BAND 2 La Biennale di Venezia: Kontinuität und Wandel in der venezianischen Ausstellungspolitik 1895-1948 9783050088037, 9783050045276

La Biennale di Venezia gilt neben der documenta in Kassel als eine der wichtigsten Institutionen der internationalen Kun

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
EINLEITUNG
Forschungssituation
Kapitel 1. Voraussetzungen, Vorbilder und Vorgänger
Kapitel 2. Die Ersten Internationalen Kunstausstellungen 1895—1905
Kapitel 3. Die Weltausstellung Der Kunst I 9 0 7 1914
Kapitel 4. Avantgarde und Tradition - Die Unruhigen I92oer Jahre
Kapitel 5. „ Die Letzten Jahre Des Löwen" Der Ausbau in den 193O ER Jahren
Kapitel 6. Das Neue Imperium und das Ende Des „PANEUROPÄISCHEN" Traums
Kapitel 7. Das Schaufenster des „Neuen Europas" Der Achsenmächte
Kapitel 8. Die Fortsetzung der Aktivitäten! ein Neubeginn?
Schlussbemerkungen
Ausstellungen Italienischer Kunst im Ausland
Quellen und Literatur
Register
Abbildungsnachweise
Tafeln und Abbildungen
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BAND 2 La Biennale di Venezia: Kontinuität und Wandel in der venezianischen Ausstellungspolitik 1895-1948
 9783050088037, 9783050045276

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JAN A N D R E A S MAY LA B I E N N A L E DI V E N E Z I A

STUDI

SCHRIFTENREIHE DES D E U T S C H E N STUDIENZENTRUMS IN V E N E D I G CENTRO T E D E S C O DI STUDI V E N E Z I A N I NEUE FOLGE BAND II

HERAUSGEGEBEN VON KLAUS B E R G D O L T

JAN A N D R E A S MAY

La Biennale di Venezia Kontinuität und Wandel in der venezianischen Ausstellungspolitik 1895-1948

Akademie Verlag

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-05-004527-6 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2009 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN / ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Buchgestaltung: breutypo. Christopher Breu, Berlin Satz: Werksatz Schmidt & Schulz, Gräfenhainichen Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

I

EINLEITUNG

3

FORSCHUNGSSITUATION

9

1

2

VORAUSSETZUNGEN, V O R B I L D E R UND VORGÄNGER

23

Venedig am Fin de Siècle

23

Kunstausstellungen in Europa

27

Die Esposizione Nazionale Artistica 1887

31

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN 1895

I9O5

Die erste Internationale Kunstausstellung der Stadt Venedig 1895 Der venezianische „Salon" in der Giardini

1897—1905

39

39 51

Internationaler Kunstkongress 1905 und Galleria Internazionale d'Arte Moderna 3

4

65

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST I 9 0 7

1914

69

„La plus belle plage du monde" — der Ausbau des Lido di Venezia

69

Antonio Fradeletto und die Konkurrenz

71

Die staatliche Unterstützung und die Pavillons der Nationen

74

Lob und Kritik „Contro Venezia passatista"

82

Die Kunstaustellungen im Schatten des Ersten Weltkrieges

87

AVANTGARDE UND T R A D I T I O N

DIE UNRUHIGEN I92OER JAHRE

Die XII. Internationale Kunstaustellung 1920

95

96

Kunstausstellungen in Italien und Europa

100

Tradition vs. Avantgarde: die Ausstellungen Vittorio Picas

104

Der gescheiterte „Marsch auf Venedig"

111

Venedig schlägt Rom: die „Mostra del Settecento Italiano"

122

INHALTSVERZEICHNIS

5

„ D I E LETZTEN JAHRE DES LÖWEN"

D E R AUSBAU IN DEN 1 9 3 O E R J A H R E N

.

„Biennale di Conciliazione": von der Stadt zum Staat?

126

Der Ausbau in den Giardini

131

Die neuen Festivals für Musik, Film und Theater

138

Das internationale Musikfestival „Cinema diventa arte" — die erste Internationale Filmkunstschau 1932

139 . . . .

Die Stadt als Bühne — das Freilufttheater

6

7

I25

141 145

„Völkerbund der Künste" — die internationalen Aktivitäten

146

Die Welt zu Gast: Hitler, Tizian, Hollywood

152

Das erste Treffen Hiüer — Mussolini 1934

153

Die große Tizian-Ausstellung 1935

155

Hollywood vs. Europa — die Gründung der Internationalen Filmkammer 1935

157

„Primato della civiltà romana" — Paris 1935

160

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N " T R A U M S

. .

163

Die Krise der Biennale und die Neuorganisation

164

Das neue Imperium und die Boykotte der Kunstausstellung 1936

167

Die faschistisch-nationalsozialistische Zusammenarbeit

170

Im Übergang: Internationalität vs. Bündnistreue

174

„La Grande Illusion" 1937

175

Internationalists in a „Peaceful" Europe 1938

179

Das neue Gesetz von 1938

183

Die neue Infrastruktur und das Ende der Internationalität

186

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N E U R O P A S " DER A C H S E N M Ä C H T E

I94

Die internationalen Kunstausstellungen 1940 und 1942

195

„Cinema è l'arma più forte!" — die Filmkunstschau und die europäische Film-

8

autarkie

203

Die Biennale während der Republik von Salò

207

DIE FORTSETZUNG DER A K T I V I T Ä T E N : EIN NEUBEGINN?

2I7

Venedig 1945: Kontinuität im Wandel

218

Die Biennale setzt ihre Aktivitäten fort „Die olympischen Spiele der europäischen Malerei" 1948

220 223

Epilog — Das Schicksal der Akteure

229

SCHLUSSBEMERKUNGEN

23I

AUSSTELLUNGEN I T A L I E N I S C H E R KUNST IM AUSLAND

239

INHALTSVERZEICHNIS

QUELLEN UND LITERATUR

24I

REGISTER

289

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

2ÇJ

TAFELN UND A B B I L D U N G E N

299

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BRAMANTI-

Einladung zur Eröffnung der XIX. Internationalen Kunstausstellung in Venedig am 12. Mai 1934

VORWORT

Die vorliegende Arbeit entspricht mit Ausnahme einiger Ergänzungen und Korrekturen meiner Dissertation gleichen Titels, die im Dezember 2006 im Fachbereich I - Geisteswissenschaften der Technischen Universität Berlin eingereicht und am 4. Juni 2007 verteidigt wurde. Mein Interesse an der Biennale begann im Jahr 1999 in einem Hauptseminar bei meiner Professorin Gabriele Bickendorf an der Technischen Universität Berlin. Nach einem Referat zur Geschichte einiger Pavillons der Nationen und einer anschließenden Seminararbeit hatte mich das Thema gefesselt. Anstoß gaben vor allem die Hinweise von Frau Bickendorf, dass hier noch zahllose Forschungslücken zu schließen wären. Schließlich reifte der Entschluss, meine Magisterarbeit zu den Pavillons der Nationen zu schreiben, fur die ich im Sommer 2001 mehrere Wochen in Venedig arbeitete. Nach einem Abstecher in die Privatwirtschaft entschied ich mich Anfang 2004 zu einer Dissertation über die Geschichte der Biennale und ihre Bedeutung für die venezianische Kunst- und Kulturpolitik. Angeregt durch meine Tätigkeit am heutigen Center for Metropolitan Studies und die Betreuung durch Professor Heinz Reif bekam die Arbeit einen stadthistorischen Schwerpunkt, ohne dabei die kunsthistorischen Aspekte außer Acht zu lassen. Die Entstehung dieser Publikation hat eine lange Vorgeschichte und wäre ohne die hilfreiche Unterstützung einer Vielzahl von Freunden, Kollegen und Personen nicht möglich gewesen. Ermöglicht wurde mir die Arbeit in Venedig durch ein i2monatiges Stipendium des deutschen Studienzentrums in Venedig, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich für seine Unterstützung danke. Dessen Sitz im Palazzo Barbarigo della Terrazza am Canal Grande wurde zu meinem unvergleichlichen Arbeitsplatz und gleichzeitig zu meiner venezianischen Heimat. Der Palazzo Barbarigo war für mich der Ort einer intensiven Forschungsgemeinschaft. Hervorheben möchte ich Maxi Bade, Diana Blichmann, Georg Christ, Robert Fajen, Svenja Frank, Michael G. Fritz, Almut Goldhahn, Arne Karsten, Peter Lüdemann, Benjamin Paul, Rolf Petri, Ruth Schilling, Sven Tjarks mit denen mich nicht nur die Forschungsarbeit verband. In Venedig konnte ich die umfangreichen Bestände des venezianischen Stadtarchivs, der Bibliothek des Museo Correr, der Bibliothek Querini Stampalia, der Peggy Guggenheim Collection und natürlich der Biblioteca Marciana nutzen. Trotz der oft zu überwindenden bürokratischen Hürden, Einschränkungen und Sonderregelungen waren die Arbeitsbedingungen stets hervorragend. Ganz herzlich danke ich allen Mitarbeitern dieser Institutionen. Während dieser venezianischen Aufenthalte ergab sich weiterer internationaler Aus-

2

VORWORT

tausch. Hervorheben möchte ich Alesssandro Alfier, Hanne Borchmeyer, Giorgio Busetto, Mariani Dembele, Marylène Malbert, Vittoria Martini, Ulrike Rehwagen, Angela Roberts, Krystina Stermole, Lisa Welzhofer und Daniel Wittstock. Durch Alan Chong, den Kurator des Isabella Stewart Gardner Museums in Boston, den ich auf der Piazzetta kennen lernte, konnte ich im Sommer 2005 für zwei Monate in den USA weiterforschen. Als Scholar in Residence war es mir möglich, in diversen Privatarchiven und Bibliotheken mehr über das kulturelle Leben in Venedig und insbesondere die Rolle der amerikanischen und englischen Expatriates um 1900 zu erfahren. Die Zeit im Kutschenhaus wird mir unvergessen bleiben. Ich danke Pieranna Cavalchini, Anne Hawley, Richard Lingner und Becky Robbins. Weitere Forschungen führten mich Ende 2005 ans Deutsche Historische Institut in Rom, wo ich vor allem Lutz Klinkhammer für seine Ermutigung danke, mich dort als Stipendiat zu bewerben. Ohne die Unterstützung des DHI wäre die Arbeit im Archivio Centrale dello Stato, dem Archiv der Galleria Nazionale d'Arte Moderna, im Centro Sperimentale di Cinematografia, der British Academy und der Bibliothek des Palazzo Venezia nicht möglich gewesen. Sehr dankbar bin ich dem Direktor Michael Matheus, der es mir ermöglichte, meine Forschungen in Florenz weiterzuführen, da die Biblioteca Hertziana geschlossen war. Das Kunsthistorische Institut in Florenz mit seiner Bibliothek war der perfekte Ort, um die Recherchen in zeitgenössischen Publikationen fortzusetzen. Abschließen konnte ich meine Arbeit während eines halbjährigen Stipendiums des von der DFG geförderten transatlantischen Graduiertenkollegs Berlin-New York „Geschichte und Kultur der Metropolen im 20. Jahrhundert" in Berlin. Dieses Stipendium habe ich der Vermittlung durch meinen Betreuer Professor Heinz Reif zu verdanken. Dadurch war es mögich, in einer perfekten Arbeitsatmosphäre bis Weihnachten 2006 meine Arbeit abzuschließen, um sie dann im Sommer 2007, verteidigen zu können. Auch das Jahr 2007 war geprägt von der Biennale. Durch diverse Zufälle konnte ich intensiv mit Ursula Zeller und Katia Reich an einer Publikation zum deutschen Beitrag zur Biennale arbeiten. Ohne Friedhelm Hütte wäre dieser Kontakt nicht zustande gekommen. Zum Schluss möchte ich ganz herzlich Herrn Professor Klaus Bergdolt, dem Präsidenten des Deutschen Studienzentrums, und dessen Direktor Uwe Israel danken, die sich dafür einsetzten, dass ich in dieser Reihe publizieren kann. Das Manuskript hätte nicht vollendet werden können ohne die tatkräftige Unterstützung von Familie und Freunden. Meinen Eltern Ildikò und Manfred May haben ich sehr viel zu verdanken. Lance Anderson, Almut Goldhahn, Sandra Grabec, Gianni Grappa, Signe Karkow, Arne Karsten, Benjamin Paul, Margit im Schlaa, Christina Thomson und Thomas Weihe bin ich sehr dankbar für ihre intensive Hilfe. Motiviert und inspiriert hat mich in den letzten Jahren vor allem Natalia Vershai, tausend Dank für alles. Berlin, August 2009

EINLEITUNG

er ist die Beherrscherin der Künste? Diese Frage beschäftigt Kunstschaffende und

W

Kritiker aller Kulturen seit Jahrhunderten. Venedig hat eine klare Antwort darauf: Es

ist die Biennale di Venezia1, die sich im gleichen Selbstverständnis, wie sich die sie beherber-

gende Stadt als Beherrscherin der Meere bezeichnet, als Beherrscherin der Künste bezeichnet werden kann. Wo sonst ist es gelungen, unter dem Dach einer Institution die unterschiedlichsten Spielarten des kreativen Schaffens zu vereinigen? Angefangen bei Malerei, Skulptur, Kunsthandwerk, über Musik, Theater und Film bis hin zur Architektur und Tanz hat man in Venedig im Laufe der letzten 114 Jahre eine international renommierte Institution geschaffen, ohne die die moderne Kunstwelt heute kaum vorstellbar ist. Im Rahmen vielfältiger kultureller Aktivitäten wurden die Weichen gestellt, um Venedig zu einer der ersten Adressen der internationalen Kunstwelt zu machen. Von der Ausstellung von Kunst und Kunsthandwerk über die Präsentation von Filmen und die Durchführung internationaler Musik- und Theaterfestivals bis hin zur Förderung des Tourismus — die Organisation verschiedener kultureller Veranstaltungen wurde zu einem der Hauptakteure der städtischen Kulturpolitik und inspirierte zahllose Ausstellungsreihen und Festivals in aller Welt. Dem Erfolgsgeheimnis dieser Institution, die 1895 als kleine städtische Kunstausstellung in einer umgebauten Reithalle begonnen hatte, will die vorliegende Publikation auf den Grund gehen. Wie konnte sie über einen so langen Zeitraum Erfolg haben? Wie konnte sie gegen die Konkurrenz im In- und Ausland bestehen? Wer war hinter den Kulissen verantwortlich für die Organisation, die erfolgreiche Expansion und die fast durchgängige Offenheit gegenüber allen Spielarten der zeitgenössischen Kunst, der Musik und des Films? Während der Großteil der bisher erschienen Arbeiten Teilaspekte des gesamten kulturellen Programms beschreibt, geht es hier darum, die Geschichte der Biennale als kulturpolitische Institution in den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesamtzusammenhang einzuordnen und den Entscheidungsspielraum der Ausstellungsmacher im Wechselspiel zwischen dynamisch sich ändernder Rahmenbedingungen und institutioneller Eigenlogik zu analysieren. Nicht nur die Entwicklung der alle zwei Jahre wiederkehrenden Internationalen 1 In dem vorliegenden Text wird der Begriff Biennale

wie die Internationale Filmkunstschau, das Internationale

ausschließlich für die 1930 entstandene, autonome Kör-

Theaterfestival oder Internationale Kunstkongresse orga-

perschaft Esposizione Biennale Internazionale d'Arte di

nisierte und durchführte. Bis 1930 wurde nur die Inter-

Venezia genutzt, die neben der Internationalen Kunst-

nationale Kunstausstellung präsentiert, die den Fokus der

ausstellung

vorliegenden Untersuchung von 1895 bis 1930 bildet.

verschiedene

kulturelle

Veranstaltungen

4

EINLEITUNG

Kunstausstellung, der namensgebenden Biennale, muss beschrieben werden, sondern neben den direkt beteiligten Akteuren auch Bürgermeister, Präsidenten, Minister und deren Rollen. Auf der Untersuchung der Bedeutung der Biennale als Instrument der Kulturpolitik für Stadt und Staat, Wirtschaft und Propaganda, ausstellende Nationen und Künstler liegt der Fokus der vorliegenden Arbeit. Um deren Bedeutung zu verstehen, sollen zunächst die Beweggründe der städtischen Führung gegen Ende des 19. Jahrhunderts untersucht werden, in Venedig eine Internationale Kunstausstellung auszurichten. Wie wurde diese Ausstellung ausgebaut, abgesichert und finanziert? Welche Probleme ergaben sich innerhalb, aber vor allem außerhalb der Stadt, die eine Gefahr für den weiteren Erfolg der Ausstellung darstellten? Wie gelang es, unterschiedlichste Interessengruppen in die Ausstellung einzubinden — von Königshaus, lokaler Politik, Wirtschaft, Gastronomie, Hôtellerie etc. bis zu den zahlreichen Kommissaren der nationalen Säle und Pavillons? Die Untersuchung der Bedeutung der Rollen des italienischen Staates, der Ministerien und der Staatsoberhäupter für die Biennale bildet den zweiten wichtigen Forschungsschwerpunkt dieser Arbeit. In welcher Weise veränderte sich die Beteiligung staatlicher Stellen zwischen den drei Polen rein repräsentativer Schirmherrschaften, substantieller finanzieller Unterstützung und inhaltlich-personeller Eingriffe und Kontrollmöglichkeiten? Die besondere Verbindung der Biennale zum italienischen Königshaus, die von Beginn an durch das Patronat des Königspaares gegeben war, sollte fast bis zum Ende des Untersuchungszeitraums erhalten bleiben. Das dritte Untersuchungsfeld ist die globale Bedeutung der Internationalen Kunstausstellung, die von Beginn an ihr zentrales Charakteristikum und Alleinstellungsmerkmal war. Schon bei der ersten Internationalen Kunstausstellung von 1895 spielte das Patronat international bedeutender Künsder eine sehr wichtige Rolle. Wie wurde diese Internationalität mit nationalen Sälen und dem Bau der nationalen Pavillons weiterentwickelt? Was waren die Motive der teilnehmenden Länder? Mit der Verstaatlichung wurde ein Großteil der Beiträge von offiziellen Stellen organisiert, um sich bei der Internationalen Kunstausstellung mit der eigenen auswärtigen Kulturpolitik zu präsentieren. Diente die Internationale Kunstausstellung einerseits als Ort, um sich einen Überblick über die Kunst der teilnehmenden Länder zu verschaffen, war sie andererseits wichtigster Organisator von italienischen Kunstausstellungen im Ausland. Besondere Berücksichtigung findet dabei die exponierte Rolle, die die Biennale in der kulturellen Zusammenarbeit zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien spielte. Zum vierten wird ein weiterer Fokus auf die personelle Kontinuität in der Organisation der Biennale gelegt. So gab es in dem untersuchten Zeitraum von etwa 50 Jahren nur vier Generalsekretäre (Antonio Fradeletto, Vittorio Pica, Antonio Maraini, Rodolfo Pallucchini) und vier die Institution entscheidend prägende Präsidenten (Riccardo Selvatico, Filippo Grimani, Giuseppe Volpi di Misurata, Giovanni Ponti). Andere, im Hintergrund agierende Personen wie der Kunstkritiker Ugo Ojetti, der technische Direktor Romolo Bazzoni, aber

EINLEITUNG

5

auch die Mitarbeiter des Ausstellungssekretariats Elio Zorzi, Domenico Varagnolo oder Giulio Baradel waren teilweise über Jahrzehnte an den Aktivitäten der Biennale beteiligt. Nach dem Zweiten Weltkrieg leiteten der Kunsthistoriker Rodolfo Pallucchini und der christdemokratische Politiker Giovanni Ponti die Biennale bis 1956. Bei der Länge des untersuchten Zeitraums ist es nicht möglich, detailliert auf die ausgestellte Kunst, die gezeigten Filme oder aufgeführten Theaterstücke einzugehen. Hier werden ausschließlich grundlegende Tendenzen aufgezeigt, um die Bedeutung der Biennale in den jeweiligen Jahren zu veranschaulichen. Die Ausnahme bilden politisch intendierte Kunstwerke, Filme oder Theaterstücke, denen eine besondere propagandistische Rolle zugedacht war. Für die Analyse einzelner nationaler Beiträge oder Pavillons wird auf die einschlägige Literatur verwiesen. Die Arbeit beschränkt sich auf die Auswertung der Kritik in den westeuropäischen Ländern Frankreich, England und Deutschland und den USA. Vereinzelt wurden zwar auch Texte aus Österreich oder der Schweiz berücksichtigt, nicht aber die Rezeption der zahlreichen ausstellenden Länder aus Nord-, Mittel- und Südosteuropa. Die Arbeit ist in ihren Grundzügen chronologisch aufgebaut, wobei die unterschiedlichen Phasen der Geschichte der Biennale in verschiedenen Themenblöcken zusammengefasst sind. Durch die chronologische Aufteilung lassen sich die verschiedenen Phasen der institutionellen Entwicklung der Ausstellung am schlüssigsten darstellen. Die Analyse beginnt mit einem Kapitel über die Situation der Stadt Venedig am Ende des 19. Jahrhunderts mit ihren wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Problemen. Welche Rolle spielte die Kunst zu dieser Zeit? Was waren die Beweggründe, aus denen heraus Touristen in die Stadt kamen? Welche Gründe waren ausschlaggebend für die Durchführung der großen Kunstausstellung von 1887, die als Vorläuferin der Internationale Kunstausstellung gelten muss? Daneben wird kurz auf die internationalen Vorbilder eingegangen. Vor diesem Hintergrund wird die Entstehung der ersten Internationalen Kunstausstellung von Venedig dargestellt, einschließlich der ausgestellten Kunst, der Reaktionen und der künstlerischen und finanziellen Ergebnisse. Das zweite Kapitel widmet sich den Internationalen Kunstausstellungen zwischen 1907 und 1914. Bei der 1907 beginnenden Errichtung der nationalen Pavillons wurden, ähnlich wie bei den Weltausstellungen, gleichzeitig zeitgenössische Architektur und Kunsthandwerk präsentiert. Im Laufe dieser ersten 20 Jahre entstanden in Venedig durch die Internationale Kunstausstellung beeinflusste Institutionen. Dazu gehören vor allem die durch eine Stiftung entstandene Galleria d'Arte Moderna in Ca' Pesaro und die Ausstellungsaktivitäten der Fondazione Bevilacqua La Masa unter Nino Barbantini. Das dritte Kapitel beschreibt den Neubeginn nach der durch den Ersten Weltkrieg verursachten Zwangspause. Die Ausstellungsreihe wurde ab 1920 fortgesetzt, wobei sich in den ersten Ausstellungen die schwierige gesamtpolitische Situation widerspiegelt. Die Internationale Kunstausstellung musste sich in Italien und im Ausland gegen die Gründung neuer Ausstellungsreihen durchsetzen. Hinzu kam der Kampf um die vorherrschende Kunstrichtung im faschistischen Italien, die vor allem von den Futuristen und dem Novecento

6

EINLEITUNG

gegen die etablierte Akademie-Kunst und die Abhängigkeit von der Pariser Schule geführt wurde. Durch die grundsätzliche Neuordnung des Ausstellungssystems im faschistischen Italien Ende der 1920er Jahre werden an dessen Spitze die drei sich inhaltlich ergänzenden Ausstellungsreihen Biennale di Venezia, Triennale di Milano und die Quadriennale di Roma etabliert. Insgesamt trat die Bedeutung der Stadt Venedig zugunsten des Staates zurück, was sich in der institutionellen Neuordnung und der Schaffung einer autonomen Körperschaft zeigte. Aus der nunmehr straff hierarchisch organisierten Ausstellung wurde unter der Leitung des Präsidenten Volpi di Misurata und des Generalsekretär Maraini ein wichtiger Baustein beim Ausbau Venedigs zu einem internationalen Zentrum der Kunst-, Film- und Musikwelt. In kurzer Folge entstanden ein Internationales Musikfestival, die Internationale Filmkunstschau, ein Internationales Theatertreffen und andere in- und ausländische Aktivitäten. Baulich manifestierte sich diese Entwicklung durch Pavillon-Neubauten auf der Insel Sant' Elena, den Filmpalast am Lido, die Schaffung des ASAC (Archivio Storico d'Arte Grafmporanea) und andere wichtige städtebauliche Aktivitäten. In fünften Kapitel soll untersucht werden, welche Auswirkungen die aggressive Kriegspolitik Mitte der 1930er Jahre auf die Aktivitäten der Biennale hatte. Verstärkt wurde die problematische Situation durch interne Probleme. In dieser Phase begann die Annäherung an das nationalsozialistische Deutschland, die sich auf das Gebiet der bildenden Künste und vor allem des Films erstreckte. Doch blieb nach der Aufhebung der Boykotte des Völkerbunds die internationale Ausrichtung der Biennale erhalten, was zu Spannungen zwischen den Achsenpartnern führte. In dieser Phase des Übergangs erlebten die Internationale Kunstausstellung und die Filmkunstschau ihre Höhepunkte in den 1930er Jahren. Hinzu kam der massive infrastrukturelle Ausbau der Biennale, der von der Überzeugung der Verantwortlichen getragen war, eine große Zukunft vor sich zu haben. Im sechsten Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, welche Rolle die Biennale während des Zweiten Weltkriegs spielte. In welcher Form wurden die Aktivitäten fortgesetzt? Was waren die politischen Absichten der ausstellenden Nationen? Wie gelang es, den internationalen Charakter aufrecht zu erhalten, obwohl nach und nach immer weniger Länder teilnahmen? In dieser Phase der engen Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Deutschland zeigte sich die Bedeutung, die den einzelnen kulturellen Bereichen der Biennale von Seiten der faschistischen und nationalsozialistischen Verantwortlichen beigemessen wurde. Auch nach dem vorläufigen Zusammenbruch des Faschismus 1943, der Gründung der Republik von Salò und der Besetzung Italiens durch die deutsche Wehrmacht beschäftigte man sich mit der Zukunft der Biennale. Das letzte Kapitel stellt die Entwicklung der Biennale seit 1945 dar. Vom Krieg weitgehend verschont, konnten in Venedig bereits 1945 die Austellungsaktivitäten fortgeführt werden. Basierend auf dem institutionellen und infrastrukturellen Ausbau der 1930er Jahre sollten die Aktivitäten ab 1946 fortgesetzt werden. Wie ist dieser schnelle Neubeginn zu erklären? Vieles erweckt den Anschein einer reinen Fortsetzung der alten Aktivitäten: Ein Großteil der

EINLEITUNG

7

Mitarbeiter blieb erhalten und es konnten nun wieder unter neuen politischen Voraussetzungen Ausstellungen und Festivals organisiert werden. Ein wichtiger Aspekt ist, dass der Generalsekretär Pallucchini Peggy Guggenheim gewinnen konnte, ihre Sammlung auf der Internationalen Kunstausstellung zu präsentieren. Im Epilog werden kurz die Schicksale der Hauptakteure Giuseppe Volpi di Misurata und Antonio Maraini nach 1945 beschrieben. Ergänzend findet sich am Ende dieser Arbeit eine umfangreiche Bibliographie. Dazu kommen zahlreiche Abbildungen, die das Beschriebene graphisch darstellen.

FORSCHUNGSSITUATION

m Laufe der letzten Jahre erfuhr das Forschungsfeld der großen internationalen Aus-

I

stellungen einen inflationären Zuwachs; dabei konzentrierte sich das Interesse meist auf

die Weltausstellungen, die seit 1851 in den Großstädten der westlichen Welt stattfanden. Zwar

wurden auch teilweise die in deren Rahmen durchgeführten Kunstausstellungen berücksichtigt, aber ein eigenes Forschungsgebiet ist hier erst in Ansätzen entstanden.1 Besonders intensiv wurden von unterschiedlichen Forschungsprojekten des Deutschen Forums Kunstgeschichte in Paris das Ausstellungswesen in Paris untersucht, wobei vor allem die Rezeption deutscher Kunst in der Kunsthauptstadt Europas berücksichtigt wurde.2 Zu den wichtigsten und traditionsreichsten Kunstausstellungsreihen, den Salons in Paris, existieren zahlreiche Arbeiten, wobei deren internationale Bedeutung in der Kunstwelt des 19. und 20. Jahrhunderts bisher nicht hinreichend untersucht worden ist. Einen Überblick über die Ausstellung moderner Kunst zwischen 1900 und 1916 bieten die zwei Bände von Douglas E. Gordon, die es auch ermöglichten, die venezianischen Ausstellungen in den europäischen Kontext einzuordnen.3 Umfangreich sind die bisherigen Forschungen zu den direkten Vorbildern der ersten Internationalen Kunstausstellung der Stadt Venedig, den internationalen Ausstellungen der Münchener Künstlergenossenschaft und der Münchener Secession, die ab 1869 stattfanden. Auch die Internationale Kunstausstellung wurde aus kunsthistorischer Sicht häufig untersucht, doch die Entwicklung der Institution Biennale und deren Bedeutung für das kulturelle Leben in Venedig und Italien ist dabei meist zu kurz gekommen. Es hat den Anschein, dass die Untersuchung von Kunstausstellungen zwischen den Fachgebieten Stadtgeschichte und Kunstgeschichte bisher keinen adäquaten Platz gefunden hat. Die Forschung zur Geschichte lässt sich an einem Beispiel demonstrieren. Im Herbst 2005 wurde zum 110-jährigen Bestehen 1 Vgl. Ekkehard Mai, Expositionen: Geschichte und Kritik

(Hg.), Distanz und Aneignung. Kunstbeziehungen zwi-

des Ausstellungswesen, München 1986 u. Elizabeth Gil-

schen Deutschland und Frankreich 1870-1945, Berlin 2004

more Holt, The triumph of art for the public: the emerging

u. Friederike Kitschen/Julia Drost (Hg.), Deutsche Kunst -

role of exhibitions and critics, Washington/D.C. 1980, The

Französische Perspektiven 1870-1945. Quellen und Kom-

Expanding World of Art 1874-1902. Universal Exhibitions

mentare zur Kunstkritik, Berlin 2007.

and State-Sponsored Fine Arts Exhibitions, New Haven/

E. Gordon, Modern Art Exhibitions 1900-1916. Ausge-

London 1988.

wählte Katalogdokumentation, 2. Bde., München 1974.

2 Vgl. u.a. Andreas Holleczek und An-

3 Vgl. Douglas

drea Meyer (Hg.), Französische Kunst. Deutsche Perspek-

Das Buch erfasst 851 Ausstellungen moderner Kunst in

tiven, 1870-1945. Quellen und Kommentare zur Kunst-

15 Ländern und 82 Städten.

kritik, Berlin 2004; Alexandre Kostka/Francoise Lucbert

10

FORSCHUNGSSITUATION

der Biennale die englische Übersetzung einer Gesamtdarstellung der Geschichte der Biennale von Enzo Di Martino vorgestellt.4 Dieses in abgewandelter Form 1982 zuerst erschienene Werk ist die bisher einzige existierende Publikation, die sich mit der Geschichte der Biennale von deren Anfängen bis zur Gegenwart befasst. Leider handelt sich dabei nicht um eine wissenschaftliche Publikation, sondern um einen oberflächlichen Blick auf die Ereignisse der Biennale, wobei zahllose Lücken, Verharmlosungen und ähnliches zu finden sind. Im Laufe der letzten Jahrzehnte erschienen zahlreiche Studien zu einzelnen Epochen, Aspekten oder nationalen Beiträgen zur Internationalen Kunstausstellung der Stadt Venedig. Dabei wurden meist die Bestände des Archivs der Biennale, dem Archivio Storico delle Arti Contemporanee (ASAC) konsultiert, die sich im Palazzo Ca' Corner della Regina in Venedig befinden.5 In diesem 1928 gegründeten Archiv wurden und werden die Dokumente des Ausstellungssekretariats, Kataloge, Bücher, Zeitschriften, Filme, Musik und Kunstwerke gesammelt. Seit 1975 hatte das Archiv seinen Hauptsitz in Ca' Corner della Regina, welcher zu einem modernen Forschungszentrum mit den damals möglichen Methoden der elektronischen Archivierung und Katalogisierung ausgebaut wurde. Dieser schier unerschöpfliche Fundus an Sitzungsprotokollen, Korrespondenz und sonstigen Originaldokumenten ist seit 2003 nur sehr eingeschränkt zugänglich und die weitere Zukunft dieses Archivs zur Erforschung der Kunst des 20. Jahrhunderts ist weiterhin unklar.6 Nachdem anfangs angedacht worden war, trotz dieser Einschränkungen mit den Beständen des ASAC zu arbeiten, wurde nach Sichtung anderer Archive in Venedig und Rom entschieden, diese vollständig auszusparen. Diese Ausgangssituation, die zunächst ein Problem darstellte, stellte sich im Laufe der Forschungsarbeit als Vorteil dar. Denn somit war es möglich geworden, die Biennale von Außen zu untersuchen, ohne sich in den Beständen des ASAC zu verlieren. Die bisherige Konzentration auf die im ASAC zu findenden Quellen verengte den Blick der Forschungsarbeiten erheblich, da hierbei die Gefahr besteht sich in Details der zahllosen Korrespondenz zwischen Ausstellungssekretariat, Künstlern, Galerien, Museen und anderen Beteiligten zu verlieren. Dadurch konnten zwar einzelne Länderbeiträge oder die Einzelausstellungen gut rekonstruiert werden, doch grundsätzliche Fragestellungen konnten so nicht geklärt werden. Durch die Arbeit in zahlreichen anderen Archiven war es möglich, die Bedeutung der Internationalen Kunstausstellung und der anderen von der Biennale organisierten kulturel-

4 Vgl. Enzo D i M a r t i n o , T h e H i s t o r y of t h e Venice Bien-

W l a d i m i r o D o r i g o u . a., „L'automazione dell'Archivio sto-

nale 1895-2005. Visual Arts, Architecture, C i n e m a , D a n c e ,

rico delle arti c o n t e m p o r a n e e " , in: A n n u a r i o 1977. Eventi

Music, T h e a t r e , Venedig 2005.

5 Vgl. W l a d i m i r o D o -

del 1976, Venedig 1976, S. 1101-1133; ASAC (Hg.), L'Ar-

rigo, „L'Archivio storico delle arti c o n t e m p o r a n e e : storia,

chivio storico delle arti c o n t e m p o r a n e e a Ca' C o r n e r della

situazione, prospettive", in: ASAC (Hg.), A n n u a r i o 1975.

Regina, Venedig 1976.

Eventi 1974, Venedig 1975, S. 698-706; Giorgio Bellavitis,

chivio Storico delle Arti C o n t e m p o r a n e e della Biennale.

„ N o t e sul restauro di Palazzo C o r n e r della Regina e sull'u-

Protesto per l'Archivio: u n tesoro incompreso", in: II Gior-

so t e m p o r a n e o del p i a n o t e r r a c o m e spazio espositivo", in:

nale dell'Arte, Nr. 259, N o v e m b e r 2006, S. 6.

ASAC (Hg.), A n n u a r i o 1976. Eventi del 1975, S. 897-908;

6 Vgl. Guglielmo Gigliotti, „L'Ar-

FORSCHUNGSSITUATION

11

len Veranstaltungen in die Geschichte der Stadt, des Staates und des europäischen Ausstellungswesens einzuordnen. Im Folgenden sollen die wichtigsten fur diese Arbeit konsultierten Archive kurz vorgestellt werden. Neben dem Archivio Municipale di Venezia (AMV) in Venedig waren das vor allem die Bestände des Archivio Centrale dello Stato (ACS) und der Galleria Nazionale d'Arte Moderna (GNAM) in Rom. Die grundlegenden Erkenntnisse zur Bedeutung der Biennale für die Stadt Venedig ließen sich aus den im Archivio Municipale di Venezia (AMV) gelagerten Akten gewinnen.7 Hier sind die gesamten Akten des Stadtrats (Atti del Consiglio Comunale AdCC) aufbewahrt, aus denen sich die Entscheidungsprozesse, Diskussionen und Konflikte um die Entstehung der nationalen Kunstausstellung von 1887 und der Internationalen Kunstausstellung rekonstruieren lassen. Ergänzend hierzu lassen sich dort zahlreiche Originaldokumente, Briefe, Abrechnungen, Einladungen u. ä. finden. Das offizielle Organ der Stadt Venedig war die Rivista di Venezia, die von 1922 bis 1935 erschien.8 Hier wurde die offizielle Meinung der Stadt wiedergegeben, indem man die Eröffnungsreden, Bilanzen und Besucherzahlen publizierte. Die Bestände des Archivio Centrale dello Stato (ACS) enthalten die gesamten Akten des Ministerpräsidenten (PCM), dem Regierungschef Italiens.9 Die detaillierten Inventare dieser Akten machen es möglich, die Kontakte zwischen Biennale, Stadt und Regierung nachzuvollziehen. Darüber hinaus findet man dort die Akten der unterschiedlichen Ministerien, die für die Ausstellungspolitik Italiens mitverantwortlich waren. Als wichtigste Bestände sollen die des Ministeriums fur öffentliche Bildung/Ministero della Pubblica Istruzione (MPI), ab 1929 Ministerium für nationale Erziehung/Ministero dell'Educazione Nazionale (MEN) hervorgehoben werden. Dort war die Generaldirektion der Altertümer und Schönen Künste/Direzione Generale dell'Antichità e Belle Arti (AABBAA) angesiedelt, die zunächst für das Ausstellungswesen zuständig war. Ab 1907 war die Zeitschrift Bollettino d'Arte das offizielle Organ dieser Generaldirektion, wobei in den ersten Jahren die zeitgenössische Kunst eine marginale Rolle spielte. Erst mit der Umbenennung 1938 zu Le Arti wurde der zeitgenössischen Kunst und Musik und dem zeitgenössischen Theater und Film sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet.10 Die Umbenennung erfolgte zeitgleich mit der Einführung des Ufficio per l'Arte Contemporanea in der Generaldirektion. Das zweite wichtige Ministerium war das zunächst als Sottosegretariato della Stampa e Propaganda gegründete Ministerium für Volkskultur/Ministero della Cultura Popolare (MinCulPop), welches nach dem Vorbild des natio-

7 Die Protokolle der einzelnen Stadtratssitzungen (Atti del

und 1922 18 verschiedene Ministerpräsidenten, die nur in

Consiglio Comunale-AdCC) wurden von 1867 bis 1923 ge-

wenigen Fällen für meine Arbeit relevant sind. Bedeuten-

führt und werden in gebundener Form aufbewahrt. In den

der sind die umfangreichen Akten der Regierungszeit Be-

insgesamt 55 Bänden finden sich alle Informationen

nito Mussolinis (30. Oktober 1922-25. Juli 1943), in denen

zu den politischen Entscheidungen in der Stadt Venedig.

sich dessen Machtkonzentration widerspiegelt.

8 Vgl. Ufficio comunale di statistica (Hg.), Rivista mensile

Bollettino d'Arte del Ministero della Pubblica Istruzione,

della città di Venezia: organo ufficiale del comune di Ve-

Rom/Mailand 1907-1938; Le Arti. Rassegna bimestrale

nezia e del provveditorato al porto, Venedig 1920-1935.

dell'arte antica e moderna, Direzione Generale delle Anti-

9 In dem untersuchten Zeitraum gab es zwischen 1887

chità e Belle Arti (Hg.), 1938-1943.

10 Vgl.

FORSCHUNGSSITUATION

12

nalsozialistischen Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda von Joseph Goebbels organisiert war. Schließlich spielte bei den Aktivitäten im Ausland auch das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten/Ministero degli Affari Esteri (MAE) eine bedeutende Rolle. Zahlreiche neue Erkenntnisse brachte die Auswertung von Teilen des Nachlasses von Antonio Maraini in der Soprintendenza speciale alla Galleria Nazionale d'Arte Moderna (GNAM) in Rom.' 1 Diese Quelle blieb bis auf wenige Publikationen zu den Ausstellungen von 1940 und 1942 in der Forschung zur Biennale weitestgehend unberücksichtigt.12 Dabei finden sich gerade hier Informationen zur Entstehung der einzelnen kulturellen Veranstaltungen der Biennale, die nicht im ASAC zu finden sind. Dies erklärt sich durch die Tatsache, dass der Generalsekretär die einzelnen Ausstellungen nicht in Venedig organisierte, da er seinen Hauptwohnsitz in Florenz hatte. Er arbeitete dort oder in Rom, wo er seinen Pflichten als Generalsekretär des Nationalsyndikats der Schönen Künste nachkam. Außerdem reiste er sehr viel in Italien und im europäischen Ausland. Daher befindet sich die Korrespondenz zwischen ihm und den verantwortlichen Ministern, Staatssekretären, Direktoren und anderen Verantwortlichen in seinem privaten Nachlass. Während seiner Abwesenheit von Venedig delegierte er die Aufgaben an seine Mitarbeiter im Ausstellungssekretariat. Der Bestand wurde von ihm selbst in den 1950er und 1960er Jahren thematisch und chronologisch geordnet, wodurch ein einfacher Zugang zu den gewünschten Informationen möglich ist. Bereits in den 1980er Jahren wurde dieser Bestand von der Kunsthistorikerin Francesca Bardazzi genutzt.13 Doch beschreibt sie ausschließlich die bildhauerische Karriere von Maraini, ohne auf dessen Rolle im faschistischen Kunst- und Ausstellungssystem einzugehen. Während Pasqualina Spadina Anfang der 1990er Jahre zu Maraini arbeitete, wurde der Bestand von der GNAM erworben. 14 Eine weitere aufschlussreiche Quelle ist die umfangreiche Korrespondenz des Journalisten und Kunstkritikers Ugo Ojetti, die ebenfalls in der GNAM zu finden ist.15 Mit allen drei verantwortlichen Generalsekretären Fradeletto, Pica und Maraini korrespondierte er über Fragen der Ausstellung, Organisation, Künstlerauswahl und allgemeine Fragen der Kunstpolitik. Auch seine in Ausschnitten publizierten Tagebücher liefern aufschlussreiche Details.16

11 Der Nachlass v o n A n t o n i o Maraini ist bei Soprinten-

Maraini: la gestione della Biennale di Venezia e del Sin-

denza speciale alla Galleria Nazionale d ' A r t e M o d e r n a er-

dacato nazionale fascista di belle arti; p r i m i risultati di una

halten. Er umfasst 307 Akten, 238 Zeitschriften, 8 große

ricerca d'archivio", in: M a u r i z i o Calvesi ( H g . ) , E 42,2. U r -

Fotoalben Maraini, die in 156 Ordnern untergebracht w u r -

banistica, architettura, arte e decorazione, 1987, S. 2 6 1 -

12 Einzig Massimo del

26;; Pasqualina Spadini, „ A n t o n i o Maraini artista e critico

Sabbato hat diese Quelle in jüngster Zeit untersucht. Ders.,

del ventennio", in: Elena D i M a j o ( H g . ) , O f f i c i n a della cri-

Tra diplomazia e arte: le Biennali di A n t o n i o

tica, R o m 1991, S. 6 9 - 7 6 .

den. I m folgenden G N A M , F M .

(1928-1942), U d i n e 2006.

Maraini

15 Der F o n d o U g o Ojetti be-

13 V g l . Francesca Bardazzi,

steht aus 191 Cartellen, in denen in alphabetischer O r d -

A n t o n i o Maraini scultore, Florenz 1984. Bardazzi war auch

nung die Korrespondenz Ojettis mit ca. 1598 Künstlern,

1986 die Herausgeberin des v o n Maraini Ende der 1920er

Sammlern, Kunstkritikern, Politikern, Schriftstellern etc.

Jahre verfassten, aber niemals veröffentlichten Buchs Scul-

zu finden ist.

tori d'oggi, welches sich mit der Geschichte der Skulptur

Florenz 1954.

bis 1930 befasste.

14 V g l . Pasqualina Spadini, „ A n t o n i o

16 V g l . U g o Ojetti, I Taccuini (1914-1943),

13

FORSCHUNGSSITUATION

Die umfangreichen Tagebücher von Lady Enid Layard sind eine sehr ertragreiche Quelle für das gesellschaftliche Leben in Venedig zwischen 1874 und Layards Tod 1911. 1 7 Die Bedeutung ihres Mannes, die Kunstsammlung und ihre prominenten Besucher ließen sie zur inoffiziellen Botschafterin Großbritanniens in Venedig werden, bei der Vertreter des europäischen Hochadels und der High Society ein- und ausgingen. Daneben ist die wichtigste Quelle der vorliegenden Untersuchung die Analyse der zu jeder Ausstellung erschienenen Kataloge, die im Hinblick auf organisatorische, konzeptionelle und bauliche Neuerungen untersucht werden.18 Diese Kataloge sind in der Regel in mehreren Auflagen erschienen und bieten einen Gesamtüberblick über die ausstellenden Länder und Künstler sowie eine Vielzahl von Abbildungen der präsentierten Kunstwerke. Außerdem lässt sich an den Katalogen der schon von Anfang an sehr hohe Kommerzialisierungsgrad ablesen. Mit den unzähligen Anzeigen regionaler, nationaler und vereinzelt auch internationaler Unternehmen konnte ein Teil der Kosten wieder eingespielt werden. Zum deutschen Beitrag bei den Internationalen Kunstausstellungen in Venedig gibt es mehrere Arbeiten, die zum größten Teil die Bestände des politischen Archivs des Auswärtigen Amtes genutzt haben.19 Dabei ist vor allem die Sicht Carolin Schobers sehr einseitig, da sie fast ausschließlich diese Quellen nutzt, ohne auf die tatsächlichen Reaktionen in Italien oder eine Einordnung in die Ausstellungspolitik Italiens vorzunehmen. Wie bereits Annette Lagler, Christoph Becker u. a. isoliert sie den deutschen Beitrag, wodurch sich zwar durchaus Erkenntnisse für die deutsche Kulturpolitik ergeben, aber die auf Außenwirkung ausgerichteten Ausstellungsteilnahmen nicht in ihrer tatsächlichen Wirkung im Ausland untersucht werden. Für die Zeit von 1936 bis 1943 sehr aufschlussreich ist die Auswertung der Tagebücher von Joseph Goebbels, der Venedig insgesamt vier Mal besuchte. In seiner Funktion als Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda war er verantwortlich für die Reichsfilmkammer und die Reichskammer für Bildende Künste, welche die deutschen Beiträge organisierten.20 Die Internationalen Kunstausstellungen wurde von Beginn an von zahllosen Publikationen begleitet. Durch das Entstehen größerer Autonomie bei den einzelnen Beiträgen wurden die offiziellen Kataloge durch Faltblätter, Broschüren u. ä. zu den einzelnen Pavillons, Regionen, Künstlergruppen ergänzt. Durch diese Begleitpublikationen wurde die Popularität 17 Das Tagebuch der Engländerin Lady Enid Layard (1843—

loge der ersten zwölf Internationalen Kunstaustellungen

1912) befindet sich in 18 Bänden in der British Library in

wurden in den 1970er Jahren als Reprint herausgegeben.

London. Über einen Zeitraum von 51 Jahren finden sich

19 Vgl. Carolin Schober, Das Auswärtige Amt und die

dort 8.000 Seiten mit 14.000 Einträgen. Vgl. Journals of

Kunst in der Weimarer Republik. Kunst- und Kunstge-

Mary Enid Layard, British Library London, 46153-46170

werbeausstellungen als Mittel deutscher auswärtiger

(Bd. I-XVIII) u. Lady Layard's Journal, http://www. browningguide.org/browningscircle.htm.,

23/12/2006.

Kulturpolitik in Frankreich, Italien und Großbritannien, Frankfurt a. M. u. a. 2004.

20 Vgl. Joseph Goebbels, Die

18 Die Kataloge sind seit 1895 lückenlos erschienen. Am

Tagebücher von Joseph Goebbels 1923-1945 im Auftrag

Anfang befinden sich Statuten, Vorworte, Kommissionen

des Instituts für Zeitgeschichte und mit Unterstützung des

und eine Auflistung der einzelnen Beiträge sowie zahlrei-

Staatlichen Archivdienstes Rußlands, hg. v. Elke Fröhlich,

che Abbildungen der ausgestellten Kunstwerke. Die Kata-

München 1993-2005.

14

FORSCHUNGSSITUATION

der Internationalen Kunstausstellungen gesteigert, was sich auch am internationalen Medienecho ablesen lässt. Neben den offiziellen Katalogen erschienen seit 1895 eine Vielzahl von Ausstellungsführern, Zeitschriften, Aufsätzen, Broschüren und ähnliches. Darunter finden sich auch immer wieder die damals stark verbreiteten humoristischen, karikierenden Beschreibungen der Kunstwerke, aber auch des allzu menschlichen Verhaltens von Künstlern, Machern, Kritikern und Besuchern. Wichtigster Medienpartner war das Istituto Italiano d'Arti Grafiche in Bergamo, welches ab 1895 die Kunst- und Kulturzeitschrift Emporium herausgab.21 In ausführlichen, reich bebilderten Berichten trug dieses Medium zur Verbreitung der gezeigten Kunstwerke erheblich bei und veränderte das System der Künste. Zusätzlich gab es Sonderhefte zu den Ausstellungen in Venedig. In diesen, oft den Umfang des offiziellen Katalogs übertreffenden Publikationen wurde bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich die ausgestellte Kunst beschrieben und bewertet. Zu Fragen der Bedeutung der Ausstellungsreihe und deren Organisationsstrukturen sowie der hinter ihr stehenden Personen findet man dort meist sehr wenige Informationen. Hier hat es sich als sinnvoller erwiesen, zu ausgewählten Jahren die beiden großen lokalen Zeitungen Gazzetta di Venezia und L'Adriatico auszuwerten, die umfassend über die Aktivitäten in Venedig berichteten. Sehr hilfreich bei der Ermittlung der national verbreiteten Sichtweise sind die ausgezeichnet bebilderten Beiträge der Zeitschriften Emporium und Illustrazione Italiana.22 Es erscheint unverständlich, warum man bei der bisherigen Erforschung der Geschichte nicht auf dieses wirklich sehr aufschlussreiche Bildmaterial zurückgegriffen hat, sondern immer wieder dieselben Fotografien publizierte. Darüber hinaus fließen in beschränktem Maße die Erkenntnisse aus den Filmbeiträgen der italienischen Wochenschauen der L'Unione Cinematografica Educativa (LUCE) in die Arbeit ein.23 Zur Beurteilung der Bedeutung der Internationalen Kunstausstellung im Ausland wurden für einzelne Jahre einige einschlägige Kunstzeitschriften aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA ausgewertet. Im Verhältnis zur Fülle der Kunstzeitschriften hat die vorgenommene Auswahl einen vergleichsweise geringen Umfang, doch wurden die einflussreichsten, auflagenstärksten oder offiziellen Publikationen von Ministerien, Museen oder Künsdervereinigungen berücksichtigt, die die Meinung einer breiten Masse der Künstlerschaft oder der Regierung des jeweiligen Landes widerspiegeln. Von Seiten der deutschen Kritik nahmen zahlreiche Zeitschriften von Beginn an die venezianische Kunstausstellung wahr und berichteten ausführlich. Da die Biennale an einer deutschen Institution untersucht wird, erscheint es sinnvoll, auch die historische Beschreibung und Beurteilung der deutschen Sichtweise zu berücksichtigen. Vielleicht am besten dafür geeignet ist die Berichterstattung der wöchentlich erschienenen Kunstchronik aus Leipzig, die

21 Emporium

erschien seit 1895 u n d wurde vom Isti-

Archivio Storico des Istituto LUCE in Rom finden sich unter

tuto Italiano d'Arti Grafiche in Bergamo herausgegeben.

dem Schlagwort Biennale 146 Titel. Darunter befinden sich

22 Die illustrazione Italiana wurde von d e m Verlagshaus

Berichte über die Eröffnungen aller Kunstausstellung u n d

Fratelli

Filmkunstschauen zwischen 1928 u n d 1942.

Treves

in

Mailand

herausgegeben.

23 Im

15

FORSCHUNGSSITUATION

zunächst als Beilage der Zeitschrift für bildende Kunst publiziert wurde und mit dem Maler August Wolf einen eigenen Korrespondenten in Venedig hatte.24 Nach dem Ersten Weltkrieg berichtete dann der Kunsthistoriker Detlev Freiherr von Hadeln aus Venedig. Die vom Verlag Bruckmann in München publizierte Zeitschrift Die Kunst für Alle oder Die Kunst." Eine etwas modernere Tendenz vertrat die vom Verlag Bruno Cassirer in Berlin herausgegebene Zeitschrift Kunst und Künstler, die durch die engen Kontakte zur Berliner Galeristen-Szene um die Berliner Sezession deren Ideale teilte.26 Schließlich gab es noch die Zeitschrift Der Cicerone, in der aber vor allem alte Kunst und deren Handel berücksichtigt wurde.27 Zwischen 1927 und 1930 erschien die Zeitschrift Italien. Monatsschrift für Kultur, Kunst und Literatur, die von Werner von der Schulenburg in enger Zusammenarbeit mit Margherita Sarfatti herausgegeben wurde. In der Zeit des Nationalsozialismus berichteten noch Die Weltkunst und Die Kunst aus Berlin.28 Auffällig ist, dass in den Anfangsjahren die französische Kunstkritik kaum Notiz von der venezianischen Ausstellung genommen hat; hier konzentrierte sich der Großteil der Zeitschriften auf Paris selbst. Die Revue d'Information artistique, die ab 1923 von der Kunstzeitschrift Gazette des Beaux Arts herausgegeben wurde, berichtete vereinzelt über die Aktivitäten in Venedig. Erst ab Beginn der 1930er Jahren waren in der Nachfolgezeitung Beaux-Arts regelmäßig Berichte über die venezianischen Aktivitäten zu finden. Auch Art et Decoration, L'Amour de l'art und Formes berichteten über einzelne Ausstellungen. Die Meinung des Musée du Luxembourg, dem Pariser Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts, ließ sich in der Revue de l'Art ancien et moderne finden.29 Aus London berichtete regelmäßig The Studio, wo auch die Generalsekretäre Pica und Maraini Artikel publizierten.30 In den USA gab es Art News, American Magazine of Arts und Art Digest. Festgehalten werden muss, dass diese Auswahl nur einen Teil der US-amerikanischen Kritik berücksichtigt. Eine Auswertung der Zeitschriften aus Nord- und Osteuropa scheiterte an der Sprachbarriere, so dass hier nur die offiziellen Vorworte im Katalog der einzelnen Ausstellungen berücksichtigt werden konnten. 2 4 Die Kunstchronik. gewerbe

Kunst-

rone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstfor-

erschien von 1866 bis 1918 bei dem Verlag See-

schers & Sammlers erschien von 1909 bis 1930 in Leipzig.

Wochenschrift für Kunst und

mann in Leipzig. Von 1919 bis 1926 erschien sie gemein-

2 8 Vgl. Die Weltkunst. Illustrierte

sam mit der vorher parallel verkauften Zeitschrift

nationale Zentralorgan für Kunst/Buch/Alle

markt unter dem Titel: Kunstchronik chenschrift

für Kenner

Kunst-

und Kunstmarkt.

und Sammler.

2 5 Die Kunst

Wofür

Wochenschrift. Das interSammel-

gebiete und ihren Markt, Weltkunst-Verlag GmbH, Berlin 1 9 3 0 - 1 9 4 4 . Diese Zeitschrift war aus Die Kunstauktion

her-

Alle erschien von 1885 bis 1943. Sie ist als eher konservativ

vorgegangen und erschien auch in England/USA (Art of the

einzuschätzen. Vgl. auch Klaus Achim Hübner, „Die Kunst

world) und Frankreich (Le Monde des Arts).

für Alle": ein Beitrag zur Geschichte der Kunstzeitschrift,

Revue de l'art ancien et moderne erschien von 1897 bis 1937

Univ.-Diss., Freie Universität, Berlin 1954. Genauso die

in Paris und stand der offiziellen Ausstellungspolitik des

von 1900 bis 1944 erscheinende Die Kunst:

Musée du Luxembourg und dessen Kuratoren

für freie und angewandte 2 6 Kunst und Künstler.

Monatshefte

Kunst aus dem gleichen Verlag. Illustrierte

dende Kunst und Kunstgewerbe

Monatsschrift

ßr

bil-

erschien von 1903 bis 1933

im Verlag von Bruno Cassirer in Berlin.

2 7 Der Cice-

2 9 Die

nahe.

30 The Studio wurde zwischen 1893 und 1974 in London herausgegeben und war insbesondere in den Anfangsjahren sehr konservativ eingestellt.

ι6

FORSCHUNGSSITUATION

Erstmals wurde die Gesamtgeschichte der Internationalen Kunstausstellung 1912 unter dem Titel „Cronistoria della Esposizione internazionale d'Arte della Città di Venezia" von Alessandro Stella beschrieben.31 Dieser präsentierte einen mit Statistiken und Zahlen reich ausgestatteten Gesamtüberblick über die kunsthistorische Bedeutung der Ausstellungsreihe mit einigen durchaus kritischen Bemerkungen. Erst nachdem der neue Generalsekretär Maraini 1928 das Istituto Storico d'Arte Contemporanea gegründet hatte, kümmerte sich das Ausstellungssekretariat um die Geschichtsschreibung. Unter der Leitung von Domenico Varagnolo begann man hier, alle die Biennale betreffenden Dokumente, Bücher, Artikel, aber auch Fotos, Filme und Kunstwerke zu sammeln. Seit 1930 bekam diese Institution den Namen Archivio Storico d'Arte Contemporanea (ASAC). Nachdem die Internationale Kunstausstellung zu einer autonomen Körperschaft geworden war, wurde 1932 eine umfassende historische und statistische Darstellung seit ihrer Gründung 1895 verfasst.32 Diese vom Präsidenten Volpi herausgegebene Publikation stellte die offizielle Geschichte der Biennale dar. Dabei wurden auch die Probleme und Konflikte der Vergangenheit klar benannt und auch der Konflikt mit der Stadt wurde erwähnt. Um seiner Bedeutung an der Spitze des faschistischen Ausstellungswesens gerecht zu werden, publizierte das ASAC ab Januar 1934 die monatliche Zeitschrift Le mostre d'arte in Italia. Diese wird schließlich im folgenden Jahr in L'Arte nelle Mostre italiane umbenannt und erschien bis Juni 1941 als Zentralorgan für das italienische Kunstausstellungswesen.33 Hier wurden alle in Italien stattfindenden Kunstausstellungen nach Städten aufgelistet, wobei die wichtigeren überregionalen Ausstellungen rezensiert wurden. Außerdem wurden die Eröffnungsreden oder andere offizielle Verlautbarungen der verantwortlichen Ausstellungsorganisatoren wiedergegeben. Darüber hinaus verfasste man umfassende nationale, bei der Biennale auch internationale, Presseschauen, um sich der Bedeutung der zahlreichen Ausstellungen zu vergewissern. Es geht in dieser Zeitschrift vor allem darum, die große Schaffenskraft der italienischen zeitgenössischen Kunst zu dokumentieren, indem man immer wieder stolz auf die große Zahl von Ausstellungen hinweist — Quantität statt Qualität! Alle Register zog man aber erst mit dem umfassenden Katalog anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Biennale, der die offizielle Geschichtsschreibung manifestierte. Schließlich blickte man 1939 nochmals zurück, indem man II primo Decennio dell'Ente autonomo della Biennale feierte.34 Anfang der 1950 er Jahre publizierte die Biennale eine weitere eigene Zeitschrift, in der auch vereinzelt kleine Artikel zur Geschichte der Institution erschienen.35

31 Vgl. Alessandro Stella, Cronistoria della Esposizione

La Biennale di Venezia: rivista trimestrale dell'Ente della

internazionale d'arte della Città di Venezia 1895-1912, Ve-

Biennale, Venedig 1950-1978.

nedig 1912.

dell'Ente autonomo della Biennale. Numero speciale del

32 Vgl. La Biennale di Venezia - Storia e

statistiche dal 1895 al 1932, Venedig 1932.

33 Vgl. Le

34 Vgl. Il primo Decennio

Bollettino della Biennale L'Arte nelle Mostre italiane, Ja-

mostre d'arte in Italia, Archivio storico d'arte contempo-

nuar 1939.

ranea della Biennale (Hg.), Venedig 1934; L'arte nelle mostre

strale di Arte Cinema Teatro Musica Moda, Venedig 1950-

italiane, pubblicazione mensile, Archivio storico d'arte con-

1978.

temporanea della Biennale (Hg.), Venezia, 1935-1941 u.

35 Vgl. La Biennale di Venezia. Rivista trime-

FORSCHUNGSSITUATION

17

Mit der Publikation „Biennali" des Kunsthistorikers Nino Barbantini im Jahr 1945 begann die Nachkriegsgeschichtsschreibung der Kulturinstitution durch einen Beteiligten.36 Sehr aufschlussreich sind die darin erhaltenen Briefe zwischen Barbantini und Fradeletto, zu dem er in Opposition stand. Die von ihm entworfenen Zukunftsperspektiven für einen grundlegenden Neubeginn der Biennale wurden von Rodolfo Pallucchini als langjährigem Generalsekretär nach 1948 berücksichtigt. Ein später häufig nicht mehr erreichtes Niveau besitzt die von Ivana Mononi verfasste Studie mit dem Titel „L'orientamento del gusto attraverso le Biennali".37 Mononi analysiert anhand von zahlreichen Beispielen die kunsthistorische Bedeutung der einzelnen Ausstellungen bis zum Jahr 1956. Dabei wertet sie vor allem italienische Kritiken aus, die sie vergleichend neben die Texte der Kataloge stellt. Sehr gut sind dort die Erläuterungen zur Rückständigkeit der ausgestellten Kunst, die immer wieder eindrucksvoll durch die Nennung zeitgleich stattfindender Ausstellungen im In- und Ausland dokumentiert wird. Die überaus kritische Sicht geht in jedem Fall über die von Barbantini und Pallucchini vertretene Linie hinaus, die schließlich als Kunsthistoriker selbst zum Teil für den ,Passatismus' der Ausstellung, vor allem der Nachkriegsjahre, verantwortlich waren. Der Generalsekretär der Jahre 1948 bis 1956, Rodolfo Pallucchini, stellt die Geschichte sehr unkritisch dar.38 Bei ihm muss berücksichtigt werden, dass er sich bis nach dem Zweiten Weltkrieg fast ausschließlich mit alter Kunst befasst hatte. Zwar war er 1938 für die Neuordnung der städtischen internationalen Galerie in Ca' Pesaro zuständig, doch kann man diese Aufgabe auch als kunsthistorisch bezeichnen. Es ist leicht, die Ausstellungspolitik Marainis im Nachhinein zu kritisieren, wenn man zeitgleich — demselben System dienend — große Altmeister-Retrospektiven organisiert hat. Viel zu sehr in die Gesamtentwicklung der Biennale verstrickt war der ehemalige technische Direktor Romolo Bazzoni, der seine Erinnerungen zur Geschichte der Biennale 1962 niederschrieb.39 Bazzonis Rückblick auf die letzten 60 Jahre sind eine sehr subjektive Sicht der Geschichte der Biennale, wobei er jedoch häufig versuchte, wichtige Quellen zu zitieren. Doch war dies keine wissenschaftliche Untersuchung, sondern vielmehr die glorifizierende Erinnerung eines mit den Ereignissen sehr eng verflochtenen technischen Direktors. In seiner Beurteilung der kulturpolitischen Bedeutung der Biennale sind zahlreiche Lücken und falsche Darstellungen zu erkennen. Erst der nächsten Generation war es vorbehalten, die Schattenseiten der Geschichte herauszuarbeiten. Diese wissenschaftliche Untersuchung der Geschichte begann erst Ende der 1960er, nach den Protesten an dem immer noch sehr autoritären, wenig demokratischen Ausstellungssystem. Erstmals kritisch mit der Biennale befasste sich das von Lawrence Alloway 1968 verfasste Buch mit dem Titel „The Venice Biennale 1895 — 1968 from salon to goldfish bowl".40 36 Vgl. Nino Barbantiiii, Biennali 1 9 1 2 - 1 9 4 5 , Venedig

d'Italia, hrsg. von der Fondazione Giorgio Cini, Florenz

1945.

1960,8.157-188.

37 Vgl. Ivana Mononi, L'orientamento del gusto

attraverso le Biennali, Mailand 1957.

38 Vgl. Rodolfo

Pallucchini, „Significato e valore della „Biennale" nella vita artistica veneziana e italiana", in: Venezia nell'unità

39 Vgl. Romolo Bazzoni, 60 anni della

Biennale di Venezia, Venedig 1962.

40 Vgl. Lawrence Al-

loway, The Venice Biennale 1 8 9 5 - 1 9 6 8 . From salon to goldfish

bowl, Greenwich 1968.

ι8

FORSCHUNGSSITUATION

Nach den Änderungen der rechtlichen Stellung im Jahr 1974 war das wenige Jahre bestehende Annuario/Jahrbuch des Archivio Storico d'Arte Contemporanea (ASAC) das offizielle Organ der Biennale. Doch dort spielte die Geschichte eine eher untergeordnete Rolle. In der ersten Ausgabe beschäftigte sich Giandomenico Romanelli mit der Geschichte der Giardini, dem Palazzo Ca' Giustinian und dem Palazzo Ca' Corner della Regina.41 In diesen zahlreichen Mitte der 1970er Jahre erschienen Aufsätzen und Ausstellungskatalogen zum Ausstellungspalast und den nationalen Pavillons wurden Architektur, Ausstattung und Möblierung der Bauten beschrieben. Romanellis Texte enthalten unentbehrliche Informationen; was aber zwischen all den Beschreibungen und zahlreichen Abbildungen untergeht, sind die Absichten, die die Ausstellungsmacher mit den ständigen Änderungen verfolgten. Erst im Jahr 1982 erschien wieder eine Gesamtgeschichte der Biennale von Paolo Rizzi und Enzo Di Martino.42 Im Jahr 1982 beschrieb die Kunsthistorikerin Maria Mimita Lamberti im Rahmen eines Artikels zum Wandel des italienischen Kunstmarktes die ersten 20 Jahre der internationalen Kunstausstellung. Dabei wurden jedoch nur die kunsthistorischen Aspekte berücksichtigt, ohne die wichtigen Archive auch nach der Bedeutung der Biennale als Instrument der Kulturpolitik zu untersuchen.43 In einem Aufsatz zur Kulturgeschichte Venedigs im 20. Jahrhundert beschrieb 1986 der venezianische Historiker Mario Isnenghi die Entwicklung der Biennale anhand einer genauen Beschreibung der Akteure.44 Auch werden von ihm ausführlich die aus der Biennale entstandenen Kulturinstitutionen wie die Galleria Internazionale d'Arte Moderna (GIAM), das ASAC und andere Ausstellungen beschrieben. Trotz der umfangreichen Erkenntnisse bleiben auch hier einige Lücken. So fehlt beispielsweise eine Beurteilung der Rolle der Biennale im faschistischen Ausstellungswesen und die Beschreibung der Ausstellung während des Zweiten Weltkriegs. In dem Standardwerk zu den nationalen Pavillons in den Giardini, 1988 verfasst von Marco Mulazzani, kommen Bedeutung, Hintergründe und Absichten der Initiatoren oft zu kurz.45 Es fehlt eine was für eine? Einordnung der Bauten und es werden ausschließlich Fakten abgearbeitet, ohne diese in einen Gesamtzusammenhang zu stellen. Problematisch ist auch die gänzlich unterschiedliche ideologisch motivierte Gewichtung der einzelnen Bauten. Einen ähnlichen Ansatz wie Ivana Mononi 1957 verfolgte die Arbeit von Annette Lagler „Biennale Venedig — der deutsche Beitrag und seine Theorie in der Chronologie von Zusam-

41 Vgl. Giandomenico Romanelli, „Le sedi della Biennale,

Venezia", Venedig 1976 u. „Ottant'anni di allestimenti alla

a) Il Padiglione „Italia" ai Giardini di Castello (già Palazzo

Biennale di Venezia", Ausstellungskatalog, Venedig 1977/

dell'Esposizione)/ b) Il Palazzo dell Cinema al Lido", in:

78.

Annuario 1975, Eventi del 1974, L'archivio Storico delle arti

Biennale, Mailand 1982.

contemporanee (Hg.), Venedig 1975, S. 645-655/669-673;

berti, „1870-1915; i mutamenti del mercato e ricerche degli

42 Vgl. Paolo Rizzi/Enzo Di Martino, Storia della 43 Vgl. Maria Mimita Lam-

ibd., „Gli allestimenti delle Biennali nel Padiglione cen-

artisti", in: Storia dell'arte italiana, Bd. 7, Turin 1982,

trale/ I Padiglioni stranieri della Biennale", in: Annuario

S. 5-174, hier S. 100-122.

1976, Eventi del 1975, L'archivio Storico delle arti con-

Memoria e la Scena", in: Emilio Franzina (Hg.), Venezia,

temporanee (Hg.), Venedig 1976, S. 785-796/838-864;

Bari 1986, S. 430-482.

„Ottant'anni di architettura e allestimenti alla Biennale die

diglioni della Biennale Venezia 1887-1988, Mailand 1988.

44 Vgl. Mario Isnenghi, „La

45 Vgl. Marco Mulazzani, I Pa-

FORSCHUNGSSITUATION

19

menkunft und Abgrenzung" aus dem Jahr 1991. 46 Lagler analysierte anhand der Katalogtexte und der deutschen Kunstkritik die deutschen Beiträge von 1895 bis 1988. Durch die sehr detaillierte inhaltliche Analyse der politischen Hintergründe, der Absichten der beteiligten Personen und der ausgestellten Kunstwerke versucht Lagler, die Bedeutung der Biennale für die deutsche Kulturpolitik zwischen Kaiserreich, Drittem Reich und Bundesrepublik Deutschland zu erklären. Hier finden sich Beschreibungen und Deutungen zu einzelnen, politisch bedeutsamen Jahren für den deutschen Beitrag. Einen Schwerpunkt bilden die Analysen der künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem deutschen Pavillon und dessen Geschichte im Laufe der 1960er bis 1980er Jahre. Die Entstehungsgeschichte der Ausstellung und die konkreten politischen Hintergründe in der Stadt Venedig werden nur sehr kurz angerissen. Die Möglichkeit, zum 100-jährigen Jubiläum der Biennale 1995 eine ausführliche Aufarbeitung der Geschichte zu präsentieren, wurde von Seiten der Verantwortlichen fahrlässig verspielt. Der Katalog der Ausstellung Percorsi del Gusto wurde, wie die Ausstellung selbst, in einer Hauruckaktion konzipiert.47 Erst Anfang 1995 war man überhaupt auf die Idee gekommen, auch eine historische Ausstellung zu präsentieren, die dann in wenigen Monaten auf die Beine gestellt werden musste. Der Ausstellungskatalog präsentierte einige Aufsätze zur Geschichte, doch hat man hier den Eindruck, als würde ein Großteil ausschließlich auf bereits vorhandenen Publikationen aus den 1930er Jahren oder etwa der Geschichte von Romolo Bazzoni basieren. Viele wichtige Aspekte der Geschichte wurden nicht erwähnt oder nur sehr oberflächlich behandelt. Anders die unterschiedlichen Untersuchungen zu den nationalen Beiträgen, die von Deutschland, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und den Niederlanden zum Anlass des 100-jährigen Jubiläums herausgegeben wurden und sich mit der Geschichte des jeweiligen Länder-Beitrags befassen.48 Zur deutschen Beteiligung auf der Biennale ist 2007 eine ergänzte und überarbeitete Ausgabe erschienen.49 Auch die 1995 anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Biennale erschienene Gesamtdarstellung von Enzo Di Martino, zuletzt 2003 neu herausgegeben, kann wegen seiner lückenhaften Darstellung der Geschichte nicht überzeugen.50 Aus den Lobeshymnen des Jahres 1995 ragt der in der Reihe „Jahresring. Jahrbuch für moderne Kunst" von Laszlo Glozer konzipierte Band heraus.51 Verschiedene Autoren äußern darin Gedanken zur Geschichte, 46 Vgl. Annette Lagler, Biennale Venedig - der deutsche

therlands Biennale Pavillon in Venice by Gerrit Rietveld,

Beitrag und seine Theorie in der Chronologie von Zusam-

Rotterdam 1995; Carl Aigner, Im Angesicht des Löwen:

menkunft und Abgrenzung, Phil.-Diss., RWTH, Aachen

Österreich und die Biennale Venedig, München/Wien 2001

1991.

47 Vgl. „Venice and the Biennale. The itineraries

u. Silvia Domínguez (Hg.), Un siglo de arte español el ex-

of taste", Ausstellungskatalog, Ca' Pesaro,Venedig 1995.

terior: Espana en la Bieñal de Venezia 1895-2003, Madrid

48 Vgl. Christoph Becker/Annette Lagler, Biennale Vene-

2003.

dig - Der deutsche Beitrag 1895-1995, Ostfildern 1995; So-

zur Biennale Venedig 1895-2007, Köln 2007.

phie Bowness, Britain at the Venice Biennale, London 1995;

Di Martino, Storia della Biennale di Venezia 1895-2003 Arti

Philip Rylands/Enzo Di Martino, Flying the flag for art: the

Visive, Architettura, Cinema, Danza, Musica, Teatro, Ve-

United States and the Venice Biennale, 1895-1991, Rich-

nedig 2003.

m o n d 1993 u. The most beautiful place I know, The Ne-

Hundert Jahre Biennale. Souvenir de Venise, Köln 1995

49 Vgl. Ursula Zeller (Hg.), Die deutschen Beiträge 50 Vgl. Enzo

51 Vgl. Laszlo Glozer, Garten der Künste.

20

FORSCHUNGSSITUATION

Bedeutung und Zukunft der Biennale. Insbesondere der von Glozer selbst verfasste Aufsatz stellt die Biennale äußerst kritisch, wenn auch nicht wissenschaftlich, dar. Bereits Ende der 1980 er Jahre erschien die Forschungsarbeit von Giuliana Donzello zu den beiden ersten Generalsekretären Antonio Fradeletto und Vittorio Pica.52 Doch erst seit Anfang dieses Jahrhunderts befasst sich die historische Forschung ausführlich mit der Geschichte des kulturellen Lebens um 1900 und dessen wichtigsten Akteuren. Zu den beiden Hauptakteuren der ersten Internationalen Kunstausstellung, dem ersten Präsidenten Riccardo Selvatico und dem ersten Generalsekretär Antonio Fradeletto sind ausfuhrliche Untersuchungen erschienen. Zur Rolle Selváticos fand im Jahr 2001 eine Konferenz im Ateneo Veneto statt, bei der die unterschiedlichsten Aspekte im Leben Selváticos detailliert herausgearbeitet wurden.53 In den vier Teilen befassten sich unterschiedliche Autoren mit Selváticos Rolle in der Politik, in der Literatur, dem Theater und in der Kunst. Darüber hinaus bietet der Sammelband eine ausführliche Bibliographie und exzellente Hinweise zu den archivalischen Quellen zu Selvatico. Ein sehr wichtiges Arbeitswerkzeug ist hier das vorzügliche Inventar, welches neben den persönlichen Schriftstücken Riccardo Selváticos und seiner Familie auch einige Briefe seines Nachfolgers als Bürgermeister von Venedig und Schwager Giovanni Bordiga enthält.54 Die Arbeit zur Bedeutung des ersten Generalsekretärs Fradeletto für das kulturelle Leben in Venedig basiert zu großen Teilen auf diesem Nachlass. Der venezianische Historiker Daniele Ceschin hat die exponierte Rolle des Generalsekretärs, Abgeordneten und Universitätsprofessors im kulturellen und politischen Leben Venedigs und Italiens analysiert. In umfangreichen Kapiteln wird Fradelettos wichtige Rolle für den Erfolg der Ausstellungsserie deutlich, für deren Fortbestand, Weiterentwicklung und Renommé er alles ihm Mögliche in Bewegung setzte.55 Interessant ist hier auch der Blick hinter die Kulissen der Organisation, der die Konflikte und Probleme zwischen Selvatico und Fradeletto deutlich werden lässt. Zahlreiche Aufsätze befassen sich mit den Anfangsjahren der Biennale bis 1914, wobei jedoch meist nur die ausgestellte Kunst beschrieben wird, ohne auf kulturpolitische Fragestellungen einzugehen.56 Für die 1920er Jahre existieren bislang keine detaillierten Forschun-

(Jahresring 42, Jahrbuch für moderne Kunst).

52 Vgl.

Bordiga (1854-1933) zu finden, der für die Biennale der

Giuliana Donzello, Arte e collezionismo: Fradeletto e Pica

20er Jahre sehr aufschlussreich ist.

primi segretari alle Biennali veneziane 1895-1926, Florenz

Ceschin, La voce di Venezia: Antonio Fradeletto e l'organiz-

1987.

zazione della cultura tra Otto e Novecento, Padua 2001.

53 Vgl. Tiziana Agostini (Hg.), Venezia nell'età

di Riccardo Selvatico, Venedig 2004.

54 Vgl. Maria

55 Vgl. Daniele

56 Vgl. Maria Teresa Benedetti, „Venezia 1895-1914: le

privato

prime Biennali", in: Arte documento, Bd. 3,1989, S. 322-

Selvatico: inventario, Venedig 1995. Das Archivio Privato

341; Giuseppina Dal Canton, „Venezia e la Biennale, una

Selvatico (APS) wurde zum 100jährigen Jubiläum der

nuova internazinalità", in: Giandomenico

Biennale inventarisiert. Es besteht aus Briefen, Notizen,

(Hg.), Venezia. L'Arte nei Secoli, Udine 1997, S. 860-891 u.

Giovanna

Siet Casagrande

(Hg.), Archivio

Romanelli

Redeentwürfen, aber auch Fotografien, Einladungen und

Shearer West, „National desires and regional realities in the

Zeitungsausschnitten. Daneben ist in der Carte Bordiga

Venice Biennale 1895-1914", in: Art History, Nr. 18,1995,

auch der Nachlass des Schwagers von Selvatico Giovanni

S. 404-434·

21

FORSCHUNGSSITUATION

gen zur ersten Internationalen Kunstausstellung, obwohl sich gerade in diesem Zeitraum die interessanten und einschneidenden Änderungen im italienischen Kunstausstellungswesen vollzogen haben. Hier konzentriert sich die Forschung vor allem auf die beiden wichtigsten Künstlerbewegungen Futurismus und Novecento, wobei nur punktuell auf deren Beziehungen zu Venedig eingegangen wird. Die Beschäftigung mit der faschistischen Vergangenheit der Biennale fand lange Zeit so gut wie nicht statt. Erst 1979 befasste sich die Kunsthistorikerin Susanne von Falkenhausen in ihrer Dissertation zur Geschichte des Futurismus auch mit dem faschistischen Kunstausstellungssystem und der Künstlerorganisation.57 Diese wegweisende Arbeit hat in Deutschland leider kaum Nachfolger gefunden. Neben den kurzen Erläuterungen von Alloway 1968 erschien erst 1982 ein Artikel zu den faschistischen Kunstausstellungen zwischen 1928 und 1942.58 Es ist bezeichnet, dass dieser Artikel in Frankreich und nicht in Italien publiziert wurde. Erst 1992, zur Feier des 60-jährigen Jubiläum der Internationalen Filmkunstschau, wurde ein Ereignis der faschistischen Epoche ausführlich untersucht.59 Aufschlussreich für die untersuchten Fragestellungen sind die Arbeiten des venezianischen Kunsthistorikers Sileno Salvagnini, der vor allem die Bedeutung des faschistischen Künstlersyndikats für die Organisation der Kunstausstellungen untersucht hat.60 Sein Hauptwerk widmet sich dem Ausstellungssystem im faschistischen Italien, wobei er die hierarchische Ordnung der Künstlerorganisation und der Kunstausstellungen in Italien sowie deren Einbindung in das korporative System beschreibt.61 Dabei wird vor allem die führende Rolle von Quadriennale und Biennale hervorgehoben. Darüber hinaus erklärt Salvagnini die unterschiedlichen Wettbewerbe, Preise, den Kunstmarkt und die Rolle des Staates als Kunstmäzen. Die amerikanische Kunstgeschichtsforschung hat bisher den größten Anteil an der Erforschung der Geschichte der Kunst im italienischen Faschismus. So war es ab Anfang der 1990er Jahre die Amerikanerin Maria Susan Stone, die detailliert die Rolle der Biennale im Faschismus herausarbeitete.62 Ihr Hauptwerk „The Patron State" aus dem Jahr 1998 analysiert die Biennale im faschistischen Ausstellungssystem neben der Quadriennale in Rom und der Triennale in Mailand. Dabei werden einzelne Probleme der Biennale und deren exponierte Stellung im Ausstellungswesen des faschistischen Italien hervorgehoben, die in anderen Werken nicht oder nur ganz am Rande auftauchen. Kritisch muss jedoch die aus57 Vgl. Susanne von Falkenhausen, Der zweite Futuris-

cismo e organizzazione della cultura artistica in Italia", in:

mus und die Kunstpolitik des Faschismus in Italien 1922

Italia Contemporanea, Nr. 175,12.1988, S. 5-31.

bis 1943, Frankfurt a. M. 1979.

Sileno Salvagnini, Il sistema delle arti in Italia 1919-1943,

58 Vgl. Pascale Budillon

61 Vgl.

Puma, „Les Biennales de Venise pendant l'epoque fasciste:

Bologna 2000.

Leurs rapports avec le pouvoir (1928-1942)", in: Aspects

cism: The Exhibition of the Fascist Revolution", in: Journal

62 Vgl. Maria Susan Stone, „Staging Fas-

de la culture italienne sous le fascisme, Grenoble 1982,

of Contemporary History, Nr. 28,1993, S. 215-43; Maria Su-

S. 29-43.

san Stone, „The State as Patron. Making Official Culture in

59 Vgl. „Venezia 1932. Il cinema diventa arte",

Ausstellungskatalog, Venedig 1992.

60 Vgl. Sileno Sal-

Fascist Italy", in: Matthew Affron/Mark Antliff (Hg),

vagnini, „Artisti e sindacato nel Veneto Fascista (1927-

Fascist Visions. Art and Ideology in France and Italy, Prin-

1931)" in: Venefica. Rivista di Storia delle Venezie, Nr. 8,

ceton 1997, S. 205-238 u. Maria Susan Stone, The Patron

1987, S. 52-64 u. Sileno Salvagnini, „L'arte in azione. Fas-

state. Culture and politics in fascist Italy, Princeton 1998.

22

FORSCHUNGSSITUATION

schließliche Konzentration auf den faschistischen Charakter der Ausstellung gesehen werden, ohne deren internationale Bedeutung zu untersuchen. Außerdem vernachlässigt Stone die personellen und ideellen Kontinuitäten im Bereich des italienischen Ausstellungswesens, die auf Traditionen vor 1922 zurückzuführen sind. Auch in den Arbeiten von Emily Braun und Ruth Ben-Ghiat werden nur Teilbereiche der Aktivitäten der Biennale behandelt.63 Die deutsche Historikerin Andrea Hoffend untersuchte 1998 die Beziehung zwischem dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien in den Bereichen Medien, Kunst, Wissenschaft und Rassenfragen.64 Dabei wurden die Aktivitäten der Biennale, insbesondere im Bereich des Films, dargestellt, aber nur wenige Aspekte des umfangreichen Aufgabenspektrums. Im Jahr 2002 erschien zum Themenkomplex Ausstellungen zeitgenössischer Kunst ein Vergleich der Biennale und der Documenta im Hinblick auf Ausstellung, Verkauf und Vermarktung.65 Seit Ende der 1990er Jahre wurde in mehreren Arbeiten und Artikeln die Bedeutung der Biennale für Tourismus und Wirtschaft in Venedig beschrieben.66 Die aktuellste Arbeit, „Culture, tourism and Fascism in Venice 1919 — 1945", wurde im Jahr 2005 von der Historikerin Stefania Longo verfasst.67 Longo führt die von Bosworth angedachten Thesen weiter und beschreibt ausführlich die Rolle Venedigs als Kultur- und Tourismuszentrum während der faschistischen Periode. Berücksichtigt werden dabei sowohl die Kunstausstellung als auch die sie begleitenden Festivals. Der tourismusgeschichtliche Ansatz lässt aber die politische Dimension und vor allem die Vorgeschichte dieser Entwicklungen zu kurz kommen. Dabei wird die exponierte Rolle der Biennale hervorgehoben, jedoch in vielen Teilbereichen im Vergleich zu meinen Fragestellungen zu eng gesehen. Der Dissertation von Marylène Malbert „Les relations artistiques internationales à la Biennale de Venise, 1948 — 1968", die Anfang Dezember 2006 in Paris verteidigt wurde, habe ich vor allem für den Zeitraum nach dem Zweiten Weltkrieg wertvolle Hinweise zu verdanken.68

63 Vgl. Ruth Ben-Ghiat, Fascist Modernities. Italy, 1922-

land 2002.

1945, Berkeley/Los Angeles/London 2001; Emily Braun,

Fascism and international tourism", 1911-45, in: Modern

66 Vgl. Richard J. Bosworth, „Venice between

Mario Sironi and Italian modernism: art and politics under

Italy. Journal of the Association for the Study of Modern

fascism, Cambridge (u.a.) 2000 u. Emily Braun, „Leo-

Italy, Vol. 4, Nr. 1, Mai 1999, S. 5-24 u. Marco Fincardi, „Gli

nardo's Smile", in: Claudia Lazzaro/Roger J. Crum (Hg.),

,anni ruggenti' del Leone. La moderna realtà del mito di

Donatello among the Blackshirts, Ithaca/London 2005,

Venezia", in: Contemporanea, IV., N. 3, Juli 2001, S. 54-78.

S. 173-186.

64 Vgl. Andrea Hoffend, Zwischen Kultur-

67 Vgl. Stefania Longo, Culture, tourism and Fascism in

achse und Kulturkampf. Die Beziehung zwischem dem

Venice 1919-1945, PhD thesis, University College London,

,Dritten Reich' und dem faschistischen Italien in den

London 2005.

Bereichen Medien, Kunst, Wissenschaft und Rassenfragen,

artistiques internationales à la Biennale de Venise,

Frankfurt a.M. (u.a.) 1998.

68 Vgl. Marylène Malbert, Les relations

65 Vgl. Marilena Vecco, La

1948-1968, thèse de doctorat en histoire de l'art, sous la

Biennale di Venezia, Documenta di Kassel: esposizione,

direction de Philippe Dagen, Université Paris I Panthéon

vendita, pubblicizzazione dell'arte contemporanea, Mai-

Sorbonne, soutenue le 2 décembre 2006 à ΓΙΝΗΑ, Paris.

KAPITEL 1

VORAUSSETZUNGEN, VORBILDER UND V O R G Ä N G E R

m ersten Kapitel wird die Ausgangssituation Venedigs am Ende des 19. Jahrhunderts

I

beschrieben. Wie war die politische, wirtschaftliche und kulturelle Situation in der erst

spät zum italienischen Königreich gekommenen Stadt? Zum Verständnis der historischen Umstände, in denen die Internationale Kunstausstellung von Venedig entstanden ist, soll ein kurzer Überblick über die Geschichte und Tradition des internationalen Kunstausstellungs-

wesens in Europa geliefert werden. Dabei werden die Pariser Salons, die Münchner Ausstellungen und Ausstellungsprojekte in Italien berücksichtigt. Einen ersten Höhepunkt im kulturellen Leben Venedigs stellt die in einem dritten Abschnitt beschriebene Esposizione Nazionale Artistica 1887 dar, die viele Elemente der späteren Internationalen Kunstausstellung erstmals erprobte. Sie verhalf Venedig zu nationaler Anerkennung und nationalen Symbolen in Form von Denkmälern für Vittorio Emanuele II. und Giuseppe Garibaldi.

V E N E D I G A M FIN DE S I È C L E

Um die Entstehung der ersten Internationalen Kunstausstellung der Stadt Venedig zu verstehen, ist es notwendig, sich einen kurzen Überblick über die wirtschaftliche und soziale Situation Venedigs am Ende des 19. Jahrhunderts zu verschaffen, die von der Geschichtsschreibung als das traurigste Kapitel der venezianischen Vergangenheit betrachtet wird.1 Seit dem Ende der Republik Venedig im Jahr 1797 war die Stadt, ihrer Lebensadern Seefahrt und Landwirtschaft auf Terraferma vollständig beraubt, zu einem traurigen Schatten ihrer selbst geworden. Das 19. Jahrhundert war anfangs durch die französische und österreichische Okkupation geprägt, wobei bereits unter der napoleonischen Besatzung erste Modernisierungsprojekte in Angriff genommen wurden, die sich vor allem auf den Städtebau bezogen. Doch bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Venedig eine immer stärker verarmende Stadt, die nur noch durch ihre Bauten und deren stark dezimierte Ausstattung an ihren ehemaligen Glanz erinnerte. Immer mehr Adelsfamilien starben aus, verarmten und verkauften alles, was nicht unbedingt zum Leben gebraucht wurde.2 Die großen Paläste waren von vielen Familien 1 Einen guten Überblick über die venezianische Geschichte

City. 1797-1997, New Haven/London 2002; Mario Isnen-

nach 1797 liefern Emilio Franzina, Venezia, Bari 1986; Gio-

ghi/Stuart Woolf (Hg.), Storia di Venezia. L'Ottocento e il

vanni Distefano/Giannantonio Paladini, Storia di Venezia

Novecento, 3 Bände, Rom 2002.

1797-1997. Venedig 1996; Margaret Plant, Venice. Fragile

Bericht über diese Zeit bietet Friedrich Thiersch, Reisen in

2 Einen eindrücklichen

VORAUSSETZUNGEN, VORBILDER UND

24

VORGÄNGER

nicht mehr zu halten und wurden zu Schleuderpreisen an europäische Adlige, Industrielle, Tänzerinnen, Schauspieler und Künstler verkauft. Erst mit dem Bau der Eisenbahnbrücke von der Terraferma im Jahr 1846 war die Stadt Venedig an das Festland angebunden, wodurch sie für Reisende leichter erreichbar war. Als Teil des Königreichs Lombardo-Venetien wurde das Leben in der Stadt dominiert von den österreichischen Besatzungsoffizieren und deren Familien. Hinzu kamen immer mehr Reisende, die wie der Dichter Lord Byron Venedig als Symbol des Verfalls sahen. Andere Fremde wie die Maler Friedrich Nerly oder William Maylord Turner beschäftigten sich mit venezianischen Motiven, die zumeist die berühmten Monumente der Vergangenheit, wie den Dogen-Palast, Santa Maria della Salute oder natürlich San Marco zeigten. Der englische Kunsthistoriker John Ruskin prägte in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit seinem Buch „The Stones of Venice" nachdrücklich das Bild eines morbiden, dem Verfall preisgegebenen Venedig. Ihren endgültigen Status als Teil des jungen italienischen Königreiches erreichte die Stadt erst in Folge des deutsch-österreichischen Krieges. Auf Druck des Deutschen Reiches musste Österreich Venedig nach dem Frieden von Wien am 3. Oktober 1866 an Italien abtreten. Der von 1861 bis 1878 in Rom regierende König Vittorio Emmanule II. hielt am 11. November 1866 feierlichen Einzug in die Stadt. Die ökonomische, soziale und hygienische Situation Venedigs war zu diesem Zeitpunkt desolat. Besonders schwierig gestaltete sich die ökonomische Situation, da Österreich schon vor 1866 seinen Adriahafen nach Triest verlegt und sich komplett aus der Wirtschaft zurückgezogen hatte. Die drei größten Arbeitgeber, die Werften im Arsenale, die Tabakmanufaktur und die Zecca, waren daher ohne Auftraggeber. Venedig stand durch diesen Stillstand in Gefahr, im Rahmen der nationalen Einheitsbestrebungen und bei der Profilierung der einzelnen Regionen immer mehr in den Hintergrund gedrängt zu werden. Die Stadt musste sich neue Einnahmequellen suchen und „vielleicht war Venedig die erste europäische Stadt, die in der eben erst erblühenden „Fremdenindustrie" einen Rettungsanker erkannte und dieses Geschäft bewusst aufbaute."* Die Reise nach Venedig war spätestens seit dem Mittelalter ein Muss für jeden Kulturreisenden und seit der Grand Tour der jungen Adligen des 18. Jahrhunderts gehörte ein Besuch der Stadt wie selbstverständlich zum Bildungsprogramm der adligen und bürgerlichen Eliten Europas. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war das Reisen immer populärer geworden und mit den Gründungen weltumspannender Reiseagenturen wie Thomas Cook, Wagons Lits oder großen Reedereien auch immer professioneller organisiert.4 Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wimmelte es in der Stadt von Frem-

Italien seit 1822, hg. v. Friedrich Thiersch, Ludwig Schorn,

Documenti, Città di Castello 1994; Franco Paloscia, Il

Eduard Gerhardt u n d Leo von Klenze, Erster Theil, Leip-

turismo nell'economia italiana: dall'unità d'Italia a oggi,

zig 1826.

3 Erik Forssmann, Venedig in der Kunst u n d

Rom 2004; Taina Syrjämaa, Visitez l'Italie: Italian State

im Kunsturteil des 19. Jahrhunderts, Stockholm 1971, S. 11.

Tourist Propaganda Abroad, 1919-1943: Administrative

4 Zur Geschichte des Tourismus vgl. u.a. Richard J.B.

Structure and Practical Realization, Turku 1997 u. Attilio

Bosworth, Italy and the wider world, 1860-1960, London

Brilli, Il viaggio in Italia: storia di una grande tradizione

1996; Franco Paloscia, Storia del turismo nell'economia

culturale, Bologna 2006.

italiana. Biblioteca di cultura del viaggio e del turismo:

V E N E D I G AM FIN DE SIÈCLE

den, die dort mit relativ wenig Geld sehr gut leben konnten.5 Die Stadt Venedig lebte so fast ausschließlich von ihrer großen Geschichte und deren Kunst, die auf vielfältigste Weise vermarktet wurden. Von dem Zustrom an Reisenden profitierte an erster Stelle die Hôtellerie, so dass im Laufe des 19. Jahrhunderts in zahlreichen Palästen, insbesondere am Canal Grande und der Riva degli Schiavoni, große luxuriöse Hotels entstanden, die von einem internationalen Publikum besucht wurden. Bereits 1822 wurden im Palazzo Dandolo an der Riva degli Schiavoni das Hotel Danieli oder das Grand Hotel de la Ville im Palazzo Grassi am Canal Grande eröffnet. Daneben existierten zahllose kleinere Pensionen und häufig war es üblich, sich Wohnungen oder ganze Paläste für einen bestimmten Zeitraum zu mieten. Die Preise waren im Vergleich zu den Mieten in Großstädten wie London, Paris, New York oder Berlin sehr gering. Daneben profitierten Gondoliere, Stadtführer, fliegende Händler und Gastronomen von den zahlreichen Fremden. Einige Fremde lebten permanent in Venedig, so zum Beispiel der angloamerikanische Zirkel um den Palazzo Barbaro und den Palazzo Capello des Ehepaares Layard.6 Darüber hinaus war Venedig ein beliebtes Ziel für Künstler, die dort alte Meister kopierten oder sich an traditionellen Veduten oder Genreszenen versuchten. Vereinzelt waren darunter auch berühmte Künstler wie Pierre Auguste Renoir, der 1881 in Venedig weilte und dort einige Gemälde schuf. Auch diese nahmen die klassischen venezianischen Motive auf und erinnerten dadurch an die Veduten des 18. Jahrhunderts, obgleich sie im impressionistischen Stil gemalt waren (Abb. 1). Die politische Führung lag in diesen ersten Jahren nach der Eingliederung in das italienische Königreich fest in den Händen der alten Eliten. Diese aus Aristokraten der alten venezianischen Familien und dem während der Okkupationszeit entstandenen venezianischen Bürgertum bestehende konservative Oberschicht schadete der Stadt in vielen Bereichen. Denn diese Politiker betrieben fast durchgängig eine rückwärtsgewandte Politik, ohne konkrete Pläne für eine Modernisierung der in einer strukturellen Krise steckenden Stadt zu haben. Der für die Stadt so notwendige Modernisierungsprozess wurde nach dem Anschluss an das junge Königreich nur zögerlich in Gang gesetzt. Dabei handelte es sich zunächst um einzelne Initiativen, die die Entwicklung voranbringen sollten; es fehlte aber ein schlüssiges Konzept für die zukünftige Gesamtentwicklung. Bereits 1868 wurde die Gründung einer königlichen Handelshochschule (Regia Scuola di Commercio) mit Sitz im Palazzo Ca' Foscari beschlossen. Im künstlerischen Bereich stand die königliche Akademie der Schönen Künste in den Räumen des ehemaligen Klosters Santa Maria della Carità an der Spitze. Doch von dieser provinziellen und traditionellen Institution 5 Vgl. Mary Lutyens (Hg.), Effie in Venice. Unpublished

Gardner Museum, Ausstellungskatalog, Boston 2004. Der

letters of Mrs. John Ruskin written from Venice 1849-1852,

Palazzo Barbaro wurde 1885 von der aus Boston stammen-

London 1965.

6 Vgl. l o h n Julius Norwich, Paradise of

den Familie Curtis erworben, die Layard kauften 1874 den

Cities. Nineteenth-century Venice seen through foreign

Palazzo Capello u n d der Palazzo Rezzonico wurde 1889 an

eyes, L o n d o n 2003; „Gondola Days. Isabella Stewart

das Ehepaar Browning verkauft.

Gardner and the Palazzo Barbaro Circle", Isabella Stewart

26

VORAUSSETZUNGEN, VORBILDER UND VORGÄNGER

waren keine großen Innovationen zu erwarten. Die ersten Impulse für eine Modernisierung des künstlerischen Schaffens gingen von einer Gruppe progressiver Intellektueller aus, die sich für die Modernisierung der angewandten und feinen Künste sowie für die Organisation von lokalen Kunstausstellungen einsetzten. Im Jahr 1872 wurde nach Vorbild der South Kensington School in London die Scuola veneta d'arte applicata alle industrie gegründet. In Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmern und Künstlern wurde auch die darnieder liegende Glasindustrie auf Murano wiederbelebt. Die berühmten traditionsreichen Firmen, wie die Glasmanufakturen Pauly & Cie. oder Erede Dr. A. Salviati & Cie. unterhielten Schauräume im historischen Zentrum. Die mit britischem Kapital finanzierte Venice Murano Company hatte sogar eine Filiale in London. Erst zwischen 1879 und 1888, als die Stadt zehn Jahre von Graf Dante Serego degli Alighieri regiert wurde, kehrte etwas Stabilität ein. Dies war eine Epoche der ersten sichtbaren Innovationen. Der Haupthafen wurde vom Bacino di San Marco an den heutigen Standort der Stazione Marittima bei Santa Chiara verlegt, um eine Verbindung zur Eisenbahn herzustellen. Außerdem wurden beim Arsenale, auf der Insel Sant'Elena und auf der Giudecca größere Industriebetriebe wie die große Baumwollspinnerei, die Getreidemühle Stucky oder die große Tabakmanufaktur angesiedelt. Zeitgleich mit der wirtschaftlichen Entwicklung wurde die Stadtgestalt in einigen Bereichen des historischen Zentrums massiv verändert. Es entstanden breitere Straßen wie die Via Vittorio Emanuele II. in Castello (1871), die Via 22 Marzo (1881) oder die Via 2 Aprile (1884), die wie Schneisen durch die historische Bebauung geschlagen wurden. Schon vorher waren neue Brücken, meist aus Eisen, an verschiedensten Standorten errichtet worden. Die größte war die Eisenbrücke, die an der Akademie den Canal Grande überspannte. Die Zugehörigkeit zum italienischen Königreich sollte durch die Errichtung eines 1878 im Stadtrat beschlossenen Denkmals zu Ehren des verstorbenen Königs Vittorio Emanuele II. dokumentiert werden. Nach langen Diskussionen legte man sich auf das Riva degli Schiavoni fest. Kurz danach wurde im Jahr 1880 ein Wettbewerb für die Ausführung eines Denkmals für Vittorio Emanuele II. durchgeführt.7 Wenige Tage nach dem Tod von Giuseppe Garibaldi im Juni 1882 wurde im Stadtrat ein erster Vorschlag zur Errichtung eines Denkmals zur Erinnerung an den Helden des Risorgimento eingebracht.8 Somit waren zwei wichtige Denkmalprojekte auf den Weg gebracht, die für die im folgenden beschriebene nationale Kunstausstellung von Bedeutung sein sollten. Zudem begann unter starken Protesten 1881 der regelmäßige Dampfschiflfahrtsbetrieb auf dem Canal Grande. Neben der Entwicklung des Industriestandorts Venedig begann man auch damit, Venedig als Standort für internationale Kongresse attraktiv zu machen. Die erste internationale Großveranstaltung war der III. Internationale Geographiekongress, der von der Geographischen Gesellschaft in Rom organisiert wurde.' Zwar dauerte der Kongress nur wenige Tage, doch

7 S. August Wolf, „Korrespondenz, Venedig, im April

Giunta per onoranze a Giuseppe Garibaldi.

1880", in: Kunstchronik, XV. Jg., Nr. 32, 20. Mai 1880,

1880-1884, XI.2.14 u. 1880-1884, XI.2.20. Hier finden sich

S. 510 f.

zahlreiche Dokumente zur Durchführung des großen in-

8 S. AMV, AdCC, 6. Juni 1882, Proposte della

9 Vgl. AMV,

K U N S T A U S S T E L L U N G E N IN EUROPA

27

war er ein in der ganzen Stadt beachtetes Ereignis. Außerhalb des eigentlichen Kongresses wurde die Esposizione d'Arte Antica e Moderna e d'Arte applicata all'industria in der Akademie der Schönen Künste gezeigt. Sie vereinte die unterschiedlichsten Kunstwerke der verschiedenen Epochen, zeigte aber auch die Erzeugnisse der in Venedig ansässigen Hersteller von Kunsthandwerk. Außerdem wurde im Palazzo Pisani am Campo Santo Stefano eine Esposizione di Belle Arti vom lokalen Circolo Artistico zusammengestellt.10 Auch das Consorzio Agrario Provinciale e Comizio Agrario di Venezia war mit einer Esposizione di Floricoltura, Orticoltura, Frutticoltura e Apicoltura, die im botanischen Garten bei San Giobbe gezeigt wurde, vertreten.11 Darüber hinaus gab es eine Regatta und ein großes Open-Air Klassik-Konzert auf der Piazza San Marco. Diese noch sehr bescheidene Vorgängerveranstaltung beinhaltete schon zahlreiche Elemente der späteren Ausstellungs- und Festivalaktivitäten wie die Internationalität der Teilnehmer, die Ausstellung von Kunst und Kunsthandwerk aus Venedig, spezielle Konzerte und Theaterauffuhrungen und die Einbindung der Sehenswürdigkeiten der Stadt in das Gesamtprogramm. Ganz besonders interessant ist die schon bei dieser Veranstaltung praktizierte enge Kooperation zwischen der Kommune, den lokalen Kunst- und Musikvereinigungen, der lokalen Hôtellerie und Wirtschaft, aber auch der in Venedig stationierten italienischen Marine. 12 Vor diesem Hintergrund war es von diesem Kongress zu den späteren Veranstaltungen nur noch ein kleiner Schritt.

KUNSTAUSSTELLUNGEN IN EUROPA

Große nationale und internationale Kunst- und GeWerbeausstellungen spielten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine zentrale Rolle in der nationalen Selbstdarstellung vieler Länder. In vielfältiger Weise nutzten die Gesellschaften die Ausstellungen, um ihre politischen, sozialen, wirtschaftlichen und künstlerischen Leistungen zu präsentieren.13 Seit dem großen Erfolg der britischen Ausstellung im Crystal Palace von 1851 widmeten Monarchien ebenso wie demokratische Staaten und Diktaturen immer größere Geldmittel und Aufmerksamkeit ihrer nationalen und internationalen Selbstdarstellung durch die Ausrichtung von Gewerbe-, In-

ternationalen Kongresses. Außerdem sind zahlreiche Kata-

1. September 1881, S. 710.

loge und den Kongress begleitende Publikationen erschie-

cola di Venezia nel 1881", Ausstellungskatalog, Venedig

nen: Terzo Congresso Geografico Internazionale. Venezia

1882.

1881. Catalogo Generale degli oggetti esposti compilato per

Hoteliers in Venedig, o. D.

cura del Comitato Ordinatore, Venedig 1881; Terzo Con-

Geschichte der Weltausstellungen, Frankfurt a.M. 1999;

gresso geografico internazionale tenuto a Venezia dal 15 al

Franz Bosbach/John R. Davis, Die Weltausstellung von

22 settembre 1881, Roma 1882-1884, Voi. 2: Comunicazi-

1851 und ihre Folgen/The Great Exhibition and its legacy,

oni e memorie, Rom 1884.

München 2002.

10 Vgl. August Wolf, „Kor-

respondenz aus Venedig", in: Kunstchronik, XVI. Jg., Nr. 42,

11 Vgl. „La Esposizione orti-

12 Vgl. AMV, 1880-1884, XI.2.14, Brief Tiepolo an 13 Vgl. Winfried Kretschmer,

28

VORAUSSETZUNGEN, VORBILDER UND

VORGÄNGER

dustrie- oder Kunstausstellungen.14 Im Rahmen der Weltausstellungen spielten die Kunstausstellungen eine wichtige Rolle, da auch auf diesem Feld die Konkurrenz zwischen den Nationen ausgetragen wurde. In der bisherigen Forschung wurde die Internationale Kunstausstellung der Stadt Venedig noch nicht in die Geschichte des europäischen Ausstellungswesens eingeordnet. Nur vereinzelt sind Hinweise auf die Vorbildfunktion der Ausstellungen der Münchener Secession zu finden. Doch hat man es bereits im 19. Jahrhundert mit einer international ausgerichteten und hochmobilen Künstlerschaft zu tun, die zwischen den Kunstzentren Paris, London, Berlin und München hin- und herpendelte. Im Gegensatz zu den Weltausstellungen entstanden die Kunstausstellungen aus einer anderen Traditionslinie, deren Anfänge im jährlich stattfindenden Salon der Akademie in Paris zu suchen sind. An dieser Stelle kann nicht die Geschichte der Salon-Ausstellungen beschrieben werden, aber in ihren Grundzügen möchte ich deren Rolle in der Kunst des 19. Jahrhunderts in einem ersten Abschnitt erklären. Die zweite prägende Traditionslinie begann mit der ersten Internationalen Kunstausstellung im Glaspalast in München im Jahr 1869, die bis zum Ersten Weltkrieg kontinuierlich fortgesetzt wurde. Auch in anderen Großstädten Europas wurden große internationale Kunstausstellungen organisiert, wie an wenigen Beispielen erläutert werden soll. Für Italien prägend sind die seit 1861 in loser Reihenfolge stattfindenden Großausstellungen, zu denen auch die Esposizione Nazionale Artistica in Venedig 1887 gehörte. In dieser Epoche der großen Ausstellungen begann Venedig, wenn auch etwas verspätet, mit seinen Ausstellungsaktivitäten, die Elemente all dieser beschriebenen Ausstellungsreihen aufnahmen und perfektionierten. Die unbestrittene internationale Kunsthauptstadt des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Paris, wo Zehntausende von Künstlern aus der ganzen Welt lebten und arbeiteten.15 Die Pariser Akademie war die bedeutendste und einflussreichste Schule der Malerei im 19. Jahrhundert. Bereits seit 1737 veranstaltete sie jährlich den Salon, bei dem die Jahresproduktion der dort lehrenden und lernenden Maler und Bildhauer präsentiert wurde. Angezogen durch den Ruf der Akademie kamen Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr Ausländer nach Paris, die sich im Zentrum der Kunstwelt ausbilden lassen wollten. Der jährlich stattfindende Salon war die weltweit größte Verkaufsausstellung zeitgenössischer Kunstwerke, bei der auch die größten Umsätze erzielt wurden. Die Bedeutung dieser staatlich finanzierten Ausstellung wurde durch die hohen Besucherzahlen und die zahllosen Berichte und Kritiken, u.a. von Emile Zola, in ganz Europa unterstrichen. Kurz vor dem letzten offiziellen Salon wurde im Jahr 1880 mit 7.289 ausgestellten Kunstwerken ein Rekord erreicht.

14 Vgl. zur Entwicklung des Ausstellungswesens in Eu-

des arts, Paris 2006; Kathleen Brunner/Francois Rabelais,

ropa Elizabeth Gilmore Holt, The Expanding World of Art,

Paris - Metropole der Kunst 1900-1968, Ausstellungskata-

1874-1902, Vol. 2: Universal Exhibitions and State Spon-

log, Köln 2002; Kathleen Adler/Erica E. Hirshler u.a.

sored Fine Arts Exhibitions, New Haven/London 1988.

(Hg.), „Americans in Paris 1860-1900", Ausstellungskata-

15 Vgl. zur Bedeutung der Salons im 19. Jahrhundert Do-

log, London/Boston 2006.

minique Lobstein, Les Salons au XIX" siècle. Paris, capitale

KUNSTAUSSTELLUNGEN IN

29

EUROPA

Nach dem Rückzug des Staates wurde 1883 der erste „freie", im Palais des Champs-Élysées stattfindende Salon von der 1882 gegründeten Société des Artistes Français organisiert.'6 Im Jahr 1890 wurde als erste Sezession die Société Nationale des Beaux-Arts gegründet und organisierte ihrerseits einen großen Salon im Palais des Beaux-Arts auf dem Marsfeld.17 Beide Salons nutzten die hervorragenden Ausstellungsbauten, die für die Weltausstellungen der letzten Jahre in Paris entstanden waren. Neben diesen Großausstellungen hatte bereits 1884 die Société des artistes indépendants erstmals einen eigenen Salon veranstaltet. Wie bei dem 1903 gegründeten Salon d'Automne, stellten dort anfangs modernere Künstler aus.18 All diese Salons waren Verkaufsausstellungen und stellten in ihrer Gesamtheit den weltweit größten Kunstmarkt der damaligen Zeit dar. In keiner anderen Stadt fanden Künstler eine so gute Infrastruktur mit Akademie, Schulen, Kunsthändlern, Ausstellungsmöglichkeiten in einem relativ preiswerten und sicheren Ambiente vor. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch in anderen europäischen Städten mit der Durchführung internationaler Verkaufsausstellungen begonnen, die von Künstlern aus ganz Europa und den USA beschickt wurden. Zwischen 1866 und 1895 berichtete die Kunstchronik über zahlreiche internationale Kunstausstellungen in den Großstädten Europas. Insbesondere München hatte bewiesen, wie erfolgreich diese internationalen Kunstausstellungen sein konnten.19 Dort hatte die Münchener Künstlergenossenschaft seit 1869 im 1854 erbauten Glaspalast Verkaufsausstellungen organisiert, die Künstler aus ganz Europa an die Isar lockten.20 Unter anderem dadurch entwickelte sich München zu einem der bedeutendsten europäischen Kunstzentren. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die Regierungsübernahme von Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1888 und dessen konservativen Kunstgeschmack. In der bayerischen Hauptstadt München hingegen genossen die Künstler unter dem Prinzregenten Luitpold eine weitgehend liberale Kunstpolitik.21 Mit dem Glaspalast hatte man einen hervorragenden Ausstellungsort, in dem bereits 1888 mehr als 3.500 Ge-

16 D o r t stellten 611 französische u n d 188 Maler aus Bel-

internationalen Kunstausstellung 1869", Ausstellungskata-

gien, Dänemark, Deutschland, England, Griechen, Haiti,

log, M ü n c h e n 1958; Andrea Grösslein, Die internationalen

Holland, Italien, Österreich, Portugiesen, Russland, Schweiz,

Kunstausstellungen d e r M ü n c h n e r

Skandinavien u n d Spanien aus.

schaft im Glaspalast in M ü n c h e n von 1869 bis 1888, M ü n -

17 In der Société Na-

Künstlergenossen-

tionale des Beaux-Arts war eine jüngere Künstlergene-

chen 1987.

ration vertreten. Pierre Puvis de Chavannes, Charles Émile

Crystal Palace in London errichtet worden. Er war 234 m

Auguste Carolus-Duran, Paul Albert Besnard u. Pascal

lang, 67 m breit u n d 25 m hoch. Seine Ausstellungsfläche

Adolphe Dagnan-Bouveret waren u. a. Gründungsmitglie-

betrug etwa 7.500 m 2 .

der der ca. 400 Künstler umfassenden Künstlervereini-

stellung im Glaspalast in M ü n c h e n fand vor d e m Ersten

gung. Zu den ausländischen Sociétaires gehörten u . a .

Weltkrieg insgesamt 11 mal statt (1.1869, II.1879, III.1883,

Giovanni Boldini, Frans Courtens, Max Liebermann,

IV.1888, V.1890, VI.1892, VII.1897, VIII.1901, IX.1905,

Willem Mesdag, John Singer Sargent, Frits Thaulow, Fritz

X.1909 u n d XI.1913). Sie stand unter der Schirmherrschaft

von Uhde, A n d e r s Z o r n u. Gari Melchers.

des Prinzregenten

18 Vgl.

20 Der Glaspalast war 1854 nach Vorbild des

21 Die Internationale Kunstaus-

Luitpold.

Die Ausstellungen

der

„Centenaire Salon d'Automne 1903-2003", Ausstellungs-

Secession fanden 1892-1896 in einem eigenen Ausstel-

katalog, Paris 2003.

lungsbau statt.

19 Vgl. „Aufbruch zur m o d e r n e n

Kunst: M ü n c h e n 1869-1958. Rekonstruktion der ersten

30

VORAUSSETZUNGEN, VORBILDER UND

VORGÄNGER

mälde, Zeichnungen, Skulpturen und kunsthandwerkliche Exponate gezeigt wurden.22 Die Münchener Internationale war die erfolgreichste Ausstellungsreihe ihrer Art. Auch in der Reichshauptstadt Berlin fanden 1886 und 1891 internationale Kunstausstellungen statt, die der Verein Berliner Künstler organisiert hatte.23 Die Ausstellung von 1891 zum 5o-jährigen Bestehen des Vereins, die unter dem Patronat der Kaiserin Friedrich stand, war die bis dahin größte internationale Kunstausstellung in Europa. Im umgebauten Landesausstellungsgebäude am Lehrter Bahnhof wurden ca. 5.000 Kunstwerke ausgestellt.24 Seitdem Vittorio Emanuele II. von Savoyen am 17. März 1861 das neue Königreich Italien mit der Hauptstadt Turin ausgerufen hatte, fanden auch in Italien zahlreiche Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellungen statt.25 Die erste war 1861 die große Esposizione italiana agraria, industriale e artistica in Florenz, die eine nach dem Vorbild der Weltausstellungen geschaffene Präsentation der agrarischen, industriellen und künstlerischen Leistungen des gerade entstandenen Landes darstellte. In den wichtigen Zentren Italiens wie Rom, Mailand, Neapel oder Turin fanden in dieser Zeit eine Reihe nationaler Großausstellungen statt, die meist auch eine Abteilung nationaler Kunst beinhalteten.26 Die erste internationale Kunstausstellung in Italien wurde 1883 anlässlich der Eröffnung des Ausstellungspalasts in der Via Nazionale in Rom organisiert.27 In der Beurteilung finden sich zu dieser Kunstausstellung viele kritische Stimmen, die von der gezeigten Kunst nicht überzeugt waren. Sie reflektierte und zeigte die Probleme der italienischen Kunst am Ende des 19. Jahrhunderts, welche zu dieser Zeit international eine unbedeutende Rolle spielte.28 Der Bericht der Verantwortlichen der Ausstellung nannte explizit die Münchener Internationale als Bezugspunkt, wo einige der ausgestellten Kunstwerke im Anschluss zu sehen waren.29 Stolz verglich man die eigenen Verkaufszahlen mit denen in München, die man mit 1.068.763 Lire übertroffen hatte. „Auf der Internationalen Ausstellung in München (Bayern) des laufenden

22 Vgl. Illustrierter Katalog der III. Internationalen Kunst-

zioni in Italia, 1861-1911: la competizione culturale con

austeilung (Münchener Jubiläumsausstellung) im königl.

l'Europa e la ricerca dello stile nazionale, Neapel 1988.

Glaspalaste zu München 1888, München 1888. Umgesetzt

26 Einige b e d e u t e n d e Ausstellungen in Italien waren

wurden 1.050.000 RM u n d es blieb ein Gewinn von ca.

folgende: Florenz (1861), R o m u n d Parma (1870), Mai-

100.000 RM.

23 Vgl. „Internationale Kunstausstellung",

land (1872), Neapel (1877), Turin (1880), Rom (1883).

Ausstellungskatalog, Berlin 1891.1891 n a h m e n bei der im

27 Vgl. „Esposizione di belle arti in Roma 1883", Ausstel-

Ausstellungsgelände am Lehrter Bahnhof stattfindenden

lungskatalog, Rom 1883; Gianna Piantoni, „L'Esposizione

Kunstausstellung Künstler aus Belgien, Dänemark, Eng-

Internazionale di Belle Arti in Roma", in: „II Palazzo delle

land, Holland, Italien, Norwegen, Österreich, Polen, Russ-

Esposizioni", Ausstellungskatalog, R o m 1990, S. 109-121.

land, Schweden, Spanien, Türkei, Ungarn u n d den USA

28 Vgl. Mario Isnenghi, „La Cultura", in: Emilio Franzina

teil. Frankreich n a h m aus politischen Gründen nicht offi-

(Hg.), Venezia, Rom 1986, S. 381-482; Maria Mimita

ziell teil u n d sandte nur wenige Bilder. Der Umsatz betrug

Lamberti, „1870-1915:1 m u t a m e n t i del mercato e le ricer-

über 800.000 RM, wobei als Gewinn ca. 110.000 RM

che degli artisti", in: Federico Zeri (Hg.), Storia dell'Arte

übrig blieben.

24 Vgl. „Sammlungen u n d Ausstellun-

italiana, VII, Il Novecento, Turin 1982, S. 3-172.

29 Vgl.

gen", in: Kunstchronik, NF, II. Jg., Nr. 29, 18. Juni 1891,

Prima Esposizione Internazionale di Belle Arti. Relazione

S. 489.

del Comitato Esecutivo, Rom 1883, S. 11 f.

25 Einen knappen Überblick über diese Ausstel-

lungen bietet: Mariantonietta Picone Petrusa/Maria Raffaela Pessolano/Assunta Bianco (Hg.), Le grandi esposi-

D I E ESPOSIZIONE

NAZIONALE

ARTISTICA

1887

31

Jahres hat man für 830,000 Lire verkauft, davon stammten 94.000 von italienischen Werken."30 Während der Ausstellung hatte der V. Congresso Artistico stattgefunden, bei dem man die Durchführung zukünftiger Ausstellungen beschlossen hatte. Der Kongress gelobt bei der Regierung, dass er — während er die Abhaltung internationaler Ausstellungen in Rom alle zwei Jahre bestätigte — die in der Zwischenzeit abwechselnd stattfindenden nationalen Ausstellungen in verschiedenen italienischen Städten, weiterhin mit großzügigen Beihilfen unterstützen werde, an erster Stelle jene von Venedig.31 Hier zeigt sich, dass dies der Beginn einer regelmäßig stattfindenden Ausstellungsreihe sein sollte, die jedoch nicht in gewünschter Weise entstand. Es ist in jedem Fall deutlich geworden, dass eine Ausstellung internationaler Kunst nicht eine originäre Erfindung der Gründer der ersten Internationalen Kunstausstellung der Stadt Venedig von 1895 ist, sondern auf ältere Traditionen zurückzuführen ist.

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Die Initiative zur 1883 in Rom beschlossenen nationalen Kunstausstellung ging von einem Zirkel lokaler Politiker, Industrieller und Kunstkenner aus, die Venedig den Anschluss an die Entwicklungen im modernen Nationalstaat Italien ermöglichen wollten.32 Der zweite wichtige Grund für die Ausrichtung der Ausstellung lässt sich bereits in ihrer Entstehung in Rom im Jahr 1883 ablesen. Dort wurden die Ziele durch die Künstlervereinigung eindeutig festgelegt. Ziel war es, durch diese zunächst einmalig geplante Kunstausstellung das Renommee der Stadt als Kunstzentrum wieder zu erlangen und den Anschluss an die zeitgenössische Kunst zu finden. In Erinnerung an den Misserfolg Roms im Jahr 1883 wollte man in Venedig die früher gemachten Fehler vermeiden. Unter dem Patronat der Königin Margherita von Savoyen, die als Garantin für den nationalen Charakter der Ausstellung ausgewählt worden war, wurde mit dem bis dahin größten venezianischen Ausstellungsprojekt begonnen. Man setzte sich ganz bewusst in die Tradition der früheren nationalen Ausstellungen: Esposizione Nazionale di Parma 1870, Esposizione Nazionale di Milano 1872, Esposizione Nazionale di Napoli 1877, Esposizione Nazionale di Torino 1880, Esposizione industriale di Milano 1881,

30 „All'Esposizione internazionale di Monaco (Baviera)

Italiano tenutosi in Roma nel Gennaio 1883, Raccolti dal

dell'anno in corso si è venduto per lire 830,000, delle quali

Dr Carlo Ferrari, Segretario della prima Sezione, Comitato

94,000 di opere italiane." Ebd., S. 9.

31 „II Congresso, fa

esecutivo (Hg.), Rom/Florenz 1883, S. 46 f.

32 Vgl.

voti presso il Governo affinchè, tenendo ferma la succes-

AMV, 1885-1889, VII.9.7, Esposizione Nazionale Artistica;

sione di mostre biennali e internazionali in Roma, conti-

AMV, 1890-1894, VII.9.9, Esposizione Nazionale Artistica

nui a incoraggiare, negli intervalli, con larghi sussidi le

del 1887 pendenze arretrate u. BMC, Misc. C 13626 Espo-

esposizioni nazionali circolanti nelle diverse città d'Italia,

sizione Nazionale Artistica 1887.

prima di esse Venezia." Atti del V. Congresso Artistico

32

VORAUSSETZUNGEN, VORBILDER UND VORGÄNGER

Esposizione Internazionale di Roma 1883 und die Esposizione industriale di Torino 1884." Zunächst war Prinz Giuseppe Giovanelli der Präsident des Organisationskomitees, doch nach seinem Tod übernahm der einflussreiche Geschäftsmann und Politiker Nicolò Papadopoli Aldobrandini die Präsidentschaft. Als Ehrenpräsident wurde Bürgermeister Graf Dante Serego degli Alighieri ernannt, als Vizepräsidenten fungierten Graf Lodovico Valmarana und Graf Lorenzo Tiepolo. Das Kunstkomitee bestand aus dem Hauptinitiator Paolo Fambri und den venezianischen Künstlern Guglielmo Ciardi und Antonio Dal Zotto. Bei der Organisation ging es zunächst darum, ein geeignetes Areal zu finden. Nachdem man mehrere andere Orte wie z. B. das ehemalige Marsfeld am östlichen Rand der Stadt in Betracht gezogen hatte, zeigte sich sehr schnell, dass die Giardini pubblici den optimalen Standort darstellten (Tafel II). Sie befinden sich am westlichen Rand der Stadt und waren 1807 unter der Herrschaft Napoleons durch den Abriss einiger Kirchen und Klöster als öffentlicher Park entstanden.34 Es ist als weitsichtige Entscheidung anzuerkennen, dass man sich dazu entschlossen hatte, dieses Areal kulturell zu nutzen, da es vom Ufer einen einmaligen Blick auf die Stadtsilhouette Venedigs mit Palazzo Ducale, San Marco und Campanile bot. Das ehemalige Marsfeld hätte zu dicht an der Stazione Marittima, dem Hafen und der Industrie gelegen, wodurch der einmalige Charakter der Giardini nicht gegeben gewesen wäre. Nach den Planungen des Architekten Raimondo d'Aronco wurde das Areal für die Ausstellung mit temporären Ausstellungsbauten und einer Konzerthalle bebaut (Abb. 2).35 Der Hauptzugang erfolgte vom Wasser aus durch ein langgestrecktes Eingangsgebäude am südlichen Ufer. Vom Land aus konnte der Komplex nur über eine Brücke erreicht werden, die von der Via Garibaldi auf das Areal führte (Abb. 3). Die langgestreckte Front des Ausstellungskomplexes am Bacino di San Marco war eine Hommage an den klassischen Stil. Aus der ehemaligen Reithalle am nördlichen Rand der Giardini wurde eine Konzerthalle für die Besucher der Ausstellung. Am westlichen Rand des Geländes wurde ein Caffè-Ristorante der spätere englische Pavillon, errichtet (Abb. 4). Fast alles war reine Ausstellungsarchitektur — aus Holz, Dachpappe und Blechdächern für eine temporäre Nutzung zusammengebaut. Eine spezielle Kommission gab es für die Organisation von Begleitveranstaltungen, die während der Dauer der Kunstausstellung in ganz Venedig stattfinden sollten. Dazu gehörten Illuminationen, Konzerte, eine Ruderregatta, Sportturniere, Feste auf dem Canal Grande, Freschi e serenate Veneziane, Tontaubenschießwettbewerbe, eine Weinmesse, ein Festival auf dem Lido, Stierkämpfe und Feuerwerke. Eine Besonderheit war in den Augen der Organisatoren die Aufführung der Oper Otello von Giuseppe Verdi im Teatro La Fenice, die mit Künstlern der Scala aus Mailand und aus Rom aufwarten konnte. Doch nicht nur für die Kunst und die Unterhaltung hatte man gesorgt. Mit Schreiben an zahlreiche Hotels und private Zimmervermieter suchte man alle Kapazitäten an Fremdenzimmern zu mobilisieren und damit gleichzeitig die Preise im Rahmen zu halten.36 33 Vgl. L'Esposizione Artistica Nazionale Illustrata, Venezia

35 S. Esposizione Nazionale Artistica 1887, N. 3,10. Aprii

1887/88, Nr. ι, S. 6.

1887, S. 18.

34 Vgl. Mulazzani 1988, S. 6-9.

36 AMV, 1885-1889 VII.9.7 Unter der Über-

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I887

33

Leider hatte man sich für diese Absichten einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht, denn die ökonomische und industrielle Entwicklung war noch nicht entscheidend vorangebracht worden. Hinzu kamen weitere, grundlegendere Versäumnisse der Stadtverwaltung. Durch die katastrophale sanitäre Situation in der Lagunenstadt waren immer wieder Fälle von Cholera aufgetreten, was sich auf den für die Stadt so wichtigen Tourismus verheerend auswirkte. Durch die immer umfassender und schneller berichtende internationale Presse wurden entsprechende Nachrichten verbreitet. Im Frühjahr des Jahres 1886 berichtete die Venice News über die Erfolgsaussichten der Ausstellung: „Wir hoffen, dass ihre Erfolgsaussichten nicht durch die Veröffentlichung weiterer absurder Berichte über Epidemien, die nicht existieren, ruiniert wird. "" Wer Venedig kennt wird einräumen, daß der Ausstellungsplatz der Schönste ist, welcher gedacht werden kann. Die geplanten Feste, welche die Ausstellung im Gefolge haben wird, dürften eine Menge Gäste herbeilocken, wenn die Cholera, welche Italien in den letzten Monaten unsicher machte, und besonders Venedig unendlichen Schaden zufügte, ferne bleibt.3' Auch in der Folge wurde über die ökonomische Depression in der Stadt geschrieben, die sich auch speziell bei den Vorbereitungen der Ausstellung zeigte. Man erwartete wenig von den temporären Bauten in den Giardini.39 Trotz der Kritik wünschte man dem Unternehmen viel Glück und Erfolg. „ Wir wünschen der Ausstellung von Herzen jeden Erfolg als Mittel, Besucher nach Venedig zu bringen. " 40 Doch die Situation wurde immer problematischer, da immer weniger Fremde in die Stadt kamen. Als Erklärung wurden auch die immer größeren Anstrengungen anderer italienischer Städte wie Florenz und Rom beschrieben, die sich ihrerseits intensiv darum bemühten, die kaufkräftigen internationalen Besucher in ihre Städte zu locken. Man dürfe sich nicht auf den Errungenschaften der Vergangenheit ausruhen, sondern müsse unter Wahrung der historischen Einzigartigkeit Venedigs eine qualitätvolle Entwicklung vorantreiben. Verstärkt wurden die Probleme auch durch die Ausweitung der Aktivitäten der Camorra in Venedig, auf die zahllose Artikel der Venice News hinwiesen und ihre englischsprachige Leserschaft vor den kriminellen Machenschaften in der Fremdenindustrie warnten.41 Diese Entwicklung ist zum größten Teil selbst verschuldet gewesen, da zur gleichen Zeit zum Beispiel die Eisenbahnverbindungen nach Nordeuropa durch den 1882

schrift „Ruolo. Stanze e appartementi ammobigliati in

28. Oktober 1886, S. 40.

occasione dell' Esposizione Artistica 1887" ist

Venedig", in: Kunstchronik, XXII. Jg., Nr. 27, 3. Juli 1886,

u m f a n g r e i c h e Liste der angebotenen erhalten.

eine

Fremdenzimmer

37 „We hope that its chances of success will not

be ruined by the publication of any more absurd reports

S. 1-3.

40 Ebd., S. 3.

39 August Wolf, „Brief aus

41 Die Venice News berichtete

i m m e r wieder u m f a s s e n d ü b e r diese P r o b l e m e

und

n a n n t e konkrete Bespiele. Eine umfassende Beschreibung

about epidemics which do not exist." William Scott, in:

dieser Problematik findet sich in der folgenden Publika-

Venice News, Nr. 16,17. April 1886, S. 2.

tion: Paolo Fambri, La C a m o r r a a Venezia, Florenz 1889.

38 August Wolf,

„Brief aus Venedig", in: Kunstchronik, XXII. Jg., Nr. 3,

VORAUSSETZUNGEN, VORBILDER UND

34

VORGÄNGER

eingeweihten Gotthard-Tunnel die Reise nach Italien immer angenehmer gestalteten. Nach der Aufnahme des Bahnbetriebs passierten eine Million Reisende pro Jahr den Tunnel. Trotz aller Widrigkeiten donnerten am 1. Mai 1887 um 11 Uhr Salutschüsse durch die Stadt — dies war das Startzeichen für die Feierlichkeiten zur Einweihung des neugeschaffenen Denkmals zu Ehren des ehemaligen Königs Vittorio Emanuele II. an der Riva degli Schiavoni und zur Eröffnung der Esposizione Nazionale Artistica in den Giardini (Abb. 5). Seit dem feierlichen Einzug des Königs im Jahr 1866 war dies das bedeutendste Ereignis in der Geschichte Venedigs als Teil des italienischen Königreichs. Zu diesem Anlass war das italienische Königspaar Umberto I. und Margherita von Savoyen in die Stadt gekommen. Die ganze Stadt war feierlich geschmückt, und aus aller Welt waren Menschen herbeigeströmt, um bei diesen großen Ereignissen anwesend zu sein. Die seit 1874 in Venedig lebende Engländerin Lady Enid Layard beschrieb in ihrem Tagebuch ausführlich die Enthüllung des Denkmals von Vittorio Emanuele II. Für das Königspaar war ein Pavillon am Riva degli Schiavoni errichtet worden, von wo aus es der Eröffhungszeremonie beiwohnen konnte. Der König gab Bürgermeister Serego Alighieri einen Befehl, und die Statue wurde unter großem Jubel enthüllt. Am Abend wurde das Bacino di San Marco illuminiert, d. h. alle Gebäude, Türme, zahllose Schiffe wurden durch Lampen und Kerzen beleuchtet.42 Am 2. Mai 1887 wurde in Anwesenheit des Königspaares zunächst das Denkmal für Giuseppe Garibaldi an der Via Garibaldi eingeweiht und im Anschluss die Esposizione Nazionale Artistica eröffnet. Die Feierlichkeiten fanden in der Konzerthalle statt, wo eine Plattform errichtet worden war. Nach den Reden von Bürgermeister Tiepolo und Präsident Papadopoli erklärte der König die Ausstellung für eröffnet und nach einem Rundgang durch die Ausstellung verließ das Königspaar die Giardini. Der Abend wurde mit einer Gala-Aufführung der Oper La Gioconda von Amilcare Ponchielli im Teatro La Fenice gefeiert.43 Am dritten Tag des Besuchs in Venedig widmete sich das Königspaar neben der Zukunft Venedigs als Kunstzentrum, auch der zukünftigen Rolle der Stadt als Marinestützpunkt. Auch hier konnte man an eine glorreiche Vergangenheit anknüpfen und hatte schließlich mit dem Arsenale immer noch eine große Werftanlage, wo man mittags bei der Taufe eines neuen Kriegsschiffs zugegen war. Darüber hinaus wurden auch neue Industriestandorte etabliert, wie bei der Grundsteinlegung durch das Königspaar für eine neue Torpedofabrik in der Nähe der Kirche San Giobbe deutlich wurde. Gezeigt wurden in den Ausstellungsbauten in den Giardini ca. 1.800 Bilder und 170 Skulpturen, die zum größten Teil aus Venedig und den Regionen Italiens stammten. Die Venezianer zeigten vor allem venezianische Motive, die das romantische Bild der Stadt unterstrichen; nur vereinzelt wurde das reale Leben in der Lagunenstadt gezeigt. „Offiziell sind freilich die Bildchen Michetti's zu den Perlen der Ausstellung erklärt worden."4* Auch ausländische Maler, 42 Vgl. Tagebuch Layard, 1. Mai 1887. 1887.

43 S. Ebd., 2. Mai

venezianischen Maler Giacomo Favretto, Beppe Ciardi,

44 Vgl. August Wolf, „Die nationale Kunstausstel-

Ettore Tito, Silvio Rotta, Luigi Nono, Alesandro Zezzos,

lung in Venedig, Teil I", in: Kunstchronik, XXII., N. 34,

Alessandro Milesi genannt, die auch bei den ersten Inter-

2.Juni 1887, S. 552-555, hier S. 553. Hier werden u.a. die

nationalen Kunstausstellungen eine bedeutende Rolle spie-

D I E ESPOSIZIONE

NAZIONALE

ARTISTICA

35

I887

die schon mehr als zehn Jahre in Italien lebten, durften sich an der Ausstellung beteiligen. So war es möglich, dass Maler wie Anders Zorn, John Singer Sargent oder Ludwig Passini ausstellen konnten und der Veranstaltung, sehr zur Freude der internationalen Gäste, einen internationalen Anstrich gaben.45 Die Esposizione Nazionale Artistica war, berücksichtigt man die zahlreichen sie begleitenden Publikationen, das wichtigste italienische Ausstellungsereignis des Jahres 1887. Vor und während der Ausstellung erschienen meist begeistert urteilende Ausstellungsführer, die neben Beschreibungen der ausgestellten Kunstwerke oft auch einen touristischen Stadtführer beinhalteten.46 Eher selten waren kritische Auseinandersetzungen mit der Ausstellung, obwohl sie in zahlreichen Bereichen große Defizite aufzuweisen hatte. Insgesamt kann man Ende der 1880er Jahre von einer gewissen Ausstellungsmüdigkeit sprechen, die durch die Vielzahl qualitativ minderwertiger Ausstellungen in ganz Europa verursacht worden war. In der Kunstchronik erschien im Oktober 1887 ein Artikel unter dem Titel „Gegen die Kunstausstellungen!"47 Wie auch Michael F. Zimmermann betont, waren die großen Kunstausstellungen Objekte intensiver Diskussionen in der internationalen Kunstwelt. Kritisch gesehen wurde immer wieder der Markt- und Messecharakter dieser Veranstaltungen mittelmäßiger Kunst, die wenig zur Weiterentwicklung des Kunstschaffens beitragen könnten.48 In seiner scharfen, aber immer sachlichen Kritik der Kunstausstellung gelang es dem Kunstkritiker Vincenzo Mikeiii, die damaligen Probleme nicht nur des italienischen Kunstausstellungswesens exemplarisch vorzuführen. Generell bemängelte er die Vielzahl der in Italien durchgeführten Kongresse und Ausstellungen, die in zu kurzer Abfolge die immer gleichen Gedanken, Werke und Personen präsentierten, ohne dem Publikum eine anspruchsvolle durchdachte Gesamtkonzeption anzubieten. Alleiniges Ziel der durchführenden Städte sei es, durch die Veranstaltungen Besucher in ihre Städte zu locken, damit die lokale Wirtschaft davon profitieren könne.49 Gerade von den vom Staat unterstützten Veranstaltungen erhoffte sich Mikeiii jedoch einen höheren Anspruch, der „ ernsthaft und eifrig den Bedürfnissen und der Würde des Vaterlandes" entsprechen solle, indem sich die Künstler im „fried-

len sollten.

45 Vgl. Alan Chong, „Artistic Life in Venice",

sull'Esposizione artistica nazionale di Venezia del 1887, 1887;

in: G o n d o l a Days. Isabella Stewart Gardner and the

Venedig

Palazzo Barbaro Circle, Ausstellungskatalog, Isabella Ste-

all'Esposizione di Venezia, Venedig 1887; E. Volpi, ZIG-ZAG

wart Gardner Museum, Boston 2004, S. 87-128.

46 Ne-

Giuseppe

Ottolenghi,

Un

imbecille

per l'Esposizione Artistica e d'Arte applicata all'Industria,

ben dem offiziellen Katalog erschienen während u n d nach

Venedig 1887.

der Ausstellung folgende Publikationen, die z u m großen

Kunstchronik XXIII. Jg., Nr. 1, 13. Oktober 1887, S. 5-8.

47 „Gegen die Kunstausstellungen!", in:

Teil gleichzeitig auch als Stadtführer dienten: Esposizione

Darin der Hinweis auf: Otto von Leixner, in: Deutsche

Nazionale Artistica 1887. Guida illustrata di Venezia 1887.

Roman Zeitung, Berlin 1887, S.8.

Guida pratica necessaria a tutti I visitatori, Venedig 1887;

Z i m m e r m a n n , Industrialisierung der Phantasie: der Auf-

L'esposizione artistica nazionale illustrata, Venedig 1887;

bau des m o d e r n e n Italien u n d das Mediensystem der

48 Vgl. Michael F.

Venezia e l'Esposizione Nazionale Artistica del 1887,

Künste 1875-1900, M ü n c h e n 2006.

Pubblicazione estraordinaria della Illustrazione Italiana,

keiii, Esposizione Nazionale di Belle Arti in Venezia. Profili

Mailand 1887; Luigia C o d e m o , A guerra

e Pensieri, Rom 1888, S. 2.

finita

note

49 S. Vincenzo Mi-

36

VORAUSSETZUNGEN, VORBILDER UND

VORGÄNGER

liehen Wettstreit" aneinander messen sollten.50 Zwar habe Venedig eine ruhmreiche Vergangenheit, aber es „ . . . kann sicher nicht als ein würdiger Sitz dieser Ausstellung ausgerufen werden", da die aktuellen wirtschaftlichen Probleme zu umfangreich seien, um eine derart große Aufgabe in angemessener Qualität meistern zu können.51 Die Verantwortlichen der Ausstellung waren sich dieser von Mikeiii angesprochenen Probleme durchaus bewusst, und es ist erstaunlich, dass die von ihnen herausgegebene Zeitschrift sich noch bis Juli 1888 mit den Ergebnissen, Folgen, Kritiken und Ereignissen im Umfeld der Ausstellung befasste.52 Es wurden Leserbriefe gedruckt und man setzte sich intensiv mit der Bedeutung der Ausstellung für die kulturelle Entwicklung in Venedig auseinander. Man versuchte, sich gegen Kritik von verschiedenen Seiten zu wehren oder aber begangene Fehler zu rechtfertigen. Bei der Beurteilung der Esposizione Nazionale Artistica und der sie begleitenden Ereignisse müssen unterschiedliche Ebenen berücksichtigt werden. Zum einen war die Ausrichtung einer nationalen Kunstausstellung, kombiniert mit der Einweihung nationaler Heldendenkmäler, ein symbolischer Akt, der die Zugehörigkeit Venedigs zum italienischen Königreich manifestieren sollte. Zudem stellten sich die Veranstalter in die kunsthistorische Tradition Venedigs, indem sie auf einem Druck zur Erinnerung an die Ausstellung von 1887 Bezug auf die Blütezeit des venezianischen Kunstschaffens nahmen (Tafel I). Die moderne Kunstausstellung wird durch die im Zentrum stehende Allegorie der Italia durch Lorbeerkränze auf einer Stufe mit dem historischen Stadtzentrum und seinen Kunstschätzen gestellt. Ein im Hinblick auf die Bescheidenheit der Ausstellungsbauten vermessener Vergleich, der jedoch das große Selbstbewusstsein der Ausstellungsmacher beweist. Auf der anderen Seite hatten sie gezeigt, dass sie in der Lage waren, solche Großereignisse durchzuführen, auch wenn man die bescheidenen Ausmaße im Vergleich zu den Ausstellungen in den anderen Städten berücksichtigen muss. Doch der bedeutendste Aspekt für die vorliegende Untersuchung ist die Tatsache, dass man bei der Vorbereitung vor allem die Auswirkungen auf den Fremdenverkehr hervorhob und versuchte, die Unterbringung der zahlreichen zu erwartenden Besucher zu garantieren. Darüber hinaus wurde die Ausstellung von zahllosen Ereignissen begleitet, die ihren Besuch noch attraktiver gestalten sollten. Mit etwas mehr als 100.000 Besuchern war zwar der erwünschte Effekt eingetreten und viele Fremde waren in die Stadt gekommen. Die Aktivitäten der Stadtverwaltung bezüglich der Unterbringung der Besucher in Hotels und Privatzimmern schienen sich also ausgezahlt zu haben.53 Aus künstlerischer Sicht konnte man insgesamt zufrieden sein, aber finanziell war das ganze Unternehmen für das Organisationskomitee ein Desaster. Die unzureichende Erfahrung bei der Durchführung einer so großen Veranstaltung, nicht eingehaltene Versprechen zur staatlichen Unterstützung der Ausstellung sowie Streitigkeiten zwischen

50 „serie e sollecite dei bisogni e della dignità della patria"

Venezia 1887, Venedig 1886-1888, hier die letzten vier

„pacifica lotta", ebd., S. i l .

Ausgaben von Januar bis Juli 1888.

51 „non poteva di certo n o n

53 S. August Wolf,

essere proclamata sede degna di tale esposizione", ebd.,

„Die italienische Kunstausstellung in Venedig", in: Kunst-

S. 16.

chronik, XXIII. Jg., Nr. 1,13. Oktober 1887, S. 22.

52 Vgl. Esposizione Artistica Nazionale

illustrata,

D I E ESPOSIZIONE

NAZIONALE

ARTISTICA

1887

37

Kommune, Künstlern und Kritikern ließen die Ausstellung mit einem großen Defizit enden, über dessen genaue Höhe man sich noch bis in die 1890er Jahre hinein auseinandersetzte. Erst am 30. Juli 1889 wurde ein abschließender Bericht, der vom Präsidenten der Ausstellung Nicolò Papadopoli verfasst worden war, im Stadtrat vorgelegt. Als Venedig auf die Ehre reagieren musste, die ihr die italienischen Künstler auf dem nationalen Kunstkongress in Rom 1883 erwiesen hatten, als sie es nach Turin als Sitz der zirkulierenden Ausstellung bestimmt hatten, als Venedig sich anschickte, die Ausstellung vorzubereiten, befand sich unsere Stadt in einem alles andere als glücklichen Zustand. Die Choleraepidemie verursachte im Land enorme Schäden, zwang die Kommune zu unschönen Opfern und die Öffentlichkeit war wenig begeistert von der Idee einer solchen Unternehmung.54 Trotz all dieser Probleme wies Papadopoli in dem Schreiben auf die erfolgreiche Aufwertung der Giardini hin. Diese hatten durch die durchgeführten Arbeiten nun eine funktionstüchtige Konzert- und Ausstellungshalle, ein Caffè-Ristorante, einen Brunnen und zahlreiche andere Verschönerungselemente aufzuweisen. Der vorher nur von zwielichtigen Gestalten genutzte städtische Park hatte durch die Ausstellung einen Impuls erhalten, „so dass er zu einem beliebten Aufenthaltsort für unsere Stadtbewohner und die Fremden wurde. "55 Im Jahr 1888 endete die 10-jährige Regierungszeit des Bürgermeisters Graf Dante Serego degli Alighieri, der dieses Jahrzehnt entscheidend geprägt hatte. Die alten Eliten sollten unter dem moderateren Graf Lorenzo Tiepolo noch zwei Jahre an der Macht bleiben. Man erinnerte sich noch sehr lange an die Ausstellung, denn der seit den Wahlen im April 1890 von Riccardo Selvatico angeführte Stadtrat befasste sich noch bis 1893 mit dem Defizit.56 Dabei wurde heftig zwischen dem Organisationskomitee, Bürgermeister Riccardo Selvatico und dem Ministerpräsidenten in Rom gestritten, wie aus den im Stadtarchiv erhaltenen Dokumenten hervorgeht. Erst mit einem königlichen Dekret vom 28. Juni 1892 wurde nach über fünf 5 4 „Quando Venezia, costrettavi dal suo stesso decoro, do-

meinsam mit dem Schriftsteller Giacinto Gallina prägte er

vette corrispondere all'onore fattole dagli artisti italiani

die literarische Wiedergeburt einer neuen Venezianità. Mit

che l'avevano, nel Congresso Artistico Nazionale tenutosi

41 Jahren wurde er zum neuen Bürgermeister einer pro-

a Roma nel 1883, designata a sede della esposizione circo-

gressiven Stadtregierung, die zahlreiche Reformprojekte in

lante dopo la generale di Torino, quando Venezia si accin-

Angriff nahm. Neben einer Schulreform, Neubauprojek-

geva a predisporre la Mostra, la nostra città versava in con-

ten, Gesundheitspolitik wurden während seiner nur 5 Jahre

dizioni tut'altro che liete. L'epidemia cholerica cagionava

währenden Regierungszeit wichtige Weichen für die Zu-

al paese danni enormi, costringeva il Comune a sacrifizii

kunft gestellt. Seine Schwester heiratete Giovanni Bordiga

non lievi e rendeva il pubblico poco favorevole alla idea di

(1854-1933), der für die Biennale am Beginn der 1920er

una simile impresa." Relazione - Bilancio della Esposi-

verantwortlich war. Er starb 1901 völlig unerwartet mit nur

zione Nazionale Artistica di Venezia 1887, Venedig 1889,

51 Jahren. Literatur: Giorgio Padoan, „Riccardo Selvatico

Vorwort des Präsidiums, S. 2.

55 „che oggi è divenuto un

poeta dialettale", in: Quaderni veneti, 2.1985, S. 86-93; Ar-

centro di ritrovo amenissimo ai nostri concittadini ed ai

chivio privato Selvatico: inventario, Maria Giovanna Siet

forestieri", ebd., S. 4.

56 Selvatico wurde 1849 in Venedig

geboren. Er war ein bekannter Autor von Gedichten, Geschichten und Komödien in venezianischem Dialekt. Ge-

Casagrande (Hg.), Venezia 1995; Tiziana Agostini (Hg.), Venezia nell'età di Riccardo Selvatico, Venezia 2004.

38

VORAUSSETZUNGEN, VORBILDER UND

VORGÄNGER

Jahren die Zahlung der zugesagten staadichen Unterstützung veranlasst. Abschließend wurden die Akten der Ausstellung im November 1893 geschlossen, als man diese im Stadtarchiv einlagerte.57 Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits die Vorbereitungen für ein neues Ausstellungsprojekt begonnen. Die Macher der damaligen Ausstellung konnten nicht ahnen, dass aus ihrem abgewandelten Konzept — Kopien des Regolamento von 1887 finden sich bei den Gründungsakten der ersten Internationalen Kunstausstellung von Venedig — eine der traditions- und erfolgreichsten Ausstellungsreihen der Welt werden sollte. In der Bewertung der Esposizione Nazionale Artistica von 1887 hat sich seit 1895 relativ wenig geändert. Noch 2002 schrieb der Direktor der städtischen Museen Giandomenico Romanelli nur wenige Zeilen über die Ausstellung.58 Dagegen sind die Ereignisse des Jahres 1887 für die Geschichte der Stadt gar nicht hoch genug einzuschätzen. Erstmals seit dem Niedergang im Jahre 1797 fand in der Lagunenstadt ein national bedeutendes Ereignis statt. Unter größter Anstrengung gelang es der Stadt, sich mit Denkmälern für die Nationalhelden Vittorio Emanuele II. und Giuseppe Garibaldi in die Reihe der großen italienischen Städte einzureihen. Darüber hinaus wurde deren Einweihung durch die große nationale Kunstausstellung hervorgehoben, die auf Vorläufer in einigen Städten Italiens zurückblicken konnte und in einer Traditionslinie mit diesen gesehen wurde. Außerdem hatte man mit der großen Ausstellung die künstlerische Schaffenskraft Venedigs bewiesen, die sich durchaus mit den anderen italienischen Städten messen konnte.

57 S. AMV, 1890-1894, VII.9.9, Brief Gozzi an Selvatico,

manelli, „Le arti", in: Mario Isnenghi/Stuart Woolf (Hg.),

14. November 1893. Hier findet sich die Bitte nachdem nun

Storia di Venezia. L'Ottocento e il Novecento, Rom 2002,

alle Streitigkeiten beendet sind, die erhaltenen Akten, Do-

S. 2002.

kumente etc. einzulagern.

58 Vgl. Giandomenico Ro-

KAPITEL 2

DIE ERSTEN

INTERNATIONALEN

KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895—1905

ieses Kapitel widmet sich in einem Teil ausführlich der Entstehungsgeschichte der ersten

D

Internationalen Kunstausstellung der Stadt Venedig einschließlich einer kurzen Be-

schreibung der ausgestellten Kunst und der Reaktionen. Im zweiten Teil wird dann die Ent-

wicklung der Ausstellung um 1900 dargestellt, die trotz kleiner Probleme, von stetigem Wachstum geprägt war. Im Jahr 1905 wurde mit der offiziellen Teilnahme von fünf Ländern ein erster Höhepunkt in der internationalen Anerkennung erreicht. Schließlich widmet sich ein dritter Abschnitt dem aus der Kunstausstellung entstandenen Internationalen Kunstkongress sowie der Galleria Internazionale d'Arte Moderna, einem der ersten international ausgerichteten Museen für zeitgenössische Kunst, im Palazzo Ca' Pesaro.

DIE E R S T E I N T E R N A T I O N A L E K U N S T A U S S T E L L U N G DER S T A D T V E N E D I G 1895

Seit der ersten internationalen Kunstausstellung in Rom 1883 und der nationalen Kunstausstellung in Venedig 1887 waren einige Jahre vergangen, ohne dass sich in Italien eine regelmäßige internationale Kunstausstellungsreihe etabliert hatte. Im Ausland hingegen fanden immer wieder große internationale Kunstausstellungen statt, bei denen auch venezianische Künstler ausgestellt hatten und sehr erfolgreich waren.1 Der venezianische Architekt und Maler Mario De Maria war 1888 in der Jury der Internationalen Ausstellung in München.2 Direktes Vorbild für Venedig waren aber die kleineren Ausstellungen der Münchener Secession, die 1892 als Abspaltung von der Münchener Künstlergenossenschaft gegründet worden war, da einige Künstler nicht mehr mit den Ausstellungs- und Verkaufsbedingungen im Glaspalast einverstanden waren.3 Durch gute Kontakte zu politischen und wirtschaft1 In München hatten u. a. folgende Künstler ausgestellt:

der ersten Ausstellung der Münchener Secession stellten

1883: Guglielmo Ciardi, Luigi Nono; 1888: Ettore Tito; 1891:

auch Künstler aus dem Ausland aus, die zumeist als kor-

Bartolomeo Bezzi, Stefani; 1893: Alessandro Milesi; 1901:

respondierende Mitglieder mit der Secession verbunden

Beppe Ciardi, Pietro Fragiacomo, Silvio Rotta; 1905: Gero-

waren. Insgesamt waren es 297 Künstler mit 876 Werken.

lamo Cairati, Beppe Ciardi.

2 S. BMC, APDM, Varia, 2,3

Vgl. Benno Becker, „Die Sezession", in: Pati, II. Jg., Nr. 3,

Regio Commissariato Italiano per l'Esposizione di Belle

1896, S. 243-247; Rainer Hummel, Die Anfänge der Mün-

Arti di Monaco di Baviera an Mario de Maria, 27. Juli

chener Sezession. Eine kulturpolitische Studie, München

1888, Richiesta di accetazione della delega in rappresen-

1989; „Münchner Secession und ihre Galerie", Ausstel-

tanza degli artisti italiani come membro della giuria dei

lungskatalog, München 1975; Maria Makela, The Munich

premi per l'Esposizione di Belle Arti di Monaco.

secession: art and artists in turn-of-the-century Munich,

3 Bei

40

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I905

lichen Kreisen gelang es, an der Prinzregentenstraße in der Nähe des englischen Gartens ein eigenes Ausstellungsgebäude zu errichten, welches ab 1893 die Ausstellungen der Münchener Secession beherbergen sollte. All diese meist von den lokalen Künstlervereinigungen mit Unterstützung von städtischer oder staatlicher Seite organisierten Ausstellungen verfolgten kommerzielle Interessen. In Italien fand einzig in Mailand seit 1891 die regelmäßige Triennale nationaler Kunst der Akademie Brera statt; in Rom war es seit 1883 nicht gelungen, eine bedeutende Ausstellungsreihe zu etablieren. Die untereinander zerstrittenen Künstlervereinigungen Roms konnten die optimale, vorhandene Infrastruktur nicht nutzen, wie in einem Aufsatz zu den Aktivitäten im Ausstellungspalast in der Via Nazionale deutlich wird.4 Die vier Künstlervereinigungen Società degli Amatori e Cultori di Belle Arti, die Associazione In Arte Libertas, die Associazione Artistica Internazionale und die Associazione degli Acquarellisti blockierten sich gegenseitig und konnten bis auf wenige Ausnahmen keine gemeinsamen Ausstellungen organisieren. Eine Ausnahme war die Ausstellung des Jahres 1893, wo man gemeinsam an die Silberhochzeit des Königspaares erinnern wollte. In den 1890er Jahren gab es also keine regelmäßige internationale Kunstausstellungsreihe in Italien. Die Kommunalwahl des Jahres 1889 hatte eine neue Politikergeneration in den venezianischen Stadtrat gebracht. Die alte Elite um Bürgermeister Graf Lorenzo Tiepolo, der kein stringentes Programm zur weiteren wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der Stadt hatte, wurde am 12. Mai 1890 von einer ultra-progressiven Gruppe um den venezianischen Schriftsteller Riccardo Selvatico (1849—1901) abgelöst (Abb. 6).5 Die Regierung Selvatico hatte ein mutiges Reformprogramm vorgestellt, um den Mythos der Stadt wieder mit neuem Leben zu füllen und sich von dem morbiden Bild der Stadt lösen, das im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden war. Es galt, eine neue Venezianità (venezianische Identität) zu schaffen, denn allein von dem Mythos der Vergangenheit konnten und wollten die Verantwortlichen nicht leben. Die neue Regierung kümmerte sich um Wohnungsfragen, gründete Wohlfahrtsorganisationen, reformierte das Schulsystem, gründete weiterbildende Schulen auch für Frauen und entwickelte die Idee einer Scuola superiore di architettura. „Es war der Beginn der gefeierten ultra-progressiven Stadtregierung [...], von allen danach als Emblem einer möglichen Entwicklung am Ende des 19. Jahrhunderts in Erinnerung."6

Das

Programm beinhaltete noch zahlreiche andere Innovationen, die auf teils sehr heftige Kritik des klerikal-konservativen Establishments in Venedig stießen.

Princeton 1990; Markus Harzenetter, Zur M ü n c h n e r Se-

5 Riccardo Selvatico wurde 1849 in Venedig geboren. Sein

zession: Genese, Ursachen u n d Zielsetzungen dieser inten-

Nachlass befindet sich in der Bibliothek des Museo Correr

tioneil neuartigen M ü n c h n e r Künstlervereinigung, M ü n -

in Venedig. Vgl. Tiziana Agostini (Hg.), Venezia nell'età di

chen 1992.

Riccardo Selvatico, Venedig 2004.

4 Vgl. Rosella Siligato, „Le due anime del

Palazzo: Il Museo Artistico Industriale e la Società degli

6 „Era l'inizio della

celebre giunta ultra-progressista [...], da tutti poi ricorda-

Amatori e Cultori di Belle arti", in: „II Palazzo delle

ta come emblema di una evoluzione possibile della vita

Esposizioni", Ausstellungskatalog, Rom 1990, S. 165-181.

veneziana di fine Ottocento." Franzina 1986, S. 124.

DIE ERSTE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG DER STADT VENEDIG I 8 9 5

4I

Die damalige künstlerische Situation Venedigs war für zeitgenössische Kunst alles andere als optimal. Die seit 1750 existierende Akademie hatte die Ausbildung weitgehend eingestellt, was daran deutlich wird, dass nicht einmal die Professur für Malerei besetzt wurde. Nach einigen Jahren der Vakanz wurde sie erst wieder 1899 besetzt. Außerdem gab es außer dem Circolo Artistico keine bedeutende Künstlervereinigung oder einen Kunstverein, der sich um die Förderung der zeitgenössischen Künstler kümmerte, so dass diese ganz auf private Förderer angewiesen waren. In dieses Vakuum stießen die Promotoren der Kunstausstellung, was, wie das Negativ-Beispiel Rom zeigt, durchaus Vorteile haben konnte. Alle in Venedig lebenden Künstler hatten die Erfahrungen der Esposizione Nazionale Artistica 1887 noch nicht vergessen. Welche Lehren hatte man nun aus dieser Kunstausstellung gezogen? Wie gelang es in der nach wie vor wirtschaftlich nicht prosperierenden Lagunenstadt, erneut eine große Kunstausstellung zu etablieren? Im Folgenden sollen die glücklichen Umstände erklärt werden, die zum Erfolg der ersten internationalen Kunstausstellung in Venedig 1895 führten. In den meisten bisher erschienenen Untersuchungen zur Entstehung der Internationalen Kunstausstellung wurden die Akten des venezianischen Stadtarchivs kaum oder gar nicht berücksichtigt, doch liegt hier der Schlüssel zum Verständnis der damaligen Ereignisse. Die Legende besagt, dass sie im venezianischen Caffé Florian am Markusplatz aus einer genialen Idee des sich dort regelmäßig treffenden Zirkels von Künstlern, Intellektuellen und Politikern entstanden sei. Und es war letztendlich die persönliche Konzeption und Initiative von Riccardo Selvatico, diese große Internationale Kunstschau, die in einer periodischen Versammlung am Rande der Lagune die Blüte der zeitgenössischen Kunstproduktion versammeln sollte, zu schaffen.7 Diese stark vereinfachte Sicht auf die tatsächliche Situation kann jedoch nicht aufrecht erhalten werden, wie schon in Ansätzen am Ende des vorherigen Kapitels gezeigt wurde. Die Münchener Ausstellungen hatten den Verantwortlichen in Venedig gezeigt, welche positiven Auswirkungen ein solches Unternehmen haben konnte, wenn es professionell organisiert ist, man sich die Unterstützung der lokalen Politik und Wirtschaft sowie die Schirmherrschaft einflussreicher Persönlichkeiten sichert. Zwar war es die erklärte Absicht der Initiatoren, mit einer regelmäßigen Kunstausstellung in der Stadt Venedig der italienischen Kunst wieder neues Leben einzuhauchen. Dahinter steckten aber vor allem wirtschaftliche Gründe.8 „Erwähnenswert ist auch, daß B. als erster an die in Venedig periodisch stattfindenden internationalen Kunstausstellungen gedacht und zur Ausführung dieser Idee nach Kräften beigetra7 „E fu, infine, concezione e iniziativa personale di Ric-

La prima Biennale Internazionale d'Arte e la città di Ve-

cardo Selvatico quella grande Mostra internazionale d'Arte,

nezia, Phil.-Diss., Venedig 1979; Wladimiro Dorigo, „L'evo-

che doveva radunare in periodico convegno, sul margine

luzione istituzionale della Biennale di Venezia (1895-

delle lagune, il fiore della produzione estetica contempo-

1973)". in: ASAC, storia, rinnovamento, prospettive, Ve-

ranea." Antonio Fradeletto, Venezia antica e nuovo, Turin

nedig 1976, S. 13-21.

1921, S. 116.

8 Vgl. zur ersten Biennale Enrica Corradini,

42

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I905

gen hat.

Hinter dem B. verbirgt sich der aus Mailand stammende Maler Bartolomeo Bezzi

(1851—1923), der bereits dort versucht hatte, eine internationale Kunstausstellungsreihe zu etablieren.10 Nachdem dies misslungen war, zog er nach Venedig und versuchte dort, seine Ideen umzusetzen.11 Bezzi stand in engem Kontakt zu den venezianischen Malern, die sich häufig mit Bürgermeister Selvatico im Caffè Florian trafen. So kam das Rundschreiben vom 15. Juli 1892, welches die italienischen Bürgermeister dazu aufrief, die Silberhochzeit des Königspaars mit einem besonderen Ereignis angemessen zu feiern, gerade zum rechten Zeitpunkt. Die Entwicklungen des internationalen Kunstmarkts waren den italienischen Künstlern wohlbekannt. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass es gelang, den Bürgermeister von der Idee einer Kunstausstellung in Venedig zu überzeugen. Zunächst war im Oktober 1892 ein Komitee gegründet worden, welches Vorschläge zu den Feierlichkeiten der Silberhochzeit des Königspaares ausarbeiten sollte. In diesem wurde die Idee konkretisiert, im folgenden Jahr eine große Kunstausstellung durchzuführen, die zunächst noch nationalen Charakter haben sollte. Die Hauptverantwortung für die Organisation der Ausstellung lag bei der Stadt selbst, eines der Hauptunterscheidungsmerkmale zu anderen Ausstellungsprojekten, die zumeist von Akademien, Kunstvereinen oder Künstlervereinigungen organisiert wurden. Der Bürgermeister Riccardo Selvatico hatte noch die finanziellen Probleme der Ausstellung von 1887 im Gedächtnis, so dass er sich in einem ersten Schritt um die finanzielle Unterstützung durch die städtische Sparkasse kümmerte. Deren Verwaltungsrat beschloss am 14. April 1893, die neu entstehende Ausstellungsreihe durch einen mit 5.000 Lire dotierten Preis zu unterstützen.12 Mit dieser Zusicherung im Rücken versuchte Bürgermeister Selvatico am 19. April 1993, die Mitglieder des Stadtrats von dem Ausstellungsprojekt zu überzeugen, dessen Gewinne wohltätigen Zwecken dienen sollten.13

9 Vgl. Thieme-Becker, Bd. 3.1909, S. 576; „Bartolomeo

erst ihre Ausstellungsgebäude fertiggestellt hatte. Außer-

Bezzi", in: Allgemeines Künstler Lexikon, Bd. 10, Mün-

dem nach Berlin zur Ausstellung der Sezession dort. Das

chen/Leipzig 1995, S. 369-370.

in Venedig unter den Gründungsdokumenten archivierte

10 Der aus der Gegend

u m Trento stammende Bezzi besuchte die Akademie in

Reglement der Berliner Sezession gehört vermutlich zu den

Mailand. Er stellte in Rom (1886), München (1890) aus.

Unterlagen.

Bezzi wurde am 12. April 1893 zur Teilnahme der ersten

di sottoporre al Consiglio Comunale il progetto di desti-

12 „Visto che la Giunta Minicipale intende

Ausstellung der Münchner Sezession geladen, die gerade

nare a scopo di beneficenza gli utili ricarabili da una Es-

erst ihre Ausstellungsgebäude fertiggestellt hatte. Auch 1898

posizione Nazionale Artistica da aprirsi ogni due anni in

und 1903 stellte er dort aus, ebenso wie auf der Welt-

Venezia." AMV, 1890-1894, VII.9.11, Deliberazione della

ausstellung in Paris 1900. Literatur: Thieme-Becker, Bd. 3.

Cassa di Risparmio in Venezia, 14. Aprii 1893.

1909, S. 576; Dizionario Biografico degli Italiani, Rom

AdCC, 19. Aprii 1893, S. 160-165, I· Proposta della Giunta di

1967, S. 810; „Bartolomeo Bezzi", in: Allgemeines Künst-

ricordare in m o d o perpetuo con istituzione di beneficenza

ler Lexikon, Bd. 10, München/Leipzig 1995, S. 369-370.

e utilità pubblica il 25. anniversario delle nozze d'argento

11 Bezzi wurde am 12. April 1893 zur Teilnahme der ersten

delle Loro Maestà il Re e la Regina.

Ausstellung der Münchner Sezession geladen, die gerade

13 S. AMV,

DIE ERSTE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG DER STADT VENEDIG 1895

43

In Venedig fehlt es jedoch an Ermutigung, am Antrieb, die ruhmreiche Kunst hochzuhalten. Während ausländische Städte sich zum begehrten Zentrum periodisch stattfindender internationaler Ausstellungen entwickeln, während das nahe Mailand, dank glücklicher Umstände und Preise, nationale Künstler zur Teilnahme in den Sälen der Brera anregt, konnte Venedig jenen, die im schwierigen Kampf der Künste bestehen wollen, bis dato keine ernsthaften Verlockungen bieten. Zahlreiche europäische Städte organisierten internationale Kunstausstellungen unterschiedlicher Größe: Antwerpen, Barcelona, Berlin, Bremen, Brüssel, Chicago, Dresden, Hamburg, München, Stuttgart. Selvatico plante die „ . . . Gründung einer zweijährig stattfindenden nationalen Kunstausstellung, die am 22. April 1894 eröffnet werden soll

und, „ . . . ein Preisgeld von

10.000 Lire für das beste und würdigste ausgestellte Kunstwerk zu stiften."14 Diese Ausstellung solle in den Bauten der Ausstellung von 1887 stattfinden. München organisiert seit vielen fahren seine internationalen Ausstellungen und wurde so zum Zentrum eines lebendigen Kunstmarkts; Zentrum und Schule der Künstler, die sich zahlreich dort niedergelassen haben; und schaut Deutschland nicht mit Neid auf den legitimen Einfluss auf dem Feld aller Disziplinen des Schönen, die das deutsche Athen ausübt.15 Selvatico nannte somit alle im vorherigen Kapitel beschriebenen Vorbilder und Traditionslinien wie Mailand und München. Außerdem betonte er die Tradition Venedigs als Kunstzentrum und die Unterstützung durch die Schirmherrschaft des Königspaares. Der Antrag überzeugte die Mitglieder des Stadtrats, die ihn mit 33 zu 3 Stimmen annahmen. In der Folge begann die konkrete Vorbereitung, wobei nicht nur die etablierten Kunstausstellungen im Ausland als Vorbild dienten. Genauso bemühte man sich um Anregungen aus ganz Italien. Im September 1893 hatte Selvatico bei den königlichen Kunstakademien und -schulen in Italien angefragt, ob diese ihm ihre Ausstellungsstatuten zusenden könnten. 16 Ein 14 „Ma a Venezia manca l'incorraggiamento, la spinta per

n a n d o u n premio di diecimila lire alla migliore e degna

tener alta la bandiera della sua arte gloriosa. Mentre città

opera d'arte esposta, premio da intitolarsi del C o m m u n e

straniere si sono fatte centro ambito di peridiche esposi-

di Venezia a ricordo delle Nozze d'argento delle LL.MM.

zioni internazionali; m e n t r e la vicina Milano, per fortuna-

U m b e r t o e Margherita." Ebd., S. 162.

to concorso di circostanze e di premi spinge l'emulazione

molti anni, mercè le sue esposizioni internazionali si è fatta

degli artisti nazionali a concorrere nelle sue sale di Brera,

centro di u n attivo commercio artistico; centro e scuola

Venezia n o n ha p o t u t o fin qui offrire un serio alletta-

d'artisti che numerossissimi h a n n o fissato colà la loro di-

15 „Monaco, da

mento, una condegna ricompensa a chi sappia e possa vin-

mora; e n o n la Germania soltanto guarda orgogliosa alla

cere nella difficile lotta dell'arte. [... ] s o m m a a n n u a di lire

legittima influenza esercitata sul c a m p o di ogni disciplina

5.000 per fondare Piazze nell'Orfanotrofio maschile dei

del bello della Atena tedesca." Ebd., S. 163.

Gesuati, preferibilmente a favore di orfani di operai vene-

1890-94, VII.9.11, Esposizione Artistica biennale in Ve-

ziani m o r t i per infortuni sul lavoro e di orfani di marinai

nezia. Dort sind die Antworten der Kunstakademien aus

naufraghi veneziani, e di istituire una Esposizione biennale

Bologna, Mailand, Neapel u n d Rom zu finden.

artistica nazionale, da inaugurarsi il 22 aprile 1894, asseg-

16 S. AMV,

44

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I9O5

wichtiger Schritt nach der Unterstützung des Stadtrats und der städtischen Sparkasse war es nun, auch die venezianische Künstlerschaft und die lokalen Unternehmer von der Idee zu überzeugen. Zunächst wurden am 1. Dezember 1893 alle in Venedig lebenden Künstler zu einer Versammlung eingeladen, in der sie ihre Vertreter für eine vierzehnköpfige Beratungskommission wählen sollten.'7 Deutlich wurden hier auch nochmal die Ziele der Ausstellung formuliert: „ Die Ausstellung hat ein doppeltes Ziel, der Zierde und und der Erhöhung der Kunst zu nützen und hier einen Kunstmarkt zu schaffen, von dem sich die Stadt einen nicht geringen Vorteil erhofft."1' Am 2. Januar 1894 wurden auch Vertreter der lokalen Wirtschaft angeschrieben, um diese in die Beratungskommission einzubinden.19 Die Kommission, die von der Kommune eingesetzt wurde, um die neuen Regeln festzulegen, bestand je zur Hälfte aus einigen der wichtigsten Persönlichkeiten der Unternehmerschaft und der Künstlerschaft.20 Am 11. Januar 1894 fand die erste Sitzung der Ausstellungskommission statt, die von Antonio Fradeletto (1858—1930), dem ersten von Selvatico bestimmten Generalsekretär, geleitet wurde (Abb. 7).21 Das Ausstellungssekretariat wurde zunächst in den Räumen der Ratsbibliothek im Erdgeschoss des Palazzo Ca Farsetti untergebracht. Nun konnte die praktische Vorbereitung der Ausstellung beginnen, wobei sich vor allem Selvatico und Fradeletto um die Organisation kümmerten. Der Posten des Leiters der Presseabteilung war mit dem Assessor für Bildung, Giovanni Bordiga (1854—1933), dem Schwager von Bürgermeister Selvatico besetzt worden (Abb. 39)." Durch die geschickte Besetzung der unterschiedlichen Kommis-

17 S. ebd., Elenco degli Artisti, Pittori, Scultori ed Ar-

Literatur, Religion etc. redete. 1893 gründete er die Federa-

chitetti.

18 „Esposizione riesca al duplice scopo di gio-

zione fra le Società d'Insegnanti nel Veneto, die bereits

vare al decoro ed all'incremento dell'arte e di creare ed

1894 2 500 Mitglieder hatte. Von 1900 bis 1919 war er Ab-

avviare qui un mercato artistico dal quale la Città può spe-

geordneter im Parlament. Bereits 1906 hatte er die Mög-

rare un vantaggio non lieve." AMV, 1890-1894, VII.9.11,

lichkeit als Erziehungsminister in eine Regierung Giollittis

Brief von Selvatico an 312 in Venedig lebende Künstler,

einzutreten, lehnte dies jedoch aus politischen Gründen

1. Dezember 1893.

19 S. ebd., Brief Stucky an Selvatico,

ab. Er war Mitglied in der Kommission für das National-

20 Der Kommission gehörten folgende

denkmal Il Vittoriano. Monumento a Vittorio Emanuele II

venezianische Bürger an: Nicolò Papadopoli, Giovanni

in Rom. Während des Esten Weltkriegs setzte er sich inten-

5. Januar 1894.

Stucky, Antonio Fradeletto, Enrico Castelnuovo, Michel-

siv im Parlament für seine Heimatstadt ein. Für kurze Zeit

angelo Guggenheim, Marco Levi, Giuseppe Minio und die

wurde er unter Ministerpräsident Nitti Minister fur die vom

Künstler Bartolomeo Bezzi, Cesare Laurenti, Emilio Mar-

Feind befreiten Gebiete. 1920 wurde er Senator in Rom.

sili, Marius De Maria, Antonio Dal Zotto, Augusto Sezanne

Literatur: Angelo Tomaselli, „Commemorazione di Anto-

21 Der Venezianer Fradeletto stu-

nio Fradeletto", in: Atti del Reale istituto veneto di scienze,

dierte ab 1876 Literatur und Philosophie in Padua und

lettere ed arti, 1932-33, t. 92, S. 1; Dizionario Biografico

beendete sein Studium 1880 mit einer Arbeit über So-

degli Italiani, Rom 1997, S. 576-578; Daniele Ceschin, La

phokles. Zurück in Venedig wurde er Dozent für Italie-

„voce" di Venezia. Antonio Fradeletto e l'organizzazione

nische Literatur, später auch für Wirtschafts-, Politik- und

della cultura tra Otto e Novecento, Padua 2001.

Diplomatiegeschichte, an der Scuola Superiore di Com-

aus Novara stammende Giovanni Bordiga studierte Ma-

mercio in Ca' Foscari. Er bewegte sich in den Kreisen der

thematik in Turin. Danach war er Dozent am Istituto Su-

zwei Schriftsteller und Komödienschreiber Giacinto Gal-

periore degli Studi Economici e Commerciali in Venedig.

u. Pietro Fragiacomo.

22 Der

lina und Riccardo Selvatico. Bekannt war er vor allem

Er war ein großer Befürworter des italienischen Kriegsein-

durch sein großes Redetalent, so dai? er in ganz Italien an-

tritts und unterstützte Gabriele D'Annunzios Besetzung

gefragt wurde und zu den Themen Politik, Geschichte,

von Fiume. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Präsident

DIE ERSTE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG DER STADT VENEDIG 1895

45

sionen konnten nun zügig die konkreten Vorarbeiten für die erste Internationale Kunstausstellung der Stadt Venedig durchgeführt werden. Bei der Ausarbeitung des Ausstellungsreglements wurden die der Esposizione Nazionale Artistica von 1887 als Vorlage benutzt.23 Doch konnte man diesmal auf eine breitere personelle Besetzung der Kommissionen zurückgreifen, um eine als Schwungrad der städtischen Entwicklung konzipierte kulturpolitische Maschinerie in Gang zu setzen. Um die Teilnahme bekannter europäischer Künstler zu garantieren, schuf man als besonderen Clou ein Patronatskomitee, welches nach dem Modell der korrespondierenden Mitglieder der Münchener Secession geschaffen wurde. Hierzu schrieb Selvatico an die renommiertesten Künstler Europas einen Brief, in dem er das Ausstellungsprojekt vorstellte und den Künstlern eine Mitgliedschaft in diesem Patronatskomitee anbot. Am 30. März 1894 wurden im Stadtrat die Ergebnisse der bisherigen Vorbereitungen präsentiert.24 Dabei wurden der internationale Charakter und die strengen Auswahlkriterien für die ausgestellte Kunst festgelegt. Dadurch sollte die venezianische Ausstellung, wie das Vorbild in München, eine kleine, qualitätvolle „Elite-Ausstellung" mit einer Beschränkung auf ca. 450 Exponate (Malerei, Skulptur, Zeichnungen, Aquarelle) werden (Abb. 8). Der vorhandene Konzertsaal in den Giardini sollte nach dem Vorbild des Sezessionsgebäudes ausgebaut werden. Noch nicht offiziell bestätigt, erreichen uns von überall her die Zustimmungen; so überschwänglich, so warm von Herzlichkeit, sind sie der Beweis, dass der Name Venedigs und der Italiens immer noch ein Gefühl der Bewunderung hervorrufen.2S Der internationale Charakter allein genügte jedoch nicht, um die Ausstellung auch tatsächlich mit Kunst zu füllen. „Dies sind die respektiertesten Namen des künstlerischen Europa", bemerkte Fradeletto stolz, als er die mehr als 30 Namen und deren durchweg positiven Reaktionen verlas.26 Überzeugt von soviel Begeisterung wurde der Antrag mit 39 zu einer

der Accademia di Belle Arti. A u ß e r d e m war er M i t b e g r ü n -

testimonianza che il n o m e di Venezia e quello d'Italia sus-

der der i m Dezember 1926 e r ö f f n e t e n Scuola Superiore di

citano a n c o r a u n s e n t i m e n t o di a m m i r a z i o n e . "

Architettura in Venedig (der zweiten in Italien nach R o m ) .

S. 148.

1929-1934 war er Präsident des Ateneo Veneto. Literatur:

artistica", ebd., S. 150. Das Patronatskomitee ( C o m i t a t o di

Ferruccio Smeraldi, „ C o m m e m o r a z i o n e di Giovanni Bor-

Patrocinio) b e s t a n d anfangs aus 35 Künstlern aus 11 Län-

diga", in: Ateneo Veneto, Voi. 113,1934, S. 56.

2 3 S.AMV,

dern: Belgien: Johannes H u b e r t u s Leonardus de Haas,

1895-1899, VII.9.10 Hier sind folgende Regolamenti der

Charles Van der Stappen; D ä n e m a r k : Peter Severin Kroyer;

Esposizione Nazionale Artistica v o n 1887 zu finden: Re-

D e u t s c h e s Reich: M a x L i e b e r m a n n , Fritz v o n

g o l a m e n t o Interno, Regolamento Generale, Regolamen-

Gustav Schönleber England: John Everett Millais, Frederic

t o per l'ufficio dellsa stampa u. Regolamenti pel Perso-

Leighton, Lawrence A l m a Tadema, Edward B u r n e Jones;

Ebd.,

26 „Sono questi i n o m i p i ù rispettati dell'Europa

Uhde,

2 4 S. AMV, A d C C , 30. M ä r z 1894,

Frankreich: Carolus D u r a n , Puvis de Chavannes, Gustave

S. 145-151, Proposte della G i u n t a relative alla esposizione

M o r e a u , Pierre D u b o i s , Jean Jaques H e n n e r ; Holland:

artistica da inaugurarsi il 22 aprile 1895.

nali di servizio.

25 „Da ogni

H e n d r i k Willem Mesdag, Jozef Israels; Italien: Giovanni

p a r t e p e r v e n n e r o le adesioni, e n o n già ufficialmente c o m -

Boldini, Cesare dall'Acqua, S. Pasini, Giulio Monteverde,

passate, m a così espansive, così calde di cordialità, da farci

Cesare Maccari, Filippo Carcano, D o m e n i c o Morelli, Fran-

46

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I9O5

Stimme angenommen. Mit geringem Aufwand konnte Venedig nun mit den renommiertesten Künstlern der damaligen Zeit auf Plakaten, Broschüren und in Anzeigen in ganz Europa werben. Als Folge der großen Anerkennung entschlossen sich auch weitere lokale Repräsentanten, zusätzliche Preise zu stiften. Neben der städtischen Sparkasse waren nun auch die Provinzregierung, die Gemeinde Murano, einige Städte und Kommunen der Provinz Veneto, die Lega fra gli insegnanti di Venezia und als Einzelperson Prinz Alberto Giovanelli beteiligt. Die Unterstützung aus Rom gestaltete sich zunächst sehr bescheiden, wie aus der zugesagten Summe von 5.000 Lire für den Premio Governativo deutlich wird.27 Als Austragungsort hatte man wieder die Giardini mit der teilweise schon vorhandenen Infrastruktur der Kunstausstellung von 1887 ausgewählt. Am Standort der Konzerthalle wurde der Ausstellungspalast unter Verwendung großer Teile des Vorgängerbaus errichtet (Abb. 10). Enrico Trevisanato, Architekt der Kommune von Venedig, plante und leitete die Bauarbeiten. Die Fassade hatte der venezianischer Künstler Mario de Maria entworfen. Sie bestand aus vier Säulenpaaren auf hohem Sockel, wovon die mittleren beiden oberhalb des Gebälks mit Zahnschnittfries einen klassizistischen Dreiecksgiebel trugen. Im Giebelfeld war zunächst ein Markuslöwe, dann eine Darstellung des „Triumphs Palladlos" angebracht (Abb. 12). Bekrönt wurde der Giebel von einer Statue der Gloria. In den zwei Ädikulae links und rechts des Portals wurden die Allegorien der Malerei und Bildhauerei aufgestellt. Über dem Hauptportal fand sich die in Stein gemeißelte Inschrift PRO ARTE, die dem Bauwerk seinen Namen gab. Die Größenverhältnisse werden durch die abgebildeten Besucher deutlich. Im Vergleich zu den etwa zeitgleich entstandenen Bauten für die Weltausstellungen oder auch zu anderen regionalen Kunstausstellungen in Italien war der Bau sehr bescheiden. Hinter dem Eingangsportal schloss sich ein oktogonaler Kuppelraum an, von dem aus alle weiteren Räume erreicht werden konnten. Den zentralen Saal umgaben insgesamt 17 kleinere Säle, die teilweise durch kleinere Höfe verbunden wurden. Angekündigt wurde die Veranstaltung als Feste Veneziane, also nicht nur als reine Kunstausstellung, sondern als Großereignis für die ganze Stadt über eine längere Periode hinweg. Da es mit den zahlreichen anderen Kunstausstellungen in Europa und Übersee viele Alternativen gab, entwickelte man neben der Ausstellung ein umfangreiches Begleitprogramm. Dazu gehörten Regatten, Theaterauffuhrungen, Konzerte, Feuerwerke und andere Sonderveranstaltungen. Auch für die Fahrt nach Venedig gab es besondere Konditionen, die im Laufe der folgenden Jahre weiter ausgebaut werden sollten. 1895 gab es z. B. ein spezielles Angebot der Schifffahrtsgesellschaft Lloyd Austro-Ungarico, die den Erwerb von Schiffskarten mit ermäßigten Eintrittskarten verband. Ohnehin waren die Eintrittspreise sehr moderat, und es gab sogar Familienermäßigungen. Auch um die Unterbringung kümmerte

27 S. AMV, 1890-1894, VII.9.11, Brief Präfekt an

cesco Paolo Michetti; Österreich-Ungarn: Ludwig Passini,

Zorn.

Michail de Munkacsy; Russland: B e r n s t a m m , A n t o -

Selvatico, 30. Juli 1894 u. Brief Bildungsministerium (MPI)

cholsky; Spanien: José Villegas, Jose Jimenez, Jose Ben-

an Selvatico, 8. August 1894.

lliure, Sorella y Bastida; Schweden: Eilif Petersen, Anders

DIE ERSTE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG DER STADT VENEDIG 1895

47

sich die Kommune wieder, indem sie in der ganzen Stadt Plakate mit folgendem Text aufhängen ließ: Damit die fremden Herrschaften, die wegen der nächsten Internationalen Kunstausstellung nach Venedig kommen, so leicht wie möglich eine Unterkunft finden, werden die Stadtbewohner, die während dieses Anlasses beabsichtigen, möbilierte Zimmer und Wohnungen zu vermieten, dazu aufgefordert, das „ Ufficio informazioni" im Rathaus aufzusuchen,28 Der Einladung zur Eröffhungsausstellung folgten Künstler aus fünfzehn Nationen, deren Kunstwerke im Ausstellungspalast gezeigt wurden. Der Katalog orientierte sich an den Künstlern des Patronatsausschuss, die mit Biographien und Photographien wie in einem Lehrbuch zur zeitgenössischen Kunst präsentiert wurden.29 Insgesamt hatte man im ersten Jahr eine Ausstellungsfläche von ca. 2.500 m2 zur Verfügung, auf denen etwas mehr als 500 Gemälde, 80 Skulpturen sowie einige Aquarelle und Zeichnungen präsentiert wurden. Von den großen Namen, mit denen man geworben hatte, waren nicht alle vertreten und von einigen von ihnen waren nur ein oder zwei Werken zu sehen. Dies lässt sich durch die zahlreichen im selben Jahr stattfindenden Großausstellungen in Paris, München, London und Berlin erklären, die von den dort ansässigen Künstlern zuerst beschickt wurden. Venedig hingegen war auf dem Feld der internationalen Ausstellungen ein Newcomer und niemand wusste, wie sich die Verkaufschancen dort darstellen würden. Selbst nach München kamen die Werke aus Frankreich und England erst nach der Schließung der dortigen Ausstellungen. Ein großer Vorteil der venezianischen Ausstellung war deren überschaubare Größe, da nur ein Zwölftel der Menge an Arbeiten, die in Paris gezeigt wurden, präsentiert wurde.30 Auch im Vergleich zur Ausstellung von 1887 stellte man nur etwas mehr als ein Drittel an Kunstwerken aus. Diese aus den beschränkten finanziellen Möglichkeiten und der Platznot geborene Beschränkung machte es möglich, den Anspruch einer „Elite-Ausstellung" zu erfüllen, den man immer wieder propagiert hatte. Außerdem war der große Vorteil die Neutralität Venedigs im modernen Kunstleben. Hier konnten Künstler aus ganz Europa ausstellen, ohne dass es zu nationalen Spannungen (Frankreich—Deutsches Reich), lokalen Abspaltungen oder Ähnlichem kam. Die Auswahl der Künsder ergab sich aus der Zusammensetzung des Patronatsausschusses, bei dem vor allem Vertreter der etablierten Künstlergruppen Europas ausgewählt worden waren. Bei der Präsentation der Künsder im Katalog betonte man deren enge Verbindung zur italienischen

28 „Affinchè i signori forestieri, che si recheranno a Ve-

23. Aprii 1895.

nezia per la prossima Esposizione Internazionale d'Arte,

„Esposizione Internazionale della Città di Venezia", Aus-

possono trovare più facilmente alloggio, quei cittadini che

stellungskatalog, Venedig 1895, S. 67-163.

desiderassero durante tale occasione di affittare stanze o d

fanden 1895 Salons im Industriepalast an der Champs Ely-

appartementi decentemente ammobigliati, sono interessati

sées (3.578 Kunstwerke) u n d der Salon der Société Na-

a voler darne notizia al Municipio „Ufficio informazioni"

tionale auf dem Marsfeld (ca. 2.500 Kunstwerke) u n d

AMV, 1895-1899, VII.9.10, Manifesto: C o m u n e di Venezia,

zahlreiche kleinere Ausstellungen statt.

29 Vgl. „Pittore aqueforti disegni", in: 30 In Paris

48

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I9O5

Kunstgeschichte, die für viele von ihnen prägend war. „Diese Künstler hatten in Italien studiert, besuchten Italien, kopierten große italienische Kunst der Vergangenheit oder verstanden sich selbst als geistige Söhne Italiens. "31 Durch die illustrierten Massenmedien wurden die aufsehenerregendsten Werke wie das erotische Skandalbild Supremo Convegno von Giacomo Grosso und der Gewinner des ersten Preises, La figlia di Jorio von Francesco Paolo Michetti, in ganz Italien bekannt. Das sehr große Tempera Gemälde des Letzteren wurde mit sechs Studienzeichnungen präsentiert und nahm eine ganze Wand des Saales 3 ein. Michetti war kurz vorher als Porträtist von Margherita und Umberto von Savoyen aufgefallen und war ein sehr angesehener Künstler im damaligen Italien. Der Dichter Gabriele d'Annunzio behauptete, in diesem Gemälde habe Michetti unsere ganze Rasse in den Hauptlinien ihres physischen und moralischen Aufbaues dargestellt, den uralten lebenskräftigen Volksstamm der Abruzzen, der so munter, so gedankenreich, so sangesfroh in seinen heimatlichen Bergen haust, in den Bergen, von denen in nie versiegenden Strömen die Poesie der Legenden und das Wasser des Schnees ins Adriatische Meer rauschen.*2 Mit einiger Verspätung wurde am 30. April 1895 die erste Internationale Kunstausstellung der Stadt Venedig von König Umberto von Savoyen und seiner Gemahlin Königin Margherita in einer feierlichen Zeremonie eröffnet (Abb. 11). Schließlich war es deren Silberhochzeit, die im Jahr 1893 den Anlass für die Organisation dieser Ausstellung gegeben hatte. Die Eröffnung war ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis insbesondere für die Stadtväter von Venedig, die viel Geld und Arbeit in ihr Projekt gesteckt hatten. Neben den lokalen Größen waren auch Mitglieder und Vertreter der italienischen Regierung anwesend. Die Reaktionen auf dieses Ereignis waren größtenteils enthusiastisch. Die lokale Zeitung Adriatico feierte die Eröffnung mit zahlreichen Artikeln. Auch hier wird die Rolle Selváticos hervorgehoben." Besonders wichtig war für die Verantwortlichen der wirtschaftliche Nutzen, der von der Ausstellung für Venedig abfallen sollte. Das wohl wichtigste Instrument hierbei war der offizielle Katalog, der seit der Erstausgabe von 1895 in nahezu unveränderter Weise Wirtschaft und Ausstellung verband. Schon in dieser ersten Ausgabe fand man ein Verzeichnis mit den Namen und Adressen hunderter lokaler Unternehmen, das von der Gastronomie über den Einzelhandel bis hin zu den Galerien keine Branche ausließ. Dies waren zwar noch keine direkten Werbeanzeigen, aber die enge Verknüpfung mit der Wirtschaft sollte die Kunstausstellung von Anfang an prägen. Kurz vor Schließung der Kunstausstellung stiftete 31 „These artists had trained in Italy, or visited Italy,

Michetti", Akademie der Künste, Ausstellungskatalog, Ber-

imitated great Italian art of the past, or considered them-

lin 1899, S. 9-20, hier S. 18.

selves a .figliuolo spirituale' of Italy." Shearer West,

poteva idearla solamente un'anima eletta d'artista quale è

33 „L'idea di tale mostra

„National desires and regional realities in the Venice Bien-

il Selvatico, che, per festeggiare degnamente la nozze d'ar-

nale 1895-1914", in: Art History, i8,1995, S. 404-434, hier

gento dei Sovrani, pensò a beneficare gli orfani e seppe

S. 415.

raccogliere nell'attuale mostra tanti", in: „La Festa dell'

32 Gabriele d'Annunzio, „Zur Charakteristik Mi-

chetti's", in: „Gemälde und Studien von Francesco Paolo

Arte", in: Adriatico, 30. Aprii 1895.

DIE ERSTE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG DER STADT VENEDIG 1895

49

Baron Raimondo Franchetti drei weitere Preise von je 1.000 Lire fur venezianische Künstler.34 Die Ausstellung brachte der Stadt einen ungeheuren Imagegewinn und lockte zahlreiche internationale Gäste in die Stadt. Auch bekannte deutsche Künstler trugen zur Förderung des Maler-Nachwuchses in Italien bei. Max Liebermann überließ die Summe von 5.000 Lire, die er mit dem Preis der Provinz Venedig gewonnen hatte, der Kommune, verbunden mit der Bitte, sie möge diese Summe zur Unterstützung junger mittelloser Künstler verwenden.35 Wie sich bereits bei den durchweg positiven Reaktionen der internationalen Mitglieder des Patronatsausschusses angedeutet hatte, war die Reaktion der internationalen Presse größtenteils positiv. In der Kunstchronik widmete man der Kunstausstellung drei Artikel, die ausführlich die ausgestellte Kunst beschrieben.36 Die Kunst der Impressionisten und ihrer Nachfolger wurde bei der ersten Ausgabe zu wenig berücksichtigt, wie der Kunstkritiker Vittorio Pica beklagte.37 Das Ende der Ausstellung nähert sich mit großen Schritten. Darf sie einfach so ruhig sterben? Ich möchte, dass irgendein Fest, irgendeine geniale Festlichkeit die erfreuliche Unternehmung krönt,38 Zur Abschlussveranstaltung wurde der schon damals sehr populäre Gabriele D'Annunzio zu einem Vortrag nach Venedig eingeladen. Nach den ersten Befürchtungen von Fradeletto, als er den Titel „L'Allegoria dell'Autunno" gelesen hatte, war er von dessen Verlauf begeistert. Die Veranstaltung gipfelte in einer Lobeshymne an die Stadt Venedig, an Riccardo Selavatico und die glorreiche Zukunft der Serenissima.39 Mit diesem bedeutsamen Ereignis endete die erste Internationale Kunstausstellung der Stadt Venedig, die sich in jeder Beziehung als Erfolg erwiesen hatte. Die künstlerische Qualität hatte sich im Vergleich zu ähnlichen Reihen in den Metropolen Europas als durchaus ebenbürtig erwiesen. Sie bediente sich der etablierten Künstler aus den großen Ausstellungen, die anfangs zögerlich nach Venedig kamen, da es zahlreiche andere Ausstellungsmöglichkeiten in Europa gab. Die Kunstausstellung hatte von den Besucherzahlen her und in finanzieller Hinsicht einen geradezu triumphalen Start. Mit 224.000 zahlenden Besuchern hatte man auf einem sehr hohen Niveau begonnen. Insgesamt

34 S. AMV, 1895-1899, VII.9.14, Brief Grimani an Gazzetta

Carte Selvatico, Corrispondenza, Brief Fradeletto an Sel-

di Venezia, 14. Oktober 1895.

vatico, 2. Oktober 1895.

35 Vgl. „Un atto generoso",

in: Gazzetta di Venezia, 15. September 1895 u. AMV,

39 „quel cittadino veneziano

che, inviando un nobile messaggio ai nostri maestri d'arte

1895-1899 VII.9.14, Brief Fradeletto an Grimani, 29. No-

e a quelli d'oltremonte e d'oltremare, dimostrò d'avere

vember 1895.

36 Vgl. August Wolf, „Erste internatio-

fede in questa forza di fecondità ideale o n d ' è dotata Vene-

nale Ausstellung in Venedig", in: Kunstchronik, N.S. Vi. Jg.,

zia." L'Allegoria dell'Autunno. Omaggio offerto a Venezia

30. Mai 1895, S. 422-426; 25. Juli 1895, S. 487-498 u.

da Gabriele D'Annunzio, Florenz 1895, S. 14. Vgl. zur

19. September 1895, S. 538-539.

37 Vgl. Vittorio Pica,

Beziehung D'Annunzios zur Biennale Domenico Vara-

„Impressionista e Sintesi assenti alla I Biennale", in: L'Arte

gnolo, „D'Annunzio e la Biennale", in: Ateneo Veneto, Voi.

Europea a Venezia, Neapel 1895, S. 89-96.

38 „La chiu-

125, März 1939, S. 137-161 u. Daniele Ceschin, „Le Biennali

sura dell'Esposizione s'avvicina a gran passi. Si deve m o -

,Dannunziane'", in: ders., La Voce di Venezia, Venedig

rire così silenziosamente? Io vorrei che qualche festa, qual-

2001, S. 121-128.

che solennità geniale coronasse la lieta impresa." BMC,

50

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I905

wurden Kunstwerke für 360.000 Lire verkauft und man schloss mit einem Gewinn ab. Mit der Anerkennung sowohl bei Kunstkritikern als auch bei den Besuchern hatte sich die Idee Selváticos als großer Erfolg erwiesen. Doch der Erfolg der Ausstellung wurde von den Bürgern Venedigs bei der Wahl im Sommer 1895 nicht honoriert. Die demokratische Administration stürzte im Juli 1895, just in dem Moment, als die Internationale Kunstausstellung siegreich die erste und schwierigste Prüfung bestand. Sie stürzte wegen der Abschaffung des Gebets in den städtischen Schulen.*0 Der ultra-progressive Stadtrat wurde abgewählt und es gab nun eine klerikal-moderate Mehrheit. Diese stand zunächst nochmals unter der Führung von Graf Lorenzo Tiepolo, der aber schon im November 1895 verstarb. Sein Amt übernahm der Graf Filippo Grimani (1850—1924), der als „goldener Bürgermeister" in die Geschichtsbücher eingehen sollte (Abb. 9).41 Zwar war er ein Mann der Tradition, aber er verstand es sehr geschickt, das Neue mit dem Alten zu verbinden. Mit seiner Abwahl legte Selvatico auch sein Amt als Präsident der Internationalen Kunstausstellung nieder. Das Angebot seines Nachfolgers Grimani, diesen Posten zu behalten, um seine Schöpfung weiter zu begleiten, lehnte er ab. Er begründete diesen Beschluss damit, dass man nur mit den Kompetenzen eines Bürgermeisters erfolgreich eine solche Großveranstaltung führen könne, die selbst nur über sehr eingeschränkte organisatorische Kapazitäten verfügte. Sein kongenialer Partner Fradeletto war mit dieser Entscheidung zunächst nicht sehr zufrieden und war kurz davor selbst zurückzutreten. Schließlich einigte er sich doch mit Grimani; die beiden sollten bis 1914 die Geschicke der Ausstellungsreihe leiten. Die erste Internationale Kunstausstellung hatte sich als großer Erfolg erwiesen. Man hatte in Venedig aus den schlechten Erfahrungen der Ausstellung von 1887 gelernt und die damals gemachten Fehler vermieden. Erst nach der Zusicherung der finanziellen und administrativen Unterstützung durch die lokale Wirtschaft hatte man mit der konkreten Planung der

40 „Amministrazione democratica cadde nel luglio del

Bürgermeister von Venedig gewählt. Er verstand es wäh-

1895, proprio nel momento in cui l'Esposizione interna-

rend seiner Amtszeit die Interessen der alten und neuen

zionale d'arte stava siperando vittoriasamente la prima e

Eliten zu verbinden. Unter seiner Regierung wurden zahl-

più difficile prova. Cadde per l'abolizione della preghiera

reiche Industrieansiedlungen, Neubauten, Reformen etc.

nelle scuole communali" Fradeletto 1921, S. 119.

durchgeführt. Die wichtigsten waren der Ausbau des Lido

41 Gri-

mani stammte aus einer der angesehensten Familien

di Venezia und der Bau des neuen Industriehafens in Porto

Venedigs. Er studierte zunächst Jura und arbeitete kurze

Marghera. Nach 24jähriger Amtszeit trat er 1919 von sei-

Zeit als Anwalt. Dann kümmerte er sich die meiste Zeit um

nem Posten zurück und starb 1921. Literatur: Francesco

den Familienbesitz in Venedig und Mirano, wo er 1889

Saccardo, Filippo Grimani, Venedig 1924 u. Maurizio Re-

zum Sindaco ernannt wurde. Seit 1893 war er klerikal-

berschak, „Filippo Grimani e la „nuova Venezia"", in: Ma-

moderater Vertreter im venezianischen Stadtrat. Nach dem

rio Isnenghi/Stuart Woolf (Hg.), Storia di Venezia, L'Otto-

Wahlgewinn im Sommer 1895 und dem Tod von Dante

cento e il Novecento, Bd. 1, Rom 2002, S. 323-347.

Serego degli Allighieri wurde er im November 1895 zum

DER VENEZIANISCHE „ S A L O N " IN DEN GIARDINI 1 8 9 7 - I 9 O 5

5I

Veranstaltung begonnen. Die Unterstützung der Stadt Venedig war durch die Präsidentschaft des Bürgermeisters Selvatico vollständig gesichert. Außerdem hatte er mit Generalsekretär Fradeletto eine sehr glückliche Auswahl getroffen, der sich als ausgezeichneter Organisator erwiesen hatte. Die positive internationale Resonanz auf die Ausstellung hatte man sich zum einen durch das Patronat renommierter internationaler Künstler und zum anderen durch eine exzellente Pressearbeit gesichert. Die Besucher trafen in Venedig auf eine funktionierende zentrale Zimmer- und Wohnungsvergabe, die von Seiten der Stadt organisiert worden war. Die Besucher hielten sich in der Regel einen oder mehrere Tage in der Stadt auf, mussten übernachten, Verpflegung, neue Kleider oder Souvenirs kaufen. Die Wirtschaft profitierte also von dieser Großveranstaltung und unterstützte daher die städtische Ausstellung in den folgenden Jahren auf verschiedenste Weise. Damit waren die Weichen für eine regelmäßig stattfindende Kunstausstellung gestellt. Die ausgestellten Kunstwerke waren durchaus ansprechend, obwohl einige Kritiker bereits bei der ersten Internationalen Kunstausstellung die traditionelle Kunstauswahl kritisierten.

DER V E N E Z I A N I S C H E „ S A L O N " IN D E N G I A R D I N I 1897—1905

Bürger jeder Klasse und jeder Partei. Seid hier erinnert an Riccardo Selvatico, der als Bürgermeister Venedigs mit genialer Kühnheit erdachte, mit kluger Verwirklichung und Glück veranlasste, die Erste Internationale Kunstausstellung.*2 Erinnerungstafel im Kuppelssal, 1897 Schon im März 1896 hatte Fradeletto vorgeschlagen, im Ausstellungspalast eine Gedenktafel für Riccardo Selvatico anbringen zu lassen, was noch vor der zweiten Internationalen Kunstausstellung auf Beschluss des Stadtrats im Kuppelsaal geschah. Hierin drückte sich das große Selbstbewusstsein der Verantwortlichen in Venedig aus, die von Beginn an davon überzeugt waren, eine erfolgreiche Ausstellungsreihe geschaffen zu haben. Es war Selvatico und Fradeletto gelungen, eine auch für den politischen Gegner attraktive Veranstaltung zu etablieren, die auf die uneingeschränkte Zustimmung des Stadtrats sowie der venezianischen und auch der ausländischen Öffentlichkeit bauen konnte. Im Stadtrat war durch die fast 25-jährige Amtszeit des Bürgermeisters Filippo Grimani die zukünftige Existenz der Internationalen Kunstausstellung garantiert, da er diese politisch voll unterstützte, jedoch die Organisation

42 „Cittadini d'ogni classe e d'ogni partito. Vollero qui

tuna. La Prima Mostra internazionale d'arte." AMV, 1895-

ricordato Riccardo Selvatico che Sindaco di Venezia. Ideò

1899, VII.9.12, Brief Fradeletto an Borbon (Presidente del

con geniale ardimento. Dispose con sagacia Attuo con for-

Comitato per un omaggio a R. Selvatico), i l . März 1896.

52

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I9O5

fast gänzlich Fradeletto überließ. Wenn es um Ausbaumaßnahmen, neue Ideen oder die Einladungen an offizielle Repräsentanten Italiens und des Auslands ging, wurde die Stadt eingeschaltet. Ebenso war Grimani für die repräsentativen Aufgaben im Umfeld zuständig oder kümmerte sich um die Kontakte zur Regierung in Rom, um von dieser Seite größere Unterstützung zu erhalten. Die Hauptverantwortlichen blieben zunächst Fradeletto und Selvatico sowie das Organisationskomitee.43 Das Zentrum der Organisation war das Ausstellungssekretariat in der Ratsbibliothek im Palazzo Ca' Farsetti. Bereits im März 1896 erfolgte die Einladung für die zweite Kunstausstellung. Die erfolgreiche erste Ausstellung führte im Stadtrat zu der Entscheidung, den Ausstellungspalast für die kommende Ausstellung auszubauen. Zu diesem Zweck präsentierte Grimani ein Projekt von fünf weiteren Ausstellungssälen westlich des vorhandenen Baus. Hierzu sollten die Rückstellungen aus der ersten und die erhofften Gewinne der zweiten Ausstellung verwendet werden. Da man für 1897 mit einer Zunahme der ausländischen Beteiligung rechnen konnte, wurde dieser Vorschlag einstimmig angenommen.44 Außerdem bemühten sich die verantwortlichen Politiker im Stadtrat darum, die öffentliche Wirkung zu verstärken. Schon im Januar beschäftigte sich der Stadtrat mit den Eröffnungsfeierlichkeiten und es wurde vorgeschlagen, die Ausstellung mit dem im Frühjahr geplanten Stapellauf des im Arsenale gebauten Kriegsschiffes Ammiraglio di Saint Bon zu verbinden.45 Diese Maßnahmen waren notwendig, denn auch in Florenz plante man für 1897 die Eröffnung einer modernen internationalen Kunstausstellung. Zu diesem Zweck hatte man im Stadtzentrum ein temporäres Ausstellungsgebäude errichtet und in der ganzen Stadt neue Blumenrabatten angelegt. Die am 19. Januar 1897 eröffnete Ausstellung war Teil der Festa dell'arte e dei fiori und zeigte Gemälde von italienischen, deutschen, englischen, französischen und spanischen Malern.46 Wie erfolgreich internationale Kunstausstellungen in Italien ausfallen können, hat die vorjährige „Mostra Veneziana" gelehrt, und wenn auch die Ausstellung in Florenz mit weit geringeren Mitteln unternommen wird, so darf doch die von einem nie versiegenden Fremdenstrom überflutete Arnostadt auf ähnlich günstige Resultate hoffen.47 Die Veranstaltung war insgesamt ein großer Erfolg, aber zum Glück für Venedig wurde der Ausstellungspalast wieder abgerissen und die Sorgen wegen einer Konkurrenzveranstaltung

43 Das Organisationskomitee bestand 1897 aus Pompeo

ampliamento dei locali del palazzo dell'Esposizione Inter-

Molmenti (Präsident), Bartolomeo Bezzi, Guglielmo Ci-

nazionale artistica.

ardi, Antonio Dal Zotto, Pietro Fragiacomo, Emilio Mar-

S. 32 u. 23. Januar 1897, S. 54.

sili, Riccardo Selvatico, Augusto Sezanne, Alessandro

dei Fiori: 1896-1897: Catalogo della Esposizione di Belle

Zezzos u n d Antonio Fradeletto (Sekretär). 45 Künstler aus

Arti", Ausstellungskatalog, Florenz 1896.

vierzehn Nationen bildeten den

lungen u n d Ausstellungen", in: Kunstchronik,

Protektoratsausschuss.

44 S. AMV, AdCC, 30. Juni 1896, S. 312-314, Progetto di

45 S. AMV, AdCC, 18. Januar 1897, 46 Vgl. „Festa dell'Arte e

Jg., N. 4,12. November 1896, S. 57.

47 „SammNF.VIII.

DER V E N E Z I A N I S C H E „ S A L O N " IN DEN G I A R D I N I I 8 9 7 - I 9 O 5

53

waren vergessen.48 Eine weitere internationale Ausstellungsreihe entstand 1896 mit der International Exhibition of Paintings des von einem Industriellen finanzierten Carnegie Instituts in Pittsburgh in den USA.49 In ihren Anfängen noch sehr rückständig, sollte sie sich im Laufe der Zeit zu einer wirklichen Konkurrenzveranstaltung entwickeln. Die Schirmherrschaft des Königspaares blieb über den gesamten untersuchten Zeitraum erhalten, auch wenn sich das Paar immer wieder von anderen Mitgliedern des Hauses Savoyen vertreten ließ. Jedoch beschränkte sich die Schirmherrschaft auf die symbolische Unterstützung und hatte nichts mit materiellen oder finanziellen Zuwendungen zu tun. Es wurden zusätzliche Anstrengungen unternommen, damit die Besucher so komfortabel und günstig wie möglich nach Venedig kommen konnten, um die Ausstellung zu besuchen. Auch gab es Plakate in deutscher, französischer und englischer Sprache (Tafel III, Tafel IV). Wie im Katalog deutlich wird, wurde die Kombination von Anreise- und Eintrittstickets als einer der wichtigen Anreize weiter ausgebaut.50 Um die staatlichen Stellen in Rom bemühten sich Fradeletto und Selvatico intensiv. Ziel war es, die Ausstellung enger an das Bildungsministerium (MPI) zu binden, um dadurch die zukünftige Finanzierung zu sichern.51 Erleichtert wurde die Lobby-Arbeit von Fradeletto in Rom durch seine Wahl als Abgeordneter in das italienische Parlament, wo er seinen Einfluss auf die Regierungskreise und Ministerien weiter ausbauen konnte. In den folgenden Jahren wurde der venezianische Ausstellungspalast sukzessive ausgebaut, um den steigenden Platzbedarf zu decken. Dabei wurden nach dem Vorbild der Secession in München die einzelnen Säle immer aufwendiger gestaltet. Im Vergleich zu den großen Ausstellungsbauten in den Hauptstädten Europas blieb er jedoch ein sehr bescheidenes Bauwerk. In einer weiteren Stadtratssitzung wurde schon vor dem Ende der Ausstellung ein Fazit gezogen und von allen Seiten der bisherige Verlauf gelobt.52 Nach den ersten beiden erfolgreichen Ausstellungen hätten sich die Verantwortlichen zufrieden zurücklehnen können, aber Fradeletto und seine Mitstreiter arbeiteten intensiv am weiteren Wachstum. Die Ankaufspolitik der Regierung gestaltete sich für die neu gegründete städtische Galleria Internazionale d'Arte Moderna äußerst nachteilig, da man von staatlicher Seite nur Mittel für italienische Kunst aufwenden konnte. Fradeletto hatte sich wegen dieser Frage schon an den venezianischen Minister Luigi Luzzatti in Rom gewandt.53 Darüber hinaus mobilisierte er die venezianischen Abgeordneten, sich im italienischen Parlament für Venedig einzusetzen.54 Anfang

48 Vgl. Ernst Steinmann, „Moderne Kunst in Florenz", in:

della città di Venezia 1897", Ausstellungskatalog, Venedig

Kunstchronik, N F VIII. Jg., N. 12, 21. Januar 1897, S. 1 8 0 -

1897, S. 6.

185 u. 13, 28. Januar 1897, S. 193-198.

Fase. 46, Brief Fradeletto an Selvatico, 14. Juni 1898.

49 Vgl. „Retro-

51 S. BMC, Carte Selvatico, Corrispondenza, 52 S.

spective exhibition of paintings f r o m previous inter-

AMV, AdCC, 15. September 1897, S. 380 f.

nationals", 1896-1955, Ausstellungskatalog, Department of

Archivio delle Carte Luigi Luzzatti, b. 18, Fase. Antonio

53 S. IVSLA,

Fine Arts, Carnegie Institute, Pittsburgh 1959 u. Peter

Fradeletto, Brief Fradeletto an Luzzatti, 11. Dezember 1897.

Hastings Falk (Hg.), Record of the Carnegie Institute's in-

54 S. Atti Parlamentari, Camera dei Deputati, Discussioni,

ternational exhibitions 1896-1996, Madison, Connecticut

XX legislatura, 21. Aprii 1898, S. 5968.

1998.

50 Vgl. „IIa Esposizione Internazionale d'Arte

54

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

I895-I9O5

April 1898 schlugen Selvatico, Tiepolo und Tecchio vor, während der nächsten Ausstellung ein Lotterie zu veranstalten, um mit dem Erlös weitere Kunstwerke für die städtische Galerie ankaufen zu können.55 Ein Kunstwerk sollte als Hauptpreis am Ende der Ausstellung vergeben werden. Hierzu arbeiteten sie einen Gesetzesentwurf aus und verwiesen auf dieses bereits in Berlin und München erfolgreich angewandte Verfahren. Von seinen Ausstellungsbesuchen in London und Paris schrieb Fradeletto an Selvatico zahlreiche Briefe, um diesem über die Professionalität der dort agierenden Künstler, Galerien und Museen zu berichten. Wir sind hier einmal mehr von der Unkenntnis unserer armen italienischen Künstler überzeugt, denen es unmöglich ist, lange Reisen zu machen. Hier hingegen verdient man, hier reist man, hier liest man und hier gibt man aus.56 Im Herbst reiste er nach Berlin, um Kontakte zu den dortigen Künstlern aufzunehmen, außerdem fand zeitgleich eine Michetti-Ausstellung in der Akademie statt. Im Herbst 1898 besuchte er die Kunstausstellung der großen Esposizione Generale di Torino und war enttäuscht von der Organisation, der Einrichtung und den ausgestellten Werken. Ein Horror, eine Schande. Verschossene Leinwände, schiefe Sofas, schmutzige und zerrissene Stoffe, wechselnde Fußbodenbeläge [...] und die Hälfte des Inhalts der Hülle würdig." Nach diesen Erfahrungen schwebte ihm für Venedig eine grandiose Kunstausstellung als „Modell der Eleganz" für alle anderen italienischen Ausstellungen vor. Sein langfristiges Ziel war die Etablierung einer „aristokratischen Ausstellung", die mit München und Paris in einem Atemzug genannt werden sollte.58 Damit traf er genau den Zeitgeist in Europa, wo überall Kritik an den großen, oft wahllos zusammengestellten Massenausstellungen zu finden war und als Gegenbewegung die Sezessionen wie in Wien und Berlin entstanden.59 Mit den Kommissionsmitgliedern Bezzi und De Maria sowie dem italienischen Kunstprofessor Gerolamo Cairati in München verfügte Fradeletto über beste Kontakte zur deutschen Kunstwelt.60 Cairati kannte durch seine Tätigkeit als Professor an der Akademie „ alle bedeutenden bayeri-

55 S. AMV, 1895-1899. VII.9.18, Brief Selvatico, Tiepolo u.

Selvatico, 18. Oktober 1898.

Tecchio an die Abgeordneten des Parlaments, 6. April 1898.

„Esposizione aristocratica" BMC, Archivio Privato De

56 „Ci siamo persuasi una volta di più dell'ignoranza

Maria, Corrispondenza, Fase. 38, Brief Fradeletto an De

dei nostri poveri artisti impossibilitati d'intraprendere

Maria, 14. Oktober 1898.

lunghi viaggi. Qui invece si guadagna, si viaggia, si legge

sitionen. Geschichte und Kritik des Ausstellungswesens,

58 „modello d'eleganza" u.

59 Vgl. Ekkehard Mai, Expo-

e si spende." BMC, Carte Selvatico, Corrispondenza, Fase.

Berlin/München 1986, S. 33 ff.

46, Brief Fradeletto an Selvatico, 1. Juli 1898.

Mailand ausgebildet, lebte seit 1894 in München. Dort war

57 „Un

60 Gerolamo Cairati in

orrore, un'indecenza. Stoppe stinte, divani sgangherati,

er bis Ende der 1930er Jahre Kontaktmann für die Verant-

velari sudici e laceri, pavimento a intermittenze [... ] e la

wortlichen der Biennale. Vgl. Saur, Bd. 15, München 1997,

media del contenuto degno del contenente." BMC, Carte

S. 531·

Selvatico, Corrispondenza, Fase. 46, Brief Fradeletto an

DER V E N E Z I A N I S C H E „ S A L O N " IN DEN G I A R D I N I 1 8 9 7 - I 9 O 5

55

sehen Künstler", wie Fradeletto immer wieder betonte.61 Ein weiterer wichtiger Diskussionspartner war der Kunstkritiker Ugo Ojetti (1871—1946), der für La Tribuna, Emporium,

Corr-

iere della Sera und andere einflussreiche Zeitungen schrieb.62 Ojetti war im Herbst 1898 in den USA und wurde von Fradeletto gebeten, sich die Kunstszene New Yorks anzuschauen. Der „größte Teil der amerikanischen

Künstler, die in Venedig ausgestellt haben"63 und bei deren

Auswahl Fradeletto von dem Maler John Singer Sargent beraten worden war, lebte jedoch in Paris. Nach dem Besuch der Pariser Weltausstellung 1900, wo er den italienischen Beitrag der Kunstabteilung gesehen hatte, bezeichnete er diesen wegen seiner mangelnden Qualität als „ das Fiasko von Paris".6* Er forderte im Parlament mehr Geld für die italienischen Beiträge zukünftiger Weltausstellungen, um den Auftritt im Vergleich zu den anderen Ländern zu verbessern. Während die anderen Mitstreiter den großen Erfolg der Ausstellungsreihe genossen, schritt die Krankeit von Riccardo Selvatico immer weiter voran. Vergessen hatte man ihn aber keinesfalls und erinnerte sich immer wieder gerne an seine Bedeutung für die Literatur und Theaterkunst des 19. Jahrhunderts. „ Riccardo Selvatico, der Schöpfer der internationalen

Auss-

tellung von Venedig", starb im August 1901.65 Man ehrte ihn mit einer eigenen Postkarte, auf der unter einer Porträtaufhahme sich die Bildunterschrift „Iniziatore delle Esposizioni Internazionali d'Arte" befand. Den Höhepunkt des Personenkults um Riccardo Selvatico bildete die Errichtung eines Denkmals vor dem Haupteingang zu den Giardini. Ganz in der Nähe seiner bedeutendsten Schöpfung blickt seitdem eine ihm nachgebildete Statue nachdenklich sinnend über die Lagune zu der von ihm so geliebten Heimatstadt (Abb. 14).66 Diese wurde

61 „tutti i maggiori artisti bavaresi" GNAM, FO, Cass. 32

Ausstellung L'Art Italien im Petit Palais in Paris 1935. Im

(I), Brief Fradeletto an Ojetti, 4. Januar 1899.

62 Ugo

Ausland wurde er als einflussreichster Kunstkritiker Ita-

Ojetti war einer der einflussreichsten Journalisten, Schrift-

liens anerkannt und war Mitglied in der ständigen Kom-

steller und Kritiker Italiens. 189; begann er gemeinsam

mission für Kunst und Literatur im Rahmen der geistigen

mit D'Annunzio in Rom. Er schrieb in der Folge u. a. für

Zusammenarbeit unter der Verantwortung des Völkerbun-

die Zeitungen La Tribuna, Nuova Rassegna, Illustrazione

des. Seine Artikel wurden auch ins Deutsche übersetzt. Er

Italiana und vor allem den Corriere della Sera, der größten

starb 1946 in seiner Villa „II Salviatino" bei Florenz. Lite-

und einflussreichsten italienische Tageszeitung. 1920 grün-

ratur: Ugo Ojetti, I Taccuini (1914-1943), Florenz 1954;

dete er die Kunstzeitschrift Dedalo. Mitte der 1920er Jahre

G. De Lorenzi, „1920: Ojetti, „Dedalo" e l'arte contempo-

war er für kurze Zeit Direktor des Corriere della Sera, um

ranea", in: Ricerche di Storia dell'arte, 67.1999, S. 5-22; di

sich dann ausschließlich auf die Kunstkritik und die Or-

Marta Nezzo, Ugo Ojetti. Ritratto bibliografico, Pisa 2002.

ganisation von Ausstellungen zu konzentrieren. 1930 wurde

63 „maggior parte degli artisti americani che hanno es-

er eines der ersten Mitglieder der Accademia d'Italia. Seine

posto a Venezia", GNAM, FO, Cass. 32 (I), Brief Fradeletto

Tätigkeit als Kurator großer kunsthistorischer Ausstellung

an Ojetti, 18. Juli 1898.

begann er 1911 in Florenz mit der Mostra dei Ritratti d'ar-

FO, Cass. 32 (I), Brief Fradeletto an Ojetti, 12. Juni 1900.

tisti italiani 1500-1800. Es folgten kleinere Ausstellungen

65 „creatore delle Esposizioni Internazionali di Venezia",

in Mailand, Florenz und in Venedig. 1930 war er einer der Hauptverantwortlichen der großen italienischen Kunstausstellung in Burlington House in London. 1933 organisierte er in Florenz eine große Schau zur italienischen Gartenkunst. Höhepunkt seiner Kuratorentätigkeit war die

64 „fiasco di Parigi", GNAM,

O. T., in: Illustrazione Italiana, N. 34, 25. August 1901, S. 123. 66 Vgl. Anna Claut, „Pietro Canonica e l'erma di Riccardo Selvatico ai Giardini della Biennale", in: Tiziana Agostini (Hg.), Venezia nell'età di Riccardo Selvatico, Venedig 2004, S. 247-256.

56

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

I895-I905

am 14. Juli 1902 durch ein schreckliches Ereignis erschüttert. Eines der Wahrzeichen der Stadt, der Campanile di San Marco, war aus statischen Gründen während der Sanierung zusammengestürzt. Umgehend beschlossen Stadtrat und Parlament den Wiederaufbau unter dem Motto: Dov' era, com'era! (Wo er war, wie er war!). Darüber hinaus gab es ab 1903 weitere bedeutende Veränderungen, die vor allem durch die Turiner Prima Esposizione dell'Arte Decorativa moderna im Jahr 1902 beeinflusst worden waren.67 Diese war eine der international bedeutendsten Manifestationen des Jugendstils und war die erste ausschließlich der dekorativen Kunst gewidmete Großausstellung. Um sich die Dimensionen der großen Ausstellungsereignisse zu veranschaulichen, muss genauso an die beiden großen Weltausstellungen in Paris gedacht werden, die in den Jahren 1900 und 1902 das Interesse der ganzen Welt auf sich gezogen hatten. Dagegen war die Internationale Kunstausstellung in Venedig ein marginales Ereignis, welches sich weder in finanzieller noch in administrativer Sicht mit diesen Großereignissen messen konnte. In der kunsthistorischen Beurteilung wird vor allem die Rückständigkeit bei der Kunstauswahl in den ersten Ausstellungen kritisiert, die vor allem von Generalsekretär Fradeletto stark beeinflusst wurde. Darüber hinaus war anfangs der Einfluss der an der Gründung beteiligten venezianischen Künstler sehr stark, denen es gelang, ihre in der Tradition der venezianischen Vedutenmalerei, des Lokalkolorits und der Venezianità verharrenden Werke prominent in der Ausstellung zu platzieren.68 Fradeletto verfolgte das Ziel, den italienischen Künstlern die Kunstentwicklungen in Europa näher zu bringen, um dadurch die Entwicklung und Verbesserung der nationalen Kunst zu fördern. Bis auf wenige Ausnahmen zeigte sich bereits in den Mitgliedern des Patronatsausschuss die Vorliebe für die akademische Kunst aus den Zentren Europas. Man orientierte sich bei der Auswahl an anderen erfolgreichen Kunstausstellungsreihen und übernahm auch deren bekannteste Vertreter. Ob nun in München, Berlin oder Wien waren dies bis auf wenige Ausnahmen nicht die Impressionisten aus Frankreich wie Claude Monet, Pierre Auguste Renoir oder aber Paul Cézanne, sondern Vertreter anderer Gruppierungen und Stile, wie des Symbolismus, die sich Ende des 19. Jahrhunderts größter Beliebtheit erfreuten. Ein Großteil dieser Namen ist heute in Vergessenheit geraten, wodurch eine stark verzerrte Sicht auf die internationale Bedeutung der Ausstellung in Venedig entstanden ist. Wäre die ausgestellte Kunst damals als so rückständig und minderwertig empfunden worden, wie es in vielen Arbeiten zur Geschichte der Biennale dargestellt wird, ließe sich der Erfolg kaum erklären. Die ausgestellte Kunst war auf der Höhe der Zeit, wie ein Vergleich mit den Künstlern bei den Ausstellungen der Pariser Salons, der Berliner und der Münchener Secession oder La Libre Esthétique in Brüssel zeigt. Ein Vergleich mit gleichzeitig stattfindenden Ausstellungen macht deutlich, dass Fradeletto versuchte, eine Mischung aus den unterschiedlichen Ausstellungen zusammenzustellen. Berücksichtigt man die Tatsache,

67 Grundlegend zur Geschichte der Ausstellung von Tu-

1994.

rin im Jahr 1902 Rossana Bossaglia (Hg.), Torino 1902: le

gional Realities in the Venice Biennale, 1895-1914", in: Art

arti decorative internazionali del nuovo secolo, Mailand

History, Vol. 18, Ν. 3, September 1995, S. 404-434.

68 Vgl. Shearer West, „National Desires and Re-

DER V E N E Z I A N I S C H E „ S A L O N " IN DEN G I A R D I N I I 8 9 7 - I 9 O 5

57

dass es sich hierbei um eine von der Stadt organisierte Ausstellungsreihe handelt, ist sie im Vergleich zu den offiziellen Ausstellungen in Berlin, München oder Paris moderner. Sie kann aber nicht mit den Veranstaltungen der Berliner, Münchner und Wiener Sezessionen oder dem Salon d'Automne in Paris konkurrieren. Die von Fradeletto verantworteten Ausstellungen orientierten sich vor allem am Bekanntheitsgrad der ausstellenden Künstler und somit an den Verkaufschancen der ausgestellten Kunstwerke, die von den eher konservativ eingestellten Besuchern Venedigs gekauft werden sollten. Der Charakter einer internationalen Salon-Ausstellung mit einer Durchmischung der verschiedenen Nationen wurde schon mit der zweiten Ausgabe 1897 verändert (Abb. 15). Sehr viele Säle wurden den einzelnen Nationen zugeordnet, obwohl es nach wie vor internationale Säle gab. Die italienische Kunst wurde in den fünf neu errichteten Sälen westlich des alten Gebäudes untergebracht. Die als besondere Attraktion angepriesene Sammlung japanischer Kunst des Berliner Sammlers Ernst Seeger wurde bereits zwei Jahre zuvor im Glaspalast in München gezeigt.69 Ihr Stellenwert wurde von den Verantwortlichen völlig überbewertet, wie bei Mononi zu sehen ist.70 Neben dem Venezianer Giacomo Favretto wurde 1899 auch dem Münchner Maler Franz von Lenbach ein eigener Saal mit neunzehn Gemälden überlassen (Abb. 16). Die Analyse des Beitrags von Lagler als „ erste augenfällige Inszenierung von nationaler Selbstdarstellung" geht in die falsche Richtung, da es hier vor allem um die Bedeutung der italienischen Kunst geht.71 Lenbach, der Tizian und Raphael bewunderte und einige Alte Meister für die Schack-Galerie kopiert hatte, ist eines der besten Beispiele, um den Primat der italienischen Kunst zu demonstrieren. Darüber hinaus hatten die dargestellten Personen zum größten Teil einen besonderen Bezug zu Venedig. Zudem besaß Lenbach zwei Porträts Tizians, die aus der Sammlung Barbarigo della Terrazza stammten.72 Der Einfluss der internationalen Kunstausstellung auf das Kunstschaffen in Venedig wirkte sich durchaus positiv aus. „An der Spitze der modernen italienischen Kunst steht die venezianische Schule", urteilte der deutsche Kunstkritiker Hans Barth 1899 in der Zeitschrift Die Kunst für Alle.73 Bei der IV. Internationalen Kunstausstellung 1901 stand der populäre französische Bildhauer Auguste Rodin im Mittelpunkt des Interesses, von dem ein Jahr zuvor 171 Werke bei der Weltausstellung Paris gezeigt worden waren. In Venedig musste man sich mit 18 Werken, zum größten Teil Gipsabgüsse, begnügen. Ein weiterer Höhepunkt war die Mostra dei paesisti francesi della Scuola del '30 aus der Privatsammlung von Alexander Young aus Lon-

69 Vgl. Corrado Ricci, „L'Arte Giapponese all'Esposizione

in: Die Gesellschaft, 4.1899, S. 59; Karl Voll, Die III. Inter-

di Venezia", in: Emporium, Nr. 28,11. Juli 1897, S. 30-32.

nationale Kunstausstellung in Venedig, in: Die Kunst für

70 Vgl. Mononi 1957, S. 41-43.

71 Vgl. ausführlich zu

alle, 1899, S. 277-287.

72 Lenbach hatte in den 1880er

Lenbach-Ausstellung bei Lagler 1992, S. 55-58 u. Becker

Jahren die beiden Porträts von Franz I. und von Philipp II.

1995, S. 16. Ausgestellt waren Friedrich III., Bismarck,

in Padua erworben, die aus dem Studio Tizians stammen

Mommsen, Pettenkofer, Virchow, Ling, Clementi von Co-

sollen.

burg, Baronin Fabrice, Baronin von B., Eleonora Duse,

Kunst für Alle, XIV. Jg, Nr. 3,1. November 1899, S. 33.

Baronin Hornstein, Lacroma, Venetianer Kunsteindrücke,

73 Hans Barth, „Von italienischer Kunst", in: Die

58

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I905

don, die vor allem Bilder der Barbizon-Schule beinhaltete (Abb. 17). Auch sonst stand Frankreich im Mittelpunkt, da man außerdem Sonderausstellungen zu zeitgenössischen französischen und amerikanischen in Paris lebenden Künstlern zeigte. Mit der internationalen Porträt-Ausstellung stand das wohl beliebteste Genre der Ausstellungen im Mittelpunkt. Besonders hervorgehoben wurden in der internationalen Kunstkritik die Gemälde von John Singer Sargent. Nationale Ansprüche und Wünsche repräsentierte demgegenüber die italienische Kunst nicht, da diese in ihren seit Jahrhunderten existierenden regionalen Schulen verharrte.74 Wie Shearer West in seinem Artikel deutlich machte, konkurrierten die unterschiedlichen Regionen um die Vormachtstellung in Italien. Dadurch wurde die Rolle der italienischen Kunst gegenüber den dominierenden ausländischen Beiträgen zusätzlich geschwächt. Nach dem internationalen Erfolg der Turiner Ausstellung 1902 war die bedeutendste Neuerung die Aufnahme der dekorativen Künste, die nun gemeinsam mit den Gemälden und Skulpturen die neu eingerichteten Räume schmückten (Tafel V). Aus der reinen Kunstausstellung wurde so ab 1903 eine Kombination von Kunst- und Kunsthandwerksausstellung. Im Vorwort des Katalogs bezog sich Fradeletto ganz explizit auf die Ausstellung von Turin und erklärte die Neuerungen der diesjährigen Ausstellung, die vor allem einer Steigerung der Außenwirkung dienen sollten.75 Die ausgestellten Möbel, Glasprodukte u. ä. konnten wie die übrigen Kunstwerke erworben werden und wurden im Katalog ausführlich beschrieben. Anscheinend war das Konzept ein großer Erfolg, denn nun wurden bei fast allen Salons die Namen des Dekorateurs und der Möbel- und Kunsthandwerksproduzenten bei den Beschreibungen im Katalog genannt. Vom Auslande blieb kaum ein europäischer kunsttreibender Staat unberücksichtigt, und so begegnen wir fast allen guten Namen, die seit zehn Jahren die großen Ausstellungen und die größeren Kunstsalons zieren. Wenn ich Lenbach, Stuck, Jank, Kühl, Vogel, Zuloaga, v. d. Stappen, Rodin, Meunier, Troubetzkoy, Sauter, Lavery, Sargent, Renoir, Raffaelli, Simon, La Touche, Roll, Pissarro, Khnopff, Repin, Kroyer, Zorn, Anglada erwähne, so ist damit das Niveau der internationalen Abteilung im allgemeinen angegeben.76 Im Jahr 1905 hatten einige Länder ein eigenes nationales Komitee, das für die einzelnen Säle verantwortlich war (Abb. 18).77 Der deutsche Saal wurde von dem Münchner Architekten Emanuel von Seidl gestaltet. Für die Dekoration des französischen Saales war Paul Emile

74 Vgl. Shearer West, „National Desires and Regional

ausstellung", in: Die Kunst für Alle, XVIII. Jg, Nr. 22,

Realities in the Venice Biennale, 1895-1914", in: Art History,

15. August 1903, S. 513-532, hier S. 531.

Vol. 18, N.3, September 1995, S. 404-434.

75 Vgl. „Pre-

posizione Internazionale d'Arte della città di Venezia

fazione", in: „V. Esposizione Internazionale d'Arte della

1905", Ausstellungskatalog, Venedig 1905, S. 15. Es gab nun

città di Venezia", Ausstellungskatalog, Venedig 1903, S. 10-14.

Kommissare

76 Wolfgang von Oeningen, „Die fünfte Venezianer Kunst-

Schweden und Ungarn.

f ü r Frankreich,

77 Vgl. „VI. Es-

England,

Deutschland,

DER V E N E Z I A N I S C H E „ S A L O N " IN DEN G I A R D I N I 1 8 9 7 - I 9 O 5

59

Besnard verantwortlich. Gezeigt wurden dort Werke von Auguste Rodin, Charles Cottet, Gaston La Touche sowie einzelne Werke von Claude Monet und Camille Pissarro. Diese Auswahl spiegelte die offizielle Ausstellungspolitik des Musée National du Luxembourg aus Paris wider, welches unter der Führung von Léonce Bénédite sehr konservativ gefuhrt wurde. Auch der Saal von Großbritannien stellte in seiner von Frank Brangwyn gestalteten Dekoration nationale Eigenheiten dar. Ein Beispiel für die zunehmende Bedeutung der nationalen Identität war der schwedische Salon, der von dem Architekten Ferdinand Boberg, der gleichzeitig schwedischer Kommissar war, gestaltet wurde. Seidl, Besnard, Brangwyn und Boberg waren in ihren Ländern bekannte Künstler oder Architekten. Dank der Initiative von Vittorio Pica für die Kunst des Impressionismus, deren Anerkennung er in zahllosen Artikeln und Publikationen auch in Italien forderte, wurden einzelne Werke von Claude Monet, Camille Pisarro, Alfred Sisley und Pierre Auguste Renoir ausgestellt.78 Deren Anzahl war im Vergleich zu den zeitgenössischen Künstlern aus den Kunstzentren Europas jedoch sehr gering. Der Großteil der in den Kommissionen verantwortlichen Künstler um den Generalsekretär Fradeletto konnte die Notwendigkeit der Öffnung für die neuesten Kunstströmungen nicht erkennen und verharrte nach wie vor in ihrer Vorliebe für die venezianischen und italienischen akademischen Traditionen. Leider wurde der durch den baskischen Maler Ignacio Zuloaga vermittelte Auftritt des jungen Pablo Picasso in Venedig durch Generalsekretär Fradeletto vereitelt. Das bereits im spanischen Saal hängende Gemälde Junger Akrobat und Harlekin wurde auf seinen Geheiß kurz nach der Eröffnung wieder abgehängt.7' Picasso erwähnte das vier Jahre später: „Ich war offiziell von Zuloaga eingeladen [...] mein Bild blieb zwei oder drei Tage aufgehängt, aber nach diesen Tagen hat man es mir zurück nach Paris geschickt.'"0 Picasso bereits 1905 in Venedig auszustellen, wäre eine Sensation gewesen. Sehr professionell betrieb man die Vermarktung und die Pressearbeit der Ausstellung. Bereits im ersten Katalog fanden sich zahllose Werbeanzeigen aus ganz Venedig. Bereits ab 1897 wurde die Vermarktung in professionelle Hände vergeben. Als Concessionari für diese Werbeanzeigen wird der Firmenname Haasenstein & Vogler genannt; damit hatte Venedig die Vermarktung der Anzeigen an den größten kommerziellen Vermittler bezahlter Werbung in Europa vergeben.81 So wurden damals bereits Wege in der Werbung beschritten, die heute als

78 Vgl. Vittorio Pica, „I pittori impressionisti", in: La let-

jours mais après ces jours on m e la envoyé à Paris." Brief

tura, IV. Jg., Nr. 9, September 1904, S. 769-783; Vittorio

Picasso an Soffici, 24. Juni 1909, zit. η. Jean-Francois

Pica, Gl'Impressionisti Francesi, Bergamo 1908.

Rodriguez, Picasso alla Biennale di Venezia (1905-1948),

79 Vgl.

Jean-François Rodriguez, Picasso a la Biennale de Venise

Padua 1993, S. 15.

(1905-1948): sur deux lettres de Picasso à Ardengo Soffici,

wurde 1855 von Ferdinand Haasenstein in H a m b u r g -

in: Atti/Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti, Classe

Altona gegründet. Die aus ihr hervorgegangene 1890 in

di Scienze Morali, Lettere ed Arti, 143.1984/85 (1985),

Genf g e g r ü n d e t e

S. 2 7 - 6 3 u. ders., Picasso alla Biennale di Venezia (1905-

Publicité Haasenstein & Vogler, expandierte weiter ins Aus-

1948), Padova 1993.

80 „je avais oficielment invité par

land u n d brachte es bis z u m Ausbruch des Ersten Welt-

Zuloaga [...] m o n tableau et resté acroché deux o trois

kriegs auf 54 Filialen u n d 380 Vertretungen in 9 Ländern.

81 Die Firma Haasenstein & Vogler

Société A n o n y m e

de l'Agence

de

60

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I9O5

Neuerungen verkauft werden. Bei den Werbebroschüren für die II. Internationale Kunstausstellung wurde der kommerzielle Erfolg der ersten Ausgabe hervorgehoben. Dies macht den Charakter der Veranstaltung als kommerzielle Verkaufsveranstaltung deutlich, der es erst in zweiter Linie um den künstlerischen Wert der ausgestellten Werke ging. Begleitet wurden die Ereignisse von einer optimierten Pressearbeit eines von der Associazione della Stampa Veneta betreuten Pressekomitees, welches sich ausschließlich um die Betreuung der ausländischen Presse kümmerte. Wie bereits angedeutet spielte die begleitende Presse eine sehr wichtige Rolle fur den Erfolg der Ausstellung. Ab dem Jahr 1897 wurde erstmals ein Kritikerpreis für den besten Beitrag über die Internationale Kunstausstellung vergeben.82 Größte Bedeutung hatte die Einrichtung der Sale für Journalisten, die 1903 im Hauptpavillon eingerichtet wurden.83 Dieses Pressezentrum bestand aus fünf von dem Liberty-Künstler Raffaele Mainella eingerichten Räumen. Dieses Ensemble setzte sich aus einem Vestibül, einem Empfangsraum, einem Lese- und Bibliotheksraum, einem Rauchzimmer und einem Post- und Telegraphenbüro zusammen. In diesen Räumen verband Mainella harmonisch verschiedene Stile zu einem dekorativen Gesamtkonzept. Ermöglicht wurde die Realisierung durch großzügige materielle und finanzielle Unterstützung in Venedig ansässiger Betriebe, Handwerker etc., die dadurch gleichzeitig einen „Showroom" besaßen, in dem ihre Produkte ausgestellt wurden. Man umsorgte die für das internationale Ansehen so wichtigen Kunstkritiker, die teilweise besser als die ausstellenden Künstler behandelt wurden. Um die ausgestellten Kunstwerke und die Besuche prominenter Persönlichkeiten in ganz Italien zu verbreiten, bedienten sich die Verantwortlichen in Venedig von Beginn an der illustrierten Massenmedien, deren Bedeutung erst kürzlich von Michael F. Zimmermann ausführlich analysiert worden ist.84 Das dort dargestellte Istituto Italiano d'Arti Grafiche in Bergamo war einer der wichtigsten Medienpartner der venezianischen Ausstellung, da es neben der seit 1895 erscheinenden Zeitschrift Emporium zu jeder Ausstellung eine Sonderpublikation veröffentlichte. Ähnlich intensiv begleiteten die Fratelli Treves Editori aus Mailand in ihrer wöchentlich erscheinenden Illustrazione Italiana die Ausstellung. Die Kunstkritiker Vittorio Pica und Ugo Ojetti arbeiteten sehr eng mit diesen Verlagen zusammen. Die Publikationen arbeiteten mit galvanisierten Holzstichen und Photographien, um das Geschehen und die Ausstellungsobjekte zu verbreiten. Die Malerei und Skulptur wurde dadurch in ganz Italien diskutiert und somit zu einem modernen Massenmedium. „ Die Ausstellung eröffnet. Die Saint-Bon vom Stapel gelassen. " 85 Für diese zwei wichtigen Ereignisse kamen am 28. April 1897 Kronprinz Vittorio Emanuele und seine Frau Elena nach Venedig (Abb. 13). Kurz nach der Eröffnung der Ausstellung fand im Arsenale der feierliche

82 Vgl. West 1995, S. 410.

83 Vgl. „V. Esposizione Inter-

des modernen Italien und das Mediensystem der Künste

nazionale d'Arte della città di Venezia", Ausstellungs-

1875-1900, München 2006.

katalog, Venedig 1903, S. 74-79.

rata. Il Saint-Bon varato", in: [llustrazione Italiana, Nr. 19,

84 Vgl. Michael F. Zim-

mermann, Industrialisierung der Phantasie. Der Aufbau

85 „L'Esposizione inaugu-

9. Mai 1897, S. 295-301, hier 295.

6l

DER V E N E Z I A N I S C H E „ S A L O N " IN D E N G I A R D I N I 1 8 9 7 - I 9 0 5

Stapellauf des Kriegsschiffes Ammiraglio Saint Bon statt.86 Auch in den folgenden Jahren kamen Vertreter des Hauses Savoyen und Minister aus Rom zu den feierlichen Eröffnungen. 1901 kamen der Herzog der Abruzzen und Bildungsminister Nunzio Nasi zur Eröffnung. Im Jahr 1905 eröffneten der Herzog von Genua Tommaso Alberto Vittorio di Savoia und Außenminister Tommaso Tittoni die Ausstellung, wodurch die außenpolitische Bedeutung der nationalen Beiträge nochmals unterstrichen wurde (Abb. 18). Die Verantwortlichen der Kunstausstellung bemühten sich darum, die internationale Bedeutung durch die Besuche hochrangiger Persönlichkeiten zu steigern. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. besuchte am 3. Mai 1905 mit seiner Familie für eine Stunde die Ausstellung (Abb. 19).87 Er war sehr enttäuscht von der Auswahl der gezeigten Kunstwerke, die das Deutsche Reich repräsentieren sollten. Ihm fehlten seine ganz persönlichen Favoriten Adolf von Menzel und Anton von Werner. Dies war bei der Dominanz der Berliner und Münchener Secessionen natürlich kein Wunder, und auch in dem späteren deutschen Pavillon sollte nicht die von Wilhelm II. bevorzugte Kunst ausgestellt werden. „Venedig muss in der Welt der Kunst bereits auf dem Niveau von Paris, London, München und jedem wichtigen Zentrum des Kunstmarkts gesehen werden."** So urteilte nach der zweiten Ausstellung die Gazzetta degli Artisti etwas überschwänglich über die Konkurrenz, mit der man sich messen wollte. Die Presse war wie die Verantwortlichen von den zukünftigen Erfolgen der Ausstellung fest überzeugt und verbreitete bereitwillig deren Erfolgsmeldungen. Die lokale Presse berichtete immer ausführlich über die Eröffnungsfeierlichkeiten, um dann in täglichen Rubriken über die Besucher- und Verkaufszahlen oder über die prominenten Besucher das weitere Geschehen zu dokumentieren. Die Ausstellungen in Venedig wurden von den Kritikern im Vergleich zu anderen in Europa stattfindenden Ausstellungen betrachtet; so nannte Pica sie 1899 eine Generalprobe für die Verkaufschancen der Italiener bei der Weltausstellung in Paris.89 Der Blick auf die Reaktionen der internationalen Presse zeigt, wie sich das Ansehen der Internationale Kunstausstellung von Venedig im Laufe der ersten zehn Jahre entwickelt hatte. Die Kunstchronik war bereits nach 1897 von deren erfolgreicher Zukunft überzeugt, denn es kann kein Zweifel sein, dass durch diese zweite Ausstellung, an welcher sich alle Nationen in so glänzender Weise beteiligt haben, und welche auch äußerlich wahrhaft überraschende Erfolge zeitigte, der Lagunenstadt ihr Salon für die nächsten Decennien gesichert ist.90

86 S. ebd., S. 298.

87 Vgl. „Guglielmo II in Italia", in: Illu-

strazione Italiana, Nr. 19, 7. Mai 1905, 439-446.

88 „Ve-

zia", in: Gazzetta degli Artisti, 16. November 1897.

89 Vgl.

Vittorio Pica, „Venedig 1899. Ein Epilog", in: Wiener Rund-

nezia, nel m o n d o dell'arte, dev'essere ormai considerata al

schau, 3.1899, S. 573-576, hier S. 574.

livello di Parigi, di Londra, di Monaco di Baviera e di ogni-

m a n n , „Korrespondenz aus Venedig", in:

centro i m p o r t a n t e del mercato dell'arte." In: „II Es-

NF.IX. Jg., Nr. 6, 25. November 1897, S. 81-87, hier 87.

posizione Internazionale di Belle Arti della Città di Vene-

90 Ernst SteinKunstchronik,

62

DIE E R S T E N I N T E R N A T I O N A L E N K U N S T A U S S T E L L U N G E N

I895-I9O5

Darüber hinaus schien sich „Venedig im Rahmen seines finanziellen Könnens, aber mit anerkennenswerter Energie zur unbestrittenen modernen Kunsthauptstadt Italiens" zu entwickeln.91 Ganz im Gegensatz dazu die Meinung über die römischen Ausstellungsaktivitäten, die wegen der fehlenden „ Unterstützung der leitenden Kreise" und dem Mangel „an Interesse des grossen Publikums" dieses Niveau wohl niemals erreichen würden.92 Trotzdem wurde beklagt, dass man aufgrund der Vielzahl der Ausstellungen in Europa in den „Hauptbildern der internationalen Säle [...] meist alten Bekannten begegnen und ausserdem vergeblich noch irgend etwas ganz Hervorragendes suchen" muss.93 In den Berichten der Londoner Kunstzeitschrift The Studio wurde die VI. Internationale Kunstausstellung gelobt, deren Erfolg vor allem den Organisatoren zu verdanken ist; der Autor äußerte folgende Vermutung: Wenn man sich beim Bau des Turms zu Babel die Dienste von zwei Männern wie Professor Antonio Fradeletto als Generalsekretär und Romolo Bazzoni als Superintendent der Arbeiten hätte sichern können, wäre der Bauprozess nicht gestoppt worden, bevor das Gebäude fertiggestellt worden wäre.94 In dieselbe Richtung geht die Beurteilung in der Pariser Zeitschrift L'Art et Décoration, in der die Biennale als „eine der aktivsten und wichtigsten Kunstinstitutionen Europas" bezeichnet wurde.95 Diese habe ihren Erfolg vor allem der uneingeschränkten Unterstützung durch die Stadt Venedig und der verantwortlichen Organisatoren, allen voran Fradeletto, zu verdanken. „Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass Institutionen nichts sind als das Handeln der Männer an ihrer Spitze. "96 Ansonsten ignorierte die französische Kunstpresse, wie schon Mononi festgestellt hatte, bis auf wenige Ausnahmen das Geschehen in Venedig. „Es ist eine ziemlich unerklärliche Tatsache, bedenkt man die konstante und immer dominierende Teilnahme dieser Nation an der Biennale. "97 Die kreativste Kritik an der Ausstellungspolitik kam von Seiten der in Opposition zur etablierten Kunstwelt in Venedig stehenden Cacciatori und Sandolisti, die sich am Campo Santa Margherita trafen.98 Diese protestierten 1899 während des Karnevals gegen die restriktive Kunstauswahl der Jury, die sie durch die Karikierung durch Schwellköpfe der Lächerlichkeit preisgaben (Abb. 20). Zu sehen sind vor dem Portal des zum Palazzo PRO NOBIS umbenannten Ausstellungsgebäudes u. a. die vier als Grimani, Fradeletto, Bordiga und Selvatico 91 August Wolf, „Venedig", in: Kunstchronik, NF. IX. Jg.,

edifice had been completed." Ebd., S. 228.

Nr. 11, 6. Januar 1898, S. 171.

92 „Die internationale

organismes artistiques les plus actifs et les plus importants

Kunstausstellung in Rom", in: Kunstchronik, NF. XIV. Jg.,

de l'Europe" „La sixième exposition internationale de Ve-

26/27. April 1903, S. 400-402, hier 400.

nise". In: L'Art et Décoration. Supplement, November 1905,

93 August

95 „un des

Wolf, „V. Internationale Kunstausstellung in Venedig", in:

S. 3.

Kunstchronik, NF. XIV. Jg., Nr. 32, 21. August 1903, S. 505-

sont rien que ce que les font les hommes qui sont à leur

512, hier S. 506.

tête." Ebd.

94 „That if in building the Tower of

96 „C'est une preuve de plus que les institutions ne 97 „E il fatto è piuttusto inspiegabile data la

Babel the Services of two men like Professor Antonio Fra-

costante e sempre dominante partecipazione di questa na-

deletto as General Secretary and Romolo Bazzoni as Su-

zione alla Biennale." Mononi 1957, S. 30.

perintendent of Works could have been secured, the pro-

schin 2001, S. 136.

cess of construction would never have ceased until the

98 Vgl. Ce-

63

DER VENEZIANISCHE „SALON" IN DEN GIARDINI 1 8 9 7 - I 9 O 5

verkleideten Künstler. Sie wandten sich gegen die Kommerzialisierung der Kunst und forderten den Weg zurück zur Natur, raus aus den Ateliers und den großen Salons. Die Kunst sitzt in Ketten gefangen zu ihren Füßen und sollte durch die sich nähernden Künstler befreit werden. A m Ende der Aktion gelingt die Befreiung und die jubelnden Sieger präsentieren sie in einem Lichtstrahl: ARS LIBERA (Abb. 21). Es gab darüber hinaus grundsätzliche Kritik an den Ausstellungen von Seiten einiger bedeutender Persönlichkeiten aus Venedig und dem Ausland. Zunächst wären da die grundlegenden Zweifel Pompeo Molmentis an der Durchführung einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst in Venedig. Eine weitere wichtige Gruppe bestand aus Künstlern, die mit der gezeigten Kunst nicht einverstanden waren oder wegen ihrer eigenen Nichtberücksichtigung protestierten. Eine dritte Gruppe setzte sich aus Teilen der ausländischen Besucher und Bewohner Venedigs zusammen, die Anstoß an der Mittelmäßigkeit der Kunstausstellungen nahmen. Der venezianische Historiker Pompeo Molmenti (1852—1928) formulierte bereits seit der Ausstellung von 1887 seine Kritik an der Ausstellung zeitgenössischer Kunst in Venedig.99 In ihm personifizierte sich der Konflikt zwischen der Modernisierung und der Erhaltung des historischen Erbes in Venedig. Sein bekanntestes Werk war der Kunst des Settecento gewidmet; im Jahr 1896 war er der Hauptinitiator einer Tiepolo-Ausstellung.100 Nachdem

man die Säle des modernen

Geistes durchschritten

aus, um sich die Lagune anzuschauen, liegt, und wo sich im Hintergrund Stadt abzeichnen.

die zwischen

die Türme

In dieser venezianischen

und das Meisterwerk risches Erbe der ganzen

der Ausstellung

hat, geht man

den Bäumen

und die Zinnen

Luft folgt die Seele der

scheint

immer

der der

hin-

Giardini stupenden

Vergangenheit

Venedig zu sein,

künstle-

Welt, weil keine andere Stadt mit ihr verglichen

werden

101

kann.

99 Pompeo Molmenti wurde 1852 als Sohn des Malers

naglio, Un esponente dell'Élite liberale: Pompeo Molmenti

Pompeo Gherardo Molmenti in Venedig geboren. Bekannt

politico e storico di Venezia, IVSLA, Venezia 2004 u.

wurde er durch seinen Aufsatz Delendae Venetiae (1887).

Giuseppe Pavanello (Hg.), L'enigma della modernità:

In der Folge schrieb er zahllose Bücher zur Geschichte u n d

Venezia nell'età di Pompeo Molmenti, Venedig 2006.

Kunstgeschichte Venedigs. Darunter Werke zu Carpaccio,

100 Vgl. „Mostra Tiepolesca", Ausstellungskatalog, Vene-

Tiepolo, Casanova u. a., das berühmteste ist wohl La Storia

dig 1897 u. Pompeo Molmenti, La storia di Venezia nella

di Venezia nella vita privata (1908). Ab 1909 war er Senator

vita privata dalle origini alla caduta della repubblica,

in Rom u n d 1919/20 Sottosegretario in der Generaldirek-

3. Bde., Bergamo 1910.

tion der Altertümer u n d der Schönen Künste. Literatur:

dell'ingegno moderno, si esce a guardar la laguna, fra gli

Antonio Fradeletto, Alla m e m o r i a grande e cara di Pom-

alberi dei pubblici Giardini, e disegnarsi nel fondo le torri

101 „Dopo aver percorse le sale

peo Molmenti che scomparso dalla vita mortale vive sem-

e I pinacoli della città stupenda. In questo aere veneziano,

pre con la dottrina e con l'arte in ogni pagina di storia

l'animo si rivolge al passato e il capolavoro dell' Esposi-

della sua Venezia, Venedig 1928; Giulio Zorzanello, „D'An-

zione appare sempre Venezia, patrimonio artistico di tutto

nunzio e Molmenti", in: Ateneo Veneto, 26.1988, S. 1 3 1 -

il m o n d o , perchè nessun'altra città al m o n d o p u ò esserle

167; Guido Marangoni, „In M e m o r i a m Pompeo Mol-

paragonata." Pompeo Molmenti, Venezia. Nuovi studi di

menti", in: E m p o r i u m , Januar 1928, S. 57-64; Monica Do-

Storia e d'arte, Florenz 1897, S. 10.

64

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I9O5

Molmenti beklagte, dass Geld für Neubauten, Verschönerungen und sonstige Aktivitäten ausgegeben werde, obwohl es doch unabdingbar sei, die Monumente der Vergangenheit zu bewahren. „Mit viel Aufwand eröffnet man eine Ausstellung moderner Kunst, um die Attraktivität der einzigartigen Stadt zu steigern. Und gut, Venedig ist und muss eine permanente Ausstellung sein. Die alte Schönheit übt mehr Faszination aus als die modernen

Gemälde."102

Molmenti war der erste, der den Grundkonflikt zwischen zeitgenössischer und alter Kunst formulierte, der Venedig bis heute beschäftigt. Für die Mitglieder der angloamerikanischen Kolonie in Venedig war die Ausstellung nicht so bedeutend wie die Tatsache, dass sie von der Königin besucht wurde. Enid Layard schaute sich die Fahrt der Königin zu den Giardini an und lauschte den Konzerten in den Giardini oder auf der Piazza San Marco.103 Erst Ende September 1897 besuchte sie die Giardini und war enttäuscht: Die deutsche Schule war so entsetzlich schlecht. Ein Raum war ganz der schottischen Schule gewidmet — eine Sache, von der niemand zuvor gehört hatte — zumeist Bilder aus Glasgow — sehr skizzenhaft & ziemlich seltsam! Die italienische Schule hatte ein paar gute Sachen. Die amerikanische Schule auch ein paar — Sargent zeigte 3 Bilder. Zwei Horrors & ein Porträt eines französischen Dr. Powerful, eine unerfreuliche Arbeit von vor etwa 15 Jahren. Er hat sich seitdem offensichtlich verschlechtert & wurde manierierter & griff weniger aus dem Leben.10' Im Jahr 1899 ignorierte Layard die Eröffnungsfeierlichkeiten ganz. „Heute war hier die Eröffnung einer Kunstausstellung. Ich war eingeladen, aber ich scherte mich nicht darum, hinzugehen."105 Mitte September erwähnte Layard nochmals die Biennale. „Lenbach hat einige Bilder dort — aber generell ist nichts Erwähnenswertes dort."106 Den Protest der nicht eingeladenen Künstler beurteilte Wolf wie folgt: „So wurden denn alle Zurückgewiesenen vom Markte, welches doch jede Ausstellung, trotz der schönen Redensarten ist, ausgeschlossen. " 107 Der Circolo Artistico organisierte in seinen Räumen im Teatro La Fenice kleinere Ausstellungen mit venezianischen Künstlern.108 Im Rahmen dieser Ausstellungen kam es am 18. April 1904 zu einer turbulenten Versammlung von etwa 50 venezianischen Künstlern, die unzufrieden mit der Ausstellungspraxis waren. Es wurde ein Text 102 „Con grande dispendio si apre una Esposizione d'o-

Passini's Portrait of Henry for it. Lenbach has several

pere d'arte moderna, per accrescere le attrattive della città

pictures there - b u t in general there is n o t h i n g re-

singolarissima. E bene, Venezia è e deve essere una Espo-

markable there." Tagebuch Layard, 15. September 1899.

sizione permanente. Le antiche bellezze h a n n o maggiori

107 August Wolf, „V. Internationale Kunstausstellung in

fascini dei quadri moderni." Ebd., S. 24.

Venedig", in: Kunstchronik, XIV. Jg., Nr. 32,21. August 1903,

ard, 18. September 1897.

103 Vgl. Lay-

104 Ebd., 26. September 1897.

S. 505-512, Ebd., S. 512.

108 Der Circolo Artistico hatte

105 „Today there was an opening of an Art Exhibition

zu dieser Zeit ca. 365 Mitgliedern (zur Hälfte Künstler)

here. I was invited b u t did not care to go." Tagebuch Lay-

u n d nutzte die Räumlichkeiten der Società Apollinea im

ard, 24. April 1899.

Teatro la Fenice. Ihr Präsident war Pompeo Molmenti.

106 „The Exhibition is one of m o -

dern pictures wh takes place here every 2 years. I have lent

DER V E N E Z I A N I S C H E „ S A L O N " IN DEN G I A R D I N I 1 8 9 7 - I 9 O 5

65

beschlossen, der am nächsten Tag dem Präsidenten, Bürgermeister Grimani, vorgelegt werden sollte.109 Die Künstler kritisierten das neue Einladungsverfahren, die Geldpreise für Kunstkritiker und andere Details der Ausstellungsorganisation. Wohl beherrscht von größter Mißstimmung

ließ sich die Künstlerschaft

hinreißen, dem Präsidenten der Ausstellung, Bürgermeister Grimani, eine Denkschrift zu überreichen, in welcher sie wesentliche Änderungen in der Organisation der nächsten Internationalen Ausstellung verlangte, resp. ein Zurückgreifen auf frühere Gepflogenheiten, welche abgeschafft worden waren, besonders bezüglich der Hauptkommission und Wahl der Jury. Man verlangt ein breiteres Eingreifen der Aussteller in diesen Dingen und Beschränkung der diktatorischen Gewalt des Sekretärs Fradeletto, der zuletzt, besonders bezüglich der Ankäufe auf der Ausstellung für die Stadtgalerie, fast alles allein besorgt habe.n° Die Kritiker waren teilweise Mitglieder des während der ersten drei Ausstellungen existierenden Comitato ordinatore gewesen und fühlten sich durch die Allmacht Fradelettos nicht angemessen vertreten. In der Folge kam es über die Zeitungen zu einem Schlagabtausch der verschiedenen Sichtweisen und Argumente in der venezianischen Künstlerschaft. Grimani wies die Forderungen grundsätzlich zurück und betonte, dass die Ausstellung eine städtische Angelegenheit sei und er ausschließlich dem Stadtrat gegenüber Rechenschaft schuldig wäre. In der Presse giff man diese Argumentation auf, denn „ die venezianische Schau ist nicht die Veranstaltung einer Künstlergruppe, sondern die Veranstaltung einer Stadt."111 Die Künstler müssten verstehen, dass die Interessen nicht nur venezianische seien, sondern vor allem einen internationalen Fokus hätten. Grimani zeigte sich überzeugt von der Zukunft der Ausstellung unter der Leitung Fradelettos.112

Internationaler Kunstkongress 1905 u n d Galleria Internazionale d'Arte M o d e r n a Wie gezeigt, gab es in Venedig zahlreiche Kritiker der Ausstellungspolitik Fradelettos, der vor allem die Interessen der Stadt und der internationalen Besucher berücksichtigte. Unbeeindruckt von dieser Kritik organisierte er, um seine internationalen Kontakte auszubauen, 1905 einen Internationalen Kunstkongress, bei dem aktuelle Fragen des Ausstellungswesens, der Kunsterziehung, der öffentlichen Kunst und urheberschutzrechtliche Probleme geklärt werden sollten. Wie bereits die ersten Kunstausstellungen stand das Unternehmen unter dem Patronat bekannter Persönlichkeiten der Kunstwelt aus Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Holland, Schweden, Ungarn und den USA.113 Darunter waren entschiedene Förderer

109 Vgl. „La vertenza degli artisti e le M o s t r e biennali. Le

112 S. „Gli artisti e le Mostre biennali. Per u n a concilia-

d u e campane", in: Gazzetta di Venezia, 30. Aprii 1904,

zione", in: Gazzetta di Venezia, 1. Mai 1904, S. 2.

S. 3-4.

AMV, 1905-1909, VII.10.15, Einladungsschreiben in d e u t -

110 August Wolf, „Neues a u s Venedig", in: Kunst-

chronik, XV. Jg., N. 25,15. M a i 1904, S. 4 f.

111 E b d . , S . 4.

scher

Sprache

zum

Internationalen

113 S.

Kunst-Kongress

66

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I905

des Impressionismus, Neoklassizisten Prä-Raphaeliten, Ausstellungsexperten und sonstige bedeutende Persönlichkeiten des kulturellen Lebens ihrer Länder. Die Zusammensetzung beweist Fradelettos Kenntnis des aktuellen Geschehens in Europa und der dominierenden Kunsttendenzen. Der Kongress wurde im Dogenpalast unter Anwesenheit des Königspaars mit einer Ehrung für den Kunsthistoriker John Ruskin durch Robert de La Sizeranne eröffnet.114 Er war ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis, wie die Empfänge bei Prinz Giovannelli, im Garten der Edens und zahlreiche Besichtigungen zeigten. Ankündigung und Realität stimmten, wie schon 1895, nicht überein, da von den genannten prominenten Vertretern der internationalen Kunstwelt nur wenige an dem Kongress teilnahmen. Einige Vorschläge, wie die Förderung der angewandten Künste, die verstärkte Aufnahme von Retrospektiven oder die Durchführung von Architekturwettbewerben sollten in den folgenden Jahren teilweise umgesetzt werden. Angeregt durch die vorgetragenen Ideen begann der Generalsekretär Fradeletto, für die Zukunft seiner Kunstausstellung zu planen. Eine der positivsten Folgen der Ausstellungsreihe für Venedig war die Gründung der Galleria Internazionale d'Arte Moderna, die die Stadt der privaten Initiative zweier großzügiger Bewohner zu verdanken hat.115 Seit der ersten Ausstellung zeitgenössischer Kunst im Jahr 1887 waren fünfzehn Jahre vergangen und die Bemühungen zur Belebung des kulturellen Lebens zeigten weitere Wirkungen. Bedingt durch die städtischen Ankäufe bei den Ausstellungen wurde nun auch die Notwendigkeit erkannt, einen festen Standort für die Ausstellung zeitgenössischer Kunst zu etablieren. Weil Venedig langfristig von den internationalen Kunstausstellungen profitieren sollte, war bereits im Jahr 1897 auf Inititive von Prinz Alberto Giovanelli die kommunale Galerie für internationale moderne Kunst gegründet worden. Am 30. Juli 1897 beschloss der Stadtrat, die Schenkungen von Giovanelli, anderen Bürgern und lokalen Institutionen anzunehmen, die den Grundstock für die neue städtische Galerie bilden sollten.116 Die Schenkung umfasste acht Bilder von Giovanelli, eines von Grimani, eines der Riunione Adriatica di Sicurtà, drei der Cassa di Risparmio di Venezia und sieben japanische Kunstwerke, die von einem Zusammenschluss aus siebzehn Hotels geschenkt wurden. Diese waren schließlich auch die Hauptprofiteure der Ausstellung. Am 19. November akzeptierte man weitere vier Bilder als Schenkungen des Königs Umberto.117 Der erste Sitz der Galerie befand sich im Palazzo Ca' Foscari, dem heutigen Hauptsitz der gleichnamigen Universität am Canal Grande. Die Galerie bestand anfangs aus 24 Ölgemälden, drei Skulpturen und 36 Aquarellen. Erst am 18. Mai 1902 wurde im Palazzo Ca' Pesaro die Venedig - 21-28 September 1905. Mitglieder des Schutz-

dell'arte moderna italiana, Venedig 1959 u. Guido Perocco,

Komités waren u . a . Alfred Lichtwark (Hamburg), Hugo

Ca' Pesaro, La Galleria d'arte moderna di Venezia, Ber-

von Tschudi (Berlin), Georges Berger (Paris), Robert de la

gamo 1959.

Sizeranne (Paris), Roger Marx (Paris).

284, Accettazione del d o n o fatto dal Principe Alberto

114 Vgl. Robert

116 S. AMV, AdCC, 30. Juli 1897, S. 2 8 2 -

de la Sizeranne, „Ruskin a Venise", in: Revue de l'Art, IX,

Giovanelli, da altri cittadini e da Istituti locali di opere ita-

Ν. 105, Dezember 1905, S. 401-416.

liane e straniere acquistate all'Esposizione Internazionale

115 Vgl. Nino Bar-

bantini, La Galleria internazionale d'arte m o d e r n a a Ve-

artistica, per iniziare una galleria comunale d'arte m o -

nezia, Mailand 1900; Silvio Branzi, Ca' Pesaro: p r i m a voce

derna.

117 S. AMV, AdCC, 19. November 1897, S. 400 f.

DER V E N E Z I A N I S C H E „ S A L O N " IN DEN G I A R D I N I I 8 9 7 - I 9 O 5

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Galleria Internazionale d'Arte Moderna eröffnet. Die Duchessa Felicita Bevilacqua La Masa hatte in ihrem Testament bestimmt, dass die Räume des Palazzos in Zukunft als Atelier für junge Künstler und als permanenter Sitz für die Ausstellung moderner Kunst genutzt werden sollten. In der internationalen Stadtgalerie im Palazzo Pesaro hat man ebenfalls drei neue Säle eingerichtet. Infolgedessen konnten die 253 Nummern der Sammlung eine bessere Aufstellung finden. 140 Künstler, welche achtzehn verschiedenen Nationalitäten angehören. Wenig besucht ist diese Galerie, was sie nicht verdient, denn es ist von großem belehrenden Interesse, zu sehen, was vom Glänze der Ausstellungen als Extrakt übrigbleibt.118 Kritischer war die Beurteilung von Seiten eines Kunsthistorikers: Bilder aus Venedig in Venedig, oft von venezianischen Künstlern, wurden angekauft, um in einer venezianischen Galerie zu hängen, wo die Besucher sich Bilder von Venedig anschauten und dann für eine weitere visuelle Sättigung raus auf die Gassen von Venedigs gehen konnten.119 Die Leitung der Galerie lag in den Anfangsjahren beim Ausstellungssekretär Fradeletto, aber 1907 schrieb die Stadt den Posten eines Direktors aus. Die Wahl fiel auf den jungen Kunsthistoriker Nino Barbantini (1884—1952), der sich in Ferrara mit der Neuordnung der städtischen Pinakothek einen Namen gemacht hatte.120 Damit war die konservative Führung 118 August Wolf, „Neues aus Venedig", in: Kunstchronik,

eine große Ausstellung zur Kunst des 19. Jahrhunderts und

NF. XV. Jg., Nr. 29,24. Juni 1904, S. 471.

119 „Pictures of

kuratierte einzelne Retrospektiven. Sein erster großer Er-

Venice in Venice, often by Venetian artists, were purchased

folg war die Settecento-Ausstellung 1929 in den Giardini.

in order to hang in a Venetian gallery where visitors could

1933 folgte zum Jubläum des Dichters Ariosto eine große

look at pictures of Venice and then walk out into the

Schau in Ferrara, die in ihrer Vielfalt von allen Seiten ge-

streets of Venice for further visual saturation." Shearer

lobt wurde. Schließlich war er der Kurator der großen Re-

West, „National Desires and Regional Realities in the

trospektiven zu Tizian 1935 und Tintoretto 1937, für die er

Venice Biennale", 1895-1914, in: Art History, Vol. 18, N. 3,

den Palazzo Ca' Pesaro räumte. Darüber hinaus war er für

September 1995, S. 404-434, hier S. 409.

120 Der aus

die Einrichtung des Museo Orientale und des Settecento-

Ferrara stammende Kunsthistoriker Nino Barbantini hatte

Museums Ca' Rezzonico zuständig. Ende der 1930er Jahre

1905 die städtische Galerie im Palazzo dei Diamanti in sei-

zog er sich aus der Leitung der städtischen Museen zurück

ner Heimatstadt eingerichtet. 1907 kam er als Direktor der

und überließ die Arbeit seinem Nachfolger Rodolfo Palluc-

Opera Bevilacqua La Masa nach Venedig und übernahm

chini. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte er seine Arbeit

auch die Leitung der Galleria Internazionale d'Arte Mo-

gefördert von Vittorio Cini, dem langjährigen Geschäfts-

derna in Ca' Pesaro. Sein Verhältnis zur Internationalen

partner Volpis, fortsetzen und half bei der Restaurierung

Kunstausstellung und ihrem künstlerischen Leiter Frade-

der Isola di S. Giorgio. 1951 wurde er Präsident der Fonda-

letto war sehr problematisch. Ab 1908 konnte er durch die

zione Giorgio Cini. Literatur: Rodolfo Pallucchini, „Nino

Organisation von Ausstellungen jüngere Künstler fördern.

Barbantini" in: Arte veneta, Nr. 6,1952 (1953), S. 182-183;

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Übernahme der Lei-

Gilberto Pellizzola, „Nino Barbantini e l'Esposizione della

tung der Biennale durch Vittorio Pica verloren seine Aus-

Pittura Ferrarese del Rinascimento", in: Musei ferraresi,

stellungen ihren besonderen Reiz als Gegenpol zur konser-

Nr. 12, 1982, S. 157-170; Sileno Salvagnini/Nico Stringa

vativen Ausstellung in den Giardini. 1923 organisierte er

(Hg.), Nino Barbantini Venezia: atti del convegno organiz-

68

DIE ERSTEN INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN

1895-I9O5

der Galleria Internazionale d'Arte Moderna und der Opera Bevilacqua La Masa beendet. Barbantini prägte die Anfangsjahre der Galerie und machte aus ihr den Gegenpol zur bis dahin allmächtigen internationalen Kunstausstellung unter Fradelettos Führung. Die Rivalität der beiden so unterschiedlichen Männer war für das venezianische Ausstellungwesen sehr fruchtbar, da es der Kommune gelungen war, gleichzeitig auch eine venezianische Sezession zu verantworten. Die von Barbantini vorgenommene Neuordnung der Sammlung der Galleria Internazionale d'Arte Moderna legte den Grundstein für seine Karriere. Der Generalsekretär der Biennale, Fradeletto, hielt nicht viel von der Initiative des jungen Direktors. Die Ausstellungspolitik der Galleria und der Opera Bevilacqua La Masa, die nun regelmäßig zwischen 1909 und 1913 stattfanden, akzentuierten die Unabhängigkeit und Antagonismus zur Internationalen Kunstausstellung durch gänzlich andere künstlerische Kriterien. Mit den ersten sechs internationalen Kunstausstellungen hatte sich Venedig als wichtiges Kunstzentrum und als wichtige Verkaufsausstellung in Europa etabliert, wobei niemals die großen Umsätze wie in den Hauptstädten Paris, Berlin oder London erzielt werden konnten. Der Effekt für die Stadt war vor allem die Attraktivitätssteigerung für die internationalen Gäste und die direkte Teilhabe der Kommune an den daraus erzielten Gewinnen. Im Vergleich zu den Münchener Ausstellungen holte man stetig auf und hatte zudem den Vorteil, nicht von nationalen Animositäten belastet zu sein. Doch es blieb noch viel zu tun, denn München hatte noch immer die größere und erfolgreichere Ausstellungsreihe.121 In der Konzeption und dem Geschmack blieb die gezeigte Kunst weit vom Wagnis- und Aufbruchsgeist der modernen Strömungen entfernt, wie der Fall Picasso gezeigt hat. Die tatsächlich neuen Stilrichtungen wurden, wenn überhaupt, nur am Beispiel einzelner Werke gezeigt, die in der Masse der ausgestellten akademischen Arbeiten jedoch meist untergingen. Vor allem mit Ojetti pflegte Fradeletto intensive Kontakte, wie die erhaltene Korrespondenz zwischen den beiden deutlich macht. Ojetti war es, der als Redakteur des Corriere della Sera die in Venedig vertretene Kunstauswahl publizistisch verbreitete und unterstützte. Weitere Faktoren für diese Auswahl sind in der Marktabhängigkeit und im politischadministrativen Umfeld zu suchen, welches nach dem Fall der laizistischen und progressivdemokratischen Stadtregierung Selváticos über 25 Jahre lang von einer klerikal-konservativen Koalition geprägt wurde. Das bürgerliche Publikum war, dessen ungeachtet, von der Dekoration der Säle begeistert. Es war den Machern gelungen, eine das internationale Publikum ansprechende Großveranstaltung auf die Beine zu stellen, die von Hunderttausenden besucht wurde. Dazu kamen die beabsichtigten positiven Effekte für die Stadt, wie an der Gründung der Galleria Internazionale d'Arte Moderna deutlich wird. zato dalla Fondazione Bevilacqua La Masa, Palazzo Ducale,

gien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Groß-Britan-

Venezia, 27-28 Novembre 1992, Treviso 1995.

121 Bei

nien, Italien, Niederlande, Österreich, Rumänien, Schweiz,

der Internationalen Kunstausstellung im Glaspalast 1905

Schweden, Spanien, Ungarn u n d den USA. Vgl. „Offizieller

wurden ca. 1500 Ölgemälde, 200 Aquarelle, 500 Bildhau-

Katalog der IX. Internationalen Kunstausstellung im Kgl.

erarbeiten u n d Architekturentwürfe präsentiert. Die teil-

Glaspalast zu M ü n c h e n 1905", M ü n c h e n 1905.

nehmenden Künstler kamen aus vierzehn Nationen: Bel-

KAPITEL 3

DIE

W E L T A U S S T E L L U N G

D E R

K U N S T

I 9 O 7 — 1 9 1 4

ür die Beschreibung und Bewertung der Internationalen Kunstausstellung der Stadt

F

Venedig zwischen 1907 bis 1914 soll in einem ersten Abschnitt die Situation der Frem-

denindustrie in der Stadt und der Ausbau des Lido di Venezia zu einem der modernsten und mondänsten Badeorte Europas beschrieben werden. In einem zweiten Teil soll die Rolle des Generalsekretärs Antonio Fradeletto innerhalb der venezianischen und italienischen Kulturpolitik beschrieben werden, die es möglichte, den großen Ausstellungen des Jahres 1911 auszuweichen und aus dieser als Gefährdung betrachteten Situation als Gewinner hervorzugehen. In einem dritten Teil folgt eine Zusammenfassung der Ausbaumaßnahmen in den Giardini unter besonderer Berücksichtigung der Pavillons der Nationen. Es geht dabei um das Gesamtkonzept, welches die Grundlage für die zukünftigen Erfolge und die Anerkennung aus dem Ausland werden sollte. In einem vierten Teil wird die ausgestellte Kunst in ihren Grundzügen beschrieben. In diesem Abschnitt soll auch die internationale Bedeutung der

venezianischen Ausstellung hervorgehoben werden, die sich beispielsweise auch in den Protesten der Futuristen im Jahr 1910 äußerte. Schließlich folgen in diesem Kapitel die Beurteilungen durch die lokale, nationale und internationale Kunstkritik. Den Abschluss bildet ein Kapitel über die Kunstausstellungen im Schatten des Ersten Weltkrieges.

„ L A PLUS B E L L E P L A G E DU M O N D E " — DER A U S B A U DES LIDO DI V E N E Z I A

Das neue Jahrhundert hatte in Venedig bis auf den Schock beim Zusammensturz des Campanile di San Marco 1902 sehr vielversprechend begonnen. Neben dem wirtschaftlichen Aufschwung, der durch den Ausbau des Hafens und der Industrie begründet war, verzeichnete vor allem der Tourismus in Venedig ein stetiges Wachstum. Sehr viele Reisende nutzten, aus Nordeuropa mit dem Zug kommend, Venedig als Hafen für die Weiterreise mit einer der großen Dampfschifffahrtslinien nach Griechenland, in die Türkei, nach Ägypten oder bis nach Indien. Fast alle Schiffe aus Triest steuerten auf ihrem Weg nach Süden Venedig an. Die Peninsular and Oriental Steam-Navigation Company (P&O) war die mächtigste britische Dampfer-Kompanie, deren Dampfer wöchentlich über Triest und Venedig nach Port Said und Suez fuhren. Auch der Norddeutsche Lloyd aus Bremen besaß eine Zweiglinie, die alle vierzehn Tage von Triest über Brindisi nach Port Said fuhr und damit den Fahrgästen und der Post die lange Fahrt um halb Europa ersparte. Die prominentesten Besucher bis 1914 waren

70

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

1907-1914

die Vertreter der europäischen Königshäuser, darunter regelmäßig der deutsche Kaiser Wilhelm II., der von Venedig aus mit seiner Yacht Hohenzollern nach Korfu fuhr.1 So waren im historischen Stadtzentrum schon Dutzende von Hotels und Gästehäuser in Betrieb, wie viele Kritiker beklagten. Der deutsche Publizist Otto Julius Bierbaum beschrieb die Situation um 1900 in drastischen Worten. Wir sind hier im Grand Hotel abgestiegen, haben aber sofort beschlossen, schon morgen wieder auszuziehen. Diese Engländerfalle ist für empfindsame Reisende nicht die rechte Herberge. [...] Der Engländer und vornehmlich der Amerikaner vom Durchschnitt scheint Anforderungen anderer Art zu stellen.2 Abschließend kam er zu dem Urteil: Alles hat hier den Anschein, als sei es für die Fremden gemacht. Dieser Umstand beeinträchtigt den Genuß der schönen Stadt erheblich, in der die einzige Industrie, die es gibt, allzu eifrig gepflegt wird: die Fremdenindustrie. Man wird das Gefühl nicht los: Welch Schauspiel, aber, ach, ein Schauspiel nur!3 Das beliebte Reiseziel wurde ab dem Jahr 1900 um eine weitere Attraktion bereichert, indem der Lido di Venezia, der schmale Küstenstreifen am Übergang zwischen Lagune und Adria, komplett umgestaltet und ausgebaut wurde.4 Mit dem Bau neuer Badeanstalten, des Grand Hotel Des Bains (1900), des Hotels Excelsior Palace (1908) sowie weiterer Hotels und Pensionen etablierte sich der Lido di Venezia als internationaler Klimakur- und Seebadeort (Abb. 22). Spektakulärste Baumaßnahme war das Hotel Excelsior, welches mit 400 Zimmern einer der größten Hotelbauten in Europa war und mit den Hotel-Großbauten an der Côte d'Azur und in den Schweizer Kurorten verglichen werden kann (Abb. 23).5 Zu der feierlichen Eröffnung des Excelsior am 21. Juli 1908 waren 3.000 Gäste eingeladen, und von außen wurde das Spektakel von weiteren 30.000 Personen verfolgt. „Es ist für Venedig ein wahres Glück, daß der Lido ein Versuchsfeld zu bieten vermag für die modernste Bautätigkeit, ohne die Stadt selbst in ihrem Charakter irgendwie zu alterieren. "6 Die immer mehr zur Mode gewordene Reise an die See konnte in Venedig mit der Nähe zu einer der kunsthistorisch bedeutendsten Städte verbunden werden. Auch aus medizinischer Sicht wurde die Reise an den Lido eindringlich empfohlen.7 Diesem Leben am Lido hat 1 Die Aufenthalte von Kaiser Wilhelm II. in Venedig: 6 . -

S. 473 f.

10. April 1894 Treffen mit König Umberto I.; 25.-27. April

u n d Anspruch eines Bautyps 1870-1920, Berlin 1982,

5 S. Michael Schmitt, Palast-Hotels: Architektur

1904; 2.-4. Mai 1905; 25. März 1908 Treffen mit Vittorio

S. 131. Bis zum Ersten Weltkrieg gab es in Europa n u r drei

Emanuele III.; 14.-16. April 1909; 25.-28. März 1911; 1912

weitere Hotels außerhalb der Großstädte London u n d

u n d 1914. Die kaiserliche Familie hat sich, 1908,1909,1911,

Paris mit 400 Z i m m e r n : Hotel Royal Palace, Ostende;

1912 u n d 1914 jeweils zur Osterzeit einen Monat auf der

Hotel Royal, Deauville u. Hotel Majestic Palace, Nizza.

Mittelmeerinsel aufgehalten.

6 Ebd., S. 474.

2 S. Otto Julius Bierbaum,

7 Vgl. Johannes Werner, Venedig u n d

Eine empfindsame Reise im Automobil, M ü n c h e n 1955,

Lido als Klimakurort u n d Seebad v o m Standpunkt des

S. 67.

Arztes, Berlin 1912.

3 Ebd., S. 71.

4 Vgl. August Wolf, „Neues aus

Venedig", in: Kunstchronik, XIX. Jg., Nr. 28,12. Juni 1908,

A N T O N I O FRADELETTO UND DIE

KONKURRENZ

71

Thomas Mann mit seinem Roman „Der Tod in Venedig" ein Denkmal gesetzt, lässt sich doch durch seinen Text am besten die dekadente Atmosphäre, welche die High Society Europas umgab, nachvollziehen. Mann selbst hatte im Sommer 1911 einige Wochen am Lido verbracht. Eine neue Ausstellungsmöglichkeit für Kunst war 1908 in direkter Nachbarschaft zum Hotel Excelsior entstanden, wo die CIGA einen Ausstellungungspavillon errichtet hatte, in dem wechselnde Kunstausstellungen gezeigt wurden. Die Gäste waren meist Vertreter des europäischen Adels und des gehobenen Bürgertums, denen es nicht ausschließlich um einen gediegenen Aufenthalt in Venedig ging, sondern auch darum, Teile dieser bedeutenden Kultur „mit nach Hause zu nehmen". Hier kommt ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig der damaligen Zeit ins Spiel, der überaus erfolgreiche Kunst und Antiquitätenhandel. Der Handel mit Kunstgegenständen jeglicher Art hat in Venedig eine große Tradition. Zahllos sind die Namen der großen Künstler der Vergangenheit, deren Werke hier im Laufe der vergangenen Jahrhunderte die Besitzer gewechselt hatten. Insbesondere nach dem Ende der Republik Venedig hatte ein regelrechter Ausverkauf stattgefunden. Erst ab Ende des 19. Jahrhunderts versuchte man, durch Gesetze einen vollkommenen Verlust der Kunst zu verhindern. Doch es fanden sich immer wieder Wege, diese auch auf illegalem Weg außer Landes zu schaffen. So war am Canal Grande ein Großteil der Paläste in Besitz von Hoteliers oder Antiquitätenhändlern. Die Entwicklung lief darauf hinaus, aus Venedig ein für ein bürgerliches und internationales Klientel attraktives Reiseziel zu machen, welches eine Vielzahl von Attraktionen bot. An erster Stelle war es natürlich die Stadt selbst, die mit ihrer über 1000-jährigen Geschichte die Besucher anzog. Vermittelt durch die zahlreichen Reise- und Stadtbeschreibungen wurden immer mehr Gäste von dem unvergleichlichen Reiz der Stadt angezogen. Neben den eher bescheidenen Ansätzen, industrielle Arbeitsplätze in Venedig zu schaffen, war Venedigs Wirtschaft zum größten Teil von der Fremdenindustrie abhängig. Durch die Lage der Giardini zwischen historischem Zentrum und Lido konnten die zukünftigen Kunstausstellungen davon nur profitieren. Es handelte sich um eine wirkungsvolle Symbiose, bei der Kunst und Tourismus sich wechselseitig stärkten.

A N T O N I O F R A D E L E T T O U N D DIE K O N K U R R E N Z

Die prägende Figur der ersten Jahre der Internationalen Kunstausstellung war Antonio Fradeletto, der trotz aller Kritik an seinem Führungsstil das uneingeschränkte Vertrauen von Bürgermeister Grimani genoss. Wie Ceschin in seiner Arbeit deutlich herausgearbeitet hat, stieß der Generalsekretär immer wieder auf Widerstand von Seiten der Stadt und von unterschiedlichen Kritiker seiner Ausstellungspolitik.8 Mehrfach drohte er mit seinem Rücktritt, doch konnte er immer wieder davon abgehalten werden. Zudem gab es die Möglichkeit für ihn, als Bildungsminister (MPI) nach Rom zu gehen, um in der Regierung Giollittis zu arbei8 Vgl. Ceschin 2001, S. 155-157.

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

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I907-I914

ten. Wegen politischer Differenzen lehnte er das Angebot ab und widmete sich weiterhin intensiv der Weiterentwicklung seiner Ausstellungsreihe. „ Ich bleibe, zumindest für dieses Jahr, auf meinem Posten als Organisator der Ausstellung, denn keine versteckte Feigheit kann mich dazu bringen, die Verpflichtung, die ich gegenüber den Künstlern aus allen zivilisierten Ländern eingegangen bin, zu verraten. Mit den Ausstellungen im Palazzo Ca' Pesaro unter der Leitung von Nino Barbantini hatte die Stadt Venedig ein zweites, wenn auch viel bescheideneres Forum für zeitgenössische Kunst. Im Gegensatz zu den konservativen Ausstellungen in den Giardini sollten bei den Mostre Opera Bevilacqua La Masa junge fortschrittliche Künstler gezeigt werden.10 Die Avantgarde von Ca' Pesaro und der Akademismus der Giardini wurden von der Stadt Venedig verantwortet. Seit dem Jahr 1908 fand im Ca' Pesaro die Mostra Bevilacqua La Masa statt, die ein Forum für die jungen Nachwuchskünstler bot, die nicht bei der Internationalen Kunstausstellung angenommen wurden. Der endgültige Durchbruch gelang mit der Sommerausstellung des Jahres 1910, bei der u.a. der Futurist Umberto Boccioni ausstellte. In Paris stellten die Futuristen erst 1912 aus. So ergab sich die einmalige Situation, dass die Sezession im eigenen Hause stattfand und letztlich zwei davon profitierten — die Stadt und der stetig ansteigende Tourismus. Viel bedrohlicher für die Stellung Venedigs als Standort der bedeutendsten internationalen Kunstausstellung in Italien waren die Aktivitäten zur 50-Jahr-Feier des italienischen Königreichs im Jahr 1911. Mit bis dahin ungekanntem Aufwand wurden in Rom und den beiden ehemaligen Hauptstädten Turin und Florenz große Ausstellungsprojekte vorbereitet." Besondere Sorgen machte Fradeletto die in Rom geplante internationale Kunstausstellung in der neu zu errichtenden Galleria Nazionale d'Arte Moderna (GNAM) und in den temporären Pavillons im Valle Giulia. Er war sich der Tatsache bewusst, dass ein gleichzeitiges Stattfinden der Internationalen Kunstausstellung in Venedig und der Ausstellung in Rom unter allen Umständen vermieden werden musste. Aus diesem Grund ist es verständlich, warum er sich von Beginn des Jahres 1908 an damit befasste, seine Ausstellung, soweit möglich, vor jeglicher Konkurrenz zu schützen.12 Gemeinsam mit Bürgermeister Grimani arbeitete er an dem Problem und versuchte, mit den Verantwortlichen in Rom eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden. In einem Brief wandte sich Fradeletto an den damaligen Ministerpräsidenten Giolitti, um auch ihn über die drohende Ausstellungungskollision im Jahr 1911 in Kenntnis zu setzen.13 Es blieben nur zwei Möglichkeiten: Entweder ließ man die Kunstausstellung von 9 „Rimango soltanto, per quest'anno, al mio posto di or-

„Mostra del ritratto italiano dalla fine del sec. 16 all'anno

ganizzatore dell'Esposizione, perché nessuna viltà di ne-

1861. C o m u n e di Firenze. Feste commemorative del p r i m o

mici nascosti, p u ò farmi tradire all'ultima ora gli impegni

Cinquantenario del Regno d'Italia proclamato", Ausstel-

assunti verso gli artisti di tutti I paesi civili." Una lettera

lungskatalog, Palazzo Vecchio, Florenz 1911.

dell'on. Fradeletto, in: Adriatico, 9. März 1909.

l'Esposizione del 1911", in: Adriatico, 18. Januar 1908, S. 2

10 Vgl.

12 S. „Per

Maria Mimita Lamberti, „La stagione di Ca' Pesaro e le

13 Vgl. AMV, AdCC, 22. November 1909, S. 770-773,

Biennali", in: Venezia: gli anni di Ca' Pesaro 1908-1920,

Proposte relative all'apertura della IX. Esposizione inter-

Mailand 1987.

nazionale d'arte della città di Venezia.

11 Vgl. Ugo Ojetti, Note per un'esposi-

zione del ritratto italiano in Firenze nel 1911, Florenz 1908;

ANTONIO F R A D E L E T T O UND DIE

73

KONKURRENZ

1911 ausfallen oder man entschied sich für ein Vorziehen der nächsten Ausstellung auf das Jahr 1910, um dann im Zwei-Jahres-Turnus fortzufahren. Im Stadtrat debattierte man über die Angelegenheit. Grimani war für das Vorziehen der nächsten Ausstellung, was er damit begründete, dass „... unsere Ausstellungen dadurch in die geraden Jahre verschoben wären. " Diese Lösung hätte zudem den Vorteil, „... alle 4 Jahre eine Überschneidung der venezianischen Schau mit der großen und offiziellen in München zu vermeiden. "14 „Noch viel mehr, wenn man daran denkt, dass unsere Ausstellung viele Feinde und viele Tücken hat" und „ vom Ausland mit Neid betrachtet" wird. " 1 5 Überzeugt von diesen Argumenten nahm man den Vorschlag an. In der Folge wurde Fradeletto nach Rom geschickt, um mit den Verantwortlichen der römischen Ausstellung zu verhandeln. Nach einigem Hin und Her konnte er folgendes Telegramm an den Bürgermeister Grimani übermitteln: „ Das römische Komitee akzeptiert einstimmig das Vorziehen auf das Jahr 1910.

Welch Gott und Glück hat uns unterstützt —

6

Fradeletto."'

Das Vorziehen der IX. Internationalen Kunstausstellung auf das Jahr 1910 erwies sich als die richtige Entscheidung, denn gegen die mit ungeheuren Summen finanzierte Großschau hätten die bescheidenen Bauten in den Giardini allzu ärmlich gewirkt. Das Areal des Valle Giulia nahe der Villa Borghese mit dem zentralen Palazzo di Belle Arti und den elf ihn umgebenden nationalen Pavillons war Ort einer beeindruckenden internationalen Kunstleistungsschau.17 Der Organisator der internationalen Kunstabteilungen war der seit langem eng mit Fradeletto und Ojetti kooperierende Kunstkritiker Vittorio Pica (Abb. 34). 18

14 „le nostre Esposizioni saranno d'ora in poi trasportate

Folge befasste er sich mit unterschiedlicher Kunst, bis er ab

negli anni pari, e questo spostamento se oggi richiederà

1895 regelmäßig über Kunstausstellungen in ganz Italien

uno sforzo supremo di lavoro, avrà il vantaggio di evitare,

schrieb. 1900 wurde er Direktor der Zeitschrift Empo-

ad ogni quadriennio, la coincidenza della Mostra di Ve-

rium. Spätestens mit seinem 1909 erschienen Werk zur

nezia con quella grandiosa ed ufficiale di Monaco." Ebd.,

Galleria d'Arte Moderna a Venezia empfahl er sich als aus-

S. 771.

gewiesener Experte der aktuellen

15 „la nostra Esposizione ha molti nemici e

molte insidie - queste Esposizioni sono guardate con gelosia dall'Estero" Ebd., S. 772.

16 „comitato

Kunstströmungen.

Literatur: Raffaele Calzini, „In memoriam: Vittorio Pica",

romano

in: Emporium, 71.1930, S. 259-266; Maria Mimita Lam-

accetto unanime anticipazione 1910 che dio e fortuna ci assi-

berti, „Vittorio Pica e l'Impressionismo in Italia", in: An-

stono-fradeletto" AMV, 1910 VII.9.18, Telegramm von Fra-

nali della Scuola Normale Superiore di Pisa, Classe di Let-

deletto an Grimani, 14. November 1909.

tere e Filosofia, 3. Ser. 5.1975 Nr. 3, S. 1149-1201; Giuliana

17 Neben dem

von Cesare Bazzani entworfenen Palazzo di Belle Arti, den

Donzello, Arte e collezionismo: Fradeletto e Pica primi

sich Italien mit China, Griechenland, Bulgarien, Holland,

segretari alle Biennali veneziane 1895-1926, Florenz 1987;

Dänemark, Schweiz, Schweden, Norwegen teilen musste,

C. Belloli, „Vittorio Pica anticipatore di critica progressi-

errichteten Belgien, Deutsches Reich, England, Frankreich,

sta, animatore della Biennale di Venezia", in: La Martinella

Japan, Österreich, Russland, Serbien, Spanien, Ungarn,

di Milano, Januar-Februar 1981, S. 17-32; Ugo Piscopo,

USA eigene temporäre Pavillons. Vgl. Vittorio Pica, L'Arte

Vittorio Pica, La protoavanguardia in Italia, Neapel 1982;

Mondiale a Roma nel 1911, Bergamo 1911.

18 Pica war

E. Citro, „Documenti per una biografia di Vittorio Pica",

zunächst Literaturkritiker, der sich vor allem der moder-

in: Nuova Rivista Europea, Oktober 1985, S. 27-36 u. Ni-

nen französischen Literatur widmete. Erst ab 1890 begann

cola D'Antuono, Vittorio Pica: un visionario tra Napoli e

er sich auch mit Kunst zu befassen. Erstes Aufsehen erregte

l'Europa, Roma 2002.

er mit seiner Rede Arte aristocaratica in Neapel. In der

74

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

I907-I9I4

Natürlich hatte auch Generalsekretär Fradeletto die Ausstellungen gesehen und mit den bescheidenen Bauten seiner Ausstellung in Venedig verglichen. Doch anstatt sich resigniert damit abzufinden, dass er einer möglichen permanenten internationalen Kunstausstellungsreihe in Rom wenig entgegenzusetzen hätte, beschritt er den Weg der Expansion. Es gelang ihm, Pica als Vize-Generalsekretär für Venedig zu gewinnen und er forderte in einem Brief an die Stadtregierung den weiteren Ausbau in den Giardini, um die Vormachtstellung Venedigs behaupten zu können." Zum Glück für Venedig gelang es in Rom nicht, eine permanente Ausstellung zu etablieren und von den aufwändig errichteten Pavillons der Nationen sollte vor dem Ersten Weltkrieg nur der englische zu einer Akademie werden. Der zweite glückliche Umstand bei der Wahl des Jahres 1910 war eine nicht vorhersehbare Situation im Sommer 1911 in Venedig. Es waren nämlich in der Stadt mehrere Cholera-Fälle bekannt geworden, die die Besucher Venedigs davon abhielten, in die Stadt zu reisen.20

DIE S T A A T L I C H E U N T E R S T U T Z U N G U N D DIE P A V I L L O N S DER N A T I O N E N

Durch die großen Ausstellungsprojekte in Mailand 1906 und Rom 1911 wie auch durch den Ausbau der lokalen Ausstellungsmöglichkeiten sah sich Fradeletto gezwungen, die Infrastruktur in den Giardini auszubauen, um ein weiteres Wachstum der Internationalen Kunstausstellung zu ermöglichen. Die Voraussetzungen dafür waren sehr gut, denn durch Modernisierungsmaßnahmen im historischen Stadtzentrum und den Ausbau des Lido zum elitären Seebad waren weitere wichtige Anziehungspunkte für das internationale Publikum hinzugekommen. Wie einleitend gezeigt, bedeutete dies auch einen massiven Zugewinn an Besuchern für die Internationalen Kunstausstellungen. Die uneingeschränkte Unterstützung von Seiten der Stadt war durch das Vertrauen Bürgermeister Grimanis sichergestellt und auch die guten politischen Kontakte Fradelettos in Rom halfen bei der zukünftigen Entwicklung. Bereits mit der Verstaatlichung der privaten Bahngesellschaften in den Jahren 1905/06 kam es zu einem ersten wichtigen Schritt der staatlichen Unterstützung. Für die vergünstigten Eisenbahnfahrscheine nach Venedig, die den Besucher der Ausstellung vorbehalten waren, gab es nun einen zentralen Ansprechpartner. Dieser gewährte einen Rabatt auf die Fahrten nach Venedig, wodurch ein weiterer Anreiz geschaffen wurde, die Kunstausstellung und die Stadt zu besuchen. Diese Fahrscheine gab es über den gesamten untersuchten Zeitraum, wobei lediglich regelmäßig über die Geltungsdauer und die Höhe der Ermäßigung gestritten wurde. Im Jahr 1906 hatte in Mailand die bisher größte internationale Ausstellung in Italien stattgefunden, welche in der Beurteilung als einzige Weltausstellung Italiens gelten kann.21 Natürlich war die Wirtschaftskraft der boo19 S. AMV, 1 9 1 0 VII.9.5, Brief Fradeletto an Giunta

1 9 1 1 " , in: Ateneo Veneto, Anno CLXXXIII (1996), S. 1 7 5 -

Municipale di Venezia, 5. August 1 9 1 1 .

198.

20 Vgl. Giulio

21 Die Esposizione Internazionale di Milano 1906 war

Zorzanello, „Ancora su D'Annunzio e Molmenti. Note su

die größte Ausstellung, die in Italien bis dahin stattgefun-

Maurice Barres, Thomas Mann e il colera a Venezia nel

den hatte. Insgesamt beteiligten sich Aussteller aus über

DIE STAATLICHE U N T E R S T Ü T Z U N G UND DIE PAVILLONS DER NATIONEN

75

menden Industriestadt nicht mit der Venedigs zu vergleichen, aber Fradeletto und Grimani begründeten ihre Forderung staatlicher finanzieller Unterstützung mit der für Mailand gezahlten hohen Summe. Grimani zeigte sich in einem Brief an den Ministerpräsidenten Giovanni Giollitti von der nationalen Bedeutung der venezianischen Ausstellung überzeugt. Wir haben die Gewissheit, für Vaterland und Kunst zu arbeiten, zwei Ideale, die in Italien oft genug gleichgesetzt werden; wir wollen, dass die Regierung uns unterstützt, wie sie richtigerweise andere ähnliche Unternehmen unterstützt hat, sicher sinnvoller, sicher viel größer und vielseitiger, aber ich glaube intellektuell nicht höher stehend. [...] Wenn unser Unternehmen definitiv die schwierige Konkurrenz mit dem Ausland gewinnen will, wenn es die Vorherrschaft, auf die wir hoffen, erreichen will, muss es mit einer höheren Macht verbunden sein.22 Bereits im Vorfeld hatte Fradeletto in seiner Funktion als Abgeordneter des Parlaments mit Giollitti und dem Bildungsminister Rava gesprochen, die er für sein Anliegen gewinnen konnte. So musste diese Frage nur noch mit dem Finanzminister geklärt und vom Parlament abgesegnet werden. Um diesem ein Zeichen der uneingeschränkten städtischen Unterstützung zu geben, beschloss der venezianische Stadtrat am 23. April 1907, eine regelmäßige Summe für den Ankauf von Kunstwerken für die Galleria Internazionale d'Arte Moderna auszugeben. Einen Tag später stimmte das Parlament der Zahlung von 100.000 Lire zu und kurz darauf folgte noch die Bestätigung des Senats.23 Wie bereits in früheren Fällen erfolgte die Zahlung deutlich verzögert erst im Herbst 1907. 24 Nach der Neuordnung der Generaldirektion der Altertümer und der Schönen Künste im Bildungsministerium unter Corrado Ricci wurde beschlossen, in Venedig Kunstwerke für die Galleria Nazionale d'Arte Moderna in Rom anzukaufen.25 Auch wenn es sich nur um eine kleine Summe handelte, war es eine klare nationale Anerkennung der venezianischen Kulturinstitution. In der Beurteilung der wirtschafts- und tourismuspolitischen Bedeutung der Internationalen Kunstausstellung waren sich Stadt und Generalsekretär einig. In einem ausführlichen Bericht zur finanziellen Situation der seit 1895 stattfindenden städtischen Veranstaltung, den 40 Ländern auf ca 285.000 m 2 überdachter Ausstellungs-

12.1.4.67, Brief Grimani an PCM, Giolitti, 29. Januar 1907.

fläche. Die Kosten betrugen etwa 12.000.000 Lire und es

23 S. Senato del Regno, Atti Parlamentari, Legislatura

kamen ca. 5.500.000 Besucher. Eine Abteilung war den

XXII, la Sessione 1904-1907, Disegno del Legge, N. 532 u.

Schönen Künsten gewidmet; vgl. Ugo Ojetti, L'arte nell'

Relazione dell'Ufficio Centrale, 532 A, 1. Mai 1907 u.

Esposizione di Milano; note e impressioni, Mailand 1906.

Telegramm von Grimani, 26. April 1907.

22 „Noi abbiamo la coscienza di lavorare per la Patria e

1905-1909, VII.9.7, Brief Generaldirektion AABBAA an

per l'Arte, due idealità che in Italia assai spesso si identi-

Grimani, 26. September 1907.

ficano; voglia il Governo assecondarci, come ha giusta-

23. April 1907, S. 243-244, Proposte relative al contributo

mente assecondato altre analoghe imprese, certo utilis-

del Comune per aquisti di opere della VII. Esposizione

sime, certo più vaste e più varie, ma osiamo credere non

Internazionale d'Arte u. AMV, 1905-1909 VII.9.17. Vgl.

24 S. AMV,

25 S. AMV, AdCC,

intellettualmente più elevate. [...] Se la nostra impresa

auch Ugo Fleres, „Opere acquistate per la Galleria

vuole vincere definitivamente le ardue concorrenze dell'

Nazionale d'Arte Moderna nell'Esposizione di Venezia", in;

estero, se vuol conseguire il primato a cui aspira, essa deve

Bollettino d'Arte, I., Fase. X, Oktober 1907, S. 20-25.

accingersi ad uno sforzo supremo." ACS, PCM, 1907,

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

76

I907-I914

Fradeletto im September 1908 im Stadtrat präsentierte, wurden detailliert die bisherigen Ergebnisse dargelegt. Es war bis dahin eine Erfolgsgeschichte und Fradeletto gelang es mit dieser Bilanz, seinen zahlreichen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. 26 In dem auf Wunsch des Stadtrates verfassten Finanzbericht stellte er übersichtlich die Ausgaben, Einnahmen und Ergebnisse der bis dahin organisierten sieben Biennalen dar und lieferte eine Prognose für die nächste Ausstellung im Jahr 1909.27 Nach der erfolgreichen Ausstellung 1907 entschied sich die Stadt, auch für die folgende Ausstellung staatliche finanzielle Unterstützung zu fordern. Grimani betonte die internationale Bedeutung der Ausstellung, bei der Werkschauen zahlreicher in- und ausländischer Künstler stattfinden sollten und zählte alle teilnehmenden Länder auf, wobei er insbesondere die offizielle Teilnahme Belgiens und Ungarns hervorhob. 28 Außerdem betonte er, dass die Regierung in Budapest „die Summe von 200.000 Kronen" für den Bau eines ungarischen Pavillons bereitgestellt hat.29 Mit diesen Argumenten war es gelungen, wiederum die Summe von 50.000 Lire für den weiteren Ausbau der Giardini aus Rom zu erhalten. An diesen beiden Beispielen wird deutlich, wie sich die internationale Anerkennung in Form von nationalen Pavillons und die staatliche finanzielle Unterstützung gegenseitig bedingten, wodurch der Ausbau der Infrastruktur in den Giardini erst möglich wurde. Die Führung der Internationalen Kunstausstellung spielte geschickt ihre Geber gegeneinander aus und schuf eine Konkurrenz zwischen den teilnehmenden Nationen und der römischen Regierung, die das Budget erhöhte. Ein weiterer Aspekt der finanziellen Unterstützung war die Garantie des Ministerpräsidenten, Ankäufe bei der internationalen Ausstellung für die Galleria Nazionale d'Arte Moderna (GNAM) in Rom zu tätigen. 1914 wurden dadurch beispielsweise 30.000 Lire eingespielt.30 Im November 1909 feierte man im Stadtrat den großen Erfolg der Ausstellung, deren Gelingen laut Grimani vor allem den „unermüdlichen und wunderbaren Aktivitäten des Generalsekretärs der Ausstellung" Fradeletto zu verdanken war.31 Die ursprüngliche Absicht, mit der Ausstellung wohltätige Projekte zu unterstützen, konnte in die Tat umgesetzt werden, wie Grimani bei der bisher ausgegebenen Summe von 70.000 Lire für wohltätige Zwecke betonte. Auch bei den Verkaufssummen war man immer näher an das große Vorbild in München herangerückt. Dort hatte man zwar insgesamt Kunstwerke für ca. 625.000 Lire verkauft, aber in Venedig war man mit ca. 540.000 Lire nicht weit von dieser Summe entfernt (Abb. 24) ·32

26 Vgl.

La

Gestione

finanziaria

delle

Esposizioni

di Budapest ha stanziato la s o m m a di 200.000.— corone" 30 Vgl. ACS, PCM, 1914, 3.3.367, Korrespondenz

Internazionali d'Arte di Venezia. Relazioni e bilanci pre-

Ebd.

sentati dall'on. A. Fradeletto, Segretario Generale, al Sindaco

zwischen Fradeletto u n d M i n i s t e r p r ä s i d e n t

Co. F. Grimani, Presidente, Venedig 1908.

31 „infaticabile e meravigliosa attività del Segretario ge-

27 S. ebd., S. 6

Salandra.

28 S. ACS, PCM, 1910.16.178, Brief Grimani an Giolitti,

nerale dell'Esposizione" AMV, AdCC, 12. November 1909,

27. Dezember 1908. 1909 nahmen Künstler aus Belgien,

S. 731.

Dänemark, Frankreich, Deutschland, England, USA, Schwe-

u. All' Esposizione di Monaco", in: Illustrazione

den u n d Ungarn an der Ausstellung teil.

Nr. 46,14. November 1909, S. 479.

29 „il Governo

32 S. „La chiusura dell'Esposizione di Venezia Italiana,

DIE STAATLICHE U N T E R S T Ü T Z U N G UND DIE PAVILLONS DER NATIONEN

77

Angespornt durch den Wettbewerb zwischen den Nationen, den man von den Weltausstellungen her kannte, waren die einzelnen Säle teilnehmender Länder und Regionen immer aufwändiger gestaltet worden. Das Streben nach eigenen Pavillons war eine logische Konsequenz daraus. Für die Stadt kam der wirtschaftliche Vorteil hinzu, dass die Pavillons durch die einzelnen Nationen finanziert und unterhalten wurden. Seit 1903 hatte man damit begonnen, die Giardini umzugestalten, um eine künstliche Landschaftsidylle zu schaffen. Es gab aber keinen Gesamtplan für den Bau der nationalen Pavillons, wie das bei anderen Großausstellungen der Fall war. Den Ausgangspunkt bildete der Ausstellungspalast; daneben war das Gebiet durch die öffentlichen Gärten im Süden und den Canale di Sant' Elena klar definiert (Abb. 25). Die von Süden nach Norden verlaufende Hauptachse war durch das Ausstellungsgebäude und den Haupteingang zum Ausstellungsgelände festgelegt. Im äußersten Osten befand sich ein Caffè-Ristorante und zur weiteren Optimierung des touristischen Angebots wurde ein neues Restaurant im „Byzantinisch-Venezianischen Stil" eingerichtet. Die Entstehungsgeschichte der ersten sieben Pavillons bis zum Ersten Weltkrieg war sehr unterschiedlich, da ein übergreifender Masterplan fehlte und viele Entscheidungen erst im Laufe der Realisierung neuer Vorhaben gefällt wurden. Mit dem Bau der Pavillons begann eine noch ausgeprägtere nationale Abgrenzung. Die Pavillons sicherten den auftraggebenden Museen, Künstlervereinigungen oder Ländern dauerhafte Ausstellungsplätze, die quasi extraterritoriale Bereiche darstellten. Bei der Gestaltung und Bauausführung der Pavillons hatten die venezianischen Architekten und Ingenieure das letzte Wort. Sie konnten alle Architekturvorschläge prüfen und bei Missfallen ändern. Dass dieser Plan nicht immer funktionierte, zeigt die folgende Beschreibung der Entstehung der ersten Pavillons. Die Anregungen zu den Pavillons gingen von Generalsekretär Fradeletto aus, der seine seit Beginn der Ausstellungsreihe geknüpften Kontakte nutzte. Er reiste in verschiedene europäische Länder, um Investoren und Betreiber für neue Pavillons von seinem Konzept zu überzeugen und zu einer Teilnahme zu bewegen. Belgien war das erste Land, welches einen eigenen Pavillon in den Giardini erhalten sollte. Der von der belgischen Generaldirektion der Schönen Künste verantwortete Bau wurde zunächst von der Stadt Venedig finanziert, der jedoch 1908 die Kosten vom belgischen Staat erstattet wurden.33 Dieser erste vorbildliche Pavillon des belgischen Architekten Léon Sneyers mit einem großen zentralen Ausstellungsraum und kleineren Seitenräumen zeigte besonders im äußeren Erscheinungsbild seine von der Sezession inspirierten Gestaltungsideale (Abb. 26). Auch der Innenraum war sehr aufwändig gestaltet. Im Zentrum befand sich das Tryptichon „Aus früheren Zeiten" des Symbolisten Fernand Khnopff. Dieser Bau setzte durch seinen offensichtlich repräsentativen Charakter den Maßstab für die späteren Pavillons im Park. Zeitgleich wurden die nationalen und regionalen Ausstellungssäle mit großem Aufwand neu gestaltet, so dass nun auch auf Architektur spezialisierte Zeitschriften Interesse an der Ausstellung fanden und diese teilweise als vorbildlich lobten.34

33 Vgl. Mulazzani 1988,8.37-40. 34 Vgl. Oscar Doering-

ausstellung zu Venedig", in: Neudeutsche

Dachau, „Die Raumkunst auf der Internationalen Kunst-

3.1907, S. 275 f.

Bauzeitung,

78

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

I907-I914

Nach dem Vorbild des belgischen Pavillons wurden 1909 drei weitere Pavillons eröffnet, deren Verteilung auf dem Areal am Plan der Giardini deutlich wird. Der ungarische Pavillon (Abb. 27) war dazu bestimmt, die kulturelle Autonomie des ungarischen Königreichs in der KuK-Monarchie zu demonstrieren. Er entstand 25 Jahre vor einem österreichischen Pavillon und wurde von dem Architekten Géza Rintel Maróti geplant. Mit Baukosten von 200.000 Kronen war er der anspruchsvollste und teuerste Bau vor dem Ersten Weltkrieg. Er vertrat mit dem imposanten Mittelbau und dem Eingangsportal einen folkloristischen Stil mit neoromanischen Bauformen. Die gesamte Fassade mit ihren feierlichen symbolischen Motiven aus der ungarischen Geschichte wurde in aufwändigen bunten Mosaik- und Majolikaornamenten ausgeführt.35 Im Gegensatz zum zwei Jahre vorher entstandenen belgischen Pavillon, der eine internationale Gestaltung zeigte, wurde hier die ungarische Tradition glorifiziert. Am 14. Juni 1909 wurde der Pavillon eröffnet, wobei Vertreter der ÖsterreichUngarischen Regierung, der Stadt Venedig und der italienischen Regierung in Rom anwesend waren.36 Angezogen durch den wirtschaftlichen Erfolg der Ausstellung etablierte die Münchener Secession unter Hugo von Habermann eine Dependence in Venedig. Finanziert von der Stadt begannen am östlichen Ende der Giardini auf der höchsten Anhöhe des Areals die Bauarbeiten für einen bayerischen Pavillon (Abb. 28).37 Es entstand ein bescheidener Pavillon mit einer neoklassizistischen Fassade, der entfernt an das Kunstausstellungsgebäude am Königsplatz in München erinnerte.38 Die Innengestaltung übernahm Bruno Paul, die Einrichtung stammte von denVereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk in München. Der bayerische Pavillon stand für die kulturelle Zerrissenheit im Deutschen Reich, in dem man sich nicht auf einen gesamtdeutschen Beitrag hatte einigen können. Anders als die sehr individuellen Bauten Belgiens und Ungarns war er in der Gestaltung eher zurückhaltend und bescheiden; er zeigte keinen länderbezogenen Stil und auch keine moderne Innovation. Auch der britische Pavillon war durch die Initiative einer privaten Künstlergruppe zu Stande gekommen (Abb. 6s).39 Antonio Fradeletto reiste 1908 nach London, um für einen permanenten Britischen Pavillon zu werben. Da die Eröffnung der VIII. Internationalen Kunstausstellung in wenigen Wochen bevorstand, war es unmöglich, einen neuen Pavillon zu bauen. Fradeletto bot den Briten deshalb an, das Caffè-Ristorante am östlichen Ende der Giardini zu nutzen (Abb.4). Zur Finanzierung des Umbaus richtete das britische Künstlerkomitee einen Aufruf an potentielle Geldgeber und war damit schließlich auch erfolgreich. Die gesamte erforderliche Summe wurde von einem Privatmann aufgebracht.

3 5 Vgl. „VIII. Esposizione internazionale della città di Ve-

Biennale Venedig 1 8 9 5 - 2 0 0 7 , Köln 2007, S. 5 5 - 6 1 ; Rolf

nezia", Ausstellungskatalog, Venedig 1909, S. 165.

36 Vgl.

Toyka, Vom Umgang mit Baugeschichte: der Biennale-

Oscar Doering-Dachau, „Von der internationalen Aus-

Pavillon der Bundesrepublik Deutschland in Venedig,

stellung in Venedig", in: Neudeutsche

Frankfurt a. M. 1998.

S. 4 2 3 - 4 2 9 .

Bauzeitung,

6.1910,

3 7 Vgl. Annette Lagler, „Der deutsche Pa-

villon", in: Ursula Zeller (Hg.), Die deutschen Beiträge zur

3 8 Vgl. Mulazzani 1988, S. 4 6 - 4 9 .

39 Vgl. Sophie Bowness, Britain at the Venice Biennale, London 1995.

DIE STAATLICHE UNTERSTÜTZUNG UND DIE PAVILLONS DER NATIONEN

79

Es ist dies nicht das Verdienst des englischen Staates, der bisher die venezianischen Ausstellungen vollkommen ignorierte, sondern des Sir David Salomon, welcher 60.000 Mark zum Ankauf einer Abteilung der Ausstellung geschenkt hat.40 Das Komitee konnte einen Vertrag mit der Stadt Venedig abschließen, in dem das Grundstück für einen symbolischen Preis gepachtet und der Pavillon fur 3000 Pfund Sterling gekauft wurde. Der Architekt war Edwin Alfred Rickards, dessen zurückhaltende Umbauten sich fast ausschließlich auf die Schaffung zusätzlichen Ausstellungsraums im hinteren Bereich beschränkten. Die Innenraumdekoration übernahm Frank Brangwin, der bereits 1905 und 1907 für die englischen Säle verantwortlich war. Die von Fradeletto im August 1911 im Stadtrat geforderten Projekte wurden mit den Pavillons für Frankreich und Schweden nur teilweise realisiert. Beide Bauten wurden von der Kommune in der Hoffnung finanziert, dass sich wie bei den anderen Bauten ein Betreiber finden würde. Als Beitrag einer weiteren europäischen Nation folgte in diesem Jahr ein schwedischer Pavillon, der auf eine Initiative von Fradeletto zurückgeht. Dieser hatte Ende Januar 1912 Ferdinand Boberg den Vorschlag unterbreitet, auf Kosten der Kommune von ihm einen Pavillon für Schweden errichten zu lassen, in der Hoffnung, dass wenn ein Pavillon stehen würde, Schweden letztlich doch die Kosten übernehmen würde. Doch diese Rechnung ging nicht auf. Nach nur einmaliger Nutzung war die Geschichte des schwedischen Pavillons zu Ende, da eine weitere Finanzierung des Pavillons durch Schweden nicht garantiert war. Die Stadt überließ den Pavillon Holland, das nur den Schriftzug über dem Portal austauschen musste (Abb. 33). 41 Der von der Stadt für die französische Kunst errichtete Pavillon stellt einen Sonderfall da, denn es gelang in den Anfangsjahren nicht, einen Betreiber in Frankreich zu finden. So musste das Ausstellungssekretariat den französischen Beitrag selbst zusammenstellen. Am 29. April 1914 wurde mit großem Pomp der russische Pavillon eingeweiht, der von der kaiserlichen Akademie der Künste in St. Petersburg verantwortet wurde und unter dem Patronat der Großfürstin Wladimir Alexandrowitsch von Russland, einer Tante des letzten russischen Zaren, stand (Abb. 30).42 Doch das Russische Reich, das hier repräsentiert wurde, ging seinem Ende zu. Es sollte nur drei Jahre dauern, bis das russische Kaiserhaus durch die Ereignisse der Oktoberrevolution von 1917 ausgelöscht wurde und somit auch bis 1924 die Bestimmung des Pavillons als Ausstellungsbau für Russland. Trotz der massiven Veränderungen, die sich durch den Bau von nationalen Pavillons ergeben hatten, blieb der Ausstellungspalast mit seinen 31 Sälen und ca. 4.200 m2 Ausstellungsfläche Mittelpunkt der Ausstellung. Im Kuppelsaal wurden von Galileo Chini acht 40 August Wolf, „Venezianisches", in: Kunstchronik, XX. Jg., Nr. 18, 5. März 1909, S. 278.

zione Internazionale d'Arte della città di Venezia", Aus-

41 Vgl. „The Dutch Pavil-

stellungskatalog, Venedig 1914, S. 202. Marie von Mecklen-

lion at the Biennale", Ausstellungskatalog, Amsterdam 1954

burg-Schwerin (1854-1920) war die Witwe von Großfürst

u. „Venice. The most beutiful place I know. The Nether-

Wladimir Alexandrowitsch von Russland (1847-1909). Sie

lands Biennale Pavillon in Venice by Gerrit Rietveld",

war eine Tante des letzten russischen Zaren Nikolaus II.

Ausstellungskatalog, Rotterdam 1995.

42 S. „XI. Esposi-

8o

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

I907-I914

Wandgemälde geschaffen, die die italienische Kunstgeschichte glorifizierten.43 Daneben wurde der zentrale Ausstellungssaal als Stiftung des Königs Vittorio Emanuele III. durch den Maler Giulio Aristide Sartorio zum Sala del Sogno umgestaltet.44 Aber der Ausstellungspalast war durch die Erweiterungen der letzten Jahre an seine Grenzen gestoßen und hemmte somit das angestrebte Wachstum der Ausstellung. Die Konkurrenz, in die der Ausstellungspalast durch die Errichtung der Pavillons getreten war, führte 1914 zu einer kompletten Neugestaltung seiner Fassade, die auch im Katalog angekündigt wurde (Abb. 29).45 Erstmals wurde eine Architekturfotografie in den Katalog aufgenommen. Die eigendich schon bei der Premiere völlig anachronistische Fassade wurde durch eine flächig strenge, mit orientalistischer Ornamentik durchsetzte Fassade ersetzt. Die klassische Ordnung, dekorative Marmormotive und vor allem die zwei Türme prägten die Ansicht. Vier modifizierte korinthische Pilaster rahmten ein Portal, über dem groß geschrieben PRO ARTE stand, wie schon bei der alten Fassade. Auch im Innenraum gab es einige Veränderungen. Der zentrale Ausstellungsaal wurde von Galileo Chini „klimtisch", das heißt in einer sehr reduzierten Formensprache umdekoriert.46 Äußerlich hatten sich die räumlichen Gegebenheiten der Kunstausstellung in diesem Zeitraum sehr stark verändert; aber wie stellte sich die Situation mit Blick auf die gezeigte Kunst dar? Die revolutionären Entwicklungen der modernen Kunst, die sich durch die Gründung neuer Künstlergruppen in Paris und anderen Kunstzentren abzeichneten, fanden ihren Weg zunächst nicht nach Venedig. Von den Entwicklungen um Matisse, Derain und Picasso in Paris, der Künstlergruppe Die Brücke in Dresden oder dem Blauen Reiter in München war in Venedig nichts zu sehen. Ausnahmen blieben die Präsentationen von 1907. Selbst in anderen Städten Italiens wurde teilweise modernere Kunst präsentiert, wie die ImpressionistenAusstellung in Florenz 1910 oder die Ausstellungen der Secession in Rom zeigten.47 In Bezug auf die deutsche Kunst schadeten die guten Beziehungen zur Münchener Secession der Zusammensetzung der gezeigten Kunst. Denn spätestens mit der Gründung der Berliner Secession 1899 begann Berlin München als modernes Kunstzentrum abzulösen. Hier ist ein Rückschritt im Vergleich zu den sehr guten Ausstellungen der Jahre 1897 und 1899 zu

43 Galileo Chini war auf allen großen Ausstellungen ver-

44 S. „VIII. Esposizione Internazionale d'Arte della città

treten u n d hatte schon vorher verschiedene Fresken für die

di Venezia", Ausstellungskatalog, Venedig 1909, S. 28 f. Giu-

Biennale angefertigt: 1903 u n d 1905 Sala Toscana, 1907 Sala

lio Aristide Sartorio war ein Maler aus Rom. Der Fries

del Sogno u n d 1920 den Salone Centrale. Daneben stellte

wurde 1910 im italienischen Saal der Internationalen Kunst-

er bis 1938 diverse Einzelwerke bei verschiedenen Bien-

ausstellung von Buenos Aires gezeigt, was deren Stellenwert

nalen aus. Chini brachte in der oktogonalen Kuppel acht

unterstreicht. Eines seiner berühmtesten Werke ist ein Fries

Fresken mit einer Darstellung der Geschichte der Kunst an:

in der Parlamentskammer im Palazzo di Montecitorio in

I. Le Origini, II. Le Arti Primitive. Egitto, Babilonia, As-

R o m 1908-1911.

siria, III. Grecia e Italia, IV. Arte Bizantina, V. Dal medio

d'Arte della città di Venezia 1914", Ausstellungskatalog,

evo al Rinascimento, VI. Michelangelo, VII. L'impero del

Venedig 1914, S. 23.

Barocco, VIII. La civiltà nova. Vgl. hierzu Claudio Spagnol,

Firenze. Due collezionisti e la mostra dell'Impressionismo

Galileo Chini: la cupola del Padiglione Italia alla Biennale

del 1910", Palazzo Strozzi, Ausstellungskatalog, hg. ν. Fran-

di Venezia. Il restauro del ciclo pittorico, Venedig 2006.

cesca Bardazzi, Florenz 2007.

45 S. „XI. Esposizione Internazionale 46 Ebd., S. 26.

47 Vgl.„Cézanne a

DIE STAATLICHE U N T E R S T Ü T Z U N G UND DIE PAVILLONS DER NATIONEN

8l

erkennen. Ausnahmen wie die Ausstellungen des Wiener Hagenbund oder der russischen Künstlergruppe „Mir iskusstwa" unter der Leitung von Sergej Dhiagilew im Jahr 1907 bestätigen diese Regel. Dominiert wurde die Ausstellung wieder einmal von den Porträts John Singer Sargents, die gemeinsam mit monochromen Wandbildern von Frank Brangwyn den britischen Saal füllten. Fradeletto wollte jedoch keine Experimente eingehen, sondern setzte auf die erfolgreichen Stars der internationalen Salons, die von seinem Publikum bevorzugt wurden. Nachdem die nationalen Säle bisher zahlreiche Künstler gleichzeitig gezeigt hatten, wurden 1909 große Ausstellungen einzelnen Malern wie Peter Severin Kroyer, Paul Albert Besnard, Franz von Stuck gewidmet, die auch in den Berichten über die Ausstellung besonders hervorgehoben wurden (Abb. 31).48 Letzterer war 1909 auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt. Der Schwede Anders Zorn, der auf keiner internationalen Ausstellung in Europa fehlte, zeigte in einem eigenen Saal Porträts der gesamten schwedischen Königsfamilie, Werke, die dem Interesse der in Venedig weilenden Vertreter des europäischen Hochadels sehr entgegen kamen. Im Jahr 1910 wurde der Kontrast zwischen den unterschiedlichen Stilrichtungen besonders bei den Einzelausstellungen deutlich.49 Die heute in der Literatur hervorgehobenen Künstler waren Pierre Auguste Renoir, Gustave Courbet und vor allem Gustav Klimt. Für das damalige Publikum waren aber die Ausstellungen von John Lavery oder Josef Israels besser verständlich und anziehender. Mononi beklagte, dass die Werke der Impressionisten nicht angemessen berücksichtigt wurden, hingegen der Akademiekünstler Paul Albert Besnard in höchsten Tönen gelobt wurde.50 Mit den eher bescheidenen Ausstellungen zu Renoir und Courbet tat man sich keinen Gefallen, denn die eher schlechten Bilder waren nicht gut verkäuflich. Dagegen war ein Gemälde des Holländers Josef Israels für den Rekordpreis von 150.000 Lire von dem Londoner Kunsthändler Eugène Cremetti gekauft worden, was mehr als einem Viertel der Gesamtverkaufssumme des Jahres 1910 entsprach (Tafel VI). 51 Die X. Internationale Kunstausstellung 1912 wurde im Ausstellungspalast fast vollständig von der italienischen Kunst dominiert, so dass nur drei kleinere internationale Säle u. a. für die Wiener Künstlergenossenschaft übrig blieben (Tafel VII). Insgesamt sechzehn Sonderausstellungen waren italienischen Künstlern gewidmet, wobei die venezianischen Maler klar dominierten. Die Pavillons wurden bis auf die von Belgien und Ungarn nicht von offizieller Seite bespielt. Im französischen Pavillon wurden Lucien Simon, Gaston La Touche und Jaques Emile Blanche gezeigt, den schwedischen Pavillon dominierte Anna Boberg. Im deutschen Pavillon waren u. a. Fritz Erler und Ludwig Dettmann zu sehen. 48 Vgl. Sergio Marinelli/Alessandra Tiddia, Franz von Stuck: lucifero moderno, Mailand 2006.

1911) war um 1910 ein sehr populärer Maler, dem u.a. Max

49 1910 wur-

Liebermann, Philipp Zilcken Einzeldarstellungen wid-

den Auguste Renoir, Gustave Courbet, John Lavery, Jozef

meten. Er war führendes Mitglied der Schule von Den Haag

Israels, Gustav Klimt, Oskar Zwintscher, Ludwig Dill,

und inspirierte u.a. Van Gogh. Das 1910 verkaufte Bild

A. Ph. Roll und John Pennell eigene Ausstellungen gewid-

befindet sich heute im Van Gogh Museum in Amster-

met.

50 S. Mononi 1957, S. 47.

51 Jozef Israels (1827-

dam.

82

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

I907-I9I4

Bei der letzten Kunstausstellung vor dem Ersten Weltkrieg wurde die Internationalität auch im Ausstellungspalast wieder mehr betont (Tafel VIII). Mit Einzelausstellungen zu Bartolomeo Bezzi, dem italienischen Impressionisten Federico Zandomeneghi, dem Bildhauer Ivan Mestrovic, Hermen Anglada Camarasa, Frank Brangwyn und Axel Gallen Kallela waren einige in ihren Ländern bekannte Künstler vertreten. Den ehemals bayerischen Pavillon bespielte die konservative Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft. Für den französischen Pavillon hatte man keinen Betreiber gefunden, so dass Pica die Ausstellung mit Emile Bourdelle, Henri Le Sidaner, Jean-François Raffaelli und Paul Albert Besnard selbst kuratieren musste. Die ausgestellte Kunst kann nicht grundsätzlich als unzeitgemäß bezeichnet werden. In der Forschung werden die ersten Jahre der internationalen Kunstausstellung meist als eine Ära der verpassten Möglichkeiten beschrieben, da sie sich nicht den aktuellen Kunstströmungen öffnete. Bereits 1961 bemerkte der Kunsthistoriker Rodolfo Pallucchini, dass in Venedig ein bestimmtes Publikum angesprochen werden sollte: „Aber kann man den Männern, die die venezianische Schau geschaffen haben, die Schuld daran geben, damals noch so umstrittene Künstler ignoriert zu haben?"52 Vergleicht man die ausgestellte Kunst mit der in den Salons der europäischen Hauptstädte, so ist hier keine Rückwärtsgewandtheit zu erkennen. Einzig der Vergleich mit der selbst in den Kunstzentren umstrittenen Kunst der Avantgarde lässt Venedig rückständig erscheinen. Moderne Ausstellungen wie die SonderbundAusstellung in Köln 1912 oder die Armory Show in New York und den Ersten Deutschen Herbstsalon in Berlin 1913 konnte man in Venedig nicht erwarten. Denn die wahren Stars der Ausstellungen dieser Zeit waren Maler wie Jozef Israels, John Singer Sargent, Ignacio Zuloaga oder Joaquin Sorolla y Bastida, die in großen Einzelausstellungen präsentiert wurden. Die Ausstellung war zwar nicht ausschließlich Bühne für die Akademiekunst, aber heute kaum noch bekannte Künstler dominierten die Giardini bis 1914.

LOB U N D KRITIK: „ C O N T R O VENEZIA PASSATISTA"

Die Ausstellungen wurden, wie in den Jahren zuvor, von einem Vertreter des Hauses Savoyen, Ministern aus Rom, Diplomaten der teilnehmenden Nationen und lokalen Politikern eröffnet. Um die Bedeutung seiner Ausstellung zu steigern, war Generalsekretär Fradeletto stets darum bemüht, die prominenten, in Venedig weilenden Besucher in seine Ausstellung in den Giardini zu locken. Welchen Stellenwert der Ausstellung von Seiten der englischen Königin Alexandra beigemessen wurde, zeigt sich an ihrem Besuch 1909, der von Lady Layard dokumentiert wurde. Die Königin „ . . . sagte, sie würde zu der Ausstellung gehen, wenn sie bei ihrer Rückkehr vom Lido Zeit finden würde. "" Ein Jahr später nahm Lady Layard in Begleitung des

52 „Ma si p u ò far colpa agli u o m i n i che avevano fatto nas-

would go to the Exhibition if she had time on her return

cere la mostra veneziana di ignorare die pittori ancora così

f r o m the Lido'. Tagebuch Layard, 23. Mai 1909.

discussi?" Pallucchini 1961, S. 164.

53 „... said she

LOB UND KRITIK: „CONTRO VENEZIA

PASSATISTA"

S3

britischen Botschafters Sir Rennell Rodd an den Eröffnungsfeierlichkeiten teil. Die ausgestellte Kunst erwähnte sie mit keinem Wort, ihr ging es hauptsächlich um die anwesenden Prinzen, Adligen, Botschafter und sonstigen Vertreter der Oberschicht. Die italienische Presse berichtete im Laufe des Sommers 1910 auch hauptsächlich über die prominenten Besucher, die Verkäufe wichtiger Kunstwerke und über die regelmäßig in den Giardini stattfindenden Konzerte der Banda Militare oder Municipale. Begeistert war man über die Anwesenheit von Vertretern des europäischen Hochadels wie Königin Alexandra von England und der Königin von Schweden, die sich beim Einkaufen an der Piazza San Marco trafen. Der Ausbau der Ausstellungsmöglichkeiten seit 1907 hatte der venezianischen Kunstausstellung zu einer sehr guten Ausgangslage verholfen, um sich gegen die Konkurrenz in Italien und dem Ausland zu behaupten. Doch die Rekorde bei den Besucher- und Verkaufszahlen konnten nicht über einige grundlegende Probleme hinwegtäuschen, die in besonders drastischer Weise von den Futuristen kritisiert wurden. Hinzu kamen die beschränkten Finanzmittel, die es nicht erlaubten, größere Ausbaumaßnahmen vorzunehmen. Im Sommer 1910 zeigte die moderne Kunstausstellung im Palazzo Ca' Pesaro Werke von Umberto Boccioni (1882—1916), der kurz zuvor das futuristische Manifest unterzeichnet hatte.54 Diese Tatsache nahm der Begründer der futuristischen Bewegung, Filippo Tommaso Marinetti, zum Anlass, um eine spektakuläre Aktion zu starten. Am 8. Juli 1910 wurden von futuristischen Dichtern und Malern 800.000 Manifeste von der Spitze des Torre dell'Orologio auf die vom Lido zurückkehrende Menge geworfen In ihrem am 27. April 1910 verfassten Manifest „Contro Venezia passatista!" wandten sich die Futuristen gegen ein vergangenheitsgläubiges Venedig, dessen Wirtschaft fast ausschließlich von der Fremdenindustrie abhängig sei. In einem weiteren Text, dem „Discorso contro i Veneziani" vom 8. Juli 1910 wurden diese Forderungen noch ausgeweitet. Die Kritik richtete sich gegen den Kult der Vergangenheit und die Unwürdigkeit der Arbeit in der Fremdenindustrie: Ihr wart einmal unbesiegbare Krieger und geniale Künstler, kühne Seefahrer, einfallsreiche Industrielle und unermüdliche Kaufleute [...] Und seid Kellner in Hotels, Fremdenführer, Zuhälter, Antiquare, Betrüger, Hersteller alter Bilder, Kunstfälscher und Kopisten geworden. Ihr habt somit vergessen, was es heißt, Italiener zu sein und daß dieses Wort in der Sprache der Geschichte sagen will: Bauherren der Zukunft?"56 Warum wollt ihr immer noch die treuen Sklaven 54 Vgl. August Wolf, „Permanente Ausstellung im Palazzo

1924, S. 29.

Pesaro", in: Kunstchronik,

ali, navigatori audaci, ingegnosi industriali e commercianti

NF. XXI. Jg., Nr.36.Z37, 26.Au-

56 „tempo invincibili guerrieri e artisti geni-

gust 1910, S. 5 9 4 - 5 9 5 u. „La Mostra d'estate a Palazzo Pe-

instancabili... E siete divenuti camerieri d'albergo, ciceroni,

saro", in: Gazzetta di Venezia, 16. Juli 1910.

5 5 Filippo

lenoni, antiquari, frodatori, fabbricanti di vecchi quadri, pit-

Tommaso Marinetti, Umberto Boccioni, Carlo Carrà, Luigi

tori plagiari e copisti. Avete dunque dimenticato di essere

Russulo, „Contro Venezia passatista, 27. Aprii 1910", in:

anzitutto degl'Italiani, e che questa parola, nella lingua della

Filippo Tommaso Marinetti, Futurismo e fascismo, Foligno

storia, vuol dire: costruttori dell'avvenire?" Ebd.

84

DIE WELTAUSSTELLUNG

DER KUNST

I9O7-I914

der Vergangenheit, die völlig verdreckten Bewahrer des größten Bordells der Geschichte, die Krankenschwestern des traurigsten Hospitals der Welt sein?57 Zweimal richtete sich der Text explizit gegen die Unterstützung der CIGA, denn ihr bereichert ohne Ende die Società dei Grandi Alberghi, die mit Sorgfalt die eleganten Nächte aller Großen dieser Erde vorbereitet!58 Es sind nicht nur die reichen Fremden, die nach Venedig kommen, sondern auch die verdreckten und grottesken nordischen Professoren mit Tirolerhut.59 Dieser wohl bekannteste Protest gegen das rückwärtsgewandte Venedig der Romantiker und Touristen war Teil einer Tournee der Futuristen durch Italien, die ihre Bewegung bekannt machen sollte. Die Futuristen hatten mit der Hauptstadt des Passatismus eine ideale Bühne für die Verbreitung ihres provokanten Manifests gefunden und hofften auf eine glorreiche Zukunft: „ Wir wollen die Geburt eines industriellen und militärischen Venedig vorbereiten, welches die Adria, den großen italienischen See, dominieren kann. "60 Dieser in der Kunstgeschichtsschreibung zum Großereignis hochstilisierte Protest fand in der lokalen Presse kaum Niederschlag, sondern scheint ein von Marinetti propagandistisch geschickt gepflegter Mythos zu sein.61 Die radikalen Worte dienten vor allem dem Ziel, die Ausstellung der Werke von Umberto Boccioni in Ca' Pesaro bekannt zu machen. Waren diese Forderungen in ihrer Radikalität offensichtlich eher als Provokation denn als konstruktiver Gestaltungsvorschlag gemeint, so lassen sich doch die Grundlagen zahlreicher in der Folge realisierter Projekte darin finden. Mit ihrer krassen Kritik hatten die Futuristen ein konkretes Problem angesprochen. Denn Venedig war in vielen Bereichen eine Hauptstadt der Vergangenheit, ein Zustand, der von den zahlreichen ausländischen Besuchern honoriert und von der heimischen Tourismusindustrie gepflegt wurde. Nino Barbantini, der Kurator der Ausstellungen in Ca' Pesaro und einer der schärfsten Kritiker der Ausstellungspolitik Fradelettos, hieb in dieselbe Kerbe: In einem 1912 verfassten Brief kritisierte er die nicht stattfindende Aufnahme junger Künstler in die Ausstellung. Hierbei hatte Barbantini vor allem die von ihm gezeigten Künstler von Ca' Pesaro im Kopf.62 Doch stand Barbantini mit seiner Kritik nicht alleine. Auch die Zeitung La Voce schloss sich der grundsätzlichen Kritik an.

5 7 „Perché voler essere ancora sempre i fedeli schiavi del

Italiano." Ebd.

passato, i lerci custodi del più grande bordello della storia,

Guido Perecco, Boccioni a Venezia. Dagli anni romani alla

gl'infermieri del più triste ospedale del mondo, ove lan-

mostra d'estate a Ca' Pesaro. Momenti della stagione futu-

guono anime mortalmente corrotte dalla luce del senti-

risti, Verona 1985; Willard Bohn, The Other Futurism. Fu-

mentalismo?" Ebd.

turist Activity in Venice, Padua, and Verona, Toronto/Buf-

58 Ebd.

5 9 „lurido e grottesco pro-

fessore nordico dal cappelluccio tirolese" Ebd.

6 0 „Noi

vogliamo preparare la nascita di una Venezia industriale e militare che possa dominare il mare Adriatico, gran lago

61 Vgl. Ester Coen/Licisco Magagrata/

falo/London 2004, S. 8-20.

6 2 Vgl. Nino Barbantini, in:

ibd., Biennali, Venedig 1945, S. 32-45.

LOB U N D K R I T I K : „ C O N T R O V E N E Z I A

PASSATISTA"

85

Italien war, als die erste Biennale eröffnet wurde, ein wenig wie ein Zug mit einer großen Verspätung, der diese während der Fahrt aufliolen wollte. Die venezianischen Ausstellungen haben eben zu dieser Beschleunigung beigetragen. Zuerst war es eine Tatsache, dass man bei künstlerischem Geschmack und Kenntnissen 40 Jahre hinter dem Rest Europas zurückgeblieben war. Heute sind wir, um schmeichelhaft zu sein, nur noch 15 bis 20 Jahre hinterher. Das ist ein optimales Ergebnis und wir müssen diese Leistung Venedigs anerkennen. Aber obwohl die Erhöhung der Geschwindigkeit ihren Höhepunkt erreicht hat, ist es eine chronische, möglicherweise unverminderbare Verspätung die die Messe von Venedig nicht gewinnen kann und will." Vom Großteil der nationalen Kunstkritik wurde die Bedeutung der Ausstellung im internationalen Vergleich hervorgehoben. Im Vorfeld der VIII. Internationalen Kunstausstellung berichtete die Illustrazione Italiana über den Hauptkonkurrenten in Europa, die Internationale Kunstausstellung in München, das große Vorbild, nach dem die Ausstellung gegründet worden war.64 Nach dem Bau der nationalen Pavillons waren die Stimmen der Kunstkritik zunächst sehr positiv. Von den Fremden haben die Belgier den Vogel abgeschossen. Ein kleines Museum der modernen belgischen Kunst ist hier zusammengekommen, wie es in dieser Auswahl von Meisterwerken selbst in Belgien nicht zu finden ist.65 Bei der Beurteilung der in Venedig ausgestellten Kunstwerke italienischer Künstler hatten sich die von Beginn an von Fradeletto geäußerten Befürchtungen bestätigt. Durch die große italienische Kunstausstellung in Mailand 1906 war ein Großteil der in den letzten beiden Jahren entstandenen Kunstwerke bereits ausgestellt oder schon verkauft.66 Aber in den Giardini pubblici ist die alljährliche Kunstausstellung, die doch einiges Interesse für den Maler hat, zumal, wenn von einem selbst ein Bild dort untergebracht sein soll.67 So beschrieb der Maler Lovis Corinth seine Motivation, die X. Internationale Kunstausstellung des Jahres 1910 zu besuchen. Dort lobte er die gediegene Ausstattung des Ausstellungspalastes und die Ausstellungen zu Renoir und Courbet. „Die italienischen Maler scheinen für immer die Enterbten zu sein; in nichts offenbart sich bei ihnen das Kunstgefühl ihrer Vorfah63 „L'Italia, q u a n d o fu aperta la prima biennale, era u n

forse irreducibile che la fiera dei Giardini n o n p u ò e n o n sa

po' come u n treno che ha u n forte ritardo e che vuole sce-

vincere." Ardengo Soffici, „La Fiera di Venezia", in: La Voce,

marlo d u r a n t e la corsa. Le esposizioni veneziane h a n n o

2. Mai 1912.

servito a p p u n t o a questo acceleramento. Prima s'era ad-

Belle Arti nel R. Palazzo di Cristalla a Monaco di Bavie-

64 Vgl. „La X. Esposizione Internazionale di

dietro, in fatto di gusto e di conoscenze artistiche, di una

ra", in: Illustrazione Italiana, Nr. 6, 7. Februar 1909, S. 133.

quarantina d ' a n n i sul resto d'Europa. Oggi a voler essere

65 „Die venezianische Kunstausstellung", in: Neue Zür-

quasi adulatori, siamo in ritardo soltanto di quindici o di

cher Zeitung, 27. Juli 1907, S. 1-3, hier S. 2.

venti. È un ottimo resultato e dobbiamo esserne riconos-

67 „Pisa u n d Venedig. Reiseeindrücke von Lovis Corinth",

66 S. ebd., S. 1.

centi a Venezia. Ma ormai la potenzialità acceleratrice è

in: Zeitschrift für bildende Kunst, N. F. XXII. Jg., Nr. 1, Ok-

giunta al suo massimo. C'è u n rallentamento cronico e

tober 1910, S. 19-24, hier S. 23.

86

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

I9O7-I9I4

ren."6" Bei seinem weiteren Weg durch die Giardini kritisierte er die versteckte Lage der ausländischen Pavillons und die kaum vorhandenen Besucher. Wenn ich nun auch im Zweifel war, denn ich glaubte, das Wort,bavarese'

auf

ein Bierbüffet mit Weißwurst oder ähnliches beziehen zu müssen, so stellte sich dieses Haus doch als die Ausstellung der Münchener Sezession dar.69 Abschließend urteilte er: So hinterließ diese moderne Ausstellung durch das Fehlen der Fremden in negativem Sinne in mir dieselbe Unbefriedigtheit, wie das übrige Venedig durch die zu große Anhäufung der Menschenmassen.70 In Frankreich war die Kritik, wenn sie überhaupt vorhanden war, durchaus positiv, da „ . . . man die schöne Bezeichnung als Portus artium gerechtfertigt findet, die Venedig heute nach wie vor verdient. "71 Wie schwierig es sein konnte, es allen recht zu machen, zeigen die Kommentare von Enid Layard, die meinte, dass die meisten Bilder „sehr schlecht & einer gräßlichen ImpressionistenManie huldigen, die jetzt aufkommt, die offensichtlicherweise mit der Notwendigkeit des korrekten Zeichnens aufhört. Die italienische Schule war etwas weniger schlecht — die Russische die aller schrecklichste! " 72 Sie konnte nicht begreifen, warum die ehemalige Königin Margherita bereits zum sechsten Mal die Giardini besucht hatte und „mit Enthusiasmus von den Bildern in der Ausstellung" sprach.73 Ich war mehr als je zuvor geschockt von der Häßlichkeit der Bilder und der Anstößigkeit der Themen & dem Willen zur Fantasie veranschaulicht in dieser Ausstellung. Dies hielt einen fast davon ab, die wenigen guten ausgestellten Dinge zu würdigen.7* Im November 1910 schlug Generalsekretär Fradeletto in einem Interview eine Neuorganisation der Kunstausstellung vor, durch die sie in eine private Gesellschaft umgewandelt werden sollte.75 Auch Bürgermeister Grimani war überrascht, denn das Interview war nicht mit ihm abgestimmt gewesen. In der Karikatur-Zeitschrift (Abb.32) fragte Grimani: „Aber 68 Ebd.

se

out in gondola having gone to the Exhibition of pictures

trouve justifiée cette belle appellation de Portus a r t i u m

69 Ebd., S.24.

70 Ebd., S.25.

for the 6th time [...] she spoke with enthusiasm of the

q u e Venise n'a pas cessé de mériter a u j o u r d ' h u i . " M.,

pictures in the Exhibition." Tagebuch Layard, 10. Juli 1907.

„L'Exposition Internationale de Venise", in: La

74 „I was m o r e t h a n ever horrified at the badness of

des Arts et de la curiosité, Supplement

71

chronique Beaux

the painting the indecency of the subjects & the w a n t of

72 „very b a d & a

imagination exemplified at this show. This quite prevented

terrible impressionist m a n i a n o w prevails wh apparently

o n e appreciating the few good things exhibited." Tagebuch

does away with the necessity for correct drawing. I t h o u g h t

Layard, 15. Juni 1909.

m o s t of the w o r k s . . . The Italian schools were less violent-

dell'Esposizione Internazionale di Venezia", in: Gazzetta di

ly bad — the Russian t h e m o s t startlingly horrible!"

Venezia, 8. November 1910.

Arts, Nr. 3 4 , 6 . November 1909, S. 273.

Tagebuch Layard, 26. uni 1907.

Gazette des

73 „The Queen was still

75 Vgl. „Di u n n u o v o carattere

DIE KUNSTAUSSTELLUNGEN IM SCHATTEN DES ERSTEN

WELTKRIEGES

87

warum, lieber Fradeletto, willst Du die Ausstellung von der Stadt lösen. Es ist die einzige städtische Unternehmung, die gut läuft?!"76 Um die Attraktivität der Internationalen Kunstausstellung zu steigern und die klassische Musik zu fördern, schlug Mario Pascolato vom Liceo Musicale Benedetto Marcello am 16. Dezember 1909 Fradeletto und Grimani vor, im Rahmen des Begleitprogramms eine Sezione Musicale aufzunehmen.77 Insgesamt schien Fradeletto seinen Job nicht zu lieben. Er beneidete seinen Freund Ugo Ojetti, der große kunsthistorische Ausstellungen organisierte: „Du machst schöne Ausstellungen mit den Toten; ich bin dazu verdammt, sie, schön oder schlecht, mit den Lebenden zu machen."7* Da er aber andere prestigeträchtige Angebote ausschlug, wie oben beschrieben, könnte hier mehr Koketterie als Ernst im Spiel gewesen sein. Oder betrachtete er es als seine Mission, die Ideale der alten Meister gegen alle Stürme der neuen Zeit in der venezianischen Ausstellung zu verteidigen?

DIE K U N S T A U S S T E L L U N G E N IM S C H A T T E N DES E R S T E N W E L T K R I E G E S

Bereits vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war Venedig von Kriegseuphorie geprägt und wollte an die glorreiche Vergangenheit anknüpfen. Seit dem Spätsommer 1911 befand sich Italien im Krieg mit dem Osmanischen Reich um Gebiete in Nordafrika. Die Jahre vor dem und während des Ersten Weltkrieges waren geprägt durch die extremen Kontraste in der Stadt. Die Euphorie in der Stadt im Jahr 1912 zeigte sich am deutlichsten während der Einweihung des unter dem Motto „Dov'era, com'era!" (Wo er war, wie er war!) wiederaufgebauten Campanile di San Marco, in dessen Schatten die lokalen und nationalen Politiker in ihren Reden die gloriose Vergangenheit der venezianischen Republik mit ihren kolonialen Besitzungen beschworen. Das Währzeichen der Stadt war zehn Jahre zuvor eingestürzt und konnte am 25. April, dem Tag des Heiligen Markus, vor über 150.000 Menschen eingeweiht werden. Während Italien tapfer an der Küste Afrikas für die Verteidigung und Würde des Mittelmeers kämpft, verfolgt es im Inneren ruhig die Werke der Kultur und des Friedens. Das furchtlose Heer seiner hohen politischen und militärischen Verpflichtungen, von seinen Aufgaben durch nichts abzubringen, arbeitet in perfekter Harmonie mit seiner zivilisatorischen Mission.79 76 „Ma parcossa, caro Fradeletto, voleu smunicipalizar

79 „Mentre l'Italia combatte gagliardamente sulle coste

l'Esposizion. Se la χ e L'unica impresa municipalizada che

africane per la difesa e dignità mediterranea, all' interno

vado ben?!" „El Novo Caratere de l'Esposizion", in: Sior

essa prosegue serenamente nelle opere di cultura e di pace.

Toniti Botiagrazia, 12. November 1910, S. 1.

77 S. AMV,

L'intrepido esercizio de' suoi alti doveri politici e militari,

1905-1909, VII.9.7. u. La sezione musicale, in: Adriatico,

da cui nulla varà a distoglierla, procede in perfetta armo-

18. Mai 1910.

nia con la sua missione civile." Eröffnungsrede von Filippo

78 „Tu fai le belle Esposizioni coi morti; io

sono condannato a farle, belle 0 brutte, coi vivi. " GNAM, FO, Cass. 32 (I), Fradeletto an Ojetti, 14. Oktober 1911.

Grimani, in: Gazzetta di Venezia, 24. Aprii 1912, S. 2.

88

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

I9O7-I9I4

Die Verbindung des aktuellen Krieges mit der Eröffnung der Kunstausstellung und der Einweihung des wiedererrichteten Glockenturms wurden als national bedeutsame Ereignisse gefeiert. In direkter Traditionslinie mit den großen Schlachten der venezianischen Republik fühlten sich die Verantwortlichen an ihre ruhmreiche Vergangenheit erinnert, deren Grundlage die Vorherrschaft über das östliche Mittelmeer gewesen war. Aus dem Reichtum entstanden in der Blütezeit der Republik Venedig die großen Kunstwerke der Vergangenheit, deren Nachfolge die Internationale Kunstausstellung mit ihren ausgestellten Werken antreten sollte. Erstmals in ihrer Geschichte wurde bei den Eröffnungsreden des Jahres 1912 die kulturelle und zivilisatorische Vorherrschaft Italiens proklamiert. Der Bildungsminister Credaro betonte über die Rolle als „internationaler

Tempel der Kunst" hinaus deren Bedeutung als

„ moralische Schule des Lebens. " 8 0 Für ihn war Venedig der Ort, an dem italienische Künstler von dem Kunstschaffen ganz Europas lernen konnten. Außerdem lobte er ausdrücklich die Aufnahme der angewandten Künste in das Ausstellungsprogramm. Passend dazu auch der Freskenzyklus Die Wiedergeburt Venedigs von Pieretto Bianco im Hauptsaal.81 In vier Bildfeldern waren die Themen Die modernen Gründer, Die Baumeister, Das Arsenale und Der Hafen zu sehen. Mit den Reden und Ereignissen des Jahres 1912 in Venedig wurde deutlich, mit welchem Selbstverständnis die venezianische Stadtfiihrung handelte. Ganz im Sinne der offiziellen Politik des italienischen Königreichs unterstützte man die Kriegshandlungen in Libyen. Noch kurz vor Ende der Ausstellung wurde am 18. Oktober 1912 ein Friedensvertrag zwischen Italien und dem Osmanischen Reich unterzeichnet, in dem das Osmanische Reich seine nordafrikanischen Besitzungen an den Kriegsgegner abtrat. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die schon früher angedeutete Rolle als See- und Kolonialmacht wieder voll präsent. Die Dominanz der italienischen Kunst hatte einen politischen Hintergrund. Kunst und Nation wurden nunmehr in einem Atemzug genannt und auch im römischen Parlament wurde die nationale Bedeutung der venezianischen Kunstausstellungen unterstrichen. So ist das gefeierte Kunstereignis von Venedig, indem es eine nationale Feierlichkeit wurde, über die Grenzen der Interessen einer Region hinaus ein neues Element der Kultur und des Reichtums, in dem Italien eine Funktion sieht, die das soziale Leben adelt und man bewundert mit patriotischer Freude die wachsenden Erfolge, in dem unendlichen Wunsch einer neuen Perfektion, so dass die Tradition des Genius unseres Volkes unendlich und unsterblich fortgeführt wird.*2 80 „tempio

della

nazionale, nuovo elemento di coltura e di ricchezza, nel

vita" Eröffnungsrede von Minister Credaro, in: Gazzetta di

quale l'Italia vede una funzione che nobilita la vita sociale,

Venezia, 24. Aprii 1912, S. 2.

81 Vgl. „II Risveglio di Ve-

e ne ammira con gioia patriottica i successi crescenti, nel

nezia", in: „X. Esposizione Internazionale d'Arte della Città

desiderio senza fine di perfezione nuova, sì che la tradi-

di Venezia", Ausstellungskatalog, Venedig 1912, S. 22-25.

zione del genio di nostra gente continui infinita ed immor-

82 „Così il celebrato avvenimento artistico di Venezia uscì

tale." Da Como (MPI), Atti Parlamentari, Camera dei

dai confini degli interessi d'una regione per farsi solennità

Deputati, Sitzung 20. Dezember 1913.

internazionale

d'arte" u. „scuola morale

DIE KUNSTAUSSTELLUNGEN IM SCHATTEN DES ERSTEN WELTKRIEGES

89

Gestört wurde diese nationale Begeisterung durch die zunehmenden innenpolitischen Spannungen in Italien. Zunächst begann die XI. Internationale Kunstausstellung von 1914 wie ihre Vorgänger mit den üblichen Feierlichkeiten. Eine erste Gefährdung ergab sich durch die sich zu blutigen Kämpfen zwischen Antimilitaristen und Polizei ausweitende Streik- und Protestbewegung Settimana Rossa in Mittel- und Oberitalien zwischen dem 7. und 13. Juni 1914. Die sozialistische Arbeiterbewegung rief den Generalstreik aus und proklamierte in mehreren Städten die Republik. Das Militär schlug die Aufstandsbewegung brutal nieder. Die Kriegshandlungen des Ersten Weltkriegs hatten am 2. August 1914 ohne offizielle Kriegserklärung mit der Besetzung Luxemburgs durch deutsche Truppen begonnen. Hatten sich die europäischen Nationen in den Jahren vorher trotz aller Differenzen immer wieder in den Giardini zusammengefunden, so waren es nun die Schlachtfelder Europas, wo sie aufeinandertrafen. Der Kriegsbeginn hatte unmittelbare Folgen für Venedig und die Internationale Kunstausstellung, denn es begann eine panische Abreiseaktivität.83 An einem Tag verließen mehr als 1.200 Menschen die Stadt, so dass es in Hotels, bei Speditionen und am Bahnhof zu chaotischen Zuständen kam. Es verlangte ein ungeheures diplomatisches Geschick des Sekretariats, zu verhindern, dass die Künstler mit ihren Bildern nicht innerhalb von Tagen aus der Stadt aufbrachen. Das Schicksal der Venezianischen Internationalen Kunstausstellung war nach den Kriegserklärungen besiegelt. Sie Schloß am 8. November mit einem beträchtlichen Defizit ab, hätte aber ein besseres Los verdient. Der Verkaufserlös blieb natürlich, so wie die Besucherzahl, weit hinter dem der vorigen Ausstellung zurück. Die Verkaufssumme betrug nur 300.000 Lire. Die gedrückte Stimmung in allen Kreisen ließ die Ausstellung vergessen,84 Mit dem Ausbruch des Krieges wurde die Abhängigkeit der venezianischen Wirtschaft vom Tourismus überdeutlich. Die im Jahr 1910 von den Futuristen kritisierte Anbiederung an und Konzentration auf die Fremdenindustrie der Stadt sollte für die nächsten Jahre zu einer äußerst angespannten sozialen Situation führen, denn die in den Jahren zuvor geschaffenen Industriearbeitsplätze konnten den Verlust nicht kompensieren. Die durch den Krieg und das Ausbleiben der Touristen entstandenen wirtschaftlichen Probleme wurden im Wahlkampf 1914 thematisiert, in dem intensiv über die Zukunft Venedigs diskutiert wurde. Bürgermeister Grimani schrieb im November 1914 in einem Bericht an die Regierung über die aktuelle Situation Venedigs, dass die wirtschaftlichen Hauptaktivitäten wie die Fremdenindustrie und die kunsthandwerkliche Produktion schon wenige Wochen nach Beginn des Krieges fast komplett zum Erliegen gekommen waren.85 Der Schiffsverkehr in der Adria war fast vollständig unterbrochen, die Stadt isoliert.

83 Vgl. Raffaele Barbiero, „Venezia in tempo di guerra",

27. November 1914, S. 128.

in: Illustrazione Italiana, Nr. 33,16. Oktober 1914, S. 169-

„Venezia nella Grande guerra", in: Storia di Venezia.

171.

L'Ottocento e il Novecento, Rom 2002, S. 349-416.

84 „Venedig", in: Kunstchronik, NF. XXVI. Jg., Nr. 9,

85 Vgl. Bruna Bianchi,

90

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

I907-I914

Während die Stadtregierung weiterhin ihr Modell des Neoinsularismus verteidigte, forderte der sozialistische Politiker Elia Musatti eine stärkere Anbindung an das Festland. Er beklagte ... die speziellen Bedingungen der städtischen Wirtschaft mit der vorherrschenden Stellung der Fremdenindustrie. Die Fremdenindustrie, wenn auch nicht allein, ist die Haupteinnahmequelle der Stadt und absorbiert die besten Kräfte der Bürgerschaft mit einer Pseudoindustrie, die die Unmoral in der ganzen Stadt verbreitet Hier war man sich ausnahmsweise mit den Nationalisten einig, die schon seit längerem ein Grande Venezia als Beherrscherin der Adria forderten. Der Nationalist Piero Foscari unterstrich die Forderungen von Musatti: Wir wollen weniger Kellner und mehr Arbeiter; weniger Hotels und mehr Fabriken; weniger Schaumschläger und mehr Seeleute; weniger Luna Park und mehr Sonne auf dem Antlitz von Venedig zwischen Erde und Meer."7 Es ist erstaunlich, wie sehr sich diese Forderungen mit denen decken, die in den Pamphleten der Futuristen formuliert und kurz zuvor als vollkommen realitätsfern empfunden worden waren. Die Differenzen zwischen den politischen Lagern zeigten sich jedoch explizit in dem Streit um die Teilnahme Italiens am Ersten Weltkrieg. Auf der einen Seite standen die Neutralisten um Ministerpräsident Giovanni Giolitti, auf der anderen Seite die Interventionisten und immer radikaler werdenden Nationalisten um den Schriftsteller Gabriele D'Annunzio und den aufstrebenden Benito Mussolini. Auch in Venedig kam es zu zahlreichen Demonstrationen, bei denen Einrichtungen deutscher Firmen wie des Norddeutschen Lloyd zerstört wurden. Am 5. Mai 1915 forderte Gabriele D'Annunzio — wie er es seit 1895 immer wieder formuliert hatte —, Italien solle in den Krieg eintreten, um einen Platz an der Sonne zu bekommen. Schon seit Oktober 1912 gab es in Venedig einen Stützpunkt der königlichen Marine für Wasserflugzeuge. Ab dem Kriegseintritt stand Venedig unter der Kontrolle der königlichen Marine und wurde für dreieinhalb Jahre de facto von einer Militärdiktatur regiert. Nur drei Tage, nachdem Italien am 23. Mai 1915 Österreich den Krieg erklärt hatte, begannen Luftangriffe auf Venedig. Bereits 1849 hatte die österreichische Armee den ersten Luftangriff der Geschichte durchgeführt, indem sie aus Heißluftballons Brandbomben auf die Freiheitskämpfer der unabhängigen Repubblica di San Marco abgeworfen hatte. Erstes Ziel 1915 waren die Werften im Arsenale und Industrie-Areale im Norden der Stadt, wo sich 86 „L'industria del forestiero, se n o n esclusiva, è la princi-

manovali; m e n o alberghi e più cantieri; m e n o battitori e

pale fonte di guadagno della città, assorbendo le migliori

più marinai; m e n o Luna Park e più sole, su la faccia di

energie della cittadinanza con una pseudo industria, da cui

Venezia tra terra e mare." Zit. n. Luciano Pomoni, Il

dilaga l'immoralità per tutta la città." AMV, AdCC, 14. De-

Dovere Nazionale. I nazionalisti veneziani alla conquista

zember 1914, S. 501.

della piazza (1908-1915), Padua 1998, S. 289.

87 „Vogliamo m e n o camerieri e più

DIE KUNSTAUSSTELLUNGEN IM SCHATTEN DES ERSTEN WELTKRIEGES

91

in den letzten Jahren auch Rüstungsbetriebe angesiedelt hatten. Außerdem war seit 1873 im ehemaligen Kloster Celestia die Regia Scuola Meccanici untergebracht, in der die Maschinisten für die Marine ausgebildet wurden. Den Schutz der Denkmäler Venedigs übernahm Ugo Ojetti, die Luftverteidigung Piero Foscari. Zu diesem Zeitpunkt hatte die königliche Marine bereits einige Ausstellungssäle in den Giardini in Beschlag genommen. Das Kommando der Sezione Aeronautica della Marina wurde im holländischen Pavillon untergebracht, der Ausstellungspalast und das Caffè-Ristorante dienten als Lager und Schlafräume. Zunächst wurden von Generalsekretär Fradeletto noch alle Vorbereitungen für die Internationale Kunstausstellung von 1916 weitergeführt. Erst Ende November 1915 wandte er sich an den Stadtvorstand, um zu erfahren, ob im folgenden Jahr eine Ausstellung, möglicherweise nur in reduziertem Umfang, stattfinden würde.88 Der Stadtvorstand entschied wie folgt: Nicht nur, dass wir gravierenden praktischen Problemen gegenüberstehen. Es genügt, sich die Behinderungen und Beschränkungen des Personen- und Güterverkehrs anzuschauen; das gleiche gilt für die gefällten Beschlüsse zur Nutzung des Ausstellungspalastes und einiger Pavillons für andere Zwecke. Die Stadtregierung hat deshalb [...] beschlossen, die Eröffnung der Ausstellung im nächsten Jahr abzusagen.89 Im italienischen Senat wurde Mitte Dezember 1915 über die Auswirkungen des Krieges auf Venedig diskutiert. In der Diskussion lobte Pompeo Molmenti die Verteidigungsbereitschaft der Venezianer und berief sich dabei auf die 1848/49 gemachten Erfahrungen, als schon einmal Österreich der Gegner gewesen war.90 Dafür erhielt er auch Lob von seinem Mitabgeordneten Fradeletto, denn Rom müsse anerkennen „dass Venedig die am schlimmsten betroffene Stadt" in Italien ist.91 Nachdem Italien auch dem Deutschen Reich den Krieg erklärt hatte, spitzte sich die Situation weiter zu. Im Laufe des Jahres wurden die Luftangriffe der österreichischen Luftwaffe fortgesetzt und allein zwischen dem 9. und 16. August fielen mehr als 200 Bomben auf die Stadt. Auf dem Dach des Ausstellungspalastes war nun eine Flugabwehrstellung untergebracht. Nach dem Zusammenbruch der Ostfront in der Schlacht von Caporetto im Oktober 1917 schrieb Fradeletto an Grimani, dass er „Rom als virtuellen Sitz des Ausstellungssekretariats im Falle einer fremden militärischen Besatzung unserer Stadt Venedig" gewählt habe.92 Als Ersatz für die venezianischen Kunstausstellungen fand in Mailand eine 88 S. AMV, 1915-1919, VII.9.1, Brief Fradeletto an Giunta

nella seduta 30 novembre 1915 relativa alla proroga della

Municipale, 25. November 1915.

89 „Basti accennare agli

XII Esposizione internazionale d'arte della città di Venezia.

ostacoli e alle limitazioni odierne nei servizi di trasporti di

90 „La discussione al Senato sulla guerra. Alti consensi e

persone e cose; nochè all'avvenuta destinazione ad altri usi

critiche isolate. Molmenti e la difesa di Venezia", in: Corri-

del Palazzo dell'Esposizione e di alcuni Padiglioni. La

ere della Sera, 17. Dezember 1915.

Giunta pertanto [...] ha ritenuto di rinunciare pel prossi-

zia è la città più duramente colpita" BMC, EPM, 266, Brief

m o anno all'apertura della Mostra." AMV, AdCC, 22. De-

Fradeletto an Molmenti, 18. Dezember 1915.

zember 1915, S. 632, 6b-Communicazione e ratifica della

1915-1919, VII.9.15, Brief Fradeletto an Grimani, 20. No-

deliberazione presa d'urgenza dalla Giunta comunale, a

vember 1917.

termini dell' art. 140 della legge comunale e provinciale,

91 „riconosce che Vene92 AMV,

92

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

19O7-I914

Mostra delle Tre Venezie statt, bei der sich die Künstler der umkämpften Gebiete präsentieren konnten.'3 Wegen der Arbeitslosigkeit, den mangelhaften hygienischen Bedingungen und den Einschränkungen durch die Militärregierung wurden die Lebensbedingungen in Venedig immer schlechter und ein Großteil der Venezianer flüchtete aufs Festland. Venedig war zu einer Geisterstadt mit weitgehend geschlossenen Geschäften, Büros, Restaurants und Hotels geworden. Ende April 1917 lebte weniger als ein Drittel der Bevölkerung von 1911 in einer Stadt, in der fast das komplette zivile Leben zum Erliegen gekommen war.94 Die Forderung nach der Industrialisierung Venedigs wurde vor dem Hintergrund dieser Erfahrung von vielen Seiten unterstützt. Sowohl die Sozialisten um ihren Führer Musatti als auch die Vertreter der Industrie sahen keine andere Lösung für die Zukunft der Stadt. Venedig, die italienische Stadt, die am meisten betroffen ist und ein wahres Brandopfer für das Vaterland gegeben hat, muss in der Zukunft einen gerechten Ausgleich für seine immensen Opfer erhalten, muss seine alte Stärke wiedererlangen. [...] Der Krieg hat den unschätzbaren Vorteil, uns mit der Realität zu konfrontieren und verpflichtet uns alle, unseren Weg zu wählen: die Entwicklung der Großindustrie.95 Diese Situation wurde von einigen venezianischen Unternehmern unter der Führung von Giuseppe Volpi genutzt, um den Bau eines neuen Industrie- und Handelshafens voranzutreiben. Zunächst ging die Entwicklung sehr langsam voran, denn mit der drohenden Besatzung durch österreichisches Militär kam es zum absoluten Tiefpunkt in der venezianischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, aus dem Italien als Sieger hervorging, wurden die Ausstellungsaktivitäten in den Giardini sehr schnell wieder aufgenommen. Allerdings gab es diesmal keine Kunstwerke, sondern Waffen zu bestaunen, die von Österreich in den siegreichen Schlachten erbeutet worden waren (Abb. 33). Diese Trophäenschau wurde von der italienischen Kriegsmarine am 15. Juli 1918 eröffnet und ausschließlich von den noch in Venedig lebenden Einwohnern besucht. Die ersten Etappen der Entwicklung der Internationalen Kunstausstellung von Venedig haben all jene Problemfelder aufgezeigt, die auch die zukünftige Geschichte dieser Ausstellung prägen sollten. Trotz der stetigen Kritik an der konservativen Ausstellungspolitik der Verantwortlichen um den Generalsekretär Antonio Fradeletto waren die ersten elf Inter93 Vgl. Carlo Bozzi, „L'esposizione della tre Venezie", in:

riassurgere alla sua antica potenza [...]. La guerra ha avuto

Emporium, Nr. 45, 1917, S. 420-426.

94 Vgl. Giovanni

il beneficio inapprezzabile di metterci di fronte alla realtà

Scarabello, Il martirio di Venezia d u r a n t e la Grande

e di obbligarci tutti a scegliere la nostra via: lo sviluppo

Guerra e l'opera di difesa della Marina Italiana, Venedig

della grande industria." „Per la soluzione dei problemi cit-

1933.

tadini del dopoguerra", in: Gazzetta di Venezia, 2. Februar

95 „Venezia, la città d'Italia che più è stata colpita

e si è data in vero olocausto alla patria, deve nell'avvenire trovare giustocompenso ai suoi immensi sacrifìci, deve

1917.

D I E K U N S T A U S S T E L L U N G E N I M S C H A T T E N DES E R S T E N W E L T K R I E G E S

93

nationalen Kunstausstellungen ein großer Erfolg. Es war trotz widriger Ausgangsbedingungen gelungen, eine international anerkannte Ausstellungsreihe zu schaffen, die vor allem einem Zweck diente, nämlich in Venedig einen Kunstmarkt zu etablieren, der sich mit den großen internationalen Ausstellungen in Paris oder München messen konnte. Um möglichst viele Kunden für die ausgestellten Werke zu finden, traf die Ausstellungsleitung die Entscheidung, den eher traditionellen Geschmack des bis 1914 reisenden Großbürgertums und des Adels zu berücksichtigen. In den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg profitierte die Internationale Kunstausstellung vor allem von der großen Zahl nach Venedig reisender Besucher aus der ganzen Welt. Die Stadt hatte sich durch den Ausbau des Lido zu einem immer populärer werdenden Ziel der Vertreter des europäischen Hochadels, Geldadels, aber auch bürgerlicher Reisender entwickelt. Für diese Klientel war der Besuch der Giardini ein Teil ihres Besuchsprogrammes, auch wenn es den meisten wohl mehr um die gesellschaftliche Bedeutung als die ausgestellte Kunst ging. Der Standort in den Giardini war perfekt gewählt, da er auf halbem Weg zwischen historischem Zentrum und dem Lido lag. Die „Kehrseite" dieser Entwicklung war, dass die internationale Kunstkritik die venezianischen Ausstellungen zum Teil als zu konservativ kritisierte. Doch gerade der Aufbau einer auf rückwärtsgewandte Romantik gründenden Tourismusindustrie und einer auf diese Klientel abgestimmte Ausstellung schuf eine sich wechselseitig verstärkende Anziehung auf die wichtige Einkommensquelle: den internationalen Tourismus. Aus der Sicht der veranstaltenden Stadt war die Internationale Kunstausstellung ein überaus bedeutendes Ereignis: Venedig hatte die Möglichkeit, sich auch als Zentrum der zeitgenössischen und nicht nur der alten Kunst zu präsentieren. In keiner anderen italienischen Stadt gelang es, eine permanente internationale Ausstellung zu etablieren, obwohl es dazu zahlreiche Initiativen gab. Wahrscheinlich gerade wegen der eher geringen Bedeutung Venedigs im Kreise der großen, konkurrierenden, italienischen Städte konnte sich dieser .neutrale' Standort durchsetzen. Die Gründe hierfür sind vor allem in der uneingeschränkten Unterstützung von Seiten der Stadt, in den unermüdlichen Aktivitäten von Antonio Fradeletto und in der sehr guten Organisation zu suchen. Fradeletto gelang es gemeinsam mit Bürgermeister Grimani, staatliche Unterstützung für Venedig zu erhalten, die den Ausbau der Infrastruktur in den Giardini ermöglichte. Genauso war es sein Verdienst, unterschiedliche Interessenten für sein Länder-Pavillon-Konzept zu gewinnen. Geschickt schuf er eine zum Teil auf Partnerschaft, zum Teil auf Konkurrenz gründende Beziehung zwischen Stadt, römischer Zentralregierung und ausländischen Regierungen, die das Budget vergrößerte. Für die ausstellenden Länder schien Venedig auch ein sehr guter Standort zu sein; anders sind die zahlreichen Pavillons der Nationen nicht zu erklären. Doch nicht alles, was als nationaler Beitrag firmierte, war auch tatsächlich einer. Die Beispiele Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben das deutlich gezeigt. Eine der Stärken der Ausstellungsorganisation war von Beginn an die professionelle Pressearbeit, durch die es vorzüglich gelang, die Erfolge und die Bedeutung der internationalen Kunstausstellung zu transportieren. Interessant ist dabei, wie unterschiedlich die Ausstellungsreihe im Ausland wahrgenommen und beurteilt wurde.

94

DIE WELTAUSSTELLUNG DER KUNST

1907-1914

Bis 1914 hatte sich die einst bescheiden gestartete Ausstellung in der internationalen Kunstwelt etabliert. Die stetige Weiterentwicklung der Ausstellung stieß erst in den 1910er Jahren an ihre Grenzen, als sich keine Betreiber für die von der Kommune errichteten Pavillons finden ließen. Umgekehrt war gerade dies die Zeit eines künstlerischen Aufbruchs: ab 1910 wurden auch aktuelle Kunstströmungen gezeigt, wenn auch weiterhin mit Verspätung. Die Ausstellung war verknüpft mit der nationalen Politik — personell und in Kriegszeiten auch inhaltlich: Es hatte im Laufe der ersten neunzehn Jahre immer wieder Verbindungen zu den politischen Anstrengungen Italiens gegeben, die Flotte aufzurüsten und die Kolonialpolitik auszubauen. Die Verantwortlichen Fradeletto und Grimani, aber auch frühere Exponenten wie Molmenti oder der in Venedig lebende D'Annunzio unterstützten den Kriegskurs der Regierung. Durch die enge Verbindung der Ausstellung zum italienischen Königshaus war sie immer wieder Schauplatz für nationale Machtspiele. Es wurden einige Entwicklungen angedeutet, die im Laufe der folgenden Jahrzehnte das Weiterbestehen der Internationalen Ausstellung bestimmen sollten. Zum einen war die auf die ausgestellte Kunst bezogene Provokation der Futuristen nur eine radikale Werbekampagne für die Ausstellung einiger Werke von Umberto Boccioni im Ca' Pesaro. Andererseits beinhalteten die Forderungen ihres Manifests konkrete, auch von anderer Seite kritisierte Missstände in der Lagunenstadt. Dies waren vor allem die allgemeine Rückständigkeit der Stadt im Vergleich zu anderen Großstädten Italiens, die kaum vorhandene Industrialisierung und die nach wie vor zu großen Teilen katastrophalen hygienischen Bedingungen des vorhandenen Wohnraums. Die sozialen Unruhen in der Gesellschaft, die beim Mord an dem bedeutendsten Unternehmer der Stadt, Giovanni Stucky, ihren spektakulären Ausdruck fanden, waren nicht zu unterschätzen. Immer wieder sehr kritisch, vor allem von sozialistischer Seite, wurde die fast vollständige Abhängigkeit der Stadt vom Fremdenverkehr gesehen. Die Anfälligkeit dieses Wirtschaftszweigs bei Cholera-Epidemien, Generalstreiks und, wie später zu sehen sein wird, unter Kriegseinwirkungen war evident. Darüber hinaus deutete sich bereits Ende des Jahres 1910 mit den Forderungen Fradelettos nach einer kompletten Neuorganisation die zukünftige Ablösung der Ausstellung von der Kommune an.

KAPITEL 4

A V A N T G A R D E UND T R A D I T I O N — DIE U N R U H I G E N I 9 2 O E R J A H R E

Jedenfalls soll der Lagunenstadt Dank gezollt werden, die erste internationale Kunstschau ins Leben gerufen zu haben, die die Völker, wenn auch nur in künstlerischem Sinne, um einen kleinen Schritt wieder näher bringen dürfte.1 Der Cicerone, 1920 ie Folgen des Krieges und des Vertrages von Versailles bedeuteten eine Radikalisierung

D

der italienischen Innenpolitik. Man war zwar als Sieger aus dem Krieg hervorgegangen,

fühlte sich jedoch ungerecht behandelt. Gerade die Adria war einer der wichtigsten Orte dieses Revisionismus. In den ersten Nachkriegsjahren war es vor allem der Schriftsteller Gabriele D'Annunzio, der die Aufmerksamkeit auf sich zog, da er mit nur wenigen Mitstreitern von Venedig aus die Besetzung von Fiume (Rijeka) vollbracht hatte. Damit wollte er auf den Vertrag von Versailles reagieren, nach dem in Italien das Wort vom „Verstümmelten Sieg" die Runde machte. Die anarchische Herrschaft in Fiume nahm Elemente des Faschismus vorweg. Durch Intervention der italienischen Regierung wurde er im November 1920 gezwungen, Fiume zu verlassen. Zu dieser Zeit war Mussolini noch nicht uneingeschränkte Führungsperson der neu gegründeten faschistischen Partei.2 Es waren mehrere glückliche Umstände, die zu einer recht schnellen Wiederaufnahme der Ausstellungsaktivitäten führten. Die politische Entwicklung in Italien sicherte Venedig steigenden Einfluss in Rom. Nicht allein, dass venezianische Politiker unmittelbar nach Kriegsende in die Regierung aufgenommen wurden, Venedig wurde auch ein frühes Zentrum der faschistischen Bewegung, welche die italienische Politik beherrschen sollte. In dieser Phase des Übergangs fand 1920 die erste Internationale Kunstausstellung nach dem Ersten Weltkrieg statt, die noch weitgehend unabhängig von politischem Einfluss organisiert werden konnte. Im folgenden werden Kunstausstellungen in Italien und Europa beschrieben, die alle ein ähnliches Konzept wie Venedig hatten. Im nächsten Kapitel wird die Strategie des Generalsekretärs Vittorio Pica beschrieben, den Spagat zwischen internationaler Modernität, dem Antimodernismus und dem Regionalismus der neuen Machthaber Venedigs zu bewältigen. Es folgt die detaillierte Darstellung der Überlebensstrategie in einem von dem Konkurrenzkampf verschiedener Künstlergruppen dominierten Italien der 1920er Jahre, die in die Über-

1 Ludwig Brosch, „Die Internationale in Venedig", in: Der

Albanese, Alle origini del Fascismo. La violenza politica a

Cicerone, XII. Jg., Nr. 17, 1920, S. 656.

Venezia 1919-1922, Padua 2001.

2 Vgl. Giulia

96

AVANTGARDE UND TRADITION -

DIE U N R U H I G E N I 9 2 O E R JAHRE

nähme der Ausstellungsleitung durch den Bildhauer Antonio Maraini mündet. Am Ende des Kapitels folgt die Darstellung der Internationalen Kunstausstellung von 1928 und der Settecento-Ausstellung, die 1929 die städtischen Aktivitäten auf kunsthistorische Ausstellungsprojekte ausweitete.

DIE XII. I N T E R N A T I O N A L E

KUNSTAUSSTELLUNG

I92O

Bereits am 27. März 1919 hatte man in Venedig den lokalen Fascio di Combattimento gegründet, womit man sich unter den ersten Städten Italiens befand, die dem von Benito Mussolini publizierten Aufruf in seiner Zeitung Popolo d'Italia gefolgt waren. Im venezianischen Faschismus verbanden sich die Sorgen der verarmten Festlandbewohner mit den Interessen der in Venedig etablierten Industriellen, die zu wichtigen Förderern des Faschismus wurden. Eine bedeutende Rolle spielten Personen wie Piero Foscari, Giovanni Giuriati und Pietro Marsich und einige einflussreiche Unternehmer wie Giuseppe Volpi und Vittorio Cini.3 Zunächst waren noch die alten Honoratioren in Amt und Würden, aber sehr schnell sollte sich zeigen, dass deren Zeit abgelaufen war und eine neue Generation die Macht in Venedig übernahm. Der seit 1919 regierende Ministerpräsident Francesco Saverio Nitti nahm in sein Kabinett zwei venezianische Politiker auf, die sich während des Krieges im Parlament u m das Schicksal ihrer Heimatstadt verdient gemacht hatten. Antonio Fradeletto wurde zum Minister für den Wiederaufbau der vom Feind befreiten Gebiete (Ministro per la ricostruzione delle terre liberate dal nemico) und Pompeo Molmenti wurde Unterstaatssekretär bei der Generaldirektion der Altertümer und der Schönen Künste. Diese politische Durchschlagskraft in Rom, die für die Fortsetzung der Ausstellungsreihe unerlässlich war, wurde durch den wirtschaftlichen Aufschwung gestützt. Mit der Etablierung des neuen Hafens Porto Marghera auf dem Festland hatte 1917 eine industrielle Entwicklung nicht bekannten Ausmaßes für die Stadt Venedig begonnen. Der neue Industriestandort war von verschiedenen Industriellen und Politikern unter der Leitung von Giuseppe Volpi ins Leben gerufen worden. 4 Das erklärte Ziel dieser Gruppe war es, Venedigs Wirtschaft von der totalen Abhängigkeit vom Tourismus zu befreien und die bisherigen industriellen Unternehmungen um Neuansiedlungen der chemischen und metallurgischen Industrie in Porto Marghera zu ergänzen. Bei dieser Politik stand die Kultur zunächst nicht im Interesse der Mächtigen; letztendlich profitierte die ganze Stadt von dem wirtschaftlichen Aufstieg Venedigs. In diesem durch eine erst allmählich sich entspannende Wirtschaftslage, den Aufstieg des Faschismus und den wachsenden Konkurrenzdruck auf dem Kunstmarkt geprägten Klima wurde die Internationale Kunstausstellung von Venedig unverändert fortgesetzt. Neben den

3 D e r Venezianer G i o v a n n i G i u r i a t i (1876-1970) w a r

w o r t h , „Venice between Fascism a n d i n t e r n a t i o n a l t o u r i s m

einer der wichtigste F u n k t i o n ä r e der Partito Nazionale

1911-45", in: Modern

Fascista ( P N F ) in Venedig.

4 Vgl. Richard J.B. Bos-

Italy, 4, Η . 1,1999, S. 5-23.

DIE XII. INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG

I92O

97

finanziellen Problemen, die durch den Krieg entstanden waren, fehlten der Ausstellung klare Organisationsstrukturen. Zudem musste dem Vorwurf mangelnder Modernität ebenso begegnet werden wie dem immer lauter werdenden Ruf der Konservativen, moderne und internationale Aspekte zu verhindern. Bisher waren die Kunstausstellungen durch Antonio Fradeletto geleitet und geprägt worden, der in den über 25 Jahren seiner Leitung umfassende Erfahrungen sammeln und auf die uneingeschränkte Unterstützung durch Präsident Grimani setzen konnte. Im Stadtrat forderte Grimani: Denn wir wollen, dass von Venedig das Licht der Kunst und die Tugend der Arbeit ausstrahlt. Wir denken, dass es richtig ist, eine höhere Unterstützung des Staates für unsere Internationale Ausstellung als feierlichen Beweis ihrer nationalen Bedeutung zu fordern.5 In Artikel 16 der Forderungen, die man an den Staat stellte, um Venedig nach dem Ersten Weltkrieg wiederzubeleben, werden diese Ziele konkret formuliert: Die Internationale Kunstausstellung der Stadt Venedig, organisiert und verwaltet von der Kommune, wird zu einer Institution von nationalem Interesse erklärt. Alle zwei Jahre unterstützt die Regierung mit 200.000 Lire die anfallenden Kosten.6 Dies waren die letzten Forderungen Grimanis für die Internationale Kunstausstellung, denn wegen der desaströsen Finanzsituation wurde Venedig ab Dezember 1919 unter die Verwaltung des königlichen Sonderkommissars Nunzio Vitelli gestellt, der den Haushalt sanieren sollte. Auch Vitelli war von der Zukunftstauglichkeit der Ausstellungsreihe überzeugt, weshalb deren Fortsetzung beschlossen wurde. Im März 1920 wurde der Präsident der venezianischen Kunstakademie, Giovanni Bordiga (1854—1933), zum neuen Präsidenten der Internationalen Kunstausstellung bestimmt (Abb. 40). Damit waren diese beiden Institutionen erstmals eng miteinander verbunden. Auch andere der alten politischen Mitstreiter aus den 1890er Jahren zeigten sich begeistert über die Wahl von Bordiga. Molmenti schrieb an Bordiga: Ich glaube, daß Sie mit aufgeklärter Energie und mit leidenschaftlichster Hingabe an eine der genialsten Initiativen von Riccardo Selvatico es verstehen werden, über alle Schwierigkeiten zu siegen und der nächsten Ausstellung ihr Glück zu sichern, von der die Stadt richtigerweise die Weihe ihrer Hoffnungen auf eine

5 „Poiché vogliamo che da Venezia si irradi luce d'arte e

zione internazionale biennale d'arte della Città di Venezia,

virtù di lavoro crediamo giusto ottenere per la nostra

organizzata ed amministrata dal Comune, è dichiarata isti-

Esposizione Internazionale maggiori contributi dallo Stato

tuzione di interesse nazionale. Ad ogni biennio il Governo

e una solenne testimonianzia del suo valore nazionale."

contribuirà con lire 200,000 alle spese occorrenti." Ebd.,

AMV, AdCC, 7. Februar 1919, S. 47, Filippo Grimani, I -

S. 53-

Proposta di provvedimenti per Venezia.

6 „L'Esposi-

98

AVANTGARDE UND T R A D I T I O N -

DIE U N R U H I G E N 1Ç20ER JAHRE

edle Wiederaufnahme der Tradition des gastfreundlichen Treffens aller würdigen Kräfte gegenüber dem Ideal der Schönheit erwartet, die jedes zivilisierte Volk stärkt und erhöht.7 Zum Generalsekretär wurde der schon von Fradeletto als Nachfolger bestimmte Vittorio Pica ernannt (Abb. 34).8 Dieser konnte jetzt seine Kunstansichten ohne die Einschränkungen durch Fradeletto durchsetzen, obwohl er auf viele Interessen in Venedig Rücksicht nehmen musste. Die Bestätigung des technischen Direktors Romolo Bazzoni, der seit 1895 an der Organisation beteiligt war, unterstreicht die personelle Kontinuität und dessen hohen Stellenwert, der auch durch die gleiche Höhe seines Jahresgehalts bestätigt wurde.9 Die Rolle des Staates beschränkte sich wie vor dem Krieg auf die Teilnahme eines Mitgliedes des Hauses Savoyen und des Bildungsministers bei der Eröffnungszeremonie. Pompeo Molmenti arbeitete in seiner neuen Funktion als Unterstaatssekretär für die Altertümer und Schönen Künste für die staatliche Unterstützung des wichtigsten Kulturereignisses seiner Heimatstadt. Er schrieb Anfang 1920 an Ministerpräsident Nitti einen Brief, in dem er zunächst die Bedeutung der Internationalen Kunstausstellung hervorhob und auf die beträchtlichen ökonomischen Vorteile für die Stadt verwies.10 Mit dem Hinweis auf die besonderen Probleme, die Venedig während des Ersten Weltkriegs hatte, bat er um eine besonders großzügige Unterstützung des Staates. Die Ausstellung sei ein Symbol des Sieges über den Feind, der Venedig angegriffen hatte. „Es ist die Rückkehr des Juwels Italiens in das Licht des Sieges, und es ist die Rückkehr der erhofften Brüderlichkeit der Völker im Namen der SchönheitNitti

reagierte mit Verständnis, verwies aber zugleich auf die angespannte Finanzlage

und vertröstete Molmenti zunächst. Nach einer weiteren Verzögerung entschied der Minister für Finanzen, dass 200.000 Lire nicht gezahlt werden könnten, aber nach weiteren Bitten Molmentis wurden schließlich Ende Mai 100.000 Lire zugesagt.12 Hinzu kamen weitere

7 „Ho fiducia che Ella, con illuminata energia e con

Direktor blieb zwar stets im Hintergrund, aber seine wich-

amorosissima devozione ad una delle più geniali iniziative

tige Stellung wurde durch die gleiche Höhe der Bezahlung,

di Riccardo Selvatico, saprà vincere difficoltà e assicurare

wie die des Generalsekretärs honoriert. In ihm personi-

fortuna alla prossima mostra veneziana, nella quale la

fizierte sich die institutionelle Kontinuität der Biennale,

Città giustamente attende la consacrazione delle sue spe-

für die er bis in das Kriegsjahr 1945 und darüber hinaus

ranze in una nobile ripresa della tradizione di ospitale con-

verantwortlich war. Er blieb auch nach dem Zweiten

vegno di ogni degno sforzo verso l'ideale di bellezza che

Weltkrieg Berater der Organisatoren der Biennale. 1961

ritempra ed esalta ogni popolo civile." BMC, APS, Carte

wurden

Bordiga, Curriculum professionale di Giovanni Bordiga,

Literatur: Rodolfo Pallucchini, „Prefazione", in: Romolo

3 Nomine varie: Brief Molmenti an Bordiga, 15. März 1920.

Bazzoni, 60 Anni della Biennale, Venedig 1962, S. 7-10.

postum

seine

Erinnerungen

veröffentlicht.

8 Vgl. Giuliana Donzello, Arte e collezionismo: Fradeletto

10 S. ACS, PCM, 1920,14.1.119, Brief Molmenti an Nitti,

e Pica primi segretari alle Biennali veneziane 1895-1926,

23. Januar 1920.

Florenz 1987.

9 Pica und Bazzoni erhielten beide ein

alla luce della Vittoria, ed è il ritorno alla auspicata

lahresgehalt von 14.000 Lire. Die einzige Person die von

fratellanza dei popoli, nel nome della Bellezza." Ebd.

11 „È il ritorno della gemma d'Italia

Beginn an das Geschehen der Biennale mitverfolgte und

12 S. ACS, PCM, 1920,14.1.119, Brief Finanzministerium

prägte war Romolo Bazzoni. Der langjährige technische

an Nitti, 31. Mai 1920.

DIE XII. INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG

I92O

99

200.000 Lire des Ministeriums für den Wiederaufbau der vom Feind befreiten Gebiete, um die Kriegsschäden an den Ausstellungsbauten beseitigen zu lassen.13 Bei der ersten Internationalen Kunstausstellung nach dem Ersten Weltkrieg konnten Präsident Bordiga und Generalsekretär Pica die Inhalte noch weitgehend unabhängig bestimmen. In enger Abstimmung mit Ugo Ojetti bereitete Pica die Ausstellung vor. Hauptaufgabe war zunächst die Beseitigung der durch die Bombenangriffe und die Umnutzung durch die italienische Marine entstandenen Schäden am Ausstellungspalast und den nationalen Pavillons. Der zentrale Ausstellungssaal und die restlichen Säle wurden sehr einfach gestaltet. Vorbei war die Zeit der aufwändigen, ständig wechselnden Dekorationen. Wegen der überaus komplizierten Lage im Nachkriegseuropa nahmen nicht alle Nationen, die über eigene Pavillons verfugten, an der XII. Internationalen Kunstausstellung teil. Für den britischen Pavillon gab es den Vorschlag, ihn wieder als Restaurant zu nutzen, doch mit der Nutzung durch amerikanische Künstler fand man eine bessere Lösung.14 Deutschland beteiligte sich als ehemaliger Kriegsgegner nicht, somit konnte Polen den deutschen Pavillon nutzen. Der russische Pavillon wurde vorerst nicht von der neu entstandenen UdSSR genutzt und auch der ungarische Pavillon blieb leer. Trotz dieser schwierigen Ausgangslage gelang es den Verantwortlichen, im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten eine respektable Ausstellung zu präsentieren. Wie sich schon bei den vor dem Ersten Weltkrieg von Pica kuratierten Ausstellungen gezeigt hatte, lagen dessen Vorlieben im Bereich des französischen Impressionismus und den modernen Kunstströmungen. Im ersten Jahr gelang es ihm, in Zusammenarbeit mit Ugo Ojetti 28 Werke Paul Cézannes aus den Privatsammlungen von Egisto Fabbri und Charles Loeser aus Florenz auszustellen.15 Darüber hinaus zeigte man in Zusammenarbeit mit dem französischen Kommissar Paul Signac Werke von Pierre Bonnard, Henri Matisse und Georges Seurat. Das größte Aufsehen erregte die Ausstellung der Werke von Alexander Archipenko, der zu dieser Zeit gerade seine Kunst in ganz Europa präsentierte, im russischen Pavillon,16 obgleich auch hier wieder der Bezug zum Standort Venedig gegeben war. Im Mittelpunkt der Ausstellung stand das gefeierte Werk einer venezianischen Ikone — der Gondoliere aus dem Jahr 1914 (Abb. 35). Der Spagat der Verantwortlichen Bordiga und Pica zwischen Modernität und Konservatismus bot vielerlei Angriffsflächen für die Kritiker aller Schattierungen des italienischen und internationalen Kunstlebens.17 Mit der Zeitschrift Emporium besaß man zwar noch 13 S. AMV, 1915-1919, VII.9.12, Brief Präfekt an Vitelli,

land 2007.

8. Juni 1920.

15 Diese beiden Pri-

hatte seit 1910 in den verschiedene Salons in Paris reüssiert

vatsammlungen waren die bedeutensten in Italien. Fabbri

u n d u. a. in der Armory Show in New York u n d d e m Ersten

14 S. ebd., S. 128.

w a r einer der ersten Sammler, der 1907 über

16 Der aus Kiew stammende Archipenko

den

Deutschen Herbstsalon in Berlin ausgestellt. Vgl. u.a.

Künsthändler Vollard Werke von Paul Cézanne kaufte. Vgl.

Jean-François Rodriguez, „Artisti russi alla XII Biennale di

L u d e n Henraux, „Une grande collection de Cézanne en

Venezia (1920): dalla partecipazione mancata di Anna

Italie, la Collection Egisto Fabbri", in: L'Amour de l'Art,

Gerebzova alla mostra individuale di Alessandro Archi-

V. Jg., November 1924, S. 344. Vgl. Francesca Bardazzi

penko", in: Donazione Eugenio di Venezia, Nr. 14, Venedig

(Hg.), „Cézanne a Firenze: due collezionisti e la mostra

2005, S. 33-45.

dell'impresionismo del 1910", Ausstellungskatalog, Mai-

Bordiga an Molmenti, 26. Mai 1920.

17 S. BMC, Epistolario Molmenti, Brief

100

AVANTGARDE UND T R A D I T I O N -

DIE UNRUHIGEN I 9 2 O E R JAHRE

immer einen einflussreichen Unterstützer, der reich bebilderte Artikel und Sonderpublikationen veröffentlichte, aber auch hier tauchten nun kritische Stimmen auf.18 Bezeichnend für die abnehmende öffentliche Akzeptanz der venezianischen Ausstellung sind auch die Berichte der Illustrazione Italiana, die sich bisher durch eine durchweg positive und umfangreiche Berichterstattung ausgezeichnet hatte. Zur Eröffnung kritisierte man den Anachronismus der Veranstaltung, die auf die fundamentalen Veränderungen in der italienischen Gesellschaft nicht reagiert hätte.19 Der Autor berichtet über die Eröffhungszeremonie, bei der wie in der Vorkriegsjahren ein Vertreter des Königshauses Savoyen, diesmal der Prinz von Udine, und Vertreter der Regierung auftraten und ihre immergleichen Reden hielten. Er kritisierte, dass diese Veranstaltung nur für einen kleinen Kreis geladener Gäste bestimmt war und das Volk ausgesperrt blieb. Einzig die neu hinzugekommmenen Länder Tschechoslowakei und Polen erschienen ihm als Symbole der Neuordnung der politischen Landkarte Europas. Die Berichte in den deutschen Zeitschriften waren wohl wegen der deutschen Nichtbeteiligung zunächst zurückhaltend.20 Hingegen wurde die am 26. Dezember 1920 in Genf eröffnete Exposition Internationale d'Art Moderne, die anlässlich der ersten Zusammenkunft des Völkerbundes organisiert worden war, sehr gelobt. Man kann sagen, daß die erste wirklich internationale Ausstellung nach dem Krieg sehr sehenswert ist, daß man in Genf eine Übersicht über das, was in der Kunst während der letzten sechs Jahre geleistet wurde, gewinnen kann!21 Die in Genf organisierte internationale Kunstausstellung stand ganz unter dem Eindruck der Pariser Künstler Paul Cézanne, Henri Matisse, André Derain und Pablo Picasso. Im Vergleich zu Genf wurde betont, daß die „Ausstellungen in der Lagune recht moralhaft ausfallen" und nur vereinzelt dem „einen oder dem anderen modernen Künstler einmal ein Saal eingeräumt wird. "22

KUNSTAUSSTELLUNGEN IN ITALIEN UND EUROPA

In den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg sollte sich das Kunstleben in Italien in vielen Bereichen wandeln, denn es gab zahlreiche neue Künstlergruppen und Ausstellungsinitiativen. Zum einen konnte man sich in Rom endlich auf eine gemeinsame Ausstellung einigen und schuf, zunächst mit nationalem Charakter, die Biennale von Rom. Zweitens entwickelte 18 Vgl. Francesco Sapori, „L'Esposizione Internazionale

chronik und Kunstmarkt, 55. Jg., Nr. 7,14. November 1919,

d'Arte della Città di Venezia dal 1895 al 1914", in:

S. 147; Nr. 31, 30. April 1920, S. 589-591; 1921/22, Nr. 33,

Emporium, Nr. 305.1920.

12. Mai 1922, S. 544.

19 S. Raffaele Calzini, „L'inau-

21 Theodor Däubler, „Die Gen-

gurazione della XII Biennale Veneziana", in: Illustrazione

fer Internationale Kunstausstellung", in: Der

Italiana, Nr. 21, 23. Mai 1920, S. 578 f.

XIII. Jg., Nr. 3,1921, S. 83-88, hier S. 88.

20 Vgl. Detlev

Freiherr von Hadeln, „Venezianische Briefe", in: Kunst-

Cicerone,

22 Ebd., S. 86.

K U N S T A U S S T E L L U N G E N IN ITALIEN U N D EUROPA

101

sich das Wirtschaftszentrum Mailand immer mehr zu einem Kunstzentrum, wo sich unterschiedliche Künstlergruppen wie die Futuristen oder der Novecento formierten. Als drittes wichtiges Zentrum der italienischen Kunst galt Paris, wo zahlreiche italienische Künstler arbeiteten und ihre Kunstauffassungen in der Heimat verbreiteten. Hinzu kamen vereinzelt große internationale Kunstausstellungen in Deutschland und in der Schweiz, die in der Beurteilung der Kunstkritik meist besser abschnitten als die venezianische Kunstausstellung. Schon während der großen internationalen Kunstausstellung in Rom im Jahr 1911 hatte der damalige Generalsekretär Antonio Fradeletto die Befürchtung geäußert, dass diese zu einer permanenten Einrichtung werden könnte. Damals hatten sich seine Befürchtungen nicht bestätigt, aber im März 1921 wurde von König Vittorio Emanuele III. im Palazzo delle Esposizioni die erste Biennale Romana eröffnet.23 Zum Anlass dieser neuen Ausstellungsreihe nahm man das 50-jährige Jubiläum Roms als Hauptstadt des Königreichs Italien. Gezeigt wurden große Retrospektiven der italienischen Kunst des 19. Jahrhunderts und eine vielfältige Auswahl zeitgenössischer italienischer Kunst. Erst die zweite Biennale Romana, die im November 1923 eröffnet wurde, erhielt auch eine internationale Abteilung. Neben weiteren Retrospektiven waren die dominierenden italienischen Künstler diesmal Giorgio De Chirico, Gino Severini und Ferruccio Ferrazzi. In den Sälen der beteiligten Länder Belgien, Deutschland, Frankreich, Russland und Schweiz wurden u. a. Ossip Zadkine, Fernand Léger, Emile Bernard, Pablo Picasso, Edgar Degas und Henri Matisse gezeigt. Deutschland nahm mit Max Slevogt, Max Liebermann, Max Klinger, Wilhelm Leibi und den jüngeren Franz Marc, August Macke und Max Pechstein teil. Das Ausstellungsprogramm wurde damit immer mehr zur Konkurrenz für Venedig. Bei der dritten Biennale Romana, die am 24. März 1925 eröffnet worden war, zeigte man Einzelausstellungen von Giorgio de Chirico, Arturo Martini und Carlo Carrà als wichtigste Vertreter der neuen Künstlergeneration. Dabei waren auch Vertreter der Gruppe Novecento und in Retrospektiven wurden sowohl der Futurist Umberto Boccioni als auch Camille Corot gezeigt. Österreich beteiligte sich mit Gustav Klimt, Egon Schiele und Max Klinger. Doch den internationalen Anspruch erfüllte man nicht, da 1925 offiziell nur Deutschland, Österreich, Schweiz und Polen teilnahmen. „ Im ganzen: 61 Säle gefüllt mit Bildern, von denen der Corotsaal als einziger einen bleibenden Eindruck hinterläßt.", so das Resümee eines Kritikers.24 Eine Bankrotterklärung für den hohen Anspruch der Veranstaltung. Zu einem immer bedeutenderen Kunstzentrum entwickelte sich nach dem Ersten Weltkrieg das Wirtschaftszentrum Mailand, das durch die Politik Mussolinis auch sehr schnell zum politischen Zentrum wurde. Neben den bereits seit 1909 von hier aus agierenden Futuristen entstanden in diesem Aufbruchsklima weitere wichtige Künstlergruppen und Galerien.

1921,

Rom 1925. Vgl. Federica Pirani, „Le Biennali Romane",

Ausstellungskatalog, Rom 1921; La seconda Biennale

23 Vgl. „La

prima

Biennale

romana

d'arte

in: Il Palazzo delle Esposizioni, Rom 1991, S. 183-197.

romana d'arte 1923", Ausstellungskatalog, Rom 1923; „La

24 L.S., „Die dritte Biennale in Rom", in: Der Cicerone,

terza Biennale romana d'arte 1925", Ausstellungskatalog,

XVII. Jg., Nr. 10,1925, S. 522.

102

AVANTGARDE U N D T R A D I T I O N - DIE U N R U H I G E N I92OER JAHRE

Die bedeutendste war die 1917 eröffnete Galleria Pesaro, wo unter anderem Vittorio Pica, Ugo Ojetti und Margherita Sarfatti Ausstellungen kuratierten.25 Ugo Ojetti forderte für die Kunst eine Rückkehr zur Ordnung und organisierte in der Galleria Pesaro die Ausstellungen Arte Italiana Contemporanea

und Venti Artisti Italiani mit Nachwuchskünstlern. Nach der Ent-

fremdung zwischen Futuristen und Faschisten Anfang der 1920er Jahre schien sich in Mailand zunächst die von der aus Venedig stammenden Journalistin und Kunstkritikerin Margherita Sarfatti (1880—1961) geführte Gruppe Novecento durchzusetzen (Abb. 40). 26 Noch 1919 hatte Sarfatti die Grande Esposizione Nazionale Futurista im Palazzo Cova unterstützt, jedoch gleichzeitig in ihren Kritiken einzelne Künsder hervorgehoben, die sie später für Novecento gewinnen sollte.27 Karin Wieland weist in ihrem Buch zu Sarfatti immer wieder auf die Bedeutung der venezianischen Lehrer für Sarfattis Kunstverständnis hin. Pietro Orsi hatte sie gelehrt, daß sich die Größe einer Nation in ihren Kriegen und in ihrer Kunst widerspiegelt, von Pompeo Molmenti

hatte sie erfahren, wie

wichtig die Verknüpfung von Kunst und Politik sein konnte, und Antonio letto hatte die Verbindung aus Tradition und Fortschritt

Frade-

2

gelobt. '

Ihr ging es vor allem um eine nationale, an den Idealen der Vergangenheit orientierte Kunst, die das neue faschistische Italien repräsentieren sollte. Forderungen nach Disziplin, Ordnung, Hierarchie in der Kunst und Größe, die Mussolini in der Politik vertrat, waren Sarfattis

25 Die Galleria Pesaro veranstaltete ab 1917 zahlreiche

zu Mussolini war sie bis Ende der 1920er Jahre die ein-

Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Einen Überblick

flussreichste Protagonistin der italienischen Kunst im Aus-

findet man in: Galleria Pesaro Milano. Cataloghi 1 9 1 7 -

land. Erst mit der Neuordnung des Ausstellungssystems

1938, 4 CD-ROM, Genua 2002.

26 Margherita Sarfatti

und dem Ende ihrer Beziehung zu Mussolini Anfang der

stammte aus einer reichen jüdischen Familie, die in Vene-

1930er Jahre verlor sie ihre exponierte Stellung. Trotzdem

dig einen Palazzo am Canal Grande bewohnte. Ihre priva-

blieb sie im Ausland, vor allem in Frankreich und den USA

ten Lehrer waren Orsi, Fradeletto und Molmenti, durch

ein gern gesehener Gast. Sie schrieb weiterhin für zahl-

die sie früh an die bildende Kunst herangeführt wurde. Sie

reiche Kunstzeitschriften. Nachdem sie schon früher scharf

heiratete den Anwalt Cesare Sarfatti und zog mit ihm 1902

angegriffen und kritisiert worden war, verließ sie auf

nach Mailand. In den sozialistischen Kreisen lernte sie als

Grund ihrer jüdischen Herkunft in Folge der Rassegesetze

Kunstkritikerin der sozialistischen Zeitung Avanti den jun-

im November 1938 Italien. Danach lebte sie zunächst in

gen Benito Mussolini kennen. Dieser wurde 1911 Chef-

Paris, floh dann über Norwegen u n d Spanien nach

redakteur des Avanti und Sarfatti wurde dessen langjährige

Uruguay, wo sie in Montevideo lebte. Nach ihrer Rückkehr

Geliebte. Sie war eine der intellektuellen Vordenkerinnen

nach Rom 1947 lebte sie noch bis 1961 und publizierte

der PNF und schrieb ab 1918 für den Popolo d'Italia,

zahlreiche Erinnerungen an die Zeit des Faschismus und

Gerarchia häufig auch die Beiträge Mussolinis. Nach dem

ihr Verhältnis zu Mussolini. Literatur: Margherita Sarfatti,

Mord des sozialistischen Abgeordneten Matteotti leitete sie

Acqua passata, Mailand 1955; Margherita Sarfatti, L'Amore

die Imagekampagne für Mussolini und war Autorin der

Svalutato, Roma 1958; Philipp V. Cannistraro, II Duce's

Biographie DVX, die zunächst in den USA erschien.

other woman, New York 1993 u. Karin Wieland, Die

Außerdem hatte Mussolini ihr den lukrativen Vertrag mit

Geliebte des Duce. Das Leben der Margherita Sarfatti und

der Hearst-Presse zu verdanken, für die sie regelmäßig

die Erfindung des Faschismus, München/Wien 2004.

seine Kolumnen verfasste. Durch ihr Engagement entstand

27 Vgl. Elena Pontiggia, Da Boccioni a Sironi: il m o n d o di

die Künstlergruppe Novecento, die sie aus ehemaligen

Margherita Sarfatti, Mailand 1997.

Futuristen, Valori Plastici u. a. rekrutierte. Durch die Nähe

S. 243.

28 Wieland 2004,

KUNSTAUSSTELLUNGEN IN ITALIEN UND

EUROPA

103

Maximen. Durch ihren starken Einfluss auf Mussolini und ihre journalistische Tätigkeit für die Zeitung Popolo d'Italia gelang es ihr, im März 1923 unter seiner Schirmherrschaft eine erste große Novecento-Ausstellung in der Galleria Pesaro zu organisieren. Mussolini betonte bei der Eröffnung die Bedeutung der Künste für das faschistische Italien. Die Aufgabe des Staates sah er jedoch gerade nicht darin, eine offizielle Staatskunst aus der Taufe zu heben, sondern Bedingungen zu schaffen, unter denen die Künstler ihre Kunst als eine nationale Aufgabe ausüben können.29 Die von Paris geprägten oder dort lebenden italienischen Künstler waren zunächst die aktivsten Promotoren einer neuen italienischen Kunst im Ausland.30 So wurde bereits 1921 in einer von dem Kunstkritiker Theodor Däubler organisierten Wanderausstellung unter dem Namen Das junge Italien in ganz Deutschland die neue Kunst Italiens gezeigt. Die Gruppe der Valori Plastici bestand aus den Malern Carlo Carrà, Giorgio De Chirico, Giorgio Morandi und dem Bildhauer Arturo Martini. Hinzu kamen die ganz jungen Gino Severini, Feiice Casorati, Roberto Melli, Edita Broglio und Riccardo Francalancia. Sie „forderten die Lösung vom Montmartre" und „ die Befreiung vom Banne und dem Einflüsse Picassos und die Einstellung auf die eigene Mentalität, auf die traditionelle Eigenart.™ Im Ausland sollten die Ende des 19. Jahrhunderts so populären und zahlreichen internationalen Kunstausstellungsreihen nur noch vereinzelt stattfinden. Das Vorbild in München hatte 1913 ein letztes Mal stattgefunden. Einzig die Salons von Paris existierten weiter. Insgesamt hatten die privaten Galerien den Kunstmarkt übernommen, denn auch in Paris ging die Bedeutung der Salons immer weiter zurück. Einzelne der internationalen Ausstellungen schnitten in der Beurteilung der Kunstkritik viel besser ab als die venezianische Internationale. Zu einer 1925 in Zürich stattfindenden internationalen Kunstausstellung überschlug sich die Kritik. Die internationale Schau sei von derartig hoher Auslese des Materials, da „es keine Kunstkommissionen gab, weil man die Konsulate wohlweislich überging, sich direkt an die Künstler wandte und einlud. [...] Die nationalen Grenzen sind hier — auch äußerlich — verwischt: Europa, stellt ausZ32 Wir haben in den letzten Jahren keine Ausstellung von gleich großer Mannigfaltigkeit, Anregung und Bewegtheit gesehen. Loyal ist den verschiedenen Strömungen nebeneinander Platz gegönnt. Und doch sollte diese Ausstellung der Vorgänger einer neuen „Internationale" sein, die mit einer ganz bestimmten Blickrichtung wählt: keine nationalen Animositäten."

29 Ebd., S. 237 f.

30 Vgl. Theodor Däubler, „Neueste

Plastici u n d der Faschismus", in: Kunstchronik und Kunst-

Kunst in Italien", in: Der Cicerone, XII. Jg., Nr. 9, 1921,

markt, 57. Jg., 26-/27., 30. März/6. April 1923, S. 507-509,

S. 349-354; Paolo Fossati/Patrizia Rosazza Ferraris (Hg.),

hier S. 508.

Valori plastici. XIII

Ausstellung in Zürich", in: Der Cicerone, XVII. Jg., Nr. 17,

Mailand 1998.

Quadriennale,

Ausstellungskatalog,

31 C o n s t a n t i n I. David, „Die Valori

32 Sigfried Giedion, „Die internationale

1925,8.865-867.

33 Ebd., S. 867.

AVANTGARDE UND T R A D I T I O N -

104

DIE UNRUHIGEN I92OER

JAHRE

In Deutschland zeigte sich bei der von Hans Posse kuratierten Internationalen Kunstausstellung 1926 in Dresden und einer in der Hamburger Kunsthalle organisierten Ausstellung nochmals dieses Ideal einer „paneuropäischen" Kunst.34 Durch die immer schnelleren Verkehrsverbindungen in die USA wurde auch die seit 1896 existierende International

Exhibition

of Paintings des Carnegie Instituts in Pittsburgh immer interessanter für europäische Künstler.35 Sie war für die nordamerikanische Kunstwelt eine der bedeutendsten Einrichtungen, die im Vergleich zu Venedig vor allem mit den höheren Preisgeldern aufwarten konnte. In den 1920er Jahren gewannen Künstler wie Ferruccio Ferrazzi, Henri Matisse, André Derain oder Feiice Carena den sehr gut dotierten Kunstpreis. Außerdem begann man damit, die Ausstellungen aus Pittsburgh auch in anderen nordamerikanischen Städten zu zeigen.

T R A D I T I O N V S . A V A N T G A R D E : DIE A U S S T E L L U N G E N V I T T O R I O P I C A S

Es ist keine leichte Sache, eine internationale Kunstausstellung unter Dach und Fach zu bringen; besonders nicht in einem so nationalistischen Land wie Italien. Ein Jahr vor der Eröffnung beginnen schon die die unerfreulichen Platz- und Satzungskämpfe, und in den Tageszeitungen rückt jedermann

mit ,wohlge-

meinten Ratschlägen' an die unglücklichen Leiter der Ausstellung heran, die schließlich froh sein können, wenn trotz allem das schwierige Werk gelungen?6 Ludwig Brosch, 1924 Nach den Wahlen im Oktober 1920 gab es in Venedig neue Mehrheiten im Stadtrat und die Unione Rinnovamento, ein Wahlbündnis aus Faschisten, Nationalisten und Klerikalen, übernahm trotz der Sozialisten als stärkster Partei die Macht in Venedig. Am 12. November 1920 wurde der Mediziner Davide Giordano (1864—1954) zum neuen Bürgermeister gewählt (Abb. 39)." Damit hatte Venedig einen der ersten von Faschisten mitgewählten Bürger-

34 Will Grohmann, „Die Kunst der Gegenwart auf der

ein bekannter Chirurg und am Ospedale Civile in Venedig

Internationalen Kunstausstellung Dresden 1926", in: Der

tätig. Gründete 1920 mit G. Giuriati und P. Orsi die

Cicerone, XVIII. Jg., Nr. 12,1926, S. 377 f. u. „Europäische

Alleanza Nazionale, ein antisozialistisches Wahlbündnis

Kunst der Gegenwart, Zentenarausstellung des Kunst-

aus Nationalisten, Liberalen und Katholiken. Im Novem-

vereins Hamburg", Ausstellungskatalog, Hamburg 1927.

ber 1920 wurde er zum Bürgermeister von Venedig

35 Vgl. „Retrospective exhibition of paintings from pre-

gewählt. Zunächst Mitglied der Partito Popolare Italiano

vious internationals, 1896-1955", Ausstellungskatalog,

(PPI) trat er im Februar 1923 der PNF bei. Am 4. April 1923

Department of Fine Arts, Carnegie Institute, Pittsburgh

wurde er zum R. Commissario Straordinario und etwas

1959 u. Peter Hastings Falk (Hg.), Record of the Carnegie

später zum Podestà ernannt. Ab 1924 Senator in Rom hatte

Institute's international exhibitions 1896-1996, Madison,

er auch in Venedig weiterhin Einfluß. So war er u.a.

Connecticut

Präsident

1998.

36 Ludwig

Brosch,

„Die

Internationale Kunstausstellung von Venedig" in: Kunst für Alle, 40. Jg., 1924, S. 45.

XIV. Die

37 Der aus Turin

stammende Mediziner Davide Giordano (1864-1954) war

des Ateneo Veneto 1925-29

u.

1938-42.

Literatur: Dizionario Biografico degli Italiani, Rom 2000, S. 259-262.

T R A D I T I O N VS. AVANTGARDE: DIE AUSSTELLUNGEN V I T T O R I O PICAS

IO5

meister in Italien. Im Abschlussbericht vom 12. November 1920 stellte der scheidende königliche Sonderkommissar Nunzio Vitelli noch einmal seine Sicht auf die Bedeutung der Internationalen Kunstausstellung im kulturellen Leben Venedigs dar. Der von ihm präsentierte Bericht beinhaltete das klare Bekenntnis zur Fortsetzung der Ausstellungsreihe mit dem Ziel, die unterstützenden Geldmittel von Seiten des Staates aufzustocken.38 Detailliert und ausfuhrlich analysierte der Präsident Giovanni Bordiga seine Erfahrungen mit der von ihm geplanten XII. Internationalen Kunstausstellung 1920. Sein Bericht mit Beobachtungen und Vorschlägen für die Zukunft der Ausstellungsreihe, welcher für Podestà Giordano bestimmt war, zeigte deutlich die Probleme, die Perspektiven und die Bedeutung der Ausstellungsreihe für Venedig.39 Bordiga beklagte die mangelnde institutionelle und personelle Ausstattung, da man noch nicht einmal ein eigenes Büro besaß. Er schlug vor, in Zukunft die Kunstausstellung durch einen Musikwettbewerb zu ergänzen, an dem neben den internationalen Künsdern auch die musikalische Elite der Welt teilnehmen sollte.40 Im Januar 1921 formulierte Giordano seine kunstpolitischen Ziele: Venedig muss also das große intellektuelle

und künstlerische

werden [...] und hat den festen Entschluss, Stadt

als Hommage

an das alte unsterbliche

Schönen und des Guten fortzusetzen. len, dass die göttliche

Konzept

gegen das, was einige Ästheten

unserer

der Unteilbarkeit

des wol-

Schöpfungen

liche Seele wird in allen Nationen

der Adria

[...] Woraus folgt, dass wir für immer

Muse der Kunst in unseren Ausstellungen

werde durch pathologische

der Kunst bewerten,

Zentrum

eine der edelsten Initiativen

irregeleiteter Inspirationen;

neue Energie

finden,

als „Krise der Sittsamkeit"

vor denen der Betrachter

um sich in allen

nicht

verletzt

die

mensch-

aufzulehnen Erscheinungen

ein Gefühl des Unbehagens

ver-

spürt." Von dem klaren Bekenntnis zur Zukunft Venedigs als eines der wichtigsten Zentren für „gesunde" zeitgenössische Kunst profitierte in der Folge auch die Galleria Internazionale 38 Vgl. Relazione del Regio Commissario Straordinario

[...] ha il f e r m o proposito di continuare come una delle

grand'ufficiale a w . Nunzio Vitelli, al Consiglio Comunale

più nobili iniziative della nostra città. E, quasi a significare

di Venezia, 12. November 1920, Venedig 1920.

39 S.

che esse devono [...]; in omaggio all'antico concetto

BMC, APS, Carte Bordiga, Varia, Giovanni Bordiga,

immortale, della indossulibilità del bello e del b u o n o .

Relazione, osservazioni, proposte del Presidente della XII.

O n d e vorremo p u r sempre che la divina Musa dell'Arte

Mostra, 30. November 1920.

40 S. Giovanni Bordiga,

nelle nostre Esposizioni n o n si ferisca contra a realizzia-

„Studi preparatori per l'arte musicale: Già in quest'anno,

zioni patologiche di ispirazioni traviate; l'anima u m a n a in

fisso in tale intento, quale Presidente dell'Esposizione aver

tutte le nazioni vien trovando nuova energia per ribellarsi,

raccolto tutte le persone competenti dell'arte musicale per

in quella che taluni esteti credono sminuire dicendola

averne consiglio illuminato e proposte concrete. Averro

„crisi di pudicizia", a tutte le manifestazioni dell'arte,

esposte loro il desideri di studiare la possibilità d'accom-

davanti alle quali lo spettatore provi un qualche sentimen-

paganare ogni nuova Esposizione Internazionale con u n a

to di disagio." AMV, AdCC, 4. Januar 1921, S. 15, Davide

gara d'opere musicali, strumentali o corali, sacre o profa-

Giordano, I. Relazione del Sindaco sulla situazione ammi-

ne", in: ebd., S. 18.

nistrativa del Comune.

41 „Venezia i n s o m m a deve inventare

il grande centro intelettuale ed artistico dell'Adriatico.

1θ6

AVANTGARDE UND T R A D I T I O N - DIE U N R U H I G E N I92OER JAHRE

d'Arte Moderna, deren komplette Sammlung von Frühling bis Herbst 1921 im Ausstellungspalast gezeigt wurde.42 Der Assessor für Bildung und Kunst, Pietro Orsi ( 1 8 6 3 — 1 9 4 3 ) , kontrollierte nun für die Kommune die Ausstellungspolitik Bordigas und Picas.43 Die letzte Sitzung des demokratisch gewählten Stadtrats fand am 17. März 1923 statt; am 2. Juni 1923 besuchte Benito Mussolini Venedig und wurde begeistert gefeiert.44 Die 1920 gezeigte Kunst war den Verantwortlichen der Stadt zu modern, so dass für die Ausstellung von 1922 als Kontrollinstrument das Direktionskomitee wiederbelebt wurde, welches von Grimani und Fradeletto abgeschafft worden war und dem Generalsekretär eine ungeheure Machtfülle gegeben hatte. Mit diesem Schritt gelang es, national einflussreiche Persönlichkeiten in die Organisation der Ausstellung einzubinden, die überwiegend konservative Kunstansichten vertraten.45 Diese Abbildung zeigt die Mitarbeiter des Ausstellungssekretariats bei einem Festessen: wie beim Letzten Abendmahl haben sie sich um Bürgermeister Giordano gruppiert (Abb. 39). Der Journalist Leopold Brosch war für die ausländische Presse zuständig und lieferte Beiträge für deutschsprachige Zeitschriften. Bei der XIII. Internationalen Kunstausstellung 1922 zeigte sich der Einfluss vor allem in der Regionalisierung der Ausstellungssalons, die im Kontrast zur Internationalität der von Pica verantworten Säle stand (Abb. 36). Wie um 1900 präsentierten sich die Regionen Italiens wieder mit eigenen Sälen, was ein Rückschritt im Vergleich zur zeitgenössischen europäischen Kunstentwicklung war.46 Der internationalen Bedeutung tat dies keinen Abbruch, denn nach acht Jahren Unterbrechung gab es mit dem spanischen Pavillon wieder Zuwachs in den Giardini. Verantwortlich für diesen unter der Schirmherrschaft des spanischen König Alfonso XIII. stehenden Beitrag war die konservative Königliche Akademie in Madrid. Das Jahr 1922 stand ganz im Zeichen von toten, unbekannten oder deutschen Künstlern, denn allein Deutschland war mit zeitgenössischen, bekannten Repräsentanten vertreten. Für 42 Vgl. „Galleria Internazionale d'arte moderna della città

d. 19. Jh., Leipzig 1902) und eine Weltgeschichte. Seit Mai

di Venezia. Catalogo della Mostra straordinario nel Palazzo

1923 in der PNF wurde er 1934 Senator in Rom.

dell'Esposizione ai Giardini pubblici (Primavera-Estate

44 „Venezia, che prima tra le grandi Città insorse contro

1921)", Ausstellungskatalog, Venedig 1921 u. Nino Bar-

la minaccia antinazionale, e vinse, saluta l'Uomo che

bantini, „L'esposizione straordinaria della Galleria d'Arte

all'Italia vincitrice per le armi diede la vittoria spirituale,

Moderna", in: Rivista di Venezia, I. Jg., Nr. ι, Januar 1922,

che riaffermò in faccia al m o n d o I suoi sicuri destini" „S. E.

S. 5-10.

Mussolini a Venezia", in: Rivista di Venezia, II. Jg., Nr. 6,

43 Der aus Alessandria stammende Conte

Pietro Orsi (1963-1943) studierte Geschichte in Turin

Juni 1923, S. 129-134.

(Abschluss 1884). Er lehrte als Dozent moderne Ge-

Verwaltungsrat setzten sich 1922 zusammen aus Davide

45 Das Präsidium und der

schichte in Padova, Politik- und Diplomatiegeschichte am

Giordano (Bürgermeister), Pietro Orsi (Assessor), Gio-

Istituto superiore di commercio di Venezia (1901-1934),

vanni Bordiga (Präsident), Giovanni Beltrami (Präsident

Storia politica im Istituto superiore di commercio di

der Akademie Brera, Mailand), Pietro Fragiacomo (Maler,

Venezia (1934-1936), Diritto corporativo am Istituto

Venedig), Ugo Ojetti (Kunstkritiker, Mailand)

superiore di commercio di Venezia (1936-1938). Seine

Eduardo Rubino (Bildhauer, Turin) u. Vittorio Pica (Gene-

wichtigsten Werke waren Biographien Bismarcks und Ca-

ralsekretär).

vours, eine italienische Zeitgeschichte (Das m o d e r n e

d'Arte della Città di Venezia", Ausstellungskatalog, Venedig

Italien. Geschichte d. letzten 150 Jahre bis zum Ende

1922.

und

46 Vgl. „XIII. Esposizione Internazionale

T R A D I T I O N VS. AVANTGARDE: DIE AUSSTELLUNGEN V I T T O R I O PICAS

IO7

Venedig am bedeutendsten war die Retrospektive für den ìoo Jahre zuvor verstorbenen Antonio Canova. Im Gegensatz zu den meisten teilnehmenden Ländern zeigte einzig Deutschland eine von dem Dresdner Museumsdirektor Hans Posse zusammengestellte Schau mit aktuellen Künstlern.47 Neben Max Liebermann und Lovis Corinth stand der junge Oskar Kokoschka im Mittelpunkt, der Bilder seiner wilden Dresdner Zeit zeigte (Abb. 37). 48 Für einen weiteren Skandal sorgten die ausgestellten afrikanischen Kunstwerke in der Mostra

di

scultura negra aus dem ethnographischen Museum in Rom und die kleine Ausstellung des verstorbenen Malers Amadeo Modigliani. Für die XIV. Internationale Kunstausstellung 1924 wurde der Verwaltungsrat nochmals erweitert.49 In diesem Jahr präsentierten sich die meisten teilnehmenden Nationen mit von den jeweiligen Regierungen verantworteten Beiträgen. Erstmals war Frankreich mit einem offiziellen Beitrag in den Giardini vertreten. Léonce Bénédite und André Dezarrois vom Musée National du Luxembourg versuchten, im französischen Pavillon Vertreter aller vier Salons zu zeigen, wodurch nur ein kleiner Ausschnitt des Kunstschaffens der europäischen Kunsthauptstadt präsentiert werden konnte. Den stärksten Auftritt lieferten 1924 die UdSSR mit ihrem von der Akademie für Wissenschaft und Kunst aus St. Petersburg organisierten propagandistischen Beitrag, der den gesellschaftlichen Wandel seit der Russischen Revolution glorifizieren sollte.50 Das künstlerische

Leben der Union der Sozialistischen

ein Bild der passionierten

Sowjetrepubliken

Suche, des viele Male diskutierten

der Kämpfe und Konkurrenzen

der unterschiedlichen

und

Richtungen

stellt

gegensätzlichen dar, dass eine

bewegte Vorstellung von dem Bild eines Volkes auf der Suche nach neuen

Formen

für ein neues Leben gibt.51

47 Im deutschen Pavillon wurden 1922 u. a. Werke von

der Kaiserlichen Akademie für Wissenschaften in St. Pe-

Lovis Corinth, Lyonel Feininger, Erich Heckel, Ernst

tersburg, die 1914 für den Bau des Pavillons verantwortlich

Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka, Max Liebermann,

gewesen war. 1925 wurde sie in Akademie der Wissen-

Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff, Max Slevogt, Ernst

schaften der UdSSR umbenannt und 1934 nach Moskau

Barlach, Georg Kolbe, Wilhelm Lehmbruck u n d Max

umgesiedelt. Vgl. „Padiglione dell'URSS. Supplemento al

Beckmann ausgestellt. Vgl. Schober 2004, S. 109-121.

catalogo ufficiale della XIV Esposizione Internazionale

48 Vgl. Kokoschka und Dresden, Staatliche Kunstsamm-

d'arte di Venezia 1924", Ausstellungskatalog, Venedig 1924

lungen Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister. Öster-

(der erste von einer teilnehmenden Nation herausgege-

reichische Galerie, Belvedere, Wien. Ausstellungskatalog,

bene Katalog).

Leipzig 1996.

49 Das Präsidium und der Verwaltungsrat

Repubblicche Soviettiste Socialiste presenta un quadro di

setzten sich 1924 zusammen aus Davide Giordano (Po-

ricerche appassionate, talvolta discutabili e contradditorie

51 „La vita artistica dell'Unione delle

destà), Giovanni Bordiga (Presidente), Beppe Ciardi

di lotta e di concorrenza di tendenze diverse, quadro movi-

(Maler, Venedig), Ilario Neri, Edoardo Rubino (Bildhauer,

mentato che ci dà l'imagine d'un popolo alla ricerca di

Turin), Attilio Selva, Ettore Tito (Maler, Venedig), Romolo

forme nuove per una vita nuova." Boris Ternowec,

Bazzoni (Direttore amministrativo), Segreatria: Domenico

„Padiglione dell'URSS", in: „XIV. Esposizione Inter-

Varagnolo (dirigente l'ufficio), Ufficio stampa: Elio Zorzi

nazionale d'Arte della Città di Venezia", Ausstellungs-

(stampa italiana), Leopoldo Brosch (stampa straniera).

katalog, Venedig 1924, S. 221-225, hier S. 225.

50 Die russische Akademie war die Nachfolgeorganisation

1θ8

AVANTGARDE UND T R A D I T I O N -

DIE U N R U H I G E N I92OER

JAHRE

Das im Mittelpunkt stehende Bild Leo Trotzky von Grigori Annenkoff war eine nationale Ikone und war bereits 1923 zum fünften Jubiläum der Roten Armee in Moskau ausgestellt worden (Abb. 38). Genauso wurden avantgardistische Künstler wie Alexandra Exter, Kasimir Malewitsch oder Alexander Rodtschenko berücksichtigt. Auch die USA waren durch die American Federation of Arts, das Carnegie Institute aus Pittsburgh und die Corcoran Gallery of Art aus Washington erstmals offiziell vertreten.52 Die Bandbreite der gezeigten Kunst war enorm und reichte von den konservativen Engländern, Holländern und Deutschen über die Franzosen bis zu den Konstruktivisten um Rodschenko im Russischen Pavillon.53 Dies war ein Skandal für das konservative Publikum, aber für viele Vertreter der Moderne ein Schlüsselerlebnis. Ebenso zeigte sich 1924 die Vielfalt der italienischen Kunstwelt in den Giardini. Neben einigen Retrospektiven zu verstorbenen Künstlern wie den Mitbegründern der Kunstausstellung Bartolomeo Bezzi und Pietro Fragiacomo stellte erstmals die Gruppe Novecento aus. Doch war es Ojetti im Vorfeld gelungen, die Gruppe zu spalten, indem er dem Maler Ubaldo Oppi eine Einzelausstellung angeboten hatte. Die Giardini wurden so zu einem weiteren Austragungsort des Kampfes der unterschiedlichen Kunstrichtungen um die Vorherrschaft und Deutungshoheit im faschistischen Italien. Der Bildhauer Adolfo Wildt präsentierte eine Büste, die Benito Mussolini im Stil eines römischen Kaisers zeigt. In der Zeit des Umbruchs der italienischen Gesellschaft: war auch die Stellung der traditionsreichen Ausstellungsreihe bedroht. Neu war die Kritik aus den eigenen Reihen, wie sie durch den Bürgermeister Davide Giordano vorgetragen wurde und zu einem fundamentalen Problem für die Verantwortlichen um Präsident Bordiga und Generalsekretär Pica werden sollte. Ohne den Rückhalt in der Stadtverwaltung war es für jene schwierig, angemessen auf die zunehmende Kritik der italienischen Presse zu reagieren. Bei der Eröffnungsfeier 1922 kam es zum Eklat, denn Giordano wandte sich in seiner Eröffnungsrede gegen die Ausstellung primitiver Kunst und die Kunst von Amadeo Modigliani. In den Sälen finde man einige „ . . . Skulpturen und Bilder, die einen fragen lassen, warum diese nicht zwischen den Afrikanern ausgestellt sind? " 54 Giordano unterstrich in seiner Eröffnungsrede die heroischen Verdienste der italienischen Soldaten im Ersten Weltkrieg und betonte die Bedeutung der klassischen Kunst, die in dieser Ausstellung vor allem durch die Einzelschau zu Antonio Canova vertreten war. Bei der Eröffnung der Ausstellung am 25. April 1924 betonte man den venezianischen Charakter der Veranstaltung und war besonders stolz darauf, dass König Vittorio Emanuele III. gekommen war.55 Giordano betonte in seiner Eröffnungsrede zunächst die Rolle des Hauses 52 Vgl. Helen Gerard, „The Italians and the others in the

pittura che gli faccia domandare perchè mai non vien col-

Venice Biennial", in: American Magazine of Arts, Vol. 15,

locata fra le africane." Davide Giordano, „Eröffnungsrede

Nr. io, Oktober 1924, S. 528-536.

am 4. Mai 1922", in: Rivista di Venezia, I. Jg., Nr. 4, April

53 Der deutsche Bei-

trag war ein Rückschritt im Vergleich zu 1922. Die von

1922, S. 8-14, hier S. 11.

Kommissar Franz von Stuck zusammengestellte Schau

internazionale d'Arte", in: Rivista di Venezia, III. Jg., Nr. 5,

hätte auch 1910 stattfinden können.

Mai 1924, S. 117-130.

54 „... sculture o

55 S. „La XlVa Esposizione

TRADITION VS. AVANTGARDE: DIE AUSSTELLUNGEN VITTORIO PICAS

10Ç

Savoyen fur die Genese der Ausstellung und die Rettung der Stadt im Ersten Weltkrieg. Er unterstrich den Anspruch der internationalen Kunstausstellung, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, „nicht die künstlerischen Schwingungen eines isolierten Künstlers oder einer Schule, sondern die viel umfangreicheren und ursprünglicheren, die Tendenzen, die Eigenarten und die geistigen Manifestation" der unterschiedlichen Völker zu zeigen.56 Der Präsident Bordiga wies konkret auf die zukünftige Entwicklung hin, die eine Ausweitung des Ausstellungsgeländes auf die Insel Sant' Elena vorsah, um weiteren Nationen die Möglichkeit zu geben, einen eigenen Pavillon zu errichten. Darüber hinaus betonte er die Bedeutung der Ausbildung der Künstler, deren Grundlage vor allem das Studium der alten Meister sein müsse, in deren Tradition sie sich stellen sollten. Der Bildungsminister Giovanni Gentile konzentrierte sich auf den Bildungsauftrag der Ausstellung, deren Bedeutung für die nationale Kunst er nicht stark genug betonen konnte. Die jungen Künstler sollten wie im Krieg den Idealen von Eintracht und Vaterland folgen. Außerdem betonte er, dass andere Städte das edle Beispiel imitieren wollten, wobei er an deren Erfolgschancen zweifelte. „Aber die Hauptattraktion und das Geheimnis dieser venezianischen Ausstellung können nicht nachgeahmt werden."57 Darüber hinaus war ihm die Aufnahme der angewandten Künste ein besonderes Anliegen, da deren Bedeutung auch bei der Reform der Akademien eine große Rolle spielen sollte. Insgesamt ging es den Rednern um die Schönheit der Kunst, die sie als höchstes Ideal betrachteten. Mit der Teilnahme an der Ausstellung meldete sich auch wieder die deutsche Kunstkritik und ließ den deutschen Kommissar Hans Posse zu Wort kommen: Durch die Beteiligung deutscher Künstler an dieser internationalen Veranstaltung, die, wie der italienische Kulturminister in seiner Eröffnungsrede hervorhob, die Mitarbeit am geistigen Wiederaufbau Europas zur vornehmsten Aufgabe habe, ist ein wichtiger erster Schritt zur Wiederanbahnung der traditionellen Beziehungen zwischen Deutschland und Italien auf kulturellem Gebiet getan.5' In den Bereichen der modernen Kunst spielte die Generaldirektion unter Arduino Colasanti bisher kaum eine Rolle, nur vereinzelt befasste man sich dort mit der Kunst des 19. oder 20. Jahrhundert. Eine Ausnahme stellte ein Artikel des späteren Generalsekretärs Antonio Maraini im Bollettino d'Arte dar, der die ausländischen Einflüsse auf die zeitgenössische italienische Kunst kritisierte.

56 „le vibrazioni artistiche non di un artista isolato o di

e il segreto di questa esposizione veneziana, non consente

una scuola, ma quelle più vaste e più genuine che segnano

emulazione." Ebd., S. 124.

le tendenze, lo sorzo, e le manifestazioni spirituali" Ebd.,

Pavillon auf der XIII. Internationalen Kunstausstellung zu

S. 119.

Venedig", in: Kunst und Künstler, XX. Jg., Nr. 10, 1922,

57 „Altre città bensì vollero più tardi imitarne il

nobile esempio, non so con quanta fortuna e con quanto vantaggio degli artisti e dell'arte. Ma l'attrattiva maggiore

S.398.

58 Hans Posse, „Der deutsche

110

AVANTGARDE UND T R A D I T I O N -

DIE U N R U H I G E N I92OER JAHRE

Neben ihnen gibt es andere, die Jüngsten, die schließlich den Typ des ekklektizistischen Künstlers darstellen, der sich systematisch verändert, verkörpert durch den paradoxen Picasso. Besser noch ist das Empfinden, dass mit der Rückkehr auf den Höhepunkt der klassizistischen Tendenzen ganz Europa wieder damit beginnt, seine eigenen Direktiven von den italienischen Meistern der Vergangenheit zu erhalten. Und wer könnte, wenn nicht die Italiener selbst, den anderen in dieser Richtung vorangehen und sie vorwärtsführen?59 Wie die Kritik von Giordano vertrat somit das Organ der Generaldirektion eine neoklassische Sichtweise, die nicht mit den internationalen, stark durch Frankreich beeinflussten Idealen Picas übereinstimmte. Im Cicerone ließ man 1924 Generaldirektor Arduino Colasanti zu Wort kommen: Für uns Italiener hat die Venezianer Kunstausstellung längst die Bedeutung verloren, die sie vor etwa 30 Jahren hatte, als sie die erste und einzige Institution war, die dazu diente, die ausländischen Produktionen in Italien bekannt zu machen und andererseits die italienische Kunst der internationalen Öffentlichkeit vorzuführen. Diese Zeiten sind jetzt vorbei, nachdem sich der Privathandel der führenden Künstler bemächtigt hat und die vielen Kollektivausstellungen allerorts Klarheit über die Italiener geschaffen haben. Nichtsdestoweniger hat die venezianische Ausstellung nach wie vor einen gewissen offiziellen Charakter, ganz besonders durch die Teilnahme aller großer Staaten.60 Die kulturellen Einrichtungen der Kommune wie die Galleria Internazionale d'Arte Moderna standen zunächst nicht so sehr im Blickpunkt der Politik, weshalb sie ohne grundlegende Änderungen fortgesetzt wurden. Die seit 1908 organisierten Ausstellungsreihe Opera di Bevilacqua La Masa, die von Nino Barbantini kuratiert wurde, konnte knapp ein Jahr nach dem Krieg wiedereröffnet werden. Doch konnte Barbantini nicht mehr an seine frühen Erfolge anknüpfen, wie man deutlich an der Kritik von Seiten der Kommune erkennen konnte. Nachdem die Mostra Bevilacqua La Masa bereits 1921 in den Giardini ausgestellt hatte, zog es sie 1925 an den Lido.61 In insgesamt zwölf Räumen präsentierten sich die Nachwuchskünstler in den der CIGA gehörenden Ausstellungsräumen in direkter Nähe zum Hotel Excelsior. Der Standort wurde durch die Ausstellung junger Künstler aufgewertet, die ihrerseits auf neue solvente Kundschaft hoffen konnten.

59 „Vicino a loro sono altri i giovanissimi, che rimangono finalmente

il tipo dell'artista ecclettico emutevole per sis-

tema, incarnato dal paradossale Picasso. Meglio ancora è la

italiana d'oggi", in: Bollettino d'arte, Anno I, Serie II, Mai 1922, S. 511-527, hier S. 527.

60 Arduino Colasanti, „Die

XIV. internationale Kunstausstellung in Venedig", in: Der

sensazione che con il ritorno in auge di tendenze classich-

Cicerone, XVII. Jg., Nr. 14, 1924, S. 671 f.

eggiami, tutta Europa ricomincia a prendere le proprie

Bevilacqua La Masa. Catalogo della prima Esposizione

direttive dai maestri italiani del passato. E chi potrebbe, se

degli Artisti di Ca' Pesaro al Lido (25. Juli-30. September

non gli italiani stessi precedere e avanzare gli altri in tale

1925)", Ausstellungskatalog, Venedig 1925.

indirizzo?" Antonio Maraini, „Influenze straniere sull'arte

61 Vgl. „Opera

DER G E S C H E I T E R T E „ M A R S C H AUF V E N E D I G "

111

DER GESCHEITERTE „MARSCH AUF VENEDIG" Die passatistische Kamarilla, die sich verbissen an die alten Stellen klammert, herrscht despotisch von den Sälen der Biennale bis zur Redaktion des Corriere della Sera. Der Marsch auf Rom ist eine vollendete Tatsache. Fehlt nur noch — zum Ruhm der neuen italienischen Kunst— der Marsch auf Venedig.62 Vincenzo Fani Ciotti (Volt), L'Impero, io. Dezember 1925 Wie im vorherigen Kapitel deutlich wurde, gab es immer deutlichere Kritik an der Ausstellungspolitik der Internationalen Kunstausstellung. Mit ihrem Aufruf zum Marsch auf Venedig hatte die futuristische Zeitung L'Impero direkt zwei der wichtigsten Persönlichkeiten des italienischen Kunstlebens angegriffen: Vittorio Pica und Ugo Ojetti, deren Karrieren bereits vor 1900 begonnen hatten. Der Futurismus wurde zwar von Mussolini aus nostalgischen Gründen weiterhin gefördert, aber nie zur Staatskunst erhoben. In einem Artikel hatte er persönlich die Verdienste Marinettis in der Vergangenheit gewürdigt, ihn jedoch bereits 1924 in die Geschichtsbücher verwiesen." Den größten Einfluss auf Mussolini hatte Mitte der 1920er Jahre Margherita Sarfatti, der es mit der Biographie „DUX" gelungen war, das Image Mussolinis nach dem Matteotti-Mord im In- und Ausland zu verbessern. Ihr gutes Verhältnis zu Mussolini nutzte sie für die Förderung ihrer Kunstrichtung Novecento. Am 15. Februar 1926 hatte Mussolini persönlich die Prima Mostra del Novecento Italiano im Palazzo della Permanente in Mailand eröffnet.64 Diese Ehre sollte der traditionell den Savoyern verpflichteten venezianischen Ausstellung nie zu Teil werden. Die Forschung zur Situation des italienischen Ausstellungswesens in den 1920er Jahren hat vor allem die Bedeutung der schillernden Persönlichkeiten Margherita Grassini Sarfatti und Filippo Tommaso Marinetti hervorgehoben. Doch es war die konservative Gruppe um Ojetti, Molmenti und Orsi, die letztendlich das Fortbestehen der Internationalen Kunstausstellung in Venedig sicherte. Zwar taucht Ugo Ojetti am Rande auf, aber oft wird seine Rolle auf die des Kunstkritikers des Corriere della Sera reduziert. Ojetti war der einflussreichste Kunstkritiker Italiens, was auch vom Ausland anerkannt wurde. Insbesondere bei der Entwicklung der venezianischen Kunstausstellung zu einer staatlich anerkannten Veranstaltung waren es die persönlichen Netzwerke der bereits bekannten Persönlichkeiten, die letztendlich entscheidend waren. Das seit Jahrzehnten bestehende Netzwerk aus Pompeo Molmenti, Ugo Ojetti und Pietro Orsi, die als Verteidiger Venedigs galten, versuchte, den Bedeutungsverlust der venezianischen

62 „La camarilla passatista, ferocemente abbarbicata su le

Venezia." Vincenzo Fani Ciotti (Volt), „La Marcia su Vene-

vecchie posizioni, domina, dispotica, dalle sale della Bien-

zia", in: L'Impero, io. Dezember 1925.

nale veneziana alla redazione del Corriere della Sera. [...]

Mussolini, „Futurismo italiano", in: Il Popolo

La marcia su Roma è un fatto compiuto. Resta ancora da

12. Juni 1924.

fare - a gloria della nuova arte italiana - la marcia su

1926, Mailand 1928, S. 55-64.

63 Vgl. Benito d'Italia,

64 Vgl. Benito Mussolini, Discorsi del

AVANTGARDE UND T R A D I T I O N -

112

DIE UNRUHIGEN I92OER

JAHRE

Kunstausstellungsreihe mit allen Mitteln zu verhindern. Wie bereits gezeigt, hatte Ojetti bereits 1924 mit der von ihm initiierten Einzelausstellung von Ubaldo Oppi versucht, die Gruppe Novecento zu spalten, die zeitgleich in einem anderen Raum unter der Leitung von Sarfatti ausstellte.65 Dies war nur ein kleiner Etappensieg, denn Anfang 1926 hatte Sarfatti auf dem Höhepunkt ihres Einflusses auf Mussolini mit der Prima mostra del Novecento italiano reagiert. Doch bereits mit dieser Ausstellung hatte sie im nationalen Ausstellungswesen ihren Zenit überschritten. Es waren Sarfattis alte Lehrer, die unterstützt von ihrem Kritiker Ugo Ojetti ihren Traum vom Novecento als Staatskunst beendeten. Genauso gelang es ihnen, die Angriffe und Ansprüche der Futuristen um Marinetti in die Internationale Kunstausstellung einzubinden. Der erste wichtige Schritt war die Entscheidung Molmentis, den Bildhauer und Kunstkritiker Antonio Maraini

(1886—1963)

als Mitglied des Verwaltungsrats in die Ausstellung

einzubinden.66 Wie Maraini in seinem Nachlass schreibt, hatte ihn Molmenti in Florenz ange65 Vgl. Margherita Grassini Sarfatti, „Mostra di sei pitto-

Maraini noch das Monopol für die Organisation von Aus-

ri del "900", in: „XIV. Esposizione Internazionale d'Arte

stellungen zeitgenössischer italienischer Kunst im Ausland.

della Città di Venezia", Ausstellungskatalog, Venedig 1924,

Er war u.a. Kommissar für Kunst bei den Weltausstel-

S. 76-77·

66 Der in Rom geborene Maraini besuchte

lungen in Brüssel 1935, Paris 1937 und New York 1939. Er

keine Kunstakademie. Er arbeitete als Bildhauer und

blieb auch während seiner Zeit als Kunstfunktionär künst-

Kunstschriftsteller in Florenz und Rom. In der Anfangszeit

lerisch tätig. Dabei arbeitete er häufig mit dem römischen

schrieb er vor allem für La Tribuna, deren Chefredakteur

Architekten Marcello Piacentini zusammen. 1930 schuf er

er werden sollte. Noch vor dem Ersten Weltkrieg hatte er

für die Basilika San Paolo fuori le Mura in Rom neue

Kontakt zu Ugo Ojetti aufgenommen, der 1920 den ersten

Bronzetüren und 1932 durfte er die Reliefs für das neue

Artikel über ihn und sein Werk verfasste. Ein Jahr später

Treppenhaus der Vatikanischen Museen gestalten. Nach-

hatte er in Rom seine erste Einzelausstellung. In Zusam-

dem er alle Positionen verloren hatte kehrte er in sein

menarbeit mit dem römischen Maler Ciriano Elìsio Oppo

Atelier zurück und widmete sich ausschließlich seiner

war er einer der Organisatoren des faschistischen Künst-

Kunst und ordnete seinen schriftlichen Nachlass. Literatur:

lersyndikats. Aus diesem wurde schließlich 1926 das

Ugo Ojetti, „Lo scultore Antonio Maraini", in: Dedalo,

Sindacato Nazionale Fascista delle Belle Arti, für welches

I. Jg., 1920, S. 742-758; Mostra personale di Antonio

Maraini noch im selben Jahr die erste Mostra Sindacale

Maraini, Ausstellungskatalog, Rom 1921; Ugo Ojetti,

Interprovinciale in Florenz organisiert hatte. In den Jahren

Ritratti d'artisti italiani, 1923; Ν. G. Fiumi, „The sculptures

1925 bis 1930 sollte er neun der regionalen Kunstsyndikate

of Antonio Maraini", in: The Studio, Dezember 1927,

mitbegründen. 1924 hatte er eine eigene Ausstellung in

S. 386; N. G. Fiumi, „Casa colonica ora ,La Casa di Antonio

Venedig. 1925 wurde er auf Initiative von Pompeo

Maraini'", in: Domus, April 1928, S. 10-14; Arduino

Molmenti in den Verwaltungsrat der Internationalen

Colasanti, „Antonio Maraini scultore", in: Architettura e

Kunstausstellung berufen. Schließlich war es dem Einfluss

Arte Decorative, Fase. XIII, September 1931, S. 641-665;

von Ojetti, Orsi und Molmenti zu verdanken, dass er 1927

H. Fürst, „New bronze doors for San Paolo at Rome by sig-

als Nachfolger von Vittorio Pica Generalsekretär der

nore Antonio Marani", in: Apollo, Vol. 14, September 1931,

Ausstellungsreihe wurde. Diesen Posten sollte er bis

S. 182; Adolf Dresler, „Der italienische Bildhauer Antonio

Anfang 1944 behalten. Sein Amt als Sekretär des faschisti-

Maraini", in: Weltkunst, VIII. Jg., Nr. 2, 14. Januar 1934,

schen Nationalsyndikats

der Schönen

Künste,

der

S. 2; Adolf Dresler, „Der italienische Bildhauer Antonio

Berufsvereinigung der bildenden Künstler trat er 1932 als

Maraini", in: Die Kunst, Vol. 75, Januar 1937, S. 124-127;

Nachfolger von Oppo an. Damit war er einer der mäch-

Francesca Bardazzi, Antonio Maraini scultore, Florenz

tigsten Kunstfunktionäre in Italien. Einzig die Verantwort-

1984 u. Massimo del Sabbato, Tra diplomazia e arte: le

lichen der Triennale in Mailand und der Quadriennale in

Biennali di Antonio Maraini (1928-1942), Udine 2006.

Rom besaßen einen ähnlichen Stellenwert. Ab 1933 bekam

DER G E S C H E I T E R T E „ M A R S C H AUF V E N E D I G "

II3

sprochen und ihm dieses Angebot gemacht.67 Maraini, der schon vor dem Ersten Weltkrieg mit Ojetti in Kontakt gestanden hatte und bereits 1924 einen eigenen Saal im Ausstellungspalast hatte, empfahl sich vor allem durch sein Organisationstalent, welches er sich durch die Organisation der regionalen Künstlersyndikate und deren Ausstellungen erworben hatte.68 In Florenz war eine neue Form der Künstlerorganisation entstanden, die nach einem korporativen System organisiert worden war.69 Die wichtigsten Persönlichkeiten des faschistischen Nationalsyndikats der schönen Künste waren Cipriano Elìsio Oppo und Maraini, zwei Männer, in denen Maria Susan Stone den neuen Typus des „state cultural impresario" verkörpert sah.70 In Venedig wurde durch die Ernennung des Sonderkommissars Bruno Fornaciari zum Präsidenten wieder die alte Einheit zwischen Stadtoberhaupt und Ausstellungspräsident hergestellt. Im Verwaltungsrat konnten sich Fornaciari, Bordiga, Pica und die zahlreichen Mitglieder nicht auf eine eindeutige Linie für die nächste Kunstausstellung einigen.71 So versuchte sich der so stark kritisierte Generalsekretär Pica an dem Kunststück, es allen Seiten (lokalen Künstlern, Novecento, Futurismus und der lokalen und nationalen Politik) recht zu machen. Eine Aufgabe, die er ohne die Rückendeckung der lokalen Politik nicht meistern konnte. Für die Vertreter der Stadt und die venezianischen Künstler berücksichtigte er zu wenig die venezianische Tradition der Ausstellung; für das neu gegründete Nationalsyndikat der Schönen Künste, welches in Venedig durch Antonio Maraini repräsentiert wurde, war Pica zu wenig klassisch-national in seiner Kunstauswahl. Doch sollten diese Kritiken nicht darüber hinwegtäuschen, dass Pica vor allem bei den ausländischen Künstlern und zahlreichen Vertretern der vor allem von Frankreich geprägten zeitgenössischen italienischen Malerei höchstes Ansehen genoss. Zumindest gelang es Pica, die Hauptkritiker der Ausstellung, Futuristen und Novecento, in die Ausstellung von 1926 einzubinden. Auf Abb. 40 ist er mit Margherita Sarfatti vor dem Ausstellungspalast zu sehen. Die Verantwordichen der Internationalen Kunstausstellung reagierten äußerst geschickt, indem sie beide Künstlergruppen für die Ausstellung gewinnen konnten und ihnen somit den Wind aus den Segeln nahmen. Es überwogen persönliche Ausstellungen verstorbener, aber auch zahlreicher lebender italienischer Künstler. Einen star67 Vgl. GNAM, FM, Cart. 42, Nomina Segretario Gene-

in Italien, Rom 1935.

rale e Leggi Biennale, 1927-1930, Brief Molmenti an

dium und Verwaltungsrat setzten sich 1926 zusammen

70 Stone 1998, S. 54.

Maraini, 8. Mai 1925.

68 Bei dieser Neuorganisation war

aus: Bruno Fornaciari (Präsident), Giovanni Bordiga (Prä-

Maraini, der bereits 192; das Sindacato degli Artisti in

sident des Verwaltungsrats), Nino Barbantini, Guido

71 Präsi-

Florenz gegründet hatte, einer der Hauptorganisatoren.

Cadorin, Felice Carena, Felice Casorati, Cesare Laurenti,

Aus diesem wurde schließlich 1926 das Sindacato Nazio-

Antonio Maraini, Luigi Marangoni, Edoardo Rubino, Ar-

nale Fascista delle Belle Arti, fìir welches Maraini noch im

turo Tosi, Angelo Zanelli (Consiglieri), Vittorio Pica

selben Jahr die erste Mostra Sindacale Interprovinciale in

(Segretario generale), Romolo Bazzoni (Direttore ammi-

Florenz organisiert hatte. In den Jahren 1925 bis 1930 sollte

nistrativo), Segretaria: Domenico Varganolo (Dirigente

er neun der regionalen Kunstsyndikate mitbegründen.

l'ufficio), Ufficio stampa: Elio Zorzi (Stampa italiana),

69 Vgl. O.A., Zur Organisation der Berufsverbände. Die

Leopoldo Brosch (Stampa straniera).

syndikale Berufsorganisation und das kooperative System

114

AVANTGARDE UND TRADITION -

DIE UNRUHIGEN I92OER

JAHRE

ken Auftritt hatten die Futuristen um Marinetti, denen man den im Vorjahr gefeierten russischen Pavillon überlassen hatte, da die UdSSR nicht an der Ausstellung teilnahmen. Wie eine eigene Nation behandelt konnten sich die Provokateure von 1910 in den Giardini austoben, obwohl deren ehemalige Dynamik schon zur Routine erstarrt war. Deren Leiter Marinetti fühlte sich noch immer als Vertreter einer Avantgarde der faschistischen Kunst und konnte dabei auf die Förderung und Freundschaft Mussolinis bauen. Dem Erfolg der Novecento-Ausstellung, die von Mussolini eröffnet worden war, setzte man bei der Eröffnungszeremonie 1926 das Staatsoberhaupt König Vittorio Emanuele III. und drei einflussreiche Minister entgegen. Zwei von ihnen, Graf Giuseppe Volpi di Misurata (Finanzen) und Giovanni Giuriati (Lavori Pubblici), waren auch Venezianer.72 Der dritte war 72 Giuseppe Volpi war während seiner Zeit als Gouver-

nien und den USA. Zwischen 1925 und 1926 führte er

neur in Tripolitanien geadelt worden. Der neue Titel Conte

Verhandlungen mit Mellon und Churchill, wobei es ihm

von Misurata bezieht sich auf eine Hafenstadt in Lybien.

gelang sehr gute Konditionen auszuhandeln. Nachdem

Der in Venedig geborene Giuseppe Volpi war eine der

ihm auch die Stabilisierung der Lira gelang wurde er in

schillerndsten Persönlichkeiten der ersten Hälfte des

Italien gefeiert und im Ausland respektiert. Ab Anfang

20. Jahrhunderts in Italien. Der durch den Handel mit

1927 kam es immer öfter zu Spannungen zwischen Volpi

dem Balkan reich gewordene Kaufmann entwickelte sich

u n d Mussolini wegen unterschiedlicher Ansichten in

ab dem Beginn des Jahrhunderts zu einem der einfluss-

Währungspolitik. Im Juli 1928 wurde er entlassen blieb

reichsten Unternehmer in Venedig und der Adria. 1905

aber Staatsminister ohne eigenen Aufgabenbereich. Seine

hatte er einen Hafen und eine Eisenbahnstecke in der Stadt

Gründung Porto Marghera wuchs ständig und auch die

Antivari in Montenegro errichtet. Ab 1906 konzentrierten

anderen wirtschaftlichen Aktivitäten waren sehr erfolg-

sich seine Aktivitäten auf Venedig und das Veneto. Er war

reich. Mitte der 1930er Jahre war er in mehr als 40 Auf-

beteiligt an der Banca Commerciale Italiana, Società

sichtsräten vertreten. 1934 wurde er Präsident des faschis-

Adriatica di Elettricità (SADE), der Compagnia dei Grandi

tischen Unternehmerverbandes, der Confederazione fas-

Alberghi (CIGA), dem Industriehafens Porto Marghera

cista degli industriali (CONFINDUSTRIA). Außerdem

und zahlreicher weiteren Unternehmen in verschiedenen

war er Besitzer der venezianischen Zeitung Gazzettino. Zu

Branchen. Neben diesen unternehmerischen Aktivitäten

seiner Macht in der Wirtschaft gesellte sich ab 1928 kultu-

startete er bereits unter Ministerpräsident Giolitti seine

relle Spitzenpositionen: Procuratore di San Marco (ab

diplomatische Karriere. 1911/12 war er bei den Friedens-

1929), Präsident des Aufsichtsrats der städtischen Museen

verhandlungen mit dem Osmanischen Reich wegen der

(ab 1928), Präsident der Biennale (ab 1930), Präsident des

lybischen Gebiete in Nordafrika in Ouchy am Genfer See

Centro Studi Adriatici, Präsident des Golfclubs von

beteiligt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er vom König

Venedig (ab 1930), Rotary-Club. Er besaß den Palazzo

zum Gouverneur in Tripolitanien ernannt, wo er mit har-

Bernardo und den Palazzo Vendramin Calergi, zudem war

tem militärischen Einsatz die Situation befriedete und den

er als Besitzer der Villa Barbaro in Maser verantwortlich

infrastrukturellen Ausbau vorantrieb. Diesem Einsatz bei

für die Restaurierung der berühmten Fresken Paolo Vero-

dem Tausende Lybier ermordet wurden, hatte er seinen

neses. Bei der Zusammenarbeit mit dem nationalsozialisti-

Adelstitel Conte di Misurata zu verdanken. Misurata ist

schen Deutschland spielte er eine exponierte Rolle. 1941

eine Hafenstadt östlich von Tripolis. Bei seiner Rückkehr

wurde er zum Präsidenten der Internationalen Filmkam-

nach Venedig wurde er von seiner Heimatstadt mit allen

mer (IFK) gewählt, die jedoch von Berlin aus kontrolliert

Ehren empfangen und war nunmehr der uneingeschränkt

wurde. Bereits im Frühling aus dem Großen Rat des

mächtigste Mann der Stadt. Denn während dieser Zeit

Faschismus entfernt stand er den Kreisen u m Badoglio

waren seine wirtschaftlichen Aktivitäten kontinuierlich

nahe und wurde im September 1943 von der SS verhaftet.

fortgesetzt worden. Aufgrund seines ökonomischen und

Nach Flucht und Exil in der Schweiz kehrte er 1947 nach

diplomatischen Talents berief ihn Mussolini im Juli 1925

Rom zurück und starb dort noch im selben Jahr. Literatur:

zum Finanzminister. Dort war eine seiner Hauptaufgabe

„S. E. il Conte Giuseppe Volpi, Governatore della Tripoli-

die Regelung der Kriegsschuldentilgung mit Großbritan-

tania, solennemente ricevuto dal Consiglio Comunale", in:

DER G E S C H E I T E R T E „ M A R S C H AUF VENEDIG*'

115

Bildungsminister Pietro Fedele. Die Reaktion der Presse war größtenteils positiv, aber Pica hatte keine Kraft mehr, sich mit den ständigen Kämpfen, Kritiken und Problemen auseinanderzusetzen. Er entschied sich, nach Ende der Ausstellung seinen Posten als Generalsekretär aufzugeben. Als er Anfang 1927 seinen alten Freund Ojetti kontaktierte, um ihn zu bitten, Maraini davon zu überzeugen, den Posten des Generalsekretärs zu übernehmen, war im Hintergrund bereits alles entschieden worden.73 Seit Anfang des Jahres hatten Maraini und Ojetti die Pläne für die Übernahme der Ausstellungsleitung ausgearbeitet. Auf Marainis Wunsch sollte Ojetti die Präsidentschaft übernehmen und er träumte bereits von der feierlichen Eröfinungszeremonie des Jahres 1928. „Am 24. April halten Sie die Eröffnungsrede und Seine Majestät, der Duce [...] und das Publikum betreten eine Ausstellung, wie es sie noch nie gegeben hat und wie sie sie noch nie gesehen haben. " 74 Im Vorfeld hatte Ojetti auch mit Podestà Orsi über die Nominierung Marainis gesprochen.75 Am 15. März trafen sich dann Orsi und Maraini im Bahnhofsrestaurant von Bologna und schienen sich schnell einig geworden zu sein. Kurz danach wurde Maraini nach Venedig eingeladen, um mit Margherita Sarfatti weitere Details zu besprechen.76 Es gelang ihm, Sarfatti davon zu überzeugen, dem Verwaltungsrat beizutreten, da es ihr sehr lieb wäre, „ . . . unter den Anweisungen meines geliebten Lehrers (Orsi, Anm. d. A.) zu arbeiten, damit Kunst und Italianität für immer mein Venedig als ihren Sitz haben."77 Am 1. Mai 1927 wurden der Rücktritt Picas und die Ernennung Marainis bekannt gegeben. In einem Brief an Orsi hatte Pica seine Gründe für den Rücktritt geschildert. Im heutigen Italien behauptet sich, erst seit einigen Jahren, eine jugendliche Bewegung von Erneuerung und Veränderung, in der sich zukunfts- und vergangenheitsorientierte Elemente auf sonderbare Weise vermischen und deren Ziel es Rivista di Venezia, II. Jg., April 1923, S. 73-75; Vittoria

1311.

Cian, „Giuseppe Volpi Conte di Misurata Mecenate", in: Il

Maraini n o n se ne forse cortesamente assunto l'incarico."

Regno, 8. Dezember 1925, S. 5; „Volpi di Misurata", in:

GNAM, FO, Cass. 58, Brief Pica an Ojetti, 12. Aprii 1927.

Rivista di Venezia, Dezember 1925, S. 3-14; Oreste Mosca,

74 „II 24 Aprile, Lei fa il discorso inaugurale e S.M., il

Volpi di Misurata, Roma 1928; Associazione degli indus-

Duce [...] e il pubblico entrano in una esposizione quale

triali nel 40. anniversario di Porto Marghera/Rotary Club

n o n s'è e n o n h a n n o mai visto." GNAM, FO, Cass. 45, Brief

di Venezia nel 35. anniversario della sua fondazione (Hg.),

Maraini an Ojetti, 25. Februar 1927.

Giuseppe Volpi, Ricordi e testimonianze, Venedig 1959;

zunächst stellvertretender Bürgermeister von Venedig war,

Fabrizio Sarazani, L'ultimo doge. Vita di Giuseppe Volpi di

wurde er a m 10. September 1926 zunächst z u m R. C o m -

73 „Aver telefonato io stesso al Salviatino, se

75 Nachdem Orsi

Misurata, Florenz 1972; Sergio Romano, Giuseppe Volpi,

missario u n d dann am 16. Dezember z u m Podestà von

industria e finanza tra Giolitti e Mussolini, Milano 1979;

Venedig ernannt. Vgl. GNAM, FO, Cass. 45. 23 (I), Brief

Sergio R o m a n o , Giuseppe Volpi et l'Italie m o d e r n e ;

Orsi an Ojetti, 3. März 1927 der einem Brief Ojetti an

Finance, industrie et État de l'ère giolittienne à la 2. Guerre

Maraini, 5. März 1927 beigefügt war.

mondiale, R o m 1982; Ernesto Brunetta, „L'egemonia di

Cart. 42, Brief Orsi an Maraini, 20. März 1927 u. Brief Orsi

76 GNAM, FM,

Volpi sul fascismo veneziano", in: Emilio Franzina, Vene-

an Maraini, 28. März 1927.

zia, Bari 1986, S. 166-170; Maurizio Reberschak, „Gli

lavorare sotto gli ordini del mio amatissimo maestro, per

77 „sarebbe m o l t o caso

uomini capitali: il „gruppo veneziano" (Volpi, Cini e gli

con sempre d'arte e di italianità la quale ha per sede la mia

altri)", in: Mario Isnenghi/Stuart Woolf (Hg.), Storia di

Venezia." Ebd., Brief Sarfatti an Orsi, 10. April 1927.

Venezia. L'Ottocento e il Novecento, Roma 2002, S. 1255-

Il6

AVANTGARDE UND T R A D I T I O N -

DIE UNRUHIGEN I92OER

JAHRE

ist, die Erscheinungsform in der Welt der bildenden Kunst zu ändern, und die ihren Einfluss auf Auswahl und Präsentation der ausgestellten Werke geltend machen will. [...] Nicht nur deswegen bin ich immer mehr der Ansicht, dass der Auftrag, die Kräfte zu disziplinieren und die Veranstaltungen der wichtigsten und renommiertesten

italienischen Ausstellung dadurch zu regeln, dass sie

einem neuen Mann anvertraut wird, der in vorhergegangene Kämpfe und auch Siege auf dem Feld der Kunst noch nicht verwickelt war,78 Die Gründe lagen also vor allem in der massiven Kritik und in den ständigen Konflikten mit der städtischen Führung und den lokalen Künstlern, die sich bei Picas moderner und internationaler Kunstauswahl nicht angemessen berücksichtigt fühlten. Auf nationaler und internationaler Ebene waren die Künstler von seiner Arbeit begeistert, wie die zu seinen Ehren organisierte Ausstellung in einer Mailänder Galerie bewies.79 Die Reaktionen der beiden Vorgänger auf die Benennung waren sehr positiv. Pica beglückwünschte Maraini und Fradeletto schrieb, dass er Maraini für „... den würdigsten, dieses Amt zu übernehmen " hielt.80 Margherita Sarfatti freute sich auf die „Zusammenarbeit für die neue Kunst unseres neuen Italiens."*1 Kurz nach der Ernennung Marainis zum Generalsekretär wurde auch die Konkurrenz zur Biennale Romana geklärt, denn am 11. Mai 1927 wurde die seit 1921 in Rom stattfindende Ausstellungsreihe nach nur drei Ausstellungen eingestellt. Der Neuling hatte sich nicht durchsetzen können, da in Venedig schon eine gut etablierte Ausstellung internationaler Kunst existierte. Deshalb entschied sich der Gouverneur von Rom, Lodovico Spada Potenziani, dazu, um Vergleiche und Überschneidungen zu vermeiden zukünftig nur noch eine Ausstellung der besten nationalen Kunst durchzuführen und „... Venedig die ruhige Durchführung der internationalen Manifestationen

zu überlassen, zu deren Erfolg vor allem die

Existenz der Pavillons der verschiedenen ausländischen Nationen beiträgt. " 82 Es war beschlossen worden, die erste Esposizione Quadriennale d'Arte Nazionale im Jahr 1931 durchzuführen. 78 „Ora in Italia, da qualche anno appena, si va afferman-

80 »... il più degno di assumere il Suo ufficio" GNAM, FM,

do tutto un giovanile movimento di rinnovazione e di

Cart. 42, Insgesamt finden sich in diesem Hefter ca. 70

trasformazione in cui si mescolanao curiosamente ele-

Briefe und Postkarten in denen Maraini zu seinem neuen

menti futuristi ed elementi passatisti, che vuol cambiare

Amt beglückwünscht wird; hier Brief Fradeletto an

figura al mondo delle belle arti e che vuole esercitare la sua

Maraini, 9. Mai 1927.

influenza nella scelta e nella presentazione delle opere

cata vostra collaborazione per l'arte nuova della nuova

destinante alle esposizioni. [...] Ciò non pertanto io sem-

nostra Italia." Ebd., Brief Sarfatti an Maraini, 5. Mai 1927.

pre più mi vado persuadendo che l'incarico di disciplinare

82 „... lasciando a Venezia il tranquillo svolgimento di

le forze e di regolarne le manifestazioni nella più impor-

manifestazioni internazionali, al cui successo giova in par-

tante e nella più accreditata nelle Esposizioni Italiane,

ticolar modo la esistenza dei padiglioni delle varie nazioni

81 „assai lieta io pure della auspi-

debba affidarsi ad un Uomo nuovo non compromesso da

straniere." GNAM, FO, Cass. 54, Governatore di Roma.

precedenti battaglie e anche da precedenti vittorie nel

Verbale dei decreti e delle deliberazioni del Governo.

campo dell' arte." Brief Pica an Orsi, 25. Aprii 1927, in:

Oggetto Istituzione delle Esposizioni Quadriennali d'Arte

Gazzetta di Venezia, 1. Mai 1927, S. 3.

Nazionale, Estratto N. 3893,11. Mai 1927.

79 „Onoranze a

Vittorio Pica", in: Le Tre Venezie, III. Jg., Juli 1927, S. 51.

D E R G E S C H E I T E R T E „ M A R S C H AUF V E N E D I G * '

„Der Verwaltungsrat der venezianischen Biennale will beim Beginn der

117

Vorbereitungsarbeit

für die sechzehnte Ausstellung Eurer Exzellenz einen disziplinierten Gruß darbringen, den Vorschlag bestätigend, die Kunst des erneuerten Italiens würdig aufzuwerten."*3 Mit diesem Telegramm begann die Arbeit des neuen Verwaltungsrats, welcher das Ziel vertrat, sich näher an die Regierung in Rom anzulehnen.84 Kurz darauf wurde das neue Programm der Internationalen Kunstausstellung von 1928 veröffentlicht, welches zum einen eine inhaltliche Fortsetzung der Tradition der Freiheit bei der künstlerischen Auswahl vorsah, zum anderen gleichzeitig die Kunst des Faschismus repräsentieren sollte. Maraini hatte die Absicht, nur ein Jahr den Posten des Generalsekretärs zu übernehmen, ... weil ich wünsche, so bald wie möglich in mein Atelier und zu meiner Kunst zurückzukehren,

aber auch, weil das Amt des Generalsekretärs von Ausstellung

zu Ausstellung einer anderen Person anvertraut werden sollte. [...]

Um die

Kontinuität der Veranstaltung zu garantieren, genügen die Stabiltät der Organisation, die Einheit der Tradition, die administrative

Verwaltung und das Büro

des Sekretariats, die sicheren Händen anvertraut und nachgewiesen durch den Erfolg in allen Biennalen, von der ersten bis zur letzten, niemals gewechselt wurden.85 Mit dem Umzug des Ausstellungssekretariats in den Palazzo Ducale nahe der Ponte della Paglia begann dessen Reorganisation.86 Dabei konnte Maraini wie seine beiden Vorgänger auf die Erfahrung von Romolo Bazzoni als technischen Direktor zurückgreifen. Da Maraini die meiste Zeit entweder in Florenz oder Rom lebte, koordinierte er die Ausstellungsvorbereitungen schriftlich und telefonisch über Bazzoni und Varagnolo. So delegierte er seine Wünsche an seine Mitarbeiter, die diese umzusetzen hatten.87 Nur in der direkten Vorbereitungsphase der einzelnen Ausstellungen lebte er in Venedig und suchte stets die enge Absprache

83 „II Consiglio direttivo delle Biennale veneziane nell'-

l'unità della tradizione, bastano la direzione amministrati-

iniziare il lavoro di preparazione della sedicesima Esposi-

va e l'ufficio di segretaria, che sono affidati in mani sicure

zione porge a Vostra Eccellenza un disciplinato saluto

e provate dal successo non mai smentito di tutte le Bien-

affermando il proposito di valorizzare degnamente l'arte

nali, dalla primo sino all'ultima." „II programma della

Italia rinnovata." Telegramm Consiglio direttivo an Mus-

XVIa Biennale di Venezia", in: Gazzetta di Venezia, 25. Mai

solini, in: Gazzetta di Venezia, i l . Mai 1927.

1927.

84 Präsi-

86 S. Antonio Maraini, „II nuovo assetto e l'avve-

dium und Verwaltungsrat setzten sich 1928 zusammen aus:

nire dell'arte italiana", in: Le Tre Venezie, IV. Jg., Nr. 5, Mai

Pietro Orsi (Präsident), Nino Barbantini, Italico Brass

1928, S. 53.

(Maler, Venedig), Beppe Ciardi (Maler, Venedig), Cipriano

denza con Segretaria 1926-1928 u. Cart. 65, Archivio Arte

Efisio Oppo, Edoardo Rubino (Bildhauer, Turin), Marghe-

Contemporanea. Allein zwischen Mai 1927 und Dezember

rita Sarfatti, Arturo Tosi (Maler, Mailand).

85 „... per-

1928 schrieb Bazzoni 177 Briefe an Maraini, um ihm über

chè desidero ritornare al più presto al mio studio ed alla

den Fortgang der Arbeiten zu berichten, Details oder

mia arte, ma anche perchè ritengo che la carica di Segre-

Entscheidungen zu erfahren etc. Genauso finden sich zahl-

tario Generale debba poter essere di esposizione in esposi-

losen Briefe von Varagnolo. Vgl. GNAM, FM, Cart. 43,

87 Vgl. GNAM, FM, Cart. 43, Corrispon-

zione affidata a persona diversa. [...] Ad assicuarare la

Corrispondenza con Segretaria 1926-1928 u. Cart. 65,

continuità dell'Impresa la stabilità dell'organizzazione,

Archivio Arte Contemporanea.

Il8

AVANTGARDE UND T R A D I T I O N -

DIE UNRUHIGEN I92OER JAHRE

mit dem erfahrenen Ojetti.88 So war es Ojetti, der den Kontakt zu Finanzminister Volpi di Misurata herstellte, von dem sich Maraini Hilfe und Unterstützung in Rom erhoffte.89 Somit stand dem Ausbau Venedigs zum Zentrum der internationalen zeitgenössischen Kunst nichts mehr im Wege. In der Folge lag es einzig am Einsatz des Generalsekretärs Maraini, die von ihm formulierten Ziele auch in die Tat umzusetzen. Dazu war es zunächst erforderlich, von der Regierung als offizielle regelmäßige Veranstaltung anerkannt zu werden. Hierzu bereitete er einen Text vor, in dem er pointiert seine Gedanken für die Zukunft der Ausstellungsreihe darlegte, um diese durch Podestà Orsi Mussolini zu präsentieren.90 Hierbei war vor allem Volpi äußerst hilfreich, der seine Kontakte nutzte sowie eine permanente finanzielle Unterstützung des Staates forderte. Er versicherte Maraini, dass ein Gesetz auf dem Weg sei, welches der Stadt Venedig die alleinige Organisation, Bahnermäßigungen und eine finanzielle Unterstützung von 1 5 0 . 0 0 0 Lire garantieren würde.91 Nach ersten positiven Reaktionen aus Rom bemühte sich Maraini um die persönliche Unterstützung von Benito Mussolini. Ab Anfang des Jahres 1928 begann er intensiv um dessen Gunst zu buhlen. So schenkte er ihm einen kompletten Satz der bisherigen Ausstellungskataloge, begleitet mit der Bitte um eine persönliche Audienz.92 Zur Absegnung der von ihm ausgewählten Jury schickte Maraini eine Liste mit den Namen an Mussolini und betonte in einem Begleitbrief an dessen Chefsekretär: „ Es ist meine Verpflichtung und mein lebendiger Wunsch, der venezianischen Biennale die staatliche Anerkennung zu gewährleisten. " 93 Maraini war mit seinem Engagement erfolgreich und wurde am 27. März 1928 von Mussolini empfangen. Der Regierungschef hat den Kriterien sowohl für die Einladungen als auch für die Arbeit der Jury zugestimmt und den Vorschlag unterbreitet, dass ab jetzt künftig die regionalen und nationalen Ausstellungen als Prüfung für die Aufnahme bei der Internationalen Kunstausstellung von Venedig gelten sollen. Schließlich hat der Regierungschef das Interesse der Ministerien und staatlichen Körperschaften an Ankäufen bei der XVI. Biennale bestätigt.94

88 Vgl. zur Rolle Ojettis bei der Organisation der ersten

che sarebbe mio dovere, dato il riconoscimento statale

Ausstellungen von Maraini Marta Nezzo, „Ojetti e le prime

concesso alla Biennale Veneziana, ed è mio vivo desiderio."

Biennali di Maraini: spunti per una ricerca", in: Donazione

ACS, PCM, 1931-33,14.1.734, Sottofasc. 1, XVI Esposizione

Eugenio da Venezia, Nr. 14, Venedig 2005, S. 47-57.

Internazionale d'arte (1928), Brief Maraini an Beer, 18. Fe-

89 Vgl. GNAM, FO, Cass. 45,23 (I), Briefwechsel Maraini

bruar 1928.

an Ojetti, August 1927.

90 Vgl. GNAM, FM, Cart. 42,

provato i criteri seguiti sia per gli inviti, come per l'opera

Nomina Segretario Generale e Leggi Biennale 1927-1930.

della giuria, ed ha accolto la proposta che d'ora innanzi le

94 „II Capo del Governo ha pienamente ap-

Leggi di Autorizzazione permanente della Biennale di

Esposizioni regionali e nazionali di Roma servano di vag-

Venezia 1927-28, Text von Maraini, 14. November 1927.

lio per aspirare all'ammissione a quella internazionale di

91 Ebd. Brief Volpi an Maraini, 8. Januar 1928.

92 Vgl.

Venezia. Infine il Capo del Governo ha assicurato l'interes-

ACS, PCM, 1928-30,20.9.328, Omaggio a S. E. il Capo del

samento dei Ministeri e degli Enti Statali per acquisti nella

Governo della raccolta completa dei cataloghi delle 15 Es-

XVI Biennale." Ebd., Pressemitteilung, 27. März 1928.

posizioni Biennali di Venezia dal 1895 al 1926.

93 „Ciò

DER G E S C H E I T E R T E „ M A R S C H AUF V E N E D I G "

119

Mit dem offiziellen Segen des Duce schrieb Maraini einen Artikel über die neue Ordnung und die Zukunft der italienischen Kunst, worin er seine weitreichenden Pläne für die Entwicklung Venedigs zu einem permanenten Zentrum für die Erforschung der zeitgenössischen Kunst darlegte.95 Mit der erstmals 1928 verwendeten Zeichnung von Bruno Bramanti als Titelbild des Katalogs wurde die angestrebte Autonomie von der Stadtverwaltung Venedigs vorweg genommen (Abb. S. VIII).96 Es zeigt die Giardini als im Meer schwimmende Insel; die restliche Stadt wurde vollkommen ausgespart, nur am linken Bildrand ist eine kleine Brücke zu erkennen, die eine Verbindung zur Stadt darstellt. Damit lief die offizielle Präsentation als autonome Ausstellungsinstitution synchron mit der tatsächlich stattfindenden Veränderung ihrer Organisationsstrukturen. Zwischen Orsi und Maraini funktionierte die Zusammenarbeit und es schien, als würde man wieder die alte Harmonie wie die zwischen Grimani und Fradeletto erreichen. Die Auswahl der ausstellenden Künstler wurde von einem Beirat vorgenommen, in dem Maraini großen Einfluss hatte. Mit dem Umbau der Organisationstrukturen wurden auch bauliche Veränderungen vorgenommen, um den neuen Geist zu verdeutlichen. Am Ausstellungspalast waren die beiden Türme an der Fassade entfernt worden und auch im Inneren begannen die Veränderungen direkt hinter dem Haupteingang. Der zuvor beschriebene Kuppelsaal mit den Fresken Chinis wurde komplett umgestaltet und überformt (Abb. 41). 97 Der dafür ausgewählte Architekt Gio Ponti ließ eine klassische, vom Geist der Vereinfachung inspirierte und auf die pure Form der architektonischen Elemente reduzierte neue Kuppelgestaltung realisieren. Im Zentrum des Raumes stand eine Bronzestatue der Vittoria von Edoardo Rubino. Der zentrale Saal wurde von Marcello Piacentini (1881—1960) zum Salone delle Feste und für die Mostra dell'Arte del Teatro umgestaltet.98 Gezeigt wurden dort Entwürfe für Bühnenbilder, Dekorationen und Kostüme. Ein weiterer Höhepunkt war die Mostra della Pittura Italiana dell'800, die von Ojetti, Oppo, Maraini und Sarfatti verantwortet wurde. Der bei der letzten Ausgabe noch mit eigenem Pavillon vertretene Futurismus musste sich mit einem kleinen Nebensaal begnügen. Bei den nationalen Beiträgen müssen nur Deutschland (u. a. Lovis Corinth, Franz Marc, Emil Nolde) und Frankreich (Paul Gauguin, Henri Matisse, Emile Bourdelle) erwähnt werden.99 Die Entwicklung der Ausstellungspolitik führte immer mehr auch in Richtung Kunsthand95 S. Antonio Maraini, „II nuovo assetto e l'avvenire

land (1933), der Palazzo del Rettorato der römischen

dell'arte italiana", in: Le Tre Venezie, IV. Jg., Nr. 5, Mai 1928,

Universität, (1936), die städtebaulichen Planungen für die

S. 1 5 - 1 9 .

Internazionale

Esposizione Universale di Roma 1942 (1938-1942) und die

d'Arte della città di Venezia 1928", Ausstellungskatalog,

Zerstörung des „spina dei Borghi" fur die Via della Con-

Venedig 1928.

ciliazione (1941).

96 Vgl. „XVI. Esposizione 97 S. ebd., S. 18.

98 Piacentini wurde

99 Mit eigenen Pavillons nahmen

durch seinen Entwurf für das Zentrum von Bergamo

Holland (Regierung), Belgien (Regierung), Spanien (Re-

bekannt. 1910 entwarf er den italienischen Pavillon für die

gierung), UdSSR (Accademia di Stato delle Scienze d'Arte

Weltausstellung in Brüssel. Er vertrat in der Architektur

Moscau), Deutschland (Dornhoeffer, München), Groß-

des Faschismus eine Rückkehr zur „via nazionale all' archi-

britannien (Royal Society of British Artists), Frankreich

tettura", die sich auf die römische Vergangenheit stützte.

(Musée national du Luxembourg),

Seine bekanntesten Bauten sind der Palazzo delle Cor-

(Künstlervereinigung) u. Ungarn (Regierung) teil.

porazioni (1931) in Rom, der Palazzo di Giustizia in Mai-

Tschechoslowakei

120

AVANTGARDE U N D T R A D I T I O N - DIE U N R U H I G E N I 9 2 O E R JAHRE

werk, das schließlich 1932 seinen eigenen Pavillon erhalten sollte.100 Neben dem Ausbau der Räumlichkeiten für Ausstellungszwecke erfuhr auch die gastronomische Versorgung der Besucher eine Verbesserung. Durch den venezianischen Architekten Brenno del Giudice wurden neue Eingangspavillons, ein kleines Bar-Restaurant und weitere kleinere Bauten errichtet.101 Als Vertreter des italienischen Königshauses kam Adalberto von Savoyen, Herzog von Bergamo, zur Eröffnung.102 Die landesweite Wirkung der festlich inszenierten Eröffnungen konnte seit 1928 durch die Einführung der italienischen Wochenschauen der L'Unione Cinematografica Educatrice (LUCE) aus Rom gesteigert werden.103 Diese berichteten von nun an regelmäßig über die Eröffnungen, die ausgestellte Kunst und die hochrangigen Besucher. Das Interesse an der Förderung der Ausstellung von Seiten Mussolinis war nicht allzu groß, denn auch nach eindringlicher Bitte durch Podestà Orsi, mit Ankäufen bei der Ausstellung als Vorbild für staatliche Institutionen zu dienen, erteilte er diesem Anliegen eine strikte Absage.104 Trotz der sehr bescheidenen städtischen Mittel konnte die städtische Galerie im Palazzo Ca' Pesaro mit dem Porträt eines Rabbi von Marc Chagall einen bedeutenden Ankauf tätigen (Abb. 42). Die Feststellung eines berühmten französischen Künstlers (Henri Matisse, Anm. d. A.) nach seiner Rückkehr aus Pittsburgh wiedergebend, wo er als Mitglied der Jury damit beauftragt war, den Carnegie-Preis zu verleihen, zögere ich nicht zu behaupten, dass zur Zeit keine andere Ausstellung existiert, die mit der in Venedig konkurieren könnte, sowohl im Hinblick auf die Organisation, als auch hinsichtlich der Pracht der Säle und der repräsentierten Länder.105 Die Ausstellung stieß trotz der umfangreichen Neuerungen und der sehr guten Kritik auf ein sehr geringes Besucherinteresse. Mit 1 7 2 . 8 4 1 Besuchern hatte man einen historischen Tiefstand erreicht. In dieser Zahl zeigt sich deutlich der Umstand, dass die Weltwirtschaftskrise an dem trotz der Industrialisierung auf dem Festland immer noch sehr stark vom Tourismus abhängigen Venedig nicht spurlos vorbei gegangen war. Zur Gesamtsituation im Jahr 1928

100 Vgl. Longo 2005, S. 184-194.

101 Vgl. Ugo Nebbia,

Siehe http://www.archivioluce.com/, Rev. 2006-11-23.

La XVI. Esposizione Internazionale d'arte Venezia, Mai-

104 Vgl. ACS, PCM, 1931-33, 14-1-734, Sottofasc. 1, Brief

land/Rom 1928, S. 3 f.

Orsi an Mussolini, 16. Mai 1928 u. Appunto per il Capo del

102 Vgl. Giornale LUCE, A 77,

Inaugurata la Biennale di Venezia, 17. Mai 1928.

Governo, 3. Juni 1928.

103 Vgl. Aldo Salvadori, „L.U.C.E. e la Cinematografia

d'un illustre artiste français à son retour de Pittsburgh, où

Educativa Fascista", in: Le Tre Venezie, IV. Jg., Nr. 1,

il avait fait partie de jury chargé de décerner les prix

Gennaio 1928, S. 61-63. Mit dem Anfang 1928 in Rom

Carnegie, je n'hésiterai pas à affirmer qu'il nèxiste actu-

gegründeten Istituto L.U.C.E. wurde ein weiteres Instru-

ellement aucune exposition qui puisse rivaliser avec celle

ment zur Verbreitung der Politik geschaffen. Diese Be-

de Venise, tant au point de vue de l'organisation qu'au

richte sind der Mediateca des historischen Archiv des

regard de la splendeur des salles et du nombre des pays

Istituto LUCE aufgelistet. Unter dem Suchbegriff Biennale

représentés." Mario Tozzi, „Le pavillon français a l'exposi-

Venezia erhält man über 70 Treffer, die Berichte über die

tion de Venise", in: L'Amour de l'Art, IX. Jg., Juni 1928,

Biennale von den 1920er bis in die 1970er Jahre enthalten.

S. 235-237, hier S. 235.

105 „Reprenant la déclaration

DER G E S C H E I T E R T E „ M A R S C H AUF V E N E D I G "

121

beschreibt Ojetti ein Gespräch mit Paolo Venini, einem der großen venezianischen Glasproduzenten: Heute Abend hat mir Paolo Venini den raschen Niedergang Venedigs erläutert: der Adel ausgestorben oder emigriert; das Bürgertum weit weg; leere Palazzi (um sechs Uhr abends, wenn man den Canal Grande entlangfährt, sieht man kein beleuchtetes Fenster mehr). Paläste werden in Cannareggio für zwei- oder dreihundert Tausend Lire verkauft, das Industriegebiet und der Hafen von Bottenighi hat Padua mehr genutzt als Venedig; Armut; Industrie wandert ab; lokale Wirtschaft null; im Theater sieht man Verkäuferinnen und ein paar Juden; Fremdenindustrie, kurz und kapriziös.106 Das als als Istituto Storico d'Arte Contemporanea gegründete Archivio storico dell'arte contemporanea (ASAC) öffnete seine Türen am 8.November 1928 als dynamisches Gedächtnis der Ausstellungsreihe. Unter der Leitung des Gründers Domenico Varagnolo wurden dort zahlreiche neue publizistische Initiativen zur Geschichte, Bedeutung und Zukunft der zeitgenössischen Künste gestartet. Ziel war es, Venedig über die Rolle als wichtiger Kunstmarkt hinaus zu einem internationalen Zentrum für den Austausch zwischen Kunstkennern, Künstlern, Sammlern und Kunstkritikern zu machen. Es war für Wissenschaftler, Studenten und Künstler möglich, die Bestände zu konsultieren, um das Niveau der Berichterstattung der zeitgenössischen Kunstkritik zu erhöhen. Maraini konzentrierte sich nicht ausschließlich auf die Organisation seiner Ausstellung, sondern mischte sich auch in die Vorbereitungen der neu entstehenden Quadriennale in Rom ein.107 Maraini äußerte seine Sorge über eine möglicherweise entstehende Konkurrenzsituation zwischen Venedig und Rom. Diese Befürchtungen wurden mit dem im Rahmen der generellen Neuorganisation des italienischen Ausstellungswesens, am 24. Dezember 1928 erlassenen königlichen Dekret beseitigt.108 Dieses Gesetz zur Sicherung des Fortbestandes der Biennale di Venezia als internationale Ausstellung und die Neuschaffung der Quadriennale di Roma, die sich ausschließlich der nationalen Kunst widmen sollte, bedeutete die klare Interessenteilung dieser beiden Ausstellungssreihen bis zum Ende des Faschismus.

106 „Stasera Paolo Venini mi spiegava il rapido decadere

raini, „L'organizzazione della p r i m a Quadriennale roma-

di Venezia: aristocrazia finita o emigrata; borghesia lonta-

na", in: La Tribuna, 29. August 1928.

na; palazzi vuoti (alle sei di sera a fare il Canal Grande n o n

vom 24. Dezember 1928, Zu den langen Vorbereitungen,

si vede più una finestra illuminata). Palazzi si vendono in

die schließlich zu d e m Gesetz führten: Anna Cambedda

Cannareggio per due o trecentomille lire, la zona indu-

Napolitano, „Eclettismo e innovazione. L'arte italiana negli

striale e il p o r t o di Bottenighi ha giovato a Padova più che

intendimenti politici e nella pratica espositiva. 1931-1935:

a Venezia; povertà; industrie che emigrano; mercato locale

le prime Quadriennali romane", in: Giovanna Bonasegale,

nullo; a teatro si vedono I commessi di negozio e qualche

„Galleria C o m m u n a l e d'Arte Moderna e Contemporanea",

ebreo; industria forestieri, breve e capricciosa." Ugo Ojetti,

Ausstellungskatalog, Rom 1995, S. 57-63.

Taccuini, 30. Aprii 1928, S. 283.

107 Vgl. Antonio Ma-

108 Vgl. Gesetz

122

AVANTGARDE UND TRADITION -

DIE UNRUHIGEN I92OER

JAHRE

V E N E D I G S C H L Ä G T ROM: DIE „ M O S T R A DEL S E T T E C E N T O I T A L I A N O "

Zunächst muss erklärt werden, was für eine Bedeutung eine Ausstellung von Kunst des 18. Jahrhunderts für die Zukunft der Internationalen Kunstausstellung hatte. Anhand der Genese dieser Ausstellung wird deutlich, wie stark der Einfluss der venezianischen Politiker Graf Giuseppe Volpi di Misurata und Giovanni Giuriati zu dieser Zeit war. Es drückte sich darin die steigende Bedeutung Venedigs als Kunst- und Kulturzentrum im faschistischen Italien aus. Ursprünglich ging die Ausstellung auf die Initiative des Kronprinzen Umberto von Savoyen und seines Schwagers Prinz Philipp von Hessen zurück, der 1925 Prinzessin Mafalda von Savoyen geheiratet hatte.109 Insbesondere Volpi ist es zu verdanken, dass diese ursprünglich für Rom geplante Settecento Italiano-Ausstellung im Ausstellungspalast in den Giardini gezeigt wurde. Am 20. Juni 1928 war er als Nachfolger des ausscheidenden Pompeo Molmenti Präsident des Verwaltungsrats der städtischen Museen geworden.110 Eigentlich ist es erstaunlich, dass man bisher nicht öfter auf den Gedanken kam, die immer in der Zeit zwischen den Internationalen Kunstausstellungen leer stehenden Ausstellungsgebäude für andere Zwecke zu nutzen. Die vom faschistischen Regime propagierte Glorifizierung der Vergangenheit in Verbindung mit einer Modernisierung der Gegenwart machte auch vor Venedig nicht halt. Die Ausstellung zum Settecento Italiano (18. Jahrhundert) stellt einen Meilenstein in der Geschichte des italienischen Ausstellungswesens dar.111 Eine so breit angelegte Ausstellung wie diese hatte keine Vorläufer in Italien. Die Verantwortlichen der städtischen Museen und der Internationalen Kunstausstellung entwickelten gemeinsam das Konzept einer großen Retrospektive. Unter dem Patronat des Königs, der Ehrenpräsidentschaft des Kronprinzen und von Mussolini, einem Komitee mit allem, was Rang und Namen im politischen und kulturellen Italien hatte, konnte der erfolgreichen Durchführung nichts mehr Wege stehen. Die künstlerische Leitung übernahm Nino Barbantini, der hierbei von Prinz Philipp von Hessen unterstützt wurde. Letzterer hatte sich in Italien als historistischer Raumausstatter einen Namen gemacht und verfügte über exzellente Kontakte zum italienischen Hochadel. Wie man Museumseinrichtungen um 1900 kannte, wurden die Räume als Gesamtensemble präsentiert. In den aufwändig umdekorierten Sälen wurden Kunstwerke aller Gattungen aus Museen und Sammlungen aus ganz Italien und Europa gezeigt. Zwar standen im Zentrum die großen Künstler wie Bellotto, Canaletto und Tiepolo, aber es sollten alle Bereiche des Kunstschaffens abgedeckt werden, so dass neben Malerei, Skulptur und Möbeln auch Kostüme präsentiert wurden. Die Fertigkeiten des venezianischen Schiffsbaus wurden eben-

1 0 9 Vgl. A C S , P C M , 1 9 3 4 - 1 9 3 6 , 14.1.2826, Sottofasc. 1,

1 1 0 Vgl. AMV, 1 9 4 1 - 1 9 4 7 , IX.11.2, Minuta di Processo

Roma - Mostra del 700 Italiano (1929). Vgl. zur Rolle

Verbale di determinazione presa dal Podestà, 20. Juni 1928.

Philipp von Hessens als Mittler zwischen Deutschland und

111

Italien Jonathan Petropoulos, Royals and the Reich. The

Venedig 1929.

Princes von Hessen in Nazi Germany, Oxford 2006.

Vgl. „II Settecento Italiano", Ausstellungskatalog,

VENEDIG SCHLÄGT ROM: DIE „ M O S T R A DEL SETTECENTO I T A L I A N O "

123

so berücksichtigt wie Literatur, Musik und Theater. Außerdem wurden neben der traditionellen Ausstellung in den Giardini Besuche und Führungen von verschiedenen venezianischen Palästen, Villen, Theateraufführungen, Konzerte und andere kulturelle Aktivitäten in das Ausstellungsprogramm integriert.112 Dieses umfassende Kulturfestival stellte in seinem durchdachten Gesamtkonzept eine gänzlich neue Art des Erlebens von Kunst und Architektur dar. Viele hier angewandte Elemente nahmen Entwicklungen vorweg, die später zu wichtigen Teilen des Gesamtkonzepts der Biennale werden sollten. Die feierliche Eröffnung war ein nationales Ereignis, zu dem Kronprinz Umberto von Savoyen und Prinz Philipp von Hessen kamen. Die Ausstellung wurde von zahlreichen Publikationen begleitet.113 Der neue Podestà Zorzi schloss seine Eröffnungsrede mit den folgenden Worten: „Venedig, wie im 18. Jahrhundert, wieder Haupt der Welt."ni In den 1920er Jahren konnte die Internationale Kunstausstellung, basierend auf den Entwicklungen bis 1914, ihre Aktivitäten in zunächst unveränderter Form fortsetzen. Unter der Führung von Giovanni Bordiga und Vittorio Pica erlebte die Ausstellung den Übergang in der nationalen Politik und den steigenden Einfluss der lokalen Politik auf das Ausstellungsprogramm. Bis 1922 blieb die Ausstellung eine Veranstaltung in der Tradition des alten Königreichs, eine Tatsache, die von zahlreichen Kunstkritikern ausführlich beschrieben wurde. Auch wenn die Kunstauswahl unter Pica im Vergleich zu Fradeletto durchaus moderne Strömungen zuließ, entsprach der Großteil der augestellten Kunst doch dem Geschmack der Vergangenheit. Mit der Übernahme der Macht durch die Faschisten zunächst auf lokaler dann auf nationaler Ebene verschärfte sich die Kritik an der Ausstellungspolitik Picas. Sein Versuch, einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Kunstrichtungen zu finden, scheiterte an der Radikalität seiner Kritiker. Die internationale Bedeutung war, wie schon vor dem Ersten Weltkrieg, gewissen Schwankungen unterzogen, die sich an den unregelmäßigen Teilnahmen einzelner Länder veranschaulichen lassen. Die Gründe hierfür sind in den großen Umwälzungen Europas nach dem Ersten Weltkrieg zu suchen, die zu einer noch stärkeren Nationalisierung und Radikalisierung der Politik führten. Doch spiegeln diese meist die innenpolitische Situation der Länder wider, wie besonders am Beispiel des russischen Pavillons deutlich geworden ist. Auch wenn nur zwei neue Pavillons errichtet wurden, wiesen die Planungen für das Erweiterungsgelände auf der Insel Sant' Elena auf das zukünftig angestrebte Wachstum hin.

112 „In occasione dell'Esposizione verrà facilitata la visita

deutung vgl. auch Nikolaus Pevsner, „Die Rokoko-

di Palazzi Veneziani e di Ville Venete e verranno indetti

Ausstellung in Venedig", in: Kunstchronik und Kunstlitera-

spettacoli teatrali, concerti di musica e feste pubbliche." in:

tur, 64. Jg., Nr. 7, Oktober 1929, S. 73-79.

ebd., S. 7.

Settecento

come nel Settecento, ancora a Capo del mondo." Eröff-

113 Vgl. „L'Esposizione del

114 „Venezia,

Italiano", in: Rivista di Venezia, Juli 1929, S. 449-459.

nungsrede von Ettore Zorzi, in: „L'Esposizione del Sette-

Außerdem widmet sich das gesamte Juliheft von Le Tre

cento Italiano", in: Rivista di Venezia, VII. Jg., Nr. 7, Juli

Venezie in mehreren Artikeln den ausgestellten Objekten

1929, S. 457.

und lieferte weitere Informationen zu Geschichte und Be-

124

AVANTGARDE UND TRADITION -

DIE UNRUHIGEN I92OER

JAHRE

In Venedig selbst machten sich die wirtschaftlichen Probleme bemerkbar, die es der Stadt nicht erlaubten, größere Summen in einen Ausbau der Giardini zu investieren. Maraini, der von den alten venezianischen Eliten um Orsi und Molmenti gestützt wurde, hatte seine neue Rolle vor allem dem einflussreichen Kunstkritiker Ugo Ojetti zu verdanken. Dieser verstand es, auch in Zukunft im Hintergrund die Strippen zu ziehen. Die angegriffene Gruppe verbündete sich mit diesem Syndikat und so setzte sich die etablierte internationale Kunstausstellung von Venedig durch, da sie sich auf keine bestimmte Stilrichtung festlegte, sondern, wie von der faschistischen Kunstpolitik gefordert, nur die perfekten Rahmenbedingungen für die Präsentation der Kunst bot. Der nach der Festigung des Regimes von Mussolini erfolgte Umbau des Ausstellungswesens führte zur offiziellen Anerkennung der venezianischen Ausstellung, die nun gemeinsam mit der Quadriennale in Rom an der Spitze der italienischen Kunstausstellungen stand. Trotzdem beschränkte sich der Einfluss der römischen Regierung auf die Anerkennung der Ausstellung und deren finanzielle Unterstützung. Inhaltlich bestimmten der Verwaltungsrat und vor allem Generalsekretär Maraini das Ausstellungsprogramm. Trotz aller Veränderungen lassen sich auch die starken Traditionen der Institution erkennen. Bei der Ausstellung von 1928 wurden die Ideale Picas auch von Maraini fortgesetzt. Die enge Verbundenheit Venedigs zum italienischen Königshaus wurde durch die SettecentoAusstellung des Jahres 1929 deutlich gemacht. Die ungebrochene Tradition zeigte, dass die Internationale Kunstausstellung von Venedig keine rein faschistische Veranstaltung war, sondern zunächst eine Manifestation der königstreuen, national-konservativen Eliten blieb. Es gelang, einen Mittelweg zwischen den modernen Kunstströmungen der 1 9 2 0 e r Jahre und den Forderungen nach einer Rückkehr zu nationalen Kunstidealen zu finden.

KAPITEL 5

,DIE L E T Z T E N J A H R E DES L Ö W E N " DER A U S B A U IN DEN I 9 3 O E R J A H R E N

m Jahr 1930 wurde die Internationale Kunstausstellung durch ein königliches Dekret zu

I

einer autonomen nationalen Institution. So bedeutend diese administrative Änderung

war, stellt sie aber nicht einen radikalen Wandel von einer venezianischen zu einer nationalfaschistischen Ausstellung dar. Vielmehr nutzten die Venezianer ihren gewachsenen Einfluss in Rom, um sich mit einer administrativen Neudefinition vom konservativ-regionalistischen Einfluss der venezianischen Stadtregierung zu befreien, der all dem entgegenstand, was die nationale und internationale Zielgruppe von der Ausstellung erwartete. Der Wandel von einer städtischen zu einer staatlichen Kulturinstitution wird in der bisherigen Forschung meist als gravierender Einschnitt in der Geschichte gesehen, ohne die nicht zu bestreitende Kontinuität näher zu beleuchten. Insbesondere in den Arbeiten von Maria Susan Stone wird deutlich zwischen der alten städtischen und der neuen, von ihr als faschistisch eingestuften Institution unterschieden. Dabei dürfen die 35-jährige Tradition, die engen Verbindungen zum Königshaus Savoyen und die starke Rolle der Venezianità nicht außer Acht gelassen werden. Die venezianische Ausstellung muss in klarer Abgrenzung zu den Propagandaausstellungen des Regimes gesehen werden. Zwar enthielt sie im Ausstellungspalast Werke zum Ruhme des Faschismus und des Duce. Viel wichtiger war aber ihre Bedeutung als internationales Schaufenster des faschistischen Italien, welches vor allem ein internationales Publikum ansprechen sollte.1 Ein erster Teil beschreibt die strukturellen Voraussetzungen in Venedig und Italien, unter besonderer Berücksichtung der wichtigsten Akteure, Präsident Graf Giuseppe Volpi di Misurata und Generalsekretär Antonio Maraini. Es folgt die Beschreibung der durch sie geschaffenen neuen Organisationsstrukturen und des infrastrukturellen Ausbaus in den Giardini. Eine knappe Analyse der ausgestellten Kunst aus Italien und dem Ausland soll einige grundsätzliche Tendenzen verdeutlichen. Die Beurteilung der Ausstellungsaktivitäten durch die verantwortlichen Stellen in Rom sowie die Auswertung der italienischen und der internationalen Presse sollen daraufhin den internationalen Stellenwert beleuchten. In einem weiteren Kapitel wird die Ausweitung der Aktivitäten inner- und außerhalb Venedigs beschrieben. Die erfolgreiche Festivalpolitik (Musik, Film und Theater) und die Ausstellungen italienischer

1 Vgl. Christoph Kivelitz, Die Propagandaausstellung in

Nationalsozialismus in Deutschland, Faschismus in Italien

europäischen Diktaturen. Konfrontation und Vergleich:

und die UdSSR der Stalinzeit, Bochum 1999.

126

„ D I E L E T Z T E N JAHRE DES L Ö W E N " - DER AUSBAU IN DEN I93OER JAHREN

Kunst im Ausland sind hier die bedeutendsten Neuerungen. Die Bemühungen um internationale Anerkennung auch durch den Völkerbund in Genf bilden den Schwerpunkt eines weiteren Kapitels. Den Abschluss markiert ein Überblick über den Höhepunkt der Aktivitäten Mitte der 1 9 3 0 e r Jahre.

„ B I E N N A L E DI C O N C I L I A Z I O N E " : V O N DER STADT Z U M

STAAT?

Der durch die Weltwirtschaftskrise eingetretene Einbruch bei den Tourismuszahlen zwang die Verantwortlichen in Venedig, gegenzusteuern. Die Aktivitäten hatten zum Ziel, die Modernisierung Venedigs voranzutreiben und die Dreiteilung historisches Stadtzentrum, Lido und Mestre/Marghera zu optimieren.2 Dies wurde besonders deutlich durch den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, wobei das wichtigste Projekt hierbei der Bau der lange umstrittenen Ponte del Littorio war, einer vierspurigen Autobahnbrücke von Mestre ins historische Stadtzentrum. 3 Der Neubau war durch den Einfluss des zuständigen Ministers Giovanni Giuriati in Rom im April 1929 von Benito Mussolini genehmigt worden. Mit der Piazzale Roma und dem dort errichteten hochmodernen Parkhaus wurde gleichzeitig ein neues Entree für die Stadt geschaffen. Noch offensichtlicher wurde diese Politik mit der Errichtung des Flughafens auf dem Lido. Venedig hatte Anschluss an die aktuellen städtebaulichen Entwicklungen erhalten und wurde Dank der Kombination von historischem Zentrum, modernster Verkehrsinfrastruktur und dem stetig wachsenden Industriestandort Porto Marghera zu einem Vorzeigeobjekt für internationale Besucher. Sogar Le Corbusier würdigte diese Entwicklung, wie in seinen Worten „I take Venice as a witness" deutlich wurde.4 Die strikte Funktionstrennung zwischen historischem Zentrum, Industriegebiet und Lido entsprach seinen städtebaulichen Idealen. Für Volpi war das weitere Wachstum des Tourismus ein wichtiger Faktor und für Maraini war es die neue künstlerische Epoche, die beide nun maßgeblich mitbestimmen konnten. Mit der Ära Maraini und Volpi begann die „Industrialisierung" der Kultur in Venedig, die noch größere Massen von Besuchern in die Lagunenstadt bringen sollte. Venedig war mit der Biennale ein wichtiges Zentrum, an dem man der Weltöffentlichkeit die Stärke Italiens auf dem Gebiet der Ausstellungs-, Festival- und Tourismusorganisation präsentieren konnte. Im Mai 1932 formulierte Volpi sein Projekt des „grande Venezia". Die Idee war, aus Venedig ein Zentrum sowohl für die Schwerindustrie als auch für den Tourismus und die zeitgenössische Kunst zu machen. Im Gegensatz zur Situation Mitte der 1 9 2 0 e r Jahre hatten sich die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft der Internationalen Kunstausstellung von Venedig bedeutend verbessert. Die Krise des Kunstmarktes in den Zentren Berlin und Paris, die durch die Welt2 Vgl. Guido Zucconi (Hg.), La grande Venezia, Venedig

Littorio, Venedig 1934.

2002.

radieuse, Paris 1934.

3 Vgl. Comune di Venezia (Hg.), II Ponte del

4 Vgl. Le Corbusier, La ville

„ B I E N N A L E D I C O N C I L I A Z I O N E " : V O N D E R S T A D T Z U M STAAT?

127

Wirtschaftskrise ausgelöst worden war, ließ diese Städte in ganz Europa nach Hilfe und Unterstützung durch den Staat rufen. In keinem anderen westeuropäischen Land wurde die Kunstpolitik so konsequent vom Staat geordnet wie im faschistischen Italien, ohne jedoch doktrinäre Kunstideale zu bestimmen wie in der UdSSR oder später im Dritten Reich. Der „aesthetic pluralism", wie es Maria Susan Stone formuliert hat, wurde zum Vorbild für andere Staaten.5 Die zunächst von Mussolini protegierte Gruppe Novecento hatte mit der Ausstellung in Rom deutlich gezeigt, dass sie ihren Zenit überschritten hatte. Die Hauptorganisatorin Margherita Sarfatti konnte sich nicht mehr auf die uneingeschränkte Unterstützung Mussolinis verlassen, der ihren Aufstieg möglich gemacht hatte. Die Futuristen um Marinetti wurden durch das Regime unterstützt, aber wurden nicht als offizielle Staatskunst, sondern aus Rücksicht auf ihre historischen Verdienste unterstützt. Als Gewinner ging aus dieser Phase der Konsolidierung und Neuordnung das faschistische Nationalsyndikat der Schönen Künste unter der Leitung von Cipriano Efisio Oppo hervor. Oppo und der seit 1927 als Generalsekretär fungierende Antonio Maraini arbeiteten in der Folgezeit eng zusammen, um ein neues, straff hierarchisch organisiertes Künstler- und Ausstellungssystem zu etablieren, das die bereits 1923 von Mussolini geforderten Bedingungen für die Einbindung der Künstler in den faschistischen Staat gewährleisten sollte.6 Gestalteten sich die Voraussetzungen in Italien als äußerst günstig, war im Gegensatz dazu die Situation in Venedig schwieriger. Bisher hatten die Stadtführung, Maraini und das Ministerium in Rom einvernehmlich zusammen gearbeitet. Der scheidende Podestà Pietro Orsi berichtete ausführlich über seine fast 3-jährige Amtszeit und hob dabei die Bedeutung der venezianischen Kunstausstellungen und insbesondere der Settecento-Ausstellung hervor.7 Im Juli 1929 wurden die Leitgedanken zur zukünftigen Ausstellungspolitik veröffentlicht, doch mit dem neuen Podestà Ettore Zorzi sollte es für Maraini sehr schwierig werden, seine Ziele durchzusetzen.8 In einem ersten Schritt sollte der Anspruch Zorzis auf die Präsidentschaft beseitigt werden, da diese wieder mit einem größeren Einfluss der Stadt auf die Ausstellungskonzeption verbunden werden sollte. Das Verhältnis zwischen Zorzi und Maraini war von Beginn an sehr schwierig, da beide grundsätzlich unterschiedliche Visionen und Ziele für die Zukunft hatten.9 Für Zorzi funktionierte die Ausstellung am besten als eine Präsentation venezianischer Malerei, welche die historische Tradition der Stadt respektierte. Maraini wollte diese nostalgische Vision beenden und Venedig zu einem lebendigen zeitgenössischen Kunstzentrum machen. Die Vorschläge Marainis, die Kunstausstellung um ein Musikfestival mit „neuer zeitgenössischer Musik", einen Kunstkongress und eine eigene Zeitschrift zu er-

5 Vgl. Maria Susan Stone, The Patron State. Culture and

Venedig 1929, S. 6 f.

politics in Fascist Italy, Princeton 1998, S. 61-94.

Orsi/Romolo Bazzoni, „Per l'esposizione internazionale di

6 Vgl.

8 Vgl. Antonio Maraini/Pietro

Antonio Maraini, L'ordinamento sindacale fascista delle

Venezia", in: L'Impero, 2. Juli 1929.

belle arti, Rom 1939 u. Sileno Salvagnini, Il sistema delle

1935, IX.13.4, Ente Autonomo per l'esposizione Biennale

arti in Italia 1919-1943, Bologna 2000.

d'Arte (EA). Diese Mappe wurde am 11. März 1987 wieder-

7 Vgl. Pietro

Orsi, Brevissima Sommaria Relazione dell'opera come Podestà di Venezia dal 12 settembre 1926 al 14 giugno 1929,

9 Vgl. AMV, 1931-

gefunden; sie ist nicht im Katalog verzeichnet.

128

„ D I E LETZTEN JAHRE DES L Ö W E N " -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

weitern, wurden von Zorzi grundsätzlich abgelehnt.10 Aus Rücksicht auf die venezianischen Händler lehnte er auch die Professionalisierung des Verkaufsbüros durch das Engagement des Mailänder Galeristen und Kunsthändlers Luigi Scopinich ab." Zudem meldete er Zweifel an, ob es richtig sei, den amerikanischen Pavillon von einer privaten Galerie errichten zu lassen. Zusätzlich versuchte er, sich in die Auswahl der Künstler einzuschalten, indem er an Maraini Listen mit nicht eingeladenen venezianischen Künstlern schickte. Um eine Weiterentwicklung nach den Vorstellungen Marainis fortzusetzen, mussten diese Interessenskonflikte gelöst werden. Im Rahmen der kompletten Neuordnung des italienischen Ausstellungssystems sollte endgültig über den zukünftigen Status der Ausstellungsreihe entschieden werden. An Zorzi vorbei gewann Maraini die beiden Venezianer Graf Giuseppe Volpi di Misurata und Giovanni Giuriati sowie den Bildungsminister Balbino Giuliano für sein Vorhaben. Diese drei machten ihren Einfluss bei Mussolini geltend und konnten ihn in Gesprächen und durch Briefe von der notwendigen Neuordnung der venezianischen Kunstausstellung überzeugen. Giuliano forderte eine institutionelle Trennung von der Stadt, da er davon überzeugt war, dass die Bestandserhaltung des lokalen Charakters eine Vergeudung von kulturellem Kapital bedeutete, welches der kulturellen Entwicklung in ganz Italien dienen sollte.12 Bei der Internationalen Ausstellung sollte der Primat der nationalen Kunst im direkten Vergleich mit den anderen Nationen bestätigt und die Vormachtstellung des internationalen Stils der „Pariser Schule" beendet werden. Kurz vor der Verabschiedung des Dekrets zur autonomen Körperschaft berichtete Maraini Volpi über den Fortschritt der Verhandlungen. Dabei betonte er nochmals seinen Wunsch, auch die Galleria Internazionale d'Arte Moderna unter die Verantwortung der Biennale zu bringen; erst dadurch sah er einen sinnvollen Gesamtkomplex erreicht.13 Ich wiederhole abschließend, dass es mein lebhafter Wunsch wäre, Sie als Präsidenten zu haben und bin der Hoffnung, dass sie es sein könnten, denn in dem Bericht, den Oppo der Regierung präsentiert hat, steht geschrieben, dass die Präsidentschaff der neuen Körperschaft einer hohen venezianischen Persönlichkeit anvertraut werden sollte.14 10 „musica nuova contemporanea". Ebd., Briefe Zorzi an

Mitgliedern gehörten u.a. Filippo Tommaso Marinetti,

Maraini, 7. September u. 6. Oktober 1929.

11 AMV,

Ardengo Soffici, Giulio Aristide Sartorio, Adolfo Wildt,

1931-1935, IX.13.4, EA, Briefe Maraini an Zorzi, 20. u.

Ugo Ojetti u n d Achille Funi. Die an der Entstehung

21. August 1929. Die Galerie von Luigi Scopinich, Delegato

maßgeblich beteiligte Margherita Sarfatti wurde nicht auf-

Nazionale der Confederazione per i negozianti d'arte, war

genommen.

eine der wichtigsten Galerien in Mailand. Sie organisierte

desiderio sarebbe quello di AverLa Presidente, e che nella

u. a. Ausstellungen des Novecento, aber auch die Ausstel-

speranza ciò possa essere, nella relazione presentata al

lung für Vittorio Pica i m Jahr 1928.

Governo dall'On. O p p o è scritto che la Presidenza del

12 Vgl. ACS, PCM,

14 „Ripeto concludendo che il m i o più vivo

1940-42, 14.1.730, Sottofasc.i, Brief Giuliano an Musso-

nuovo Ente dovrebbe essere affidata ad u n alta personalità

lini, 7. Dezember 1929.

veneziana." GNAM, FM, Cart. 49, Costituzione Ente Auto-

13 Auch die Accademia d'Italia

sprach sich f u r diese Lösung aus. Die Accademia d'Italia

n o m o Biennale, Bericht von Maraini an Volpi, 28. Dezem-

wurde am 28. Oktober 1929 eingeweiht. Zu den ersten

ber 1929, S. 3.

„ B I E N N A L E DI C O N C I L I A Z I O N E " : VON DER STADT ZUM STAAT?

12Ç

Mussolini ließ sich von diesen Argumenten überzeugen und am 30. Januar 1930 wurde durch ein königliches Dekret das administrative System der Biennale neu bestimmt.15 Aus der städtischen Ausstellung wurde die Ente Autonomo Esposizione Biennale Internazionale d'Arte di Venezia, eine autonome Körperschaft. Geleitet wurde sie von einem fünfköpfigen Verwaltungsrat, dessen Mitglieder von Mussolini bestimmt wurden. Neben Präsident Volpi di Misurata waren das Podestà Ettore Zorzi, der römische Architekt Marcello Piacentini, der Generalsekretär Antonio Maraini und der venezianische Maler Beppe Ciardi. Verwaltungsdirektor blieb in seinem 35. Dienstjahr Romolo Bazzoni.16 Zwar war die Biennale zu einer autonomen Körperschaft geworden, aber bei der Kontrolle und inhaltlichen Ausrichtung überschnitten sich häufig die Interessen der beteiligten Ministerien in Rom, der Stadt Venedig und des Nationalsyndikats der Schönen Künste. Die Stadt behielt weiterhin die Rechte am Land und den Bauten in den Giardini. Der Vorteil der neuen Autonomie darf nicht unterschätzt werden, wie die Sorgen mit konkurrierenden Ausstellungen in der Vergangenheit gezeigt hatten. Die Biennale hatte nunmehr ein Monopol für die Ausstellung internationaler Kunst in Italien. Volpi und Maraini konnten nun an die glorreiche Vergangenheit der Ausstellungen unter Grimani und Fradeletto anknüpfen, wobei ihnen im Gegensatz zu diesen die finanzielle Unterstützung durch den Staat gesichert war. Mit der Bestimmung Graf Giuseppe Volpi di Misuratas zum Präsidenten der Biennale war dessen Macht nun auch im kulturellen Bereich Venedigs unangefochten (Abb. 46). In Volpi personifizierte sich der Wunsch des Regimes, aus der Biennale eine Institution mit nationalem und faschistischem Charakter zu machen, aber gleichzeitig ihre Verbindung zum Adel und gehobenen Bürgertum in Venedig zu bewahren. Die Entscheidung, die Präsidentschaft der Biennale mit einem einflussreichen, regimetreuen Vertreter des venezianischen Großbürgertums zu besetzen, war der Schlüssel zur zukünftigen Entwicklung. Die Venezianità Volpis, d. h. dessen Loyalität seiner Heimat gegenüber, war stärker als die zum italienischen Nationalstaat, denn er war kein faschistischer Aufsteiger, sondern bereits vor 1922 fest in der Gesellschaft etabliert. Darüber hinaus hatte er zahlreiche Verbindungen zur internationalen Wirtschaft und Politik. Daneben hatte er auch beim Tourismus die Fäden in der Hand: als Vorsitzender der CIGA besaß Volpi mehrere Hotels in Venedig, deren Auslastung ihm aus naheliegenden Gründen sehr am Herzen lag. Damit rückten die politischen, wirtschaftlichen und kulturpolitischen Interessen — auch Volpis private — mehr und mehr in den Vordergrund. Sein Einfluss in Venedig war nahezu grenzenlos, denn bei all seinen zukünftigen Entscheidungen konnte er auf die Mithilfe seines alte Freundes Giovanni Giuriati, dem PNF-Vorsitzenden in Venedig, hoffen. 15 S. ACS, PCM, 1940-42, Fase. 14.1.730, Sottofasc. 1 A,

Ministro per le Corporazioni e uno su proposta del

„Biennale: Decreto-Legge 1930" Königliches Dekret,

Ministro per l'Interno, in base a designazione del Podestà

30. Januar 1930, Art. 5: „L'Ente Autonomo è amministrato

di Venezia."

da un Comitato composto di cinque membri, nominato

Sekretariats blieben dieselben: Domenico Varagnolo (Di-

con decreto del Capo del Governo, due su proposta del

rettore di Segreteria) und Elio Zorzi (Direttore dell'Ufficio

Ministro per l'Educazione Nazionale, due su proposta del

Stampa).

16 Auch die Mitarbeiter des Ausstellungs-

130

„ D I E LETZTEN JAHRE DES L Ö W E N " -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

„An die Künstler müssen Sie denken. Ich weiß, es ist einfacher, Textil-, Bau- oder Metallarbeiter zu regieren als die Künstler", sagte Mussolini 1933 zu Antonio Maraini, dem zweiten wichtigen Mann der Biennale.17 Das Künstler- und Ausstellungssystem war streng hierarchisch aufgebaut, wie Maraini selbst im Rahmen vieler im In- und Ausland publizierter Artikel über die Biennale erklärte.18 Insgesamt gab es achtzehn regionale Syndikate, die sich wiederum in lokale Syndikate gliederten. An der Spitze des Nationalsyndikats stand ein nationaler Sekretär, eine Funktion, die bis 1932 Oppo einnehmen sollte. Laut den Statuten sollte es eigentlich auch ein Mitspracherecht der Mitglieder geben, doch bestand dieses nur auf dem Papier; auch Wahlen wurden nie durchgeführt. Entsprechend den Syndikaten waren auch die Ausstellungen im Land organisiert. Um an der internationalen Kunstausstellung in Venedig teilnehmen zu dürfen, musste man also von lokaler Ebene über die regionale Ebene zu nationalen Weihen, der Teilnahme an der Quadriennale in Rom, aufsteigen. An der Spitze dieses Systems stand die Biennale, bei der sich die besten italienischen Künstler mit ausländischen Künstlern messen sollten. Diese Zentralisierung schien Oppo noch nicht weit genug zu gehen, da er sich beim Ministerium für nationale Erziehung (MEN) darüber beschwerte, dass noch zu viele andere Ausstellungen organisiert würden, die nicht der Kontrolle des Syndikats unterstanden.19 Im Juli 1932 wurde die Führungsposition des Syndikats neu besetzt, da Oppo häufig zu unrealistische und weitgreifende Vorschläge machte. Da war die Position für das Regime mit dem jüngeren, moderneren Maraini besser besetzt, der sich zudem als regimetreu bewährt hatte.20 Er hatte es geschafft, innerhalb von nur vier Jahren seine Machtposition innerhalb des zeitgenössischen Ausstellungssystems so weit auszubauen, dass er die stilistischen Tendenzen eines Großteils der zeitgenössischen Kunstausstellungen in Italien und vor allem auch im Ausland mitbestimmen konnte. Mit der nun hinzugekommenen Führungsposition des Syndikats erreichte er ein Höchstmaß an exekutiver Macht im kunstpolitischen System, die von vielen Künstlern, aber auch von seinem alten Mentor Ojetti kritisiert wurde.21 Als Zentrum der Organisation dienten Volpi und Maraini das Ausstellungssekretariat und das ASAC, welche immer weiter ausgebaut wurden. Mit dieser Institution hatte Maraini eine „Allzweckwaffe" geschaffen, die mit den Mitarbeitern Romolo Bazzoni, Elio Zorzi, Domenico Varagnolo und Giulio Baradel zum Schaltzentrum der gesamten Aktivitäten werden sollte. Gesteuert wurde alles von Antonio Maraini, der während seiner Aufenthalte in Florenz, Rom oder anderen Städten stets in engem Kontakt zu seinen Mitarbeitern stand. Durch die Organisation der Kunstausstellungen gab es einen ständigen Austausch mit nationalen und internationalen Museen und Galerien und er war über deren Aktivitäten bestens informiert. Es ging Maraini nicht nur um die Ausstellung zeitgenössischer Kunst, seine Ziele waren viel umfassender. 17 „Agli artisti ha da pensare lei. Lo so. Governare i tessili,

16. A p r i l 1933, S. 4.

gli edili, i metallurgici è più facile che governare I pittori."

Sottofasc. 1, Cipriano Efisio Oppo, M e m o r a n d u m , Dezem-

Taccuini Ojetti, 29. Juni 1933, S. 414.

ber 1930.

im neuen Italien", in: Die Weltkunst,

18 S. „Der Künstler VII. Jg., Nr. 16,

1 9 A C S , P C M , 1934-36, 3.3.9.706,

20 Vgl. GNAM, FM, Cart. 104, N o m i n a C o m -

missario Sindacato.

21 Vgl. Nezzo 2005, S. 52.

D E R A U S B A U IN D E N G I A R D I N I

Venedig müsste sich über die Sichtweise eines Kunstmarktes hinaus zu einem richtungsweisenden Zentrum entwickeln, welches die Kommunikation zwischen Kennern und Künstlern, zwischen Sammlern und Händlern erleichtert.22 Auch schlug er vor, aus der Biennale einen Ausbildungsort für Nachwuchskünstler zu machen, die dort mit Stipendien ausgestattet die zeitgenössische Kunst der ganzen Welt studieren könnten. „Wenn uns dies gelingt, haben wir, glaube ich, der Kunst, Italien und Venedig einen großen Dienst erwiesen."" Um das Ausstellungsprogramm in Italien besser zu koordinieren, wurde im Februar 1934 auf Anregung Marainis beschlossen, einen offiziellen Ausstellungskalender zu etablieren, durch den Überschneidungen, Häufungen u. ä. vermieden werden sollten.24 Dieser Kalender wurde in der monatlich erscheinenden Zeitschrift Le mostre d'arte in Italia publiziert, in der Informationen über Ausstellungen in ganz Italien verbreitet wurden.25 Diese Zeitschrift listete zunächst nur alphabetisch nach Städten geordnet lokale und regionale Ausstellungen der Syndikate auf. Außerdem wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass man das ASAC für die Erforschung der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts nutzen könne. Darüber hinaus erhielt man dort Informationen über die zahlreichen Aktivitäten der Biennale. Diese Zeitschrift war somit das zentrale Organ des zeitgenössischen Ausstellungswesens in Italien. Das Jahr 1932 bedeutete für die Biennale die Erringung der fast absoluten Macht über das zeitgenössische Kunstausstellungswesen im faschistischen Italien. Einzig die beiden Ausstellungsreihen Triennale in Mailand und Quadriennale in Rom hatten eine vergleichbare Stellung. Antonio Maraini fungierte als Generalsekretär von Biennale und Künstlersyndikat, war verantwortlich für die Organisation der italienischen Ausstellungen im Ausland, publizierte eine Zeitschrift über das italienische Ausstellungswesen und leitete das ASAC. Auf dem Gebiet der bildenden Künste hatte man die absolute Spitze erreicht. Nun galt es, neue Felder zu erschließen, um den Einfluss und die Bedeutung der Biennale weiter auszubauen.

DER A U S B A U IN D E N G I A R D I N I

Mit der Ernennung des neuen Podestà Mario Alverà (1882—1945)

am

15· Juli 1930 war nun

auch dieser Posten bis 1938 von Kontinuität bestimmt. Im Laufe der 1930er Jahre erreichte die Anzahl der offiziell an der Internationalen Kunstausstellung teilnehmenden Länder einen neuen Höhepunkt. Schon im ersten Jahr der Autonomie kam es zum Neubau eines amerika-

22 „Venezia dovrebbe inoltre poter diventare, dal punto di

grande servigio." Ebd., S. 151.

vista del mercato artistico, un centro direttivo, facilitando

1936,14.1.302, Dekret vom 12. Februar 1934.

24 ACS, PCM, 1934-

le comunicazioni fra conoscitori ed artisti fra collezionisti

re d'arte in Italia, hg. v. Archivio Storico d'Arte Contem-

25 Le most-

e mercanti." Antonio Maraini, „La funzione internaziona-

poranea (ASAC), 1 - 1 2 (lanuar 1934-Dezember 1934) u.

le delle Biennali di Venezia", in: Rivista di Venezia, X. Ig.,

L'arte nelle mostre italiane. Bollettino della Biennale-Conto

Nr. 4, April 1932, S. 149.

Corrente Postale (Januar 1935-Dezember 1941).

23 „Se noi riusciamo in questo,

credo che avremo reso all'arte, all'Italia, a Venezia un

132

„ D I E L E T Z T E N JAHRE DES LÖWEN*' -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

nischen Pavillons, der den kommerziellen Charakter unterstreichen sollte, da er von einer privaten Galerie aus New York errichtet wurde (Abb. 43). Zustande gekommen war er durch die Initiative von Walter Clark, dem Präsidenten der Gesellschaft der Künstler der Grand Central Art Galleries und der Italy America Society.26 Der Entwurf stammte von den New Yorker High Society Architekten William Adams Delano und Chester Holmes Aldrich.27 Ganz der Tradition verhaftet war der Bau vom neoklassizistischen Kolonialstil des Landsitzes Monticello des ehemaligen Präsidenten Thomas Jefferson beeinflusst. Die Verantwortlichen waren sehr stolz, stellte er doch den ersten Bau eines nichteuropäischen Landes dar. Mit der XVIII. Internationalen Kunstausstellung im Jahr 1932 erfuhr die propagandistische Wirkung eine weitere Steigerung, indem der exponierte Status der nunmehr nationalen Kunstaustellung auch architektonisch dokumentiert werden sollte. Für das Anno X zur Feier des Jubiläums des Marsches auf Rom fanden in den Giardini umfangreiche Neubaumaßnahmen statt.28 Die optisch bedeutendste Maßnahme war die Neugestaltung der Fassade des Ausstellungspalastes. In der Mitte wurde mit großen Marmorlettern der Schriftzug ITALIA angebracht, der die vorherige Inschrift PRO ARTE ersetzte. Der geflügelte Löwe von San Marco teilte sich nun die Fassade mit dem faschistischen Symbol, dem imperialen Adler, der die Liktorenbündel in seinen Klauen hält. Auf der Abbildung aus dem Katalog ist die Kulissenhaftigkeit dieser frontal sehr imposant wirkenden Fassade zu erkennen, die gerade einmal 25.000 Lire gekostet hatte (Abb. 45)." Im Jahr 1932 kamen weitere neue Pavillons hinzu, die von den jeweiligen Regierungen verantwortet wurden. In direkter Nachbarschaft zum amerikanischen Pavillon entstand der dänische Pavillon.30 Für die Errichtung des dänischen Pavillons waren die konservative Stiftung Ny Carlsbergfondet aus Kopenhagen und die dänische Regierung unter der Schirmherrschaft von Kronprinz Frederik verantwortlich.31 Darüber hinaus realisierte man den seit Mitte der 1920er Jahre existierenden Plan, das Areal auf der nur durch einen Kanal von den Giardini getrennten Isola di Sant'Elena als Ergänzungsfläche zu nutzen. Das Zentrum bildet der venezianische Pavillon für die Ausstellung dekorativer Kunst des Architekten Brenno Del Giudice. Die große Bedeutung des Baus wurde wiederum durch eine Abbildung im Katalog hervorgehoben (Abb. 47). Die Planungen sahen von Anfang an die Errichtung von fünf unter einem Dach vereinigten Pavillons vor, die jedoch unabhängig voneinander bespielbar sein sollten. 1932 wurden zunächst die Abschnitte für Venedig, die Schweiz und Polen fertig26 Die Italy-America Society war Anfang der 1920 er Jahre

Biennale di Venezia", in: Architettura, I. Jg., Nr. 7, 1932,

in New York gegründet worden. In Zusammenarbeit mit

S. 358.

der Columbia Universität war sie maßgeblich a m Aufbau

tie aus Kopenhagen förderte die Kunst seit Beginn des

der Casa Italiana beteiligt, die als Studien- u n d Begeg-

Jahrhunderts u n d besitzt eine b e r ü h m t e Sammlung anti-

n u n g s z e n t r u m dienen sollte. Vgl. Sergio Cortesini, Musso-

ker Skulptur. Ausführlich z u m dänischen Beitrag u n d der

lini's Artists across the American Scene, PhD, erscheint

Geschichte des Pavillons bei Marianne Barbusse, Dan-

voraussichtlich 2008.

27 Vgl. Mulazzani 1988, S. 68 f. u.

mark: Biennale I Venedig 1895-1995, Kopenhagen 1995.

Macmillan Encyclopedia of Architects, Volume 1, S. 538 f.

31 Vgl. „II Padiglione della Danimarca all'Esposizione

u. „XVII. Biennale 1930", Ausstellungskatalog, Venedig

Biennale 1932", Ausstellungskatalog, Venedig 1932.

1930, S. 172.

28 S. ebd., S. 16.

29 S. „L'architettura alla

30 Die Ny Carlsberg Stiftung der Brauereidynas-

DER AUSBAU IN DEN

133

GIARDINI

gestellt.32 Diese „nuova zona di Sant'Elena" wurde im Vorwort des Katalogs von Maraini ausführlich beschrieben. Der neue venezianische Pavillon sei dazu bestimmt, „ eine Abteilung der edelsten Produkte des venezianischen Kunsthandwerks" zu sammeln, und ist „ . . . eine Hommage der Biennale an die Stadt, die es verstanden hat, sie zu schaffen. "" 1934 folgten zwei weitere Pavillons für Griechenland und Österreich, wobei vor allem die Genese des österreichischen Pavillons etwas näher erläutert werden muss. Etwa zeitgleich mit dem Bündnisvertrag zwischen Italien, Österreich und Ungarn, den Römischen Protokollen, die Mitte März 1934 unterzeichnet wurden, sollte in den Giardini ein österreichischer Pavillon entstehen. Nachdem es schon vor und nach dem ersten Weltkrieg erste Bestrebungen für einen eigenen Pavillon gegeben hatte, forderte Mussolini Maraini auf, sich um den Bau zu kümmern.34 Es musste alles sehr schnell gehen, denn bis zur Eröffnung der XIV. Internationalen Kunstausstellung waren es nur noch vier Monate (Abb. 52). Der österreichische Kommissar Nicola Post schrieb im Katalog: „... der österreichische Pavillon repräsentiert, sozusagen, ein Symbol unserer Unabhängigkeit und der Gleichheit der Rechte auch auf dem Feld der Schönen Künste."" Den Abschluss der Neubauten auf diesem Areal bildete der griechische Pavillon, der in einem modern aufgefassten neobyzantinischen Stil gestaltet wurde. Nachdem fast alle großen Nationen Europas und auch die USA vertreten waren, entschloss sich die britische Regierung 1932, den Britischen Pavillon erstmals unter ihrer Leitung zu bespielen. Das Einladungssystem blieb erhalten und wie schon in den Jahrzehnten zuvor gab es intensive Diskussionen über die Eingeladenen und vor allem über die Abgelehnten. Der neue Charakter der Ausstellung zeigte sich 1930 zunächst vor allem in den ausgeschriebenen Wettbewerben zu faschistischen Sujets, die von verschiedenen öffentlichen und privaten Geldgebern gestiftet wurden.36 Dafür wurde gefordert, Kunstwerke zu den Themen Gründung des Faschismus, Rasse, Mutterschaft, Sport, Porträt des Duce, Poesie der Arbeit, Industrie, Handel, Landwirtschaft, Wiederaufbau, Hafen und Flugreise einzureichen. Trotz der ausgeschriebenen Preise in Höhe von insgesamt 311.000 Lire beteiligten sich wenige Künstler an den Wettbewerben. Der 1932 durchgeführte Wettbewerb anlässlich des 10. Jubiläums des Marsches auf Rom war ein absoluter Misserfolg, so dass die Hauptpreise gar nicht vergeben wurden.37 32 Vgl. Joanna Sosnowska, Polacy na Biennale Sztuki w

AMV, 1 9 3 1 - 1 9 3 5 , IX.13.4, EA, Regolamento per i premi

Wenecji 1 8 9 5 - 1 9 9 9 , Warschau 1999.

33 „una sezione die

della XVII Biennale. Die 18 Preise kamen u. a. von der PNF,

più nobili prodotti d'arte applicata veneziana [ . . . ] , omag-

dem MEN, der Opera Nazionale Balilla, unterschiedlichen

gio della Biennale alla città che ha saputo crearlo". Vgl.

Konföderationen, dem Rotary Club Italiano, der Fluglinie

hierzu Antonio Maraini, „Prefazione", in: „XVIII. Biennale

Transadriatica und der SADE.

1932", Ausstellungskatalog, Venedig 1932, S. 17.

3 4 Vgl.

IX.13.4, EA, Relazione della Commissione pel conferimen-

ACS, PCM, 1 9 3 4 - 3 6 , 14.1.283, Sottofasc. 5, Brief Maraini

to die premi istituiti dalla Biennale per celebrare con l'arte

an Mussolini, 28. Januar 1934.

35 „ . . . i l padiglione aus-

il Decennale della Marcia su Roma, 1. November 1932. Die

triaco rappresenta quindi, per cosi dire, un simbolo della

aus Italico Brass, Felice Carena, Arturo Dazzi, Cornelio di

nostra indipendenza e parità di diritti anche nel campo

Marzio, Filippo Tommaso Marinetti, Roberto Paribeni,

37 Vgl. AMV, 1 9 3 1 - 1 9 3 5 ,

delle Belle Arti" Nicola Post, „Austria", in: „XIX. Biennale

Edoardo Rubino und Arturo Tosi bestehende Jury vergab

1934", Ausstellungskatalog, Venedig 1934, S. 372.

von den 150.000 Lire Preisgeld nur 46.000 Lire.

3 6 Vgl.

134

» D I E L E T Z T E N J A H R E DES LÖWEN*' -

D E R A U S B A U IN D E N I 9 3 O E R

JAHREN

Diese faschistischen Sujets stellten nur einen kleinen, aus künstlerischer Sicht betrachtet sehr bescheidenen Teil der Kunstausstellung dar. Darüber hinaus blieb die Ausstellungskonzeption größtenteils den vorherigen Traditionen verbunden, die von Pica eingeführt worden waren. Durch einen Blick in den Ausstellungskatalog wird diese Ansicht bestätigt und lässt sich anhand einiger besonders prägnanter Beispiele nachvollziehen.38 Die erste „staatliche" Ausstellung 1930 war geprägt von den unter dem Titel Appels d'Italie von Waldemar George und Mario Tozzi zusammengefassten Pariser Künstlern, die sich an der an der Kunst der Antike und der Renaissance orientierten.39 Genauso wurde aber auch Amadeo Modigliani mit einer großen Retrospektive gewürdigt. Wie immer dabei die Futuristen unter der Führung Marinettis, die wiederum ein gänzlich anderes Kunstideal vertraten. Charles Masson vom Musée National du Luxembourg präsentierte für Frankreich Bilder von Pierro Bonnard, Kees Van Dongen und René Piot, Skulpturen von Charles Despiau und Litographien von Henri de Toulouse-Lautrec. Die innovativste und auffälligste Kunst zeigte in diesem Jahr der von dem Dresdner Museumsdirektor Hans Posse kuratierte deutsche Pavillon mit den Künstlern der Gruppierungen Die Brücke und Blauer Reiter und Vertretern der „Neuen Sachlichkeit" (Abb.

44).40

Einen Skandal erregte das Bild Der Strand von Max

Beckmann wegen angeblicher Kritik an Italien. Dies war die letzte deutsche Beteiligung vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, da man an der folgenden Ausstellung aus wirtschaftlichen und politischen Gründen nicht teilnahm.41 Auch das Jahr 1932 präsentierte eine Mischung aus alter und neuer Kunst. Den kurz vorher verstorbenen Francesco Paolo Michetti und Giovanni Boldini widmete man große Retrospektiven. Sehr bescheiden war die Schau Trent'anni d'arte Veneziana

(1870—1900).

Der in Paris lebende Gino Severini präsentierte wieder eine Mostra degli italiani di Parigi mit Werken von Giorgio De Chirico und Filippo De Pisis. Marinetti präsentierte die Mostra dell'Aeropittura e della pittura dei Futuristi italiani. Belgien war mit einer Retrospektive Constantin Meuniers vertreten und in einer Sonderschau zeigte man Ossip Zadkine. Die Ausstellung Frankreichs zeigte einige Werke von Claude Monet und André Derain.42 Da Deutschland nicht an der Ausstellung teilnahm, konnte Österreich den Pavillon nutzen und stellte Kokoschka in den Mittelpunkt seines Beitrags. Das teuerste verkaufte Bild war ein mehr als 40 Jahre altes Werk von Michetti, La figlia di Jorio, welches durch die begleitenden

38 Vgl. „XVII. Esposizione Biennale Internazionale d'Arte 1930", Ausstellungskatalog, Venedig 1930.

39 „Noi cer-

schen Beiträge zur Biennale Venedig 1 8 9 5 - 2 0 0 7 , Köln 2 0 0 7 , Werkverzeichnis.

41 BArch, R 43 I, 81, N. 190,

chiamo sopratutto di mettere in evidenza il primato e la

Venezianische Internationale Kunstausstellung, 3. August

supremazia dell'italianità considerate come una cosmogo-

1931.

nia, come uno stile, come un modo." Waldemar George,

Holland (Regierung), Belgien (Regierung),

Appels d'Italie, in: La XVII Biennale di Venezia 1930, Aus-

(Regierung), Frankreich (Musée du Luxembourg), Groß-

stellungskatalog, Venedig 1930, S. 94.

britannien (Department of Overseas Trade), Österreich

4 0 Im deutschen

4 2 Offiziell mit eigenen Pavillons nahmen teil: Dänemark

Pavillon wurden u. a. Max Beckmann, Hugo Belling, Lyo-

(Regierung), UdSSR (Regierung), USA (Grand Central Art

nel Feininger, Carl Hofer, Paul Klee, Oskar Schlemmer,

Galleries), Ungarn (Regierung), Polen (Regierung) u.

Otto Dix gezeigt. Vgl. auch Ursula Zeller (Hg.), Die deut-

Schweiz (Regierung).

D E R A U S B A U IN D E N G I A R D I N I

135

Texte von Gabriele d'Annunzio zu einer nationalen Ikone geworden war. In Berlin war es seit den späten 1890er Jahren im Besitz der Nationalgalerie, die es im Depot lagerte. In Venedig wurde das Bild in der zentralen Achse des Ausstellungspalastes aufgehängt. Auf Initiative von Ludwig Justi wurde es gegen zeitgenössische italienische Kunst eingetauscht, die ab Anfang 1933 in der Neuen Abteilung der Nationalgalerie im Kronprinzenpalais in Berlin präsentiert wurde.43 Von Beginn an war die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit exzellent, doch die Mostra delle riviste d'arte moderna stellte den absoluten Höhepunkt dar (Abb. 48).44 Man stellte die über die Kunstausstellung berichtenden Publikationen auf eine Stufe mit der ausgestellten Kunst und forderte die Herausgeber dazu auf, ihre schönsten Artikel und Publikationen über die Biennale zu präsentieren. Das Ziel einer möglichst unkritischen, begeisterten Berichterstattung wurde somit erheblich gefördert. Im Hinblick auf die Ausstellungsinhalte war die Wiederaufnahme der dekorativen Künste im Padiglione delle arti decorative veneziane die wohl bedeutendste Neuerung. Wie von Stone detailliert dargestellt wurde, sollte sie vor allem dem venezianischen Kunsthandwerk ein Forum geben. Die Produkte regionaler, aber auch internationaler Hersteller wurden im Zentralraum anspruchsvoll präsentiert. Sehr eng war die Zusammenarbeit mit den Glasherstellern auf Murano.45 Der bedeutendste Teil der Ausstellung 1934 war die internationale Porträt-Schau des 19.Jahrhunderts, in der u.a. Werke von Franz von Lenbach, John Singer Sargent, Pierre Auguste Renoir, Paul Cézanne und Vincent van Gogh gezeigt wurden (Tafel XII).46 Das Musée du Luxembourg zeigte eine Manet-Retrospektive und Werke von Pierre Bonnard, Georges Dufrenoy, Charles Dufresne, Raoul Dufy, Maurice Vlaminck und Philippe Besnard. Der von Eberhard Hanfstaengl kuratierte deutsche Pavillon versuchte sich an der schier unlösbaren Aufgabe, die Kunstideale des Nationalsozialismus umzusetzen, aber gleichzeitig auch später als entartet eingeschätzte Künstler auszustellen.47 So stellten die etablierten Künstler Karl Albiker, Heinrich Altherr und Ernst Barlach neben Vertretern der neuen Richtung wie z. B. Werner Peiner aus. 43 Die Nationalgalerie kaufte u. a. Werke von Carlo Carrà,

Glasherstellern M. Barovier u. a. (Hg.), Il vetro di Murano

Felice Casorati, Giorgio de Chirico, Achille Funi, Amadeo

alle Biennali 1895-1972, Mailand 1995.

Modigliani, Alberto Salietti, Gino Severini, Mario Sironi,

Retrospektive zeigte fast 500 Werke in 10 Sälen des Aus-

46 Diese große

Mario Tozzi. Vgl. Ludwig Thormaehlen, „Neue italienische

stellungspalasts. Davon waren 195 aus Italien und 273 aus

Malerei im Kronprinzen-Palais", in: Museum der Gegen-

dem Ausland. Insgesamt waren die Werke mit einer

44 Gezeigt wurden

Summe von 18.000.000 Lire versichert, wobei einem Werk

folgende Zeitschriften. Italien: Arte, Dedalo, Domus, Casa

wart, III. Jg., Nr. 4,1933, S. 129-141.

von Goya mit 3.000.000 Lire der höchste Wert beigemes-

bella, L'Eroica, Emporium, Poligono, Rassegna dell'istru-

sen wurde.

zione artistica, Vita d'arte, Architettura; Frankreich: Ca-

der Nationalgalerie in Berlin. Sein Versuch die deutsche

hiers d'art, Art e Decoration, La Renaissance de l'Art,

Moderne zu retten, scheiterte letztendlich, am 26. Juli 1937

L'Amour de l'art, Formes; Deutschland: Deutsche Kunst &

wurde er beurlaubt. Vgl. zur Rolle Hanfstaengls Alfred

47 Hanfstaengl war seit Ende 1933 Direktor

Dekoration, Kunst und Künstler, Die Kunst, Innen Deko-

Hentzen, „Das Ende der Neuen Abteilung der National-

ration, Farbe und Form, Moderne Bauformen u. Großbri-

Galerie im ehemaligen Kronprinzen-Palais", in: Jahrbuch

tannien: The Studio, Commercial Art, Apollo, The Orbit.

Preussischer Kulturbesitz, Bd. VIII, 1970, S. 24-89.

45 Vgl. zu der Beziehung zwischen der Biennale und den

„ D I E L E T Z T E N JAHRE DES L Ö W E N " - DER AUSBAU IN D E N I 9 3 O E R

JAHREN

Ein besonderes Kapitel sind die Bemühungen um Pablo Picasso, den Fradeletto 1905 aus dem spanischen Pavillon verbannt hatte. Die Generalsekretäre Pica ( 1 9 2 6 ) und Maraini ( 1 9 2 8 u. 1932) bemühten sich erfolglos darum, Picasso nach Venedig zu holen.48 Man wäre bereit gewesen, ihm entweder den spanischen Pavillon oder einen großen Saal im Ausstellungspalast zu überlassen. Doch sein Händler Rosenberg sahen keinen Vorteil darin, in Venedig auszustellen, da Picasso sehr gut in den wichtigen Kunstmärkten der Welt etabliert war. In dieser Entscheidung wird der geringe internationale Stellenwert der Biennale als Kunstmarkt deutlich; es war zu dieser Zeit definitiv keine kunstpolitische Entscheidung gegen Picasso. So kam es in Venedig nicht zu einer großen Retrospektive Picassos, der lieber in der Galerie Georges Petit in Paris und im Kunsthaus Zürich ausstellte, wo 1932 zwei große Ausstellungen zu sehen waren.49 In der Zeitschrift des Bildungsministeriums erläuterte Maraini persönlich die neue Bedeutung der Biennale für die italienische Kunstwelt. Er vergleicht ihre Rolle mit der der Scala in Mailand für die Oper. Selbstbewusst betont er seine weitreichenden Kompetenzen, die an die Zeiten des despotisch bestimmenden Generalsekretärs Fradeletto erinnerten.50 Am 4. März 1930 war der erste Generalsekretär Antonio Fradeletto gestorben, der sich bereits 1910 für die Autonomie der Internationalen Kunstausstellung stark gemacht hatte (Tafel IX). Fradelettos Wunsch war nun verwirklicht und seine Vorstellungen galten den aktuellen Verantwortlichen als Vorbild und Inspirationsquelle.51 Auch sein Nachfolger Vittorio Pica sollte die Eröffnung nicht mehr miterleben, da er Ende April 1930 verstarb. Der Umgang mit den Vorgängern Marainis zeigt, dass von einem radikalen Bruch mit der Geschichte der Internationalen Kunstausstellung keine Rede sein kann. Zur Eröffnung der Ausstellung des Jahres 1930 kam diesmal in Vertretung des Königs der Herzog von Bergamo, Adalberto von Savoyen-Genua.52 Trotz mehrfacher Einladung durch die Führung der Biennale kam Mussolini nie zu den Eröffnungen nach Venedig.53 Der Grund hierfür dürfte in der starken Verbundenheit der Ausstellung zum Haus Savoyen und in der Internationalität der Veranstaltungen zu suchen sein. Der Staat wurde durch die Väter der autonomen Körperschaft Volpi, Giuriati und Giuliano repräsentiert.54 Erst nach dem Ausbau der Giardini 1932 kam König Vittorio Emanuele III. mit seiner Frau Elena, seiner Tochter Maria und dem Prinzen von Piémont nach Venedig. Als Ehrengäste waren auch der Kronprinz von Dänemark und zahlreiche ausländische Diplomaten gekommen.55 48 Vgl. Rodriguez 1993, S. 43-100.

49 Vgl. „Cents des-

52 S. Giornale LUCE, A 572, Inaugurazione della XVII

sins par Picasso à la galerie Paul Rosenberg", Ausstellungs-

Biennale di Venezia, Mai 1930 u. Giornale LUCE, A 573,

katalog, Juni-Juli 1927, Paris 1927; Charles Vrancken,

XVII Biennale di Venezia, Mai 1930.

„Exposition Picasso", Ausstellungskatalog, Galeries Geor-

1934-36, 14.1.283, Sottofasc. 5, Brief Volpi an Mussolini,

ges Petit, 17. Juni-30. Juli 1932, Paris 1932 u. „Picasso",

30. April 1934; Brief Maraini an Mussolini, 6. Juni 1934.

Ausstellungskatalog, 11. September-30. Oktober 1932,

54 „Dieci anni di rinascita ed ascesa artistica", in: Rivista

Kunsthaus Zürich, Zürich 1932.

di Venezia, Oktober 1932, S. 459.

50 Vgl. Antonio Ma-

53 Vgl. ACS, PCM,

55 Vgl. Giornale

raini, „II nuovo assetto della Biennale Veneziana", in: Ras-

LUCE, Β 8i, Venezia. Le LL. MM. il Re e la Regina inaugu-

segna dell' istruzione artistica, 12. Februar 1930, S. 34-36.

rano la XVIII Biennale Internazionale d'Arte, 1932, Mai

51 Vgl. Elio Zorzi, „L'organismo delle Biennali e I suoi svi-

1932 u. Giornale LUCE A 953, Venezia Biennale di Arte,

luppi", in: Le Tre Venezie, Aprii 1930, S. 12-18, hier S. 18.

Mai 1932.

DER AUSBAU IN DEN

137

GIARDINI

In der lokalen Presse war die Ausstellung das wichtigste kulturelle Ereignis, doch in der nationalen Presse war die Wahrnehmung sehr unterschiedlich. Der Popolo d'Italia würdigte die Ausstellung nur mit einem kurzen Artikel von Sarfatti, wohingegen ihr alter Rivale Ojetti im Corriere della Sera sie als die erfolgreichste Ausstellung des Jahres präsentierte. Die Geringschätzung durch Sarfatti könnte durch ihren eigenen Machtverlust im Ausstellungswesen begründet sein.56 Für Sarfatti war die Triennale 1930 das bedeutendere Ereignis. Kritische Stimmen fanden sich vor allem in Italien, wobei immer wieder deutlich wurde, wie intensiv und offen die Diskussionen in Bereichen der bildenden Kunst bis in die 1940er Jahre hinein geführt wurden. Doch konnte diese Kritik auch durchaus Konsequenzen haben, wie am Beispiel von Nino Barbantini gezeigt werden kann. Er kritisierte in einem Artikel die ausgestellte Kunst als eine den Zwängen der aktuellen Mode angepasste, stromlinienförmige, charakterlose Bilderschau ohne Konzept und künstlerisches Programm.57 Dieser Artikel hatte gravierende Konsequenzen, wie Barbantini schreibt: Der Artikel vom 28. April 1932 war der letzte, den ich zur Kunst meiner Tage schrieb. Am Morgen des 30. rief mich der Präfekt zu sich und teilte mir mit — Anweisung aus Rom — dass ich mich nicht weiter mit zeitgenössischer Kunst beschäftigen dürfe.5' Im Ausland zeigte sich die Kritik von dem Umbau des Ausstellungssystems, der Künstlerförderung und insbesondere von der Biennale begeistert. Sei es von deutscher, englischer oder französischer Seite, in allen Ländern fanden sich anerkennende Berichte über die Ausstellungsaktivitäten der Biennale. Hans Posse, der Kurator des deutschen Pavillons, beschrieb sie als „ein Muster konsequenter Ausstellungstradition", sowie „organisatorischer und ausstellungstechnischer Leistung".59 Er betonte im Jahr 1930, „nur eine von Fremden und Einheimischen während der Sommersaison so sehr begünstigte Stadt wie Venedig mit seinem Lido kann sich heute noch den Luxus einer solchen 2-jährigen Ausstellungsperiode leisten."60 Besonders begeistert zeigte sich die amerikanische Kunstkritik über die Ausstellung, dass aber vor allem wegen des Neubaus eines eigen Pavillons. Auch in England wurde vor allem die Organisation und Kunstauswahl Marainis gelobt, der vor allem der jungen italienischen Kunst Platz eingeräumt habe.61 In Frankreich konnte Maraini seine Ausstellung selbst vorstellen. Zudem lobte der Pariser Kunstkritiker Waldemar George, einer der Initiatioren der Ausstellung Appels d'Italie, die Schau.62 56 Vgl. Margherita Sarfatti, „Spiriti e forme nuove a Venezia", in: Il popolo d'Italia, 4. Mai. 1930.

occuparmi d'arte contemporanea." Barbantini 1945, S. 109.

57 Vgl. Nino

59 Hans Posse, „Die XVII. Internationale Kunstausstel-

Barbantini, „Caratteri della pittura alla XVIII Biennale",

lung in Venedig", in: Kunst und Künstler, XVIII. Jg., Nr. 9,

in: Gazzetta di Venezia, 28. Aprii 1932, Reprint unter dem

1930, S. 426-427, hier S. 426.

Titel: „1932 - Il labirinto e la strada", in: ders., Biennali,

Calzini, „Modern Art of many nations. Venice holds ist

Venedig 1945, S. 97-108.

XVII 4 Biennial Exhibition of Fine Art", in: The Studio,

58 „L'articolo del 28 aprile

60 Ebd.

61 Vgl. Rafaelle

1932 fu l'ultimo che scrissi sull'arte dei miei giorni. La

August 1930, S. 95-105.

mattina del 30 mi chiamò il Prefetto che passassi subito da

Italien à la XVII' Biennale de Venise", in: L'Amour de l'Art,

lui e mi comunicò - ordine di Roma - che non dovevo più

X. Jg., August 1930, S. 340-344 u. Waldemar George, „La

62 Vgl. Antonio Maraini, „L'Art

138

„ D I E LETZTEN JAHRE DES LÖWEN*' -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

DIE N E U E N F E S T I V A L S FÜR M U S I K , F I L M U N D T H E A T E R

Die Ausstellung bildender Kunst alleine genügte nicht mehr, das Interesse internationaler Besucher an Venedig zu steigern. Im Laufe der letzten Jahre hatten sich immer mehr italienische Städte dazu entschlossen, den Tourismus zu fördern und investierten in die touristische Infrastruktur. Mit dem Lido di Venezia hatte Venedig zwar eines der renommiertesten Seebäder Europas, doch bröckelte auch dort der Glanz und die noch Mitte der 1920er Jahre so zahlreich nach Venedig reisenden, kaufkräftigen Amerikaner blieben aufgrund der Weltwirtschaftskrise aus. Diesen Problemen versuchten die Verantwortlichen der Stadt, der Biennale und der Hôtellerie durch eine expansive Festivalisierung der Stadt entgegenzuwirken. Der Ausbau der Biennale war ein Teil der umfassenden Neuerungen Venedigs in den 1930er Jahren (Abb. 49). Die Hotels am Lido erfreuten sich schon in den 1920er Jahren größter Beliebtheit, wie aus den Anzeigen fiir die Sommerfeste am Lido di Venezia (Feste d'Estate a Venezia-Lido) hervorging. Angekündigt wurden große Aufführungen im Freien und in den Salons (organisiert von Max Reinhardt, Rovescalli und Brunelleschi), Gala-Abende, Tabarin, Modeschauen, internationale Tennisturniere. [...] Die Liste der Gäste des Excelsior gleicht einer gemeinsamen Ausgabe des Debrett's und des Almanachs Gotha." Das wichtigste Unternehmen hinter den neuen Initiativen war die seit 1908 existierende Compagnia Italiana dei Grandi Alberghi (CIGA), die zahlreiche Hotels in Venedig besaß und von Volpi kontrolliert wurde.64 Seiner Initiative ist auch der Circolo Golf Venezia zu verdanken, der 1930 nach einer Beschwerde des am Lido weilenden Henry Ford gebaut wurde.65 Um sich qualitativ noch weiter von anderen Reisezielen abzuheben, setzte man neben den großen Ausstellungen auf eine weitere Karte. Unter dem Dach der Biennale wurde unterschiedliche Festivals organisiert, um vor allem das aus der Mode geratene Seebad am Lido wieder in ein attraktives Reiseziel für die internationale High Society zu verwandeln. Die Expansion über das traditionelle Areal der Giardini hinaus war bei stetigem Wachstum eine logische Konsequenz und die Ausweitung der Aktivitäten in neue Felder der Kunst war ein Qualitätssprung. Wie schon bei den Kunstausstellungen war Venedig kein Vorreiter im Bereich der großen Musik-, Theater- oder Opernfestspiele. Hier gab es seit 1876 mit den Wagner-Festspielen in

XVIII Biennale de Venise", in: Formes, Nr. 7, Juli 1930,

CIGA folgende Hotels in Venedig: Royal Danieli, Grand

S. 19-21.

63 „spettacoli all'aperto e nei saloni (organiz-

Hotel, Hotel Regina, Hotel Vittoria, Excelsior Palace,

zati da Max Reinhardt, Rovescalli e Brunelleschi) Serate

Grand Hotel des Bains, Grand Hotel Lido, Hotel Villa

di gala, Tabarin, Riviste della m o d a , Tornei internazionali

Regina u n d die Pension della Spagna.

di Tennis" u. „La lista dei clienti dell'Excelsior sembra

Bosworth, „Fascism and Golf", in: Science and Golf III:

un'edizione c o m b i n a t a del Debrett e dell'almanacco

proceedings of the third World Scientific Congress of Golf,

Gotha" „Werbeanzeige der CIGA", in: Le Tre Venezie, Mai

1999, S. 345-352, hier S. 346.

1926, S. 50, Rückseite.

64 Im Jahr 1932 gehörten der

65 S. Richard J. Β.

139

DIE NEUEN FESTIVALS FÜR M U S I K , FILM UND THEATER

Bayreuth seit über 50 Jahren ein Großereignis, welches in der ganzen Opernwelt gerühmt wurde. Direktes Vorbild für Venedig waren die u. a. von Max Reinhardt geleiteten Salzburger Festspiele, die in der barocken Residenzstadt seit 1920 stattfanden und ein internationales Publikum anzogen.66 Salzburg wurde so bald zum Treffpunkt der besten Regisseure und Dirigenten, Schauspieler und Sänger. Max Reinhardt hatte bereits 1913 in Venedig den Stummfilm Eine venezianische Nacht gedreht und war durch seine Inszenierungen von Shakespeares Kaufmann von Venedig berühmt geworden. Im Laufe der 1920er Jahre hatte er auch mehrfach bei Revuen im Hotel Excelsior Palace am Lido Regie geführt.

Das internationale Musikfestival Als erste Ausweitung der Aktivitäten beschloss man, ein internationales Festival für zeitgenössische Musik durchzuführen, welches durch die Unterstützung von Mussolini zustande gekommen war.67 Wie in der Kunstpolitik gab es auch in der Musikpolitik des Faschismus keine geschlossene Ideologie.68 Es sind sowohl antimodernistische Polemiken als auch leidenschaftliche Plädoyers für den künstlerischen Fortschritt zu finden. Die konservative Sicht vertrat der Sekretär des Sindacato dei musicisti fascisti Adriano Lualdi, der in seinen Schriften Maßnahmen „gegen die begeisterten Anhänger der häßlichen Musik, gegen die einheimischen Mitläufer und Gesinnungsfreunde der atheistischen und bolschewistischen Musik-Internationale" forderte.69 Ein Vertreter der modernistischen Seite war Alfredo Casella, der ein sehr guter Kenner der neuesten Musik war und zahlreiche internationale Kontakte pflegte, obwohl er gleichzeitig an der Entwicklung einer italienischen Neo-Klassik arbeitete, die er als nationale Musik verstanden wissen wollte.70 Er sah in der Musik eine analoge Entwicklung zu den bildenden Künsten: Ich habe die absolute Überzeugung, dass bei uns ebensosehr im Bereich der darstellenden Künste wie in der Dichtung und der Musik eine reiche, dichte, bewusste Kunst gedeiht, in welcher sich Kraft einer größeren Freiheit der technischen Mittel jene vornehmen und alten Tugenden der Sippe fortpflanzen, die immer den besten Teil unserer Tradition ausgemacht haben.71

66 Vgl. Michael P. Steinberg, Ursprung und Ideologie der

rino Principe, „Das Schicksal der modernen Musik in der

Salzburger Festspiele 1890-1938, Salzburg 2000.

faschistischen Kulturpolitik Italiens", in: Otto Kolleritsch

67 S.

„Festival di Musica", in: Il primo Decennio dell'Ente auto-

(Hg.), Die Wiener Schule und das Hakenkreuz. Das

nomo della Biennale. Numero speciale del Bollettino della

Schicksal der Moderne im gesellschafts-politischen Kon-

Biennale L'Arte nelle Mostre italiane, Januar 1930, S. 11.

text des 20. Jahrhunderts, Wien/Graz 1990, S. 185.

68 Einen Überblick zur Rolle der Musik im faschistischen

70 Vgl. Jiirg Stenzl, „Der „internationalistische" Aktivist:

Italien findet sich bei: Friedrich Geiger, „Im Schatten der

Alfredo Casella", in: ders., Von Giacomo Puccini zu Luigi

Diktaturen von Hitler, Stalin und Mussolini", in: Albrecht

Nono. Italienische Musik 1922-1952: Faschismus-Resis-

Riethmüller (Hg.), Geschichte der Musik im 20. Jahr-

tenza-Republik, Buren 1990, S. 125-138.

hundert: 1925-1945, Laaber 2006, S. 217-242.

69 Qui-

71 Ebd., S. 126.

140

„ D I E L E T Z T E N J A H R E DES LÖWEN*' -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

Dass es trotz dieser nationalistischen Töne unter Mussolini nie zu einer rigiden antimodernistischen Musikpolitik kam, lässt sich sehr gut am Programm der in Venedig organisierten Musikfestivals ablesen. Bereits 1925 hatte die Internationale Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) unter der Schirmherrschaft des Hobby-Geigers Benito Mussolini am Lido das III. Internationale Kammermusikfest mit Stücken von Arnold Schönberg, Igor Strawinsky, Paul Hindemith und Artur Schnabel organisiert.72 Bei der Organisation des neuen Internationalen Festivals für zeitgenössische Musik kooperierte die Biennale mit Adriano Lualdi und Alfredo Casella. Unter deren Leitung konnte man im Programm neben konservativer Musik auch Werke von Arnold Schönberg, Artur Schnabel, Anton von Webern, Luigi Dallapiccola, Paul Hindemith, Ernst Krenek, Darius Milhaud, Béla Bartók, Wladimir Vogel und Goffredo Petrassi hören. Das erste Festival fand zwischen dem 7. und 14. September 1930 im Teatro La Fenice und im Hotel Excelsior am Lido statt. Für 1932 hatte man Prinzessin Maria von Piémont als Schirmherrin gewonnen, schrieb einen Wettbewerb für radiophone Musik aus, und es waren vier verschiedene nationale Konzerte (Frankreich/Belgien, Deutschland, USA und Südamerika) angesetzt. Die Orchester kamen von der Scala in Mailand, dem Teatro La Fenice in Venedig, aus Turin und von der Philharmonie in Dresden. Nach dem Ende des ersten Festivals schrieb Ugo Ojetti einen offenen Brief an Volpi, um seine Eindrücke und Ideen für die Zukunft zu formulieren.73 Darin äußerte er seine Kritik an der Konzentration auf zeitgenössische Musik, die beim Publikum nicht den erwünschten Erfolg hätte. Das Programm solle in Zukunft mehr auf die Qualität der Stücke achten und eine Mischung mit klassischen Kompositionen anbieten. Außerdem schlug er zur Ergänzung die Aufführung von klassischen Opern im Teatro La Fenice in modernen Inszenierungen vor, die in Italien immer Erfolg hätten. Schließlich könnte er sich auch die Aufführung von Kirchenmusik in einer der großen Kirchen Venedigs vorstellen, wo Namen wie der von Benedetto Marcello das Publikum auch aus New York oder Berlin anziehen könnten. Im Vergleich mit den Festivals in München oder Salzburg müsste es in Venedig möglich sein, noch weitere private Mittel zu akquirieren, um ein wunderbares Programm zusammenzustellen, „ um Salzburg nicht um 100 m, sondern um 100 km zu schlagen."74 Auch die Redaktion der Gazzetta di Venezia schloss sich Ojettis Meinung an und hoffte darauf, dass in Zukunft ein großes Opern- und Musikfestival in Venedig entstehen könnte, welches das Festival in Salzburg einholen und überholen könnte.

72 Vgl. „II Terzo Festival i Musica da camera a Venezia",

arte a Venezia", in: Gazzetta di Venezia, 3. Oktober 1930.

in: Venice. Le Tre Venezie, I. Jg., Nr. 3, August 1925, S. 40 f.

74 „ . . . da battere, mettiamo Salisburgo non per cento

73 Ugo Ojetti, „Lettera al Conte Volpi di Misurata sull'

metri ma per cento chilometri." Ebd.

DIE N E U E N FESTIVALS FÜR MUSIK, FILM UND

THEATER

141

„Cinema diventa arte" — die erste Internationale Filmkunstschau 1932 War das Musikfestival eine traditionelle Veranstaltung, gelang der Biennale mit der Etablierung der Internationalen Filmkunstschau ein großer innovativer Erfolg. Im Folgenden soll zunächst kurz die Bedeutung des Films für das faschistische Italien dargestellt werden. In einem zweiten Schritt wird auf einige Vorbilder eingegangen, an denen sich die Biennale orientierte. Schließlich folgt eine ausfuhrliche Beschreibung der Genese der Internationalen Filmkunstschau, wobei vor allem die Bedeutung des Internationalen Instituts für Lehrfilmwesen (ICE) in Rom für die ersten beiden Ausgaben herausgearbeitet wird. Die Bedeutung des Films für propagandistische Zwecke wurde als erstes von der UdSSR erkannt. Mit großem Aufwand produzierte man dort Filme zur Verherrlichung der Russischen Revolution, die wie Panzerkreuzer Potemkin von Sergej Eisenstein aus dem Jahr 1925 zu den größten Klassikern der Filmkunst gezählt werden. In Italien gab es bis 1919 vor allem in Norditalien eine Filmindustrie, die ihre Filme zunächst im Rahmen von Messen, wie in Mailand 1923, oder in Wettbewerben einem größeren Publikum präsentierte. Die staatliche Einflussnahme auf die Produktion von Filmen ist mit der Entwicklung in den bildenden Künsten vergleichbar. Unter der Leitung des Journalisten Luciano de Feo war 1924 das Sindacato Istruzione Cinematografica entstanden, aus dem im November 1925 durch königliches Dekret die L'Unione Cinematografica Educativa (LUCE) hervorging. Die LUCE stellte Kulturfilme, Lehrfilme, Wissenschaftsfilme sowie soziale und nationale Propagandafilme für das faschistische Italien her. Die Aktivitäten des Institutes sollten den Einfluss des Staates auf die Filmindustrie garantieren, konzentrierten sich jedoch fast ausschließlich auf die Produktion und Vorführung von Lehr- und Propagandafilmen.75 Ein erster internationaler Filmkongress hatte, organisiert vom Völkerbund, im September 1926 in Paris stattgefunden. Schon damals war die Hauptfrage die Konkurrenzsituation zwischen europäischer und amerikanischer Filmindustrie, wobei vor allem die Importbeschränkungen der amerikanischen Seite kritisiert wurden. Im September 1927 nahm der Völkerbund den Vorschlag Italiens an, ein von der italienischen Regierung finanziertes internationales Institut für das Lehrfilmwesen zu gründen. Bereits im Februar 1928 wurden die Statuten ausgearbeitet, Rom als Standort festgelegt und Louis Lumière, der Erfinder des Films, konnte als Ehrenmitglied gewonnen werden. Schließlich wurde das Internationale Institut für Lehrfilmwesen (ICE) auf dem Gelände der Villa Torlonia, dem Wohnsitz Mussolinis, in Anwesenheit des Königs am 5. November 1928 feierlich eröffnet.76 Zum ersten Direk75 Die LUCE berichtete seit 1928 regelmäßig über die

u n d Alfredo Rocco, der gleichzeitig Vize-Präsident der

Aktivitäten der Biennale. Vgl. Bd. II, Anhang Filme zur

Internationalen Kommission flir geistige Zusammenarbeit

Biennale.

Mussolinis

beim Völkerbund war. Ausführlich zur Geschichte vgl.

gegründet worden. Hauptziele waren die Produktion, Ver-

Christel Taillibert, L'Institut International du cinémato-

breitung u n d der internationale Austausch von Lehrfilmen

graphe éducatif. Regard sur le role du cinéma éducatif

in einem dem Geist des Völkerbundes entsprechenden

dans la politique internationale du fascisme italien, Paris

Sinne. Das Präsidium bestand aus Ministro Guardasigilli

2000.

76 Das ICE war auf W u n s c h

142

„ D I E LETZTEN JAHRE DES L Ö W E N " -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

tor wurde Luciano de Feo ernannt, der sich nun unter dem Dach des Völkerbundes international um die Fragen des Films kümmern konnte.77 Sein erklärtes Ziel war es, durch internationalen Austausch und Kooperation die Qualität der italienischen Filmproduktion zu verbessern. Neben der Organisation von Konferenzen und Kongressen gab das Institut die Zeitschriften Internationale Lehrfilmschau, Intercine und Cinema heraus. Größtes Projekt war die Herausgabe der ersten großen mehrbändigen Enzyklopädie des Films, zu der Experten aus aller Welt Beiträge lieferten. 1929 gab es in Padua eine Film-Schau, und in Prag wurde im Frühjahr 1932 ein internationales Festival durchgeführt, auf dem auch italienische Filme gezeigt wurden. Regelmäßige Veranstaltungen gab es nicht. Das direkte Vorbild für Venedig war die im Juni 1932 während der IV. Internationalen Büchermesse in Florenz stattfindende Internationale Filmkunstschau, die sich jedoch auf Kultur- und Kunstfilme beschränkte.78 Diese war in Kooperation mit dem ICE und dem internationalen Filmkritikerverband (Fédération Internationale de la Presse Cinématographique) entstanden. Präsident des Organisationskomitees war Alessandro Pavolini ( 1 9 0 3 — 1 9 4 5 ) , der faschistische Parteiführer von Florenz, der für Florenz ähnliche Ziele wie Volpi für Venedig verfolgte.79 Unter seiner Verantwortung wurden ein neues Fremdenverkehrsbüro, der Hauptbahnhof Santa Maria Novella und ein neues Fußballstadion errichtet. Außerdem hatte er in den 1 9 3 0 e r Jahren das historische Fußballspiel Calcio, eine Handwerksmesse und den Maggio Musicale mitbegründet. Zudem hatte diese Veranstaltung die Unterstützung von Giuseppe Bottai, dem Minister für Korporationen (MinCorp), der davon überzeugt war, dass „... dieses neue Feld der künstlerischen Aktivitäten geistig und sozial den Platz einnehme, der ihm gebührt. "80 Der in Florenz lebende Antonio Maraini übernahm die Initiative, um Luciano de Feo und das ICE für eine venezianische Filmkunstschau zu gewinnen.81 Bereits Ende Juni 1932 wandte

77 Vgl. Luciano de Feo, „Die Tätigkeit des Internationa-

Nach d e m 25. Juli 1943 wurde er Sekretär der Partito

Nr. 2, 1937, S. 6 f.

Fascista Repubblicano (PFR) in der Republik von Salò. Er

78 Vgl. „IV. Fiera Internazionale del Libro e Mostra

war bis z u m Ende Mussolini treu ergeben u n d wurde mit

Internazionale Ciematografica", in: Eco del Cinema, März

i h m Ende April 1945 erschossen. Literatur: Arrigo Petacco,

len Lehrfilminstituts", in: Inter-Film,

1932, S. 8 f.

79 Der Florentiner Pavolini studierte Jura

Il superfascista: vita e m o r t e di Alessandro Pavolini, Mai-

u n d Sozialwissenschaften. Seit 1920 im Fascio di Firenze,

land 1988.

n a h m er a m Marcia su Roma teil. Er arbeitete in diversen

tica, spirituale e sociale il posto che merita." Brief Bottai

Institutionen u n d Zeitschriften, wie Battaglie fasciste,

an Pavolini, zit. n. Eco del Cinema, März 1932, S. 8.

Rivoluzione fascista u n d Critica fascista mit. Von 1929 bis

81 Grundlegend u n d umfassend zur Geschichte der Film-

1934 war er Sekretär Federazione Provinciale der PNF in

kunstschau am Lido: Flavia Paulon, 2000 film a Venezia:

Florenz u n d Direktor der Zeitschrift dieser Federazione

1932-1950, Venedig 1950; Flavia Paulon, La dogaressa con-

Bargello. A m 31. Oktober 1939 wurde er Minister für

testata : la favolosa storia della mostra di Venezia: dalle

80 „... questo nuovo c a m p o di attività artis-

Volkskultur (MinCulPop). Er war damit zuständig für die

regine alla contestazione, Mestre 1971; Venezia 1932. „II

sechs Generaldirektionen: Nationale u n d internationale

cinema diventa arte", Ausstellungskatalog, Venezia 1982.

Presse, Propaganda, Filmwesen, Tourismus u n d Theater.

Vgl. zur Bedeutung des ICE Christel Taillibert, „Le festival

Am 5. Februar 1943 wurde er entlassen u n d bekam den

cinématographique de Venise", in: dies., L'Institut Inter-

Direktorenposten bei der Zeitung II Messagero in Rom.

national du cinématographe éducatif, Paris 1999.

DIE N E U E N F E S T I V A L S F Ü R M U S I K , F I L M U N D T H E A T E R

143

sich der Sekretär des ICE, Attilio Fontana, an Mussolini, um dessen Zustimmung zu einem Patronat zu erhalten. Nach anfänglichem Zögern stimmte Mussolini dem Wunsch zu.82 Sehr vorteilhaft für den Erfolg der Filmkunstschau in den 1930 er Jahren war, dass die OscarVerleihung in Hollywood, die seit 1929 stattfand, bei weitem nicht den heutigen Stellenwert besaß. Wie bereits bei den ersten internationalen Kunstausstellungen gelang es, den Erfinder des Kinematographen, Louis Lumiere, als Schirmherrn zu gewinnen. So sicherte man sich die Unterstützung des international vernetzten Luciano de Feo, der für die Organisation der ersten beiden Ausgaben zuständig sein sollte. Ähnlich wie schon bei der Entstehung der Internationalen Kunstausstellung entwarfen Volpi und Maraini eine Organisationsform, durch die es für alle beteiligten Vereinigungen, für die Filmindustrie, die Presse und nicht zuletzt für die Stadt zu positiven Synergieeffekten kam. Mit der Aufnahme des Films in das Programm der Biennale-Aktivitäten bekam die Institution einen gänzlich neuen Charakter. Erstmals in ihrer Geschichte sollte die traditionelle Organisation Venedig den internationalen Glamour und die Aufmerksamkeit der Medien bringen, die international bekannte Filmstars mit sich brachten. Ein wichtiges Motiv für die Etablierung des Festivals war die Attraktivitätssteigerung für das Luxushotel Excelsior Palace, aus dessen großer Terrasse mit dem mondänen Club Chez Vous ein Freiluft-Filmtheater wurde (Abb. 50). Das Excelsior war mit seiner Lage direkt am Strand und dem direkten Zugang vom Wasser ein perfekter Ort für den Glamour, der den internationalen Film schon damals umgab. Ein propagandistischer Hintergrund der Veranstaltung war zunächst nicht zu erkennen. Viel eher sollte sie dazu dienen, den italienischen Film durch den Vergleich mit den besten Produktionen der Welt zu besseren Leistungen anzuregen (Tafel XI). Das Spektrum der gezeigten Filme reichte von Frankenstein über Der Kongress tanzt bis hin zu Filmen wie Grand Hotel. Damit konnten die Besucher der mondänen Hotels am Lido, wie bereits bei den Porträts in den Giardini, sich selbst oder zumindest ihresgleichen auf der Leinwand bewundern. Die Einschätzung der Qualität der gezeigten Filme wurde durch die Oscar-Verleihung im November desselben Jahres betätigt: Grand Hotel wurde als bester Film ausgezeichnet. Bei dem Zuschauerreferendum siegten die Hollywood-Stars Helen Hayes und Frederic March. Gleichzeitig überzeugte der Russe Nikolai Ekk als Regisseur und der industriekritische Film A nous la liberté von Jean Clair, der als Vorbild für Charlie Chaplins Modern Times gilt, wurde als „am amüsantesten" empfunden. Maraini betonte, dass Venedig weltweit der erste Ort sei, an dem die Filmkunst mit den anderen Künsten auf eine Stufe gestellt und vom Publikum und der internationalen Presse begeistert aufgenommen wurde. Besondere Anerkennung fand die Filmkunstschau bei Charles Delac, dem Präsidenten des Syndicat de la Cinématographie aus Frankreich. Schon nach dem vierten Tag schrieb Maraini an Mussolini, dass die Vertreter der angereisten internationalen Filmindustrie gefordert hätten, dass man diese Filmkunstschau zu einer regel82 Vgl. ACS, PCM, 1937-39, 14.1.2966, Akte zum Patronat Mussolinis und Berichten über die ersten Erfolge.

144

» D I E LETZTEN JAHRE DES LÖWEN*' -

DER AUSBAU I N DEN I93OER J A H R E N

mäßigen Einrichtung mit Sitz in Venedig machen solle. Enthusiastisch hob er hervor, dass diese „ neue Eroberung der Biennale Italien die wichtigste Manifestation der für unsere Zeit typischsten Kunst sicherte."" An fünfzehn Abenden, vom 6. bis 21. August 1932, wurden die Filme vor ca. 2 5 . 0 0 0 Zuschauern vorgeführt. Doch insbesondere bei dem Votum zum besten Schauspieler konnte man deutlich erkennen, dass noch viel Arbeit vor den Propagandisten des neuen faschistischen Films lag. Viele Besucher haben ihre Stimme für Greta Garbo oder Bertha Thiele, Ernst Lubitsch oder René Claire abgegeben, aber bei den Schauspielern war eine große Anzahl der Stimmzettel für Mickey Mouse! Und jetzt warten wir auf die nächste Biennale bei der wir hoffen wollen, dass bei der Abstimmung alle Sieger italienische Namen tragen werden!** 1934 ist vor allem das erfolgreiche Abschneiden des sowjetischen Films eine Besonderheit (Tafel XIII).85 Stalins Filmminister Boris Schumjatzkij, der mit elf Filmen angereist war, wurde für das beste Länderprogramm ausgezeichnet. Das Gros bediente keineswegs totalitaristische Filmpropaganda. In einem i 2 0 s e i t i g e n Report beschrieb Schumjatzkij den „Triumph am Lido" als einen internationalen Sieg des sich jetzt wohl auch aus seiner ökonomischen Isolation befreienden Sowjetfilms. Ansonsten wurde die II. Internationale Filmkunstschau von Filmen aus den USA und Frankreich dominiert. 86 Der italienische Filmkritiker P.M. Pasinetti beurteilte die gezeigten Filme in Venedig sehr kritisch, da es größtenteils schon anderswo gezeigte, ältere waren, die man nicht mit dem Prädikat einer Filmkunstausstellung in Zusammenhang bringen sollte.87 Einen großen Skandal erregten eine Nackt- und eine Liebesszene in dem tschechoslowakischen Film Ekstase, was zu Protesten von Seiten des katholischen Osservatore Romano führte. Mussolini intervenierte und gab nach persönlicher Begutachtung den Film frei.88 Das breite Spektrum und der unpolitische Charakter werden auch durch ein Telegramm Präsident Volpis an Walt Disney wegen des Films Funny Little Bunnies deutlich: „Ihre Kaninchen haben den ersten Abend der zweiten Film-Biennale versüßt!'"9

83 ACS, PCM, 1937-39, 14.1.2966, Brief Maraini an

Cinematografica.

Mussolini, 10. August 1932.

1934 Filme aus den USA, Großbritannien,

84 „Compatte minoranze

Gezeigt wurden vom 1. bis 20. August Italien,

hanno dato il loro voto a greta Garbo o a Bertha Thiele, a

Deutschland, Frankreich, der UdSSR, Japan, Holland,

Lubitsch e a Renée Claire, ma per gli attori un forte grup-

Österreich, Ungarn, Spanien, Indien, Schweden, Polen,

po di schede sono per ,Topolino'! Ed ora attendiamo la

Norwegen und der Schweiz.

prossima biennale nella quale vogliamo sperare che il refe-

in a Lido Hotel", in: Cinema Quarterly, Vol. 3, Nr. 1, Herbst

rendum porti tutti nomi italiani!" „II Festival cinemato-

1934 S. 14-16. Hier S. 15.

grafico alla Biennale di Venezia", in: Eco del

tase am Lido: Chronik eines Skandals", in: Armin Loacker

September 1932, S. 1.

Cinema,

85 Vgl. Hans-Joachim Schlegel,

„Rot-Schwarzer Flirt am Lido", in: Freitag, Nr. 39,20. September 2002.

86 Vgl. ACS, PCM, 1934-1936,14.1.4677,

Sottofasc. 2, Venezia - 2. Mostra Internazionale

d'Arte

87 P. M. Pasinetti, „66 films 88 Vgl. Francesco Bono, „Ex-

(Hg.), Ekstase, Wien 2001, S. 115-145.

89 „I vostri co-

nigli hanno deliziata la prima serata della Seconda Biennale Cinematografica" „Un omaggio del Conte Volpi a Walt Disney", in: Eco del Cinema, September 1934, S. 31.

DIE N E U E N FESTIVALS FÜR M U S I K , FILM U N D THEATER

145

Die Stadt als Bühne — das Freilufttheater Die dritte Neuerung war im Juli 1934 das erste Internationale Theatertreffen (Convegno Internazionale di Teatro).90 Für die Aufführungen nutzte man verschiedene Plätze in der historischen Stadt, um unter freiem Himmel ein weiteres kulturelles Angebot für die Besucher Venedigs anbieten zu können. Es ging dabei nicht um große Massenspektakel, sondern von Beginn an sollte ein kosmopolitisches, elitäres Publikum durch die sorgfältig ausgewählten Stücke angesprochen werden. Am 7. Juli 1934 wurde das Theatertreffen mit La bottega del caffè von Carlo Goldoni im Hof des Teatro di San Luca eröffnet. Als weiteren Klassiker inszenierte der aus Deutschland exilierte Max Reinhardt am zur Freiluftbühne umgebauten Campo San Travaso den Kaufmann von Venedig von William Shakespeare (Abb. 51). Auf 1.700 vor der Kirche von San Trovaso aufgebauten Plätzen begrüßte ein großartiges Publikum die historische Aufführung und ihre Besetzung. Umberto, Prinz von Piémont und Thronfolger Italiens, übermittelte Produzent Reinhardt seine Glückwünsche. Nach vierstündiger Aufführung schloss die als Höhepunkt der 2-jährigen venezianischen Kunstausstellung arrangierte „Lokalisierung" des Kaufmanns von Venedig.91 Der absolute Höhepunkt 1934 war die musikalische Aufführung des Requiems von Giuseppe Verdi auf der Piazza San Marco vor mehreren Tausend Menschen. Das Neuartige war die Nutzung der historischen Stadt als Kulisse für die Theaterstücke, welche die Theater Venedigs verließen und einmal mehr den Bühnen- und Kulissencharakter der Stadt unterstrichen, die von den Verantwortlichen in optimaler Weise für die unterschiedlichen Festivals genutzt wurde. Mit dem Theatertreffen hatte man nun der Internationalen Kunstausstellung, dem Musikfestival und der Filmkunstschau einen weiteren Baustein hinzugefügt. Darüber hinaus wurde erstmals ein Convegno di danza classica durchgeführt. Das alles gehörte zu dem Gesamtkonzept, welches man für die Biennale entwickelt hatte. Man wollte neben der elitären Kunst auch andere Bereiche der Kultur präsentieren, um damit ein größeres Publikum erreichen zu können. Damit war die Biennale ein großes Festival für den Kulturtourismus geworden, das vom Kunstkenner über das Kunsthandwerk hin zum Kinogänger ein immer breiter werdendes Spektrum an Interessen abdecken konnte. Die Besucherzahlen sprechen mit mehr als 361.917 im Jahr 1934 für den Erfolg dieses Konzepts.

90 Vgl. Carmelo Alberti, „Le rappresentazioni all'aperto

four performances the „localization" of The Merchant of

nei primi anni della Biennale teatro (1934-1941)", in:

Venice, arranged to climax the biennial Venetian art expo-

Venezia Arti, Voi. 4, S. 115-132; Lamberto Trezzini, Una

sition, closed." „Shakespeare in Venice", in: Time Maga-

storia della Biennale Teatro 1934-1995, Venedig 1999.

zine, 30. Juli 1934. Die Inszenierung von Reinhardt fand in

91 „In 1,700 seats built in front of the Church of San

der internationalen Presse große Aufmerksamkeit und

Trovaso, a brilliant audience greeted the pageant and its

wird in zahlreichen Artikeln beschrieben. Der Text war

cast. Umberto, Prince of Piedmont and heir to Italy's

eine Neuübersetzung ins Italienische der Tochter Ugo

throne, gave Producer Reinhardt his congratulations. After

Ojettis, Paola (1911-1978).

146

„ D I E LETZTEN JAHRE DES L Ö W E N " -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

Aber nicht nur das breitgefächerte Angebot in Venedig war dafür verantwortlich, sondern auch die in den 1930er Jahren immer weiter zunehmende Werbung, die man in Italien und im Ausland für die Biennale gemacht hatte. Man bot nun Komplettpakete an, die Anreise, Unterbringung und Eintrittspreise verbanden. Der Erfolg der Biennale beruhte auf der gut funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Biennale, Kommune, Provinz und Staat. Der seit 1930 an der Spitze der Stadtverwaltung stehende Podestà Mario Alverà betonte in einem Bericht, dass die vielfältigen Aktivitäten der Biennale auch in Zukunft unterstützt werden würden.92

„ V Ö L K E R B U N D D E R KÜNSTE*'

DIE INTERNATIONALEN AKTIVITÄTEN

Ich danke Dir ganz herzlich für alles, was Du für die Biennale tun willst, die von einer Anerkennung durch den Völkerbund immens profitieren würde, wenn dieser sie zu seinem eigenen Organ für zeitgenössische Kunst machen würde.91 Antonio Maraini an Ugo Ojetti, 2. Juli 1931 Durch die bisherige Konzentration der Forschung auf den faschistischen Charakter der Biennale und die enge Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Deutschland ab Ende der 1930er Jahre wurde die internationale Kooperation des faschistischen Italiens im Rahmen des Völkerbundes in den 1930er Jahren bisher kaum berücksichtigt. Nur die Rolle der italienisch-französischen Beziehungen ist im Rahmen einiger Artikel beschrieben worden. Dabei konnten das italienische Ausstellungssystem und damit auch die Biennale in ganz Europa und den USA auf treue Bewunderer zurückgreifen, die in ihren Ländern über die Aktivitäten in Venedig berichteten oder die Verantwortlichen der Biennale selbst zu Wort kommen ließen.'4 Der amerikanische Kunstkritiker Alfred M. Frankfurter von Art News lobte ausdrücklich die faschistische Künstlerorganisation. Man blicke nur auf

92 „L'Amministrazione

Comunale

ha p e r ò

prestato

2. Juli 1931.

94 Vgl. Ν. G. Fiumi, „The sculptures of An-

all'importantissimo istituto, che ha conquistato e serba

tonio Maraini", in: The Studio, Dezember 1927, S. 386;

rinomanza mondiale, continua assistenza e cooperazione

Antonio Maraini, „Le Fascisme e les beaux arts", in: Centre

favorendone ogni iniziativa; assecondandone coi propri

International d'Etudes sur le Fascisme (CINEF), Jahrbuch

uffici le iniziative propagandistiche, i m p r i m e n d o alle sue

1929, Lausanne 1929; Antonio Maraini, „La nouvelle orga-

cerimonie forma e significato di avvenimenti cittadini."

nisation artistique en Italie", in: L'Amour de l'Art, X. Jg.,

Mario Alverà, L'Amministazione del comune di Venezia

Nr.2, Februar 1930, S. 114-115; Antonio Maraini (Inter-

dal 15 Luglio - Vili al 15 Luglio 1934 - XII, Venedig 1934,

view), „Kunst u n d Künstler i m neuen Italien", in: Neues

S. 35.

93 „Io intanto ti ringrazio per quanto vorrai fare

Wiener Journal, 1. April 1933; „Der Künstler im Neuen

in più della Biennale e di Venezia, che potrebbero i m m e n -

Italien", in: Weltkunst,

samente avantaggiarsi da u n riconiscimento della Società

Bildhauer Antonio Maraini", in: Weltkunst, VIII. Jg., Nr. 2,

VII. Jg., Nr. „Der italienische

delle Nazioni, che ne faresse il proprio organo per l'arte

14. Januar 1934, S. 2; Antonio Maraini, „Italian Art under

contemporanea." GNAM, FO, Brief Maraini an Ojetti,

Fascism", in: The Studio, 1936, S. 296-307.

„ V Ö L K E R B U N D DER KÜNSTE*' -

DIE INTERNATIONALEN AKTIVITÄTEN

I47

die hervorragende Hilfe, die die italienischen Künstler erhalten, eine Art von Hilfe, großzügig bestätigt durch die aktuelle Ordnung, welche die Würde der Kunst und des Künstlers sichert und fördert, besser als in anderen Ländern, wo Beides zu einem erniedrigten Objekt staatlicher Barmherzigkeit gemacht wurde.95 Einen neuen Blick auf das Selbstverständnis und die angestrebte Rolle der Biennale eröffnen die Bemühungen Marainis um deren offizielle Anerkennung als Organ des Völkerbundes in Genf.96 Für eine von der Internationalität lebenden Institution wie die Biennale war es ein logischer Schritt, sich den Aktivitäten des Völkerbundes anzunähern. Als Vorbild diente das oben beschriebene Internationale Institut für das Lehrfilmwesen (ICE) in Rom. Mit Hilfe von Ugo Ojetti, der seit 1931 Mitglied in der ständigen Kommission für Kunst und Literatur, der Internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit war, bemühte sich Maraini um eine Anerkennung der Internationalen Kunstausstellung durch den Völkerbund.97 Italien hatte in Genf eine sehr gute Stellung, wie auch beim Architekturwettbewerb für den Neubau des Völkerbundpalasts deutlich geworden war. Er erarbeitete eine Vorlage für die Kommission, die Ojetti Anfang Juli 1931 in Genf übergeben sollte.98 Maraini betonte in einem Brief an Ojetti, dass „ ihr Charakter und ihr Wert als Institution mit internationalem Anspruch unheimlich von einer Anerkennung des Völkerbundes profitieren würde, wenn dieser sie zu seinem eigenen Organ für zeitgenössische Kunst machen würde. " " Kurz darauf bedankte sich Maraini bei Ojetti ganz herzlich für seinen Einsatz in Genf, der nicht folgenlos bleiben sollte. Das erste Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem Völkerbund war der Erste Kongress zeitgenössischer Kunst, der vom 30. April bis 3. Mai 1932 im Dogenpalast stattfinden sollte.100 Mussolini war von diesen Aktivitäten nicht sehr überzeugt, weshalb er die persönliche Teilnahme von Alfredo Rocco bei der Eröffnungszeremonie ablehnte, obwohl dieser Präsident des ständigen Komitees für geistige Zusammenarbeit war.101 Zu diesem gehörten Intellektuelle aus der ganzen Welt, u. a. Albert Einstein und Thomas Mann. Es wurden in drei Sek-

95 „... the magniñcient aid which the Italian artists; aid of

(1919-1946), Paris 1999 u. Maria Cristina Giuntella, Co-

a kind, amply testified to by actual record, which insures

operazione intelletuale ed educazione alla pace nell'Eu-

and promotes the dignity of art and artist rather than

ropa della Società delle Nazioni, Padua 2001.

makes both, as in other countries, humiliated object of

GNAM, Archivio Ojetti, Antonio Maraini, Relazione a S. E.

98 Vgl.

governmental charity." Alfred M. Frankfurter, „Venice:

Ugo Ojetti per la Società delle Nazioni, o.D.

Two centuries in Two Shows", in: Art News, Vol. XXXV,

suo carattere e il suo valore di istituzione a fini internazio-

99 „... il

Nr. l, Oktober 1936, S. 16.

96 Vgl. ACS, PCM, 1934-

nali d'arte" u. „potrebbero immensamente avantaggiarsi

1936, 14.1.283, Sottofasc. 4, Antonio Maraini, Bericht an

da un riconiscimento della Società delle Nazioni, che ne

Präsident Volpi, 15. Juni 1932.

97 Das Komitee bestand

faresse il proprio organo per l'arte contemporanea."

u.a. aus: John Masefield (GB), Paul Valéry (F), Thomas

GNAM, FO, Cass. 45, Maraini an Ojetti, 2. Juli 1931.

Mann (D), Ugo Ojetti (I), Nina Roll-Anker (Nor), Gilbert

100 Die Teilnehmer waren u. a. Ugo Ojetti, Roberto Pa-

Murray (President of the International Commission for

pini, Antonio Maraini, Louis Hautecoeur, Georges Wilden-

Intellectual Cooperation). Vgl. Time Magazine, 20. Juli

stein u. F.T. Marinetti.

1931. Vgl. Jean-Jaques Renoliet, L'UNESCO oubliée: la

14.1.283.4, A p p u n t o per S. E. Il Capo del Governo,

Société des Nations et la Coopération

24. Aprii 1932.

intellectuelle

101 S. ACS, PCM, 1934-36.

148

„ D I E L E T Z T E N J A H R E DES LÖWEN*' -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

tionen Fragen des Urheberrechts, der Künstlerorganisation, des Ausstellungswesens, internationaler Beziehungen von Kunst und Völkerbund, des Kunstmarktes u. a. besprochen, wobei die Biennale das Forum nutzte, um die eigene Kunstausstellung und das neu geschaffene ASAC zu präsentieren. Der Herausgeber der Pariser Zeitschrift Beaux-Arts, Georges Wildenstein, sah in dem Kongress ein sehr bedeutendes Ereignis, welches als Vorbild für Paris dienen könne.102 Ausfuhrlich berichtete er über die Inhalte der Diskussion und lobte die exzellente Organisation der Veranstaltung, der Ausstellung und des ASAC. Abschließend sagte er, was die „Lehren der XVIII. Biennale von Venedig und des ersten Internationalen Kongress zeitgenössischer Kunst" seien: Wir müssen zum einen in Paris, dem aktuellen Zentrum der zeitgenössischen Kunst, eine internationale zeitgenössische Kunstausstellung schaffen; zum anderen, die dokumentarischen Ressourcen von Paris im Geiste des Instituts für (geistige, Anm. d.A.) Zusammenarbeit

aktualisieren und

zusammenfassen.103

Auch die Times aus London war von der Veranstaltung begeistert und bezeichnete Venedig sogar als „Genf der Kunst".10* Maraini war von dieser Anerkennung begeistert und berichtete sogleich Mussolini darüber, der diesen Vergleich mit dem Kommentar „ Schlecht! " versah.105 Sozusagen zum Ausgleich fand im Oktober 1932 der wiederum von Maraini für das nationale Erziehungsministerium (MEN) organisierte Convegno Fascista dell'Arte statt, der die Vormachtstellung der Biennale in Italien nochmals unterstreichen sollte.106 Unabhängig von Mussolinis persönlicher Meinung blieb die Biennale in den Kreisen der geistigen Zusammenarbeit sehr engagiert. Als Versuch, die Vernunft als Bewahrer des europäischen Friedens zu stärken, stellten sich die Veranstaltungen und Publikationen des Internationalen Instituts für geistige Zusammenarbeit in Paris heraus. Genauso wie dort war eine Vielzahl der Erfolge der Biennale in dem freien geistigen Austausch zwischen den Völkern begründet. Zwar sollte es nie zu einer offiziellen Anerkennung der Biennale durch den Völkerbund kommen, aber Venedig war vom 25. bis 28. Juli 1934 nochmals ein Zentrum der intellektuellen Eliten aus den Kreisen des Völkerbundes. Während des internationalen Kongresses, der gemeinsam vom Internationalen Instituts für geistige Zusammenarbeit in Paris, der nationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit und der Biennale organisiert worden war, fand auch die vierte Sitzung der ständigen Kommission für Kunst und Literatur

102 Vgl. Georges Wildenstein, „La leçon de Venise", in:

London, 11. Mai 1932.

Beaux-Arts, X. Jg., 25. Mai 1932, S. 15-16.

14.1.283, Sottofasc. 4, Appunto per S. E. Il Capo del

103 „ . . . les

105 „Male" ACS, PCM, 1934-36,

leçons que donnent la XVIII e Biennale de Venise et le pre-

Governo, 29. Mai 1932

mier Congrès international d'art contemporain. Nous de-

14.1.283, Sottofasc. 4, „23-24 Ottobre 1932-X „II giorno 23

vons, d'une part, réaliser à Paris, à l'heure actuelle centre

Ottobre 1932 = A . X . ad ore 10, verrà inaugurato nella

universel des arts, une exposition internationale d'art con-

XVIII Esposizione Biennale Internazionale d'Arte, da S. E.

temporain; d'autre part, mettre à jour et grouper, dans

il Ministro dell'Educazione Nazionale, il convegno fascista

l'esprit de l'Institut de Coopération, les ressources docu-

dell'arte."

mentaires de Paris." Ebd., S. 16.

104 O. T., in: Times,

106 Vgl. ACS, PCM, 1934-36,

„ V Ö L K E R B U N D DER K Ü N S T E " -

DIE INTERNATIONALEN AKTIVITÄTEN

149

statt.107 Unter der Präsidentschaft; von Alfredo Rocco und Jules Destrée nahmen Delegierte aus 26 Ländern teil, die über die Themen Kunst und Wirklichkeit (L'Arte e la realtà) und Kunst und Staat (L'Arte e lo Stato) diskutierten. Die prominentesten Teilnehmer waren Henry Van de Velde, Le Corbusier und als einziger Deutscher Literaturnobelpreisträger Thomas Mann, der bereits Anfang 1933 Deutschland verlassen hatte. Zwar beklagte er die „freundliche Nutzlosigkeit solcher Zusammenkünfte " und schrieb, die „Tendenz schimmert durch die Problemstellung" der beiden Hauptthemen.108 Während des Kongresses wurde in Wien Engelbert Dollfuß ermordet, den Mussolini so intensiv unterstützt hatte. Die Delegierten erfuhren von den Ereignissen während der Sitzung. „ Erschütterung und Beunruhigung waren groß. " 109 Seine vorbereitete Rede konnte Mann nicht halten, die Hitze und die Ereignisse hatten ihn zu stark mitgenommen. Er schrieb: „Am Ende meiner Nervenkraft, einem Weinkrampf nahe, warf ich alles hin und veranlaßte unsere Rückfahrt ins Hotel. " u o Für die deutsche Presse war diese „ aus den Genfer Kreisen" entstandene Veranstaltung ohne große Bedeutung. Einzig die italienischen Beiträge wurden gelobt, den Rest hielt man für unerheblich.111 Bis zum Herbst 1935 kümmerte sich Maraini als Mitglied einer italienischen Delegation beim Völkerbund um die weitere Anerkennung der Biennale in den Bereichen Kunst und Film. 112 Spätestens seit Ende des Ersten Weltkriegs spielte die Auswärtige Kulturpolitik eine wichtige Rolle in der Außenpolitik der Länder. In Italien existierte bereits seit 1889 die Società Dante Alighieri, die sich um die Verbreitung der italienischen Sprache und Kultur im Ausland kümmerte. Das faschistische Italien begann mit der Unterstützung des 1927 gegründeten Centre International d'Études sur le Fascisme (CINEF) in Lausanne, die eigene Ideologie im europäischen Ausland zu verbreiten. Im selben Jahr wurde auch die Casa Italiana an der Columbia University in New York eröffnet. Es sollte das Zentrum für Italienstudien in den USA werden und wurde vor allem durch die Italy-America Society, aber auch durch den italienischen Staat finanziert. In Deutschland gab es seit 1931 zur Verbreitung der italienischen Kultur das deutsch-italienische Kulturinstitut Petrarca-Haus in Köln oder Abteilungen der Dante-Gesellschaft. Es folgten Kulturinstitute in Brüssel (1934) sowie in Warschau, Prag und Bukarest (1935). 113

107 Vgl. Entretiens IV: L'Art et la réalite, l'art et l'état,

G i m e n e z Caballero (Spanien), H e n r y Van der Velde

Institut International de Coopération Intellectuelle (Hg.),

(Belgien), Van der Pluym (Holland), Sir Cecil Harcourt-

Paris 1935. Teilnehmer: Alfrede Rocco, Volpi di Misurata,

Smith

Mario Alverà, Jules Destree, Henri Bonnet. Redebeiträge

108 T h o m a s M a n n , Tagebücher 1933-1934, M ü n c h e n

von Roberto Paribeni (Italien), Paul Lambotte (Holland),

1977, 21. Juli 1934, S. 479.

H a n s Tietze (Österreich), A n d r é Lhote

S. 484.

(Frankreich),

(Großbritannien)

und Thomas Mann 109 Ebd., S. 482.

(Exil).

110 Ebd.,

I l l S. „Der internationale Kunstkongreß in

Emilio Bodrero (Italien), Ugo Ojetti (Italien), Eugenio

Venedig", in: Die Weltkunst, VIII. Jg., Nr. 31,5. August 1934,

d'Ors (Spanien), Henri Focillon (Frankreich), Waldemar

S. 5.

George (Frankreich), Herbert Read (Großbritannien), Le

Maraini an Medici del Vascello (PCM,), 17. September

Corbusier (Frankreich), Johnny Roosval

1935.

(Schweden),

112 Vgl. ACS, PCM, 1934-36, 14.1.4677, Brief 113 Vgl. Stefano Santoro, „The cultural penetra-

Margherita Sarfatti (Italien), Alessandro Cingria, Gino

tion of Fascist Italy abroad and in eastern Europe", in:

Severini, A r d u i n o Colasanti, Salvador De Madariaga

Journal of Modern Italian Studies, Vol. 8, 2003, S. 36-66.

(Spanien), Francisco Castillo Najera (Mexico), Ernesto

150

„ D I E L E T Z T E N J A H R E DES LÖWEN*' -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

Anfangs eher unkoordiniert sollte das Ansehen des Landes durch die Präsentation der großen Kunst der Vergangenheit und Gegenwart Italiens in großen Ausstellungen gesteigert werden. Mit diesen Aktivitäten versuchte man, den Vorrang der römischen Zivilisation in der Welt zu manifestieren. Anfang 1926 wurde in New York in den Grand Central Art Galleries die unter dem Patronat des Königs stehende Ausstellung Modern Italian Art eröffnet, die von Generaldirektor Arduino Colasanti in Zusammenarbeit mit der Italy-America Society organisiert worden war." 4 Im Vorfeld der Ausstellung hatte diese sich bereits an Maraini gewandt, um ihn für eine Vortragsreihe in den USA zu gewinnen." 5 Bei der Vorbereitung der Ausstellung gab es einige Probleme, so dass die zunächst involvierten Personen, Ojetti, Carena und auch Maraini, nicht mehr mitarbeiteten.116 Diese Ausstellung sollte einen möglichst breiten Überblick über die Entwicklung der italienischen Kunst der letzten Jahrzehnte präsentieren. Danach wanderte sie weiter nach Boston, Washington, Chicago und San Francisco, um die italienische Kunst auch in Amerika bekannter zu machen. Auch in Brighton fand eine Exhibition of Modern Italian Art statt (MPI). Die italienische Kunst war auch bei der Exposición de Arte Francés, italiano y del libro Alemán im Frühjahr 1928 in Madrid zu sehen. Die italienische Kommission bestand aus Feiice Casorati, Margherita Sarfatti und Angelo Zanelli. In Paris wurde im November 1929 eine von Mario Tozzi kuratierte Exposition d'Art Italien Moderne in der Galerie des Editions Bonaparte gezeigt. Auch in diesem Bereich hatte Margherita Sarfatti Mitte der

1920er

Jahre eine entscheidende Rolle gespielt. Sie galt als Kultur-

botschafterin Italiens im Ausland, wobei sie vor allem die von ihr protegierten Künstler des Novecento präsentierte. In Zusammenarbeit mit der Generaldirektion der Altertümer und der Schönen Künste organisierte sie zwischen 1927 und 1930 Ausstellungen in Amsterdam, Baltimore, Buenos Aires, Genf, Nizza, Paris und Zürich. Ende 1929 war Generalsekretär Oppo für die italienische Sektion auf der internationalen Kunstausstellung in Barcelona verantwortlich."7 Bei der 1930 in London stattfindenden Ausstellung Italian Art 1200—1900 war Sarfatti in keinem Komitee mehr vertreten, ihre Konkurrenten Ojetti und Maraini jedoch schon. Um Sarfatti auszuschalten, startete Oppo im November 1930 eine Initiative bei Mussolini, um für das Nationalsyndikat die Gesamtverantwortung für die italienischen Kunstausstellungen im Ausland zu erlangen.118 Er schilderte ausführlich die aktuelle Situation der Ausstellungen und schloss mit den Worten, dass man in Italien ... die große Schlacht gegen den Kommerz und die oftmals unberechtigte Vorherrschaft der ausländischen Kunst entwickeln müsse, und mehr dass die Eingeschriebenen spüren, dass die Kunst nicht über oder außerhalb der Nation

114 Vgl. „Exhibition of M o d e r n Italian Art", Ausstel-

18. November 1925.

lungskatalog, G r a n d Central Art Galleries, New York

L'Esposizione di Barcelona del 1929: l'inaugurazione del

1926.

padiglione italiano, Juni 1929.

115 Vgl. GNAM, FM, Cart. 41, Brief Irene de

117 Vgl. Giornale LUCE, A 368, 118 Vgl. ACS, PCM,

Robilant (Italy America Society) an Maraini, 14. Mai 1925.

1 9 3 4 - 3 6 , 3.3.9.706.1, Disciplina delle Mostre

116 Vgl. GNAM, FM, Cart. 41, Brief Maraini an Colasanti,

Italiane all'Estero.

d'Arte

„VÖLKERBUND DER KÜNSTE" -

DIE INTERNATIONALEN AKTIVITÄTEN

I5I

und der Zeit steht, und dass der Faschismus nicht nur, wie es die Gegner lieben zu behaupten, ein politisches Regime, sondern eine neue Zivilisation darstellt. Leider besteht auch unter den besten Künstlern die Tendenz, internationale Kunst zu schätzen und alles was aus Frankreich kommt, nachzuäffen.119 Oppo schlug die Bildung einer interministeriellen Kommision vor, die zukünftig über alle Ausstellungen entscheiden sollte. Im Laufe des Jahres 1931 wurde diese im Einvernehmen mit den Ministerien eingerichtet. In diesem Zusamenhang entledigte sich Mussolini endgültig des Einflusses seiner ehemaligen Geliebten Sarfatti. „Ich möchte, dass Frau Margherita G. Sarfatti aus der Kommission für die Ausstellungen im Ausland ausgeschlossen wird. "120 Es sollte noch bis September 1933 dauern, bis das faschistische Nationalsyndikat der Schönen Künste und somit Maraini endgültig die alleinige Zuständigkeit für die Organisation italienischer Kunstausstellungen im Ausland bekam.121 In Zusammenarbeit mit den Botschaften, den Kulturinstituten und der Dante-Allighieri-Gesellschaft begann die Biennale, Kunstausstellungen als wichtigen Bestandteil der auswärtigen Kulturpolitik zu organisieren. Hier ergänzten sich die Funktionen Marainis vortrefflich, denn diese Ausstellungen wurden ein weiterer wichtiger Bestandteil im immer umfangreicher werdenden Programm der Biennale. Bei der Organisation der zeitgenössischen Kunst im Ausland sollte sie fast ein Monopol erhalten.122 Die Biennale war durch ihre langjährigen intensiven Kontakte zur internationalen Kunstwelt dazu prädestiniert, diese Aufgabe zu übernehmen. Hinzu kam die Internationalität ihres Präsidenten Volpi, der in Europa, den USA und darüber hinaus weltweit höchstes Ansehen genoss. Das von Maraini ausgebaute ASAC bildete das Zentrum zur Organisation dieser Ausstellungen. Bis 1942 sollten mehr als 30 Ausstellungen in Asien, Nord- und Südamerika, Afrika und Europa durchgeführt werden, die alle im Einklang mit der Außenpolitik des faschistischen Regimes standen.123 Es wird durch diese kurze Beschreibung der Aktivitäten deutlich, welche singuläre Rolle die Biennale in der italienischen Ausstellungspolitik spielte. Begleitet wurden die zahlreichen Aktivitäten der Biennale von der zunächst als englischsprachige Gästezeitschrift Venice der CIGA gegründeten, reich illustrierten Zeitschrift Le tre Venezie, die als offizielles Organ der Federazione provinciale fascista di Venezia herausgege-

119 »... sviluppare la grande battaglia contro il c o m m e r -

S. 13 f.

cio e la supremazia spesse volte ingiusta dell'Arte straniera,

fatti fili esclusa della Commissione per le mostre all'-

e più i suoi iscritti sentiranno che l'Arte n o n è al disopra e

Estero." Ebd., Mussolini, 19. Januar 1932.

al difuori della Nazione e del tempo, e che il Fascismo n o n

lienische Auslandsausstellungen u n d Mussolini", in: Die

120 „Intendo che la Signora Margherita G. Sar121 Vgl. „Ita-

è soltanto, come a m a n o dire gli avversari, u n Regime poli-

Weitkunst, II. Jg., Nr. 38, 17. September 1933, S. 4.

tico m a una nuova Civiltà. Purtroppo, anche fra i migliori

122 Vgl. Giuliana Tomasella, „La Biennale. Le mostre

artisti c'è la tendenza a ritenere l'Arte internazionale e a

all'estero", in: ON

scimiottare t u t t o che venga di Francia." ACS, P C M ,

123 Eine vollständige Liste mit allen d u r c h g e f ü h r t e n

1 9 3 4 - 3 6 , 3.3.9.706.1, Disciplina delle Mostre

Ausstellungen in Europa u n d Übersee findet sich im

d'Arte

Italiane all'Estero, C. E. Oppo, unito memoriale, o. D„

Ottonovecento,

Anhang, Band II, S. 123 f.

I.1996, S. 48-53.

152

„ D I E LETZTEN JAHRE DES L Ö W E N " -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

ben wurde.124 Darin zeigt sich die perfekte Symbiose, die der Faschismus und der Tourismus in Venedig ab Mitte der 1920er Jahre eingegangen waren. Die Zeitschrift übernahm die Aufgaben der Rivista di Venezia, wobei sich immer wieder politische, touristische und wirtschaftliche Interessen vermischten. Inhaltlich war sie eine perfekte Mischung aus historischen Berichten über Malerei, Architektur etc. in Verbindung mit den neuesten Errungenschaften im Veneto wie Industrialisierung, Straßen, Brücken etc. Ergänzend dazu gab es immer ausführliche Berichte über das gerade anstehende kulturelle Programm in der Stadt.

DIE W E L T ZU G A S T : H I T L E R , T I Z I A N , HOLLYWOOD

Eine große Tizian-Ausstellung, die Eröffnung des Settecenfo-Museums im Palazzo Ca' Rezzonico, die 40-Jahre-Jubiläumsschau der Internationalen Kunstausstellung und die III. Internationale Filmkunstschau waren die Highlights des Venezianischen Sommers 1935. Hinzu kamen Theateraufführungen, Konzerte, Golf- und Tennisturniere, Regatten, Modeschauen und Motorbootrennen, die alle aufeinander abgestimmt waren und sich ergänzten.125 Die Stadt Venedig war zu einem internationalen Aushängeschild für die wirtschaftliche und kulturelle Leistungskraft des faschistischen Italiens geworden. Die konsequente Modernisierung der Infrastruktur und der Kulturinstitutionen hatte Venedig zu einem der wichtigsten Orte des italienischen Faschismus gemacht, wo man eindrucksvoll die perfekte Symbiose aus Vergangenheit und Zukunft präsentieren konnte.126 Dazu gehörten die Ponte del Littorio mit der Autobahn vom Festland, die Piazzale Roma mit dem modernen Parkhaus, der zweitgrößte Hafen Italiens, Porto Marghera, und der Ausbau des Flughafens San Nicolò auf dem Lido. Der wirtschaftliche Aufschwung durch die Expansion in Porto Marghera war einer der Grundpfeiler für den weiteren Ausbau des kulturellen Angebots in Venedigs historischem Zentrum. Die professionelle Nutzung des kulturellen Kapitals Venedigs wurde unter der Leitung von Giuseppe Volpi zur Optimierung des touristischen Angebots eingesetzt. Es soll an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung gerufen werden, dass Volpi nicht nur Präsident der Biennale war, sondern auch dem Aufsichtsrat der städtischen Museen vorstand. Damit konnte das Jahr 1935 zum ersten Mal die Optimierung des venezianischen Kultursystems demonstrieren, da den großen geplanten kunsthistorischen Ausstellungen das gesamte Know-how des Sekretariats der Biennale und der verschiedenen städtischen Behörden zur

1 2 4 Vgl. Le tre Venezie: rivista mensile edita a cura della

nimento d'arte: La Mostra di Tiziano a Ca' Pesaro" u.

Federazione

Venedig

Alberto Zajotti, „I quarantanni della Biennale", in: Rivista

1926-1944. Hinter der Zeitschrift standen neben der CIGA

di Venezia, XIII. Jg., Nr. 1./2.1935, S. 3 - 1 2 u. 39-44.

provinciale

fascista

di

Venezia,

Volpis, die venezianische PNF unter der Führung Giu-

1 2 6 Vgl. Elio Zorzi, „II grandioso impulso del fascismo a

riatis, dessen Sohn Giovanni Giuriati jr. der Herausgeber

Venezia. Problemi di secoli risolti in due lustri", in: Cor-

war.

riere della Sera, 15. Oktober 1932.

1 2 5 Vgl. Giannino Omero Gallo, „Un grande avve-

DIE WELT ZU GAST: H I T L E R , T I Z I A N ,

HOLLYWOOD

153

Verfügung stand. Venedig konnte seine Leistungsfähigkeit als internationales Kunstzentrum in allen Bereichen unter Beweis stellen. Die Großereignisse des Jahres 1935 wurden schon im Januar angekündigt. Sehr schnell stellte sich jedoch heraus, dass das vorgesehene Programm nicht vollständig umgesetzt werden konnte. Die Eröffnung des Settecento-Museums wurde auf das nächste Jahr verschoben, da man mit dem Erwerb der Sammlung Donà dalle Rose aus dem Palazzo Michiel dalle Colonne durch die Kommune eine Neukonzeption der geplanten Ausstellung vornehmen musste.127 Die Neuerwerbungen wurden zunächst in einer temporären Sonderausstellung in den Neuen Prokuratien am Markusplatz gezeigt. Im Folgenden soll zunächst der Besuch Adolf Hitlers beschrieben werde, der 1934 für großes Aufsehen sorgte. Schließlich wird auf die Bedeutung der großen Tizian-Retrospektive für Venedig und die große Anerkennung, die die Internationale Filmkunstschau 1935 erhalten sollte, eingegangen. Ein weiterer Abschnitt widmet sich der großen italienischen Kunstausstellung in Paris und deren politischer Intention.

Das erste Treffen Hitler — Mussolini 1934 Sie beide bewundern Wagner, und das würde einen gemeinsamen Ausgangspunkt abgeben. Wie bedeutungsvoll wäre es, wenn Sie ihn in den Palazzo Vendramin in Venedig einladen könnten, in dem Richard Wagner starb.m Ernst Hanfstaengl zu Benito Mussolini, Februar 1934 So beschrieb Ernst Hanfstaengl, der Auslandspressechef der NSDAP, die Gemeinsamkeiten zwischen Hitler und Mussolini bei einer persönlichen Audienz bei Mussolini. Das erste Zusammentreffen der Diktatoren Adolf Hitler und Benito Mussolini in Venedig wurde im Laufe der Geschichtsschreibung der Biennale gerne erwähnt, dessen tatsächliche Bedeutung aber meist nicht richtig gedeutet. Von einem propagandistischen Auftritt Hitlers oder gar dem Beginn einer Achse Berlin—Rom kann keine Rede sein. Das Hauptproblem zwischen den beiden Staaten war die Frage der Souveränität Österreichs. Der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß verkündete, gegen die Forderungen der deutschen Regierung nach einem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich beim Völkerbund zu protestieren. Die italienische Regierung unterstützte diese Position. Außerdem übernahmen auch Frankreich und Großbritannien eine Sicherheitsgarantie für die Selbständigkeit Österreichs. Zudem

127 Vgl. Giulio Lorenzetti/Leo Planscig, La collezione dei

acquisti e d o n i al Civico M u s e o Correr", in: Rivista

C o n t i D o n à dalle Rose a Venezia, Venedig 1934; M o s t r a dei

Venezia, XXX. Jg., Nr. 5, M a i 1935, S. 219.

di

più recenti acquisti e d o n i pervenuti al Civico M u s e o C o r -

Hanfstaengl, Zwischen W e i ß e m H a u s u n d B r a u n e m H a u s .

rer. G i u g n o - S e t t e m b r e 1935 XIII, Ausstellungskatalog,

E r i n n e r u n g e n eines politischen Außenseiters, M ü n c h e n

Venedig 1935 u. „La Mostra T e m p o r a n e a dei più recenti

1970, S.330.

128 Ernst

154

»DIE LETZTEN JAHRE DES LÖWEN*' -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

hatte sich Mussolini massiv fur den Bau eines österreichischen Pavillons in den Giardini eingesetzt (Abb. 52). Vor diesem politischen Hintergrund fand die als privates Arbeitstreffen und nicht als offizieller Staatsbesuch organisierte erste Zusammenkunft zwischen Mussolini und Hitler statt. Mussolini nutzte Venedig als perfekte Bühne, um seinen Konkurrenten aus Deutschland zu beeindrucken. Denn Hitlers Aufstieg bedeutete eine Schwächung der Position Mussolinis im faschistischen Lager, als dessen internationaler Führer er sich sah. Der Besuch sollte zu einem propagandistischen Meisterstück für das faschistische Italien und vor allem für Mussolini werden.129 Hitler war am Morgen des 14. Juni 1934 am neu errichteten Flugplatz San Nicolò auf dem Lido in ziviler Kleidung angekommen, wo er von Mussolini empfangen wurde. Für das am Nachmittag stattfindende erste Gespräch hatte Mussolini die imposante Villa Pisani in Strà ausgewählt, die bereits Napoleon als Aufenthaltsort gedient hatte. Sie war einzig und allein für diesen Zweck renoviert worden. Um die Villa Pisani zu erreichen, musste Hitler die neue Ponte del Littorio nutzen, die den Autobahnfan beeindruckt haben muss. Schließlich passierte man das gesamte Hafen- und Industriegebiet von Porto Marghera mit seinen großen Industrieanlagen. Am nächsten Tag, dem 15. Juni 1934, fand zunächst ein Mittagessen im Golfclub am Lido mit Mussolini, nationalen und lokalen Politikern sowie führenden Persönlichkeiten der venezianischen Gesellschaft statt. Im Anschluss besuchte Hitler, begleitet von Prinz Philipp von Hessen, die Kunstausstellung in den Giardini (Abb. 53). Bei seinem Besuch wurde er von Präsident Volpi di Misurata und Generalsekretär Maraini durch die Pavillons gefuhrt. Wie bei der Organisation des gesamten Besuchs sollte auch hier deutlich gemacht werden, welches die führende faschistische Nation Europas war. Im Vergleich zum Ausstellungspalast ITALIA, den Neubauten auf der Insel Sant' Elena und vor allem dem neuen Pavillon Österreichs wurde deutlich, wie ärmlich der alte bayerische Pavillon von 1909 wirken musste. Darüber konnten auch nicht der überdimensionierte Reichsadler und die Büste Hitlers hinwegtäuschen. Außerdem befanden sich in der von Eberhard Hanfstaengl, dem Direktor der Bayerischen Nationalgalerie kuratierten Ausstellung auch noch Werke von Ernst Barlach, dem Hitler kritisch gegenüberstand. Der gesamte internationale Charakter musste Hitler zutiefst abgestoßen haben, wie man es auch später in den Beurteilungen von Joseph Goebbels findet.130 Den Höhepunkt des Treffens bildete eine Rede Mussolinis. Er hielt sie am Abend, vor 7 0 . 0 0 0 Schwarzhemden auf der Piazza di San Marco von einem Balkon aus; Hitler hörte sie sich von einem benachbarten kleineren Balkon an. Mussolini bezog sich auf seinen letzten Besuch von 1923 und betonte die Entwicklung, die Venedig seitdem gemacht hatte. Es ist an der Zeit zu sagen, dass Venedig nicht mehr nur von seiner unvergleichlichen Schönheit leben soll. Das genügte vor einem Jahrhundert, im Jahrhundert 129 Vgl. Β Arch, R 43 II, 1448, Z u s a m m e n k u n f t Hitlers

1934.

m i t Mussolini in Venedig a m 14./15. Juni 1934 u. Giornale

1955, S. 206.

LUCE, Β 489, L'incontro Mussolini-Hitler a Venezia, Juni

130 S. O t t o Dietrich, Zwölf Jahre m i t Hitler, Köln

D I E W E L T ZU G A S T : H I T L E R , T I Z I A N ,

HOLLYWOOD

155

der Romantik. Nicht heute. Venedig muss von seiner Arbeit leben, muss die Wege seines Verkehrs wiederfinden: die Wege, die ihr Macht und Ruhm gaben, die Wege, die sie wieder zu Wohlstand und zum zukünftigen Ruhm führen werden»1 Nach gemeinsamem Abendessen im Grand Hotel und dem Besuch des Hotels Excelsior am Lido kehrte Hitler am nächsten Morgen nach Berlin zurück. Hitler war von Mussolini sichtlich beeindruckt, wie auch aus den Tagebuchaufzeichnungen von Goebbels hervorgeht. „Erzählt von Venedig. Mussolini von ganz großem Eindruck auf ihn. Beide haben sich freundschaftlichst ausgesprochen. ""2 Dem Reichspräsidenten Hindenburg berichtete Außenminister Freiherr von Neurath: Die Aufnahme durch Mussolini selbst und durch die Bevölkerung in Venedig war außerordentlich herzlich, und ich bin überzeugt, daß der in Venedig aufgenommene Kontakt zwischen Mussolini und dem Herrn Reichskanzler, der nach den Wünschen der beiden Staatsmänner fortgesetzt werden soll, gute Früchte tragen wird."3 Der geschickt choreographierte Besuch Hitlers war eine propagandistische Meisterleistung Mussolinis. Er wird noch heute meist als Beginn der Freundschaft Hitlers und Mussolinis deklariert — er sollte genau das Gegenteil demonstrieren. Nach der Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß bei einem Putschversuch in Wien am 25. Juli 1934 durch nationalsozialistische Attentäter gab Mussolini unmissverständlich Order, die internationale Stellung Österreichs durch den massiven Ankauf österreichischer Kunst zu stärken. Mussolini selbst erstand ein Porträt von Engelbert Dollfuß und schenkte es dessen Witwe.

Die große Tizian-Austeilung 1935 Die Stadt hatte seit 1929 keine größere Ausstellung mehr organisiert. Jetzt hatte man sich dazu entschieden, einen der bekanntesten Söhne der Stadt zu ehren und begann mit der Organisation einer großen Tizian-Retrospektive. Die Vorbereitungen für eine Tizian-Ausstellung waren bereits seit Mitte 1934 in vollem Gange.134 Hier schaltete sich auch der Präfekt der Region Veneto ein, der beim Duce um Unterstützung dieser Großausstellung warb. Diese

131 „È tempo di dire che Venezia non deve vivere soltan-

XII. Jg., Nr. 6, Juni 1934, S. 218.

to della sua inuguagliabile bellezza. Questo poteva bastare

18. Juni 1934.

132 Tagebuch Goebbels,

133 BArch, R 43 II, 970, Brief Botschafter

un secolo fa, nel secolo del romanticismo. Non oggi.

von Neurath an Hindenburg, 18. Juni 1934.

Venezia deve vivere del suo lavoro, deve ritrovare le strade

1931-1935, IX.12.8, Mostra delle opere di Tiziano u. ACS,

134 AMV,

dei suoi traffici: le strade che le diedero la potenza e la glo-

PCM, 1934-36,14.1.2548. Venezia-Esposizione delle Opere

ria, le strade che le devono dare ancora il benessere e la

del Tiziano nel Palazzo Pesaro (1935), p. Inclusione nel

gloria futura." „II Duce a Venezia", in: Rivista di Venezia,

Calendario del Regime.

156

„ D I E LETZTEN JAHRE DES L Ö W E N " -

DER AUSBAU IN DEN I93OER

JAHREN

wäre eine „ Unterstützung für den venezianischen Fremdenverkehr" und würde „einen bedeuteten Zustrom von Fremden mit ökonomischen Vorteilen für diese Stadt" bedeuten.135 Eine genaue Beschreibung des Großausstellungsprojektes zu Tizian folgte Anfang November mit der Bitte, es zu genehmigen und in den offiziellen Ausstellungskalender aufzunehmen.136 Podestà Alverà unterstrich die Sonderstellung der Ausstellung, die Gemälde aus ganz Italien und dem Ausland beinhalten sollte. Diese Ausstellung würde die Qualitäten, „welche die europäischen Nationen dem faschistischen Italien attestieren" unterstreichen und „die herzliche Sympathie der intellektuellen Welt für Venedig" steigern.137 Die Ausstellung war von Beginn an als großes kulturelles und touristisches Event geplant. Man hoffte, an die Erfolge der kunsthistorischen Ausstellungen in Venedig Ferrara

(1933)

(1929)

und

anknüpfen zu können. Man hatte zunächst daran gedacht, sie im Ausstellungs-

palast in den Giardini zu zeigen, aber zum einen war dieser durch die 40-Jahr-Ausstellung belegt und zum anderen wurde dieser Bau wohl doch nicht als der angemessene Rahmen für die Meisterwerke eines der größten venezianischen Künstler betrachtet. Für die Werke Tizians sollte Ca' Pesaro geräumt werden, wo sich die Galleria Internazionale d'Arte Moderna befand. Der Zeitpunkt war sehr gut gewählt, da eine komplette Neuordnung und ein Austausch der Bestände mit der Galleria Nazionale d'Arte Moderna in Rom bevorstand. Alle ausländischen Kunstwerke sollten in Zukunft in Venedig ausgestellt werden, so dass in Rom nur noch die nationale Kunst verblieb. Eine Aufteilung, die der zwischen Biennale und Quadriennale entsprach. Ziel war es „ dafür zu sorgen, dass die Tourismuszahlen 1935 nicht schlechter als die von 1934 werden." Zudem sei es ein „nützliches Werk für die gesamte Kultur und für die Studien, sowie ein sehr nützliches Werk für die Glorifizierung des Genius und des Stamms Italiens. " 138 Die Bemühungen waren erfolgreich, denn noch im Dezember wurde die Ausstellung genehmigt und Barbantini durfte sein Konzept nochmals persönlich dem Capo di Gabinetto des Duce vorstellen. Nachdem man in Venedig von der großen, für den Sommer 1935 in Paris geplanten und von Mussolini persönlich geförderten italienischen Kunstausstellung erfahren hatte, zeigte man sich besorgt über dieses zur gleichen Zeit stattfindende Großereignis.139 Doch konnten alle Befürchtungen ausgeräumt werden und man wünschte sich ein harmonisches Miteinander der beiden Großausstellungen zum Ruhme der italienischen Zivilisation. Der Podestà Mario Alverà berichtete in einer Rede vor der Consulta Comunale über die Hauptprobleme Venedigs und die zukünftigen Perspektiven.140 Die von der Kunstabteilung

1 3 5 „ . . . migliori auspici per il movimento turistico vene-

1934.

ziano e per un notevole afflusso di forestieri, con vantag-

il movimento turistico a Venezia non sia inferiore a quello

1 3 7 Ebd., S. 2.

1 3 8 „ . . . ad ottenere che nel 1935

gio economico per questa città" ACS, P C M , 1 9 3 4 - 3 6 ,

del 1934; a compiere opera utile per la cultura generale e

14.1.2548, Brief Prefetto Venezia an C d G , 21. Oktober 1934.

per gli studi, opera utilissima per la glorificazione del

1 3 6 „ . . . quali sono la deferenza che le Nazioni Europee

genio e della stirpe italiana." Ebd., S. 5.

attestano all'Italia Fascista, la simpatia affettuosa del

De Vecchi di Val Cismon an P C M , 16. Januar 1935.

1 3 9 Ebd., Brief

mondo intellettuale per Venezia, la regolarità, lodatissima

1 4 0 Vgl. „Cronache mensili di Vita Veneziana. I problemi

anche dagli stranieri, con la quale si sono svolte ogni loro

maggiori di Venezia in una sintesi del Podestà", in: Rivista

funzione" Ebd., Brief Podestà Alvera an C d G , 3. November

di Venezia, XIII. Jg., Nr. 1/2, Januar/Februar 1935, S. 5 1 - 6 1 .

DIE WELT ZU GAST: H I T L E R , T I Z I A N ,

HOLLYWOOD

157

der Kommune zu organisierende Ausstellung sollte ein wichtiger Anreiz für den Besuch der Lagunenstadt sein. Die große Präsentation mit über 100 Gemälden Tizians gilt bis heute als die umfassendste Schau zu dem bekanntesten venezianischen Maler. Mit der großen TizianAusstellung hatte Venedig die bedeutendste kunsthistorische Ausstellung des Jahres in Italien organisiert.141 Zur Eröffnung war König Vittorio Emanuele III. wieder einmal nach Venedig gekommen.142 Die Tizian-Ausstellung war aus Sicht der Kunstkritiker und ebenso beim Publikum, belegt durch die hohen Besucherzahlen, ein durchschlagender internationaler Erfolg.143 Auch Tizian selbst freute sich in der Satirezeitschrift Sior Tonin Bonagrazia über seine Ausstellung: „So auch ich, endlich, habe ich es geschafft, in Ca' Pesaro auszustellen." (Abb. 54) 144 Ganz im Schatten Tizians stand die Mostra dei Quarantanni della Biennale, bei der eigentlich ein Jubiläum gefeiert werden sollte. Doch bereits hier deutete sich die zukünftige Krise an, die nicht nur auf die außenpolitischen Ereignisse zurückzuführen ist.145 Die Ausstellung zeigte in zwei Abteilungen die venezianische Kunst von 1895 bis 1914 und von 1920 bis 1934. Wegen des lokalen Charakters der Ausstellung konnte keine qualitativ hochwertige Kunst gezeigt werden. Zudem war die Dauer auf zwei Monate beschränkt. Trotzdem dokumentierte der Katalogtext das große Selbstbewusstsein der Verantwortlichen, die in Lobeshymnen auf den Duce, Italien usw. die Bedeutung, Geschichte und besonderen Ereignisse der Biennale beschrieben. Für alle, die in den letzten Jahren an der Biennale beteiligt waren, fand man lobende Worte, vor allem auch für die aktuellen Macher, zu denen der für die überschwänglichen Texte verantwortliche Maraini selbst gehörte.146 Die Jubiläumsausstellung der Biennale hatte als rein lokales Ereignis nicht den erhofften Erfolg, was man auf die gleichzeitig stattgefundene Tizian-Ausstellung zurückführte. Ein grundsätzliches Problem der italienischen Kunstgeschichte wurde überdeutlich. Ob in Venedig oder im Ausland, die Begeisterung des Publikums für die alles überragenden Alten Meister konnte von der zeitgenössischen italienischen Kunst nicht erreicht werden.

Hollywood vs. Europa — die Gründung der Internationalen Filmkammer 1935 Seit dem Jahr 1932 hatte sich die Internationale Filmkunstschau sehr schnell zu einer bedeutenden Manifestation entwickelt, welche die Bedeutung des Lido di Venezia als mondänes Zentrum der nationalen und internationalen High Society unterstrich. Die Zusammenarbeit zwischen der Biennale und dem Internationalen Institut für das Lehrfilmwesen (ICE) hatte

141 Vgl. „Mostra di Tiziano", Ausstellungskatalog, Vene-

143 Vgl. Artikel zu Tizian in Art News, Weltkunst,

dig 1935; Rodolfo Pallucchini, „La Mostra di Tiziano", in:

Burlington, Revue de l'Art, Time Magazine.

Ateneo Veneto, Vol. 119, September 1935, S. 65-72; G. O.

celebri", in: Sior Tonin Bonagrazia, Nr. 18, 4. Mai 1935.

144 „Turisti

Gallo, „Un grande avvenimento d'arte. La Mostra di Ti-

145 S. „Mostra dei Quarant'Anni della Biennale", Ausstel-

ziano a Ca' Pesaro", in: Rivista di Venezia, XIII. Jg., Nr. 1/2,

lungskatalog, Venedig 1935, S. 14.

Januar/Februar 1935, S. 10.

Β 685, 29. Mai 1935: Venezia Inaugurazione di una mostra

142 S. Giornale LUCE, Β 669:

Venezia. Il re inaugura la mostra di Tiziano, 1. Mai 1935.

d'arte alla Biennale.

146 S. Giornale LUCE,

158

„DIE LETZTEN JAHRE DES LÖWEN*' -

DER A U S B A U IN DEN I93OER

JAHREN

eine unschlagbare Institution geschaffen.147 Bei den Aufführungen in Originalversion konnte man nach den fünfzehn Tagen der Veranstaltung einen klaren Überblick über die aktuellen Tendenzen des Films erhalten. Der Schwiegersohn des Duce und neue Unterstaatssekretär für Presse und Propaganda, Graf Galeazzo Ciano

(1903—1944),

betonte durch seine Anwesen-

heit in Venedig die Bedeutung des Films für das faschistische Italien.148 Kurz zuvor war die Generaldirektion für Kinematographie unter der Leitung von Luigi Freddi eingerichtet worden und für die insgesamt 23 Preise hatte die Biennale zahlreiche Ministerien, die PNF und andere staatliche Einrichtungen gewinnen können.149 Gezeigt wurden die Filme an drei Orten, im Palazzo del Cinema, im Salon und im Garten des Hotels Excelsior. Es gab keinerlei besondere Kriterien für die Auswahl der Filme, die Organisatoren waren offen für alle Genres. So reichte das Spektrum der Filme von amerikanischen Produktionen mit Marlene Dietrich, Greta Garbo, Jean Harlow oder Clark Gable über zahlreiche andere Unterhaltungsfilme bis hin zum nationalsozialistischen Propagandafilm Triumph des Willens von Leni Riefenstahl und die Reichsparteitage in Nürnberg. Alles in allem war die III. Schau ein großer Erfolg [...] die Ausstellung blüht und gedeiht; sie konnte das Ansehen der Institution in der ganzen Welt festigen, da auch große Häuser wie Metro Goldwyn Mayer und Paramount, um nur zwei Giganten aus Übersee zu nennen, die absolut wichtigsten Neuerscheinungen ihrer Produktion dafür reserviert haben; die wirtschaftliche und kommerzielle Funktion der Ausstellung zeichnet sich immer mehr ab, da in ihrem Schatten zahlreiche Geschäfte zwischen Produzenten und Verleihern zustande kommen.150

147 S. Elio Zorzi, „La terza Mostra Mondiale della Cine-

gegen Mussolini. In der Folge wurde 1944 z u m Tode ver-

matografia a Venezia", in: Le Tre Venezie, X. Jg., Nr. 8,

urteilt und hingerichtet. Literatur: in: Dizionario Biografi-

August 1935, S. 411-415.

co degl Italiani, Rom 1981, S. 190-200.

148 Conte Galeazzo

Ciano

149 Die Preise

stammte aus Livorno. Sein Vater Costanzo Ciano war einer

der III. Internationalen Filmkunstschau waren: C o p p a

der Mitbegründer der PNF und Sottosegretario in der

Mussolini, Coppa del Ministero della Stampa e Propa-

ersten Regierung Mussolinis. Ciano studierte Jura und

ganda, Coppa del Partito Nazionale Fascista, Coppa dell'

arbeitete als Anwalt. Er wurde Diplomat und war u. a. ita-

Istituto Nazionale LUCE, Coppa della Biennale, Coppa del

lienischer Konsul in Rio de Janeiro, Peking und Shanghai.

Ministero delle Colonie, Coppa del Ministero delle Cor-

Im April 1930 heiratete er die Tochter Mussolinis Edda. Im

porazioni, Coppa Volpi, Coppa della Direzione Generale

August 1933 wurde er Pressechef des Büros von Mussolini.

della Cinematografia, Coppa della Direzione Generale del

Nach dem Vorbild des Reichsministeriums für Volksauf-

turismo, Coppa della Confederazione nazionale Fascista

klärung und Propaganda wurde i m Juni 1935 das Minis-

dell'Industria,

terium für Volkskultur (MinCulPop) etabliert. Nach der

Nazionale, Coppa della Città di Venezia, Coppa della III

aktiven Teilnahme am Krieg in Äthiopien wurde er im Juni

Mostra Internazionale d'Arte Cinematografica,

1936 z u m Außenminister ernannt. In dieser Position war

dell'Associazione Nazionale Fascista delle Industrie dello

Ciano einer der mächtigsten Politiker im faschistischen

Spettacolo, Medaglia d ' O r o dell'ICE, Medaglia d'oro della

Italien. Seine von Beginn an kritische Haltung gegenüber

Confederazione Professionisti e Artisti u. Medaglia della

dem nationalsozialistischen Deutschland und den Kriegs-

Corporazione dello Spettacolo.

eintritt sollte sich bestätigen. A m 6. Februar 1943 verlor er

Illa Mostra è dunque andata benissimo [... ] la Mostra p u ò

seinen Posten und wurde z u m Botschafter beim Heiligen

vivere e prosperare; si è affermato praticamente il prestigio

Stuhl ernannt. In der Sitzung v o m 25. Juli 1943 stimmte er

mondiale dell'istituzione, poiché grandi case come la

Coppa

del

Ministero

dell'Educazione

Coppa

150 „Tutto sommato la

DIE WELT ZU GAST: HITLER, T I Z I A N ,

HOLLYWOOD

159

Mit der III. Filmkunstschau 1935 war man überaus zufrieden, da sie von 38.500 Personen besucht wurde und ca. 1.800 Journalisten über sie berichteten. Ein weiteres Ereignis betonte die internationale Bedeutung der Filmkunstschau: die Sitzung der Satzungskommission zur Gründung der Internationalen Filmkammer (IFK), die auf Initiative Deutschlands seit einem Filmkongress in Berlin angedacht worden war.151 Bereits bei seinem ersten Besuch in Italien im Mai 1933 war Joseph Goebbels bei einem Empfang des Istituto LUCE anwesend. Beteiligt waren an der Gründung der IFK Vertreter aus zwölf europäischen Ländern, die dadurch ein Gegengewicht zur dominierenden amerikanischen Filmwirtschaft schaffen wollten. Nach den Beschlüssen in Venedig trat die IFK erstmals am 7. November 1935 unter dem deutschen Präsidenten Fritz Scheuermann in Paris zusammen. Im Rückblick betonte Volpi 1936 die Bedeutung der IFK für die Biennale: Die Kammer hat damals, als ihren ersten Beschluss, in feierlicher Form die internationale Anerkennung der großen venezianischen Weltfilmschau ausgesprochen. Es ist daher nur natürlich, dass ich jetzt, vor Beginn der IV. FilmkunstAusstellung, der Internationalen Filmkammer für die wertvolle Mitarbeit danke und dabei der Hoffnung Ausdruck gebe, sie möge stets den Zweck erfüllen, den sie mit der Ausstellung von Venedig gemeinsam hat: die Erhebung des Filmwesens zur Kunst, als machtvolles Werkzeug für die Ausbreitung der Zivilisation, für die Verständigung unter den Völkern.152 Aus deutscher Sicht betonte man die Bedeutung der Internationalen Filmkunstschau und ein gutes Abschneiden der deutschen Filme als besonders wichtig für die Exportchancen der deutschen Filmindustrie. Der Eindruck der deutschen Filme war so stark und nachhaltig, dass sich diese auf die Entwicklung des deutschen Filmexportes auswirken wird. Damit hat Deutschland im friedlichen Wettbewerb der Filmnationen eine Schlacht gewonnen, deren endliche Auswirkung sich heute noch nicht absehen lässt,153 Die Sowjetunion beteiligte sich 1935 nicht an der Filmkunstschau, sondern versuchte, das venezianische Modell für Moskau zu kopieren.154 Das Internationale Filmfestival von Moskau Metro Goldwyn Mayer e la P a r a m o u n t - per citare due

Österreich, Spanien, Schweden u n d Belgien getroffen. Vgl.

colossi d'oltre oceano - le h a n n o riservato la primizia

Ausführlich zur Genese u n d Bedeutung der IFK: Yong

assoluta di due capisaldi della loro produzione; si è deli-

Chan Choy, Inszenierungen der völkischen Filmkultur im

neata la sua funzione economica e commerciale, poiché

Nationalsozialismus: ,Der internationale

numerosi affari sono fioriti all'ombra della Mostra tra pro-

Berlin 1935', Phil.-Diss., T U Berlin, Berlin 2006, S. 194 ff-

Filmkongress

duttori e noleggiatori." Elio Zorzi, „Bilancio consuntivo

152 „Zur Internationalen Filmkunst-Ausstellung in Vene-

della terza Mostra di Arte Cinematografica", in: Le Tre

dig 1936", in: Inter-Film, Nr. 1,1936, S. 5.

Venezie, September 1935, S. 477-482, hier S. 482.

land hat eine Schlacht gewonnen", in: Film-Kurier, 31. Au-

151 In

153 „Deutsch-

Venedig hatten sich die Vertreter der Filmindustrie aus den

gust 1935.

zwölf europäischen Ländern Deutschland, Italien, Frank-

politik. Der U m b a u der sowjetischen Filmindustrie 1929

reich, England, Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Schweiz,

bis 1938, St. Augustin 2001, S. 87 f.

154 Vgl. Eberhard Nembach, Stalins Film-

ΐ6θ

„ D I E L E T Z T E N JAHRE DES LÖWEN*' - DER AUSBAU IN D E N I 9 3 O E R

JAHREN

war im Auftrag von Joseph Stalin mit Jurypräsident Sergej Eisenstein organisiert worden. Filmpreise gewannen 1935 in Moskau unter anderem Walt Disney und René Clair. Alessandro Blasetti präsentierte den Historienfilm 1886, der sich ausdrücklich auf Impulse von Nikolai Ekks Weg ins Leben berief. Auch im Rahmen der Weltausstellung 1935 in Brüssel fand Ende September ein internationales Filmfestival statt, wobei sich Maraini bei Mussolini über die direkte Nachahmung der venezianischen Filmkunstschau beschwerte. „Es ist Punkt für Punkt eine Nachahmung Venedigs ohne es zu nennen! "155

„Primato della civiltà romana" — Paris 1935 Auch im Bereich der Ausstellungen zeitgenössischer Kunst im Ausland waren die Aktivitäten 1935 auf einem Höhepunkt angelangt. Im Rahmen der intensiven Bemühungen der italienischen Außenpolitik unter Galeazzo Ciano in Mittel- und Südosteuropa organisierte Antonio Maraini zunächst eine Wanderausstellung für die Städte Warschau, Krakau und Bukarest.156 Bei der Weltausstellung in Brüssel arbeiteten Volpi di Misurata und Maraini zusammen. Volpi war italienischer Kommissar und Maraini für die Kunstauswahl beim italienischen Pavillon auf der Weltausstellung zuständig. Der absolute Höhepunkt des groß angelegten, auswärtigen Kulturprogramms war die im Sommer 1935 in Paris gezeigte Doppelausstellung alter und zeitgenössischer Kunst Italiens. Hinter der Organisation steckten außenpolitische Gründe, wie Braun und Tomasella deutlich gemacht haben. 157 Durch den Abschluss eines Freundschaftsvertrages mit Frankreich erhoffte sich Mussolini eine Duldung seiner kolonialen Pläne in Äthiopien. Zunächst wurde mit großer propagandistischer Begleitung die Unterzeichnung des Vertrags im Januar 1935 in Rom gefeiert. Als Beweis seiner engen Verbundenheit mit Frankreich förderte Mussolini die großen Ausstellungsprojekte in Paris, die in einem bis heute unerreichten Maße die Meisterwerke der italienischen Kunstgeschichte im Ausland präsentierten. Aller konservatorischen Bedenken zum Trotz fanden mehr als 180 Meisterwerke aus Florenz, Neapel, Rom und Venedig ihren Weg nach Paris (Abb. 55 ). Die Ausstellung stand unter dem Patronat der italienischen und französischen Staatsoberhäupter Vittorio Emanuele III. und des Präsidenten Albert Lebrun. Unter der Präsidentschaft von Ugo Ojetti organisierte das Comitato Italia-Francia von Florenz aus die Ausstellung. Die inhaltliche Konzeption der Altmeister-Ausstellung von Cimabue bis Tiepolo unterstand Ojetti selbst, für die Kunst von Canova bis zur Gegenwart

155 „È una imitazione punto per punto di Venezia senza

Luxemburg.

nominarci." ACS, PCM, 1934-36,14.1.4677, Brief Maraini

Parigi-Venezia. La mostra di arte italiana a Parigi e le pre-

157 Vgl. Giuliana Tomasella, „Venezia-

an Mussolini, 3. September 1935.

156 Vgl. Di Martino,

senze francesi alla Biennale di Venezia (1920-1938)", in:

2003, S. 153. Eine Wanderausstellung, die in Warschau,

Federica Pirani (Hg.), „II Futuro alle spalle. Italia-Francia-

Krakau, Posen, Bukarest und Sofia gezeigt wurde; die

L'arte fra le due guerre", Ausstellungskatalog, Rom 1998,

Kunstabteilung der Weltausstellung in Brüssel; eine Skulp-

S. 83-93 u· Emily Braun, „Leonardo's Smile", in: Claudia

turenausstellung in Wien u n d eine weitere Wander-

Lazzaro/Roger J. C r u m (Hg.), Donatello among the Black-

ausstellung in Tallin, Tarlu, Oslo, L'Aja, Genf, Zürich und

shirts, Ithaca/London 2005, S. 173-186, hier S. 183-186.

DIE WELT ZU GAST: H I T L E R , T I Z I A N , HOLLYWOOD

l6l

war Maraini zuständig. Maraini war somit die weitaus schwierigere Aufgabe zugefallen, denn mit den Alten Meistern konnte man im Ausland nur gewinnen, dominierten diese doch bereits seit Jahrhunderten die Museen und Sammlungen der Welt. Bei der Auswahl der modernen Künstler musste er auf vielerlei Einflüsse und Vorlieben Rücksicht nehmen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. In einigen Bereichen widersprachen sich die Erwartungen des französischen Publikums und die Absichten der faschistischen Regierung, aber auch die Hoffnungen der unterschiedlichen Kunstrichtungen innerhalb Italiens. Wie in Venedig musste Maraini Kompromisse eingehen, um alle Interessen gebührend zu berücksichtigen. Die Franzosen erwarteten eine starke Präsenz der Pariser Italiener wie Amadeo Modigliani, Mario Tozzi oder Gino Severini, die von Teilen der italienischen Kunstkritik stark kritisiert wurden. In der Écoles étrangères contemporaines im Jeu de Paume, einem Ableger des Musée du Luxembourg, wurden in 20 Sälen 516 Bilder, 82 Statuen sowie Drucke und Zeichnungen gezeigt.158 Noch vor der Eröffnung hatte Maraini in einem Brief an Mussolini betont, dass es notwendig wäre, „alle Kräfte auf die Stärkung unserer Kunst von heute" zu konzentrieren.159 Die alte Kunst bedurfte eigentlich keiner weiteren Werbung. Außerdem bekannte er, dass er „... in den neuen Geist und in die neue Kunst, die Eure Exzellenz geformt haben, unerschütterlichen Glauben" habe.160 Die herausragende Stellung von Maraini, dem Generalsekretär der Biennale, im internationalen Ausstellungswesen wurde im Vorwort des Katalogs hervorgehoben. Die flexible Entschlossenheit und professionelle Gewandtheit von M. A. Maraini, gewöhnt an schwierige Aufgaben und geformt durch die Leitung der großen internationalen biennalen Manifestationen von Venedig, den die italienische Regierung ab dem ersten Tag als ihren Kommissar gewählt hat, hätte es jedoch freiwillig nicht genügt, eine so beschränkte Liste für die Lebenden zu akzeptieren. Es mussten der Duce selbst und sein Minister für Propaganda, S. E. Graf Ciano, hoher Protektor unserer modernen Kunstausstellung, das unerschütterliche Veto kundtun.16' Tomasella bezeichnete die Ausstellungen als ein „ Meisterwerk der Kulturpolitik im Dienste der Realpolitik Mussolinis. " 162 Vergleichbar mit den olympischen Spielen ein Jahr später in Berlin 158 Vgl. „Musée des écoles étrangères contemporaines.

vernement italien avait, dès le premier jour, choisi comme

L'Art Italien des XIX1 et XX1 Siècles, Jeu de Paume des

son Commissaire, n'eurent cependant pas suffi à faire

Tuileries", Mai-Juillet 1935, Ausstellungskatalog, Paris

accepter pour les vivants une liste aussi volontairement

1935.

restreinte. Il a fallu jusqu'au Duce lui-meme et que son

159 „ogni sforza sul potenziamento della nostra

d'arte d'oggi." ACS, PCM, 1934-1936,14.1.3181, Brief Ma-

Ministre de la Propagande, S. E. le Comte Ciano, haut pro-

rami an Mussolini, 13. Mai 1935.

160 »... nell'anima

tecteur de notre Exposition d'Art moderne, en traduisit

nuova e nella nuova arte che Vostra Eccelenza ci ha foggia-

l'inébranable veto." André Dezarrois, „Introduction", in:

to ho fede incrollabile." Ebd.

ebd., S. 31.

161 „La fermeté souple et

162 „capolavoro di politica culturale posta al

l'hanileté professionnelle de M. A. Maraini, habitueé à ces

servizio della Realpolitik mussoliniana." Tomasella 1998,

taches difficiles et formé à la direction de la grande mani-

S. 91.

festation bisannuelle internationale de Venise, que le Gou-

„ D I E L E T Z T E N J A H R E DES L Ö W E N " -

1Ó2

D E R AUSBAU IN D E N I 9 3 O E R J A H R E N

benutzte Mussolini die auswärtige Kulturpolitik als ein Mittel zur Anerkennung und Aufwertung Italiens innerhalb Europas. Mitte der 1930er Jahre war Venedig zu einem der wichtigsten Zentren der internationalen Kunst- und Filmwelt avanciert. Man hatte, wenn auch sehr bescheiden und ohne große internationale Resonanz, das 40-jährige Jubiläum der Biennale, der renommiertesten internationalen Kunstausstellung in Europa, gefeiert, präsentierte italienische Kunst in Paris, feierte die bisher erfolgreichste Filmkunstschau und und konnte mit der Tizian-Ausstellung der Welt beweisen, welches Volk an der Spitze des Kunstschaffens steht. Tausende Besucher waren nach Venedig gekommen und hatten das umfangreiche und anspruchsvolle Programm genutzt. Die Fremdenindustrie florierte und brachte die erwünschten Devisen nach Venedig. Hinzu kam der enorme wirtschaftliche Erfolg von Porto Marghera und Mestre, die zu den wichtigsten Industriezentren Italiens herangewachsen waren und dessen Hafen nach Genua den höchsten Frachtumschlag hatte. Die in der Literatur häufig anzutreffende ausschließliche Reduzierung auf den faschistischen Charakter der Biennale in den 1930er Jahren wird der Realität nicht gerecht. Die große internationale Beteiligung, insbesondere auch demokratischer Länder, an der Ausstellung brachte zwangsläufig eine Öffnung zur ganzen Breite des „offiziellen" internationalen Kunstgeschehens mit sich. Die internationale Ausrichtung der Biennale spiegelte auch die Außenpolitik des faschistischen Italiens wider, das sich darum bemühte, eingebunden in das internationale System des Völkerbundes, ein gutes Verhältnis zu den benachbarten Ländern zu haben. Es ist deutlich geworden, dass sich die von den Veranstaltern vermittelte Vorherrschaft der italienischen Kunst auf die Antike und die Renaissance beschränkte, denn weder in der modernen bildenden Kunst noch im Bereich des Films konnte man mit den führenden Ländern Schritt halten. In Venedig und in Paris war klar geworden, dass die zeitgenössische italienische Kunst in direkter Konkurrenz zu den Alten Meistern nur verlieren konnte. Die Galleria Internazionale d'Arte Moderna hatte sogar ihren Platz für die Tizian-Ausstellung räumen müssen und wurde im Depot eingelagert. Venedig blieb der Ort für internationale Zusammenkünfte, da es für sich eine gewisse Neutralität in Anspruch nehmen konnte und von fast allen europäischen Staaten akzeptiert war. Anders als die großen nationalen Ausstellungen und Salons in den Hauptstädten Europas war es hier möglich, Kunst und Filme vollkommen unterschiedlicher politischer Systeme gemeinsam zu präsentieren. Diese Akzeptanz drückt sich in den fünfzehn nationalen Pavillons aus, die bis auf wenige Ausnahmen von der offiziellen Seite der jeweiligen Länder aus verantwortet wurden. Auch die Filmkunstschau am Lido erfreute sich großer internationaler Beliebtheit, wie an der Teilnahme der großen europäischen Filmländer und natürlich der großen Studios in Hollywood deutlich wurde. Insgesamt hatte Venedig in den letzten Jahren eine seit 1797 nicht dagewesene, positive Entwicklung durchgemacht, die für die Zukunft weiter vielversprechend schien.

KAPITEL 6

DAS N E U E I M P E R I U M UND DAS E N D E DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N " T R A U M S

Die Großzügigkeit der faschistischen Regierung wollte, dass die Kunst vor der Gemeinheit der sanktionistischen Politik bewahrt wird und hat allen Nationen, die permanent an diesem geistigen, viel edleren und nützlicheren Völkerbund als in Genf teilnehmen, den freien Zugang zum traditionellen Spielfeld in den Giardini gewährt.1 Gazzetta di Venezia, 15. Mai 1936 ie Begeisterung für die Anerkennung von Seiten des Völkerbundes oder Vergleiche mit

D

diesem hatten Mussolini von Beginn an nicht gefallen, eine Tatsache, die durch

grundsätzliche Probleme in der Ausstellungs- und Festivalorganisation eine besondere Trag-

weite erhielt. Schon bei der Jubiläumsausstellung im Jahr 1935 und der zeitgleich stattfindenden Tizian-Ausstellung hatte sich einer der wichtigsten Grundkonflikte der zeitgenössischen italienischen Kunst gezeigt, die Übermacht der glorreichen Vergangenheit, an der man auch in Paris im direkten Vergleich gescheitert war. Von außen betrachtet schien die Biennale auf dem Höhepunkt ihrer Aktivitäten angelangt zu sein, doch deuteten sich seit 1935 einige grundlegende Probleme an, die den Fortbestand der venezianischen Ausstellungsaktivitäten gefährden konnten. Zunächst waren es die im ersten Kapitel beschriebenen, finanziellen Probleme, die sich zum 40-jährigen Jubiläum deutlich gezeigt hatten. Die hier beschriebenen gravierenden finanziellen „Engpässe", welche vor allem durch die hohen Kosten der prestigeträchtigen Festivals für Musik und Theater verursacht worden waren, mussten überwunden werden. Hinzu kam die aggressive Außenpolitik des faschistischen Italiens, die im Überfall auf Äthiopien kulminierte. Von den darauf folgenden Boykotten des Völkerbundes blieb auch die Kunstausstellung nicht verschont, wie im folgenden Kapitel dargestellt werden soll. Wie bereits im Ersten Weltkrieg zeigte sich die Anfälligkeit der nach wie vor stark vom Tourismus abhängigen Stadt für internationale Krisen, wodurch die Reisetätigkeit sehr stark einge-

1 „La signorilità del Governo fascista ha voluto che l'arte

delle Nazioni, ben altrimenti nobile ed utile di quella di

fosse mantenuta al disopra della meschinità iniqua della

Ginevra." „Come viene allestite la XX Biennale. Magnifica

politica sanzionista, ed ha accordato libero accesso al tra-

affermazione dell'arte italiana. I padiglioni esteri - S'inizia

dizionale recinto dei Giardini a tutte le nazioni che sono

l'ordinamento delle sale - Arti figurative e arti decorative",

permanentemente partecipi di questa spirituale Società

in: Gazzetta di Venezia, 15. Mai 1936, S. III.

1Ó4

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS ENDE DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

schränkt wurde. Im dritten Kapitel werden ausführlich die politischen Beziehungen mit dem nationalsozialistischen Deutschland ab Ende 1936 thematisiert, die sich spätestens ab 1938 und in Bezug auf die Biennale durch den Ausschluss einiger Länder verdeutlichten. Im Folgenden sollen dann noch die Internationale Kunstausstellung und die Filmkunstschauen der Jahre 1938 und 1939 beschrieben werden, wo noch ein letztes Mal die in den 1930er Jahren erreichte Internationalität fast vollständig erreicht werden sollte. Den Abschluss dieses Zeitraums bildeten die Neuordnung der Galleria Internazionale d'Arte Moderna, der Ankauf des Palazzo Ca' Giustinian und der Versuch, gleichzeitig Bündnistreue zum nationalsozialistischen Deutschland und internationale Anerkennung zu erlangen.

DIE K R I S E DER B I E N N A L E U N D DIE N E U O R G A N I S A T I O N

In Rom waren 1935 einige Ministerien umstrukturiert worden. Aus dem Ministerium für Presse und Propaganda wurde das Ministerium für Volkskultur (MinCulPop). Nachdem Galeazzo Ciano (1900—1943) 1936 zum Außenminister ernannt wurde, übernahm Dino Alfieri (1886—1966) das Ministerium.2 Die finanzielle und infrastrukturelle Situation der Biennale war Mitte der 1930 er Jahre mehr als kompliziert. Anders als etwa die Triennale in Mailand, die ab 1933 in dem hochmodernen Palazzo dell'Arte im Parco Sforzesco untergebracht war, musste man in Venedig nach wie vor mit den in den letzten vier Jahrzehnten entstandenen Ausstellungsgebäuden leben, die modernen Anforderungen nicht entsprachen. Bereits im Sommer 1935 schilderte Graf Volpi di Misurata dem nationalen Erziehungsminister Graf Cesare Maria De Vecchi di Val Cismon die Situation. Wenn man bedenkt, wieviel für die Quadriennale und den florentinischen Maggio Musicale gemacht wurde und gemacht wird, würdige Organisationen, aber mit weit geringerer weltweiter Resonanz als die venezianischen Biennalen.3 Im Mai 1936 schrieb Volpi auch an Minister Alfieri, um auf die organisatorischen und finanziellen Probleme der Theater- und Musikveranstaltungen aufmerksam zu machen, die es

2 Alfieri war seit 1924 Abgeordneter im Parlament u n d

abgelöst. 1939 wurde Alfieri Botschafter beim Vatikan, u m

dann unter Mussolini von 1929 bis 1932 Sottosegretario im

dann ab 1939 als italienischer Botschafter nach Berlin zu

Ministerium für Korporationen. 1935 wurde er als Nach-

gehen, wo er bis 1943 bleiben sollte. Durch seinen guten

folger von Galeazzo Ciano Sottosegretario fur Presse u n d

Kontakt zu Goebbels war er ein wichtiger Ansprechpartner

Propaganda. Aus diesem wurde 193/ das Ministerium für

für die deutsche Seite. Literatur: Dino Alfieri, Due dittatori

Volkskultur (MinCulPop), vergleichbar mit d e m Propa-

di fronte, Mailand 1948.

gandaministerium von Joseph Goebbels in Deutschland.

si fa per la Quadriennale e per il Maggio Musicale fioren-

Dort war auch die Generaldirektion für Kinematographie

tino, degne organizzazione m a di ben minore risonanza

unter der Leitung von Luigi Freddi angesiedelt. Die Inter-

mondiale delle biennale veneziane." ACS, PCM, 1940-

nationale Filmkunstschau wurde vom MinCulPop mitfinanziert.

Im November 1939 wurde Alfieri von Pavolini

3 „Si pensa a quanto si è fatto e

1942,14.1.730, Sottofasc. 2-B.I, Brief Volpi an De Vecchi di Val Cismon (MEN), 5. Juni 1935.

DIE K R I S E DER B I E N N A L E UND DIE

NEUORGANISATION

165

wahrscheinlich notwendig machten, diese auszusetzen.4 De Vecchi di Val Cismon setzte im Juni 1936 eine u. a. aus Volpi und Ojetti bestehende Untersuchungskommission ein, die sich um die Lösung der Probleme kümmern sollte.5 Volpi informierte Podestà Alvera über seine Korrespondenz mit den Ministern. In ihrer Gesamtheit sind die Manifestationen der Biennale das Zentrum der venezianischen touristischen Attraktivität und man muss über den zentralen künstlerischen Nukleus hinaus an die sie begleiteten Manifestationen denken.6 Er appellierte an Alveràs Venezianità und hoffte, dass man gemeinsam eine Lösung für die Stadt finden werde. Bereits im August 1936 legte die Untersuchungskommission dem Ministro dell'Educazione Nazionale (MEN) einen ausführlichen Bericht vor, in dem die problematische Situation der Biennale und einige Lösungsvorschläge präsentiert wurden.7 Nach einigen grundsätzlichen Anmerkungen zur Geschichte, Bedeutung und den rechtlichen und finanziellen Bedingungen der Biennale widmete sich der Bericht detailliert den aktuellen finanziellen Poblemen.8 Die Aufschlüsselung der einzelnen Bilanzen würde zu weit führen; eine grundsätzliche Tendenz ist dabei aber zu erkennen: Die Kunstausstellung und das Filmfestival operierten mit Gewinn, die Theater- und Musikfestivals verursachten hohe Verluste. Hinzu kamen die Kosten für den infrastrukturellen Ausbau der Giardini seit Beginn der 1930er Jahre, dessen Finanzierung über Kredite lief. Insgesamt erwartete man für das operative Geschäft für Ende 1936 Verluste in Höhe von mindestens 775.000 Lire und für den Immobilienbesitz Verbindlichkeiten von ca. 430.000 Lire.9 „Warum ist diese Kunstveranstaltung, ohne Vergleich in Europa oder in Amerika, in ein ständiges Defizit geraten? " 1 0 Diese Frage versuchte der Bericht zu beantworten und kam — wenig verwunderlich — zu bereits bekannten Schlüssen, die jedoch keinesfalls bei den Hauptverantwortlichen Volpi, Maraini oder anderen Beteiligten zu suchen wären. Die wichtigste Ursache sei generell die „ . . . Krise der europäischen Kunst, der zeitgenössischen Kunst die sich vom Leben und vom Publikum entfernt" habe, „ . . . in ihrer Flucht in Abstraktion, Diskomposition und unnatürliche Deformation", die das Publikum abschrecken würden.11 Man suchte die Schuld im französischen Impressionismus und der Avantgarde, bei deren Ausdrucksweise das Publi-

4 Vgl. AMV, 1931-35, IX.13.4, EA, Brief Volpi an Alfieri, 13. Mai 1936.

7 Vgl. ACS, MPI, AABBAA 1929-1960, div. III, Β. 281,

5 S. ebd., Brief De Vecchi di Val Cismon an

Giuseppe Volpi/Ugo Ojetti/F. Pantaleo/F. Stroppa, Rela-

Volpi, 22. Juni 1936. Diese Commissione per l'esame della

zione a S. E. Il Ministro dell'Educazione Nazionale, August

situazione dell'Ente Autonomo Esposizione Internazionale

1936.

d'Arte bestand aus Volpi (Präsident), Ojetti (Vize-Präsi-

chè questa impresa d'arte, senza confronti in Europa e in

dent) und zwei Mitarbeitern des MEN.

8 Vgl. ebd., S. 9-14.

9 S. ebd., S. 14.

10 „Per-

6 „L'assieme

America, è caduta in un disavanzo costante?" Ebd. 1 1 „...

delle manifestazioni della Biennale è il centro di attrazione

crisi dell'arte europea, nell'allontarsi cioè dall'arte con-

turistica veneziana e conviene pensare al nucleo centrale

temporanea dalla vita e dal pubblico, nel suo rifugiarsi in

artistico, oltre che alle manifestazioni collaterali." AMV,

astrazioni, scomposizioni e deformazioni innaturali" Ebd.,

1931-1935, IX.13.4, EA, Brief Volpi an Alverà, 27. Juni 1936.

S. 16.

l66

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

kum die Geduld verloren hätte. Schließlich forderte der Bericht, nach den durch die Konsequenzen des Ersten Weltkriegs verursachten Erschütterungen in der Kunstwelt wieder zu den ewigen Werten der klassischen Schönheit zurückzukehren. Neben dem Verweis auf den Erfolg der früheren Retrospektiven im Rahmen der Internationalen Kunstausstellung wurde auch die Eröffnungsrede von Volpi für die Ausstellung von 1934 zitiert.12 Die SettecentoAusstellung 1929 und die Tizian-Ausstellung 1935 hätten durch ihren großen Erfolg bewiesen, welche Kunst vom Publikum, vor allem in Venedig, gewünscht würde. Dies war eine Bankrotterklärung der zeitgenössischen italienischen Kunst, die, auch wenn sie sich an den alten Idealen der Kunst orientierte, doch meist nur mediokre Ergebnisse hervorbrachte. Weitere gravierende Probleme wurden beim Vergleich mit der Triennale in Mailand und der Quadriennale in Rom deutlich, die beide viel geeignetere Ausstellungsgebäude besaßen und zudem in Großstädten beheimatet waren. In Venedig hingegen wurde beispielsweise die neue Fassade mit nur 25.000 Lire neu gestaltet. Insgesamt belief sich die finanzielle Aufwendung des Staates (Unterstützung und Ankäufe) für die Quadriennale auf etwa 1.000.000 Lire und es bestand die Gefahr, dass beide in Zukunft auch eigentlich für die Biennale „reservierte" Kunst ausstellen würden. Aber es ist auch notwendig, die durch den Regierungschef etablierte Aufteilung beizubehalten, um Interferenzen zu vermeiden, die sich als noch schwieriger für das Leben der Biennale erweisen und erweisen werden, obwohl sie die anerkannteste und bewundertste der periodischen internationalen Ausstellungen in Europa und in Amerika ist Dieser Tatsache würde die Berichterstattung in der italienischen Presse kaum gerecht werden, die größtenteils die internationalen Beiträge ignorieren würde, wohingegen die Ausstellungen italienischer Kunst im Ausland ein durchweg positives Echo hervorgerufen hätten, wie 1935 in Paris, Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten deutlich geworden sei. Abschließend wird die Fortsetzung aller Aktivitäten vorgeschlagen, jedoch müsse die Biennale dazu mit den angemessenen finanziellen Mitteln ausgestattet werden und sich inhaltlich neu orientieren. Zunächst durfte Volpi di Misurata den Überschuss aus dem italienischen Beitrag in Brüssel 1935 zur teilweisen Schuldentilgung der Biennale verwenden.14 Um eine endgültige Lösung zu finden, begannen die langwierigen Arbeiten für ein neues Gesetz, in dem alle Zuständigkeiten und die Finanzierung genauestens geregelt werden sollten.

12 „L'arte è passata attraverso ai più gravi turbamenti.

netta la divisione stabilita dal Capo del Governo ed evita-

Squassata e quasi schientata dalla grande guerra, e peggio

re interferenze che rendono o renderebbero ancora più dif-

ancora, dal grigio periodo successivo n o n illuminato dai

ficile la vita della Biennale, cioè della più nota e stimata

sublimi sacrifici della stessa guerra [...]. Ora noi riteniamo

delle esposizioni internazionali periodiche in Europa e in

che l'assieme di questa Mostra darà a tutti quel senso di

America." Ebd., S. 20.

letizia serena che l'arte è chiamata a dare agli uomini."

14.1.730, Sottofasc. I B . ! , Brief Volpi an Mussolini, 20. Ok-

Ebd., S. 17.

tober 1936.

13 „Ma è anche necessario mantenere ben

14 Vgl. ACS, PCM, 1940-1942,

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DIE BOYKOTTE DER K U N S T A U S S T E L L U N G I 9 3 6

I67

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DIE B O Y K O T T E DER K U N S T A U S S T E L L U N G I 9 3 6

Nach Mussolinis Dafürhalten fehlten angemessene koloniale Besitzungen für Italien, denn schließlich sollte das Römische Imperium wiedererstehen. Die am 2. Oktober 1935 live auf der Piazza San Marco übertragene Rede des Duce zum Beginn des Überfalls auf Äthiopien hatten Tausende von Venezianern bejubelt.15 In ganz Italien feierte man diesen als einen von der Bevölkerungsmehrheit für „gerecht" empfundenen Schritt, der die Folgen des Versailler Vertrags aus italienischer Sicht korrigieren sollte, hatte man doch in dessen Folge weniger Kolonien erhalten, als man sich erhofft hatte und fühlte sich dadurch ungerecht behandelt. Die Westmächte reagierten auf Italiens Krieg zunächst nachgiebig, da sie ja selbst über ausgedehnte Kolonialreiche herrschten. Vielmehr sorgten sie sich um die möglichen Gefahren für den Weltfrieden. Einziges Mittel der Gegenwehr waren die am 18. November 1936 vom Völkerbund verhängten wirtschaftlichen Sanktionen gegen Italien, die auch massiven Einfluss auf den Tourismus in Venedig hatten. Volpi konnte mit der Situation nicht zufrieden sein, denn er wusste als ehemaliger Finanzminister sehr genau, was die vom Völkerbund verhängten Wirtschaftssanktionen bedeuteten. So wurden alle Erfolge der Biennale durch die aggressive Außenpolitik Mussolinis massiv gestört. Wie im vorherigen Kapitel gezeigt wurde, waren die außenpolitische Anerkennung und die daraus resultierende auswärtige Kulturpolitik im Jahr 1935 auf einem Höhepunkt angelangt. Das Verhältnis zu den europäischen Staaten England, Frankreich und Deutschland sowie zu den Vereinigten Staaten von Amerika war mehr als gut. In Venedig hielt man trotz der wirtschaftlichen Einschränkungen weiter an den bereits begonnenen Kulturinitiativen fest. Der erste Höhepunkt war am 25. April 1936 die Eröffnung der permanenten SettecentoAusstellung im Palazzo Ca' Rezzonico gewesen.16 Mit diesem neuen Museum sollte an den großen Erfolg der Settecento-Ausstellung des Jahres 1929 angeknüpft werden. Die Stadt hatte in den Jahren zuvor eine wichtige Privatsammlung erworben, die sie nun in einem der größten und schönsten Paläste Venedigs mit Fresken von Giambattista Tiepolo präsentieren konnte. „Der Duce hat die großen und vielfältigen Aktivitäten, mit denen die Biennale auf die ihr vom Regime anvertrauten Aufgaben im Bereich der Künste antwortet, bestätigt und hat dem ehrenwerten Maraini die Direktiven für die Zukunft übertragen", meldeten die Agenturen am 28. Mai 1936. 17 Die Kunstausstellung von 1936 stand jedoch im Schatten des Krieges in Äthio-

15 Vgl. Giornale LUCE, Β 761, 8. Oktober 1935, Adunata!

fervida vigilia della XX Biennale. Il Duce riceve da Antonio

Ottobre XIII m e n t r e l'ora solenne sta per scoccare nella

Maraini relazione sull'opera compiuta ed impartisce le

storia della patria, venti milioni di italiani ascoltano la

direttive per i futuristi sviluppi dell'istituzione. Quattro-

parola del duce.

16 Vgl. Giulio Lorenzetti, Ca' Rezzo-

mila opere esposte nei padiglioni di tredici Nazioni - Le

17 „II Duce ha approvato la vasta e

rappresentazioni goldoniane - La Mostra del Cinema-Il

nico, Venezia 1936.

molteplice attività con la quale la Biennale risponde ai

Festival Musicale", in: Gazzetta di Venezia, 28. Mai 1936,

compiti affidatile dal Regime nel settore delle arti, ed ha

S. III.

impartito all'on. Maraini le direttive per l'avvenire" „La

l68

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

pien und der Boykotte des Völkerbundes.18 Die Absage der amerikanischen Beteiligung stieß auch in den USA auf Unverständnis. Man kritisierte die Weigerung einer Gruppe von Künstlern, in Italien auszustellen, die „ amüsant genug, für sich in Anspruch nimmt,,gegen Krieg und Faschismus' zu sein, ohne in diesen Antagonismus den Kommunismus aufzunehmen, der die größte stehende Armee auf der Erde unterhält. "" Nach außen hin zeigten sich die Verantwortlichen der Biennale unbeeindruckt von den Absagen einiger Länder (Tafel XIV). Der gerade erst errungene Sieg in Äthiopien schlug sich direkt in der Gestaltung eines der Hauptsäle des Ausstellungspalasts nieder (Abb. 56). Vor einer großen Karte des neuen Imperiums wurde die Büste Mussolinis aufgestellt. So könnte man auf den ersten Blick denken, dass die Vergrößerung der italienischen Abteilung im Ausstellungspalast ITALIA der Großartigkeit der historischen Ereignisse entsprechen sollte. Dem war nicht so, denn diese stark kritisierte Masse an italienischen Kunstwerken war Folge des NichtZustandekommens der geplanten Internationalen Ausstellung zur Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts, die an den Erfolg der Porträt-Ausstellung von 1934 anknüpfen sollte. Obwohl Amerika, Großbritannien und die UdSSR aus Protest nicht an der Ausstellung teilnahmen, blieben die verwaisten Pavillons nicht ungenutzt. Im amerikanischen Pavillon war Stampe e Disegni Italiani, im britischen Pavillon die Mostra degli Stranieri residente in Italia, eigentlich eine inoffizielle Ausstellung der britischen Künstler, untergebracht. Aus dem russischen Pavillon wurde wieder der Ausstellungsort für die Futuristen, wo Marinetti Propaganda für den faschistischen Krieg in Äthiopien machte.20 Während Venedig und die Biennale zum 20. Mal die erlesensten Werke zeitgenössischer europäischer Kunst versammeln, gilt der leidenschaftliche Gedanke der italienischen Aussteller Ihnen, der in der Erschaffung des geistigen Grundgedankens vom erneuerten nationalen Leben einen so hohen Stellenwert eingenommen hat und dem sie in seinem unbesiegbaren Willen zur Größe den Ausdruck ihrer ergebenen Hochachtung bekunden.21

18 Verwaltungsrat 1936: Präsident: C o n t e G i u s e p p e Volpi

m a i n t a i n s t h e largest s t a n d i n g a r m y o n e a r t h . " Alfred M .

di M i s u r a t a (Staatsminister); Consiglieri: M a r i o Alverà

F r a n k f u r t e r , „For t h e G o o d of Art o r N a t i o n a l Sabotage?",

(Podestà), Felice C a r e n a (R. Accademia d ' Italia), G i a n n i

in: Art News, Vol. XXXIV, Nr. 31, 2. M a i 1936, S. 5.

Bianchetti ( C a p o G a b i n e t t o della P C M , ) , Balbino Giuliano

20 Vgl. „XX. Esposizione Biennale I n t e r n a z i o n a l e d ' A r t e

(Senator), A r t u r o Marpicati (Kanzler der R. Accademia

1936", Ausstellungskatalog, Venedig 1936.

d'Italia), A n t o n i o Maraini; Delegato del Presidente: A n -

p e r la ventesima volta Venezia e la Biennale accolgono le

d r e a di Valmarana; Ufficio di Segretaria: A n t o n i o M a r a i n i

p i ù elette o p e r e d ' a r t e c o n t e m p o r a n e a e u r o p e a il pensiero

21 „ M e n t r e

(Segreatrio generale), R o m o l o Bazzoni (Direttore a m m i -

di tutti gli espositori italiani si svolge a p p a s s i o n a t a m e n t e

nistrativo), D o m e n i c o Varagnolo (Direttore dell'ASAC),

verso C o l u i c h e alle creazioni dello spirito h a assicurato u n

Elio Zorzi (Direttore dell'Ufficio S t a m p a e p r o p a g a n d a ) ,

p o s t o sì alto nella r i n n o v a t a vita nazionale e alla sua invitta

Giulio Baradel (Ispettore E c o n o m o ) .

19 „ . . . a m u s i n g l y

v o l o n t à di grandezza p e r g o n o l'espressione del loro d e v o t o

e n o u g h , p r o c l a i m s itself,against War a n d Fascism' w i t h o u t

o m a g g i o . " „La Presidenza al Duce", in: Gazzetta di Venezia,

including a m o n g its a n t a g o n i s m s t h e C o m m u n i s m w h i c h

3. Juni 1936.

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DIE BOYKOTTE DER KUNSTAUSSTELLLUNG I 9 3 6

I69

Eröffnet wurde die XX. Internationale Kunstausstellung am 2. Juni 1936 vom neuen Kaiser und König Vittorio Emanuele III. Mussolini kam nicht zur offiziellen Eröffnung, sondern erst im August als privater Besucher. Unverständnis zeigten die Verantwortlichen und die venezianische Presse über die nicht teilnehmenden Nationen. Der Fall des amerikanischen Pavillons wurde ausführlich behandelt und sollte exemplarisch die Beweggründe des Ausstellungsboykotts veranschaulichen. Dass die intensive Kulturdiplomatie in Frankreich Wirkung zeigte, macht die uneingeschränkte Bewunderung seitens der französischen Kunstverantwortlichen deutlich. André Dezarrois, der Direktor des Musée National du Luxembourg, schrieb in der Revue de l'Art einen begeisterten Ausstellungsbericht.22 Genauso auch Alfred M. Frankfurter in den USA, der betonte, dass die Biennale nicht allein Schuld an der „ tödlich monotonen Mittelmäßigkeit" wäre.23 Die Biennale-Verantwortlichen, das muss gesagt werden, tragen keine Schuld für das enttäuschende Ergebnis ihrer Schau, die vor allem unter der Tatsache litt, daß sie keine adäquate internationale Repräsentation war.2* Eine internationale Ausstellung, alle zwei Jahre, mit aktuellen Werken der besten lebenden Künstler aller Länder, wäre wahrhaft ein wertvolles und wichtiges Ereignis; auch wenn die venezianische Biennale das zur Zeit nicht ist, könnte sie sehr leicht zu diesem werden Der deutsche Beitrag wurde stark kritisiert, was auch Joseph Goebbels eingestehen musste, der für die Reichskammer der Bildenden Künste zuständig war. „Biennale. Kunstausstellung: bei den Italienern einiges Gute. Aber rar. Bei uns geradezu trostlos. Kein Stück, dass sich zu kaufen lohnte. Da werde ich eingreifen."26 Das war auch nötig, denn die internationale Kunstkritik schrieb, „ man könnte auch sagen, daß Deutschland nicht repräsentiert war, weil sich im deutschen Pavillon kaum ein bekannter Name für jemanden, der deutsche zeitgenössische Kunst vor drei oder vier Jahre kannte ", zu finden war.27

22 Vgl. André Dezarrois, „La vie artistique a l'étranger. La

living artists of all countries, would indeed be a valuable

Biennale 1936 a Venise", in: Revue de l'Art, 3. Période, Tome

and important event; though the Venice Biennial is not

LXX, Juli-Dezember 1936, S. 57-66.

that now, it might easily become this very thing." Ebd.

23 „deadly, m o n o -

t o n o u s mediocrity", Alfred M. Frankfurter, „Venice: Two

26 Tagebuch Goebbels, 30. August 1936.

centuries in Two Shows", in: Art News, Vol. XXXV, Nr. 1,

also say that Germany was not represented, for in the

Oktober 1936, S. 14-15, u. 22, hier S. 16.

27 „one might

24 „The

German Pavilion there was scarcely a n a m e familiar to

Biennale authorities, it shoul however be said, bear n o n e of

anyone w h o knew German contemporary painting three

the blame for the disappointing result of their show, which

or four years ago." Alfred M. Frankfurter, „Venice. Two

suffered irst of all f r o m the fact that it was not an adequate

Centuries in Two Shows", in: Art News, 35. Jg, Nr. 1, 3.

international representation." Ebd.

Oktober 1936, S. 14.

25 „An internation-

al exhibition, every two years, of recent work by the best

170

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

DIE F A S C H I S T I S C H - N A T I O N A L S O Z I A L I S T I S C H E

TRAUMS

ZUSAMMENARBEIT

Es ist deutlich gemacht worden, welche internationale Bedeutung die kulturellen Teilbereiche der Biennale im Europa der 1930er Jahre hatten. Dabei wurde bisher, bis auf den Besuch Hitlers, das komplexe und schwierige Verhältnis zum nationalsozialistischen Deutschland, welches sich exemplarisch in der Geschichte der Biennale widerspiegelt, nur marginal thematisiert. Anfang der 1930er Jahre war das Verhältnis zwischen der Biennale und der deutschen Kunst mehr als gespalten. Aufgrund der massiven Kritik am deutschen Beitrag des Jahres 1930 boyottierte Deutschland 1932 die Ausstellung. Als offizielle Begründung für die Absage wurden jedoch wirtschaftliche Aspekte genannt. Die künstlerische Zusammenarbeit wurde erst 1933 durch vier Ereignisse wieder aufgenommen und intensiviert. Das erste war eine Wanderausstellung italienischer Kunst, die von der Biennale in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Kunstvereine und der DanteAlighieri-Gesellschaft in München und deren Präsident Gerolamo Cairati am 8. Januar 1933 in München eröffnet wurde.28 Cairati betonte, dass einige Italiener aus Paris nicht ausgewählt wurden, „ . . . da sie mehr oder weniger stark fremdländischen Einflüssen unterstehen."29 Oie als Wanderausstellung konzipierte Schau wurde danach noch in Berlin, Dresden, Kassel, Köln, Leipzig und Stuttgart gezeigt. Auch Antonio Maraini war bei der Eröffnung anwesend und schrieb auf einer Postkarte mit dem Braunen Haus an Ojetti: „Ich habe Autoritäten und Künstler aller Farben gesehen. Die Ausstellung gefällt sehr gut und ich habe viel Anerkennung erfahren. " 30 Noch vor der Machtübernahme der NSDAP in Berlin hatte Maraini Kontakt zu deren Pressechef Adolf Dresler im Braunen Haus aufgenommen.31 Das dritte Ereignis war die Einrichtung eines italienischen Saals in der Neuen Abteilung der Berliner Nationalgalerie im Kronprinzenpalais, der am 14. Februar 1933 in Anwesenheit des preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring eröffnet wurde. Die gezeigten Bilder stammten aus den Ende 1932 in Venedig getätigten deutschen Ankäufen, die im Tausch des Gemäldes von Michetti zu Stande gekommen waren.32 Bei einem Besuch in Italien im April 1933 betonte Göring die grundsätzliche Übereinstimmung von Faschismus und Nationalsozialismus. Die italienische Künstler- und Ausstellungsorganisation hatte Vorbildcharakter, wie aus einem Interview mit Antonio Maraini deutlich hervorgeht.33 Bereits im Herbst desselben Jahres reiste Maraini nochmals nach München, um am Tag der Deutschen Kunst und der Grundsteinlegung des Hauses der Deutschen Kunst teilzunehmen.34 Maraini betonte in einem Telegramm an den 28 Vgl. „Italienische Kunst unserer Zeit", Leipziger Kunst-

Entwicklung der Presse im faschistischen Italien, noch

verein, Ausstellungskatalog, Leipzig 1933; „Italienische

1943 publizierte er das Buch „Mussolini als Journalist".

Kunst in München", in: Die Weltkunst, VII. Jg., Nr. 3,15. Ja-

32 Vgl. Ludwig Thormaehlen, „Neue italienische Malerei

nuar 1933, S. 8.

29 Ebd., S. 8.

30 „Ho visto autorità e

im Kronprinzenpalais", in: Museum der Gegenwart, Fe-

artisti di tutti i colori. L'esposizione piace m o l t o e h o avuto

b r u a r 1933, S. 129-141.

moltissimo cortesie." GNAM, FO, Cart. 45, Brief Maraini

Italien", in: Die Weltkunst, VII. Jg., Nr. 1 6 , 1 6 . April 1933,

an Ojetti, 11. Januar 1933.

S. 4·

31 Adolf Dresler war ein gro-

ßer Bewunderer des Faschismus u n d Mussolinis. Ab 1924 publizierte er zahlreiche Schriften zur Geschichte u n d

33 S. „Der Künstler im neuen

34 Vgl. GNAM, FM, Cart 31, N u o v o Palazzo

dell'Arte 1934-1937 Monaco di Baviera.

DIE FASCHISTISCH-NATIONALSOZIALISTISCHE

ZUSAMMENARBEIT

I7I

Sekretär des Duce Bianchetti: „Ich habe den faschistischen Vorrang in der Schaffung und Anwendung einer erneuerten künstlerischen Ordnung bestätigt" bekommen, der Vorbildcharakter für die Neuorganisation der deutschen Künstlerschaft haben sollte.35 Schließlich wurde im November 1933 in Florenz eine Ausstellung deutscher Kunst eröffnet, die Maraini 1938 als die erste wirkliche Manifestation der Kunst des Dritten Reichs bezeichnete.36 Die Zeitschrift Weltkunst berichtete über eine Rezension Ojettis, der in der Ausstellung die typischen Züge der deutschen Malerei erkennen wollte.37 In der Anfangszeit der nationalsozialistischen Regierung war noch keine klare Linie in der Kunstpolitik zu erkennen, so dass es durchaus noch durch moderne Kunstströmungen beeinflusste bzw. zeitgemäße oder auch „futuristische" Tendenzen gab. Anfang 1934 kam es zur Zusammenarbeit mit den Künstlern um Marinetti, die in einer Esposizione Italiana Futurista di Aeropittura im Kunstverein Hamburg und der ehemaligen Galerie von Alfred Flechtheim in Berlin gezeigt wurden.38 Die Ausstellung stand unter dem Patronat von Joseph Goebbels, Hermann Göring und Bernhard Rust. Die Berliner Ausstellung wurde am 28. März 1934 von Marinetti persönlich eröffnet.39 Erst während des Nürnberger Parteitags im Herbst 1935 legte sich Hitler eindeutig auf die von seinem Chefideologen Alfred Rosenberg propagierte Kunstrichtung fest. Damit hatten in Zukunft der Futurismus oder andere modernistische Strömungen keine Chance mehr in Deutschland. Die Beziehung zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien gestalteten sich in der Folge zunehmend schwieriger. Die außenpolitischen Bemühungen Italiens konzentrierten sich auf Frankreich und Großbritannien, mit denen es im April 1935 zum Bündnis von Stresa kam, welches sich gegen die deutsche Aufrüstung und für den Erhalt der Eigenstaatlichkeit Österreichs aussprach. Doch nach den Enttäuschungen über den Völkerbund und dessen Mitgliedsstaaten begann eine Annäherung zwischen Italien und Deutschland, die sich verheerend auf den weiteren Verlauf der Geschichte auswirken sollte. Begleitet wurde dieser Prozess wiederum durch Ausstellungsprojekte wie der Teilnahme Italiens an der internationalen Kunstausstellung, die im Rahmen der Olympischen Spiele auf dem Berliner Ausstellungsgelände am Funkturm stattfand.40 Auch hier vertrat Maraini die italienischen Künstler, denn er war Jurymitglied für die Skulpturen-Ausstellung. Den ersten Platz gewann Farpi Vignoli, den zweiten Preis für die Statuen Zehnkämpfer und Die Siegerin

35 „ho riaffermato precedenza fascista nel creare appli-

achse u n d Kulturkampf: Die Beziehung zwischen Drittem

care ordinamenti artistici rinnovatori" Ebd., Brief Maraini

Reich u n d faschistischem Italien in den Bereichen Medien,

an Bianchetti, 17. Oktober 1933.

Kunst, Wissenschaft u n d Rassenfragen, Frankfurt a. M.

36 Vgl. „Eröffnung der

deutschen Ausstellung in Florenz", in: Die

Weltkunst,

VII. Jg., Nr. 48, 26. November 1933. Es waren Botschafter

1998, S. 260 f.

39 Vgl. Ruggero Vasari, „Flugmalerei,

M o d e r n e Kunst u n d Reaktion", Vortrag, gehalten am

von Hassel, Minister Ercole, Generaldirektor Tricarico,

24. Februar 1934 im Hamburger Kunstverein, anläßlich

Bodrero, Maraini u n d Carena u . a . dabei.

der Eröffnung der italienischen Ausstellung Luft-

37 Vgl. Ugo

Ojetti, „Deutsche Malerei 1933", in: Die Weltkunst, VIII.i, 7.

Flugmalerei, Leipzig 1934.

Januar 1934.

Olimpiadi Berlino 1936.

38 Vgl. Andrea Hoffend, Zwischen Kultur-

und

40 Vgl. GNAM, FM, Cart. 31,

172

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS ENDE DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

erhielt Arno Breker, der dadurch in Deutschland erst richtig bekannt wurde.41 Damit erlangte Breker, der zuvor als „Franzose" kritisiert worden war, höchste offizielle Aufmerksamkeit und traf zum ersten Mal mit Adolf Hitler zusammen. In der Eröffnungsrede der olympischen Kunstausstellung betonte Goebbels die Verbindung von Sport und Kunst als moderne Lebensform. „Beide werden im tiefsten Grunde aus der Seele der Völker gestaltet. Hier sind ihre Spitzenergebnisse im Jahre 1936 in Berlin zu einer internationalen Gesamtschau vereinigt."*2 Deutlich wurde die neue Verbundenheit Italiens und Deutschlands im Rahmen der Kunst auch durch eine Anekdote während der IV. Internationalen Filmkunstschau 1936. 43 Nach dem Triumph der italienischen Sportler auf der Berliner Olympiade, die nur von den gastgebenden Deutschen und den Amerikanern geschlagen worden waren, demonstrierte die deutsche Filmindustrie ihre Leistungskraft. Gerade 24 Stunden nach Ende der Spiele wurde eine Dokumentation über die olympischen Spiele in Venedig gezeigt. Dabei handelte es sich um eine erste Fassung des später mehrfach prämierten Dokumentarfilmklassikers Olympia von Leni Riefenstahl.44 Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels war von der internationalen Strahlkraft der venezianischen Filmkunstschau überzeugt und ließ Staatsminister Oswald Lehnich, den Präsidenten der Reichsfilmkammer, für den deutschen Film werben.45 Lehnich, der auch Präsident der Internationalen Filmkammer (IFK) war, unterstrich diese Beurteilung: In zunehmendem Maße trägt die internationale Filmkunstausstellung dazu bei, dass der Film sich in allen Ländern den traditionellen Künsten einreiht, und dass mit dieser Kunstwerdung neue und gute Möglichkeiten des Verständnisses der Völker füreinander geschaffen werden. [...] Die Filmkunstausstellung verdient deshalb die uneingeschränkte und aktive Unterstützung der Internationalen Filmkammer, zu deren vornehmsten Aufgaben die Förderung der internationalen Kulturbeziehungen gehört.46 Darüber hinaus waren die deutschen Filme sehr stark in Venedig vertreten, wie aus einer Broschüre der Reichsfilmkammer hervorgeht.47

41 Nach seinem Aufenthalt in Paris hatte er den Rom-

zetta di Venezia, 18. August 1936, S. III.

Preis des preußischen Kulturministeriums erhalten u n d

nich (1895-1961) war Jurist u n d arbeitete von 1921 bis 1927

verbrachte 1933 ein Jahr in der Villa Massimo. Nach weite-

unter verschiedenen Regierungen i m Reichswirtschafts-

45 Oswald Leh-

ren Studienaufenthalten in Florenz u n d Neapel, wo er sich

ministerium. Er trat 1931 der NSDAP bei u n d war ab 1933

Anregungen von der Skulptur der Antike u n d der Re-

Wirtschaftsminister im Freien Volksstaat Württemberg.

naissance, besonders Michelangelos, holte, begann Brekers

Vom 18. Oktober 1935 bis 1939 n a h m er als Präsident der

„klassische Periode". Er entwirft in Rom eine „Vollendung"

Reichsfilmkammer eine Schlüsselposition in der national-

von

sozialistischen Filmpolitik ein. Von 1936 bis 1938 gehörte

Michelangelos

unvollendeter

Pietà

Rondanini.

42 Einladung zur Olympischen Kunstausstellung, 31. Juli

er der internationalen Jury der Biennale in Venedig an.

1936, Rede von Joseph Goebbels, S. 3.

46 „Venedig 1936", in: Inter-Film,

43 Vgl. zur Zu-

Nr. 1, 1936, S. 1.

sammenarbeit zwischen Deutschland u n d Italien im Be-

47 Vgl. Deutsche Filme in Venedig 1936-Pellicole tedesche

reich des Films Hoffend 1998, hier S. 153-188.

alla Esposizione internazionale d'arte cinematografica, Ve-

44 „Un

grande documentario tedesco sulle Olimpiade", in: Gaz-

nezia 1936, hg. v. der Reichsfìlmkammer, Berlin 1936.

DIE FASCHISTISCH-NATIONALSOZIALISTISCHE

ZUSAMMENARBEIT

173

Kurz vor Ende der Filmkunstschau kam Goebbels am 29. August 1936 persönlich nach Venedig, um sich mit Alfieri zu treffen. „Ganz internationales Publikum! Nichts für mich.", kommentierte er die Atmosphäre in der Stadt (Abb. 57).48 Nachdem er dann eine Fahrt mit der Yacht Misurata von Volpis gemacht hatte, besuchte er abends die Vorführungen der Filme Jugend der Welt von Hans Weidemann und den amerikakritischen Kaiser von Kalifornien des Südtirolers Luis Trenker. Ansonsten absolvierte Goebbels mit seiner Frau Magda das übliche venezianische Besucherprogramm: Dogenpalast, Markusplatz, Gondelfahrt, Musik etc. Der Höhepunkt des Aufenthaltes war die Teilnahme an einer von Mussolini gehaltenen Rede, die auf dem Markusplatz mit Lautsprechern übertragen wurde. „ Volk ist sehr begeistert. Ich werde stark gefeiert."*9 Zum Abschluss empfing er noch die deutsche Kolonie in Venedig und besuchte die lokale Parteizentrale der PNF. Der Besuch hatte sich für Goebbels wie für die Verantwortlichen in Venedig ausgezahlt. Die deutschen Filme erhielten Preise und durch die Presse- und Wochenschauberichte machte einer der populärsten deutschen Politiker Werbung für das Reiseziel Venedig. „ der deutsche film erhielt auf der intern, filmkunst ausstellung die hoechste und die meisten auszeichnungen, insgesamt3 pokale, 5 medaillen " 50 Volpis Rechnung ging voll auf, aber auch Goebbels Ziel, den deutschen Film international besser zu vermarkten, hatte Erfolg.51 „Der Erfolg wird ohne Zweifel unseren Filmexport beleben. Das ausländische Publikum — durch unseren Erfolg in Venedig aufmerksam und neugierig geworden — wird nach deutschen Filmen fragen und sie zu sehen wünschen. Die Weltgeltung des deutschen Films hat in Venedig ihre Anerkennung gefunden."52 In der Vergabe der Preise für die Internationale Filmkunstschau vermutete die englische Filmpresse politische Hintergründe, die entscheidenden Einfluss auf die ausgewählten Filme hätten. Nur kurze Zeit nach der Beendigung der Sanktionen des Völkerbundes fühlten sich insbesondere England und Amerika benachteiligt." Der Preis für Luis Trenker hatte wohl auch mit seiner Herkunft aus Südtirol zu tun, wodurch er von deutscher als auch von italienischer Seite als deren Vertreter angesehen werden konnte. Die Medaille für Walt Disney mit Mickey Mouse auf einer Gondel zeigt, wie unpolitisch die Filmauswahl gleichzeitig war. Auch Jack Warner, einer der mächtigen Studiobosse aus Hollywood, war von dem internationalen Festival genauso wie Goebbels absolut begeistert. „Ich weiß nicht, ob die Organisation dieser Schau, die der interessanteste Filmwettbewerb, der auf der Welt existiert, ist, oder die Begeisterung der Zuschauer bewundernswerter ist. "54 Die Diskrepanz zwischen dem institutionellen Ausbau der Biennale und dem tatsächlichen Erfolg beim Publikum war vor allem durch die aggressive Außenpolitik des faschisti48 Tagebuch Goebbels, 30. August 1936. Goebbels, 3. September 1936.

49 Tagebuch

50 BArch, R 43 II, 389,

hebung im Original).

53 S. „Were Venice Awards politi-

cal?", in: World Film News, Vol. I, Nr. 7, Oktober 1936, S. 15.

Telegramm von Lehnich an Hitler, 2. September 1936.

54 „Non so se più ammirabile sia l'organizzazione di que-

51 Vgl. Yong C h a n Choi, Inszenierungen der völkischen

sta Mostra ch'è la più interessante gara cinematografica

Filmkultur im Nationalsozialismus: ,Der internationale

che esista al m o n d o , o „il tifo degli spettatori." Elio Zorzi,

Filmkongress Berlin 1935', Phil.-Diss., TU Berlin, Berlin

„La IV Mostra internazionale d'arte cinematografica a

2006, S. 237-248.

Venezia", in: Le Tre Venezie, XXX. Jg., Nr. 8-9, August-

52 S. „Die Weltgeltung des deutschen

Films", in: Licht-Bild-Bühne,

7. September 1936 (Hervor-

September 1936-XIV, S. 253-261.

174

DAS N E U E I M P E R I U M

U N D DAS ENDE DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

sehen Italiens begründet. Die Boykotte einiger Länder, das Ausbleiben der internationalen Besucher und die negative Presse über Italien schadeten der Biennale in ungeheurem Maße. Darüber hinaus ließ die Expansion der Biennale in immer weitere Kunstbereiche die ursprüngliche Kernveranstaltung, die Internationale Kunstausstellung, immer mehr in den Hintergrund treten. Die erst vier Jahre zuvor gestartete Internationale Filmkunstschau wurde von Jahr zu Jahr bedeutender. Der Stellenwert des Films gegenüber den bildenden Künsten lässt sich auch sehr gut an den Kommentaren Goebbels ablesen. Zwar könnte die ausführliche Beschreibung des Besuchs von Goebbels den Eindruck erwecken, als wären die Beziehungen bereits sehr eng, doch bis dahin sollte es noch etwas dauern. Vorläufig blieb die Biennale eine internationale Veranstaltung, bei der insbesondere im Bereich des Films keinerlei Zensur oder Vorauswahl getroffen wurde. Die Teilnahme aller Hollywood-Studios zeigt die wichtige Rolle, die Venedig für den europäischen Filmmarkt spielte. Die Vertreter der amerikanischen, deutschen, englischen oder französischen Filmwirtschaft wurden zuvorkommend empfangen, fühlten sich in Venedig wohl und machten glänzende Geschäfte.

IM Ü B E R G A N G : I N T E R N A T I O N A L I T Ä T V S . B Ü N D N I S T R E U E

Kurz nach Eröffnung der Olympischen Spiele in Berlin hatte im Schatten dieses Ereignisses der von Beginn an durch Italien und Deutschland unterstützte, spanische Bürgerkrieg begonnen. General Franco war am 6. August 1936 unter dem Schutz italienischer Flugzeuge von Marokko nach Südspanien übergesetzt. Die beiden Außenminister Galeazzo Ciano und Konstantin Freiherr von Neurath verständigten sich am 23. Oktober 1936 auf ein künftiges koordiniertes Vorgehen in allen, beide Länder interessierenden Fragen. Einen Interessenskonflikt zwischen den beiden Regimen schloss Hitler aus: Der italienische Lebensraum läge im Mittelmeer, der deutsche hingegen im Osten und im Ostseeraum. Eine Woche später, am 1. November 1936, sprach Mussolini auf dem Domplatz in Mailand erstmals von einer „Achse Berlin—Rom". Im Juli 1937 wurden im Abstand von nur einer Woche die beiden Pole der zeitgenössischen Kunstpolitik in Europa vorgeführt. Am 12. Juli 1937 wurde der spanische Pavillon auf der Weltausstellung in Paris eröffnet, der sich paradoxerweise in direkter Nachbarschaft zum deutschen Pavillon befand. In ihm präsentierte die republikanische Regierung Spaniens die Schrecken des von General Franco geführten Bürgerkrieges um die Vorherrschaft in diesem Land. Als Protest gegen die deutsche und italienische Beteiligung auf Seiten Francos hatte der aus Nordspanien stammende Pablo Picasso eines der berühmtesten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts, Guernica, geschaffen.55 Das Bild nimmt Bezug auf den deutschen Luftangriff, der im April 1937 die Kleinstadt Guernica vollständig zerstörte und Hunderte von Zivi-

55 Vgl. Herschel B. C h i p p , Picasso's G u e r n i c a . History,

H e n s b e r g e n , Guernica: Biographie eines Bildes, M ü n c h e n

t r a n s f o r m a t i o n s , m e a n i n g s , L o n d o n 1988 u. Gijs Van

2007.

IM Ü B E R G A N G : I N T E R N A T I O N A L I T Ä T V S . B Ü N D N I S T R E U E

175

listen tötete. Die direkte Kritik Picassos an dieser Zerstörung wird deutlich durch die drastische Darstellung der Schmerzen, des Leidens und des Todes. Der Gegenpol zeigte sich in der am 19. Juli 1937 eröffneten Ausstellung Entartete Kunst in München. Dort stellte die menschenverachtende Ideologie des deutschen Nationalsozialismus die Werke der verfemten Moderne in entwürdigender Weise aus. Die Ausstellung war der bisherige Höhepunkt der seit 1933 betriebenen nationalsozialistischen Kunstpolitik, die in radikalster Form die Ideale von einer Rückkehr zu den wahren und ewigen Werten der Schönheit der Kunst umsetzte. Welche Kunst Hitler wollte, zeigte sich in dem einen Tag zuvor mit der Großen Deutschen Kunstausstellung eröffneten Haus der deutschen Kunst in München, bei der auch Alfieri und Maraini anwesend waren.56 Neben eher unbekannten Vertretern der älteren Akademie-Kunst wurde die romantische Kunst des 19. Jahrhunderts, Landschaftsmalerei, Porträts und stark idealisierende Darstellungen „arischer Herrenmenschen" bevorzugt. Auf welcher Seite einer der Hauptverantwortliche der Biennale stand, machte Maraini nach seiner Rückkehr aus München in einem Brief an Mussolini deutlich. Er habe gesehen, „wieviel in der aktuellen Unsicherheit der künstlerischen Richtung eine größere Disziplin nutzen kann. Und der Befehl, diese zu verwirklichen, kann nur von Eurer Exzellenz kommen."57

„La Grande Illusion" 1937 Das vorherige Kapitel hat die enge Zusammenarbeit im Bereich der Filmpolitik zwischen Italien und Deutschland herausgearbeitet. Aber diese Kooperation allein genügt nicht, um die Bedeutung der Biennale in den 1930er Jahren zu verstehen. Denn parallel zu dieser Annäherung bemühte sich die italienische Regierung und somit auch die Leitung der Biennale weiterhin um eine Berücksichtigung der anderen europäischen Länder und Nord-Amerikas. Nach den Boykotten der Internationalen Kunstausstellung 1936 und der Bevorzugung deutscher Filme bei der Filmkunstschau desselben Jahres war von diesen Problemen 1937 kaum noch etwas zu spüren. Der Höhepunkt des Jahres war die große Tintoretto-Ausstellung, die nach dem Vorbild der Tizian-Ausstellung wiederum von Nino Barbantini organisiert wurde. Sehr anschaulich zeigt sich die Pluralität bei der Internationalen Filmkunstschau 1937, wo sich Deutschland massiv über die Behandlung durch die italienischen Verantwortlichen beschwerte. Auch bei der Internationalen Kunstausstellung von 1938 wurde die Internationalität auf Wunsch Mussolinis ausdrücklich betont, ohne auf den Verlust des kurz zuvor noch protegierten Österreich einzugehen. 56 Vgl. GNAM, FM, Cart 31, UA 26. Nuovo Palazzo

stellung fand zwischen 1937 und 1944 statt.

dell'Arte 1934-1937 Monaco di Baviera. Der „Tag der

quanto possa giovare, nelle incertezze attuali d'indirizzo

57 „...

Deutschen Kunst 1937" wurde vom 16. bis 18. Juli zu

artistico, una maggiore disciplina. E l'ordine per attuarla

München wurde mit zahlreichen kulturellen Veranstal-

non può partire che da Vostra Eccellenza." ACS, PCM,

tungen, wie Oper, Klassik, Theater, Tagungen, Ilumination,

1940-42, 14.1.730, Sottof. 4 - 1 . Brief Maraini an Mus-

Konzerte, Feste, Tanz gefeiert. Die Große Deutsche Aus-

solini, 26. Juli 1937, S. 2.

176

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E D E S „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

Mit der Tintoretto-Ausstellung setzte man im Sommer 1937 das Erfolgsrezept der erfolgreichen Tizian-Ausstellung von 1935 erneut um.58 Wieder war es gelungen, aus ganz Italien und Europa Haupwerke eines berühmten venezianischen Malers herbei zu schaffen. Der Kurator, Nino Barbantini, betonte, Venedig rufe „... diesmal das Andenken an Tintoretto wach und in zwei Jahren, so es Gott gefällt, werden wir Paolo Veronese auf dieselbe Weise feiern."59 Eine zweite kulturhistorische Ausstellung, Le Feste e le Maschere Veneziane im Palazzo Ca' Rezzonico, zeigte die Tradition der venezianischen Feste, Regatten und des Karnevals.60 Wie bereits im vorherigen Kapitel beschrieben, war Ca' Rezzonico Anfang der 1930er Jahre von der Stadt aus tourismuspolitischen Gründen angekauft worden. Im Jahr 1937 hatten sich die Ausgangsbedingungen im Bereich des Films geändert. Im Juli 1937> während des zweiten internationalen Filmkongresses, hatte satzungsgemäß Frankreich den Vorsitz der Internationalen Filmkammer (IFK) übernommen.61 In Venedig war die bedeutendste Neuerung der Ausbau des Areals um das Hotel Excelsior am Lido zu einem mondänen, allen internationalen Ansprüchen genügenden Seebad. Hierzu wurde neben dem Filmpalast auch der Sommersitz des städtischen Casinos errichtet, dessen Gewinne die Aktivitäten der Biennale mitfinanzieren sollten.62 Durch diese enormen, teils privaten Investitionen verschob sich das Zentrum der Biennale zum Lido, da die Filmkunstschau sehr schnell eine größere kulturelle und finanzielle Bedeutung als die Kunstausstellung selbst bekommen hatte. Der von dem Hotelkonzern CIGA Volpis finanzierte Neubau des Filmpalastes in unmittelbarer Nähe zum Hotel Excelsior beendete die Freiluftauffuhrungen auf der Terrasse des Chez Vous zwar nicht, aber die Besucher hatten nun auch bei schlechtem Wetter beste Vorführbedingungen.63 Zur Eröffnung kamen neben Minister Alfieri der Herzog von Genua und der Prinz von Griechenland, Cristofero.64 Zwar wurden die italienische Geschichte verherrlichende Filme wie der Karthago-Film Scipione l'Africano oder die MediciSaga I Condottieri gezeigt, aber ebenso gänzlich unpolitische Filme wie Elephant Boy, Carnet de Bai oder Filme von Walt Disney. Als Propagandafestival für die „Achse Berlin—Rom" kann man die Filmkunstschau von 1937 sicher nicht bezeichnen, denn zum Abschluss fand auch die britische Regierung ihre Bühne, indem man die Premiere des Films Victoria the Great feierte. Zu diesem Anlass waren extra die beiden britischen Kriegsschiffe HMS London und HMS Sussex im Bacino di San Marco vor Anker gegangen. Der französische Antikriegsfilm La grande illusion zeigte eine Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg und hatte die Botschaft, dass alle Rassen, Klassen und Schichten in Frieden zusammenleben können. Unter-

58 Vgl. AMV, 1936-1940 IX.12.8, Mostra del Tintoretto

S. 233-244. Hier ausfuhrlich zur Entstehung des Spiel-

1937 u. „Die Tintoretto-Ausstellung. Katalog der Werke",

casinos und der Nutzung der Profite für den Ausbau des

Ca' Pesaro, Ausstellungskatalog, Venedig 1937.

kulturellen Lebens in Venedig.

Nino Barbantini, Vorwort, S. 5.

59 Ebd.,

60 Vgl. Giulio Loren-

63 S. O. L. Passarella,

„Innovazioni al Lido di Venezia. Il Palazzo del Cinemato-

zetti, „Le Feste e le Maschere Veneziane, Ca' Rezzonico

grafo Internazionale", in: Illustrazione

(6. Mai-31. Oktober 1937)", Ausstellungskatalog, Venedig

8. August 1937, S. 910 f.

1937.

61 Zu diesem Zeitpunkt waren an der IFK

24 europäische Länder beteiligt.

62 Vgl. Longo 2005,

Italiana,

Nr. 32,

64 Vgl. Giornale LUCE, Β 1147,

Venezia V Mostra del Cinema 18. August 1937 u. Β 1159, ι. September 1937.

IM Ü B E R G A N G : I N T E R N A T I O N A L I T Ä T V S . B Ü N D N I S T R E U E

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strichen wurde das auch durch den Elephant Boy-Hauptdarsteller Sabu, der aus Indien an den Lido gekommen war. Mit 17 teilnehmenden Nationen, 55 Filmproduzenten, 50 Spielfilmen, 70 Kurzfilmen und 50.000 Besuchern war es ein enormer Erfolg. Dieser Erfolg der Filmkunstschau führte zu einem ständig wachsenden Interesse des deutschen Propagandaministers Goebbels, der von Berlin aus das Geschehen in Venedig verfolgte. Bereits am 10. April 1937 hatten der Präsident der Reichsfilmkammer Oswald Lehnich und der Generaldirektor für Kinematographie Luigi Freddi ein Abkommen unterzeichnet, durch das die Zusammenarbeit Italiens und des Deutschen Reichs auf dem Gebiet des Films in Zukunft verstärkt werden sollte.65 Freddi ging es dabei vor allem um die bessere Auslastung der neu geschaffenen modernen Filmstudios Cinecittà in Rom durch deutsche Produktionen. Der deutschen Seite ging es hingegen auch um eine ideologische und inhaltliche Kooperation. Auf der Biennale haben wir weiter Erfolge. „Herrscher" ganz groß aufgenommen. [...] Unser Farbfilm „Deutschland" hat in Venedig glänzend gewirkt. Graf Volpi schickt mir ein Glückwunschtelegramm. Im Übrigen aber berichtet Lenich, daß die Italiener sich in Venedig sehr um Frankreich und England bemühen, dagegen uns etwas links liegen lassen.66 Goebbels war sehr verärgert über das Verhalten der Verantwortlichen in Venedig. Die Franzosen haben sehr gut abgeschnitten. Wohl auch aus politischen Gründen. Das Statut der Biennale muß geändert werden. Sonst ziehen wir uns zurück.67 Nach der Rückkehr Lehnichs nach Berlin und dessen Bericht an Goebbels bemerkte letzterer: Die Italiener haben sich da mit den Franzosen gegen uns verbündet. Untreu wie immer. Aber im nächsten Jahre werden wir uns die Teilnahme überlegen. Graf Volpi soll alleine für den Lido Reklame machen Der internationale Erfolg war überwältigend, aber der seit August schwelende Konflikt um das Statut der Filmkunstschau wurde auf deutscher Seite weiter behandelt. Vor dem Besuch Mussolinis in Deutschland berichtete Lehnich Adolf Hitlers Büro über die Ereignisse in Venedig.69

Goebbels, 25. August

65 Luigi Freddi war seit 1919 Mitglied der Faschisten und

Lehnich.

war durch seine langen Aufenthalte in Hollywood ein

67 Tagebuch Goebbels, 5. September 1937.

66 Tagebuch

1937.

68 Tagebuch

erfahrener Filmexperte. 1933 hatte er gemeinsam mit Dino

Goebbels, 9. September 1937. Reaktion nach Bericht von

Alfieri die „Mostra della Rivoluzione Fascista" in Rom

Lehnich, vgl. BArch, R 43 II, 389, Briefe Lehnich an

organisiert. 1934 wurde er Direttore generale della cinema-

Goebbels, 22. August 1937 u. 6. September 1937.

tografia, einer der Reichsfilmkammer im Deutschen Reich

BArch, R 43 II, 389, Brief Lehnich an Staatssekretär

ähnlichen Institution. Freddi stand bis 1939 an deren

Lammers, 7. September 1937.

Spitze und war der direkte Ansprechpartner für Oswald

69 Vgl.

Ij8

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

Statut der Biennale stellt sich als ganz unmöglich heraus. Die Deutschen selbst aber haben für „un carnet de ball " gestimmt. Ich gehe scharf dagegen vor. Statut wird von uns umgearbeitet. Dann schicke ich einen Boten nach Rom zu Alfieri.70 Goebbels beauftragte den deutschen Botschafter von Hassell, persönlich mit Alfieri über dieses Problem zu sprechen. Hier wurde deutlich, dass die deutsche Politik Ende 1937 massiven Druck auf die Italiener ausübte, um durch die Schaffung einer mit Vertretern der Teilnehmerländer besetzten Jury eine gerechte und transparente Verteilung der Preise zu garantieren. Oswald Lehnich schaltete sich direkt in die Reform der neuen Statuten der Internationalen Filmschau ein, indem er konkrete Vorschläge machte.71 Von dieser starken filmpolitischen Einflussnahme bekam das begeisterte internationale Publikum jedoch nichts mit. Letztendlich war alle Aufregung umsonst, denn ab 1937 hatte Frankreich die Kontrolle der Internationalen Filmkammer (IFK) übernommen, womit die filmpolitischen Absichten des nationalsozialistischen Deutschland in Europa zunächst nicht weiter verwirklicht werden konnten. Die Zusammenarbeit im kulturellen Bereich zwischen Frankreich und Deutschland war zu diesem Zeitpunkt intakt, wie durch die Teilnahme an der Weltausstellung und eine Ausstellung französischer zeitgenössischer Kunst in der Preußischen Akademie der Künste deutlich wurde.72 Am gleichen Ort wurde im November 1937 von Hermann Göring die Ausstellung italienischer Kunst von 1800 bis zur Gegenwart eröffnet (Abb. 58)." Die Ausstellung war von Maraini im Auftrag des Ministeriums für Volkskultur (MinCulPop) organisiert worden.74 Die Biennale wurde als „wichtigstes und einflussreichstes Instrument zur Verbreitung zeitgenössischer italienischer Kunst in der Welt" bezeichnet. Die Ausstellung sei „... in diesem historischen Moment nach dem Besuch Mussolinis in Deutschland dazu bestimmt, eine besondere Bedeutung in der Entwicklung der kulturellen Beziehungen zwischen Italien und Deutschland einzunehmen."75 Der Weg der italienischen Kunst solle als Vorbild gesehen werden, wie man mit der Überwindung der „... Experimente und der intellektuellen Abenteuer sich auf einer nationalen Ebene wieder einem gesunden Realismus annähert, der den Ruhm der künstlerischen italienischen Tradition ausmacht. "76 Im Dezember besuchte auch Hitler die Ausstellung und kaufte die Skulptur des Heiligen Georg von Antonio Maraini. 70 Tagebuch Goebbels, 4. D e z e m b e r 1937.

71 Vgl.

Italiana a Berlino", in: Le Tre Venezie, XII. Jg., Nr. 11,

GNAM, FM, Cart. 42, N o m i n a Segretario Generale e leggi

November 1937, S. 328.

Biennale 1927-30, Progetto di Regolamento presentato

Propaganda, Germania, Β. 324, Fase. 7.

dalla Camera Internazionale del Film con le modifiche

tente e autorevole s t r u m e n t o di diffusione dell'arte con-

proposte dal Dr. Lehnich, o. D.

72 Vgl. „Ausstellung

temporanea italiana nel mondo". Die Ausstellung sei „...

französischer Kunst der Gegenwart", veranstaltet von der

nell'attuale m o m e n t o storico, dopo il viaggio di Mussolini

74 Vgl. ACS, MinCulPop, DG 75 „il più po-

französischen Regierung in Gemeinschaft mit der Preußi-

in Germania, è destinata ad assumere una importanza

schen Akademie der Künste in Berlin, Ausstellungskatalog,

tutta particolare nello sviluppo de rapporti culturali italo-

Berlin 1937.

germanici." Ebd., S. 332.

73 Vgl. „Ausstellung italienischer Kunst von

1800 bis zur Gegenwart", veranstaltet v. d. Kgl. Italieni-

76 „... prima, poi quella degli

esperimenti edelle avventure intelletulistiche e riaccostarsi

schen Regierung in Gemeinschaft mit der Preußischen

su u n piano ormai nazionale a quel sano realismo, ch'è la

Akademie zu Berlin. November-Dezember 1937, Ausstel-

gloria della tradizione artistica italiana." Ebd., S. 333.

lungskatalog, Berlin, 1937; Ettore Zorzi, „La Mostra d'Arte

IM Ü B E R G A N G : I N T E R N A T I O N A L I T Ä T VS. B Ü N D N I S T R E U E

179

Internationalists in a „Peaceful" Europe 1938 Wie Sie befohlen haben, haben wir versucht bei dieser Ausstellung der ausländischen Beteiligung die größtmögliche Bedeutung zu geben.77 Giuseppe Volpi an Benito Mussolini, 14. Mai 1938 Nach den überwundenen Schwierigkeiten mit dem Wirtschaftsboykott des Völkerbundes konnte 1938 wieder mit der Teilnahme aller in den Giardini vertretenen Ländern gerechnet werden.78 Die vor Selbstbewusstsein strotzenden Verantwortlichen der Biennale zeigten ihre Rolle im faschistischen Italien deutlich bei der Neudekoration der Hauptfassade des Ausstellungspalasts ITALIA (Abb. 59).79 Man veranlasste die Anbringung zweier Fresken, die zur Eröffnung der Ausstellung von 1938 fertig gestellt wurden. Diese zeigen auf der linken Seite La regina del mare von Francesco Gentilini und auf der rechten Seite La nascita di Roma von Antonio Santagata.80 Gentilinis Komposition besteht aus einer Personifikation der Venezia, der Königin der Meere, im Vordergrund und der Topographie Venedigs im Hintergrund. Auf dem unteren Teil des Freskos sind der heilige Markus und zwei Soldaten des Ersten Weltkriegs, die auf eine Kriegsszenerie schauen, zu sehen. Die Hauptsymbole Venedigs, San Marco, das Meer und die Stadt selbst teilen sich den Raum mit Referenzen zur nationalen und faschistischen Stärke. Die Venezia hält ein Liktorenbündel in der einen Hand und eine venezianische Kriegsgaleere in der anderen. Mit diesem klaren Bekenntnis zur Bedeutung Venedigs als Kriegsmacht, deren traditioneller Machtbereich wieder zurückerobert werden sollte, wurden die Absichten der italienischen Außenpolitik deutlich. Weitere Fresken wurden im Kuppelssaal unter dem Gesamttitel Le Arti angebracht: Architectura, Orfeo, Pittura und Le Arte veneziane. Die Ergebnisse eines Wettbewerbs zu Fresken der faschistischen Ära wurden im zentralen Saal gezeigt. Drei Säle wurden der Kunst der Futuristi Aeropittori d'Africa e Spagna gewidmet, eine verherrlichende Propagandaschau der Erfolge der faschistischen Luftwaffe in den letzten Jahren.

77 „Come voi ci avete comandato, abbiamo cercato in

(Direttore generale del Commercio), Ernesto Santoro

questa Esposizione di dare il massimo rilievo alla parteci-

(Direttore generale dell'Industria), Nicola de

pacione straniera." ACS, PCM, 1940-1942, 14.1.730,

(Direttore generale per il Teatro), Luigi Freddi (Direttore

Pirro

Sottofasc. 4-1, Brief Volpi an Mussolini, 14. Mai 1938.

generale per la Cinematografia), Vittorio Magelli (Littore

78 Vgl. Elio Zorzi, „Le grandi linee della XXIA Biennale",

per la Scultura), Delegato del Presidente: Andrea di Val-

in: Le Tre Venezie, XXX. Jg., Nr. 1-2, Januar-Februar 1938,

marana; Ufficio di Segretaria: Antonio Maraini (Segreatrio

S. 3-8.

79 Der Verwaltungsrat bestand 1938 aus: Prä-

generale), Romolo Bazzoni (Direttore amministrativo),

sident: Conte Giuseppe Volpi di Misurata (Staatsminister);

Domenico Varagnolo (Direttore dell'ASAC), Elio Zorzi

Consiglieri: Mario Alverà (Podestà di Venezia), Antonio

(Direttore dell'Ufficio Stampa e propaganda), Giulio

Maraini (Deputato al Parlamento, Segreatrio del Sindacato

Baradel (Ispettore Economo).

Nazionale delle Belle Arti), Oreste Bonomi (Deputato al

Venezia, XVIII esposizione biennale internazionale d'arte",

Parlamento, Direttore generale per il Turismo), Alessandro

Ausstellungskatalog, Venedig 1938, S. 41; Elio Zorzi, „L'Arte

Pavolini (Deputato al Parlamento, Presidente Confedera-

Italiana", in: Le Tre Venezie, XIII. Jg., Nr. 6, Juni 1938,

zione Fascista Professionisti e Artisti), Erasmo Caravale

S. 193-215·

80 Vgl. „La Biennale di

ΐ8θ

DAS NEUE I M P E R I U M U N D DAS ENDE DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

Genauso wie der italienische Staat Venedig und die Biennale unterstützte, blieb auch die internationale Anerkennung erhalten. Im Vorfeld der XXI. Internationalen Kunstausstellung 1938 hatten Jugoslawien und Rumänien eigene Ausstellungsbauten erhalten.81 Insbesondere der rumänische Pavillon entsprach ganz dem Willen der italienischen Außenpolitik, fühlte man sich dem rumänischen Volk aus historischen Gründen doch eng verbunden. Für die Macher der Biennale war es entscheidend, so viel Internationalität wie möglich zu präsentieren. Daher werden die Beiträge von Schweden und Ägypten im Plan des Ausstellungsgebäudes wie Pavillons hervorgehoben. Mit 18 teilnehmenden Nationen war eine Rekordzahl erreicht worden, obwohl auf Österreich verzichtet werden musste. Bei der feierlichen Eröffnung durch den Minister für nationale Erziehung (MEN), Giuseppe Bottai, Anfang Juni 1938 wurde die nationale Bedeutung der Biennale unterstrichen.82 Etwas später besuchte dann auch König Vittorio Emanuele III. die Ausstellung.83 In den Giardini unterstrich der Neubau des deutschen Pavillons die Bedeutung des Achsenpartners im Bereich der bildenden Künste. Nach Entwürfen des Münchner Architekten Ernst Haiger, der auch beim Bau des Hauses der Kunst in München beteiligt war, wurde ein imposanter neoklassizistischer Bau errichtet (Abb. 60).84 So manifestierte sich die auswärtige Kulturpolitik des Dritten Reichs nach dem Auftritt auf der Weltausstellung in Paris 1937 wiederum durch ein vor allem durch seine Größe dominierendes Gebäude im internationalen Rahmen. Von deutscher Seite wurde der Internationalen Kunstausstellung eine sehr hohe Bedeutung beigemessen, denn es gab keinen vergleichbaren Ort, an dem man seine künstlerischen Errungenschaften unter so großer internationaler Aufmerksamkeit präsentieren konnte.85 Die Sonderausstellung Deutschland, Die Wiedergeburt der deutschen Kunst!, war von dem Präsidenten der Reichskunstkammer Adolf Ziegler kuratiert worden, der die künstlerischen Vorgaben seines obersten Dienstherren Adolf Hitler bereits 1937 in München umgesetzt hatte.86 Nur vier Jahre zuvor hatte man an dieser Stelle den Neubau des österreichischen Pavillons gefeiert, doch die außenpolitische Situation hatte sich verändert. Durch den kurz zuvor vollzogenen „Anschluss" Österreichs wurde der österreichische Pavillon überflüssig. Ende April 1938 fällt die Entscheidung, dass die österreichischen Künstler zukünftig im deutschen Pavillon ausstellen werden. Der österreichische Pavillon sollte zunächst an ein anderes Land verkauft werden, blieb aber in den folgenden Jahren ungenutzt. In der bisherigen Darstellung wurde der Neubau des deutschen Pavillons als bedeutendstes Ereignis dieses Jahres dargestellt, ohne dabei zu berücksichtigen, dass alle Länder, die 1936 nicht dabei waren, 1938 ihren Weg zurück in die Giardini gefunden hatten. Nur die UdSSR

81 Vgl. Nicolae Iorga, La Romania alla Biennale di Venezia

dig", in: Zentralblatt

1938, Valenii-de-Munte 1938.

1194; Wilhelm Rüdiger, „XXI. Biennale Venedig 1938", in:

Β 1319. 8. Juni 1938. 15- Juni 1938.

82 Vgl. Giornale LUCE,

83 Vgl. Giornale LUCE, Β 1321,

8 4 Vgl. Mulazzani 1988, S. 47 f.

85 Dazu

O.A., „Das Deutsche Kunstausstellungsgebäude in Vene-

der Bauverwaltung,

44.1938, S. 1192-

Die Kunst, Vol. 77, August 1938, S. 328-344. „XXI. Esposizione Internazionale d'Arte,

86 Vgl.

Sonderaus-

stellung Deutschland", Ausstellungskatalog, Venedig 1938.

IM Ü B E R G A N G : I N T E R N A T I O N A L I T Ä T V S . B Ü N D N I S T R E U E

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fehlte. Dabei ist es erstaunlich, dass diesmal in der Kunstkritik vor allem der britische Beitrag hervorgehoben wurde, welcher der Kunstkritik zufolge als einziger „wirklich zeitgenössische Kunst" präsentierte. Die Briten zeigten unter der offiziellen Verantwortung des British Council eine vielfältige Kunstauswahl. Um bessere anglo-italienische Beziehungen zu signalisieren, hat England, dass vor zwei fahren keine Kunst zu Venedigs Biennale geschickt hat, 24 EpsteinBronzen, 25 Gemälde von Christopher Wood, einen Raum voller Arbeiten von Stanley Spencer geschickt. Enthusiastische italienische Kritiker führte sie dazu, die britische Schau als die feinste in der Geschichte der Biennale zu nennen *7 Für Frankreich hatten Louis Hautecœur und Jean Cassou eine recht konservative Ausstellung zusammengestellt, die die Ausstellungspolitik des Musée du Luxembourg widerspiegelte. Der größte Publikumserfolg war eine Retrospektive von Ignacio Zuloaga im spanischen Pavillon. In seinem Bericht über die Ausstellung betonte Maraini, dass „den höchsten Preis zwei kleine Bilder von Renoir (erzielten, Anm. d.A.) für die ein italienischer Sammler 140.000 Francs bezahlt hat."** Der deutsche Beitrag wurde nur von der deutschen Kunstkritik gelobt: „Das Deutsche Haus ist vor allem inhaltlich, thematisch sehr gesammelt, gesinnungsmäßig sehr geschlossen und überzeugend deutsch."*9 Nicht unbedingt Qualitätskriterien, denn der amerikanischen Seite war sie gerade einmal fünf Zeilen eines mehrseitigen Ausstellungsberichtes wert.90 Wer Werke der zum großen Teil exilierten, „entarteten" deutschen Künstler sehen wollte, musste im Sommer 1938 nach London reisen, wo alle bekannten Namen in der Ausstellung Twentieth Century German Art in den New Burlington Galleries vertreten waren.91 Nach der Verabschiedung der nach dem Nürnberger Vorbild gestalteten, faschistischen Rassegesetze erreichte die Reaktion der italienischen Kunstkritik auf die XXI. Internationale

8 7 „To signalize better Anglo-Italian relations, England,

in a Great Biennial Show", in: Art News, Vol. XXXVI, N. 40,

which sent n o art t o Venice's b i e n n i a l t w o years ago, ship-

17. S e p t e m b e r 1938, S. 7-9, 20-21.

p e d 24 Epstein b r o n z e s , 25 p a i n t i n g s b y

Christopher

of Twentieth C e n t u r y G e r m a n Art", Ausstellungskatalog,

W o o d , a r o o m f u l of w o r k b y Stanley Spencer, led e n t h u -

N e w B u r l i n g t o n Galleries, L o n d o n 1938 [8.-20. Juli 1938].

siastic Italian critics t o call the British s h o w t h e finest in

O r g a n i s i e r t v o n H e r b e r t Read w u r d e n h i e r Werke v o n

t h e history of t h e biennial." „ A m e r i c a n s Abroad", in: Time

Ernst Barlach, Willi Baumeister, M a x B e c k m a n n , Emil

Magazine, 27. Juni 1938.

C a m p e n d o n c k , Lovis C o r i n t h , O t t o Dix, M a x

88 „il prezzo p i ù alto è stato

9 1 Vgl. „Exhibition

Ernst,

r a g g i u n t o d a d u e piccole tele di Renoir pagate d a u n colle-

Lyonel Feininger, George Grosz, Erich Heckel, H a n s Hofer,

zionista italiano 140.000 f r a n c h i . " ACS P C M , 1940-42

Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee,

14.1.730 Sottofasc., 4, A n t o n i o M a r a i n i , XXI Esposizione

O s k a r Kokoschka, Georg Kolbe, Käthe Kollwitz, W i l h e l m

S. 3.

L e h m b r u c k , M a x L i e b e r m a n n , August Macke, Franz M a r c ,

8 9 W i l h e l m Rüdiger, „XXI. Biennale, Venedig 1938", in:

Paula M o d e r s o h n - B e c k e r , Emil Nolde, M a x Pechstein,

Die Kunst, Vol. 77, August 1938, S. 342.

90 Vgl. W.

O s k a r Schlemmer, Karl S c h m i d t - R o t t l u f f , Kurt Schwitters

Rüdiger, „XXI. Biennale", in: Die Kunst, Vol. 7, August 1938,

u n d M a x Slevogt gezeigt. Vgl. auch zu d e r e n Kunst Will

S. 328-344; M a u r i c e L e m o n n i e r , La Biennale d e Venise, in:

G r o h m a n n , „L'art c o n t e m p o r a i n

Beaux-Arts, N. 288, 8. Juli 1938, S. 3; R o s a m u n d Frost,

Cahiers

Biennale

Internazionale

d'Arte

di

Venezia,

„Internationalists in Venice. T h e Art of a , P e a c e f u l ' E u r o p e

d'Art, N r . 13,1938, S. 5-28.

en Allemagne",

in:

182

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E D E S „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

Kunstausstellung eine neue Form der Radikalität. Das Ziel einiger Hardliner war eine an die deutsche Kunstpolitik angelehnte Aussonderung von „entarteter", „bolschewistischer" oder „jüdischer" Kunst. Maraini selbst hatte die Diskussionen um diesen Streitpunkt in seinem privaten Nachlass in dem Hefter Arte Ebraica dokumentiert. 92 Der Kunstkritiker Giuseppe Pensabene griff die XXI. Internationale Kunstausstellung scharf an und verwies auf die dort ausstellenden „jüdischen" und „entarteten" Künstler, die man endgültig aus der Kunstwelt entfernen müsse. 93 Nach der Ausstellung wurde die Debatte nochmals verschärft, indem von Seiten der Zeitung II Tevere die Verantwortlichen der offiziellen Ausstellungen direkt angegriffen wurden. Wenn ich einen Oppo oder einen Maraini, die die eifersüchtigen Hüter der unverfälschten italienischen Kunst sein sollten, sehe, wie sie Säle und Wände und Preise von zehntausenden von Lire den plumpesten und hirnlosesten Kopien von Bildern eines Chagall, oder eines Ernst oder eines Braque, oder eines Kokoschka zugestehen? Wenn ich die ständigen Beteuerungen höre, dass ein De Chirico ein italienischer Künstler sei und ein Severini ein Meister? Die Kritik will ... diese lächerliche Synagoge „moderner" Kunst zu Boden werfen; bis gestern waren sie die bestimmenden Herren unserer Kunst, nennen wir sie beim Namen: Oppo, Maraini und Piacentini,94 Eine Replik auf diesen Angriff ist im Nachlass Marainis erhalten, wurde aber nie abgeschickt. Maraini verteidigte seine Ausstellungspolitik, die immer darum bemüht sei, aus jedem Land das Beste der Produktion in einem typischem nationalen Ausdruck darzubringen, klar unterschieden von dem, was in dem „volapuk" der Schule von Paris entsteht [...] Daran glaube ich und meine Artikel, die ich seit 15 Jahren gegen den Picassismo und all die verschiedenen verderblichen ismen der gesunden Traditionen mache, [...] und mein Glaube an die dem syndakalen Organismus innewohnende Möglichkeit als eine Front der Gesundung für die italienische Kunst.95

92 Vgl. GNAM, FM, Cart. 82, Aite Ebraica.

93 Vgl.

Giuseppe Pensabene, „La critica a Venezia", in:

Quadrivio,

12. Juni 1938.

Vgl. „La questione dell'arte e la Razza", in: Il 14. November 1938.

Tevere,

95 „... di riportare ogni paese a

94 „Quando vede un Oppo, o un Maraini,

dare il meglio della propria produzione in quanto espres-

che dovrebbero essere i gelosi custodi della genuinità

sione tipicamente nazionale, ben distinta da quella che

dell'arte italiana, concedere sale e pareti e premi di diecine

nasceva dal volapuk della scuola di Parigi [...] Ne fanno

di miglaia di lire ai più goffi scopiazzatori delle tele d'un

fede e i miei articoli che sin da 15 anni fa erano contro il

Chagal, o d'un Ernst, o d'un Braque; 0 d'un Kokoschka?

Picassismo e tutti i vari ismi corruttori delle tradizioni

Quando sente affermare e ripetere che un De Chirico è un

sane, [ . . . ] e la mia fede nella possibilità insite nell'organis-

pittore italiano e che un Severini è un maestro?" Die Kritik

mo sindacale come fronte di una rigenerazione per l'arte

will „buttare a terra questa ridicola sinagoga d'arte „mo-

italiana." A. Maraini, ο. T., o. D„ in: GNAM, FM, Cart. 82,

derna"; fino a ieri i signori regolatori dell'arte nostra - fac-

Arte ebraica.

ciamone i nomi, Oppo, Maraini e Piacentini, gli facevano."

IM Ü B E R G A N G : I N T E R N A T I O N A L I T Ä T V S . B Ü N D N I S T R E U E

183

Auch Marinetti wurde direkt angegriffen, denn die »... moderne Kunst, die du alimentierst und schützt und verherrlichst, ist ein großer Furunkel, der im Körper Italiens steckt."96 Im Dezember meldete sich Ojetti in einem offenen Brief in Quadrivio zu Wort, um seine Position klarzustellen und beispielsweise gegen ein Verbot des Impressionsmus einzutreten.'7 In ganz Europa wurde über eine Rückkehr zu nationalen Traditionen in der Kunst diskutiert. Auch in Frankreich wurde als Reaktion auf die Rede von Adolf Hitler auf dem Nürnberger Reichsparteitag im Herbst 1938 die Diskussion um den nationalen Charakter der französischen Kunst forciert. In der Zeitschrift Beaux-Arts forderten mehrere Leitartikel unter der Überschrift „Pour l'Art Francais" die Rückbesinnung auf nationale Traditionen und ein Ende der international geprägten „Schule von Paris".98

Das neue Gesetz v o n 1938 In Rom war bereits im November 1936 Giuseppe Bottai (1895—1959) zum Minister für nationale Erziehung (MEN) ernannt worden." Bottai interessierte sich für zeitgenössische Kunst und beeinflusste die Kunstauswahl der nächsten beiden Kunstausstellungen stark, so dass Maraini seine sich an den nationalsozialistischen Idealen orientierende Kunstauffassung nicht durchsetzen konnte. Bottai beschäftigte sich seit den 1920er Jahren als Herausgeber der Zeitschrift Critica Fascista mit Kunstfragen und war einer der Hauptideologen des Korporatismus. Seit dem 1936 erschienenen Bericht über die Gesamtsituation der Biennale hatte man intensiv an einem neuen Gesetz gearbeitet, um die zukünftigen Aktivitäten zu sichern. Bottai engagierte sich sehr stark bei der Reform der gesetzlichen Regelungen der Biennale, die den Einfluss seines Ministeriums verstärken und die finanzielle Situation verbessern sollten.

9 6 „ . . . arte m o d e r n a c h e t u a l i m e n t i e proteggi ed esalti è

ziviler G o u v e r n e u r in Addis Abeba. Schließlich ab N o -

u n grosso f o r u n c o l o e sta sul c o r p o dell'Italia." O . A . ,

v e m b e r 1936 Minister f ü r n a t i o n a l e Erziehung ( M E N ) .

Accolto italo-tedesco, i n : II Tevere, 24J25. N o v e m b e r 1938.

1940 g r ü n d e t e er die Zeitschrift P r i m a t o , bei d e r a u c h

Vgl. a u c h F. T. M a r i n e t t i , „Italianità dell'arte m o d e r n a " , in:

systemkritische Historiker, Schriftsteller u n d Künstler m i t -

Il Giornale d'Italia, 24. N o v e m b e r 1938.

9 7 Vgl. Ugo

arbeiteten. I m Februar 1943 verlor er sein M i n i s t e r a m t u n d

Ojetti, „ O f f e n e r Brief', in: Quadrivio, 11. D e z e m b e r 1938.

s t i m m t e a m 25. Juli 1943 gegen Mussolini. Z u m Tode ver-

9 8 S. „ P o u r l'Art Français", in: Beaux-Arts, Ν . 301, η. O k -

urteilt gelang i h m die Flucht u n d er ging f ü r einige Jahre

t o b e r 1938, S. 1 u. Ν . 302, 14. O k t o b e r 1938, S. 1; Jean

zur F r e m d e n l e g i o n . N a c h seiner Rückkehr w a r er weiter-

Cassou, „ P o u r l'Art Français- l'Artiste", in: Beaux-Arts, N.

h i n publizistisch tätig. Literatur: G i u s e p p e Bottai, V e n t -

304, 28. O k t o b e r 1938, S. 1.

9 9 Bottai w a r seit 1919 aktiv

a n n i e u n g i o r n o (24 luglio 1943), 0.0.1949; J. de G r a n d ,

in d e r faschistischen Bewegung, b e i m M a r s c h auf R o m

Bottai e la c u l t u r a fascista, Bari 1978; G i u s e p p e Bottai, La

dabei u n d a b 1924 Abgeordneter. Er w a r G r ü n d e r u n d

politica delle arti. Scritti 1918-1943, A. Masi (Hg.), R o m

Direktor d e r Kunst- u n d Literaturzeitschrift Critica Fas-

1992; Emilio Raffaele Papa, Bottai e l'arte: u n fascismo

cista. Seit 1926 w a r er Sottosegretario i m M i n i s t e r i u m f ü r

diverso?: la politica culturale di G i u s e p p e Bottai e il Pre-

K o r p o r a t i o n e n , dessen Minister er 1929 w u r d e . 1932 z u m

m i o B e r g a m o (1939-1942), M a i l a n d 1994; G i o r d a n o

Presidente dell'Istituto nazionale fascista della p r e v i d e n z a

B r u n o G u e r r i , G i u s e p p e Bottai, fascista, M i l a n o 1996;

sociale n o m i n i e r t . Zwischen 1935 u n d 1936 G o u v e r n e u r

G i u s e p p e Bottai, D i a r i o 1935-1944, G i o r d a n o

v o n R o m , w o er zahlreiche

G u e r r i (Hg.), M a i l a n d 1997 u. M o n i c a Galfré, G i u s e p p e

Stadtentwicklungsprojekte

v o r a n b r a c h t e . Beim Krieg in Abessinien dabei u n d erster

Bottai: u n intellettuale fascista, Florenz 2000.

Bruno

184

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

Zudem wurde unter Bottais Führung wurde die Generaldirektion der Altertümer und der Schönen Künste unter Generaldirektor Marino Lazzari neu organisiert.100 Die gesamte Kunstpolitik wurde nun zentral gesteuert. Alte und neue Kunst sollte vor allem dem faschistischen System dienen. Die Rolle Venedigs wurde ganz klar als zentraler Ort der Ausstellung zeitgenössischer internationaler Kunst definiert. Diese Zusammenarbeit mit der Regierung in Rom sollte durch das neue Gesetz festgeschrieben werden. Die zahlreichen neuen Aktivitäten hatten die Organisation unübersichtlich werden lassen und auch die finanzielle Belastung war nicht mehr von der Biennale allein zu schultern. Die Expansion der Biennale brachte ein kompliziertes Kompetenzwirrwarr mit unterschiedlichen Ministerien. Am 21. Juli 1938 wurde ein neues königliches Dekret erlassen, in dem alle Bereiche der Biennale-Aktivitäten, die Zuständigkeiten, Finanzierung und Organisation ganz genau geregelt wurden.101 An der Spitze stand ein Verwaltungsrat, der sich aus acht Mitgliedern zusammensetzte.102 Die Partito Nazionale Fascista (PNF) war nun stärker vertreten und vor allem Dino Alfieri, als Minister für Volkskultur, war gestärkt aus diesen Neuerungen hervorgegangen. Das Ministerium sollte nach Vorbild des Propagandaministeriums unter Goebbels seinen Einfluss geltend machen. Hinzu kamen Vertreter aus den Syndikaten, Korporationen, Studentengruppen und natürlich der Stadt Venedig. Die Biennale bestand desweiteren aus einem Exekutivkomitee und drei Unterkommissionen für die Bereiche Bildende Kunst, Film und Musik und Theater. Dem Exekutivkomitee gehörten neben Volpi und Podestà Marcello der Generaldirektor der Altertümer und der Schönen Künste, ein Staatssekretär des MEN, der Generaldirektor für den Tourismus und der Generaldirektor für Handel an. Giuseppe Bottais nationales Erziehungsministerium (MEN) war für die Bildenden Künste zuständig und Dino Alfieris Ministerium für Volkskultur (MinCulPop) für die Filmkunstschau und die Ausstellungen im Ausland. Bei der Filmkunstschau war die Generaldirektion für Kinematographie vertreten. Die Provinzregierung war an der Organisation des Theaterfestivals beteiligt. Im darauffolgenden November regelte ein weiteres Gesetz die Finanzierung der Biennale.103 Die staatlichen Ausgaben wurden von 250.000 auf 400.000 Lire erhöht, die sich die beiden zuständigen Ministerien teilten. Bei der Organisation von Kunstausstellungen im Ausland arbeitete Maraini ab Anfang 1938 auch mit dem neugegründeten Istituto Nazionale per le Relazioni Culturali con l'Estero (IRCE) zusammen, welches für die Auslandskulturpropaganda zuständig war. Dieses war wiederum von dem Ministerium für Volkskultur (MinCulPop) abhängig und wurde von Balbino Giuliano und Luciano de Feo geleitet.

100 Vgl. Giuseppe Bottai, „Direttive per la tutela dell'arte

internionale d'arte di Venezia, Artikel 12, S. 3.

antica e moderna", in: Le Arti, Anno I, Fase. I, Okto-

ACS, PCM, 1940-42, 14.1.730, Sottofasc. 1-2, Atti parli-

ber-November 1938, S. 42-52·

mentari, Senato del Regno, N. 2539, Disegno del legge,

101 Vgl. ACS, PCM,

1940-42,14.1.730, Sottofasc. 1-2, R. Decreto-legge, 21. Juli

articolo 7, S. 2.

1938-XVI-Nuovo ordinamento dell'Esposizione biennale

Sottofasc. 2B-2: „Decreto 11 novembre 1938".

102 Vgl.

103 Vgl. ACS, PCM, 1940-42,14.1.730,

IM Ü B E R G A N G : I N T E R N A T I O N A L I T Ä T v s .

BÜNDNISTREUE

185

Die VI. Internationale Filmkunstschau des Jahres 1938 war die erste Veranstaltung nach der Verabschiedung des neuen Gesetzes. Sie zeichnete sich wie die Kunstausstellung durch die starke Betonung der Internationalität aus.104 Wie bereits die Kunstausstellung von 1938 im Schatten des Neubaus des deutschen Pavillons stand, so wurde auch die erste Retrospektive französischer Filme durch die Preisvergabe an Riefenstahls Film über die olympischen Spiele 1936 in den Hintergrund gedrängt. Einige der gezeigten Filme gehören zu den Klassikern der französischen Filmkunst der 1930er Jahre, die seit der ersten Filmkunstschau prämiert worden waren und sich in Italien großer Beliebtheit erfreuten.105 Diesmal sollte das Festival 22 Tage lang dauern und es wurden über 100 Filme aus 14 Nationen gezeigt. Mit über 50.000 Besuchern war es auch ein durchschlagender finanzieller Erfolg. Zurück mit Alfieri. Ich schildere ihm meine Unzufriedenheit mit der Filmbiennale in Venedig. Er sieht meine Beschwerden ein und wird die Übelstände abstellen. Mit ihm kann man etwas machen.1"6 Von französischer, englischer und amerikanischer Seite gab es hingegen massive Kritik an der Verleihung der Coppa Mussolini für den Film Olympia von Leni Riefenstahl. Doch scheint hier die Geschichte der Jury Recht gegeben zu haben, denn heute gilt dieser Film als einer der zehn wichtigsten der Filmgeschichte. Auch vorher waren sowjetische Filme ausgezeichnet worden, ohne deren propagandistische Rolle zu hinterfragen. Da auch gleichzeitig amerikanische, englische und französische Filme ausgezeichnet wurden, zeigt dies die relative Offenheit der faschistischen Filmpolitik im Gegensatz zur deutschen Ideologie. In einem ironischen Artikel unter dem Titel „Great Heil to Health" berichteten die World Film News über die beiden Olympia-Filme von Leni Riefenstahl. Uneingeschränkt positiv äußerte sich der Autor über die filmischen Qualitäten, doch hatte er große Probleme mit der Idealisierung des menschlichen Körpers, der muskelgestählt jede Aufgabe meisterte. Wenn es (das nationalsozialistische Deutschland, Anm. d. A.) uns einen weiteren Sportfilm so gut wie Olympia gibt, schön, aber wenn jede Niederlage eines deutschen Fußballteams eine internationale Krise verursacht, sieht die Sache nicht so gut aus. "107

104 Vgl. Giornale LUCE, Β 1355, VI Mostra internaziona-

another sports film as good as Olympia, fine, b u t if each

le del Cinema 1938, o. D.

105 Gezeigt wurden: A nous la

loss by a German football team precipitates an interna-

liberté (1932) von René Clair, Carnet du bal (1937) von

tional crisis, things don't look so good." „Great Heil to

Julien Duvivier, La Grande Illusion (1937) u n d La Bete Hu-

Health", in: World Film News, Vol. 3, No. 6, October 1938,

maine (1937) von Jean Renoir, sowie Quai des brumes

S. 248 f. Der Artikel stammte aus der amerikanischen

(1938) u n d Le jour se leve (1939) von Marcel Carné.

Filmzeitschrift SEE u n d wurde von W F N nachgedruckt.

106 Tagebuch Goebbels, 9. Mai 1938.

107 „If it gives us

l86

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

DIE N E U E I N F R A S T R U K T U R U N D DAS E N D E DER I N T E R N A T I O N A L I T Ä T

Die Zukunft wird noch weitere, ruhmreichere Etappen für die Biennale bereithalten, besonders jetzt, da mit dem neuen Gesetz die besondere Aufmerksamkeit von S. E. Bottai, wie auch die von S. E. Alfieri auf sie gerichtet ist; die erreichten Ziele werden anerkannt und größere Möglichkeiten eröffnen sich auf dem weiteren Weg. Wir wollen hier nur dokumentieren [...] wie wir die angenommene Verpflichtung für 10 Jahre aufrecht erhalten haben und wie das Werk der Gründer weiterhin zu höchster Leistungsfähigkeit gelenkt wird, gemäß den vom Duce erteilten Regeln, es zum größten und begehrtesten künstlerischen Wettbewerb des neuen faschistischen Italiens zu machen.10' Antonio Maraini, Januar 1939 Die beiden Hauptverantwortlichen Volpi und Maraini waren von der vielversprechenden Zukunft der Stadt Venedig im Zusammenhang mit der Biennale mehr als überzeugt. Dieser Optimismus war durchaus begründet, denn die wirtschaftliche Entwicklung der letzten 20 Jahre in Venedig hatte bis auf die Rückschläge während der Weltwirtschaftkrise einen stetigen Aufwärtstrend zu verzeichnen. Im folgenden werden einige Beispiele für diese infrastrukturelle Entwicklung kurz beschrieben. Zunächst zeigte sich der Optimismus in den öffentlichen Verlautbarungen von Volpi und Maraini, wie an einer Rede Volpis in Zürich deutlich gemacht werden soll. In einem zweiten Punkt sollen die weiteren infrastrukturellen Verbesserungen in Venedig dokumentiert werden, die zur Wiedereröffnung der Galleria Internazionale d'Arte Moderna und zu einem neuen Sitz für das Büro der Biennale geführt hatten. Am 31. Januar 1939 sprach Volpi in Zürich auf Einladung der Schweizer Gesellschaft für die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Italien über die Bedeutung Venedigs im faschistischen Italien.109 Nun, wer sieht nicht, wie die ruhmreiche Erinnerung an die Zeit, als die Republik von San Marco sich am Wendepunkt ihres Schicksals befand, den höchsten Schutz für unser Venedig, das Venedig der Zukunft bildet? Die professionellen

108 „L'avvenire potrà segnare altre più gloriose tappe per

al massimo rendimento, secondo gli ordini impartiti dal

la Biennale, ora che con la nuova legge, cui sono rivolte le

Duce, per farne la più alta ed ambita competizione artis-

particolari cure die S. E. Bottai, unitamente a quelle di S. E.

tica della nuova Italia Fascista." Antonio Maraini, „1930,

Alfieri, le mete raggiunte vengono riconusciute e maggiori

VIII-1940, XVIII", in: Numero speciale del Bollettino della

possibilità vengono aperte al suo cammino. Qui noi vog-

Biennale „L'arte nelle mostre italiane". Il primo decennio

liamo soltanto documentare - prima di riportare, in fine,

dell'Ente autonomo della Biennale, Januar 1939, S. 2 f.

nella sua ¡negrità l'importante provvedimento legisalativo

109 Vgl. Giuseppe Volpi Conte di Misurata, Venezia

- come sia stato da noi mantenuto l'impegno assunto dieci

antica e moderna, Rom 1939.

anni or sono di continuare l'opera dei fondatori e volgerla

D I E N E U E I N F R A S T R U K T U R U N D DAS E N D E D E R I N T E R N A T I O N A L I T Ä T

I87

Pessimisten dachten schon an ein Venedig jenseits jeder vitalen Energie, gebettet in das düstere Leichentuch seines abgenutzten Marmors, wirtschaftlich erschöpft und für immer unfähig, sich vom Verlust seines legendären Reichtums zu lösen.110 Nach einem Exkurs durch die Geschichte kommt Volpi zur Geschichte der letzten 20 Jahre seit 1917. Er hebt insbesondere die Rolle von Marghera, der Brücke und der Industrie hervor. Ein Teil, der alte, der unsterbliche Historische: jener, der für immer ihre unantastbare Gedenkstätte der Monumente bleiben muss, ihr lebendiges Museum der Pracht, zwischen dem Zauber des Himmels und dem Murmeln des Wassers, ewig geliebt von den Bewunderern ihrer Schönheit. Und auf der anderen Seite ein neues Venedig, aufgestiegen am Rande der Lagune, bestimmt für rege, fieberhafte Handelsaktivitäten; insgesamt eine große Industriestadt, durchzogen von tiefen Kanälen, durchkreuzt von breiten Straßen, bevölkert von florierenden Werkstätten.""1 In dieser Rede drückt sich die Kontinuität der Gedanken der Venezianità aus, denn Volpi hatte ganze Passagen aus Texten von Antonio Fradeletto vom Beginn der 1920er Jahre übernommen. 112 Die wirtschaftliche Situation der Stadt Venedig hatte seit Beginn der 1930 er Jahre einen starken Aufschwung erhalten, so dass es möglich war, die städtische Infrastruktur weiter auszubauen. Zur besseren Erreichbarkeit der Giardini vom historischen Stadtkern Venedigs aus wurde in Verlängerung der Riva degli Schiavoni die Riva dell' Impero angelegt. Dies war das größte städtebauliche Projekt nach der Ponte del Littorio und dem Rio Nuovo. Nun war es bequem möglich, auf der breiten Uferpromenade von der Piazza San Marco und dem Dogenpalast zu den Giardini zu gelangen. Die Entwicklung der Stadt seit 1917 war beeindruckend und ihr mächtigster Bürger, Giuseppe Volpi di Misurata, hatte die Zügel fest in der Hand. Im Februar 1939 hatte er nach der Bestätigung seiner Präsidentschaft der städtischen Museen in einem Brief an Podestà Marcello nochmals die Motive für seine Aktivitäten auf den Punkt gebracht:

110 „Ebbene, chi non vede come il glorioso ricordo di

dori, fra l'incanto del cielo e il murmure delle acque, eter-

quei tempi in cui la Repubblica di San Marco si trovò alla

namente cara ai fedeli della bellezza. E dall'altra parte, una

svolta del suo destino cosituisca il più alto auspicio per la

Venezia nuova, protesa sui margini della laguna, intenta

nostra Venezia, per la Venezia dell'avvenire? I professioni-

alacremente alla attività febbrili e mercantili; insomma

sti del pessimismo pensavano già ad una Venezia priva di

una grande città industriale, solcata da profondi canali,

ogni energia vitale, adagiata nel sudario funebre die suoi

percorsa da ampie strade, popolata da sonanti officine."

marmi consunti, economicamente disfatta ed incapace per

Ebd., S. 30 f.

sempre di risolversi dal crollo delle sue leggendarie for-

nuova", in: Rivista dt Venezia, I. Jg., Nr. ι, Januar 1922,

tune." Ebd., S. 41 f.

S. 1 - 4 u. Antonio Fradeletto, Venezia antica e nuovo, Turin

I l l „Da una parte, l'antica, la storica

l'immortale: quella che deve serbare per sempre inviolato il suo sacrario di monumenti, il suo museo vivo di splen-

1921.

112 Vgl. Antonio Fradeletto, „Venezia

188

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

Dieses ehrenvolle Amt verbindet mich mit der venezianischen

TRAUMS

Tradition, die ich

mit Porto Marghera erneuern konnte. In meinem Geist und, wie ich glaube, in Ihrem verbinden sich die Tradition Venedigs gegenüber den großen Schätzen der Museen und die industriellen

Errungenschaften

einzigen großen Liebe, der zu unserer großen

der aktuellen Epoche in einer

Stadt.'13

Die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart drückt sich an zwei weiteren Beispielen besonders deutlich aus. Zunächst hatte der „Dornröschenschlaf" der Galleria Internazionale d'Arte Moderna im Palazzo Ca' Pesaro ein Ende. Die seit den Gesetzen Anfang der 1930er Jahre klar geregelten Zuständigkeiten von Quadriennale

und Biennale wurden nun auch auf die

Sammlungen der Galleria Nazionale d'Arte Moderna in Rom und die der Galleria Internazionale d'Arte Moderna in Venedig ausgeweitet.114 Seit der Tizian-Ausstellung des Jahres 1935 waren die Bestände eingelagert und es dauerte bis Anfang 1938, bis man sich auf eine Wiedereröffnung einigen konnte. Nach einer Regelung mit dem MEN vom 26. April 1938 sollte sich die Galerie auf die Ausstellung internationaler Kunst konzentrieren, wohingegen die Galleria Nazionale d'Arte Moderna in Rom sich um die zeitgenössische italienische Kunst kümmern sollte. Die Neuordnung der venezianischen Galerie war Aufgabe des jungen venezianischen Kunsthistorikers Rodolfo Pallucchini (1908—1988), der zu dieser Zeit Funktionär der Generaldirektion der Altertümer und Schönen Künste war. 115 Kurz darauf wurde er als Nachfolger von Nino Barbantini zum Direktor der Schönen Künste der Stadt Venedig berufen.

113 „Questa onorifica carica mi lega alle tradizioni vene-

zunächst Giulio Lorenzetti. A m 1. Februar 1939 wurde er

ziane che io p o t u t o rinnovare con Porto Marghera. Nel

Direttore di II. classe u n d seine A b o r d n u n g nach Venedig

mio spirito, come credo nel Vostro, le tradizioni di Venezia

blieb

attraverso anche i grandi cimeli dei musei e le realizzazioni

E r n e n n u n g zum Direttore delle Belle Arti ed Istruzione del

industriali dell' epoca presente, si legano in un solo

C o m u n e di Venezia im Oktober 1942 trat er von diesem

bestehen.

Zeitgleich

mit

seiner

endgültigen

grande amore, quello della nostra città." AMV, 1941-1947

Posten zurück. W ä h r e n d des Krieges k ü m m e r t e er sich u m

IX.11.2, Brief Volpi an Marcello, 28. Februar

1939.

den Schutz der vom Krieg bedrohten Kunstwerke im

114 Vgl. Ugo Ojetti, „Perché abbiamo due Gallerie Inter-

Veneto. Nach d e m Krieg führte er diese Tätigkeiten fort

nazionale d'Arte?", in: ders., Belle e brutto, Mailand 1930,

u n d wurde zusätzlich Generalsekretär der Biennale. Ro-

S. 201-206.

115 Pallucchini war neben Roberto Longhi

dolfo Pallucchini blieb bis 1956 Generalsekretär der Bien-

einer der einflussreichsten u n d bekanntesten italienischen

nale u n d war ab 1953 auch Direktor der Schönen Künste

Kunsthistoriker des 20. Jahrhunderts, der zahllose Publi-

der K o m m u n e von Venedig. Er setzte die 1939 unterbro-

kationen zu den venezianischen Altmeistern veröffent-

chene Reihe der großen monographischen Ausstellungen

lichte. Er wurde 1935 Ispettore aggiunto in der General-

zur venezianischen Kunst ab 1949 fort. Die Ausstellungen

direktion delle Antichità, M o n u m e n t i e Gallerie beim Mi-

wurden wie zuvor im Wechsel mit den Kunstausstellungen

nisterium fur nationale Erziehung (MEN). Im August 1937

der Biennale veranstaltet: Bellini (1949), Tiepolo (1951),

wurde er Direktor der Galleria Estense in Modena. Im

Lorenzo Lotto (1953) u n d Giorgione e i giorgioneschi

April 1938 wechselte er zur Soprintendenza alle Gallerie

(1955). Literatur: Giovanna Nepi Scirè, „Rodolfo Palluc-

del Veneto u n d w u r d e Direttore delle Belle Arti ed

chini, funzionario di Soprintendenza", in: Giuseppe Maria

Istruzione, einen Posten den Nino Barbantini aufgegeben

Pilo (Hg.), Una vita per l'arte veneta. Atti della Giornata di

hatte. Damit war er abgeordnet vom MEN als R. Ispettore

Studio in onore e ricordo di Rodolfo Pallucchini (10. No-

verantwortlich

vember 1999), Venezia 2001, S. 105-107.

für

alle

kulturellen

Aktivitäten

der

K o m m u n e Venedig. Direktor der städtischen Museen blieb

DIE NEUE

INFRASTRUKTUR

UND DAS ENDE

DER INTERNATIONALITÄT

l 8 ç

Die Aufgaben der zwei bedeutendsten Galerien italienischer moderner Kunst zu unterscheiden, bedeutet eine vorteilhafte kulturelle Verstärkung der zwei Institute, sowohl für die Werke, die gegenseitig ausgetauscht werden, als auch für die Entwicklung, für die sie in Zukunft bestimmt sind, Zentren zur Sammlung und Auswahl der Werke, ausgestellt bei der nationalen römischen respektive bei der internationalen venezianischen

Quadriennale

Biennale.116

Die am 7. Juli 1938 wiedereröffhete Galerie war jetzt in zwei Abteilungen geteilt: Die eine widmete sich der regionalen Kunst des 19. Jahrhunderts, die Abteilung für ausländische Kunst bestand aus den bei vorangegangenen Kunstausstellungen angekauften Kunstwerken.117 Die Kunstwerke waren zwischen Rom und Venedig ausgetauscht worden, um dadurch offensichtliche vorhandene Lücken in der jeweiligen Sammlung zu schließen. Schließlich hatte man in Rom während unterschiedlicher Ausstellungen auch zahlreiche internationale Werke angekauft. Mit der Rückkehr der modernen Kunst in den Palazzo Ca' Pesaro fehlte nun ein geeigneter Standort für die Fortsetzung der großen kunsthistorischen Ausstellungen. Der Ausstellungspalast in den Giardini entsprach nicht dem geforderten Standard für die Präsentation der wertvollen Gemälde aus den Museen der Welt. Somit entschloss sich die Stadt, den Palazzo Ca' Giustinian zu kaufen, in dem bis dahin ein Luxushotel untergebracht war. Der große Palast wurde saniert und diente zunächst zur Unterbringung der von Rodolfo Pallucchini kuratierten Veronese-Ausstellung.118 Die Ausstellung war nach modernsten Kriterien eingerichtet.119 Die Bedeutung der Ausstellung wurde dadurch betont, dass König Vittorio Emanuele III., der Graf von Turin, der Herzog von Genua und Bildungsminister Bottai zur Eröffnung kamen.120 „Dasselbe giltfür die Villa Barbaro Volpi in Maser, wo das Genie Paolos als Freskenmaler erstrahlt: dorthin werden, mit Erlaubnis des Grafen Volpi di Misurata, für des-

líe

„II d i f e r e n z i a r s i dei c ó m p i t i

delle d u e

maggiori

cari ( P N F ) , M a r i n o Lazzari (Generaldirektor der Alter-

Gallerie italiane d'arte m o d e r n a costituisce un vantaggio-

tümer und Schönen Künste), Alberto Donella

so p o t e n z i a m e n t o culturale die due Istituti, t a n t o per le

von V e r o n a ) , L e o n e R o c c a (Präsident des Provinzialamts

opere v i c e n d e v o l m e n t e scambiate q u a n t o per lo sviluppo

für Fremdenverkehr in Venedig) u n d natürlich Volpi und

che essi s o n o destinati ad avere nel futuro, quali c e n t r i di

M a r a i n i . V o n deutscher Seite wurde die Ausstellung nicht

raccolta e di selezione delle opere esposte rispettivamente

n u r durch Leihgaben, s o n d e r n a u c h personell unterstützt.

alla Q u a d r i e n n a l e Nazionale r o m a n a ed alla

Biennale

D e r D i r e k t o r des Kunshistorischen Instituts in Florenz

Internazionale veneziana." Vgl. R o d o l f o Pallucchini, „II

Friedrich K r i e g b a u m u n d H a n s Posse saßen i m Beirat. Vgl.

r i o r d i n a m e n t o della Galleria Internazionale d'Arte M o -

Paolo Veronese-Ausstellung. Katalog der Werke, z u s a m -

d e r n a di Venezia", in: Le Arti, A n n o I, Fase. I, O k t o b e r -

mengestellt

N o v e m b e r 1938, S. 85.

Venedig 1939.

1 1 7 Vgl. A C S , M P I , A A B B A A ,

und bearbeitet von

Rodolfo

(Podestà

Pallucchini,

1 1 9 Vgl. R o d o l f o Pallucchini, „Criteri di

1935, div. III, Β. 2 7 9 , Sottofasc. 8, B r i e f M a r a i n i an Lazzari,

allestimento della M o s t r a del Veronese", in: Le Arti, A n n o

14. Juli 1938.

I, Fase. V, Juni/Juli 1939, S. 516-521.

1 1 8 Vgl. AMV, 1936-1940 IX.12.9, M o s t r a

o p e r a di Paolo Veronese. I m G e n e r a l a u s s c h u s s Conte

Giovanni

Marcello

(Podestà

und

saßen

Präsident),

Giuseppe B o t t a i ( M E N ) , D i n o Alfieri ( M E N ) , Ugo O j e t t i , Giuseppe C a t a l a n o (Präfekt v o n Venedig), Ludovico Fos-

1 2 0 Vgl. G i o r n a l e

L U C E Β Italia Venezia V i t t o r i o E m a n u e l e III inaugura la m o s t r a di P a o l o V e r o n e s e 03/05/1939·

Giornale LUCE,

B1504,

190

DAS NEUE I M P E R I U M U N D DAS ENDE DES „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

TRAUMS

sen liebenswürdige Bereitwilligkeit ich hier öffentlich meinen Dank ausspreche, regelmässig Ausflüge veranstaltet."121 Die propagandistische Nutzung der alten Meister für das faschistische Regime war in ganz Italien Programm, wie die anderen Ausstellungen zu Leonardo da Vinci in Mailand oder die Medici-Schau in Florenz zeigten. Die Veronese-Ausstellung stellte den letzten Höhepunkt des venezianischen Ausstellungswesens vor Beginn des Zweiten Weltkriegs dar.122 Davon war auch die internationale Presse überzeugt, die in Amerika, Frankreich und Deutschland und Großbritannien in der Ausstellung einen Höhepunkt des Ausstellungsjahres 1939 sah. Im Anschluss an die sehr erfolgreiche Ausstellung nutzte man den Palazzo Ca' Giustinian für die Unterbringung der städtischen Büros für Tourismus, Bildung, Patronato Scolastico und die Biennale. Mit der Zusammenführung dieser Büros unter ein Dach waren die Aufgaben der Biennale nochmals deutlich gemacht worden. Die Ausstellung von Kunst sollte den Tourismus ankurbeln und das Volk erziehen. Somit hatte die Biennale erstmals in ihrer Geschichte geeignete Räumlichkeiten zur Unterbringung des stetig zunehmenden Personals und der Bestände des ASAC, die Zeit des Improvisierens und der Zwischenlösungen war vorbei. Die Stadt hatte im Laufe der 1930er Jahre zahlreiche Paläste übernommen, um diese museal oder für die Büros der zahlreichen Angestellten zu nutzen. Neben dem Palazzo Michiel dalle Colonne fur die PNF zählten dazu die Palazzi Ca' Rezzonico, Ca' Giustinian und Casa Goldoni. Auch ein erst nach dem Zweiten Weltkrieg realisiertes Projekt wurde schon damals angedacht: die Restaurierung und kulturelle Nutzung der Isola di San Giorgio mit ihren umfangreichen Bauten.123 Während sein Vorgänger Fradeletto intensiv die konkurrierenden Kunstausstellungen beobachtete, nahm Maraini die Bedrohung durch ein seit der letzten Filmkunstschau angedachtes Konkurrenzunternehmen in Cannes sehr ernst. Mit dem Direktor der Filmkunstschau Ottavio Croze tauschte er sich intensiv aus.124 Alles begann mit der beschriebenen Vergabe der Coppa Mussolini an Olympia, was vor allem Kritik von amerikanischer, englischer und französischer Seite hervorrief. Der Protest richtete sich gegen den rassistisch begründeten Ausschluss der vier großen amerikanischen Filmstudios Metro, Paramount, Fox und Warner vom italienischen Filmmarkt.125 All diese Kritikpunkte stimmten, doch bis 1938 hatten die teilnehmenden Länder davon profitiert. Jetzt fürchtete man eine Manifestation in Cannes als Ersatz für die Filmkunstschau in Venedig.126 Letzte Woche entschieden sich Frankreich, Großbritannien und die USA, Vene121 Ebd., S. 6, V o r w o r t G i o v a n n i Marcello.

122 Vgl.

C i n e m a Biennale.

125 Vgl. „La r o t t u r a dei p o n t i con le

„Veronese in Venice", in: Art News, Vol. XXXVII, Nr. 3 3 , 1 3 .

Case c i n e m a t o g r a f i c h e americane", in: Rivista

M a i 1939, S. 8f.; A l f r e d M . F r a n k f u r t e r , „ E u r o p e a n

landia, 12. N o v e m b e r 1938. W g . jüdischer Besitzer R ü c k -

Postscript", in: Art News, Vol. XXXVIII, Nr. 1, 7. O k t o b e r

zug: M G M , FOX, P a r a m o u n t , Warner, a n d e r e sind zu-

1939>S. 7f.

n ä c h s t n o c h dabei: C o l u m b i a , RKO, Universal.

123 „II P r o g e t t o di T r a s f o r m a z i o n e dell'Isola

di

Cine-

126 „ u n a

di S. Giorgio in u n c e n t r o di vita artistica e teatrale", in: Le

m a n i f e s t a z i o n e a C a n n e s in s o s t i t u z i o n e della M o s t r a

Tre Venezie, 7-8.1939, S. 267 f.

C i n e m a t o g r a f i c a di Venezia" Ebd., Brief C r o c e ( C i n e m a )

124 Vgl. G N A M , FM,

Cart. 63, C o r r i s p o n d e n z a Privata Biennale 1940, Fase.

a n M a r a i n i , 17. N o v e m b e r 1938.

D I E N E U E I N F R A S T R U K T U R U N D DAS E N D E D E R I N T E R N A T I O N A L I T Ä T

I9I

dig Vergangenheit sein zu lassen. Es wird berichtet, dass sie bei einem neuen internationalen Filmfestival zusammenkommen werden, welches dieses Jahr in Cannes vom 3. bis 17. September abgehalten werden soll.127 Das Festival in Cannes hatte sogar schon Louis Lumière als Präsidenten gewinnen können. Im kulturellen Bereich wurde die Zusammenarbeit zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und dem faschistischen Italien weiter ausgebaut, wie aus den langen Treffen zwischen Goebbels und Alfieri zwischen Juni und August 1939 deutlich wurde. Die beiden Minister kannten sich seit 1936 und hatten ein gutes persönliches Verhältnis. Im Juni 1939 traf man sich bei Theaterfestwochen in Wien und vereinbarte eine noch engere Zusammenarbeit in kulturellen Fragen. Vom 14. bis 17. Juli besuchte Alfieri München, um unter anderem an der Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung und am Tag der Deutschen Kunst mit seinem Triumphzug teilzunehmen. Zwischen den verschiedenen Terminen trafen sich die beiden Minister immer wieder, um die Zusammenarbeit zu koordinieren. Auch fanden Gespräche zwischen Hider und Alfieri statt. Drei Wochen später reiste Goebbels nach Venedig, um erneut die Filmkunstschau zu besuchen und um einige Tage Urlaub zu machen. Nach seinem triumphalen Empfang wurde er mit dem Boot zum Lido gebracht, wo er sich zwischen den internationalen Gästen nicht wohl fühlte. „Sonst hier viele Müßiggänger und internationale Nichtstuer. Venedig! " 128 Durch „ heiße Debatten am Strand " wurden ein Presseabkommen und die Zusammenarbeit in Rundfunk und Film vorbereitet. Abends Uraufführung „Robert Koch" im neuerbauten Lido-Kino. Volpi und Alfieri sprechen kurz. Der Film hinterläßt einen ganz tiefen Eindruck. Jannings und Krauß dominieren über allen. Triumph für Deutschland!129 Ein Höhepunkt des Aufenthalts war Goebbels Rede vor italienischen Schriftstellern und Journalisten im Dogenpalast. „Ich spreche kurz nach Alfieri mit einem ungeheuren Beifall. Ein großes Ereignis. " Ojetti amüsierte sich darüber, dass auch Marinetti unter den Gästen war, „ein Futurist, einer der angesehensten Erfinder der ,entarteten Kunst', da muss er (Goebbels, Anm. d.A.) vor Ekel das Gesicht verzogen haben.""0 Dafür gab es andere Menschen, die Goebbels sehr schätzte: Graf Volpi zeigt uns die grandiosen Industrieanlagen, die er dort in fünfzehn Jahren sozusagen aus dem Meer hervorgeholt hat. Er ist ein genialer Renaissancemensch. Man kann ihn nur bewundern."1

127 „Last week France, Great Britain and the U. S. decided

9. August 1939.

to let Venice be bygones, were reported getting together on

130 „un Futurista, u n o dei più rinomati inventori dell'

129 Tagebuch Goebbels, 9. August 1939.

a new international film festival to be held this year at

.Arte degenerata', deve aver fatto u n a bella smorfia."

Cannes, September 3 - 1 7 . " „Cannes for Venice", in: Time

Taccuini Ojetti, 11. August 1939, S. 516.

Magazine, 3. Juli 1939; „Venezia e Cannes", in:

Goebbels, 10. August 1939.

Nr. 72, 25. Juni 1939, S. 395.

Cinema,

128 Tagebuch Goebbels,

131 Tagebuch

DAS N E U E I M P E R I U M U N D DAS E N D E D E S „ P A N E U R O P Ä I S C H E N "

1Ç2

TRAUMS

Am späten Abend folgt ein Konzert auf dem Markusplatz. „An die 50000 sind hier versammelt. Ungeheure Ovationen. Ich spreche kurz. Die Menge rast. Die Hymne an Rom klingt auf. Ein Taumel der Begeisterung. Die Achse ist nun auch in den Völkern verankert."132 Am folgenden Tag klärt man mit Alfieri Filmfragen. „Mittags zur Veronese-Ausstellung. Sie ist sehr gut und zeigt einen großartigen Überblick über das Werk dieses einzigartigen Meisters. In einer entzückenden Osteria gegessen und dann durch Venedig gestreunt. Welch eine zauberhafte Stadt! Lange am Markusplatz gesessen. Ein paar Stunden Mensch gewesen."1" Am Nachmittag fährt Goebbels nach Maser, wo Graf Volpi wunderbare Villa besitzt mit den besten Veronese-Fresken, die ich je sah. Sie sind von einem Glanz und einer Farbenpracht, die unbeschreiblich ist. Wir sind alle voll von Bewunderung. [...] Abends Diner und rauschendes Fest in dem Palazzo von Graf Volpi. Das kann man schon in Venedig. Man trifft Gott und die Welt."4 Die überragende Bedeutung des Besuchs Goebbels wird auch in der Berichterstattung deutlich: zwei Wochenschau-Beiträge berichten ausführlich über das Programm.135 Ende August 1939 waren alle wichtigen Verantwortlichen wegen der VII. Internationalen Filmkunstschau in Venedig. Die Preisträger der Filmkunstschau sollten eigentlich durch die internationale Jury bestimmt werden, die aus Vertretern aller teilnehmenden Länder zusammengesetzt war. Doch der Gewinner der Coppa Mussolini für den besten Film wurde in Rom bestimmt. Es war der Film Robert Koch aus Deutschland. In der Jury saßen auch alle wichtigen Akteure der Biennale wie Volpi und Maraini, aber auch Ojetti, der in seinem Tagebuch ausfuhrlich über die Tage in Venedig berichtete. Er persönlich war vor allem von dem französischen Film Le jour se lève begeistert, aber dieser war politisch nicht durchsetzbar. Nachdem die Jury von der Entscheidung aus Rom erfahren hatte, erklärte Volpi den Zusammenhang. Letztes Jahr mussten wir den deutschen Film Olympia prämieren, kein Spielfilm sondern eine Dokumentation. Alle protestierten, an erster Stelle die Amerikaner, die zurücktraten und gingen. Dieses Jahr wiederholt sich diese Beleidigung von Anstand und Kunst."6 Der Grund Mussolinis für die Preisvergabe an Deutschland war laut Volpi eine Vermeidung von Konflikten mit Hitler auf Nebenschauplätzen. „Ich muss Hitler in heiklen Fragen widersprechen, um den Frieden zu erhalten. Es ist notwendig, dass ich ihn mit diesen Delikatessen beschwichtige. ""7 132 Ebd.

133 Ebd., 13. August 1939, S. 65.

14. August 1939, S. 65.

134 Ebd.,

135 Vgl. Giornale LUCE, Β 1565,

Americani si dimisero e se ne andarano. Quest'anno si ripete l'offesa alla decenza e all'arte." Taccuini Ojetti,

i6/o8/i939 La VII mostra d'arte cinematografica a Ve-

31. August 1939, S. 526.

nezia.

136 „L'anno scorso dovemmo premiare Olimpia,

Hitler su parecchi punti gravi per conservare la pace.

tedesco, che non era un film d'invenzione ma un docu-

Bisogna che lo consoli con queste delicatessen." Taccuini

mentario; e tutti, in testa gli Americani, protestarano, e gli

Ojetti, 31. August 1939, S. 525.

137 „Devo contrastare con

DIE NEUE I N F R A S T R U K T U R UND DAS ENDE DER I N T E R N A T I O N A L I T Ä T

193

Nach den Boykotten während des Äthiopienkrieges und der Anlehnung an das nationalsozialistische Deutschland schien der Frieden in Europa zunächst gesichert zu sein. In Venedig und Rom war man davon in jedem Fall überzeugt, denn anders lässt sich der konsequente infrastrukturelle und organisatorische Ausbau der Biennale nicht erklären. Der internationale Charakter blieb erhalten und wurde 1938 mit der Teilnahme von achtzehn Nationen nochmals stärker betont. In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ausbau Venedigs zum internationalen Kunst- und Kulturzentrum abgeschlossen. Alle Aktivitäten waren auf die internationale Beteiligung und den Besuch ausländischer Besucher ausgelegt. Hier wird der Konflikt zwischen den lokalen und nationalen Interessen überdeutlich, die zu der paradoxen Situation Ende der 1930er Jahre führten.

KAPITEL

7

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N

EUROPAS"

DER A C H S E N M Ä C H T E

it dem Überfall Deutschlands auf Polen begann im Herbst 1939 der Zweite Weltkrieg.

M

Großbritannien und Frankreich erklärten Deutschland den Krieg, kurz nachdem ein

letzter Vermittlungsversuch Mussolinis von Hitler nicht beachtet wurde. Die USA, Italien und Spanien erklärten sich neutral. Volpi sollte in seiner Annahme, dass ein Krieg verheerende Auswirkungen auf Venedig haben würde, Recht behalten, denn schon bei Kriegsausbruch 1914 verließ ein großer Teil der Touristen die Lagunenstadt. Es ist paradox, dass die von der Internationalität lebende Stadt Venedig den für die größte Katastrophe des 20. Jahrhundert mitverantwortlichen Joseph Goebbels mit allen Ehren beherbergte. Es war verständlich, dass Volpi zunächst die direkten Auswirkungen des Krieges auf seine Heimatstadt betonte. Er glaubte, durch seine Erfahrungen und seine intimen Kenntnisse der internationalen Situation klar zu erkennen, wohin dieser Krieg fuhren sollte.1 Er selbst hatte als Gouverneur aus ähnlichen Gründen Kolonialpolitik betrieben. Er vermutete, dass es Hitler vor allem um Kolonien im Osten ging, die es zum Nutzen des Deutschen Reichs wirtschaftlich auszubeuten galt. In der Vergangenheit waren die Verantwortlichen bestrebt, international anerkannt zu werden, wie bei den Bemühungen um den Völkerbund oder aber an der engen Kooperation mit Frankreich und den osteuropäischen Ländern deutlich geworden war. Seit dem Stahlpakt beschränkte sich die Zusammenarbeit auf das Deutsche Reich und andere verbündete faschistische Staaten wie Spanien, Ungarn oder Bulgarien. Zwar hatte man bis zum Herbst 1939 noch versucht, den internationalen Anschein bei Kunstausstellung und Filmkunstschau zu wahren, doch bereits der mehrtätige Besuch Adolf Hitlers im Mai 1938 in Italien zeigte deutlich das Bekenntnis des faschistischen Italien zum nationalsozialistischen Deutschland. Wie schon in Ansätzen im vorherigen Kapitel deutlich geworden ist, vollzog sich die Annäherung der beiden Staaten im kulturellen Bereich schrittweise und konnte bis 1938 noch nicht vollständig umgesetzt werden. Erst im Herbst 1937 war Italien dem Antikomintern-Pakt mit Deutschland und Japan beigetreten und erklärte am 11. Dezember 1937 den Austritt aus dem Völkerbund. Italien akzeptierte dann im März 1938 den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, den man so lange hatte verhindern wollen. Die noch vor drei Jahren verfolgte Annäherung an Frankreich mit dem Laval-Mussolini-Abkommen vom 7. Januar 1935, welches man mit den großen Ausstellungen in Paris gefeiert hatte, wurde am 22. Dezember 1938 aufgekündigt. Schließlich folgte am 23. November 1938 das deutsch-italienische Kulturabkom1 Vgl. Taccuini Ojetti, 25. August 1939, S. 522.

DIE INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN I94O UND

I942

I95

men, das die kulturelle Zusammenarbeit auf eine andere Ebene hob.2 Italien überfiel Albanien am 8. April 1939, welches nach der Flucht des Königs von Italien annektiert wurde. Kurz darauf wurde mit dem „Stahlpakt" vom 22. Mai 1939 die „Achse Berlin-Rom" erneuert. Künftige Expansionen sollten aufeinander abgestimmt werden. Für den Kriegsfall sicherten sich die Vertragspartner Waffenhilfe zu. Es galten die Worte Mussolinis, der bei seinem Besuch 1937 in Deutschland gesagt hatte, dass wenn „ man einen Freund hat, mit ihm zusammen bis ans Ende marschieren" werde.3 Welche Rolle war in dieser Konstellation Venedig und der Biennale zugedacht? Durch den Neubau des deutschen Pavillons hatte das nationalsozialistische Deutschland auch hier seine Vorstellungen von Architektur und Größe deutlich gemacht. In der Beschreibung der Internationalen Kunstausstellungen während des Krieges 1940 und 1942 soll verdeutlicht werden, wie Venedig dabei als „neutrales" Schaufenster der Achsenpolitik fungierte und der nach vollständiger Macht strebenden Kriegspolitik Deutschlands einen internationalen „Anstrich" geben sollte. Auch die Internationale Filmkunstschau sowie die Musik- und Theaterfestivals wurden ab diesem Jahr von Deutschland dominiert, da durch neue Gesetze die Einfuhr amerikanischer Filme nach Italien stark eingeschränkt worden war. Die bis Herbst 1942 stattfindenden Veranstaltungen standen ganz im Zeichen der Politik eines neugeordneten Europas. Die beiden Kunstausstellungen von 1940 und 1942 waren vor allem von der italienischen Kunst geprägt, denn Deutschland konnte mit seiner Kunst nicht überzeugen, die ganz von den Malern und Bildhauern des nach Einheitlichkeit strebenden Dritten Reichs geprägt war. Im Bereich des Films war das Verhältnis umgekehrt, denn hier hatte die deutsche Filmwirtschaft, durch Goebbels vorangetrieben, einen großen Qualitätsvorsprung herausgearbeitet. In der zum Schluss beschriebenen Bedeutung der Biennale in der Republik von Salò zeigt sich eine ungebrochene institutionelle und personelle Kontinuität. Auch die Rolle Venedigs als Standort der Filmproduktion wird kurz beschrieben, da man hierfür die Pavillons in den Giardini nutzte.

DIE INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN I94O UND I 9 4 2 Das nationalsozialistische Deutschland, das faschistische Italien und die mit ihnen verbündeten

Nationen

befinden sich in einem Wettstreit größten

Ausmaßes. Große kriegerische Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Gewaltig sind die Leistungen der Heimatfront, um den Endsieg zu erlangen, der die Befreiung vom Bolschewismus und eine neue bessere Weltordnung bringen wird. 2 Vgl. Jens Petersen, „Vorspiel zu „Stahlpakt" u n d

Sportfeld. Zit. n. Hitler e Mussolini. Gli anni degli incontri,

Kriegsallianz: Das deutsch-italienische Kulturabkommen

DVD, Istituto LUCE, Rom 2004 u. „La parola d'ordine del

v o m 23. November 1938", in: Vierteljahrshefte für Zeit-

Duce agli Italiani", 10. Juni 1940. in: Le Arti, II. Jg., Nr. 5 - 6 ,

geschichte, Nr. 36,1988, S. 41-77.

Juni-September 1940, S. I.

3 In Deutsch gehaltene

Rede Mussolins am 28. September 1937 auf dem Reichs-

196

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N E U R O P A S " DER

ACHSENMÄCHTE

Es mag dabei ein Zeichen der unbedingten Siegeszuversicht und der inneren und äußeren Kraft sein, daß trotz dieser gewaltigen Ereignisse auch in diesem Jahr die Biennale als große Kunstausstellung durchgeführt wird.* Vorwort Adolf Ziegler, Katalog der Biennale 1942 Der Achsenpartner Deutschland hatte den Kampf gegen die entartete Kunst in seinem Land bereits gewonnen. Ende Juni 1939 wurden in Luzern einige aus deutschen Museen beschlagnahmte Werke verkauft.5 Auch in Italien wurde nun der direkte Einfluss des Staates auf die zeitgenössische Kunst ausgebaut, doch Bildungsminister Giuseppe Bottai verfolgte eine gänzlich andere Kunstpolitik.6 Die beiden Pole innerhalb der faschistischen Kunstwelt wurden durch die Etablierung der beiden Kunstwettbewerbe Premio Cremona und Premio Bergamo deutlich. War der Preis in Cremona an das nationalsozialistische Kunstideal angelehnt, konnten in Bergamo auch junge Künstler ausstellen, die teilweise kritisch gegenüber der Kriegspolitik auftraten. Die Reform der Gesetze der Biennale Ende 1938 hatte die Rolle des Staates nochmals gestärkt. Bei den Ausstellungen der Jahre 1940 und 1942 war der Einfluss von Giuseppe Bottai entscheidend. Das Ministerium für nationale Bildung (MEN) wurde umstruktiert, wobei die für die Kunstausstellungen mitverantwortliche Generaldirektion in Direzione Generale delle Arti umbenannt wurde. Die Zuständigkeiten wurden besser verteilt und 1940 wurde ein Büro für zeitgenössische Kunst eingerichtet, welches Generaldirektor Lazzari unterstand.7 Dieses Büro sollte die zentrale Schaltstelle für alle Fragen der zeitgenössischen Kunst werden. Der Zuständigkeitsbereich reichte von den Kunstschulen, den Akademien, den Ausstellungen bis hin zur Vergabe von Stipendien und einer Künstlerunterstützungskasse. Auch sollten in den neuen Räumlichkeiten ein Archiv und eine Bibliothek angelegt werden, um es Studenten zu ermöglichen, über die zeitgenössische Kunst zu arbeiten. Die Ähnlichkeiten mit den Aktivitäten des Syndikats und des ASAC waren offensichtlich. Maraini schrieb im Namen der italienischen Künstler ein Telegramm an Bottai:

4 „La Germania Nazionalsocialista, l'Italia Fascista e le

1939; Auktion in Luzern Grand Hôtel National, Freitag,

Nazioni ad esse associate si trovano in una lotta mondiale

den 30. Juni 1939, Auktionsleitung: Theodor Fischer, Lu-

di massima estensione. Grandi eventi bellici proiettano le

zern 1939.

loro ombre sul prossimo avvenire. Formidabili sono gli

fascismo diverso?: la politica culturale di Giuseppe Bottai e

sforzi del fronte della Patria per conseguire la vittoria fi-

il Premio Bergamo (1939-1942), Mailand 1994 u. Monica

6 Vgl. Emilio Raffaele Papa, Bottai e l'arte: u n

nale, che porterà la liberazione dal bolcevismo e u n nuovo

Galfré, Giuseppe Bottai: u n intellettuale fascista, Florenz

migliore ordine mondiale. Che anche quest'anno si effettui

2000.

come grande manifestazione d ' a r t e la Biennale, malgrado

Arti, A n n o II, Fase. III, Februar/März 1940, S. 183-187.

questi ponderosi avvenimenti, è u n segno di incondiziona-

Hier werden zwei Artikel wiedergegeben in denen Bottai

ta sicurezza nella vittoria e nella potenza interna ed ester-

u n d Lazzari ausführlich die Organisation u n d Aufgaben

na della patria." „XXIII. Biennale", Ausstellungskatalog,

dieses Büros beschreiben. Vgl. auch Sileno Salvagnini,

1942, S. 265.

„II Premio Bergamo e l'Ufficio per l'Arte Contemporanea

5 Vgl. Gemälde u n d Plastiken m o d e r n e r

7 Vgl. „L'Ufficio per l'Arte contemporanea", in: l e

Meister aus deutschen Museen: Braque, Ausstellung in

(1940-1941)", in: Osservatorio

Zürich, Zunfthaus zur Meise, vom 17. Mai bis 27. Mai 1939,

S. 74-87·

in Luzern Grand Hôtel National, v o m 30. Mai bis 29. Juni

delle arti, Nr. 5, 1990,

DIE INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN I94O UND

I97

I942

Ich bitte Dich, dem Duce meinen Ausdruck der lebendigen Anerkennung für sein Interesse an zeitgenössischer Kunst darzubringen, ich bitte Dich, das Syndikat der Schönen Künste und meine Person als bereit für eine enthusiastische disziplinierte Mitarbeit zu betrachten." Betont wurde die zukünftige Kooperation mit dem Istituto per le Relazioni Culturali con l'Estero bei Ausstellungen italienischer Kunst im Ausland, die weiterhin von der Biennale organisiert wurden. Noch im Januar 1940 war man von der Teilnahme der wichtigsten europäischen Länder bei der XXI. Internationalen Kunstausstellung überzeugt, denn „ . . . der größte Teil, angefangen bei den großen kriegführenden Mächten: Frankreich, Deutschland, Großbritannien wird sich trotz des Krieges an der Ausstellung von Venedig beteiligen. " 9 Nachdem Mussolini am 21. April 1940 in Rom den unmittelbar bevorstehenden Kriegseintritt Italiens bekannt gegeben hatte, reagierte Dänemark umgehend und sagte seine Teilnahme ab; wenige Tage später folgte England. Der „Freund der Deutschen", Dino Alfieri, wurde am 6. Mai 1940 italienischer Botschafter in Berlin und am 10. Mai 1940 begann die Westoffensive der deutschen Truppen mit dem Einmarsch in die neutralen Länder Niederlande, Belgien und Luxemburg. Im Vorwort des Ausstellungskatalogs resümierte Maraini, dass diese Ausstellung die „künstlerischen Strömungen und Tendenzen unserer Zeit" repräsentiere.10 Doch davon kann nicht die Rede sein, denn wie schon 1936 war die Teilnehmerzahl stark dezimiert. Trotzdem stellten Belgien, das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren, Deutschland, Holland, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, Spanien, Schweden, Schweiz und die USA Kunstwerke aus. Schaut man sich die teilnehmenden Staaten genauer an, erkennt man sehr schnell, dass nur der Auftritt der USA als außergewöhnlich zu bewerten ist.11 Die Schweiz und Schweden hatten sich als neutral erklärt. Schließlich gehörten dem nationalsozialistischen Deutschland nun auch die Pavillons von Österreich, Polen und der Tschechoslowakei. Kurz vorher hatte man versucht, den österreichischen Pavillon für 70.000 Lire an Schweden zu verkaufen, was jedoch nicht gelang. Gezeigt wurden einige Retrospektiven von Künstlern des 19. Jahrhunderts und eine Auswahl der üblichen offiziellen Künstler.12 Die Ausstellung des Jahres 1940 wurde von der italienischen Kunst dominiert, da sich die wenigen teilnehmenden Länder auf kleinere Beiträge konzentrierten.13 Nur Belgien zeigte mit einer Retrospektive zu

8 „ti prego di porgere al Duce le espressioni di viva rico-

zione", in: „XXII Esposizione Biennale

noscenza per interessamento all'arte contemporanea, pre-

d'arte", Ausstellungskatalog, Venedig 1940.

Internazionale

gandoti di considerare il Sindacato Belle Arti e mia per-

„American prints sent to Venice", in: Art Digest, Vol. 14,1.

sona pronti a un'entusiasta disciplinata collaborazione."

Mai 1940, S. 20.

Ebd., S. 187.

9 „la maggior parte a cominciare dalle mag-

ni alla XXII Biennale", in: Le Arti, A n n o II, Fase. V-VI,

giori potenze belligerante: la Francia, la Germania, la Gran

Juni-September 1940, S. 366-370 u. ders., „Scultura e stra-

Bretagna participeranno all'Esposizione di Venezia malg-

nieri alla XXII Biennale", in: Le Arti, Anno III, Fase. I,

rado la guerra." Elio Zorzi, „Rassegna d'arte", in: Le tre

Oktober-November 1940, S. 49-54.

Venezie, Januar 1940, S. 63.

10 „correnti e le tendenze

zur ausgestellten Kunst Giuliana Tomasella, „La XXII Bien-

artistiche del nostro tempo", Antonio Maraini, „Prefa-

nale (1940)"; in: dies., Biennali di guerra, Padua 2001,

11 Vgl.

12 Vgl. Renato Guttuso, „Pittori italia-

13 Vgl. ausfuhrlich

198

DAS S C H A U F E N S T E R D E S „ N E U E N E U R O P A S " D E R A C H S E N M Ä C H T E

James Ensor und Ausstellungen zu Gustav de Smet und Constant Permeke bedeutenden Vertreter der modernen Malerei. Von deutscher Seite zollte man vor allem dem traditionellen venezianischen Maler Italico Brass Respekt.14 Die ausfuhrlich von Giuliana Tomasella beschriebene Kunstauswahl stand ganz im Einklang mit der Kunstpolitik von Bottai. Die Teilnahme der übrigen gezeigten moderneren Vertreter wurde reduziert. Erklärtes Ziel war es, einen harmonischen Gesamteindruck zu präsentieren und alle Irritationen dieses Bildes zu vermeiden. Die Biennale 1940 ist in diesem Sinne ein Meisterwerk des Gehorsams gegenüber der Kulturpolitik des Regimes, stellt ein paradigmatisches Beispiel der Ergebnisse dar, die zu der progressiven Gleichschaltung und Hierarchisierung der künstlerischen Jahrgänge in den extremen Jahren des Faschismus führten.15 Unbeeindruckt von der Kriegssituation feierte man in Anwesenheit von König und Kaiser Vittorio Emanuele III. am 18. Mai 1940 die Eröffnung der XXII. Internationalen Kunstausstellung. In seiner Eröffnungsrede zeigte sich Bildungsminister Giuseppe Bottai von der zivilisatorischen Mission Italiens überzeugt.16 Auch der deutsche Kommissar Adolf Ziegler zeigte sich unbeeindruckt von der sich zuspitzenden politischen Lage. Obwohl sich Deutschland im Kriegszustand befindet, wollte es die Teilnahme an der internationalen Ausstellung von Venedig nicht absagen, genauso wie die Ausstellungen und alle anderen Formen des kulturellen Lebens im Inneren des Reiches aufrecht erhalten werden.17 Die Vorherrschaft der italienischen Kultur wurde in der Preisvergabe 1940 besonders deutlich gemacht. Bei der Skulptur fiel die Wahl der Kommission, zu der Ziegler, Maraini und Oppo gehörten, auf den Entwurf zu Arno Brekers elf Meter hoher Monumentalskulptur mit dem Titel Bereitschaft, die im Zentrum des deutschen Pavillons stand (Abb. 62) und für ein Mussolini-Monument auf der Ost-West-Achse in Berlin geplant war.18 Der Preis des Duce für

S. 25-83. Genannt seien Feiice Carena, Carlo Carrà, Felice

359, hier S. 359.

Casorati, Cipriano Efisio Oppo, Gino Deverini oder Ar-

to di guerra, non si è voluto rinunciare alla partecipazione

turo Tosi.

17 „Benché la Germania si trovi in ista-

14 Vgl. Siegfried Reinke, „Italico Brass, der

alla Mostra Internazionale di Venezia, così come si man-

Maler Venedigs", in: Die Kunst, 41. Jg., Nr. 1, Oktober 1939,

tengono pure Le esposizioni e tutte le altre forme della vita

S. 3-9.

culturale nell'interno del Reich." Ebd., S. 245.

15 „La Biennale del 1940 risulta in tal senso un

18 Die

capolavoro di obbedienza alla politica culturale del regime

Bereitschaft war als elf Meter hohe Bekrönung des ca. 45 m

e costituisce un esempio paradigmatico die risultati cui

hohen Mittelteils des Mussolinidenkmals als Pendant zur

portò la progressiva irreggimentazione e gerarchizzazione

Siegessäule auf der Ost-West-Achse auf dem Benito-

delle leve artistiche negli anni estremi del fascismo." Ebd.,

Mussolini-Platz (heute Theodor-Heuss-Platz) in Berlin

S. 38.

16 „Chè armi e arti, oltreché consonare nella

geplant. Vgl. Langer, „Der Ausbau der Ost-West-Achse

parola, hanno il medesimo suono nell'animo d'un popolo

vom Brandenburger Tor bis zum Mussolini-Platz", in:

che, come questo italiano, si batte per un'idea d'ordine e di

Zentralblatt der Bauverwaltung, N. 47/48, 25. November

bellezza." Giuseppe Bottai, „Per la XXII Biennale", in: Le

1939, S. 17-18.

Arti, Anno II, Fase. V-VI, Juni-September 1940, S. 357-

DIE INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN I94O UND I 9 4 2

I99

dieses Werk wurde nicht nur deshalb vergeben, weil Breker der erfolgreichste Künstler des Dritten Reichs war, sondern weil es eine Hommage an zwei der im damaligen Verständnis größten Italiener war: Michelangelo und Mussolini (Abb. 61). Der sehr umstrittene Künstler des Dritten Reiches war ein Nachahmer der Großen der Vergangenheit. Die weichen Züge des Davids konnten als Zeichen für die Verletzlichkeit Italiens gelten, welches sich aus irrationalen Gründen mit dem nationalsozialistischen Deutschland verbündete, obwohl man noch bis Ende der 1930er Jahre an eine Vermeidung des Krieges glaubte, für den Italien eben nicht bereit war. Doch die in der Figur Brekers symbolisierte Bereitschaft des italienischen Volkes für einen bevorstehenden Krieg ist in ihrer Deutlichkeit nicht zu übersehen und sollte wenige Wochen nach der Eröffnung Realität werden. Am 30. Mai erklärte Mussolini der deutschen Regierung, dass Italien nun in den Krieg eintreten werde und am 10. Juni 1940 erklärte Italien den ehemaligen Partnern Frankreich und England den Krieg. Die Verantwortlichen des amerikanischen Pavillons reagierten umgehend auf diese Entscheidung und schlossen ihren Pavillon in den Giardini." Schon seit dem Beginn des Weltkrieges hatte die venezianische Fremdenindustrie mit einem rapiden Rückgang der Besucherzahlen zu kämpfen. Doch mit dem Kriegseintritt Italiens im Juni 1940 brach dieser Wirtschaftsbereich fast völlig ein, schließlich hatte man den traditionell gerne nach Venedig reisenden Engländern und Franzosen den Krieg erklärt. Wie schon im Kriegsjahr 1914 waren die Auswirkungen auf die vom Fremdenverkehr abhängige Stadt verheerend, kam doch der größte Teil der damaligen Gäste aus den Ländern der aktuellen Kriegsgegner England, USA und Frankreich. Nur oberflächlich gesehen war das Leben am Lido durch den Krieg wenig beeinflusst.20 Im Gazzettino ist dazu zu lesen: „Ohne Fremde — außer unseren deutschen und alliierten Freunde, die zu uns gehören — [allerdings] war Venedig von Frühling bis Herbst, zwei Jahre ohne große Attraktionen und Spektakel, bevölkert von Italienern."21 Am 29. Juli 1940 wurden Volpi und Alfieri von Goebbels empfangen. Ich empfange nachmittags Graf Volpi mit Alfieri. Beide wieder vollgestopft mit liebenswürdigen und schmeichelhaften Redensarten. Strotzend vor Lebensüberfülle, so tuen sie und so suchen sie den Anschein zu erwecken. Aber doch sind beide alternde Männer. Und ihre Vitalität, die sie so eifrig zur Schau tragen, wirkt etwas geckenhaft. Volpi überreicht mir die Preise der Biennale, daneben den Goldpokal für den „Robert Koch". Über den Krieg weiß er nichts zu berichten, als daß Italien auf einen deutschen Blitzkrieg gegen England hofft.22 Im Sommer 1941 konnte der italienische Feldzug gegen Griechenland nur mit Hilfe deutscher Truppen realisiert werden. Schon im Mai 1941 war der Traum vom neuen „Imperium" beendet, als Kaiser Haile Selassie, unterstützt von britischen Kolonialtruppen, triumphal wieder in 19 Vgl. „American prints withdrawn from Venice", in: Art

[peraltro] Venezia da primavera ad autunno, per due anni

Digest, Voi. 14, Juli 1940, S. 24.

20 Vgl. „Ieri, al Lido", in:

senza grandi attrattive di spettacoli, è stata affollata di ita-

21 „Senza forestieri - m e n o i

liani." „Venezia senza inglesi", in: Gazzettino, i l . August

Gazzettino, 5. Juni 1942.

nostri amici tedeschi e alleati che son di casa nostra -

1942.

22 Tagebuch Goebbels, 30. Juli 1940.

200

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N EUROPAS*' DER

ACHSENMÄCHTE

Addis Abeba einzog. Das italienische Schreckensregime in Äthiopien hatte ein Ende gefunden. Trotz dieses Rückschlags kämpfte die italienische Armee ab dem 11. Juli 1941 an der Seite der deutschen Wehrmacht an der Ostfront. Die etwa 200.000 Mann umfassende Armata Italiana in Russia (ARMIR) unterstützte mit rumänischen, ungarischen, finnischen und slowakische Verbänden den Vernichtungsfeldzug gegen Russland. Zeitgleich wurden die kunsthistorischen Ausstellungen der städtischen Museen, wenn auch in sehr bescheidenem Maße, mit der von Pallucchini kuratierten Ausstellung venezianischer Kupferstecher des 18. Jahrhunderts fortgesetzt.23 Pallucchini arbeitete dabei eng mit Friedrich Kriegbaum vom deutschen Kunsthistorischen Institut in Florenz zusammen. Präsident der unter dem Patronat von Prinz Ferdinando von Savoyen, Herzog von Genua stehenden Ausstellung war der neue Podestà Giovanni Battista Dall'Armi. Die Kommune von Venedig ist stolz darauf, in den Jahren, in denen sich die zeitgenössische Kunst-Biennale nicht öffnet, große Ausstellungen Alter Kunst, dazu bestimmt den Ruhm der venezianischen Malerei zu bejubeln, zu organisieren, Ausstellungen, die weltweit Aufmerksamkeit erregten und deren Erfolg lebendigst für die Ziele der Kultur war, wegen des großen Beitrags, den sie zum Studium und der Klärung der Bedeutung der kulturellen Werte geleistet haben. [...] Man will deshalb nicht, dass dieses Jahr aufgrund der durch den Kriegszustand verursachten Situation die Tradition dieser Ereignisse, dazu bestimmt, Venedig zu einem großartigen Kunst- und Kulturzentrum zu machen, verloren geht. In der Vergangenheit hat die Kommune dem nationalen Erziehungsministerium bereits einen Plan für große Ausstellungen vorgelegt, die in diesem und in den zukünftigen Jahren abgehalten werden sollen.2* Während in Europa und an zahlreichen anderen Kriegsschauplätzen der Zweite Weltkrieg stattfand, die deutsche Wehrmacht in Russland kämpfte und Hunderttausende von Menschen in Europa bereits ermordet worden waren, hielt man in Venedig den Schein des Geregelten aufrecht und organisierte eine weitere Internationale Kunstausstellung. „Der Duce hat mir gesagt, dass die alte venezianische Tradition der Biennale nicht unterbrochen werden darf. "25 Die Ausstellung sollte am 21. Juni 1942 eröffnet werden, nur die Dauer der Ausstellung wurde

23 Vgl. Rodolfo Pallucchini (Hg.), „Mostra degli incisori

causa della situazione creata dallo stato di guerra, andasse

veneti del Settecento", Ausstellungskatalog, Venedig 1941.

perduta la tradizione di queste manifestazioni destinate a

24 „II Comune di Venezia ha il vanto di avere organizzato,

fare di Venezia un magnifico centro d'arte e di cultura. In

negli anni in cui non si apre la Biennale d'Arte contempo-

passato il Comune aveva già sottoposto al Ministero dell'-

ranea, delle grande mostre d'arte antica intese ad esultare

Educazione Nazionale tutto un piano di grandi mostre da

le glorie della pittura veneziana, mostre che hanno avuto

tenersi in questo e negli anni futuri." Giovanni Battista

una risonanza mondiale, e il cui successo è stato vivissimo

Dall'Armi, in: ebd., S. 7.

ai fini della cultura, per il largo contributo che hanno por-

vecchia tradizione veneziana della Biennale non si deve

25 „II Duce mi ha detto che la

tato allo studio e alla chiarificazione di determinati valori

interrompere." ACS, PCM, 1940-42, 14.1.730.4.4, Brief

artistici. [...] Non si è voluto pertanto che quest'anno, a

Volpi an Russo (Sekretär PCM), 14. Februar 1942.

DIE INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNGEN I 9 4 O UND I 9 4 2

201

auf drei Monate begrenzt. Die Vorbereitungen wurden von Erziehungsminister Bottai und den Achsenpartnern, vor allem dem deutschen Reich, intensiv unterstützt. In die Auswahl der Künstler griff auch Bottai ein, der sich in langen Briefen an Maraini ausführlich zu den von ihm bevorzugten Künstlern äußerte.26 Bottai vermisste einige der von ihm geförderten Künstler wie die Gruppe Corrente, deren Vertreter er als „die jüngsten und vielversprechendsten" bezeichnete.27 Diese Künstler hatte Bottai schon vorher gegen die Kritik von Seiten der Hardliner um Farinacci verteidigt, wobei er vor allem deren Darstellung der realen Nöte und Sorgen der Kriegssituation schätzte.28 „Italien bestätigt seinen zivilisatorischen Auftrag": unter diesem Gesamtmotto stand die Kriegsschau im Jahr 1942. 2 ' Antonio Maraini, der Generalsekretär, betonte die propagandistische Bedeutung dieses Ereignisses, das trotz der widrigen Umstände zu Stande gekommen war. Er beklagte sich darüber, dass die Künsder Materialengpässe hatten, Arbeit teuer war, Transporte schwieriger wurden, aber meinte zugleich, dass diese Probleme vom italienischen Volk überwunden werden würden.30 Unter der Beteiligung von den Achsenmächten wohlgesonnenen oder neutralen Nationen fand diese in Teilen als reine Propagandaausstellung statt (Abb. 63). Die Teilnehmer waren das Deutsche Reich, Spanien, Slowakei, Kroatien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Schweden, Schweiz und Dänemark.31 Ein Blick auf den Plan des Ausstellungspalasts zeigt die Schwerpunkte, die man bei dieser Ausstellung gesetzt hatte. Maraini wollte eine größtmögliche Heterogenität erreichen; auf der Liste der 100 ausstellenden Künstler sind alle vertreten, die auch in den letzten Jahren immer mal wieder ausgestellt haben.32 Das Spektrum reichte von Giorgio de Chirico, der wieder zurück zu einer klassischen Malweise gefunden hatte, über die zahlreichen durch die Pariser Schule beeinflussten Künstler zu den ungebrochen ausgestellten Futuristen. Die Giardini waren ein Exerzierfeld der sich überschlagenden Ereignisse geworden. Es kam zur „militärischen Besetzung" der Häuser der Feindmächte, die zu den Padiglioni delle forze Armate wurden. Gezeigt wurden dort Werke kämpfender Künstler aus den unterschiedlichen Armeeteilen, die Kriegsdarstellungen, Heldenverehrung, U-Bootbasen und Schlachtenbilder, aber auch die Nöte des alltäglichen Soldatenleben zeigten. Aus dem amerikanischen Pavillon wurde der Padiglione della Regia marina, in dem das Wachpersonal italienischer Marinesoldaten symbolisch den Endsieg über die ferne Seemacht Amerika vorführte (Abb. 64). In dem zum Padiglione del Regio esercito umgewandelten Padiglione della Gran Bretagna führte die Armee die Einnahme Großbritanniens szenisch vor (Abb. 65). Um

26 S. ACS, MPI, AABBAA, div. III, 1929-60, B. 282,

Maraini, 19. Juli 1941.

Biennale Varie, Fase. 8, Venezia Biennale Pratica Generale,

dell'arte", in: Le Arti, III. Jg., Nr. 3, Februar-März 1941,

28 Vgl. Giuseppe Bottai, „Fronte

Brief Bottai an Maraini, Roma, 19. Juli 1941. In der glei-

S. 153-158.

chen Akte befindet sich ein Schreiben mit massiver Kritik

tà", Antonio Maraini, „Prefazione", in: „XVIII. Biennale",

am geringen Niveau und der schlechten Organisation der

Ausstellungskatalog, 1942, S. 8.

Biennale.

S. 20-22.

27 „i più giovani, più promettenti", ACS MPI,

AABBAA, div. III 1929-1960, Β. 282, Biennale varie, Fase. 8, Venezia Biennale Pratica Generale, Brief Bottai an

29 „L'Italia riafferma la sua missione di civil30 S. Ebd.

31 S. Ebd.,

32 Detailliert zur ausgestellten Kunst vgl.

Tomasella 2001, S. 85-121.

202

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N E U R O P A S " D E R

ACHSENMÄCHTE

den Haupteingang herum wurde ein die ganze Wand einnehmendes Fresko angebracht, auf dem Kriegsdarstellungen der verschiedenen Armee-Mitglieder gezeigt werden. Die dritte Waffengattung, die Luftwaffe, nutzte den französischen Pavillon und machte ihn zum Padiglione del Regia aeronautica. Der tschechoslowakei Pavillon erlebte den schnellen Fahnenwechsel vom Reichsprotektorat Böhmen und Mähren zur Slowakischen Republik. Genauso wurden die im Flügelbau des Padiglione Venezia untergebrachten Pavillons von Jugoslawien und Polen nun von Kroatien und Bulgarien genutzt, ergänzt durch die Futuristen im belgischen Pavillon und die cercasi im Griechischen Pavillon. Einen großen Platz nahmen auch wieder die Futuristen ein, die mit ihrer Aeropittura di guerra bereits seit 1936 den Luftkrieg verherrlichten. Marinetti unterstrich wieder einmal seine uneingeschränkte Solidarität mit der Kriegspolitik Mussolinis. Wie bereits bei den vorherigen Kunstausstellungen war der deutsche Kommissar wiederum Adolf Ziegler. In der Sonderausstellung Deutschland fanden sich nur wenige Kriegsdarstellungen oder Verherrlichungen der „Achse Berlin-Rom". Im Mittelpunkt standen vielmehr gemäßigte Vertreter der Kunstpolitik des Dritten Reichs. So war es eine Bankrotterklärung, dass 1942 der erste Preis an den 78-jährigen Historienmaler Arthur Kampf ging und der 72-jährige Bildhauer Fritz Klimsch ausstellte. Nur der 62-jährige Bildhauer Josef Wackerle war einer der bekannteren Künstler des Dritten Reichs, der durch seine Monumentalskulpturen in Berlin bekannt geworden war. Ein letztes Mal besuchte Joseph Goebbels mit Alessandro Pavolini die Giardini (Abb. 66). „Und besuche Morgens die Ausstellung der Biennale, und zwar in der Hauptsache den deutschen, den ungarischen und den italienischen Pavillon. Der deutsche Pavillon macht einen sehr geschlossenen und einheitlichen Eindruck. Kubismus grauenerregend. Jedenfalls empfinde ich beim Beschauen der futuristischen Abteilung keinerlei Bedauern darüber. Im Gegenteil, ich bin froh, daß wir durch ein rücksichtsloses Eingreifen die deutsche Malerei wieder zum Wesen des Malens zurückgeführt haben. "" Zwar waren die Verantwortlichen überzeugt von ihrem Unternehmen, aber mit nur 76.000 Besuchern bedeutete diese Kunstausstellung ein Fiasko. Trotz der bescheidenen Erfolge der Kunstausstellung von 1942 war der Optimismus von Alfieri ungebrochen. Bei einem Besuch Goebbels in Kleißheim schlug er ihm vor, die Münchner Kunstausstellung regelmäßig im Zusammenhang mit der venezianischen Kunstausstellung zu zeigen. Ich halte diesen Plan für undurchführbar und glaube auch nicht, daß die Italiener die organisatorische Möglichkeit besitzen, um eine solche Kunstausstellung dort unterzubringen. Ich lehne deshalb die Bitte Alfieris mit höflichem Bedauern ab.}4

33 Tagebuch Goebbels, 1. September 1942. 30. August 1942. Goebbels, 30. August 1942.

34 Ebd.,

DIE FILMKUNSTSCHAU UND DIE EUROPÄISCHE

„ C I N E M A È L ' A R M A PIÙ F O R T E ! " —

203

FILMAUTARKIE

DIE F I L M K U N S T S C H A U U N D DIE

EUROPÄISCHE FILMAUTARKIE

Genau in jenen Tagen beschloss Hitler persönlich, aus nicht unbedingt den Film betreffenden Gründen, zu intervenieren. So fand das Festival von Cannes nicht statt. Venedig eröffnete einige Wochen später feierlich seine 7. Internationale Schau.'5 Cinema, 10. September 1942 Das Zentralorgan des italienischen Films feierte noch nach drei Jahren die Geschichte des nie stattgefundenen Festivals von Cannes. Für die Filmkunstschau hatte der Kriegsausbruch also zunächst den Vorteil, dass sie keine Konkurrenz in Frankreich bekam. Aber allein die Tatsache, dass noch drei Jahre später über das Festival von Cannes berichtet wurde, zeigt die große Bedeutung, die man der drohenden Konkurrenz beimaß. In der Kunst scheiterten beide Regime, aber der Film wurde zum wichtigsten Instrument der staatlichen Propaganda. Auch hier hatten sich durch das neue Gesetz die Voraussetzungen geändert, so dass die Filmkunstschau nun vor allem durch das Ministerium für Volkskultur unter Minister Pavolini gesteuert wurde. Die enge Zusammenarbeit in kulturellen Fragen zeigte sich 1940 auf der als Manifestazione cinematografica italo-germanica stattfindenden Filmkunstschau. Nichts vermag den Kulturwillen und die schöpferische Kraft der beiden Völker deutlicher zu dokumentieren, als die Tatsache, dass man eine gemeinsame Filmschau organisierte, wo getragen von den weltanschaulichen Impulsen zweier grosser Revolutionen immer eindrucksvollere und reifere Leistungen präsentiert wurden, kommentierte Goebbels 1940." Pavolini betonte, die Filme „lassen voraussehen, was das filmische Europa von morgen sein wird, nach dem endgültigen Sieg der Achse."37 Während der deutsch-italienischen Filmkunstschau erlebte so beispielsweise am 5. September 1940 im neuen Cinema San Marco der antisemitische Propagandafilm Jud Süß von Veit Harlan unter großem Beifall des Publikums seine Welturaufführung.38 Goebbels kümmerte sich intensiv um die Zukunft des Films. Zu diesem Zweck wurde die seit 1935 existierende Internationale Filmkammer (IFK), die seit der Übernahme der Präsidentschaft durch Frankreich ihre Aktivitäten weitgehend eingestellt hatte, neu gegründet.39 Die IFK sollte eine vom nationalsozialistischen Deutschland und faschistischen Italien kon35 „Proprio in quei giorni Hitler si decideva ad intervenire

nistro Goebbels per la manifestazione di Venezia", in: Cine-

di persona nell'affare per ragioni n o n precisamente cine-

ma, 10. September 1940, S. 161 (Orig. i. Deutsch).

matografiche. [...] Così il festival di Cannes n o n ebbe più

Ministro Pavolini per la manifestazione di Venezia", in: Ci-

37 „II

luogo. Venezia inaugurava qualche settimana dopo trion-

nema, 10. September 1940, S. 162 (Orig. in Deutsch).

falmente la sua settima mostra internazionale." Roberto

38 Vgl. Frank Noack, Veit Harlan: Des Teufels Regisseur,

Paoletti, „Cannes" ovvero la storia di una mostra mancata,

München 2000, S. 193.

in: Cinema, 149,10. September 1942, S. 489.

tionalen Filmkammer, Berlin 16.-21. Juli 1941, Berlin 1941.

36 „II Mi-

39 Vgl. IFK. Tagung der Interna-

204

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N E U R O P A S " DER

ACHSENMÄCHTE

trollierte Institution werden. Deren Programm war die Verdrängung der amerikanischen Konkurrenz aus dem gesamten europäischen Filmmarkt und die Schaffung eines von Deutschland und Italien dominierten Marktes, der den kommerziellen und herrschaftspolitischen Interessen der Gründungsländer entsprechen sollte. Außerdem regte Goebbels an, Graf Volpi als neuen Präsidenten der IFK wählen zu lassen, da er die Wahl Pavolinis für „eine zu starke Herausstellung des politischen Charakters dieser Organisation" hielt.40 Dieser Vorschlag kam auch der italienischen Regierung außerordentlich gelegen, denn sie hoffte dabei, Graf Volpi mit seinen ungeheuren Finanzmitteln auch wirtschaftlich am italienischen Film zu interessieren. Uns kann das nur recht sein. Volpi ist auf dem Gebiet des Films kein Kenner. Er wird also leicht vom Generalsekretär, den wir mit Melzer besetzen werden, neutralisiert werden können. Der Sitz der Internationalen Filmkammer soll für die nächsten Jahre in Berlin sein." Joseph Goebbels kam im August 1941 nach Venedig, wo er von Pavolini und Farinacci empfangen wurde.42 Nach Besprechungen mit Pavolini folgte der Besuch einer WochenschauVorführung mit italienischen Soldaten im Cinema San Marco, abends dann die feierliche Eröffnung am Lido mit dem deutschen Film Heimkehr. Dieser antipolnische Propagandafilm zeigte die Flucht der deutschen Minderheit vor den Verfolgungen durch die polnische Bevölkerung,43 eine filmische Legitimation des Überfalls auf Polen, der in der deutschen Propaganda als Abwehrmaßnahme gedeutet wurde. Nach weiteren Besprechungen folgte am zweiten Tag die Uraufführung des italienischen Films Corona di ferro, laut Goebbels eine „vollkommene Pleite ". Der gezeigte Film Ohm Krüger versuchte die Vernichtungspolitik in den Konzentrationslagern zu rechtfertigen, indem es diese als Erfindung der Briten während der Burenkriege in Südafrika anprangerte.44 Die letzten Worte von Ohm Krüger waren Programm: Große, mächtige Völker werden gegen die britische Tyrannei aufstehen. Sie werden England zu Boden schlagen. Gott wird mit ihnen sein. Dann ist der Weg frei für eine bessere Welt.*5

40 In der K a m m e r waren neben den Gründungsmitgliedern

ursprünglichen

D e u t s c h l a n d u n d Italien

auch

F i l m k a m m e r eine Zeitschrift m i t d e m Titel Inter-Film aus.

4 1 T a g e b u c h G o e b b e l s , 18. Juli 1941.

her-

4 2 Vgl.

deren Satelliten u n d die v o n i h n e n besetzten L ä n d e r ver-

G i o r n a l e LUCE, C 177, IX La M o s t r a del c i n e m a . Venezia:

treten: B ö h m e n u n d M ä h r e n , Belgien, Bulgarien, Kroa-

A l c u n i aspetti della IX M o s t r a I n t e r n a z i o n a l e

tien, D ä n e m a r k , F i n n l a n d , U n g a r n , N o r w e g e n , H o l l a n d ,

C i n e m a t o g r a f i c a , 8. S e p t e m b e r 1941.

4 3 Vgl. G e r a l d nationalsozialisti-

d'Arte

R u m ä n i e n u n d die Slowakei. Mit Spanien u n d Schweden

T r i m m e l , H e i m k e h r . Strategien eines

h a t t e n a u c h zwei n e u t r a l e L ä n d e r i h r e Mitgliedschaft

schen Films, W i e n 1998.

a n g e k ü n d i g t . Präsident d e r K a m m e r w a r d e r italienische

O h m Krüger: ein Emil Jannings-Film der Tobis, Berlin

Finanziminister G i u s e p p e Volpi di Misurata, Generalsek-

1941 u. ders., Englischer Krieg vor 40 Jahren u n d h e u t e ,

retär d e r stellvertretender P r ä s i d e n t der Reichsfilmkam-

Berlin 1941.

mer, Karl Melzer. Von 1936 bis 1944 gab die I n t e r n a t i o n a l e

Steinhoff, 1941.

4 4 Vgl. H a n s E r a s m u s Fischer,

4 5 Zit. n . Ohm Krüger ( D ) , Regisseur: H a n s

DIE FILMKUNSTSCHAU UND DIE EUROPÄISCHE FILMAUTARKIE

205

Mitte September berichtete Reichsfilmintendant Fritz Hippler an Goebbels über den weiteren Verlauf der Filmwoche, die sehr schlecht vorbereitet war. Goebbels kommentierte in seinem Tagebuch: „Die deutschen Filme waren den Filmen aller anderen Nationen weit voraus. [...]

Unser einziger Konkurrent ist jetzt nur noch Amerika."*6 Der Konkurrenz in Italien

fühlte man sich haushoch überlegen und so plante Goebbels für Mai 1942, Venedig in Berlin Konkurrenz zu machen. Ich werde diesen internationalen Filmkongreß so pompös und großzügig vorbereiten lassen, daß er in der sprechendsten und werbendsten Weise von den Veranstaltungen in Venedig absticht. Die Tagungen der Internationalen Filmkammer in Venedig haben die deutsche Führung auf dem Gebiet des Films noch einmal unter Beweis gestellt. Gott sei Dank kümmert sich Graf Volpi nur wenig um sein Präsidentenamt, so daß unser Generalsekretär Melzer in jeder Beziehungfreie Hand hat." Goebbels, als Erfinder der Berlinale, die allein schon in ihrem Namen den direkten Bezug zur Biennale trägt. Die IFK tagte auch im Jahr 1942 mehrmals, um unter dem Deckmantel dieser aus Berlin kontrollierten Institution die europäische Filmpolitik zu bestimmen.48 Die Erfolgsmeldungen der „Filmachse" wurden von den überzeugten Worten Pavolinis begleitet, der im April in Rom betonte: „ Deshalb lebt in uns die Gewissheit, dass wir während des Kriegs gemeinsam unseren Filmkrieg gewinnen werden.

Die europäische Filmautarkie war erklärtes Ziel der

beiden Partner; mit dem Hinweis auf Venedig, dem Festival der IFK, schloss die Versammlung in Rom. Auch im Spätsommer 1942 zeigte sich die nationalsozialistische Prominenz in bester Stimmung in Venedig, erreichte doch die deutsche Machtausdehnung in Europa mit dem Vorstoß in den Kaukasus ihren Höhepunkt. Wieder eröffnete Goebbels gemeinsam mit Pavolini die Internationale Filmkunstschau am Lido.50 Die Filmpolitik des Dritten Reichs wurde in Venedig in zwei Filmen von Veit Harlan deutlich, die jeder auf seine Art die propagandistischen Zwecke der Nationalsozialisten erfüllen sollten. In Die goldene Stadt, einem der ersten deutschen Farbfilme, wird ein Bauernmädchen dafür bestraft, dass es die Heimat verlässt und den Verlockungen der „sündigen" slawischen Großstadt Prag erliegt. Der zweite Hauptbeitrag war der historische Durchhaltefilm Der große König, der die Geschichte des Preußenkönigs Friedrich des Großen erzählt, welcher 1759 kurz vor der endgültigen Niederlage steht, sich aber noch einmal aufbäumt. Er ist davon besessen, mit diesem Krieg das Gesicht Europas maßgeblich zu verändern. Der Bezug zum aktuellen Kriegsgeschehen war gegeben, denn durch die Überdehnung der Front von über 2.000 Kilometern, ungenügende Reserven, mangelnden Nachschub und den einsetzenden massiven sowjetischen Widerstand

46 Tagebuch Goebbels, 15. September 1941. buch Goebbels, 15. September 1941.

47 Tage-

48 Vgl. IFK. Tagun-

gen der Internationalen Filmkammer, Berlin 2.-3. März

1942, Rom 8.-10. April 1942 u. Florenz 10.-11. Mai 1942, Berlin 1942.

49 Ebd., S. 36.

C 278, 8. September 1942.

50 Vgl. Giornale LUCE,

loó

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N EUROPAS*' DER

ACHSENMÄCHTE

kam der Vormarsch im Osten Anfang September 1942 zum Stillstand. Bei seinem Abschied von Venedig sinnierte Goebbels nochmals über die Gesamtsituation Venedigs und kam zu folgendem Schluss: Venedig macht abends in der Verdunkelung den Eindruck einer menschenleeren Gespensterstadt. Ich glaube, dieser Eindruck ist nicht ganz falsch. Venedig hat tatsächlich seine große Zeit hinter sich, und es bedürfte schon einer besonderen Betreuung des italienischen Staates, um es mit neuem Leben zu erfüllen. Geht es den jetzt beschrittenen Weg weiter, so wird es in absehbarer Zeit nur noch Fremden- und Touristenstadt sein. Das wäre für die Stadt eigentlich sehr schade.51 Auch in den Musik- und Theateraufführungen spiegelte sich die politische Situation wider. Nach der Absage 1940 blieb man im folgenden Jahr mit Stücken von Goldoni dem Lokalkolorit treu. Besonders im zweiten Kriegsjahr waren die Theater- und Musikaufführungen ganz im Sinne der Achsenpolitik, wie beim Eröffnungskonzert des VII. Musikfestivals im Palazzo Vendramin-Calergi mit Werken Richard Wagners deutlich wurde. Um die Freundschaft der beiden Völker zu unterstreichen, wurden 1941 auf zwei Bühnen in den Giardini die Stücke Poeta fanatico von Goldoni und Die Räuber von Schiller aufgeführt. Bei der Premiere waren der Herzog von Genua, Minister Bottai und der deutsche Botschafter Hans-Georg von Mackensen anwesend.52 Nicht nur im Bereich des Films wurde Venedig von deutscher Seite wegen seines internationalen Charakters auch für andere Veranstaltungen genutzt. So fand im April 1942 im Dogenpalast der erste Kongress der Union Nationaler Journalistenverbände statt, die unter dem Motto „Journalismus ist eine Mission" stand.53 Neben dem Minister für Volkskultur Alessandro Pavolini waren der Präsident der Union Wilhelm Weiss (Chefredakteur Völkischer Beobachter), der Vizesekretär der Faschistischen Partei (PNF) Carlo Ravasio, der Reichspressechef Dr. Otto Dietrich, Dr. Michael v. Koloszvary-Borcsa (Ungarn), Shin Sakuma (Japan), Emanuel Moravec (Reichsprotektorat Böhmen und Mähren) und weitere Vertreter der Achsenmächte anwesend. Die deutsch-italienische Kooperation sollte noch einige Zeit bestehen. Im Oktober 1942 organisierte Maraini für das Ministerium für Volkskultur und das Ministerium für nationale Erziehung eine kleine Schau für die Stadt Linz.54 Dort sollte nach Ideen von Adolf Hitler das

51 Tagebuch Goebbels, 3. September 1942.

52 S. ACS,

u n d die Weltrevolution unserer Zeit: Rede von Reichsleiter

PCM, 1940-42,14.1.730.4.3, Telegramm Volpi/Maraini an

u n d Reichsminister Alfred Rosenberg auf der Tagung der

Mussolini, 6. August 1941.

Union Nationaler Journalistenverbände in Wien am 22. VI.

Mission:

Bericht v o m

53 Vgl. Journalismus ist eine erstem

Kongress

der

Union

1943, Riga 1943.

54 Mostra d'Arte

Italiana

a

Linz-

Nationaler Journalistenverbände. Venedig 1942, Wien

Neuzeitliche Italienische Kunstschau in Linz. Veranstaltet

1942; Ansprache des Ministers Emanuel Moravec auf dem

vom Ministerium f ü r Volkskultur unter Mitwirkung des

Kongreß der U n i o n Nationaler

Ministeriums für Volkserziehung u n d durchgeführt von

Journalistenverbände

10.-12. April 1942 in Venedig, Prag 1942; Der Weltkampf

der Biennale von Venedig, Venedig 1942.

DIE B I E N N A L E W Ä H R E N D DER R E P U B L I K VON SALÒ

207

Sonderprojekt Linz, ein kunsthistorisches Museum der Superlative, realisiert werden. Die hier gezeigten Werke waren vorher fast vollständig bei der XXIII. Internationalen Kunstausstellung zu sehen gewesen und wurden direkt aus den Pavillons nach Linz geschafft. Bei der Eröffnung betonten Minister Rochira, Direttore Generale per gli Scambi Culturali und Gauleiter August Eigruber die große Bedeutung der kulturellen Zusammenarbeit zwischen Deutschem Reich und Italien in Opposition zu den „zerstörerischen Kräften des Bolschewismus" in einem Europa, in dem eine „gigantischer Entscheidungskampf' ausgefochten wird.55 In zahlreichen Artikeln wurde die Bedeutung dieser Ausstellung hervorgehoben.56 Auch der Botschafter des Deutschen Reiches Hans-Georg von Mackensen bedankte sich persönlich bei Maraini für die Ausstellung und war „froh, dass die Ausstellung in Linz im Heimatgau des Führers" stattgefunden hatte.57

DIE B I E N N A L E W Ä H R E N D DER R E P U B L I K VON SALÒ

Seit Ende November 1942 wusste die deutsche Seite von geheimen diplomatischen Aktivitäten einiger Italiener wie Rodolfo Graziani, Pietro Badoglio und Giuseppe Volpi, die mit England und Amerika in Verhandlungen traten. Zu diesen Kreisen sollen Graziani und Badoglio, vor allem aber Volpi gehören. Badoglio und Volpi, insbesondere dem letzteren, traue ich das durchaus zu. Volpi ist ein Geschäftemacher von mittelmäßigem Ruf, und wenn er seine Lira ins Schwanken kommen sieht. Dann ist er jederzeit bereit, zum Feind überzulaufen.58 In seiner drastischen Direktheit drückte Goebbels den Charakter der Aktivitäten Volpis für seine Heimatstadt Venedig aus. Ihm ging es bei allen Aktivitäten primär um seinen eigenen Gewinn, der ganz im Sinne der venezianischen Tradition auch seiner Stadt dienen sollte. Blickt man zurück auf die Gründung von Porto Marghera, wird deutlich, dass dessen Wachstum zu großen Teilen aus der Produktion für Mineralöl- und Rüstungsprodukte basierte. Bei dem Ausbau der Biennale und den großen kunsthistorischen Ausstellungen und Veranstaltungen ging es vor allem um eine Attraktivitätssteigerung der Stadt als touristisches Ziel, wodurch vor allem Volpi mit seinen Beteiligungen an Hotels profitierte. Am 2. Februar 1943 wurden die Minister Bottai, Ciano, Pavolini und Grandi aus der Regierung Mussolinis entlassen. Der Nachfolger von Bottai wurde Carlo Alberto Biggini (1902—1945) und Gaetano 55 „potenze distruttici del bolcevismo" u. „gigantesca

21. Oktober 1942; C. Steigleder, „Italienische Kunst in

lotta decisiva", GNAM, Fondo Maraini, Cart. 32, Fase. 1,

Linz", in: Volksstimme Linz, 21. Oktober 1942.

Mostre Germania 1939-43. D o r t finden sich zwei auf den

GNAM, FM, Cart. 32, Fase, l, Brief Mackensen an Maraini,

21. Oktober 1942 datierte Texte mit der offiziellen Eröff-

2. November 1942.

nungsrede von Maraini.

ber 1942.

56 Vgl. hierzu: „Una mostra

d'arte italiana inaugurata a Linz", in: Corriere della Sera,

57 S.

58 Tagebuch Goebbels, 30. Novem-

208

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N EUROPAS*' DER

ACHSENMÄCHTE

Polverelli übernahm den Posten von Pavolini.59 Etwas später wurde Volpi als Vorsitzender des Unternehmerverbandes CONFINDUSTRIA abgesetzt und verlor seinen Sitz im Großen Rat des Faschismus.60 Die Aktivitäten der Biennale wurden trotz dieser gravierenden Änderungen zunächst fortgesetzt. Für das Ausland plante Maraini Ausstellungen in Portugal, Schweden, Rumänien und in der Schweiz. Auch wurden konsequent die Vorbereitungen für die XXIV. Internationale Kunstausstellung von 1944 und die anderen Festivals vorangetrieben.61 Wie Tomasella beschreibt, wurden die Vorbereitungen bis Oktober 1943 fortgesetzt und es waren schon die Einladungen an die Künstler verschickt worden. Dies stieß auf Unverständnis bei Vittorio Cini, der Volpi während dieser Zeit im Palazzo Venezia getroffen hatte und fragte: „Aber warum beschäftigst Du Dich noch mit diesen Dingen? Hast Du nicht verstanden, dass es vorbei ist?"62 Dies stimmt jedoch nicht ganz, denn in Venedig gingen die Ausstellungsaktivitäten, wenn auch in sehr viel bescheidenerem Maße, weiter. Am 19. Juni 1943 eröffnete in der Sala Napoleonica die Mostra di Arte Germanica Bianco e Nero und vom 27. Juni bis 27. Juli 1943 fand in einigen Pavillons in den Giardini die vom venezianischen Syndikat organisierte Mostra Sindacale Triveneta. 33. Opera Bevilacqua La Masa statt.63 Die erste Ausstellung war von der Deutsch-Italienischen Gesellschaft und dem Kunstdienst in Berlin organisiert und stand unter der Schirmherrschaft des neuen Ministers für Volkskultur Gaetano Polverelli und dem deutschen Botschafter Hans-Georg von Mackensen. Ihre Präsenz heute hier in Venedig während zu Lande, zu Wasser und in der Luft eine Schlacht ohne Vorbild wütet ist ein neuer Ausdruck der Solidarität der die zwei Nationen für die Verteidigung ihrer Lebensinteressen und die Gesamtheit ihres geistigen Erbes, welches unschätzbar und unersetzbar ist und einen universellen Wert hat, verbindet,64 Nachdem die beiden Ausstellungen in Venedig eröffnet worden waren, verlor Antonio Maraini sein Amt als Generalsekretär des Nationalsyndikats der Schönen Künste. In seiner Enttäuschung über diese Entscheidung schrieb er am 6. Juli 1943 an Mussolinis Büroleiter:

59 Carlo Alberto Biggini (1902-1945) studierte Jura in

Venedig 1997, S. 217.

Genua und Politikwissenschaften in Turin. Er war ab 1932

Moderna di Bianco e Nero", Associazione Italo-Germanica

63 „Mostra di Arte Germanica

Dozent in Sassari, dann ab 1938 in Pisa, wo er 1941 Rektor

u. Kunstdienst Berlin, Sala Napoleonica Palazzo Reale,

wurde. Publizierte in zahlreichen Zeitschriften. Er war u. a.

Ausstellungskatalog, Venedig 1943.

Präsident der Kommission im Istituto di rapporti cultura-

qui in Venezia, oggi, mentre in terra, sui mari e nei cieli

64 „La loro presenza

li con l'estero. Biggini wurde Generalinspekteur der PNF.

infuria una lotta senza precedenti, è una nuova manifesta-

60 Vgl. ACS, PCM, 1941-43, 1.7.10765.55, Königliche

zione della solidarietà che collega le due nazioni per la

Dekrete vom 6. Mai 1943. S. 123-128.

61 Vgl. Tomasella 2001,

difesa dei loro interessi di vita e per la tutela di un patri-

62 „Ma perché ti occupi ancora di queste

monio spirituale che è inestimabile, insostuibile e di valore

cose? Non hai capito che è finita?" Sergio Romano, Giuseppe Volpi. Industria e finanza tra Giolitti e Mussolini,

universale." Ebd., S. 3.

DIE BIENNALE W Ä H R E N D DER REPUBLIK VON

SALÒ

209

Exzellenz, leider habe ich nicht die Möglichkeit, dem Duce persönlich meinen Schmerz ausdrücken zu können, da der Wechsel der Wache im Sindacato Belle Arti in einem Moment geschieht, der für mich aufgrund der unglücklichen Gedankenlosigkeit meines Sohnes ohnehin schon sehr schmerzlich ist; ich erlaube mir aber, Sie zu ersuchen, dem Duce zu überbringen, in welch bitterer Position ich mich ganz schuldlos befinde. Fast 20 Jahre unzweifelhafter faschistischer Treue und leidenschaftlicher Arbeit wären zerstört; während ich gerade jetzt mehr und mehr für Vaterland, Faschismus und Sieg geben können möchte.65 Währendessen musste sich Mussolini mit ganz anderen Problemen beschäftigen. Am 10. Juli 1943 waren amerikanische Truppen auf Sizilien gelandet. Am 25. Juli 1943 hatte der faschistische Großrat Mussolini das Misstrauen ausgesprochen und ihn als ihren Führer abgesetzt. Als Mussolini daraufhin den italienischen König Vittorio Emanuele III. aufsuchte, um seine Demission vom Amt des Ministerpräsidenten einzureichen, ließ dieser ihn verhaften, übernahm selbst wieder den Oberbefehl über die Streitkräfte und beauftragte Marschall Pietro Badoglio mit der Bildung einer neuen Regierung. Badoglio erklärte sogleich die faschistische Partei und alle ihre Gliederungen per Gesetz für aufgelöst. Damit war das faschistische Regime in Italien zunächst vorerst politisch beendet. Als am 8. September 1943 der Nachfolger Mussolinis im Amt des Ministerpräsidenten einen einseitigen Waffenstillstand mit den Alliierten schloss, erfolgte die lange vorbereitete Besetzung Norditaliens und weiterer Teile des Landes durch deutsche Truppen, um ein endgültiges Abfallen Italiens von der „Achse" zu verhindern.66 Schließlich gelang es deutschen Fallschirmjägertruppen am 12. September 1943, Mussolini aus seiner Haft in den Apenninen zu befreien und ihn nach Deutschland zu bringen. Am 18. September 1943 proklamierte Mussolini in einer aus München übertragenen Rede die Geburt eines neuen faschistischen Staates. Als er am 23. September nach Italien zurückkehrte war das Land in zwei Teile gespalten, der südliche, von den Alliierten kontrollierte Teil unter der Regierung des Königs und der von Deutschland besetzte, nördliche Teil. Die Marionettenregierung Mussolinis war zunächst in Rom angesiedelt, zog dann jedoch Anfang November aus Sicherheitsgründen in die Kleinstadt Salò am Gardasee. Am 14. November 1943 wurde offiziell die Repubblica Sociale Italiana (RSI) ausgerufen. Für Venedig

65 „Eccellenza, nella impossibilità in cui m i trovo di poter

nato verrebbero distrutti, mentre in questo m o m e n t o vor-

esprimere personalmente al Duce il mio dolore che il cam-

rei più e più poter dare per la Patria, per il Fascismo, per la

bio della guardia al Sindacato Belle Arti avvenga per m e in

Vittoria." Brief Maraini an Mussolini, 6. Juli 1943, zitiert

u n m o m e n t o già tanto penoso per la sciagurata leggerezza

nach: D. De Angelis, in: Sindacato Belle Arti. Una ricerca

di mio figlio, mi permetto pregarvi di voler far presente al

sui documenti dell'Archivio di Stato all'EUR a Roma,

Duce, in quale crudele posizione verrei a trovarmi se, senza

Nettuno 1999, S. 77.

mia colpa, venissi colpito ancora con la privazione delle

schen Bündnis u n d Besatzung: das nationalsozialistische

66 Vgl. Lutz Klinkhammer, Zwi-

altre cariche da m e ricoperte come Consigliere nazionale e

Deutschland u n d die Republik von Salò 1943-1945,

Segretario generale della Biennale Veneziana. Vent'anni

Tübingen 1993.

quasi di fedeltà fascista indubitabile e di lavoro appassio-

210

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N E U R O P A S " DER

ACHSENMÄCHTE

sollte das weitreichende Konsequenzen haben, denn Goebbels plante schon für die Zukunft nach dem immer noch erhofften Endsieg. Ich stelle dem Führer dann die sehr ernste und gewichtige Frage, bis wohin er das Reich in Zukunft tragen will. Er stellt sich vor, daß wir bis an die Grenze Venetien gehen und daß Venetien in einem losen Verband in das Reich mit aufgenommen wird. Venetien würde das auch umso eher ertragen wollen, da das Reich ihm ja nach dem gewonnenen Kriege nur allein einen Fremdenverkehr verschaffen kann, worauf vor allem Venedig den größten Wert legt. Ich halte diese Grenzziehung für die einzig gegebene und richtige. Hoffentlich läßt der Führer sich durch kein Ereignis, vor allem aber nicht durch eine wiedererwachende Freundschaft zum Duce von diesem Entschluß abbringen.67 Hier greift seine Analyse zu kurz, denn bei Norditalien ging es im vierten Kriegsjahr sicherlich nicht um die Bedeutung des Tourismus. Auch wenn er diese Überlegungen auf die Zeit nach einem gewonnenen Krieg in Europa bezog, war das ausschlaggebende Argument für die Etablierung der RSI die Ausbeutung der norditalienischen Industrie für die Kriegswirtschaft des Dritten Reichs. Zudem wurden Hunderttausende Italiener als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt. Der Terror der deutschen Besatzung war auch Thema einer Serie von Zeichnungen des von Bottai geförderten Corrente-Künstlers Renato Guttuso, die nach der Aufschrift auf den Koppelschlössern der deutschen Wehrmacht „Gott mit uns" genannt wurde. Die bedeutende Rolle Volpis in der deutsch-italienischen Kulturpolitik wird nochmals in einem Kommentar Goebbels deutlich, der seine schon früher geäußerten Zweifel an Volpi bestätigt fand. Wie ich vertraulich erfahre, hat der Großschieber Volpi einige Wochen vor dem Badoglio-Verrat eine Jüdin geheiratet und ist deshalb aus der faschistischen Partei ausgestoßen worden. Offenbar wollte er sich mit dieser Heirat ein Alibi für spätere Möglichkeiten verschaffen. Ich halte Volpi für einen der größten Kriegsschmarotzer, die das italienische Volk hervorgebracht hat.6* Volpi war durch seine Aktivitäten in Ungnade gefallen. Ein SS-Kommando stürmte seine römische Wohnung und verhaftete ihn. Er wurde in das berüchtigte SS-Gefängnis in der Via Tasso bei San Giovanni in Laterano gebracht und dort verhört. Nach vierzehn Tagen kam er jedoch frei und konnte sich in die Schweiz absetzen. Im Gegensatz dazu blieb Generalsekretär Maraini unangetastet. 69

67 Tagebuch Goebbels, 23. September 1943.

68 Tage-

hatte. Vgl. John Berendt, The City of Falling Angels,

buch Goebbels, 17. September 1943. Volpi hatte nach d e m

London 2005, S. 70.

Tod seiner Frau 1942 seine Geliebte Nathalie La Cloche

Ojetti, 22. Dezember 1943.

geheiratet, mit der er seit 1938 den Sohn Giovanni

69 Vgl. GNAM, FO, Maraini an

DIE BIENNALE W Ä H R E N D DER REPUBLIK VON

SALÒ

211

Während der 600 Tage der Republik von Salò, zwischen Herbst 1943 und der Kapitulation der deutschen Truppen am 28. April 1945, spielte auch Venedig eine wichtige Rolle im politischen und immer noch existenten kulturellen Leben Italiens, auch zu Kriegszeiten.70 Ein Teil der Ministerien und anderer wichtiger staatlicher Einrichtungen waren in Venedig untergebracht. Das Ministerium für Volkskultur zog so teilweise in den beschlagnahmten Palazzo Bernardo am Canal Grande, den ehemals Volpi bewohnt hatte. Auch das Ministero dei Lavori Pubblici und die Zentralverwaltung des Außenministeriums waren nun in Venedig angesiedelt. Hinzu kamen diplomatische Vertretungen der Länder, die Beziehungen zur RSI pflegten. Daneben waren es vor allem staatliche Einrichtungen, wie die Nachrichtenagentur Stefania, das Istituto LUCE und andere, mit der Filmwirtschaft verbundene Unternehmen, die sich in Venedig ansiedelten. Venedig war für Italien wie für deutsche Wehrmachtsangehörige eine „isola rifugio" vor den Schrecken des Krieges und den ideologischen Konflikten innerhalb der RSI. Das deutsche Wehrmachtskommando hatte seinen Sitz im Hotel Danieli und übernahm im Sommer 1944 auch das Grand Hotel Excelsior sowie den Filmpalast am Lido. Die Büros der deutschen Propagandaabteilung und der Deutschen Wochenschau waren im Palazzo Giustinian, dem Sitz der Biennale, untergebracht. Auf der Piazza San Marco gab es ein Rekrutierungsbüro für die Esercito della Nuova Europa SS.71 Im Zuge dieser Inbesitznahme der Stadt durch deutsche Ministerien und Funktionäre waren bereits im Herbst 1943 200 jüdische Bewohner aus Venedig nach Auschwitz deportiert worden. Durch den Zuzug dieser staatlichen Stellen wuchs die Bevölkerungszahl dramatisch. Die Hotels waren ausgelastet, denn die nach Venedig kommenden Beamten und Angestellten durften auf Kosten des Staates in den besten Häusern der Stadt wohnen. Es handelt sich um italienische und ausländische Diplomaten, Funktionäre des Außenministeriums,

[...] um einige Funktionäre des Ministeriums für Volks-

kultur, Personen, für die dieser Lebensstil normal ist, um Geschäftemacher, Schieber, Spekulanten, Spione der SS, Informanten, Beschaffer und ähnliche zu plötzlichem Reichtum gekommene Personen; die Zurschaustellung ihrer ungewöhnlichen finanziellen Möglichkeiten und ihre ständige Verschwendung erstaunen und irritieren die Öffentlichkeit immer öfter. Sie verärgern dadurch, dass der Unterschied zwischen dem Leben dieser Kreise, die sich alles, überwiegend illegal, beschaffen können, und dem Leben der Mittelschicht und jenem der einheimischen Angestellten, so groß ist.72 70 Vgl. Raffaele Liucci, II ,43-45, in: Storia di Venezia.

del SS, i n f o r m a t o r i , procaccianti e simili improvvisi lauti

L'Ottocento e il Novecento, R o m 2002, S. 1741-1766.

g u a d a g n i p o r t a n o alla o s t e n t a z i o n e di insolite disponibi-

71 Vgl. AMV, 1941-1947, VI.4.6, O c c u p a z i o n e militare di

lità finanziarie e di sperperi che spesso meravigliano e irri-

Venezia del C o m a n d o G e r m a n i c o .

t a n o il pubblico. I n d i s p o n g o n o a n c h e p e r c h è t r o p p o g r a n -

72 „Trattasi di diplo-

m a t i c i italiani e stranieri, di f u n z i o n a r i del Ministero degli

d e è il divario tra la vita di tali a m b i e n t i c h e t u t t o p o s s o n o

Esteri, [...] d i q u a l c h e f u n z i o n a r i o del Ministero della

p r o c u r a r s i e d avere con mezzi in prevalenza illeciti e la vita

C u l t u r a p o p o l a r e , p e r s o n e t u t t e p e r le quali è abituale tale

del p o p o l o nel ceto m e d i o e di quello impiegatizio locale."

n o r m a di vita; di faccendieri, trafficanti, speculatori, spie

ACS, Ministero dell'Interno, D i r e z i o n e Generale Pubblica

212

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N E U R O P A S " D E R A C H S E N M Ä C H T E

Dadurch wurde die Versorgungslage immer problematischer, da der Hafen durch die deutsche Kriegsmarine für den kommerziellen Schiffsverkehr gesperrt worden war. Auch verloren mehr und mehr Arbeiter ihre Stellen, weil es in Porto Marghera zu zahlreichen Zerstörungen der Industrieanlagen durch Luftangriffe kam. Währenddessen wurden im „Prozeß von Verona" zwischen dem 8. und 10. Januar 1944 die Abtrünnigen des 25. Juli 1943 verurteilt. So wurden Dino Alfieri, Giuseppe Bottai und Galeazzo Ciano zum Tode verurteilt. Der Schwiegersohn des Duce wurde hingerichtet, die anderen beiden hingegen waren ins Ausland geflohen. Der Enthusiamus des Generalsekretärs Maraini war trotz der einschneidenden Ereignisse der vergangenen Monate ungebrochen. Ungeachtet des Verlusts seiner englischstämmigen Frau, die an den Folgen eines Gefängnisaufenthaltes verstorben war, seines Sohnes im Exil und dem Exil oder Tod eines großen Teils seiner ehemaligen Vorgesetzten, startete Maraini mit Gedanken an das 50. Jubiläum der Biennale in das Jahr 1944. Im nächsten Jahr feiert die Institution ihr sojähriges Jubiläum: ein halbes Jahrhundert, man kann sagen ein ruhmreiches Leben, während sie das Ansehen in aller Welt immer mehr gesteigert hat und Venedig und der italienischen Kunst immer mehr genützt hat. [...] Der momentane Niedergang ihrer Funktionen muss von der Sicherheit ausgeglichen werden, dass der gesunde und gedeihende Organismus von Büros, Archiv und Bibliothek immer am Leben erhalten wird und bereit ist, seine Aktivitäten wieder in vollem Umfang aufzunehmen, sobald der Sieg errungen ist!73 Nach dem Ende der Präsidentschaft Volpis hatten die Verantwortlichen in der Generaldirektion über die Zukunft nachgedacht und noch bis Anfang 1944 plante man an eine Fortsetzung in reduzierter Form. Zu diesem Zweck wurde bereits der komplette Austausch der Führungsmannschaft der Biennale vorbereitet, wie in einem undatierten Appunto per il Capo del Governo deutlich wird: Die Präsidentschaft der Biennale di Venezia ist immer noch Graf Volpi di Misurata anvertraut, während Antonio Maraini das Ausstellungssekretariat leitet. Ich schlage Ihnen vor die Möglichkeit zu nutzen der Körperschaft S. E. Ardengo Soffici in der Eigenschaft eines Sonderkommissars vorzuschlagen und das Sekretariat dem Chef der Kunstabteilung der Stadt Venedig Dr. Pallucchini anzuvertrauen.74 Sicurezza, Divisione Affari Generali e Riservati, Repubblica

esser compensata dalla certezza che l'organismo sano e

Sociale Italiana, 1944-1945, B. 18, Cat. C2A/3.

73 „Nel

vegato dei suoi uffici, del suo archivio, della sua biblioteca

prossimo anno l'istituzione compirà appunto i suoi 50

verrà tenuto sempre in vita, per esser pronto a riprendere

anni: mezzo secolo di vita, si può dire gloriosa, durante il

in pieno la sua azione, non appena sarà stata conquistata la

quale aveva sempre aumentato il prestigio in tutto il

Vittoria!" ACS, MPI, AABBAA, div. III, 1929-1960, Β. 2βι,

mondo ed aveva sempre più giovato a Venezia e all'arte ita-

Brief Maraini an Biggini, 15. Januar 1944.

liana. [...] La momentanea eclisse delle sue funzioni deve

Presidenza della Biennale di Venezia è tuttora affidata al

74 „La

D I E B I E N N A L E W Ä H R E N D DER R E P U B L I K VON SALÒ

213

Ein Vorschlag, der erst nach dem Krieg realisiert werden sollte. Aber Pallucchini betonte, dass er

... immer zur Disposition dieser königlichen Superintendanz stehe, der ich all meine herzliche Mitarbeit gebe, sei es im aktuellen Moment, was den Luftschutz betrifft, genauso wie für alles andere, was von mir verlangt wird.75 Moschini und Pallucchini arbeiteten in der Folge beim Schutz der Kunstwerke in der Region Veneto eng mit der Abteilung Kunstschutz der Deutschen Wehrmacht zusammen. 76 Nachdem im Februar 1944 aufgrund der problematischen Gesamtsituation Podestà Giovanni Battista Dall'Armi zum Sonderkommissar der Biennale ernannt worden war, wurde Maraini dazu aufgefordert von seinem Amt als Generalsekretär zurückzutreten.77 Er tat dies in der Hoffnung, dass die Biennale nicht das gleiche Schicksal, wie das Nationalsyndikat, nämlich den kompletten Zusammenbruch, erleiden würde. A m 28. April 1944 wurde nach 17 Jahren der Rücktritt von Maraini bekannt gegeben.

Die Gebäude besetzt und umgewandelt für andere Zwecke, das Einrichtungsmaterial geplündert, die Leitungsorgane aufgelöst und vom alten ursprünglichen städtischen Büro entfernt, man hat die Körperschaft mit ihren Gesetzen ausgestattet, mit seinem Archiv der zeitgenössischen Künstler, mit seinen Theater-, Musik-, Filmmanifestationen, mit seinen renovierten und verdoppelten ausländischen Pavillons, mit seinen Dutzenden Ausstellungen im Ausland, mit allem in einem Wort was dazu beigetragen hat das Prestige dieser venezianischen Institution zu erhöhen.711 Der nominelle Hauptverantwortliche war bis zum Kriegsende Podestà dell'Armi, der sich nur mit Widerwillen diesem Amt widmete. Wie von Maraini schon am Beginn seiner Amtszeit Conte Volpi di Misurata, mentre la Segretaria Generale è

Italien und das Schicksal des italienischen Kunstbesitzes,

retta da Antonio Maraini. Vi prospetto l'opportunità di

1943-1945", in: Quellen und Forschungen in italienischen

proporre all'Ente in qualità di Commissario Straordinario

Archiven und Bibliotheken, Nr. 72,1992,483-549 u. Ernst

S. E. Ardengo Soffici e di affidare la segretaria di esso al

Kubin, Raub oder Schutz? Der deutsche militärische

capo dei servizi artistici del Comune di Venezia Dottor

Kunstschutz in Italien, Graz/Stuttgart 1994.

Pallucchini." ACS, MPI, AABBAA, div. III, 1929-60, Β.

Briefwechsel zwischen Biggini und Maraini, 22. Februar,

282, Biennale Varie, Fase. I, Venezia Biennale Nomina

14. März, 26. März u. 22. April 1944. ACS, MPI, AABBAA,

Rappresentanti del M.E.N. del consiglio d'amministra-

div. III, 1929-60, B. 282.

zione.

75 „sempre a disposizione di codesta R. Soprin-

formati per altri scopi, il materiale di arredo manomesso,

tendenza, alla quale darò tutta la mia cordiale collabora-

gli organi direttivi disciolti, e allontanato chi dal vecchio

77 Vgl.

78 „Gli edifici occupati e tras-

zione, sia nel momento attuale per quanto riguarda la pro-

originario ufficio municipale, aveva tratto l'Ente con le sue

tezione antiaerea come per quanto tutto mi sarà richiesto."

leggi, con il suo archivio degli artisti contemporanei, con le

Archivio della Soprintendenza per i Beni Artistici e Storici

sue manifestazioni di teatro, di musica, di cinema, con i

di Venezia, Brief von Pallucchini an Vittorio Moschini

suoi padiglioni stranieri rinnovati e radoppiati, con le sue

(Soprintendente Nachfolger Gino Fogolari), o. D. zit. Nepi

diecine di mostre all'Estero, con quanto in una parola ha

Scirà 2001, S. 107.

concorso ad elevare al massimo il prestigio della istituzio-

76 Vgl. Lutz Klinkhammer, „Die

Abteilung Kunstschutz der deutschen Militärverwaltung in

ne veneziana." Ebd. 26. März 1944.

214

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N E U R O P A S " D E R A C H S E N M Ä C H T E

beschrieben, funktionierte die von ihm aufgebaute Institution reibungslos weiter. Das Tagesgeschäft übernahm Romolo Bazzoni. Bis auf einzelne Statutenänderungen musste sich dieser hauptsächlich mit den desaströsen Bilanzen der letzten Jahre herumschlagen. Im Juli 1944 wurde nochmals das Gesetz von 1938 geändert, wodurch die Biennale nun allein dem Ministerium für nationale Erziehung (MEN) unterstand.79 Nach der Absage weiterer finanzieller Unterstützung durch das Ministerium sah Dall' Armi keine Chance, die Biennale zu retten und schrieb ausführlich an Biggini: Bei der Biennale Internazionale di Venezia, deren Bilanzen für das Jahr 1943 alle ausgeglichen sind, und die ihr in letzter Zeit aufgezwungene Inaktivität hat sie der Einkünfte aus den unterschiedlichen künstlerischen Aktivitäten beraubt, die sie laut Gesetz organisieren dürfte, die moralische und materielle Unterstützung wird ihr natürlich nicht versagt, sie hat darauf Anspruch da sie den Namen Venedigs und Italiens hoch gehalten hat indem sie sie alle in die Stadt der Dogen zurückgerufen hat: Massen von Künstlern, Bildhauern, Kunstliebhabern, nicht zu vergessen die Besucher aus allen Schichten, die nicht nur von der Faszination der Stadt angezogen werden sondern auch von internationalen künstlerischen Veranstaltungen, die mit größter Sorgfalt von der Biennale entwickelt und realisiert wurden, wobei sie, um die Wahrheit zu sagen, überall immer die größte finanzielle und moralische Unterstützung erfahren hat. Auch in diesem Moment in dem die Körperschaft eine Periode akuter Krise durchmacht, vertraut sie darauf daß sie dazu beitragen wollen, diese verdienstvolle Institution, die in ihrer Art einmalig auf der Welt ist, am Leben zu erhalten."0

Es ist erstaunlich, in dieser Situation an die Zukunft zu denken, wo sich der totale Zusammenbruch bereits abzeichnete. Die Realität sah deutlich anders aus, denn seit Anfang des Jahres 1944 begannen die beiden Filminstitute LUCE und CINES, die aus Rom verlegt werden mussten, die Bauten der Giardini in Studios, Werkstätten, Labors für die Fortsetzung der italienischen Filmproduktion umzubauen. Somit entstand in den Giardini eine sehr viel 79 Vgl. ACS, MPI, AABBAA, div. III, 1929-1960, B. 282,

e di amatori d'arte, nonché di visitatori di tutti i ceti, at-

Decreto Legislativo del Duce. Vigilanza e tutela da parte

tratti, oltre che dal fascino della città, dalle manifestazioni

del Ministero dell'Educazione Nazionale della Biennale di

artistiche internazionali ideate e realizzate col massimo

Venezia-Modifiche al RDL 21 luglio 1938, N. 1517, August

scrupolo dalla Biennale che, a dire il vero, ha sempre tro-

1944.

80 „Alla Biennale Internazionale di Venezia, i cui

vato il più largo appoggio di consensi e di mezzi da parte

bilanci a tutto l'esercizio 1943 sono in pareggio, e la cui

di tutti gli Enti. Anche in questo momento, in cui l'Ente

forzata inattività in questi ultimi tempi l'hanno privata die

attraversa un periodo di crisi acuta, [... ] vorranno contri-

proventi delle varie manifestazioni artistiche, che ad essa

buire per mantenere in vita questa benemerita istituzione,

spetta di organizzare a norma di legge, non verrà certa-

unica al m o n d o nel suo genere." ACS, MPI, AABBAA, div.

mente negato quell'appoggio morale e materiale cui essa

III, 1929-1960, Β. 282, „Biennale Varie", Fase. III, Venezia

ha diritto per aver tenuto alto e risonante in tutto il m o n d o

Biennale Bilancio, Brief Dall'Armi an Biggini, Venezia,

per un cinquantennio il nome di Venezia e dell'Italia,

9. Dezember 1944.

richiamando nella città dei Dogi folle di artisti, di scultori,

DIE BIENNALE W Ä H R E N D DER REPUBLIK VON

SALÒ

215

kleinere Variante von Cinécittà, das sogenannte Cinévillaggio.81 Im November folgten auch die in Rom arbeitslos gewordenen Schauspieler. Während der 18 Monate seines Bestehens war Venedig somit das Zentrum der faschistischen Filmproduktion, wo mehr als 30 Spielfilme und zahllose Wochenschauen, Dokumentationen und andere Propagandawerke entstanden. Überschattet von der deutschen Besatzung und von dieser streng kontrolliert, ging das glamouröse Filmleben bis zum endgültigen Aus durch das Kriegsende weiter. Liucci beschreibt die Situation ausfuhrlich, indem er das unkontrolliert ablaufende Leben der Schauspieler skizziert, welches vor allem von den Sicherheitskräften mit Argwohn beobachtet wurde. Kurz vor seinem Tod kehrte auch der einst die Zerstörung Venedigs predigende Filippo Tommaso Marinetti in die Lagunenstadt zurück. Er gründete ein Freiwilligenbataillon und betrieb die Organisation des Congresso futurista di guerra. Bereits im Mai 1944 hatten alliierte Bombenangriffe auf Porto Marghera und Mestre begonnen, wo man ein Öllager, eine Ölraffinerie, eine Aluminiumfabrik, den Bahnhof und weitere wichtige Ziele zerstörte. Blieb auch das historische Zentrum Venedigs von den Bombenangriffen der Alliierten verschont, so hatte die Resistenza die Produktionsstätten der faschistischen Propagandamaschinerie als Ziele auserkoren. Am 14. Juli 1944 brannte so der Sitz des Istituto LUCE ab und am 26. Juli 1944 wurden die Büros der deutschen Propagandaabteilung und der Deutschen Wochenschau im Palazzo Ca'Giustinian durch einen Bombenanschlag vollständig zerstört. Unter den Augen der deutschen Besatzung fand von August bis September 1944 die XIV Mostra d'Arte del Sindacato Belle Arti XXXIV dell'Opera Bevilacqua La Masa in der Sala Napoleonica statt.82 Im Bildungsministerium in Padua beschäftigte man sich noch bis zwei Tage vor der Befreiung durch die englische Armee am 28. April 1945 mit der Zukunft der Biennale.83 Am selben Tag wurden Benito Mussolini und weitere 15 Mitstreiter, darunter auch Alessandro Pavolini, von Partisanen hingerichtet. Am 29. April unterzeichneten die deutschen Truppen im königlichen Palast in Caserta die Kapitulation. Carlo Alberto Biggini war zunächst die Flucht gelungen, doch er verstarb bereits am 19. November 1945 unter falschem Namen in einem Krankenhaus. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die kulturellen Aktivitäten der Biennale und der Stadt mit kriegsbedingten Einschränkungen fortgesetzt. Der institutionelle und infrastrukturelle Ausbau garantierte diese Kontinuität und es wurde sogar versucht, den internationalen Charakter — trotz des zunehmenden Mangels an frei bestimmten europäischen Nationen — zu bewahren. Bis zur Kunstausstellung von 1940 war noch die USA in den Giardini vertreten. Der Kriegseintritt im Sommer dieses Jahres beendete die Zusammenarbeit. Dominiert wurden die Kunstausstellungen von der italienischen Kunst, denn der Achsenpartner Deutsch-

81 Einen kurzen Überblick zur Geschichte des Cinévillag-

Belle Arti XXXIV dell'Opera Bevilacqua La Masa", Ausstel-

gio bei: Piero Zanotto, Veneto in film, Venedig 2002 u.

lungskatalog, Venedig 1944. In der Kommission saß auch

Giuseppe Ghigi, „II sogno di Cinévillaggio", in: Roberto

Rodolfo Pallucchini.

Ellero (Hg.), L'immagine e il m i t o di Venezia nel cinema,

III, 1929-1960, B. 282, Brief Anti an Provincia di Venezia,

Venedig 1983.

26. April 1945.

82 Vgl. „XIV Mostra d'Arte del Sindacato

83 Vgl. ACS, MPI, AABBAA, div.

DAS S C H A U F E N S T E R DES „ N E U E N E U R O P A S " DER

216

ACHSENMÄCHTE

land scheiterte kläglich an den selbst gesetzten Maßstäben, die außerhalb des Reiches wenig Anerkennung fanden. Zwar hatte man versucht, 1940 mit Arno Breker im Zentrum des Pavillons aufzutrumpfen, aber der Beitrag von 1942 hatte die Mittelmäßigkeit der deutschen Kunst bewiesen. Der Auftritt von schon in der Weimarer Republik nicht international erfolgreichen Künstlern wie Arthur Kampf zeugte von diesem kompletten Scheitern. Ganz anders war die Stellung der Filmkunstschau, der von Seiten des nationalsozialistischen Deutschland, allen voran Joseph Goebbels, hohe Bedeutung beigemessen wurde. Die international angesehene Filmkunstschau wurde als Bühne für die Präsentation nationalsozialistischer Propagandafilme genutzt. Einige der perfidesten Machwerke, die die Politik der Judenverfolgung, der Euthanasie, des totalen Krieges und des Englandhasses rechtfertigen sollten, erlebten in Venedig ihre Welturaufführung. Der propagierte Sieg des deutschen Films konnte ohne den Auftritt von Konkurrenz leicht errungen werden. Hier wurde wieder einmal die Offenheit, oder besser gesagt Ignoranz, der Organisatoren der venezianischen Manifestationen deutlich. Jede Ideologie konnte diese Bühne nutzen und mit der Teilnahme der Marionettenstaaten konnte man der Öffentlichkeit sogar die Wahrung der Internationalität suggerieren. Auch die in bescheidenem Maße fortgesetzten kunsthistorischen Ausstellungen, die Musik- und Theatermanifestationen waren geprägt von der deutsch-italienischen Kulturachse. Der Einbruch bei den Besucherzahlen konnte so nicht kompensiert werden. Venedigs wirtschaftliche Abhängigkeit von einer friedlichen europäischen Gesamtsituation hatte sich wie bereits im Ersten Weltkrieg bestätigt. Die dominierenden Besuchergruppen in den 1930er Jahren waren Deutsche, Amerikaner und Engländer. Da die befeindeten Staaten ausfielen, konnte Deutschland diese Zahlen nicht gewährleisten. All die Ausbauten der 1930er Jahre konnten so nicht voll zum Zuge kommen. In der Republik von Salò spielte Venedig eine wichtige Rolle als kulturelles und diplomatisches Zentrum. Mit den verschiedenen Teilen von Ministerien und staatlichen Einrichtungen wie der Filmproduktion im Cinévillaggio war die Stadt das Zentrum der faschistischen Propaganda. Die kulturellen Aktivitäten wurden, wenn auch in sehr bescheidenem Umfang, fortgesetzt. Trotz des Verlusts ihrer Büros und des Archivs im Palazzo Ca'Giustinian hatte die organisatorische Struktur der Biennale in Person des technischen Direktors Romolo Bazzoni Bestand. Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete in diesem Sinne keinen Bruch, sondern die Fortsetzung der Aktivitäten war gewährleistet und die Ausstellungs- und Festivalmaschinerie konnte ohne Probleme wieder aktiviert werden.

KAPITEL 8

DIE F O R T S E T Z U N G DER A K T I V I T Ä T E N ! EIN NEUBEGINN?

talien war nach dem Zweiten Weltkrieg ein zerrissenes Land. Hatte für einen Großteil der

I

Bevölkerung der Krieg bereits 1944 geendet, mussten die unter der deutschen Besetzung

lebenden Norditaliener bis zum Sommer 1945 auf das Kriegsende warten. Unter der deutschen Besatzung wurde das Land ausgebeutet, zehntausende Italiener wurden als Zwangsarbeiter ins Reich verschleppt. Einige der Hauptprobleme waren die Auseinandersetzungen zwischen den Kollaborateuren der RSI und der Resistenza, die sich zu einem Bürgerkrieg zu entwickeln drohten. Das Land war von alliierten Soldaten besetzt und stand unter der Verwaltung des Comitato per la Liberazione Nazionale (CLN) in Rom. Nominelles Staatsoberhaupt blieb bis zur Abschaffung der Monarchie König Vittorio Emanuele III.. Kurz vor deren Ende hatte er sein Amt an seinen Sohn Umberto II. von Savoyen übergeben. Doch dieser sollte nur von Mai 1946 bis zum formalen Ende der Monarchie am 12. Juni 1946 für 33 Tage regieren. Am 2. Juni 1946 hatte sich das italienische Volk in einem Referendum für die zukünftige Staatsform einer Republik entschieden, deren Verfassung 1948 in Kraft trat. Nach den Erfahrungen mit der faschistischen Diktatur legte man den Schwerpunkt der politischen Macht auf ein parlamentarisches System mit zwei gleichberechtigten Kammern. In einem ersten Teil wird die Ausgangssituation in Venedig beschrieben, wo im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg im historischen Zentrum kaum Schäden angerichtet worden waren. Der einzig schnell zu belebende Wirtschaftszweig war die Tourismusindustrie, da die Industriegebiete um Porto Marghera stark zerstört waren. In einem zweiten Abschnitt wird die schnelle Fortsetzung der Aktivitäten gezeigt, die vor allem auf dem institutionellen und infrastrukturellen Ausbau der 1930er Jahre basieren. In der Analyse der Internationalen Kunstausstellung von 1948 soll deutlich werden, welche inhaltlichen Kontinuitäten sich im Ausstellungsprogramm fhden lassen — einzig der deutsche Beitrag stellte einen tatsächlichen Neubeginn dar. Alle anderen Länder, allen voran Italien, setzten ihre Beiträge mit den fast identischen Künstlern von 1942 fort. In einem letzten Abschnitt wird das Schicksal der Akteure beschrieben, die in der Nachkriegszeit keine Rolle mehr spielten, aber ohne deren Einsatz die Fortsetzung der Aktivitäten so nicht möglich gewesen wäre.

218

DIE F O R T S E T Z U N G DER A K T I V I T Ä T E N : EIN

NEUBEGINN?

VENEDIG 1 9 4 5 : K O N T I N U I T Ä T IM WANDEL

Als am 28. April 1945 die Deutsche Wehrmacht das Kommando in Venedig an die britischen Truppen übergeben hatte, waren fast genau 50 Jahre seit der Eröffnung der ersten Internationalen Kunstausstellung vergangen. Die Ausgangslage für die Fortsetzung der kulturellen Aktivitäten war sehr viel besser als nach dem Ersten Weltkrieg, als die Stadt ihre traurigsten Jahre erlebt hatte. Der historische Stadtkern war weitgehend ohne Zerstörungen geblieben, die Infrastruktur funktionierte und, was das Wichtigste war, die Stadt war voller Menschen. Schließlich war Venedig bis zur Kapitulation der deutschen Truppen eine der wichtigsten Städte der Republik von Salò und des Kommandos der Wehrmacht gewesen. Die Hauptaufgabe der Alliierten war die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und die Eindämmung der immer wieder durchgeführten Erschießungen faschistischer Verantwortlicher durch die Resistenza. Das zweite langfristig angelegte Projekt beinhaltete die Beseitigung der massiven Zerstörungen in Porto Marghera, welches wegen seiner kriegswichtigen Industrien massiv durch die Alliierten bombardiert worden war. Die soziale Situation war geprägt von Arbeitslosigkeit, Armut, Verwahrlosung, die vor allem durch den Zusammenbruch und die Zerstörung des für Venedig so wichtigen Industriestandortes Porto Marghera begründet war. Vom Comitato di Liberazione Nazionale (CLN) wurde Giovanni Ponti (1896—1961) von der Democrazia Cristiana (DC) zum neuen Stadtoberhaupt bestimmt.1 Schnell erkannte die Stadtfuhrung, dass die Tourismusindustrie die einzige schnell wiederzubelebende Einnahmeund Beschäftigungsmöglichkeit Venedigs war. Zunächst erschien es unmöglich, dass in absehbarer Zeit wieder größere Kulturveranstaltungen in Venedig stattfinden könnten, da die Infrastruktur der Biennale und der städtischen Museen in einem beklagenswerten Zustand war. Der Sitz der Büros der Biennale und des ASAC im Palazzo Ca' Giustinian war durch die Verwendung durch die deutschen Behörden und den dort verübten Bombenschlag zunächst nicht zu nutzen. Auch die Pavillons in den Giardini, der Filmpalast und die städtische Spielbank am Lido waren durch Umnutzung stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Neuen Prokuratien sowie die Palazzi Ca' Pesaro und Ca' Rezzonico waren nicht für Ausstellungen nutzbar, da dort die von der „Abteilung Kunstschutz" der Deutschen Wehrmacht zusammengetragenen Kunstwerke von der Terraferma untergebracht worden waren. Diese unterstanden jetzt zunächst der Kontrolle der Division of Monuments, Fine Arts and Archives

1 Giovanni Ponti war seit 1919 Mitglied der Partito

des Zweiten Weltkrieges wurde er von dem CLN zum

Popolare Italiano (PPI) und von 1920 bis 1923 Stadtrat

Sindaco ernannt. Er war seit 1946 Abgeordneter der D C

und Assessor in der Giunta Giordano, der letzten demo-

und wurde 1953 zum Senator gewählt. Er war Minister für

kratisch gewählten vor dem Faschismus. Arbeitete als

Tourismus, Sport und Spettacolo und Präsident der Bien-

Mathematikprofessor. A b 1943 war er aktiv in der Resis-

nale (1946-1954, 1957-1960). Wie schon sein Vorgänger

tenza, Mitglied des Comitato Liberazione

Nazionale

Volpi war er auch Procuratore di San Marco (1947 bis

(CLN) und einer der Gründer der Democrazia Cristiana

1955). Literatur: Silvio Tramontin, Giovanni Ponti (1896-

(DC). Wurde in Padova verhaftet und gefoltert, schließlich

1961): Una vita per la Democrazia e per Venezia, Venedig

zum Tode verurteilt aber ihm gelang die Flucht. Nach Ende

1983·

V E N E D I G 1 9 4 5 : K O N T I N U I T Ä T IM WANDEL

219

(Allied Military Government, Venice Region). Diese Tatsache eröffnete den pragmatischen Kulturverantwortlichen in Venedig die Möglichkeit, noch im Kriegsjahr eine international bedeutende kunsthistorische Ausstellung zu realisieren. Wann hatte die Stadt schon die Chance, so viele erstklassige Kunstwerke ausstellen zu können, ohne diese von den Museen, Kirchen oder privaten Besitzern leihen zu müssen? Die zahlreichen Meisterwerke der Malerei, Skulptur und Plastik stammten vorwiegend aus den Provinzen von Padva, Vicenza, Rovigo und Treviso. Unter dem Titel Mostra di Cinque Secoli di Pittura Veneta wurde vom 20. Juli bis 30. November 1945 vom Direktor der Schönen Künste der Kommune Rodolfo Pallucchini in den Neuen Prokuratien eine Ausstellung zusammengestellt.2 Wie schon vor dem und während des Krieges dachte man dabei an die „wissenschaftliche und kulturelle Bedeutung, sowie den touristischen Wert einer solchen Initiative."3 Darüber hinaus konnte zu diesem Anlass der Standort des Museo Correr saniert werden. Bürgermeister Giovanni Ponti betonte im Vorwort des englischsprachigen Katalogs die Bedeutung dieser Ausstellung: So dass wir schon in diesem ersten, bewegten Nachkriegssommer glücklich sind, bereit zu sein, unser Programm der Ausstellungen Alter Kunst, Seite an Seite mit den modernen Biennale Ausstellungen der früheren Jahre, wiederaufzunehmen.* Die Schau diene dazu, ... den kosmopolitischen Truppen der alliierten Armeen, die Venedig besuchen, die Essenz unserer Zivilisation als Belohnung für den Stress und das Risiko des Krieges zu präsentieren.5 In den Pavillons der Giardini hatte man die Filmproduktion fortgesetzt und die Bauten waren voller Produktionstechnik. Aus diesen verbliebenen Resten wurde die Mostra del materiale Cinematografico eingerichtet. Der Beirat der Leitung der städischen Museen, der am 29. September 1945 zusammentraf, bilanzierte die aktuelle Situation der städtischen Museen. Die kompletten Bestände waren in hunderte von Kisten verpackt und die Standorte der Museen durch Kriegseinwirkungen und Umnutzungen stark in Mitleidenschaft gezogen. All dieses Material kann zur Zeit nicht an seinen Platz zurückkehren, weil ein Teil der Regale von der Bibliothek und dem Archiv der venezianischen KunstBiennale besetzt ist, die nicht an ihren ursprünglichen Sitz zurückkehren können, da dieser immer noch von dem alliierten Militärkommando genutzt wird.6 2 Vgl. AMV, 1941-1947, IX.12.9, Mostra di Cinque Secoli

Art, side by side with the Modern Biennial Exhibitions of

di Pittura Veneta.

former years." Giovanni Ponti, „Prefazione", in: „Five

3 „Importanza culturale e scientifica

ed il valore turistico d'una iniziativa come questa". Ebd.,

Centuries of Venetian Painting", Ausstellungskatalog,

Giovanni Ponti, Deliberazione, Oggetto: Mostra di Cinque

Venedig 1945, S. 8.

secoli di Pitture Venete, 24.7.1945.

4 „So that already in

civilization to the cosmopolitan troops of the Allied

this first, troubled, post-war summer we are happy to be

Armies visiting Venice as a reward after the stress and risk

able to resume our programme of Exhibitions of ancient

of war." Ebd., S. 9.

5 „... to reveal the essence of our

6 „Non tutto questo materiale é pos-

220

DIE FORTSETZUNG DER AKTIVITÄTEN: EIN

NEUBEGINN?

DIE BIENNALE SETZT IHRE A K T I V I T Ä T E N

Die internationale wurde,

Biennale

hat sich während

weltweiten geweitet,

Ruhm indem

auf den Film,

auf das Theater

beginnt

von Venedig,

Festival

von Venedig

zeitgenössischer

und dem

Kunst

auf die Musik Musik

aus-

begrün-

Filmkunstschauen

Freiluftaufführungen.

1946

di Venezia

gegründet

der bildenden

seit 1930

mit den Internationalen

mit den großen

die Biennale

die 1895

auf dem Feld

Sie hat ihre Aktivitäten

sie das I. Internationale

kunstmanifestationen festival

23 Ausstellungen

gesichert.

det hat. Seit 1932 seit 1934

Kunstausstellung

FORT

und

Mit den

IX. Internationalen

mit der Wiederaufnahme

FilmMusik-

ihrer

Aktivi-

Ebene.7

täten auf einer internationalen

Broschüre, IX. Festival Internazionale di Musica, S e p t e m b e r 1 9 4 6

D i e A u s s t e l l u n g s - u n d F e s t i v a l a k t i v i t ä t e n d e r B i e n n a l e w a r e n z w a r seit 1 9 4 2

unterbrochen

worden, d o c h hinter d e n Kulissen w u r d e die ganze Zeit über weitergearbeitet.

Schließlich

hatte bis A n f a n g 1 9 4 4 M a r a i n i seine F u n k t i o n als G e n e r a l s e k r e t ä r i n n e u n d seine

engen

Mitarbeiter R o m o l o Bazzoni, D o m e n i c o V a r a g n o l o u n d Elio Z o r z i hatten ihre Arbeit kontinuierlich

fortgeführt. Die

geistige

Grundlage

für

die

Fortsetzung

der

internationalen

K u n s t a u s s t e l l u n g e n u n d Festivals legte N i n o B a r b a n t i n i , d e r sich seit 1 9 3 2 ausschließlich m i t kunsthistorischen T h e m e n befasst hatte. N o c h 1 9 4 5 veröffentlichte er ein B u c h m i t d e m prog r a m m a t i s c h e n Titel „Biennali", in d e m er seine G e d a n k e n , Kritiken, Briefe u n d Ideen z u r z u k ü n f t i g e n E n t w i c k l u n g ausführlich darlegte.8 Bereits i m D e z e m b e r 1 9 4 5 hatte die Ente P r o v i n c i a l e p e r il T u r i s m o ü b e r d i e z u k ü n f t i g e n A k t i v i t ä t e n b e r a t e n . Die Filmschau möglich benutzen.

muss möglicherweise

sein wird, [...]

den Filmpalast

Das

Septemberwoche,

Festival

im Cinema am Lido

moderner

dem Redentore-Fest

Teatro della Fenke

S. Marco

im Zeitraum

Musikkunst wird

stattfinden,

da es un-

vom 1. bis 20. Juli

mit Beginn

von der autonomem

in der

zu

ersten

Körperschaft

organisiert.9

sibile però far ritornare, per ora in sede, poiché parte della

cinematografica, e dal 1934 al Teatro con I grandi spetta-

scaffalature sono occupate dalla Biblioteca e dall'Archivio

coli all'aperto. Con la manifestazione d'arte cinematogra-

della Biennale d'arte veneziana che non può ritornare alla

fica di Venezia 1946 e con il IX Festival internazionale di

sua sede originaria in quanto che essa é ancora occupata da

Musica la Biennale di Venezia inizia la ripresa della propria

comandi militari alleati." AMV, 1941-1947

IX.11.2,

attività artistica sul piano internazionale. Biennale di

Riunione des Consiglio di Sopraintendenza dei Civici Mu-

Venezia. IX Festival internazionale di Musica Contempo-

sei, 29. September 1945.

ranea (Organizzato dall'ente auton. Del Teatro La Fe-

7 „L'Esposizione Biennale

internazionale d'arte di Venezia, fondata nel 1895, afferma-

nice)." Calendario, Venezia 15-22 Settembre 1946, Venezia

tasi nel campo delle arti figurative attraverso ventitré espo-

1946.

sizioni che le hanno assicurato una fama mondiale, ha

Venedig 1945.

esteso la propria attività dal 1930 alla Musica, istituendo I

bilmente al Cinema S. Marco, visto che sara impossibile

Festival internazionali di Musica contemporanea, dal 1932

usufruire del palazzo del Cinema al Lido, epoca dall' 1 al

alla Cinematografica, con le Mostre internazionali d'arte

20 luglio. [...] Festival Musicale d'arte moderna, con

8 Vgl. Nino Barbantini, Biennali 1912-1945, 9 „Mostra del Cinema da tenersi proba-

DIE B I E N N A L E S E T Z T I H R E A K T I V I T Ä T E N F O R T

221

Das faschistische Ausstellungssystem, der starke Einfluss Volpis, die Rolle Antonio Marainis und der Einsatz Giuseppe Bottais hatten Fakten geschaffen, die nicht geändert wurden. Die im Laufe der Jahrzehnte entstandenen institutionellen Einrichtungen wie das Büro des Generalsekretärs, das ASAC und die Galleria Internazionale d'Arte Moderna garantierten die Zukunft dieser Kulturinstitution. Bei den Kommunalwahlen im März 1946 siegte das Wahlbündnis aus Partito Comunista Italiana (PCI) und der Partito Socialista Italiana (PSI). Es wurde der Kommunist Giobatta Gianquinto zum Bürgermeister gewählt.10 Stärkste Partei im Land war die Democrazia Cristiana (DC), so dass das CLN aus politischen Gründen an Giovanni Ponti als Präsidenten der Biennale festhielt, der ein erklärter Antikommunist war." Der neue Präsident Giovanni Ponti und der neue Generalsekretär Rodolfo Pallucchini konnten auf eine intakte Institution zugreifen.12 Die gesetzlichen Regelungen der autonomen Körperschaft von 1938 blieben zunächst unverändert, auch wenn diese unter faschistischer Initiative entstanden waren. Sie garantierten den erheblichen Einfluss des Staates auf die venezianische Ausstellungs- und Festivalpolitik. Unterstützt wurde Ponti vom Generaldirektor der Schönen Künste Guglielmo De Angelis D'Ossat, der auch Mitglied der DC war. Jetzt tauchten die über zwei Jahrzehnte unterdrückten politischen Spannungen wieder auf, denn es gab große Differenzen zwischen der Democrazia Christiana (DC), der Partito Comunista Italiana (PCI) und der Partito Socialista Italiana (PSI). Aus dem faschistischen Künstlersyndikat war die Associazione Pittori e Scultori Veneziani hervorgegangen, die von Generalsekretär Ilario Neri geleitet wurde. Sie und die Gewerkschaften protestierten mehrfach gegen die christdemokratische Führung der Biennale, wie zahlreiche Briefe an den Ministerpräsidenten zeigen.13 Seit der ersten Internationalen Kunstausstellung 1895

war

die Biennale schrittweise zu

einer perfekt organisierten Kulturinstitution entwickelt worden. Hatte man damals mit einer umgebauten Reithalle in den Giardini begonnen, konnten die Verantwortlichen jetzt auf eine ausgezeichnete Infrastruktur zurückgreifen. Auch wenn die Bauten durch den Krieg und die Umnutzung einigen Schaden erlitten hatten, so gab es jetzt einen Ausstellungspalast, siebzehn nationale Pavillons, einen modernen Filmpalast und ein funktionierendes Ausstellungssekretariat. In Venedig gab es einige private Galerien, die ihre Aktivitäten auch während der Besatzungszeit fortgesetzt hatten. Darunter waren die Galleria del Cavallino, Galleria dell'Arco, Galleria Venezia, Galleria San Marco und die Piccola Galleria die wichtigsten.14 Die Ausinizio nella prima settimana di settembre, a cura dell'Ente

217.

Autonomo della Fenice, festa del Redentore." AMV, 1 9 4 1 -

Budillon Puma, La Biennale di Venezia dalla guerra alla

1947 111.9.6, Relazione sull riunione tenutasi il giorno

crisi 1948-1968, Bari 1995; Maria Cristina Bandera, Il car-

12 dicembre 1945 presso l'Ente Provinciale Turismo, S. 1.

teggio Longhi-Pallucchini. Le prime Biennali del dopo-

10 Die Ergebnisse der Kommunalwahl vom 24. März 1946

guerra 1948-1956, Mailand 1999; zuletzt grundlegend

waren: PCI 27.3. PSI 24,7 und DC 36,8.

11 Vgl. Nancy

12 Zur Nachkriegsgeschichte grundlegend Pascale

Marylène Malbert, Les relations artistiques à la Biennale de

Jachec, „Anti-communism at Home, Europeanism Abroad:

Venise 1948-1968, Paris 2007.

Italian Cultural Policy at the Venice Biennale, 1948-1958",

Gen., AA BB AA, div. III, 1929-1960, Β. 28ι.

in: Contemporary European History, 14.2.2005, S. 1 9 3 -

B. M., „Venezia: Mostre importante nel 1944", in: Empo-

13 Vgl. ACS, MPI, Dir. 14 Vgl. u. a.

222

DIE FORTSETZUNG

DER AKTIVITÄTEN: EIN

NEUBEGINN?

stellungsaktivitäten außerhalb dieser privaten Gallerien wurden ab Sommer 1946 wieder aufgenommen, auch wenn man sich zunächst mit dem von der Stadt im Februar ausgeschriebenen Premio Burano per un'opera di Pittura begnügen musste.15 Dieser Wettbewerb wurde in Kooperation mit der Biennale organisiert. Der ausschließlich für ein Landschaftsbild ausgeschriebene Preis wurde kritisiert, da er ausschließlich touristischen Zwecken diene. Vielversprechender schien der Kunstwettbewerb Premio della Colomba zu sein, der als „ ein kleiner Test für die zukünftige Biennale" bezeichnet wurde und die Pavillons von Deutschland und Frankreich in den Giardini nutzte.16 Darüber hinaus fand im Winter 1946 im Palazzo Ca Pesaro eine von René Huyghe organisierte Ausstellung zeitgenössischer französischer Kunst statt, die den Neubeginn der früher so intensiven Beziehungen zu Frankreich darstellte.17 Organisiert von Elio Zorzi, dem langjährigen Pressechef der Biennale, wurde am 31. August 1946 im Cinema San Marco, im Teatro Malibran und in den Giardini eine reduzierte Film-Manifestation durchgeführt, an der sich neun Nationen beteiligten.'8 Zur Eröffnung kamen der Bildungsminister Guido Gonella (MPI) und Vertreter der Alliierten.19 Mit insgesamt 90.000 Besuchern konnte ein Rekord aufgestellt werden. Das IX. Festival Internazionale di Musica Contemporanea wurde in Kooperation mit dem Teatro La Fenice zwischen dem 15. und 22. September 1946 durchgeführt und erlebte die Rückkehr der internationalen Musik-Avantgarde nach Venedig. Für die VIII. Internationale Filmkunstschau des Jahres 1947 konnten bereits wieder achtzehn teilnehmende Nationen gezählt werden.20 Zwar hatte man die achte Ausgabe bereits 1940 organisiert, aber bei der Fortsetzung zählte man die drei Festivals von 1940 bis 1942 nicht mit. Dies ist nochmals eine Bestätigung der hohen Politisierung, die man dem Film im Gegensatz zu Bildender Kunst und Musik beimaß, deren Veranstaltungen in der alten Zählung fortgesetzt wurden. Die Besonderheit dieser Filmkunstschau war die Aufführung der Filme im Innenhof des Palazzo Ducale, die vielen unvergessen blieb (Abb. 67).21 Großen Raum nahmen die Filme aus der UdSSR ein, die in Anwesenheit des sowjetischen Generalkonsuls und des Regisseurs Grigorij Alexandroff präsentiert wurden. Deutschland war erstmals nach dem Krieg mit dem ostdeutschen DEFA Film von Wolfgang Staudte Die Mörder

rium,

Vol. C H , N . 609-610, S e p t e m b e r - O k t o b e r

1945,

Ausstellungskatalog, Venezia 1946.

18 Diese w a r e n die

S. 76 f.; G i u s e p p e M a r c h i o r i , „Venezia: M o s t r e del 1945",

USA, die UdSSR, G r o ß b r i t a n n i e n , Italien,

in: Emporium,

Polen, Türkei, Schweiz u n d d e r Vatikanstaat. Gezeigt w u r -

Vol. C I I , Ν . 6 ι ι - 6 ΐ 2 , S. 122-125; G i u s e p p e

Frankreich,

M a r c h i o r i , „Venezia: Vedova e Pizzinato-Il P r e m i o della

d e n 35 Spielfilme u n d 32 Kurzfilme.

C o l o m b a " , in: Emporium, Vol. CIV, Ν. 622, O k t o b e r 1946,

N u o v a Luce, N L 19, Venezia: l ' i n a u g u r a z i o n e della m o s t r a

S. 178.

15 Vgl. AMV, 1941-1947, IX.12.11, P r e m i o „Bu-

19 Vgl. Notiziario

internazionale del c i n e m a di Venezia, 1946.

20 Die 18

rano", B a n d o di C o n c o r s o , 9. F e b r u a r 1946. C o m u n e di

teilnehmenden

Bulgarien,

Venezia. 1. Preis 100.000 Lire; 2. Preis 80.000 Lire.

Tschechoslowakei, D ä n e m a r k , F r a n k r e i c h ,

16 G i u s e p p e

della

nien, Indien, Italien, Yugoslawien, Mexiko, Spanien, USA,

Marchiori,

C o l o m b a " , in: Emporium,Vol.

„Venezia:

Il

Premio

Nationen

waren

Belgien,

Großbritan-

CIV, Nr. 622, O k t o b e r 1946,

Schweden, Schweiz, U n g a r n , Südafrika, UdSSR u. Uruguay.

1 7 V g l . A M V , 1941-1947, IX.12.12, M o s t r a d i p i t -

2 1 Vgl. La S e t t i m a n a I n c o m , No. 73: Venezia: V i l i . M o s t r a

t u r e francese c o n t e m p o r a n e a a Ca' Pesaro, 15. Settembre

I n t e r n a z i o n a l e del C i n e m a . Biennale 1947, 29. August

1946 u . R e n é H u y g h e , Pittura Francese d'Oggi a Ca Pesaro,

1947·

S. 178.

„DIE OLYMPISCHEN SPIELE DER EUROPÄISCHEN M A L E R E l " I 9 4 8

223

sind unter uns vertreten. Der für Film zuständige Staatssekretär Giulio Andreotti (DC) kam zur feierlichen Eröffnung nach Venedig. Zusätzlich fand in den Giardini die Mostra Internazionale della Tecnica Cinematografica statt, die eine Auswahl der modernsten Produktionstechniken präsentierte.

„ D I E O L Y M P I S C H E N S P I E L E DER E U R O P Ä I S C H E N M A L E R E l " I 9 4 8

Die 1945 in London gegründete UNESCO hatte Ende 1946 ihre erste Generalkonferenz mit Delegationen und Beobachtern aus 28 Staaten in Paris. Aus diesem Anlaß wurde eine große internationale Kunstausstellung im Musée d'Art Moderne organisiert, bei der mehr als 1.500 Kunstwerke ausgestellt wurden.22 Die Ausstellung wurde allgemein als qualitativ unbefriedigend angesehen, so musste Europa noch warten, bis Venedig, das „Genf der Kunst", seine Aktivitäten wieder aufnahm. Bezeichnend für die ungebrochene Kontinuität und die Bedeutung ist die Stellung von Rodolfo Pallucchini, der als Chef der Museen und Generalsekretär der Biennale nun die uneingeschränkte Macht über das gesamte venezianische Kunstausstellungswesen ausübte. Die schon 1936 angedachten Ideen zur Zusammenführung aller Kompetenzen für zeitgenössische und alte Kunst waren nun realisiert worden. Die Kommission, die für das Jahr 1948 die erste Kunstausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg organisieren sollte, bestand aus altbekannten Namen, die fast alle in das Kunstleben des faschistischen Italien integriert gewesen waren (Abb. 68).23 Einzig Lionello Venturi, der aus dem Exil in Amerika zurückkehrte, und Carlo Ragghianti, der in der Resistenza aktiv gewesen war, hatten Opposition zur politischen Führung gezeigt. Ab Anfang 1948 konnte das Ausstellungssekretariat im Palazzo Ca' Giustinian wieder bezogen werden, und auch das ASAC kehrte an den 1940 eingerichteten Standort zurück.24 Was im bisher Gezeigten deutlich wird, ist die ungebrochene institutionelle und zu großen Teilen auch personelle Kontinuität der Biennale. So ist es nicht verwunderlich, dass sich auch das Ausstellungsprogramm ganz in der Tradition der Vorgänger bewegte. Unter der

22 Vgl. René Graetz, „UNESCO", in: Bildende Kunst, Juni

tivo), Elio Zorzi (Capo Ufficio Stampa e Propaganda,

1947) S. 22-24.

Direttore della Mostra del Cinema), Giulio Baradel

23 Präsidium und Leitungsausschuss

(Presidenza e Comitato Direttivo) 1948: Giovanni Ponti

(Ispettore Capo dell'Ufficio trasporti ed organizzazioni

(Commissario straordinario della Biennale, Presidente

varie), Domenico Varagnolo (Conservatore dell'ASAC),

dell'esposizione); Comissione per l'Arte Figurativa: Nino

Maro Novello (Direttore di Segretaria), Costante Moro

Barbantini, Carlo Carrà, Felice Casorati, Roberto Longhi,

(Dirigente l'ufficio Pubblicità e Turismo); Umbro Appol-

Giorgio Morandi, Marino Marini; Rodolfo Pallucchini;

lonio, Alvise Zorzi, Bruno Alfieri, Giuseppe Marchiori,

Carlo Ludovico Ragghiami, Pio Semeghini, Lionello

Vittorio Emanuele Barbaroux (Direttore dell'Ufficio Ven-

Venturi; Uffici di Segretaria della Biennale: Rodolfo

dite).

Pallucchini

Conetemporanea della Biennale", in: Bollettino

(Segretario

generale),

Romolo

Bazzoni

(Consulente), Giovanni Piccini (Direttore Amministra-

24 Vgl. „Riapertura dell'Archivio Storico d'Arte

XXXIII, Fase. 1, Januar-März 1948, S. 92.

d'Arte,

224

DIE FORTSETZUNG DER AKTIVITÄTEN: EIN

NEUBEGINN?

Leitung der Kunsthistoriker Roberto Longhi und Rodolfo Pallucchini wurde die Ausstellungspolitik zumindest in Bezug auf die italienischen Künstler fortgesetzt. Schon im Vorfeld gab es Kritik an Pallucchini, die sich vor allem daran entzündete, dass ein Kunsthistoriker die Leitung übernahm, der sich vor allem mit der alten Kunst Venedigs auskannte. „Der Generalsekretär Pallucchini war in Sachen der modernen Kunst recht wenig bewandert.", kommentierte Peggy Guggenheim seine Kompetenzen.25 Andere, gar kommunistisch geprägte Strömungen sollten unter seiner Leitung so weit wie möglich vermieden werden. Der „Sozialistische Realismus" war ein Tabu, da dieser von der Kommunistischen Partei in Moskau zur offiziellen Staatskunst bestimmt wurde und auch der italienische Kommunistenführer Togliatti bevorzugte diese Kunstrichtung.26 Nach Entwürfen des venezianischen Architekten Carlo Scarpa wurden die Schäden am Ausstellungspalast beseitigt und einige der Säle neu gestaltet.27 Im Ausstellungspalast waren neben den italienischen auch Künstler aus Ägypten, Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Irland, Mexiko, Portugal, Südafrika und Schweden und eine Auswahl deutscher Künstler untergebracht (Abb. 69). Deutschland war wieder einmal durch Bayern vertreten, genauer gesagt durch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen unter Leitung von Eberhard Hanfstaengl. Dieser zeigte Werke der wichtigsten Künstler der verfemten klassischen Moderne wie Willi Baumeister, Otto Dix, Carl Hofer, Karl Schmidt-Rottluff, aber auch einige jüngere Vertreter wie Edgar Ende, Ernst-Wilhelm Nay oder Mac Zimmermann in einem kleinen Ausstellungssaal. Bei der Präsentation der italienischen Künstler setzte man auf Kontinuität, waren doch fast alle auch in den 1930er und 1940er Jahren beteiligten Künstler eingeladen worden. Für Marainis Teilnahme setzte sich Giovanni Ponti persönlich ein, indem er dessen Verdienste für die Entwicklung der Biennale hervorhob, denn man dürfe nicht vergessen, „... daß er 1930 ihre Existenz gesichert hat, als die Verwaltung der Kommune und einige venezianische Vertreter des Faschismus über ihre Beendigung nachdachten. " 28 Maraini beteiligte sich aber nicht an der Ausstellung, obwohl auch Rodolfo Pallucchini und Roberto Longhi damit einverstanden gewesen wären.2' Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Holland, Österreich, Polen, Schweiz, Tschechoslowakei und USA nutzten ihre eigenen Pavillons. Die Ungarn stellten im rumänischen Pavillon aus, da der eigene zunächst noch hätte renoviert werden müssen. Der französische Kommissar Raymond Cogniat zeigte im französischen Pavillon Georges Braque, Georges Rouault und Marc Chagall.30 England war in einem von der Tate Gallery in London 25 Peggy Guggenheim, „Venedig und die Biennale", in:

Brief Ponti an Longhi, 7. Oktober 1947, zit. n. Maria

dies., Ich habe alles gelebt. Bekenntnisse einer Sammlerin

Cristina Bandera, Il carteggio Longhi-Pallucchini. Le

aus Leidenschaft, Bern/München 1986, S. 298-308, hier

prime Biennali del dopoguerra 1948-1956, Mailand 1999,

S. 300.

26 Vgl. Jachec 2005, S. 195.

27 Vgl. Orietta

Lanzarini, Carlo Scarpa. L'architetto e le arti. Gli anni della Biennale di Venezia 1948-1972, Venedig 2003.

28 „...

S. 49.

29 Vgl. Brief Longhi an Ponti, 10. Oktober 1947,

zit. n. Maria Cristina Bandera, Il carteggio LonghiPallucchini. Le prime Biennali del dopoguerra 1948-1956,

ch'egli ne ha salvato l'esistenza nel 1930, quando gli

Mailand 1999, S. 51.

Amministratori del Comune di Venezia e taluni esponenti

von der Association française d'action artistique (AFAA)

veneziani del fascismo ne meditavano la soppressione"

unter Direktor Philippe Erlanger. Eine ausführliche der

30 Organisiert wurde der Beitrag

„DIE OLYMPISCHEN SPIELE DER EUROPÄISCHEN MALEREI" I 9 4 8

225

organisierten Beitrag mit Henry Moore und William Maylord Turner vertreten. Im venezianischen Pavillon stellten erstmals israelische Künstler aus — noch vor der Gründung des Staates Israel. Die USA hatten Alfred M. Frankfurter, den Herausgeber der Art News, ausgewählt, der einem Komitee mit Vertretern von Metropolitan Museum, Whitney Museum, Museum of Modern Art und Brooklyn Museum vorstand. Da dieser Pavillon erst am 25. Juli eröffnet wurde, war zunächst die Schau der Kunstsammlerin und Galeristin Peggy Guggenheim im Pavillon Griechenlands der amerikanische Beitrag.31 Der Pavillon stand leer, weil sich Griechenland noch im Bürgerkrieg befand und nicht an der Ausstellung teilnahm. Die Sammlung war unter dem Namen „Art of this Century" bis 1947 in Peggy Guggenheims Galerie in New York gezeigt worden.32 Sie war eine der Hauptattraktionen in den Giardini. „Am meisten gefiel mir, daß der Name Guggenheim auf den Wegweisern der Biennale neben den Namen der beteiligten Länder stand, wie wenn es sich um ein neues europäisches Land gehandelt hätte. " 33 Auf die Landkarte der Giardini war die Welt der Moderne wieder zurückgekehrt. Ein Höhepunkt der Ausstellung war die Impressionisten-Schau im deutschen Pavillon mit Leihgaben aus ganz Europa. Dieser stand zur Verfügung, da Deutschland sich erst 1950 mit einem offiziellen, noch gemeinsamen Beitrag von Ost und West beteiligen sollte. Zwei Künstler, die sich explizit gegen die nationalsozialistische und faschistische Politik gestellt hatten, bekamen in Venedig einen Ehrenplatz zugewiesen. Pablo Picasso und Oskar Kokoschka hatten sich, wie gezeigt, in ihren Werken direkt auf die Kriegsverbrechen der verbündeten Länder bezogen. Nachdem 43 Jahre zuvor ein Bild von Picasso im spanischen Pavillon wieder abgehängt worden war und er sich trotz aller Bemühungen nicht dazu bewegen ließ, in Venedig auszustellen, wurde er 1948 mit dieser großen Sonderschau in herausragender Weise präsentiert. Picasso war, trotzdem er ein bekannter Kritiker der verbrecherischen Politik der Nationalsozialisten war, in Paris geblieben.34 Er lebte bis 1944 unter deutscher Besatzung und war einer der Hauptkünstler des „Salon de la Liberation, dem Herbstsalon 1944. 35 Picasso wurde als wichtigster Exponent hervorgehoben und seine Rolle als neues Mitglied der Partie Communiste Française (PCF) betont. Wie Malbert in ihrer Arbeit deutlich macht, hatte Frankreich darauf verzichtet, ihn zu präsentieren, da seine Kunst als nicht wirklich französisch und für zu avantgardistisch für das italienische Publikum gehalten wurde.36 In Kokoschka, der zunächst für Deutschland ausgestellt hatte, dann 1932

Korrespondenz zwischen Außenministerium, AAFA, dem

Motherwell, William Baziotes, Clifford Still, Mark Rothko)

Kommissar und der Biennale vgl. Malbert 2006, S.35.

und die Surrealisten (Max Ernst, geprägt war).

31 Vgl. Peggy Guggenheim, „Venedig und die Biennale",

S. 303 f.

in: dies., Ich habe alles gelebt. Bekenntnisse einer Samm-

nist years, New Haven/London 2000.

lerin aus Leidenschaft, Bern/München 1986, S. 298-308.

zweiten Weltkrieg 1939-1945, Museum Ludwig Köln,

32 Die 1942 eröffnete Galerie Art of this Century war eine

Ausstellungskatalog, Köln 1988.

der innovativsten Galerien New Yorks, die vor allem durch

S. 12-20.

die amerikanische Avantgarde (Jackson Pollock, Robert

33 Ebd.,

34 Vgl. Gertje R. Utley, Picasso. The Commu35 Picasso im

36 Vgl. Malbert 2006,

226

DIE FORTSETZUNG DER AKTIVITÄTEN: EIN

NEUBEGINN?

für Österreich und der als Exilant in Prag auch für die Tschechoslowakei hätte ausstellen können, personifiziert sich das Ideal des europäischen Künstlers.37 Die Bilder von den Eröffnungsfeierlichkeiten des Jahres 1948 waren nicht neu, nur die Akteure hatten gewechselt: das Schauspiel blieb das gleiche. Kam in den Jahren bis 1942 meist der König zur Eröffnung, übernahm diese Funktion nun der neue Staatspräsident Luigi Einaudi. Diese Tatsache unterstrich die nationale Bedeutung, die der venezianischen Kulturinstitution von Seiten des Staates nach wie vor beigemessen wurde. Die Diplomaten der teilnehmenden Länder, die internationale Kunstpresse und Prominente kehrten in die Lagunenstadt zurück. Der Präsident der Biennale Giovanni Ponti zeigte sich im Vorwort des Katalogs erfreut über die Wiederaufnahme der Ausstellungsreihe. In diesem Jahr 1948 (dem Jahr der ruhmreichen Hundertjahrfeier unseres politischen Erwachens und unseres zivilen ,Risorgimento') ist die Menschheit noch betäubt von Angst und erlittener Qual, und auch wenn sie neue Gefechte fürchtet, nimmt sie die Einladung dieser Zusammenkunft von Künstlern aus aller Welt an: und es bewahrheitet sich unser Wunsch, dass für eine lange Reihe von Jahren, ohne stürmische kriegerische Unterbrechungen, die Welt sieht wie sich in der grünen Oase unserer Insel von Kunst und Träumen, die Werke der besten Künstler versammeln, und die Völker weder Kriege noch Auseinandersetzungen führen, es sei denn um die Vorherrschaft des Schönen und Guten.™ Ponti nahm damit die Tradition seiner Vorgänger Selvatico und Bordiga auf, die mit großen Idealen nach wie vor an eine friedensstiftende Wirkung der Kunst glaubten. Im Bollettino d'Arte wurden alle Presseartikel aufgezählt.39 Die italienischen Zeitschriften Illustrazione Italiana und Emporium begleiteten die venezianische Kunstausstellung weiterhin mit ihrer positiven Berichterstattung.40 In der deutschen Kunstkritik wurde die erste internationale Kunstausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg durchweg gelobt.41 Die in Baden-Baden erscheinende Zeitschrift Das Kunstwerk lobte sie als „die erste internationale Schau, die vorurteilslos, nach künstlerischen Gesichtspunkten aufgebaut und nicht nach „weltanschaulichen" oder „Parteigrundsätzen" „ausgerichtet" ist."*2 Auch in Berlin zeigte sich die 37 Vgl. Heinz Worner, „Oskar Kokoschka", in: Bildende

bello e del bene." Ebd., Giovanni Ponti, „Prefazione", Ebd.,

Kunst, II. Jg., Nr. 2, S. 14-16.

S.VII-X.

38 „In questo 1948 (glorio-

39 Vgl. „Scritti pubblicati sulla XXIV Biennale

so centenario storico del nostro risveglio politico e del

Internazionale d'Arte di Venezia", in: Bollettino

nostro risorgimento civile) l'umanità ancora stordita dalle

XXXIII, Fase. III, Juli-September, S. 284-287 u. Fase. IV,

d'Arte,

angosce e dai tormenti patiti, e pur timorosa di nuovi urti

Oktober-Dezember 1948, S. 379-380.

di struggitori fra le genti, accolga l'invito che le viene da

rio, „A Venezia pittori di tutto il mondo", in: Illustrazione

40 S. Leone Vale-

questo convegno di artisti di ogni parte del mondo: e si

Italiana, Nr. 24, 13. Juni 1948, S. 844.

avveri il nostro auspicio che per lunga serie di anni, senza

Vietta, „Die Olympischen

tempestose interruzioni di guerra, il mondo veda con-

Malerei", in: Das Kunstwerk, II. Jg., Nr. io, 1948, S. 40-46.

venire da ogni parte nell'oasi verde della nostra isola

42 Max Pfeiffer-Watenphul, „Biennale di Venezia", in: Das

dell'arte e dei sogni, le opere dei migliori artisti, e fra i

Kunstwerk, II. Jg., Nr. 8,1948, S. 35-41, hier S. 35.

popoli non siano gare e contese se non per il primato del

Spiele der

41 Vgl. Egon europäischen

„DIE OLYMPISCHEN SPIELE DER EUROPÄISCHEN MALEREl" I 9 4 8

227

Bildende Kunst beeindruckt von dem großen kunsthistorischen Überblick über die Kunstentwicklungen der letzten 50 Jahre.43 In Amerika durfte Pallucchini persönlich seine Ausstellung beschreiben.44 In Frankreich zeigte sich vor allem Raymond Cogniat, der Kurator des französischen Pavillons und Herausgeber der Zeitschrift Arts begeistert. DiefranzösischeKunstkritik war vom Triumph der französischen Malerei begeistert.45 Auch der alte Freund und Förderer Waldemar George schrieb im Le Matin, dass die Organisatoren ... in bedeutender Art und Weise gezeigt haben, dass das neue Italien fähig ist international zu handeln und zu denken [...] Die Biennale ist eine wundervoll erdachte Institution und ich würde es sehr bedauern, gäbe es sie nicht.46 In ihrer Gesamtheit beurteilt ist die Ausstellung in jedem Fall großartig, viel objektiver und daraus folgend lehrreicher als die der internationalen

Malerei, die vor

einem Jahr von der UNESCO in Paris organisiert wurde.*7 In Le Figaro und Spectateur schrieben französische Kunstkritiker, wie bereits 1932, dass eine Organisation wie die Biennale auch in Paris entstehen müsste.48 Maximilien Gauthier hoffte in Zukunft auf eine „Biennale von Paris oder Versailles", die es dann tatsächlich ab 1959 geben sollte. Einzig das Burlington Magazine aus London zeigte sich in einer Fehleinschätzung kritisch: Die Bedeutung, es muss gesagt werden, war wirklich lokal. Für Italiener war dies nicht nur die allererste Möglichkeit in Kontakt zu den besten

Persönlichkeiten

der zeitgenössischen Kunst zu treten, es war auch die erste Möglichkeit

eine

Ausstellung mit Bildern der französischen Impressionisten zu sehen.49 In der Nachkriegszeit zeigt sich die Organisationskraft der Institution Biennale. Als einzige der großen Ausstellungen des 19. Jahrhunderts hat sie zwei Weltkriege überdauert, um danach mit verstärkter Aktivität ihrer Tradition zu folgen. Es dauerte nur drei Jahre, bis die 43 Vgl. Otto F. Beer, „Ein Spiegel europäischer Malerei:

fica, in ogni caso molto più obiettiva e per conseguenza

Rückblick auf die 24. Biennale in Venedig", in:

istruttiva di quella della pittura internazionale organizzata

Kunst, II. Jg., Nr. 10, 1948, S. 8-11.

Bildende

44 Vgl. Rodolfo

dall'UNESCO a Parigi, l'anno scorso." Ebd.

48 „Une

Pallucchini, „The world's art at Venice", in: Art News, Vol.

manifestation comme la Biennale offre un très grand in-

XLVII, Nr. 5, September 1948, S. 2 0 - 2 4 , 5 3 ; The Americans

térêt. Il serait à souhaiter que la France organisât une com-

at Venice, S. 25.

petition du meme genre." André Warnod, in: Le Figaro,

45 Vgl. Bernard Dorival, „La peinture

française triomphe à Venise", in: Les nouvelles

littéraires,

9. Juni 1948; Maximilien Gauthier, in: Spectateur, 15. Juni 49 „The importance, be it said, was really local.

17. Juni 1948; René Jean, „Venise et sa Biennale", in: Le

1948.

Monde, 12. Juni 1948.

46 „... hanno dimostrato in ma-

For Italians this was not only the first occasion of making

niera rilevantissima che l'Italia nuova è capace di pensare

contact with some of the foremost personalities in con-

e di agire internazionalmente. [... ] La Biennale è una or-

temporary European art, it was also the first occasion of

ganizzazione mirabilmente ideata ed io rimpiango che non

seeing an exhibition of paintings by the French Impres-

esista." „Giudizi stranieri sulla XXIV Biennale", in: Em-

sionists." Douglas Cooper, „Venice Biennale", in: Burling-

porium,

ton Magazine, Vol. XC, Nr. 547, S. 290-291, hier S. 290.

Vol. CVIII, Nr. 645, September 1948, S. 154.

47 „Considerata nel suo insieme l'esposizione è magni-

228

DIE FORTSETZUNG DER A K T I V I T Ä T E N : EIN

NEUBEGINN?

erste Nachkriegsausstellung der Biennale eröffnet werden konnte. Gemäß den schon bei der Gründung der Biennale 1895 formulierten Zielen und den von Selvatico propagierten Idealen, nämlich der internationalen Ausstellung als verbindendes Element zwischen den Völkern, galt es, einen zu großen Teilen zerstörten Kontinent nach den Schrecken und Abgründen des Krieges wieder zurück in die Zivilisation zu führen. Die Biennale versuchte dies mit Retrospektiven, die in Teilen als eine Art Wiedergutmachung zu verstehen waren. Der Krieg hatte dem schon in den 1930er Jahren in der Krise steckenden Kunstzentrum Paris das Ende bereitet, und auch wenn viele französische Künstler, Kritiker und Kuratoren dies noch nicht wahrhaben wollten, das neue Kunstzentrum der Welt war New York. Venedig dagegen konnte seine Stellung noch weiter ausbauen und blieb das Zentrum des internationalen Kunstausstellungswesens. Die nationalsozialistische Kunstpolitik mit ihrer Verdammung und teilweisen Zerstörung der Moderne, die sich gerade auch in Venedig gezeigt hatte, wurde endgültig Vergangenheit. Die Verantwortlichen hatten es mit dieser Ausstellung geschafft, die Versäumnisse und Fehler ihrer Vorgänger wiedergutzumachen. Was insbesondere deutlich wurde, war die Fortsetzung der internationalen Beziehungen und vor allem die Wiederbelebung der traditionellen Verbundenheit zu Frankreich. Und einmalig ist natürlich das ganze Arrangement dieser Ausstellung, die von den Italienern mit ihrem Sinne für „Bellezza" aufgebaut ist: die verschiedenen Pavillons in den herrlich gepflegten Parkanlagen, die Ausblicke auf das Meer und die Lagune und endlich der Blick auf die merkwürdigste und phantastischste Stadt der Welt, die wie ein Traumgebilde, aus dem Wasser aufsteigt.50 Auch 1948 betonte die Kritik, dass die Hauptattraktion in der Stadt und dem Ort selbst lag. Wie vorher schon häufig beschrieb man die Einzigartigkeit und Schönheit Venedigs. Der „letzte Vedutist der modernen Kunst" Oskar Kokoschka teilte diese Begeisterung und schuf 1948 unter anderem das Bild Santa Maria della Salute (Abb.70). 51 Egal ob Moderne Kunst oder neue Filme, alle kamen als „Touristen" nach Venedig und beeinflussten die ursprüngliche Faszination, die von der Einzigartigkeit dieser Stadt ausging so gut wie nicht. Bis heute hat es die zeitgenössische Kunst schwer, gegen die Faszination der Vergangenheit anzukommen. Auch beim Film sollte die alte Kunst auftauchen, denn ein ganzer Nachmittag war Dokumentationen zu großen Künstlern wie Vincent Van Gogh und Vittore Carpaccio gewidmet. Kokoschka betonte 1963 in einem Interview: Ein wunderbares Erlebnis! Ja, die Bilder der venezianischen Maler — die haben mir die Augen aufgerissen. Veronese, Tizian — diese Farben, diese Freiheit! Und dann erst recht Tintoretto! Das war aufregend, da hab ich gesehen, wie man malen sollte!52 50 M a x Peiffer-Watenphul, „Biennale di Venezia", in: Das

Schneider, in: Ludwig Goldschneider, Kokoschka, Köln

Kunstwerk, II. Jg., Nr. 8, 1948, S. 36.

1963, S. 16.

1971, S. 201 f.

51 S. Forssmann,

52 Oskar Kokoschka zu Ludwig Gold-

EPILOG -

DAS S C H I C K S A L DER

229

AKTEURE

EPILOG — DAS SCHICKSAL DER AKTEURE Die Biennale hatte wieder eine große Zukunft vor sich, doch was wurde aus ihren wichtigsten Akteuren der vergangenen Jahrzehnte, die an den zukünftigen Entwicklungen nicht mehr Teil haben sollten? Der „letzte Doge" Graf Giuseppe Volpi di Misurata lebte nach seiner Flucht aus Italien im Hotel Beau Rivage am Genfer See. In der Schweiz hatten auch andere prominente Flüchtlinge wie Edda Mussolini Ciano, Elena Agnelli, Prinzessin Marie-José oder Dino Alfieri Zuflucht gefunden. Das Time Magazine berichtete im Frühjahr 1945 über das dekadente Leben dieser italienischen Luxusflüchtlinge.53 „Alfieri sprach, immer noch von einer Rückkehr nach Italien träumend,

von der Gründung einer neuen Partei. Graf Volpi

schüttelte

seinen Kopf. " 5 4 Der Lebensstil dieser das faschistische Regime sehr lange unterstützenden Personen wurde von der Schweizer Presse als „eine Provokation kritisiert.

Anstand"

und ein Mangel an

elemantaren

55

Eine Untersuchungskommission des Comitato di Liberazione Nazionale regionale veneto (CLNRV) untersuchte ab Mai 1946 die Verstrickungen Volpi di Misuratas in das faschistische Regime.56 Aus der Untersuchung

der politischen

und wirtschaftlichen

Aktivitäten

Volpi geht hervor, dass man ihn nicht für einen Kollaborateur

halten

von konnte,

sondern er oft sogar gegen die faschistische Direktive und zu guter letzt ihr energischer und erklärter Feind war, soviel sogar um von den Nazi-Faschisten

ver-

folgt zu werden; er hat sich nicht unrechtmäßig

son-

dern verdankt sein Vermögen persönlichen Industrie

am Faschismus bereichert,

und sozialen Aktivitäten

und Finanzen; er hat nachweislich keine Handlungen

Faschismus begangen: er kann folglich seinen wohlwollenden und nützliche Werke zum Wohle der nationalen nalen Industrie sowie alle Aktivitäten

im Bereich

zugunsten

des

Ratschlag für gute

und im Besonderen der regio-

betreffend Initiativen für die Stadt Vene-

dig abgeben.57 Nach mehreren Sitzungen wurde der Fall Volpi im November 1946 zu den Akten gelegt.

Magazine,

in ultimo ne fu avversario energico e dichiarato, tanto da

54 „For Alfieri was talking about forming

essere perseguitato dai nazi-fascisti; n o n ha lucrato o fatto

a new political party, still dreaming about returning to

indebiti arricchimenti col fascismo ma deve la sua fortuna

Italy. C o u n t Volpi shook his head." Ebd.

55 Vgl. „For-

economica a personali e sociali attività, industriali e finan-

eign News: Smart Set", in: Time Magazine, 19. März 1945.

ziarie; n o n risulta abbia fatto assolutamente atti rilevanti a

56 Vgl. Maurizio Reberschak, „II Comitato di Liberazione

favore del fascismo: p u ò quindi esprimersi u n parere

Nazionale Regionale Veneto sul e il caso Volpi", in: Non

favorevole per le opere di bene e di utilità compiute a

uno itinere: studi storici offerti dagli allievi a Federico Sene-

favore dell'industria nazionale e particolarmente di quella

53 Vgl. „Foreign News: Smart Set", in: Time 19. März 1945.

ca, Venedig 1993, S. 319-361.

57 „Dalla documentazione

regionale, e per l'attività data ad ogni iniziativa pro' città di

fornita e dalla notarietà dell'attività politica ed industriale

Venezia." AIVSR, II, CLNRV, B. 11. Presidenza. Pratica

del Volpi, risulta che egli n o n p u ò ritenersi un collabora-

Volpi, Fase. Riservata G. Volpi, Bericht von Mario Baltieri

tore ma anzi fu spesso in antitesi con la direttiva fascista ed

Mitglied des CLNRV, 15. Juni 1946.

2J0

DIE FORTSETZUNG DER AKTIVITÄTEN: EIN

NEUBEGINN?

In dieser Entscheidung kommt die Kontinuität des Staates und der Politik zum Ausdruck, die in einer Zeit des Wandels unter anderem auf die alten industriellen Eliten setzten und damit eine kontinuierliche wirtschaftliche Entwicklung garantieren wollten. Volpi sollte die Nachkriegszeit nicht mehr lange erleben können. Nach seinem Aufenthalt in der Schweiz war er am 21. Oktober 1947 nach Rom zurückgekehrt. Noch bevor er seine Heimat Venedig ein letztes Mal sehen konnte, starb er am 16. November 1947.58 Zwei Tage später kehrte Volpi im Sarg in seine Heimatstadt zurück.59 Erst 1955 wurde Volpi, wie es einem Dogen gebührt, in der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari zwischen dem Monument für den Dogen Giovanni Pesaro und dem Madonnenaltar von Tizian in einem schlichten Sarkophag mit der Inschrift COMES IOSEPH VOLPI DE MISVRATA. DIVI MARCI PROCVRATOR beigesetzt. Antonio Maraini arbeitete, wie in seinen letzten Briefen angekündigt, nach dem Krieg wieder als einfacher Bildhauer und zog sich fast komplett aus dem öffentlichen Leben zurück. Nur kurze Zeit lebte er in Florenz unter deutscher Besatzung, denn die Stadt wurde schon im August 1944 befreit. Obwohl er bis Anfang 1944 von einem Endsieg der Achse überzeugt war, wurde auch er nicht als Profiteur des Regimes eingestuft.60 Bei seiner bildhauerischen Arbeit musste er nun ohne die von ihm so geliebte öffentliche Präsenz leben und schwelgte umso mehr in den Erinnerungen an seine glorreiche Vergangenheit. Er ordnete seinen kompletten Nachlass und schuf so eine ganz wesentliche Dokumentation für die Ausstellungspolitik der Biennale zwischen 1925 und 1944. Vereinzelt stand er noch in Kontakt zur Witwe von Ugo Ojetti. Anlässlich einer Erinnerung an Ojetti schrieb er 1955: Wie habe ich es geschätzt, dass man sich in diesem Zusammenhang auch an mich erinnert hat, und wie oft habe ich an Euch alle und die schönen Zeiten von damals gedacht. "61 Kurz vor Marainis Tod 1963 hatte der Autor eines Nachrufs nochmal mit ihm gesprochen, der die Ungerechtigkeit der Zeitläufte beklagte. Als ich mich verabschiedete fragte ich ihn, ob ich einen Freund oder Bekannten in Mailand oder Turin von ihm grüßen solle; er antwortete melancholisch: „Mich kennt schon niemand mehr, noch kenne ich irgend jemanden."62

58 „Volpi è m o r t o in una clinica romana. Egli era giunto

bei tempi d ' u n a volta." GNAM, FO, Cass. 45 (III), Brief

in Italia il 21 ottobre. I funerali si svolgeranno domani", in:

Maraini an Fernanda Ojetti, 27. April 1954.

II Gazzettino, 17. November 1947, S. 1.

59 „I funerali di

mi accomiatai gli chiesi se avessi dovuto salutargli qualche

Volpi. La salma giungerà stamane a Venezia", in: II Gaz-

amico o conoscente a Milano 0 a Torino; mi rispose malin-

zettino, 19. November 1947, S. 1.

60 S. GNAM, FM, Cart.

conicamente: N o n mi conosce ormai più nessuno, nè più

90, Documenti Presentati Commissioni Profitti Regime.

nessuno io conosco." Giulio Cisari, „Tramonti", in: Il Con-

61 „Quanto abbia gradito che si sia ricordata di m e in

ciliatore, Juli/August 1963.

questa circostanza, e quanti abbia pensato a Loro tutti e ai

62 „Quando

SCHLUSSBEMERKUNGEN

ie Initiatoren der ersten Internationalen Kunstausstellungen der Stadt Venedig schufen

D

ein Ausstellungssystem, das sich rasch eine internationale Spitzenstellung eroberte und

diese über den Systemwechsel und zwei Weltkriege erhielt. Die Wirkung dieses Ausstellungsund Festivalkomplexes ging weit über die Grenzen Italiens hinaus. Dieser Erfolg ist, so hat die Untersuchung der ersten 50 Jahre der Geschichte der Biennale gezeigt, vor allem durch vier Faktoren zu erklären: erstens Synergieeffekte zwischen dem zielstrebigen Ausbau der an eine

gehobene Klientel gerichteten Tourismusindustrie Venedigs und der genau auf diese Klientel zugeschnittenen und ihrem Geschmack angepassten Kunstausstellungen; zweitens das flexible Eingehen auf den politischen Wandel ebenso wie die Übernahme erfolgreicher Ideen der Konkurrenz und eine Mischung aus Vorsicht und Offenheit im Umgang mit neuen Kunstströmungen; drittens die personelle Kontinuität einiger in Politik, Wirtschaft und Kulturbetrieb hervorragend vernetzter und durch Managerqualitäten ausgezeichneter Persönlichkeiten im Führungszirkel der Biennale, und schließlich viertens die konsequente Unterstützung der Ausstellung durch kommunale und staatliche Institutionen. Zum ersten: Venedig als Touristenziel und die Biennale ergänzten sich von Anfang an äußerst wirkungsvoll. Zum Ende des 19. Jahrhunderts beschränkten sich die Einnahmequellen der Lagunenstadt auf den Tourismus und den privaten Kunst- und Antiquitätenhandel, der um 1900 glänzende Geschäfte machte. Genau auf den Geschmack einer gehobenen, konservativen, doch an der Kunst als gesellschaftlichem Ereignis interessierten Klientel orientierte sich die 1895 gegründete erste Internationale Kunstausstellung, so dass einerseits die Ausstellung bei den ohnehin anreisenden Touristen ein Publikum fand, andererseits Venedigs Tourismusindustrie von den anreisenden Kunstfreunden profitieren konnte: Vom Ausbau des Lido di Venezia zum mondänen Seebad ab dem Ende des 19. Jahrhunderts profitierten die Kunstausstellungen in vielfältiger Weise. Einerseits hatte die Lage zwischen historischem Zentrum und Lido große Vorteile, andererseits kamen immer mehr kaufkräftige Besucher in die Lagunenstadt. Die Zusammensetzung der Besucher, an der Spitze die gekrönten Häupter Europas, machte die Stadt zu einem immer attraktiveren Ziel, was sich in der Zunahme von Hotels und Pensionen sowie Neubauten in der Stadt ausdrückte. Hinzu kam die sehr professionelle Werbe- und Pressearbeit, die von Beginn an ein internationales Publikum ansprach. Die Rolle der illustrierten Zeitschriften als Medienpartner wurden genauso beschrieben wie die zuvorkommende Behandlung der Pressevertreter. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs war die alle zwei Jahre wiederkehrende Inter-

232

SCHLUSSBEMERKUNGEN

nationale Kunstausstellung, die Biennale, eine etablierte Größe im europäischen Ausstellungswesen. Von Beginn an wurde sie als Tourismusereignis über die Grenzen Venedigs heraus organisiert: Schon die Anreisetickets wurden in Kooperation mit Schiffahrts- und Eisenbahngesellschaften mit ermäßigten Eintrittspreisen verbunden. Auf fast allen Plakaten tauchen groß die Hinweise auf diese Vergünstigungen auf. Mit den von Anfang an angebotenen Sonderveranstaltungen wie Regatten, Konzerten, Theaterauffuhrungen, Motorbootrennen etc. begann die Festivalisierung der Stadt, die den Grundstein für den Massentourismus in die Lagunenstadt legte. Später, in den 1930er Jahren, sollten touristische Komplettpakete hinzukommen, die immer größere Besuchermassen in die Stadt brachten. Auch beim Ausbau der Film-Aktivitäten in den 1930er Jahren war wiederum der Publikumserfolg entscheidend — die Internationale Filmkunstschau war zunächst als Attraktion für die Besucher des Luxushotels Excelsior Palace konzipiert — und der Großteil der am Lido weilenden internationalen Besucher stammte aus den USA, Frankreich oder Großbritannien. Insgesamt galten für den Lido Sonderregeln, da dort Glücksspiel erlaubt war und sich die Kirche immer wieder über die Unmoral des elitären Strandlebens aufregte. Die Kunstauswahl war der Klientel angepasst: So orientierten sich die Ausstellungsmacher vor allem an bereits erfolgreichen Künstlern aus den Kunstzentren Europas wie Paris, München oder Wien. Hinzu kam die Berücksichtung des Publikumsgeschmacks der nach Venedig reisenden Fremden. Die anfangs konservative Kunstauswahl war marktbedingt: Wenn 1895 ein Bild von Leibi oder Michetti für 10.000 Lire verkauft wurde, warum hätte man dann einen Cézanne für 200 Francs ausstellen sollen? Anders als man angesichts der Proteste lokaler Künstler hätte denken können, ging es weniger um bestimmte Stilrichtungen als um eine geschickte Nutzung von Verkaufsmöglichkeiten. Die junge Kunst konnte ab 1908 die Ausstellungen in Ca' Pesaro als Forum nutzen. Die Anpassung der Bildauswahl an die touristische Klientel verweist auf den zweiten Teil des „Erfolgsgeheimnisses" der Biennale, nämlich Flexibilität. Zum zweiten: Die Kulturinstitution Biennale war von Anfang an von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit geprägt, sowohl bei den Veranstaltungsformaten als auch bei der Kunstauswahl. Die Verantwortlichen ließen sich bei der Organisation und dem Aufbau von Beginn der Ausstellung Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Nachkriegszeit immer wieder von anderen Ausstellungen inspirieren und übernahmen die neuen Entwicklungen, die Erfolg versprachen. So orientierten sich die Pavillions in den Giardini am Modell der großen Welt- und Gewerbeausstellungen in Europa und Amerika. Zudem unternahmen die Verantwortlichen es, das Modell, das sich für die bildende Kunst bewährt hatte, geschickt auszudehnen: Mit der Entwicklung der Biennale zu einer vom Staat abhängigen autonomen Körperschaft begann unter der Führung von Präsident Volpi und dem Generalsekretär Maraini eine Expansion in alle Bereich des künstlerischen Schaffens hinein. Bei dem Ausbau der Aktivitäten in die Bereiche Musik, Film, Theater, aber auch bei der Organisation wichtiger internationaler Kongresse übertrug die Biennale das erfolgreiche Modell auf die anderen Kunstformen. Die erfolgreichste Neuschöpfung war die Internatio-

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naie Filmkunstschau am Lido, die, ursprünglich als Attraktion für die Besucher des Luxushotels Excelsior Palace gegründet, sich sehr schnell zu einem wichtigen Forum der europäischen und amerikanischen Filmproduktion entwickelte. Die ihr beigemessene Bedeutung wurde durch die Gründung der Internationalen Filmkammer (IFK) und das persönliche Interesse von Joseph Goebbels bestätigt. In den 1930 er Jahren wurde die Kunst- und Ausstellungspolitik der Biennale von vielen Seiten als vorbildlich angesehen, wie die Stimmen einiger Regierungsvertreter und Kunstkritiker gezeigt haben. Immer wieder wurde betont, dass in Venedig die Bedingungen geschaffen worden seien, die es ermöglichten, eine wirklich internationale Schau zu organisieren. Zudem wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für geistige Zusammenarbeit des Völkerbundes in Paris Kunstkongresse organisiert, die wichtige Vertreter der intellektuellen Elite in Venedig versammelten. Ab 1930 hatte die Biennale schließlich die Organisation italienischer Kunstausstellungen im Ausland übernommen und fungierte somit als offizielle Kunstbotschafterin im Ausland. In Ergänzung zu der alle zwei Jahre stattfindenen Internationalen Kunstausstellung sollten ab 1929 auch große kunsthistorische Ausstellungen organisiert werden. Die erfolgreiche Settecento-Ausstellung setzte den Maßstab und in der Folge wurden die großen Retrospektiven zu Tizian, Tintoretto und Veronese organisiert, die weltweit zu den bedeutendsten Ausstellungen der jeweiligen Jahre zählten, wie durch die mediale Aufmerksamkeit deutlich wurde. Diese Ausstellungen wurden, wenn auch in bescheiderem Maße auch während des Zweiten Weltkriegs fortgeführt und nach dem Krieg wieder im Wechsel zu den Internationalen Kunstausstellungen weitergeführt. Auch in der Auswahl der Kunstwerke passte man sich an die Rahmenbedingungen flexibel an, »ging mit der Zeit" und bezog internationale Trends umfassend mit ein, ohne große Konfrontationen zu riskieren: Was international auf der Erfolgsstraße war, wurde einbezogen, ohne dass man das Wagnis zu großer Modernität eingegangen wäre, und immer ausbalanciert durch Plattformen für traditionell orientierte Künstler, wenn diese beim lokalen Publikum oder in der kommunalen oder nationalen Politik in hoher Gunst standen. Dieser Balanceakt führte natürlich immer wieder zu Spannungen. Die Konflikte zwischen Avantgarde und Bewahrern der Tradition wurden exemplarisch an den Konflikten zwischen Giordano und Pica deutlich gemacht. Unter der künstlerischen Leitung von Vittorio Pica öffnete sich die Ausstellung moderneren Kunstströmungen, wie etwa mit den Ausstellungen von Amadeo Modigliani oder Alexander Archipenko. Gleichzeitig wurden Retrospektiven zu Antonio Canova oder Künstlern des 19. Jahrhunderts gezeigt, die den konservativen Geschmack befriedigen sollten. Im Rahmen dieser Retrospektiven wurden auch französische Künstler wie Cézanne, Degas, Van Gogh, Gauguin und Matisse ausgestellt, wenn auch in bescheidenem Maße. Wenn ein Pablo Picasso oder Henri Matisse nicht in großem Umfang in Venedig ausstellten, dann hatte dies keine kunstpolitischen Gründe, sondern war in der geringen Bedeutung der Stadt als „modernem" Kunstmarkt begründet. Hinzu kam die Tatsache, dass durch die offizielle Teilnahme der Nationen die Kunst durch Kommissionen und Jurys in Richtung eines eher konservativen Geschmacks gefiltert wurde. Im faschistischen

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Italien hingegen wurde der Futurismus zur Akademie-Kunst erhoben, da ihr Anfuhrer Filippo Tommaso Marinetti Mitglied der italienischen Akademie war. Als in den 1930er Jahren große Retrospektiven zur Porträtkunst und zur Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts gezeigt wurden, hatte das zweierlei Gründe. Zum einen bekannte sich die Ausstellungsleitung zum offiziellen, politisch opportunen Ziel, der Kunst den Weg zurück zum Menschen und zur Natur weisen, zum anderen nahm man, wie auch Ojetti in einem Bericht schrieb, auf den Geschmack des Publikums Rücksicht. Da ein Großteil des Publikums beispielsweise 1938 vor allem von dem spanischen Maler Ignacio Zuloaga begeistert war, musste dies berücksichtigt werden. Kritisiert wurde jedoch oft das mangelnde Engagement und die geringe Qualität der nationalen Beiträge. Die Offenheit gegenüber allen politischen und künstlerischen Richtungen zeigte sich vor allem auch in der venezianischen Filmauswahl bis 1937. Die den Weltmarkt dominierenden Studios aus Hollywood nahmen eine bedeutende Rolle ein. An zweiter Stelle rangierten die französischen Filme, die man in Italien besonders schätzte und denen man bereits 1938 eine Retrospektive widmete. Auch hatte in den ersten beiden Jahren der sowjet-russische Film starke Auftritte am Lido. Die Teilnahme des deutschen Films spiegelt die Entwicklung und Verstaatlichung der Filmindustrie wider, die durch das persönliche Interesse von Joseph Goebbels immer mehr als Propagandainstrument genutzt wurde. Obwohl Italien seit Ende 1936 sich immer mehr an Deutschland annäherte, war es 1937 gleichzeitig möglich, französische Antikriegsfilme und britische Historienfilme zu zeigen. So kam es, dass sowjetische und nationalsozialistische Propaganda-Filme mit Mickey Mouse um die Filmpreise kämpften. Noch 1938 wurde bei der Internationalen Kunstausstellung versucht, die Teilnahme aller Nationen zu erreichen, auch wenn mit Österreich schon zu diesem Zeitpunkt eine zuvor stark unterstützte Nation fehlte. Der Neubau des deutschen Pavillons und die Wahl von Leni Riefenstahls Olympia-Film zum besten Beitag der Filmkunstschau 1938 deuteten aber schon das Ende des offenen internationalen Charakters der Biennale an. Die Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Deutschland in den Bereichen Kunst und Film wurde durch den Besuch von Joseph Goebbels 1939 und die dortige Verhandlung über weitreichende Kooperationen verstärkt. Der kurz nach der Abreise erfolgte Überfall auf Polen markierte den Beginn des Zweiten Weltkriegs und damit das Ende der Vielfalt in den Giardini. Schon zu Beginn des Jahres waren durch die neuen Rassengesetze die vier größten Hollywood-Studios ausgeschlossen worden, so dass nun der deutsche Film dominieren konnte. Die Filmindustrie in Frankreich hatte 1939 geplant, ein eigenes Festival in Cannes zu organisieren, das wegen des Kriegsbeginns jedoch erst 1946 realisiert werden konnte. Noch bis 1940 nahmen die USA an der Ausstellung teil und zogen ihre Kunst erst nach dem Kriegseintritt Italiens zurück. Mit dem Kriegseintritt im Sommer 1940 schlossen die USA ihren Pavillon in den Giardini und die Internationalität war auf Satellitenstaaten oder die neutralen Länder Schweden und Schweiz reduziert. Die Filmkunstschauen der Jahre 1940 bis 1942 wurden von den deutschen und

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italienischen Produktionen dominiert, wobei das erklärte gemeinsame Ziel die europäische Filmautarkie von den USA war. Die Kunstausstellung des Jahres 1942 stand ganz im Zeichen des Krieges und die symbolische Besetzung der feindlichen Pavillons durch die drei Armeeteile zeigte den Tiefpunkt der Ausstellungspolitik. Auch die kunsthistorischen Ausstellungen wurden 1941 und 1943 fortgesetzt. Bis kurz vor Kriegsende beschäftigte sich das nationale Bildungsministerium in Padua mit der Zukunft der Kunstausstellung. Während der Repubblica Sociale Italiana (RSI) wurden die Giardini dann sogar das Zentrum der faschistischen Filmproduktion, hatte man doch die Studios aus Cinecittà ausgelagert. Nach 1945 waren die Beiträge, bis auf diejenigen aus Deutschland, von Kontinuität geprägt. Wenn im Vorwort von einer Wiedergeburt die Rede ist, dann bezieht sich das fast ausschließlich auf die durch das nationalsozialistische Deutschland verfemte „entartete" Kunst. In der Hervorhebung der Ausstellung der Impressionisten oder den Bemerkungen Peggy Guggenheims wird die Tatsache verkannt, dass in Venedig seit 1920 immer wieder Retrospektiven der Impressionisten, aber auch avantgardistische Künstler gezeigt wurden. Die italienischen Beiträge waren mit denen der Jahre 1940 und 1942 fast identisch. Die von Frankreich ausgewählten Kunstwerke waren konservativer als die Wünsche der Ausstellungsleitung. Was also von vielen aus künstlerischer Sicht als Schwäche der Biennale kritisiert wurde, ist aus geschäftlicher Sicht ihre eigentliche Stärke gewesen: die Flexibilität der Ausstellungsmacher, die man je nach Blickwinkel als Pragmatismus oder Opportunismus werten mag. Zum dritten: Wohl kaum eine andere Kulturinstitution hat einen so intensiven politischen und wirtschaftlichen Einsatz fähiger Hauptverantwortlicher gesehen. Persönlichkeiten wie Riccardo Selvatico, der als Bürgermeister der Stadt Venedig eines der wichtigsten Stadtentwicklungsprojekte ankurbelte, prägten die Ausstellung. Wichtig für die Entwicklung der Ausstellung war vor allem die personelle Kontinuität in der Ausstellungsorganisation, die besonders deutlich bei den beiden Generalsekretären Antonio Fradeletto und Antonio Maraini zu erkennen ist. Das Beispiel des technischen Direktors Bazzoni hat gezeigt, dass diese personelle Kontinuität auch über 60 Jahre andauern konnte. Der Erfolg in den 1930er Jahren ist vor allem auf das Engagement der beiden Hauptverantwortlichen Giuseppe Volpi di Misurata und Antonio Maraini zurückzuführen, die, unterstützt durch das von Romolo Bazzoni geführte Ausstellungssekretariat, eine kontinuierliche Expansionspolitik verfolgten. Gerade Volpi, der als einer der wichtigsten Wirtschaftsführer des faschistischen Italiens auch sehr großen politischen Einfluss hatte, formte die Biennale nach seinen Vorstellungen. Als Minister unterstützte Volpi mit seinem Kollegen Giuriati die Umwandlung der Biennale Anfang 1930 in eine an die römische Regierung angebundene autonome Körperschaft, die die Grundlage für die Expansion im faschistischen Italien schuf. Die geschickte Einbindung der relevanten gesellschaftlichen Gruppierungen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst in die Organisation der Ausstellungen garantierte deren Erfolg. Nach dem Ende des Krieges im Jahr 1945 wurden die Aktivitäten nur kurze Zeit unterbrochen. Für den Neustart

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waren optimale Bedingungen geschaffen worden. Zum einen bestanden die Bauten in den Giardini und am Lido. Dazu kam das Büro der Biennale in Ca' Giustinian mit dem erfahrenen Biennale-Veteran Romolo Bazzoni und seinen Mitarbeitern. Die Vorhersage des zum Generalsekretär ernannten Antonio Maraini im Jahr 1927, dass allein ein gut organisiertes und funktionierendes Ausstellungssekretariat das Überleben der Biennale, unabhängig von ihrer künstlerischen Leitung, sichern würde, hatte sich bewahrheitet. Zum vierten: Im Unterschied zu den meisten anderen Kunstausstellungsreihen wurde die Internationale Kunstausstellung in Venedig von der Kommune verantwortet und im Laufe ihrer Geschichte von der Zentralmacht in Rom zu einem wesentlichen Teil unterstützt und gesteuert. Das garantierte eine solide Basis für eine kontinuierliche Entwicklung. Die Motive für diese Entscheidung waren ideeller und materieller Natur. In den ersten Ausgaben zeigte sich der erzieherische Aspekt der Ausstellung, den italienischen Künstlern die aktuellen Kunstströmungen zu vermitteln, vor allem in den ausfuhrlichen Biographien bekannter Künstler in den Katalogen. Neben dieser immer wieder betonten Aufgabe war es der Wunsch der Stadt, an den in immer größerer Zahl nach Venedig strömenden Fremden zu verdienen. Ab dem Jahr 1905 wurde die Ausstellung von staatlicher Seite unterstützt. Dadurch war es möglich, die Infrastruktur zu verbessern und auszubauen. Schließlich gelang es, durch das Konzept der Pavillons in den Giardini auch noch einige der teilnehmenden Nationen als Finanziers der Infrastruktur einzubeziehen: Diese finanzierten ihre Beiträge selbst, getrieben sicher auch durch den Konkurrenzdruck zu anderen Teilnehmernationen, hinter denen man nicht zurückstehen wollte, und wurden durch diese Investition zudem fest an den Ausstellungsort Venedig gebunden. Architektonisch ein breiter Strauß von verschiedensten Stilarten waren die Pavillions nicht rigide national festgelegt. Nach einer wegen der Wirtschaftskrisen gebremsten Bautätigkeit in den 1920er Jahren wurde mit der Gründung der autonomen Körperschaft ab 1930 der Ausbau fortgesetzt, so dass bis 1938 insgesamt 17 nationale Pavillons entstanden waren. Gerade die Anbindung an kommunale und nationale politische Strukturen führte dazu, dass in den 1920er Jahren die politischen Spannungen auch in Venedig zu spüren waren. Die italienischen Künstler nutzten die Giardini als Nebenschauplatz ihrer Kämpfe um die Vormachtstellung ihrer Kunstrichtungen im faschistischen Italien. Von den Futuristen über Novecento hin zu den Valori Plastici waren alle Kunstrichtungen vertreten. Das Ausland hatte große Freiheiten und konnte bis auf einzelne Ausnahmen seine Kunst durchsetzen. So kam 1924 der erste propagandistische Beitrag aus der kommunistischen UdSSR. Im Rahmen der ab Mitte der 1920er Jahre begonnenen Neuordnung der italienischen Künstler- und Ausstellungsorganisation wurde auch die Biennale neu organisiert. Die lokalen Autoritäten suchten die Kooperation mit den aufstrebenden Kräften des faschistischen Nationalsyndikats der Schönen Künste. Der zunächst im Verwaltungsrat sitzende römische Bildhauer Antonio Maraini übernahm 1927 den Posten des Generalsekretärs. Inhaltlich die Ausstellungspolitik Picas fortsetzend, bemühte er sich vor allem darum, die Internationale Kunstausstellung vom Staat anerkennen zu lassen. Außerdem erweiterte er das Ausstellungs-

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Sekretariat um das ASAC, um es zu einem Informations- und Forschungszentrum fur die Geschichte und Kritik der zeitgenössischen Kunst zu machen. Anders als häufig behauptet, ging die Initiative zur Annäherung und Anerkennung durch den Staat von Venedig aus. Es war im Interesse der Stadt, die Ausstellungsreihe fortzusetzen. Nach langwierigen, von den venezianischen Ministern Volpi und Giuriati unterstützten Verhandlungen wurde Anfang 1930 aus der städtischen Ausstellung eine autonome Körperschaft, die von der Regierung in Rom kontrolliert wurde. Eingebunden war die Stadt nach wie vor in die wichtigen Entscheidungen und musste sich auch finanziell beteiligen. 1934 hatte die Biennale im Bereich der bildenden Kunst erreicht, was zu erreichen war — sie hatte eine staatliche Monopolstellung für die Ausstellung internationaler Kunst in Italien inne. Nach finanziellen Problemen Mitte der 1930er Jahre wurde ein neues Gesetz erarbeitet, das die Zuständigkeiten der Ministerien, der Stadt, der Region und der sonstigen interessierten Konföderationen regelte. Die finanzielle Unterstützung von Seiten des Staates blieb bis 1938 relativ bescheiden, wenn man sie mit den anderen beiden wichtigen Ausstellungsreihen, der Triennale in Mailand und der Quadriennale in Rom vergleicht. Diese gesetzlichen Regelungen blieben weitestgehend unverändert bis in die 1970er Jahre hinein erhalten. Die als kleine städtische Kunstausstellung gestartete Ausstellungsreihe internationaler Kunst und die sich aus ihr entwickelte autonome Körperschaft „Biennale di Venezia" sollte nach dem Zweiten Weltkrieg für viele andere Veranstaltungen zum Vorbild werden. Die Biennale di Sao Paulo (1951), die Biennale von Paris (1959), aber auch die documenta in Kassel (1955) übernahmen teilweise das Konzept. Aber keine führte ihre Aktivitäten so konsequent fort wie die staatlich protegierte älteste internationale Kunstausstellungsreihe der Welt. Der Name Biennale ist trotz aller neu hinzugekommenen Ausstellungsreihen in der ganzen Welt, nach wie vor Synonym für die „Königin aller Kunstausstellungen".

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ENDE

Als sich seit 1948 die Aktivitäten auf Ballett, Tanz und Mode ausweiteten, wäre das ganz im Sinne des Gründers der Internationalen Kunstausstellungen Riccardo Selvatico gewesen, der bereits kurz nach der ersten Ausstellung scherzhaft weitere Ideen in einem Gedicht formulierte. A p r o p o s i t o di u n a esposizione di belle D o n n e Vardè varde che chiassi e che bacati perchè a Parigi fra le idee matone gh'è quela, tolta all'uso american, d'una grandiosa esposizion de done. Pardio, che senza andar tanto lontan xefin dal tempo dele nostre none che nu godemo a gratis da Florian la più completa esposizion de mone; che se per premio a le più bele tose a Parigi ghe xe zogie e merleti, certo da nu no se poi far ste cose, ma peraltro (0 Dio da povareti) cerchemo sempre che le più pompose le vada prima lista a Ca' Farseti

1 BMC, Carte Selvatico, Varia, Fase. 12, Lettere scherzose a Nina Selvatico e una a Pompeo Molmenti, o. D.

AUSSTELLUNGEN ITALIENISCHER KUNST IM A U S L A N D

Organisiert von der Biennale in Zusammenarbeit mit den Ministerien für Auswärtige Angelegenheiten (MAE), Volkskultur (MinCulPop) und Nationale Erziehung (MEN) La settimana italiana di Atene, Athen (April—Mai 1931) Mostra d'arte figurative circolante, New York u. a. (Dezember 1932—Juni 1933) Mostra circolante di Arte italiana contemporanea, München, Stuttgart, Köln, Kassel, Berlin, Dresden, Augusta (Januar—Juli 1933) Ausstellung Neuzeitlicher Italienischer Kunst, Künstlerhaus Wien (April—Juni 1933) Mostra d'arte italiana a Parigi, Paris Jeu de Paume (Mai—Juli 1935) Esposizione delle Belle Arti, sezione italiana, nell'Esposizione Universale e Sezione d' Arte Internazionale a Bruxelles, Palais de l'Art Moderne, Brüssel (April—November 1935) Mostra d'arte italiana circolante, Warschau, Krakau, Posen, Bukarest, Sofia (Januar—Juni 1935) Esposizione di scultura italiana del nostro tempo, Wien (Oktober—Dezember 1935) Mostra italiana all'estero di disegni e stampe. Mostra circolante di incisione, Tallin, Tartu, Oslo, Den Haag, Genf, Luxemburg (Dezember 1935—Juli 1936) Mostra d'arte italiana contemporanea, Budapest (Januar—März 1936) Mostra d'arte di pittura e scultura, Sidney (Juni—Oktober 1936) Mostra d'arte figurativa, Amsterdam (Januar—Februar 1937) Mostra d'Arte Italiana moderna e contemporanea, Berlin (November—Dezember 1935)

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AUSSTELLUNGEN ITALIENISCHER KUNST IM AUSLAND

Mostra circolante di bianco e nero, Bukarest, Sofia, Istambul, Ankara, Athen (Dezember 1937—Juni 1938) M o s t r a circolante del paesaggio italiano, Warschau, Helsinki, Tallinn, Kaunas, Riga (November 1937—März 1938) M o s t r a circolante di bianco e nero in India, Calcutta, Bombay u. a (November—Juni 1938) Mostra di bianco e nero, Zürich (März 1938) Exposition Internationale d ' A r t Sacrée M o d e r n e , Genf (September 1938) Mostra d'Arte italiana c o n t e m p o r a n e a , Bern (Oktober—November 1938) M o s t r a d'arte italiana c o n t e m p o r a n e a di incisioni, Budapest (März 1939) Sezione di s t a m p e e disegni alla Settimana italiana, Kaunas (März—April 1939) M o s t r a circolante di incisioni, Caracas, Bogotá, Quito, Lima, La Paz (März—August 1939) Mostra circolante di incisioni, Mexico, Guatemala, San Salvador, Tegucigalpa, S. José, Managua, P a n a m a (März—August 1939) Esposizione Internazionale d'Arte Sacra, Vitoria (Mai—Juli 1939) Mostra d ' a r t e italiana c o n t e m p o r a n e a , Zürich (November—Dezember 1940) Mostra d'arte figurativa, Linz (Oktober—November 1942) Q u a r a n t ' a n n i d'arte italiana dal F u t u r i s m o ai nostri giorni, Lausanne, Luzern ( F e b r u a r M ä r z 1947)

QUELLEN UND LITERATUR

I.

QUELLEN

a) Archivalische Quellen Bundesarchiv (BArch), Berlin Ν15/165° Internationale Filmkammer 1935 R 32 Akten des Reichskunstwart R 43 I/II Akten der Reichskanzlei (Alte Reichskanzlei R 43 I/Neue Reichskanzlei R 43 II) R 55, Akten des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) R 2501,3241 Filmfestspiele Venedig/Deutsche Filme 1938 R 4901,3228/1 Korrespondenz m.d. Internationalen Lehrfilm-Institut in Rom Archivio Centrale dello Stato (ACS), Rom Ministero della Cultura Popolare (MinCulPop) Ministero della Pubblica Istruzione/Educazione Nazionale (MPI/MEN) Presidenza del Consiglio dei Ministri (PCM) Direzione Generale della Antichità e Belle Arti (AABBAA) Archivi della Soprintendenza alla Galleria d'Arte Nazionale Moderna e Contemporanea (GNAM), Rom Fondo Antonio Maraini (FM) Fondo Ugo Ojetti (FO) Istituto Luce (Cinecittà), Rom Registre dei cinegiornali, 1928—1948 Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti (IVSLA), Venedig Archivio delle Carte Luigi Luzzatti (AL) Archivio Municipale di Venezia (AMV), Venedig Affari Generali del Comune di Venezia, 1921—1934 Atti del Consiglio Comunale, 1887—1948 Determinazioni podestarili, 1929—1941 Relazioni dei Commissari Straordinari e Podestà, 1920—1938

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QUELLEN UND

LITERATUR

Verbali del Consiglio Comunale e della Consulta Municipale, 1922—1940 Relazione del Consiglio ed Ufficio Provinciale dell'Economia Corporativa di Venezia, 1933 Archivio di Stato di Venezia (ASV), Venedig Atti del Gabinetto della Prefettura, 1893—1936 Biblioteca del Museo Correr (BMC), Venedig Archivio privato di Mario De Maria (APDM) Archivio privato Selvatico, Carte Selvatico, Corripondenza (APS) Archivio privato Selvatico, Carte Bordiga, Corrispondenza (APS) Epistolario Molmenti (EM) Misc. C 9974, Monumento a G. Garibaldi 1887 Misc. C13626, Esposizione Nazionale Artistica 1887 Op PD gr. 2293/2, Sociètà promotrice di belle Arti, Venezia 1884—1885 Op PD gr. 3194/3, Inaugurazione della la Esposizione Artistica Internazionale li 30 aprile 1895 e Arrivo a Venezia delle SS MM II Re e La Regina il 26 Aprile 1895

b) Aktenpublikationen Senato del Regno (N. 532), Disegno di Legge presentato dal Ministro dell'Istruzione Pubblica (RAVA) di concerto col Ministro del Tesoro

(A. M A J O R A N A )

nella tornata del



Maggio 1907. Approvato dalla Camera dei Deputati il 24 aprile 1907 (V. Stampati N. 675). Concorso dello Stato nelle spese per la settima esposizione internazionale d'arte nella città di Venezia, in: Atti Parlamentari. Senato del Regno, Legislatura XXII, i° Sessione 1904—1907, Documenti, Disegni di Legge e realazioni. Senato del Regno (N. 532-A), Relazione dell'Ufficio Centrale composto dei Senatori Cavalli, presidente, Vigoni Giuseppe, Segretario, Sonnino, Vigoni Giulio e Roux, relatore presentato dal Ministro dell'Istruzione Pubblica di concerto col Ministro del Tesoro nella tornata del i° Maggio 1907. Concorso dello Stato nelle spese per la settima esposizione internazionale d'arte nella città di Venezia, in: Atti Parlamentari. Senato del Regno, Legislatura XXII, i° Sessione 1904—1907, Documenti, Disegni di Legge e realazioni, 24. Mai 1907. Regio decreto-legge, 7. Aprii 1927, N. 515, convertito nella legge am 8. März 1928, Ν. 630. Regio decreto-legge, Ν. 33,13. Januar 1930, convertito nella legge, 17. Aprii 1930, N. 504. Decreto del Capo del Governo, 29. August 1931, in: Gazzetta Ufficiale, 9. Dezember 1931 X, Ν. 292: Approvazione dello Statuto dell'Ente Autonomo „Esposizione Biennale Internazionale d'Arte" di Venezia.

QUELLEN UND LITERATUR

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Regio Decreto, 17. September 1931, N. 1478, in: Gazzetta Ufficiale, 12. Dezember 1931 X, N. 286: Assegnazione di contributi da erogarsi in favore dell'Ente Autonomo „Esposizione Biennale Internazionale d'Arte" di Venezia. Ente autonomo Esposizione Biennale Internazionale d'arte di Venezia, Regolamento per gli uffici e per il personale, Venezia 1934. Regio decreto-legge, 13. Februar 1936, Ν. 891, convertito nella legge am 26. Dezember 1936, Ν. 2480. Regio Decreto-legge, 21. Juli 1938, Ν. ΐ5ΐ7> Nuovo ordinamento dell'Esposizione biennale internazionale d'arte di Venezia, in: Gazzetta Ufficiale, 6. Oktober 1938, Ν. 229. Regio Decreto, 11. November 1938, Ν. 1844, Determinazioni dei contributi a favore della Biennale di Venezia, in: Gazzetta Ufficiale, 14. Dezember 1938, Ν. 284. Regio Decreto, 11. März 1943, Ν. 274 relativo alla proroga, per il biennio 1942-XX al 1944-XXII, dei contributi a favore della Biennale, in: Gazzetta Ufficiale, N. 100,30. Aprii 1943-XXI. Decreto legislativo del Capo provvisorio dello Stato, 17. Aprii 1947, N. 275, in: Gazzetta Ufficiale, 3. Mai 1947, Modificazioni agli articoli 7 e 8 del Regio Decreto-Legge 21. Juli 1938, Ν. 1517 relativo all'ordinamento dell'Esposizione Biennale Internazionale d'Arte di Venezia.

c) Zeitungen u n d Zeitschriften L'Adriatico quotidiano di Venezia, Venedig 1887—1917 The American Magazine of Art, New York 1909—1948 L'Amour de l'Art: Art ancien, Art moderne, Architecture, Arts appliqués, Paris 1920—1938 L'Arte nelle mostre italiane. Bollettino della Biennale, Venedig 1935—1941 Le Arti, Florenz 1938—1942 Art News, New York 1902—1940 Ateneo veneto: rivista mensile di scienze, lettere ed arti, Venedig 1881—1948 Beaux-Arts. Toute l'actualité artistique, Paris 1923—1944 Bildende Kunst, Berlin 1947—1949

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QUELLEN UND

LITERATUR

Bollettino d'arte del Ministero della Pubblica Istruzione, Florenz 1907—1930 Corriere della Sera, Mailand 1887—1948 Critica Fascista, Rom 1923—1942 Der Cicerone. Halbmonatsschrift fur die Interessen des Kunstforschers & Sammlers, 1909—1930 Cinema. Organo della Federazione Fascista degli Industriali dello Spettacolo, 1927—1944 Critica fascista, Rom 1923—1943 Dedalo: rassegna d'arte, Mailand 1920—1933 L'Eco del Cinema. Rivista mensile, Florenz 1922—1948 Emporium: rivista mensile illustrata d'arte e di cultura, Bergamo 1895—1948 L'Esposizione Nazionale Artistica Illustrata-Venezia 1887, Venedig 1886—1888 Formes. Revue internationale des arts plastiques, Paris 1929—1933 Gazzetta di Venezia, Venedig 1883—1948 L'Illustrazione Italiana, Mailand 1887—1945 L'Impero, Mailand 1923—1929 Inter-Film, IFK (Hg.), Berlin 1936 Internationale Lehrfilmschau, Völkerbund, Rom 1929—1934 Italien: Monatsschrift für Kultur, Kunst und Literatur, Heidelberg 1927—1930 Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe, Leipzig 1883—1918 Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler, Leipzig 1919—1926 Kunstchronik und Kunstliteratur, Leipzig 1926—1932 Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe, Berlin 1903-1933 Das Kunstwerk, Baden-Baden 1947—1949 Le tre Venezie: rivista mensile, Venedig 1926—1944 Le mostre d'arte in Italia, Venedig 1934—1943 Museum der Gegenwart, Berlin 1930—1933

QUELLEN UND LITERATUR

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Il Popolo d'Italia, Mailand 1914—1943 Primato, Mailand 1940—1943 Rassegna dell'istruzione artistica, Urbino 1930—1938 La Revue de l'art ancien et moderne, Paris 1897—1937 Rivista di Venezia, Venedig 1922—1930 Sior Tonin Bonagrazia, Venedig 1887—1935 The Studio, London 1893—1942 Time Magazine, New York 1923—1948 Valori plastici: rivista d'arte, Rom 1918—1922 The Venice News, Venedig 1886—1888 Die Weltkunst, München 1930—1944 Zeitschrift für bildende Kunst, Leipzig 1866—1932 d) Ausstellungskataloge Belgrad La Mostra del ritratto italiano nei secoli, Ausstellungskatalog, Belgrad/Venedig 1938. Berlin Internationale Kunstausstellung, Ausstellungskatalog, Berlin 1891. Ausstellung französischer Kunst der Gegenwart, veranstaltet von der französischen Regierung in Gemeinschaft mit der Preußischen Akademie der Künste in Berlin, Ausstellungskatalog, Berlin 1937 Ausstellung italienischer Kunst von 1800 bis zur Gegenwart, Ausstellungskatalog, Akademie der Künste, Berlin 1937 Bukarest Arta italiana contemporanea: expozijie de pictura, sculptura

gravura, Ausstellungskatalog,

Muzeul Toma Stelian (21. April—15. Juni 1935), Bukarest 1935. Florenz Mostra della pittura italiana del Seicento e del Settecento, Ausstellungskatalog, Florenz/Rom 1922.

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QUELLEN UND LITERATUR

London Exhibition of Italian art: 1200—1900, Royal Academy of Arts, Burlington House, Ausstellungskatalog, London 1930. Mannheim Offizieller Katalog der Kunst-Ausstellung: 1.5.—20.10; Jubiläums-Ausstellung Mannheim 1907; Internationale Kunst- und grosse Gartenbau-Ausstellung, Mannheim 1907. Mailand Arte Italiana Contemporanea, Ausstellungskatalog, Galleria Pesaro, Mailand 1921. Arte Italiana Contemporanea, Ausstellungskatalog, Galleria Pesaro, Mailand 1925. Raccolta internazionale d'arte offerta dagli autori in omaggio a Vittorio Pica, Alberto Martini (Hg.), Mailand 1928. Catalogo della prima mostra del Novecento italiano, Ausstellungskatalog, Milano 1926. Seconda Mostra del Novecento italiano, Ausstellungskatalog, Mailand 1929. Monza Prima Esposizione Internazionali delle Arti Decorative. Consorzio Milano-Monza Umanitaria, Maggio MCMXXIII Ottobre, Ausstellungskatalog, Mailand 1923. München Illustrierter Katalog der III. Internationalen Kunstaustellung (Münchener Jubiläumsausstellung) im königl. Glaspalaste zu München 1888, München 1888. Offizieller Katalog der VI. Internationalen Kunstausteilung im königl. Glaspalaste zu München 1897, München 1897. Offizieller Katalog der VIII. Internationalen Kunstausstellung im Königlichen Glaspalast, München 1901. Offizieller Katalog der IX. Internationalen Kunstausstellung im kgl. Glaspalast, München 1905. Offizieller Katalog der X. Internationalen Kunstaustellung im königl. Glaspalast zu München 1909, München 1909.

QUELLEN UND LITERATUR

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Illustrierter Katalog der XI. Internationalen Kunstausstellung im Kgl. Glaspalast zu München 1913 veranstaltet von der „Münchener Künstlergenossenschaft", München 1913. Aufbruch zur modernen Kunst: München 1869—1958. Rekonstruktion der ersten internationalen Kunstausstellung 1869, Ausstellungskatalog, München 1958. Neapel Prima Esposizione Biennale Nazionale d'Arte della Città di Napoli, Ausstellungskatalog, Neapel 1921. Prima Mostra Triennale delle Terre Italiane d'Oltremare, Ausstellungskatalog, Genua 1940. New York Exhibition of Modem Italian Art, Ausstellungskatalog, Grand Central Art Galleries, ItalyAmerica Society (Hg.), New York 1926 Mostra d'arte contemporanea italiana. Exhibition of Italian contemporary art. Padiglione italiano all'Esposizione universale di New York, MCMXXXIX—XVII. Italian pavilion of the New York World's Fair, 1939, Mailand 1939. Paris L'Art Italien des XIX e et XX e Siècles, Musée des écoles étrangères contemporaines Jeu de Paume des Tuileries, Ausstellungskatalog, Paris 1935. Rom Esposizione di belle arti in Roma 1883: catalogo generale ufficiale, Rom 1883. S.P.Q.R. Prima Esposizione Internazionale di Belle Arti. Relazione del Comitato Esecutivo, Rom 1883. LXXXI Esposizione Internazionale di Belle Arti della società amatori e cultori di Belle Arti in Roma, Ausstellungskatalog, Rom 1912. Società amatori e cultori di Belle Arti in Roma. Catalogo della LXXXII Esposizione Internazionale. XXXVIIa Esposizione degli Acquarellisti, Rom 1913. Prima Esposizione Internazionale d'Arte della „Secessione" Roma 1913. Catalogo Illustrato, Rom 1913. Seconda Esposizione Internazionale d'Arte della „Secessione" Roma 1914. Catalogo Illustrato, Rom 1914.

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QUELLEN UND LITERATUR

Terza Esposizione Internazionale d'Arte della „Secessione" Roma 1915. Catalogo Illustrato, Rom 1915.

Prima Biennale Romana. Esposizione Nazionale di Belle Arti nel Cinquantenario della capitale Roma MCMXXI, Ausstellungskatalog, Mailand/Rom 1921. La seconda Biennale romana d'arte, Ausstellungskatalog, Rom 1923. La terza Biennale romana d'arte, Ausstellungskatalog, Rom 1925.

Turin Mario Martinosi, La esposizione nazionale di belle arti di Torino (1898), Bologna 1900.

Venedig Terzo Congresso Geografico Internazionale. Venezia 1881. Catalogo Generale degli oggetti esposti compilato per cur del Comitato Ordinatore, Venedig 1881. La Esposizione orticola di Venezia nel 1881, Venedig 1882. Terzo Congresso geografico internazionale tenuto a Venezia dal 15 al 22 settembre 1881, Rom 1884. Esposizione Nazionale Artistica, Venezia 1887. Bollettino ufficiale del Comitato Esecutivo Generale, Venezia, 18 Nummern zwischen dem 15. November 1886 und dem 24. November 1887. L'esposizione artistica nazionale illustrata — Venezia 1887, Venezia, 34 Nummern zwischen dem 27. März 1887 und dem 15. Juli 1888, Prem. Stab. Tipo-lit. dell'Emporio. Relazione-Bilancio della Esposizione Nazionale Artistica di Venezia 1887, Venedig 1889. I. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1895, Ausstellungskatalog, Venedig 1895. II. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1897, Ausstellungskatalog, Venedig 1897. III. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1899, Ausstellungskatalog, Venedig 1899.

QUELLEN UND LITERATUR

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Esposizione Internazionale d'Arte, Treves Album, Mailand 1899. IV. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1901, Ausstellungskatalog, Venedig 1901. IV. Esposizione Internazionale d'Arte della Città 1901, Guida Popolare, Venedig 1901. Galleria internazionale d'arte moderna della citta di Venezia inaugurata il 18 maggio 1902, Ausstellungskatalog, Venedig 1902. V. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1903, Ausstellungskatalog, Venedig 1903. VI. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1905, Ausstellungskatalog, Venedig 1905. VII. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1907, Ausstellungskatalog, Venedig 1907. VIII. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1909, Ausstellungskatalog, Venedig 1909. IX. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1910, Ausstellungskatalog, Venedig 1910. X. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1912, Ausstellungskatalog, Venedig 1912. Catalogo della Galleria internazionale d'arte moderna della città di Venezia, Venedig 1913. XI. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1914, Ausstellungskatalog, Venedig 1914. XII. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1920, Ausstellungskatalog, Venedig 1920. Catalogo della Esposizione degli Artisti dissidenti di Ca'Pesaro nella Galleria Geri-Boralevi, Ausstellungskatalog, Venedig 1920. Galleria Internazionale d'arte moderna della città di Venezia. Catalogo della Mostra straordinario nel Palazzo dell'Esposizione ai Giardini pubblici (Primavera-Estate 1921), Venedig 1921

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QUELLEN UND LITERATUR

XIII. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1922, Ausstellungskatalog, Florenz 1922. Mostra del Ritratto Veneziano dell' 8oo, Ausstellungskatalog, Venedig 1923. XIV. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1924, Ausstellungskatalog, Venedig 1924. Padiglione dell'URSS. Supplemento al catalogo ufficiale della XIV Esposizione Internazionale d'arte di Venezia 1924, Ausstellungskatalog, Venedig 1924. XV. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1926, Ausstellungskatalog, Venedig 1926. Galleria internazionale d'arte moderna della citta di Venezia: elenco delle opere esposte nell'anno 1926, Venedig 1926. XVI. Esposizione Internazionale d'Arte della città di Venezia 1928, Ausstellungskatalog, Venedig 1928. Il Settecento Italiano, Cataloge generale della mostra e delle sezione, Ausstellungskatalog, Venedig 1929. XVII. Esposizione Biennale Internazionale d'Arte 1930, Ausstellungskatalog, Venedig 1930. XVIII. Esposizione Biennale Internazionale d'Arte 1932, Ausstellungskatalog, Venedig 1932. Il Padiglione della Danimarca all'Esposizione Biennale 1932, Venedig 1932. Ente autonomo Esposizione Biennale Internazionale d'arte di Venezia, Regolamento per gli uffici e per il personale, Venedig 1934. XIX. Esposizione Biennale Internazionale d'Arte 1934, Ausstellungskatalog, Venedig 1934. Ente autonomo Esposizione Biennale Internazionale d'arte di Venezia. III. Festival internazionale di musica, Venedig 1934. Un giorno a Venezia. Itinerari illustrati della Città e Guida della XIX Biennale d'arte Venezia, Venedig 1934.

QUELLEN UND LITERATUR

Mostra di Tiziano, 25. April—4. November 1935, Ausstellungskatalog, Nino

2¡1

BARBANTINI,

Venedig 1935. Mostra dei Quarant'Anni della Biennale, MDCCCXCV—MCMXXXV, Ausstellungskatalog, Seconda Edizione, Venedig 1935. XX. Esposizione Biennale Internazionale d'Arte 1936, Ausstellungskatalog, Venedig 1936. IV. Festival internazionale di musica, Venedig 1936. Die Tintoretto-Ausstellung. Katalog der Werke, Ca' Pesaro, Ausstellungskatalog, Venedig 1937. Giulio Lorenzetti, Le Feste e le Maschere Veneziane, Ca' Rezzonico, Ausstellungskatalog, Venedig 1937. V. Festival internazionale di musica, Venedig 1937. XXI. Esposizione Biennale Internazionale d'Arte 1938, Ausstellungskatalog, Venedig 1938. Sonderausstellung Deutschland: 21. Esposizione Biennale Internazionale d'Arte Venezia 1938, Ausstellungskatalog, Berlin 1938. Nicolae Iorga, La Romania alla Biennale di Venezia 1938, Valenii-de-Munte 1938. Giovanni Mariacher, La Galleria Internazionale d'Arte Moderna della città di Venezia, Katalog, Venedig 1938. VI. Festival internazionale di musica, Venedig 1938. Paolo Veronese Ausstellung, Ausstellungskatalog, Rodolfo Pallucchini (Hg.), Venedig 1939. Nino Barbantini, Il R. Museo Orientale di Venezia, Rom 1939. XXII. Esposizione Biennale Internazionale d'Arte 1940, Ausstellungskatalog, Venedig 1940. La Biennale di Venezia (Hg.), VIII. Mostra internazionale d'arte cinematografica, Venedig 1940. Mostra degli incisori veneti del Settecento, (28. Juni—30. September 1941), Ausstellungskatalog, Rodolfo Pallucchini (Hg.), Venedig 1941.

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QUELLEN UND

LITERATUR

VII. Festival internazionale di musica, Venedig 1941. XXIII. Esposizione Biennale Internazionale d'Arte 1942, Ausstellungskatalog, Venedig 1942. Mostra di Arte Germanica Moderna di Bianco e Nero, Ausstellungskatalog, Sala Napoleonica del Palazzo Reale, Associazione Italo-Germanica/Kunstdienst di Berlino (Hg.), Venedig 1943. Cinque secoli di pittura veneta: Venezia 1945, Procuratie Nuove, Ausstellungskatalog, Rodolfo Pallucchini (Hg.), Venedig 1945. I capolavori dei musei veneti, Ausstellungskatalog, Rodolfo Pallucchini (Hg.), Venedig 1946. XXIV. Biennale di Venezia, Ausstellungskatalog, Venedig 1948. Biennale di Venezia (Hg.), IV. Mostra internazionale d'arte cinematografica. Esposizione tecnica della cinematografia, Ausstellungskatalog, Venedig 1948. Giovanni Bellini, Palazzo Ducale, Ausstellungskatalog, Rodolfo Pallucchini (Hg.), Venedig 1949. Mostra del Tiepolo, Ausstellungungskatalog, Giulio Lorenzetti (Hg.), Venedig 1951. Wien Moderne Italienische Kunst, Künstlerhaus Wien, Ausstellungskatalog, Wien 1933. Zürich Ausstellung zeitgenössischer italienischer Maler und Bildhauer/Mostra dei pittori e scultori italiani contemporanei, Ausstellungskatalog, Zürich 1940. e) Reiseführer Guida pratica necessaria a tutti i visitatori 1895. Guida della Esposizione di Belle Arti con disegni e ritratti pubblicata dal Gazzettino, Venedig 1895. Guida pratica necessaria a tutti i visitatori 1897, Venedig 1897.

QUELLEN UND LITERATUR

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Guida popolare di Venezia e della III. Esposizione Internazionale d'Arte con 62 vedute, Anno 1899, Venedig 1899.

f ) Bücher, Aufsätze etc. Mario Alverà, Il Bilancio del Comune di Venezia e le Opere Realizzate dal 1930 al 1938, Venedig 1938. Antonio Aniante, Per la difesa de l'arte italiana. La Biennale di Venezia e le malefatte di Antonio Maraini, in: Il Merlo, 26. Juli 1937. ASAC (Hg.), Il primo Decennio dell'Ente autonomo della Biennale. Numero speciale del Bolettino della Biennale. L'Arte nelle Mostre Italiane, Venedig 1939. Nino Barbantini, La Galleria Internazionale d'Arte Moderna a Venezia, Mailand 1900. Nino Barbantini, La Galleria Internazionale d'Arte Moderna della città di Venezia, in: Nuova Antologia, 1. Februar 1909. Nino Barbantini, La Galleria Internazionale d'Arte Moderna a Venezia, Mailand 1927. Nino Barbantini, (Hg.), La mostra del Tintoretto, Ausstellungungskatalog, Venedig 1937· Nino Barbantini, La Mostra del Tintoretto, in: Le vie d'Italia. Rivista mensile del Touring Club Italiano, 3.1937, S. 170—175. Nino Barbantini, Biennali, Venedig 1945. Nino Barbantini, Scritti d'arte: inediti e rari, Gino Damerini (Hg.), Venedig 1953. Mazzini Beduschi, Arte contemporanea, Venedig 1903. Sem Benelli, La IV Esposizione d'arte a Venezia (1901), Florenz 1901. Il Primo Convegno degli Artisti Italiani ed Esteri alla Esposizione di Venezia. Note, impressioni, illustrazioni di Bladinus, Giovanni ing. Biadene di Asolo, Mailand 1895. Camillo Boito, La mostra nazionale di Belle Arti in Venezia, in: Nuova Antologia, Rom, 1. November 1887, S. 48—63.

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QUELLEN UND L I T E R A T U R

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