die Menge P" 7 heißen. Hierfür verwendet man die auf Frege zurückgehende symbolische Schreibweise: € x Px die gelesen werden sollte als: „die Klasse der χ (abstrahiert) aus Px". Wir können nun zwanglos definieren, was es heißt, daß ein Gegenstand c ein „Element" (e) der Klasse £*Px sein soll: ce €χΡχ % Pc Die Negation der Relation (e) werde wie üblich durch das Zeichen ( φ) ausgedrückt. Für die Frage, was wir uns unter einem mit dem Abstraktor „Klasse" gebildeten abstrakten Gegenstand vorzustellen haben, sei nochmals auf das bei Gelegenheit der Einführung des Abstraktors „rationale Zahl" Gesagte verwiesen. Ein ebenso verbreiteter wie naheliegender Irrtum 8 , der nicht beachtet, daß von in der geschilderten Weise abstrakten Objekten die Rede ist, besteht darin, das Symbol €*Px und damit das abstrakte Objekt „Klasse von P" zu verstehen als „diejenigen Gegenstände x, für die Px gilt". Dieser 7

8

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß wir „Menge" und „Klasse" synonym verwenden. Auf diesem Irrtum beruht im wesentlichen die makabre Idee, in der Grundschule bereits Mengenlehre zu treiben. Man mag darüber spekulieren, ob dieses Konzept aus der Unkenntnis der an seiner Einführung Beteiligten resultiert, oder ob man eine Zweiteilung der Disziplin, analog etwa derjenigen von Universitäts- und Gemeindetheologie, im Auge hat. Der Vergleich zwischen Theologie und Mengenlehre hinkt im übrigen keineswegs so, wie man zunächst meinen möchte: die Mengenlehre ist von Seiten mandier Mathematiker mit theologischen Metaphern besetzt. Vgl. dazu F. Kambartel: Erfahrung und Struktur, S. 223 ff., bes. zu Hilbert a. a. 0 . S. 227.

172

Möglichkeiten und Grenzen logischer Diagramme

„naiven" 9 Auffassung zufolge sind Klassen nichts anderes als Kollektionen oder Zusammenfassungen von Gegenständen und demnach Aussagen über Klassen Aussagen über Gegenstände, aus denen die Klassen jeweils bestehen. Diese „kollektive" Auffassung hat in dem uns interessierenden Zusammenhang vor allem mit zwei Problemen zu kämpfen: Erstens: was ist unter der leeren Klasse ( 0 ) zu verstehen? Zweitens worin besteht der Unterschied einer Klasse von den in ihr enthaltenen Elementen? Zum Ersten: Bei der vorgestellten abstraktiven Auffassung von „Klasse" liegt die Definition der leeren Menge auf der Hand: Bezeichnen wir mit Fx eine Aussageform, die für jede Ersetzung von χ zu einer falschen Aussage wird, so können wir definieren: 0%€*Fx D. h. es gibt kein c mit Fe als einer wahren Aussage. Wir können diesen Sachverhalt auch so formulieren: Die leere Klasse ( 0 ) hat keine Elemente. Falls man die Kollektionsauffassung von „Klasse" im Auge hat, stellt sidi die Frage, was man sich unter einer leeren Klasse vorzustellen habe. Elemente können es nicht sein, denn die leere Klasse hat auch nach dieser Auffassung per definitionem keine. Strengen wir uns nun an, uns nichts vorzustellen, dann gehen wir auch fehl, da wir uns ja die leere Klasse vorzustellen haben, die, was immer sie sein mag, allenfalls metaphorisch „nichts" ist. Wir befinden uns in einer Situation, die Frege mit treffender Ironie so gekennzeichnet hat: „Wenn wir sämtliche Bäume eines Waldes verbrennen, so verbrennen wir damit den Wald. Eine leere Klasse kann es [sei. nach der Kollektionsauffassung von „Klasse" ] nicht geben" 10. Andererseits wird auch in der naiven Betrachtungsweise von der leeren Klasse gesprochen. Und Freges Bemerkung, es könne in der naiven Interpretation keine leere Klasse geben, ist so zu verstehen, daß das naive Verständnis von „leere Klasse" an das naive Verständnis von „Klasse" nicht anzuschließen ist: der Wald ist eben verbrannt. Wenn Klassen dadurch gekennzeichnet sein sollen, daß irgendwelche Objekte „zusammengefaßt" werden, dann gibt es bei der leeren Klasse nichts zusammenzufassen, weil keine Objekte da sind. Man muß sidh fragen, wie man unter solchen Umständen noch von einer „Klasse" soll reden können. Andererseits scheint der unvermeidliche Bruch in der naiven 9 Die Kennzeichnung dieser Auffassung als „naiv" wird von Mengentheoretikern keineswegs als abwertend empfunden. Die korrekte Bezeichnung der entsprechenden Disziplin lautet: Naive Mengenlehre. Man vgl. ζ. B. das gleichnamige Lehrbuch von P. R. Haimos, Göttingen, 2 1969. G. Frege: Kritische Beleuchtung, a. a. O. S. 95.

Abstraktion und Klasse

173

Auffassung inhaltlich nicht weiter problematisch zu sein, da ja, auch nach der abstrakten Auffassung zu recht, gesagt wird, daß die leere Klasse keine Elemente enthält. 5.3.

Diagramme und Klasse

Wir sind nun in der Lage, die eingangs dieses Kapitels angesprochene Mißlichkeit logischer Diagramme näher ins Auge zu fassen. Bei der abstraktiven Entwicklung des KlassenbegrifEs ist deutlich geworden, daß Klassen nicht Namen für Einzeldinge oder deren „Zusammenfassungen" sind. Soweit im Zusammenhang mit Klassen von „Dingen", „Gegenständen" oder „Objekten" zu sprechen erlaubt ist, deutet das Epitheton „abstrakt" an, daß dies nur im Blick auf eine durch einen geeigneten Abstraktionsprozeß methodisch ausgewiesene fagon de parier zulässig ist. So stellt sich die Frage, ob oder inwieweit eine konkrete (diagrammatische) Repräsentation abstrakter Gegenstände (Klassen) überhaupt möglich ist, oder ob nicht vielmehr alle logischen Diagramme vor dem unausgesprochenen Hintergrund der naiven kollektiven Auffassung von „Klasse" stehen. Dies ist tatsächlich der Fall. Denn üblicherweise stellt man sich vor, daß z . B . die inneren Punkte eines Euler sehen Kreises oder die Punkte einer Linie der Liniendiagramme die Elemente der repräsentierten Klasse darstellen, wobei freilich das Problem der Anzahl der Elemente nicht so genaugenommen werden darf. Offenkundig sichtbar wird diese Verbindung von logischen Diagrammen und naiver Mengenauffassung dadurch, daß audi die Diagramme an der gleichen Stelle in Schwierigkeiten geraten wie die naive Mengenauffassung. Dies gilt sowohl für Eulersche wie auch für Liniendiagramme und — mutatis mutandis — wohl für alle logischen Diagramme. Wir wollen unseren Gedanken am Beispiel der Eulerschen Diagramme entwickeln, da diese so etwas wie die kanonische Darstellungsform der naiven Mengenauffassung bilden. Dazu benötigen wir lediglich zwei Diagramme: erstens das Diagramm für die a-Sätze: Alle Α sind B:

174

Möglidikeiten und Grenzen logischer Diagramme

und zweitens das Diagramm für die e-Sätze: Kein Α ist Β:

Solange die Klassen der Prädikatoren nicht leer sind, ergeben sich keine nennenswerten Verständnisprobleme. Wir wollen nun jedoch annehmen, daß „A" das Zeichen eines leeren Prädikators, ζ. B. „rundes Quadrat", sei 11 . Die Klasse von Α ist in diesem Falle leer, da für jeden Gegenstand c die Aussage Ac falsch ist. Für unsere weiteren Überlegungen benötigen wir nodi die Definition der Teilmengenrelation ( die üblicherweise lautet: (*) Α £ Β ^ Αχ. χεΑ χεΒ. Wir betrachten nun den Satz (Si): „Kein rundes Quadrat ist ein Löwe", den wir ohne Anstände für wahr halten. Wir hatten oben (Kap. 4.3.3 S. 126) angegeben, daß die mengen theoretische Formulierung der e-Sätze lautet: AnB = 0 Da nun Α die leere Klasse bedeutet, sehen wir, daß alle e-Sätze, in denen ein leerer Prädikator vorkommt, (analytisch-)wahr sind, denn mengentheoretisch gilt der Satz: 0 η Β = 0 und Α η0 = 0 Dies ist an sich kein unerfreulicher Sachverhalt. Doch führt der folgende Gedankengang auf eine m. E. unlösbare Schwierigkeit für logische Diagramme. Wir betrachten zunächst die obige Teilmengendefinition (*) und nehmen an, daß Α die leere Klasse bedeutet. Das Definiens der Definition lautet dann: Αχ. χεΑ-*χεΒ. Nun weiß man, daß die Aussage „xe0" für jede Einsetzung von χ falsch wird, da die leere Klasse per definitionem keine Elemente hat. Daher ist das Definiens der Teilmengendefinition in diesem Fall stets wahr. Diese Tatsache wird üblicherweise so ausgedrückt, daß die leere Menge Teilmenge jeder Ii Man sieht hier im übrigen, warum wir uns auf die Diagramme der a- und e-Sätze beschränken konnten. In i- und o-Sätzen treten Existenzannahmen auf. Sie werden deshalb sämtlich falsch.

Diagramm und Klasse

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Menge ist. In unserem Beispiel heißt dies, daß unter der Voraussetzung A = 0 für jede Menge Β gilt: Ai=B. Nun hatten wir aber oben (Kap. 4.3.3, S. 126) Α £ Β als mengentheoretischen Ausdruck der a-Sätze kennengelernt. Dies bedeutet aber nichts anderes, als daß der Satz (S2): „Alle runden Quadrate sind Löwen" ebenso (analytisch-)wahr ist, wie der zu ihm konträre Satz (Si): „Kein rundes Quadrat ist ein Löwe". Quantorenlogisch betrachtet, macht dieses auf den ersten Blick verwirrende Ergebnis keine Schwierigkeiten. Die quantorenlogische Symbolisierung von (Si) lautet: Λ». Αχ ι Bx. Das Vorderglied der Subjunktion ist stets falsch, da Ax für jede Ersetzimg von χ falsch wird. Die ganze Aussage ist demnach wahr. Ähnlich zeigt die Formalisierung von (S2): Λ*. Ax Bx. daß audi (S2) wahr ist, wenn nur Α ein leerer Prädikator ist. Ob Β leer ist oder nicht, spielt hier, wie bei (Si), keine Rolle. Ax. Ax-*~i Bx. Audi mengentheoretisch betrachtet, besteht, wie wegen der Gleichwertigkeit von Quantorenlogik und Mengenlehre zu erwarten, zwischen den Formulierungen von (Si) und (S2), nämlich zwischen Α η Β = 0 und A £ Β, kein Widerspruch, sofern Α die leere Klasse ist. Denn genau dann gilt der Satz: A £ BaA η Β = Φ. Das ganze Problem liegt also auf der Ebene der diagrammatischen Repräsentation. Diese müßte nämlich folgende nicht gleichzeitig zu repräsentierende Eigenschaften eben doch gleichzeitig repräsentieren: Zum einen müßte das Kreisdiagramm eines leeren Prädikators Α im Diagramm von Ρ enthalten sein, zum anderen nicht. M. a. W.: im Falle eines leeren Begriffes Α benötigen wir ein Diagramm, das a-Sätze und e-Sätze gleichermaßen repräsentiert. Dies ist, wie man sieht, bei den Eulersdien Diagrammen nicht der Fall und läßt sich auch bei den Liniendiagrammen nicht realisieren. Das Diagramm der a-Sätze ist mit dem der e-Sätze nicht kompatibel. Während es also keine Schwierigkeit bereitet, die leere Klasse quantorenlogisch bzw. mengentheoretisch zu repräsentieren, scheinen logische Diagramme bei der leeren Klasse am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt zu sein. Und dies genau an der Stelle, wo auch die naive kollektionistische Mengenauffassung versagt und zu dezisionistischen Definitionen greifen muß.

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Möglichkeiten und Grenzen logischer Diagramme

Man könnte angesichts dieses Umstandes auf die Idee kommen, entsprechend dem Verfahren der naiven Mengenlehre, für leere Prädikatoren eine geeignete, von derjenigen der anderen Prädikatoren verschiedene Diagrammdarstellung zu finden. An dem Erfolg eines solchen Unetrnehmens ist jedoch füglich zu zweifeln: Denn jedes solche Diagramm würde auf dem Papier eine Ausdehnung einnehmen müssen, die bei den anderen Diagrammen als Repräsentation der Existenz von Elementen zu gelten hätte. Was jedoch noch wichtiger ist: Falls wir die Diagramme leerer Prädikatoren von denen nicht-leerer Prädikatoren unterscheiden würden, hätten wir den Bereich der formalen Logik verlassen. Denn wir müßten, um dies durchführen zu können, vorher die Bedeutung der Prädikatoren kennen. Damit wüßten wir den Inhalt der entsprechenden Sätze. Die Kenntnis des Inhalts der verwendeten Sätze wäre für ihre Diagramme unentbehrlich. Jeder Versuch also, die Probleme durch verschiedene Diagrammtypen zu lösen, führt aus der formalen Logik hinaus. Genau genommen gilt dies auch bereits für unseren Linienkalkül, denn hier haben wir von vornherein (Kap. 4.4.2, S. 135) die Vereinbarung getroffen, leere Prädikatoren nicht zuzulassen. Die Entscheidung jedoch, ob ein Prädikator leer sei, ist mit formallogischen Mitteln nicht herbeizuführen. Auch ein hilfsweiser Einsatz der Mengenlehre würde nichts nützen, da die in Frage kommende elementare Mengenlehre sich von der elementaren Quantorenlogik nicht wesentlich unterscheidet. Wir müssen also feststellen, daß die vorliegenden logischen Diagramme, selbst wenn in ihnen das unmöglich Scheinende, nämlich zusätzlich zu den bestehenden Diagrammen, kompatible Diagramme für leere Prädikatoren einzuführen, gelänge, wir doch die formale Logik verließen. Man wird sich dann Freges, auf die Euler sehen Diagramme gemünzte, Einschätzung, sie seien ein „hinkendes Gleichnis" 12 für die Logik, auch im Blick auf die anderen logischen Diagramme zu eigen machen müssen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß in den logischen Diagrammen die Existenz von Elementen der repräsentierten Klassen an die Ausdehnung der Diagramme gebunden scheint. Verschwinden, wie bei der leeren Klasse, die Elemente, dann verschwindet das Diagramm, und es steht nichts mehr auf dem Papier. Deshalb läßt sich die Voraussetzung, daß logische Diagramme nur auf nicht-leere Prädikatoren angewendet werden dürfen, nicht umgehen. Allerdings ist diese Einschränkung nicht so schwerwiegend, wie es auf den ersten Blick scheinen möchte, denn eine ganze Reihe schlüssiger Modi der Syllogistik erfordern auch bei quantorenlogischer Behandlung axiomatische Exi12 G. Frege: Kritische Beleuchtung, a. a. O. S. 112.

Diagramm und Klasse

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stenzannahmen13. Dies legt es nahe, die Syllogistik gleich auf nicht-leere Prädikatoren einzuschränken. Wir kommen nun zur zweiten, in den Liniendiagrammen allerdings behebbaren, Schwierigkeit der naiven Mengenauffassung: die mangelnde Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Klassen und den in ihnen enthaltenen Elementen. Es ist zu fragen, wie sich bei dieser Auffassung ζ. B. die Klasse mit dem Element „1" von eben diesem Element unterscheiden soll. Wir wollen sehen, inwieweit dieses Problem in den Liniendiagrammen auftritt. Grundsätzlich gehen wir davon aus, daß eine Linie die Klasse eines Prädikators repräsentiert. Die Frage ist nun, ob und gegebenenfalls wie die Elemente der Klasse repräsentiert werden. Die generelle Annahme, die Punkte der Linie würden die Elemente der Klasse repräsentieren, ist unhaltbar. Die Punkte einer Linie sind nicht abzählbar. Nähme man an, jeder Punkt der Linie würde einem Element der repräsentierten Klasse entsprechen, dann müßte jeder Prädikator eine nicht abzählbare Klasse bedeuten, was offensichtlich nicht zutrifft. Wenn man also auch nicht die Anzahl der Elemente einer Klasse liniendiagrammatisch repräsentieren kann, so ist es dennoch möglich, ζ. B. bei der Darstellung der i-Sätze, einzelne Punkte auszuzeichnen und als Repräsentanten bestimmter Elemente der Klasse zu interpretieren. Problematisch wird der Fall erst dann, wenn in der Formaldarstellung ζ. B. der i-Sätze die punktierten Teile wegfallen, weil man weiß, daß die betreffende Klasse aus nur einem Element besteht. Dieses Wissen ist jedoch inhaltlicher Art und braucht infolgedessen in der formalen Logik nicht berücksichtigt zu werden. Die Liniendiagramme und weitgehend (vgl. oben) auch die formale Logik untersuchen diejenigen syllogistischen Schlüsse, die für jede Art Prädikatoren mit Ausnahme der leeren gelten. Die so als gültig ausgewiesenen Schlüsse gelten damit a fortiori für Prädikatoren, die nur einem einzigen Gegenstand zugesprochen werden können. Gleichwohl ist es nicht ohne Interesse, zu untersuchen, welche Schlußweisen zusätzlich gültig werden, wenn solche Prädikatoren bzw. einelementige Klassen auftreten (vgl. S. 155 f.). Die Einheitlichkeit der Darstellung läßt sich in diesem Fall dadurch wahren, daß man vereinbart, die „Kontraktion" einer Linie auf einen einzigen Punkt als einen Grenzfall einer Linie und damit cum grano salis eben doch als eine Linie aufzufassen. 13 Vgl. P. Lorenzen: Formale Logik, S. 118 f. Aus Überlegungen von Strawson wird deutlich, daß die angesprochenen axiomatischen Existenzannahmen die Existenzpräsuppositionen der normalen Sprache wiederspiegeln (vgl. P. F. Strawson: Introduction to Logical Theory, London 21963, S. 152 ff.).

Schluß Mit dem Exkurs zu Möglichkeiten und Grenzen logischer Diagramme soll diese Arbeit zu Wissenschaftstheorie der Axiomatik bei Johann Heinrich Lambert abgeschlossen werden. Ihre Absicht ist es, am Beispiel der Bemühungen Lamberts einen Beitrag zur von der Forschung vernachlässigten Geschichte der Methodologie im 18. Jahrhundert zu leisten und gleichzeitig auf wenig beachtete Gesichtspunkte in der heutigen Auffassung von Axiomatik und axiomatischer Methode hinzuweisen. Lamberts Philosophie ist in ihren wesentlichen Teilen als logisch-wissenschaftstheoretische Begründung axiomatischer Wissenschaft zu verstehen (Kap. 1). Sie besteht auf dem Prinzip der methodischen Ordnung eines schrittweisen, konstruktiven Aufbaus von Wissenschaft, dies durchaus in Kenntnis zeitgenössischer Bestrebungen einer analytischen Physik und in aktiver Anteilnahme an ihren Forschungsprozessen. In Rekurs auf die antike mathematische Praxis und ihre methodologische Reflexion und in klarer Opposition zum realistischen Ontologismus und zum Psychologismus des 18. Jahrhunderts (insbesondere Chr. Wolff) (Kap. 2) verfolgt Lambert die Intention einer operativen, pragmatischen, d. h. auf menschlichen Handlungen in Verfahren beruhenden, Begründung wissenschaftlichen, paradiginatisch: axiomatischen, Wissens. Wissenschaft ist eine Tätigkeit, die sich ihre Gegenstände selbst konstituiert, dies zum einen in der Konstitution wissenschaftlicher Rede über diese Gegenstände und zum andern dadurch, daß diese Gegenstände, sofern sie in den Gesichtskreis von Wissenschaft treten, sich menschlichen Realisierungs-, Meß- oder Experimentalhandlungen verdanken. Das Problem von Theorie und Erfahrung bei der Begründung von Theorie wird durch die Unterscheidung von lebensweltlicher und messender Erfahrung in methodisch geordneter Weise gelöst. Lebensweltliches Reden und Handeln bilden das unhintergehbare Fundament axiomatisch-wissensdhaftlichen Wissens, insofern die Basis dieses Wissen sich lebensweltlichen Orientierungen verdankt, die für wissenschaftliche Zwecke, unter Rücksicht auf menschliche Handlungsmöglidhkeiten, modifiziert werden. Andererseits bildet lebensweltliche Erfahrung in der Konstitution wissenschaftlicher Grundbegriffe das Fundament messender Erfahrung. Lebensweltliche, in wissensdiaft-

Schluß

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liehen Grundbegriffen präzisierte, Erfahrung eröffnet ferner die Perspektive einer, von messender Erfahrung unabhängigen, a priorischen, rationalen Physik, deren Lambertscher Entwurf bislang noch nicht untersucht wurde. Basisprädikatoren axiomatischer Theorien haben Bedeutung und müssen Bedeutung haben. Das auf methodischen Defiziten beruhende „Kapitulationsprogramm" einer formalen Axiomatik kommt bei Lambert nirgends in den Blick, vielmehr ist sein ganzes Programm auf die Klärung und Fixierung der Grundbegriffe axiomatischer Theorien ausgerichtet: axiomatische Methode ist kategorische axiomatische Methode, insofern es ihr wesentlich auf die in der Bedeutung von Begriffen durch Handlungen vermittelte Geltung ihrer ersten Sätze ankommt. Erste, „einfache" Begriffe axiomatischer Theorien sind einmal deren terminologisch irreduziblen Elemente, zum andern wird die terminologische Irreduzibilität, im Unterschied zu heutigen, weitgehend auf Sprache reduzierten, Bemühungen, in durchaus bedenkenswerter Weise mit epistemologischer Irreduzibilität vermittelt. Dies auf Grund der Einsicht in die unhintergehbare Verquickung von Sprache und Erfahrung in den elementaren Situationen des Spracherwerbs. Sieht man einmal davon ab, daß Lambert die Ansätze seiner wissenschaftskonstitutiven Handlungstheorie, die immer im Blidc auf die mathematische Praxis entworfen sind, nicht mit voller Konsequenz durchführt, dann scheint mir sein Programm einer auf die Bedingungen der Möglichkeit wissenschaftlichen Wissens reflektierenden Methodologie gegenüber dem Kantischen, bei gleicher Intention, einige erhebliche systematische Vorzüge zu besitzen. Die Bemühungen um eine pragmatische Begründung der Basis axiomatischen Wissens setzt Lambert im Entwurf einer kalkulatorischen Begründung des Deduzierens fort (Kap. 4). Zwar gelingt es ihm nicht, entgegen seiner operativen Intention, den Linienkalkül vollständig als quasi-mechanisches Verfahren zu präsentieren. Gleichwohl läßt sich, wie die Rekonstruktion zeigt, Lamberts Intention realisieren. Dabei darf mit Gründen vermutet werden, daß Liniendiagramme die einzigen logischen Diagramme sind, die den intendierten Zweck erfüllen.

Literaturverzeichnis Vorbemerkung: Nicht alle in dieser Arbeit zitierten Werke sind im Literaturverzeichnis enthalten und umgekehrt. Das Literaturverzeichnis beschränkt sich auf die für das hier verhandelte Thema wichtigeren Werke. Alle mir bekanntgewordenen Arbeiten zu Lambert, die in der „Bibliographia Lambertiana" (etwa bis Ende der 60er Jahre) nicht enthalten sind, werden angegeben.

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Sachregister Abstraktion 21, 65, 83, 96, 168 ff. Agathometrie/Agathologie 34, 73, 93 Abstraktor 168 ff. Alethiologie 18 Algebra der Logik 99 Allgemeinheit 13, 21, 62 f., 65, 96 Analyse von Begriffen 59 ff., 65 ff. Analyse von Satzzusammenhängen 31 Analysis 30 ff. Analysis der Alten 30 analytisch-einfach 65 ff., 70 anatomisdi-einfach 67 ff. Anfangsproblem 5,80 a priori(sche Wissenschaft) 56 ff., 73, 77 ff. a priori (beweistheoretisch/grundlagentheoretisch) 77 f. Äquidistara 53 Äquivalenzrelation 169 Architektonik 19 ff. Arithmetik 73, 83 Ästhetik 112 Astronomie 32 Aufgabe 36, 43 ff., 89 f. Aufklärung 10 f. Ausdruckskalkül 146 Aussageform 170 Axiom 5, 30, 36, 38, 40 ff., 52 ff., 58 ff.,

82 Axiome für Grundbegriffe 85, 87 f. Bamalip 151 f. Barbara 153 Baroco 161 Basisproblem 7, 55 ff., 59, 62, 75, 86, 99 Basisterminus (vgl. Grundbegriff) 6, 55, 75 Bedeutung von Begriffen 66, 69, 75, 80, 87, 115, 117 Begriff 104, 108 Begriffe, einfache 57 f., 63, 67 ff. Begriffe, Richtigkeit von 58 f., 62 f. Begriffsrealismus 113 Begründung 5, 37, 41

Beobachtung 74, 76 Bewegung 14, 73, 83 Beweis 30 ff., 37, 54 Bocardo 153 Bruch 169 f. Camestres 159 Celarent 154 Cesare 154 Chronometrie 73, 83 Darapti 151 Darii 157 Datenerfahrung, reine 14, 57, 73 ff. Datisi 154 Deduktionsproblem 7, 98 ff. Definition 5, 36, 38, 41 ff., 46 ff., 53 f. 70 f., 81, 91 Definition, anatomische 94 Definition, genetische 94 f. Definition, implizite 95 ff. deskriptiv/präskriptiv 45, 88 f. determinierter Teil einer Liniendarstellung 136, 146 Diagramme, logische 7 f., 130 ff., 145,167, 173 ff., 176 f. Dianoiologie 18 Dibatis 152 Dictum de omni et nullo 107, 114 ff. Ding(ens) 13, 21, 64, 67 f., 71 Disamis 152 Dogmatismus 12, 14 Dynamik 73, 83 Ebene 91 ff. Eigenschaft 5, 118 f. Einheit 73, 83, 93 Einzelwissenschaften 3 f., 12 ff., 24 Elementarsatz 119 Empfindung 65, 73 f. Empirismus 12, 14, 56 ff., 75, 111 epagoge 37, 40 f., 88 epistemologisch-einfach 70 ff.

Sachregister Ereignis 78 Erfahrung 56 ff., 65, 67,71 ff. Erfahrung L 76 Erfahrung M 75 Erkenntnis, historische / wissenschaftliche 75 Erkenntnistheorie 14, 57 euklidisch-einfach 67 ff. Eulersche Diagramme 176 Evidenz 38, 42, 54 f., 58, 60, 63 exemplarische Einführung von Begriffen 59, 64 f., 67, 71, 76, 80, 87, 92 Existenz 38 f., 47, 49, 52 ff, 83, 91 f., 177 Experiment 74, 76 Extension von Begriffen 61 ff., 115 ff, 122, 124 ff, 133 Farbbegriffe 68 ff. Fehlertheorie 34 Felapton 152 Ferio 157 Ferison 157 Fesapo 152 Festino 157 Festsetzung 38 ff. Figur 127 f. Formaldarstellung 136, 143, 146 Formalismus 5 f , 95 ff. Form der Erkenntnis 66 Form/Inhalt 5, 20, 67 Formularsprache 110 Frage 89 Fresison 157 Gattung/Art 66, 106, 113, 127 Gegenstand, abstrakter 117 ff, 168 ff, 173 Geschichtslosigkeit (der methodischen Philosophie) 3 f. Gedenkbarkeit 86 f , 95 Genese/Geltung von Begriffen 80 f , 86 Geometrie 22 f , 30 ff, 35 f , 38, 41, 44, 73, 82 f , 86, 92 Gottesbeweis 26 f. Gravitation 84 Grundbegriff 38 f , 41, 57, 59 f , 62 ff, 71 ff, 77, 80 ff, 85, 87, 90 ff. Grundbegriffe als Leitbegriffe 72, 83 Grundsatz (vgl. Axiom) Gültigkeit von Syllogismen 128 ff. Handlung(sschema)/Handlungstheorie 70, 88 ff., 94

65,

189

Heischbegriffe 59 Heischsätze 89 Hempel-Oppenheim-Schema 78 historisch/systematisch 4, 7 Historismus 2, 4 Homogenität 69 f , 93 Homogenitätsprinzip 93 Hypothese 24, 38 f , 91 ideal 113 indeterminierter Teil einer Liniendarstellung 136, 146 Intension von Begriffen 115 ff, 122 Interpretation 5 Intersubjektivität 23, 99 Irrationalität von π 2 Kalkül 114 f. Kausalität 94 Kennzeichnungen 69 Kinematik 14, 29, 73, 83 klar (und deutlich) 58 f , 63 ff, 67 f , 71, 80, 92 Klasse 5, 83, 115, 117, 171 diagrammatische Repräsentation 167 ff. Kollektivauffassung 172 f. Klasse, leere 172 Konstruktivität 6 f , 88 Konversion 127 f , 140 ff. Kooperation, philosophische 22 Kopernikanische Wende 3, 15, 27 Kopula 119 Körper 1 4 , 2 4 , 8 5 Kosmologie 25 Kraft 7 3 , 8 3 , 8 5 , 8 8 Lambert-Beersches Gesetz 2 Lamberts flächentreue Azimutalabbildung 2 Lambertsche Kosinusgesetze 2 Lambertsche Reihe 2 Lambertscher Lehrsatz der Astronomie 33 Lambertscher Satz 2 Lambertsches Gesetz 1 Latrinenbau 42 Lebenswelt 40, 76, 81 Leerstelle, determinierte 138 f. Lehrbegriffe 59 ff. Lehrsatz 36, 40, 43 f „ 52, 54 f , 58, 98 Lehr- und Lernsituationen 59, 64 f , 69 f. Liniendarstellung (Kombination von Diagrammen) 143, 151

190

Sachregister

Liniendarstellung der syllogistischen Satzarten 134 ff. Liniendiagramme 9, 122 ff. Linienkalkül 8, 121 f., 144 ff., 167 Axiome 144 Entscheidbarkeit 145 Figur 148 Korrektheit 145, 150 f., 162 Regeln 145, 148 f. Vollständigkeit 145, 162 zulässige Regeln 149 f. Logik, Begründung der 101, 104 ff., 128 Logik, formale 38, 125 Logikkalkül 32, 100 ff., 145 Logikkalkül, intensionaler 120 ff. Masse 84 Mathematik, griechische 30 f. Mathesis Universalis 102 Mechanik 82, 84 Mechanik, rationale 84 medicina mentis 109 f. Menge 171 mengentheoretische Repräsentation von Satzarten 124 ff. Merkmale von Begriffen 46, 61 ff., 69 Messen 24, 33 f., 74, 83, 93 Metamathematik 7, 36, 82 Metaphysik 7, 12 ff., 27 f. Methode, analytische 29 ff. Methode, axiomatische 35 ff. Methode, synthetische 29 ff. Modell 5 f. Möglichkeit 13, 63, 86 ff., 93, 113 mos geometricus 100 f. Münchhausen-Trilemma 37 Neukantianismus 10 Nominaldefinition 24, 39, 46 ff., 53 f., 58 Nominator 168 Ontotogie 13, 20 f., 71 Ontologismus 104 ff., 113 Ordnung, methodische 21 ff. Organon 17 f. Parallelen 39, 52 ff. Phänomenologie 1, 9, 18 philosophia prima 13 Philosophie 13, 24 Philosophie, analytische 2, 56 Philosophie, Kritische 10, 12

Philosophie, methodische 2, 3 Philosophie, systematische 3 Philosophie, theoretische 3, 11, 15 Photometrie 1, 34 Physik 12, 29 f., 32, 35 Prinzip der methodischen Ordnung 6 f. Postulat 36, 39, 43, 45, 59, 88 ff., 93 Postulate für Grundbegriffe 85, 87 f. Prädikator 46 ff., 55, 168 Prädikator, leerer 135, 174 ff. Prognose 78 Protophysik 6, 83 ff. Psychologie 25, 28, 108 f. Psychologismus 104 ff. Qualitätenkalkül 103 Quantifizierung 119 Quantifizierung des Prädikats 117 f. Quantorenlogik 133, 175 Rationalismus 12, 56 ff. Rationalismus, kritischer 2 Realdefinition 39, 46 ff., 94 f. Relationenlogik 124, 133 relationslogische Auffassung der Syllogistik 167 Satz 89, 118 Satz, deskriptiver/präskriptiver 45, 88 f. Satz, identischer 130 Schema des (LK) 136, 148 Gültigkeitskriterium 149 Sätze, unbeweisbare 38 Sein 13,27 Semiotik 18 Skeptizismus 12, 14, 20 Solidität 85 Sprachanalyse 25 Sprache 18, 64 Sprachphilosophie, vorkritische 18, 64, 105 suppositum intelligens 25 f. Syllogistik 18, 98 f., 101 ff., 133 symbolisch 113 Synthesis 30 ff., 60 systematisch 4 terminologisch-einfach 70 ff. theologia naturalis 21, 25 f., 28 Theorem (vgl. Lehrsatz) Theorie, axiomatische 5, 36 ff., 50, 55, 57, 75 f., 82, 99

Sachregister Thulichkeit 88, 90 Transzendentalphilosophie 12 f. Tres-operationes-mentis-Lehre 105 f., 109 f. Unabhängigkeit 82 Unter-Relationen 139 f. Urteil 118 Verhältnisbegriffe 69, 71 Vernunftlehre 16 f., 110 Vollständigkeit 82 Vorläufer-These 11

191

Wahrheitskriterium 51, 54, 58 Wende, antimetaphysische 14 Wesensdefinition 50 Widerspruchsfreiheit 6, 62, 66, 82, 87 Wiener Kreis 22 Wissenschaftstheorie 2 ff., 12, 14 ff., 19, 57 Wissenschaftstheorie, konstruktive 2, 5 ff., 56, 84 Zahl, rationale Zeit 6, 84

169 f.

Namenregister Albert, Η. 37 Anding, Ε. 26, 33 f. Aristoteles 13, 17 f., 31, 35 ff., 52 f., 59, 75, 77, 88, 91, 98 f., 130 Arndt, H.W. 1, 11, 29, 46, 50, 100 ff., 105, 108, 120

Erdmann, J. E. 9, 102 Essler, W.K. 47 Euklid 22 f., 29, 35, 40 ff., 52, 59, 82, 84, 88 ff., 100 f. Euler, L. 9, 29, 33, 84, 122, 131 f., 162, 173

Bacon, F. 17, 59, 75 Baensch, O. 10 Barthel, E. 10 Baumgarten, G. A. 19 ff., 25, 112 Berger, P. 25 Bernoulli, Johann (III) 16, 32 Beck, L.W. 11 Beth, E.W. 37 Blumenberg, H. 25 Bochedski, J.-M. 98, 124 Boethius, Α. Μ. T. S. 98 Böhme, G. 6, 84 Bök, A.F. 117,123 Bopp, K. 17, 33 f., 51, 121, 131 Brander, G. 34 Burkhard, Μ. 1 Butts, R. E. 77

Feder, J. G. H. 109 Figala, K. 11 Fischer, K. 9 Fleckenstein, J. O. 11 Frege, G. 15, 95 f., 102, 104, 168, 172 Frischeisen-Köhler, M. 10 Fritz, K.v. 37

Cassirer, E. 10, 46 Ciafardone, R. 11, 129 Clausius, R. 34 Commandino, F. 30 Couturat, L. 84, 102, 104, 131 Crusius, C. A. 19 Daries, J. G. 19 Davisson, G. R. 31 Descartes, R. 12, 42, 51, 54 ff., 58 ff., 99, 101 f, 128 Diemer, A. 11 Dingler, H. 83 f., 93 Dürr, K. 100, 104, 120, 122 Dutens, L. 102 Eisenring, M. 19, 122 Engel, F. 32

Gäbe, L. 54, 128 Gabriel, G. 47,59,93,96 Galilei, G. 29 f , 32, 42, 59, 84, 99, 103 Gardner, M. 122, 145 Gauss, C. F. 34, 113 Gerhardt, J. G. 102, 113 Gilbert, N.W. 29 Glöckner, H. 9 Green, Τ. H. 19 Griffing, H. 10 Grose, Τ. Η. 19 Gurwitsch, Α. 95 Haas, G. 7 Haimos, P. R. 172 Hamilton, W. 117 Hegel, G.W.F. 1 , 3 , 9 Hermes, H. 37, 82, 144 ff. Hertz, H. 85 Hilbert, D. 5, 36, 52, 82, 92, 95 Hintikka, J. 31 f., 77 Hoffmann, A. F. 19 Holland, G. J. 21 f., 24, 67, 80, 87, 91 f., 94, 112 f., 120, 129 Hultsch, F. 30 Hume, D. 12, 19 f., 56 Humm, F. 11 Husserl, Ε. 1, 76

Namenregister Iselin, J. R.

19

Jaquel, R. 11 Jammer, M. 85 Janich, P. 6, 83 f., 89 Jungius, J. 84 Kambartel, F. 5, 13 f., 37, 49, 56 f., 75, 77, 84, 89 f., 95,171 Kamiah, W. 47, 49, 59, 61, 65, 118 f., 168

Kant, I. 3, 9 ff., 19 ff., 24, 27, 56, 67 f., 75, 79,81, l l l f . , 114 Kästner, A. G. 34 Kaulbach, F. 19 Kauppi, R. 103, 118 Keynes, J. N. 122, 133, 162 ff. Klein, J. 31 Kneale, W. und M. 99, 122 König, G. 11 König, J. 10 Krüger, L. 56 f., 68, 70 Lagrange, J. L. 29, 33, 84 Lakatos, I. 36 Lange, J. C. 131 f. Leibniz, G. W. 10, 18, 46, 54, 56, 61, 69, 77, 79, 84, 94 f., 99, 102 ff., 106, 112, 115, 118, 120, 122, 131 ff. Lenders, "W. 46, 61, 105 ff. Lepsius, J. 10, 25 Lewis, C. I. 100, 120, 122 Locke, J. 12, 14, 19, 56 f., 65, 68 f., 72 f., 76 f., 79, 113, 128 Lorenzen, P. 6, 29, 47, 49, 59, 61, 65, 83 f., 89, 93, 101, 104, 107, 118 f., 144 f., 168 ff., 177 Mahoney, M. S. 31 Malebranche, N. 19 Maxwell, J. C. 85 Mendelssohn, M. 17, 25 Menne, A. 117 Meyer, G. F. 112 Minio-Paluello, L. 17 Mittelstaedt, P. 84 Mittelstraß, J. 3, 12, 18, 21, 29, 32, 56 f , 77, 84, 99, 104 f., 112, 118 Moog, W. 10 Moraux, P. 18 Müller, Ch.M. 17,30,111

Neurath, O. v. 4 Newton, I. 29, 32, 42, 84,109,120 Nicolai, F. 15 Pappos 30 ff. Pascal, B. 24,42 Patzig, G. 98 f., 168 Peirce, C.S. 4 , 2 7 , 9 8 Peters, W. S. 28, 88, 95 ff. Petrus Hispanus 98 Ploucquet, G. 99, 112, 117 .f, 120 f. Port Royal 42, 115 Ramus, P. 42 Raspe, R. E. 102 Reinhold, K. L. 28 Remes, U. 31 f. Riehl, A. 10 Risse, W. 99 f., 104, 107, 122, 131 Ritter, J. 19, 37, 77, 104 Rolfes, E. 36 Ross, W. 36 Rüdiger, A. 19 Savigny, E. v. 47 Schepers, H. 19, 29, 77 Schirn, M. 95 Schleichert, H. 4 f. Schlesinger, L. 101 Schneider, H. J. 21,65,83 Schneider, I. 11, 34 Scholz, H. 36 f., 99, 122 Schöndörffer, O. 16 Schröder, E. 168 Schüling, H. 42 Schwab, J . C . 28 Schwemmer, O. 6, 84, 89 Sheynin, Ο. B. 11, 34 Speck, J. 168 Spinoza, B. 29, 36 Stäckel, P. 32 Stammler, G. 113, 115, 122 Steck, M. 10, 16 Stegmüller, W. 78 Sterkmann, P. 10 Strawson, P. F. Styazhkin, Ν. I. 99 f., 122, 131 Sulzer, J . G . 111 Thaer, C. 35 Thiel, Ch. 168 Thüring, B. 84

193

194

Namenregister

Truesdell, C. 84 Tschirnhaus, E. W. v. Ueberweg, F.

109

10

Venn, J. 100, 122, 131 Vente, R. E. 77 Vieta, F. 30 f. Walch, J . G.

19

Weyl, H. 83 Wolff, Ch. 11 ff, 17 ff., 21, 28, 42 ff., 56, 58 f., 61, 66, 71, 79, 89, 91, 94, 96, 104 ff, 130, 178 Wolters, G. 112 Wundt, M. 11, 112 Zawadski, B. v. 10 Zeller, E. 10 Zimmermann, R. 10

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WdterdeGruyter Berlin-Newark Quellen und Studien zur Philosophie

Gerold Prauss

Erscheinung bei Kant Ein Problem der „Kritik der reinen Vernunft" Groß-Oktav. 339 Seiten. 1971. Ganzleinen DM 78.— ISBN 3 11 006427 8 (Band 1)

Michael Wolff

Fallgesetz und Massebegriff Zwei wissenschaftshistorische Untersuchungen zur Kosmologie des Johannes Philoponus Groß-Oktav. X, 159 Seiten. 1971. Ganzleinen DM 36,— ISBN 3 11006428 6 (Band 2)

Burkhard Tu schling

Metaphysische und transzendentale Dynamik in Kants opus postumum Groß-Oktav. XII, 224 Seiten. 1971. Ganzleinen DM 54,— ISBN 3 11 001889 6 (Band 3)

Hans Werner Arndt

Methodo scientifica pertractatum Mos geometricus und Kalkülbegriff in der philosophischen Theorienbildung des 17. und 18. Jahrhunderts Groß-Oktav. VIII, 170 Seiten. 1971. Ganzleinen DM 72,— ISBN 311003942 7 (Band 4)

Klaus Wurm

Substanz und Qualität Ein Beitrag zur Interpretation der plotinischen Traktate VI 1, 2 und 3 Groß-Oktav. XII, 294 Seiten. 1973. Ganzleinen DM 68,— ISBN 311001899 5 (Band 5)

Lorenz Krüger

Der Begriff des Empirismus Erkenntnistheoretische Studien am Beispiel John Lockes Groß-Oktav. XII, 283 Seiten. 1973. Ganzleinen DM 68,— ISBN 311004133 2 (Band 6)

Barbara Loer

Das Absolute und die Wirklichkeit in Schellings Philosophie Mit der Erstedition einer Handschrift aus dem Berliner Schelling-Nachlaß Groß-Oktav. VIII, 288 Seiten. Mit 3 Abbildungen. 1974. Ganzleinen DM 108,— ISBN 3 11 0043297 (Band 7) Preisändeningen vorbehalten

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filter de Gruyter Bedin-Newförk Quellen und Studien zur Philosophie

Kurt Röttgers

Kritik und Praxis Zur Geschichte des Kritikbegriffs von Kant bis Marx Groß-Oktav. X , 302 Seiten. 1975. Ganzleinen DM 92,ISBN 3 11004604 0 (Band 8)

Rainer Stuhlmann-Laeisz

Kants Logik Eine Interpretation auf der Grundlage von Vorlesungen, veröffentlichten Werken und Nadilaß Groß-Oktav. V I I I , 123 Seiten. 1976. Ganzleinen DM 52,— ISBN 3 11 005840 5 (Band 9)

Martin Bartels

Selbstbewußtsein und Unbewußtes

Studien zu Freud und Heidegger Groß-Oktav. X , 201 Seiten. 1976. Ganzleinen DM 78,— ISBN 3 11 005778 6 (Band 10) Henning Ottmann

Individuum und Gemeinschaft

Band 1: Hegel im Spiegel der Interpretationen Groß-Oktav. X , 406 Seiten. 1977. Ganzleinen DM 118,ISBN 3 11007134 7 (Band 11) Malte Hossenfelder

Kants Konstitutionstheorie und die Transzendentale Deduktion

Groß-Oktav. V I I I , 182 Seiten. 1978. Ganzleinen DM 72,ISBN 3 11005969 X (Band 12)

Rainer Enskat

Kants Theorie des geometrischen Gegenstandes

Untersuchungen über die Voraussetzungen der Entdeckbarkeit geometrischer Gegenstände bei Kant Groß-Oktav. X, 320 Seiten. 1978. Ganzleinen DM 96,— ISBN 3 11 007644 6 (Band 13)

Wolfgang Detel

Scientia rerum natura occultarum

Methodologische Studien zur Physik Pierre Gassendis Groß-Oktav. X , 264 Seiten. 1978. Ganzleinen DM 94,— ISBN 3 11 007320 X (Band 14) Preisänderungen vorbehalten