Autorschaft und Autorisierungsstrategien in apokalyptischen Texten: Herausgegeben:Frey, Jörg; Jost, Michael R.; Tóth, Franz;Mitarbeit:Stettner, Johannes 9783161570247, 9783161570254, 3161570243

Der Band bietet eine breite Analyse und Reflexion der Autorschaftskonzepte und Autorisierungsstrategien in frühjüdischen

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German Pages 462 [475] Year 2019

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einführung und Allgemeines
Franz Tóth: Autorschaft und Autorisation
Martina Janßen: „Was ist ein Autor?“ Vorstellungen und (Selbst-)Inszenierungen von Autorschaft in der Antike
Frühjüdische Literatur
Konrad Schmid: How the Prophets Became Biblical Authors and How the Biblical Authors Became Prophets
Erich Bosshard-Nepustil: „Forscht nach in der Schrift Jhwhs und lest“ (Jes 34,16) Jhwh als Autor des Jesaja-Buchs?
John J. Collins: Torah and Higher Revelation in the Jewish Apocalypses
Matthew J. Goff: Reading Jewish Wisdom From Before the Flood: Authorship, Prophecy, and Textuality in Enochic Literature
Stefan Krauter: Warum Esra? – Beobachtungen zum Autorkonzept des. 4. Esrabuches
István Czachesz: Visions with Authority: Reconsidering the Origins and Transmission of Apocalyptic Visions, with Special Attention to Jewish and Christian Pseudepigrapha
Jordash Kiffak: Pseudonymity in 2 Baruch: Jeremiah 45.1–5 as the Fertile Seedbed for a Hopeful Exhortation
Christfried Böttrich: Der Stammvater als Offenbarungsträger: Autorisationsstrategien in der apokryphen „Leiter Jakobs“
Michael Tilly: Apokalyptik und Mystik im rabbinischen Judentum
Frühchristliche Literatur
Adela Yarbro Collins: The Construction of the Author’s Authority in the Book of Revelation as a Whole
Jan Dochhorn: Zur Konstruktion von Autorschaft in der Ascensio Jesaiae
Tobias Nicklas: Petrusoffenbarung, Christusoffenbarung und ihre Funktion: Autoritätskonstruktion in der Petrusapokalypse
Thomas J. Kraus: „Wieviel ‚Paulus‘ ist in der Apokalypse des Paulus/Visio Pauli?“ Eine Apokalypse und ihr Protagonist
Zur Nachwirkung der Antike
Gerhard Regn: Die Apokalypse im Irdischen Paradies: Offenbarung, Allegorie und Dichtung in Dantes Commedia
Autorinnen- und Autorenverzeichnis
Stellenregister
Autorinnen- und Autorenregister
Sachregister
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Autorschaft und Autorisierungsstrategien in apokalyptischen Texten: Herausgegeben:Frey, Jörg; Jost, Michael R.; Tóth, Franz;Mitarbeit:Stettner, Johannes
 9783161570247, 9783161570254, 3161570243

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Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Tobias Nicklas (Regensburg) · Janet Spittler (Charlottesville, VA) J. Ross Wagner (Durham, NC)

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Autorschaft und Autorisierungsstrategien in apokalyptischen Texten Herausgegeben von

Jörg Frey, Michael R. Jost und Franz Tóth Unter Mitwirkung von Johannes Stettner

Mohr Siebeck

Jörg Frey, geboren 1962; 1996 Promotion und 1998 Habilitation in Tübingen; seit 2010 Professor für Neutestamentliche Wissenschaft mit Schwerpunkten Antikes Judentum und Hermeneutik an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich. Michael R. Jost, geboren 1982; 2018 Promotion in Bern; Assistent von Prof. Dr. Benjamin Schliesser am Institut für Neues Testament der Theologischen Fakultät der Universität Bern. orcid.org/0000-0001-6140-5624 Franz Tóth, geboren 1972; 2005 Promotion in Halle; 2014 Habilitation in Zürich; Privat­ dozent für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich. orcid.org/0000-0003-3613-2163 Johannes Stettner, geboren 1988; 2017 Promotion in Regensburg; derzeit Gymnasiallehrer für Latein und kath. Religion in Bayern. orcid.org/0000-0001-6031-1191

ISBN 978-3-16-157024-7 / eISBN 978-3-16-157025-4 DOI 10.1628/978-3-16-157025-4 ISSN 0512-1604 / eISSN 2568-7476 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Autorschaft und Authentizität, Autorität und Autorisierung sind keineswegs nur in der Bibelwissenschaft lebhaft diskutierte Themen. Die Frage nach authentisch oder ‚gefälscht‘ hat zuletzt besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen in einer Medienlandschaft, in der oft kaum mehr zwischen belegbaren Nachrichten und ‚fake news‘ zu unterscheiden ist. Der mediale Wandel hat aber auch die Welt der Wissenschaften erfasst, wo der unaufhaltsame Wandel vom gedruckten und so material fixierten Buch zu leicht veränderbaren, flüssigen Datenbeständen oder rasch wechselnden Webseiten neu die Frage virulent werden lässt, wodurch und von wem die irgendwo erhältlichen Informationen eigentlich autorisiert sind. Autorschaft und Authentizität sind nicht allein Themen der Bibelwissenschaft. Anonymität oder Pseudonymität, die fehlende, irrtümliche oder intentional unrichtige Zuschreibung von Werken an bestimmte Autoren begegnet ebenso im Bereich der antiken, mittelalterlichen oder modernen Literatur, der Bildenden Kunst oder der Musik. Somit ist auch die Diskussion um Pseudonymität und Pseudepigraphie, ihre Motive und ihre Funktion gleichermaßen ein Thema der Literaturwissenschaft, der Kunstwissenschaft oder der Musikwissenschaft. Im Bereich der modernen Bibelwissenschaft war die Annahme einer pseudonymen Gestaltung einer Schrift bzw. einer literarischen Fälschung allerdings von Anfang an mit der Hypothek belastet, dass dieser dann – wenn überhaupt – höchstens ein eingeschränkter Wahrheitsanspruch oder eine verminderte kanonische Geltung zukommen konnte. Dies hat dazu geführt, dass sich bis in die Gegenwart konservative Positionen eher zur Verteidigung der orthonymen ‚Echtheit‘ bzw. apostolischen Authentizität z.B. der Evangelien oder neutestamentlichen Briefe genötigt sehen, während hingegen die Annahme literarischer Fälschungen in der Bibel gelegentlich mit aufklärerischem Pathos vertreten wird. Die insbesondere für die deuteropaulinischen und katholischen Briefe heftig debattierten Fragen erfuhr eine wesentliche Ausweitung durch die an alttestamentlichen und frühjüdischen Texten oder der griechisch-römischen Literatur gewonnenen Einsichten. Die Phänomene der Fortschreibung in der alttestamentlichen Literatur, die Zuschreibung von Psalmen an David oder Weisheitsschriften an Salomo und die verbreitete Zuschreibung frühjüdischer Schriften an Gestalten der Vorzeit wie Henoch, Abraham, Mose oder Elia konnten ebenso wie die Verweise auf pseudonyme Briefe oder Briefcorpora in der

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Vorwort

griechischen Welt zur Akzeptanz des Phänomens auch im Frühchristentum beitragen. Allerdings wurde im Bereich der frühjüdischen und frühchristlichen Apokalyptik das Phänomen, dass sich deren tatsächliche Autoren hinter Gestalten der Vorzeit ‚verstecken‘, gerne als Indiz eines geringeren religiösen Selbstbewusstseins dieser Autoren oder eines geringeren religiösen Wertes ihrer Schriften angesehen. Die in der Apokalyptik gepflegte Zuschreibung von Offenbarungen an Gestalten der Vorzeit konnte so zu einer Geringschätzung dieser Strömung oder überhaupt des nachbiblischen Judentums und seiner Wirkungsspuren im frühen Christentum beitragen. Erst durch die Schriftfunde von Qumran und die dadurch bewirkten Impulse konnte die Forschung in den letzten Jahrzehnten zu einer wesentlich differenzierteren Wahrnehmung der ‚zwischentestamentarischen‘ Literatur, der ‚Apokryphen und Pseudepigraphen‘ bzw. der ‚parabiblischen Schriften‘ gelangen. Dabei wurde zugleich deutlich, dass es bei der Zuschreibung an gewisse Autoren um deutlich mehr geht als nur um die Reklamierung einer fremden Autorität. Mit den vorzeitlichen Figuren kommen zugleich geschichtliche und ‚heilsgeschichtliche‘ Kontexte ins Blickfeld, werden spezifische Traditionen oder Diskurse aufgenommen und spezifische Problemstellungen adressiert, so dass in einer Autorkonstruktion weit mehr über eine jeweilige Schrift auf dem Spiel steht, als nur die Frage, wer sie letztlich verfasst oder ediert hat. Dasselbe gilt für die Autorschafts-Konstruktionen in neutestamentlichen Texten, insbesondere den deuteropaulinischen und katholischen Briefen. Wo nämlich von einer Autorfiktion ausgegangen wird, hängen damit auch das Bild der Adressaten oder der bekämpften Gegner zusammen. Sie alle können in das fiktionale Gefüge einbezogen sein und so, in ihrem Zusammenspiel, zur kommunikativen Wirkung des jeweiligen Textes in seinem faktischen Abfassungsoder Rezeptionskontext beitragen. Die gewählte Fiktion der Abfassung eines Schreibens ist somit ganz entscheidend für seine Rezeption und Wirkung bzw. für die Wahrnehmung seiner Intention. Die Beiträge, die in dem vorliegenden Band präsentiert werden, wurden an einem internationalen Symposium vorgetragen, das vom 9. bis 11. Juni 2016 an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich unter dem englischen Titel Author Concepts and Strategies of Authorization in Early Jewish and Early Christian Apocalyptic Literature abgehalten wurde. Die Konferenz fand statt zu Ehren des Wissenschaftler-Ehepaars Prof. Dr. Adela Yarbro Collins und Prof. Dr. John J. Collins von der Yale Divinity School, die beide im Jahr 2015 mit der Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Zürich ausgezeichnet worden waren. In ihrem wissenschaftlichen Lebenswerk haben beide, je für sich und in fruchtbarer Zusammenarbeit, wegweisend zu einem präzisieren und angemessenen Verständnis der frühjüdischen und frühchristlichen Apokalyptik beigetragen, von den späten Traditionen der hebräischen Bibel wie dem Danielbuch über die Schriftrollen vom Toten Meer und andere

Vorwort

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frühjüdische Texte, das Neue Testament und die neutestamentliche Apokalypse bis hin zu späteren frühchristlich-apokalyptischen Überlieferungen. Die Konferenz stand zugleich in Verbindung mit dem an meinem Lehrstuhl angesiedelten, von PD Dr. Franz Tóth durchgeführten Forschungsprojekt „Literarische Selbstbezüglichkeit in neutestamentlichen Texten (Evangelien und Apokalypse) im Horizont alttestamentlicher und frühjüdischer Überlieferungen“, das von 2012 bis 2015 vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert wurde und aus dem eine umfangreiche Studie zum Matthäusevangelium als Jesuserzählung in der Tradition der „Rewritten Bible“-Texte1 sowie weitere Studien und Vorträge zum Johannesevangelium und zur Johannesapokalypse hervorgegangen sind. Der Beitrag von Franz Tóth im vorliegenden Band spiegelt gleichfalls Ergebnisse aus diesem Projekt. Zugleich knüpft die Frage nach Autorschafts- und Autorisierungs-Konstruktionen in apokalyptischen Texten an eine Reihe von früheren Projekten an, die an meinem Lehrstuhl in München und in Zürich durchgeführt wurden. So wurden in einem umfangreichen Sammelband, basierend auf einem Münchner Symposium von 2007, Forschungen zu „Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen“ zusammengetragen,2 durch die die Phänomene von Pseudonymität in der neutestamentlichen Briefliteratur in einen breiten Rahmen frühjüdischer und griechisch-römischer Kontexte gestellt werden. Zugleich wird in den Beiträgen das Wechselspiel zwischen den Bildern von Autor, Adressaten, Gegnern und Situation deutlich, die nur in ihrer Gesamtheit die je vorliegende Konstruktion ergeben und nur in ihrem Zusammenklang zu verstehen sind. In meiner Kommentierung des Judasbriefs und des zweiten Petrusbriefs habe ich diese Einsichten exemplarisch für diese beiden Schreiben zur Geltung gebracht.3 Ein weiteres Projekt, das an meinem Lehrstuhl in Zürich von 2012–2014 in Verbindung mit Kolleginnen und Kollegen aus Lausanne, Bern und Regensburg durchgeführt wurde, widmete sich der Frage der Entstehung ‚parabiblischer‘ Schriften neben anderen, schon als maßgeblich geltenden Schriften.4

1 F. Tóth, Exodusdiskurse im Matthäusevangelium. Studien zur Exodusrezeption im Matthäusevangelium vor dem Hintergrund biblischer und frühjüdischer Schriftdiskurse, WUNT, Tübingen 2019 (im Druck). 2 J. Frey/J. Herzer/M. Janssen/C. K. Rothschild (Hg., unter Mitarbeit von M. Engelmann), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in neutestamentlichen Briefen, WUNT 246, Tübingen 2009. 3 J. Frey, Der Judasbrief und der zweite Petrusbrief, HThK 15/2, Leipzig 2015; englische Übersetzung: The Letter of Jude and the Second Letter of Peter, translated by K. Ess, Waco, TX 2018. 4 J. Frey/C. Clivaz/T. Nicklas (Hg., unter Mitarbeit von J. Röder), Between Canonical and Apocryphal Texts. Processes of Reception, Rewriting, and Interpretation in Early Judaism and Early Christianity, WUNT, Tübingen 2019.

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Vorwort

Im Kontext dieser auf das präzisere Verstehen der literarischen Phänomene und Prozesse ausgerichteten Forschungen fragen die Beiträge des vorliegenden Bandes nach Konzepten von Autorschaft und Autorisierungsstrategien in Texten der frühjüdischen und frühchristlichen Apokalyptik. In einem ersten einführenden Beitrag fragt Franz Tóth zunächst grundlegend nach der Bedeutung von Autorschaft und Autorisierungskonzepten in der Literaturwissenschaft und dann, vor diesem Hintergrund, in den Bibelwissenschaften, bevor anschließend in einem zweiten Beitrag Martina Janßen die breite Vielfalt an Vorstellungen von Autorschaft in der griechisch-römischen Antike vor Augen stellt. Es folgen Einzelbeiträge zu einzelnen Schriften und Schriftenkreisen, so zunächst von Konrad Schmid zu den biblischen Prophetenbüchern und zum Verhältnis von Prophetie und Autorschaft, und von Erich Bosshard-Nepustil über den schon alttestamentlichen Gedanken einer geradezu göttlichen Autorschaft des Prophetenbuchs, dann von John J. Collins zum Offenbarungsverständnis in den frühjüdischen Apokalypsen, von Matthew Goff zur Henochliteratur und von Stefan Krauter zum Autorkonzept des 4. Esrabuches. István Czachesz fragt nach Hintergründen und Formen der Autorisierung von Visionen und ihrer Weitervermittlung, Jordash Kiffiak nach dem jeremianischen Hintergrund der Autorfiktion im 2. Baruchbuch und Christfried Böttrich nach Autorisierungsstrategien in der nur kirchenslavisch überlieferten Schrift „Leiter Jakobs“. Michael Tillys Beitrag zu Apokalyptik und Mystik im rabbinischen Judentum schließt den frühjüdischen Teil des Bandes ab. Ein weiterer, etwas kürzerer Teil befasst sich mit den Autorisierungsstrategien in frühchristlichen Apokalypsen. Darin untersucht Adela Yarbro Colllins die Autoritätskonstruktion in der Johannesapokalypse und Jan Dochhorn das entsprechende Gefüge in der Ascensio Jesajae. Tobias Nicklas und Thomas Kraus untersuchen die Petrusapokalypse bzw. die Paulusapokalypse. Da gerade diese frühchristlichen Apokalypsen die späteren Vorstellungen von der Unterwelt insbesondere im lateinischen Westen entscheidend geprägt haben, sind Wirkungsspuren dieser apokalyptischen Vorstellungen bis weit ins christliche Mittelalter und in die Neuzeit hinein zu erkennen. Ein besonders wirkmächtiges Beispiel dafür ist Dantes Divina Commedia, die in diesem Zusammenhang abschließend durch den Münchner Romanisten Gerald Regn behandelt wird. Die Beiträge dokumentieren im Ganzen die Variationsbreite und Wirkkraft der in apokalyptischen Texten entwickelten Autorisierungsstrukturen. Sie zeigen, dass Pseudonymität hier keineswegs auf ein geringeres auktoriales Selbstbewusstsein hindeuten oder die literarische Kraft oder den religiösen Wert der jeweiligen Schriften fraglich werden lassen. Vielmehr zeigt sich gerade in den jeweiligen Konstruktionen, der je eigene Anspruch und Wert der Schriften. Die Durchführung der Zürcher Konferenz und die Zusammenstellung des vorliegenden Bandes wurde durch eine Vielzahl von Institutionen und Per-

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Vorwort

sonen ermöglicht. Das Forschungsprojekt von Franz Tóth wurde dankenswerterweise vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt. Die Konferenz wurde finanziert aus Mitteln des gemeinsamen Doktoratsprogramms der deutschschweizer Theologischen Fakultäten in Basel, Bern und Zürich. Bei der Organisation halfen meine Sekretärin Sonia Caflisch und meine Assistenten Dr. Michael Jost und Dr. Friederike Kunath mit. Die Redaktion und editorische Bearbeitung der Beiträge übernahm zunächst Dr. Johannes Stettner (Regensburg), bevor dann Michael Jost die Federführung übernahm und auch das druckfertige Manuskript erstellte. Das Stellen- und Autorinnen- und Autorenregister wurden von Stephanie Janz, sowie das Sachregister von Michael Jost erstellt. Wir danken allen Beitragenden und Unterstützern, nicht zuletzt dem Team vom Verlag Mohr Siebeck mit Dr. Katharina Gutekunst im Lektorat und Daniela Zeiler in der Herstellung. Wie die Zürcher Konferenz, so soll auch der Band den beiden Ehrendoktoren unserer Fakultät, Adela Yarbro Collins und John J. Collins in Ehrerbietung und Freundschaft gewidmet sein. Zürich, im April 2019

Jörg Frey

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ......................................................................................................... V

Einführung und Allgemeines Franz Tόth Autorschaft und Autorisation ........................................................................ 3 Martina Janßen „Was ist ein Autor?“ Vorstellungen und (Selbst-)Inszenierungen von Autorschaft in der Antike .............................................................................49

Frühjüdische Literatur Konrad Schmid How the Prophets Became Biblical Authors and How the Biblical Authors Became Prophets...........................................................................111 Erich Bosshard-Nepustil „Forscht nach in der Schrift Jhwhs und lest“ (Jes 34,16) Jhwh als Autor des Jesaja-Buchs? .............................................................129 John J. Collins Torah and Higher Revelation in the Jewish Apocalypses ............................155 Matthew J. Goff Reading Jewish Wisdom From Before the Flood: Authorship, Prophecy, and Textuality in Enochic Literature ......................171 Stefan Krauter Warum Esra? – Beobachtungen zum Autorkonzept des. 4. Esrabuches ......193 István Czachesz Visions with Authority: Reconsidering the Origins and Transmission of Apocalyptic Visions, with Special Attention to Jewish and Christian Pseudepigrapha .................207

XII

Inhaltsverzeichnis

Jordash Kiffak Pseudonymity in 2 Baruch: Jeremiah 45.1–5 as the Fertile Seedbed for a Hopeful Exhortation .............227 Christfried Böttrich Der Stammvater als Offenbarungsträger: Autorisationsstrategien in der apokryphen „Leiter Jakobs“.........................257 Michael Tilly Apokalyptik und Mystik im rabbinischen Judentum ...................................285

Frühchristliche Literatur Adela Yarbro Collins The Construction of the Author’s Authority in the Book of Revelation as a Whole ............................................................................305 Jan Dochhorn Zur Konstruktion von Autorschaft in der Ascensio Jesaiae.........................321 Tobias Nicklas Petrusoffenbarung, Christusoffenbarung und ihre Funktion: Autoritätskonstruktion in der Petrusapokalypse ..........................................347 Thomas J. Kraus „Wieviel ‚Paulus‘ ist in der Apokalypse des Paulus/Visio Pauli?“ Eine Apokalypse und ihr Protagonist ..........................................................365

Zur Nachwirkung der Antike Gerhard Regn Die Apokalypse im Irdischen Paradies: Offenbarung, Allegorie und Dichtung in Dantes Commedia ............................................................391 Autorinnen- und Autorenverzeichnis ..........................................................413 Stellenregister.............................................................................................415 Autorinnen- und Autorenregister ................................................................447 Sachregister ................................................................................................457

Einführung und Allgemeines

Autorschaft und Autorisation Franz Tóth Tod und Auferstehung des Autors Die biblische Wissenschaft hat die Frage nach dem Autor1 bzw. nach der Autorschaft für biblische Text neu für sich entdeckt. Impulse dazu kamen – nicht zum ersten Mal – aus den sich erheblich wandelnden literatur- und kulturwissenschaftlichen Diskursfeldern. Noch vor einiger Zeit kursierte in literaturwissenschaftlichen Theoriedebatten der von R. Barthes ausgerufene „Tod des Autors“.2 Nicht selten evozierte diese eher von der Theatralität ihrer Metaphorik als von der Plausibilität ihrer Lösungsansätze lebende Rede auch den „Tod“ Gottes,3 den „Tod“ des Subjekts oder den „Tod“ des Patriarchats.4 Nachdem Roland Barthes den Totenschein für den Autor ausgestellt hatte5 und der „Tod“ des Autors literaturtheoretischer Gemeinplatz wurde, nahm die literaturwissenschaftliche Autorschaftsdebatte bald erneut wieder Fahrt auf: nach ersten „Wiederbelebungsversuchen“6 erlebte der Autor in der Folgezeit eine wundersame „Wiederauferstehung“,7 eine

1 Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass personenreferenzielle Nomina, die grammatisch maskulines Genus haben, sich grundsätzlich auf beide Geschlechter beziehen, Bezeichnung wie ‚Autor‘, ‚Erzähler‘ oder ‚Leser‘ schließen also auch ‚Autorinnen‘, ‚Erzählerinnen‘ und ‚Leserinnen‘ ein. 2 Vgl. R. BARTHES, La mort de l’auteur, Manteia (1968), 12–17, zuvor erschienen auf Englisch: The Death of the Autor, Aspen Magazin 5/6 (1967), bzw. in DERS., Image. Music. Text, London 1977, 142–148, zitiert nach DERS., Der Tod des Autors, in: F. Jannidis u.a. (Hg.), Texte zur Theorie der Autorschaft, Reclam, Stuttgart 2000, 185–193. 3 R.G. WILLIAMS, I Shall be Spoken: Textual Boundaries, Authors, and Intent, in: G. Bornstein/R.G. Williams (Hg.), Palimpsest. Editorial Theory in the Humanities, Ann Arbor 1993, 45–66. 4 C. WALKER, Feminist Literary Criticism and the Author, Critical Inquiry 16 (1990), 551–571. 5 Vgl. BARTHES, Tod des Autors (s. Anm. 2). 6 Vgl. A. NÜNNING, Totgesagte leben länger. Anmerkungen zur Rückkehr des Autors und zu Wiederbelebungsversuchen des ‚impliziten Autors‘, Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 42 (2001), 353–385. 7 Vgl. N. WOLTERSTORFF, Resurrecting the Author, Midwest Studies in Philosophy 27 (2003), 4–24.

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Franz Tόth

„Wiedergeburt“8 – der „totgesagte“9 Autor kehrte erneut unter die „Lebenden“10 zurück – offenbar mit mehreren „Leben“11 bestückt oder gar „unsterblich“12 – und schickte sich an furchtbare „Rache“13 zu nehmen an den „AntiAutor-Philippiken“14 der Poststrukturalisten. Im Rückblick zeigt sich, dass sich die Durchsetzung der Autorkritik nicht unbedingt konzeptionell-theoretischen Überlegungen verdankte, sondern Umbrüchen in Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft. Blickt man auf die historische und wissenschaftspolitische Situierung der poststrukturalistischen Autorkritik durch R. Barthes15 und M. Foucault,16 so erscheint ihre Kritik im Umfeld der 68er Bewegung.17 Glaubwürdigkeit gewann die Theorie in diesem Kontext weniger aus methodischer Differenzierung als vielmehr aus ihrer Grundsätzlichkeit gegen etablierte Wissenschaftskonventionen. Der Gestus der Kritik war seinerseits Symptom für einen wissenssoziologisch beschreibbaren Wandel in der Literaturwissenschaft. So gesehen war die Autorkritik „Teil einer Verknappung von Sinnangeboten, mit der die Literaturwissenschaft auf den Verlust ihres symbolischen Kapitals Literatur reagiert“;18 der Schlachtruf „der

8 Vgl. S.S. FRIEDMAN, Weavings. Intertextuality and the (Re)Birth of the Author, in: J. Clayton/E. Rothstein (Hg.), Influence and Intertextuality in Literary History, Madison 1991, 146–180. 9 NÜNNING, Totgesagte (s. Anm. 6). 10 Vgl. J. HOLT, The Marginal Life of the Author, in: W. Irwin (Hg.), The Death and Resurrection of the Author? Westport 2002, 65–78. 11 Vgl. N.C. WOLF, Wie viele Leben hat der Autor? Zur Wiederkehr des empirischen Autor- und Werkbegriffs in der neueren Literaturtheorie, in: H. Detering (Hg.), Autorschaft. Positionen und Revisionen, Germanistische Symposien Berichtsband 24, Stuttgart/Weimar 2002, 390–405. 12 Vgl. D. SCHÖTTKER, Kampf um Ruhm. Zur Unsterblichkeit des Autorsubjekts, Sinn und Form 53 (2001), 267–273. 13 Vgl. J. SCHIEDERMAIR, Die Rache des toten Autors. Gegenseitige Lektüren poststrukturaler Literaturtheorie und schwedischer Gegenwartsprosa, Freiburg 2000. 14 W. SCHMID, Elemente der Narratologie, Berlin u.a. 32014, 53. 15 BARTHES, Tod des Autors (s. Anm. 2). 16 M. FOUCAULT, Was ist ein Autor? Vortrag am Collège de France 1969, erstmals abgedruckt in: Bulletin de la Société française de Philosophie 1969, in: Ders., Schriften zur Literatur, Frankfurt a.M. 2003, 234–270. 17 Vgl. die scharfe Analyse bei F. JANNIDIS/G. LAUER/M. MARTINEZ/S. WINKO, Rede über den Autor an die Gebildeten unter seinen Verächtern. Historische Modelle und systematische Perspektiven, in: Dies. (Hg.), Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs, Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 71, Tübingen 1999, 3– 35 (15f.). 18 JANNIDIS/LAUER/MARTINEZ/WINKO, Rede über den Autor (s. Anm. 17), 16.

Autorschaft und Autorisation

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Tod des Autors“ wird als Symptom für den Geltungsschwund der Literatur entlarvt,19 ihre vermeintliche historische Evidenz als „Sprachutopie“ widerlegt.20 Seit der „Rückkehr des Autors“21 hat sich indes die Diskussion um Autor und Autorschaft erheblich ausdifferenziert und transdisziplinäre Diskurse inspiriert. Verschiede Autormodelle22 werden präsentiert und Autorfunktionen23 definiert. In nahezu allen geisteswissenschaftlichen Disziplinen sind Überlegungen zum Autorbegriff angestellt worden, so in der Musikwissenschaft, Kunstwissenschaft, Filmwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Rechtswissenschaft, Religionswissenschaft und Philosophie.24 Weitere Felder und Subdisziplinen, in denen der Autorbegriff erneut in den Fokus gerückt ist, sind etwa die Editionsphilologie, die Gender-Studies und Postkolonialismus-Studien.25 In den verschiedenen historisch orientieren Forschungen findet sich entsprechend dem belebten Diskurs um Autor und Autorschaft eine Zunahme autorfokussierter Arbeiten: gefragt wird neu nach Autorschaftskonzepten in der

19 So das Fazit von JANNIDIS/LAUER/MARTINEZ/WINKO, Rede über den Autor (s. Anm. 17), 16, und erläutern: „Die Literaturwissenschaft muss darauf [auf den Geltungsschwund] reagieren, und sie tut dies vor allem dadurch, daß sie ihre Interpretationspraxis schroff von einer als ‚naiv‘ bezeichneten absetzt. Das gilt auch und gerade für den Umgang mit dem Autor. Nur so kann sie verhindern, daß der Geltungsschwund auf ihre Legitimation ausgreift. Deshalb kanonisiert sie bestimmte Theoriepositionen zu sogenannten ‚Meisterdiskursen‘.“ 20 So die vernichtende Kritik von C. SPOERHASE, Autorschaft und Interpretation. Methodische Grundlagen einer philologischen Hermeneutik, Historia Hermeneutica, Series Studia 5, Berlin u.a. 2007, 26, zur literaturhistorischen These von R. Barthes: „Der im Großen und Ganzen kontrafaktische Charakter der historischen These vom nahenden Tode des Autors macht deutlich, dass Barthes eher eine ‚Sprachutopie‘ als einen literaturhistorischen Sachverhalt vor Augen hatte. Barthes formuliert einen erwünschten Zustand, in dem Literatur ohne einen Rekurs auf die Autorkategorie rezipiert würde. Seine ‚Geschichte‘ von der Auflösung des literarischen Autors ist präskriptiv.“ 21 Vgl. F. JANNIDIS/G. LAUER/M. MARTINEZ/S. WINKO (Hg.), Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs, Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 71, Tübingen 1999. 22 Zu den Autormodellen vgl. die Übersicht bei A. BENNETT, The Author, New York 2005, 128–130. 23 Zur Erhebung von Autorfunktionen vgl. JANNIDIS/LAUER/MARTINEZ/WINKO, Rede über den Autor (s. Anm. 16), 18–22; S. WINKO, Autor-Funktionen. Zur argumentativen Verwendung von Autorkonzepten in der gegenwärtigen literaturwissenschaftlichen Interpretationspraxis, in: A. Detering (Hg.), Autorschaft. Positionen und Revisionen, Stuttgart/Weimar 2002, 334–354; F. JANNIDIS, Autorfunktion, in: A. Nünning (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Person – Grundbegriffe, Stuttgart/Weimar 52013, 47–48. 24 Zu den Einzelnachweisen vgl. SPOERHASE, Autorschaft (s. Anm. 20), 14. 25 Einzelbelege bei SPOERHASE, Autorschaft (s. Anm. 20), 15f.

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Franz Tόth

Antike,26 nach der Autorschaft im Mittelalter27 und nach neuzeitlichen Autorschaftsmodellen.28 Spezielle Fragestellungen bestreffen ferner die Idee von Autor und Autorschaft in frühjüdischen Texten;29 die biblische Wissenschaft greift ihrerseits ebenfalls den Diskurs auf und thematisiert, unter Einbeziehung narratolo-

26 Vgl. J. MANSFELD, Prolegomena. Questions to be Settled Before the Study of an Author, or a Text, PhAnt 61, Leiden 1994; J. SVENBRO, La notion d’auteur en grèce ancienne, in: G. Charmant/A. Goulet (Hg.), L’auteur, Caen 1996, 16–26; A. ARWEILER/M. MÖLLER (Hg.), Vom Selbst-Verständnis in Antike und Neuzeit. Notions of the Self in Antiquity and Beyond, Transformation der Antike 8, Berlin u.a. 2008; A. BEECROFT, Authorship and Cultural Identity in Early Greece and China. Patterns of Literary Circulation, Cambridge u.a. 2010; P.O. LONG, Openness, Secrecy, Authorship. Technical Arts and the Culture of Knowledge from Antiquity to the Renaissance, Baltimore/London 2001; M. MÜLKE, Der Autor und sein Text. Die Verfälschung des Originals im Urteil antiker Autoren, UALG 93, Berlin u.a. 2008; T. WOODMAN/J. POWELL (Hg.), Author and Audience in Latin Literature, Cambridge 1992. 27 S. FRIEDE/M. SCHWARZE, Autorschaft und Autorität in den romanischen Literaturen des Mittelalters, Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 390, Berlin u.a. 2015; K. BERTAU, Schrift – Macht – Heiligkeit in den Literaturen des jüdisch-christlichen-muslimischen Mittelalters, hg. v. S. Glauch, Berlin u.a. 2005; G. BOLENS/L. ERNE (Hg.), Medieval and Early Modern Authorship, Swiss Papers in English Language and Literature (SPELL) 25, Tübingen 2011; A. PIZZONE (Hg.), The Author in Middle Byzantine Literature. Modes, Functions, and Identities, Byzantinisches Archiv 28, Boston/Berlin 2014; E. ANDERSEN u.a. (Hg.), Autor und Autorschaft im Mittelalter, Tübingen 1998; J.-D. MÜLLER, Auctor – Actor – Author. Einige Anmerkungen zum Verständnis vom Autor in lateinischen Schriften des frühen und hohen Mittelalters, in: F. P. Ingold/W. Wunderlich (Hg.), Der Autor im Dialog. Beiträge zu Autorität und Autorschaft, St. Gallen 1995, 17–31; A.J. MINNIS, Medieval Theory of Authorship. Scholastic Literary Attitudes in the Later Middle Ages, London 1984. 28 D. DOWLING, Capital Letters. Authorship in the Antebellum Literary Market, Iowa City 2009; C.P. HAVILAND/J.A. MULLIN (Hg.), Who Owns This Text? Plagiarism, Authorship, and disciplinary Cultures, Logan, UT 2009; H. LOVE, Attributing Authorship. An Introduction, Cambridge u.a. 2002; F. STEINER, Dargestellte Autorschaft. Autorkonzepte und Autorsubjekt in wissenschaftlichen Texten, Reihe Germanistische Linguistik 282, Tübingen 2009; T. KINDT, Unzuverlässiges Erzählen und literarische Moderne. Eine Untersuchung der Romane von Ernst Weiß, Studien zur Deutschen Literatur 184, Tübingen 2008; J. STILLINGER, Multiple Autorship and the Myth of Solitary Genius, New York/Oxford 1991; A. CORTI, Die gesellschaftliche Konstruktion von Autorschaft, Zugänge zur Moderne, Wiesbaden 1999. 29 S. METSO/H. NAJMAN/E. SCHULLER (Hg.), The Dead Sea Scrolls. Transmission of Traditions and Production of Texts, STDJ 92, Leiden u.a. 2010; A.E. STEWART, Narrative World, Rhetorical Logic, and the Voice of the Author in ‚4 Eszra‘, JBL 132/2 (2013), 373– 391; M. WEINFELD, God versus Moses in the Temple Scroll ‚I do not Speak on My Own but on God’s Authority‘ (Sifrei Deut. Sec. 5; John 12,48f), RdQ 15 (1991), 175–180;

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gischer Modelle, verschiedene Autorschaftskonzepte30 und – jüngst – die ethischen Implikationen von Autorschaft.31 Rasant vermehrt haben sich auch die Sammelbände, die sich dezidiert dem Thema von Autor und Autorschaft widmen; zu nennen sind – vornehmlich aus literaturtheoretischer Perspektive – die Aufsatzsammlungen Rückkehr des Autors,32 Autorschaft. Positionen und Revisionen,33 Authority Matters,34 Theorien und Praktiken der Autorschaft,35 Author and Narrator,36 sowie – aus literaturhistorischer Perspektive – Autorschaft. Ikone – Stile – Institutionen,37 Prophetie und Autorschaft. Charisma, Heilsversprechen und Gefährdung,38 Anonymität und Autorschaft,39 und That Wonderful Composite Called Author: Authorship in East Asia Literature from the Beginning to the Seventeenth Century.40

30 B. SCHMITZ, Prophetie und Königtum. Eine narratologisch-historische Methodologie entwickelt an den Königsbüchern, FAT 60, Tübingen 2008; R.S. KAWASHIMA, Biblical Narrative and the Death of the Rhapsode, Bloomington, IN 2004; K. VAN DER TOORN, Scribal Culture and the Making of the Hebrew Bible, Cambridge, MA/London 2007; J.H. WALTON/ D.B. SANDY, The Lost World of Scripture. Ancient Literary Culture and Biblical Authority, Downers Grove, IL 2013; J.P. WEINBERG, Authorship and Author in the Ancient Near Eat and in the Hebrew Bible, Hebrew Studies 44 (2003), 157–169; S. GILLMAYR-BUCHER, Erzählte Welten im Richterbuch. Narratologische Aspekte eines Polyfonen Diskurses, Bibl.Interpr.S 116, Leiden u.a. 2013. 31 Vgl. E.J. DOUGLASS, Reading the Bible Ethically. Recovering the Voice in the Text, Bibl.-Interpr.S 133, Leiden u.a. 2014. 32 F. JANNIDIS/G. LAUER/M. MARTINEZ/S. WINKO, Rückkehr des Autors (s. Anm. 17). 33 H. DETERING (Hg.), Autorschaft. Positionen und Revisionen, Stuttgart/Weimar 2002. 34 S. DONOVAN/D. FJELLESTAD/R. LUNDÉN (Hg.), Authority Matters. Rethinking the Theory and Practice of Authorship, Studies in Literature 43, Amsterdam/New York, NY 2008. 35 M. SCHAFFRICK/M. WILLAND (Hg.), Theorien und Praktiken der Autorschaft, Spectrum Literaturwissenschaft 47, Berlin u.a. 2012. Der Aufsatzband bietet im Anhang eine systematisch geordnete Auswahlbibliographie von ca. 550 wichtigen Forschungsbeiträgen zur Autorschaftsforschung zwischen 2000 und 2014. 36 D. BRIKE/T. KÖPPE (Hg.), Author and Narrator. Transdisciplinary Contributions to a Narratological Debate, Linguae & Litterae 48, Berlin u.a. 2015. 37 C. MEIER/M. WAGNER-EGELHAAF (Hg.), Autorschaft. Ikone – Stile – Institutionen, Berlin 2011. 38 C. MEIER/M. WAGNER-EGELHAAF (Hg.), Prophetie und Autorschaft. Charisma, Heilsversprechen und Gefährdung, Berlin 2014. 39 S. PABST (Hg.), Anonymität und Autorschaft. Über Literatur- und Rechtsgeschichte der Namenlosigkeit, Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 126, Berlin u.a. 2011. 40 C. SCHWERMANN/R.C. STEINECK (Hg.), That Wonderful Composite Called Author. Authorship in East Asian Literatures from the Beginnings to the Seventeenth Century, Boston 2014.

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Autorschaft und Legitimation Deutlich ist: die Frage nach dem Autor ist „zu einem Grundproblem der Literaturwissenschaft avanciert“.41 Dass die Frage nach dem Autor in der Tat ein „Grundproblem“ darstellt, zeigt sich exemplarisch in der Debatte um autorintentionale Interpretationskonzeptionen – Proponenten als auch Opponenten verweisen in dieser Debatte auf die institutionspolitischen Implikationen ihres theoretischen Standpunktes: „Die Diskussion um mögliche Konzeptualisierungen von Autorschaft gewinnt dann eine spezifisch auf Legitimationsfragen der literaturwissenschaftlichen Disziplinen zugeschnittene Perspektive. In dieser Perspektive steht mit der ‚Autorität‘ der literaturwissenschaftlichen Methodologie immer auch die akademische Legitimität der Literaturwissenschaften auf dem Spiel. Da die Interpretation literarischer Texte eine der Hauptbeschäftigungen der literaturwissenschaftlichen Disziplinen ist, muss aus dieser Perspektive der autoritative Status der literaturwissenschaftlichen Interpretationsmethode plausibel gemacht werden, um den akademischen Rang der Literaturwissenschaften zu rechtfertigen.“42 Die Deutungshoheit über die Frage nach der Wahl der rechten Interpretationstheorie zur Autorschaft entpuppt sich damit als Legitimitätsbedürfnis der Literaturwissenschaft als einer akademischen Disziplin.43 Die Frage nach dem Autor, nach möglichen Intentionen des Autors sowie nach den Modellen von Autorschaft ist also – auch in der aktuellen Autorschaftsdebatte – letztlich rückgekoppelt an die Frage nach Legitimation und Autorisation. Die Chiffre „Autor“ wird so zum Kristallisationspunkt für Selbstvergewisserungsdiskurse. Ein weiterer Aspekt dieser Autordebatte ist der Zusammenhang zwischen der Rückkehr des Autors und der Rückkehr der Religion; beide sind, so Matthias Schaffrick, „Signaturen der Moderne“,44 wobei Signaturen strategische Funktionen zur Kontingenzbewältigung und zur Unsicherheitsreduktion sind. Die Rede von der Rückkehr der Religion ist indes nur verstehbar vor dem Hintergrund der Säkularisierungsthese und einer vermeintlichen „Entzaube-

41 H. DETERING, Rez. zu Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matías Martínez, Simone Winko (Hg.), Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs. Tübingen 1999, Arbitrium 1 (2001), 2–7 (2). 42 SPOERHASE, Autorschaft (s. Anm. 20), 57. 43 Ebd. 58. 44 M. SCHAFFRICK, In der Gesellschaft des Autors. Religiöse und politische Inszenierung von Autorschaft, Beiträge zur Literatur-, Sprach- und Medienwissenschaft 171, Heidelberg 2014, 18.

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rung der Welt“ (Max Weber).45 Die „‚Revitalisierung‘ der Religion“46 bzw. die „Wiederkehr der Religion“47 ist ein gesellschaftspolitischer Diskursschub gegen das Metanarrativ Säkularisierung. Reagiert die Rückkehr der Religion auf die Säkularisierung, so die Rückkehr des Autors auf den Tod des Autors, insofern das Postulat vom Tod des Autors auch in seiner ideengeschichtlichen Dimension zu begreifen ist. Dahinter steht die These, dass Autorschaft das Ergebnis eins „Säkularisierungsprozesses“48 sei. Säkularisierung der Autorschaft bedeutet nun die „Umsetzung von Kriterien der Urheberschaft und Autorität von einer religiösen Instanz auf individuelle Autorschaft,“49 m.a.W.: „Der Autor erbt ideengeschichtlich betrachtet die Eigenschaften Gottes als Urheber, Autorität und Grund des Textes. Das beste Beispiel für die Säkularisierung von Autorschaft ist sicherlich die Autor/GottAnalogie.“50 Entsprechend inszenierten sich Autoren als Gott der Texte51 oder entwarfen Formen prophetischer oder „heiliger Autorschaft“.52 Gerade diesen „Autor-Gott“ nun wollte R. Bathes mit dem Schlachtruf „Tod des Autors“ entmachten, sein Vorhaben kennzeichnet Barthes entsprechend als „gegen-

45 Vgl. M. WEBER, Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus. Neuausgabe der ersten Fassung von 1904–05 mit einem Verzeichnis der wichtigsten Zusätze und Veränderungen aus der zweiten Fassung von 1920, hg. v. K. Lichtblau/J. Weiß, Klassiker der Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2016, 208 [243]. Mit dem Begriff der „Entzauberung der Welt“ bezeichnet Weber seit 1913 „einen Jahrtausende umfassenden und nicht nur auf die Geschichte des okzidentalen Christentums beschränkten Prozeß der Rationalisierung von Weltbildstrukturen und der Ausschaltung aller nicht-ethischen, ‚übernatürlichen‘ Wege der Heilssuche, der nur vor dem Hintergrund seiner späteren universalgeschichtlich-kulturvergleichenden Problemstellung verständlich wird“, so K. LICHTBLAU und J. WEIß, in der Einleitung desselben Werkes, S. 25. 46 Vgl. J. HABERMAS, Die Revitalisierung der Weltreligion – Herausforderung für ein säkulares Selbstverständnis der Moderne?, in: Ders., Kritik der Vernunft, Philosophische Texte 5, Frankfurt a.M. 2009, 387–407. 47 Vgl. W. OELMÜLLER (Hg.), Wiederkehr der Religion? Perspektiven, Argumente, Fragen, Kolloquium Religion und Philosophie 1, Paderborn 1984. 48 M. WETZEL, Autor/Künstler, in: K. Barck/M. Fontius (Hg.), Ästhetische Grundbegriffe, Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, Bd. 1, Stuttgart/Weimar 2000, 480–543 (503). 49 K. STÄDTKE, Auktorialität. Umschreibung eines Paradigmas, in: R. Kray/I. Berensmeyer (Hg.), Spielräume des auktorialen Diskurses, Berlin 2003, VII–XXVI, XXII. 50 SCHAFFRICK, Gesellschaft (s. Anm. 44), 21. 51 Vgl. K. WEIMAR, Der Gott der Texte, in: I.U. Dalferth/H.J. Luibl/H. Weder (Hg.), Die Wissenschaften und Gott. Ringvorlesung aus Anlass des 60. Geburtstages des Rektors der Universität Zürich, Prof. Dr. Hans Heinrich Schmid, Theophil 9, Zürich 1998, 143–154. 52 Vgl. F. MARX, Heilige Autorschaft? Self-Fashioning-Strategien in der Literatur der Moderne, in: H. Detering (Hg.), Autorschaft. Positionen und Revisionen, Germanistische Symposien Berichtsbände 24, Stuttgart/Weimar 2002, 107–120.

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theologisch“53 – die „Entsakralisierung“54 des Autors, so das Ziel, vollendet die unvollendet gebliebene Säkularisierung, insofern nun endgültig die Autorschaft von ihrem religiösen Substrat befreit wird. Nicht zufällig bemüht die Rede von der Rückkehr des Autors eine gegentheologische Semantik, wenn sie in Opposition zu Barthes von der den Tod überwindenden „Auferstehung“55 des Autors spricht. Man erkennt: Autorschaft beinhaltet ein reiches semantisches Potenzial voller religiöser und politischer Anspielungen: Autorität, Transzendenz, Subjektivität, Letztbegründung und Verantwortung. Umgekehrt gilt aber auch: „Ohne Autor und ohne Religion fehlen die Vorstellungen von Autorität und Transzendenz, die einer Aussage ‚letzte‘, dennoch immer nur inszenierte Verbindlichkeit verleihen können.“56 In dieser strategischen Funktion können Autor und Religion in die „Legitimationslücke“57 säkularer Gesellschaften treten: „Autorschaft und Religion können das Begründungsdefizit der Moderne als komplementäre Legitimationsmechanismen semantisch kompensieren. Sie überlagern sich in ihrer Funktion als Instanzen der Kontingenzbewältigung und als Instanzen der Legitimation. Sie treten an die Stelle der fehlenden letzten Unterscheidung und füllen die Legitimationslücke der Moderne.“58 Dass etwa zeitgleich mit der Rückkehr der Religion die Rückkehr des Autors diskutiert wird, ist so gesehen kein Zufall, vielmehr Symptom eines Unbehagens an der Moderne und dessen Legitimationsdefizit. Es zeigt sich, dass Autorschaft ein entscheidender Faktor der Selbstbeschreibung der Gesellschaft ist; Autorschaft gewinnt an gesellschaftliche Relevanz.59 Zugleich ist Autor53

BARTHES, Tod des Autors (s. Anm. 2), 191. BARTHES, Tod des Autors (s. Anm. 2), 188. 55 Vgl. N. WERBER/I. STÖCKMANN, Das ist ein Autor! Eine polykontexturale Wiederauferstehung, in: H. de Berg/M. Prangel (Hg.), Systemtheorie und Hermeneutik, Tübingen 1997, 233–262. 56 SCHAFFRICK, Gesellschaft (s. Anm. 44), 25. 57 J. HABERMAS, Religion in der Öffentlichkeit. Kognitive Voraussetzungen für den „öffentlichen Vernunftsgebrauch“ religiöser und säkularer Bürger, in: Ders., Politische Theorie. Philosophische Texte, Bd. 4, Frankfurt a.M. 2009, 259–297 (266). 58 SCHAFFRICK, Gesellschaft (s. Anm. 44), 25. Zum Kompensationspotenzial von Religion vgl. I. MÖRTH, Die gesellschaftliche Wirklichkeit von Religion. Grundlegung einer allgemeinen Religionstheorie, Stuttgart u.a. 1978. Mörths religionssoziologische Analyse zielt darauf ab, im Rahmen einer Konstitutionsanalyse der sozialen Realität „anhand der Probleme und Inkonsistenzen, kurz der vielfältigen Kontingenz dieser Realität Möglichkeitsbedingungen für Religion“ (125) zu erheben. Religion kommt also da zur Geltung, wo in der sozialen Wirklichkeit Inkonsistenzen festgestellt sind, die auf die konstitutiven Elemente der Religion verweisen, vgl. DERS., Zur Konstitutionsanalyse religiöser Phänomene. Kontingenz und Konsistenz der Lebenswelt, in: W. Fischer/W. Marhold (Hg.), Religionssoziologie als Wissenssoziologie, Stuttgart u.a. 1978, 21–37 (22f.). 59 So die Grundthese von SCHAFFRICK, Gesellschaft (s. Anm. 44), 9: „Autorschaft ist eine Voraussetzung für alle Selbstbeschreibungen der Gesellschaft.“ 54

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schaft Signum für Kompensationsstrategien durch Legitimationsmechanismen und Normierungen. Der hier in kürzen Zügen nachgezeichnete literaturhistorische Diskurs zur Autorschaft soll den Horizont aufspannen, vor dessen Hintergrund das Thema des vorliegenden Bandes thematisiert wird. Die einzelnen Beiträge zeichnen verschiedene Spielarten von Autorschaft und Autorisierungsstrategien in der apokalyptischen Literatur nach. Angesicht der Rede von der Rückkehr des Autors und einer ausdifferenzierten literaturwissenschaftlichen Autorschaftsdebatte nimmt es nicht Wunder, dass nun – in der Nachfolge des umfangreichen Bandes zu Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen60 – eine weitere Aufsatzsammlung zum Thema Autorschaft und Autorisierung – nun in apokalyptischen Texten – erscheint. Analog zur neueren literarturwissenschaftlichen Debatte um Autorschaft, Legitimationssicherung sowie Kontingenzbewältigung, enthalten auch die antiken Texte im Allgemeinen und die apokalyptischen Schriften im Besonderen differenzierte Autorschaftsmodelle mit verschiedenen Legitimationsmechanismen. Gerade in apokalyptischen Texten stellt sich die Frage, welche Autorschaftskonzepte zur Selbstvergewisserung und Anerkennung beitragen und welche Legitimationsstrategien den Autoritätsanspruch der apokalyptischen Schrift gewährleisten. Es ist – so scheint es – für die apokalyptischen Texte gerade in ihrer dezidierten Attributionsstrategie (pseudonyme Zuschreibung) ja gerade nicht gleichgültig, wer als „Autor“ bzw. „Urheber“ der entsprechenden Texte zu gelten hat. Und selbst wenn nicht explizit ein „Autor“ benannt ist, so heißt dies nicht, dass der Text selbst nicht doch – implizit – auf bestimmte Autorschaftsmodelle rekurriert um eigene Autoritätsansprüche geltend zu machen.61 Die Rekurrierung auf eine in der Regel bekannte biblischen Figur als angeblicher Verfasser eines apokalyptischen Textes, die Erzählwelt mit all den himmlischen Offenbarungen und jenseitigen Erfahrungsberichten, die literarische Komposition und die Aufnahme zahlreicher Traditionen sind Phänomene, die das Verhältnis von Autor und Text zwischen Intention und Inszenierung zur Disposition stellen. Autorschaft ist dabei stets in Abhängigkeit von den institutionellen Bedingungen und historischen Kontexten zu denken. Im Folgenden ist demnach näher auf die literaturtheoretische Diskussion um die zentralen Begriffe Autor, Autorschaft und Autorisierung einzugehen. Die 60 J. FREY/J. HERZER/M. JANSSEN/C.K. ROTHSCHILD (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen, WUNT 246, Tübingen 2009. 61 S. FRIEDE/M. SCHWARZ, Einführung, in: Dies. (Hg.), Autorschaft und Autorität in den romanischen Literaturen des Mittelalters, Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie 390, Berlin u.a. 2015, 1–12 (6), heben hervor: „Von Autorschaft kann man unseres Erachtens bei anonym tradierten Schriften gleichwohl sprechen, sofern man Autorschaft nicht exklusiv vom Vorhandensein einer namentlich identifizierbaren Autorinstanz abhängig macht, sondern sie – so unser Plädoyer – als eine Funktion begreift, die ebenso durch eine spezifische Textualität abgebildet werden kann.“

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Theoriebildung zur Autorschaft soll helfen, die Frage nach Autorisationsmechanismen eines Textes differenziert am Leitfaden von Autorschaftsmodellen zu erheben.

Autor, Autorschaft, Autorität Das Wort „Autor“ (Urheber/Verfasser) ist dem lateinischen auctor entlehnt.62 Auctor, von augere (‚vermehren‘, vergrößern‘ ‚zum Wachsen bringen‘), beinhaltet eine ganze Anzahl von Bedeutungen.63 Mit auctor etymologisch verbunden ist auctoritas, dessen Bedeutung ebenfalls vielseitig ist.64 Der auctor ist wörtlich zunächst jemand, der vermehrt, auctoritas hingegen ist die Eigenschaft des auctors.65 Ursprünglich als Terminus im Kontext des römischen Zivilrechts belegt – als der Verkäufer einer Sache, die sich rechtmäßig in seinem Besitz befunden hat66 – bezeichnet auctor „generell einen glaubwürdigen Gewährsmann, ein Vorbild oder einen Leiter, bezog sich also nicht nur auf alle Schrift-Ersteller (und nicht nur poetische, d. h. schaffende), sondern kennzeichnete überhaupt die Beförderung einer Sache als Ratgeber, Anstifter, Veranlasser oder Stifter (was noch in der Nebenbedeutung von frz. auteur als Verantwortlicher einer Handlung semantisch nachwirkt)“.67 In Zusammenhang von Schreibprozessen, Textproduktionen und Publikationsverfahren ist für die Antike ein vielschichtiges Wechselspiel zwischen der veranlassenden, tonangebenden bzw. verursachenden Instanz, also dem auctor, und der ausführenden Instanz des Schreibers (z.B. der scriptor, actor oder artifex), kennzeichnend.68 Oft wurden Text, so bevorzugt in der römischen Elite, 62 Vgl. OXFORD Latin Dictionary, Oxford, 1968, 204–206; W. PFEIFER , Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, München 31997, 83f.; DUDEN. Das große Fremdwörterbuch. Herkunft und Bedeutung der Fremdwörter, Mannheim u.a. 22000, 166. 63 Vgl. R. HAU, Globalwörterbuch. Lateinisch-Deutsch, Stuttgart/Dresden 21986 (Nachdruck: 1995), 97: (1) Urheber, Veranlasser, Anstifter, (2) Gewährsmann, Bürge, Zeuge, (3) Berichterstatter, Schriftsteller, Verfasser, (4) Förderer, Unterstützer, Schirmherr, Verfechter, (5) Leiter, Tonangeber, Stimmführer, (6) Vorbild, Muster, (7) Anrater, Ratgeber, (8) Rechtsvormund, Vertreter. 64 HAU, Globalwörterbuch (s. Anm. 63), 97: (1) Ansehen, Einfluß, einflußreiche Person, (2) Würde, (3) Gewähr, Bürgschaft, Glaubwürdigkeit, Gültigkeit, (4) Beispiel, Vorbild, (5) Rat, Aufmunterung, Antrieb, (6) Willensmeinung, Ausspruch, Beschluß, (7) Vollmacht, Ermächtigung, (8) Geheiß, Befehl, (9) Eigentumsrecht. 65 Vgl. R. HEINZE, Auctoritas, Hermes 60 (1925) 348–366. 66 Vgl. C. SCHÄFER-LICHTENBERGER, Josua und Salomo. Eine Studie zu Autorität und Legitimität des Nachfolgers im Alten Testament, VT.S 58, Leiden u.a. 1995, 18. 67 WETZEL, Autor/Künstler (s. Anm. 48), 480. 68 Vgl. C. BRATU, Literature, in: A. Classen (Hg.), Handbook of Medieval Culture. Fundamental Aspects and Conditions of the European Middle Ages, Bd. 2, Berlin u.a. 2015, 864–900 (873f.); M.-D. CHENU, Auctor, Actor, Autor, Bulletin du Cnage: Archivum

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vom Autor diktiert, der Schreiber hatte dabei einen mehr oder weniger großen Spielraum in der Ausformulierung und Editierung des Werkes; die Grenzen zwischen Editionsarbeit und Co-Autorschaft konnten dabei verwischen.69 Überhaupt kommt in der Antike den Schreibern, insbesondere für anonyme Schriftwerke und allgemein für die biblische und frühjüdische Traditionsliteratur eine enorme Bedeutung zu, die erst in der jüngeren Forschung angemessen gewürdigt wird.70 Für die Literaturproduktion der Israelzeit bemerkt E. A. Seibert: „these highly skilled scribes were creative writers who took on the roles of author, redactor, compiler, revisionist, and the like“71 und auch für die ntl. Zeit darf die Rolle des Schreibers nicht unterschätzt werden.72 K. van der Toorn formuliert gar die These: „The story of the making of the Bible is the story of the scribes behind the Bible.“73 Im Schaffensprozess können nach H. Love für die Antike verschiedene Autorschaftsinstanzen namhaft gemacht werden:74 ein precursory authorship, also der mit auctoritas ausgezeichnete Prätext, der als verwendete Quelle, Zitat Latinitatis Medii Aevi 2 (1927), 81–86; P. BOTHA, Authorship in Historical Perspective and Its Bearing on New Testament and Early Christian Texts and Context, Scriptura 102 (2009), 495–510; DERS., Authorship: II. Greco-Roman Antiquity and New Testament, in: H.-J. Klauck u.a. (Hg.), Encyclopedia of the Bible and Its Reception, Bd. 3, Berlin u.a. 2011, 120– 124. 69 „Depending on his skills and the needs of the author, the secretary recorded the dictation syllable-for-syllable or phrase-by-phrase (i.e. at the speed of writing) or by means of short-hand, at the speed of normal speech. Often the secretary was entrusted with the responsibility of writing the text from incomplete notes. Authors left considerable scope to their secretaries; either on purpose, or due to rapid dictation, or because often only an outline or draft was provided. The line between editing and co-authorship is impossible to draw.“ BOTHA, Authorship (s. Anm. 68), 501. 70 Vgl. A. KIRK, Q in Matthew, Ancient Media, Memory, and Early Scribal Transmission of the Jesus Tradition, Library of New Testament Studies 564, London/New York 2016; VAN DER TOORN, Scribal Culture (s. Anm. 30); E.A. SEIBERT, Subversive Scribes and the Solomonic Narrative. A Rereading of Kings 1–11, Library of Hebrew Bible/Old Testament Studies 436, New York/London 2006, 42–94; W.A. JOHNSON, Bookrolls and Scribes in Oxyrhynchus, Toronto 2004; P.R. DAVIES, Scribes and Schools. The Canonization of the Hebrew Scripture, Louisville, KY 1998; C. SCHAMS, Jewish Scribes in the Second-Temple Period, JSOT.S 291, Sheffield 1998; D.E. ORTON, The Understanding Scribe. Matthew and the Apocalyptic Ideal, Sheffield 1989. 71 SEIBERT, Subversive Scribes (s. Anm. 70), 43. 72 Jüngst hat E.K. BROADHEAD, The Gospel of Matthew on the Landscape of Antiquity, WUNT 378, Tübingen 2017, die Rolle von Schreibern (101) bzw. Tradenten und Editoren (110) für den Entstehungsprozess des MtEv stark gemacht. Zur Bedeutung der Schreiber für das MtEv vgl. auch D.E. ORTON, The Understanding Scribe. Matthew and the Apocalyptic Ideal, Sheffield 1989. 73 VAN DER TOORN, Scribal Culture (s. Anm. 30), 2. Van der Toorn spitzt die These zu, wenn er für den Alten Orient behauptet: „instead of autors, there were scribes.“ (Ebd., 4) 74 Zum Folgenden vgl. H. LOVE, Attributing Authorship. An Introduction, Cambridge u.a. 2002, 39–50.

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oder Stoffsammlung ein substanzielles Element des aufnehmenden Textes ist,75 ein executive authorship, also der Schreiber bzw. Vertexter,76 ein declarative authorship, also die Instanz, auf die das Werk (nachträglich) zurückgeführt wird bzw. unter dessen Namen schließlich das Werk (nachträglich) firmiert (so auch z.B. bei pseudepigraphischer Zuschreibung),77 und schließlich ein revisionary authorship, also die Instanz des Überarbeiters, Redaktors und Editors.78 Fraglich ist, ob darüber hinaus auch die performative Inszenierung eines lector als weitere Autorschaftsinstanz zu nennen ist, worauf die Performanzforschung verweist.79 Diese betont die Geltungskraft von Performativität, der eine eigene produktive Kraft innewohnt, insofern sie nicht einfach etwas mitteilt und abbildet, sondern dieses auf gewisse Weise hervorbringt und zugleich die Aktivität von Rezipienten stimuliert. So wächst dem lector bei der Lektüre von

75 Hier sind z.B. die verschiedenen Figurationen der sog. Rewritten-Scripture-Formen zu nennen; dem Prätext kommt in diesen Fällen ein hoher Grad von auctoritas zu. Solche Omnipräsenz von Prätexten „often being undertaken as a form of deference or loyalty to the precursory author.“ LOVE, Attributing (s. Anm. 74), 41. 76 „The executive author may be defined as the compiler of the verbal text up to the point where it is judged suitable for publication in one or another form (all subsequent alterations being classified as revisions). Executive authorship may be either solo or collaborative.“ LOVE, Attributing (s. Anm. 74), 43. 77 Zur Rückführung der Tora auf Mose als Verfasser oder die zunächst anonym überlieferten Evangelien auf konkrete Autoren (Matthäus, Markus etc.) fällt unter diese Rubrik – „In cases such as these, attributionists are unlikely to have the evidence that would permit them to find an alternative named author or authors: their task is rather to identify the institutional sources of the writing and the circumstances of its compilation and revisions. Sometimes it will be possible to establish different chronological layers of composition performed by successive redactors.“ (LOVE, Attributing [s. Anm. 74], 45) LOVE (46), hebt für diese Instanz hervor: „It is necessary to repeat that this declarative role is still a genuine element of the sequence of processes we know as authorship even if the person claiming it has made no other contribution to the creation of the work concerned.“ 78 Diese Autorschaftsinstanz ist schwer einzugrenzen; die Grenzen zur Vertextung und Strukturierung des Textes sind fließend, vgl. LOVE, Attributing (s. Anm. 74), 46f.: „executive authors can also, naturally, be their own revisers, the distinction being one of phases, not of persons. With some misgivings I offer the term revisionary authorship for this phase in the composition of the work, the problem being that revision is not always clearly distinguishable from primary composition. The very notion implies a chronology in which either an entire text or a discrete section of text is first created and then polished and corrected.“ 79 Vgl. D. RHOADS/J. DEWEY, Performance Criticism. A Paradigm Shift in New Testament Studies, in: K.R. Iverson (Hg.), From Text to Performance. Narrative and Performance Criticism in Dialogue and Debate, Biblical Performance Criticism 10, Eugene, OR 2014, 1– 26; B. OESTREICH, Performance Criticism in the Pauline Letters, Biblical Performance Criticism Series 14, Eugene, OR 2016; P.J.J. BOTHA, Orality and Literarcy in Early Christianity, Biblical Performance Criticism 5, Eugene, OR 2012. BROADHEAD, Gospel (s. Anm. 72), 82, bemerkt: „Performance are not simple enactments of a Script and they are not simply replication of the text; they also play a generative role.“

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Texten in scriptio continua eine besondere Rolle zu.80 M. L. Miller spricht in diesem Zusammenhang gar von der Autorität des Performers.81

Diskursgründer und Schreiber Wie komplex die Frage nach dem „Autor“ in der Antike ist, zeigt nicht zuletzt die biblische und frühjüdische Literatur. Es ist Konsens der Forschung, dass die Schriften Israels in der Regel keine Schriftsteller im Sinne biographisch fassbarer Schriftsteller kennen, vielmehr sind diese Schriften das Produkt diversifizierter Schriftgelehrsamkeit und in diesem Sinne Traditionsliteratur.82 Es handelt sich also im Wesentlichen um Fortschreibungsliteratur prophetischer, priesterliche oder weisheitliche Schreibergilden und eben nicht um Autorenliteratur. Wie notiert kam in diesem Zusammenhang den Schreibern (als Schriftgelehrten und Weisen) eine enorme Bedeutung zu. K. van der Toorn bemerkt: „The making of the Hebrew Bible is owed to the scribal class rather than a limited number of individuals. We should not be looking for authors but seeking to penetrate the mind-set of the scribal elite.“83 Entscheidend war nicht der einzelne Autor, sondern Autoritätsinstanzen wie Mose, David, Salomo, Jesaja oder Jeremia, auf die man die Texte zurückführte und in deren Namen man sammelte, komponierte und fortschrieb.84 Danach

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Vgl. H.Y. GAMBLE, Books and Readers in the Early Church. A History of Early Christian Texts, London 1995, 205. 81 Vgl. M.L. MILLER, Performance of Ancient Jewish Letters. From Elephantine to MMT, Göttingen 2015, „ancient reader became someone of considerable authority, and the presence of a scroll or papyrus could act as a symbol to enhance his or her oral authority.“ Kritik an der Performanztheorie blieb freilich nicht aus, vgl. u.a. L.W. HURTADO, Oral Fixation and New Testament Studies? ‚Orality‘, ‚Performance‘ and Reading Texts in Early Christianity, NTS 60 (2014), 321–340; D. NÄSSELQVIST, Public Reading in Early Christianity. Lectors, Manuscripts, and Sound in the Oral Delivery of John 1–4, NT.S 163, Leiden u.a. 2016, 63–118. 82 Vgl. VAN DER TOORN, Scribal Culture (s. Anm. 30); B.D. SOMMER, Revelation and Authority. Sinai in Jewish Scripture and Tradition, The Anchor Yale Bible Reference Library, New Haven/London 2015; K. SCHMID, Schriftgelehrte Traditionsliteratur. Fallstudien zur innerbiblischen Schriftauslegung im Alten Testament, Tübingen 2011; DERS., Authorship: I. Ancient Near East and Hebrew Bible/Old Testament, in: H.-J. Klauck u.a. (Hg.), Encyclopedia of the Bible and Its Reception, Bd. 3, Berlin u.a. 2011, 116–120; DERS., Literaturgeschichte des Alten Testaments. Eine Einführung. Studienausgabe, Darmstadt 22014, 13. 83 VAN DER TOORN, Scribal Culture (s. Anm. 30), 5. 84 Bereits die Rabbinen äußersten die Vermutung, so die Notiz im babylonische Talmud bBB 14b–15a, dass das Buch Jesaja, sowie Sprüche, das Lied der Lieder und Qoheleth von

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bilden z.B. die prophetischen Schriften „Sammlungen dessen, was im Namen von Autoritäten, nicht von Autoren, gelehrt und überliefert wird. Weil es nicht auf den Autor ankommt, sondern auf die Autorität, in deren Namen man denkt und weiterdenkt, können die großen Prophetenbücher recht wenige der Worte des historischen Jesaja, Jeremia oder Ezechiel enthalten, ohne dadurch falsch betitelt zu sein.“85 Als Autoritätsinstanzen begründeten diese großen Gestalten Diskurse und Diskursgemeinschaften, die als Tradentengruppen miteinander, zuweilen aber auch in Konkurrenz zueinander standen: „Nebeneinander, aber nicht unabhängig voneinander existierten schulmäßig funktionierende Diskurse der Fortschreibung als Auslegung autoritativer Worte, die dem jeweiligen Diskursgründer zugeschrieben wurden. Während für die priesterliche Schriftgelehrsamkeit Mose als Diskursgründer galt, dem auch die nachexilischen fortschreibenden Auslegungen seiner Worte aus vorexilischer und exilischer Zeit in Deuternomium und Priesterschrift in den Mund gelegt und damit autorisiert wurden, wurden in Kreisen der Tradentenprophetie Worte der prophetischen Diskursgründer eines Jesaja und Jeremia oder Ezechiel fortschreibend ausgelegt und diesen Diskursgründern in den Mund gelegt und erhielten so ihre Legitimation durch die prophetische Autorität in Konkurrenz zu Mose Funktion, Offenbarungsmittler göttlicher Wort zu sein.“86 In der atl. und frühjüdischen Literatur lassen sich danach verschiedene Diskursfelder zu Autorisationsstrategien und Autorenkonzepten erkennen87 – so – Hiskija und seinem Kollegium geschrieben seien, Ezekiel, die zwölf kleinen Propheten, Daniel und die Estherrolle indes von den Männern der Großsynode. 85 E.A. KNAUF, Audiatur et altera pars. Zur Logik der Pentateuch-Redaktion, BiKi 53 (1998), 118–126 (121). 86 E. OTTO, Welcher Bund ist ewig? Die Bundestheologie priesterlicher Schriftgelehrter im Pentateuch und in der Tradentenprophetie im Jeremiabuch, in: C. Dohmen/C. Frevel (Hg.), Für immer verbündet. Studien zur Bundestheologie der Bibel (FS F.L. Hossfeld), SBS 211, Stuttgart 2007, 161–169 (161). 87 Vgl. E. OTTO, Jeremia und die Tora. Ein nachexilischer Diskurs, in: Ders., Die Tora. Studien zum Pentateuch. Gesammelte Schriften, Wiesbaden 2009, 515–560 (560): „Die nachexilische Formierung der Hebräischen Bibel ist durch eine Reihe von ‚Diskursen‘ geprägt, unter denen neben dem David-, Salomo-, Jesaja- und Henochdiskurs der Mosediskurs der Tora der wichtigste ist, der seinen Ursprung im Deuteronomium hat. Daneben wird im Jeremiabuch nun auch ein ‚Jeremiadiskurs‘ erkennbar. Diese Diskurse, die ihren Ausgangspunkt frühestens in der Exilzeit haben, aber in persischer und hellenistischer Zeit sich entfalten, sind dadurch gekennzeichnet, daß sie thematische Schwerpunkte bilden, so im Daviddiskurs der Zusammenhang von Königtum, Messianismus und Tempel oder im Salomodiskurs der Zusammenhang von Königtum und Weisheit, und daß die unter diesem Themenschwerpunkt nachexilisch geschriebenen und fortgeschriebenen Texte aber auch unter die Autorität des tatsächlichen oder wie im Falle eines Henoch fiktiven Urhebers des Diskurses gestellt werden. Das Jeremiabuch zeigt, daß dieser unter die Autorität des Propheten Jeremia gestellte Diskurs der nachexilischen Zeit sehr stark mitbestimmt ist durch die kritische Auseinandersetzung mit dem ebenfalls nachexilischen Mose-Tora-Diskurs, der sich in der

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insbesondere – ein Mosediskurs,88 ferner ein Salomodiskurs,89 oder ein Jeremiadiskurs;90 ähnliches lässt sich auch für die apokalyptische Literatur konstatieren: zu nennen wären z.B. ein Danieldiskurs,91 ein Esradiskurs92 oder ein Henochdiskurs. „Charakteristisch für diese Diskurse ist, dass sie durch selbstreflexive Texte gekennzeichnet sind, die die Autorität des Diskursgründers legitimieren“93 – im Pentateuch wird der Diskurs anhand der Verschriftungsnotizen manifest,94 in den prophetischen Büchern durch verschiedene Berufungsberichte.95 So ist Mose nach dem Selbstverständnis des Deuteronomiums nicht nur der Autor der Tora, vielmehr zugleich auch ihr erster autoritativer Aus-

Formierung des Pentateuch niedergeschlagen hat.“ Vgl. auch C.A. NEWSOM, The Self as a Symbolic Space. Constructing Identity and Community at Qumran, STDJ 52, Leiden u.a. 2004, 9. 88 Vgl. dazu eingehend H. NAJMAN, Seconding Sinai. The Development of Mosaic Discourse in Seconde Temple Judaism, JSJ.S 77, Leiden u.a. 2003, bes. 15–19: „Reading these Second Temple texts as participants in Mosaic Discourse will make available new perspectives on their attempts to authorize themselves through accounts of their own origination and through the incorporation of hallowed language.“ (18) 89 Vgl. M. KÖHLMOOS, Kohelet. Der Prediger Salomo, ATD 16/5, Göttingen 2015, 42f. „Seit dem Ende des 4. Jhs. v.Chr. entwickelt sich ein Salomo-Diskurs, der seine eigene Prägung hat. Dass die Septuaginta aus den 1005 Liedern Salomos von 1Kö 5,15 5000 macht, dürfte diese Entwicklung spiegeln. In diesen Diskurs gehören nicht nur die Schlussredaktion des Proverbienbuches, Kohelet und das – ebenfalls salomonische – Hohelied. Eupolemos (2. Jh. v.Chr.) erklärt in seiner Paraphrase der Geschichte Israels den Namen Jerusalem als Ableitung von ‚Hieron Salomonos‘. Der alexandrinische jüdische Philosoph Aristobulos (der aus priesterlicher Familie stammte) nennt ebenfalls im 2. Jh. v.Chr. Salomo den größten jüdischen Philosophen nach Mose.“ (43) 90 Vgl. OTTO, Jeremia (s. Anm. 87). 91 Vgl. jetzt A. FRISCH, The Danielic Discourse on Empire in Second Temple Literature, JSJ.S 176, Leiden 2017; vgl. ferner L. DITOMMASO, The Book of Daniel and the Apocryphal Daniel Literature, SVTP 20, Leiden 2005. 92 Vgl. R.A. KRAFT, ‚Ezra‘ Materials in Judaism and Christianity, ANRW II 19,1 (1979) 119–136. 93 KÖHLMOSS, Kohelet (s. Anm. 89), 43. 94 Vgl. E. OTTO, Die Rechtshermeneutik im Pentateuch und in der Tempelrolle, in: R. Achenbach/M. Arneth/E. Otto (Hg.), Tora in der Hebräischen Bibel. Studien zur Redaktionsgeschichte und zur synchronen Logik diachroner Transformationen, BZAR 7, Wiesbaden 2007, 72–121; zu den zentralen Verschriftungsnotizen Ex 24,3.12; 34,1.27.28; Dtn 31,9.24) als Figurationen von Autorisationsstrategie und Reflexe auf die eigene Schriftwerdung vgl. E. BOSSHARD-NEPUSTIL, Thematisierungen der Schriftlichkeit biblischer Texte im Rahmen ihrer Literaturgeschichte, AThANT 106, Zürich 2015, 19–65. 95 Vgl. R. ACHENBACH, König, Priester und Prophet. Zur Transformation der Konzepte der Herrschaftslegitimation in Jes 61, in: R. Achenbach/M. Arnet/E. Otto (Hg.), Tora in der Hebräischen Bibel. Studien zur Redaktionsgeschichte und zur synchronen Logik diachroner Transformationen, BZAR 7, Wiesbaden 2007, 196–244.

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leger, also ihr erster Schriftgelehrter96 und zugleich Modell aller künftigen Schriftgelehrten.97 Die Reflexion auf die eigene Schriftwerdung führt in der prophetischen Literatur zu neuen Formen von Autoritäts- und Autorschaftsinszenierungen, so in Jer 3698 oder – eindrücklich – in Ez 3,1–4: „Durch diese Inszenierung der Berufung mithilfe einer göttlichen Buchrolle werten sich die schriftkundigen und schriftgelehrten Schülerkreise nicht zuletzt selbst auf, denn so bekommen auch sie eine prophetische Aura, rücken ein in die Tradition der Offenbarungsmittler und werden zusehends zu Auslegern und Fortschreibern des Gotteswortes. Eine Win-win-Situation entstand: Die Schreiber erhielten Anteil an der prophetischen Autorität.“99 Die zunehmende Bedeutung der Rolle des Schreibers zeigt sich nicht zuletzt in der z.T. recht eigenwilligen Inszenierung von Autorschaft in der apokalyptischen Literatur. Entscheidender Faktor für die Entwicklung solcher Autorschaftsinszenierungen ist nach K. van der Toorn der Wechsel von der Oralität zur Schriftlichkeit und das damit einhergehende Bedürfnis nach neuen Legitimationsstrategien.100 Der schriftlich fixierte eigene Offenbarungsanspruch entspricht diesen neuen Bedürfnissen: Berufungsberichte und der göttliche Auftrag zur Niederschrift der Vision sind wichtige Manifestationen solcher Autorisierungsstrategien. Die apokalyptische Literatur entwickelt diese Legitimationskonzepte weiter. Auffällig ist, dass der Apokalyptiker nun dezidiert als Schreiber auftritt (so besonders prominent Daniel, Henoch, Esra) und entsprechend oft die Tätigkeit des Schreibers ausübt.101 Der Schreib- und Verschrif-

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U. BERGES, Kollektive Autorschaft im Alten Testament, in: C. Meier/M. Wagner-Egelhaaf (Hg.), Autorschaft. Ikonen – Stile – Institutionen, Berlin 2011, 29–39 (37f.). 97 E. OTTO, Mose der Schreiber, in: Ders., Die Tora. Studien zum Pentateuch. Gesammelte Aufsätze, Beihefte zur Zeitschrift für biblische und altorientalische Rechtsgeschichte 9, Wiesbaden 2009, 470–489 (488f.): „Das Volk aber hat die Tora nicht anders als in ausgelegter Gestalt. Damit setzen sich die Schriftgelehrten als Autoren des Pentateuch ein Denkmal und begründen ihren eigenen Berufstand. Nur in Gestalt der mosaischen Auslegung und der an sie anknüpfenden schriftgelehrten Auslegung ist die Tora in Israel. Die auslegende Tora ist die Tora Gottes als ausgelegte Tora.“ 98 Zu Jer 36 vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 94), 68–88. 99 BERGES, Kollektive Autorschaft (s. Anm. 96), 35. 100 Vgl. VAN DER TOORN, Scribal Culture (s. Anm. 30), 219: „Once the written tradition supplanted oral knowledge, it needed an authority that did not derive from those who transmitted it. The problem facing the scribes was legitimacy rather than credibility. Once the written texts came to serve as the standard of tradition, the tradition could not derive its authority from the experts who used the texts. The scribes found their new source of authority in the concept of divine revelation.“ 101 Vgl. VAN DER TOORN, Scribal Culture (s. Anm. 30), 229f.

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tungsprozess selbst wird nun zu einem zentralen Bestandteil der Offenbarung.102 Gegenüber den prophetischen Bücher des Alten Testaments ist z.B. in der Johannesapokalypse der Akt der schriftlichen Aufzeichnung selbst zentrales Thema der Visionserzählung.103 Spätere mittelalterliche Bildzyklen zur Johannesapokalypse reflektieren eben diese Genese von Textualisierung und Verschriftung.104 Der Apokalyptiker wird so zu einem Schreiber,105 während der Autor Gott selbst ist.106 Die Überlieferungskultur prophetischer Tradenten, der Hang zur Attributionierung, verschiedene Figurationen literarischer Selbstbezüglichkeit und die Reflexion auf die eigene Textualität führen im Zuge von Auslegungs- und Fort102 Vgl. B. MCGINN, Introduction: John’s Apocalypse and the Apocalyptic Mentality, in: R.K. Emmerson/B. McGinn (Hg.), The Apocalypse in the Middle Ages, Ithaca, NY 1992, 3–19, 6, „the apocalyptic mode of revelation is [...] textual: something meant to be written down. Thus apocalyptic revelation is part of a broad movement away from the word of God conveyed in oral proclamation and tradition and toward the word of God fixed in written texts. The apocalypses are products of a learned elite. Sociologically speaking, they appear to be tied to challenges to more traditional priestly authority by scribes with the skills to compose and interpret sacred writings.“ 103 Vgl. MCGINN, Introduction (s. Anm. 102), 12: „John thinks of himself as both a prophet (e.g., 1:2–3, 22:7, 22:18–19) and an apocalyptic seer. This mingling of the prophetic consciousness revived in early Christianity with the scribal or ‚bookish‘ character of the communication of secrets in the apocalypses is one of the distinctive marks of John’s text. The Apocalypse is not only a book containing a secret message but also a book full book imagery, especially the closed book with the seven seals (5:1ff.) and the open book that the ‚strong angel‘ commands John to eat (10:2–11). The role of the book as a symbol, even a talisman, of authority and power in the Middle Ages owes not a little to the Apocalypses.“ 104 Vgl. dazu umfassend D. GANZ, Medien der Offenbarung. Visionsdarstellungen im Mittelalter, Berlin 2008, mit der These, dass es in den Bildzyklen zur Apokalypse „um eine Thematisierung der medialen Verfahren prophetischer Offenbarung [ging]. Das Leitmedium der bebilderten Apokalypse war das ganze Mittelalter hindurch der ‚iconotext‘ der illuminierten Handschrift, selbst eine Hybridform von Bild- und Schriftelementen. In dieser speziellen Umgebung konnte eine bemerkenswerte Reflexion auf die Bimedialität der Apokalypse gedeihen.“ 105 Vgl. VAN DER TOORN, Scribal Culture (s. Anm. 30), 230f.: „When prophecy became primarily a literary genre, the prophets were posthumously transformed into authors. [...] The novelty of the scribal construct of prophecy as a revelation lies in the reference to written texts. The scribes developed the notion of the prophet as a scribe, and of his message as a secret revealed by heavenly figures, to legitimize the fact that the prophets had become books. Prophets were men of the past; the scribes had taken their place. The only way in which God would now speak to human beings was through the written text.“ 106 Vgl. VAN DER TOORN, Scribal Culture (s. Anm. 30), 232: „The charismatics of old, whether prophets, priests, or sages, were posthumously transformed into scribes. Some might think of Isaiah or Jeremiah as the authors of their books, but in the scribal construct of revelation, the real author is God. [...] The mediator became a mere channel; not an author and composer, but a scribe and transcriber.“

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schreibungsprozessen also zu neuen Autorschaftsinszenierungen und Autorbildern – zugespitzt: „Nicht der Autor gebiert das Buch, sondern das Buch die Autoren!“107 Die Dauerhaftigkeit der Schrift garantiert ferner auch das Weiterleben des Schreibers. Nicht zufällig lässt sich für frühjüdische Texte, insbesondere apokalyptischer Provenienz ein Zusammenhang zwischen Schriftlichkeit und Unsterblichkeit erkennen. So macht S. I. Thomas auf den Zusammenhang zwischen Personen, die dem Tod entronnen sind und gleichzeitig als Schreiber fungierten aufmerksam, so Henoch, Moses, Esra, Baruch; entscheidend ist dabei, dass all diese Heroen u.a. Einsicht in die himmlischen Bücher, Archive und Tafeln erhalten, deren Inhalt sie dann akkurat niederschreiben: „there is a complex association between righteous scribal figures, the appeal to heavenly or eternal forms of writing or speech, and some version of immortality. [...] Being a scribe makes one immortal at least insofar as death may be overcome in the transmission, elaboration, and new life of sacred tradition, which itself is understood to come from an eternal and often esoteric source.“108

Hervorzuheben sind die erwähnten himmlische Verzeichnisse, in welche die visionären Schreiber Einsicht erlangen und deren Inhalt diese dann niederschreiben; für die Konzeptionalisierung von Schriftlichkeit und Autorschaft spielen diese himmlischen Archive eine zentrale Rolle. Die Henochliteratur kennt himmlische Bücher bzw. Himmlische Tafeln (1Hen 68,1; 81,1f.; 93,2; 106,19–107; 107,7) des göttlichen Gesetz- und Weltenplans, in dem die Geschichte und Geschicke Israels und der Völker vor und für alle Zeit dokumentiert ist und in die der Schreiber Henoch zur Ermutigung und Mahnung seines Volkes Einsicht erhält (1Hen 74,2; 82,1–3; 92,1; 93,1). Angelegt ist diese Idee bereits im Danielbuch (vgl. Dan 10–12). Ähnliche Vorstellungen bietet auch das Jubiläenbuch (Jub 1,29; 3,8–14; 4,5; 6,35; 32,21).109 Nach eigenem Selbstverständnis legitimieren sich diese Texte gerade durch das Postulat ihrer himmlischen Urheberschaft, insofern sie sich auf Offenbarungen berufen, dabei ihre eigene Textualität in Form literarischer Selbstbezüglichkeit reflektieren und

107 BERGES, Kollektive Autorschaft (s. Anm. 96), 39. Ähnlich klingt das Diktum von H. WENZEL, Autorenbilder. Zur Ausdifferenzierung von Autorfunktionen in mittelalterlichen Miniaturen, in: E. Andersen/J. Haustein/A. Simon (Hg.), Autor und Autorschaft im Mittelalter. Kolloquium Meißen 1995, Tübingen 1998, 1–28 (5): „Wir kennen im Mittelalter in der Regel nicht den Autor, der den Text hervorgebracht hat, sondern nur den Text, der den Autor hervorbringt.“ 108 S.I. THOMAS, Eternal Writing and Immortal Writers. On the Non-Death of the Scribe in Early Judaism, in: E.F. Mason u.a. (Hg.), A Teacher of All Generations (FS J. C. VanderKam), JSJ.S 153/2, Leiden u.a. 2012, 573–588 (588). 109 Vgl. F. GARCÍA MARTÍNEZ, The Heavenly Tablets in the Book of Jubilees, in: M. Albani/J. Frey/A. Lange (Hg.), Studies in the Book of Jubilees, Tübingen 1997, 243–260.

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sich so in den Rang autoritativer Schriften heben.110 L. Stuckenbruck bemerkt: „Within the context of rapid growth of additional revelations in the patriarch’s name, the appeal to heavenly tablets reflected writers’ claims that their words were not in fact, ‚additional‘ but rather constitute a provision of divine revelation that had existed all along.“111 Das Postulat, Einsicht in die himmlischen Archive und Bibliotheken zu haben, ermöglicht selbstreferenzielle Legitimationsstrukturen zu kreieren und einen autoritativen Geltungsanspruch für das eigene Werk zu erheben; diese Vorstellung gilt indes nicht nur für apokalyptische Werke und Figuren.112 Das Werk gebiert also nicht nur den Autor, vielmehr lebt der Autor im Werk auch weiter, überwindet Zeit und Raum und hat Anteil an der Untersterblichkeit: „Writing becomes one part of a broader network of activities and features that make up the legendary character’s exemplary reputation and biography. If, following Roland Barthes, we can talk about the ‚death of the author‘ in early Jewish textual production, we also have something positive with which to replace it: the effusive, overflowing ‚life of the writer.‘“113

110 So bietet nach E. MROCZEK, The Literary Imagination in Jewish Antiquity, New York, NY 2016, 154f. z.B. das Jubiläenbuch gleichsam eine Theorie der eigenen Textualität und Schriftlichkeit – „Scribal heroes populate the narrative, leaving behind texts that are divinely revealed and meant to last. [...] Jubilees’ history is in large part a historical bibliography: the relationship between God and Israel is embodied in the writings that make up its imagined library.“ 111 L.T. STUCKENBRUCK, The Epistle of Enoch. Genre and Authorial Presentation, DSD 17/3 (2010), 387–417 (398). Jüngst hat E. MROCZEK Literary Imagination (s. Anm. 110), 4, diese Zusammenhänge umfassend untersucht und formuliert folgende These: „From the perspective of early Jewish scribes, the history of written revelation stretches back long before Moses received the tablets of the law on Mount Sinai. The revelation of written texts is part of the lore about Israel’s patriarchs and kings: these heroes come to be remembered as great writers, and serve as models for the producers of new literature. Scribes recognize the authority and divine inspiration of texts like the Enochic corpus and the revelations to other ancient ancestors, which present themselves not as derivative of or dependent on material we now call biblical, but indeed, prior to it.“ 112 11QPsa Kol. 27,2–11 nennt David einen Schreiber der, von Gott inspiriert, insgesamt 4050 Lieder verfasst habe, „all dies sprach er durch Prophetie, die ihm vor dem Höchsten gegeben war.“ (Übers. J. MAIER, Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, Bd. 1, München 1995, 341). Die 4050 Psalmen, so MROCZEK, Literary Imagination (s. Anm. 110), 43, „presents us with an open series, overwhelmingly prolific divine writing and speech with no upper boundary. This imagined Davidic repertoire is a divine archive of revealed songs that exists in no single location, but is reflected only piecemeal in the various collections known and available to ancient scribes. This theory of unbounded revealed text makes it possible for new work to emerge that would continue the tradition of Davidic revelation.“ In der späteren Tradition wird David zu einem Engel, dessen Wohnstatt fortan im Himmel ist, vgl. MROCZEK, Literary Imagination (s. Anm. 110), 83f. 113 MROCZEK, Literary Imagination (s. Anm. 110), 85.

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Der Autorbegriff Der Begriff „Autor“ weist das „typische semantische Profil eines modernen ästhetischen Bewußtseins auf“ und ist erst „mit dem Erwachen der schöpferischen Autonomie des neuzeitlichen Subjekts zu Trägern programmatischer Erwartungen geworden.“114 An dieses Bewusstsein ist auch das juristisch einklagbare Urherberrecht geknüpft. Solch ein Konstrukt war der Antike und dem Mittelalter fremd,115 wenngleich es sehr wohl eine Vorstellung geistiger Urherberschaft gegeben hat. Auch die Antike kannte den Plagiatsvorwurf und den Anspruch auf individuelle Autorschaft.116 Im deutschen Sprachraum taucht das Wort „auctor“ Ende des 15. Jh.s. auf; ab dem 18 Jh. setzt sich der Begriff „Autor“ durch. In diese Zeit fällt auch der Wechsel vom älteren „Scribent“ (Schreiber) zu „Schriftsteller“.117 Der Weg zum modernen Autorbegriff ist von zahlreichen Windungen gekennzeichnet. Die biographische Methode des ausgehenden 19. Jh. sah den Autor als zentrale Bezugsgrösse der Interpretation an und war im Zuge der Goethephilologie und des wissenschaftlichen Positivismus zum tonangebenden Paradigma avanciert. Bald geriet dieser Ansatz durch neuere methodische Diskussionen Anfang des 20. Jh.s. in die Kritik; die Suche nach der durch biographische Details zu erhebenden Autorintention wurde als ‚Biographismus‘ verfemt.118 Im weiteren Verlauf erfolgten dann mehrere Anläufe zur Schwächung der Autorrelevanz: durch den methodologischen Einwand des „Intentional Fallacy“ im Kontext des New Criticism,119 durch die Unterscheidung zwischen Autor und Erzähler,120 durch die Einführung der Instanz des „implied 114

WETZEL, Autor/Künstler (s. Anm. 48), 480f. „Das Berufsbild des Autors als freier Schriftsteller, der eine rechtlich verbürgte, sich auch materiell auszahlende geistige Urheberschaft an seinem Werk besitzt, ist eine relativ junge Erfindung. Die Antike kannte weder ein Urheber- noch ein Verlagsrecht“, U.T. HOFFMANN/D. LANGER, Autor, in: T. Anz (Hg.), Handbuch Literaturwissenschaft, Bd. 1: Gegenstände und Grundbegriffe, Stuttgart/Weimar 2013, 131–170 (148). 116 Vgl. umfassend M. MÜLKE, Der Autor und sein Text. Die Verfälschung des Originals im Urteil antiker Autoren, UALG 93, Berlin u.a. 2008, bes. 63–82. Freilich verlor ein Autor im Moment der Publikation weitgehend die Kontrolle über etwaige Veränderungen (ebd., 14). 117 HOFFMANN/LANGER, Autor (s. Anm. 115), 131. 118 Vgl. T. KINDT/H.-H. MÜLLER, Was war eigentlich der Biographismus – und was ist aus ihm geworden? Eine Untersuchung, in: H. Detering (Hg.), Autorschaft (s. Anm. 33), 355–375. 119 Vgl. den berühmten wie programmatischen Artikel von W.K. WIMSATT/M.C. BEARDSLEY, The Intentional Fallacy, Sevanee Review 54/3 (1946), 468–488. Zur weiteren Forschungsdiskussion vgl. G. ISEMINGER (Hg.), Intention and Interpretation, Philadelphia 1992; SPOERHASE, Autorschaft (s. Anm. 20), 68–79. 120 Vgl. K. HAMBURGER, Die Logik der Dichtung (1. Ausgabe 1957), Stuttgart 1994; W. KAYSER, Wer erzählt den Roman?, Neue Rundschau 68 (1957), 444–459. 115

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author“121 in die Literaturwissenschaft und – wie bereits notiert – durch die These vom „Tod des Autors“ durch R. Barthes und M. Foucault. Nach der „Rückkehr des Autors“ fragen neuere Forschungsrichtungen erneut vermehrt nach der Stellung des realen Autors innerhalb der Gesellschaft122 und thematisieren Symptome kollektiver Autorschaft gerade auch unter den gegenwärtigen Bedingungen digitaler Literatur im Internet und neueren Formen wissenschaftlicher Zusammenarbeit.123 „Autor“ im modernen Verständnis ist an Kreativität als authentischer Hervorbringung eines Kunstwerks orientiert. Der Eigenname des Autors garantiert erst seit Beginn der Neuzeit eine ästhetische Qualität, die auch für heutiges Werkverständnis unverzichtbar ist: Originalität und Innovation. Die Bindung der so verstandenen Autorkategorie an die entstehende Literatur- und Kunstkritik bzw. -theorie ist deutlich. Im heutigen Diskurs bezieht sich Autorschaft dann auch auf das Eigentum von Copyrights sowie den Begriff der Legitimität von Publikationen, der auf Originalität basiert.124 Heutzutage ist der Autor als natürliche Person in erster Linie Urheber eines Textes mit den Konsequenzen juristischer Verantwortlichkeit und des geistigen Eigentums.

Autorschaftsmodelle Die Entwicklung des Autorbegriffs deutet auf die komplexe Frage nach der Autorschaft hin, die nicht allein unter modernen ökonomischen oder juristischen Gesichtspunkten – der Autor als Hersteller und Eigner des Produkts Text – verhandelt werden kann. Zu differenzieren ist danach zwischen dem realen Autor als historischer Person aus Fleisch und Blut und verschiedenen Autorschaftsmodellen, „d.h. Vorstellungen und Modelle eines Autors, die wir aus bestimmten methodischen und theoretischen Gründen entwerfen und ver-

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Vgl. W.C. BOOTH, The Rhetoric of Fiction, Chicago/London 21983, der zwischen Erzähler und dem realen Verfasser eines Textes eine weitere Instanz, den des implied author (implizite Autor), einführt; die Relevanz des realen Autors für die Textinterpretation ist durch diese Instanz insofern geschwächt, als das der implied author eine textimmanente Figuration ist. 122 Vgl. SCHAFFRICK, Gesellschaft (s. Anm. 44); A. CORTI, Die gesellschaftliche Konstruktion von Autorschaft, Zugänge zur Moderne, Wiesbaden 1999; I. BERENSMEYER/G. BUEHLENS/M. DEMOOR, Authorship as Cultural Performance. New Perspectives in Authorship Studies, Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik 60 (2012), 5–29. 123 Vgl. F. HARTLING, Der digitale Autor, Autorschaft im Zeitalter des Internets, Transcript. Kultur- und Medientheorie, Bielefeld 2009; C.P. HAVILAND/J.A. MULLIN (Hg.), Who Owns This Text? Plagiarism, Authorship, and Disciplinary Cultures, Logan, UT 2009. 124 Zum Ganzen vgl. WETZEL, Autor/Künstler (s. Anm. 48), 480f.

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wenden.“125 Unter Autorschaftsmodellen (äquivalente Begriffe sind ‚Autormodelle‘, Autorschaftskonzepte‘, und ‚Autorkonzepte“) „lassen sich typenhafte Formen verstehen, die das Rollenverständnis des Autors in Bezug auf seine Tätigkeit des Schreibens einerseits und sein Verhältnis zur Gesellschaft andererseits umreißen. Autorschaftsmodelle bündeln damit schlagwortartig ein Set verschiedener poetologischer Annahmen über Ursprung, Grundlagen, Anspruch und Absicht der literarischen Tätigkeit des Autors.“126 Tatsächlich haben sich zu verschiedenen Zeiten verschiedene Autorschaftsmodelle in einer linear-historischen Abfolge entwickelt, die dann später, wenn auch in neunen Ausformungen, parallel existieren konnten.127 Zunächst und für die Antike prägend ist der poeta vates (‚Dichterseher‘), also der göttlich inspirierte, prophetische Wahrheit verkündende Dichter. So beginnen die Epen Homers mit Musenanrufungen und auch Hesiod führt seine Theogonie auf die Inspiration durch die Musen zurück. Entsprechend wird die Tätigkeit des Dichters nicht auf die eigene Kunstfertigkeit oder Begabung zurückgeführt, sondern vollzieht sich als göttliche Eingebung. Dadurch steht der poeta vates in einer besonderen Nähe zu den göttlichen Mächten, die seine Rede legitimieren, wobei der Dichter, durch die Exklusivität seines Verhältnisses qualifiziert, seinerseits eine Mittlerrolle zwischen der Gottheit und dem Publikum einnimmt. In der römischen Dichtung findet sich das Modell göttlicher Inspiration etwa bei Cicero, Vergil und Ovid. In der späteren christlichen Tradition übernimmt der Heilige Geist die Rolle der Musen. Eine neue Blüte erlebte das poeta vates-Modell in der Genieästhetik des 18. Jh.s., „in der die Vorstellung von Inspiration von ihren göttlichen Ursprüngen gelöst und in das Innere des schöpferischen Menschen hineinverlegt wird.“128 Schließlich erfährt der poeta vates Anfang des 20. Jh.s in der Variante des Dichter-Priesters eine neue Konjunktur.129 Historisch entscheidend für diese Entwicklung ist, so F. Marx, dass der Krise moderner Autorschaft die Krise der christlichen Religion vorausgeht,130 insofern die Säkularisation der christlichen Glaubensvorstellungen zu ihrer Renaissance innerhalb der Kunst führte. Ausdruck dieser Renaissance ist u.a. die Inszenierung des Künstlers als Prophet.131

125 J.C. MEISTER, III.1: Autor und Autorkonzepte, in: S. Lahn/J.C. Meister (Hg.), Einführung in die Erzähltextanalyse, Stuttgart/Weimar 22013, 36–43 (38). 126 HOFFMANN/LANGER, Autor (s. Anm. 115), 139–148. 127 Zum Folgenden vgl. HOFFMANN/LANGER, Autor (s. Anm. 115), 139–146. 128 HOFFMANN/LANGER, Autor (s. Anm. 115), 141. 129 Vgl. MARX, Heilige Autorschaft? (s. Anm. 52), 107–120. 130 MARX, Heilige Autorschaft (s. Anm. 52), 108. 131 MARX, Heilige Autorschaft (s. Anm. 52), 109 Anm. 7, erwähnt in diesem Zusammenhang das Diktum von Julius Langbehn, der 1890 in seinem anonym publizierten Buch ‚Rembrandt als Erzieher. Von einem Deutschen‘, Leipzig 221890, 176, schreibt: „Der Prophet ist dem Künstler von jeher verwandt; der Eine erkennt, der Andere erschafft aus den einzelnen

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Auf den poeta vates folgt der poeta doctus, also der ‚gelehrte Dichter‘, der, orientiert an der literarischen Tradition, seine Gelehrsamkeit und Handwerklichkeit zum Ausdruck bringt. Kennzeichnend ist also der Traditionsbezug in Form der imitatio. Wirkungsmächtig wurde das Modell bei Horaz, „der in seiner Ars poetica die Notwendigkeit umfassenden Wissens (doctrina) einerseits sowie eines ausgebildeten Kunstverstands (ars) andererseits hervorhob und die imitatio der griechischen Vorbilder empfahl.“132 Im 18. Jh. entwickelt sich dann ein weiteres Modell der Autorschaft, das autonomieästhetische Konzept des ‚Genies‘. Der Begriff des Genies wird dabei zum Inbegriff einer frei schöpferischen Fähigkeit des Autors: „Wie Gott die Welt erschaffen hat, erschafft nun der Autor ‚seine‘ Welt und hat dabei keine vorgegebenen Regeln zu beachten.“133 Der antike Enthusiasmusgedanke wird also zwar aufgenommen, jedoch von Gott gelöst und in das Innere des Subjekts hineinverlegt.134 Konstitutives Kennzeichen des Geniemodells ist der Traditionsbruch, also die Abgrenzung gegenüber dem poeta doctus und damit die Abkehr von normativer Regeln und den mustergültigen ‚Vätern‘ der literarischen Tradition. Herder, Lenz und Goethe sind Vertreter dieser Genieästhetik. Das Postulat der Autonomie der Genieästhetik erklärt den Autor selbst zum wahren Eigentümer seiner Schrift und bereitet so den Weg für die spätere Festschreibung des Urheberrechts. Am Ende der Entwicklung steht die Genese des modernen Autorbegriffs als ‚Werkurheber‘ in juristischer Hinsicht.135 Im Zuge des Frontalangriffs auf die aus der Genieästhetik entstandene Modelle der verantwortlichen Urheberschaft und des Biografismus entwickelt Roland Barthes unter dem Schlagwort „Der Tod des Autors“ ein neues Konzept des Autors als Schreiber (scripteur), dem zufolge „das Schreiben der Eigengesetzlichkeit der Sprache unterliegt und der moderne Schreiber in seiner Schrift ‚aufgeht‘“.136 Gegenüber dem Autonomiepostulat des selbstbewusst schaffenden Autors betont das Modell des Autors als Schreiber heteronome Aspekte, wie das Unbewusste, die Eigenmächtigkeit der Sprache und die Allgegenwärtigkeit von Intertextualität. In gewisser Weise ähnelt das Konzept dem Modell des poeta vates; der Unterschied liegt allerdings darin, dass das Schreiben nicht

Theilen einer organischen Masse – das Ganze derselben; jener vermag gewissermaßen der Zeit, dieser dem Raum zu gebieten.“ 132 HOFFMANN/LANGER, Autor (s. Anm. 115), 142. 133 HOFFMANN/LANGER, Autor (s. Anm. 115), 144. 134 „Das von innen inspirierte und aus sich selbst heraus schaffende Genie wird Gott ähnlich, ja in seinem Schaffen gottgleich und erhebt daher den Anspruch auf absolute Autonomie“ HOFFMANN/LANGER, Autor (s. Anm. 115), 144. 135 HOFFMANN/LANGER, Autor (s. Anm. 115), 146, notieren: „Seit der Genieästhetik gehen die rechtliche Festschreibung geistigen Eigentums und die Zuschreibung einer unhintergehbaren Verantwortlichkeit des Autors für seinen Text Hand in Hand.“ 136 HOFFMANN/LANGER, Autor (s. Anm. 115), 147.

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mehr als Inspiration von außen verstanden wird, sondern als unbewusster Akt unter dem Primat der eigenmächtigen Sprache. Freilich konnte sich auch das scripteur-Modell nicht durchsetzen, denn: „letztlich bildet auch der ‚Tod des Autors‘ keineswegs ein verbindlich gewordenes Paradigma (aufgehobener) Autorschaft: Aspekte der Inspiration, der Gelehrsamkeit, der Autonomie und Heteronomie kreuzen und verschränken sich auch in aktuellen Autorschaftsentwürfen.“137

Narration, Kommunikation, Autorschaft und Autorisierung Autorschaftsmodelle haben es vornehmlich mit Erzähltexten zu tun. Zur terminologischen, analytischen und hermeneutischen Klarheit ist es hilfreich, die verschiedenen Autorschaftskonzepte und Autorisationsstrategien hinsichtlich ihrer narrativen und kommunikativen Verortung und Gewichtung innerhalb eines Erzählgefüges genauer zu betrachten, um eine möglichst breite Differenzierung über die verschiedenen Grade und Intensität von Autorschaft und Legitimation zu erhalten. Es ist heuristisch sinnvoll, die verschiedenen Kommunikationsebenen eines Erzähltextes verschiedenen Kommunikations- bzw. Vermittlungsinstanzen (z.B. realer Autor, Erzähler, Erzählfigur) zuzuordnen und diese jeweils nach ihrer je spezifischen Autorisationsfiguration zu befragen. Die literaturwissenschaftlichen Theorieansätze bieten hier ein differenziertes terminologisches Inventar und ein geschliffenes erzähltextanalytisches Instrumentarium, das auch für die Analyse biblischer Erzähltexte, nicht zuletzt apokalyptischer Texte, hilfreich ist und zudem methodische Transparenz ermöglicht. Tatsächlich hat die exegetische Literatur in neuerer Zeit vermehrt erzähltextanalytische Methoden der Literaturwissenschaft in die eigenen Analysen einfließen lassen.138 137

HOFFMANN/LANGER, Autor (s. Anm. 115), 148. Vgl. u.a. R. LUX, Prophet zwischen ‚Verweigerung‘ und ‚Gehorsam‘. Eine erzählanalytische Studie, FRLANT 162, Göttingen 1994, 57–65; M.T. PLONER, Die Schriften Israels als Auslegungshorizont der Jesusgeschichte. Eine narrative und intertextuelle Analyse von Mt 1–2, SBB 66, Stuttgart 2011, 19–36; S. BAR-EFRAT, Narrative Art in the Bible, JSOT.S 70, Sheffield 21989; J.P. FOKKELMAN, Narrative Art and Poetry in the Books of Samuel. A Full Interpretation Based on Stylistic and Structural Analyses, Bd. 1–4, SSN 27/31, Assen 1981–1993; DERS., Reading Biblical Narratives. A Practical Guide, Tools for Biblical Study 1, Leiden 1999; C. HARDMEIER, Prophetie im Streit vor dem Untergang Judas. Erzählkommunikative Studien zur Entstehungssituation der Jesaja- und Jeremiaerzählungen in II Reg 18–20 und Jer 37–40, BZAW 187, Berlin 1990; R.C. TANNEHILL, The Narrative Unity of Luke-Acts. A Literary Interpretation. The Gospel According to Luke, Philadelphia 1991; D. RHOADS/D. MICHIE, Mark as Story. An Introduction to the Narrative of a Gospel, Philadelphia 1982.; M. MAYORDOMO-MARÍN, Den Anfang hören. Leserorientierte Evangelien138

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Auszugehen ist an dieser Stelle von einem kommunikations- und erzähltheoretischen Modell, wie es etwa W. Schmid vorgelegt hat, der „jüngsten und systematisch wie begrifflich schlüssigsten Erzähltheorie“.139 Insbesondere W. Schmids feine Differenzierungen der Kommunikationsebenen und hierarchischen Instanzen des Erzählwerkes bieten einen hilfreichen kommunikationstheoretischen Analyseapparat zur Erzähltextanalyse von biblischen Narrativen.140 Schmid präsentiert ein Modell mit fünf elementaren Kommunikationsebenen (KE),141 das hier in einer etwas variierten Form aufgenommen wird, wobei sich die Darstellung allein auf die Vermittlungsinstanzen konzentriert und die Adressanten- bzw. Rezipientenseite unberücksichtigt bleibt. Die Kommunikationsebenen eines Erzähltextes KE I Außertextliche Welt konkreter Autor/ Schreiber/Editor

KE II Literarisches Werk – abstrakter Autor – impliziter Autor

KE III Dargestellte Welt fiktiver Erzähler

KE IV Erzählte Welt Figur

KE V Zitierte Welt Figur

exegese am Beispiel von Matthäus 1–2, FRLANT 180, Göttingen 1998; E.S. MALBON, Mark’s Jesus. Characterization as Narrative Christology, Waco 2009; B. SCHMITZ, Prophetie (s. Anm. 30), 9–108; W. FRITZEN, Von Gott verlassen? Das Markusevangelium als Kommunikationsangebot für bedrängte Christen, Stuttgart 2008, 64–106; S. FINNERN, Narratologie und biblische Exegese. Eine integrative Methode der Erzählanalyse und ihr Ertrag am Beispiel von Matthäus 28, WUNT II 285, Tübingen 2010. 139 S. LAHN/J. C. MEISTER, Einführung in die Erzähltextanalyse, Stuttgart/Weimar 22013, 15. 140 Umfassend rezipiert ist das Modell Schmids u.a. von M. MAIR, Erzähltextanalyse. Modelle, Kategorien, Parameter, Stuttgart 2015, 123–129. 141 Vgl. W. SCHMID, Elemente der Narratologie, Berlin u.a. 32014, 45–46. In verschiedenen Varianten finden sich in literaturwissenschaftlichen Beiträgen ähnliche, mehrfach ineinander verschachtelte Instanzen, so z.B. S. CHATMAN, Story and Discourse. Narrative Structure in Fiction and Film, Ithaca, NY 1978., 150f.: [empirischer Leser – [impliziter Autor – [Erzähler – [Erzählung] – Erzähladressat] – impliziter Leser] – empirischer Leser]. In zahlreichen Spielarten wurden diese drei Instanzen in der Literaturwissenschaft weiterentwickelt, vgl. LAHN/MEISTER, Erzähltextanalyse (s. Anm. 139), 14; C. KAHRMANN/G. REISS/ M. SCHLUCHTER, Erzähltextanalyse. Eine Einführung, mit Studien- und Übungstexten, Studienbuch Literaturwissenschaft, Königstein 41996, 49–51.; vgl. die (kritische) Diskussion bei G. GENETTE, Die Erzählung, UTB 8083, Paderborn 32010, 259–270 (261); vgl. jetzt auch MAIR, Erzähltextanalyse (s. Anm. 140), 123–134.

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Je nach Kommunikationsebene können verschiedene Figurationen von Autorschaft und Autorisation generiert werden. Auf KE I, der außertextlichen Ebene, ist der Urheber bzw. Verfasser des Werkes angesiedelt.142 Gemeint sind reale historische Persönlichkeiten, die für die Entstehung des Werkes verantwortlich zeichnen. Wie aus der Diskussion zum antiken Autorbegriff deutlich wurde, können im Entstehungsprozess freilich verschiedene Instanzen wie Autor, Schreiber oder Editor eine Rolle spielen. Auf der Fläche des literarischen Werkes (KE II) ist die Kommunikationsinstanz komplex figuriert. An dieser Stelle geht das vorliegende Modell über das Modell von Schmid hinaus, insofern hier der abstrakte Autor sowie der implizite Autor bzw. die Autorkonfiguration angesiedelt sind.143 Die Kernidee des abstrakten (bzw. impliziten) Autors,144 eine nicht unumstrittene Instanz,145 firmiert in der Literaturwissenschaft unter verschiedenen 142

Vgl. knapp SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 47. SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 46, verortet auf der Ebene KE II allein den abstrakten Autor, der freilich im Grunde mit dem impliziten Autor identisch ist. Im vorliegenden Modell wird eine Unterscheidung zwischen abstraktem und implizitem Autor vorgeschlagen. 144 Zur positiven Aufnahme des Begriffs „abstrakter Autor“ vgl. die Literatur bei T. KINDT/H.-H. MÜLLER, The Implied Author. Concept and Controversy, Narratologia 9, Berlin u.a. 2006, 131 Anm. 214. Namhafte Einführungen in die Literaturwissenschaften und Erzähltextanalyse haben die Idee des abstrakten bzw. impliziten Autors übernommen, vgl. R. KLAUSNITZER, Literaturwissenschaft. Begriffe – Verfahren – Arbeitstechniken, Berlin u.a. 22012, 161–163; T. EICHER /V. WIEMANN (Hg.), Arbeitsbuch. Literaturwissenschaft, Paderborn u.a. 32001, 90f.; M. FLUDERNIK, An Introduction to Narratology, London/New York 2006, 26f. 145 Einige namhafte Literaturwissenschaftler stehen der konstruierten Instanz des impliziten oder abstrakten Autors kritisch bis ablehnend gegenüber, so. z.B. A. NÜNNING, Grundzüge eines kommunikationstheoretischen Modells der erzählerischen Vermittlung. Die Funktionen der Erzählinstanz in den Romanen George Eliots, Trier 1989; DERS., Renaissance eines anthropomorphisierten Passepartouts oder Nachruf auf ein literaturkritisches Phantom? Überlegungen und Alternativen zum Konzept des „implied author“, Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 67 (1993), 1–25. Eine umfassende Diskussion zum Thema „impliziter Autor“ bieten KINDT/MÜLLER, Implied Author (s. Anm. 144). Ambivalent ist die Haltung von GENETTE, Die Erzählung (s. Anm. 141), 259–270, zum implied author, wonach zwar der implied author nicht mehr ins „Ressort der Narratologie“, sondern ins „größere Ressort der Poetik“ fällt (260), gleichwohl räumt Genette „Ausnahmen“ (264) ein, in denen in der Tat der implied author zu seinem Recht kommt, so etwa in apokryphen Texten („Der Leser des Apokryphs soll natürlich gerade nicht die Duplizität seiner auktorialen Instanz identifizieren“; 265) oder in gemeinsam verfassten Werken (266). Auf die Kritik am „impliziten Autor“ bzw. „abstrakten Autor“ geht SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 54–61, ein. Neuere literaturwissenschaftliche Forschungen favorisieren bei aller geäußerter Kritik weiterhin die interpretationstheoretische Relevanz des impliziten Autors, so die 45. Ausgabe von Style (2011), vgl. das Resümee des Herausgebers B. RICHARDSON, Introduction. The Implied Author: Back from the Grave or Simply Dead 143

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Bezeichnungen: als „Autorbild“146, „konzipierter Autor“147 und vor allem als „impliziter Autor“ (implied author)148, später dann als „Modell-Autor“149 oder – jüngst – als „hypothetischer“ oder „postulierter Autor“.150 Bekanntlich hat Wayne C. Booth den implied author bzw. den impliziten Autor, in Auseinandersetzung mit dem New Criticism, ins Gespräch gebracht; eine erzähl- und kommunikationstheoretische Instanz, die vielfältige Rezeption und zugleich harsche Kritik erfuhr.151 Nach Booth, der freilich nirgends eine genau Definition bietet, ist der implied author einerseits als „core of forms and choices“ eines Textes bestimmt, andererseits als „implied version“ des Autors in seinem Werk und schließlich als „picture the reader gets“ bei der Rezeption einer Schrift;152 m.a.W. der Begriff implied author kann sowohl das Selbstbild des Autors oder das Autorbild des Lesers meinen. Im intentionalen Schaffensprozess des empirischen Autors fließen unwillkürliche und unvermeidbare Mit-Darstellungen des Urhebers in den Text ein, die als „Selbstbild“ als auch als Inferenz des Lesers den implied author generieren.153 Again? Style 45,1 (2001), 1–10 (6): „the term ‚implied author‘ is a most useful one to identify the congruence or divergence of different historical authors and inferred authorial voices in a work or body of work.“ 146 Zur erstmaligen Entwicklung des Begriffs „Autorbild“ durch V.V. Vinogradov, vgl. dazu SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 48. 147 So B. Korman nach SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 49f. 148 So der von W.C. BOOTH, The Rhetoric of Fiction, Chicago/London 21983, 70–73, eingeführte Begriff. 149 So die Sprachprägung von U. ECO, Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten, München/Wien 1987; DERS., Das offene Kunstwerk, Frankfurt a.M. 1973; Eco führt den Begriff des Modell-Lesers in Anschluss an Booth und seinen implied author als Attributionsinstanz ein, was seinem zuvor verwendeten Begriff der „Textstrategie“ bzw. „Textintention“ oder „intentio operis“ entspricht. 150 KINDT/MÜLLER, Implied Author (s. Anm. 144), schlagen zwar nach einer umfassenden Forschungsgeschichte des Begriffs implied author vor, den Begriff fallen zu lassen (181), führen aber dann selbst den Begriff des „hypothetischen“ oder „postulierten“ Autors im Kontext eines intentionalistischen Interpretationsprogramms und im Anschluss an das Konzept eines „hypothetical intentionalism“ ein (167–176). 151 Vgl. die umfassende literaturgeschichtliche Analyse zur Geschichte des ‚impliziten Autors‘ KINDT/MÜLLER, Implied Author (s. Anm. 144). 152 BOOTH, Rhetoric (s. Anm. 148), 70–74. 153 Vgl. die bekannten, wenn auch oft missdeuteten Erläuterungen bei BOOTH, Rhetoric (s. Anm. 148), 70f.: „As he [the real author] writes, he creates not simply an ideal, impersonal ‘man in general’ but an implied version of ‚himself‘ that is different from the implied authors we meet in other men’s work. […] the picture the reader gets of this presence is one of the author’s most important effects. However impersonal he may try to be, his reader will inevitably construct a picture of the official scribe who writes in this manner.“ Zur Analyse dieser Aussage vgl. jetzt luzide D. SHEN, What is the Implied Author?, Style 45,1 (2011), 80–98 (89): „In Booth’s own formulation, the concept is essentially a straightforward one referring at once to the person who writes the text in a particular manner (encoding process) and to the textual image of this writer for the reader to infer (decoding process), and the

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Darüberhinaus steht die Instanz des implied author für den Text im Ganzen und dessen Normen: „Our sense of the implied author includes not only the extractable meanings but also the moral and emotional content of each bit of action and suffering of all of the characters. It includes, in short, the intuitive apprehension of a completed artistic whole; the chief value to which this implied author is committed, regardless of what party his creator belongs to in real life, is that which is expressed by the total form.“ 154

Mit dem implied author sucht Booth der Kritik der New Criticism gegen intentionalistische Interpretationen (intentional fallacy) zu begegnen: danach sei die Werkaussage bzw. -intention nicht vom empirischen Autor her, vielmehr nach Maßgabe sprachlicher Regeln zu erheben, insofern – so die Grundannahme Booths – literarische Werke intentional strukturierte normative Welten darstellten. Ein entscheidendes Argument für die Einführung des impliziten Autors liegt im Phänomen des unzuverlässigen Erzählers (unreliable narrator) begründet, insofern die Normen und Werte des impliziten Autors sich z.T. erheblich vom Erzähler unterscheiden können.155 Booths implied author erfuhr, wohl gerade wegen seiner offenen Konzeptionalisierung und Unklarheit, große Verbreitung und Beliebtheit in der Textwissenschaft,156 so im Kontext der Interpretationspraxis literarischer Werke;157 nicht zuletzt in kommunikationstheoretischen Textmodellen spielte der implied author eine wichtige Rolle.158 distinction between the implied author and the real author is a simple one between the person in the writing process and this same person in daily life.“ 154 BOOTH, Rhetoric (s. Anm. 148), 73f. 155 Vgl. BOOTH, Rhetoric (s. Anm. 148), 158f.: „the most important of these kinds of distance is that between the fallible or unreliable narrator and the implied author who arries the reader with him in judging the narrator [...] I have called a narrator reliable when he speaks for or acts in accordance with the norms of the work (which is to say, the implied author’s norms), unreliable when he does not.“ Zum unzuverlässigen Erzähler vgl. auch umfassend T. KINDT, Unzuverlässiges Erzählen und literarische Moderne. Eine Untersuchung der Romane von Ernst Weiß, Studien zur Deutschen Literatur 184, Tübingen 2008, 28–67, mit folgendem Definitionsvorschlag: „Der Erzähler in einem literarischen Werk ist zuverlässig, wenn er ausdrücklich für dessen Normen eintritt oder in Übereinstimmung mit ihnen handelt; er ist unzuverlässig, wenn dies nicht der Fall ist.“ (43) 156 Gerade an dieser Unklarheit setzt aber auch die Kritik an Booths Konzept an, vgl. KINDT/MÜLLER, Implied Author (s. Anm. 144), 58–61. 157 Vgl. die weitere Rezeptionsgeschichte bei KINDT/MÜLLER, Implied Author (s. Anm. 144), 74–104. 158 S. CHATMAN, Story (s. Anm. 141); DERS., Coming to Terms. The Rhetoric of Narrative in Fiction and Film, Ithaca, NY/London 1990, hat die Instanz des implied author aufgenommen und in ein kommunikationstheoretisches Textmodell als Agens eingegliedert, sodass sich letztlich drei ineinandergeschachtelte Sende- und Empfängerinstanzen ergeben. Letztlich steht der implizite Autor für Begriffe wie „Textimplikation“ oder „Textintention“: „The text is itself the implied author“ (81), „the text itself in its inventional aspect“ (86).

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W. Schmid greift seinerseits die Idee Boots zum impliziten Autor auf und entwickelt das Konzept unter der neuen Bezeichnung „abstrakter Autor“ weiter.159 Innerhalb des Kommunikationsmodells des Erzählwerkes wird der abstrakte Autor als übergeordnetes intratextuelles Kommunikationsniveau zwischen der textexternen Ebene von Autor und Leser und der textinternen Ebene des Narrators und seines Adressaten angesiedelt. Schmid bietet folgende Definition: „Der abstrakte Autor läßt sich [...] definieren als dasjenige Prinzip, das in einem Werk die sprachlautliche Schicht, die Bedeutungsschicht und die Schicht der dargestellten Gegenständlichkeiten sowie ästhetische Organisation und Hierarchie dieser Schichten in der Gesamtstruktur so und nicht anders beschaffen sein läßt.“160

Obgleich der abstrakte Autor im Rahmen eines Kommunikationsmodells eingeführt wird, so ist der abstrakte Autor im Gegensatz zum realen Autor oder fiktiven Erzähler nur im übertragenen Sinn Teilnehmer am literarischen Kommunikationsprozess.161 Nach Schmid kann man nun den abstrakten Autor von zwei Seiten her bestimmen: zunächst unter dem Aspekt des werktranszendenten konkreten Autors. In dieser Sichtweise „ist er die Spur des konkreten Autors im Werk, sein werkimmanenter Repräsentant“.162 In der zweiten Perspektive ist der abstrakte Autor „die Hypostase des das Werk prägenden Konstruktionsprinzips“,163 also die Normhierarchie und finale Werkintention. Diese beiden Konfigurationen sollten stärker als bei Schmid voneinander unterschieden werden, um die bereits bei Booth angelegte Unklarheit des Begriffs aufzulösen und die entsprechenden Funktionen besser zu konturieren und zu differenzieren. Daher wird an dieser Stelle für eine Aufspaltung des von Schmid eingebrachten abstrakten Autors plädiert:164 (1) Insofern es um das im Schaffensakt generierte „Autorbild“ des Urhebers geht, also um die Symptome und indizialen Zeichen des Urhebers, die eine Autorkonfiguration evozieren, wird im Folgenden vom impliziten Autor (iA) die Rede sein. (2) Insofern es um die ideo159 W. SCHMID, Der Textaufbau in den Erzählungen Dostoevskijs, Beihefte zu Poetica 10, München 1973, 24, macht klar, dass er sich mit dem Ausdruck „abstrakter Autor“ auf Booths Begriff des impliziten Autors bezieht. 160 SCHMID, Textaufbau (s. Anm. 159), 24. An anderer Stelle erläutert SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 60f.: „Der abstrakte Autor ist nur die anthropomorphe Hypostase aller schöpferischen Akte, die personifizierte Werkintention.“ 161 Vgl. SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 60f.: „Der abstrakte Autor [...] repräsentiert das Prinzip des Fingierens eines Erzählers und der gesamten dargestellten Welt. Er hat keine eigene Stimme, keinen Text. Sein Wort ist der ganze Text mit allen Ebenen, das ganze Werk in seiner Gemachtheit und Komposition.“ 162 SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 61. 163 Ebd. 164 Zur Diskussion um die Versuche einer Aufspaltung des abstrakten Autors vgl. SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 56–60.

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logischen Normen und Werte sowie um die finale Werkintention und oberste Autoritätsinstanz geht, ist weiterhin vom abstrakten Autor die Rede. Zur ersten Figuration: Der implizite Autor (also Schmids erste Perspektive des abstrakten Autors) bzw. die Autorfiguration ist „real, aber nicht konkret. Er existiert im Werk nur implizit, virtuell, angezeigt durch die Spuren, die die schöpferischen Akte im Werk hinterlassen haben, und bedarf der Konkretisation durch den Leser. Deshalb hat er eine zweifache Existenz: Einerseits ist er im Text objektiv gegeben, als virtuelles Schema der Symptome, anderseits hängt er in seiner Ausstattung von den ihn aktualisierenden subjektiven Akten des Lesens, Verstehens und Deutens ab.“ 165 Mit anderen Worten: Der implizite Autor ist ein Konstrukt des Lesers auf der Grundlage seiner Lektüre des Werkes,166 also das von den Lesern aufgrund bestimmter Textelemente konstruierte Bild des Autors.167 Auf die Spur des impliziten Autors und dessen Intention, also die durch den Leser (re-)konstruierte Autorfiguration kommt man über die zu erhebenden Autorfunktionen.168 Spezifische Orte, an denen die Autorfiguration erkennbar wird, sind „direkte Erzählkommentare, explizite Wertungen, der Wechsel von Wahrnehmungsinstanzen, zuverlässige Äußerungen einer Figur, erkennbare persönliche Züge, literarische Anspielungen oder farbige Metaphern, mythologische oder symbolische Muster im Text, Anzeichen für Eingriffe in die natürliche Folge, Proportion oder Dauer von Ereignissen und die Auswahl dessen, was erzählt wird.“169 Autorfiguration und impliziter Autor sind danach Synonyme.170 Die Autorfiguration ist an der Grenze zwischen der textinternen und textexternen Ebene angesiedelt, insofern die textinternen Beobachtungen

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SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 62. Diese Definition ähnelt dem von F. JANNIDIS, Zwischen Autor und Erzähler, in: H. Detering (Hg.), Autorschaft. Positionen und Revisionen, Germanistische Symposien 24, Stuttgart/Weimar 2002, 540–556 (548): „‚implied author‘ ist das Konstrukt eines Autors durch den Leser, d.h. seiner Intention, seiner Merkmale usw. aufgrund eines bestimmten Textes.“ 167 In diesem Sinne will auch MAYORDOMO-MARÍN, Anfang (s. Anm. 138), 95, den impliziten Autor gelten lassen. 168 Zur Autorfunktion vgl. JANNIDIS, Autorfunktion (s. Anm. 23), 47f.; umfassend dazu SCHMITZ, Prophetie (s. Anm. 30), 81–94: (1) Auswahlfunktion, (2) Gestaltungsfunktion, (3) Funktion der Selektion von Kontexten, (4) Bedeutungs- und Intentionsfunktion, (5) Erkenntnisfunktion, (6) Innovationsfunktion, (7) Funktion der raum-zeitlichen Fixierung. 169 SCHMITZ, Prophetie (s. Anm. 30), 99f. 170 SCHMITZ, Prophetie (s. Anm. 30), 72, will zwar auf die Kategorie des problembeladenen Begriffes „impliziter Autor“ verzichten, räumt aber selbst ein, dass die von ihr favorisierte und umfassend erläuterte Kategorie der „Autorfiguration“ „interessante Überstimmungen“ zum impliziten Autor aufweist (ebd., 100 Anm. 390). 166

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(Autorfunktionen) im Hinblick auf eine textexterne Größe (empirischer Autor) ausgewertet werden.171 Der abstrakte Autor seinerseits ist als Hypostase der das Werk in seiner finalen Sinnintention prägenden Instanz erzähltheoretisch ebenfalls vom konkreten Autor zu unterscheiden. Ideologisch kann der abstrakte Autor radikaler oder einseitiger oder aber auch deutlich toleranter und ausgewogener sein als der konkrete Autor.172 Der abstrakte Autor ist gewissermaßen das „Subjekt des Werkganzen“173 bzw. „Über-Ich“ und „Superego“.174 Er steht mithin für die zentralen Normen sowie für die oberste Sinnposition des Werkganzen, für ihren ideologischen Index und ihre Axiologie.175 Insofern der abstrakte Autor die höchste Sinnhierarchie verkörpert, steht dieser auch für die Autorisationsinstanz, die das Werk im Ganzen normiert und legitimiert. Der abstrakte Autor stellt die auctoritas des Werkes dar, er repräsentiert demnach die letztgültige Autoritätsinstanz des Werkes.176 171 Vgl. SCHMITZ, Prophetie (s. Anm. 30), 95. „Die Autorfiguration ist somit die Summe der Spuren, die als Spuren eines ‚Autors‘ im Text beschrieben werden können. Allein diese bilden die Grundlage, um Aussagen über die textexterne Ebene, über den Autor oder Verfasserkreis, zu treffen.“ (Ebd., 101) 172 In den Werken Tolstois und Dostojewskis findet SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 62, anschauliche Beispiele dieses Phänomens. 173 Vgl. S. HÜBENTHAL, Das Markusevangelium als kollektives Gedächtnis, FRLANT 253, Göttingen 2014, 206–208. 174 Vgl. P.C. COUNET, John, A Postmodern Gospel. Introduction to Deconstructive Exegesis Applied to the Fourth Gospel, Biblical Interpretation 44, Leiden u.a. 2000, 40, wobei Count hier vom implied author spricht. 175 Vgl. die verschiedenen Charakterisierungen dieser Instanz im Forschungsüberblick bei KINDT/MÜLLER, Implied Author (s. Anm. 144), 90–104; vgl. auch S. RIMMON-KENAN, Narrative Fiction. Contemporary Poetics, London/New York 22002, 91: „My claim is that […] the notion of the implied author […] is best considered as a set of implicit norms.“ CHATMAN, Terms (s. Anm. 158), 75, notiert: „The source of a […] text’s whole structure of meaning – not only of assertion and denotation but also of its implication, connotation, and ideological nexus – is the implied author.“ Was Rimmon-Kenan und Chatman als implied author bezeichnen, steht in diesem Entwurf für den abstrakten Autor. 176 Zwar ist durch die Zeichenstruktur des Textes eine semiotische Hierarchisierung der Kommunikationsebenen impliziert, die spezifische Charakterisierung des abstrakten Autors als letztgültige Autoritätsinstanz geht dann aber über das von SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 61f., umrissene Profil des abstrakten Autor hinaus, insofern diese personale Konturen erhält. Hingegen tendieren diejenigen Erzähltexttheoretiker, die die Instanz des impliziten/abstrakten Autors voraussetzen, dafür, eben jene Instanz zu de-personalisieren, so z.B. RIMMON-KENAN, Narrative Fiction (s. Anm. 175), 91: „the notion of the implied author must be de-personified, and is best considered as a set of implicit norms rather than as a speaker or a voice (i.e. a subject).“ So auch SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 60f.: „Er [der abstrakte Autor] hat keine eigene Stimme, keinen Text.“ Gleichwohl bekommt auch bei Schmid der abstrakte Autor eigentümlich hybride Züge (und die von KINDT/MÜLLER, Implied Author [s. Anm. 144], 130–136, entsprechend kritisch beleuchtet werden), denn auch SCHMID, a.a.O., 49–65, bindet den abstrakten Autor als eigenständige Kommunikations-

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An der hierarchisch obersten Autoritätsinstanz haftet die normative Ordnung und die finale Sinnintention, die letztgültige Bedeutungsverleihung und die axiologische Struktur des Werkganzen. Auf der Ebene der dargestellten Welt (KE III) befinden sich die narrative Senderinstanz, der fiktive Erzähler. Der fiktive Erzähler ist das Aussagesubjekt bzw. die Sprachinstanz der Erzählung, mithin der eigentliche „Sprecher“ des Erzähltextes.177 Aus verschiedenen Symptomen und indizialen Zeichen im Text lässt sich die Erzählinstanz des fiktiven Erzählers eruieren, wobei die Darstellung des Erzählers entweder explizit oder implizit geschieht. Während die explizite Darstellung des Erzählers aus seiner Selbstpräsentation – so bereits durch die Verwendung der ersten Person – schnell erkennbar ist, beruht die implizite Darstellung auf Symptomen oder indizialen Zeichen des Erzähltextes.178 Dazu gehören u.a. die Komposition des Erzähltextes und „jegliche Art von ‚Einmischungen‘ des Erzählers, d.h. Reflexionen, Kommentare, Generalisierungen, die auf die erzählte Geschichte, das Erzählen oder die eigene Person bezogen sind.“179 In der erzählten Welt bzw. der primären Erzählung oder der eigentlichen Diegese (auch Rahmengeschichte) auf der Ebene KE IV agieren Erzählpersonen bzw. Figuren sowie die Adressaten einer von der Figur geäußerten Binnengeschichte, also einer zitierten Welt oder sekundären Erzählung. Innerhalb der Binnenerzählung einer zitierten Welt, also auf der KE V, können weitere Figuren auftreten, die möglicherweise ihrerseits eine Geschichte erzählen. Diese mehrstufigen Erzählebenen werden unterschiedlichen Erzählern zugeordnet: Der Erzähler der Rahmenerzählung (KE IV) ist der primäre Erzähler, also zugleich der fiktive Erzähler, der sekundäre Erzähler ist der Erzähler der instanz in das Kommunikationsmodell ein und spricht von der „zweifachen Existenz“ (a.a.O., 61) des abstrakten Autors; entsprechend hybrid, wie notiert, nimmt sich auch der abstrakte Leser aus (vgl. SCHMID, a.a.O., 64–70). Als Kommunikations- und Sendeinstanz in einem umgreifenden literarischen Kommunikationssystem ist der abstrakte Autor kategorial verwandt mit dem empirischen Autor und dem Erzähler. In der textinternen Kommunikationsstruktur kommt dem abstrakten Autor die oberste Hierarchie innerhalb der Sprecher zu – also solcher bindet der abstrakte Autor die finale Sinnintention an sich und repräsentiert die letztgültige Autoritätsinstanz. 177 Vgl. LAHN/MEISTER, Erzähltextanalyse (s. Anm. 139), 14. 178 Vgl. SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 72: „Der implizit dargestellte Erzähler ist ein Konstrukt, das aus den Symptomen des Erzähltextes gebildet wird. Streng genommen ist er nichts anderes als der Träger der von den Symptomen angezeigten Eigenschaften.“ 179 SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 72. Darin liegt auch der hermeneutisch sicherlich schwierige Unterschied zwischen dem Autor und dem Erzähler: „Das Fingieren einer Geschichte und eines sie präsentierenden Erzählers ist Sache des Autors. In diesen Akten verweisen alle Indizes auf den Autor als die letzte verantwortliche Instanz. Die Auswahl der erzählten Geschehensmomente, ihre Verknüpfung zu einer Geschichte, ihre Bewertung und Benennung sind Operationen, die in die Kompetenz des Erzählers fallen, der sich in ihnen kundgibt.“ (A.a.O., 78)

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Binnenerzählung (KE V), der in der Rahmengeschichte als Figur auftritt, der tertiäre Erzähler schließlich wäre der Erzähler einer weiteren Binnengeschichte zweiten Grades, der ebenfalls seinerseits in der ersten Binnengeschichte als Figur figuriert ist.180

Impliziter Autor und abstrakter Autor Von der exegetischen Fachliteratur und allgemein von der Bibelwissenschaft ist das oben vorgestellte mehrstufige Inklusionsschema hierarchisierter Kommunikationsebenen mehrfach, wenn auch modifiziert, rezipiert worden.181 Allerdings fällt die Bewertung von Relevanz und Nutzen insbesondere des impliziten bzw. abstrakten Autors, ähnlich wie in der Literaturwissenschaft, widersprüchlich aus.182 So wird zwar vielfach die Existenz eines impliziten Autors theoretisch eingestanden, dessen operative Funktion in der konkreten Interpretationspraxis und der Erkenntnisgewinn werden indes eher als gering eingestuft.183 Andere Studien zur narratologischen Analyse betonen dagegen die heuristische, exegetische und nicht zuletzt theologische Bedeutung der Unter-

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Vgl. SCHMID, Narratologie (s. Anm. 141), 880f. Damit werden die nicht unproblematischen Begriffe „extra-, intra- und metadiegetischer Erzähler“ von GENETTE, Erzählung (s. Anm. 141), 147–158.225–232, abgelöst; vgl. auch die Bevorzugung der Terminologie Schmids gegenüber der von Genette bei LAHN/MEISTER, Erzähltextanalyse (s. Anm. 125), 81f. 181 So z.B. in Anlehnung an das Erzählmodell von C. KAHRMANN/G. REISS/M. SCHLUCHTER, Erzähltextanalyse (s. Anm. 141), und CHATMAN, Story (s. Anm. 141), 150f.; D.F. GNIESMER, In den Prozeß verwickelt. Erzähltextanalytische und textpragmatische Erwägungen zur Erzählung vom Prozeß Jesu vor Pilatus (Joh 18,28 – 19,16a.b), EHS 23/688, Frankfurt a.M. u.a. 2000, 84–93; G. FISCHER, Wege in die Bibel. Leitfaden zur Auslegung, Stuttgart 2000, 106–108; M. GIELEN, Der Konflikt Jesu mit den religiösen und politischen Autoritäten seines Volkes im Spiegel der matthäischen Jesusgeschichte, BBB 115, Bodenheim 1998, 16–23; D. DIECKMANN, Segen für Isaak. Eine rezeptionsästhetische Auslegung von Gen 26 und Kotexten, BZAW 329, Berlin u.a. 2003, 110f.; C. ROSE, Theologie als Erzählung im Markusevangelium. Eine narratologisch-rezeptionsästhetische Untersuchung zu Mk 1,1– 15, WUNT II 236, Tübingen 2007, 53f.. 182 So fallen bei W. FRITZEN, Von Gott verlassen? Das Markusevangelium als Kommunikationsangebot für bedrängte Christen, Stuttgart 2008, 91, und MAYORDOMO-MARÍN, Anfang (s. Anm. 138), 187, „impliziter Autor“ und „Erzähler“ letztlich zusammen. Bei FINNERN, Narratologie (s. Anm. 138), 53f., der zunächst eine knappe, aber materialreiche Diskussion zu den Erzählebenen bietet, fallen in seinem „kognitiven Modell“ letztlich Autor und „impliziter Autor“ bzw. wahrscheinlicher Rezipient und „impliziter Leser“ auf eine Erzählebene zusammen. 183 Vgl. z.B. MAYORDOMO-MARÍN, Anfang (s. Anm. 138), 96; D.B. HOWELL, Matthew’s Inclusive Story. A Study in the Narrative Rhetoric of the First Gospel, JSNT.SS 42, Sheffield 1990, 209.

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scheidung zwischen implizitem Autor und Erzähler.184 M.E. hat die Unterscheidung zwischen einem historischen Verfasser und einem fiktiven Erzähler sowie einem impliziten und abstrakten Autor auch in der biblischen Exegese, nicht zuletzt für apokalyptische Texte, als methodischer Analyseschritt einen theoretischen wie operativen Nutzen und einen theologischen Mehrwert. Die Frage nach dem impliziten Autor bezieht sich auf den Nachweis möglicher innertextlicher Spuren zum Verfasser des Textes, also die Konturierung des „Autorbildes“ bzw. die Benennung und Profilierung der Autorfiguration, also z.B. Fragen nach Herkunft und Milieu des Verfassers, wie sie sich aus dem Text selbst heraus erheben lassen. Freilich gestaltet sich die Suche umso komplexer, je mehr sich die Instanzen wie Autor, Schreiber und Editoren ausdifferenzieren und diese alle ihre Spuren im Text hinterlassen. Die Frage nach dem abstrakten Autor, also nach einer Autoritätsinstanz bzw. nach einer allwissenden Referenzinstanz mit auktorialem Mehrwert für die Begründungs- und Legitimationsstrategien antiker Texte mit profilierten Normen und Werten hat indes als eigenständige Frage interpretationspraktische Relevanz und theologisches Gewicht. Virulent wird der abstrakte Autor insbesondere in den beiden oben genannten antiken Autorschaftsmodellen, also dem poeta vates und dem poeta doctus. Im poeta vates Modell ist Gott bzw. eine göttliche Kraft Autor, also Urheber und Anteszedent von (kanonisierten) Schriften, wobei der Verfasser als poeta vates fungiert, als inspirierter Dichter im Auftrag einer göttlichen Instanz.185 Gott ist in diesem Autorschaftsmodel die Instanz der auctoritas, der dem Verfasser (auctor) bzw. Schreiber (sriptor) der Schrift die letztgültige Autorität verleiht, der Verfasser seinerseits steht im Dienste dieser antezedenten, ihm überlegenen und unabhängigen Autorität.186 Der Rekurs auf die antezedente 184

Für MALBON, Mark’s Jesus (s. Anm. 138), hat das Modell des impliziten Autors eine tragende Funktion. Malbon versucht nachzuweisen, dass die herausgearbeitete Diskrepanz zwischen der Selbstwahrnehmung Jesu und der Darstellung des Erzählers als erzählerische Absicht – eben als Absicht eines impliziten Autors – zu werten ist: „I regard the distinction between the narrator and the implied author as essential to perceiving and expressing Markan narrative christology. The practical need for this theoretical distinction became obvious as I realized that the Markan Jesus and the Markan narrator do not speak with the same voice“ (233–234). Weitere Adaptionen sind zu finden bei J.M. DAWSEY, The Lukan Voice. Confusion and Irony In Luke, Macon, GA 1986; ROSE, Theologie (s. Anm. 181). 185 Bekanntestes Motivrepertoire ist in diesem Zusammenhang die Anrufung der Musen: „Der obligatorische Anruf der Musen ist ein Indiz dafür, daß die Dichtung im Grunde nicht als das Werk eines Subjekts zu gelten hat. Was sie mitteilt, ist vielmehr ein göttliches und darum objektives Wissen, das eine Kultur zu ihrer Orientierung braucht und das die Kenntnisse ihrer einzelnen Mitglieder übersteigt.“ H. SCHLAFFER, Poesie und Wissen. Die Entstehung des ästhetischen Bewußtseins und der philologischen Erkenntnis, Frankfurt a.M. 1990, 27. 186 Zu diesem „archaischen“ Modell von Autorschaft bemerkt J. STAROBINSKI, Der Autor und die Autorität, in: F.P. Ingold/W. Wunderlich (Hg.), Der Autor im Dialog. Beiträge zur

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Autorität kann recht offen und direkt (z.B. in der Vorstellung vom inspirierten Wort) erfolgen, sie kann aber auch indirekt und implizit geschehen – „sie [die Stimme der antezedenten Autorität] wird vorausgesetzt; sie ist selbstverständlich, sie ist Gebot und wird respektiert. Der Autor ist nicht notwendig buchstäblich ihr Wortführer. Er erweist ihr Referenz aus der Distanz, auf seine eigenen Weise, entweder um ihr eine zusätzliche Anerkennung zu verschaffen, oder, einfach, um in allem, war er erfindet, ein System von Werten zur Geltung zu bringen, das den Forderungen der zur Autorität erhobenen Instanz entspricht. Diese Bemerkungen gelten für alle Texte, in denen ein Autor implizit oder explizit sich zu unbestrittenen Normen bekennt – ethische, religiöse, soziale...“187 Auch biblische Schriften vermitteln, gemäß antikem Verständnis von Autorschaft, den Gedanken göttlicher Urheberschaft,188 insofern sie sich als „Schrift“ und nicht lediglich als „Literatur“ verstehen – „literature is of human authorship, whereas Scripture in some sense has God as author.“189 Danach

Autorität und Autorschaft, St. Gallen 1995, 11–14 (11f.): „Der Dichter ergreift nicht von sich aus das Wort: er ist der, der zuhört, an den sich eine Stimme richtet, die mehr Autorität hat als seine eigene, eine Stimme, die souverän ein Wissen verkündigt, eine Geschichte, eine Absicht. Der Dichter leiht dem, was die Autorität sagt, sein Ohr; er wird dann nur noch einmal sagen, was ihm gesagt worden ist. Er selber ist nichts; nichts als Unterwerfung. Aber sein Zurücktreten hat zur Folge, daß alle Worte, die aus seinem Mund kommen, eigentlich die Worte der Autorität sind; sie tragen das Gepräge einer obersten Instanz, die keinen Einspruch duldet.“ 187 STAROBINSKI, Autor (s. Anm. 186), 12. 188 Mit Verweis auf zahlreiche biblische Texte (u.a. 2Petr 1,21) notiert T. HIEKE, Die doppelte Autorschaft der Bibel nach Die Verbum 12. Gotteswort in Menschenwort, in: K. Lehmann/R. Rothenbusch (Hg.), Gottes Wort in Menschenwort. Die eine Bibel als Fundament der Theologie, QD 266, Freiburg im Breisgau 2014, 202–223 (212): „Auf diese geheimnisvolle – lebendige und dynamische – Weise steht Gott als ‚Urheber‘ (auctor) hinter den Schriften, die eine glaubende Gemeinschaft als ‚heilig‘, maßgebliche normierende (‚kanonisch‘) und autoritativ (göttlichen Ursprungs), mithin als Kanonausprägung (Bibel) ansieht. Die Aussage des biblischen Textes ist damit nicht auf das beschränkt, was der menschliche Schriftsteller „wirklich zu sagen beabsichtigte“, sondern geht darüber hinaus. Das ist eine wesentliche Grundeinsicht der modernen Literaturwissenschaft, dass sich ein Text nicht in dem erschöpft, was ein (menschlicher) Autor in ihn hineingelegt hat: Insbesondere ein geschriebener Text entfaltet im Lektüreprozess Sinndimensionen, an die der Autor ursprünglich nicht gedacht hat oder überhaupt denken konnte. Das ist – in literaturwissenschaftlicher Beschreibung – der Weg, auf dem Gott als dynamischer Autor bei der Erstellung und bei der Lektüre der biblischen Texte ins Spiel kommt.“ Vgl. auch U.H.J. KÖRTNER, Theologie des Wortes Gottes. Positionen – Probleme – Perspektiven, Göttingen 2001, 339f. mit der Kapitelüberschrift: „Gott – ein Schriftsteller“. 189 E. ULRICH, From Literature to Scripture: Reflections on the Growth of a Text’s Authoritativeness, DSD 10/1 (2003) 3–25 (7). Ulrich ergänzt: „This claim to have God as source took multiple forms: implicit (Who but God could have provided the information on the creation of the world?) or explicit (Jubilees), direct (Exodus, Leviticus, Amos, Ezekiel) or

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griffen auch ntl. Autoren im Bewußtsein „Schrift“ zu schreiben, zur Feder.190 Explizit macht die Apk Gott zum Urheber des Werkes (Apk 1,1–3);191 die Sendschreiben sind indes Worte des erhöhten, epiphanen Jesus (Apk 2–3).192 Gerade die Johannesapokalypse deutet eine hoch differenzierte Kommunikationsstruktur mit verschiedenen Vermittlungsinstanzen und Erzählebenen an.193 In der mittelalterlichen Poetik wird das antike Autorschaftsmodell – differenzierter – weitergeführt; zentral ist weiterhin die Unterscheidung zwischen auctoritas und literarischer Produktion.194 Auctor im vollen Sinne ist allein Gott: ihm kommt höchste Autorität (auctoritas) zu und an ihm ist die absolute Wahrheitsinstanz gebunden.195 Erst die weiteren Derivate von Autorschaft, die bei der Entstehung eines Textes beteiligt sind, lenken den Blick auf weitere Instanzen der Textgenese, so auf den scriptor, dem (Ab-)Schreiber eines Textes, dem compilator, der fremde Texte zusammenstellt, dem commentator, der dem Text eigene Erklärungen hinzufügt, und dem (menschlichen) auctor, bei dem das Eigene gegenüber dem

indirect through angelic (Jubilees, Daniel 7–12) or human mediators (Ezekiel, Daniel 2; 4– 5), or even due to an interpretational mode exterior to the book (Song of Songs).“ (Ebd., 24) 190 Vgl. R. DEINES, The Term and Concept of Scripture, in: K. Finsterbusch/A. Lange (Hg.), What is Bible?, CBET, Leuven u.a. 2012, 235–281; T. SÖDING, Die Schrift als Medium des Glaubens. Zur hermeneutischen Bedeutung von Joh 20,30f, in: K. Backhaus/ F.G. Untergassmair (Hg.), Schrift und Tradition (FS J. Ernst), Padderborn 1996, 343–371; L.T. SWINSON, What Is Scripture? Paul’s Use of Graphe in the Letters to Timothy, Eugene, OR 2014. 191 Vgl. F. TÓTH, Von der Vision zur Redaktion. Untersuchungen zur Komposition, Redaktion und Intention der Johannesapokalypse, in: J. Frey/J.A. Kelhoffer/F. Tóth (Hg.), Johannesapokalypse. Kontexte – Konzepte – Rezeptionen, WUNT 287, Tübingen 2011, 319– 411 (356–367); H. GIESEN, Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997, 56; C.R. KOESTER, Revelation. A New Translation with Introduction and Commentary, The Anchor Yale Bible 38A, New Haven/London 2014, 211.222f. 192 Vgl. D.E. AUNE, The Form and Function of the Proclamations to the Seven Churches (Revelation 2–3), in: Ders., Apocalypticism, Prophecy and Magic in Early Christianity. Collected Essays, WUNT 199, Tübingen 2006, 212–232.; M. KARRER, Die Johannesoffenbarung als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, Göttingen 1986, 159–167. 193 Vgl. L. HONGISTO, Experiencing the Apocalypse at the Limits of Alterity, Biblical Interpretation Series 102, Leiden u.a. 2010; D.L. BARR, Tales of the End. A Narrative Commentary on the Book of Revelation, Salem, OR 2012, 1–52. 194 Vgl. A.J. MINNIS, Medieval Theory of Authorship. Scholastic Literary Attitudes in the Later Middle Ages, London 1984; J.-D. MÜLLER, Auctor – Actor – Author. Einige Anmerkungen zum Verständnis vom Autor in lateinischen Schriften des frühen und hohen Mittelalters, in: F.P. Ingold/W. Wunderlich (Hg.), Der Autor im Dialog. Beiträge zu Autorität und Autorschaft, St. Gallen 1995, 17–31. 195 Vgl. MÜLLER, Auctor (s. Anm. 194), 18–29.

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Fremden überwiegt.196 „Auctor/author bezieht sich also primär auf eine Qualität, die einem Text zugeschrieben wird, und erst über ihn auf den Menschen, der den Text verfaßte.“197 Es gibt also Grade der Autorschaft sowie Stufen der Autorisierung: „The hierarchy, based on the amount of intellectual input in the process of writing, is very clear: scribes are at the very bottom, with compilers above them, then commentators (like Bonaventure himself in relationship to Peter Lombard’s book), and authors (such as Peter Lombard) at the very top of the pyramid of human authors. Above this pyramid of human authorship stood, like a watchful eye, Christ himself, the teacher and author (‘Christus ... doctor et auctor’) of all things.“198 Ähnlich ist in systematisch-theologischen Entwürfen der Neuzeit die Rede von der „doppelten Autorschaft“ der biblischen Schriften.199 In dieser Hinsicht „stellt sich die Frage nach der im Text erkennbaren Spur ‚Gott‘ und der mit ihr verbundenen Frage nach der intentio auctoris.“200 Basisannahme ist, dass die als „Wort Gottes“ verstandene Schrift Offenbarungszeugnis201 ist und das bedeutet: „Ein Text kann mehr besagen, als sein Autor selbst sich dabei zu denken vermochte.“202 Die Einzeltexte haben danach einen „Sinnüberschuß“,203 der sich in je neue Rezeptionsformen ergießt. Ähnlich bemerkt J. T. Pennington: „Holy Scripture as both a lowercase a author and an uppercase A Author.“204 Impliziert ist in diesem Modell die Differenz zwischen impliziten und abstrakten Autor, insofern der Gehalt des biblischen Textes – z.T. bereits im ursprünglichen Selbstverständnis expliziert205 – in seiner finalen Sinnintention und Werkbedeutung nicht auf einen durch eine bestimmte Autorkonfiguration 196 So die Differenzierung bei Bonaventura, vgl. MÜLLER. Auctor (s. Anm. 194), 24f. Der Autor in diesem engeren Sinne „ist nicht der creator ex nihilo; er nimmt an einer Rede teil, die lange vor ihm in Gang gekommen ist, und setzt darin nur seine eigenen Akzente, indem er mehr oder weniger ‚Eigenes‘ hinzufügt.“ (Ebd., 25) 197 MÜLLER, Auctor (s. Anm. 194), 20. 198 C. BRATU, Literature, in: A. Classen (Hg.), Handbook of Medieval Culture. Fundamental Aspects and Conditions of the European Middle Ages, Bd. 2, Berlin u.a. 2015, 864– 900 (874f.). 199 So setzt die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum 11–12 des Zweiten Vatikanischen Konzils (1965) eine doppelte Urheberschaft bzw. Autorschaft der biblischen Schriften voraus, vgl. dazu HIEKE, Autorschaft (s. Anm. 188); K.K. LEHMANN, Dei Verbum – Gottes Wort – eine Botschaft des Heils für die ganze Welt. Erste Einführung in die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: Ders./R. Rothenbusch (Hg.), Gottes Wort in Menschenwort. Die eine Bibel als Fundament der Theologie, QD 266, Freiburg im Breisgau 2014, 25–50. 200 SCHMITZ, Prophetie (s. Anm. 30), 106. 201 Vgl. C. DOHMEN, Die Bibel und ihre Auslegung, München 1998, 29f.; KÖRTNER, Theologie (s. Anm. 188), 113–149. 202 J. RATZINGER, Schriftauslegung im Widerstreit. Zur Frage nach Grundlagen und Weg der Exegese heute, in: Ders. (Hg.), Schriftauslegung im Widerstreit, QD 17, Freiburg/Basel/Wien 1989, 15–44 (41). 203 So RATZINGER, Schriftauslegung (s. Anm. 202), 41. 204 J.T. PENNINGTON, Reading the Gospels Wisely. A Narrative and Theological Introduction, Grand Rapids, MI 2012, 117. 205 Vgl. KÖRTNER, Theologie (s. Anm. 188), 339: „Doch gerade wenn deren [der biblischen Autoren] Selbstverständnis ernstgenommen werden soll, hat sich die Interpretation biblischer Texte dem von ihren Autoren oftmals ausdrücklich erhobenen Vollmachtsanspruch, im Auftrag Gottes bzw. Christi zu schreiben, zu stellen“.

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zu ermittelnden empirischen Verfasser, sondern auf die Autoritätsinstanz des abstrakten Autors, mithin also auf eine göttliche Autorität und Norminstanz zurückgeführt wird.

Auch die oben erwähnte Instanz des „declarative authorship“206 gehört in die Kategorie des abstrakten Autors, insofern mit der Zuschreibung eines Werkes an eine fremde Person, so gängig in der Pseudepigraphie und nicht zuletzt in den apokalyptischen Schriften, der tatsächliche Verfasser bzw. die Schreiber sich unter die Autorität eines Diskursträgers stellen. Zugleich sind eine sinnbindende Instanz und normgebende Hierarchie eingespielt, die das eigene Werk autorisieren und legitimieren. Schließlich ist auch im Autorschaftsmodell des poetas doctus die Instanz des abstrakten Autors von Bedeutung. In diesem Modell spielt der Traditionsbezug ja die entscheidende Rolle. Normative Regeln und die Wahrung der literarischen Tradition sind für die Produktion des Dichters verbindlich. An diesen Vorgaben hat sich der poetas doctus mit all seiner Gelehrsamkeit und Kraft seiner Handwerklichkeit zu orientieren. In diese Rubrik fällt auch das schon erwähnte „precursory authorship“, also die Autorschaft, die, als Quelle, einen maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung des Werkes ausübt. Es war nicht unüblich, Quellentexte z.T. umfassend in die eigene Narration einfließen zu lassen und gerade dadurch die literarische Qualität und Güte des eigenen Werkes zu untermauern. Aus der vorhergehenden Diskussion zu Erzähltexten und Kommunikationsinstanzen sind verschiedene Instanzen namhaft gemacht (Verfasser/Schreiber, abstrakter Autor, impliziter Autor, fiktiver Erzähler, Erzählfigur), die z.T. mit bereits existierenden Autorschaftsmodellen in Beziehung gesetzt werden konnten. In einem instruktiven Artikel hat H. Hix nicht zuletzt auch für antike Texte eine Taxonomie von Autorschaftsmodellen vorgelegt, die der hier präsen-tierten nicht unähnlich ist.207 Hix differenziert zwischen vier Vermittlungsinstanzen: „poet“, „scribe“, „proxy“ und „narrator“. Der scribe ist die konkrete Person, die das Werk niedergeschrieben hat. Der poet hingegen entspricht in etwa dem „declarative authorship“ von H. Love, also der Person, „who carries (and lends to the work) authority.“208 Mit dem poet ist also letztlich der abstrakte Autor gemeint.209 Die Definition des proxy erinnert an den impliziten Autor, 206

Vgl. LOVE, Attributing Authorship (s. Anm. 74), 44f. H. HIX, Morte D’Author: An Autopsy, The Iowa Review 17:1 (1987) 131–150. Die z.T. höchst differenzierten Probleme von Autorschaft in antiken Werken wie den homerischen Dichtungen oder Heraklits Texten können nach Hix mithilfe dieses Modells sachgemäßer analysiert werden. 208 HIX, Morte (s. Anm. 207), 135; Hix fügt hinzu: „It should be pointed out that, although for the sake of convenience I refer to the poet as a person, the poet [...] in some cases will not be a person.“ Der poet kann danach auch für eine autoritative Tradition im Sinne des poeta doctus-Modells stehen. 209 Im Falle Heraklits können zwar in der Regel die verschiedenen Fragmente auf den Vorsokratiker selbst zurückgeführt werden; in einem der Fragmente (Frg. 50; Hippolytus, 207

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also an das Autorbild, das der Leser aus dem Text konstruiert.210 Schließlich ist der narrator eine Instanz innerhalb des Textes „and is most visible and also closest to the scribe and poet in a narrative written in the first person.“211 Ergänzend sind auf der Ebene der erzählten Welt (KE IV) sowie der zitierten Welt (KE V) die Erzählfiguren zu nennen, die ebenfalls eine eigene Kommunikationsinstanz darstellen. Mit der Thematisierung des abstrakten Autors als Autoritätsinstanz und normative Größe ist ein theoretischer wie interpretationspraktischer Unterschied zum konkreten, historischen Verfasser sowie zum innertextlichen Autorbild (impliziter Autor) gesetzt, sodass auch für apokalyptische Texte mit Grund die oben präsentierten kommunikationstheoretischen Instanzen zu differenzieren sind.

Autorschaft und Kommunikationsebenen in der Johannesapokalypse Im Folgenden soll knapp anhand der Johannesapokalypse exemplarisch angedeutet werden, wie sich die verschiedenen Kommunikationsebenen mit ihrem je eigenen Autoritätsanspruch präsentieren.212 Über den tatsächlichen Verfasser der Johannesapokalypse ist leider so gut wie nichts bekannt; die späteren Nachrichten der kirchlichen Überlieferung haer. 9,9,1) aber betont Heraklit: οὐκ ἐµοὐ ἀλλὰ τοῦ λόγου ἀκούσαντας ὁµολογεῖν σοφόν ἐστιν ἓν πάντα εἶναι („Nicht auf mich, sondern auf den Logos hörend ist es weise, dem zuzustimmen: daß alles eins ist.“). Zu dieser Aussage kommentiert G. S. KIRK, Heraclitus. The Cosmic Fragments. Edited with an Introduction and Commentary, Cambridge 1954, „οὐκ έµοῦ should not of course be taken as prohibiting men from listening to Heraclitus, rather it implies that his words have an absolute authority from outside.“ Und HIX, Morte (s. Anm. 207), 139f. ergänzt: „The implication seems to be that what gives Heraclitus’ words their authority is their agreement with the logos, so that the logos is the authority of Heraclitus. In other words, the logos is a second poet.“ 210 „The proxy is the ‚author‘ as created by the interaction of text and reader.“ HIX, Morte (s. Anm. 207), 135. 211 HIX, Morte (s. Anm. 207), 135. 212 Eine scharfe Abgrenzung bzw. Profilierung der einzelnen Kommunikationsebenen ist freilich nicht immer möglich. Schwierig ist insbesondere eine klare Abgrenzung zwischen dem impliziten Autor und dem Erzähler, insofern für die Apk nicht mit einem unzuverlässigen Erzähler zu rechnen ist. Allerdings lassen sich zur Konturierung des impliziten Autors Beobachtungen heranziehen, die allein aus einer erzähltextanalytischen Perspektive nicht in den Blick geraten, insofern auf der Ebene der Erzähltextanalyse eine synchrone Lektürestrategie vorausgesetzt ist. Für das Profil des Autorbildes können hingegen auch diachrone Beobachtungen einfließen, so dass sich literarhistorische Entwicklungen mit literatursoziologischen Implikationen zeigen. Zu einer diachrone Lektüre vgl. TÓTH, Vision (s. Anm. 191), 319–411.

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sind unsicher.213 Abgerückt ist die Forschung von früheren Annahmen, das Werk ginge auf verschiedene Hände zurück. Hingegen lassen sich wichtige Indizien aus dem Text selbst namhaft machen, die das Autorbild, also den impliziten Autor profilieren. Gegenwärtig ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Autor um einen sonst unbekannten judenchristlichen Wanderpropheten aus Kleinasien handelt.214 Ob dabei der Name Johannes orthonym (so gegenwärtig die Mehrheit der Apokalypseforschung)215 oder ein Pseudonym ist, bleibt strittig; je nachdem wäre der Autoritätsanspruch des Werkes nochmals verschieden akzentuiert.216 Aus diachroner Lektüreperspektive konturiert sich indes ein impliziter Autor, der über einen längeren Zeitraum mit unterschiedlichen rhetorischen Strategien und theologischen Schwerpunkten sich für die Sache Gottes einsetzt.217 Aufschluss über den abstrakten Autor und den eigenen Selbstanspruch bietet insbesondere der Paratext Apk 1,1–3 sowie die aus unterschiedlichen Formen hybrid zusammengesetzte Eröffnungspassage Apk 1,4–10 und der epilogartige Abschluss 22,6–21. So schafft der Autor „im narrativen Rahmen der 213 Vgl. R.A. CULPEPPER, John, the Son of Zebedee. The Life of a Legend, Studies on Personalities of the New Testament, Columbia, SC, 1994, 95–106; C.R. KOESTER, Revelation. A New Translation with Introduction and Commentary, The Anchor Yale Bible 38A, New Haven/London 2014, 65–69. 214 Vgl. F. TÓTH, Erträge und Tendenzen in der gegenwärtigen Forschung zur Johannesapokalypse, in: J. Frey/J.A. Kelhoffer/F. Tóth (Hg.), Johannesapokalypse. Kontexte – Konzepte – Rezeptionen, WUNT 287, Tübingen 2011, 1–39 (4–8). 215 Vgl. stellvertretend den neuen Kommentar von M. KARRER, Johannesoffenbarung (Offb. 1,1–5,14), EKK XXIV/1, Göttingen 2017, 49. 216 Jüngst hat J. FREY, Das Corpus Johanneum und die Apokalypse des Johannes. Die Johanneslegende, die Probleme der johanneischen Verfasserschaft und die Frage der Pseudonymität der Apokalypse, in: S. Alkier/T. Hieke/T. Nicklas (Hg.), Poetik und Intertextualität der Johannesapokalypse, WUNT 346, Tübingen 2015, 71–133, erneut die Pseudonymität der Johannesapokalypse bekräftigt. Dabei greift Frey auf die These von T.J. BAUER, Das tausendjährige Messiasreich in der Johannesoffenbarung, BZNW 148, Berlin u.a. 2012, 343, zurück, wonach der Verfasser der Johannesapokalypse mit dem Pseudonym „Johannes“ gezielt an die kleinasiatische Johannestradition anknüpft, so „dass er mit dem Namen ‚Johannes‘ an eine zweite, nicht‐paulinische Personaltradition Kleinasiens anschließen konnte; die Pseudonymität stünde also im Dienst einer sich gegen Paulus abgrenzenden Autorisierung des Werkes.“ Demgegenüber macht KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 192), 48, darauf aufmerksam, dass der Verfasser auf einen Zusatz, der zur Klarstellung nötig wäre, verzichtet: „Die frühen Gemeinden liebten solche Zusätze, sei es einen Zweitnamen wie bei Johannes Markus oder ein Attribut wie beim Apostel oder Presbyter. Unser Autor ignoriert für seine Person beide Möglichkeiten. Er will als eigene Gestalt unabhängig von den anderen Namensträgern wahrgenommen werden.“ Zur Frage, warum der Verfasser gegenüber dem Usus sonstiger apokalyptischer Schriften auf ein Pseudonym verzichtet, vgl. die Diskussion bei L. DITOMMASO, Pseudonymity and the Revelation of John, in: J. Ashton (Hg.), Revealed Wisdom. Studies in Apocalyptic in Honour of Christopher Rowland, AJEC 88, Leiden u.a. 2014, 305–315. 217 Vgl. TÓTH, Vision (s. Anm. 191), 396–405.

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Apk ein komplexes Spiel der Autorität.“218 Nach Apk 1,1–3 geht das Werk auf Gott selbst zurück; Christus ist der eigentliche Vermittler der Visionen, flankiert von einem Deuteengel, der in der Erzählung gelegentlich in Erscheinung tritt (Apk 17,1–3; 19,9–10; 21,9f.; 22,8–9).219 Die Wendung „Wort Gottes und Zeugnis Jesu“ in Apk 1,2 deutet darauf hin, dass dieses Zeugnis Explikation des Wortes ist, d.h. – einen Genitivus subjectivus vorausgesetzt –: „Jesus Christus ist Subjekt des Geschehens, das Gott durch sein Wort auslöst.“220 Gott und Christus sind nach dem Selbstverständnis des Johannesapokalypse also die höchsten Autoritätsinstanzen (im Sinne von auctoritas), mithin also die abstrakten Autoren des Werkes. Dass es später der erhöhte, epiphane Christus als der Menschensohngleiche (Apk 1,10–20) ist, der als Autor bzw. Auftraggeber der Sendschreiben mahnend und tröstend auftritt (Apk 2–3), unterstreicht den Autoritätsanspruch Jesu. Neben den beiden Autoritätspositionen „Gott“ und „Christus“ schöpft die Apokalypse aber auch aus einem reichen literarischen Traditionsstrom als weiterer normativer Größe: die Schriften Israels sind für die Johannesapokalypse die tragende Säule seines Deutungskonzeptes und ein wichtiger Bestandteil seiner Autorisierungsstrategie. T. Nicklas formuliert summarisch: „The text of Revelation makes its claim to authority by means of these: (1) reference to the authority of the Torah and (2) reference to Israel’s prophets.“221 In diesem Sinne trägt die Johannesapokalypse auch Züge eines poeta doctus, dessen Traditionsbindung eine eigene normative Kraft ausstrahlt. Der fiktive Erzähler222 führt sich im Sinne eines Ich-Erzählers ab Apk 1,4.9 mit dem Namen Johannes in die Erzählung ein. Auffällig ist das Auftreten des Erzählers in Apk 1,4 im Kontext eines Briefpräskripts (Apk 1,1–6), das formal an die paulinischen Briefkonventionen erinnert. Es liegt nahe, „dass die paulinische Briefkonvention verwendet wird, um für die Johannesoffenbarung im Wirkungsbereich des Apostels Paulus eine mit dem Apostel Paulus vergleich218 M. KARRER, Zur Ethik der Apokalypse, in: J. Flebbe/M. Konradt (Hg.), Ethos und Theologie im Neuen Testament (FS M. Wolter), Neukirchen-Vluyn 2016, 441–446. 219 Zu Apk 1,1 kommentiert M. LABAHN, „Ja, Amen!“ Die Autorität der „Offenbarung“ und die Antwort ihrer Empfänger. Der briefliche Rahmen der Johannesapokalypse und seine Pragmatik als Teil eines formalen Hybrids, in: Ders. (Hg.), Spurensuche zur Einleitung in das Neue Testament. Eine Festschrift im Dialog mit Udo Schnelle, FRLANT 271, Göttingen 2017, 395–420: „Der titulus erläutert hier, dass Gott (und mit ihm Christus) die entscheidende Autorität hinter der ‚Offenbarung‘ ist, und autorisiert so das Schriftstück, das aus himmlischer Perspektive und Weltsicht geschrieben ist.“ 220 KARRER, Johannesoffenbarung (s. Anm. 215), 189. 221 T. NICKLAS, „The Words of the Prophecy of this Book“. Playing with Scriptural Authority in the Book of Revelation, in: M. Popović (Hg.), Authoritative Scriptures in Ancient Judaism, JSJ.S 141, Leiden u.a. 2010, 309–326 (311). 222 Zur Instanz des Erzählers in der Apk vgl. J.L. RESSEGUIE, The Revelation of John. A Narrative Commentary, Grand Rapids, MI 2009, 47–53; HONGISTO, Experiencing (s. 193), passim.

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bare Autorität zu generieren.“223 Gleichwohl vermeidet der Erzähler den Aposteltitel224 und belässt es beim Anspruch, lediglich all dies aufzuschreiben, was er gesehen (und gehört) hat (Apk 1,2). „Durch diese ostentative passive Zurückhaltung gewinnt die Figur des Erzählers ihre besondere Kompetenz und Autorität, die Pragmatik seiner Erzählung plausibel durchzusetzen. Es verleiht der Botschaft Authentizität und dem erzählten Erzähler Glaubwürdigkeit.“225 Dabei inszeniert sich der Erzähler insbesondere auch als Schreiber, der das Gesehene bzw. Gehört akkurat niederschreibt (Apk 1,11.19). „This has important consequences for John’s self-conception. He does not wish to be called the author of the text, but only a scribe.“226 Genau genommen präsentiert sich der Erzähler als ein visionärer Schreiber, der Henochfigur aus dem 1Hen nicht unähnlich.227 Als Schreiber erhält er den Auftrag, sowohl die Sendschreiben niederzuschreiben (Apk 1,11.19; 2,1.8 etc.), als auch den Inhalt des versiegelten Himmelsbuches zu bezeugen (Apk 5,1–14; vgl. 22,6.10).228 Es ist insbesondere diese Schreiberrolle, die den Anspruch des Visionärs unterstreicht, Wahrhaftiges und Normatives zu schreiben, ist doch sein Werk die akkurate Wiedergabe dessen, was er gehört (Sendschreiben) und gesehen (Inhalt des Siegelbuches) hat.229 223

LABAHN, „Ja, Amen!“ (s. Anm. 219), 406. Vgl. LABAHN, „Ja, Amen!“ (s. Anm. 219), 407: „Somit erfolgt der Autoritätsanspruch nicht wie in den Pseudepigraphen der Paulusschule als Inbesitznahme der Autorität des verstorbenen Apostels; aber der namentlich bekannte Johannes beansprucht eine vergleichbare Autorität, wie sie Paulus innehat. Mit dem paulinischen Briefpräskript nimmt der Verfasser eine autoritative wie pastorale Funktion wie beim erinnerten Paulus gegenüber der Gemeinde ein.“ 225 LABAHN, „Ja, Amen!“ (s. Anm. 219), 401. Und: „Durch dieses rhetorische Mittel erhält die subversive Wirklichkeitskonstruktion des Sehers höchste Autorität, da er sich der höheren Autorität Christi und letztlich Gottes selbst unterwirft und deren Offenbarung unverfälscht weitergibt.“ (Ebd., 402) 226 NICKLAS, Words (s. Anm. 221), 318. Nicklas fährt fort: „and this leads to the logical conclusion that the usual title of his book – Apocalypse of John – is actually inaccurate. Moreover, the text calls itself ἀποκάλυψις Ἰησοῦ Χριστοῦ, a revelation who has Jesus Christ Himself as its source.“ 227 Zu den Beziehungen zwischen der Apk und 1Hen vgl. L.T. STUCKENBRUCK/M.D. MATTHEW, The Apocalypse of John, 1 Enoch, and the Question of Influence, in: J. Frey/J.A. Kelhoffer (Hg.), Die Johannesapokalypse. Kontexte – Konzepte – Rezeption, WUNT 287, Tübingen 2012, 191–234. 228 Zu den Zusammenhängen vgl. TÓTH, Vision (s. Anm. 191), 356–367. 229 Diese Erzählstrategie entspricht dem, was FRIEDE/SCHWARZE, Einführung (s. Anm. 61), 3–5, als auktoriale bzw. persönliche Autorschaftfiguration bezeichnen. Die auktoriale Autorschaft besteht darin, „dass Autorfigurationen in der Rolle als auctor, commentator oder compilator auftreten und spezifische Aufgaben bei der Herstellung der Texte für sich beanspruchen. Die Inszenierung solcher Zuständigkeiten dient in aller Regel dazu, dass die Figur des namentlich Genannten explizit die Verantwortlichkeit für die Genese, die Organisation, die inhaltlichen Positionen und/oder poetologischen Aussagen des Geschriebenen über224

Autorschaft und Autorisation

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Innerhalb der Erzählung treten verschiedene Erzählfiguren auf. Wie notiert ist der Erzähler selbst als Ich-Erzähler eine Figur der Erzählung. Weitere dominante Erzählfiguren sind Gott und Christus. Es ist offenkundig, dass beiden Figuren höchste Autorität zukommt. Beide werden zudem mit Schrift und Schriftlichkeit in Verbindung gebracht: Gott selbst steht mit seiner auctoritas hinter dem versiegelten Buch (Apk 5), das er sinnfällig in den Händen hält um es sodann dem Lamm – hier in der Funktion eins lectors – zu überreichen. Hingegen wird der erhöhte Christus in Apk 1,10–20; 2–3 als auctor vorgestellt, der seinem Schreiber Johannes die Sendschreiben diktiert (Apk 2–3). Erkennbar ist dabei eine Verschränkung zwischen den verschiedenen Kommunikationsebenen, insofern die Instanzen des abstrakten Autors (Gott und Christus) auf der Ebene der erzählten Welt (KE IV) wieder auftreten und das Programm des Paratextes (Apk 1,1–3) entfalten. Apk 5 ist insofern die himmlische Inszenierung dessen, was Apk 1,1f. postuliert.230 Die in Apk 5 dramatisch eingeführte himmlische Siegelurkunde, deren Inhalt wohl nichts anderes als der zentrale apokalyptische Teil Apk 6,1–22,5 selbst ist, ist also die narrative Entfaltung und zugleich die Begründung der These aus Apk 1,1f.231 Schließlich finden sich in der Kommunikationsstruktur Apk zahlreiche zitierte Welten auf der Ebene KE V, in denen weitere Figuren auftreten. So gibt der Menschensohn in Apk 2–3 eine lange Rede, in der verschiedene Personen auftreten, u.a. Antipas, der als ὁ µάρτυς µου, ὁ πιστός ausgezeichnet ist (Apk 2,13). Die Charakterisierung des Antipas ähnelt auffällig stark dem Christusattribut in Apk 1,5 (Ἰησοῦ χριστοῦ, ὁ µάρτυς ὁ πιστός) und 3,14 (ὁ µάρτυς ὁ πιστὸς). In einer weiteren langen Rede in Apk 11 werden auch die beiden Figuren der zitierten Welt als µάρτυρες (Apk 11,3) bezeichnet, die einen prophetischen Auftrag ausführen.

nimmt. Die Autorinstanz schreibt sich auf diese Weise die Autorität über den eigenen Text zu, so dass man von auktorialer Autorschaft sprechen kann.“ Noch stärker markiert ist die Form von Autorpräsenz in der persönlichen Autorschaft: „Sie manifestiert sich darin, dass unter der Angabe von (zumeist rudimentären) biographischen Daten eine individuelle Autorfigur umrissen und zugleich in einer Präsenz inszeniert wird, die nicht (nur) auktorialen Anspruch erhebt, sondern (darüber hinaus) für die Authentizität des von ihr Dargestellten bürgt. Die Autorfigur, deren referentielle Validität freilich in den allermeisten Fällen ausgesprochen fraglich ist, tritt dabei nicht selten in der Rolle eines Protagonisten auf, der attestiert, was er selbst (mit)erlebt, als Augen- oder Ohrenzeuge mitbekommen oder von Dritten in Erfahrung gebracht hat.“ 230 Vgl. R. BERGMEIER, Die Buchrolle und das Lamm (Apk 5 und 10), ZNW 76 (1985), 225–242 (230): „Die Buchrolle ist Bild für die ‚Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat‘, denn Christus empfängt die Buchrolle aus der Rechten der himmlischen Majestät. Ihr Inhalt ist also nicht anderes als ἃ δεῖ γενέσθαι ἐν τάχει 1,1, also Weissagung, wie es dem Selbstverständnis der Johannesapokalypse von ihrem Hauptteil entspricht (1,3; 22,7.10.18.19).“ 231 Vgl. TÓTH, Vision (s. Anm. 212), 358–261.

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Wiederum zeigen sich enge Verbindungen zwischen den verschiedenen Kommunikationsebenen. Jesus ὁ µάρτυς (Apk 1,5) ist insofern Zeuge, als er die ἀποκάλυψις weitergibt, die er selbst von Gott erhalten hat.232 Er selbst bezeugt (ὁ µαρτυρῶν), so Apk 22,20, den Inhalt des apokalyptischen Dokuments.233 Zeuge (µάρτυς Apk 11,3; 17,6) bzw. Prophet sein (προφήτης Apk 11,10; vgl. 16,6), Zeugnis geben (µαρτυρέω Apk 1,2; 22,16.18.20) und die Vermittlung von prophetischen Offenbarungen (vgl. προφητεύω Apk 11,3 mit 11,7) sind in der Apokalypse aufs engste miteinander verbunden und zugleich auf die verschiedenen Kommunikationsebenen verteilt. Sowohl Antipas als auch die beiden prophetischen Zeugen aus Apk 11 in der zitierten Welt haben danach Anteil an der auctoritas Jesu, also der Figur der erzählten Welt und zugleich Autorisationsinstanz des literarischen Werkes. Zugleich sind die Figuren der zitierten Welt auch mit dem Erzähler der dargestellten Welt, Johannes, verbunden: was Antipas als Zeuge an Konflikten erleben musste und die zwei prophetischen Zeugen künftig noch erleben werden, das ist nun auch der inszenierte Erfahrungskontext des Erzählers (Apk 1,9).234 Der Erzähler zeichnet sich danach in eine allumfassende Konfliktgeschichte ein und parallelisiert seine Situation mit den Figuren der zitierten Welt. Durch diese Analogie ver-mag der Erzähler seinen Geltungsanspruch als treuer Zeuge und Prophet zu plausibilisieren. In der untenstehenden Tabelle sind zur Übersicht die Kommunikationsebenen der Johannesapokalypse dargestellt.

232 Demnach ist in Apk 1,5 und 3,14 von der Offenbarungstätigkeit des Erhöhten die Rede, vgl. H. ROOSE, ‚Das Zeugnis Jesu‘. Seine Bedeutung für die Christologie, Eschatologie und Prophetie in der Offenbarung des Johannes, TANZ 32, Tübingen/Basel 2000, 26– 37. 233 Vgl. ROOSE, Zeugnis (s. Anm. 232), 28: „Der, der bezeugt, ist der Erhöhte, der wiederkommen wird. Was nun bezeugt der Erhöhte? 22,20 sagt: ταῦτα und meint damit den Inhalt des vorliegenden Buches.“ 234 Die Johannesapokalypse präsentiert, ähnlich wie die Ascensio Isaiae, eine „epochenübergreifende Konfliktgeschichte von Prophetie und – seitens der ungerechten Herrschaft unterstützter – Pseudoprophetie“, so J. DOCHHORN, Beliar als Endtyrann in der Acensio Isaiae. Ein Beitrag zur Eschatologie und Satanologie des frühen Christentums sowie zur Erforschung der Apokalypse des Johannes, in: J. Frey/J.A. Kelhoffer/F. Tóth (Hg.), Johannesapokalypse. Kontexte – Konzepte – Rezeptionen, WUNT 287, Tübingen 2011, 294–315 (309).

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Autorschaft und Autorisation

Die Kommunikationsebenen der Johannesapokalypse KE I

KE II

KE III

KE IV

KE V

Außertextliche Welt Autor/Schreiber: unbekannt

Literarisches Werk – abstrakter Autor: Gott/ Christus/ Tradition

Dargestellte Welt Erzähler: Johannes als visionärer Schreiber

Erzählte Welt Figuren: – Johannes – Christus – Gott

Zitierte Welt Figuren: – Antipas – zwei Zeugen

– impliziter Autor: judenchristlicher Wanderprophet

Das hier vorgestellte Kommunikationsmodell der Johannesapokalypse mit den darin enthaltenen Autorschaftsfigurationen und Autorisationsstufen dürfte auch für andere apokalyptische Texte anwendbar sein. Die Johannesapokalypse, wie auch andere apokalyptische Werke, präsentiert, wenn man genau hinschaut, eine höchst differenzierte Kommunikationsstruktur mit komplexen Geltungsansprüchen. Diesen verschiedenen Legitimationsstrategien in apokalyptischen Texten nachzugehen, bleibt, auch über den vorliegenden Band hinaus, Aufgabe künftiger Apokalypseforschung.

„Was ist ein Autor?“ Vorstellungen und (Selbst-)Inszenierungen von Autorschaft in der Antike Martina Janßen 1. Prolog auf dem Olymp Ein Symposium hoch oben auf dem Olymp. Dort sind die alten Dichter und Denker versammelt. „Was ist ein Autor?“ Über diese Frage – und damit über sich selbst – reden die Weisen, wie sie es seit alters her gewohnt sind.1 In den waldigen Schluchten lauschen die Musen still dem gelehrigen Treiben; auch die Schwäne, Bienen, Nachtigallen und Zikaden sind verstummt. (1) Platon ergreift das Wort. „Mit Recht also würden wir sowohl die göttlich (θείους) nennen, die wir eben erwähnten, die Orakelsprecher und Wahrsager, als auch alle Dichtenden.2 Nämlich nicht durch Kunst (τέχνῃ) bringen sie dieses hervor, sondern durch göttliche Kraft (θέιᾳ δυνάµει).3 Denn an ihm [sc. Tynnichos] scheint ganz vorzüglich der Gott uns dieses gezeigt zu haben, damit wir ja nicht zweifeln, daß diese schönen Gedichte nichts Menschliches sind und von Menschen, sondern Göttliches und von Göttern, die Dichter aber nichts sind als Sprecher der Götter (ἑρµηνῆς τῶν θεῶν), besessen jeder von dem, der ihn eben besitzt.4 Ich erfuhr also auch von den Dichtern in kurzem dieses, daß sie nicht durch Weisheit (σόφιᾳ) dichteten, was sie dichteten, sondern durch eine Naturgabe (φύσει) und in der Begeisterung (ἐνθουσιάζοντες) eben 1 Die Behandlung grammatischer, literarischer und philologischer Fragen ist fester Bestandteil in der antiken Symposienliteratur; vgl. z.B. die Saturnalia des Macrobius, Gellius (z.B. Noctes Atticae 19,9) oder Porphyrios‘ φιλόλογος ἀκροάσεως (Eus.praep. 10,3). Siehe allgemein dazu z.B. H. GÖRGEMANNS, Symposion-Literatur, DNP 11 (2001), 1138–1141 (1140). 2 Plato Men. 99cd. Übertragung hier und im Folgenden nach: Platon, Werke Bd. 2, Des Sokrates Apologie. Kriton. Euthydemos. Menexenos. Gorgias. Menon, bearbeitet von H. Hofmann, griechischer Text von A. und M. Croiset/L. Bodin/L. Méridier, deutsche Übersetzung von F. Schleiermacher, Darmstadt 31990 (= Platons Werke in acht Bänden; herausgegeben von G. Eigler). 3 Plato Ion 534c. Übertragung hier und im Folgenden nach: Platon, Werke Bd. 1, Ion. Hippias II. Protagoras. Laches. Charmides. Eutyphron. Lysis. Hippias I. Alkibiades I, bearbeitet von H. Hofmann, griechischer Text von A. u. M. Croiset/L. Bodin/L. Méridier, deutsche Übersetzung von F. Schleiermacher, Darmstadt 31990 (= Platons Werke in acht Bänden; herausgegeben von G. Eigler). 4 Plato Ion 534e.

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wie die Wahrsager und Orakelsänger.5 Es ist eine alte Sage […], daß der Dichter, wenn er auf dem Dreifuß der Muse sitzt, nicht bei Sinnen (οὐκ ἔµφρων) ist, sondern gleich einer Quelle das, was über ihn kommt, willig ausströmen läßt.6 Wer aber ohne diesen Wahnsinn der Musen (ἄνευ µανίας Μουσῶν) in den Vorhallen der Dichtkunst sich einfindet, meinend, er könne durch Kunst allein genug (ἐκ τέχνης ἱκανὸς) ein Dichter werden, ein solcher ist selbst ungeweiht, und auch seine, des Verständigen Dichtung, wird von der des Wahnsinnigen verdunkelt.“7 Als Platon seine Worte beendet, setzt phrenetischer Applaus ein. Zustimmung von vielen Seiten. Plinius nickt, ja den Dichtern sei Wahnsinn erlaubt und auch Horaz weiß von der süßen Schwärmerei (amabilis insania).8 Phemios, der alte Sänger, ruft mit melodischer Stimme: „Wohl hab ich selbst mich belehrt (αὐτοδίδακτος δ᾽ εἰµί); doch die Keime zu vielerlei Weisen gab mir ein Gott in den Sinn (θεὸς δέ µοι ἐν φρεσὶν οἴµας παντοιάς ἐνέφυσεν).“9 Davon weiß so mancher ein Lied zu singen. Theokrit ergreift das Wort: „[...] Vieles [...] haben die Nymphen auch mich gelehrt als Hirten in den Bergen, Edles, das wohl die Kunde sogar bis zum Thron des Zeus getragen hat.“10 Weise nickt der Philosoph Demokrit: „Ein Dichter aber, was immer er mit Verzückung (µετ᾽ ἐνθουσιασµοῦ) und göttlichem Anhauch (ἱεροῦ πνεύµατος) schreibt, das ist gewiß schön (καλὰ κάρτα ἐστίν).“11 Einer, der es aus eigener Erfahrung wissen muss, der große Pindar, fügt hinzu: „Ein tüchtiger Mann und ein kunstverständiger wird man durch göttliche Begabung (κατὰ δαίµον). [...] Viele Menschen machen sich jedoch auf, mit angelernten Leistungen sich Ruhm zu holen. Jede Sache, die ohne göttliche Begabung (ἄνευ δὲ θεοῦ) ausgeführt wird, bleibt lieber verschwiegen.“12 Das weiß auch Lukian: „Alles, was die Dichter, von den Musen begeistert, singen, ist wahr. Sobald sie aber von diesen Göttinnen 5

Plato apol. 22bc. Plato leg. 719c. Übertragung nach: Platon, Werke Bd. 8/1, Gesetze I–VI, bearbeitet von K. Schöpsdau, griechischer Text von È. des Places, deutsche Übersetzung von K. Schöpsdau, Darmstadt 31990 (= Platons Werke in acht Bänden; herausgegeben von G. Eigler). 7 Plato Phaidr. 245a. Übertragung hier und im Folgenden nach: Platon, Werke Band 5, Phaidros. Parmenides. Briefe, bearbeitet von D. Kurz, griechischer Text von L. Robin/A. Diès/J. Souilhé, deutsche Übersetzung von F. Schleiermacher und D. Kurz, Darmstadt 31990 (= Platons Werke in acht Bänden; herausgegeben von G. Eigler). 8 Vgl. Plin.ep. 7,4,10; Hor.carm. 3,4,5f. 9 Hom.Od. 22,347f. Übertragung hier und im Folgenden nach: Homer, Odyssee. Griechisch und deutsch, übertragen von A. Weiher. Mit Urtext, Anhang und Registern, Einführung von A. Heubeck, Düsseldorf 132007. 10 Theocrit Eidyllia (id.) 7,91–93. Übertragung hier und im Folgenden nach: Theokrit, Gedichte. Griechisch-deutsch, herausgegeben und übersetzt von B. Effe, Düsseldorf u.a. 1999. 11 Democr.fragm. 18 (Clem.strom. 6,168). Übertragung nach: Die Fragmente der Vorsokratiker, 2. Band. Griechisch-deutsch, herausgegeben von W. Kranz, Dublin u.a. 1969. 12 Pind.Ol. 9,1f., 27–29. 4f.,100–104. Übertragung hier und im Folgenden nach: Pindar, Oden. Griechisch/deutsch, übersetzt und herausgegeben von E. Dönt, Stuttgart 1986. 6

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wieder verlassen werden und von sich aus dichten, sind sie dem Irrtum unterworfen und sagen oft das Gegenteil von dem, was sie im begeisterten Zustand gesungen hatten.“13 Horaz stimmt zu: „Dem, der Dichtergeist, der eine mit den Göttern verwandte Seele hat, und dessen Mund erhabene Gedanken und Gefühle in mächt’gen Tönen ausströmt, dem allein gebührt die Ehre dieses schönen Namens.“14 Eifriges Kopfnicken von allen Seiten. Jetzt will man aber auch etwas von der göttlichen Kunst hören und in den Genuss der „gottgegebenen Gesänge“ (θεόµοροι ἀοιδαί [Pind.Ol. 3,1,10]) und der Geschenke der Musen (munus [Hor. carm. 4,3,21]) kommen. „Ruft mir den göttlichen Sänger (θεῖον ἀοιδόν)! Der Gott hat ihn vor allen begnadet mit Liedern. Demodokos kann uns herzlich erfreuen; er singe von allem, wonach ihm zumut ist.“15 (2) Und während sie dem alten Sänger lauschen und mit einem Lächeln daran denken, wie ihnen einst die Bienen heilige Waben auf ihre Lippen legten und sie so zu Dichtern weihten, schielt Aristoteles grimmig in Richtung seines Lehrers Platon. Diese Musenmanie ist nicht seins. Poesie ist gemachte und gekonnte Kunst. Ars poetica. „Wir wollen hier von der Dichtkunst sprechen (περὶ ποιητικῆς αὐτῆς), ihren Gattungen und deren verschiedenen Eigenschaften, ferner davon, wie man die Erzählungen aufbauen soll, wenn Dichtung schön werden soll, außerdem, aus wie vielen und welchen Teilen eine Dichtung besteht, und was schließlich noch zu diesem Gegenstande gehört.“16 Gute Dichtung bricht nicht einfach so aus einem heraus. Das ist nicht nur Geist und Gott, Muse und Manie, sondern auch Talent und vor allem Technik, die wie das Handwerk gekonnt und gelernt sein muss – Wortwerk eben. Mit dieser Auffassung ist Aristoteles nicht allein. Properz erhebt die Stimme: „Beginn jetzt, auf schmaler Drehbank Verse zu drechseln, komm zu der eigenen Glut, die dich umfängt, ernster Dichter.17 Geglättet mit feinem Bimsstein, laufe der Vers, durch den mich der Ruhm hoch über die Erde erhebt!“18 Eifriges Nicken von allen Seiten. Immer mehr Unterstützung bekommen die Kunsttechniker, die Wortwerker. An Oden wird gefeilt, Worte werden gedrechselt, Kunst geschmiedet, Texte gewebt, Monumente gebaut. Lukrez ruft: „Drum fahr ich fort umso mehr, das

13 Luc.Jup.trag. 2f., Übertragung nach: Lukian. Parodien und Burlesken, herausgegeben von K. Hoenn, Zürich 1948. 14 Hor.sat. 1,4,43f., Übertragung nach: C.M. WIELAND, Horazens Satiren aus dem Lateinischen übersetzt und mit Einleitungen und erläuternden Anmerkungen versehen (ND), Nördlingen 1985. 15 Hom.Od. 8,43–45. 16 Arist.po. 1447a. Übertragung nach: Aristoteles, Vom Himmel. Von der Seele. Von der Dichtkunst, übersetzt und herausgegeben von O. Gigon, Zürich u.a. 1950. 17 Prop. 2,34B,43f. Übertragung hier und im Folgenden nach: Sextus Propertius, Sämtliche Gedichte. Lateinisch-deutsch, herausgegeben von B. Mojsisch/H.-H. Schwarz/I.J. Tautz, Stuttgart 1993. 18 Prop. 3,1,8f.

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Beginnen mit Worten zu weben (pertexere).“19 Über Agathons Kunst heißt es: „Zu des Dramas Schiff das Gerippe zu bau’n, schon formt er und leimt er neumodische Wort’, er drechselt und hobelt und glättet und flickt, Antithesen einflicht er, Sentenzen nur spricht er, wie geschmolzenes Wachs modelliert er den Vers und gießt in die Form.“20 „Errichtet hab ich mir ein Denkmal (exegi monumentum), ewiger als Erz.“ – ruft Horaz.21 Und Pindar rät: „Am aufrichtigen Amboß schmiede deine Worte.“22 Zustimmend empfiehlt Horaz, „die schlecht gedrechselten Verse zurück auf den Amboß zu legen.23 Kritisiert eine Dichtung, die nicht so mancher Tag und so manches Polieren gekürzt und wohl zehnmal, mit gestutztem Nagel geprüft, korrigiert hat!“24 Ovid fühlt sich nun ein wenig ertappt und klagt: „Das Werk wurde vom Amboß weggenommen, als es mitten in der Arbeit war, und meinem Entwurf fehlte die endgültige Feile.“25 (3) Damit es jetzt nicht zu technisch wird, versucht Horaz zu vermitteln und den Diskussionsstand zusammenzufassen: „Ob durch Naturtalent (natura) eine Dichtung Beifall erringt oder durch Kunstverstand (arte), hat man gefragt. Ich kann nicht erkennen, was ein Bemühen (studium) ohne fündige Ader (divite vena) oder was eine unausgebildete Begabung (rude ingenium) nützt; so fordert das eine die Hilfe des andren und verschwört sich mit ihm in Freundschaft (alterius sic altera poscit opem res et coniurat amice).“26 Zustimmendes Brummen von allen Seiten. Um Dichter zu sein, braucht es Technik, Talent und auch Bücher. Ohne die geht es nicht, rechtfertigt sich Catull: „Also gewähr mir Verzeihung, daß ich, was die Trauer mir fortnahm, das nicht geb zum Geschenk, denn ich vermag es ja nicht. Nun hab ich aber zur Hand auch nicht eine Menge von Büchern.“27 Denn Inspiration kommt ja nicht nur von den Göttern, sondern auch von den Alten, deren Werke man studiert. Sie geben den Stoff und die 19

Lucr. 6,42. Vgl. auch 1,418. Übertragung hier und im Folgenden nach: Titus Lucretius Carus, De rerum natura. Welt aus Atomen. Lateinisch/Deutsch, übersetzt und mit einem Nachwort herausgegeben von K. Büchner, Stuttgart 1973. 20 Ar.Thesm. 52–57. Übertragung nach: Aristophanes Komödien, Dritter Band. Die Weiber am Thesmophorenfest. Die Frösche. Die Weibervolksversammlung Plutos, übersetzt von L. Seeger, München 1968. 21 Hor.carm. 3,30,1. Übertragung hier und im Folgenden nach: Q. Horatius Flaccus, Oden und Epoden. Lateinisch und Deutsch, übersetzt von C.F.K. Herzlieb/J.P. Uz, eingeleitet und bearbeitet von E.A. Schmidt/W. Killy, Düsseldorf u.a. 2003. 22 Pind. Pyth. 1,5,86. 23 Hor.ars.poet. 440f. Übertragung hier und im Folgenden nach: E. SCHÄFER, Horaz. Ars poetica, Stuttgart 1972. 24 Hor.ars.poet. 292–294. 25 Ov.trist. 1,7,29f. Übertragung hier und im Folgenden nach: Ovid, Tristia, herausgegeben, übersetzt und erklärt von G. Luck, Bd. I. Text und Übersetzung, Heidelberg 1967. 26 Hor.ars.poet. 408–411. 27 Catull 68,31–33. Übertragung hier und im Folgenden nach: Catull, Gedichte. Lateinisch-deutsch, herausgegeben von W. Eisenhut, München/Zürich 91986.

„Was ist ein Autor?“

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Ideen ein. „Viele Autoren nämlich werden ergriffen von einem fremden Anhauch, der sie inspiriert – genauso, wie man es von der pythischen Priesterin sagt: wenn sie dem Dreifuß naht, über dem Erdspalt, aus dem, wie es heißt, der göttliche Atem emporsteigt, dann wird sie von dort mit der dämonischen Macht geschwängert und kündet sogleich die eingegebenen Weissagungen. So entströmen wie aus heiliger Tiefe dem Genius der Alten Kräfte und dringen in die Seelen derer, die ihnen nachstreben. Selbst wer sonst nicht leicht in Verzückung gerät, läßt sich unter dem Anhauch fremder Größe zur Begeisterung hinreißen.“28 Lukrez nickt eifrig und preist Epikur als die Quelle all seines Schaffens. „Du, Vater, bist der Dinge Erfinder (rerum inventor), du bist’s, der Vaterslehren uns darbringt reich, und aus deinen Blättern, Erlauchter, wie auf blumiger Trift die Bienen alles benaschen (ut apes in saltibus omnia libant), weiden genauso wir uns ab alle goldenen Worte (omnia nos itidem depascimur aurea dicta), goldene, immer zumal am würdigsten ewigen Lebens.“29 (4) Es klatscht Beifall, vor allem von den Römern, deren Kunst ja von den Griechen abgeleitet und von ihnen inspiriert ist.30 „Rollt nur die griechischen Muster mit fleißiger Hand auf bei Tag und bei Nacht!31 Wer Pindar nachzueifern (aemulari) strebt, [...] den tragen Dädalus wächserne Schwingen.32“– ermuntert Horaz und auch Cicero nickt, das gelte nicht nur für die Dichtung, sondern auch für die Philosophie.33 Die Griechen zu übersetzen ist gut – und am besten ist, dabei der erste zu sein. „Denn dem griechischen Inventor oder 28 Ps.Long. subl. 13,2. Übertragung hier und im Folgenden nach: Pseudo-Longinos. Vom Erhabenen. Griechisch und deutsch von R. Brandt, Darmstadt 1966. 29 Lucr. 3,9–13. 30 Vgl. programmatisch Juven. 3,60; Hor.ep. 2,1,156f. Zum Verhältnis der lateinischen zur griechischen Literatur siehe z.B. W. KROLL, Studien zum Verständnis der römischen Literatur, Stuttgart 1924; G. JACHMANN, Die Originalität der lateinischen Literatur, Leipzig u.a. 1926; A. REIFF, Interpretatio, imitatio, aemulatio. Begriff und Vorstellung literarischer Abhängigkeit bei den Römern, Köln u.a. 1959; D.A. RUSSELL, De imitatione, in: D. West/T. Woodman, Creative Imitation and Latin Literature, Cambridge 1979, 1–16; C. ZINTZEN, Abhängigkeit und Emanzipation der römischen Literatur, Gymnasium 82 (1975), 173–193; DERS., Das Zusammenwirken von Rezeption und Originalität am Beispiel römischer Autoren, in: H. Lange/C. Zintzen, Zum Problem der Rezeption in den Geisteswissenschaften, AAWLM.G (Jg. 1986/7), Stuttgart 1986, 15–36; G. VOGT-SPIRA, Die Kulturbegegnung Roms mit den Griechen, in: M. Schuster (Hg.), Die Begegnung mit dem Fremden. Wertungen und Wirkungen in Hochkulturen von Altertum bis Gegenwart, Stuttgart u.a. 1996, 11– 33; DERS., Literarische Imitatio und kulturelle Identität, in: Ders./B. Rommel, Rezeption und Identität. Die kulturelle Auseinandersetzung Roms mit Griechenland als europäisches Paradigma, Stuttgart 1999, 22–37; J.H. PETERSEN, Mimesis – Imitatio – Nachahmung. Eine Geschichte der europäischen Poetik, München 2000, 52–80; S. DÖPP, Aemulatio. Literarischer Wettstreit mit den Griechen in Zeugnissen des ersten bis fünften Jahrhunderts, Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 7, Göttingen 2001. 31 Hor.ars.poet. 268f. 32 Hor.carm. 4,2,1–3. 33 Cic.fin. 1,3,7.

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εὑρετής stellt sich stets ein zweiter, römischer Archeget der Gattung an die Seite.“34 „Primus ego! Erster“ – fangen sie nun an zu rufen, allen voran Horaz: „[...] Sagen wird man von mir: ‚Er, aus dem Staub erhoben, vertraute zuerst ein Äolisches Lied der Römischen Leier!‘ So nimm denn, Melpomene, den stolzen Delphischen Lorbeer, den mein Verdienst mir errungen, und umkränze mit ihm mir gütig die Stirne.35 Freien Ganges bin ich als erster durch wegloses Gebiet geschritten, nicht fremden Spuren nachgetreten.“36 Bevor Horaz mit dem Selbstlob weitermacht, wollen ihm andere in Nichts nachstehen. Properz ruft: „Manen des Callimachus und heilige Stätte des Philetas von Cos, laßt mich, darum bitte ich, in euren Hain eintreten! Als erster Priester (primus ego […] sacerdos), der vom reinen Quell getrunken hat, gehe ich daran, zu einer römischen Feier griechischen Reigen zu führen.“37 Lukrez schließt sich an: „Doch hat mit scharfem Thyrsos die Hoffnung auf Ruhm mich getroffen und hat zugleich in die Brust mir geworfen süßes Verlangen nach den Musen, von dem ich befeuert mit kräftigem Sinn jetzt wegloses Musengefild durchwandre, das vorher von keines Fuße betreten. Wonne, unversehrten Quellen zu nahen und zu schöpfen (haurire)! Wonne auch, neue Blüten zu brechen (novos decerpere flores) und von dort meinem Haupt einen strahlenden Kranz mir zu holen, woher niemandem noch die Schläfen umwanden die Musen.“38 Phädrus formuliert es nüchterner: „Der Stoff, den einst Äsop als Dichter fand, kommt in gefeilten Jamben neu von mir.“39 Die aneignende Rezeption der Griechen ist dabei harte Arbeit, wie Lukrez erläutert: „Und ich täusche mich nicht, daß der Griechen dunkle Funde schwierig ist im lateinischen Vers nach Bedeutung zu lichten, da ja vieles zumal mit neuen Worten zu tun ist wegen der Armut der Sprache so wie der Neuheit der Dinge.“40 Das will gewürdigt werden. Horaz beschwört seine Muse Melpomene: „Daß der Finger des, der vorübergeht, auf mich als den Meister der Römischen Leier zeigt, daß ich schon lebend gefalle (wofern ich gefalle), ist dein Werk!“41 Und mit Blick auf seinen Gönner Maecenas ruft er aus: „Nimmst aber unter die lyrischen Sänger du mich auf, dann berühr’ ich mit stolzem

34 REIFF, Interpretatio (s. Anm. 30), 63; KROLL, Studien (s. Anm. 30), 15: „So war es auch für die Vertreter literarischer Gattungen beinahe das höchste Lob, wenn sie für die Römer das waren, was einer der griechischen Heroen für seine Landsleute gewesen war.“ 35 Hor.carm. 3,30,12–16. 36 Hor.ep. 1,19,21f. Übertragung hier und im Folgenden nach: Horaz, Satiren und Briefe, lateinisch und deutsch von H. Farber/W. Schöne, München 21953. 37 Prop. 3,1,1–4. 38 Lucr. 1,922–930 (922). 39 Phaedr.prol.lib. 1,1f. Übertragung hier und im Folgenden nach: Phaedrus, Der Wolf und das Lamm. Fabeln, Lateinisch-deutsch von V. Riedel, Leipzig 1989. 40 Lucr. 1,136–139. 41 Hor.carm. 4,3,21–24.

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Scheitel die Sterne.“42 Auch Phädrus will den Ruhm: „Und, weil den ersten Platz ein andrer nahm, so war mein Ziel, daß er [sc. Äsop] nicht einzig bleibe.43 Ich schreite weiter auf der alten Spur und finde mehr, als uns der Dichter gönnte.“44 (5) Deutlich wird: Man lehnt sich zwar an Vorbilder an, aber entwickelt sie weiter und macht etwas Eigenes daraus. Dichterische Kunst ist produktive Nachahmung. Darin ist man sich einig – sei es nun Nachahmung der Götter oder der Vorbilder. Servius bringt es auf den Punkt. „Die Intention Vergils ist es, Homer nachzuahmen.“45 Donat ergänzt und vervollständigt das Bild. „Die Absicht des Buches (intentio libri), welche die Griechen σκοπὸν nennen, besteht in der Nachahmung des Dichters Theokrit (imitatio Theocriti).“46 Viele nickten zustimmend; nicht nur einen der Alten ahme Vergil nach, sondern neben Homer auch Hesiod, Theokrit und Arat.47 Doch bei allem Lob erhebt sich gleichzeitig heftiger Widerspruch und die Diskussion wird wie gewohnt bei diesem heiklen Thema hitzig. Denn was die Eigenständigkeit Vergils angeht, da scheiden sich bekanntlich die Geister.48 Reiner Diebstahl (furtum) sei das Werk Vergils, meinen viele.49 Auf diesen Vorwurf hin hagelt es Verteidigungsreden und Gegenargumente. Vergil reihe sich in das gemeinsame dichterische Erbe ein (societas et rerum communio poetis scriptoribusque) ein.50 Dankbar müsse man ihm sein, dass er das Erbe der Alten (memoria veterum)51 bewahre. Überhaupt liefere sich Vergil einen würdigen Wettkampf mit seinen Vorbildern52 und das heiße schon was. Schließlich sei es leichter Herkules eine Keule

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Hor.carm. 1,1,35f. Phaedr.epil.lib. 2,5f. 44 Phaedr.prol.lib. 3,38f. 45 Serv.Verg. Aen. 1. 46 Donat, Eklogeneinführung, 64. Übertragung nach: Vergil, Landleben. Bucolica – Georgica – Catalepton, Lateinisch-deutsch, herausgegeben von J. und M. Götte. Vergil-Viten. Lateinisch-deutsch, herausgegeben von K. Bayer, 41981, 237; zur Theokrit-Imitation Vergils vgl. auch ebd., 253.276 u.ö. 47 Macr. 5,2,4. 48 Vgl. zur Diskussion um Vergil exemplarisch Macr. lib. 5–6. Zum Thema siehe M. JANßEN, Plagiat, RAC 27 (2016), 811–837 (821f.); P.V. DAVIES, Macrobius. The Saturnalia, New York 1969, 17–23; P. THEISSON, Plagiat. Eine unoriginelle Literaturgeschichte, Stuttgart 2009, 86f.; vgl. auch A. WLOSOK, Zur Geltung und Beurteilung Vergils und Homers in Spätantike und früher Neuzeit, in: Dies., Res humanae – Res divinae. Kleine Schriften; herausgegeben von E. Heck /E.A. Schmidt, Heidelberg 1990, 476–498. 49 Donat, vit.Verg. 170–173. 50 Macr. 6,1,5. 51 Macr. 6,1,5. Zu diesem Gedanken siehe weiter auch z.B. Plin.ep. 9,22,1, über die Leistung des Passennus Paulus, der Properz für die Nachwelt bewahrt hat. 52 Plin.hist.nat. prol. 22. 43

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zu entreißen als Homer einen Vers.53 Allgemein sei die Inspiration durch Vorbilder übrigens eine gute Sache, schließt Longin: „Dabei handelt es sich nicht um Plagiat (κλοπή); es ist, wie wenn man eine schöne Gestalt in einer künstlichen Plastik nachprägt.“54 Phocas beendet schließlich die leidige Diskussion mit einem Loblied auf Vergil: „Als Ebenbild des mäonischen Sängers brachte das verehrungswürdige Mantua Vergil hervor, den Strom der Romulussprache. Wer könnte, redegewandtes Griechenland, deinen Dünkel erdulden, wer hätte die so große Aufgeblasenheit deiner Diktion ertragen können, wenn das Land der Etrusker wetteifernd (aemula) nicht den Vergil geschenkt hätte?“55 Viele spenden nun Beifall und auch Vergil entspannt sich wieder, neben ihm etliche andere wie Terenz, der solche entwürdigenden Vorwürfe des Diebstahls aus eigener Erfahrung kennt – „Ein Dieb, kein Dichter, hat das Stück gemacht!“56 – so haben sie gerufen. Was musste er da nicht alles klarstellen!57 (6) Es ist ja auch kompliziert mit den Vorbildern und deren Nachahmung, die nach bestimmten Regeln erfolgen muss.58 Transparenz ist nötig, wie Cicero klarstellt: „Du hast doch von Naevius vieles – nun, sagen wir: übernommen, falls du es zugestehst – oder, falls du es leugnest: erbeutet.“59 Von mangelnder Transparenz weiß Plinius ein Lied zu singen (hist.nat. prol. 1,22): „Denn du mußt wissen, daß ich beim Vergleich der Gewährsmänner die Beobachtung gemacht habe, daß von den Neuesten gerade die Zuverlässigsten ihre Vorgänger ohne Zitierung wörtlich abgeschrieben haben (veteres transcriptos ad verbum neque nominatos).“60 Quintilian, der große Rhetoriker, nennt eine weitere Regel: „Die Nachahmung als solche genügt nicht – schon weil es einen trägen Geist verrät, sich mit dem zufriedenzugeben, was andere gefunden haben.“61 Imitation allein reicht nicht, es braucht auch Innovation und die Bereitschaft, 53 Vgl. zur vielzitierten Sentenz facilius esse clavam Herculi quam Homero versum subripere z.B. Donat, vit.Verg. 190–192; Philagr.vit.Verg. 1; Macr. 5,3,12; Hier.quaest. hebr. in Gen. praef. 54 Ps.-Long.subl. 13,4. 55 Phocas, vit.Verg. 25–29. Übertragung nach: DÖPP, Aemulatio (s. Anm. 30), 42. 56 Terent.Eu.prol. 23. Übertragung nach: J.J.C. Donner (Leipzig u.a. 1864), in: Plautus/Terenz, Antike Komödien; herausgegeben von W. Ludwig, Zürich 1974. 57 Vgl. z.B. Terent.Eu. 27f.; 33f.; 35–43; Ad. 15–21. Siehe dazu z.B. M. STEIN, Der Dichter und sein Kritiker, Rheinisches Museum 146 (2003), 184–217; JANßEN, Plagiat (s. Anm. 48), 820. 58 Vgl. JANßEN, Plagiat (s. Anm. 48), 820–823. 59 Cic.Brut. 76. Übertragung hier und im Folgenden nach: Marcus Tullius Cicero, Brutus, lateinisch-deutsch, herausgegeben von B. Kytzler, München 1970. 60 Übertragung hier und im Folgenden nach: C. Plinius Secundus d. Ä, Naturkunde. Lateinisch-deutsch. Buch I. Vorrede. Inhaltsverzeichnis des Gesamtwerkes. Fragmente. Zeugnisse, herausgegeben und übersetzt von R. König/G. Winkler, Düsseldorf u.a. 21997. 61 Quint.inst. 10,4. Übertragung hier und im Folgenden nach: Marcus Fabius Quintilianus, Ausbildung des Redners. Zwölf Bücher. Zweiter Teil: Buch VII–XII, herausgegeben und übersetzt von H. Rahn, TzF 3, Darmstadt 1975.

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neue Wege zu gehen.62 Horaz betont: „Nichts haben unerprobt unsre Dichter gelassen, haben nicht geringen Ruhm sich erworben, als sie es wagten, die Spuren der Griechen zu verlassen und heimische Taten zu feiern.“63 Angemessene Imitatio ist zugleich produktive Umformung des Vorgefundenen. Plautus weiß, dass er es richtig macht, und ruft aus: „Ich bring euch einen alten Brauch in neuer Form!“64 Horaz pflichtet ihm bei: „Allgemeingut gerät unter privates Besitzrecht, wenn du nicht in dem billigen, allen zugänglichen Kreise dich aufhältst, nicht als Nachahmer in die Klemme gerätst, aus der dich herauszuwagen dir Kleinmut oder das Gesetz des Werkes verbieten.“65 In dem Wissen, dass genau das allzu viele tun, reißt es ihn zu einer Invektive hin: „Ach, ihr Nachahmer, ihr Sklaven, ihr Herdenmenschen (o imitatores, servom pecus), wie hat euer lähmendes Gebaren oft mir die Galle, oft auch Heiterkeit erregt!“66 Zur Besänftigung der Gemüter führt Demetrius ein positives Beispiel an: „Wenn Thukydides eine Wendung vom Dichter Homer entlehnt hat, macht er sich doch das Übernommene zu eigen, indem er es in eigentümlicher Form benutzt.“67 (7) Man muss sich an Vorbildern schon messen können und wollen. Autoren sind nicht nur Worttechniker, Wortwerker, sondern auch Wortgladiatoren, Meistersänger und Poetry-Slammer. Was war das doch für ein denkwürdiger Wettkampf zwischen Homer und Hesiod!68 Dichten ist immer Wettkampf. Das liefert Stoff für persönliche Tragödien und Komödien. Aristophanes zitiert fröhlich sich selbst: „Es ist Gesetz bei uns hier unten, daß, wer in einer schweren, edlen Kunst der Beste seiner Kunstgenossen ist (τὸν ἄριστον ὄντα τῶν 62

Zur griechischen Literatur siehe z.B. M. HOSE, Der alte Streit zwischen Innovation und Tradition. Über das Problem der Originalität in der griechischen Literatur, in: J.P. Schwindt (Hg.), Zwischen Tradition und Innovation. Poetische Verfahren im Spannungsfeld Klassischer und Neuerer Literatur und Literaturwissenschaft, München u.a. 2000, 1–24. 63 Hor.ars.poet. 285–287. 64 Plaut.Amph. 118. Übertragung nach: W. Binder/W. Ludwig (Stuttgart 1864ff), in: Plautus/Terenz, Antike Komödien Bd.1; herausgegeben von W. Ludwig, Zürich 1974. 65 Hor.ars.poet.131–135. 66 Hor.ep. 19,19. 67 Demetr.eloc. 113. Übertragung nach: Demetrios, Vom Stil, Deutsch von G. Orth, Saarbrücken 1923. 68 Vgl. zur exemplarischen Verdichtung des Dichteragons im sogenannten Certamen Homeri et Hesiodi z.B. K. HESS, Der Agon zwischen Homer und Hesiod, seine Entstehung und kulturgeschichtliche Stellung, Zürich 1960; K. HELDMANN, Die Niederlage Homers im Dichterwettstreit mit Hesiod, Hyp. 75, Göttingen 1982; J. RICHARDSON, The Contest of Homer and Hesiod and Alcidamas‘ ‚Mouseion‘, CQ 31 (1981), 1–10. Insgesamt siehe zur agonalen Dimension antiker Literaturproduktion z.B. R. V. SCHELIHA, Vom Wettkampf der Dichter. Der musische Agon bei den Griechen, Göttingen 1987; THEISSON, Plagiat (s. Anm. 48), 39–49; M. LLOYD, The Agon in Euripides, Oxford 1992. Zur agonalen Dimension in der antiken Kultur allgemein siehe P.J. MEIER, Agones, RE 1 (1893), 836–867; A. BAUMSTARK, Agon, RAC 1 (1950), 188–190.

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ἑαυτοῦ συντέχνων), der kriegt im Prytaneion freie Kost und thront zunächst bei Pluto.“69 Wer kann es besser? Die Lateiner wissen das mit dem Wettkampf sowieso, denn ihre Dichtung ist wesentlich interpretatio romana Graecorum zwischen Tradition und Innovation und damit automatisch immer Konkurrieren mit den griechischen Vorbildern und auch miteinander.70 Wer kann es besser? Davon wissen auch die Hirten ein Lied zu singen. Meliboeus erinnert sich an den Wettkampf zwischen Corydon und Thyrsis: „Also begannen beide abwechselnd um die Wette zu singen.“71 Ein solcher Wettkampf kann wunderschön sein. „Von der Muse der Hirten Damon und Alphesiboeus – während sie um die Wette sangen, staunte die Kuh und vergaß zu grasen, die Luchse waren von ihrem Lied gebannt, und die Flüsse veränderten ihren Lauf und standen still –, von der Muse des Damon und Alphesiboeus werden wir künden.“72 (8) Nun wird es einigen zu viel an Certamen und Kunstfertigkeit, an Talent und Technik. Der Enthusiasmus bahnt sich wieder seinen Weg. Plötzlich erhebt sich wie ein Brausen der Chor der Musenanrufung und Ehrung derselben.73 Hesiod beginnt: „Von Helikonischen Musen will ich mein Singen beginnen, die an dem großen, heiligen Berg, dem Helikon, wohnen, die um die veilchenfarbene Quelle auf zierlichen Füßen tanzen und rings um die heilige Stätte des Herrschers Kronion. [...] Diese nun lehrten einst auch Hesiodos schöne

69 Ar.ran. 761–765. Übertragung nach: Aristophanes, Komödien. Bd. 3. Die Weiber am Thesmophorenfest. Die Frösche. Die Weibervolksversammlung Plutos, übersetzt von L. Seeger, München 1968. Text nach: Aristophanes, Frogs. Assemblywoman. Wealth, herausgegeben und übersetzt von J. Henderson, Cambridge u.a. 2002. 70 DÖPP, Aemulatio (s. Anm. 30), 9: „Für die römische Literatur, die mit Übertragungen aus dem Griechischen beginnt, ist bekanntlich der Bezug auf die griechische Kultur und Literatur konstitutiv. Diese Bindung realisiert sich im Verfahren der imitatio, des an einem Muster orientierten Gestaltens; die imitatio wiederum steht im Dienst der aemulatio, des geistigen Konkurrierens; beide, imitatio wie aemulatio, zielen als schöpferische Akte auf literarische Innovation.“ Dies zeigt sich nicht nur in zahlreichen Selbstäußerungen, den Wettkampf mit den griechischen Vorbildern aufnehmen zu wollen (ebd., 21–29), sondern auch in der Literaturkritik, in der die Wettkämpfe im Rahmen einer vergleichenden Synkrisis bewertet werden (z.B. Quint. Inst. 10.1; Gellius, Noctes Atticae; Macrobius, Saturnalia); siehe ebd., 31–47; H. BERTHOLD, Synkrisis Rom-Griechenland im zweiten Jahrhundert n. Chr. am Beispiel Aulus Gellius, in: E.G. Schmidt (Hg.), Griechenland und Rom. Vergleichende Untersuchungen zu Entwicklungstendenzen und -höhepunkten der antiken Geschichte, Kunst und Literatur, Erlangen u.a. 1996, 503–512. 71 Verg.ecl. 7,18f. Übertragung hier und im Folgenden nach: Vergil. Bucolica. Lateinisch/deutsch; übersetzt und kommentiert von M. von Albrecht, Stuttgart 2001. Vgl. zum Wettkampf als zentralem Motiv in der bukolischen Dichtung z.B. B. EFFE/G. BINDER, Die antike Bukolik. Eine Einführung, München 1989, 73. 72 Verg.ecl. 8,1–5. 73 Siehe insgesamt O. FALTER, Der Dichter und sein Gott bei den Griechen und Römern, Würzburg 1934, 34–60; vgl. zu griechischen Musenanrufungen K. SCHICKERT, Der Schutz literarischer Urheberschaft im Rom der klassischen Antike, Tübingen 2005, 118.

„Was ist ein Autor?“

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Gesänge, als er am Fuße des heiligen Helikon Lämmer gehütet.74 Ihr, Pierische Musen, die Ruhm in Gesängen gewähren, kommt!“75 Auch Pindar weiß davon zu singen: „Auf diese Weise, wahrlich, trat die Muse zu mir, der ich eine neuerglänzende Weise fand, dem dorischen Fuß meine Melodie für den prächtigen Festzug anzupassen.“76 Endlich wacht auch der alte Homer auf und singt mit donnernder Stimme. „Muse! Erzähl mir vom wendigen Mann, der die heilige Feste Trojas zerstörte!77 Singe, Göttin, den Zorn des Peleiaden Achilleus…!“78 Bevor Homer nun wie immer in epischer Breite seine Geschichten zum Besten gibt, werden die Römer aktiv.79 Porcius Licinus stellt grundsätzlich klar: „Im Zweiten Punischen Krieg hat sich die Muse beflügelten Schritts zum kriegerischen, wilden Volk des Romulus begeben.“80 Den Beweis für ihre Musennähe bleiben die Römer nicht lange schuldig. Vergil beginnt: „Muse, sag mir die Gründe…!81 Mich aber mögen die Musen, mir lieb über alles – ich trage ja ihr heiliges Gut, durchdrungen von glühender Liebe –, freundlich empfangen, mir zeigen des Himmels Bahnen und Sterne, Finsternisse der Sonne und vielfache Mühen des Mondes.“82 Horaz stimmt mit ein: „Komm vom Olympus herab, beginne, beginne langen Gesang, Calliope, Königin, auf deiner Flöte, mit diener melodischen Stimme, auf deinem Saitenspiel oder der Zither Apollons.“83 Von dem Kontakt zum Göttlichen weiß auch Ovid ein Lied zu singen. „Seid, ihr Mädchen, gefällig und hold den aonischen Jüngern, welche die Gottheit erfüllt und die Kamöne beschützt. In uns wohnet ein Gott (est deus in nobis); wir stehn im Verkehr mit dem Himmel, und vom ätherischen Sitz naht uns der göttliche Geist.“84 Und selbst Catull ruft die Göttinnen an: „Denn ich kann

74 Hes.theog. 1–4. Übertragung hier und im Folgenden nach: Hesiod, Theogonie. Werke und Tage. Griechisch-deutsch, herausgegeben und übersetzt von A. v. Schirnding. Mit einer Einführung und einem Register von E.G. Schmidt, München u.a. 1991. 75 Hes.erga 1f. 76 Pind.Ol. 3,1,4–6. 77 Hom.Od. 1f. 78 Hom.Il. 1. Übertragung nach Homer, Ilias. Griechisch und deutsch, übertragen von Hans Rupe. Mit Urtext, Anhang und Registern, Düsseldorf 132008. 79 Vgl. zu lateinischen Musenanrufungen SCHICKERT, Schutz (s. Anm. 73), 124f. 80 Porcus Licinus, fragm. 1. Zitiert nach M. FUHRMANN, Geschichte der römischen Literatur, Stuttgart 1999, 119. 81 Verg.Aen. 8. Übertragung nach: Vergil, Aeneis. Lateinisch-Deutsch, in Zusammenarbeit mit M. Götte herausgegeben und übersetzt von J. Götte, München u.a. 71988. 82 Verg.georg. 2,475–478. Übertragung nach: Hesiod. Vergil. Ovid, Werke und Tage. Vom Landbau. Liebeskunst, übersetzt von M. Marg/J. und M. Götte/N. Holzberg, München 1990. 83 Hor.carm. 3,4,1–4. 84 Ov.ars.am. 3,547–550. Übertragung hier und im Folgenden nach: Publius Ovidius Naso, Liebeskunst. Lateinisch und deutsch, herausgegeben und bearbeitet von F. Burger, München 61943.

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nicht verschweigen, wie Allius Hilfe mir brachte, Göttinnen, und wie groß war seiner Hilfe Verdienst!“85 (9) Martial, der alte Spötter, schüttelt den Kopf. Das wird ihm jetzt zu bunt und geht ihm zu sehr durcheinander. Jetzt auch noch ihr, ihr berufsverliebten Dichter! Mit Göttinnen hat das alles nichts zu tun. Euch küssen ganz andere Musen! All die Verliebten holen sich ihre Inspiration weder aus Büchern noch von den Göttern. Laut ruft Martial: „Cynthia machte dich zum Dichter, tändelnder Properz; die schöne Lycoris war die Inspiration des Gallus; die anmutige Nemesis ist der Ruhm des klangvollen Tibull; Lesbia diktierte dir, gelehrter Catull, deine Verse.“86 Das streitet Properz nicht ab, ganz im Gegenteil: „Nicht singt diese Lieder Calliope, nicht Apollo mir vor. Das Mädchen selbst entfacht mir den schöpferischen Geist.“87 Catull, Properz, Ovid, Calvus, Tibull und all die anderen Verliebten sitzen auf Wolke Sieben, wo sie von Lesbia, Cynthia, Corinna, Quintilia, Nemesis und all den anderen schönen Mädchen träumen. Alle Augen sind nun auf die berufsverliebten Dichter gerichtet, vor allem auf Ovid, dessen Dichtkunst ja bekanntlich wahre Liebeskunst ist, die ihm immerhin das Exil eingebracht hat. Plinius versucht indes die Ehre der frivol Verliebten zu retten; es sei doch alles nur eine Frage der Gattung, wie Catull einst in seinem äußerst wahren Gesetz (verissima lex) sagte: „Wohl ziemt züchtiger Sinn dem frommen Dichter, seine Lieder bedürfen dessen niemals! Die gewinnen erst rechten Witz und Anmut, wenn sie schlüpfrig und etwas leicht geschürzt sind.“88 Davon weiß auch Martial ein Verslein aufzusagen: „Frivol ist jede Seite bei mir, doch rechtschaffen mein Leben.“89 Erleichtert stimmt Ovid zu: „Glaub mir, mein Lebenswandel hat mit meiner Dichtung nichts zu tun; mein Leben ist keusch, meine Muse locker; ein großer Teil meiner Werke ist erfunden und erdichtet und hat sich mehr herausgenommen als der Verfasser. Ein Buch ist kein Spiegel der Gesinnung (nec liber indicium est animi).“90 Als er merkt, dass er nicht so ganz überzeugen kann, fällt er Catull und anderen in den Rücken, um von sich abzulenken: „So sang der liebestolle Catull oft von seiner Geliebten, die den Decknamen ‚Lesbia‘ trug, und veröffentlichte – nicht zufrieden mit ihr – viel Liebesgedichte, in denen er selbst seinen Treuebruch eingestand. Gleichartig und verwandt war die Lüsternheit des kleinen Calvus, der seine intimen Erlebnisse in verschiedenen Versmaßen enthüllte.“91 85

Catull 68,41f. Martial 8,73,5–8. Übertragung hier und im Folgenden nach: Martials Epigramme. Latein-Deutsch, herausgegeben von P. Barié/W. Schindler, Berlin 2013. 87 Prop. 2,1,3f. 88 Plin.ep. 4,14,5. Übertragung hier und im Folgenden nach: Gaius Plinius Caecilus Secundus, Briefe. Lateinisch-deutsch, herausgegeben von H. Kasten, München 41979. 89 Martial 1,4,8. 90 Ov.trist. 2,353–357. 91 Ov.trist. 2,427–432. 86

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Nun endlich wacht Catull aus seiner verliebten Träumerei auf und wehrt sich mit deutlichen Worten gegen die zwei, die seit längerem zweideutig grinsend mit dem Finger auf ihn zeigen. „Ich werd’ unten und oben euch traktieren, Männerhuren, Aurel und Furius, beide: Weil ihr glaubt, daß ich sei wie meine Verse, wenig ehrbar und weichlich, grad wie diese. Keusch und sittsam soll sein der fromme Dichter, doch die Verslein, die haben’s nimmer nötig, die erst dann wirklich Witz und Feinheit haben, wenn sie weich sind und allzu wenig sittsam, und, was geil ist, verstehen anzustacheln; nicht die Knaben, die stark behaarten Männer, die die Lenden schon nicht mehr rühren können. Weil ihr leset bei mir von tausend Küssen, glaubt ihr, daß ich zu wenig Mannheit habe? Ich werd’ unten und oben euch traktieren!“92 Skeptische Blicke, nicht nur wegen der Wortwahl. Das ist doch was ganz Neues. Cassiodor erinnert die alte Weisheit, dass des Menschen Worte Spiegel seines Herzens sind.93 Demetrius und Sidonius pflichten ihm nickend bei; genauso sei doch mit Briefen, oder?94 Seneca bringt es auf den Punkt. „Die Antwort kannst du überall hören, bei den Griechen ist sie zum Sprichwort geworden: So sprechen die Menschen, wie sie leben (talis hominibus fuit oratio qualis vita).“95 Und unterlässt es nicht, dabei gegen Maecenas zu sticheln: „Sind nicht seine Formulierungen ebenso bezeichnend wie seine Lebensweise, sein Gefolge, sein Haus, seine Frau?“96 Einige versuchen nun angestrengt, sich an Maecenas Frau zu erinnern, wobei die Meinungen auseinandergehen. (10) Doch bevor das Symposium nun ganz in die Niederungen menschlicher Animositäten abgleitet, reißt Horaz das Ruder noch einmal herum. „Errichtet hab ich mir ein Denkmal, ewiger als Erz, erhabner als der königlichen Pyramiden Bau, unzerstörbar dem nagenden Schnee, dem wütenden Aquilo, der Reihe zahlloser Jahre, dem Strome der Zeit! Ich werde nicht ganz sterben.97 Mit wunderbarem, mächtigen Fittich werd ich, der Dichter, umwandelt den reinen Äther durchfliegen und werde nicht länger auf der Erde verweilen, über den

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Catull 16,1–14. Cassiodor, ep.var. 6,9,4 (Speculum siquidem cordis hominum verba sunt). Vgl. dazu M. MÖLLER, Talis oratio qualis vita. Zu Theorie und Praxis mimetischer Verfahren in der griechisch-römischen Literaturkritik, Heidelberg 2004; DIES., Der Stil ist der Mensch? Zu einem Topos in der antiken Literaturkritik, in: J.P. Schwindt (Hg.), Zwischen Tradition und Innovation. Poetische Verfahren im Spannungsfeld klassischer und Neuerer Literatur und Literaturwissenschaft, München u.a. 2000, 88–108. 94 Ps.-Demetr.eloc. 227 (εἰκων τῆς ψυχῆς); Sidon.ep. 7,18,2 ([…] mens pateat in libro velut vultus in speculo); vgl. dazu z.B. K. THRAEDE, Grundzüge griechisch-römischer Brieftopik, Zet. 48, München 1970, 157–161. 95 Sen.ep. 114,1. Übertragung hier und im Folgenden nach: Lucius Annaeus Seneca, Philosophische Schriften. Lateinisch und deutsch: Bd. 4: Ad Lucilium epistulae morales LXX– CXXIV (CXXV), herausgegeben von M. Rosenbach, Darmstadt 1984. 96 Sen.ep. 114,4. 97 Hor.carm. 3,30,1–6. 93

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Neid erhaben, werd ich die Städte verlassen.“98 Ennius tritt an seine Seite: „Niemand ehre mich mit Tränen noch vollziehe er weinend die Bestattung. Warum? Ich fliege lebend durch die Münder der Männer (volito vivos per ora virum).“99 Nun erheben sich alle und beginnen von ihrer Unsterblichkeit zu singen bis in alle Ewigkeit. Denn nicht umsonst sind sie auf dem Olymp, dem Hügel der Götter, der Unsterblichen. Kommen wir vom Olymp auf die Erde zurück. Dieses kleine himmlische Symposium führt nicht nur wesentliche Aspekte antiker Dichtungs- und Autorverständnisse vor Augen, sondern gibt auch Einblick in das Selbstverständnis der Autorin. Denn wer das Kleingedruckte in den Fußnoten liest, dem wird schnell klar, dass die Diskussion auf dem Olymp nicht freier Fantasie, Fabulierkunst oder gar göttlicher Eingebung entsprungen ist, sondern ein Florilegium antiker Aussagen darstellt, in dem alle Ausführungen der antiken Dichter und Denker aus deren Werken stammen. Damit hat sich die Autorin als poeta docta inszeniert, die ihren Text aus anderen, ihr vorliegenden Texten webt und allenfalls an der Anordnung und den Überleitungen feilt. Der poeta doctus bzw. poeta faber ist eines der zentralen Autorverständnisse in der Antike und steht neben anderen Konzepten von Autorschaft, allen voran der des Autors als Hermeneut der Götter oder Priester der Musen.100 Die beiden in der Antike maßgeblichen Autorverständnisse lassen sich exemplarisch an zwei Größen festmachen. Auf der einen Seite steht Platon, der Dichtung als Enthusiasmus sieht;101 auf der anderen Seite steht Aristoteles, der Poetik als Kunst und τέχνη im Sinne einer ars poetica102 auffasst. Zwischen diesen beiden Polen – zwischen dem Priester

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Hor.carm. 2,20,1–5. Zitiert nach FUHRMANN, Geschichte (s. Anm. 80), 77. 100 Vgl. grundsätzlich zu diesen beiden Modellen etwa R. SELBMANN, Dichterberuf: zum Selbstverständnis des Schriftstellers von der Aufklärung zur Gegenwart, Darmstadt 1994, 1–13; SCHICKERT, Schutz (s. Anm. 73), 117; M. FUHRMANN, Einführung in die antike Dichtungstheorie, Darmstadt 21992, 77–82; F. JANNIDIS/G. LAUER/M. MARTINEZ/S. WINKO, Die Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs, Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 71, Tübingen u.a. 1999, 1–36. 101 Die platonische Auffassung von Dichtung und ihre Bewertung ist dabei höchst komplex und ambivalent; vgl. zur Einführung FUHRMANN, Einführung (s. Anm. 100), 70–76; P. DESTRÉE/F.-G. HERRMANN, Plato and the Poets, Mn.S, Leiden u.a. 2011; SCHICKERT, Schutz (s. Anm. 73), 119–121; E. BARMEYER, Die Musen. Ein Beitrag zur Inspirations-theorie, Humanistische Bibliothek I 2, München 1968, 165–170. 102 Bei dem gleichnamigen Werk von Aristoteles handelt es sich jedoch nicht um ein Handbuch oder eine Anleitung zur Kunst des Schreibens. „It is unrealistic to think of the Poetics as a do-it-yourself manual for would-be poets.” Vgl. M. HEATH, Introduction, in: Aristotle, Poetics. Translated with an introduction and notes, London 1966, VII–LXXI (XI). Dies gilt ebenso für die Ars poetica des Horaz: „Daher ist die Ars Poetica auch keine deskriptive Poetik, die sich die Erkenntnis von Kunstgesetzen zum Ziel bestimmt, sondern ein 99

„Was ist ein Autor?“

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und Profi, zwischen dem µουσοποιός,103 sacerdos (Musarum),104 ἑρµηνῆς τῶν θεῶν,105 (lyricus /poeta) vates106 und προφήτες107 auf der einen und dem (carminis) auctor108 und dicti studiosus109 auf der anderen Seite, zwischen dem (göttlichen) Sänger (πολύφηος / θεῖος ἀοιδός)110 und dem Lieder-macher (poeta)111, zwischen dem enthusiastischen und vom göttlichen besessenen112 Dichter-Sänger-Propheten und dem talentierten, selbstbeherrschten, hart arbeitenden Wortwerker, zwischen unbewusster Eingebung und rationaler, erlernbarer Kunst, kurz: zwischen Inspiration und Kompetenz – bewegen sich die unterschiedlichen Autorkonzepte in der Antike,113 wobei mentalitätsgeschichtlich eine Entwicklung von „Orpheus, vom göttlichen Sänger, zu poeta doctus“114 auszumachen ist. Literarturprogramm, das auf ein bestimmtes Kunstideal verpflichten will.”; vgl. SCHÄFER, Nachwort, in: Horaz, Ars poetica, übersetzt von E. Schäfer, Stuttgart 1972, 61. 103 Theocr.epigr. 19 (Gow). 104 Z.B. Prop. 3,1,3; Hor.carm. 3,3,1. 105 Plato, Ion 534e. Vgl. zum Dichter als Boten (ἄγγελος) der Götter z.B. FALTER, Dichter (s. Anm. 73), 74. 106 Z.B. Hor.carm. 1,1; 3,19,5; Hor.ars.poet. 400; Prop. 4,6,29; FALTER, Dichter (s. Anm. 73), 76f. 107 Vgl. die Angaben bei FALTER, Dichter (s. Anm. 73), 75. Vgl. zu ὑποφητής Theocr.id. 12,116; 17,115; 16,29. 108 Hor.sat.1,10,66; Phaedr.prol.lib. 1,1f. 109 Enn. fragm. 7. 110 Hom.Od. 8,43f.; 22,376; 13,28f.; vgl. weitere Angaben bei A. KAMBYLIS, Die Dichterweihe und ihre Symbolik. Untersuchungen zu Hesiodos, Kallimachos, Properz und Ennius, BKAW NF 2/5, Heidelberg 1965, 9. 111 Siehe auch VON ALBRECHT, Vergil. Bucolica (s. Anm. 71), 204, im Hinblick auf die vierte Lycidas-Rede (Verg.ecl. 9,30–36): „Die Musen machen ihn [sc. Lycidas] zum poeta (etwa: ‚Liedermacher‘; hier geht es um die Fähigkeit, Gedichte ‚herzustellen‘).“ 112 Vgl. z.B. Stat.silv. 1,4,25; 1,5,1: entheus; Ov.ars.am. 3,549: deus est in nobis. 113 Dies gilt auch für die moderne Literatur; vgl. dazu etwa BARMEYER, Musen (s. Anm. 101), 16–37. 114 SELBMANN, Dichterberuf (s. Anm. 100), 7; KROLL, Studien (s. Anm. 30), 38: „Hier ist der dionysische Rausch vergessen und an seine Stelle ist die nüchterne, harte Arbeit getreten.“ J.H. WASZINK, Biene und Honig als Symbol des Dichters und der Dichtung in der griechisch-römischen Antike, Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften. Geisteswissenschaften. Vorträge G 196, Opladen 1974, 13, spricht vom „Übergang vom Seher, vom Enthüller verborgener Wirklichkeiten (ob es sich nun um die Entstehung der Götterwelt oder um den größtenteils vergessenen Krieg um Troja handelt) zum kunst-gerechten Dichter.“ Vgl. zum antiken Schaffensprozess generell SCHICKERT, Schutz (s. Anm. 73), 117–128. Vgl. zur Entwicklung z.B. H. MAEHLER, Die Auffassung des Dichter-berufs im frühen Griechentum bis zur Zeit Pindars, Hyp. 3, Göttingen 1963; KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110); E. STEIN, Autorbewußtsein in der frühen griechischen Literatur, Tübingen 1990; W. SPEYER, Göttliche und menschliche Verfasserschaft im Altertum, in: J. Frey/J. Herzer/M. Janßen/ C.K. Rothschild (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen, WUNT 246, Tübingen 2009, 105–124.

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Auskünfte über das jeweilige poetologische (Selbst-)Verständnis finden sich an vielen Orten. Neben signifikanten Selbst- und Fremdbezeichnungen115 (s.o.) und rhetorischen und theoretischen Werken geben Autoren über ihr poetologisches Selbstverständnis explizit etwa in Pro- und Epilogen bzw. Pro-legomena Auskunft.116 Auch der Symbolkomplex der Dichterweihe117 sowie der bewusste Gebrauch von Terminologie118 steht im Dienst der poetologischen Positionierung. Nicht zuletzt lassen sich Autorkonzepte an metaphorischer und vergleichender Rede festmachen.119 So weisen z.B. zahlreiche Metaphern aus dem Handwerksbereich einen Autor als poeta faber aus.120 Die Vater/Mutter/ Kind/Sklaven-Metaphorik im Hinblick auf Autoren und ihre Texte dagegen impliziert Autorbewusstsein, Verbundenheit mit dem Werk und nicht zuletzt das Vorhandensein der Vorstellung von geistigem Eigentum.121 Besonders aber die Tiermetaphorik eignet sich, die unterschiedlichen Konzepte und Aspekte antiker Autorverständnisse aufzufächern und die Diskussion des fiktiven Symposiums exemplarisch zu vertiefen.

115 Hierbei sind auch im Hinblick auf eine Bezeichnung viele Deutungen möglich; wenn z.B. Horaz von sich als lyricus vates spricht, so drückt dies nicht (allein) einen religiösen, sondern auch einen gesellschaftlichen Anspruch aus; vgl. auch M. KIMMEL, Motive und Rollen des Autors in Vergils Eklogen, den Oden des Horaz und den Elegien des Properz, Münster 2014, 161–168; siehe auch Anm. 285. 116 Z.B. Pro–und Epiloge des Phädrus, Methodenprolegomena in der Fachliteratur oder werkimmanente, selbstreflexive Äußerungen wie z.B. Hor.sat. 1,4 und 1,10; Ov.trist. 2. 117 Vgl. dazu grundlegend KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110) und W. SUERBAUM, Untersuchungen zur Selbstdarstellung älterer römischer Dichter. Livius Andronicus. Naevius. Ennius, Spudasmata 19, Hildesheim 1968. 118 Vgl. zum Sprachgebrauch des Ennius z.B. A. KERKHECKER, Zur internen Gattungsgeschichte der römischen Epik: das Beispiel Ennius (Ann. 7), in: E.A. Schmidt u.a. (Hg.), L’histoire littéraire immanente dans la poésie latine, Entretiens sur l’antiquité classique 47, Genf 2001, 39–95 (76f.): „Mit dicti studiosus scheint sich Ennius als hellenistischer φιλόλογος zu präsentieren. Der Dichter ist für ihn ein Schriftsteller (scripsere 206), der sich davor hüten muß, in den Gesang der Faune und Seher zu verfallen (canebant 207) […]. Ennius baut einen Gegensatz auf: hier modern–hellenistische, dort altväterisch-römische Dichtung. Er singt nicht, er schreibt. Was er schreibt, sind nicht carmina, sondern poemata. Statt der Faunei vatesque erscheint ihm der poeta Homer. Und anstelle der Camenae ruft er die Musen des Olymp […]. Diese explizite Selbstcharakterisierung des Ennius ist grundlegend hellenistisch bestimmt. Im Vordergrund steht ein metrisch-stilistisches Verständnis seiner τέχνη.“ Siehe auch SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 271–275. 119 Vgl. z.B. C. LEIDL, Autor und Werk. Metaphern in der Konstitution literarischer Kategorien, Dictynna 2 (2005). 120 Siehe auch LEIDL, Autor (s. Anm. 119), 7. Vgl. für einen Überblick im Hinblick auf die frühe griechische Literatur R. NÜNLIST, Poetologische Bildersprache in der frühgriechischen Dichtung, BzA 101, Stuttgart u.a. 1998, 83–125. 121 Vgl. dazu JANßEN, Plagiat (s. Anm. 48), 813f.

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2. Fabula docet Bereits in der Antike werden bestimmten Tieren bestimmte Eigenschaften zugeschrieben (z.B. Arist.hist.an. 1,1 488b12–24), was eine Übertragbarkeit auf menschliches Handeln möglich macht. Tiere fungieren in diesem Sinne seit alters her als „kaschierende Maske für einen bestimmten Menschentypus“122. Dies schlägt sich in der antiken Literatur auf vielfältige Weise nieder, wie z.B. Tiergleichnisse im Epos,123 die Tiermasken in der alten Komödie (z.B. Aristophanes, Aves, Ranae, Vespae), der Physiologus124 oder die antike(n) Fabel (-sammlungen)125 zeigen. Die Gründe für die Beliebtheit der Tiermetaphorik liegen auf der Hand. „Die Tiermetaphorik nutzt einerseits magische Vorstellungen aus, die mit bestimmten Tieren verbunden sind, besonders ihre Assoziationen mit bestimmten Göttern, andererseits verwendet sie Tiere als exemplarische Verkörperung von Eigenschaften.“126 Die mit der Tiermetaphorik und den Tiervergleichen verbundenen Zielrichtungen sind vielfältig und reichen von der karikierenden Polemik bis zur moralisierenden Ermahnung in der klassischen Fabel.127 Auch im poetologischen Diskurs hat die bildliche Sprache über Tiere ihren festen Ort. Um eine spezielle Dichtungsart, die Wertigkeit von Dichtung, das Verhältnis zwischen Autor und Werk und weitere wesentliche Dimensionen antiker Literatur(-produktion) zu illustrieren, bedient man sich in der Antike der Tiermetaphorik bzw. wählt für sich selbst oder andere passende poetologische alter egos und Tier-similes.

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NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 39. Nicht nur menschliche Eigenschaften, auch die Wesenszüge der Götter werden durch Tiere illustriert; vgl. z.B. M. GIEBEL, Tiere in der Antike. Von Fabelwesen, Opfertieren und treuen Begleitern, Darmstadt 2003, 22–31. 123 So z.B. in den homerischen Epen; siehe dazu auch GIEBEL, Tiere (s. Anm. 122), 74f.; W. MARTINI/J. KÜPPERS/M. LANDFESTER, Griechische Antike, in: P. Dinzelbacher (Hg.), Mensch und Tier in der Geschichte Europas, Stuttgart 2000, 71–80 (59–62). 124 Im Physiologus werden die Überlieferungen und Eigenarten der Tiere unter anderem allegorisch auf christliche Werte und Eigenschaften gedeutet; sie illustrieren die Aufforderung, diese zu leben. Vgl. dazu: Physiologus. Frühchristliche Tiersymbolik. Aus dem Griechischen übersetzt und herausgegeben von Ursula Treu, Berlin 1981. 125 Neben den Fabelsammlungen des Äsop, Babrius und Phädrus sind Fabeln allgemein weit verbreitet; vgl. Hes.erga 203–212; Archilochos, fragm. 81–83; 89–95; 96–99; Herodot, 1,141; Ennius, fragm. 21–58; Lucilius, fragm. 1074–1083; Livius 2,32,9–12, Hor.sat. 2,6,79–117; Hor.ep. 1,1,73–75; 1,3,18–20; 1,7,29–33. Vgl. zu einer Materialsammlung z.B. Antike Fabeln, herausgegeben und aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt von J. Irmscher, Berlin u.a. 1978. Einführend dazu siehe N. HOLZBERG, Die antike Fabel. Eine Einführung, Darmstadt 1993. 126 LEIDL, Autor (s. Anm. 119), 24. 127 Vgl. zur Intention der Fabel z.B. Phaedr.prol.lib. 2,1–4: „In Gleichnissen besteht die Kunst Äsops. Auch kennt die Fabel keinen andren Zweck, als Menschen ihren Irrtum vorzuhalten und jeden klugen Vorsatz zu bestärken.“

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2.1 Klassische Symboltiere für den Dichter und die Dichtung Die klassischen Repräsentanten für Dichter sind Vögel.128 Nicht umsonst ist vom „beflügeltem Lied“ (πτερόεντος ὕµνος)129 oder „süßgefiederten Melodien der Musen (µέλεα µελιπτέρωτα Μουσᾶν)“130 die Rede. Demokrit (fragm. 154) bringt es auf den Punkt: „Die Menschen sind in den wichtigsten Dingen Schüler der Tiere geworden: der Spinne im Weben und Stopfen, der Schwalbe im Hausbau und der Singvögel, des Schwans und der Nachtigall, im Gesang und zwar auf dem Wege der Nachahmung (κατὰ µίµησιν).“ Das dem Vogelbild inhärente Evokationspotential im Hinblick auf Dichter und Dichtung liegt dabei auf der Hand. Zum einen bezaubern Vögel durch ihren süßen oder kraftvollen Gesang,131 zum anderen sind Vögel als sich in die Luft erhebende Wesen Mittler zwischen himmlischer und irdischer Sphäre.132 Wie ein Vogel singt der Dichter kraftvolle oder süße Lieder und erhebt sich auf den Olymp bzw. wird von einem Vogelgespann gezogen. Von daher erstaunt es nicht, dass zur symbolischen Darstellung der Dichterexistenz bzw. zur poetologischen (Selbst-) Positionierung der ornithologischen Metaphorik eine große Bedeutung zukommt, wobei von den zahlreichen Vogelvergleichen vor allem drei Vögel besonders herausragen. Der für seine Singstimme bekannte Schwan133 dient als häufig gebrauchte „Metapher für den Dichter/Sänger“134. Zunächst gelten Schwäne als Musen128 So bezeichnet z.B. Horaz Varius als Maeonii carminis ales (Hor.carm. 1,6,2). Vgl. zu weiteren Belegen für Vogelpseudonyme in der Antike z.B. U. SCHMITZER, Gallus im Elysium. Ein Versuch über Ovids Trauerelegie auf den toten Papagei Corinnas (am. 2,6), Gymnasium 104 (1997), 245–270 (252). Signifikant in dieser Hinsicht ist auch, dass der Förderer der Dichter Maecenas als argutas garrulus inter aves bezeichnet wird (Eleg.in Maecen. 1,24f.); siehe dazu ebd., 252. 129 Pind. Istm. 5,3,63; ähnlich auch z.B. Pind.Nem. 6,2,28; 7,2,20. 130 Athen. deipon. 14,633. Übertragung hier und im Folgenden nach: Athenaios von Naukratis, Das Gelehrtenmahl. Aus dem Griechischen von U. und K. Treu, Leipzig 1985. 131 Vgl. zum Vogelgesang als Gegenstand antiker Dichtung z.B. A. PISCHINGER, Der Vogelgesang bei den griechischen Dichtern des klassischen Altertums. Ein Beitrag zur Würdigung des Naturgefühls in der antiken Poesie, Eichstätt 1901. Zur Beliebtheit des Vogelgesangs siehe z.B. J. POLLARD, Birds in Greek Life and Myth, London 1977, 155–187. 132 NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 42. 133 Wie eng der Schwan mit seiner Stimme zusammengesehen wird, zeigt nicht zuletzt am Ende der Antike der etymologische Versuch, cycnus von canere abzuleiten (Isid.etym. 12,7,18). 134 C. HÜNEMÖRDER, Schwan, DNP 1 (2001), 272–274 (273). Vgl. insgesamt auch E. CHALATSI, Kyknos melodos. Schwan und Schwanengesang in der griechischen Antike, Freie Uni. Berlin Diss., 1999; vgl. auch M. MÖLLER, Der staunende Achill: Eine poetologische Lektüre der Cygnus-Episode (Ov. met. 12,64–167), Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 6 (2003), 51–66 (64f.); H. DONOHUE, The Song of Swan. Lucretius and the Influence of Callimachus, New York 1993, 1–34; M. JAKOB, „Schwanengefahr“. Das lyrische Ich im Zeichen des Schwans, München u.a. 2000; H. GOSSEN, Schwan, RE II (1921), 782–

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vögel (Μουσάων ὄρνιθες)135 und Attributvögel des Apollon, des Gottes der Musik und Dichtung. „Phoibos, hell besingt dich der Schwan, und mit tönenden Schwingen senkt er zum Ufer der wirbelnden Flut des Peneios sich nieder.“136 Nahezu sprichwörtlich geworden ist weiter die Rede vom „Schwanengesang“ (cycni sonum [z.B. Hor.carm. 4,3,20]), die ein weites Bedeutungsspektrum aufweist.137 Der Schwan als Tier-simile und poetologisches alter ego ist weit verbreitet, wobei unter den zahlreichen Schwanenvergleichen besonders die sogenannte Apokyknosis des Horaz (Hor.carm. 2,20) hervorsticht (s.u.). Dass der Schwan das Symboltier der Dichter (Aelian.nat.an. 2,32; 14,13) schlechthin ist, zeigen nicht zuletzt die zahlreichen antiken Antonomasien. Pindar gilt als „helikonischer Schwan“ (Anth.Pal. 2,382), Anakreon als „Schwan von Teos“ (Anth.Pal. 7,30), Alkman als Dichter-Schwan (Anth.Pal. 7,19), Vergil als λιγύθροος κύκνος (Anth.Pal. 2,72) und später in der Folgezeit auch als „Schwan von Mantua“.138 Der Schwanenvergleich ist dabei nicht auf Dichter beschränkt, sondern schließt z.B. auch Philosophen mit ein. So gilt Plato als de Academia cupidinis cycnus (Apul.Plato. 1).139 Sokrates bezeichnet sich als „Dienerschaftsgenosse“ (ὁµόδουλος) der Schwäne (Plato Phaid. 85e); der Legende nach wird er in einer Traumvision vor dem Tod in einen Schwan verwandelt, der von Ast zu Ast fliegend seinen Häschern entkommt (Olymp.vitaPlat. 2).140

792 (788f.); G. WARMUTH, Autobiographische Tierbilder bei Horaz, Altertumswissenschaftliche Texte und Studien 22, Hildesheim u.a. 1992, 88. 135 Vgl. zu den Schwänen als Musenvögel Callim.Del. 249; siehe GOSSEN, Schwan (s. Anm. 134), 788. 136 Hom.hymn. 21: An Apollo. Übertragung nach: Homerische Hymnen, herausgegeben und übersetzt von A. Weiher, München 31970. In der Legende sind Geburt und Leben des Apollo von Schwänen begleitet; vgl. zu den Belegen GOSSEN, Schwan (s. Anm. 134), 788f.; HÜNEMÖRDER, Schwan (s. Anm. 134), 273f. Zu den einzelnen Aspekten der Verbindung zwischen Apollo und dem Schwan siehe ausführlich JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 37–51. 137 Zum Topos des Schwanengesangs und seinen unterschiedlichen Implikationen zwischen Klagegesang und Gotteserkenntnis siehe JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 18– 23; 418 Anm. 7. Die übliche Bedeutung von Schwanengesang als Sterbelied findet sich z.B. bei Aisch.A. 1444f.: Kassandra singt vor ihrem Tod „nach Schwanen Art“ das letzte Lied, womit der Schwanengesang als Sterbelied (γόος θανάσιμος) qualifiziert ist (vgl. z.B. auch Athen.deipon. 393d). Anders konnotiert ist der Schwanengesang bei Platon (Plato Phaid. 84e–85c), wo nicht die Klage bestimmend ist: Schwäne singen deswegen am schönsten vor dem Tod, weil sie zu Gott gehen und – prophetisch sehend – wissen, dass etwas Gutes kommt. 138 Vgl. auch MÖLLER, Achill (s. Anm. 134), 65. 139 Vgl. auch Pausan. 1,30; D.L. 3,5. Weitere Stellen bei JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 419 Anm. 15. 140 K. LUCK-HUYSE, Der Traum vom Fliegen in der Antike, Palingenesia 62, Stuttgart 1997, 180–187 (181 Anm. 291); JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 28; A. RIGNINOS, Platonica. The Anecdotes concerning the Life and the Writings of Plato, New York 1976,

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Auch in der Mythologie ist der Zusammenhang von Schwan und Gesang bezeugt. Der Legende nach verwandelte sich Kyknos, König von Ligurien, bei seinem Trauergesang um Phaeton in einen Schwan (Verg.Aen. 10,189; Ov.met. 2,367–380; Pausan. 10,30,3).141 Auch der Adler – der „Vogel des Zeus“142 – ist ein geeignetes Symboltier für den Dichter. Hier zielt der Vergleich nicht in erster Linie auf die Stimmgewalt, sondern auf seine Eigenschaft als mächtigster Vogel mit hohem Ansehen (Plin.nat. hist. 10,3,6).143 Der Flug des Adlers zeichnet sich durch seine grenzenlose Weite, Höhe und Schnelligkeit aus,144 womit das Adler-simile für Kraft, Überlegenheit, unbegrenzten Ruhm und auch (dichterische) Freiheit steht. Eindrucksvoll fasst dies Bakchylides (5,16–30) in folgende Worte. „[...] Durchschneidend den hohen Äther droben mit bräunlichen, hurtigen Flügeln, zeigt sich der Adler, des Weltenherrschers Zeus Bote, des Donnerers, voll Mut seiner gewaltigen Kraft fest vertrauend. Es ducken sich die Vögel, laut rufend, in Furcht. Ihn halten die Gipfel nicht auf der mächtigen Erde noch nie ermattender See hochbrandende Wogen. Er schwingt im endlos leeren Weltraum das feinfedrige Flugkleid in Westwinds Wehen, ist leicht zu erkennen, schauen Menschen nach ihm aus.“145 Das Adler-simile ist in der Antike vor allem mit Pindar verbunden, der sich in seiner bildlichen Rede mit dem Adler vergleicht (z.B. Pind.Nem. 3,4,80–82; 5,2,21f.; Pind.Ol. 2,5,86–88), was ihm den Beinamen „the Thebaen eagle“146 eingebracht hat und nicht zuletzt den enormen Anspruch seiner Dichtung illustriert: „Der Adler (αἰετὸς) ist der schnellste unter den Vögeln, der im Augenblick von ferne zustoßend, mit den Krallen den blutigen Fang ergreift. Die krächzende Krähe (κραγέται κολοιοὶ) hält sich in den Niederungen.“ (Pind.Nem. 3,4,80–82). 25. Vgl. zu den unterschiedlichen Versionen und Implikationen dieses Traums JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 24–28. 141 Vgl. dazu die weiteren Stellenangaben bei C. ZGOLL, Phänomenologie der Metamorphose. Verwandlungen und Verwandtes in der augusteischen Dichtung, Classica Monacensia 28, Tübingen 2004, 103–105.332; JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 48–54. 142 GIEBEL, Tiere (s. Anm. 122), 27. 143 Nicht ohne Grund wird der Adler zum Siegelsymbol; vgl. C. HÜNEMÖRDER, Adler, DNP 1 (1996), 115f. (116). 144 NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 56; siehe insgesamt zum Adler in der poetologischen Metaphorik ebd., 56–59. 145 LUCK-HUYSE, Traum (s. Anm. 140), 178f. Übertragung hier und im Folgenden nach: Simonides. Bakchylides, Gedichte. Griechisch-deutsch, herausgegeben und übersetzt von O. Werner, München 1969. 146 Vgl. z.B. R. STONEMAN, The Thebaen Eagle, CQ 26 (1976), 188–197, der dies freilich ironisch meint, da er die Position vertritt, die Adler-Stellen beziehen sich nicht – wie klassisch angenommen – als Selbstbezeichnungen auf Pindar, sondern auf die Adressaten. Vgl. zur klassischen Deutung jetzt aktuell P. BOITANI, Winged Words. Flight in Poetry and History, Chicago 2007, 92: Der Adlerflug „is one of Pindar’s favorite images for his own poetry.“

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Neben Schwan und Adler tritt die Nachtigall als „Dichtervogel par excellence“147. Der kleine Vogel, der seinen Jungen sogar Gesangsunterricht erteilt (Arist.hist.an. 4,536b 17f.), ist für seinen süßen und leichten Gesang beliebt und übertrifft als λιγύφωνος ἀοιδοτάτη (Theocr.id. 12,6f.148) alle anderen Vögel: σὲ […] ἀναβοάτω, σὲ τὰν ἀοιδοτάταν ὄρνιθα µελῳδὸν (Eurip.Hel. 1107–1109). Es liegt auf der Hand, dass die Nachtigall zum Synonym für Dichtkunst und Lieder wird.149 Zahlreiche Belege zeigen, dass sich Dichter für ihr Selbstverständnis die Nachtigall als poetologisches alter ego wählen.150 Neben Kallimachos (prol. 13–20) spricht beispielsweise Bakchylides (3,94–98) von sich als „Nachtigall von Keos“, die durch ihren Gesang den Ruhm von Hieron weitertragen wird. „Dem, der gut sich hielt, bringt nicht Schweigen Ehre; nennt wahrheitsgetreu man ihn, bringt im Lied man dann auch den Dank der honigzüngigen Nachtigall von Keos (µελιγλώσσου Κηίας ἀηδόνος) vor.“151 Von der Metamorphose des Dichters in den Körper einer Nachtigall berichtet Platon: Die Seele des Sängers Thamyris sei nach dessen Tod in eine Nachtigall übergegangen (Plato polit. 10,620a). Vergleichbar den Bienen (s.u.) erscheint die Nachtigall in der Kindheitsgeschichte des Stesichoros und singt auf dem Mund des Knaben (in ore Stesichori cecinit infantis), was diesen als großen Dichter ankündigt (Plin.hist.nat. 10,82). Nicht nur Vögel, auch weitere geflügelte Wesen wie z.B. die Zikade erscheinen als Symboltiere für den Dichter. Bekannt für ihren „meisterhaften Gesang“152 singt die Zikade noch schöner als der Schwan (Anth.Pal. 9,92). 147

NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 40. Siehe auch Theocr.id. 5,136f.; Plin.nat.hist. 10,81–85. Vgl. zu weiteren Belegen auch A. STEIER, Luscina, RE 13/2 (1927), 1854–1865 (1864f.). 149 C. HÜNEMÖRDER, Nachtigall, DNP 8 (2000), 672–673 (673). 150 Vgl. zur Nachtigall als Vogel-simile für Dichter mit den entsprechenden Belegen z.B. NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 40–45; GIEBEL, Tiere (s. Anm. 122), 129f.; HÜNEMÖRDER, Nachtigall (s. Anm. 149), 673; STEIER, Luscina (s. Anm. 148), 1862f.; A. R. CHANDLER, The Nightingale in Greek and Latin Poetry, Classical Journal 30 (1934/35), 78–84 (81). Auch für Redner ist die Nachtigall ein geeignetes Vogel-simile; vgl. dazu S. ZWEIMÜLLER, Lukian „Rhetorum praeceptor“: Einleitung, Text, Kommentar, Hyp. 76, Göttingen 2008, 362 Anm. 967. Wie nahezu selbstverständlich die Nachtigall zum Symboltier für die Dichtung wurde, zeigt nicht zuletzt Aristophanes in seiner Parodie des Dithyrambendichters Kinesias, dem er den Wunsch in den Mund legt, in eine melodische Nachtigall verwandelt zu werden (Ar.av. 1380f.). Eventuell bezeichnet sich bereits Hesiod in der Fabel vom Habicht und der Nachtigall mit der Chiffre Nachtigall; vgl. zu einer diesbezüglichen Interpretation von Hes.erga 203–212 z.B. B. Zimmermann (Hg.), Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Erster Band: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit, München 2011, 323. 151 Vgl. zu den Schwierigkeiten der Interpretation dieser Stelle J. STENGLER, Poetische Argumentation. Die Funktion der Gnomik in den Epinikien des Bakchylides, UALG 69, Berlin u.a. 2004, 123f. Anm. 222; K. LENNARTZ, Zu Bakchylides 3,94–98, RhM 140 (1997), 90f. 152 ZWEIMÜLLER, Lukian (s. Anm. 150), 283. 148

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Anakreon widmet der Zikade ein Gedicht, in dem er unter anderem ihren Gesang und ihre Nähe zu den Musen und Apollo preist (Anacreon.carm. 34,10– 14): „Es lieben dich die Musen, es liebt dich Phoibos selbst, und er hat dir eine helle Gesangskunst gegeben.“153 Allgemein gelten Zikaden als Attribut der Musen (z.B. Anth.Pal. 10,16) bzw. Μουσῶν προφὴται (Plato Phaidr. 258e– 259a). Eindrucksvoll führt der Zikadenmythos bei Platon (Plato Phaidr. 258e– 259d) die Verbindung der Zikaden mit dem Gesang und den Musen vor Augen. Aus diesen Gründen avanciert die Zikade zum „Programmtier der Dichterzunft“154 und „Chiffre für Liedkunst“155. Der Zikadenvergleich ist „sprichwörtlich für akustische, d.h. dichterische Qualität“156, was an die Eigenschaft des Zirpens der (männlichen157) Zikade anknüpft. Pratinas z.B. vergleicht die Spartaner mit Zikaden, um auf ihre Musikalität hinzuweisen (Athen.deipno. 14,632f.: Λάκων ὁ τέττιξ εὔτυκος εἰς χορόν). Bei Kallimachos (Aitia 1,29–40) wird „das Zirpen zum Symbol für die höhere Dichtung und die Z. selbst für den Dichter (Anth. Pal. 12,98), für die Muse als Helferin des Dichters (Timon FGrH 566 F 43) oder für dessen Gegenstand (Anakr. 32 B.).“158 Zikaden fungieren in vielen Bereichen als Tier-simile für den Dichter, aber auch für den Redner (z.B. Luc.rhetor.praec. 13; Theocr.id. 1,145–148; 5,28–30). Auch „Bienen sind ein alter, geläufiger Vergleich für den Dichter,“159 den Platon klassisch auf den Punkt bringt. Er vergleicht die Dichter mit Bienen, die in den Musenhainen aus honigströmenden Quellen pflücken und den Menschen Gesänge bringen und kommt so zu dem Schluss: „Ein leichtes Wesen ist ein 153

Übertragung hier und im Folgenden nach: A. ZOTOU, Carmina anacreonta 1–34. Ein Kommentar, Berlin u.a. 2014. 154 M. ASPER, Onomata allotria. Zur Genese, Struktur und Funktion poetologischer Metaphern bei Kallimachos, Hermes Einzelschriften 75, Stuttgart 1997, 195; C. GEIßLER, Der Tithonosmythos bei Sappho und Kallimachos. Zu Sappho fr. 58 V.,11–22 und Kallimachos, Aitia fr. 1 Pf., Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 8 (2005), 105–114 (109); NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 45–48; C. HÜNEMÖRDER, Zikade, DNP 12/2 (2003), 805f. (806). Die Zikade wird auch für Redner zum Symboltier; vgl. ZWEIMÜLLER, Lukian (s. Anm. 150), 363 Anm. 967. 155 NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 47. 156 ASPER, Onomata (s. Anm. 154), 195 Anm. 268 (mit zahlreichen Nachweisen). 157 Schon in der Antike war bekannt, dass der Gesang vor allem von den männlichen Exemplaren ausging, was durchaus polemisch aufgegriffen wurde. „Xenarchos sagt ‚im Schlaf‘: Sind nicht die Zikaden beneidenswert? Bei ihnen ist das Weibchen völlig stumm.“ (Xenarch, fragm. 14). 158 HÜNEMÖRDER, Zikade (s. Anm. 154), 806. 159 WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 91. Vgl. zu den Belegen und unterschiedlichen Facetten der apis-Metaphorik im Hinblick auf Dichtung und Dichter z.B. WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 191f. Anm. 370; F. OLCK, Biene, RE 3 (1897), 431–450; C. HÜNEMÖRDER, Biene, DNP 2 (1997), 648–650; ASPER, Onomata (s. Anm. 154), 115 Anm. 21; F. WEHRLI, Horaz und Kallimachos, MH 1 (1944), 69–76 (72 Anm. 5); WASZINK, Biene (s. Anm. 114), 23–25; G. W. PIGMAN, The Metaphorics of Imitatio and Aemulatio, Humanities Working Paper 18, Jan 1 979, Pasadena 1979.

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Dichter und geflügelt und heilig (πτηνὸν καὶ ἱερὸν).“ (Plato Ion 534b) Die Eigenschaften der Bienen bieten vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten für einen Vergleich mit der Dichtung bzw. den Dichtern. Zunächst werden Bienen mit den Musen in Verbindung gebracht,160 wie die Rede von musarum volucres (Varro rust. 3,16,7) – „der Musen geflügelten Wesen“161 –, µέλιττα Μούσης (Ar.eccl. 974) oder auch vom musischen Honig (Lucr. 1,947; 4,22) zeigt. Da Bienen als Mittler zwischen den Musen / Göttern fungieren, eignet sich die apis-Metaphorik unter anderem dazu, den Gedanken der göttlichen Inspiration des Dichters zu illustrieren, wofür das Sujet der Ernährung des kindlichen Dichters durch Bienen(-waben) ein Beispiel ist (s.u.). Auch die Gleichsetzung des Bienenhonigs, der als süßester, feinster und heilsamster Saft (dulcissimum atque subtilissimum ac saluberrimum) galt (Plin.nat.hist. 11,4,11)162, mit den süßen Liedern der Dichter macht die Biene zum geeigneten poetologischen alter ego. So spricht z.B. Aristophanes (Ar.av. 748–751) dem Dichter Phrynichos zu, wie eine Biene (ὡσπερεὶ µέλιττα) den Nektar ambrosischer Musik zu saugen (ἀµβροσίων µελέων ἀπεβόσκετο) und als Frucht ein honigsüßes Lied hervorzubringen (καρπὸν ἀεὶ φέρων γλυκεῖαν ῷδάν).163 Bei Pindar z.B. ist der Dichter als Produzent von (honig-)süßen Liedern ein häufig gebrauchtes Bild, das implizit die Gleichsetzung des Dichters mit einer Biene voraussetzt. „Ich goß Honig auf die männerstolze Stadt (Pind.Ol. 10,5,98f.). So sende ich den Nektartrunk (νέκταρ χυτόν), die Gabe der Musen (Μοισᾶν δόσιν), den Männern, die den Preis davontragen, die süße Frucht meines Geistes (γλυκὺν καρπὸν φρενός). (Pind.Ol.7,1,7f.).“ Dies ist nach Pindar allgemein die Aufgabe des Menschen: „Mit Worten aber müssen die Edlen unter den Bürgern ihn preisen und mit honigsüßklingenden Liedern (µελιγδόυποισι ἀοιδαῖς) zieren und besingen.“ (Pind.Nem. 11,2,1f).164 Auch die spezielle Tätigkeit der Biene, nämlich (Blütenstaub) zu sammeln und (Honig) zu produzieren, samt der damit verbundenen Fähigkeiten wie Fleiß und Kunstfertigkeit lassen sich leicht auf die Arbeit eines Dichters übertragen (z.B. Hor.carm. 4,2; Lucr. 3,9–13; Sen.ep. 84,6– 8), weswegen die apis-Metaphorik auch zur Veranschaulichung des Imitatiogedankens und der Literaturproduktion zum Einsatz kommt (s.u.). Angesichts des mit dem Bienenbild verbundenen evokativen Potentials erstaunt es nicht, dass Dichter sich selbst oder andere Dichter und Denker als Bienen bezeichnen 160

Siehe OLCK, Biene (s. Anm. 159), 447f.; HÜNEMÖRDER, Biene (s. Anm. 159), 649. Marcus Terentius Varro, Gespräche über die Landwirtschaft. Buch 3, herausgegeben, übersetzt und erklärt von D. Flach, Darmstadt 2002, 170. Zu Bienen als Musenvögeln siehe HÜNEMÖRDER, Biene (s. Anm. 159), 649. 162 Vgl. zur Süße des Honigs z.B. WASZINK, Biene (s. Anm. 114), 6–9. Vgl. auch zum Wortspiel mel / melius bzw. µέλιττα / µέλω PIGMAN, Metaphorics (s. Anm. 159), 38. 163 Text nach: Aristophanes, Birds. Lysistrata. Women at the Thesmophoria, herausgegeben und übersetzt von J. Henderson, London 2000. 164 Vgl. ferner zu diesem Bildkomplex bei Pindar z.B. Pind.Isth. 2,1,6–8; 3,53f.; 7,2,20f.; Pyth. 7,6,52f.; 10,3,53f. u.ö. 161

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wie es z.B. bei Erinna (Anth.Pal 7,13 u.ö.), aber auch bei Xenophon (Anth.Pal 2,392) oder einem unbekannten Sophisten (Anth.Pal. 16,36) der Fall ist.165 2.2 Tiermetaphorik als Veranschaulichung der agonalen Dimension antiker Dichtung Dichtung ist immer Vergleich, Wettkampf und agonale Variation. Man bezieht sich auf Vorbilder und misst sich mit ihnen und anderen. Diese der antiken Dichtung inhärente agonale Dimension bildet sich auch in der Tiermetaphorik in Form von wertenden Antithesen und Oppositionen ab.166 Dies zeigt bereits ein Blick auf die Vogel-Metaphorik im poetologischen Kontext, die äußerst facettenreich ist und auf die differenzierte Kenntnis der Vogelarten in der Antike zurückgreifen kann.167 Neben den klassischen, in der Regel positiv besetzten Vögeln Nachtigall, Adler und Schwan gibt es zahlreiche Vögel mit negativem Image.168 Hierzu gehören der Kranich (Callim.prol. 13–20; Lucr. 4,181f.; 910f.), der plappernde Papagei (imitaris ales [Ov.am. 2,6,1]; Pers.prol.sat.), die Krähe (z.B. Hor.ep. 1,3,15–20), der Rabe (z.B. Pers.prol.sat; Pind.Ol. 2,5,86– 87) oder die Elster, die als besonders geschwätzig (Plin.hist.nat. 10,118; Petr.sat. 37; Martial 14,76; Pers.prol.sat.)169 und als schlechte Sängerin gilt, was sich in der Mythologie niederschlägt170 und sich in der Polemik spiegelt.171 165

Vgl. etwa die Angaben bei OLCK, Biene (s. Anm. 159), 447. Die Beispiele ließen sich vermehren. Siehe ferner z.B. die Rekonstruktion eines Simonidesfragments (43 Diehl) von H. Fränkel, in der der Dichter einer „klugen Biene gleich“ arbeitet; vgl. H. FRÄNKEL, Rezension zu M. Hügi, Vergils Äneis und die hellenistische Dichtung, Gn. 25 (1953), 379–389 (388). 166 Vgl. auch JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 68: Es „fällt […] auf, daß das für das indirekte Selbstlob verwendete Vogel-simile nicht bloß wesentliche Aspekte der eigenen Poetik (Begabung, Schnelligkeit, Weite) verankert, sondern zugleich der expliziten Abgrenzung von den ‚Krähen‘ oder den ‚Raben‘ dient.“ 167 Hiervon zeugen allein die zahlreichen zoologischen und naturkundlichen Schriften in der Antike, z.B. von Aristoteles, Alexander von Myndos, Plinius oder Aelian, aber auch Athenaios. Vgl. dazu C. LUNCZER, Vögel in der griechischen Antike. Eine Untersuchung über Kenntnis und Wahrnehmung der antiken Vogelwelt. Diss. Heidelberg 2009. 168 Vgl. zu einer Schar negativ konnotierter Vögel den Prolog zu den Satiren des Persius (s. 2.5). Im Vogel-Elysium des Ovid (amor. 2,6) ist ebenfalls von guten und schlechten Vögeln die Rede, die metaphorisch für gute und schlechte Dichter stehen könnten; vgl. dazu z.B. SCHMITZER, Gallus (s. Anm. 128), 261–265. 169 Vgl. zu weiteren Belegen R. KÖNIG, Plinius. Naturalis Historia in 37 Bänden. Zoologie. Vögel, Düsseldorf 22007, 177. 170 Vgl. Ov.met. 669–678. Die Pieriden werden nach einem verlorenen Wettkampf mit den Musen in Elstern verwandelt. Siehe dazu auch z.B. ZGOLL, Phänomenologie (s. Anm. 141), 117. 171 Vermutlich ist der Name des von Martial verspotteten Dichters Picens ein redender Name, der auf genau dieses negative Image rekurriert (Martial 8,62). Vgl. dazu M. NEGER, Martials Dichtergedichte. Das Epigramm als Medium der poetischen Selbstreflexion, Tübingen 2012, 99f. Generell greift Martial auf redende Namen zurück; vgl. z.B. „Fidentius“ (Herr

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Das Krächzen der Krähen und Raben oder das (Nach-)Plappern des Papageis können es nicht mit dem Gesang eines Schwanes oder einer Nachtigall aufnehmen, die jeweils auf ihre Art für literarische Qualität und deswegen in „Opposition zu minderwertigen Vögeln“172 stehen. So spricht Theokrit (Theocr.id. 7,47f.) von „Musen-Hähne[n] (Μοισᾶν ὄρνιχες), die gegen den Sänger von Chios ankrähen (κοκκύζοντες) und sich dabei umsonst mühen“, und warnt wieter: „Es ist nicht recht, Lakon, daß mit der Nachtigall sich Häher im Wettkampf messen, auch nicht Wiedehopfe mit Schwänen.“ (Theocr.id. 136f.). Auch Lukrez weist darauf hin, dass „der schwache Gesang des Schwanes besser [ist] als des Kranichs Geschrei (clamor gruum), das sich hoch verliert in den Wolken des Südwindes.“ (Lucr. 4,181f.; siehe auch 4,910f.). Der (Selbst-)Vergleich mit einem Vogel lebt von der Ambivalenz der Vogelmetaphorik, die sich eben dadurch auszeichnet, dass es gute und schlechte Vögel, sozusagen „stolze Schwäne“ und „hässliche Entlein“ gibt. Die zahlreichen Vogel- bzw. Tier-Oppositionen können ganz unterschiedliche Funktionen haben. Neben der Herabsetzung anderer bis hin zur Polemik und der Diskreditierung literarischer Leistung oder persönlicher Integrität (s. 2.5) kann dadurch die herausragende Leistung Einzelner betont werden, die auf der Negativfolie der minderwertigen Tier-similes umso heller hervortritt. Der Rednerlehrer übertönt z.B. nach Lukian die anderen Sophisten wie die Zikaden die Bienen (Luc.rhet.praec. 13), womit alte und neue Rhetorik gegenübergestellt werden. Pindar hingegen benutzt die unterschiedliche Wertigkeit von Adler und Krähe, um deutlich zu machen, dass Erlerntes nicht gegen den Genius eines gottbegabten Dichters ankommt und stellt – symbolisiert durch die jeweiligen Vögel – die klassischen Dichtungstheorien gegenüber (Pind.Ol. 2,5,86–87): „Weise ist, wer aus angeborener Art vieles weiß. Die Gelernten, die ungehemmt schwätzen, sollen wie Krähen (κόρακες) neben dem göttlichen Vogel des Zeus (∆ιὸς ὄρνιχα θεῖον) krächzen, was sich nie erfüllt.“173 Neben Pindar – dem Genie und „Thebean eagle“ – erscheinen die gelehrten Dichter wie krächzende Raben. Lukrez wiederum bedient sich der agonalen Tiermetaphorik, um seiner Verehrung für sein Vorbild Epikur Ausdruck zu verleihen. Im Vergleich zu Epikur sei seine eigene Leistung bescheidener, wie Lukrez anhand mehrerer Tiervergleiche veranschaulicht (Lucr. 3,1–8). „Aus so tiefem Dunkel so strahlendes Licht zu erheben der du als erster vermocht hast, die Güter des Lebens erleuchtend, dir folg ich nach, o Zierde des griechischen Stammes, in deiner Füße geprägtes Mal setz ich die haftenden Spuren, nicht begierig so sehr zu streiten, Ehrlichmann) als ironische Bezeichnung für den Plagiator (plagiarius: 1,52) und Dieb (fur: 1,53). 172 NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 57. 173 In der Antike hat man die beiden Raben mit Bakchylides und Simonides identifiziert (vgl. D. KORZENIEWSKI, Der Satirenprolog des Persius, RhM 121 [1978], 329–349 [337f.]).

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als vielmehr aus Liebe, weil dir nachzustreben ich glühe. Was könnte denn streiten Schwalbe mit Schwan, und was vermöchten mit lockeren Gliedern Böckchen Gleiches im Lauf und die Kraft des mächtigen Rosses?“174 Auch bei Theokrit, Vergil und Properz erscheinen die Tieroppositionen im Kontext eines (vermeintlichen) Bescheidenheitstopos, wenngleich sie nicht explizit mit dem Gedanken der Verehrung eines Vorbildes verbunden sind. So liest man bei Theokrit (Theocr.id. 7,36–41): „Denn auch ich bin ein klingender Mund der Musen, und mich nennen alle den besten Sänger. Aber ich bin nicht leichtgläubig, wirklich nicht, beim Zeus! Denn noch übertreffe ich nach meiner Einschätzung weder den edlen Sikelidas aus Samos noch Philitas im Gesang, sondern wie ein Frosch (βάτραχος) gegen Grashüpfer (ἀκίδας) – so etwa messe ich mich mit ihnen.“175 Ähnlich – und Theokrit aufgreifend176 – erscheint eine solche Opposition bei Vergils Inszenierung des lyrischen Bukoliker-Ichs (Verg.ecl. 9,35f.): „Denn bis jetzt scheine ich nichts zu sagen, was eines Varius oder eines Cinna würdig wäre, sondern als Gänserich (anser) unter stimmbegabten Schwänen (olores) zu schnattern.“ Bescheiden und selbstbewusst zugleich ordnet sich auch Properz in den dichterischen Wettkampf ein (Prop. 2,34B,83f.): „Der helltönende Schwan (olor), der hier nicht weniger kraftvoll ist, mag er auch weniger laut sein, ist wegen seines kunstlosen ‚Gänseliedes‘ (anseris carmine) nicht ins Hintertreffen geraten.“ Mit diesen Worten gibt sich Properz nicht nur bescheiden, sondern legitimiert seine eigene kleine Gattung,177 womit ein neuer, wesentlicher Aspekt der (vergleichenden) Tiermetaphorik in den Blick kommt (vgl. auch Pind.Ol. 2,5,86–88). Oft geht es bei der Gegenüberstellung von Symboltieren nicht allein um die Wertigkeit eigener oder fremder Dichtung im Sinne des Wettkampfgedankens, sondern um das Gegenüberstellen und Profilieren poetologischer Positionen/Dichtungstheorien bzw. Gattungen, die jeweils durch ein bestimmtes Tier-simile symbolisiert werden (z.B. Hor.carm. 4,2; Callim.prol. 13–20; Callim.ait. 1,29–40; Prop. 3,3,37–52; Luc.Rhet.praec. 13). 2.3 Symboltiere als Verkörperung von Gattung/Stil und poetologische (Selbst-)Positionierung Die Tiermetaphorik bzw. Tiere als poetologische alter egos sagen etwas über den speziellen Stil, die Dichtungsart oder die Gattung aus, als deren Vertreter ein Autor sich sieht. Dies gelingt dann besonders eindrucksvoll, wenn von Tier-Oppositionen Gebrauch gemacht wird, mit deren Hilfe das eigene Ver174

Vgl. zu weiteren wertenden Tier-Antithesen bei Lukrez auch Lucr. 4,181f.; 4,910f. Tiervergleiche bzw. wertende Antithesen erscheinen oft bei Theokrit (vgl. Theocr.id. 5,28–30 [„…eine Wespe, die brummend gegen eine Zikade antritt…“]; siehe auch Theocr.id. 5,136f.) 176 Vgl. VON ALBRECHT, Vergil. Bucolica (s. Anm. 71), 205. 177 JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 70f. 175

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ständnis von dem anderer (wertend) abgegrenzt und so profiliert werden kann. Ein prägnantes Beispiel für diesen Gebrauch der Tiermetaphorik findet sich bei Horaz in Carmen 4,2, wobei dieser auf eine (Ab-)Wertung des dem eigenen Verständnis entgegengesetzten Tier-simile und des dadurch symbolisierten Dichtungsverständnisses verzichtet. Nach einem Lobpreis auf Pindar und dessen Kunst (Hor.carm. 4,2,1–24) vergleicht Horaz den großen Dichter Pindar mit einem Schwan:178 „Mächtig hebt die Luft (multa levat aura) den Dircäischen Schwan, so oft er die hohen Wolkenregionen hinanfleucht. Ich aber, Antonius, gleich der Matinischen Biene (ego apis Matinae more modoque), welche mit saurer Arbeit (per laborem plurimum) dem lieblichen Thymian Honig entsaugt, dichte ich, klein wie sie, im Hain und am Ufer des quellenreichen Tiburs mühsame Lieder (operosa parvos carmina fingo).“ (Hor.carm. 4,2,25– 32).179 Die Dichtungsart Pindars dient Horaz als Kontrastfolie für seine eigene poetologische Selbstcharakterisierung, die durch das Gegenüber des Pindar’schen Schwans besser profiliert werden kann. Scharf grenzt sich Horaz von Pindar, dem Schwan, ab (Hor.carm. 4,2,27): „ego apis“.180 Dabei geht es nicht um einen reinen Bescheidenheitstopos, mit dessen Hilfe sich Horaz als kleine Biene zum großen Schwan Pindar in Beziehung setzt (vgl. etwa Lucr. 3,9–13; s.o.).181 Im Vergleich zu Pindar ist Horazens Dichtung nicht kleiner, sondern sie ist anders,182 was Horaz anhand der Tier-Opposition „Schwan (Pindar)Biene (Horaz)“ entfaltet.183 Im Gegensatz zu Pindars Genius, der darin zum Ausdruck kommt, dass Pindar singt (canit, Hor.carm. 4,3,13) und wie ein Schwan in fast unermessliche Höhen getragen wird (multa levat aura, Hor.carm. 4,2,25), bedeutet Dichtung für Horaz Fleiß, Mühe und sorgfältiges Ausarbeiten der Verse (per laborem plurimum, Hor.carm. 4,2,29f., operosa parvos carmina fingere, Hor.carm. 4,2,31f.). Bereits die von Horaz gebrauchte Terminologie weist auf ein hellenistisch-kallimachisches Dichtungsverständnis hin,184 das durch die Tiersymbolik unterstützt wird. Hierfür ist die Biene 178 Das Bild von Pindar als sich erhebenden Vogel / Adler erscheint bereits bei Pindar selbst (z.B. Pind.Nem 3,4,80–82). So auch H. P. SYNDIKUS, Die Lyrik des Horaz. Eine Interpretation der Oden. Bd. 2, Darmstadt 1973, 286. 179 Vgl. dazu SYNDIKUS, Lyrik Bd. 2 (s. Anm. 178), 280–294; WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 89–93. 180 SYNDIKUS, Lyrik Bd. 2 (s. Anm. 178), 286; WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 90: „Daran schließt unvermittelt und scharf kontrastierend ‚ego apis. […]‘ an.“ 181 M. VON ALBRECHT, Römische Poesie: Texte und Interpretationen, Tübingen u.a. 2 1995, 130. 182 WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 91: „Horaz hält mit dieser Wertung seiner Dichtung zwar den Gegensatz zu Pindar durch, aber die Selbstverkleinerung wird aufgehoben. Horazens Dichtung hat ihren eigenen, besonderen Wert.“ 183 WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 91. 184 Vgl. auch SYNDIKUS, Lyrik Bd. 2 (s. Anm. 178), 286: „Hinter dem Anschein großer Bescheidenheit stehen berühmte kallimachische Wendungen.“ So weist labor auf hellenistische Vorstellungen hin; vgl. zu den Belegen VON ALBRECHT, Vergil. Bucolica (s. Anm. 71),

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ohne Zweifel ein passendes Tier-simile185, das bereits von Kallimachos selbst im poetologischen Kontext gebraucht wird (Callim.hymn.Apoll. 110).186 Ihr „Fleiß [wurde] vielfach bewundert“187, und ihre Kunstfertigkeit (ingenium188 /subtilitas189) überall gelobt,190 weswegen die Biene gut geeignet ist, die typisch kallimachische Mühe und das Ausarbeiten im Hinblick auf die Dichtung zu illustrieren. Ein weiterer Aspekt schließt sich an. Im Gegensatz zum großen Schwan, der traditionell für die höhere Dichtung steht (z.B. Verg.ecl. 9,29)191, sind die Werke des Horaz klein, wie der Gegensatz von parvus (Hor.carm. 4,2,31) und dem Stürmen „des unerreichbaren Pindars vollströmenden Gesangs (fervet inmensusque ruit profundo Pindarus ore)“ (Hor.carm. 4,2,7f.) zum Ausdruck bringt. Die kleine Biene, die wie die Nachtigall und die Zikade (z.B. Callim.prol. 13–20)192 für kleine und reine193 Form der Dichtung steht,194 passt auch in dieser Hinsicht zur Beschreibung des poetologischen Selbstverständnisses des Horaz und seinen Vorbildern. Gemäß der Überzeugung, „das gewaltige Buch (τὸ µέγα βιβλίον) sei einem großem Unheil gleich (ἴσον ἔλεγεν εἶναι τῷ µεγάλῳ κακῷ)“195, ist die kurze Form ein weiterer wesentlicher Aspekt kallimachischer Dichtung. In Carmen 4,2 veranschaulicht Horaz mit dem Rückgriff auf die apis-Metaphorik indes nicht nur die Profilierung der eigenen Dichtung im Vergleich zu der Pindars. Das Bienen-simile bringt neben dem Trennenden auch das Verbindende zwischen beiden Dichtern zum Ausdruck, 213f. Anm. 1. Vgl. zu fingere als „ausarbeiten“ z.B. WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 91. 185 SYNDIKUS, Lyrik Bd. 2 (s. Anm. 178), 302f.; KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 146. 186 Vgl. dazu z.B. ASPER, Onomata (s. Anm. 154), 114f.; WEHRLI, Horaz (s. Anm. 159), 72. 187 OLCK, Biene (s. Anm. 159), 446. Vgl. z.B. Plin.hist.nat. 11, 4, 11 (laborem tolerant); Sen.ep. 121,22 (laboris obeundi); siehe auch Pind. Pyth. 7,6,53 (μελισσᾶν […] πόνον); Pyth. Od. 10, 3, 54; siehe insgesamt auch GIEBEL, Tiere (s. Anm. 122), 99. 188 Plin.hist.nat. 11,4,12. Siehe auch GIEBEL, Tiere (s. Anm. 122), 99; ZWEIMÜLLER, Lukian (s. Anm. 150), 283. 189 Sen.ep. 121,22. 190 HÜNEMÖRDER, Biene (s. Anm. 159), 649. 191 Vgl. MÖLLER, Achill (s. Anm. 134), 65; JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 70. Vergil distanziert sich freilich – ironisch – von diesen Ascensusgesängen. 192 KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 80.82. 193 Zikade (Callim.ait. 1,29–40 [Ps.-Hes.scut. 395]) und Biene (Callim.hymn.Apoll. 110) nähren sich von Himmelstau, was auf Reinheit hinweist; dies wird im Apollohymnus durch die flankierende Wassermetaphorik vom schmutzigen Bach und den Tropfen reinen Wassers aus der heiligen Quelle unterstützt; vgl. dazu ASPER, Onomata (s. Anm. 154), 109–120. 194 WASZINK, Biene (s. Anm. 114), 23–25; WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 91; SYNDIKUS, Lyrik Bd. 2 (s. Anm. 178), 303. 195 Kallimachos, fragm. 511 (465 Pf). Übertragung hier und im Folgenden nach: Kallimachos Werke. Griechisch-deutsch, herausgegeben und übersetzt von M. Asper, Darmstadt 2004, 522f.

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da auch Pindar der Tradition nach als Kind von einer Biene genährt wurde (s. 2.4). Sowohl Pindar als auch Horaz sind Dichter mit eigenem Recht, aber mit unterschiedlichen Arten, zu dichten. „Die Biene erwies sich also für Horaz als geeignetes Bild für sein dichterisches Schaffen: Sie konnte – im Vergleich zu Pindar – sowohl die dichterische Gleichwertigkeit (aufgrund der langen Tradition der Biene als Symbol für Dichtung und Dichter) abbilden als auch – im Gegensatz zum Schwan – die ‚Kleinheit‘, d.h., die dem Horaz eigene Form.“196 Die Eigenart kallimachischer Dichtung wird bereits bei Kallimachos selbst anhand von Tier-Oppositionen und polemisch wertenden Antithesen veranschaulicht. So heißt es im Prolog 13–20: „Soll doch zu Thrakern von Ägypten her der Kranich fliegen, erfreut durch Pygmäenblut, sollen doch Massageten von weitem schießen auf den Meder: [Kleine Nachtigallen (ἀηδονίδες)] sind so, wie sie sind, süßer. Fort mit euch, übles Neidergeschlecht! Mit Sachverstand lieber beurteilt, nicht mit dem persischen Meilenmaß, die Kunst! Und verlangt nicht von mir, einen großdröhnenden Gesang zu gebären! Donnern ist nicht meine Sache, sondern die des Zeus!“197 Nachtigallen mit ihrer kleinen süßen Art sind dem Donnern der Kraniche – „Chiffre für epischen Tonfall“198 – vorzuziehen. Ein ähnlicher Gedanke, wenn auch unter Rückgriff auf andere Symboltiere – findet sich in seinem Aitienprolog (1,29–40) in Form der „EselZikade-Antithese“199. „Mit denen ja singen wir, die das helle Zirpen der Zikade (λιγὐν ἦχον τέττιγος), nicht aber den Lärm der Esel (θόρυβον ὄνων) liebgewonnen haben. Dem langohrigen Tier ganz gleich soll ein anderer brüllen! Wenn ich doch der Winzling wäre, der geflügelte! Ach, daß ich das Alter ganz – daß ich singen könnte und Tau als tropfenförmige Speise aus göttlicher Luft essen – das aber wieder abstreifen könnte [...].“200 Die Zikade eignet sich wie die Biene als Symboltier kallimachischer Dichtung, da sie für ihre Mühe (z.B. Theocr.id. 7,159) und ihre Eigenschaft als „kleines, geflügeltes Tier“201 bekannt ist. Zudem gilt sie als „Programmtier der Dichterzunft“, während der Esel „fleischgewordene Dummheit“ symbolisiert.202 Auch Properz illustriert seine Art zu Dichten unter anderem mithilfe einer Tier-Opposition. Im Traum wird er von Kalliope angesprochen (Prop. 3,3,37– 50): „Von ihnen berührte mich eine der Göttinnen (wie ich der Erscheinung nach glaube, war es Calliope): ‚Du wirst dich immer mit einem Gespann von weißen Schwänen (niveis cycnis) begnügen, und das Schnauben eines Streitrosses (equi sonus) wird dich nicht in den Kampf führen. Es dürfte nicht deine 196

WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 92. KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 80f. 198 ASPER, Kallimachos (s. Anm. 195), 67, der zudem mutmaßt, dass sich hinter Zeus Homer verbergen könnte. 199 ASPER, Kallimachos (s. Anm. 195), 30. 200 Vgl. dazu auch KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 83–89. 201 Ebd., 82. 202 ASPER, Onomata (s. Anm. 154), 195. 197

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Aufgabe sein, mit heiserem Horn militärische Signale zu blasen [...]. Denn du wirst bekränzte Liebende an fremder Schwelle besingen [...].‘“ Durch Kalliopes Rede wird Properz als Elegiker und servus amoris (Prop. 2,13B,36) stilisiert; gleichzeitig wird deutlich, dass die große epische Dichtung weder seinem Talent noch seiner Berufung entspricht. Diese die Dichterweihe des Properz und ihre komplexe Metaphorik203 durchziehende Opposition von Liebesdichtung und epischer Dichtung spiegelt sich in der Antithese von Schwanengespann und Kampfrossen wider.204 Das kriegerische Pferd steht „sowohl für den heroischen Stoff als auch für das ‚große‘ Epos“205, während das Schwanengespann die Liebesdichtung symbolisiert.206 Während sich Properz trotz früherer – vergeblicher – Versuche (Prop. 2,10,1f.)207 von der epischen Dichtung fernhalten soll, soll er sich der Liebesdichtung zuwenden und sich mit „einem Gespann von weißen Schwänen (niveis cycnis) begnügen“. Der Schwan gilt traditionell als eines der Attributtiere der Venus (z.B. Hor.carm. 4,1,10). Wie Venus selbst von einem Schwanenwagen gezogen wird (Ov.met. 10,708; Hor.carm. 3,28,13–15; 4,1,9–12),208 so sitzen Dichter, die in ihrem Dienst ste203

Neben der Tiermetaphorik erscheint das Wassermotiv. Das Trinken aus der Quelle, aus der einst Philetas getrunken hat, weiht Properz zum Dichter in dessen Nachfolge und damit zum Liebesdichter (Prop. 3,3,51f.). „Aus der Quelle trinken, aus welcher bereits ein anderer Dichter getrunken hat, heißt […] soviel als diesen Dichter nachahmen. So ‚trinkt‘ Properz philitäisches Wasser und wird dadurch zum Liebesdichter geweiht.“; vgl. KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 122 (unter Rückgriff auf ein Zitat von G. RIEDNER, Typische Äußerungen der römischen Dichter über ihre Begabung, ihren Beruf und ihre Werke, Diss. Erlangen 1903, 45); siehe auch ebd., 180; vgl. auch FALTER, Dichter (s. Anm. 73), 70, der darauf hinweist, dass bestimmte Gattungen mit bestimmten Quellen verbunden sind. Bei Properz begegnet bereits in der Rede des Apollo (Prop. 3,3,15–26) der Bildkomplex des „Aus-einem-Fluss-Trinkens“, um die Gegenüberstellung von epischer Dichtung und Liebeselegie zu veranschaulichen. Properz nähert sich mit seinem kleinen Mund der gewaltigen Quelle, als ihn Apollo anspricht: „Was, Wahnsinniger, hast du mit einem solchen Fluß zu schaffen? Wer hieß dich, das Werk heroischer Dichtung zu berühren? Auf diesem Gebiet darfst du dir keinen Ruhm erhoffen, Properz: Kleine Räder müssen sanfte Wiesen befahren, damit dein Buch, das die einsame Frau in Erwartung des Geliebten liest, oft auf der Bank hin und her gewälzt wird“ (Prop. 3,3,15–20). Vgl. dazu KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 129: „Der Text spricht von dem Wunsch des Dichters, ein heroisches Epos für Rom in der Art der Annalen des Ennius zu schreiben.“ Siehe auch ebd., 136–162. An die Warnung Apollons und die Worte der Kalliope hält Properz sich dann auch; vgl. Prop. 3,9,35–44, wobei der Bildkomplex aus Prop. 3,3,15–20 modifiziert aufgenommen wird (exiguum flumen): „Ich durchpflüge nicht im Segelschiff das aufgeschwollene Meer. Im Tal des kleinen Flusses (exiguo flumine) werde ich immer verweilen.“ 204 KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 177–179. 205 Ebd., 178f.: „Es ist sowohl ein Stoff- als auch ein Stil- oder Gattungssymbol.“ 206 So auch ebd., 178; GOSSEN, Schwan (s. Anm. 134), 789. 207 „Nun ist es Zeit, mit anderen Reigen den Helicon zu umschwärmen, nun ist es Zeit, das thessalische Roß ausgreifen zu lassen.“ Vgl. insgesamt Prop. 2,1,1–10.21–26. 208 Zu Belegen vgl. GOSSEN, Schwan (s. Anm. 134), 789.

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hen, im Schwanenwagen. In diesem Sinne beendet Ovid als von Venus eingesetzter Künstler209 seine ars amatoria mit den Worten: „Jetzt ist zu Ende das Spiel, jetzt steig ich nieder vom Wagen, löse des Schwanengespanns glänzende Nacken vom Joch (cygnis descendere).“ (Ov.ars.am. 3,809f.). Die Berufung des Properz zum Liebesdichter wird neben dem Schwanengespann durch ein weiteres Tier, das Liebe(-sdichtung) evoziert, illustriert. In seinem Traum sieht Properz eine Grotte, in der sich Tauben befinden (Prop. 3,3,31f.). „Und die Vögel der Herrin Venus, mein Volk, die Tauben, tauchen ihre purpurroten Schnäbel in den See der Gorgo.“ Neben dem Schwan steht auch die Taube traditionell für die Liebesdichtung210 und den Liebesdichter.211 Tauben gelten als Attributtiere der Venus (z.B. Prop. 4,5,65f.) bzw. der Aphrodite (z.B. Aelian.nat.an. 4,2).212 Aufgrund ihres Verhaltens geben sie Kosenamen für Geliebte (Plaut. Cas. 138) ab213 und fungieren allgemein als exemplum in amore: „Ein Beispiel in der Liebe seien die vereinigten Tauben, Männchen und Weibchen, sie ganz Gattin.“ (Prop. 2,15,27f.; vgl. auch 1,9,5f.).214 Wie das Schwanengespann stilisieren auch die Tauben Properz als Dichter der Liebesdichtung. „Die Schar von Aphroditens Vögel bezieht sich auf den Gegenstand seiner Kunst, sie sind das Symbol dafür. [...] Die rote Farbe (punica rostra) verschönt einerseits das Bild der Vögel, sie gehört außerdem zu der Vorstellung der Geliebten und ihren roten Lippen. [...]. Das Eintauchen der Schnäbel weist auf die Vorliebe des Dichters für das Kleine hin, wie auch auf die Anmut, die der Liebesdichtung allgemein anhaftet.“215 Die Verkörperung bestimmter Dichtungsarten oder Gattungen durch Symboltiere ist über die oben genannten Beispiele in der antiken Literatur verbreitet. So kennt die invektive Dichtung oder Rede neben dem Stier oder dem Wolf (vgl. z.B. Hor.sat. 1,4,34)216 vor allem den Hund als Symboltier. „Der Ver209

Ov.ars.am. 1,7: „[…] hat mich Venus zum Künstler gesetzt für den zärtlichen Amor (me Venus artificem tenero praefecit Amori).“ 210 KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 171f.; SCHMITZER, Gallus (s. Anm. 128), 262. 211 Vgl. Ov.am. 2,6,56; siehe dazu 2.6. 212 Vgl. GIEBEL, Tiere (s. Anm. 122), 25f.: „Die paarungsfreudigen Vögel gehören zu ihr, die schnäbelnden Tauben, die ihren Wagen durch die Lüfte ziehen.“; zu Tauben als Attributen der Aphrodite auf antiken Münzen z.B. K. WELZ, Die Tauben der Aphrodite, Schweizer Münzblätter 9/34 (1959), 33–37. 213 Vgl. insgesamt geistesgeschichtlich zur Taube zum Symbol für Geliebte z.B. Hhld; dazu O. KEEL, Deine Blicke sind wie Tauben. Zur Metaphorik des Hohen Liedes, SBS 114/115, Stuttgart 1984. 214 Vgl. z.B. auch Pysiologus 28 („Von der Turteltaube“). 215 KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 171f. 216 Die einzelnen Symboltiere fungieren gewissermaßen als Bilder für die Waffen des Dichters und seine jeweilige Begabung; vgl. Hor.sat. 2,1,52f.: „Der Wolf kämpft mit dem Zahn, mit seinem Horn der Stier (dente lupus, cornu taurus petit); was andres als ein innerer Naturtrieb lehrt sie dies?“. Vgl. WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 77f.: „Jeder versucht,

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gleich des Jambendichters mit einem Hund ist [...] traditionell und [...] typisch,“217 was an den speziellen Eigenschaften des Hundes wie Bellen, Beißen oder auch (Toll-)Wut liegt.218 So ist die Rede von der facundia canina, der „bissigen Beredsamkeit“219, verbreitet und der „kränkende Biß böser Reden“220 ist gefürchtet; dem bissigen oder aggressiven Dichter und Redner wird rabies (Wildheit, [Toll-]Wut) vorgeworfen (Hor.ars.poet. 79, über Archilochos)221, was sich in entsprechenden Bei- und Spitznamen niederschlägt222 und mitunter auch in harsche Polemik mündet (Ov.Ibis 225–232).223 Die canis–Metaphorik lässt sich allerdings nicht auf reine Polemik reduzieren, sondern ist durch die ambivalente Wahrnehmung von Hunden in der Antike (z.B. Polem.phgn. 21a– b) facettenreicher. Ein Hunde-simile kann jemanden als aggressiv und hemmungslos diskreditieren, aber auch positiv für Angriffsfähigkeit und -lust, Schlagfertigkeit und Wehrhaftigkeit stehen.224 Diese Ambivalenz wird exemplarisch in der sechsten Epode des Horaz deutlich, in der das Hunde-simile sowohl positive Identifikationsfigur als auch Verkörperung der negativen Eigenschaften des Gegners ist. Horaz tituliert den Adressaten der sechsten Epode als „Hund“, und zwar als einen feigen und bestechlichen Hund, der nichts mit dem wehrhaften und wahrhaftigen Hirtenhund gemeinsam hat, als den sich Horaz selbst im Sinne eines positiven Gegenentwurfs stilisiert und präsentiert.225 Horaz ergänzt den durch die unterschiedlichen Hunderassen symbolisierten Gegensatz zwischen sich und dem Gegner flankierend durch weitere Tier-Opposich seine Gegner mit dem Mittel fernzuhalten bzw. sie anzugreifen, mit dem er dazu in der Lage ist, und die mächtige, natürliche Anlage läßt einem keine andere Wahl.“ Siehe insgesamt ebd., 72–80. 217 WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 69. 218 Vgl. z.B. Hor.sat. 1,4,93 (lividus et mordax); sat. 2,1,84f (latraverit). 219 O. ORTH, Hund, RE (1913), 2540–2582 (2573); WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 80. 220 Pind.Pyth. 2,53. 221 Auch Horaz selbst wurde dieses Attribut im Rahmen der Polemik verliehen: Hor.sat. 2,3,323. 222 So wurde der Redner Titus Labienus aufgrund seiner aggressiven Rhetorik auch Rabienus genannt. Dazu siehe Publius Ovidus Naso, Ibis. Fragmente ovidiana. Lateinischdeutsch, herausgegeben, übersetzt und erläutert von B.W. Häuptli, Zürich u.a. 1996, 245.261. 223 „Sogleich wuschen die Eumeniden ihn mit fauligem Wasser, dort, wo das Wasser aus den stygischen Gewässern in ein Becken geflossen war, rieben die Brust mit der Galle erebeïscher Schlangen ein, klatschten dreimal in die blutbesudelten Hände und tränkten die Kehle des Säuglings mit Hundemilch (lacte canino). Diese gelangte als erste Nahrung in den Mund des Knaben. Damit saugt der Säugling die Tollwut (rabiem) seiner Amme ein und lässt sein Hundegebell auf dem ganzen Forum ertönen (latrat et in toto verba canina foro).“ Übertragung nach: Häuptli, Ibis (s. Anm. 222). 224 Zur Ambivalenz der canis-Metaphorik vgl. WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 62– 72.181 Anm. 214; GIEBEL, Tiere (s. Anm. 122), 120. 225 Vgl. dazu ausführlich WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 62–72.

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sitionen: „Warum fällst du unschuldige Fremde an, Hund (canis), der du wider Wölfe ohne Mut bist? Warum wendest du nicht lieber, wenn du Herz hast, deine leeren Drohungen hierher und gehst auf mich los, der ich wieder beißen kann? Denn wie ein Molossischer Hund (molossus) oder ein Lacedämonischer mit gelben Haaren (fulvos Lacon), die Lust und Stärke der Hirten, verfolge ich mit hochgestrecktem Ohre, durch tiefen Schnee, jedes wilde Tier, das mir aufstößt. Du hast kaum mit fürchterlicher Stimme den Wald erfüllt, so beriechst du die vorgeworfene Speise. Hüte, hüte dich! Denn gegen Boshafte voll Grimm, erhebe ich die streitbaren Hörner (parata tollo cornua), gleich jenem vom treulosen Lycambes verschmähten Eidam oder dem unversöhnlichen Feinde des Bupalus. Soll ich etwa, wenn jemand mit giftigem Zahne mich anfällt, wie ein Kind, ohne mich zu rächen, weinen?“ Die Beispiele für Tier-similes als Verkörperung von Gattung und Stil und damit als Mittel poetologischer (Selbst-)Inszenierung ließen sich vermehren.226 Nicht zuletzt wird auch der Wechsel von einer Dichtungsart zu einer anderen mithilfe eines Tiervergleichs veranschaulicht. Horaz z.B. begründet Maecenas gegenüber seinen Entschluss, keine Carmina mehr zu schreiben, sondern sich Briefen zuzuwenden, mit dem Bild von einem alternden Pferd, dem man die Ruhe lassen muss, weil es sonst schwach und lächerlich wird. Horaz – wie bereits Ennius227 vor ihm – bezieht das in der Dichtungsmetaphorik in unterschiedlichen Ausprägungen geläufige228 Bild vom alternden Pferd auf sich und seine Dichtung. Weil Horaz alternd ist, ist es Zeit, dass er von den Gedichten auf eine andere Gattung umsattelt. „Eine Stimme raunt mir gar oft ins Ohr, und mein Ohr ist hellhörig: ‚Sichtlich altert der Renner (equum); sei klug; entschirre ihn beizeiten, daß nicht Straucheln oder Keuchen ihm Spott am Ende noch einträgt.‘ So trenne ich mich jetzt von Poesie und allem sonstigen Tand (versus et cetera ludicra). Wahrheit und Pflicht ist das Ziel, dem mein Sinnen und Fragen gilt und all mein Trachten. Ich sammle und ordne, was ich künftig nach Bedarf entnehmen kann.“ (Hor.ep. 1,1,7–12).

226 Vgl. etwa zu Luc.rhet.praec. 13, wo mit dem Biene-Zikade-Vergleich alte und neue Rhetorik gegenübergestellt werden; vgl. ZWEIMÜLLER, Lukian (s. Anm. 150), 282f.: „Gemäss dieser Deutung setzt also der Rednerlehrer in seinem Vergleich Flöte, Vorsänger und Biene für die ‚alte‘ Rhetorik an, während Trompete, Chor und Zikade die ‚neue‘ laute showorientierte Rhetorik vertreten.“ (ebd. 283; siehe auch ebd. 24). 227 SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 124f., der eine gewisse Nähe zu Horaz ausmacht; vgl. insgesamt ebd., 114–151. 228 Vgl. dazu WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134); 93–98; SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 123f.

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2.4 Tiermetaphorik als Veranschaulichung von Inspiratio und Imitatio am Beispiel der apis-Metaphorik Nicht nur der Gesang, auch die Fähigkeit zu fliegen und damit die Nähe zum Himmel und zum Göttlichen qualifiziert Vögel als geeignete poetologische alter egos, die die Nähe des Dichters zum Göttlichen symbolisieren (s.o.). Im Kontext der Inspiration von Dichtern und Denkern fungiert darüber hinaus neben der Zikade229 vor allem die Biene als Metapher. Durch ihre Nähe zu den Musen als musarum volucris (Varro rust. 3,16,7) bzw. µέλιττα Μούσης (Ar.eccl. 974) ist sie das Medium, das dem Dichter den göttlichen / musischen Honig einflößt. Diese Vorstellung findet ihren Ausdruck in dem Bild der Ernährung des Dichters durch Bienen, die Bestandteil zahlreicher Kind-heitsgeschichten ist. Bienen legen ihre Waben auf die Lippen des kindlichen Dichters, wie es prominent für Vergil überliefert ist (Phocas vit.Verg. 28–32): „Weiter [...] deckte ein Schwarm von Bienen (cohors apium), der plötzlich die Flur überflog, mit Waben des Liegenden Mund (labra favis texit dulces fusura loquelas), daß er ströme von süßem Gesange. Dies bewunderte einst nur noch beim heiligen Plato230 rühmend die Vorzeit und pries es als Zeichen sprachlicher Urkraft.“231 Neben Vergil und Plato widerfährt eine so wunderbare Ernährung durch Bienen weiteren zahlreichen Dichtern und Denkern232 wie Ambrosius (Paulin.vit.Ambr. 3), Menander (Anth.Pal. 9,187) oder Pindar (Anth.Pal. 2,386 [τικτοµένου γὰρ ἑζόµεναι λιγυροῖσιν ἐπὶ στοµάτεσσι µέλισσαι κηρὸν ἀνεπλἀσσαντο σοφῆς ἐπιµάτυρα µολπῆς]).233

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Die Mittlerfunktion zwischen Musen und Menschen eignet nicht nur den Bienen, sondern auch den Zikaden an; vgl. BARMEYER, Musen (s. Anm. 101), 194f. Vgl. Plato Phaidr. 262d: „Und recht durch gutes Glück, wie es scheint, sind diese zwei Reden gesprochen worden […] Und ich, o Phaidros, schreibe dieses den hier wohnenden Göttern zu. Vielleicht auch, daß die Dienerinnen der Musen (Μουῶν προφὴται), die Sänger über unseren Häuptern (vgl. Plato Phaidr. 258e–259a), uns diese Gabe eingehaucht haben. Denn ich habe doch an keiner Kunst des Redens irgend Anteil.“ 230 Vgl. z.B. weiter auch Cic.div. 2,66. 231 Übertragung nach: Vergil, Landleben. Bucolica – Georgica – Catalepton, Lateindeutsch, ed., J. und M. Götte. Viten. Lateinisch-deutsch, ed. K. Bayer, München 41981. 232 Vgl. die Angaben bei OLCK, Biene (s. Anm. 159), 447f.; C. HOSIUS, Plagiatoren u. Plagiatbegriff im Altertum: NJKA 31 (1913), 176–193 (187); JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 24; siehe auch BARMEYER, Musen (s. Anm. 101), 138. Dieses Motiv findet sich auch in der jüdisch-hellenistischen Literatur, z.B. JosAs 16,19f.; vgl. dazu und zu weiteren Beispielen C. WETZ, Eros und Bekehrung. Anthropologische und religionsgeschichtliche Untersuchungen zu „Joseph und Aseneth“, Göttingen 2010, 180–184. 233 Text hier und im Folgenden nach: The Greek Anthology in five Volumes. Vol. 2, herausgegeben von W.R. Paton, Cambridge u.a. 1960. Vgl. auch Pausan. 9,23,2 u.ö.

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Die Biene fungiert in der poetologischen Metaphorik indes nicht nur als Metapher für den Inspirationsvorgang, sondern veranschaulicht als Symboltier des Dichters auch dessen konkrete Arbeit. Auch hier steht der Gedanke der göttlichen/musischen Inspiration des Dichters im Hintergrund, der – so die Verschiebung in der Metaphorik – aus der passiven Haltung des Empfangenden heraustritt und selbst aktiv wie eine Biene in den Musengefilden umherfliegt, Früchte pflückt und seine Ernte darbringt, wie es klassisch bei Platon heißt (Plato Ion 534ab): „Es sagen uns nämlich die Dichter, daß sie aus honig-strömenden Quellen aus gewissen Gärten und Hainen der Musen pflückend, diese Gesänge uns bringen wie die Bienen (ὥσπερ αἱ µέλιτται), auch ebenso umherfliegend.“ Die hinter diesem Bild stehende Vorstellung der materiellen Inspiration durch Götter/Musen hat (Ps.-)Longin transformiert. Es ist nicht der göttliche Anhauch, sondern der Anhauch der Alten, der den Dichter inspiriert (Ps-Longin.subl. 13,2). „So entströmen wie aus heiliger Tiefe dem Genius der Alten Kräfte und dringen in die Seelen derer, die ihnen nachstreben. Selbst wer sonst nicht leicht in Verzückung gerät, läßt sich unter dem Anhauch fremder Größe zur Begeisterung hinreißen.“234 Auch diese Transformation der dichterischen Inspiration wird unter anderem235 mithilfe der apis-Metaphorik illustriert, wobei alle Facetten zwischen reinem Sammeln und der Produktion von etwas Eigenem aus dem Gesammeltem erscheinen. Die Biene dient in diesem Kontext als Tier-simile für „the poet as collector and the poet as maker“236 gleichermaßen. Ein prominentes Beispiel für diese Funktion der apis-Metaphorik findet sich bei Lukrez, der das dritte Buch seines Werkes de rerum natura mit folgenden Worten an Epikur eröffnet: „Du, Vater, bist der Dinge Erfinder (rerum inventor), du bist’s, der Vaterslehren uns darbringt reich, und aus deinen Blättern, Erlauchter, wie auf blumiger Trift die Bienen alles benaschen (ut apes in 234 Vgl. auch Ps.Long.subl. 14,1: „Denn treten uns beim Nacheifern jene Gestalten vor Augen und weisen wie Fackeln den Weg, so tragen sie uns gleichsam empor zu den gestaltgewordenen Maßstäben.“ 235 Die bildliche Illustration der materiellen Inspiration bezogen auf literarische Vorbilder ist facettenreich. Abgesehen von der Wasser- und Quellenmetaphorik (vgl. auch Anm. 203) mit Homer als Quelle, aus dem alle Dichter trinken (Ov.am. 3,9,25), ist auch auf das Motiv des Verzehrens von Büchern hinzuweisen, z.B. Artem.onircr. 2,45: „Das Verzehren von Büchern (ἐσθίεν δὲ βιβλία) bringt Erziehern, Sophisten und allen, die durch Reden oder Bücher ihr alltägliches Brot verdienen, Nutzen.” Übertragung nach: Artemidor von Daldis, Das Traumbuch, übersetzt, erläutert und mit einem Nachwort von K. Brackertz, Zürich u.a. 1979. Die Vorstellung ist dabei geschlossen. Vor ihrer Hochzeit mit Merkur entleert sich die Philologie all ihres Wissens, indem sie ganze Bücher ausbricht (Martianus Capella 134ff). 236 PIGMAN, Metaphorics (s. Anm. 159), 2: „The apian metaphor is perhaps the most misleading topos because it is used to present two opposed conceptions of imitation: the poet as collector and the poet as maker.“ Dies wird bei Macrobius besonders deutlich: „Macrobius is an unusually complex example of the confusion of two opposed types of imitation inherent in the apian metaphor.” (ebd., 5).

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saltibus omnia libant), weiden genauso wir uns ab alle goldenen Worte (omnia nos itidem depascimur aurea dicta), goldene, immer zumal am würdigsten ewigen Lebens.“ (Lucr. 3,9–13). Nicht die Musengefilde wie bei Platon, sondern die goldenen Worte Epikurs sind es, von denen Lukrez als Dichter nascht und aus denen er Früchte pflückt. Mit diesem Bild macht Lukrez deutlich, dass er in die Nachfolge Epikurs tritt, was durch die flankierende vestigia-Metaphorik (Lucr.3,1–6)237 sowie durch die genealogische Metaphorik (tu, pater [Lucr. 3,9]) gestützt wird. Lukrez inszeniert sich als alter Epicurus. Dies ist aber nicht mit einem sklavischen Nachahmen seines Vorbilds gleichzusetzen, sondern impliziert gerade das Gegenteil. Weil Epikur als rerum inventor (Lucr. 3,9) gilt, bedeutet ihm nachzueifern nichts anders als die eigene Schöpferkraft zu entfalten, wie es Lukrez im Rahmen seiner primus-Äußerungen (Lucr. 1,136– 139. 921–934 [s. auch die mit der apis-Metaphorik in Lucr. 3,9–13 zusammenhängende Metaphorik in Lucr. 1,928: novos decerpere flores]) und seiner Selbstinszenierung als poeta creator238 zum Ausdruck bringt. Die Vorstellung, wie eine Biene aus den Schriften literarischer Vorbilder Gedanken und „Lesefrüchte“ (libamenta [Sen.ep. 84,5]) zu pflücken, ist weit verbreitet und schlägt sich nicht zuletzt in der Bezeichnung „Florilegium“ (Blütenlese) nieder.239 So kleidet Horaz die Frage an Julian Florus, was er lese und schreibe, in die apis-Metaphorik. „Und nun du selbst und dein Beginnen? Wo blühen die Beete, die du emsig umschwärmst (quae circumvolitas agilis thyma)?“ (Hor,ep. 1,3,20f.). Weiter ist ein Fragment des Dichters Melanippides überliefert, in dem der Dichter seine Abhängigkeit von Sappho mit folgenden Worten illustriert: ἐκ Σάπφως τόδ᾽ ἀµελγόµενος µέλι τοι φέρω.240 „Das DichterIch saugt als Biene aus der ‚Blume‘ Sappho und produziert daraus ein HonigLied.“241 Von Sophokles wird überliefert, dass er „Biene“ genannt wurde (µέλιττα ἐλέγετο), weil er aus allem das Beste zusammengesammelt habe.242 Auch der Arzt Oribasius wird mit einer Biene verglichen, weil er aus früheren

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„Aus so tiefem Dunkel so strahlendes Licht zu erheben der du als erster vermocht hast, die Güter des Lebens erleuchtend, dir folg ich nach (te sequor), o Zierde des griechischen Stammes, in deiner Füße geprägtes Mal setz ich die haftenden Spuren (inque tuis nunc ficta pedum pono pressis vestigia signis), nicht begierig so sehr zu streiten (certare), als vielmehr aus Liebe, weil dir nach zu streben ich glühe.“ (Lucr. 3,1–6). Vgl. auch PIGMAN, Metaphorics (s. Anm. 159), 23f. 238 Vgl. dazu V. BUCHHEIT, Novos decerpere flores. Geistiges Schöpfertum bei Lukrez und Vergil, Hermes 132 (2004), 426–435; siehe auch VON ALBRECHT, Poesie (s. Anm. 181), 47. 239 Vgl. dazu z.B. H. CHADWICK (Übersetzung: J. Engemann), Florilegien, RAC 7 (1969), 1131–1160. 240 „Aus Sappho saugend bringe ich dir diesen Honig hier.“ Vgl. NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 62.208. 241 Vgl. ebd., 208 („Dichten als produktive Sappho-Rezeption“). 242 Vgl. NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 62 Anm. 43.

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Ärzten „gepflückt“ hat (Anth.Pal. 16,274): εἶχε γὰρ οἷα µέλισσα σοφὸν νόον ἄλλοθεν ἄλλα ἰητρῶν προτέρων ἄνθεα δρεψαµενος.243 Die hinter diesen Bildern stehende Gleichsetzung der Arbeit des literaturproduzierenden Dichters und Denkers mit der Arbeit der Bienen wird von Seneca bewusst reflektiert, wobei die Tätigkeit der Biene als Vorbild vor Augen gestellt wird: „Apes, ut aiunt, debemus imitari“ (Sen.ep. 84,3.5).244 Senecas Bienengleichnis gilt dabei als der signifikanteste Beleg für die Bienenmetaphorik im Dienst der Transformation und textuellen Mutation der Vorbilder.245 Es geht bei Nachahmung von Vorbildern bzw. der literarischen Blütenlese nicht darum, das Gelesene einfach wiederzugeben, sondern zum Eigenen zu machen: „Auch wir müssen diese Bienen nachahmen und, was wir aus verschiedener Lektüre zusammengetragen haben, trennen [...], sodann Sorgfalt sowie Einfallsreichtum unseres Verstandes anwenden und in einen einzigen Geschmack jene verschiedenartigen Lesefrüchte (libamenta) zusammenfließen lassen; dadurch wird es – auch wenn deutlich ist, woher es stammt –, dennoch offensichtlich etwas anderes sein als das, woher es genommen ist.“246 Um im Schaffensprozess den Aspekt der transformierenden Aneignung von Vorbildern zu verdeutlichen, greift Seneca flankierend auf die einen ähnlichen Gedanken ausdrückende247 Verdauungsmetaphorik zurück (Sen.ep. 84,6–8). Die „Lesefrüchte“ (libamenta) müssen verdaut und zu etwas Eigenem werden. Senecas Bienengleichnis wirkt in der Folgezeit nach: Auch Macrobius vergleicht im Vorwort seiner Saturnalien unter (nicht explizit gemachter) Auf243

Text nach: The Greek Anthology in five Volumes. Vol. 5, herausgegeben von W.R. Paton, Cambridge u.a. 1960. 244 Übertragung hier und im Folgenden nach: Lucius Annaeus Seneca, Philosophische Schriften: lat. u. dt; Bd. 4: Lucilium epistulae morales LXX–CXXIV (CXXV), herausgegeben von M. Rosenbach, Darmstadt 1984. Nicht nur im Hinblick auf die Literaturproduktion, sondern ganz allgemein dienen Bienen als Vorbild in der musischen Imitatio. So empfiehlt Ausonius: „Wenn du zu malen gedenkst, o Maler, unsere Ziehtochter, soll wetteifernd deine Kunst cecropische Bienen nachahmen (Pingere si nostram, pictor, meditaris alumnam, aemula Cecropias ars imitetur apes).“ Vgl. zu Text und Übertragung: Decimus Magnus Ausonius, Mosella / Bissula / Briefwechsel mit Paulinus Nolanus. Lateinisch / deutsch, herausgegeben und übersetzt von P. Dräger, Düsseldorf u.a. 2002, 59. 245 WASZINK, Biene (s. Anm. 114), 28: „Hier wirkt sich deutlich der Gedanke aus, daß die Biene nicht nur Blumensäfte einsammelt, sondern daß sie durch eigene Zutat ein Eines und Eigenes daraus macht.“ Vgl. auch K. IRLE, Der Ruhm der Bienen. Das Nachahmungsprinzip der italienischen Malerei von Raffael bis Rubens, Münster u.a. 1997, 7; siehe grundlegend zu Senecas Bienengleichnis und zu seiner Rezeption durch Macrobius u.a. z.B. PIGMAN, Metaphorics (s. Anm. 159), 2–13; J. V. STACKELBERG, Das Bienengleichnis. Ein Beitrag zur Geschichte der literarischen Imitatio, RomF 68 (1956), 271–293; H. GMELIN, Das Prinzip der Imitatio in den Romanischen Literaturen der Renaissance, RomF 46 (1932), 83– 360; D. DE RENTIS, Der Beitrag der Bienen. Überlegungen zum Bienengleichnis bei Seneca und Macrobius, RhM 141 (1998), 30–44. 246 Sen.ep. 84,5. 247 Vgl. PIGMAN, Metaphorics (s. Anm. 159), 8.

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nahme des Bienengleichnisses von Seneca die Arbeit eines Schriftstellers mit der Tätigkeit der Bienen (Macr.praef. 5f.), die Honig sammeln, mischen und zu Eigenem verarbeiten, was er anschließend auf seine eigene und die Arbeit von Literaturschaffenden allgemein bezieht (praef. 6): „Nos quoque […]“. 2.5 Tiermetaphorik als Mittel literarischer Kritik und Polemik Die unterschiedliche Wertigkeit der einzelnen Tiere spielt nicht nur in den Tier-Antithesen und Oppositionen eine Rolle, um die agonale Dimension antiker Dichtung bzw. die Unterschiedlichkeit von Gattungen zu illustrieren, sondern kommt auch in der auf das Kunstverständnis bezogenen Polemik zum Tragen. Gerade „im Bereich dieser Polemik war die Tiermaskerade besonders beliebt.“248 Kallimachos z.B. polemisiert gegen andere Dichter und ihre Kunst, indem er sie unter anderem als Esel, Hunde, Kraniche, Papageien und „Meeresbewohner“ betitelt und ihre Stimmen bzw. ihre Dichtung(-sart) damit vergleicht (z.B. Callim.prol. 13–20; Callim.ait. 1,29–40; fragm. 192).249 Ovid formuliert seine Kritik an der in seinen Augen schlechten und aggressiven Rhetorik des Ibis mit einer an Deutlichkeit kaum zu überbietenden canis-Metaphorik (s. 2.3), der sich gleichermaßen auch Horaz z.B. in seiner sechsten Epode bedient (s. 2.3). Um die Leistung oder Motivation von Dichtern zu diskreditieren, führt Persius im Prolog zu seinen Satiren ein ganzes Geschwader von Vögeln mit schlechtem Image an, die als Symboltiere für konkrete, von Persius angegriffene Personen stehen.250 Die Inspiration für diese Vögel sei allein der leere Magen, womit sich „die literarische Kritik zur Bios-Polemik weitet.“251 „Wer löst des Sittichs (psittaco) Zunge zum Grüß-Gott-Sagen? Wer lehrt die Worte radebrechen Spechtschnäbel (picas)? Der Meister allen Könnens, des Talentes Spender, der Magen ist’s: verwehrter Laute Quacksalber. Drum wenn der list’gen Münze Hoffnungsstrahl glitzert, dächt man, daß Dichter-Rab (corvos poetas) und Dichterin-Elster (poetridas picas) den Honigseim des Pegasus im Lied gäben.“252 248

KORZENIEWSKI, Satirenprolog (s. Anm. 173), 338. Vgl. z.B. O. NIKITINSKI, Kallimachos und die Tragodoi. Zu Kallimachos fr. 192,12– 13, ZPE 122 (1998), 41–46; M.A. SEILER, Poiesis poieseos. Alexandrinische Dichtung kata lepton in strukturaler und humanethologischer Deutung, BzA 102, Stuttgart 1997, 53–64; S. LILJA, Dogs in Ancient Greek Poetry, Commentationes Humanarum Litterarum 56, Helsinki 196, 96–99. Eventuell kommt hier noch die Abgrenzung der eigenen Dichtung vom Schwein hinzu (Callim.ait. 1,39); vgl. dazu ASPER, Kallimachos (s. Anm. 195), 69. 250 Die unter der Tiermaskerade angegriffenen Vögel erscheinen in der ersten Satire als reale Menschen; D. KORZENIEWSKI, Die erste Satire des Persius, in: Ders. (Hg.), Die römische Satire, Wege der Forschung 238, Darmstadt 1970, 384–438. 251 KORZENIEWSKI, Satirenprolog (s. Anm. 173), 337. 252 Pers.prooem. 8–14. Übertragung nach: Die Satiren des Persius. Lateinisch-Deutsch, herausgegeben von O. Seel, München 1950. Siehe dazu KORZENIEWSKI, Satirenprolog (s. Anm. 173), 329–349. 249

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Nicht nur ein schlechter bzw. anderer Dichtungsstil oder eine zweifelhafte Motivation werden mithilfe von Tiermetaphorik dar- und bloßgestellt. Auch die Kritik an mangelhafter Imitatio der vorgegebenen Traditionen, die darin zum Ausdruck kommt, sich zu eng an Vorbilder anzulehnen und die Regeln für eine angemessene Imitatio zu missachten, wird in Tiermetaphorik gekleidet. In diesem Kontext werden der Affe und die Krähe zu Symboltieren für den unselbständigen Nachahmer bzw. den Plagiator.253 Übermäßige Treue zum Vorbild wird dem literarischen Anspruch nicht gerecht. So preist Horaz die Kunst der Dichter des attischen Lustspiels und polemisiert anschließend gegen diejenigen, die sich daran nicht orientieren und diese scheinbar nicht zur Kenntnis nehmen, mit folgenden Worten: „Die [sc. die Dichter des attischen Lustspiels] aber hat der schöne Hermogenes niemals gelesen noch der Affe (simius iste), der nichts versteht als des Catullus und des Calvus Lieder nachzuleiern (nil praeter Calvum et doctus cantare Catullum).“ (Hor.sat. 1,20,17–19).254 Neben dem Vorwurf, sich an minderwertigen Vorbildern wie Catull und Calvus zu orientieren, wird dem anonymen Dichter255 mit der Anrede „Affe“ (simius iste [Hor.sat. 1,10,18]) Unselbständigkeit und damit gemäß den Bewertungsmaßstäben antiker Imitatio mangelnde literarische Qualität vorgeworfen, womit Horaz sich einer bis in den heutigen deutschen Sprachgebrauch nachwirkenden Metapher bedient („nachäffen“). Die simia-Metapher als negativ konnotiertes Bild für eine sklavische, unselbständige oder plagiierende Nachahmung256 wird zum Gegenbild zur Biene, an deren Tätigkeit sich die positive Imitatio im Sinne produktiver Transformation verdeutlichen lässt (z.B. Sen.ep. 84,3–5). 253 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Imitatio und Plagiat auch THEISSON, Plagiat (s. Anm. 48), 79–89. Unoriginelle Imitatio war in der Tat ein weit verbreitetes Phänomen; vgl. ebd., 89: „Gerade unter den nachrangigen Dichtern, den poetae minores, finden sich doch immer wieder Texte, die doch von einer sehr eigenen Auslegung des florilegiums zeugen. Wenn sich etwa der Verfasser der Ciris (1. Jh. n. Chr.), eines fälschlicherweise Vergil zugeschrieben Kleinepos, mehr als ein Viertel seiner Verse aus dem Korpus anderer Autoren zusammenstiehlt, dann kann man das sicher nicht mehr als einen Wettstreit auffassen. Zumindest nicht als einen fairen.“ 254 Übertragung nach: Horaz, Satiren und Briefe, lateinisch und deutsch von H. Farber/W. Schöne, München 21953. 255 Zur Frage nach der Identität des „Affen“ vgl. z.B. C.M. WIELAND, Horazens Satiren aus dem Lateinischen übersetzt und mit Einleitungen und erläuternden Anmerkungen versehen (ND), Nördlingen 1985, 283. 256 Vgl. z.B. C. HÜNEMÖRDER, Affe, DNP 1 (1996), 212f.; S. GRÜN/E. STEMPLINGER, Affe, RAC 1 (1950), 158–160; PIGMAN, Metaphorics (s. Anm. 159), 39f.; W.C. MCDERMOTT, The Ape in Roman Literature, TAPhA 67 (1936), 148–167 (164–167); H. KÖHLER, C. Sollius Apollinaris Sidonius, Briefe Buch I. Einleitung - Text - Übersetzung - Kommentar, BKAW NF 2/96, Heidelberg 1995, 110f. Zur Nachgeschichte und zum Gebrauch der simia-Metaphorik in Mittelalter und Renaissance vgl. PIGMAN, Metaphorics (s. Anm. 159), 40; E.R. CURTIUS, Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter, Tübingen u.a. 1993 (1948), 522f.; E. WELSLAU, Der Affe als Nachahmer und Dieb, Neophilogus 64 (1980), 161– 170.

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Dass gerade dem Affen diese Rolle zukommt, ist plausibel und passt zu dem schlechten Image des Affen in der Antike. Man sah in ihm ein „Unglückstier“257; „Häßlichkeit und Bösartigkeit des A. waren geradezu sprichwörtlich“258, und „Affe“ fungierte in unterschiedlichen Kontexten als Schimpfwort259 und „Negativfolie“260. Im Kontext der auf den poetologischen Diskurs bezogenen Metaphorik wird die durchaus auch positiv bewertete Fähigkeit des Affen zur Nachahmung und die damit verbundene Lern- und Dressierfähigkeit (z.B. Aelian.nat.an. 5,26: µιµηλότατόν ἐσtιν ὁ πίθηκος ζῷoν261) negativ gedeutet und polemisch instrumentalisiert. Damit ist Horaz kein Einzelfall. So wird in der Historia Augusta (Hist.Aug. vit.Max. 27,5) der Redner Titianus262 ein „Affe seiner Zeit“ (simia temporis sui) genannt, weil er alles nachahmte (cuncta esset imitatus).263 Auch Sidonius Apollinaris (Sidon.ep. 1,1,2) verweist im Rahmen seiner Erörterungen über die Kunst (und Problematik) der Nachahmung auf Julius Titianus, der in Dichterkreisen simia oratorum genannt wurde, weil seine Nachahmung nicht originell genug erschien. Weiter berichtet Plinius, dass Regulus seinen Feind Arulenus Rusticus als simia stoicorum bezeichnet (Plin.ep. 1,5,2), und Seneca Major gibt wieder, dass der Dichter Cestius seinen Nachahmer Argentarius als „Affen“ tituliert, da er seine Werke nicht kunstvoll genug nachahme: „Quid putatis, aiebat, Argentarium esse? Cesti simius est!“ (Sen.contr. 9,3,12).264 Ähnlich negativ wie die simia-Metaphorik ist die cornicula-Metaphorik besetzt. Die mit der Krähe verbundene Wendung „Sich mit fremden Federn schmücken“ ist geradezu sprichwörtlich für das unangemessene Aneignen von

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GRÜN/STEMPLINGER, Affe (s. Anm. 256), 159. HÜNEMÖRDER, Affe (s. Anm. 256), 212. 259 Ebd., 212f. 260 NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 65. 261 Claudii Aeliani, De natura animalium libri XVII. Vol. 1, herausgegeben von R. Hercher, Leipzig 1864. Siehe ferner Plut.mor. 52B [µιµεῖσθαι]; Plin.nat.hist. 8,215 [imitari]. 262 Zur möglichen Identität des Titianus siehe die Diskussion bei A. LIPPOLD, Kommentar zur Vita Maximini duo der Historia Augusta, Antiquitas 4. Beiträge zur Historia-AugustaForschung 3/1, Bonn 1991, 602–604. 263 „[…] qui dictus est simia temporis sui, quod cuncta esset imitatus”. Text nach: The Scriptores Historiae Augustae, Vol. II., herausgegeben und übersetzt von D. Magie, London u.a. 1962. 264 „Indignabatur Cestius detorqueri ab illo totiens et mutari sententias suas. Quid putatis, aiebat, Argentarium esse? Cesti simius est. Solebat et Graece dicere ὁ πίθηκός μου. Fuerat enim Argentarius Cesti auditor et erat imitator.“ Text nach: The Elder Seneca, Declamations in two Volumes. Vol. 2, Controversiae, Books 7–10. Suasoriae, herausgegeben und übersetzt von M. Winterbottom, Cambridge u.a. 1974. Zur Diskussion, ob es hier um Plagiat oder zu enge Nachahmung geht, vgl. S. MCGILL, Plagiarism in Latin Literature, Oxford 2012, 152 Anm. 22; J. FAIRWEATHER, Seneca the Elder, Cambridge Classical Studies 73 (1981), 284; HOSIUS, Plagiatoren (s. Anm. 232), 189. 258

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fremdem (geistigem) Eigentum geworden.265 Diese Konnotation der corniculaMetapher hat seinen Ursprung im ersten Brief des Horaz. Horaz überträgt in seiner dort entfalteten Polemik gegen Celsus das auch sonst in der antiken Fabeldichtung in unterschiedlichen inhaltlichen Kontexten gebräuchliche Bild des „Sich mit fremden Federn Schmückens“ (z.B. Aesop.fab. 103; Babr.fab. 72)266 auf die Literaturproduktion, um einen Plagiatvorwurf (Hor.ep.1,3,20: furtivis267) auszudrücken: „Was treibt Freund Celsus? Ihm galt und gilt noch heute der treue Rat, daß er eigenen Reichtum mehre, nicht leihe aus all den Büchern, die auf dem Palatin Apoll beherbergt. Sonst, wenn dereinst die Vogelschar kommt, ihre Federn zurückzufordern, möchte die arme Krähe zum Gespött werden: kahlgerupft stände sie da, ohne die entlehnte Farbenpracht (moveat cornicula risum furtivis nudata coloribus).“ (Hor.ep. 1,3,15–20). Ein vergleichbarer Gebrauch liegt auch bei Martial vor (1,53), der den Dieb (fur) mit Raben und Elstern vergleicht: „Eine einzige Seite in meinem Büchlein ist von dir Fidentius, aber sie ist geprägt von dem eindeutigen Abbild ihres Herrn und sie überführt deine Gedichte des offenkundigen Diebstahls. [...] So wird ein schwarzer Rabe, wenn er zufällig am Ufer des Kaystros umherläuft, mitten unter Ledas Schwänen ausgelacht; so stört eine Elster frech die kekropischen Klagelieder, wenn der heilige Hain vom kunstvollen Gesang der Athenerin erschallt. Meine Bücher brauchen keinen Ankläger oder Richter: Die eine Seite steht gegen dich auf und sagt: ‚Ein Dieb bist du!‘“268 2.6 Tiermetaphern als Bilder für Ruhm und Unsterblichkeit Antike Dichtung ist mit Stolz auf die eigene Leistung und mit der Hoffnung auf Ruhm und Unsterblichkeit verbunden.269 Ein Dichter macht dabei nicht nur die Adressaten oder Protagonisten seiner Dichtung unsterblich (z.B. Bacc. 3,94–98; Hor.carm. 4,8,28f.; Ov.ars.am. 3,535–538; Prop. 2,34B,93f.),270

265 Seit Horaz ist diese Wendung ein geflügeltes Wort; vgl. zu Belegen z.B. PIGMAN, Metaphorics (s. Anm. 159), 40. 266 Vgl. Babr.fab. 72 (bezogen auf das Sich-Schmücken); Aesop.fab. 101 (bezogen auf Geldleihen und Schuldenmachen). 267 Vgl. zu furtum als zentralen Terminus für Plagiat z.B. JANßEN, Plagiat (s. Anm. 48), 814. 268 Vgl. auch dazu NEGER, Dichtergedichte (s. Anm. 171), 113–116. Als Prätext fungiert neben Hor.ep. 1,3,15–20 vermutlich auch Verg.ecl. 9,36; vgl. dazu auch J.M. SEO, Plagiarism and Poetic Identity in Martial, AJPh 130 (2009), 567–593; KORZENIEWSKI, Satirenprolog (s. Anm. 173), 338. 269 Vgl. z.B. Martial 1,1; 11,3; Plin.ep. 9,23; Prop. 3,1,7–12. Die Ruhmsucht geht auch mitunter auf Kosten anderer und äußert sich im Plagiat; vgl. Vitr. 7 praef. 2; Prisc.ep.ded. 3. 270 Vgl. zum (Nach-)Ruhm der Mäzene von Dichtern in diesem Kontext auch SCHICKERT, Schutz (s. Anm. 73), 128.

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sondern erlangt durch sein Werk selbst ewigen Ruhm und damit Unsterblichkeit.271 „Aber der durch Genie erworbene Ruhm wird nicht aus der Zeit verschwinden. Für das Genie hat der Ruhm unsterblichen Bestand (ingenio stat sine morte decus).“ (Prop. 3,2,25f.).272 Die laudis spes magna (Lucr. 1,923) stellt eine der wesentlichen Motivationen der Dichtung dar: „Ein ewiger Ruhm ist mein Ziel, daß in der Welt immer erklingt mein Lied.“ (Ov.am. 1,17,7). Für den römischen Dichter Horaz ist der Gedanke, durch literarischen Ruhm Unsterblichkeit zu erlangen, zentral und wird unter anderem durch die Tiermetaphorik illustriert. Berühmt ist in dieser Hinsicht Carmen 2,20,273 die sogenannte „Apokyknosis des Horaz“274. Horaz beschreibt in Carmen 2,20 seine Apotheose als Metamorphose in einen Schwan: „Mit wunderbarem, mächtigen Fittich werd ich, der Dichter, umwandelt den reinen Äther durchfliegen, werde nicht länger auf der Erde verweilen, über den Neid erhaben, werd ich die Städte verlassen (non usitata nec tenui ferar pinna biformis per liquidum aethera vates neque in terris morabor longius invidiaque major urbis relinquam). Nein! ich armer Eltern Blut, ich, den du als Freund begrüßest, geliebter Mäcenas, ich werde nicht sterben (ego non obibo), mich werden die Stygischen Fluten nimmer umschließen. Allmählich setzt sich rauhe Haut an die Schenkel, ich verwandle mich von oben herab in einen Schwan (album mutor in alitem), und weiche Federn sprossen an Fingern und Schultern hervor. Bald werd ich, bekannter als Dädals Sohn Icarus den Strand des seufzenden Bosporus und die Gätulischen Syrten, die Hyperboreischen Gefilde sehen, ein melodischer Schwan (canorus ales). Der Colchier lernt mich dann kennen und der Dacier, welcher die Furcht vor den Marsischen Scharen verbirgt, und der fernste 271 Ov.am. 1,15; Ov.ars.am. 3,413f.: „Wer kennte Homer wohl, wäre die Ilias nicht da, das unsterbliche Werk (aeternum opus)?“ Vgl. ähnlich auch Prop. 3,1,33f. Weiter spricht Phädrus selbstbewusst davon, dass sein Werk bestehen bleibt, solange man die die römische Dichtung in Ehren hält (Phaedr.epil.lib.4), und fühlt sich geehrt, durch die Zitation seiner Werke in den Werken anderer dauerhaft gewürdigt zu werden (Phaedr.prol.lib.4,16–19). Vgl. grundlegend für die lateinische Dichtung SCHICKERT, Schutz (s. Anm. 73), 128–131 u.ö.; siehe auch H.P. SYNDIKUS, Die Lyrik des Horaz. Eine Interpretation. Bd. 1, Darmstadt 1972, 475; CURTIUS, Literatur (s. Anm. 256), 469f. Vgl. allgemein zum Ruhmmotiv SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 165–239; 338 Anm. 654; M. VON ALBRECHT, Römische Poesie: Texte und Interpretationen, Tübingen u.a. 21995, 47. 272 Dies gilt nach Properz nicht nur für Dichter wie Homer, sondern auch für seine eigene Dichtung (Prop. 3,1,33–36). 273 Vgl. dazu grundlegend SYNDIKUS, Lyrik (s. Anm. 271), 475–484; WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 81–88; S. KOSTER, Horatius princeps, in: Ders., Tessera. Sechs Beiträge zur Poesie und poetischen Theorie der Antike, ErF.A 30, Erlangen 1983, 31–46; K. GANTHAR, Horazens Apokyknosis. Zur Interpretation von c. 2.20, Ziva Antica (1971), 135– 140; LUCK-HUYSE, Traum (s. Anm. 140), 180–187; JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 62–88; K. ABEL, Hor. c. 2,20, RhM 104 (1961), 81–94. 274 GANTHAR, Apokyknosis (s. Anm. 273), 135; JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 62.

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Gelone; mich liest dann der weise Iberier und der Rhonetrinker. Fern sei vom leeren Leichengepränge Geseufze und entstellende Trauer und Wimmern. Hemme dein Klagen! Verstatte eitlen Prunk beim Begräbnisse nicht.“ Horaz greift in seinem berühmten Schwanengedicht auf gängige Bilder und Traditionen zurück. Die Vorstellung vom Dichter, der sich auf Flügeln zum Olymp erhebt275 bzw. seine Unsterblichkeit und seinen (Nach-)Ruhm mit dem Motiv des Fliegens illustriert,276 ist ebenso traditionell wie die Verwandlung des Dichters in einen Vogel/Schwan. So heißt es bei Euripides (fragm. 911): „Und jetzt werden mir goldene Flügel (χρύσεαι πτέρυγες) am Rücken und der Sirenen liebliche Sohlen werden mir angelegt, und ich steige empor zu den Höhen des Äthers, um mich zu Zeus zu gesellen.“277 Bei Aristophanes (Ar.av. 1373–1380) begegnet die Vision, sich in einen Vogel zu verwandeln und zu den Göttern aufzusteigen.278 Platon überliefert, die Seele des Orpheus habe Schwanengestalt angenommen, die des Thamyris habe eine Nachtigall gewählt (Plato politeia 10,620a). Horaz greift nicht nur auf diese unterschiedlichen Traditionen zurück und führt sie – modifiziert – zusammen, sondern schildert zudem seine Verwandlung in einen Schwan279 mit einer Anschaulichkeit,280 die durchaus polarisierend wirkt. Während Carmen 2,20 in Teilen der Forschung ein schlechtes Image281 hat bzw. als Parodie282 aufgefasst wird, halten andere das Gedicht für das „bedeutendste Schwan-Gedicht in lateinischer Sprache“283. 275 SYNDIKUS, Lyrik Bd. 1 (s. Anm. 271), 481; E.-R. SCHWINGE, Horaz, Carmen II,20, Hermes (1965), 438–459 (438f.); WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 88. 276 So etwa im Grabepigramm des Ennius (s. Anm. 99). Vgl. WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 83f.; zur Verbindung von Schwan und Ruhm siehe ebd., 190 Anm. 352; siehe auch LUCK-HUYSE, Traum (s. Anm. 140), 179 Anm. 289; JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 73; 75. Auch bei Pindar wird die Vorstellung des (Nach-)Ruhms durch das Motiv des Fliegens veranschaulicht (Pind.Pyth. 8,5,88–92; Nem. 6,3,46–49; Isthm. 1,4,64–67; vgl. z.B. G. VESTRHEIM, Alcman fr. 26: A Wish for fame, GRBS 44 (2004), 5–18 (17). 277 Vgl. Eurip.fragm. 911 (Nauck2 [Clem.strom. 4,26,174,1]). Übertragung nach: Clemens von Alexandrien, Stromateis, übersetzt von O. Stählin, BKV II/17,19,20, München 1936–1938. Zur Verbindung mit Hor.carm. 2,20 siehe ABEL, Hor c. 2,20 (s. Anm. 273), 84. 278 Vgl. dazu die Angaben bei LUCK-HUYSE, Traum (s. Anm. 140), 178 Anm. 287. 279 Der Schwan wird nicht direkt mit einem der gängigen zoologischen Termini benannt (z.B. olor, cycnus), sondern umschrieben (Hor.carm. 2,20,10: album mutor in altitem). 280 Eine vergleichbar anschauliche Schilderung der Metamorphose begegnet bei Ovid, wenn er die Verwandlung des Kyknos in einen Schwan beschreibt (Ov.met. 2, 373–376). Vgl. auch SYNDIKUS, Lyrik Bd. 1 (s. Anm. 273), 480. 281 Vgl. dazu z.B. LUCK-HUYSE, Traum (s. Anm. 140), 182 Anm. 292. 282 Vgl. dazu z.B. SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 171; JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 67f., 424 Anm. 6. 283 Vgl. JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 62; vgl. ebd., 68: „Problematisch, ja lächerlich ist indes nicht Horazens Ode, sondern eine Deutungstradition, die, wo der Text nicht auf Eindeutiges, sei es historisch-faktischer, sei es symbolischer Natur, reduziert werden kann, diesen selbst sanktioniert. So daß das Wunderbare aus Horaz zu tilgen wäre, allein weil es nicht in das vorgeprägte Horaz-Bild paßt.“

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Durch das Schwanen-simile stellt sich Horaz zunächst in eine „Ahnenreihe“284 all der Dichterschwäne.285 Im Zentrum des Gedichts aber steht der Gedanke, in einer anderen Gestalt, nämlich in seiner Dichtung, fortzuleben. Diesen Gedanken illustriert Horaz mit dem Bild der Verwandlung des Dichters in einen Schwan.286 Vergleichspunkt ist hier nicht allein der Schwan als Symboltier für den Dichter (vgl. dazu Hor.carm. 4,2), sondern speziell auch das ihm eigene sich über alles Empor-Schwingen und Vorwärtsdrängen. Die elevatio287 vom Irdischen ins Himmlische, von der Sterblichkeit ins Unsterbliche, prägt das Horaz’sche Gedicht dabei nicht nur motivisch, sondern wird zudem durch „die rhythmische Vielfalt des alkäischen Maßes gespiegelt.“288 Mit dem Eingehen und Weiterleben des Dichters im Werk kommt eine zweite Existenz nach dem irdischen Leben in den Blick; Horaz wird gewissermaßen zum vates biformis (Hor.carm. 2,20,2f.)289: „In der Zweigestaltigkeit kommt zum Ausdruck, 284 Vgl. JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 69, der auf parallele Vorstellungen wie das Überreichen eines Musikinstruments von einem Dichter an einen anderen verweist (ebd., 424 Anm. 11). Auch das Motiv, aus der gleichen Quelle wie ein Dichter(-Vorgänger) zu trinken, bringt einen vergleichbaren Gedanken zum Ausdruck; vgl. auch Anm. 203. 285 Die herausragende Rolle des Horaz wird durch die Assoziation Schwan-Actium und das damit verbundene Bild vom Siegesschwan ausgedrückt; vgl. JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 78–88. „Der Schwan, in den sich der Dichter in Ode 2,20 verwandelt, gehört demnach nicht nur dem poetischen Repertoire an, sondern fungiert in der Epoche der Abfassung dieses Textes zugleich als ein prominentes, aktisch-apollinisch-augusteisches Signal, als ein hochgradig politisches Siegeszeichen, das im Imperium auf mannigfache Weise reproduziert wird. Horaz besetzt so gesehen nichts weniger als ein imperiales Siegeszeichen, ein monarchisches Herrschaftssymbol, und er versetzt sich dadurch, in einem Akt politischpoetischer aemulatio, selbst in die Pose des Siegers.“ (ebd., 80). 286 WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 88: „Horaz war also die Apotheose eines Dichters in einen Schwan vorgegeben, und er hat auch im Bildmaterial daran angeknüpft, aber er hat das Motiv bzw. die Bildelemente neu – sozusagen unplatonisch – gestaltet für die Aussage: Fortleben nicht in höherer, vergöttlichter Form, sondern im Werk. Da der Vogel dichterische Unsterblichkeit symbolisiert und Horaz dies für sich in seiner Dichtung gegeben sieht, gebraucht er die Vogelmetamorphose zur bildlichen Darstellung des Eingehens seiner Person in sein Werk.“ Vgl. auch JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 73f.: „Horaz, der erste Dichter überhaupt, der sich als lyricus bezeichnet, setzt sich demnach mit seiner Verwandlung in den Schwan ein Denkmal […]. Das Denkmal ist dabei nichts andere als die Ode selbst und darüber hinaus das Odenwerk insgesamt.“ Darüber hinaus wird deutlich, „daß das empirische Ich unterzugehen hat, soll das Gedicht mehr sein als nur ein müder Flug. Non usitata reflektiert damit über den Umweg des Bezugs zu den Anderen die Notwendigkeit des beständigen Todes des empirischen Ich, die Dissoziation von empirischem und lyrischem Ich, die notwendige Entpersönlichung der Lyrik […]“ (ebd., 77). 287 JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 64; SYNDIKUS, Lyrik Bd. 1 (s. Anm. 273), 478. 288 ABEL, Hor. c. 2,20 (s. Anm. 273), 91. 289 WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 85; vgl. auch SYNDIKUS, Lyrik Bd. 1 (s. Anm. 273), 479, der biformis als Hinweis auf eine zweite Existenz deutet, die auch nach dem Leben bleiben wird; vgl. JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 65: „An den Gegensätzen von

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daß nur der sichtbare Teil dem Tod verfallen ist, nicht der unsichtbare.“290 Die Überzeugung, durch sein Werk ewigen Ruhm zu erlangen und unsterblich zu sein, kommt bei Horaz auch in Carmen 3,30 zum Ausdruck. Beide Gedichte korrespondieren miteinander und bringen jeweils durch die Handwerks- bzw. Tiermetaphorik zwei unterschiedliche Facetten des ewigen Ruhms zum Ausdruck.291 Während in Carmen 3,30 durch das Bild vom Errichten eines dauerhaften Bauwerks die zeitliche Entgrenzung des Dichters in seiner Dichtung illustriert wird, geht es in Carm. 2,20 um die räumliche Entgrenzung,292 wie es auch in der Folgezeit bei Vergil anklingt (Verg.ecl. 9,27–29): „Varus, deinen Namen [...] werden die singenden Schwäne hoch zu den Sternen emportragen (Vare, tuum nomen […] cantantes sublime ferunt ad sidera cycni).“ Die Überzeugung bzw. der Wunsch, als Dichter (in seiner Dichtung) unsterblich zu sein, wird auch durch weitere Tierbilder ausgedrückt. Eventuell ist die Selbstpositionierung des Kallimachos als Zikade (Callim.ait. 1,29–40) in diesem Kontext zu sehen. Die Zikade steht zunächst in Opposition zum „langohrigen Esel“ für die Kleinheit und Reinheit der dichterischen Form (s. 2.3). Darüber hinaus könnte ein anderer Aspekt anklingen, nämlich die ebenfalls ‚unten‘ und ‚oben‘ ,endlich‘ und ‚unendlich‘, gewöhnlich und ungewöhnlich hat der Dichter – der Mensch Horaz und der vates Horaz – gleichermaßen teil, weswegen er gleich anfänglich als zwiegestaltig, ‚biformis‘, bezeichnet wird.“ Siehe auch SCHWINGE, Horaz, (s. Anm. 275), 442; ABEL, Hor. c. 2,20 (s. Anm. 273), 84; L. HENDRICKSON, Vates biformis, CP 44 (1949), 30–32; LUCK-HUYSE, Traum (s. Anm. 140), 180 Anm. 290. Eine rein literarische Deutung des „rätselhaften biformis“ (Abel, Hor. c. 2,20 [s. Anm. 273], 84) etwa im Sinne des Zweigespanns von ars und ingenium oder von kleinen und großen Gedichten, wie sie gelegentlich vertreten worden ist (vgl. die Angaben bei JAKOB, Schwanengefahr [s. Anm. 134], 424 Anm. 3), greift wohl zu kurz. 290 MÖLLER, Achill (s. Anm. 134), 65. 291 Hor.carm. 3,30: „Errichtet hab ich mir ein Denkmal (exegi monumentum), ewiger als Erz, erhabner als der königlichen Pyramiden Bau, unzerstörbar dem nagenden Schnee, dem wütenden Aquilo, der Reihe zahlloser Jahre, dem Strome der Zeit! Ich werde nicht ganz sterben (non omnis moriar). Ein großer Teil von mir entrinnet Libitinen. So lange der Pontifex noch und mit ihm die feierlich schweigende Jungfrau das Capitol besteigt, so lange wächst mein Lob, ewig neu im Mund der Nachwelt. Man wird mich nennen, wo gewaltsam Aufidus strömet, wo Daunus wasserarm sein ländliches Volk beherrscht, sagen wird man von mir: ‚Er, aus dem Staub erhoben, vertraute zuerst ein Äolisches Lied der Römischen Leier.‘ So nimm denn, Melpomene, den stolzen Delphischen Lorbeer, den mein Verdienst mir errungen, und umkränze mit ihm mir gütig die Stirne.“ Vgl. zum Zusammenhang mit Carmen 2,20 z.B. SYNDIKUS, Lyrik Bd. 1 (s. Anm. 273), 475; WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 83–85; ABEL, Hor. c. 2,20 (s. Anm. 273), 83–85; SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 165–172. 292 WARMUTH, Tierbilder (s. Anm. 134), 84: „Parallel zu car. 3,30 geht es auch in 2,20 um den Zusammenhang zwischen Dichter und Dichtung. Das formal parallele Darstellungselement beider Lieder ist, daß der Dichter durch die Dichtung seine Grenzen überwindet, in 3,30 sind es die zeitlichen, in 2,20 die örtlichen.“; vgl. auch SYNDIKUS, Lyrik Bd. 1 (s. Anm. 273), 481f.; ABEL, Hor. c. 2,20 (s. Anm. 273), 83.

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durch die Zikade symbolisierte Hoffnung auf Unsterblichkeit.293 Dies legt sich nicht nur dadurch nahe, dass Zikaden traditionell in antiken Kulturen als gottgleich294 gelten und durch ihre Häutung für Unsterblichkeit stehen.295 Auch der Kontext, in dem die Zikade bei Kallimachos erscheint, unterstützt dies (Callim.ait. 1,29–40): „Ach, daß ich das Alter ganz – daß ich singen könnte und Tau als tropfenförmige Speise aus der Luft essen – das aber wieder abstreifen könnte [...].“ Mit diesen klagenden Worten über das Alter und dem Wunsch, zur singenden, sich häutenden Zikade zu werden, inszeniert Kallimachos sich als Tithonus,296 durch den wiederum in der Mythologie die Unsterblichkeit (der Stimme) symbolisiert wird. Tithonos, dem Liebhaber der Eos, wurde von Zeus Unsterblichkeit, nicht aber ewige Jugend verliehen, woraufhin dieser alterte und sich dann in eine Zikade verwandelte und nur seine Stimme behielt.297 Der unsterbliche Gesang des Tithonos, „dessen Stimme ohne Ende fließt“, auch wenn der Körper altert, stellt in der antiken Dichtung ein bekanntes Sujet dar (vgl. z.B. Sappho, fragm. 58).298 Weiter könnte auch der ornithologisch schwer zu bestimmende κηρύλος (männlicher Eisvogel?) in Alkmans Alkyonenfragment (PMGF 26) als Symbol für die Hoffnung auf Unsterblichkeit stehen. „Nimmer, ihr Mädchen mit den 293 Vgl. z.B. A. AMBÜHL, Literarische Innovation als Verjüngung der Tradition. Kallimachos und die alexandrinische Dichtung, in: A. von Müller/J. von Ungern-Sternberg (Hg.), Die Wahrnehmung des Neuen in Antike und Renaissance, Colloquium Rauricum 8, Leipzig 2004, 25–40 (36); siehe auch ASPER, Kallimachos (s. Anm. 195), 69. 294 Die Zikade gilt als göttergleich, wie Anakreons Gedicht an die Zikade (Carmen 34) auf den Punkt bringt: „Das Alter setzt dir nicht zu, Weise, Erdgeborene, Gesang liebende, leidenlose, mit blutlosem Körper: Fast bist du den Göttern ähnlich!“ (Anacreon.carm. 34,15– 18). Vgl. dazu A. MÜLLER, Die Carmina Anacreontea und Anakreon. Ein literarisches Generationenverhältnis, Tübingen 2010, 260–266; ZOTOU, Carmina (s. Anm. 153), zur Stelle. 295 Siehe insgesamt zur Zikade als Symbol für Unsterblichkeit in antiken Kulturen R. ACHTZIGER/U. NIGMANN, Zikaden in Mythologie, Kunst und Folklore, Densia NF 04/176 (2002), 1–16 (5f.); R. B. EGAN, Cicadas in Ancient Greece - Ventures in Classical Greece, Cultural Entomology Digest, Third Issue, 1994, 20–25. 296 GEIßLER, Tithonosmythos (s. Anm. 154), 112; vgl. auch H. KING, Tithonus and the Tettrix, Arethusa 19 (1986), 15–35. 297 Vgl. zu den Belegen z.B. Hellenikos von Lesbos fr. 140 (JacobyFGrH); Schol. Hom. Il. 3,151; Serv.Verg.georg. 3,328; u.ö. 298 Eventuell greift Kallimachos bei der Entwicklung dieses Gedankens auf ein Sapphogedicht (fragm. 58) zurück. Sappho beendet ihr Gedicht über das Älterwerden mit dem Tithonosmythos, womit sie das „Tithonosexempel zu einer Aussage über ihr eigenes Fortleben als Sängerin“ nutzt; vgl. GEIßLER, Tithonosmythos (s. Anm. 154), 111f.; siehe dazu auch H. BERNSDORFF, „Das beseufze ich oft…“ Antiker Papyrus neu gefunden: Sapphos lyrische Klage über das Alter, Forschung Frankfurt 2 (2007), 102–104; siehe auch NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 54–56. Zu Sappho und ihrer Überzeugung, auch nach ihrem Tod durch den Ruhm ihrer Lieder lebendig zu bleiben, vgl. die Belege bei SYNDIKUS, Lyrik Bd. 1 (s. Anm. 273), 475. Vgl. zum Tithonosmythos und zum unsterblichen Gesang auch den homerischen Hymnus an Aphrodite 218–238.

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süßen, Sehnsucht erweckenden Stimmen, taugen die Glieder mir. Wär ich, o wär ich doch Kerylos, der alte meeresfarbene Vogel, der gottgeweihte, der mit den Eisvögeln (ἁλκυών) fliegt über den blumigen Schaum der stille gewordenen See gestillten Herzens.“299 Der alternde Dichter wünscht sich, als κηρύλος mit den (weiblichen) Eisvögeln hinwegzufliegen bzw. von ihnen hinweggetragen zu werden.300 Insofern ist der „Kerylosflug für Alkman [...] eine imaginäre Möglichkeit, den Tod durch seine Dichtung zu überwinden.“301 Deutlich ist der Pfau als Sinnbild für Unsterblichkeit des Dichters zu sehen, wie aus dem Traum des Ennius hervorgeht. In diesem erscheint ihm Homer und offenbart ihm, dass seine Seele in Ennius weiterleben werde.302 Mit dieser unter Rückgriff auf die pythagoreische Seelenwanderungslehre entwickelten Vorstellung der Metempsychosis des Homer erreicht Ennius zweierlei: Zum einen stilisiert er sich als alter Homerus,303 zum anderen drückt er seine auch andernorts304 zum Ausdruck gebrachte Hoffnung auf eigene Unsterblichkeit aus, die dann erreicht ist, wenn seine Seele einst in einen anderen Dichter eingehen wird. Doch die Seele Homers geht nicht unvermittelt auf Ennius über. „Zwischenglied in der Inkarnationskette“305 und „Metempsychosis-Stadium“306 von Homers Seele ist der Pfau, wie Homer sich im Traum des Ennius erinnert (memini me fiere pavum [Enn.ann. 11]).307 Der Pfau wird zum Sinnbild 299

Übertragung nach: Fragmente frühgriechischer Lyrik, herausgegeben und übersetzt von E. Peterich, Florenz 1943, 55. 300 Vgl. NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 59f.; vgl. auch A. ERCOLANI, in: B. Zimmermann (Hg.), Handbuch der griechischen Literatur der Antike. Bd.1: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit, München 2011, 185; VESTRHEIM, Alcman (s. Anm. 276), 18. „Alcman’s wish is a wish for himself to be carried by the maidens as the old cerylus is carried by the halcyons, and metaphorically for his fame to be carried by their songs.“ Vestrheim bemerkt nicht nur eine gedankliche Nähe zu Hor.carm. 2,20 (ebd., 17), sondern weist zudem auf die Vorstellung hin, ein Dichter werde durch die Aufführung seiner Werke und den Ruhm, den andere verbreiten, gewissermaßen in die Nachwelt getragen; vgl. dazu z.B. den homerischen Hymnus an den delphischen Apollo 166–176. 301 NÜNLIST, Bildersprache (s. Anm. 120), 60. 302 Siehe insgesamt SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 94–113; O. SKUTSCH, The Annals of Q. Ennius, Oxford 1985, 164. Zur Rekonstruktion des Traumes sind Prop. 3,3,1–52, Lucr. 1,112–126 und der Prolog zu den Satiren des Persius wichtige Quellen. Vgl. dazu z.B. SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 46–68; KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 195f. Bereits Antipatros von Sidon bedient sich im Grabepigramm auf Stesichoros der Vorstellung der Metempsychosis des Homer (Anth.Pal. 7,75). 303 Siehe zu den Belegen für diese gängige Vorstellung z.B. KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 200 Anm. 201. 304 Von seinem Streben nach Unsterblichkeit zeugt auch das Grabepigramm des Ennius; vgl. Anm. 99. 305 JAKOB, Schwanengefahr (s. Anm. 134), 69. 306 SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 318. 307 Zitiert nach KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 193. Siehe dazu z.B. W. STETTNER, Die Seelenwanderung bei Griechen und Römern, TBAW 12, Stuttgart u.a. 1934, 43;

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für die Unsterblichkeit des Dichters, was vermutlich der hellenistischen Symbolik des Pfaus als Symbol für „Ewigkeit und Unsterblichkeit“ geschuldet ist.308 Ein weiterer Beleg für die Veranschaulichung der Unsterblichkeit des Dichters durch Symboltiere liegt vermutlich mit der Ovid’schen Trauerelegie auf den toten Papagei Corinnas vor (Ov.am. 2,6). Es handelt sich zahlreichen Forschungstendenzen zufolge nicht um ein Tierepikedion, wie sie in der Dichtung reich bezeugt sind (z.B. Stat.silv. 2,4; Catull 3); vielmehr fungiert der Papagei als Chiffre für den Dichter Gallus oder für Ovid selbst bzw. den lyrischen Dichter.309 Dies legt unter anderem die Analogie zu der Trauerelegie auf Tibull (Ov.am. 3,9) nahe,310 in der Ovid die Vorstellung vom Dichter-Elysium entfaltet, in das Tibull nach seinem Tod eintritt. „Aber wenn mehr von uns als Name und Schatten zurückbleibt, wird in Elysiums Tal sicher jetzt weilen Tibull. Dort, um das junge Haupt den Efeu geschlungen, empfange Du ihn, gelehrter Catull, an deinen Calvus gelehnt. Du auch, Gallus […]“ (Ov.am. 3,9,59–60).311 Eine vergleichbare Szene entwickelt Ovid in der Trauerelegie auf Corinnas toten Papagei. Der Papagei kommt ins Vogel-Elysium: „Hier sieht weit und breit unschuldige Schwäne man weiden, und den Phönix, des Leben sich immer erneut. Hier entfaltet den Schweif der Pfau, der Vogel der Juno. Immer die Taube küßt hier ihren liebenden Mann. Wenn hier den Papagei die guten Vögel empfangen, wenden sie zu ihm das Ohr, wenn er zu sprechen beginnt.“ (Ov.am. 2,6,53–58). Wo in Ov.am. 3,9,59–60 die Klarnamen der Dichter genannt werden, erscheinen in Ov.am. 2,6,53–58 nun die Symbolvögel verstorbener Dich-

SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 106f.; 318f. Anm. 337. Vgl. zur Rezeption dieser Vorstellung etwa Pers.sat. 6,10f; Tert.an.33. 308 SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 106f. Zum Pfau als Zeichen der Unsterblichkeit und des Paradieses vgl. etwa GIEBEL, Tiere (s. Anm. 122), 139; R. MONREAL/H. WITTE/F. ZANELLA, Pfau, RAC 27/Lieferung 213 (2015), 492–511 (494f.). Vgl. zur möglichen Symbolik für das Elysium auf Mosaiken ebd., 500. Weitere, oft unternommen Versuche, z.B. aus Augustins Erwägungen in civ.dei 21,4.7, im Pfau in der patristischen Tradition ein Symbol für Unsterblichkeit zu sehen, seien dagegen weniger überzeugend; dazu ebd., 505. 309 Siehe auch GIEBEL, Tiere (s. Anm. 122), 131f. Vgl. zu den Interpretationsmöglichkeiten G. BRETIZGHEIMER, Ovid Amores. Poetik in der Erotik, Classica Monacensia 22, Tübingen 2001, 150f.; SCHMITZER, Gallus (s. Anm. 128), 246–248. Zu übertragenen Deutungen im oben genannten Sinne siehe z.B. ebd., 245–270; V. SCHMIDT, Corinnas psittacus im Elysium (Ovid Amores 2,6), Lampas 18 (1985), 214–228; B. W. BOYD, The Death of Corrinas Parrot reconsidered: Poetry and Ovid’s Amores, CJ 83 (1987), 199–207; DIES., Ovid’s Literary Loves: Influence and Innovation in the Amores, Michigan 1997, 170–179. 310 Vgl. SCHMITZER, Gallus (s. Anm. 128), 260f.; SCHMIDT, psittacus (s. Anm. 309), 223. 311 Ovid, Liebesgedichte. Amores, eingeleitet, übertragen und erläutert von H. Naumann, München 1966.

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ter: Dichter-Schwäne wie Horaz, der Dichter-Pfau Homer, Liebesdichter-Tauben wie Properz.312

3. Antike Dichtungstheorie und Apokalyptik 3.1 Epilog im Himmel Ein Blick in den Himmel. Während die Herrlichkeit Gottes über allem strahlt, hört man in weiter Ferne das Jammern der gestraften Seelen. Die Engelchöre sind verstummt und die Deuteengel ruhen. Eine Schar von Männern mit Propheten- und Apostelmasken vor ihren Gesichtern hat sich dort versammelt – sind sie im Leib? Ich weiß es nicht; oder sind sie außer dem Leib? Ich weiß es auch nicht; Gott weiß es.313 Die Schar der Maskierten beginnt zu loben und zu offenbaren: „Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine Stimme wie von einer Posaune.314 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.“315 „Und ich sah einen großen Engel im fünften Himmel: der hielt einen eisernen Stab in seiner Hand, und bei ihm waren noch drei andere Engel. Ich blickte ihnen ins Angesicht. Sie wetteiferten miteinander: mit Peitschen in den Händen trieben sie die Seelen zum Gericht.“316 „Und wiederum hob er mich empor in den Luftkreis des sechsten Himmels, und ich sah daselbst eine Herrlichkeit, wie ich sie im fünften Himmel nicht gesehen hatte, als ich aufstieg, nämlich Engel in großer Herrlichkeit, und daselbst war ein heiliger und wunderbarer Lobgesang.“317 „In der zweiten Nacht sah ich einen Traum: Da stieg ein Adler aus dem Meer empor, der hatte zwölf befiederte Flügel und drei Häupter. Und ich schaute, wie er seine Flügel über die ganze Erde ausbreitete und wie alle Winde des Himmels auf ihn einbliesen und die Wolken sich um ihn sammelten. Darnach schaute ich, wie aus seinen Flügeln Gegen-Flügel entstanden, die wurden kleine und geringe Flüglein. Die Häupter aber schliefen.“318 „Und der Engel antwortete und sagte zu mir: Was ich dir nun hier zeige und was du gehört haben wirst, das sollst du 312

Vgl. zur Identifikation der Vögel auch SCHMITZER, Gallus (s. Anm. 128), 261–263. Vgl. 2 Kor 12,2f. 314 Apk 1,10. 315 Apk 21,2. 316 ApkPls 22. Übertragung nach: W.-P. FUNK, Koptisch-gnostische Apokalypse des Paulus, in: W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen II. Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 51989, 628–633. 317 AscJes 8,1–3. Übertragung nach: C.D.G. MÜLLER, Die Himmelfahrt des Jesaja, in: Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen II (s. Anm. 316), 547–562. 318 4Esr 11. Übertragung nach: C.K. BARRETT/C.-J. THORNTON, Texte zur Umwelt des Neuen Testaments, Tübingen 21991, 362. 313

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niemandem auf Erden mitteilen. Und er führte mich und zeigte mir, und ich hörte dort Worte, die ein Mensch nicht sagen darf. Und wiederum sagte er: Folge mir weiter, und ich werde dir zeigen, was du öffentlich sagen und berichten darfst.“319 „In jener Nacht erinnerte ich mich meines ersten Traumes; auch seinetwegen weinte ich und war bestürzt, weil ich jenes Gesicht gesehen hatte.“320 Das alles hört sich anders an als das Symposium der antiken Dichter und Denker auf dem Olymp. Die, die da in den Himmelssphären sprechen, sind zudem als Personen unkenntlich. Die Enthüller göttlicher Geheimnisse tragen selbst Masken und verhüllen sich. Die gesamte Szenerie wirkt wie von einem anderen Stern, was die berechtigte Frage aufwirft, ob es sich beim antik-paganen Olymp und den jüdisch-christlichen Himmelssphären um zwei inkom-patible Paralleluniversen handelt. Hätten sich Henoch und Horaz überhaupt etwas zu sagen? Anders formuliert: Können Aspekte der antik-paganen Diskussion über Autorkonzepte Licht auch auf die apokalyptische Literatur bzw. die Gattung Apokalypse321 werfen bzw. kann im Vergleich das je Eigene deutlicher profiliert werden? 3.2 Autorenliteratur vs. anonyme/pseudonyme Schriften? In den apokalyptischen Schriften begegnen keine Autorenpersönlichkeiten, die als historische Personen fassbar sind. Diejenigen, die die Inhalte der göttlichen Offenbarung weitergeben, bleiben unerkannt und unbekannt. Das damit verbundene pseudepigraphische Verfasserkonzept gilt gemeinhin als konstitutiv für die Gattung Apokalypse,322 wobei die kanonische Johannesapokalypse eine 319 ApkPl (griech.) 21. Übertragung nach: H. DUENSING/A. DE SANTOS OTERO, Die Apokalypse des Paulus, in: Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen II (s. Anm. 316), 644–675. 320 1Hen 90,40–42. Übertragung nach: BARRETT/THORNTON, Texte (s. Anm. 318), 370. 321 Die Existenz einer literarischen Gattung Apokalypse ist nicht unumstritten; vgl. z.B. den Diskussionsstand in: D. HELLHOLM, Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East, Tübingen 1983. Zur Gattung „Apokalypse“ und deren Diskussion siehe maßgeblich die Arbeiten von J.J. Collins; z.B. J.J. COLLINS, Towards a Morphology of a Genre, in: Ders. u.a., Apocalyse: The Morphology of a Genre, Semeia 14, Atlanta 1979, 1–19; DERS., The Oxford Handbook of Apocalyptic Literature, Oxford 2014; DERS., Apocalypse, Prophecy, and Pseudepigraphy. On Jewish Apocalyptic Literature, Grand Rapids 2015; DERS., The Apocalyptic Imagination. An Introduction to Jewish Apocalyptic Literature, Grand Rapids 32016; DERS., The Genre Apocalypse Reconsidered, ZAC 20/1 (2016), 21–40. 322 So z.B. P. VIELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur, Berlin u.a. 1975, 488; DERS./G. STRECKER, Apokalypsen und Verwandtes. Einleitung, in: Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen II (s. Anm. 316), 491–547 (494); G. STRECKER, Literaturgeschichte des Neuen Testaments, Göttingen 1992, 261; 274; eingeschränkt S. SCHREIBER, Die Offenbarung des Johannes, in: M. Ebner/S. Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament, Stuttgart 22013, 559–585 (560). Vgl. zur Pseudepigraphie in der Apokalyptik z.B. M.E.

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Sonderstellung einnimmt. „Pseudonymity was a constant feature of the Jewish apocalypses. Since John is presumably the author’s real name, Revelation is anomalous in this respect.”323 Dass die realen Autoren hinter den Prophetenund Apostelmasken in der Regel nicht in Erscheinung treten, ist ein entscheidender Unterschied zur antik-paganen Autorenliteratur. Auch wenn antike Autoren deutlich machen, dass zwischen realem Autor und dem Autor-Ich der Texte – gerade auch angesichts der unterschiedlichen Gattungen und den damit verbundenen Autorrollen – zu differenzieren ist (vgl. 1.9; 2.3),324 handelt es sich in weiten Teilen der antik-paganen Literatur um Literatur mit historisch fassbaren Autorenpersönlichkeiten, die als solche auch wahrgenommen werden wollen. Die realen Autoren treten neben Formen der indirekten Selbststilisierung- und Inszenierung z.B. in den Symbolkomplexen der Dichterweihe explizit in Sphragis, Pro- und Epilogen sowie in einzelnen autobiographisch geprägten Werkstücken (z.B. Ov.trist. 2325) in Erscheinung, wobei indes im Einzelfall geprüft werden muss, ob es sich um autobiographische Angaben STONE, Ancient Judaism. New Visions and Views, Grand Rapids 2011, 109–121; COLLINS, Imagination (s. Anm. 321), 47–52; M. JANßEN, Unter falschem Namen. Eine kritische Forschungsbilanz frühchristlicher Pseudepigraphie, ARGU 14, Frankfurt a. M. u.a. 2003, 82f. 323 COLLINS, Imagination (s. Anm. 321), 340; siehe auch DERS., Pseudonymity, Historical Reviews, and the Genre of Revelation of John, CBQ 39 (1977), 329–343. Gemeinhin wird in der Forschung von der Orthonymität der Johannesapokalypse ausgegangen (vgl. zur Diskussion z.B. die Angaben bei T. WITULSKI, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse, Göttingen 2007, 340f. Anm. 87); siehe anders aber z.B. J. FREY, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften im Corpus Johanneum, in: M. Hengel, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch. Mit einem Beitrag zur Apokalypse von Jörg Frey, WUNT 67, Tübingen 1993, 326–429; DERS., Das Corpus Johanneum und die Apokalypse des Johannes. Die Johanneslegende, die Probleme der johanneischen Verfasserschaft und die Frage der Pseudonymität der Apokalypse, in: S. Alkier/T. Hieke/T. Nicklas (Hg.), Poetik und Intertextualität der Johannesapokalypse, in Zusammenarbeit mit M. Sommer, WUNT 346, Tübingen 2015, 71– 134. 324 Dieser Aspekt wird in der Forschung verstärkt herausgearbeitet. Siehe z.B. A.L. KLEINSCHMIDT, Ich-Entwürfe in spätantiker Dichtung. Ausonius, Paulinus von Nola und Paulinus von Pella, BKAW NF 2/138, Heidelberg 2013; KIMMEL, Motive (s. Anm. 115). Besonders deutlich ist dies am Beispiel der antiken Liebesdichtung. Vgl. z.B. FUHRMANN, Geschichte (s. Anm. 80), 127: „Eine mittlerweile überwundene biographisch orientierte Philologie hat versucht, aus Catulls Lesbia-Gedichten ein zusammenhängendes Ganzes, eine Abfolge seelischer Phasen, eine Art ‚Liebesroman‘ zu rekonstruieren. Aus heutiger Sicht beruhen diese Spekulationen auf der unrichtigen Annahme, daß die Gedichte unmittelbares Erleben widerspiegeln.“ Vgl. auch U. KNOCHE, Erlebnis und dichterischer Ausdruck in der lateinischen Poesie, Gymnasium 65 (1958), 145–165; B. ZIMMERMANN, Catull – ein hellenistischer Dichter in Rom, Pegasus Onlinezeitschrift VIII/1 (2008), 42–55; N. HOLZBERG, Catull. Der Dichter und sein erotisches Werk, München 22002, 11–60. 325 Vgl. zur „Sonderstellung“ des zweiten Buches der Tristia des Ovid als „Apologie oder Bittschrift“ z.B. G. LUCK, Ovid. Tristia, herausgegeben, übersetzt und erklärt von G. Luck, Bd. 2. Kommentar, Heidelberg 1977, 91.

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oder um die Inszenierung der Ich-Person bzw. des impliziten Autors handelt (z.B. Theocr.id. 7326). Dass antik-pagane Literatur wesentlich Autorenliteratur ist, hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die Interpretation von „apokalyptisch“ anmutender Topik in antik-paganen Texten. Abgesehen von inhaltlichen Berührungspunkten327 sind viele die Autorrolle betreffende literarische Sujets und Motive aus der apokalyptischen Literatur auch in der griechisch-römischen Autorenliteratur anzutreffen. Wie dem jüdischen oder christlichen Apokalyptiker widerfahren dem antiken Dichter und Denker Himmelsreisen („poetic charot ride“328), Visionen, Traumoffenbarungen und Entrückungen. Manilius reist z.B. durch himmlische Sphären (astron. 1,13–15; 2,58f.; 2,138–140 u.ö.). Parmenides (fragm. 1, 1–32) fährt von Rossen getragen auf jenseitigen Wegen und erfährt eine Offenbarung der Göttin. Vergil berichtet, wie der Dichter Gallus in Aoniens Berge erhoben wurde, wo ihm der Chor des Phoebus erschien und ihm vom Hirten Linus die Flöte übergeben wurde (Verg.ecl. 6,64–73).329 Diese Elemente dienen in erster Linie dazu, den realen Autor und seine Dichtung zu profilieren und gegebenenfalls (als göttlich) zu legitimieren. Symbolkomplexe wie z.B. die Örtlichkeit der Entrückung, das Personeninventar, Gegenstände wie die Dichterflöte oder die jeweilige Wasser- und Quellenmetaphorik sind assoziativ hoch besetzt, da bestimmte literarische Vorbilder, Traditionen und Dichtungsarten evoziert werden.330 Die Symbolkomplexe sagen deswegen in der Regel weniger über eine göttliche / musische Inspiration als über die konkrete poetologische Positionierung des Autors bzw. des Entrückten aus. Abgesehen von Symbolkomplexen im Rahmen der Dichterweihe ist das Entrückt-Werden in unerschlossene, himmlische Gefilde und damit poetisches Neuland ein geläufiges Bild, um die Neuheit und Innovationskraft des literarischen Schaffens auszudrücken.331 Diese auf die Profilierung des realen Au326

Vgl. zur Diskussion z.B. B. EFFE, Autor-Ich oder Rollen-Ich? Die Destruktion des autobiographischen Rezeptionsmodells in Theokrits 7. Idyll, in: M. Reichel (Hg.), Antike Autobiographien. Werke – Epochen – Gattungen, Köln u.a. 2005, 93–107. 327 Vgl. z.B. V. FÀBREGA, Laktanz und die Apokalypse, in: J. Frey/J. A. Kelhoffer/F. Tóth (Hg.), Die Johannesapokalypse. Kontexte – Konzepte – Wirkungen, WUNT 287, Tübingen 2012, 709–754; J. DOCHHORN, Laktanz und die Apokalypse: Eine Untersuchung zu Inst. 7,15–26, in: J. Verheyden/T. Nicklas/A. Merkt (Hg.), Ancient Christian Interpretations of ‚Violent Texts‘ in the Apocalypse, NTOA 92, Göttingen 2011, 133–160. 328 K. VOLK, The Poetics of Latin Didactic. Lucretius, Vergil, Ovid, Manilius, Oxford 2002, 228. 329 Vgl. für einen ersten Überblick FALTER, Dichter (s. Anm. 73), 79–88. Vgl. zu den Himmelsreisen in der lateinischen Literatur auch VOLK, Poetics (s. Anm. 328), 225–234, bes. 226 Anm. 57; vgl. zur Gottes- bzw. Musenerscheinung und Dichterweihe im Traum z.B. KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 104–108. 330 Vgl. exemplarisch zur Dichterweihe des Gallus bei Verg.ecl. 6,64–73 VON ALBRECHT, Vergil. Bucolica (s. Anm. 71), 165–169; SUERBAUM, Selbstdarstellungen (s. Anm. 117), 74– 78. 331 Vgl. dazu z.B. VOLK, Poetics (s. Anm. 328), 227f.

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tors abzielenden Funktionen „apokalyptisch“ anmutender bzw. visionärer Topik entfallen in der apokalyptischen Literatur, da die realen Autoren nicht greifbar sind und der Fokus ganz auf den gewählten Pseudonymen und deren Stilisierung liegt. Dass der reale Autor als Instanz schlicht nicht im Blick ist, wirkt sich auch auf weitere zentrale Aspekte des antik-paganen Autorverständnisses wie den Stolz auf die eigene Leistung (vgl. 1.2.4; 2.1 u.ö.) sowie die Hoffnung auf Unsterblichkeit im und durch das literarische Werk (vgl. 1.10; 2.6) aus, denen im pseudepigraphischen Verfasserkonzept keine Bedeutung zukommt. Auch die agonale Dimension dichterischen Schaffens (vgl. 1,5–7; 2.2) samt der vorausgesetzten Bewertungsmaßstäbe (vgl. 1.6; 2.5) ist untrennbar mit dem realen Autor verbunden und lässt sich mit dem anonymen oder pseudonymen Charakter apokalyptischer Literatur nicht bzw. nur modifiziert in Zusammenhang bringen. Eine agonale Dimension im Hinblick auf literarische Leistung ist der apokalyptischen Literatur fremd. Der apokalyptische „Agon“ bezieht sich vielmehr auf die Weltdeutung. Die apokalyptischen Schriften führen in einer als Krise erlebten Weltwahrnehmung „der real existierenden Welt in kontrastierender Weise eine bessere Welt vor Augen“ und sind „literarische Vermittlung von vergewisserten Offenbarungserfahrungen in gerade solchen Krisensituationen.“332 3.3 Genial vs. epigonal? Im Gegensatz zur antik-paganen Autorenliteratur, der als Hochliteratur oft ein Nimbus von Genialität anhaftet, wurde gerade in der älteren Forschung der literarische und theologische Wert apokalyptischer Literatur in Frage gestellt.333 Die Etikettierung der apokalyptischen Literatur als epigonenhaft etc. wurde oft mit deren Charakter als Buchreligion334 und dem pseudepigraphischen Ver332 M. TILLY, Apokalyptik, UTB Profile 3651, Tübingen 2012, 53. Siehe weiter etwa auch M. WOLTER, Apokalypsen als Erzählungen, in: J. Brokoff/B.U. Schipper, Apokalyptik in Antike und Aufklärung, Studien zu Judentum und Christentum, Paderborn u.a. 2004, 105– 132 (128): „Die aktuell erlebte Story wird als eine Problemlage erfahren, die es unmöglich macht, sie in die im kulturellen Wissen präsente erinnerte Story zu integrieren, so dass ein Konflikt zwischen den beiden Stories entsteht, der nur von ihnen beiden her nicht zu lösen ist. Es bedarf darum der hermeneutischen Hilfe einer dritten Story, die – wenn denn der aporetische Story-Konflikt überwunden werden soll – nur eine ‚offenbarte‘ Story sein kann wie sie in den Apokalypsen erzählt wird.“ 333 Vgl. dazu z.B. J. FREY, Die Apokalyptik als Herausforderung der neutestamentlichen Wissenschaft. Zum Problem: Jesus und die Apokalyptik, in: M. Becker/M. Öhler (Hg.), Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie, WUNT II 214, Tübingen 2006, 28–38. Vgl. umfassend W. ZAGER, Begriff und Wertung der Apokalyptik in der neutestamentlichen Forschung, EHS 358, Frankfurt a.M. u.a. 1989. 334 Vgl. klassisch J. WELLHAUSEN, Israelitische und jüdische Geschichte, Berlin 91958, 195f.: „Sie malt sich auf dem Papier ein Ideal, zu dem von der Wirklichkeit her keine Brücke

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fasserkonzept335 begründet, wobei die alttestamentliche Prophetie als Zeugnis religiöser Erlebnisechtheit großer Persönlichkeiten das positive Gegenbild abgab. Diese Sichtweise wird jedoch relativiert. Abgesehen davon, dass auch Prophetie in weiten Strecken „schriftgelehrte Traditionsliteratur“336 im Sinne redaktioneller Fortschreibung ist, wird die Eigenart apokalyptischer Literatur zunehmend wahr- und ernst genommen.337 Apokalyptische Literatur ist anders, aber nicht kleiner. Dies gilt nicht zuletzt für das pseudepigraphische Verfasserkonzept, das nicht auf Fälschung und geborgte Autorität reduziert werden kann,338 sondern dem eine Schlüsselfunktion für das Verständnis der Texte zukommt. Dies betrifft sowohl die Wahl der Gruppe der für die Apokalyptik typischen Pseudonyme („Größen der Vorzeit“339) als auch die Wahl einzelner hinüberführt, welches plötzlich durch das Eingreifen eines deus ex machina in die Welt gesetzt werden soll. Sie empfindet nicht, wie die alte echte Prophetie, das schon im Werden Begriffene voraus und stellt auch keine Ziele für das menschliche Handeln auf, die schon in der Gegenwart Geltung haben oder haben sollten. Sie schaut nicht das lebendige Tun der Gottheit, sondern hält sich an den heiligen Buchstaben, in dem sie die Verbriefung ihrer Wünsche sieht, und behandelt ihn als Quelle für ihre dogmatische Spekulation.“ 335 M. DIBELIUS, Geschichte der urchristlichen Literatur. I Evangelien und Apokalypsen, Berlin u.a. 1926, 87f.; VIELHAUER /STRECKER, Einleitung (s. Anm. 322), 494f. 336 So der Titel von K. SCHMID, Schriftgelehrte Traditionsliteratur. Fallstudien zur innerbiblischen Schriftauslegung im Alten Testament, FAT 77, Tübingen 2011. Vgl. zur Redaktionsgeschichte und ihrer Entwicklung z.B. K. SCHMID, Innerbiblische Schriftauslegung. Aspekte der Forschungsgeschichte, in: R.G. Kratz/T. Krüger/K. Schmid (Hg.), Schriftauslegung in der Schrift (FS O.H. Steck), BZAW 300, Berlin u.a. 2000, 1–22. 337 Vgl. zu neuen Trends in der Apokalyptikforschung z.B. FREY, Apokalyptik (s. Anm. 333), 38–55. 338 Dieser Paradigmenwechsel von einer negativen Sicht pseudepigraphischer Verfasserkonzepte im Sinne der Reduktion auf epigonale Fälschungen hin zu einem vertieften Verständnis ist parallel auch für antik-pagane Literatur unter fremden Namen zu beobachten. So wird etwa im Fall der pseudepigraphischen Briefe unter den Namen berühmter Männer, die als epigonal, minderwertig und als Fälschung galten, deren eigener Wert als Literatur stark gemacht. Vgl. exemplarisch O. HODKINSON/P.A. ROSENMEYER, Introduction, in: O. Hodkinson/P. A. Rosenmeyer/E. Bracke (Hg.), Epistolary Narrative in Ancient Greek Literature, Mn.S 359, Leiden u.a. 2013, 1–36 (2): „The literary qualities of these collections are often overlooked, despite the fact that they were evidently written as literature: they play with intertextuality, display an awareness of generic conventions, and exhibit a self-consciousness of their literary nature. Other epistolary narratives, clearly spurious but purporting to be documents in the lives of famous historical characters, have been neglected largely because of their spuriousness, but are no less significant in the development of epistolary and fictional literature und their relation to one another.” Auch im Hinblick auf Schriften wie die „Appendix Vergiliana“ wird zunehmend deren Eigenart herausgearbeitet und Licht in die pseudepigraphische Motivation und Konzeption gebracht. Vgl. hierzu die Beiträge in N. HOLZBERG, Die „Appendix Vergiliana.“ Pseudepigraphen im literarischen Kontext, Classica Monacensia 30, Tübingen 2005. 339 Vgl. hier etwa die Ansätze bei H.-K. MÜLLER, Die Pseudepigraphie im Schrifttum der frühjüdischen Apokalyptik, in: Ders., Studien zur frühjüdischen Apokalyptik. Gesammelte

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konkreter Autorpersönlichkeiten wie z.B. Esra:340 Warum wird Esra als Pseudonym gewählt? Mit welchen intertextuellen, motivischen und literarischen Strategien wird Esra als fiktiver Autor aufgebaut? Inwiefern wird das traditionelle Esrabild modifiziert? 3.4 Inspiration vs. Kompetenz? Sieht man von der möglicherweise orthonymen kanonischen Johannesapokalypse ab,341 hat eine direkte (Selbst-)Reflexion oder Diskussion über konkurrierende Autorkonzepte, wie sie das kleine Symposium auf dem Olymp vor Augen führt, in der apokalyptischen Literatur keine Parallele – geschweige denn, ein Apokalyptiker hätte in Analogie zu Aristoteles oder Horaz gar eine ars apocalyptica geschrieben. In der apokalyptischen Literatur nimmt der hinter der Maske einer Größe der Vorzeit versteckte Autor immer die Rolle des göttlich inspirierten prophetischen Hörers und Sehers ein, der seine Offenbarungen an andere weitergibt, ohne dass alternative Autorkonzepte oder explizite Reflexionen über Aspekte von (eigener) Autorschaft in den Blick kommen. Ein anderes Bild hingegen bietet der Diskurs der Apokalyptikforschung. In deren Symposien wiederholt sich gewissermaßen die Diskussion des fiktiven antiken Symposiums über Autorkonzepte zwischen Inspiratio (vgl. 1.1.8; 2.4) Aufsätze, SBAB 11, Stuttgart 1991, 195–228 (= ders., „Die Propheten sind schlafen gegangen: syr Bar 85,3“, BZ 26 [1982], 179–207); vgl. TILLY, Apokalyptik (s. Anm. 332), 50: Bevorzugt werde auf „zuverlässige Offenbarer aus der idealen vorsintflutlichen Zeit“ wie Adam, Henoch, Abaraham oder biblische Propheten vor der Verstummung der Prophetie seit Maleachi zurückgegriffen. 340 Vgl. z.B. H. NAJMAN, How should we contextualize Pseudepigrapha? Imitation and Emulation in 4 Ezra, in: Dies., Past Renewals. Interpretative Authority, Renewed Revelation and the Quest for Perfection in Jewish Antiquity, JSJSup 53, Leiden 2010, 235–243; P. METZGER, Esra und das vierte Buch Esra. Die Bedeutung des Pseudonyms für die Interpretation einer apokalyptischen Schrift, in: F. W. Horn/M. Wolter (Hg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung (FS O. Böcher), Neukirchen-Vluyn 2005, 263–290. 341 Im Fall der Annahme, es handle sich bei der kanonischen Johannesapokalypse um die authentische Schrift eines (unbekannten?) Johannes, werden – abgesehen von der Rahmung in Apk 1,4–20; 22,6–20 – beispielsweise in Apk 10,1–11,19 selbstreflexive Aussagen des Autors über sein prophetisches Selbst- und Autorverständnis identifiziert; vgl. z.B. G. HÄFNER/S. SCHREIBER, Pastoralbriefe und Johannesoffenbarung. Kontroverse Einstellungen zu Staat und Gesellschaft, in: M. Ebner/G. Häfner/K. Huber (Hg.), Kontroverse Stimmen im Kanon, QD 279, Freiburg i.B. u.a. 2016, 10–63 (30–37); siehe insgesamt auch SCHREIBER, Offenbarung (s. Anm. 322), 566–569. Vgl. zur methodischen Frage, inwieweit das in der Johannesapokalypse entworfene Bild vom impliziten Autor mit dem Selbstverständnis des realen Verfassers zu korrelieren ist, die knappen Erwägungen bei M. LABAHN, Die Macht des Gedächtnisses. Überlegungen zu Möglichkeit und Grenzen des Einflusses hebräischer Texttradition auf die Johannesapokalypse, in: M. Karrer/S. Kreuzer/M. Sigismund (Hg.), Von der Septuaginta zum Neuen Testament: textgeschichtliche Erörterungen, ANTT 43, Berlin u.a. 2010, 385–416 (387f.).

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und Imitatio (vgl. 1.2–7; 2.4): Ist der Apokalyptiker ein religiöses Genie oder ein schriftgelehrter Profi? Geht es im Fall der Apokalypsen um Inspiration oder Gattungskunst, um echte Vision oder schriftgelehrte Komposition und Redaktion?342 Deutete man früher „Apokalyptik [als] Buchweisheit, Literatur, und zwar Sammelliteratur“343 und stand dem Rekurs auf religiöse Erlebnisechtheit zum Verständnis der apokalyptischen Literatur eher kritisch gegenüber,344 so machen sich gegenwärtig Teile der Apokalyptikforschung – u.a. zum Teil basierend auf neurobiologischen/psychoanalytischen Untersuchungen – für die Erlebnisechtheit der in den Apokalypsen wiedergegebenen Träume und Visionen stark.345 Gleichzeitig wird der schriftgelehrte Umgang mit Traditionen in Apokalypsen und deren kunstvoller Aufbau als (Auslegungs-)Literatur immer deutlicher herausgearbeitet.346 Im Sinne der Erkenntnis: „The apocalyptic

342 WITULSKI, Johannesoffenbarung (s. Anm. 323), 64: „Handelt es sich bei diesen Visionen weitgehend um ‚echte‘ Weissagungen, in denen auf der Basis der Entwicklungen der Gegenwart eine zeitliche, (noch) nicht-reale Zukunft antizipiert wird? Oder ist auch denkbar, daß zumindest einige dieser Visionen vaticinia ex eventu sind, Visionen also, in denen der Apokalyptiker die erlebte Gegenwart unter dem Deckmantel der Schau von Zukunft beschreibt und reflektiert?“ 343 VIELHAUER/STRECKER, Einleitung (s. Anm. 322), 495. 344 Vgl. grundsätzlich M. HENGEL, Anonymität, Pseudonymität und „Literarische Fälschung“ in der jüdisch-hellenistischen Literatur, in: Ders., Judaica et Hellenistica. Kleine Schriften I, herausgegeben und ergänzt von J. Frey, WUNT 90, Tübingen 1996, 196–251 (231): „Der dogmatische belastete Begriff der ‚Inspiration‘ ist in diesem Zusammenhang schwerlich brauchbar. Auch das Kriterium der Erlebnisechtheit hilft hier kaum weiter, da das Entscheidende in der jüdischen Apokalyptik nicht nachweisbar erlebte Vision, sondern die mündliche und schriftliche Tradition war.“ 345 Vgl. zur Problemexposition z.B. F. FLANNERY, Dreams and Visions in Early Jewish and Early Christian Apocalypses and Apocalypticism, in: Collins, Handbook (s. Anm. 321), Oxford 2014, 104–122 (114–116); M.E. STONE, A Reconsideration of Apocalyptic Visions, HThR 96/2 (2003), 167–180; D. MERKUR, The Visionary Practices of Jewish Apocalypticists, Psychoanalytic Study of Society 14 (1989), 119–148. Gleichzeitig wächst die Kritik an einer behaupteten möglichen Erlebnisechtheit apokalyptischer Visionen. Neben der Anfrage, ob man denn überhaupt Kriterien entwickeln könne, eine solche zu diagnostizieren, wird auch das pseudepigraphische Verfasserkonzept in dieser Hinsicht als Problem empfunden; vgl. dazu z.B. z.B. A.D. BAUM, Revelatory Experience and Pseudepigraphical Attribution in Early Jewish Apocalypses, Bulletin for Biblical Research 21/1 (2011), 65–92. Anders z.B. D.S. RUSSELL, The Method and Message of Jewish Apokalyptik. 200 BC – AD 100, Philadelphia 1964, 158–173, der davon ausgeht, dass die Apokalyptiker davon überzeugt waren, dass ihre Visionen und Offenbarungen sich mit denen der alten Propheten deckten. 346 Vgl. exemplarisch J. DOCHHORN, Schriftgelehrte Prophetie. Der eschatologische Teufelsfall in Apoc Joh 12 und seine Bedeutung für das Verständnis der Johannesoffenbarung, WUNT 268, Tübingen 2010; A. YARBRO COLLINS, Rewritten Prophets. The Use of Older Scripture in Revelation, in: Alkier/Hieke/Nicklas (Hg.), Poetik (s. Anm. 323), 291–300; sowie die weiteren Beiträge dort unter III. „Intertextualität und Medialität“.

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literature is a ‚scribal phenomenon‘.“347 ist der Autor apokalyptischer Literatur immer auch ein schriftgelehrter Autor bzw. Redaktor, der sowohl auf traditionelle Bilder als auch auf Prätexte bezogen ist und seinen apokalyptischen Text aus diesen Elementen webt – und dabei überaus kunstvoll vorgeht. Gerade am Beispiel der kanonischen Johannesapokalypse kommt die gekonnte und komplexe literarische Konzeption und Komposition und damit der Apokalyptiker als theologus doctus/faber gegenwärtig verstärkt in den Blick.348 Damit stehen sich in der Apokalyptikforschung wie in der antiken Dichtungstheorie zwei scheinbar entgegengesetzte Autorverständnisse gegenüber: Sind die Verfasser von Apokalypsen inspirierte Propheten oder schriftgelehrte Wortwerker? Liegen den apokalyptischen Texten erlebte Inspiration oder gelernte Kompetenz zugrunde? Ungeachtet der Annahme, dass sich gerade im Hinblick auf die Erlebnisechtheit sowohl in der apokalyptischen Literatur349 als auch im Hinblick auf Dichterweihen oder Musenreligiosität in der antikpaganen Literatur350 Pauschalisierungen verbieten, ist zu fragen, ob die kunstvolle Arbeit des Apokalyptikers als theologus doctus/faber im grundsätzlichen Widerspruch zur Erlebnisechtheit steht. Das Bewusstsein, vom Göttlichen inspiriert zu sein, und die kunstvolle Gestaltung einer Apokalypse als (Auslegungs-)Literatur müssen einander nicht ausschließen, wie es z.B. Franz Tóth für die Johannesapokalypse formuliert: „Die Apokalypse des Johannes ist erlebter Visionsbericht und literarisches Kunstprodukt zugleich. Die Zusammenfügung, Konzipierung, Strukturierung und theologische Akzentuierung der Visionsstoffe zu einem prophetischen Buch ist das Werk eines begnadeten Künst347

COLLINS, Imagination (s. Anm. 321), 47. Siehe zur Eigenart der Apokalyptik als Auslegungsliteratur bzw. Interpretation und Systematisierung der Überlieferung auch O.H. STECK, Überlegungen zur Eigenart der spätisraelitischen Apokalyptik, in: J. Jeremias/L. Perlitt (Hg.), Die Botschaft und die Boten (FS H.W. Wolff), Neukirchen-Vluyn 1981, 301–315; R.G. KRATZ, Apokalyptik. Altes Testament, RGG4 1 (1998), 591f. 348 Vgl. z.B. die Beiträge in Alkier/Hieke/Nicklas, Poetik (s. Anm. 323); H.-G. GRADL, Buch und Offenbarung. Medien und Medialität der Johannesapokalypse, HBS 75, Freiburg i.Br. 2014; siehe bereits auch M. KARRER, Die Johannesapokalypse als Brief. Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140, Göttingen 1986. 349 Vgl. im Hinblick auf die apokalyptische Literatur z.B. bereits W. SPEYER, Die literarische Fälschung im heidnischen und christlichen Altertum. Ein Versuch ihrer Deutung, HAW I/2, Darmstadt 1971, 83. Speyer kommt zu unterschiedlichen Beurteilungen. Liege im Fall des Danielbuches „echte religiöse Pseudepigraphie“ vor (ebd., 36), so handle es sich bei der Paulusapokalypse um Vision als Fälschung und Beglaubigung (vgl. ebd., 66). 350 Vgl. diesbezüglich im Hinblick auf eine mögliche Erlebnisechtheit im Kontext der Dichterweihe z.B. KAMBYLIS, Dichterweihe (s. Anm. 110), 52–61.108; SUERBAUM, Untersuchungen (s. Anm. 117), 102; im Hinblick auf die Musenanrufungen vgl. z.B. M. HOSE, Kleine griechische Literaturgeschichte. Von Homer bis zum Ende der Antike, München 1999, 37: „Die Frage, wie weit hinter derartigen Anrufungen religiöses Empfinden, wie weit epische Konvention, also eine ‚Kunst des Anfangs‘ steht, ist für das frühe Epos nicht einheitlich zu beantworten.“

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lers und schriftgelehrten Autors, der – wohl nicht zuletzt durch eigene visionäre Erlebnisse motiviert – offenbar mehrfach über einen längeren Zeitraum hindurch zur Feder gegriffen hat.“351 Hier finden sich ohne Mühen Analogien in der antik-paganen Literatur. Auch wenn sich der inspirierte Hermeneut der Götter und der poeta doctus/faber als zwei scheinbar entgegengesetzte Pole antiker Autorkonzepte gegenüber stehen, können diese beiden Konzepte auch ineinander greifen. Deutlich wird dies an den Autorverständnissen von Dichtern wie Pindar und Horaz. Beide Dichter verstehen sich ausdrücklich als Künstler und Wortwerker, worauf nicht zuletzt die von beiden ausführlich gebrauchte Handwerksmetaphorik (Pind.Pyth. 1,5,86; 7,6,52f.; Hor.ars.poet. 289–294. 440f; Hor.carm. 3,30,1) und der Stolz auf die eigene Leistung hinweisen. Andererseits betonen beide Dichter wie kaum andere ihre Nähe zu den Musen und zum Göttlichen (Pind.Ol. 2,5,86–87; 9,27–29; Hor.carm. 4,3; 4,6) und wissen um die „gottgegebenen Gesänge“ (θεόµοροι ἀοιδαί)352, wie der Hymnus des Horaz am Melpomene unmissverständlich deutlich macht: „O du, die du der goldnen Leier süße Töne stimmest, Pieridin, die du stummen Fischen sogar, wenn du es wolltest, Schwanengesang zu geben vermagst, dein Geschenk ist dies alles (totum muneris hic tui est)! [...] daß ich schon lebend gefalle (wofern ich gefalle), ist dein Werk (tuum est).“ (Hor.carm. 4,3,17–21.24). Was Otto Falter in Hinblick auf Pindar formuliert, lässt sich gleichermaßen auch für Horaz sagen: „So erscheint Pindars Schaffen als ein harmonisches Nebeneinander und Miteinander von menschlicher und göttlicher Kraft. Zu des Dichters eigenem Können, zu seinem Fleiß und seiner Arbeit (Nem. VI 54) tritt die geheimnisvolle göttliche Kraft [...]. Von einem unbewußten Schaffen und einem völligen Ergriffensein von der göttlichen Kraft, der der Dichter sich als unbewußtes, willenloses Werkzeug zu unterwerfen hat, findet sich bei Pindar kaum eine Spur.“ 353 Auch wenn sich das Ineinander beider Verfasserkonzepte für Teile der apokalyptischen Literatur ebenso wie das individuelle Bewusstsein, vom Göttlichen inspiriert zu sein, nicht ausschließen lassen, ist doch methodische Vorsicht angebracht: „Es lässt sich auch nicht leugnen, daß die Apokalyptiker visionäre Erlebnisse hatten; eine andere Frage ist es, wieweit diese Erlebnisse sich literarisch niedergeschlagen haben. Auch mit Hilfe der Religions- und Typenpsychologie wird es schwerlich gelingen, echtes Erleben und literarische Arbeit in den Apokalypsen säuberlich zu scheiden.“354

351 F. TÓTH, Von der Vision zur Redaktion (s. Anm. 191), 319–411 (406). Vgl. auch M. FRENSCHKOWSKI, Die Johannesoffenbarung zwischen Vision, astralmythologischer Imagination und Literatur. Perspektiven und Desiderate der Apokalypse-Forschung, in: Horn/Wolter (Hg.), Studien (s. Anm. 340), 20–45. 352 Z.B. Pind.Ol. 3,1,10. 353 FALTER, Dichter (s. Anm. 73), 29. 354 Vgl. klassisch VIELHAUER/STRECKER, Einleitung (s. Anm. 322), 495. Siehe auch DIBELIUS, Geschichte (s. Anm. 335), 88. Die methodischen Anfragen und Schwierigkeiten,

„Was ist ein Autor?“

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3.5 Literatur vs. Lebensbewältigung? Sowohl die antik-pagane Autorenliteratur als auch das apokalyptische Schrifttum zeichnen sich durch die Zu- und Einordnung in eine Tradition aus. Die Alten sind wegweisende Regel und Richtschnur (Ps.-Long.subl. 14,1) sowie Quelle dichterischer Inspiration (vgl. 1.3; 2.4). Gerade die lateinische Literatur lebt als abgeleitete Literatur von ihrer Bezogenheit auf griechische Prätexte und Vorbilder, die als alter ego mit den realen Autoren verbunden werden (vgl. z.B. Cic.fin. 1,3,7; Hier.ep. 58,5). So gelten Ennius und Vergil als alter Homerus (z.B. Hor.ep. 2,1,50), Properz als Romanus Callimachus (Prop. 4,1,64), Terenz als dimidiatus Menander (Donat, Vit.Ter. 7), Sallust als aemulus Thucydidis (Vell. 2,36,2), Cicero als Platonis aemulus (Quint.inst. 10,1,123). Auch im Fall der apokalyptischen Literatur ist ein Traditionsbewusstsein konstitutiv, das sich nicht zuletzt im pseudepigraphischen Verfasserkonzept niederschlägt. „Das Entscheidende ist der religiöse Traditionsstrom, der immer wieder neue literarische Form annimmt, für die dann die pseudepigraphische Form eine Selbstverständlichkeit ist, weil nicht die Individualität des Schreibers, sondern die Gestalt des göttliches Heros, an dessen Überlieferung und Geist man allein gebunden ist, die entscheidende Norm darstellt.“355 Im Unterschied zur antik-paganen Autorenliteratur inszeniert sich der Apokalyptiker nicht nur alter Paulus oder alter Esra, sondern als Paulus oder Esra selbst. Der klassifizierende Beiname wird damit zum Pseudonym, hinter dem der reale Autor gänzlich verschwindet. Dieser Unterschied ist nicht beiläufig, sondern bedeutsam. In der antik-paganen Autorenliteratur zielt die Einordnung in eine Tradition nicht nur auf die Bewahrung der Tradition (memoria veterum [Macr. 6,1,5; Plin.ep. 9,22,1]), sondern ist zudem mit poetologischer Selbstreflexion und dem agonalen Gedanken verbunden. „Bezeichnend für die hell. und röm. Literatur insgesamt – namentlich für die Dichtung – ist die stete immanente, identitätsgewinnende oder polemische Auseinandersetzung der V.[erfasser] mit den eigenen Trad. als lit.-gesch. Selbstreflexion.“356 Insofern zielt die Imitatio zwischen Tradition und Innovation auch auf die Wahrnehmung des realen Autors. Wie präsentiert, inszeniert und positioniert sich der reale Autor? Wie gelingt ihm die Transformation der Tradition im Sinne der Aktualisierung und Kontextualisierung? Traditionsbezug wird somit auch zum Mittel der Selbstinszenierung. Anders verhält es sich mit der apokalyptischen Literatur. Hier geht es nicht um (Selbst-)Inszenierung, sondern um Wirklichkeitsbewältigung Kriterien für eine mögliche Erlebnisechtheit aufzustellen, sind vergleichbar der Diskussion um „echte religiöse Pseudepigraphie“; vgl. JANßEN, Namen (s. Anm. 322), 84–86. 355 HENGEL, Anonymität (s. Anm. 344), 231; siehe auch den Entwurf von D.G. MEADE, Pseudonymity and Canon. An Investigation into the Relationship of Authorship and Authority in Jewish and Earliest Christian Texts, WUNT 39, Tübingen 1986, 73–102. 356 U. SCHMITZER, Art. Verfasser, DNP 12/2,1 (2002), 32–36 (35).

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mit Hilfe einer symbolischen Identifikationsfigur, die Teil der offenbarten (Gegen-)Wirklichkeit ist. Literatur wird so zur Lebensbewältigung. Dies schlägt sich nicht nur im Inhalt (Beispiele für Wirklichkeitsbewältigung mit Hilfe von [Transformation] von Traditionen finden sich auch in der antik-paganen Literatur reichlich!), sondern bereits im Autorkonzept nieder. Anstelle des realen Autors als Paulus aemulus oder Esra alter offenbaren nun Paulus oder Esra selbst, was ihnen geoffenbart wurde. „Ich sehe einen neuen Himmel und eine neue Erde.“ An die Stelle der aemulatio tritt letztlich die apocalypsis.

Frühjüdische Literatur

How the Prophets Became Biblical Authors and How the Biblical Authors Became Prophets Konrad Schmid Why do we have a Bible at all? Why has the Bible inaugurated two religions, Judaism and Christianity, that are still alive today? Why has the Bible been considered an authority over many centuries, even though various communities and individuals have understood this authority in very different ways? There are, of course, many factors and forces that contributed to the survival of the Bible, Judaism, and Christianity,1 but one of them is a specific understanding of biblical texts as possessing a quality that can be identified as “prophetic.” The Hebrew Bible’s prophetic quality is most prominently developed in the well-known remarks about the Hebrew scriptures in 4 Ezra 14,2 as well as Josephus’s remarks in Contra Apionem 1.8.3 Both of them claim that the Hebrew Bible was written by prophets, or at least by prophetically inspired authors. This concept of the prophetic or inspired quality of the Bible prevailed until the modern period in both Judaism and Christianity, and it still does so in some conservative circles of these religions. To be sure, even in modern historicalcritical scholarship, the notion is not simply to be dismissed, since many scribal activities that augmented the biblical text and led to its “final” shape can in some way be characterized as “prophetic,” as especially Odil Hannes Steck

1 Cf. Christoph Markschies, Warum hat das Christentum die Antike überlebt? Kirchenhistorische und systematisch-theologische Antworten, 3rd ed., Forum Theologische Literaturzeitung 13 (Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2006). 2 Christian Macholz, “Die Entstehung des hebräischen Bibelkanons nach 4 Esra 14,” in Die hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte: Festschrift für Rolf Rendtorff zum 65. Geburtstag, ed. Erhard Blum (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1990), 379–91; Michael Becker, “Grenzziehungen des Kanons im frühen Judentum und die Neuschrift der Bibel nach 4. Buch Esra,” in Qumran und der biblische Kanon, ed. Michael Becker and Jörg Frey, BThSt 92 (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2009), 195–253. 3 Steve Mason, “Josephus and His Twenty-Two Book Canon,” in The Canon Debate, ed. Lee M. McDonald and James A. Sanders (Peabody: Hendrickson, 2002), 110–27; see also Steve Mason and Robert A. Kraft, “Josephus on Canon and Scriptures,” in From the Beginnings to the Middle Ages (until 1300), vol. 1 of Hebrew Bible: Old Testament, ed. Magne Sæbø (Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen, 1996), 217–35.

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argued: not only “oral prophecy,” but also “scribal prophecy” qualifies as prophecy.4 In order to understand such qualifications of the Hebrew Bible as “prophetic”, it is also necessary to look into the early history of the development of prophecy in the Hebrew Bible. The goal of this article is to elucidate this early history and its significance for the Bible.

1. What is prophecy? The phenomenon of prophecy was not limited to ancient Israel and Judah. Furthermore, identifying which texts may or may not qualify as “prophetic” depends on one’s definition of prophecy. Manfred Weippert offered the following definition in 1988: “Ein(e) Prophet(in) ist eine Person männlichen oder weiblichen Geschlechts, die 1. in einem kognitiven Erlebnis, einer Vision, Audition, einem Traum o.ä., der Offenbarung einer Gottheit oder mehrerer Gottheiten teilhaftig wird, und 2. sich durch die betreffende(n) Gottheit(en) beauftragt weiss, die Offenbarung in sprachlicher oder metasprachlicher (Symboloder Zeichenhandlungen) Form an einen Dritten, den eigentlichen Adressaten, zu übermitteln.”5 (“A prophet is a man or a woman who 1. accesses the revelation of a deity or deities through a cognitive experience such as a vision, an auditory sound, a dream, etc.; and 2. is commissioned by the respective deity or deities to convey the revelation to a third party – the actual audience – in linguistic or meta-linguistic [symbolic actions] form.”)

This definition raises a number of noteworthy points. First, its reference to “deities” makes it applicable to polytheistic contexts. Second, in line with its ancient Near Eastern horizon, it explicitly includes female prophets,6 who are prominently attested in Neo-Assyrian prophecy, but also present to some extent in the Bible. Third, it includes “wordless” prophecy of the sort observed for instance in 1 Sam 10:5–6, where enthusiastic and dancing groups are prophets who convey no textual message. Fourth, it permits future-oriented pronouncements to remain an open matter, defining prophecy mainly in terms of the character of the messengers. However, it should be stressed that biblical prophecy, 4 Cf. Odil Hannes Steck, Die Prophetenbücher und ihr theologisches Zeugnis: Wege der Nachfrage und Fährten zur Antwort (Tübingen: Mohr Siebeck, 1996). 5 Manfred Weippert, “Aspekte israelitischer Prophetie im Lichte verwandter Erscheinungen des Alten Orients,” in Ad bene et fideliter seminandum: Festschrift für K. Deller, ed. Gerlinde Mauer and Ursula Magen, AOAT 220 (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1988), 287–319, 289–90; repr. in Götterwort in Menschenmund: Studien zur Prophetie in Assyrien, Israel und Juda, FRLANT 252 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2014), 87– 103 (89–90). 6 See Jonathan Stökl and Corrine L. Carvalho, eds., Prophets Male and Female: Gender and Prophecy in the Hebrew Bible, the Eastern Mediterranean, and the Ancient Near East (Atlanta: SBL, 2013).

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from very early on, has been interpreted as future-oriented, even in cases where the original prophecies pertained to the present or past more so than the future (cf. e.g. Isa 9:1–6). Following Weippert, particularly in Mesopotamia, we can identify two main geographic areas where prophetic records were found: namely, in Mari (stemming from the 18th century BCE) and in the library of Ashurbanipal in Nineveh (dating mainly to the seventh century BCE).7 What is the main difference between these texts and biblical prophecy? While many points could be adduced here, Jörg Jeremias identifies the central feature in the mode of perception and reception as what differentiates biblical prophecy from non-biblical prophecy. Jeremias argues that only in ancient Israel and Judah do we encounter the notion that prophecy pertains not just to one specific historical situation, but rather to multiple situations in the present and the future, even in the distant future.8 Prophetic records from Assyria, for example, were no longer applicable as soon as the historical situation to which they pertained had passed. The tables on which these records were inscribed were neither updated nor transmitted further. After the destruction of Nineveh in 612 BCE, they were buried in the palace’s ruins until the rediscovery in 1851 by Sir Austen Henry Layard. Israel’s prophecy is different in this respect, and that was apparently the case from its beginning: Its prophecy was considered to possess a quality transcending time and history and pertaining to a multitude of historical situations. Very early prophetic texts already witness to this quality of Israelite prophecy, and this notion continues into the latest stages of prophecy in the Hebrew Bible.

2. The specifics of biblical prophecy: Two sample cases This feature of Israel’s prophecy shall be illustrated by means of two examples, one from the early period (eighth century BCE) and the other from a late period (third century BCE) of the Hebrew Bible. The first example is from the prophecy of Amos. He was the first prophet in Israel whose oracles ended up in a book, and from early on his prophecy was deemed relevant for later periods and audiences, beyond his own time. Apparently, the tradents of Amos’ prophecies were convinced that the judgment announced by the book of Amos was not completed by the events of 722 BCE, 7 See Jonathan Stökl, Prophecy in the Ancient Near East: A Philological and Sociological Comparison, CHANE 56 (Leiden: Brill, 2012); Stefan M. Maul, Wahrsagekunst im Alten Orient: Zeichen des Himmels und der Erde (Munich: Beck, 2013). 8 Jörg Jeremias, “Das Proprium der alttestamentlichen Prophetie,” in Hosea und Amos: Studien zu den Anfängen des Dodekapropheton, FAT 13 (Tübingen: Mohr Siebeck, 1996), 20–33.

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when Samaria fell. This view is even detectable from the superscription in Amos 1:1, which mentions “King Uzziah of Judah,” even though Amos’ prophecy was addressed to the northern kingdom: The words of Amos, who was among the shepherds of Tekoa, which he saw concerning Israel in the days of King Uzziah of Judah and in the days of King Jeroboam son of Joash of Israel, two years before the earthquake.

In addition, the book offers some explicit views on Judah, such as in Amos 6:1: Alas for those who are at ease in Zion, and for those who feel secure on Mount Samaria, the notables of the first of the nations, to whom the house of Israel resorts!

I refrain from discussing the possible historical location of this text.9 It is clear in any case that Amos’ written prophecy also pertains to Judah in this saying, which unexpectedly highlights “Zion” in a book that otherwise concerns Israel, not Judah. Another indication of this understanding of an ongoing and continuous fulfilment of prophecy appears in the book of Isaiah’s reception of Amos’ prophecy.10 In Isa 5:25–30 + 9:7–20; 10:1–4, a poem (“Kehrversgedicht”) can be identified that is held together by the common refrain “For all this his anger has not turned away, and his hand is stretched out still” (cf. 5:25; 9:11, 16, 20; 10:4). As several scholars have pointed out, this poem rests on the tradition of Amos and thus draws on the theme of judgment against Israel, reflecting its meaning for Judah.11 Especially Isa 9:7–9 [ET: 8–10] is crucial for the relationship to Amos: The Lord sent a word against Jacob, and it fell on Israel; and all the people knew it – Ephraim and the inhabitants of Samaria – but in pride and arrogance of heart they said: “The bricks have fallen, but we will build with dressed stones; the sycamores have been cut down, but we will put cedars in their place.” 9

Cf. Erhard Blum, “Amos in Jerusalem: Beobachtungen zu Am 6,1-7,” Henoch 16 (1994), 23-47; Jörg Jeremias, Der Prophet Amos, ATD 24,2 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1995), 83 n. 1. 10 See also in more detail: Konrad Schmid, “The Origins of the Book of Isaiah,” in Sibyls, Scriptures, and Scrolls: John Collins at Seventy, ed. Joel Baden et al., JSJSup 175 (Leiden: Brill, 2017), 1166–85. 11 See Erhard Blum, “Jesaja und der ‫ דבר‬des Amos: Unzeitgemäße Überlegungen zu Jes 5,25; 9,7–20; 10,1–4,” DBAT 28 (1992/93): 75-95; idem., “Jesajas prophetisches Testament (II),” ZAW 109 (1997): 12–29 (13–16). See also Christof Hardmeier, Geschichtsdivinatorik in der vorexilischen Schriftprophetie: Studien zu den Primärschriften in Jesaja, Zefanja und Jeremia (Zurich: TVZ, 2013), esp. 83–85, who thinks more generally of allusions to Amos and Hosea. Uwe Becker, “Jesajaforschung (Jes 1–39),” TRu 64 (1999): 1–37, 117–52, casts doubt on the connections to Amos 4:6–12 because the composition-critical classification of this text within the book of Amos call into question placing this text in the eighth or seventh century BCE (here 127), see also Jeremias, Amos (see n. 9), esp. 46–56.

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As the past tense verbal forms indicate (‫“ ָשׁ ַ ֥לח‬sent,” ‫“ נָ ַ ֖פל‬fell”), Isa 9:7 explicitly recalls a prophetic oracle that has already taken place. What does this mean? A prophecy against the northern kingdom seems to be in view, which the addressees of “Ephraim,” “Samaria,” and also “the House of Jacob” suggest. There are hardly any options other than the Amos tradition, and the reference to the earthquake in Isa 9:8 – a central concept for Amos – as well as later Isa 9:12 (ET: 9:13) point to Amos: The people did not turn to him who struck them (‫ד־ה ַמּ ֵכּ֑הו‬ ַ ַ ‫ֹא־שׁ ב‬ ֖ ָ ‫)וְ ָה ָ ֥ ם ל‬, and Yhwh Sabaoth, they did not seek.

This verse is full of allusions to the book of Amos. That the people do not “turn” to God refers to the refrain from Amos 4:6–12; that God “struck” Israel cites Amos 4:9 (‫וּב ֵיּ ָרקוֹן‬ ַ ‫יתי ֶא ְת ֶכם ַבּ ִשׁ ָדּפוֹן‬ ִ ‫“ ִה ִכּ‬I struck you with blight and mildew”); and the reproach that Israel had not “sought” God responds to Amos 5:4–6: For thus says the Lord to the house of Israel: Seek me and live (‫ ;) ִדּ ְרשׁוּנִ י וִ ְחיוּ‬but do not seek Bethel, and do not enter into Gilgal or cross over to Beer-sheba; for Gilgal shall surely go into exile, and Bethel shall come to nothing. Seek the Lord and live ( ‫ִדּ ְרשׁוּ ֶאת ְי הוָ ה‬ ‫)וִ ְחיוּ‬, or he will break out against the house of Joseph like fire, and it will devour Bethel, with no one to quench it.

The reason for the reference to Amos in Isa 9:12 is not difficult to determine: According to this verse, the judgment that Isaiah proclaims against Judah is not new, but extends and continues the judgment on the northern kingdom of Israel. Israel’s judgment is now – that is, after 722 BCE – affecting Judah as well. The second example for the temporally transcendent quality of biblical prophecy stems from the book of Jeremiah and pertains to the reception of Jer 23:5–6 in Jer 33:14–16.12 Jeremiah 33:14–16 appears within the larger context of Jer 33:14–26, a passage that exhibits striking peculiarities. Firstly, this section only appears in the Hebrew text of Jeremiah, not in the Greek translation. Since the Greek translation otherwise follows the Hebrew quite closely, it is safe to assume that Jer 33:14–26 was not left out by the translator into Greek, but was lacking in his Hebrew Vorlage. That suggests a late date for this text, possibly in the Hellenistic period – a point that a number of arguments can corroborate. 12 See in more detail Konrad Schmid, “Die Verheißung eines kommenden Davididen und die Heimkehr der Diaspora: Die innerbiblische Aktualisierung von Jer 23,5f in Jer 33,14– 26,” in Schriftgelehrte Traditionsliteratur: Fallstudien zur innerbiblischen Schriftauslegung im Alten Testament, FAT 77 (Tübingen: Mohr Siebeck 2011; study edition, 2015), 207–221; see also Christiane Karrer-Grube, “Von der Rezeption zur Redaktion: Eine intertextuelle Analyse von Jeremia 33,14-26,” in Sprachen - Bilder – Klänge: Dimensionen der Theologie im Alten Testament und in seinem Umfeld: Festschrift für Rüdiger Bartelmus zu seinem 65. Geburtstag, ed. Christiane Karrer-Grube et al., AOAT 359 (Münster: Ugarit-Verlag, 2009), 105–21.

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Secondly, and important for our present concern, the opening passage of Jer 33:14–16 very closely resembles Jer 23:5–6. Jeremiah 33:14–16 obviously refers to the earlier Davidic promise from 23:5–6.13 Indeed, of the 42 words in 33:14–16, 22 of them are found in 23:5–6 in exactly the same order. But despite the verbal and thematic similarities, Jer 33:14–16 is anything but a mere doublet. Instead, it reinterprets 23:5–6, which becomes evident when we compare the two texts: Jer 33:14–16 ‫הו֑ה‬ ָ ‫ִה ֵנּ֛ה ָי ִ ֥מים ָבּ ִ ֖א ים נְ ֻאם־ ְי‬ ‫וַ ֲה ִ ֽ קמ ִֹת֙י‬ ‫ל־בּ ית‬ ֥ ֵ ‫ת־ה ָדּ ָ ֣בר ַה ֔טּוֹב ֲא ֶ ֥שׁ ר ִדּ ַ ֛בּ ְר ִתּי ֶא‬ ַ ‫ֶא‬ ‫הוּד ה׃‬ ֽ ָ ‫ל־בּית ְי‬ ֥ ֵ ַ ְ‫ִי ְשׂ ָר ֵ ֖א ל ו‬ ‫וּב ֵ ֣ת ַה ִ֔היא‬ ָ ‫ַבּ ָיּ ִ ֤מ ים ָה ֵה ֙ם‬ ‫ לְ ָד ִ ֖ו ד ֶצ ַ֣מח ְצ ָד ָ ֑ קה‬6‫ַא ְצ ִ ֥מ ַי‬ ‫וּצ ָד ָ ֖ ק ה ָבּ ָ ֽא ֶרץ׃‬ ְ ‫וְ ָ ָ ֛שׂ ה ִמ ְשׁ ָ ֥פּ ט‬ ‫הוּדה‬ ֔ ָ ְ‫שׁ ע י‬ ֣ ַ ָ‫ַבּ ָיּ ִ ֤מ ים ָה ֵה ֙ם ִתּוּ‬ ; ‫ירוּשׁ ַ ֖ל‬ ָ ִ‫ו‬ ‫ִתּ ְשׁ ֣כּוֹן לָ ֶ ֑ב ַטח‬ ‫א־ל֖הּ‬ ָ ‫וְ ֶז֥ה ֲא ֶשׁר־ ִי ְק ָר‬ ‫הו֥ה ִצ ְד ֵ ֽ קנוּ׃‬ ָ ‫ְי‬ 33:14 The days are about to come, says Yhwh, when I will fulfil

Jer 23:5–6 ‫הוה‬ ֔ ָ ‫ים נְ ֻאם־ ְי‬ ֙ ‫ִהנֵּ֙ ה ָי ִ ֤מ ים ָבּ ִא‬ ‫וַ ֲה ִקמ ִ ֹ֥תי‬

‫לְ ָד ִ ֖ו ד ֶצ ַ֣מח ַצ ִ ֑דּיק‬ ‫וּמ לַ > ֶ֙מ לֶ ֙> וְ ִה ְשׂ ִ֔כּיל‬ ָ֤ ‫וּצ ָד ָ ֖ ק ה ָבּ ָ ֽא ֶרץ׃‬ ְ ‫וְ ָ ָ ֛שׂ ה ִמ ְשׁ ָ ֥פּ ט‬ ‫הוּדה‬ ֔ ָ ‫שׁ ע ְי‬ ֣ ַ ָ‫ְבּ ָי ָמ ֙יו ִתּוּ‬ ‫וְ ִי ְשׂ ָר ֵ ֖אל‬ ‫ִי ְשׁ ֣כֹּן לָ ֶ ֑ב ַטח‬ ‫ה־שּׁ ֥מוֹ ֲ ֽא ֶשׁר־ ִי ְק ְר ֖אוֹ‬ ְ ֶ‫וְ ז‬ ‫הו֥ה ִצ ְד ֵ ֽ קנוּ׃‬ ָ ‫ְי‬ 23:5 The days are about to come, says Yhwh, when I will

the promise I made to the house of Israel and the house of Judah. 33:15 In those days and at that time I will cause for David a righteous branch to spring up; and he shall execute justice and righteousness in the land. 33:16 In those days Judah will be saved and Jerusalem will live in safety. And this is the name by which it will be called: “Yhwh is our righteousness.”

raise up for David a righteous branch, and he shall reign as king and deal wisely, and shall execute justice and righteousness in the land. 23:6 In his days Judah will be saved and Israel will live in safety. And this is the name by which he will be called: “Yhwh is our righteousness.”

There are significant differences between these two texts. For our purposes, the most important is the large addition at 33:14–15: “when I will fulfil the promise 13

See also Michael Fishbane, Biblical Interpretation in Ancient Israel (Oxford: Oxford University Press, 1985), 471–72.

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I made to the house of Israel and the house of Judah. In those days and at that time ….” What meaning does this addition imply? It allocates the fulfillment of the subsequent promise to a particular setting in the future: It will be fulfilled when Yhwh puts into effect “the good word” (‫ת־ה ָדּ ָ ֣בר ַה ֔טּוֹב‬ ַ ‫)א‬ ֶ “that he spoke to the house of Israel and the house of Judah.” Jer 33:14–16 differs from 23:5 in that the announcement is not just about one thing that is about to happen in 33:14–16. First God will fulfill his “good word” and then he will raise up a branch of righteousness for David. But what is this “good word?” Jeremiah 33:14 does not refer to some generic, unspecified “good word” or promise. The use of the article in the expression ‫ת־ה ָדּ ָ ֣ב ר ַה ֔טּוֹב‬ ַ ‫ ֶא‬suggests that a specific promise is in view. There is only one other instance in the book of Jeremiah where the expression ‫ ַה ָדּ ָ ֣ב ר ַה ֔טּוֹב‬appears, and this is in 29:10 (‫ת־דּ ָב ִ ֣רי ַה ֔טּוֹב‬ ְ ‫)א‬. ֶ 14 Here God’s “good word” refers to the bringing back of the deported ones, the diaspora: For thus says Yhwh: Only when seventy years are completed for Babylon, will I visit you, and I will set upon you my good word (‫ת־דּ ָב ִ ֣ר י ַה ֔טּוֹב‬ ְ ‫ ) ֶא‬to bring you back to this place.

If Jer 33:14–16 is read in light of this clear reference back to Jer 29:10, then Jeremiah 33 states that the diaspora must return to the land of Israel before the Davidic kingship will be restored. This seems quite logical: The nation first needs to be reunited in its own land, and only then can the Davidic dynasty be reestablished. What does this example say about the perception of prophecy in biblical times? Apparently, Jer 23:5–6 was a promise that went unfulfilled for many centuries. It was perhaps written in the aftermath of the Babylonian conquest of Jerusalem in 587 BCE, but there would be no Davidic ruler for many generations. Unavoidably, the question must have arisen: Was Jeremiah wrong? Was the Davidic dynasty in fact terminated forever? The tradents of the Jeremiah tradition seem to have looked for a solution by studying the book of Jeremiah more intensely. In Jer 29:10 they found the promise to the diaspora and concluded logically that this promise would need to be fulfilled first, in order for Jer 23:5–6 to be realized as well. They thus combined the two prophecies of 23:5–6 and 29:10, which resulted in the text of Jer 33:14–16. The underlying assumption was that a prophecy like Jer 23:5–6 remains valid despite evidence to the contrary. There were basically two strategies to cope with the apparent non-fulfilment of prophecies. The first was, obviously, to wait. The second was to search for hints in different prophecies to see why 14 See Yohanan Goldman, Prophétie et royauté au retour de l'exil: les origines littéraires de la forme massorétique du livre de Jérémie, OBO 118 (Fribourg: Academic Press and Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1992), 40.

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the fulfillment of others was delayed. In Jer 33:14–16, apparently both strategies were applied. This hermeneutic continued to develop after the Prophetic Books were finalized and – to use the expression with caution – after they were canonically specified.15 It is especially clear in the texts from Qumran and in the New Testament. Of particular relevance are the pesharim,16 the prophetic commentaries from Qumran. The pesher on the book of Habakkuk offers a well-preserved example. The seventh column reads as follows (1QpHab 7:1–8): And God told Habakkuk to write what was going to happen to [to] the last generation, but he did not let him know the consummation of the era. And as for what he says: “So that / may run/ the one who reads it.”17

Its interpretation concerns the Teacher of Righteousness, to whom God has made known all the mysteries of the words of his servants, the prophets. For the vision has an appointed time, it will have an end and not fail. Its interpretation: the final age will be extended and go beyond all that the prophets say, because the mysteries of God are wonderful.18 In this interpretation, two elements are particularly deserving of attention. First, the Habakkuk commentary from the second century BCE connects prophecies from Habakkuk to the time of the Qumran community, prophecies that the biblical text presents within the Neo-Babylonian period (ca. sixth century BCE). It explicitly follows the interpretation of Hab 2:2: “Its interpretation concerns the Teacher of Righteousness.” The figure known as the Teacher of Righteousness may have been the Qumran group’s founder and leader, having lived in the mid-second century BCE.19 What the Habakkuk commentary argues is that Habakkuk’s prophecies from the 6th century BCE actually concern 15 See Steck, Die Prophetenbücher (see n. 4); idem, Gott in der Zeit entdecken: Die Prophetenbücher des Alten Testaments als Vorbild für Theologie und Kirche, BThSt 42 (Neukirchen-Vluyn: Neukirchner Verlag, 2001); Reinhard G. Kratz, Prophetenstudien: Kleine Schriften II, FAT 74 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2011). 16 See James C. Charlesworth, The Pesharim and Qumran History: Chaos or Consensus? (Grand Rapids: Eerdmans, 2002); Reinhard G. Kratz, “Die Pescharim von Qumran im Rahmen der Schriftauslegung des antiken Judentums,” in Heilige Texte: Religion und Rationalität, 1. Geisteswissenschaftliches Colloquium 10.–13. Dezember 2009 auf Schloss Genshagen, ed. Andreas Kablitz and Christoph Markschies (Berlin: de Gruyter, 2013), 87–104; idem, “Text and Commentary: The Pesharim of Qumran in the Context of Hellenistic Scholarship,” in The Bible and Hellenism: Greek Influence on Jewish and Early Christian Literature, ed. Thomas L. Thompson and Philippe Wajdenbaum (Durham: Acumen, 2014), 212– 29. 17 Quote from Hab 2:2. 18 Translation from Florentino García Martínez and Eibert J. C. Tigchelaar, eds., The Dead Sea Scrolls Study Edition, Volume One IQI–4Q273 (Leiden: Brill, 1997), 17. 19 See the discussion in Michael A. Knibb, “Teacher of Righteousness,” in EDSS, ed. Lawrence H. Schiffman and James C. VanderKam (Oxford: Oxford University Press, 2000), 918–21.

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events some 500 years later than the biblical prophet himself. Second and relatedly, the Habakkuk commentary seems to assume that Habakkuk himself did not know what he prophesied, as the introductory sentence quoted here suggests: “And God told Habakkuk to write what was going to happen to [to] the last generation, but he did not let him know the consummation of the era.” The content of the prophecy that Habakkuk received from God is about the eschaton, in which the Qumran community believed itself to be living. But apparently, Habakkuk did not know when this time would be: “...but [God] did not let him know the consummation of the era.” By contrast, this knowledge to which the prophets did not have access was given to the Teacher of Righteousness. To him God “made known all the mysteries of the words of his servants, the prophets.” This way of understanding the prophets appears in the New Testament as well. In Matthew’s Gospel, the story of Jesus’s birth is written along these lines, suggesting that the prophet Isaiah had foreseen and announced this birth and its miraculous circumstances:20 Matt 1:18–23: Now the birth of Jesus the Messiah took place in this way. When his mother Mary had been engaged to Joseph, but before they lived together, she was found to be with child from the Holy Spirit… All this took place to fulfill what had been spoken by the Lord through the prophet [i.e. Isaiah]: “Look, the virgin shall conceive and bear a son, and they shall call him Emmanuel . . . [Isa 7:14].”

In this passage, it seems clear that the Gospel of Matthew does not assume the prophet Isaiah to have known that Isa 7 actually concerns Jesus of Nazareth. As with Habakkuk in the Habakkuk commentary, the prophet Isaiah was a prophet who, in some sense unconsciously, spoke of true things but did not know about their fulfillment and timeframe. These points became clear only to the Gospel writer and his readers. Clearly, this perception of biblical prophecy is of great significance for the nature of scripture and its post-canonical reception: The books of the Bible were and still are not understood just as historical documents pertaining to their time of origin, but they are considered relevant for the present of each generation studying them. That is why the Bible could become a canon, a status that is basically a phenomenon of its reception, not of its production. At this time, an important remark is in order. So far, this article has only dealt with prophecy. But the Hebrew Bible is, of course, more than prophecy. What about the law, the psalms, and so on? It goes without saying that these parts of the Hebrew Bible have origins of their own and involve literary genres other than prophecy. Nevertheless, it should be highlighted that from early on the non-prophetic literature of the Bible was conceived in the “prophetic” terms described in the samples above. That is, narratives, laws, songs, wisdom 20

See Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus (Mt 1–7), EKK 1.1 (NeukirchenVluyn: Neukirchener Verlag, 1985), 98–111.

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sayings, and so on were all considered by tradents as relevant for later times and thus as eligible for redactional updating and “prophetic” re-application. An apt illustration of such a perception of the psalter can be found in 11QPsa 27:11, which interprets the Psalms as “prophecy” by David: He [i.e., David] composed them all through the spirit of prophecy which had been given to him from before the Most High.

Especially the tradition of biblical law came to be perceived as “prophecy.” Historically evaluating the Hebrew Bible’s legal tradition has shown that the earliest laws were not yet conceived as divine laws, but that this feature was first introduced by the literary kernel of Deuteronomy and was then re-applied to the other law corpora in the Bible. However, to consider God as a lawgiver is unique within the Bible’s ancient Near Eastern context.21 In the ancient Near East, kings and not gods are the legislators. If God is a lawgiver, who passes on laws of divine quality through Moses to Israel, then this notion entails the prophetic quality of Israel’s law – at least according to Weippert’s definition mentioned above. In addition, the divinization of the law triggered the rise of legal exegesis and updating. The reason for that development is obvious: A divine law cannot simply be changed. Once it is in place, it can only be altered by means of legal exegesis. As Jean Louis Ska puts it: “the Law was of divine origin, and its validity was therefore ‘permanent’; it could not be abrogated. Consequently, a ‘new law’ was considered to be a form of an old law. It was both identical and different. In practical terms, only a new ‘updated’ formulation was valid.”22 I would hasten to add that such updating, if valid, could only be of prophetic quality. Similar qualifications could be made for the redaction of narrative material in the Hebrew Bible by means of divine promises (e.g., in Genesis), prophecylike speeches or prayers in the so-called Deuteronomistic History, and the prophetic adaptation of sapiential terms and concepts discernible in apocalyptic texts. At this time, it suffices to maintain that the composition- and redaction-history of the Hebrew Bible was significantly, albeit not exclusively, influ-enced by the texts’ being understood in terms of prophecy.

21

See Konrad Schmid, “Divine Legislation in the Pentateuch in its Late Judean and NeoBabylonian Context,” in The Fall of Jerusalem and the Rise of the Torah, ed. Peter Dubovský, FAT 107 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2016), 129–53. 22 Jean-Louis Ska, Introduction to Reading the Pentateuch (Winona Lake, IN: Eisenbrauns, 2006), 52.

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3. “The Law and the Prophets” as Moses’ prophecy and its exegesis This process can be corroborated from another direction as well. That is, many texts from the first century CE and onward describe the “final” text of the Hebrew Bible as “Moses and the Prophets” or “the Law and the Prophets.” Here is a selection from Qumran and the New Testament: 1QS I 1–3: … in order to seek God [with all (one’s) heart and with all (one’s) soul; in order] to do what is good and just in his presence, as commanded by means of the hand of Moses and his servants the Prophets … 1QS VIII 15–16: This is the study of the law which he commanded through the hand of Moses, in order to act in compliance with all that has been revealed from age to age, and according to what the prophets have revealed through his holy spirit. CD V 21–VI 2: And the land became desolate, for they spoke of rebellion against God’s precepts through the hand of Moses and also of the holy anointed ones. They prophesied deceit in order to divert Israel from following God. 4QDibHama (4Q504) 2 III 11–13: For [the curses of your covenant] have clung to us … which Moses wrote and your servants the prophets whom you sent … Matt 7:12: In everything do to others as you would have them do to you; for this is the law and the prophets. Matt 11:13: For all the prophets and the law prophesied until John came … Matt 22:40: On these two commandments hang all the law and the prophets. Luke 16:16: The law and the prophets were in effect until John came; since then the good news of the kingdom of God is proclaimed, and everyone tries to enter it by force. Luke 16:29: Abraham replied: They have Moses and the prophets; they should listen to them. Luke 16:31: He said to him: If they do not listen to Moses and the prophets, neither will they be convinced even if someone rises from the dead. Luke 24:27: Then beginning with Moses and all the prophets, he interpreted to them the things about himself in all the scriptures. Act 24:14: I worship the God of our ancestors, believing everything laid down according to the law or written in the prophets Acts 26:22: To this day I have had help from God, and so I stand here, testifying to both small and great, saying nothing but what the prophets and Moses said would take place . . . Acts 28:23: After they had set a day to meet with him, they came to him at his lodgings in great numbers. From morning until evening he explained the matter to them, testifying to the kingdom of God and trying to convince them about Jesus both from the law of Moses and from the prophets.

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Rom 3:21: But now, irrespective of law, the righteousness of God has been disclosed, and is attested by the law and the prophets.23

But how did this qualification of the Hebrew Bible as “the Law and the Prophets” or “Moses and the Prophets” come about? And what is its significance? The biblical foundation of this expression is to be found in Deut 34:10:24 ‫ל־פּ ִ ֽנים׃‬ ָ ‫הוה ָפּ ִנ֖ים ֶא‬ ָ֔ ‫ֹשׁ ה ֲא ֶשׁ ֙ר ְי ָד ֣ וֹ ְי‬ ֑ ֶ ‫א־ק ם נָ ִ ֥ביא ֛ וֹד ְבּ ִי ְשׂ ָר ֵ ֖א ל ְכּמ‬ ֙ ָ ֹ ‫וְ ֽל‬ Never since has there arisen a prophet in Israel like Moses, whom Yhwh knew face to face.

Besides highlighting Moses’ unique position in relation to other prophets, Deut 34:10 implies two further points as well. Firstly, Moses was a prophet; and secondly, there were many prophets after Moses, but none like him. Many interpreters have noted that this statement refers to an earlier one from Deut 18:15: ‫ה י@ ֵא ָל֖יו ִתּ ְשׁ ָמ ֽ וּן׃‬A ֑ ֶ ‫הו֣ה ֱא‬ ָ ‫י@ ָכּ ֔מֹנִ י יָ ִ ֥ קים לְ @֖ ְי‬ ֙ ‫נָ ִ֙ב יא ִמ ִקּ ְר ְבּ@֤ ֵמ ַא ֶ֙ח‬ Yhwh your God will raise up for you a prophet like me from among your own people; you shall listen to him.

Deuteronomy 18:15 is part of the so-called Deuteronomic law on the prophets, and it promises a continuous line of prophets to Israel. Even though Deut 34:10 refers to 18:15, it significantly transforms the earlier text: Moses is no longer one among many prophets with equal or comparable standing, but rather the prophet par excellence, to whom none are comparable. Deuteronomy 34:10 even quotes 18:15, which references “a prophet like me” that Yhwh “will raise up,” but 34:10 declares that no “prophet like Moses” has ever emerged. Diachronically speaking, the development from Deut 18 to Deut 34 attests to the judgment of Moses as superior to all other prophets, but it nevertheless maintains that Moses still is a prophet. Indeed, the statement “never since has there arisen a prophet in Israel like Moses” clearly implies the prophetic character of Moses. He is incomparable, but he is still a prophet. This quality hinges 23 See also Sifre on Deuteronomy 21:19; m. Rosh HaShanah 4:6; m. Megillah 4:1, 3, 4; t. Bava Metzi’a 11:23; t. Terumot 1:10. 24 See e.g. Joseph Blenkinsopp, Prophecy and Canon (London: SCM, 1977), 80–95; Antonius H. J. Gunneweg, “Das Gesetz und die Propheten: Eine Auslegung von Ex 33,7–11; Num 11,4–12,8; Dtn 31,14f; 34,10,” ZAW 102 (1990): 169–80; Thomas Römer, “Deuteronomium 34 zwischen Pentateuch, Hexateuch und deuteronomistischem Geschichtswerk,” ZABR 5 (1999): 167–78; Thomas Römer and Mark Z. Brettler, “Deuteronomy 34 and the case for a Persian Hexateuch,” JBL 119 (2000): 401–19 (408). Gerhard von Rad, Das fünfte Buch Mose Deuteronomium, ATD 8 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1964), 150, limits his observations to the short notice: “The evaluation of Moses as a prophet, even as a prophet without equal, is of course deuteronomistic” (translation mine).

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upon the notion of divine law in the Pentateuch, which necessarily entails a prophetic promulgation of that law. Moses the promulgator needs to be a prophet if the law is divine. However, the specific profile of Deut 34:10 remains unclear if this text is not put in relationship with the following chapter in the biblical canon, i.e., Josh 1, which belongs not only to a different biblical book, but also to a different canonical section, the Nevi’im. Only in conjunction with Josh 1 does Deut 34 establish the notion of “Moses and the Prophets” for the bulk of biblical literature. The elevation of “Moses” to a prophet above all prophets corresponds to Joshua’s obligation to obey “Moses’ Torah.” Joshua is the first prophet to come after Moses, but, despite his prophetic status, he is not like Moses. He therefore receives no new laws, but obeys the Mosaic law. The Torah is Moses’ prophecy, and the prophecy of the subsequent prophets, starting with Joshua, is its exegesis. At the end of Nevi’im in Mal 3, the book of Malachi alludes to Josh 1, effectively conjoining the literary complex of Joshua-Malachi as a redactional unit that is theologically subordinated as exegetical “prophecy” to the incomparable Mosaic “prophecy” in the Torah.25 Mal 3:22 [ET: 4:4]: ‫אוֹת וֹ ְבח ֵֹר ֙ב‬ ֤ ‫ית י‬ ִ ‫ֹשׁ ה ַ ְב ִ ֑דּ י ֲא ֶשׁר֩ צִ ֙ ִוּ‬ ֣ ֶ ‫תּוֹר ת מ‬ ֖ ַ ‫זִ כְ ר֕ וּ‬ ‫וּמ ְשׁ ָפּ ִ ֽט ים׃‬ ִ ‫ַ ל־כָּ ל־ ִי ְשׂ ָר ֵ֔א ל ֻח ִ ֖קּ ים‬ Remember the Torah of my servant Moses, the statutes and ordinances that I commanded him at Horeb for all Israel.

Josh 1:7–8, 13: ‫שׂוֹת‬ ֙ ֲ ַ‫ַר ֩ק ֲח ֙ ַזק ֶו ֱֽא ַ֜מץ ְמ ֗אֹ ד לִ ְשׁ ֤מֹ ר ל‬ ‫ֹשׁ ה ַ ְב ִ ֔דּ י‬ ֣ ֶ ‫שׁ ר צִ וְּ ֙@ מ‬ ֤ ֶ ‫תּוֹר ה ֲא‬ ֗ ָ ‫ל־ה‬ ַ ָ‫כְּ כ‬ Only be strong and very courageous, being careful to act in accordance with all the Torah that my servant Moses commanded you… ‫ֹשׁה ֶ ֽ ֶב ד־‬ ֥ ֶ ‫ת־ה ָדּ ָ֔ב ר ֲא ֶ ֙שׁ ר צִ ָוּ֥ה ֶא ְת ֶ ֛כ ם מ‬ ַ ‫כוֹר ֶא‬ ֙ ָ‫ז‬ ‫ לָ ֶ֔כ ם וְ נָ ַ ֥ת ן לָ ֶ ֖כם‬6‫היכֶ ֙ם ֵמ ִנ ַ֣י‬A ֵ ‫הו֤ה ֱא‬ ָ ‫הו֖ה לֵ א ֑מֹ ר ְי‬ ָ ‫ְי‬ ‫ת־ה ָ ֥א ֶרץ ַה ֽזּ ֹאת׃‬ ָ ‫ֶא‬ Remember the word that Moses the servant of YHWH commanded you, saying, “YHWH your God is providing you a place of rest, and will give you this land.”

25 See Odil Hannes Steck, Der Abschluß der Prophetie im Alten Testament: Ein Versuch zur Frage der Vorgeschichte des Kanons, BThSt 17 (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1991).

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4. The Hebrew Bible as a Prophetic Text It goes without saying that the Hebrew Bible is not exclusively a prophetic text in any kind of narrow sense. Nevertheless, in a wider sense, it is indeed a prophetic text or, at least, has always been perceived as a prophetic text. Unlike other texts, the Bible has not just been interpreted – that much would be true for other literary classics. But the Bible has been applied to different times and eras with the expectation that it can provide guidance and orientation for both communal and individual life. These applications rely heavily on processes of interpretation, and the dynamic of interpretation is rooted in the Bible itself. This article has discussed some examples from the prophetic tradition that exemplify this dynamic, but the Torah itself contains a very general clue about its relevance in this respect: The most basic structure of the Torah shows that it does not only contain “law,” but “law” plus “interpretation.” Within the Moses story that occupies the books of Exodus through Deuteronomy, one finds a peculiar perspective on the Torah itself, on the one hand, and its promulgation, on the other. From Exod 19 onwards, Moses gets all the laws from God on Mount Sinai. This huge text block that extends to Num 10 is introduced by Exod 19:3: Then Moses went up to God; Yhwh called to him from the mountain, saying; Thus you shall say to the house of Jacob, and tell the Israelites…

Moses indeed receives the laws, but he never conveys them to Israel. Only a few elements are said to have been passed on to Israel by Moses. The promulgation of the entire law to the people only takes place later on in the book of Deuteronomy, which covers the last day of Moses’ life when Moses passes the laws on to the people through his farewell speech. Deut 1:1: These are the words that Moses spoke to all Israel beyond the Jordan.

So far the setting seems to be clear. But for any reader of the Torah it is immediately obvious that the laws which Moses receives on Mount Sinai are different from the laws which Moses passes on to the people in Transjordan, as is evident from comparing Exodus-Numbers, on the one hand, with Deuteronomy, on the other. Apparently, the Torah itself reckons with Mosaic interpretation of the divine laws from Mount Sinai. The Torah does not hide this information, but it displays this situation to its readers by acknowledging that the laws from Sinai are different from the laws from the Transjordan. Nevertheless, the Torah considers the legislation on Mount Sinai and the legislation in Transjordan to be basically identical, which the double transmission of the Decalogue before both text blocks clearly shows.

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The process of interpretation is thus already embedded in the text of the Torah itself. It is not a single law or text that has become canonical, but the law or text plus its prophetic exegesis by Moses in the case of the Torah. This feature of the Bible has made its way into its reception history. The use of terminology such as “Moses and the Prophets” to denote the Hebrew Bible witnesses to this quality of the Bible, and the first-century CE texts from Josephus and 4 Ezra 14 even develop a historical explanation about the overall prophetic origin of the Bible: Josephus, C. Ap. 1.8: For we have not an innumerable multitude of books among us, disagreeing from and contradicting one another [as the Greeks have], but only twenty-two books, which contain the records of all the past times [of Israel’s history]; which are justly believed to be divine; and of them five belong to Moses, which contain his laws and the traditions of the origin of mankind till his death. This interval of time was little short of three thousand years; but as to the time from the death of Moses till the reign of Artaxerxes, king of Persia, who reigned after Xerxes, the prophets, who were after Moses, wrote down what was done in their times in thirteen books. The remaining four books contain hymns to God, and precepts for the conduct of human life. It is true, our history hath been written since Artaxerxes very particularly, but hath not been esteemed of the like authority with the former by our forefathers, because there hath not been an exact succession of prophets since that time…

Josephus’ theory is well-known and widely discussed.26 He considers the Hebrew Bible to stem from the time period between Moses and Artaxerxes, which is the period of active prophecy in Israel. The Bible consists of Moses’ books, the prophets’ books, and four additional books that are not explicitly labeled as prophetic, but nevertheless still belong to the canonical time of prophetic succession. This ambiguity of the sapiential writings’ prophetic quality is the basis of later rabbinic discussions about the relation of the sages to the prophets: Seder Olam Rabbah 30: Until then, the prophets prophesied by means of the holy spirit. From then on, give ear and listen to the words of the Sages. t. Sotah 13:2: When the last prophets – i.e. Haggai, Zechariah, and Malachi – died, the holy spirit ceased in Israel. Despite this, they were informed by means of oracles. Baba Batra 12A: Rabbi Abdimi of Haifa said: Since the day when the Temple was destroyed, the prophetic gift was taken away from the prophets and given to the Sages [Rabbis]. – Is a Sage not also a prophet? What Rabbi Abdimi meant to say was this: Although prophecy has been taken from the Prophets, prophecy has not been taken from the Sages. Amemar said: A Sage is even superior to a Prophet, as it says “And a Prophet has the heart of Wisdom.”27 Who is usually compared with whom? Is not the smaller compared with the greater?

26 27

See n. 3. See Ps 90:21.

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In 4 Ezra, the general prophetic quality of all biblical texts (plus the seventy non-biblical texts) is secured in another way. But nevertheless, 4 Ezra also stresses the prophetic quality of the Bible.28 4 Ezra 14:42–47 reads as follows: They [sc. the five men Ezra assembled] sat forty days; they wrote during the daytime, and ate their bread at night. But as for me, I spoke in the daytime and was not silent at night. So during the forty days, ninety-four books were written. And when the forty days were ended, the Most High spoke to me, saying: Make public the twenty-four books that you wrote first, and let the worthy and the unworthy read them; but keep the seventy that were written last, in order to give them to the wise among your people.

4 Ezra is ascribing prophetic quality to the twenty-four biblical writings (the public ones), as well as to the seventy apocryphal writings (the hidden ones), since their second editions are all of prophetic origin. 4 Ezra does not bother itself with the prophetic origin of the first editions: It probably presupposes rather than denies their prophetic nature. Yet the theory of 4 Ezra is focused on authority more so than on interpretation. The inspired quality of the ninetyfour writings is important for their authoritative status, not for their hermeneutic handling.

5. How the Prophets Became Biblical Authors and How the Biblical Authors Became Prophets Without the perception of biblical prophecy as relevant for future generations, we would probably have neither the Prophetic books nor any other biblical books. Since these books were understood to pertain to time periods beyond the period of their origins, they were copied and transmitted over centuries and millennia. This notion made prophets into authors. Furthermore, it led later tradents to write under the authority of great figures from the past and thus also made these authors into prophets. Hence, “Isaiah” is not only the historical prophet from the eighth century BCE, but his persona included later successors to the prophet who participated in writing the book of Isaiah. A prophet who became an author thus ended up involving a variety of writers, but the prophet whose name a book bore nevertheless remained one prophet, at least in the eyes of his tradents. Therefore “Isaiah” wrote the entire book, from chapter 1 to chapter 66, as e.g., Sirach 48:22–25 presupposes:29

28

See n. 2. Cf. Johannes Marböck, “Jesaja in Sirach 48,15–25: Zum Prophetenverständnis in der späten Weisheit,” in Schriftauslegung in der Schrift: Festschrift für Odil Hannes Steck zu seinem 65. Geburtstag, ed. Reinhard G. Kratz, Thomas Krüger, and Konrad Schmid, BZAW 300 (Berlin: de Gruyter, 2000), 305–19; Jean-Louis Ska, “The Praise of the Fathers in Sirach 29

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For Hezekiah did what is pleasing to the Lord, and was steadfast in the ways of David his father, enjoined on him by the prophet Isaiah, a great man trustworthy in his vision. In his days the sun moved back; he prolonged the life of the king.30 In the power of the spirit he saw the last things, he comforted the mourners of Zion,31 he revealed the future to the end of time,32 and hidden things long before they happened.

In historical terms, we can safely assume the prophet Isaiah only wrote some portions of Isa 1–39, but in the perception of his tradents and supplementers, “Isaiah” is responsible for the rest of his book as well. Especially the literary juxtaposition of First and Second Isaiah, i.e. Isaiah 1–39 + 40–66, was of utmost significance for who “Isaiah” became in biblical terms: a prophet who could view the entirety of world history until the creation of a new heaven and a new earth at the end of time. Once the prophets became authors of writings relevant for and pertaining to future times, this perception affected other portions of biblical literature. The model of literary updating and redactional expansion of existing texts became the gold standard in the transmission of biblical literature. Why? Because faithful transmission in the first millennium BCE entailed not only the transmission of the letter, but also of the spirit of scripture. And the spirit of scripture could only be safeguarded by continuously (and in some sense prophetically) readapting and re-interpreting scripture.33 Only in this vein did scripture incorporate the necessary theological complexity to be considered authoritative. And this is why not only prophets became biblical authors, but eventually the biblical authors were understood as prophets.

(Sir 44–50) and the Canon of the Old Testament,” in The Exegesis of the Pentateuch: Exegetical Studies and Basic Questions, FAT 66 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2009), 184–95. 30 See Isa 38. 31 See Isa 51. 32 See Isa 65–66. 33 See Hindy Najman, “The Vitality of Scripture within and beyond the ‘Canon,’” JSJ 43 (2012): 497–518.

„Forscht nach in der Schrift Jhwhs und lest“ (Jes 34,16) Jhwh als Autor des Jesaja-Buchs? Erich Bosshard-Nepustil 1 So unterschiedlich die Erweiterungen sind, mit denen die zahlreichen Verfasser des Jesaja-Buchs über die Jahrhunderte dieses Buch fortgeschrieben haben, so einig waren sie sich alle darin, dass sie nicht in ihrem eigenen Namen, sondern im Namen Jesajas geschrieben haben und dass Jesaja nicht in seinem eigenen Namen gesprochen und geschrieben hat, sondern im Namen Jhwhs. Das Jesaja-Buch steht also unter der Autorität Jesajas, der sich die namenlosen Verfasser und Tradenten fraglos unterstellt haben. Sein Name ist in der Buchüberschrift Jes 1,1 genannt, und er ist im ganzen Buch als Sprechender (in der 1. Ps.) und im ersten Teil des Buchs Jes 1–39 auch als Handelnder (in der 3. Ps.) präsent; das Jesaja-Buch ist Ausdruck der Fiktion eines realen Autors Jesaja, des Sohns des Amoz, der in der zweiten Hälfte des 8. Jh. v.Chr. gelebt und gewirkt hat. Dieser Jesaja des Buchs weiß sich indes von Jhwh beauftragt (Jes 6,6ff.; vgl. 40,6–8), und so steht das Jesaja-Buch letztlich unter der Autorität Jhwhs. Auch wenn die Buchüberschrift das Folgende als Vision Jesajas (‫ )חזון ישׁעיהו‬bzw. deren Niederschrift kennzeichnet und Jhwh dabei nicht genannt wird, ist Jhwh im Jesaja-Buch als grammatikalisches und logisches Subjekt omnipräsent. Die Worte Jesajas (und damit diejenigen der übrigen Verfasser des Jesaja-Buchs) sind eigentlich Worte Jhwhs, was explizit etwa durch Formeln (sog. Botenspruchformel, Gottesspruchformel und andere Kennzeichnungen von oder Verweise auf Gottesrede) angezeigt wird oder durch die Nennung des Mundes Jhwhs im Kontext von Wortäußerungen1. Jhwh ist der Urheber der Botschaft Jesajas – das gilt entsprechend für jeden „wahren“ Propheten2 –, aber ist Jhwh auch der Urheber des Jesaja-Buchs? Anlass zu dieser (nicht ganz selbstverständlichen) Frage gibt der kurze Abschnitt

1

Jes 1,20; 40,5; 45,23; 48,3; 55,11; 58,14; auch 62,2 und ferner 30,2; zu 34,16 s.u. Vom Mund Jesajas hingegen ist in Jes nur dreimal die Rede, und zwar so, dass Jhwh seine Worte Jesaja in den Mund gelegt hat: 51,16; 59,21; vgl. 6,(5–)7. 2 Die Thematik der „wahren“ bzw. „falschen“ Prophetie spielt in Jes (anders als etwa in Jer oder Ez) allerdings eine untergeordnete Rolle; vgl. Jes 9,14; 28,7ff.; 29,9f., auch 3,2.

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Jes 34,16f., in dem eine „Schrift Jhwhs“ (‫ )ספר יהוה‬genannt ist.3 Obschon diese Bezeichnung im Alten Testament singulär ist, fällt es nicht schwer, die Schrift Jhwhs zu identifizieren. Da man, wie es in 34,16aα heißt, in dieser Schrift nachforschen und lesen soll, muss eine irdische Schrift gemeint sein; himmlische Bücher, für die es im Alten Testament (u.a. in Jes) etwa ein Dutzend Belege gibt,4 sind also ausgeschlossen. Damit bleibt eigentlich nur noch eine Lösung: Weil 34,16f. in Jes steht und weil man in Jes tatsächlich erfolgreich nachforschen und lesen kann, was 34,16f. fordert (63,1–6, s.u. 4), muss man davon ausgehen, dass mit der Schrift Jhwhs das Jesaja-Buch gemeint ist.5 Jhwh wäre hier demnach als Autor des Jesaja-Buchs vorgestellt: nicht als realer Autor qua Verfasser des Buchs (obschon Jhwh des Schreibens mächtig ist [vgl. 3 Der vorliegende Beitrag folgt den Überlegungen aus E. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung der Hebräischen Bibel. Thematisierungen der Schriftlichkeit biblischer Texte im Rahmen ihrer Literaturgeschichte, AThANT 106, Zürich 2015, 148–155. Sie werden hier vertieft, ergänzt und in einen anderen Kontext gestellt. 4 Vgl. Ex 32,32f.; Jes 65,6 (s. dazu u. 6); Ez 13,9; Mal 3,16; Ps 56,9; 69,29; 87,6; 139,16; Neh 13,14; Dan 7,10; 10,21; 12,1; auch Jes 4,3; vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 25 Anm. 25. 5 Vgl. etwa H. WILDBERGER, Jesaja. 3. Teilband Jesaja 28–39. Das Buch, der Prophet und seine Botschaft, BK X/3, Neukirchen-Vluyn 1982, 1350; O. KAISER, Das Buch des Propheten Jesaja. Kapitel 13–39, ATD 18, Göttingen 31983, 285; B. GOSSE, L’écriture d’Is 34 dans le livre d’Isaïe, BN 124 (2005), 9–17 (16); auch O.H. STECK, Bereitete Heimkehr. Jesaja 35 als redaktionelle Brücke zwischen dem Ersten und dem Zweiten Jesaja, SBS 121, Stuttgart 1985, 52f. Anm. 29; vgl. 56.57 Anm. 37; 59; ferner J. BLENKINSOPP, Isaiah 1–39. A New Translation with Introduction and Commentary, AB 19, New York u.a. 2000, 454. Eine (oft vertretene) Begrenzung der Schrift Jhwhs auf Jes 34f. ist unsinnig; zur Diskussion vgl. H. DONNER, „Forscht in der Schrift Jahwes und lest!“ Ein Beitrag zum Verständnis der israelitischen Prophetie, ZThK 87 (1990), 285–298 (286f.). Denn 34,16f. als Ergänzung von 34,1–15 zeigt ja gerade, dass 34,1–15 aus der Perspektive von V.16f. als defizitär wahrgenommen wurde. Auf eine falsche Spur führt auch die Annahme, die Leserschaft solle gemäß Jes 34,16f. verifizieren, dass die zuvor in V.11–15 genannten Tiere in der entstehenden Schrift bzw. in der hebräischen Bibel genannt werden. Entsprechend wäre die Schrift Jhwhs wegen der anderen Belegstellen der (meisten) Tiere mit dem Pentateuch und den Propheten in einer Urgestalt zu identifizieren; so W.A.M. BEUKEN, Jesaja 28–39, HThKAT, Freiburg i. Br. u.a. 2010, 307.309f.322–324; vgl. schon DONNER, a.a.O. 293–298; U. BERGES, Das Buch Jesaja. Komposition und Endgestalt, HBS 16, Freiburg u.a. 1998, 204.252. 34,16f. weist in aller Klarheit in eine andere Richtung: V.16aα fordert dazu auf, in der Schrift Jhwhs nach einem Beleg bzw. Belegen des Eingetroffen-Seins des Geschehens zu suchen, von dem in V.16aβ–17 die Rede ist. Damit kommt selbstverständlich eine Identifizierung der Schrift Jhwhs mit einem der übrigen irdischen Bücher (‫ )ספר‬Jhwhs oder Gottes, die im Alten Testament genannt werden, auch nicht in Frage: mit dem „Buch der Tora/Weisung Jhwhs“ (Neh 9,3; 2Chr 17,9; 34,14), dem „Buch der Tora/Weisung Gottes“ (Jos 24,26; Neh 8,18, vgl. 8,8) oder dem „Buch der Kriege Jhwhs“ (Num 21,14). Nicht ganz ausgeschlossen, aber doch unwahrscheinlich ist, dass die Schrift Jhwhs – das Jesaja-Buch als erstes Buch des Corpus Propheticum – als Ergänzung o.ä. des Buchs der Tora/Weisung Jhwhs bzw. Gottes verstanden werden soll.

„Forscht nach in der Schrift Jhwhs und lest“

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etwa Ex 24,12; 31,18; 34,1.28], erscheint in Jes Jesaja als Schreibender [Jes 8,1; 30,8]) 6, aber offenbar doch so, dass nicht „nur“ die Botschaft des Buchs, sondern auch das Buch selbst in besonderer Weise von Jhwh verant-wortet wird. Damit sind die Fragen angestoßen, die im Folgenden diskutiert werden sollen: Was besagt der Abschnitt 34,16f. selbst, und welches sind seine literarischen und sachlichen Horizonte (2)? Welches ist die Bedeutung von 34,16f. und der Bezeichnung „Schrift Jhwhs“ im Jesaja-Buch (3–5)? Und schließlich, im Rahmen eines kurzen Fazits: Warum wird das Jesaja-Buch auf Jhwh zurückgeführt und in welchem historischen Kontext ist 34,16f. entstanden (6)?

2 Jes 34,16f. gliedert sich in zwei Teile: in die Aufforderung, in der Schrift Jhwhs nachzuforschen und zu lesen (V.16aα), und in die Angabe dessen, wonach geforscht werden soll (V.16aβ–17). Der zweite Teil führt einerseits die Sache auf, nach der zu forschen ist: dass nicht benannte Wesen nicht ausbleiben und einander nicht vermissen werden (V.16aβγ) und dass sie ein nicht benanntes Gebiet für immer besitzen und bewohnen werden (V.17b). Andererseits gibt er den Grund dafür an, warum sich dies so ereignen wird: weil Jhwh selbst es veranlasst hat und vorbereitet (V.16b.17a). Dabei nennt V.16b die Ursache von V.16aβγ, und V.17a begründet V.17b.7 Jes 34,16f. Forscht nach in der Schrift Jhwhs und lest: (V.16aα) Keine von diesen bleibt aus, (V.16aβ) keine vermisst die andere, (V.16aγ) denn mein (‚sein‘) Mund (/ der Mund ‚Jhwhs‘), er hat geboten, (V.16bα) und sein Geist, er hat sie versammelt. (V.16bβ) Und er, er hat das Los für sie geworfen, (V.17aα) und seine Hand hat ihnen mit der Messschnur zugeteilt, (V.17aβ) für immer werden sie es besitzen, (V.17bα) 8 von Generation zu Generation werden sie darin wohnen. (V.17bβ)

6 In Jes ist auch von anderen Personen, die schreiben bzw. schreiben können, die Rede: vgl. 10,1.19; 36,3.22; 37,2; 44,5; auch 38,9; 37,14; 39,1. In Bezug auf Jhwh sind höchstens 49,16 (Jhwh hat Zion auf seine Handflächen gezeichnet) und 50,1 (Jhwh als allfälliger Verfasser eines Scheidebriefs für Zion, vgl. Jer 3,8) zu nennen. 7 Vermutlich sind die Bezüge innerhalb von 34,16f. noch differenzierter zu bestimmen. In besonderer Weise scheinen jeweils miteinander verbunden zu sein: V.16bα und V.16aβ; V.16bβ und V.16aγ; V.17aα und V.17bα; V.17aβ und V.17bβ. 8 Für die deutsche Übersetzung alttestamentlicher Texte verwende ich die Zürcher Bibel (2007) als Ausgangspunkt.

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Schon der planvolle Aufbau von 34,16f. deutet an, dass es sich bei diesem einigermaßen enigmatischen Text mitnichten um (eine) beiläufig hingeschriebene Notiz(en) handelt.9 Vielmehr scheint man es hier mit einem genau am Schluss des letzten Gerichtslogions des Ersten Jesaja platzierten Redaktionstext zu tun zu haben, der über verschiedene intertextuelle Bezüge zu bestimmten Texten (insbesondere) des Jesaja-Buchs diesem Buch einen neuen Akzent verleiht. Wie vielfach festgestellt wurde, ist 34,16f. zunächst und vor allem eine – nachträgliche – Ergänzung zu Jes 34,1–15, einem Text, der seinerseits erweitert ist: Das Grundstratum V.1.5–15 handelt vom Gericht Jhwhs gegen das Volk und das Land Edom, zur Unterweisung für die Völker und die Erde (V.1); gemäß der Erweiterung V.2–4 mit ihrer kosmischen Dimension soll das Geschehen dann als Gericht gegen die Völker in Edom, zu dem sie (nun) zitiert werden (V.1), verstanden werden.10 Was 34,16f. betrifft, so sind die unbenannten (femininen und maskulinen) Wesen von V.16aβ–17 mit den unmittelbar davor in V.11–15 genannten (maskulinen und femininen) nichtmenschlichen Wesen zu identifizieren, und das Gebiet, in dem sie sich einfinden und das sie gemäß V.17 bewohnen werden, ist Edom, von dem zuvor in V.5–15 explizit

9 Der Aufbau von 34,16f. spricht deutlich für die literarische Integrität dieses kleinen Abschnitts. Weder V.16aα noch V.16a sind als Glossen o.ä. auszuscheiden; zur Diskussion vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 148f. Anm. 266. Auch für einen Transfer von V.16aγ an das Ende von V.15 (vgl. BHS; DONNER, Forscht (s. Anm. 5), 294; BLENKINSOPP, Isaiah 1–39 [s. Anm. 5], 449) gibt es entsprechend keine ausreichenden Gründe. Für die Ursprünglichkeit von 34,16aαMT ist 1QJesa anzuführen, außerdem der Bezug auf Jes 55,6, der beide Verben von 34,16aαMT schützt; vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, ebd. Auch 34,16aαLXX (ἀριθµῷ παρῆλθον; „in (bestimmter/voller) Zahl zogen sie heran“) spricht nicht dagegen. LXX bietet offensichtlich einen anderen Text, der einfach V.15 fortsetzt, und zeigt auch anderweitig wenig Interesse an einem Konzept des Jesaja-Buchs qua Schrift Jhwhs; s. im Folgenden. (Selbst wenn man von 34,16aαLXX auf eine hebräische Vorlage mit nur einem Verb schließen wollte – s. BHS und BEUKEN, Jesaja 28–39 [s. Anm. 5], 304 – wäre man damit nicht beim mutmaßlich ursprünglichen hebräischen Text.) 10 Vgl. STECK, Heimkehr (s. Anm. 5), 52–54; E. BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen von Jesaja 1–39 im Zwölfprophetenbuch. Untersuchungen zur literarischen Verbindung von Prophetenbüchern in babylonischer und persischer Zeit, OBO 154, Freiburg u.a. 1997, 259 mit Anm. 3; 267 Anm. 4; 444 Anm. 1; 461 Anm. 1; BERGES, Jesaja (s. Anm. 5), 242.252f.205f.; B. OBERMAYER, Göttliche Gewalt im Buch Jesaja. Untersuchung zur Semantik und literarischen Funktion eines theologisch herausfordernden Aspekts im Gottesbild, BBB 170, Göttingen 2014, 184; K. SCHMID, Das kosmische Weltgericht in den Prophetenbüchern und seine historischen Kontexte, in: H. Jenni/M. Saur (Hg.), Nächstenliebe und Gottesfurcht. Beiträge aus alttestamentlicher, semitistischer und altorientalistischer Wissenschaft für Hans-Peter Mathys zum 65. Geburtstag, AOAT 439, Münster 2016, 409–434 (414.418.426f.); zur Diskussion vgl. auch BEUKEN, Jesaja 28–39 (s. Anm. 5), 311, ferner 305.

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(V.5f., vgl. V.7.9) die Rede ist.11 Zugleich ist V.16f. aber insofern von V.1–15 abgesetzt, als in 34,16aα nicht die Völker aufgefordert sein können (V.1). Vermutlich ist auch nicht generell an (mehrheitlich illiterate) Judäer oder Jerusalemer zu denken, sondern speziell an schriftgelehrte Tradenten (vgl. dann auch 35,4f.).12 Entsprechend handelt es sich bei 34,16f. um einen Metatext zum vorangehenden Kontext,13 der aber situativ in den Ablauf des Jesaja-Buchs eingepasst ist. Aber schon die Aufforderung an die schriftgelehrte Leserschaft, in der Schrift Jhwhs – im Jesaja-Buch – nachzuforschen und zu lesen, legt nahe, dass der literarische oder sachliche Horizont von 34,16f. nicht auf den literarischen Nahkontext begrenzt ist. Es wird sich zeigen, dass in 34,16f. 63,1–6 im Blick ist, eine Weissagung des Eingetroffen-Seins des Völkergerichts in Edom, ein anerkanntermaßen später Text (wohl aus dem 3. Jh. v.Chr., s. dazu u. 6), der womöglich den damaligen Schluss des Jesaja-Buchs bildete. Dafür, dass 34,16f. entsprechend zu datieren ist, spricht insbesondere auch die Referenz auf die Schrift Jhwhs, die ein sich bereits formierendes Jesaja-Buch voraussetzt. Wenn 34,16f. somit zu den jüngsten Texten in Jes gehört, ist im vornherein damit zu rechnen, dass auch die übrigen Stellen in Jes, zu denen es intertextuelle Bezüge gibt, 34,16f. bereits vorgelegen haben. Dazu zählen Jes 29,11.12.18; 30,8 als diejenigen „Schrift“(‫)ספר‬-Belege in Jes, die das (entstehende) Jesaja-Buch oder Teile davon meinen bzw. die sich auf das Jesaja-Buch beziehen lassen.14 Und es zählt dazu 55,6, neben 34,16aα die einzige Stelle im

11 S. STECK, Heimkehr (s. Anm. 5), 52f. Anm. 29; BLENKINSOPP, Isaia 1–39 (s. Anm. 5), 454; BEUKEN, Jesaja 28–29 (s. Anm. 5), 309.322–324; OBERMAYER, Gewalt (s. Anm. 10), 196. Zu „Schrift(rolle)“ (‫ )ספר‬in Jes 34,4.16 s. im Folgenden. – „Edom“ (‫אדום‬, V.5) bzw. „Land Edom“ (‫ארץ אדום‬, V.6) bezeichnen in Jes 34,1.5–15 das Gebiet des Staats, der zu Beginn des 1. Jt. v.Chr. auf dem transjordanischen Plateau südlich des Wadi Hasa entstanden ist, wie gerade die Nennung seines Hauptorts, Bosra/Buseira (‫בצרה‬, V.6), deutlich macht; vgl. E. BOSSHARD-NEPUSTIL/L.D. MORENZ, Königtum in Edom. Zur symbolischen, architektonischen und schriftlichen Repräsentation einer fremdkulturell geprägten Institution, in: Dies., Herrscherpräsentation und Kulturkontakte. Ägypten – Levante – Mesopotamien. Acht Fallstudien, AOAT 304, Münster 2003, 145–196 (145f. mit Fig. 48; 156–160). Zum Ort des Völkergerichts geworden (V.2–4), ist in Jes 34 bleibend eben dieses Gebiet südlich des Wadi Hasa im Blick, ungeachtet dessen, dass die Edomiter schon in vorexilischer Zeit in den jüdäischen Negeb expandiert sind – vgl. auch die spätere geopolitische Einheit Idumäa –, worin im Übrigen der Hauptgrund für die Feindlichkeit gegen „Edom“ liegen dürfte; vgl. E.A. KNAUF, Idumäa, NBL II (1995), 213f. Dasselbe Gebiet wie in Jes 34 ist dann auch in 63,1– 6 (‫אדום‬, ‫בצרה‬, V.1) gemeint; s. dazu u. 4. 12 S. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 149f.153. 13 Vgl. BEUKEN, Jesaja 28–39 (s. Anm. 5), 307–310.322.326; auch BERGES, Jesaja (s. Anm. 5), 252.254; BLENKINSOPP, Isaiah 1–39 (s. Anm. 5), 454. 14 Anders Jes 34,4; 37,14; 39,1; 50,1.

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Alten Testament, die (‫„( )דרשׁ‬nachforschen“, „suchen“) und (‫„( )קרא‬lesen“, „rufen“) zusammen und je im Imp. bietet.15 Es ist also zu prüfen und zu verifizieren, ob der Abschnitt 34,16f. im Hinblick auf ein Jesaja-Buch, vielleicht im Umfang Jes *1–63,6, verfasst sein könnte. Im engen Anschluss an 34,1–15 am Ende der Gerichtslogien des Ersten Jesaja platziert, bezöge sich 34,16f. nicht nur auf diesen ersten Teil von Jes (vgl. 29,11.12.18; 30,8), sondern auch auf den Schluss von Jes 40–55 (55,6)16 und auf den mutmaßlichen damaligen Schluss von Jes überhaupt (63,1–6). Damit wäre auch ein erster Hinweis darauf gegeben, warum in 34,16f. das JesajaBuch als Schrift Jhwhs benannt ist. Es würde damit signalisiert werden, dass hier das gesamte damals vorliegende Jesaja-Buch im Blick ist. Gerade der von Jesaja ben Amoz „nur“ geweissagte Teil Jes 40ff. könnte – nachdem er zu einem Bestandteil des Jesaja-Buchs geworden ist – den Ausschlag dafür gegeben haben, das Jesaja-Buch nach Jhwh zu benennen, der den Zeitraum vom 8. Jh. v.Chr. bis in die letzte Zeit nicht nur „überblickt“, sondern umfasst und bestimmt.17

3 Die schriftgelehrte Leserschaft wird durch 34,16f. in mehrfacher Weise auf den literarischen Kontext von Jes (und darüber hinaus) verwiesen: explizit im Hinblick auf den Inhalt der Aufforderung 34,16aβ–17 (s. dazu u.), implizit durch die Aufforderung 34,16aα selbst, die sich auf eben diesen Kontext bezieht. 34,16aα schließt, wie gesagt, zum einen an die vier „Schrift“(‫)ספר‬-Belege an, die sich in 29,11.12.18; 30,8 nicht weit vor 34,16f. finden, zum andern bezieht sie sich auf die Aufforderung in 55,6, Jhwh zu suchen (‫ )דרשׁ‬und ihn zu rufen (‫)קרא‬. Zunächst zu 29,11f.18; 30,8. Diese Stellen haben nicht nur gemein, dass je von einer Schrift die Rede ist, sondern die Schrift ist durchgehend mit dem Motiv der Verstockung, Verstocktheit oder Widerspenstigkeit verbunden.

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Vgl. je ‫קראהו‬/‫דרשׁו ]…[ יהוה ]…[ וקראו‬. Dabei ist nur impliziert, dass zwischen Jes 40–55 und Jes 56ff. eine sachliche (und auch literarische) Zäsur liegt: Jes 40–55 enthält unkonditionierte Heilsworte (s. auch Jes 60– 62), ab Jes 56 stehen dann Mahnungen und Anklagen im Vordergrund. Dass die Zäsur Jes 55.56 darauf zurückzuführen sei, dass hier zwei auf je eine Prophetengestalt zurückgehende Bücher zusammengefügt worden wären (Deutero- und Trito-Jesaja), ist hier kein Thema. Zur Genese und literarischen Charakterisierung von Jes 56–66 s. im Folgenden. 17 Vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 149, auch 153f. 16

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Jes 29,9–12 9 Zaudert und staunt, verblendet euch und werdet blind! Sie sind betrunken geworden, aber nicht vom Wein, sie sind ins Taumeln geraten, aber nicht vom Bier! 10 Denn ausgegossen über euch hat Jhwh einen Geist der Betäubung, und verschlossen hat er eure Augen, die Propheten, und eure Häupter, die Seher, hat er verhüllt. 11 Und es war für euch die Vision von alledem wie die Worte einer versiegelten Schrift (‫)ספר‬. Gibt man sie einem, der Schrift (‫ )ספר‬versteht, und sagt: Lies dies doch!, so wird der sagen: Ich kann nicht, denn es ist versiegelt. 12 Und gibt man die Schrift (‫ )ספר‬einem, der Schrift (‫ )ספר‬nicht versteht, und sagt: Lies dies doch!, so wird er sagen: Ich verstehe Schrift (‫)ספר‬ nicht. Jes 29,18 18 Und hören werden an jenem Tag die Tauben die Worte der Schrift (‫)ספר‬, und aus Dunkel und Finsternis hervor werden die Augen der Blinden sehen. Jes 30,8–11 Nun komm, schreibe es auf eine Tafel bei ihnen, und in ein Buch (‫ )ספר‬schreibe (ritze) es, damit es an einem künftigen Tag sei Zeuge für alle Zeiten. 9 Denn ein widerspenstiges Volk ist es, verlogene Kinder, Kinder, die nicht hören wollen auf die Weisung Jhwhs, 10 die zu den Sehern sprechen: Seht nicht! und zu denen, die schauen: Erschaut für uns nicht, was wahr ist, sagt uns Schmeichelhaftes, schaut Täuschungen! 11 Weicht ab vom Weg, biegt ab vom Pfad, lasst uns in Ruhe mit dem Heiligen Israels! 8

Der ersten Stelle Jes 29,11f. geht in 29,9f. die Feststellung der Verstockung voraus, so dass die „Vision von alledem“ wie die Worte einer versiegelten, unlesbaren Schrift erscheint. In 29,18 wird, mit Rückbezug auf 29,9–12, geweissagt, dass die Tauben an jenem Tag die Worte der Schrift hören und dass die Blinden sehen werden. Und in 30,8ff. wird die Aufforderung an Jesaja, „es“ (auch) in ein Buch zu schreiben für eine künftige Zeugenschaft, mit der Widerspenstigkeit des Volks begründet. Auf der Ebene des vorliegenden Textes soll die Schrift von 30,8, kurz nach 29,18 genannt, zweifellos mit der dort genannten in Verbindung gebracht werden, wie man dann auch 34,16aα nicht liest ohne Blick auf 29,11f.18; 30,8.18 18

Vgl. GOSSE, Écriture (s. Anm. 5), 16.

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Von daher ist es naheliegend, dass gemäß der – sekundären – Sicht von 34,16aα die in 29,(11f.)18; 30,8 genannten Schriften untereinander und mit der Schrift Jhwhs bzw. mit dem Jesaja-Buch zu identifizieren sind. Das ist umso wahrscheinlicher, als bereits die erste Stelle 29,11f. deutlich in diese Richtung weist. Zwar erscheint eine versiegelte Schrift hier im Rahmen eines Vergleichs, aber damit verglichen wird die „Vision von alledem“ (‫)חזוּת הכל‬. Mit der „Vision von alledem“ ist mehr im Blick als der Nahkontext mit 29,7:19 insbesondere 21,2 (‫ חזוּת‬vgl. 13,1) 20 und 1,1 (‫ ;חזון‬vgl. 2,1), d.h. die ganze Vision Jesajas über Juda und Jerusalem und gerade auch über Babel; gemäß 29,11f. hat also ganz Jes21 den Charakter einer versiegelten, absolut unlesbaren Schrift angenommen. Außerdem ist es naheliegend, dass umgekehrt bei der Schrift Jhwhs in 34,16aα von 29,11f.18; 30,8 her mitzudenken ist, dass sie gegenwärtig jedenfalls prinzipiell nicht gelesen wird, weil das Volk es nicht lesen kann oder will.22 Da das Volk in Jes aber nicht nur als schlechthin verstocktes (6,9f.) präsentiert wird, sondern da die Verstockung – und entsprechend die Versiegelung der Schrift bzw. des Buchs – auch als zeitlich begrenzt (6,11–13; 29,9f. [ferner 63,17] und 29,11f., vgl. 8,16) und das Volk „nur“ (noch) als widerspenstig erscheint (28,12; 30,9.15; 42,18–25; 63,10) und da insbesondere verheissen wird, dass „die Tauben die Worte der Schrift hören werden“ (29,18) bzw. dass überhaupt Augen, Ohren und Herzen im Gottesvolk wieder funktionstüchtig sein werden (32,3f.; 35,5f.; 42,7; 43,8, vgl. 48,8), können schriftgelehrte Tradenten in 34,16aα schon aufgefordert werden, im Buch nachzuforschen und zu lesen.23 Vermutlich ist diese forschende Lektüre geradezu als Teil der Rückgewinnung der Rezeptionsfähigkeit zu verstehen, die mit dazu führt, dass die Tauben die Worte der Schrift dann wieder zu hören bekommen. Wenn das zutrifft, dann ist gemäß 34,16aα die explizit auf Jhwh zurückgehende Schrift nicht primär dadurch charakterisiert, dass sie als versiegelte dereinst bezeugt, wer das Gericht zu verantworten hat und wer es durchgeführt hat (vgl. Jes 1–34). Vielmehr ist sie v.a. dadurch gekennzeichnet, dass sie im 19

Vgl. BEUKEN, Jesaja 28–39 (s. Anm. 5), 106–109.117–122.127. ‫ חזוּת‬in der Bedeutung „Vision“ o.ä. ist im Alten Testament nur gerade in Jes 21,2; 29,11 belegt (vgl. 2Chr 9,29), in anderer Bedeutung noch Jes 28,18 und Dan 8,5.8. 21 Jes 29,11f. dürfte sich ursprünglich auf den gesamten entstehenden Ersten Jesaja bezogen haben (mit Worten gegen Babel, vgl. Jes (*)21,1–10; Jes *13f.), ist dann aber etwa aus der Sicht von 34,16f. naheliegenderweise auf ein um den Zweiten Jesaja erweitertes JesajaBuch (vgl. Jes 47) hin zu lesen. 22 Zu den Belegen des Verstockungsthemas in Jes insgesamt vgl. F. HESSE, Das Verstockungsproblem im Alten Testament. Eine frömmigkeitsgeschichtliche Untersuchung, BZAW 74, Berlin 1955, passim; zu den Modifikationen des Themas im Ersten Jesaja vgl. R.G. KRATZ, Jesaja 28–31 als Fortschreibung, in: Ders., Prophetenstudien. Kleine Schriften II, FAT 74, Tübingen 2011, 177–197 (194f.). 23 Vgl. GOSSE, Écriture (s. Anm. 5), 16. 20

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Hinblick auf die in ihr enthaltenen Weissagungen des (bedingten) Heils (vgl. Jes 35; 40–63) nun wieder zugänglich, lesbar und damit wieder wirksam wird. Zugespitzt gesagt: 34,16aα, an seinem Ort zwischen Jes 1–34 und Jes 35–63, zeigt an, dass weniger die Versiegelung als vielmehr die Erforschbarkeit das Jesaja-Buch zur Schrift Jhwhs macht. Die Annahme, dass die nach 29,11.12.18; 30,8 platzierte Aufforderung von 34,16aα zum Ausdruck bringt, dass die Schrift Jhwhs (und damit das Wort Jhwhs) nun an sich wieder zugänglich ist, wird durch den Bezug auf 55,6 bestätigt. Jes 55,6 Sucht (‫ )דרשׁו‬Jhwh, da er sich finden lässt, ruft ihn (‫)קראהו‬, da er nahe ist!

Zweifellos soll durch diesen Bezug nicht suggeriert werden, dass die schriftgelehrte Lektüre der Schrift Jhwhs an die Stelle der Suche Jhwhs im Lebensvollzug (vgl. 55,7) treten soll. Trotzdem geht die Sache in diese Richtung: in dem Sinn, dass 34,16aα eine maßgebliche Leseweise vorgibt, wie ‫ דרשׁ‬und ‫ – קרא‬auch in Jes 55 – bezüglich Jhwhs zu verstehen ist.24 Diese Vermutung, dass die markante und prominent platzierte Aufforderung von 34,16aα eine bestimmte Interpretation von 55,6 favorisiert, korrespondiert durchaus auch mit dem literarischen Nahkontext von 55,6. Aus der Rezeptionsperspektive von 34,16f. interessiert am komplexen Text 55,6–13 insbesondere der Zusammenhang zwischen der Nähe Jhwhs und seinem wirksamen Wort. So gesehen, führt die mit der Aufforderung, Jhwh zu suchen, da er sich finden lässt, ihn zu rufen, da er nahe ist (V.6), gelegte Spur in V.8–11 weiter.25 Jes 55,8–11 8 Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, Spruch Jhwhs, 9 denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so sind hoch meine Wege über euren Wegen und meine Gedanken über euren Gedanken. 24 BEUKEN, Jesaja 28–39 (s. Anm. 5), 323, formuliert zu strikt: „Die Aufforderung ‚Forscht nach im Buch JHWHs’ tritt in der Phase der Buchwerdung der hebräischen Bibel an die Stelle des älteren Ideals, ‚JHWH (zu) suchen (‫“‘)דרשׁ‬. Seine anschließende Belegliste enthält 55,6 allerdings nicht, wie der Bezug von 34,16 auf 55,6 in der Forschungsdiskussion m.W. auch sonst nicht wahrgenommen wird. 25 Vgl. auch schon die Höraufrufe in 55,2b und bes. V.3a. Zur Diskussion der sachlichen Zusammenhänge in 55,1/6–11/13 (und von textgenetischen Optionen) vgl. etwa J.L. KOOLE, Isaiah. Part 3, Volume 2: Isaiah 49–55, HCOT, Leuven 1998, 424–428; J. GOLDINGAY, D. PAYNE, Isaiah 40–55, Volume II Isaiah 44.24–55.13, ICC, London u.a. 2006, 363–367; H.J. HERMISSON, Deuterojesaja. 3. Teilband Jesaja 49,14–55,13, BK XI/3, Göttingen 2017, 579–590.

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10 Denn wie herabkommen der Regen und der Schnee vom Himmel und dorthin nicht zurückkehren, sondern die Erde tränken und sie fruchtbar machen und sie zum Sprießen bringen und Samen geben dem, der sät, und Brot dem, der isst, 11 so ist mein Wort, das aus meinem Mund (‫ )מפי‬hervorgeht: Nicht kehrt es leer zu mir zurück, sondern es tut, was mir gefällt, und lässt gelingen, wozu ich es gesandt habe.

Zwar sind Jhwhs Wege und Gedanken von den menschlichen (insbesondere von denjenigen der Frevler, V.7) himmelweit entfernt, doch wie Regen und Schnee vom Himmel herabkommend die Erde fruchtbar machen, so bewirkt Jhwhs Wort aus seinem Mund – auf der Erde –, wozu es Jhwh gesandt hat, bevor es wieder zu ihm zurückkehrt. Etwa so dürfte 55,6ff. von 34,16aα her zu lesen sein: Jhwh lässt sich finden und ist nahe in seinem Wort aus seinem Mund (vgl. 34,16bα), das (betont) hienieden in der bzw. durch die Schrift Jhwhs zugänglich und wirksam ist. Jhwh zu suchen und ihn zu rufen, bedeutet demgemäß nichts anderes, als seine (wieder zugänglich werdende) Schrift zu erforschen und zu lesen. Für die Bezugnahme von 34,16aα auf 55,6(ff.) dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass die Verfasserschaft von 34,16f. in 34,1–15 und in Jes 55 je das Motiv des Herabkommens vom Himmel26 vorgefunden hat. Diese Entsprechung verleiht der Lesevorgabe von 34,16aα eine besondere Spitze. Anders als in 55,6–13, wo das Wort Jhwhs die Bewegung vom Himmel herab gleichsam mitgeht (V.10f), kontrastiert in Jes 34 die Schrift Jhwhs mit dem Himmel, der zerstört wird bzw. der sich wie eine Schriftrolle (‫ )ספר‬zusammenrollt und dessen Heer verwelkt (‫ ;נבל‬V.4).27 Das Wort Jhwhs in Gestalt der Schrift Jhwhs wird alles, auch den Himmel, überdauern: eine Umsetzung also von 40,8, wonach die Blume verwelkt (‫)נבל‬, das Wort Gottes aber für immer besteht.28 Die von 34,16aα aus anvisierte Korrespondenz mit Jes 55 erstreckt sich allerdings höchstens indirekt auch auf die Heimkehrverheissung 55,12f., worin das wirksame Wort gemäß Jes 55 maßgeblich Gestalt gewinnt, ein Thema, das – neben dem Wortmotiv – einen markanten Rahmen um Jes 40–55 legt und diesen Textbereich auch sonst prägt, das (unmittelbar nach Jes 34) in Jes 35 maßgeblich exponiert wird und dessen Fluchtpunkt Jes 60–62 bildet.29 34,16f. 26

‫ ירד‬bezogen auf ‫ שׁמים‬ist in Jes nur in 34,5 und 55,10 belegt, dazu jünger noch in 63,19. S. dazu auch u. Anm. 40. 28 Vgl. die Auslegung in Mt 24,35. 29 Der Rahmen um Jes 40–55 ist längst gesehen, vgl. EinllAT und Komm.; zur Entsprechung zwischen 40,1–11 und 55,6–13 („Wort“ 40,6–8; 50,11f.; „Heimkehr“ 40,9–11; 55,12f.) s. bes. STECK, Heimkehr (s. Anm. 5), 65f. Anm. 55. In Jes 60–62 vgl. 62,10–12, nach 60,4.9; vgl. auch etwa M.C.A. KORPEL, Second Isaiah’s Coping with the Religious Crisis: Reading Isaiah 40 and 55, in: B. Becking/M.C.A. Korpel (Hg.), The Crisis of Israelite 27

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scheint dieses Wort der Heimkehr vielmehr zu ergänzen, denn 36,16aα kommt mit seiner Aufforderung zur wieder möglich gewordenen Erforschung der Jhwh-Schrift einem anderen Textkomplex, 56,9–59,21, nahe, und vor allem bezieht sich 34,16aβ–17 mit der Angabe, wonach geforscht werden soll, auf 63,1–6 (s. dazu u. 4). In 56,9–59,21 – vermutlich sekundär zwischen Jes 55 samt Heimkehrverheissung (V.12f.) und Jes 60–62 eingeschrieben und in mehr als einer Hinsicht im Anschluss an Jes 55 formuliert – werden die Bedingungen für das Heil genannt.30 Dabei spielt die Motivik der Verstocktheit oder Verborgenheit und der Zugänglichkeit, der Ferne und der Nähe eine wichtige Rolle, womit eben 34,16aα (im Kontext des Ersten Jesaja und mit Bezug auf 55,6[ff.]) Entsprechungen aufweist. Jhwh hat sich zwar verborgen (57,17), aber jetzt ist er kein Heilshindernis mehr, sein in Jes 6–8 beschlossenes Gericht ist vorüber (57,16). Er wohnt in der Höhe und auch bei den Zerschlagenen (57,15), seine Hand ist nicht zu kurz für Hilfe und sein Ohr nicht schwerhörig (59,1), das Heil ist in Aussicht gestellt und Jhwh wird auf das Rufen antworten (57,18f.; 58,8ff.). Es sind vielmehr die Anführer des Volks und das Volk selbst, die das Heil durch ihre sozialen und kultischen Vergehen noch aufhalten (56,9ff.; 58,1ff.). Ihre Sünden sind es, die das Angesicht Gottes vor ihnen verdeckt haben, so dass er nicht hört (59,2). Sie selbst sind (wie) blind und stumm (56,10, 59,10). Immerhin gesteht das Volk seine Blindheit in einem Schuldbekenntnis (59,9ff.) ein und erkennt, dass wegen seinen Sünden das Recht und das Heil fern sind (59,9.11.14). Entsprechend ist die Beseitigung der Heilshindernisse, wie sie Jhwh erwartet, tatsächlich eine Option (58,6ff.; 59,20). Sie ist aber auch notwendig, denn Jhwh wird vergeltend gegen seine Feinde einschreiten (59,15ff.), Religion. Transformation of Religious Tradition in Exilic and Post-Exilic Times, OTS XLII, Leiden u.a. 1999, 90–113. 30 Die in engem Anschluss an Jes *40–55 formulierten Heilsaussagen von Jes *60–62 weisen diesen Textkomplex als textgenetischen Kern von Jes 56–66 – wohl insgesamt Redaktionsliteratur – aus. Jünger ist die Konditionierung des Heils in Jes 56,9–59,21, wobei damit ein Jesaja-Buch fortgeschrieben wird, das nun auch den Ersten Jesaja umfasst; sachlich eng mit 56,9–59,21 verbunden erscheint 63,1–6. Eine letzte Fortschreibungsphase ist in Jes 63,7/65,1–66,24 zu greifen. Gemäss diesem Schlussteil von Jes ist die Heilsteilhabe nicht mehr für das ganze Gottesvolk möglich, sondern es wird wohl definitiv unterschieden zwischen Frommen und Frevlern, im Gottesvolk und auch unter den Völkern; entsprechend gehört auch 56,1–8 in diesen Kontext. Vgl. dazu O.H. STECK, Studien zu Tritojesaja, BZAW 203, Berlin 1991; DERS., Autor und/oder Redaktor in Jes 56–66, in: C.C. Broyles/C.A. Evans, Writing and Reading the Scroll of Isaiah: Studies of an Interpretive Tradition, VT.S 70/1, Leiden u.a. 1997, 219–259; speziell zu Jes 56,9–59,21: O.H. STECK, Der sich selbst aktualisierende „Jesaja“ in Jes 56,9–59,21, in: W. Zwickel (Hg.), Biblische Welten (FS M. Metzger), OBO 123, Freiburg u.a. 1993, 215–230; E. BOSSHARD-NEPUSTIL, Trito-Jesaja, NBL III, Düsseldorf u.a. 2001, 923f.; R.G. KRATZ, Tritojesaja, in: Ders., Prophetenstudien. Kleine Schriften II, FAT 74, Tübingen 2011, 233–242; auch L. RUSZKOWSKI, Volk und Gemeinde im Wandel. Eine Untersuchung zu Jesaja 56–66, FRLANT 191, Göttingen 2000.

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auch bei den Völkern (59,18f.), die dann insbesondere in 63,1–6 wieder ein Thema sind.31 Abschließend wird in 59,21 festgehalten, dass Jhwhs Bund mit dem Volk darin besteht, dass (auch) diese seine, Jesaja und seinen Nachfolgern in den Mund gelegten, Worte ständig vernehmbar bleiben. 34,16aα und 56,9–59,21 nach 55,6–13 ist also gemeinsam, dass man das Verstockungsgericht Jhwhs hinter sich weiß und davon überzeugt ist, dass Jhwhs Wort bzw. Jhwh in seinem Wort nun an sich wieder zugänglich ist. Während in 56,9–59,21 der Fokus dabei auf den zu beseitigenden Hindernissen des Heils für das Gottesvolk liegt, liegt er in 34,16f. ergänzend dazu auf dem Thema des Völkergerichts, wobei das Völkergericht gleichsam die Außenseite des Heils darstellt. 34,16f. betont, dass es in der Schrift Jhwhs nicht nur um die Heimkehr der Diaspora geht, sondern auch um die Hindernisse davor (wie 56,9–59,21) und insbesondere um das Völkergericht danach.

4 Was sind die Gründe für die Anfügung von 34,16f. an V.1–15? Die Ankündigung, dass keines der nichtmenschlichen Wesen in Edom fehlen wird (V.16aβγ) und dass sie Edom für immer besitzen und darin wohnen werden (V.17b), geht sachlich nicht erheblich über 34,1–15 hinaus. Wird dort angekündigt, dass das Gebiet Edoms für immer verwüstet und verödet sein wird (V.9–11) und die Wesen darin wohnen werden (V.11–15), so wird in V.16f. nun ergänzend festgehalten, dass keines der Wesen ausbleiben wird und dass auch ihr Wohnen für immer dauern wird. Damit und besonders mit der Versicherung, dass Jhwh selbst die Wesen sammelt und ihnen das Land zuteilt, was ein unfehlbares Eintreffen impliziert (s. weiter dazu u. 5), insistiert V.16f. auf

31 63,1–6 schließt – über Jes 60–62 hinweg – eng an 59,15–20 an und setzt diesen Text voraus; in 59,15–20 kleidet sich Jhwh für ein Geschehen, das Heil und Gericht umfasst, in 63,1–6 kommt Jhwh mit blutbesudelten Kleidern vom Gericht in Edom zurück. Zu diesem viel diskutierten intertextuellen Bezug vgl. etwa K. KOENEN, Ethik und Eschatologie im Tritojesajabuch. Eine literarkritische und redaktionsgeschichtliche Studie, WMANT 62, Neukirchen-Vluyn 1990, 83–87; O.H. STECK, Jahwes Feinde in Jesaja 59, in: Ders., Studien (s. Anm. 30), 187–191; DERS., Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 56,9–59,21; 63,1–6, in: Ders., Studien (s. Anm. 30), 192–213 (208–211); BERGES, Jesaja (s. Anm. 5), 419–426.482– 485; M.L. LYNCH, Zion’s Warrior and the Nations: Isaiah 59:15b–63:6 in Isaiah’s Zion Traditions, CBQ 70,2 (2008), 244–263. – Was die Völker betrifft, so scheint 59,18f. verschiedene Aspekte zu zeigen: Sie sind Objekt des Gerichts und Subjekt der Jhwh-Furcht. Damit vergleichbar rechnet Jhwh in 63,3(.5) beim Völkergericht in Edom – vergeblich – mit der Mitwirkung von Völkern, offensichtlich als Gerichtswerkzeug. Wie es aussieht, wird da eine relative Offenheit für die Völker ins Auge gefasst, am Schluss dann aber doch verworfen.

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der Endgültigkeit des Völkergerichts in Edom und v.a. auf Edoms dauerhafter Verwüstung.32 Im Rahmen von Jes 34 ist dieses Insistieren nicht zu erklären, denn schon V.1–15 lässt keine Zweifel daran, dass Jhwh die ganze Sache verantwortet und dass die beschriebene Szenerie in Edom von unbegrenzter Dauer sein soll. Der Grund für das Insistieren und damit für die Anfügung von V.16f. an V.1–15 ist somit außerhalb von Jes 34 zu suchen – wenn die Aufforderung ergeht, in der Schrift Jhwhs nachzuforschen, dann jedenfalls auch in eben dieser Schrift bzw. im Jesaja-Buch. Selbstverständlich sind darüber hinaus außertextliche Gründe nicht ausgeschlossen. Im Jesaja-Buch sind für 34,16f. v.a. zwei Texte von Bedeutung: Jes 35 und 63,1–6. Obschon es zwischen 34,16f. und Jes 35 sowie 63,1–6 (anders als etwa im Fall von 34,1–15) keine terminologischen Übereinstimmungen gibt, sind diese beiden Texte an ihrem Ort im Jesaja-Buch maßgeblich für die Einschreibung von 34,16f. verantwortlich. Jes 35 ist ein redaktioneller Brückentext, der zwischen Erstem und Zweitem Jesaja vermittelt, sich dabei u.a. auf Jes 34,1–15 bezieht und literarisch womöglich mit 34,2–4 zusammengehört. Gemäß Jes 35 soll der literarische Kontext so gelesen werden, dass die Heimkehr der Diaspora zeitlich nach den in Jes 34 geweissagten Gerichtsvorgängen stattfinden werden und dass die Verwüstung des Gebiets vom Edom (südlich des Wadi Hasa) zeitlich begrenzt sein wird, weil die heimkehrende Diaspora auch durch eben dieses, dann wunderbar verwandelte Gebiet ziehen wird (35,1f.6f.9).33 Angesichts dessen ist 34,16f. mit seiner auffälligen Betonung, dass die Verwüstung Edoms für immer dauern wird, weil Jhwh selbst dahintersteht, am sinnvollsten als Reaktion wiederum auf Jes 35 zu verstehen. 34,16f. ist dem gemäß Jes 35 nicht schon vorgegeben,34 sondern ist jünger als Jes 35 und hebt hervor, dass die fraglichen Gerichts-Aussagen von Jes 34 unbedingt stimmig und zuverlässig sind und dass Jes 35 dem entsprechend zu verstehen ist. Dies könnte implizierten, dass – nach der Vorstellung von 34,16f. bzw. Jes 34f. insgesamt –, zuerst die Diaspora auf dem für sie verwandelten Weg durch Edom nach Zion zurückkehrt und erst danach das Völkergericht in Edom vollzogen 32

Vgl. auch OBERMAYER, Gewalt (s. Anm. 10), 196. S. STECK, Heimkehr (s. Anm. 5), bes. 16–20.29–37.49–59. Der Einwand von BERGES, Jesaja (s. Anm. 5), 206f., Jes 35 spreche nicht vom Gebiet Edoms, sondern vom Zion, der vom Steppenland zur blühenden Landschaft werde, verfängt nicht. Berges nimmt die entsprechenden indiskutablen Bezüge von Jes 35 auf Jes 34 zu wenig ernst und muss dann gegen den Text zwischen der „Strasse“ offenbar in Zion (35,8–9a) und dem Heimkehrweg (V.9b– 10) unterscheiden. – Nicht zuletzt der Fortgang der vorliegenden Überlegungen wird zeigen, dass der Zusatz 34,16f. gerade dann Sinn macht, wenn in Jes 34 und Jes 35 vom selben Gebiet die Rede ist. 34 Ebenso wenig ist 34,16f. älter als 34,2–4; anders STECK, Heimkehr (s. Anm. 5), 25 Anm. 31; 52f. Anm. 29. 33

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wird, das dann eben dessen dauerhafte Verwüstung und die dauerhafte Besiedlung mit den Wesen nach sich zieht. Was die Frage aufwirft, warum man die zeitliche Reihenfolge von Völkergericht und Heimkehr umgekehrt gedacht haben sollte. Die bzw. eine Antwort gibt 63,1–6. Jes 63,1–6 1 Wer ist es, der da aus Edom kommt, in grellen Kleidern aus Bozra, so geschmückt in seinem Gewand, einherschreitend in der Fülle seiner Kraft? Ich bin es, der ich in Gerechtigkeit spreche, mächtig, um zu retten. 2 Warum ist dein Gewand rot und sind deine Kleider wie bei einem, der in der Kelter tritt? 3 Allein habe ich die Kelter getreten, und niemand war bei mir von den Völkern. Da trat ich sie in meiner Wut, und ich zerstampfte sie in meinem Zorn, und es spritzte ihr Saft auf meine Kleider, und alle meine Gewänder verunreinigte ich. 4 Denn ein Tag der Rache war in meinem Herzen, und mein Jahr der Befreiung(?) war gekommen. 5 Und ich schaute umher, und da war keiner, der half, und ich war entsetzt, aber da war keiner, der stützte. Da half mir mein Arm, und mein Zorn, er stützte mich. 6 Und ich zertrat die Völker in meiner Wut, und ich machte sie betrunken in meinem Zorn, und ich ließ zur Erde fließen ihren Saft.

Dass die beiden „Bluttexte“ Jes 34 und 63,1–6 intertextuell aufeinander bezogen sind, ist offensichtlich.35 Während Jes 34 das künftige Völkergericht in Edom und die Folgen dort beschreibt, blickt 63,1–6 – nicht sachlich wiederholend, sondern ergänzend – bereits auf das erfolgte Gericht zurück. Für meine Belange wichtig ist das Verhältnis zwischen 34,16f. und 63,1–6. Indem 63,1– 6 – nachträglich36 – hinter Jes 60–62 platziert wird, wird hier die Reihenfolge zwischen Heimkehr der Diaspora und Völkergericht in Edom tatsächlich umgekehrt. 62,10–12 und 63,1–6 sind aus der Perspektive der Ankunft formuliert: Es ist von der Heimkehr der Diaspora und von der Rückkehr Jhwhs nach Zion die Rede. Wenn in 62,10–12 die Jerusalemer aufgefordert werden, der Diaspora das letzte Wegstück frei zu räumen, gegen die Völker bzw. den 35

Vgl. etwa BERGES, Jesaja (s. Anm. 5), 252–255; OBERMAYER, Gewalt (s. Anm. 10), 184.281–288; BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 150f. mit Anm. 271. 36 S. STECK, Heimkehr (s. Anm. 5), 71f.; DERS., Jesaja 62,10–12 als Abschluß eines Großjesajabuches, in: Ders., Studien (s. Anm. 30), 143–166 (156 mit Anm. 59); BERGES, Jesaja (s. Anm. 5), 481–485.550; RUSZKOWSKI, Volk (s. Anm. 30), 48–51.

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Völkern ein Feldzeichen aufzurichten und Zion die Ankunft der Heimkehrer zu melden und wenn danach in 63,1–6 Jhwh auf die Frage, wer aus Edom (südlich des Wadi Hasa) bzw. aus Bosra komme, sich zu erkennen gibt, und auf die Frage nach seinem roten Gewand antwortet, er habe (dort) die Völker zerstampft, so impliziert das gemäß der Verfasserschaft von 63,1–6 mit größter Wahrscheinlichkeit: nicht nur die Ankunft in Zion geschieht in dieser Reihenfolge, sondern vorher entsprechend auch der Durchzug der Diaspora durch Edom und das Völkergericht Jhwhs in Edom.37 Mit dieser (womöglich nicht singulären) Umkehrung der Reihenfolge,38 die umso gewichtiger ist, als sie vermutlich durch 63,1–6 als damaligem Schluss des Jesaja-Buchs angezeigt wird, ist jedenfalls ein gewichtiger Grund für die Ergänzung von 34,1–15 durch V.16f. gegeben. 34,16f. setzt 63,1–6 also voraus und trägt die Umkehrung an der entscheidenden Stelle im Jesaja-Buch ein: im Anschluss an die Weissagung des Völkergerichts in Edom 34,1–15 und vor der Weissagung der Heimkehr der Diaspora Jes 35. So ist das Jesaja-Buch bzw. die Jhwh-Schrift diesbezüglich (wieder) stimmig gemacht. In dieser Stimmigkeit besteht der Zweck des sachlichen Ausgleichs durch 34,16f., selbstredend ohne dass dieser redaktionelle Vorgang dort als solcher thematisiert würde. Vielmehr wird die Leserschaft ja aufgefordert, in der Schrift Jhwhs nachzuforschen, dass sich die nichtmenschlichen Wesen (im zerstörten Edom) eingefunden haben und dass sie dort für immer wohnen werden. Auch wenn das im Jesaja-Buch genau so bekanntlich nicht gesagt ist, wird die Leserschaft damit auf 63,1–6 verwiesen, wo das Eingetroffen-Sein des Völkergerichts in Edom geweissagt wird. Weil die Wesen in 63,1–6 aber nicht eigens genannt sind, bedeutet der Bezug von 34,16f. auf 63,1–6 auch eine sachliche Ergänzung von 63,1–6 im Hinblick auf 34,1–15.39 Aus der Sicht von 34,16f.

37 Wie die Völkeraussagen in 62,10bβ(.11aα) ursprünglich gedacht waren, ist hier von untergeordneter Bedeutung; zur Diskussion vgl. STECK, Heimkehr (s. Anm. 5), 66f.; DERS., Jesaja 62,10–12 (s. Anm. 36), 150–153; KOENEN, Ethik (s. Anm. 31), 82.133–135; W. LAU, Schriftgelehrte Prophetie in Jes 56–66. Eine Untersuchung zu den literarischen Bezügen in den letzten elf Kapiteln des Jesajabuches, BZAW 225, Berlin u.a. 1994, 111–114; BERGES, Jesaja (s. Anm. 5), 461f. Aus der sekundären Sicht von 63,1–6 werden diese Völkeraussagen am ehesten im Sinn der Sammlung der Völker zum Gericht in Edom – vergleichbar mit der Szenerie in Joel 4,1ff. – verstanden. 38 Mi 7,11–13 scheint die Reihenfolge „Rückkehr der Diaspora (auch) aus Assur und Ägypten – Gericht gegen die Erde (und ihre Bewohner)“ zu bieten; so J. JEREMIAS, Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha, ATD 24,3, Göttingen 2007, 226f. mit Anm. 318; zur redaktionsgeschichtlichen Lokalisierung von Mi 7,11–13 vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, Rezeptionen (s. Anm. 10), 368.430f. Anm. 2; 444 Anm. 1 u. 461. 39 In vergleichbarer Weise wird etwas später Jes 63,1–6 durch 63,19b (im Rahmen von 63,7–64,11) im Hinblick auf 34,2–4 mit der Zerstörung des Himmels ergänzt; vgl. E. BOSSHARD-NEPUSTIL, Ferne und Langzeitigkeit Jhwhs. Zur theologischen Auseinandersetzung in Jes 63,7–66,4 und Ps 102, in: T. Naumann/R. Hunziker-Rodewald (Hg.), Diasynchron.

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soll der mutmaßliche damalige Buchschluss 63,1–6 also als „literarischer Weissagungsbeweis“ fungieren, der belegt, dass das nach der Heimkehr der Diaspora stattfindende Völkergericht in Edom die immer dauernde Verwüstung dieses Gebiets und entsprechend die immer dauernde Bewohnung durch die Wesen zur Folge hat.40 Diese Bestimmung Edoms hat nicht zuletzt eine Implikation für Israel selbst, genauer: für das (auch) gemäß Jes zu erwartende Heilsland. Offenbar rechnet man für die Zeit nach dem Völker- und Weltgericht mit einem Heilsland davidischen Ausmaßes (Jes 11,13f.; 27,12; vgl. 26,15b; 27,2ff.; 54,2f.; 58,1; 59,20; 35,2?); gemäß 11,14 wird explizit auch Edom (südlich des Wadi Hasa) dazu gehören, nach dem Juda und Ephraim ihre Hand ausstrecken werden (‫ משׁלוח ידם‬... ‫)אדום‬. Diese Erwartung wird durch 34,16f. modifiziert: Als dauerhaft verwüstetes (Chaos41-)Gebiet im Besitz von nichtmenschlichen Wesen wird Edom schwerlich noch als integraler Teil des Heilslandes vorgestellt sein,42 was zur Frage führt, ob auch außertextliche Ursachen im 3. Jh. v.Chr. bei der Verfasserschaft (vielleicht schon von 63,1–6, jedenfalls aber) von

Beiträge zur Exegese, Theologie und Rezeption der Hebräischen Bibel (FS W. Dietrich), Stuttgart 2009, 39–55 (46f.). 40 Vermutlich geht 34,16f. noch auf eine weitere, vorgegebene Sachspannung in Jes ein; s. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 151 Anm. 272. Während sich gemäß 34,4 im universalen Gericht der Himmel wie eine Schriftrolle (‫ )ספר‬zusammenrollen wird und sein Heer (‫)צבאם‬, die Sterne, verwelken werden, lässt der Schöpfer gemäss 40,26 am Himmel das Heer (‫ )צבאם‬der Sterne abgezählt hervortreten, er ruft sie alle mit Namen, dass keiner ausbleibt (‫)לא נעדר‬. Indem sich 34,16aβ auf 40,26 bezieht (‫ עדר‬in Jes sonst nur noch 59,15; vgl. GOSSE, Écriture [s. Anm. 5], 11; auch STECK, Heimkehr [s. Anm. 5], 59 mit Anm. 42), soll signalisiert werden: Die Wesen werden nicht ausbleiben (‫)לא נעדרה‬, anders als die verwelkenden Sterne, die im kosmischen Gericht verschwinden werden; dies in Entsprechung zum bereits genannten Bezug von 34,16aα auf 34,4: Anders als der Himmel wird die Schrift (‫ )ספר‬Jhwhs (die das Nicht-Ausbleiben dieser Wesen bezeugt) in ihrer bzw. durch ihre Stimmigkeit Bestand haben. 34,16aαβ nach V.4 reiht sich damit ein in eine Folge von Aussagen in Jes, wonach Himmel und Himmelskörper in ein kosmisches Gericht involviert werden und anstelle dessen etwas Neues zu erwarten ist (13,10; 24,23; 30,26; 51,6.16; 60,19f.; jünger 63,19b und bes. 65,17; 66,1.22). 41 Jes 34,17aβ – „und seine Hand hat ihnen mit der Messschnur (‫ )קו‬zugeteilt“ – bezieht sich auf V.11, wonach Jhwh über Edom die Messschnur der Öde ausspannt und das Senkblei der Leere (‫ )קו תהו אבני בהו‬und damit Edom wieder ins anfängliche Chaos (Gen 1,2) zurücksinken lässt (vgl. auch den kosmischen Rahmen in V.2–4 als Revozierung von Gen 2,1; dazu E. BOSSHARD-NEPUSTIL, Vor uns die Sintflut. Studien zu Text, Kontexten und Rezeption der Fluterzählung, FRLANT 165, Stuttgart 2005, 256). Mit der Wiederaufnahme von (u.a.) ‫ קו‬in V.17aβ dürfte also hervorgehoben sein, dass das Chaoshafte Edom bleibend anhaften wird. 42 Die LXX scheint dann nicht so weit gehen zu wollen, wenn sie in 34,17bα in der 2. Ps. Pl. formuliert („für alle Zeit werdet ihr es zum Anteil erhalten“), womit vermutlich die Israeliten angesprochen sind.

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34,16f. zu dieser dauerhaften Stigmatisierung Edoms geführt haben könnten (s. dazu u. 6).

5 Der literarische Weissagungsbeweis von 34,16f. und 63,1–6 funktioniert nach dem Dafürhalten der Verfasserschaft von 34,16f. selbstredend nicht einfach deshalb, weil die beiden Texte so aufeinander bezogen und einander ergänzend – als Weissagung eines künftigen Geschehens und als Weissagung von seinem Eingetroffen-Sein – im Jesaja-Buch stehen. Vielmehr: 34,16f. und 63,1–6 stehen so im Jesaja-Buch, sie machen dieses Buch stimmig und dieses Buch ist die Schrift Jhwhs, weil das Geschehen, von dem die Texte handeln, von Jhwh selbst ausgeht. Diesen zentralen Punkt macht 34,16b.17a explizit. Es wird betont, dass wirklich Jhwh selbst, in seiner (metaphorischen) Körperlichkeit, anordnet und ins Werk setzt, dass keines der Wesen ausbleibt, und dass er es verbindlich vorbereitet, dass sie für immer im Gebiet Edoms wohnen werden. Diese Körperlichkeit wird ausgedrückt durch die Reihe „Mund (‫– )פה‬ Geist (‫ – )רוח‬er (‫ – )הוא‬Hand (‫“)יד‬. Allein schon diese Reihe, in Verbindung mit vier logisch aufeinander folgenden Handlungen,43 legt nahe, dass in V.16bα (vermutlich) gegen den MT nicht „mein (wohl Jesajas) Mund“ (‫)פי‬, sondern „sein [sc. Jhwhs] Mund“ (‫ )פיהו‬oder „Jhwhs Mund“ (‫ )פי יהוה‬zu lesen (bzw. ‫פי‬ als Abkürzung von ‫ פי יהוה‬zu verstehen) ist.44 Dies impliziert, dass Jes 34(,11– 15) als eben diese Ankündigung bzw. Anordnung aus Jhwhs Mund (vgl. V.5) zu verstehen ist.45 Warum Jhwh in Form dieser im Übrigen im Alten Testament singulären Reihe erscheint, ist nicht einfach zu sagen. Womöglich soll zur Sprache gebracht werden, dass hinter Jhwhs Schrift nicht etwas Unbestimmbares, sondern eine „vorstellbare Gestalt“ steht und dass, im Sinn einer verlässlichen Stimmigkeit, jeder Einzelzug des angekündigten Geschehens aus Jhwh selbst zu deduzieren ist – ein Charakteristikum, das auf seine Weise auch 59,16–19; 63,1–6 prägt, wo die Gestalt Jhwh selbst und allein sich rüstet und gegen seine Feinde vorgeht. Vielleicht korrespondiert 34,16b.17a auch mit 51,16 und 59,21.

43

„(Es) gebieten“ – „sie versammeln“ – „das Los werfen“ – „mit der Messschnur zuteilen“; vgl. BEUKEN, Jes 28–39 (s. Anm. 5), 324. 44 Den Bezug auf Jhwh bieten 1QJesa, Syr, Tg, vgl. LXX (κύριος); anders Vg; s. dazu BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 151 und bes. BEUKEN, Jes 28–39 (s. Anm. 5), 302.304.322f. Allerdings fehlt in der LXX der „Mund“ wie ja auch die „Schrift Jhwhs“; s. dazu BOSSHARD-NEPUSTIL, a.a.O. 154 Anm. 288, und auch u. Anm. 51. 45 S. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 152 Anm. 281.

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Jes 51,16a Und ich habe meine Worte in deinen Mund (‫ )פי‬gelegt, und mit dem Schatten meiner Hand (‫ )ידי‬habe ich dich bedeckt. Jes 59,21 Ich aber – dies ist mein Bund mit ihnen, spricht Jhwh: Mein Geist (‫)רוחי‬, der auf dir ist, und meine Worte, die ich in deinen Mund (‫ )בפיך‬gelegt habe, werden nicht weichen aus deinem Mund (‫ )מפיך‬und aus dem Mund (‫ )מפי‬deiner Nachkommen und aus dem Mund (‫ )מפי‬der Nachkommen deiner Nachkommen, spricht Jhwh, von nun an für alle Zeit.

Allerdings liegt in 34,16b.17a das Gewicht ganz auf Jhwh selbst und nicht auf dem Propheten Jesaja, in dessen Mund Jhwh seine Worte gelegt, den er mit seiner Hand beschattet hat (51,16) und auf dem sein Geist ist (59,21).46 Mit der Betonung, dass in 34,16b.17a Jhwh selbst agiert, scheint aber noch ein weiterer Akzent gesetzt zu sein. In V.17 wird offenbar auf die „erste“ Landverteilung (Jos 13–21) angespielt.47 Indem nun aber, das damalige Prozedere überbietend, Jhwh mit eigener Hand das Los wirft, wird die Bedeutsamkeit – konkret: die Endgültigkeit – der künftigen Landzuteilung hervorgehoben. Das verleiht der Frage zusätzliches Gewicht, ob Ereignisse in der Geschichte „(Post-)Edoms“ die Verfasserschaft von 34,16f. veranlasst haben könnten, Edom als Niemandsland bei einer neuen Landnahme und -verteilung – bezogen auf ein Heilsland davidischen Ausmaßes – faktisch auszuklammern.48 Jedenfalls reiht sich 34,16b.17a ein unter die übrigen Belege des Mundes Jhwhs in Jes.49 Dabei sind diejenigen Belege mit der Formel „denn der Mund Jhwhs hat gesprochen“(‫ )כי פי יהוה דבר‬hervorzuheben, die im Alten Testament eigentlich nur in Jes vorkommt und dort an makrostrukturell wichtigen Positionen im Buch (1,20; 40,5; auch 58,14) platziert ist.50 Für das Jesaja-Buch als Ganzes ist damit speziell betont, dass die – stimmigen – Worte, die Jhwh Jesaja 46

Zur Identifizierung der 2. Ps. Sg. in Jes 51,16; 59,21 mit Jesaja (zu seinen „Nachkommen“ s. im Folgenden) vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 152 Anm. 277 (Lit.); anders etwa BERGES, Jesaja (s. Anm. 5), 390.452.464.467.480.487; S.M. PAUL, Isaiah 40–66. Translation and Commentary, ECC, Grand Rapids u.a. 2012, 374f.512f. 47 BEUKEN, Jesaja 28–39 (s. Anm. 5), 324; vgl. die 26 ‫גורל‬-Belege in Jos 14–21, dazu Num 26,55; 33,54; 34,13; 36,2f.; Ri 1,3. 48 Zwar gehörte gemäß Jos 13–21 auch Edom nicht zum verteilten Land, und die Verfasserschaft von Sach 9 stellte sich das zu restituierende „davidische“ Land offenbar ohne Ostjordanland vor (vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung [s. Anm. 3], 132–134, bes. Anm. 215). Trotzdem dürfte der bleibende Ausschluss Edoms in Jes 34,16f. nicht einfach auf solche Vorgaben zurückzuführen sein, sondern die starke Betonung in Jes 34,16f. und die augenfällige Verschiebung innerhalb des Jesaja-Buchs (34,16f. gegenüber 11,13f.; vgl. auch ‫ יד‬in 34,17aβ; 11,14bα) legen die Frage nach zeitgeschichtlichen Ursachen nahe. 49 Jes 1,20; 30,2; 40,5; 45,23; 48,3; 55,11; 58,14; 62,2. 50 Außerhalb von Jes ist die Formel (‫ )כי פי יהוה צבאות דבר‬nur in Mi 4,4b belegt, im Anschluss an 4,1–3(.4a) par. Jes 2,1–4; vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 152 Anm. 279. Zum Bezug von 58,14 auf 1,20 vgl. STECK, Untersuchungen (s. Anm. 31), 213; damit ist eine Inklusion um den grössten Teil des Jesaja-Buchs gegeben.

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in den Mund gelegt hat (51,16; 59,21; vgl. 6,5–7) und die das Jesaja-Buch ausmachen, im Mund Jhwhs ihren Ursprung haben – was eben speziell das JesajaBuch zur Schrift Jhwhs macht. Diese herausragende Qualifizierung des Jesaja-Buchs unterstreicht die Bedeutung dieses Buchs bzw. des Propheten Jesaja, die durch die Anfangsposition des Jesaja-Buchs im Corpus propheticum gemäß MT-Texttradition und durch den großen Zeitraum, den Jes abdeckt (vom 8. Jh. v.Chr. bis in die letzte Zeit), gegeben ist.51 Als Schrift Jhwhs aus dem Mund Jhwhs garantiert das Jesaja-Buch, wie bereits angedeutet, die Gültigkeit und Stimmigkeit gerade auch der ganzen Weissagungen Jesajas (Jes 40ff.), durch die der große Zeitraum von Jes erschlossen wird. Außerdem wird die Hierarchie (wenigstens) der großen Propheten neu akzentuiert: Dadurch, dass in Jes die Verankerung der Prophetie Jesajas in Jhwh bekräftigt wird, wird Jes von Jer, wo die Gleichsetzung von Jhwh- und Jeremia-Wort im Vordergrund steht, und erst recht von Ez abgehoben.52 Diese Richtung dürfte schon Jes 59,21 anzeigen. Wenn dort Jhwhs Bund so expliziert wird, dass seine Worte, die er Jesaja in den Mund gelegt hat, nicht aus dessen Mund und aus dem Mund seiner Nachkommen weichen werden für alle Zeit, so ist damit auch gesagt, dass die Worte aller weiteren (Schrift-)Propheten (und Tradenten) nichts anderes sind als Variationen des Wortes Jhwhs im Mund Jesajas.53 Auf den Punkt gebracht werden die Verankerung des prophetischen Wortes Jesajas und damit der Schriftpropheten in Jhwh und die dauerhafte Vernehmbarkeit dieses Worts in 34,16f. durch den Begriff der Schrift Jhwhs, wodurch zuvorderst dem Jesaja-Buch diese Dauerhaftigkeit zugesprochen wird.

6 Warum wird die höchste Autorität Jhwh in 34,16f. als Autor des Jesaja-Buchs genannt? Zum einen wird das gemäß der Fiktion von Jesaja ben Amoz verfasste, versiegelte, künftig wieder verstehbare Buch (29,11f.18; 30,8) für die Jesaja-Tradenten zur Schrift Jhwhs, als sie die Möglichkeit der Lesbarkeit wieder gegeben sehen: Eine schriftgelehrte Leserschaft wird aufgefordert, in der Schrift Jhwhs nachzuforschen und zu lesen (34,16aα), weil hervorgehoben 51

Vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 153f. Im Hauptstrang der LXX-Überlieferung steht Jes nicht an der ersten Position der Schriftpropheten, was dazu passt, dass 34,16f. LXX weder die „Schrift“ noch den „Mund“ Jhwhs bietet; vgl. BOSSHARDNEPUSTIL, a.a.O. 153 Anm. 283; 154 Anm. 288. Für die LXX steht die hier für MT beobachtete Qualifizierung des Jesaja-Buchs also nicht im Vordergrund. 52 BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 154f. 53 Vgl. auch R.G. KRATZ, Die Propheten Israels, München 2003,102f.

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werden soll, dass das Wort Jhwhs im Jesaja-Buch nun wieder zugänglich, klar und nahe ist, dass Jhwh selbst in seinem niedergeschriebenen Wort nahe ist (55,6ff.; 56,9–59,21). Dient der Autorität des Jesaja-Buchs nicht nur seine Verstehbarkeit, sondern auch seine Versiegelung (im Kontext der Verstockung), so speist sich die Autorität der Schrift Jhwhs gerade aus ihrer Erforschbarkeit. Zum andern erscheint das Jesaja-Buch als Schrift Jhwhs, weil explizit und betont Jhwh selbst „in eigener Person“ das veranlasst und vorbereitet hat (34,16b.17a), nach dessen Eintreffen(sbericht) in der Schrift erfolgreich geforscht werden soll – was eben diese Schrift zur Seinigen macht. Konkret: Weil Jhwhs Autorität garantiert, dass die nichtmenschlichen Wesen sich alle in Edom einfinden und dass sie Edom für immer bewohnen werden, darum trägt die Schrift, in der das Eintreffen dessen berichtet wird, seinen Namen. Damit ist auch die Stimmigkeit des Jesaja-Buchs (wieder) garantiert, die durch 63,1– 6, im Anschluss an 62,10–12, gegenüber 34,1–15; 35 zeitweilig „beeinträchtigt“ worden ist. 34,16f. korrigiert 34,1–15; 35 im Sinn von 62,10–12; 63,1–6: Zuerst werden die Heimkehrer aus der Diaspora durch das für sie wunderbar verwandelte Gebiet Edoms ziehen, danach wird dort das Völkergericht vollzogen werden und Edom wird für immer verwüstet und von nichtmenschlichen Wesen bewohnt sein. Gleichzeitig verknüpft 34,16f. diese Leseweise mit der Autorität Jhwhs. Insofern bestätigt sich die Vermutung, die Verfasserschaft von 34,16f. habe das ganze, (nun) auch den Weissagungsteil Jes 40ff. umfassende Jesaja-Buch dem Namen dessen unterstellt, der den gesamten Zeitraum vom 8. Jh. v.Chr. bis zur Zeit nach dem künftigen Weltgericht verantwortet. Wie bereits erwähnt, setzt die Aufforderung zur Erforschung der Schrift Jhwhs ein Jesaja-Buch voraus, das sich bereits formiert, wobei 34,16f. seinerseits wieder zu dieser Formierung beiträgt. Die intertextuellen Bezugnahmen von 34,16f. besonders auf 63,1–6 und auch auf 56,9–59,21 lassen die Umrisse eines Jesaja-Buchs Jes *1–63,6 erkennen, das entsprechend bereits zu einem rechten Teil, aber noch nicht vollständig die heutige Gestalt besaß. 34,16f. dürfte auf eine Phase der Fortschreibung des Jesaja-Buchs mit Schwerpunkt im Bereich Jes 56–66 reagieren, die die Heilshindernisse im Gottesvolk benennt (Jes 56,9–59,21), die aber noch mit der Möglichkeit rechnet, dass das Gottesvolk insgesamt vor dem Weltgericht gerettet werden und am Heil (vgl. Jes 60– 62) teilhaben kann, wohingegen die Völker (dann doch) insgesamt vernichtet werden (63,1–6; vgl. 59,18; 60,12; *61,2). Anders als 56,9–59,21 und 63,1–6 hebt sich dann 63,7/65,1–66,24 mit 56,1– 8 sachlich von Jes 34,16f. ab.54 Vermutlich hat man es dabei mit einer letzten 54 Zur redaktionsgeschichtlichen Entwicklung in Jes 56–66 s. o. Anm. 30; speziell zur letzten Phase der Fortschreibung in Jes vgl. etwa J. GÄRTNER, Jesaja 66 und Sacharja 14 als Summe der Prophetie. Eine traditions- und redaktionsgeschichtliche Untersuchung zum Abschluss des Jesaja- und des Zwölfprophetenbuches, WMANT 114, Neukirchen-Vluyn 2006;

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Phase der Fortschreibung des Jesaja-Buchs zu tun, die jünger ist als 34,16f. Setzt 34,16f. noch ein umfassendes Völkergericht voraus (34,1–15), besteht gemäß 56,1–8 und 63,7/65,1–66,24 auch für die Völker die Möglichkeit, Jhwh zu dienen; es wird eine – mehr oder weniger – endgültige Scheidung zwischen Frommen und Frevlern erwartet, die indes nicht nur quer durch die Völker, sondern auch quer durch das Gottesvolk verläuft, und das Heilsland könnte auf Juda und Jerusalem begrenzt sein.55Auf diese theologische Weiterführung, die auf definitivere Abgrenzungen zielt, sei hier auch darum noch verwiesen, weil sie vielleicht ein indirektes Licht auf die Schrift Jhwhs von 34,16f. wirft. In 65,6a wird wahrscheinlich auf ein himmlisches Buch Jhwhs angespielt, in dem die Sünden von Frevlern aus dem Gottesvolk aufgeschrieben sind56 – Sünden, die Jhwh dann konsequent vergelten wird (V.6b.7). Jes 65,6f. 6 Sieh, es ist aufgeschrieben vor mir, ich werde nicht schweigen, bis ich es vergolten habe! Und ich werde es vergelten in ihren Gewandbausch: 7 eure Verschuldungen zusammen mit den Verschuldungen eurer Väter, spricht Jhwh, die auf den Bergen geräuchert haben und mich auf den Hügeln geschmäht haben. Und ich werde ihren Lohn zumessen zuerst in ihren Gewandbausch.

Man kann vermuten, dass von solch einem himmlischen Register Jhwhs im Jesaja-Buch nicht zufällig im Rahmen der Fortschreibungsphase Jes 63,7/65,1– 66,24 die Rede ist, wo die definitive Scheidung zumindest im Blick ist, während die Schrift Jhwhs als irdisches Jesaja-Buch im Umfang von Jes *1–63,6 noch mit der Möglichkeit einer Rettung des ganzen Gottesvolks rechnet. Steht die himmlische Sphäre in diesem Fall für eine größere Verbindlichkeit des V. HAARMANN, JHWH-Verehrer der Völker. Die Hinwendung von Nichtisraeliten zum Gott Israels in alttestamentlichen Überlieferungen, AThANT 91, Zürich 2008, 206–246; A. SCHÜLE, Eine Tora für Fremde und Eunuchen. Jesaja 56,1–8 als prophetische Gesetzgebung, in: H. Jenni/M. Saur (Hg.), Nächstenliebe und Gottesfurcht. Beiträge aus alttestamentlicher, semitistischer und altorientalistischer Wissenschaft für Hans-Peter Mathys zum 65. Geburtstag, AOAT 439, Münster 2016, 435–450. 55 Vgl. Jes 65,8–10.18f.; 66,8–13.20; dazu O.H. STECK, Der Abschluss der Prophetie im Alten Testament. Ein Versuch zur Frage der Vorgeschichte des Kanons, BThSt 17, Neukirchen-Vluyn 1991, 30; LAU, Prophetie (s. Anm. 37), 194–197; SCHMID, Weltgericht (s. Anm. 10), 426, auch 428. Wenn das zutrifft, wird hier eine Landvorstellung greifbar, die von der Stigmatisierung Edoms nicht mehr direkt tangiert wird und deren Gründe – die Öffnung hin zu den Völkern? – eigens zu prüfen wären; s. auch im Folgenden. 56 Dass die Sünden „aufgeschrieben sind vor mir [sc. Jhwh]“ (‫)כתובה לפני‬, ist ein deutliches Indiz für ein himmlisches bzw. göttliches (Register-)Buch, s. PAUL, Isaiah 40–66 (s. Anm. 46), 596; KOENEN, Ethik (s. Anm. 31), 163 mit Anm. 31; anders LAU, Prophetie (s. Anm. 37), 190; BERGES, Jesaja (s. Anm. 5), 500.

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Ergehens?57 Jedenfalls dürfte im Kontext des vorliegenden Jesaja-Buchs das himmlische Buch Jhwhs auch die Funktion haben, die Stringenz der (nun um 63,7–66,24 erweiterten) irdischen Schrift Jhwhs zu garantieren. Das JesajaBuch und damit die Schriftprophetie gründet demgemäß in mehr als einer Hinsicht in den Schriften Jhwhs.58 Der Text 34,16f. im Gefolge von 63,1–6 lässt keine Zweifel daran, dass die dauerhafte Bewohnung des verwüsteten Edoms durch die nichtmenschlichen Wesen und die Umkehrung der Reihenfolge von Heimkehr der Diaspora und Völkergericht in Jhwh selbst ihren Grund hat. Es versteht sich jedoch von selbst, dass außertextliche Anhalte für 63,1–6 und 34,16f. damit nicht ausgeschlossen sind. Trotz allen dabei gegebenen Unwägbarkeiten59 ist wenigstens zu fragen, ob bestimmte geschichtliche Konstellationen mit dazu geführt haben könnten, das blutige Völkergericht in Edom als letzten Akt nach der Heimkehr der Diaspora (62,10–12) in 63,1–6, vermutlich am damaligen Schluss des Jesaja-Buchs, dergestalt hervorzuheben. Und es ist zu fragen, ob 34,16f. einfach der sachlichen Stimmigkeit des Jesaja-Buchs bzw. der Schrift Jhwhs geschuldet ist (und darum auf der Gültigkeit von 34,1–15 besteht) oder ob die Betonung der immer währenden Verwüstung Edoms ebenfalls außertextlich mitveranlasst sein könnte. Ich versuche, einige untereinander verknüpfte Hinweise zu geben und gehe dabei einerseits von der relativen Chronologie der letzten Fortschreibungsphasen von Jes aus, wie ich sie hier voraussetze und wie sie sich mir bestätigt hat, andererseits von einer Datierung dieser Fortschreibungsphasen in die hellenistische Zeit als der bei weitem wahrscheinlichsten Option. Es fällt auf, dass in Jes mit Jes 34 und dann mit 63,1–6 zweimal ein Gericht gegen die Völker in Edom thematisiert wird, was im Kontext der Vorstellung eines Völkeransturms gegen Jerusalem zu verstehen sein dürfte.60 Diesem Völkeransturm wird Jhwh – in Edom – ein vernichtendes Ende setzen und zwar im Rahmen eines finalen kosmischen Gerichts, in dem das Gottesvolk, zweifels57

Einträge in himmlische Bücher sind verbindlich, aber nicht (in jedem Fall) endgültig, vgl. Ex 32,32f.; Ps 69,29; Neh 13,14. – Schwierig zu beurteilen ist Jes 4,3, wo in Bezug auf jenen Tag demjenigen, der zum Rest gehört in Zion und der übrig ist in Jerusalem, Heiligkeit zugesprochen wird, „allen, die zum Leben aufgeschrieben sind in Jerusalem“ (‫לחיים בירושלם‬ ‫)כל הכתוב‬. Vielleicht signalisiert das V.3b einleitende „allen“ (‫ )כל‬noch eine gewisse Offenheit in Bezug auf die Zugehörigkeit zum heiligen Rest – offenbar diejenigen, die im Gefolge Jesajas (6,3.5ff.) das Verstockungsgericht überleben (6,13bβ) und gereinigt sein werden. Da außerdem mit dem in Jerusalem lokalisierten Schriftstück ursprünglich kaum ein verbindliches himmlisches Buch gemeint ist (wie dann in 65,6), sondern eher eine Art Bürgerliste des künftigen Jerusalem (vgl. BERGES, Jesaja [s. Anm. 5], 85f.), könnte 4,2–6 der Ergänzung 34,16f. schon vorgelegen haben. 58 Vgl. BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 254f. 59 Zur Diskussion vgl. SCHMID, Weltgericht (s. Anm. 10), 417–419. 60 Vgl. O.H. STECK, Der Grundtext in Jesaja 60 und sein Aufbau, in: Ders., Studien (s. Anm. 30), 49–79 (57f.). Der verhinderte „Völkeransturm“ gegen Jerusalem ist durchaus Thema im Nahkontext von Jes 34: vgl. Jes 36f., auch Jes 33.

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ohne in Jerusalem, gerettet zu werden erwartet (26,20f). Weiter fällt auf, dass im jüngeren Volksklagelied 63,7–64,11 dann aber von der Verwüstung des Tempels und Jerusalems die Rede ist (63,18; 64,9f.).61 Diese profilierten Aussagen bezüglich Jerusalems ergeben Sinn im Zusammenhang mit den beiden Eroberungen Jerusalems durch Ptolemaios I. wohl 301 v.Chr. und durch den ptolemäischen Feldherrn Skopas 200 v.Chr.62 34,2–4 (im Rahmen von 34,1– 15) und etwa Jes *24–27 mit den Weltgerichts- und Diasporaaussagen sowie weitere verwandte Texte in Jes wären im Zeitraum nach 315/12 v.Chr. (3. Diadochenkrieg, Diadochenfrieden 311 v.Chr.)63 zu datieren. Die Fortschreibungen dieser Phase dürften vor und v.a. nach 301 v.Chr. entstanden sein und spiegelten entsprechend Befürchtungen vor einem solchen „Völkeransturm“, versuchten aber auch insbesondere, die ungeheuerliche Eroberung Jerusalems im Hinblick auf das noch ausstehende Weltgericht zu verarbeiten. 63,1–6 und damit 56,9–59,21 und auch 34,16f. würden dann in die Zeit vor die Eroberung Jerusalems durch Skopas um 200 v.Chr. fallen, vielleicht in die Zeit des 4. Syrischen Kriegs (221–217 v.Chr.) oder kurz danach.64 Man hat offenbar wiederum Anzeichen eines drohenden Völkeransturms wahrgenommen, der Fokus lag dieses Mal aber auf den zu beseitigenden Heilshindernissen im Gottesvolk. 63,7–64,11 mit der Klage über die Verwüstungen hingegen scheint dann deutlich auf die zweite Eroberung Jerusalems 200 v.Chr. (gedeutet im Licht von 587 v.Chr.) und die damit verbundenen Zerstörungen zu reagieren. Zu diesen Verortungen fügt sich die Sicht der Völker in den späten Fortschreibungen von Jes. Zunächst sind sie Objekt des Gerichts Jhwhs (bes. Jes 13,5/9–13; *24–27; 34,2–4; 63,1–6), wobei offenbar auch mit einem zeitweiligen Gerichtswerkzeug aus den Völkern gerechnet wird (13,4f; 24,16b; 34,2.4; 63,3aα); dann aber kommt die Vorstellung auf, dass es auch Gerettete aus den Völkern geben wird (Jes 56,1–8; 65f.; vgl. 59,19a). Wahrscheinlich hat man nach dem Zusammenbruch des Perserreichs die Völker – namentlich die Dia61

Vgl. J. GOLDENSTEIN, Das Gebet der Gottesknechte. Jesaja 63,7–64,11 im Jesajabuch, WMANT 92, Neukirchen-Vluyn 2001, 101–105.140–146. 62 Vgl. P. SCHÄFER, Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung, Stuttgart u.a. 1983, 26f.41; M. HENGEL, The political and social history of Palestine from Alexander to Antiochus III (333–187 B.C.E.), in: W.D. Davies/L. Finkelstein (Hg.), The Cambridge History of Judaism, Vol. 2: The Hellenistic Age, Cambridge u.a. 1989, 35–78 (50f.71); G. HÖLBL, Geschichte des Ptolemäerreiches. Politik, Ideologie und religiöse Kultur von Alexander dem Grossen bis zur römischen Eroberung, Darmstadt 1994, 121; O. KEEL, Die Geschichte Jerusalems und die Entstehung des Monotheismus, Teil 2, OLB IV,1, Göttingen 2007, 1140.1158; M. SASSE, Geschichte Israels in der Zeit des Zweiten Tempels. Historische Ereignisse – Archäologie – Sozialgeschichte – Religions- und Geistesgeschichte, Neukirchen-Vluyn 22009, 99f.127f. 63 Vgl. SASSE, Geschichte (s. Anm. 62), 96–98. 64 Vgl. SCHÄFER, Geschichte (s. Anm. 62), 38f.; SASSE, Geschichte (s. Anm. 62), 115.122–126; KEEL, Geschichte (s. Anm. 62), 1158. Zum Besuch von Polemaios IV. in Jerusalem vgl. 3Makk 1,8–2,24.

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dochenreiche – als massa perditionis verstanden, dabei indes über längere Zeit unter dem Druck der ptolemäischen Besatzung und Eroberungen die Gegner Antigonos und Demetrios bzw. dann die Seleukiden in der begrenzten Funktion des Gerichtswerkzeugs gesehen – immerhin hat Seleukos 312 v.Chr. Babylon erobert (vgl. Jes 13f.).65 Unter dem Einfluss der proseleukischen Partei in Jerusalem und insbesondere unter dem positiven Eindruck, den Antigonos III. nach seinem bejubelten Einzug in Jerusalem 200/198 v.Chr. mit seinen projüdischen Erlassen – speziell zugunsten Jerusalems und des Tempels – (zunächst) gemacht hat,66 könnte man schließlich zu einer Öffnung zugunsten der Völker gefunden haben. Auch Edom passt in diese geschichtliche Szenerie. Dass das Völkergericht im Jesaja-Buch in Edom lokalisiert ist,67 ist zwar auch innertextlich begründet: Der Spruch gegen den Erzfeind68 als letztes Gerichtslogion im Ersten Jesaja (34,1.5–15), eingeleitet mit einem Aufruf an die Völker herzukommen (V.1), eignet sich ausgezeichnet für eine entsprechende Erweiterung (V.2–4), was sich dann auch am mutmaßlichen damaligen Buchende (63,1–6) niederschlägt. Es ist aber immerhin zu beachten, dass im Vorfeld der genannten Eroberungen Jerusalems „die Edomiter“ bzw. ihre Nachfahren im alten edomitischen Stammland, die Nabatäer69, politisch in einer Weise auf sich aufmerksam gemacht haben, die man als Widerstand gegen den Völkergerichtsbeschluss Jhwhs hat deuten können. 312/11 v.Chr. sind die Nabatäer ins Licht der Geschichte getreten, indem sie Feldzüge von Athenaios, einem General von Antigonos, und von Demetrios abgewehrt haben, die es wohl auf die Kontrolle des Karawanenhandels und auf den Bitumenabbau am Toten Meer abgesehen

65 Vgl. SCHÄFER, Geschichte (s. Anm. 62), 24–41, bes. 25; HENGEL, History (s. Anm. 62), 45–72, bes. 47; HÖLBL, Geschichte (s. Anm. 62), bes. 19; SASSE, Geschichte (s. Anm. 62), 95–107, bes. 97. – Zur Vorstellung eines Gerichtswerkzeugs aus den Völkern, das schließlich selbst gerichtet wird, vgl. aus hellenistischer Zeit auch Sach 9,1–15, dazu BOSSHARD-NEPUSTIL, Schriftwerdung (s. Anm. 3), 134f. 66 Vgl. SCHÄFER, Geschichte (s. Anm. 62), 39–41.44–48; HENGEL, History (s. Anm. 62), 68–74; SASSE, Geschichte (s. Anm. 62), 128–135. 67 Die Lokalisierung des Völkergerichts kann im Alten Testament variieren: gemäß Joel 4,12–16 findet es im Tal Josafat statt, gemäß Sach 12 in Jerusalem. 68 Vgl. zum Thema A. KLEIN, Schriftauslegung im Ezechielbuch. Redaktionsgeschichtliche Untersuchungen zu Ez 34–39, BZAW 391, Berlin u.a. 2008, 322f. 69 Der Kern des im 4. Jh. v.Chr. entstehenden nabatäischen Gemeinwesens lag im alten edomitischen Stammland (Zentrum Petra); s. E.A. KNAUF, Edomiter, NBL I (1991), 468– 471 (470); DERS., Idumäa (s. Anm. 11), 213; DERS., Die Herkunft der Nabatäer, in: H.M. Niemann/K. Schmid/S. Schroer (Hg.), Data and Debates. Essays in the History and Culture of Israel and Its Neighbors in Antiquity (FS E.A. Knauf), AOAT 407, Münster 2013, 9–24 (19–21); R. WENNING, The Nabataeans in History, in: K.D. Politis (Hg.), The World of the Nabataeans. Volume 2 of the International Conference The World of the Herods and the Nabataeans held at the British Museum, 17–19 April 2001, Stuttgart 2007, 25–44 (25–27).

„Forscht nach in der Schrift Jhwhs und lest“

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hatten.70 Und als Antiochus III. im Rahmen des 4. Syrischen Kriegs 218/7 v.Chr. eine ostjordanische Expedition – vielleicht mit dem Ziel der Kontaktaufnahme mit den Nabatäern – unternahm, unterstützten ihn „Araber“ (Nabatäer?) u.a. erfolgreich bei der Eroberung der ptolemäischen Stadt Philadelphia (Rabbat Ammon) in der durch die Ptolemäer kontrollierten Ammanitis; Philadelphia hatte mit den proptolemäischen Tobiaden Nabatäer an einer Expansion gegen Norden gehindert, was nun aufgehoben wurde.71 Haben Antigonos und Demetrios (vgl. 34,2–4) bzw. Antiochus III. (vgl. 63,1–6; 34,16f.) aus der Sicht der Jesaja-Tradenten auf unterschiedliche Weise ihre Aufgabe als Gerichtswerkzeug im Hinblick auf die Nabatäer (Araber) nicht erfüllt? Jedenfalls könnten die Nabatäer, die in diesen geschichtlichen Zusammenhängen ins Fadenkreuz der Jesaja-Tradenten gerückt sein dürften, das Ihre dazu beigetragen haben, dass man das Völkergericht im Gebiet Edoms lokalisiert (34,2–4), dass man diese Lokalisierung beibehalten (63,1–6) und dass man auf einer immer währenden Verwüstung Edoms beharrt hat (34,16f.).72 Mit hinreichend konzisen Fragen nach dem geschichtlichen Kontext der späten Fortschreibungsphasen in Jes scheint man also (nach wie vor) nicht einfach ins Leere zu greifen. Wenn meine Vermutungen einigermaßen zutreffen, dann ist 34,16f. (und 63,1–6), im literaturgeschichtlichen Zusammenhang dieser Fortschreibungen betrachtet, vor dem Hintergrund der geschichtlichen Ereignisse gegen Ende des 3. Jh. v.Chr. tatsächlich weiter zu erhellen. Die literarisch-theologische Reaktion auf diese Ereignisse ist im Fall von 34,16f. scheinbar marginal ausgefallen. Die ausführliche exegetische und 70 Vgl. F. ALTHEIM/R. STIEHL, Die Araber in der alten Welt. 1. Band: Bis zum Beginn der Kaiserzeit, Berlin 1964, 31–34; U. HACKL/H. JENNI/C. SCHNEIDER, Quellen zur Geschichte der Nabatäer. Textsammlung mit Übersetzung und Kommentar, NTOA 51, Freiburg u.a., 2003, 36f.; WENNING, Nabataeans (s. Anm. 69), 28f.; SASSE, Geschichte (s. Anm. 62), 98. 71 Vgl. ALTHEIM/STIEHL, Araber (s. Anm. 70), 73f.289; HENGEL, History (s. Anm. 62), 65f.; R. WENNING, Die Dekapolis und die Nabatäer, ZDPV 110 (1994), 1–35 (3); SASSE, Geschichte (s. Anm. 62), 124f.; auch A. KASHER, Jews, Idumaeans, and Ancient Arabs. Relations of the Jews in Eretz-Israel with the Nations of the Frontier and the Desert during the Hellenistic and Roman Era (332 BCE – 70 CE), TSAJ 18, Tübingen 1988, 18; U. HÜBNER, Die Ammoniter. Untersuchungen zur Geschichte, Kultur und Religion eines transjordanischen Volkes im 1. Jahrtausend v.Chr, ADPV 16, Wiesbaden 1992, 222f. – Ob die Araber, die Antiochus III. unterstützt haben, tatsächlich Nabatäer gewesen sind, ist schwierig zu entscheiden. Aus der Sicht des Alten Testaments dürfte die Frage von untergeordneter Bedeutung gewesen sein, zumal die Nabatäer so oder so profitiert haben. 72 Was eine (mögliche) Begrenzung des Heilslandes auf Juda und Jerusalem in der jüngsten Fortschreibungsphase von Jes (vgl. 65,8–10.18f.; 66,8–13.20) betrifft, so ist nicht ausgeschlossen, dass sie mit den Erlassen von Antiochus III. nach seinem Einzug in Jerusalem 200/198 v.Chr. in einem Zusammenhang steht: Privilegien v.a. zugunsten des Tempels und Jerusalems, aber auch zugunsten der Mitglieder des „Volks“, was sich wohl nur auf die Ethnie Judäa bezieht; vgl. SCHÄFER, Geschichte (s. Anm. 62), 45–47; SASSE, Geschichte (s. Anm. 62), 133; anders HENGEL, History (s. Anm. 62), 73f.

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historische Detailarbeit sollte hier aber gezeigt haben, dass 34,16f., dem exotischen Thema und dem geringen Umfang des Abschnitts zum Trotz, Entscheidendes zum Ausdruck bringt: dass es wieder möglich ist, das Jesaja-Buch zu erforschen, das in seiner Zugänglichkeit und Stimmigkeit als Schrift des Autors Jhwh erkannt ist, und dass diese Erforschung des Buchs eine Annäherung an Jhwh und damit die Rettung im bevorstehenden Weltgericht erbringen soll.

Torah and Higher Revelation in the Jewish Apocalypses John J. Collins The first great cluster of Jewish apocalypses, in the names of Enoch and Daniel, was composed in the first half of the second century BCE. They respond, in one way or another, to the spread of Hellenistic culture in the Near East, and in several cases to the crisis that befell Jerusalem in the reign of Antiochus Epiphanes, which led to the Maccabean revolt. Apocalyptic literature was not necessarily always a response to crisis, but this was often the case. (Another great cluster of apocalypses dates to the decades after the destruction of Jerusalem). In earlier times, the role of responding to crisis had fallen to prophets. Much of the prophetic corpus in the Hebrew Bible originated in time of either the Assyrian or Babylonian invasions. On those occasions, Isaiah and Jeremiah had walked the streets of Jerusalem enunciating the word of the Lord. Many scholars would argue that the authors of Enoch and Daniel were prophets too.1 Daniel was regarded as a prophet in the Dead Sea Scrolls, in the Florilegium (4Q174) and Melchizedek Scroll,2 and in Josephus (Ant 10.11.7). Enoch is a prophet in the Ethiopian tradition. Nonetheless, this was prophecy in a new key.3 The apocalyptic authors did not proclaim their oracles on the streets, or speak either in their own names or in the name of the Lord. If they wanted their revelations to be taken seriously by their contemporaries, they had to devise new ways to establish their authority.

1

John Barton, Oracles of God, Perceptions of Ancient Prophecy in Israel after the Exile (Oxford and New York: Oxford University Press, 1986), 200; Ronald Hendel, “Isaiah and the Transition from Prophecy to Apocalyptic,” in Birkat Shalom. Studies in the Bible, Ancient Near Eastern Literature and Postbiblical Judaism Presented to Shalom M. Paul on the Occasion of His Seventieth Birthday, ed. Chaim Cohen et al., (Winona Lake, IN: Eisenbrauns, 2008), 261–79; Hindy Najman, “The Inheritance of Prophecy in Apocalypse,” in The Oxford Handbook of Apocalyptic Literature, ed. John J. Collins (New York: Oxford, 2014), chapter 3. 2 See my essay, “The Book of Daniel and the Dead Sea Scrolls,” in my book, Scriptures and Sectarianism, WUNT 333 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2014), 102–15, especially 103–4. 3 See my essay, “Apocalypticism and the Transformation of Prophecy in the Second Temple Period,” in my book, Apocalypse, Prophecy, and Pseudepigraphy. Essays on Jewish Apocalyptic Literature (Grand Rapids: Eerdmans, 2015), chapter 4.

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1. Had prophecy ended? According to Jewish tradition, prophecy had ended with the prophet Malachi. The Tosefta (Sotah 13.4) states that “once the last prophets, Haggai, Zechariah, and Malachi, died, the prophetic spirit ceased in Israel.” Similarly the Babylonian Talmud (Baba Bathra 14b) declares that “Haggai, Zechariah and Malachi were the end of the prophets.” Already Josephus, in the Contra Apionem 1.41, says that books written after the time of Artaxerxes were not accorded the same status as the older scriptures because there was no long the exact succession of the prophets. Whether prophecy actually ceased in the Persian period is disputed.4 The phenomenon of prophecy, i.e. of individuals making oracular utterances which they claimed were inspired, is well attested around the turn of the era, in such figures as John the Baptist and the eschatological prophets mentioned by Josephus.5 Whether this phenomenon had died out in the interim is difficult to say. At the least, it would seem that such figures were not taken seriously as mediators of divine revelation in the Hellenistic period. It may be argued that prophecy took on new forms in the late Second Temple period,6 including inspired exegesis, but this only underlines the fact that the old prophetic claim to authority by proclaiming the word of the Lord was no longer viable. One factor that has often been mentioned in this connection is the increasing hegemony of the Torah of Moses in the Second Temple period.7 According to Deuteronomy 18, a prophet should be a prophet like Moses. The criterion offered for the recognition of true and false prophecy is simply fulfillment: “If a prophet speaks in the name of the Lord, but the thing does not take place or prove true, it is a word that the Lord has not spoken” (Deut 18:22). But the comparison with Moses also implies that the words of the prophet must be 4 For the opposing views see Frederick Greenspahn, “Why Prophecy Ceased?” JBL 108 (1989), 37–49, and Benjamin Sommer, “Did Prophecy Cease? Re-evaluating a Re-evaluation,” JBL 115 (1996), 31–47. 5 David Aune, Prophecy in Early Christianity and the Ancient Mediterranean World (Grand Rapids: Eerdmans, 1983), 103–52. 6 Alex P. Jassen, Mediating the Divine. Prophecy and Revelation in the Dead Sea Scrolls and Second Temple Judaism, STDJ 68 (Leiden: Brill, 2007); idem, “Prophecy after the Prophets: The Dead Sea Scrolls and the History of Prophecy in Judaism,” in The Dead Sea Scrolls in Context. Integrating the Dead Sea Scrolls in the Study of Ancient Texts, Languages, and Cultures, ed. Armin Lange, Emanuel Tov, and Matthias Weigold, in association with Bennie H. Reynolds III, VTSup 140, 2 vols. (Leiden: Brill, 2011), 2.577–93; George J. Brooke, “Prophecy and Prophets in the Dead Sea Scrolls: Looking Backwards and Forwards,” in Prophets, Prophecy, and Prophetic Texts, in Second Temple Judaism, ed. Michael Floyd and Robert D. Haak, LHB 427 (New York and London: T&T Clark, 2006), 151–65. 7 See the classic statement of Julius Wellhausen, Prolegomena zur Geschichte Israels (6th ed.; Berlin: de Gruyter, 1927, reprint 1981), 401–3; Rudolf Meyer, “Prophecy and Prophets in the Judaism of the Hellenistic-Roman Period,” TDNT 6.816.

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measured against the book of the Law. In the later Second Temple period, beginning with the Dead Sea Scrolls, the interpretation of the Law is itself construed as a prophetic activity.8

2. Pseudonymity Neither Enoch nor Daniel, however, is at all engaged in the interpretation of the Law. Nonetheless, neither is presented in the name of the actual author. The fact these authors did not write in their own names surely bespeaks a decline in the prestige of prophecy, if not its demise.9 For centuries before these books were written, oracles had been appended anonymously to the books of the older prophets. Only a fraction of the oracles that appear in the books of Isaiah or Jeremiah can be attributed to those prophets. But anonymous accretion is a different phenomenon from pseudonymity. The latter phenomenon posits a new and distinct persona. Neither Enoch nor Daniel was a known prophet before the apocalyptic books were attributed to them. Pseudepigraphy was widely practiced in antiquity.10 It served various purposes, one of which was surely to lend authority to the new composition. Hindy Najman writes that “by extending a discourse attached to a founder of an earlier period, writers in the late Second Temple period and even after the destruction of the Second Temple are able to authorize and link their new texts to old established traditions and founders.”11 In this way they could recover “an idealized past, that in the minds of the later writers, was full of divine access, prophecy and political independence.”12 She suggests, moreover, that “to attribute a text to a great figure of the past is to take that figure as a guide on the path of desire.”13 It reflects a desire not only to imitate (to be like) the pseudonymous 8

Jassen, Mediating the Divine (see n. 6), 331–42. See Sommer, “Did Prophecy Cease” (see n. 4), 43. 10 See the wide-ranging collection of essays in Jörg Frey, Jens Herzer, Martina Janssen, and Clare K. Rothschild, with Michaela Engelmann, eds., Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen, WUNT 246 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2009). For an interesting cross-cultural comparison, see Vicente Dobroruka, Second Temple Pseudepigraphy. A Cross-Cultural Comparison of Apocalyptic Texts and Related Jewish Literature, Ekstasis 4 (Berlin: de Gruyter, 2014). 11 Hindy Najman, “How Should We Contextualize Pseudepigrapha? Imitation and Emulation in 4 Ezra,” in eadem, Past Renewals. Interpretative Authority, Renewed Revelation and the Quest for Perfection in Jewish Antiquity, JSJSup 53 (Leiden: Brill, 2010), 235–43 (238) (Previously published in Flores Florentino: Dead Sea Scrolls and Other Early Jewish Studies in Honor of Florentino García Martínez, ed. Anthony Hilhorst, Émile Puech and Eibert J. C. Tigchelaar, JSJSup 122 [Leiden: Brill, 2007], 529–36). 12 Ibid. 13 Hindy Najman, “The Quest for Perfection in Ancient Judaism,” in eadem, Past Renewals (see. n. 11), 219–34 (230) (originally published as “La Recherche de la Perfection dans 9

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hero, but to emulate him (actually be the figure in question). Pseudepigraphy, on this account, effects “a metaphorical identification, pregnant with indeterminate implications.”14 This explanation of pseudepigraphy can be applied more easily in the case of Enoch than in that of Daniel, but it has heuristic value in the latter case too.

3. Enoch It is not difficult to see why someone would look to Enoch as a source of revelation. His entire biography in the Bible is limited to a few sentences, but they are indeed “pregnant with indeterminate implications.” Born in the seventh generation, he was son of Jared and father of Methuselah. Crucially, for the later tradition, he was said to “walk with elohim” after the birth of Methuselah for three hundred years. Then he was no more, because God took him” (Gen 5:22–24). Whatever this elliptic statement may have meant in Genesis, in the Hellenistic period it was understood to mean that he had ascended to heaven and associated with the angels, and that at the end of his earthly life he had not died, but been taken up to heaven by God.15 The story of Enoch as we find it in the Book of the Watchers (1 Enoch 1– 36) is based very loosely on Genesis. Enoch is situated a little later than was the case in Genesis. He now appears after the descent of the Watchers (the “sons of God” of Genesis 6). These, in turn, are now located in the days of Jared, in the fifth generation (Gen 5:18–20). These Watchers provide the occasion for Enoch’s first ascent to heaven, when they ask him to intercede for them. This episode has no parallel in Genesis. Enoch is a suitable choice for the role of apocalyptic revealer for two reasons. First, he has been to heaven, and is therefore in a position to know the mysteries of the cosmos, and also the tablets of destiny on which all of history is recorded. Second, he eventually is taken up to heaven permanently, to live with the angels, and thereby becomes a model for the righteous. In this sense, one can speak of emulating Enoch. The motif of emulation, whereby the earthly

le Judaïsm Ancien,” in Les Élites dans le Monde Biblique, ed. Jean Riaud, Bibliothèque d’Études Juives (Paris: Champion, 2006), 99–116. 14 Najman, “How Should We Contextualize?” (see n. 11), 240. 15 On the figure of Enoch, and its Mesopotamian associations, see James C. VanderKam, Enoch and the Growth of an Apocalyptic Tradition, CBQMS 16 (Washington, D.C.: Catholic Biblical Association of America, 1984), 33–51; idem, Enoch: A Man for All Generations (Columbia, SC: University of South Carolina Press, 1995), 6–8; John Day, “The Enochs of Genesis 4 and 5 and the Emergence of the Apocalyptic Enoch Tradition,” in Sibyls, Scriptures, and Scrolls. John Collins at Seventy, ed. Joel Baden, Hindy Najman, and Eibert J. C. Tigchelaar, JSJSup 175 (Leiden: Brill, 2016), 293–313.

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righteous become like Enoch and share his destiny, is very explicit in the Similitudes of Enoch, which probably date to the early first century CE.

4. Enoch and the Law of Moses But what does the choice of Enoch as pseudonym say about the authority of the Torah of Moses?16 Enoch was older than Moses, but his revelation also differed from that of Moses in kind. According to Moses, in Deuteronomy, God’s revelation “is not in heaven, that you should say, ‘who will go up to heaven for us, and get it for us so that we may hear it and observe it?’” (Deut 30:11). In contrast, the essential presupposition of the Enoch literature is that the revelation necessary for salvation is in heaven, and that humanity does need someone who has gone up to heaven to reveal it. Enoch was such a person. The early Enoch literature is not necessarily anti-Mosaic: it simply approaches revelation differently from the Mosaic Torah.17 It is not based on the idea of a “covenant” between God and Israel.18 There is some rapprochement with the Mosaic tradition in later Enochic books such as the Animal Apocalypse,19 but the fundamental orientation of the Enoch literature is toward heavenly revelation, not toward a Torah that was already revealed. Scholarship has been divided as to whether the Enoch literature avoids overt reference to Moses simply because that would be anachronistic, and whether the Torah is nonetheless presupposed.20 The division of opinion is most acute in the case of the early Enochic Book of the Watchers (1 Enoch 1–36). At the core of this book is the story of the fallen angels, in 1 Enoch 6–11. This is usually regarded as an extrapolation from the story of the sons of God 16

For a fuller treatment of the following see my book, The Invention of Judaism. Torah and Jewish Identity from Deuteronomy to Paul (Oakland, CA: University of California, 2017), chapter 6. 17 See my essay, “How Distinctive was Enochic Judaism?” in Meghillot V–VI. A Festschrift for Devorah Dimant, ed. Moshe Bar-Asher and Emanuel Tov (Jerusalem: Bialik, 2007), 17–34. 18 George W. E. Nickelsburg, “Enochic Wisdom: An Alternative to the Mosaic Torah?” in Hesed Ve-Emet: Studies in Honor of Ernest S. Frerichs, ed. Jodi Magness and Seymour Gitin, BJS 320 (Atlanta: Scholars Press, 1998), 123–32, especially 129; idem, “Enochic Wisdom and its Relationship to the Mosaic Torah,” in The Early Enoch Literature, ed. Gabriele Boccaccini and John J. Collins, JSJSup 121 (Leiden: Brill, 2007), 81–94. 19 Andreas Bedenbender, Der Gott der Welt tritt auf den Sinai. Entstehung, Entwicklung und Funktionsweise der frühjüdischen Apokalyptik, ANTZ 8 (Berlin: Institut Kirche und Judentum, 2000), 208–30; idem, “The Place of the Torah in the Early Enoch Literature,” in The Early Enoch Literature, ed. Gabriele Boccaccini and John J. Collins (see n. 18), 65–79. 20 See the review of the debate by Kelley Coblentz Bautch, A Study of the Geography of 1 Enoch 17–19. ‘No One Has Seen what I Have Seen,’” JSJSup 81 (Leiden: Brill, 2003), 289–99.

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in Genesis 6,21 although J. T. Milik famously argued that the Enochic story was older than the variant in Genesis.22 The account of Enoch’s ascent to heaven has various points of contact with prophetic traditions.23 In his subsequent tour with an angelic guide he is shown a holy mountain in the center of the earth, which is evidently Mt. Zion, and beside it a cursed valley, presumably Ge Hinnom or Gehenna.24 He also sees the Garden of Righteousness, and the tree of wisdom, from which your father of old and your mother of old, who were before you, ate and learned wisdom. And their eyes were opened, and they knew that they were naked, and they were driven from the garden (1 Enoch 32:6).

Moreover, the opening chapters of the Book of the Watchers are a virtual tissue of biblical allusions, and Lars Hartman has argued that they find their referential background in covenant renewal ceremonies and that the entire passage must be understood in a covenantal context.25 It is widely recognized that the story of the Watchers weaves together two distinct strands, in one of which Shemihazah is the leader of the fallen angels, while in the other the leader is Asael.26 Helge Kvanvig has argued that Genesis 6 depends on the Shemihazah story, but that the Book of the Watchers as we have it presupposes the Priestly source in Genesis.27 Even if this is accepted, however, it only affirms the priority of a few verses in 1 Enoch (6:1–2; 7:1–2). Much of the Book of the Watchers clearly depends on what we know as the biblical text. This is not to say, however, that it is exegetical in intent or that it presupposes the authority of the Mosaic Torah. James Kugel, who more than any other scholar has made the case for the exegetical character of the 21 See James C. VanderKam, “The Interpretation of Genesis in 1 Enoch,” in The Bible at Qumran. Text, Shape, and Interpretation, ed. Peter W. Flint (Grand Rapids: Eerdmans, 2001), 129–48; idem, “Biblical Interpretation in 1 Enoch and Jubilees,” in The Pseudepigrapha and Early Biblical Interpretation, ed. James H. Charlesworth and Craig A. Evans, JSPSup 14 (Sheffield: Sheffield Academic Press, 1993), 96–125; Philip S. Alexander, “The Enochic Literature and the Bible: Intertextuality and its Implications,” in The Bible as Book. The Hebrew Bible and the Judaean Desert Discoveries, ed. Edward D. Herbert and Emanuel Tov (London: The British Library and Oak Knoll Press, in association with The Scriptorium: Center for Christian Antiquities, 2002), 57–69. 22 Jόzef T. Milik, The Books of Enoch: Aramaic Fragments from Qumrân Cave Four (Oxford: Clarendon, 1976), 31. George W. E. Nickelsburg, 1 Enoch 1: A Commentary on the Book of 1 Enoch, Chapters 1–36, 81–108, Hermeneia (Minneapolis: Fortress Press, 2001), 176–7, shows that the Enochic text follows Genesis 6 quite closely. 23 Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 22), 30. 24 1 Enoch 26–27; Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 22), 317–9. 25 Lars Hartman, Asking for a Meaning. A Study of 1Enoch 1-5, CB NT series 12 (Lund: Gleerup, 1979). 26 Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 22), 165. 27 Helge S. Kvanvig, Primeval History: Babylonian, Biblical, and Enochic. An Intertextual Reading, JSJSup 149 (Leiden: Brill, 2011), 519–20.

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Pseudepigrapha, grants that 1 Enoch may well have passed on traditions originally unrelated to the biblical text.28 There is, to be sure, an exegetical element in the story. In the Book of the Watchers, the flood is clearly the consequence of the sins initiated by the Sons of God, while this connection is not explicit in Genesis: the connection in the Book of the Watchers is most probably inferred from the juxtaposition in Genesis. But there is no biblical basis at all for the stories of Asael and Shemihazah, the leaders of the fallen angels. The ascent of Enoch and his tour of the extremities of the earth are spun off from the biblical statement that he “walked with elohim” (Gen 5:22) but many of the details of these chapters (e.g. the geography of chapters 17–19, or the discussion of the chambers of the dead in chapter 22) have no basis in biblical tradition at all.29 The “chosen righteous from the chosen plant of righteousness,” or the elect group envisioned in 1 Enoch, understood themselves as descendants of Abraham, the chosen plant of righteousness. In the Animal Apocalypse, and in the Apocalypse of Weeks, it is quite clear that they are an offshoot of historic Israel. Yet the only explicit reference to the Sinai covenant appears in the Apocalypse of Weeks in 1 Enoch 93:6, which says that “a covenant for all generations and a tabernacle” will be made in the fourth week. The Animal Apocalypse, in contrast, which clearly knows the story of the Exodus, refers to the ascent of Moses on Mt. Sinai (“and that sheep went up to the summit of a high rock,” 1 Enoch 89:29) but conspicuously fails to mention either the making of a covenant or the giving of the law. The Mosaic Torah is never the explicit frame of reference. In this respect, the Enochic literature stands in striking contrast to Jubilees, which retells the stories of Genesis from a distinctly Mosaic perspective, with explicit halakic interests.30 It is often argued that the reason that 1 Enoch is not explicitly Mosaic is simply a reflection of its pseudepigraphic setting in the pre-diluvian period.31 But the choice of pseudonym and setting is not incidental. By choosing to 28

James L. Kugel, Traditions of the Bible (Cambridge, MA: Harvard, 1998), 180; compare Bedenbender, Der Gott der Welt tritt auf den Sinai (see n. 19), 157–63. 29 On 1 Enoch 22, see Marie-Theres Wacker, Weltordnung und Gericht: Studien zu 1 Henoch 22 (Würzburg: Echter, 1982). Coblentz Bautch, A Study of the Geography (see n. 20), 297, concludes that shared concerns about disobedience and illicit relationships do not necessarily demonstrate points of contact between these chapters and the Mosaic Torah. 30 Compare the reflections of VanderKam, “The Interpretation of Genesis in 1 Enoch” (see n. 21), 142–3. For reflections on the relation between Jubilees and 1 Enoch, see Gabriele Boccaccini and Giovanni Ibba, eds., Enoch and the Mosaic Torah. The Evidence of Jubilees (Grand Rapids: Eerdmans, 2009). The argument of Paul Heger, “1 Enoch – Complementary or Alternative to Mosaic Torah?” JSJ 41 (2010), 29–62, esp. 37–38, that Jubilees was admittedly written after Moses does not negate the significance of its retrojection of Mosaic law into the patriarchal period. 31 So again Heger, “1 Enoch” (see n. 30); idem, Challenges to Conventional Opinions on Qumran and Enoch Issues, STDJ 100 (Leiden: Brill, 2012), 163–204.

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attribute vital revelation to a figure who lived long before Moses, long before the emergence of Israel as a people, the authors of the Enoch literature chose to identify the core revelation, and the criteria for judgment, with creation, or the order of nature as they understood it, rather than with anything distinctively Mosaic. The revelation of Enoch, supposedly from before the Flood, was more fundamental than the Torah of Moses.

5. Daniel The relationship of Daniel to the Mosaic Torah differs from that of Enoch in some respects. A figure named Daniel is mentioned twice in the Book of Ezekiel. Ezek 14:14 says that even Noah, Daniel, and Job could not save a sinful country, but could only save themselves. Ezek 28:3 asks the king of Tyre, “are you wiser than Daniel?” In both cases, Daniel is regarded as a legendary wise and righteous man. The association with Noah and Job suggests that he lived a long time before Ezekiel. The protagonist of the Biblical Book of Daniel, however, is a younger contemporary of Ezekiel. It may be that he derived his name from the legendary hero, but he cannot be the same person. All we know about Daniel is found in the opening six chapters of the book and in the apocryphal stories of Bel and the Dragon and Susanna, where his persona is portrayed somewhat differently. Unlike Enoch, then, Daniel has no chronological excuse for failing to refer to the Torah. Yet the Torah plays little part in these stories. The stories in Daniel 1–6 belong to the genre of court tales, about Jews in the court of a foreign king. The best known examples are the stories of Joseph and Esther. Joseph, of course, supposedly lived before Moses. Esther did not, and famously fails even to mention not only the Torah of Moses but even the name of God. Esther acknowledges that Jews have distinctive laws. Haman characterizes them as follows to the king: There is a certain people scattered and separated among the peoples in all the provinces of your kingdom; their laws are different from those of every other people, and they do not keep the king’s laws, so that it is not appropriate for the king to tolerate them (Esth 2:8).

We should like to know what these laws were. The charge is triggered by Mordechai’s refusal to bow down to Haman. Presumably the Judeans had ancestral customs, and while these may have corresponded to traditional Jewish observances, we are not actually told what they were. Esther does not seem to worry about kashruth when she becomes queen. The Judeans of Susa may have been like their counterparts in Elephantine, who also had strong solidarity and were recognized as a group apart by their neighbors. Yet here is no indication that they were bound by the Torah of Moses, if they even knew of its existence. The stories in Daniel 1–6 are also silent on the subject of the Torah. Unlike Esther, Daniel is uninhibited in his piety. As in Esther, refusal to bow down or

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worship, in this case before a statue, is a non-negotiable aspect of Judean identity. Apart from that, Daniel is a willing and loyal courtier. As the courtiers of Darius the Mede remark in chapter 6: “we shall not find any ground for complaint against this Daniel unless we find it in connection with the law of his God” (Dan 6:5).32 Should we assume that “the law of his God” is the Law of Moses? The strongest evidence in favor of an association with Mosaic law is in chapter 1, where Daniel resolves “that he would not defile himself with the royal rations of food and wine” (Dan 1:8) and asks for a diet of vegetables instead. Some scholars have argued that this is a gesture of resistance, by refusal to eat the royal food,33 but it is difficult to avoid the suspicion that kashruth is involved. Yet wine is not prohibited in Leviticus, and a vegetarian diet is not required.34 Daniel’s concern goes beyond the prohibitions of Leviticus. This concern only arises in Daniel 1, which is written in Hebrew, and is not reflected in the Aramaic tales. In the tales, Daniel’s only distinctively Jewish observance is that he prays three times a day towards Jerusalem, a practice that lacks any basis in the Torah (Dan 6:10). It seems likely, then, that the Persian word dat, “law” is used here in the general sense of religious practice.35 The issues that arise in Diaspora life, in Daniel as in Esther, do not arise from the Torah, but from rivalry with other courtiers, and from the erratic behavior of gentile kings. In the tales in Daniel 2–6, Daniel and his companions are assured in their Jewish identity, but the Law of Moses is never invoked, and does not seem to be a factor in their lives. The visions of Daniel in chapters 7–12 reflect a very different view of the world from what we find in the tales. The visions are focused on the events in Jerusalem in the reign of Antiochus IV Epiphanes. Daniel 7 notes that Epiphanes tried to change “the times and the Law” (7:25). Daniel is especially perturbed by the disruption of the temple cult, and the installation of “the desolation that makes desolate.” In Dan 11:32 we are told that the king will seduce “those who violate the covenant.” The covenant seems to have a more important role here than it did in the books of Enoch. A crucial passage for understanding Daniel’s relation to the Mosaic Torah is found in Dan 11:33: “the wise among the people shall give understanding to many.” What is the source of that understanding? Some scholars have assumed that the wise maskilim were engaged in instructing the people in covenantal lore, in the proper interpretation of the commandments. This seems impro32

See my commentary, John J. Collins, Daniel. A Commentary on the Book of Daniel, Hermeneia (Minneapolis: Fortress, 1993), 265. 33 So Daniel Smith-Christopher, “Daniel,” in NIB 7 (Nashville: Abingdon, 1996), 40–2. 34 Robert H. Charles, A Critical and Exegetical Commentary on the Book of Daniel (Oxford: Clarendon, 1929), 129, speculated that Daniel was concerned that the food might have been sacrificed to idols. 35 Carol A. Newsom, Daniel, OTL (Louisville: Westminster John Knox, 2014), 194.

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bable, however, Daniel’s expertise is in dream interpretation and the interpretation of mysteries, such as the writing on the wall in Daniel 5. He is not a scribe skilled in the Law of Moses as Ezra was. The fact that he is chosen as pseudonymous author of the visions may reasonably be taken to imply that his persona, as developed in the tales, is held up as a model to be emulated. The understanding imparted by the wise in Daniel 11 is most plausibly interpreted as the kind of understanding imparted by the visions of Daniel himself. This understanding is spelled out in the frame of the revelation in chapters 10–12. First, as Daniel learns from an angel, the conflict between various peoples in the Hellenistic period is only a reflection of the struggle between their angelic “princes,” or what an earlier age would have termed their patron gods. Second, the course of the conflict is already determined, although individuals can choose where they stand. The defeat of the persecutor is assured. Most importantly, as the angel discloses to Daniel in chapter 12, the dead (or at least the very good and the very bad) will be raised for judgment after death, and will enjoy eternal bliss or suffer eternal damnation. The wise teachers, who instruct the masses, sometimes at the cost of their lives, will shine like the brightness of the firmament and be like the stars forever, which is to say that they will become companions to the angels. If this is the understanding that the wise impart in time of persecution, we can understand why the revelation is attributed to Daniel. Daniel in the tales is primarily one who reveals mysteries by the power of God. Understanding of mysteries is what is required in the time of persecution, not instruction in the covenant, which was presumably already well known. In the visions, Daniel, rather like Enoch, consorts with angels. This gives his persona a new dimension. He becomes a model to be emulated, both in his association with the angels and in his ultimate destiny, since he is promised that he will be raised at the end of days.

6. Incompatible myths? It is apparent that both Enoch and Daniel see the world in ways that are quite different from Deuteronomy or the traditional Mosaic covenant. Seth Schwartz has argued that “the apocalyptic myth” in all its forms is in “stark contradiction of the covenantal ideology.”36 It appears to allow far less room for human agency than the traditional covenant, and to operate with different criteria as to what qualifies one for salvation in the world to come. Nonetheless, the different systems of apocalypticism and the Mosaic covenant were not only juxtaposed

36

Seth Schwartz, Imperialism and Jewish Society, 200 B.C.E. to 640 C.E. (Princeton: Princeton University Press, 2001), 78.

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incongruously but even integrated to a degree in the Dead Sea Scrolls, and again in the late first century CE apocalypses of 4 Ezra and 2 Baruch.

7. The Dead Sea Scrolls The sectarian community known to us from the Dead Sea Scrolls preserved multiple copies of the books of Enoch and Daniel. It also preserved many other apocalyptic writings, whose fragmentary condition makes it difficult to determine their genre with confidence, such as the so-called “Aramaic Apocalypse” or “Son of God” text, 4Q246. Most of these apocalyptic texts are in Aramaic, but one, 4Q390 is in Hebrew, and some highly apocalyptic texts, such as the Instruction on the Two Spirits and the War Scroll are written in Hebrew and are core sectarian texts. Nonetheless, it does not appear that the sectarians composed new apocalypses in the names of ancient worthies such as Enoch and Daniel. Instead the sectarians relied on the authority of their Teacher, who was primarily an interpreter of the Torah. The Damascus Document expounds Num 21:18, “A well which the princes dug, which the nobles of the people delved with the staff” as follows: The well is the law, and those who dug it are the converts of Israel . . . and the staff is the interpreter of the law, of whom Isaiah said ‘he produces a tool for his work’ (CD 6:3–8).

The pesher on Habakkuk says that God made known to the Teacher “all the mysteries of the words of his servants the prophets” (1QpHab 7:4) and that the words of the Teacher were from the mouth of God (1QpHab 2:2). Steven Fraade has objected that “not a single Qumran sectarian scroll is explicitly attributed to the authorship of the Teacher.”37 But he was nonetheless regarded as the source of an authoritative tradition that continued after hid death. As Samuel Byrskog has argued, it is likely that there were channels besides the written records by which the Qumranites could recognize the traditions from the Teacher . . . There were presumably oral means of communicating the traditions’ attachment to the Teacher.38

In any case, it is apparent that the sectarians did not usually attribute their teachings pseudonymously to ancient visionaries. Rather they presented them as interpretations of the Torah, in a tradition derived from the Teacher. Nonetheless, these interpretations too were subsumed under a higher revelation, and assumed a view of the world that was apocalyptic, in the sense that

37

Steven D. Fraade, “Interpretive Authority at Qumran,” JJS 44 (1993), 46–69 (49). Samuel Byrskog, Jesus the Only Teacher. Didactic Authority and Transmission in Ancient Israel, Ancient Judaism and the Matthean Community, Con Bib, NT Series 24 (Stockholm: Almqvist & Wiksell, 1994), 151–2. 38

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human behavior was shaped by supernatural forces and subject to a judgment that would determine the fate of individual human beings for all eternity. The Scrolls refer to the covenant in two distinct ways. In some passages, the covenant is the one God made with Moses, but it contained hidden provisions that were revealed only to the members of this community. According to CD 3:12–15: But with those who remained steadfast in God’s precepts, with those who were left from among them, God established his covenant with Israel forever, revealing to them hidden matters in which all Israel had gone astray: his holy Sabbaths and his glorious feasts, his just stipulations and his truthful paths, and the wishes of his will which man must do in order to live by them.

The sectarians believed that they had the only correct interpretation of the Torah of Moses, even though it was meant for all Israel. Consequently, the members are said to enter the covenant for all Israel (CD 15:5) and take “the oath of the covenant which Moses established with Israel, to return to the Torah of Moses with all one’s heart and with all one’s soul” (CD 15:8–9). Also, the sectarians believed that all Israel would walk according to their regulations in the end of days (1QSa 1:1–2).39 In other passages, however, we read of a new covenant (1QpHab 2:3), sometimes specified as “the new covenant in the land of Damascus” (CD 6:19; 8:21; 20:12).40 Even if all Israel should follow the “correct” interpretation of the Torah, it was painfully obvious that it did not. Consequently, “‘returning to the Law of Moses’ is in fact equivalent to joining the ‘new covenant’.”41 It required admission to a voluntary association, with its own rituals for admission and expulsion, and instruction in the rulings peculiar to that association.42 Similarly in 1QS 5:8–9: Whoever enters the council of the yahad enters the covenant of God […] He shall swear with a binding oath to revert to the Law of Moses, according to all that he commanded, with whole heart and whole soul, in compliance with all that has been revealed of it to the sons of Zadok, the priests who keep the covenant […] and to the multitude of the men of their covenant.

39 On the ambiguity as to whether “Israel” in the Scrolls refers to empirical Israel or to Israel as it should be, see further my essay, “The Construction of Israel in the Sectarian Rule Books,” in Judaism in Late Antiquity. Part Five. The Judaism of Qumran: A Systemic Reading of the Dead Sea Scrolls. 1. Theory of Israel, ed. Alan J. Avery-Peck, Jacob Neusner, and Bruce D. Chilton (Leiden: Brill, 2001), 25–42. 40 On the biblical and theological foundations, see Stephen Hultgren, From the Damascus Covenant to the Covenant of the Community, STDJ 66 (Leiden: Brill, 2007), 77–140. 41 Ibid., 241. 42 See Yonder M. Gillihan, Civic ideology, organization, and law in the Rule scrolls: a comparative study of the Covenanters' sect and contemporary voluntary associations in political context, STDJ 97 (Leiden: Brill, 2012).

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The expression “their covenant” is telling. Even though it is identified as “the covenant of God,” it is defined by the distinctive interpretation of the yahad. There is some ambiguity as to how one became a member of this new covenant. In the Damascus Document, the members are sometimes called the penitents or returnees of Israel. They realized their iniquity and their guilt (CD 1:8–9). Yet we are told that God raised them up, and raised up a Teacher of Righteousness to guide them. Conversely, others failed to join the new covenant because “God did not choose them at the beginning of the world, and before they were established he knew their deeds” (CD 2:7–8). There is a dialectic between human merit and divine grace, between free will and determinism. Human beings are assigned to one lot or the other, but they are nonetheless held responsible for their actions. The sectarian understanding of the covenant, then, differed from that of common Judaism in some crucial respects. First, one had to believe in a further, higher revelation, which disclosed not only the interpretation of the Torah but the mystery of God’s purpose in the world, as we find it laid out, for example, in the Instruction on the Two Spirits. It also includes the mysteries of the heavenly, angelic, world, which we glimpse in the Songs of the Sabbath Sacrifices and in the Hodayot, which speak of fellowship with the angels,43 and the belief that God will intervene at the appointed time to destroy the wicked.44 The idea of a higher revelation is quintessentially apocalyptic, although the manner of revelation in the Scrolls is not described as it is in the apocalypses. Second, membership of the “new” covenant did not extend to all Israel, but only to the elect whom God had chosen. The degree to which this election allowed for human free will is unclear. The claim that people were predestined enabled the sectarians to accept the fact that many in Israel did not accept their interpretation of the Torah, even though it seemed to the sectarians to be manifestly right. Third, final verification of the true understanding of covenant would have to wait until the eschatological future, when God would finally bring an end to wickedness. It would then be clear that not all Israel had a share in the world to come. It was not enough, then, to appeal to the Torah of Moses. Within the sectarian movement, authority ultimately derived from a higher revelation, which guided the interpretation of the Torah and even superseded the Torah as it was commonly understood in certain respects.

43 Philip S. Alexander, The Mystical Texts. Songs of the Sabbath Sacrifice and Related Manuscripts, Library of Second Temple Studies 61 (London and New York: Clark, 2006). 44 John J. Collins, Apocalypticism in the Dead Sea Scrolls (London: Routledge, 1997), 52–70.

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8. 4 Ezra and 2 Baruch Ezra, to whom the book of 4 Ezra is ascribed, was remembered in Jewish tradition as the one who restored the Law after the Exile. He has no hesitation in affirming the justice of God. “You have been just in all that has come upon us,” he prays. “You have dealt faithfully, and we have acted wickedly” (Neh 9:33). In 4 Ezra, however, he has a very different profile.45 He questions the justice of letting Babylon (= Rome) triumph over Israel. Israel may have sinned, but was Babylon really better? In effect, he accuses God of abandoning the covenant. He does not deny the prevalence of sin, but he argues that humanity is not capable of keeping the law because of the evil heart, and Israel is no better off than the Gentiles in this respect. The angel Uriel tries to counter Ezra’s arguments, without much success.46 Only when he is overwhelmed by visionary experience does Ezra resign himself to God’s ways.47 Ezra eventually gets to play the role of the restorer of the Law.48 Since the Torah has been burned, Ezra is commissioned to replace it. He takes five scribes and dictates to them for forty nights, having imbibed a fiery liquid. In all 94 books were written. Then the Most High instructs Ezra: Make public the 24 books that you wrote first and let the worthy and the unworthy read them, but keep the seventy that were written last, in order to give them to the wise among your people. For in them are the springs of understanding, the fountains of wisdom, and the river of knowledge (4 Ezra 1:45–47).

The 24 public books are what we know as the Hebrew scriptures (4 Ezra, along with Josephus, Against Apion, is one of the earliest witnesses to a “canon,” limited to a specific number of books). But these are not the books that contain the fountain of wisdom. That is to be found in the books reserved for the wise, presumably books like 4 Ezra itself. In short, the revealed Torah does not suffice to understand the way of the Lord. A higher revelation is necessary.

45 See my essay, “Enoch and Ezra,” in Fourth Ezra and Second Baruch: Reconstruction after the Fall, ed. Matthias Henze and Gabriele Boccaccini, JSJSup 164 (Leiden: Brill, 2013), 83–97, reprinted in Collins, Apocalypse, Prophecy, and Pseudepigraphy (see n. 3), 235–50. 46 On 4 Ezra as a debate, see Karina Martin Hogan, Theologies in Conflict in 4 Ezra. Wisdom Debate and Apocalyptic Solution, JSJSup 130 (Leiden: Brill, 2008). 47 See especially Michael E. Stone, “On Reading an Apocalypse,” in Mysteries and Revelations: Apocalyptic Studies since the Uppsala Colloquium, ed. John J. Collins and James H. Charlesworth, JSPSup 9 (Sheffield: Sheffield Academic Press, 1991), 65–78, and more generally his classic Fourth Ezra: A Commentary on the Book of Fourth Ezra, Hermeneia (Minneapolis: Fortress, 1990). 48 On 4 Ezra’s complex relationship to the scriptural tradition, see Hindy Najman, Losing the Temple and Recovering the Future. An Analysis of 4 Ezra (Cambridge: Cambridge University Press, 2014), 69–93.

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2 Baruch is closely related to 4 Ezra. Both works were most probably written in Hebrew, but they only survive in translations.49 In both, the first destruction of Jerusalem at the hands of the Babylonians serves as a prism for reflections on the destruction by the Romans. Both receive enlightenment and comfort through visions. 2 Baruch, however, does not engage in the skeptical questioning of either God or the Law that we found in 4 Ezra. On the contrary, he affirms in the letter that concludes the book, “we have nothing now save the Almighty One and his Law” (2 Bar 85:3). The eschatological revelations are clearly subordinated to the observance of the Law. The book fits the pattern of covenantal nomism, since salvation depends on the mercy of God for those within the covenant who are basically obedient. The Law is correlated with wisdom, in the tradition of Deuteronomy and Ben Sira. Dependence on Deuteronomy is explicit at several points (e.g. 2 Bar 19:1; 84:1–6). Matthias Henze comments that 2 Baruch breaks down any potential conflict that might exist between apocalyptic and Mosaic authority, and instead incorporates the latter into the former, fully endorsing the single authoritative status for the Torah and turning it into the centerpiece of his apocalyptic program.50

Nonetheless, the traditional Deuteronomic covenant is also modified here. It must be buttressed by the apocalyptic revelations that Baruch receives. The covenantal people is not simply co-terminous with the Jewish people. It consists of those who observe the Law, with the inclusion of proselytes and the exclusion of apostates. The promised salvation is in the world to come rather than this world, and it concerns not only the future of the covenant people but also the destiny of the individual. Even when the centrality of the Torah is affirmed in the apocalyptic tradition, as it is in both 4 Ezra and 2 Baruch, and also in the Dead Sea Scrolls, it must still be supplemented by a higher revelation that puts the old covenantal identity of Israel in a new perspective.

9. Conclusion The earliest apocalypses, in the books of Enoch and Daniel, are essentially independent of the Torah of Moses. They claim their own sources of revelation, and they are concerned with matters on which the Torah has little to say. The later apocalyptic tradition, in the Dead Sea Scrolls and again in 4 Ezra and 2 Baruch, does indeed take the Torah as its point of departure, but even when it affirms the importance of the Torah it still appeals to a higher revelation to 49 The best recent discussion is that of Matthias Henze, Jewish Apocalypticism in Late First Century Israel, TSAJ 142 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2011). 50 Ibid., 103; see also 206–27.

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guide its interpretation and to supplement it, and in some cases even supersede it, in various ways.

Reading Jewish Wisdom From Before the Flood: Authorship, Prophecy, and Textuality in Enochic Literature1 Matthew J. Goff 1. Introduction “‘What does it matter who is speaking’, someone said, ‘what does it matter who is speaking.’”2 This question, playfully posed by the Irish playwright Samuel Beckett, forces us to examine why and how knowing the source of an utterance or text is important. The West produced a very powerful and effective conception of the author as a brilliant genius who enriches our culture with literature and art. A high water mark for this conception of the author is perhaps T.S. Eliot’s “The Waste Land.” When he first published this dense and erudite poem in 1922, he included extensive footnotes, to help the reader identify the numerous obscure literary references he imbedded in it.3 The assumed goal of the reader is to decipher the author’s intent. The post-structuralist critique of this view that emerged in the 60s and 70s, the context for Beckett’s quip, is well expressed by Roland Barthes, whose “The Death of the Author” (1967) argued for the multivocal and polysemous potential of a text that is not con-

1 I thank Jörg Frey and the other organizers of the conference on authorship in apocalyptic literature that convened in Zurich in the summer of 2016, which was a stimulating and productive meeting. This essay, like the conference as a whole, is devoted to John and Adela Collins, who remain my teachers. I also thank Kyle Roark for his feedback on this essay. 2 This question is cited by Michael Foucault in his famous 1969 essay “What is an Author?” See Paul Rabinow, ed., The Foucault Reader (New York: Pantheon Books, 1984), 101–20 (101). See Samuel Beckett, Stories and Texts for Nothing (New York: Grove Press, Inc., 1967), 85 (text 3). 3 Thomas S. Eliot, The Waste Land (New York: Horace Liveright, 1922). His view was very much shaped by an impersonal theory of authorship, whereby the author engages with his literary heritage, which, in a manner analogous to a chemical reaction, when this is combined with the author’s emotions and feelings, produces new art. See his essay, “Tradition and the Individual Talent,” available in Seán Burke, Authorship: From Plato to the Postmodern: A Reader (Edinburgh: Edinburgh University Press, 1995), 73–80 (77).

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strained by authorial intent – the author has no control over his text once it is written, and meaning is produced by the reader, not the author.4 These disputes about the significance of the author when interpreting a text have generally taken place in the context of reading modern literature. When the focus moves to authorship in antiquity, a number of additional difficulties arise. Ancient texts are often fragmentary and not fully preserved. Our earliest manuscripts of a given text often have been produced centuries after it was originally written, reflecting a long process of scribal transmission. This provide ample opportunity for changes to be introduced, obfuscating any intent of an original author. An even greater problem is imposing anachronistically our own modern conceptions of authorship, which are defined in terms of artistic originality and intellectual property, onto ancient texts. A critical issue is how authorship was envisaged in antiquity.5 In the Greek world there was a conception of individual authorship, as is evident from the manifold ancient Greek texts that state the name of their author, and there is also the preservation of older texts attributed to legendary figures of the past, above all Homer. Much of the literature of ancient Israel and the Near East, by contrast, is anonymous. This region also attests an extensive practice of attributing texts to authoritative figures from the past, such as Moses, Isaiah, and Ezra, a technique which is generally referred to today as pseudepigraphy.6 Hindy Najman successfully and creatively applied the ideas of Foucault, who reminded modern readers that the author is a historically constructed and conditioned category, to the study of ancient Jewish literature.7 She has stressed, through Foucault, that an author 4 Roland Barthes, Image, Music, Text (New York: Hill and Wang, 1977), 142–48. This essay is also available in Burke, Authorship (see n. 3), 125–30. See also idem, The Death and Return of the Author: Criticism and Subjectivity in Barthes, Foucault and Derrida (Edinburgh: Edinburgh University Press, 1998). 5 Jed Wyrick, The Ascension of Authorship: Attribution and Canon Formation in Jewish, Hellenistic, and Christian Traditions, Harvard Studies in Comparative Literature 49 (Cambridge: Harvard University Press, 2004). 6 For recent scholarly discussions of the topic, see, for example, Eibert J. C. Tigchelaar, ed., Old Testament Pseudepigrapha and the Scriptures, BETL 270 (Leuven: Peeters Press, 2014); Jörg Frey et al., eds., Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen, WUNT 246 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2009); Michael E. Stone, “Pseudepigraphy Reconsidered,” RRJ 9 (2006): 1–15; Lawrence H. Schiffman, “Pseudepigrapha in the Pseudepigrapha: Mythical Books in Second Temple Literature,” RevQ 21 (2004): 429–38 (also available in idem, Qumran and Jerusalem: Studies in the Dead Sea Scrolls and the History of Judaism [Grand Rapids: Eerdmans, 2010], 383–92). Earlier treatments of the topic include Wolfgang Speyer, Die literarische Fälschung im heidnischen und christlichen Altertum. Ein Versuch ihrer Deutung (Munich: C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, 1971); Martin Hengel, “Anonymität, Pseudepigraphie und ‘Literarische Fälschung’ in der jüdisch-hellenistischen Literatur,” in Pseudepigraphe I. Pseudopythagorica – Lettres de Platon. Littérature pseudépigraphique juive, ed. Kurt von Fritz (Geneva: Fondation Hardt, 1972), 229–308. 7 Hindy Najman, Seconding Sinai: The Development of Mosaic Discourse in Second Temple Judaism, JSJSup 77 (Leiden: Brill, 2003), 1–40; eadem, “How Should We Contextualize

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is often not simply associated with discrete texts. An author can be understood as the producer of founder of a broader discourse in whose legacy a range of texts and traditions were produced, by numerous individuals in different periods of history, in which the work of an “author,” such as Marx or Freud, was rethought and reconfigured. Najman showed that Foucault’s model can help explain the expansive and creative production of texts attributed to Moses in the Second Temple period, such as Jubilees, the Temple Scroll, or the Testament of Moses, and the phenomenon of pseudepigraphy in general. As John Collins has observed, an important figure who can be regarded as a founder of specific discourse is Enoch.8 The Hebrew Bible never depicts Enoch as writing and it never associates him with writing. Nevertheless we have an expansive array of Jewish texts from the late Second Temple period that are attributed to him – primarily the five booklets collected in 1 Enoch (the Book of the Watchers, the Similitudes of Enoch, the Astronomical Book, the Book of Dreams, and the Epistle of Enoch), but also the later texts 2 Enoch and 3 Enoch. Some ancient texts presume that writings with Enochic authorship possessed a sort of scriptural authority, in particular Watchers and, over time, the composite work 1 Enoch. The accounts of Jubilees and the Animal Apocalypse of the primordial period incorporate the myth of the angels who descend from heaven to sleep with women from the Book of the Watchers not as an interpretation of Genesis but rather as part of the story Genesis itself tells (Jub. 4:15; 7:21; 1 En. 86:1–4).9 Enochic literature is cited as scripture by Jude in the New Testament (v. 14) and 1 Enoch still retains a canonical status in the Ethiopian Orthodox Church. Tertullian appeals to the claim in 2 Timothy 3:16 that all scripture is “inspired” to defend the authoritative status of “scripturam Enouch” (de Cultu Feminarum 1.3).10 The status of Enoch as an author is not even limited to compositions attributed to him. The Genesis Apocryphon from Qumran Pseudepigrapha? Imitation and Emulation in 4 Ezra,” in eadem, Past Renewals: Interpretative Authority, Renewed Revelation and the Quest for Perfection in Jewish Antiquity, JSJSup 53 (Leiden: Brill, 2010), 235–42. 8 John J. Collins, “Enoch and Ezra,” in idem, Apocalypse, Prophecy, and Pseudepigraphy: On Jewish Apocalyptic Literature (Grand Rapids: Eerdmans, 2015), 235–50 (236). 9 Matthew J. Goff, “Warriors, Cannibals and Teachers of Evil: The Sons of the Angels in Genesis 6, the Book of the Watchers and the Book of Jubilees,” SEÅ 80 (2015): 79–97; Karina Martin Hogan, “The Watchers Traditions in the Book of the Watchers and the Animal Apocalypse,” in The Watchers in Jewish and Christian Traditions, ed. Angela Kim Harkins, Kelley Coblentz Bautsch, and John C. Endres, S.J. (Minneapolis: Fortress Press, 2014), 107– 19. 10 For the relevant passage, see Wyrick, The Ascension of Authorship (see n. 5), 332–34. Tertullian’s defense of the scriptural status of Enochic writing indicates that this was a disputed issue at the time. Also note that the Epistle of Barnabas (16:5) appears to cite as “scripture” (ή γραφή) some version of material from 1 En. 89:56–66. See further Annette Yoshiko Reed, Fallen Angels and the History of Judaism and Christianity: The Reception of Enochic Literature (New York: Cambridge University Press, 2005).

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depicts Abraham impressing the Egyptians with his wisdom by reading from a book written by Enoch: “I read before them the book of the words of Enoch” (1QapGen 19:25; cf. 2:20–21). Jubilees goes so far as to claim that he not only wrote but invented writing (4:17). 2 Enoch claims, in a text that is difficult to date, that Enoch wrote 366 books (23:6 [J]), and the Testament of the Twelve Patriarchs (also difficult to date) depicts several of the sons of Jacob reading and citing books of Enoch.11 There are also late antique texts attributed to Enoch, such as the Coptic Pierpont Morgan Enoch apocryphon, which calls the sibyl the sister of Enoch (cf. Sib. Or. 3.827), and the third or fourth century Pistis Sophia (chs. 99, 134) declares that Enoch wrote the Books of Jeu.12 In this essay I shall explore why Enoch was revered as an authoritative and prolific source of writing and the strategies evident in Enochic texts as to how they utilize this venerable sage as an author of texts. One could readily construe his writings as preserving heavenly knowledge revealed before the flood by attributing them to Enoch. The narrative strategy of attributing texts to Enoch was a way to endow one’s text with two potent themes – deep antiquity and a connection to the heavenly world. Enochic textual attribution also appeals to the motif of writing itself as an authorizing strategy. It is not clear that authors consciously turned to Enoch, as an effort to commit a type of pious fraud, in order to boost the authority of their texts.13 Enoch was a popular figure among Jewish literate intellectuals in the late Second Temple period. Many creative and engaging written texts in which he is prominent were produced. The reasons for this are complex but, as this essay investigates, can be profitably 11

See, for example, T. Sim. 5:4; T. Lev. 14:1; T. Naph. 4:1; T. Ben. 9:1. Birger A. Pearson, “The Pierpont Morgan Fragments of a Coptic Enoch Apocryphon,” in Studies on the Testament of Abraham, ed. George W. E. Nickelsburg, SBLSCS 6 (Missoula: Scholars Press, 1976), 227–83; Carl Schmidt, Pistis Sophia. Ein gnostiches Originalwerk des dritten Jahrhunderts aus dem Koptischen übersetzt (Leipzig: J.C. Hinrichs’sche Buchhandlung, 1925), 179, 258; Annette Yoshiko Reed, “Pseudepigraphy and/as Prophecy: Continuity and Transformation in the Formation and Reception of Early Enochic Writings,” in Revelation, Literature, and Community in Late Antiquity, ed. Philippa Townsend and Moulie Vidas, TSAJ 146 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2011), 25–42 (37); Hengel, “Anonymität, Pseudepigraphie,” (see n. 6), 274. The version of the Books of Jeu acquired by James Bruce in the late eighteenth century includes no attribution to Enoch. See Carl Schmidt and Violet Macdermot, The Books of Jeu and the Untitled Text in the Bruce Codex, NHS 13 (Leiden: Brill, 1978). Consult also George W. E. Nickelsburg, 1 Enoch 1: A Commentary on the Book of 1 Enoch, Chapters 1–36, 81–108, Hermeneia (Minneapolis: Fortress Press, 2001), 99; Jane L. Lightfoot, The Sibylline Oracles: With Introduction, Translation, and Commentary on the First and Second Books (Oxford: Oxford University Press, 2007), 92. The career of Enoch as a source of secret knowledge continues into the early modern period in the tradition of occultism. See Egil Asprem, Arguing with Angels: Enochian Magic & Modern Occulture (Albany: SUNY Press, 2012). 13 Eva Mroczek, The Literary Imagination in Jewish Antiquity (New York: Oxford University Press, 2016), 54–58. 12

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explained against the backdrop of intellectual currents that were regnant in the Hellenistic period. In particular the appeal to Enoch should be interpreted in terms of Hellenistic discourse about the origins of civilization, in which context the antediluvian sage emerges as culture hero, a source of knowledge that is of great benefit to humankind as a whole, such as astronomy and writing. There was a general interest in deep antiquity in the late Second Temple period, and Enoch emerged as a character who easily provided a way for authors to articulate the nature of and knowledge from the antediluvian age. The popularity of Enoch should also be attributed to his depiction as a prophet from before the flood whose writings contain revelations about the eschatological period. Enochic literature displays two general, and overlapping, textual strategies of exploiting the potential of Enoch as an author. One is to present one’s text as an authentic transmission of a book written by Enoch himself. Another is to present a narrative depiction, in first person language in a text attributed to Enoch, of Enoch giving inspired utterances and receiving revelation long ago.

2. Enoch as an Author and the Practice of Pseudepigraphy Enoch is valorized in the literary heritage of ancient Israel.14 He represents the seventh generation of humankind after Adam, according to Genesis 5. Verse 24 of this chapter is famously vague about his ultimate fate, stating that Enoch walked with ‫האלהים‬, “then he was no more because God took him.” This helped produced a rich tradition of speculation about his whereabouts. A common view evident in ancient texts is that Enoch did not die but rather ascended bodily to heaven, where he was transformed into a supernatural being, or that he was relocated to the garden of Eden (e.g., Jub. 4:23; Sir 49:14; Josephus, Ant. 1:85; 9:28; Philo, Mut. 38; Heb. 11:5).15 Enochic texts make extensive claims regarding Enoch’s reception of heavenly revelation. In this way he learned numerous types of knowledge, such as the correct movement of the sun, moon and stars, and God’s plan that guides human history. The end of the Astronomical Book states that he read tablets in heaven and that he was sent back to earth for one year, to write down what he learned, after which time he would be removed from human society (1 En. 81:1–82:3; cf. 106:19). Jubilees, which gives an extensive and glowing account of Enoch in its version of patriarchal history, claims he wrote down “a book of signs” that describe precisely 14 For a concise overview, see James C. VanderKam, Enoch and the Growth of an Apocalyptic Tradition, CBQMS 16 (Washington, D.C.: Catholic Biblical Association, 1984). 15 Targum Onqelos, apparently reflecting rabbinic unease with traditions about Enoch’s ascent, includes a version of Gen 5:24 that states that God killed him (so also Gen. Rab. 25.1). See James L. Kugel, The Bible As It Was (Cambridge: Harvard University Press, 1997), 100–2.

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the movement of heavenly bodies in the sky, reflecting some knowledge of the Enochic Astronomical Book (4:17; cf. Sir 44:16 [Heb]). Jubilees also depicts Abraham as familiar with “a book of my ancestors” written by Enoch and Noah that details various items of sacrificial halahkah, such as when one offers fat on the sacrificial fire, he should not include the fat from the kidneys or other internal organs (21:8–10).16 This example from Jubilees indicates that the appeal of attributing books to Enoch extends beyond 1 Enoch itself. Authors employed this narrative device in the service of concerns that are of no import in 1 Enoch. The texts that comprise 1 Enoch constitute a major example of a broader ancient phenomenon generally known today as pseudepigraphy. The attribution of a text to a legendary figure of old is a widely attested practice throughout the ancient world, from Rome to Iran.17 There has been a great deal of scholarly focus on this topic in recent years. The term has been used as a catchall for virtually all non-canonical writings, as evident in Charlesworth’s two volume work Old Testament Pseudepigrapha. This still important resource includes a range of ancient texts, including some that never stipulate an author, such as 3 Maccabees or the History of the Rechabites, while others name their purported actual author, as is the case with Aristobulus and Aristeas the Exegete.18 As Annette Reed has stressed, pseudepigrapha as a category of ancient texts is rooted in early modern conceptions of the canon, constituting an effort to distinguish authentic scripture from “spurious” writings falsely attributed to scriptural figures.19 The issue can be clarified by making a distinction between pseudepigrapha and pseudepigraphy. The former, pseudepigrapha, is an etic literary category of genre that has often been used very broadly, causing con16 James L. Kugel, A Walk Through Jubilees: Studies in the Book of Jubilees and the World of Its Creation, JSJSup 156 (Leiden: Brill, 2012), 122–23. 17 The official collection of Roman Libri Sibyllini (a form adapted by the Jewish and Christian collection known as the Sibylline Oracles), destroyed by the state in 83 BCE after the destruction of a temple devoted to Jupiter, was attributed to Tarquin the Elder (Lucius Tarquinius Priscus), a legendary king of Rome from the early sixth century BCE. The Iranian apocalyptic text known as the Bahman Yasht, whose provenance is often dated to the second century BCE, is attributed to Zoroaster (1.2). See Herbert W. Parke, Sibyls and Sibylline Prophecy in Classical Antiquity (London: Routledge, 1988), 136–51; Carlo G. Cereti, The Zand Ī Wahman Yasn: A Zoroastrian Apocalypse, Serie Orientale Roma 75 (Rome: Istituto Italiano per Il Medio ed Estremo Oriente, 1995), 149; Stone, “Pseudepigraphy Reconsidered,” (see n. 6), 2; John J. Collins, “Sibylline Oracles,” OTP 1.317–472 (319–20). 18 Loren T. Stuckenbruck, “Apocrypha and Pseudepigrapha,” in The Eerdmans Dictionary of Early Judaism, ed. John J. Collins and Daniel C. Harlow (Grand Rapids: Eerdmans, 2010), 143–62 (152–53). 19 Annette Yoshiko Reed, “The Modern Invention of ‘Old Testament Pseudepigrapha,’” JTS 60 (2009): 403–36. See also Eibert J. C. Tigchelaar, “Old Testament Pseudepigrapha and the Scriptures,” in idem, Old Testament Pseudepigrapha and the Scriptures (see n. 6), 1–18.

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fusion. The latter, pseudepigraphy, can be understood as an etic term for a narrative technique that is common throughout ancient Jewish literature, whereby a text is attributed not to its actual author but a revered figure from the distant past. This technique is our present focus. The attribution of authorship to a figure from the past is attested not only in the texts regularly classified as pseudepigrapha but also in other texts, including the Hebrew Bible itself, as evident in texts such as Deuteronomy, which is attributed to Moses, and Second Isaiah. In Deuteronomy Moses is the mouthpiece for God’s law and the divinely inspired utterances of Second Isaiah are attributed to Isaiah. Pseudepigraphy is often used to portray an exalted figure as a conduit of revealed knowledge to the human realm.20 Attributing a given text to a well-respected figure from the past legitimates the view that this work conveys authentic divine knowledge. The effort in Enochic literature to legitimate claims of revelation through attribution to Enoch is fully in line with this tradition. The employment of pseudepigraphy attests an implicit theory of authorship. It utilizes the figure of an author primarily as a source of authority, not as a signification of who actually wrote the work. Vibrant and creative traditions emerged about important figures in Israel’s past, which fomented the production of stories and tales about these patriarchs of old. Speculation on who may have produced such a story must be inferred from the content of the text itself, an exercise in which contemporary conceptions of authorship can easily seep into the analysis. It is common to attribute an ancient text to a single literate individual, whose intent for writing can be reconstructed. While specific individuals did produce compositions, and presumably they understood themselves as having reasons for doing so, one should be wary of imposing modern conceptions of an author onto ancient material. Scholars have speculated on the question of the individuality of the author in pseudepigraphic writing and in particular how an actual author or authors understood their relationship to the figures to whom they attributed their writings.21 Enochic narratives typically are written in the first person, raising the question to what extent their authors identified with the “I” of Enoch.22 There 20 Annette Yoshiko Reed, “Pseudepigraphy, Authorship, and the Reception of ‘the Bible’ in Late Antiquity,” in The Reception and Interpretation of the Bible in Late Antiquity: Proceedings of the Montréal Colloquium in Honour of Charles Kannengiesser, 11–13 October 2006, ed. Lorenzo DiTommaso and Lucian Turcescu, Bible in Ancient Christianity 6 (Leiden: Brill, 2008), 467–90 (477); Najman, Seconding Sinai (see n. 7), 31–36. 21 See, for example, Hindy Najman, “How Should We Contextualize Pseudepigrapha?” in eadem, Past Renewals (see n. 7), 235–42. 22 This is a broader phenomenon in the Aramaic writings from Qumran. Consult Loren T. Stuckenbruck, “Pseudepigraphy and First Person Discourse in the Dead Sea Documents: From the Aramaic Texts to Writings of the Yaḥad,” in The Dead Sea Scrolls and Contemporary Culture: Proceedings of the International Conference Held at the Israel Museum, Jerusalem (July 6–8, 2008), ed. Adolfo D. Roitman, Lawrence H. Schiffman, and Shani

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is a long standing tradition of understanding the practice of pseudepigraphy in psychological or experiential terms. David S. Russell argued in the 60s that much of apocalyptic literature is a product of “psychical experience,” whereby one wrote in an altered state of consciousness that induced a form of divine inspiration.23 Michael Stone has similarly suggested that pseudepigraphy can be understood as an expression of mystical unity with a figure of old.24 Vicente Dobroruka has recently pushed this perspective even further, likening pseudepigraphy to spirit possession cults in Brazil, in which individuals in trancelike states are possessed by spirits, such as long dead ancestors. He understands Enochic literature as a product of automatic writing, composed by individuals who understood themselves to be possessed by Enoch.25 It is not necessary to posit theurgic or hallucinogenic practices in ancient Judaism to understand the literarily imaginative act of an author feeling a bond with Enoch.26 The work of Hindy Najman is instructive in this regard. She has stressed that attributing a text to a figure of the past reflects a desire to imitate him, understanding him as an exemplary figure to emulate.27

3. Enoch, Antediluvian Intellectual The question thus becomes: why would an author understand Enoch as a model to emulate? A major issue is the depiction of Enoch as a learned individual, establishing a clear affinity between this figure and Jews who wrote texts in the late Second Temple period. Enochic literature portrays him as a learned scribe who reads and writes. He is praised in Watchers as a “scribe of righteous-

Tzoref, STDJ 93 (Leiden: Brill, 2011), 295–326; Eibert J. C. Tigchelaar, “Forms of Pseudepigraphy in the Dead Sea Scrolls,” in Frey et al., Pseudepigraphie und Verfasserfiktion (see n. 6), 85–101 (99–100); Andrew B. Perrin, The Dynamics of Dream-Vision Revelation in the Aramaic Dead Sea Scrolls, JAJSup 19 (Göttingen: Vandenhoeck and Ruprecht, 2015). 23 David S. Russell, The Method and Message of Jewish Apocalyptic: 200 BC–AD 100, OTL (Philadelphia: The Westminster Press, 1964), 169–73. Consult also Vicente Dobroruka, Second Temple Pseudepigraphy: A Cross-Cultural Comparison of Apocalyptic Texts and Related Jewish Literature, Ekstasis 5 (Berlin: de Gruyter, 2014), 16–21. 24 Michael E. Stone, “Apocalyptic – Vision or Hallucination?” Milla Wa Milla: The Australian Bulletin of Comparative Religion 14 (1974): 47–56; repr. in idem, Selected Studies in Pseudepigrapha and Apocrypha with Special Reference to the Armenian Tradition, SVTP 9 (Leiden: Brill, 1991), 419–28. See also idem, “A Reconsideration of Apocalyptic Visions,” HTR 96 (2003): 167–80. 25 Dobroruka, Second Temple Pseudepigraphy (see. n. 23), 131–67. 26 Note, however, that one can make the case with regard to 4 Ezra that some of the visions it describes were induced by some sort of hallucinogenic substance. See 9:23–25. 27 Najman, “How Should We Contextualize Pseudepigrapha?” (see n. 7), 240.

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ness” (ṣaḥāfē ṣedq) (12:4; 15:1).28 The Book of Giants hails Enoch twice as a “scribe of distinction” (‫)ספר פרשׁא‬.29 Enoch’s scribal aptitude is critical in Watchers for understanding his ability to transcend the gulf between the terrestrial and heavenly realms.30 The wayward angels who slept with human women feel ashamed about their deeds and ask Enoch to write a “memorandum of petition,” a formal request to God for mercy which he is to read before the deity in heaven (1 En. 13:4). Watchers describes the scene in heaven in which Enoch and God interact as contained in a book (a scroll, to be more precise) written by Enoch – “the book of [the] words of truth ([‫קושׁט]א‬ ̇ ‫[ )ספר מלי‬and reprimand of the watchers]” – which contains this narrative (14:1; 4Q204 1 vi 9).31 The emphasis on Enoch as a scribe and the valence of writing as a revered practice in Enochic literature allow for the reasonable speculation that scribes transmitted and preserved these writings because they exhibited some sort of affinity with this primordial sage, although it is not clear that precise social settings can be reliably reconstructed.32 That Enochic writings are antediluvian 28

While the Geʿez has the same epithet in each text, in the Greek (Codex Panopolitanus) 12:4 reads ὁ γραµµατεὺς τῆς δικαιοσύνης, whereas in 15:1 Enoch is called ὁ ἄνθρωπος ὁ ἀληθινός, ἄνθρωπος τῆς ἀληθείας, ὁ γραµµατεύς. The phrase in 15:1 has traditionally been understood as secondary. See Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 12), 268; Robert Henry Charles, The Ethiopic Version of the Book of Enoch: Edited from Twenty-Three MSS. Together with the Fragmentary Greek and Latin Versions (Oxford: Clarendon, 1906), 41. 29 4Q203 8 4; 4Q530 2 ii 14 (cf. 4Q206a 2 2; T. Abr. 11:3 [B]; Tg. Ps.-Jon. Gen 5:24). The term ‫ פרשׁ‬in this scribal epithet may denote not simply that Enoch has distinction as a scribe but also that he has been separated from the human realm. The term also likely alludes to his prowess in interpretation (‫)פשׁר‬. See further Loren T. Stuckenbruck, The Book of Giants from Qumran: Texts, Translation, and Commentary, TSAJ 63 (Tübingen: Mohr Siebeck, 1997), 117–18. Note also the discussion of Giants below. 30 For the issue of a scribe as a mediator of revelation, see Eva Mroczek, “Moses, David and Scribal Revelation: Preservation and Renewal in Second Temple Jewish Textual Traditions,” in The Significance of Sinai: Traditions about Sinai and Divine Revelation in Judaism and Christianity, ed. George J. Brooke, Hindy Najman, and Loren T. Stuckenbruck, TBN 12 (Leiden: Brill, 2008), 91–115. Consult also Jonathan Ben-Dov, “Hebrew and Aramaic Writing in the Pseudepigrapha and the Dead Sea Scrolls: The Ancient Near Eastern Background and the Quest for a Written Authority,” Tarbiz 78 (2008–09): 27–60; Seth L. Sanders, From Adapa to Enoch: Scribal Culture and Religious Vision in Judea and Babylon, TSAJ 167 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2017). 31 In Giants Enoch writes two tablets for the giants and watchers that convey God’s proclamation of judgment against them. The preserved text of Enoch’s second tablet in Giants appears to be demarcated as a “book” (‫ )ספר‬written by Enoch (4Q203 8 1), not unlike 1 En. 14:1. Giants reveres Enoch as a figure of exceptional knowledge and depicts him as a writer of significant texts. See Józef T. Milik, The Books of Enoch: Aramaic Fragments of Qumrân Cave 4 (Oxford: Clarendon, 1976), 315. 32 Having access to esoteric revelation, as one finds in Enochic texts, can be the basis of group formation. Even though the issue cannot be answered with great specificity, discrete communities probably existed in ancient Judaism that defined their identity in part as having access to ancient wisdom through their possession of Enochic writings. This was probably

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also gives the material an antiquarian dimension, signifying the knowledge they contain not only as valuable but also esoteric, accessible only to limited number of bookish men with the scribal training necessary to read and transmit such obscure and rare writings. The depiction of Enoch as an intellectual extends beyond his characterization as a reader and writer of texts. He is construed as an exceptionally precocious man who has the ability to understand the divine revelation he is shown. Enochic literature associates the sage not simply with specific bundles of revealed knowledge but knowledge in general. He is revered for knowing everything. This is stressed in the very first claim he makes about himself in 1 Enoch: “From the words of the watchers and holy ones I heard everything (samāʿku ʾemḫabēhomu kwello)” (1:2; cf. 93:2). The end of the Astronomical Book claims when he shown the heavenly tablets that he not only read them but that when he did so he “understood everything” (81:2; ʾaʾmarku kwello). The extensive account of Enoch in Jubilees 4 extols him in similar terms: “He saw everything and understood” (v. 19; kwello reʾeya waʾaʾmara). The emphasis on the totality of Enoch’s knowledge endows the revelation conveyed in writings attributed to him with the sense that the wisdom revealed through him is comprehensive and provides an epistemic structure with which the world can be properly understood. The goal of making the world as a whole intelligible is paramount in Enochic writings. Both Watchers and the Astronomical Book convey this by purporting to provide revealed knowledge about the nature of the cosmos and the terrestrial world. Watchers’ account of the antediluvian period is paired with an account of the eschatological period (1 Enoch 10–11), providing Urzeit and Endzeit bookends to the expanse of human history, giving it structure and meaning. The Animal Apocalypse of the Book of Dreams and the section of the Epistle of Enoch known as the Apocalypse of Weeks do something similar, depicting Enoch as the conduit for the revelation of all of human history, from creation to judgment, delineated into various periods. Enoch is depicted as intellectually curious, eager to learn the heavenly knowledge he acquires. Quite different from the hesitation Moses shows when interacting with the divine world (Exod 3:11; 6:12), Enoch is not bashful and asks the angels questions about what they show him. In Watchers when he discerns a tree on the journey on which the angels guide him throughout the world – the Tree of Life in the garden of Eden, according to 1 En. 25:2 – Enoch states: “Then I answered him – I, Enoch – and said ‘Concerning all things I wish to know, but especially concerning this tree’” (cf. 21:4).33 The vast range the case with the Dead Sea sect, who preserved and transmitted Enochic texts, and there is some evidence for this in later works of 1 Enoch, especially the Epistle of Enoch, which repeatedly refers to the “righteous” as an elect group that is ordained to receive heavenly knowledge by being given Enochic books (1 En. 104:12–13). See Collins, “Enoch and Ezra” (see n. 8), 233–34; Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 12), 534–35. 33 Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 12), 314.

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of Enoch’s desire for knowledge rationalizes his reception of comprehensive knowledge. The inquisitive and intelligent nature of Enoch is important for understanding how revelation is thematized in Enochic literature. Enoch is not a passive recipient but rather an active and eager participant in his acquisition of heavenly knowledge. This is particularly clear in Watchers, not only in the textual examples just given; it is also evident at the end of the composition when he obtains astronomical knowledge. The angels take him to the eastern edge of the world where, the text assumes, Enoch has a unique vantage point to view the motion of heavenly bodies. While he does get revelation about them from Uriel, before this happens Enoch observes the skies and counts the gates of heaven out of which the stars emerge (33:2–4). Then he writes down their proper motion, which the angel Uriel reveals to him (vv. 3–4). Enoch receives astronomical revelation only once he has displayed an intellectual curiosity about the heavenly world. The tradition of Enoch as an all-knowing figure develops, and expands, over time. Whereas in the early Enochic literature, Watchers and the Astronomical Book, Enoch is a recipient of revelation, in later texts attributed to Enoch he becomes a source of revelation. This is evident in the “Birth of Noah” story (1 Enoch 106–7) and the Book of Giants (4Q530 7 ii). In both of these texts, a protagonist travels a great distance, beyond the realm of normal human habitation, because he wants to acquire important knowledge. In the case of 1 Enoch 106–7 Methusaleh travels to the ends of the earth to understand the unusual nature of Noah when he is born (suspecting his wife may have slept with an angel) and in Giants Mahaway flies over a great desert to reach Enoch, who is probably in the garden of Eden, in order to acquire an interpretation of a pair of dreams given to two giants, Ohyah and Hahyah (4Q531 7 ii).34 The radical nature of the range of Enoch’s heavenly knowledge becomes even greater in later Enochic literature, which emphasizes that he acquired knowledge that even angels do not possess (2 Enoch 21–22; 3 Enoch 14).

4. The Appeal of the Primordial Past during the Hellenistic Age The construction of Enoch as an author of texts developed to a large extent because of his antediluvian status.35 In the ancient world knowledge that was considered worthy of preservation was often valorized as ancient. Situating

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I make this argument regarding the location of Enoch in “Where’s Enoch? The Mythic Geography of the Qumran Book of Giants,” in Sibyls, Scriptures and Scrolls: John Collins at Seventy, ed. Joel Baden, Hindy Najman, and Eibert J. C. Tigchelaar, JSJSup 175, 2 vols. (Leiden: Brill, 2017), 1.472–88. 35 Wyrick, The Ascension of Authorship (see n. 5), 105.

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knowledge in that distant realm is a way to signify it as important.36 This conceit presents a given text as not simply composed but discovered – the recovery and preservation of long lost knowledge. It can also help make the present moment meaningful by construing it as following a divinely structured course that was made known long ago.37 This motif is evident, for example, in the Animal Apocalypse, in which the scope of history is revealed to Enoch in a vision, in which the eschatological end of history occurs during the Maccabean crisis. The thematization of Enoch as an antediluvian source of writing raises the important issue of how Jews in the late Second Temple period envisaged the deep past and the beginning of human history. Critical for this topic is ancient Jewish engagement with Babylonian tradition. In the seventh century BCE the Assyrian king Assurbanipal famously asserted the legitimacy of his own rule by claiming “I studied inscriptions from before the flood” (K. 2694+K. 3050).38 In this text the king not only proclaims that he has access to ancient writings but also that he has the scribal training and intelligence, much like the portrayal of Enoch in Jewish tradition, to decipher these obscure and enigmatic texts. Texts attributed to Enoch present him, like Assurbanipal in this inscription, as a “bridge” figure, as Karina Martin Hogan has recently argued, a special individual who offers a connection to a lost realm of the distant past.39 It is generally regarded that Enochic literature draws extensively from Mesopotamian tradition.40 In addition to the basic issue that the flood itself is an 36

Reed, “Pseudepigraphy, Authorship” (see n. 20), 486. Also note that at the beginning of 1 Enoch, Enoch claims “not for this generation do I expound, but concerning one that is distant I speak” (1:2). 38 The full inscription reads: “I (King Assurbanipal) learned the craft of Adapa, the sage, (which is) the secret knowledge, everything pertaining to the scribal art. I am well acquainted with the signs of heaven and earth, I was deliberating in the assembly of scribal experts. I was calculating the liver (which is) an image of heaven together with the (most) competent oil (divination) experts. I solved complicated mathematical problems that have not (even) been understood before. I read the artfully written texts in which the Sumerian version was obscure and the Akkadian version for clarifying (too) difficult. I studied inscriptions from before the flood.” See Jeanette C. Fincke, “The Babylonian Texts of Nineveh: Report on the British Museum’s Ashurbanipal Library Project,” AfO 50 (2003–04): 111–49 (119). Consult also Silvie Zamazalová, “The Education of Neo-Assyrian Princes,” in The Oxford Handbook of Cuneiform Culture, ed. Karen Radner and Eleanor Robson (Oxford: Oxford University Press, 2011), 313–30 (315); Rykle Borger, Beiträge zum Inschriftenwerk Assurbanipals (Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 1996). 39 Karina Martin Hogan, “Pseudepigraphy and the Periodization of History in Jewish Apocalypses,” in Frey et al., Pseudepigraphie und Verfasserfiktion (see n. 6), 61–83 (65). 40 Some scholars have gone so far as to argue that some parts of Watchers and the Astronomical Book were composed in Mesopotamia. See Matthias Albani, Astronomie und Schöpfungsglaube: Untersuchungen zum astronomischen Henochbuch, WMANT 68 (NeukirchenVluyn: Neukirchener Verlag, 1994); Henryk Drawnel, The Aramaic Astronomical Book (4Q208–4Q211) from Qumran: Text, Translation, and Commentary (Oxford: Clarendon, 2011), 52, 59. 37

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adaptation of Babylonian myth, the watchers and their illicit revelation of knowledge important to human civilization, such as astrology and metallurgy, are often understood as an adaptation of the apkallu tradition, the antediluvian sages who according to Mesopotamian myth brought civilizing knowledge to humankind.41 The figure of Enoch himself appears based at least somewhat on the figure of Emmeduranki, a legendary king of Sumer who learned heavenly secrets from the gods Shamash and Adad. Emmeduranki is listed as the seventh king in some versions of the Sumerian King List, a clear parallel with Enoch.42 The Jewish literature of the Hellenistic period displays a marked interest in the primordial past. While many of the classic tales of Genesis 1–11 – the Garden of Eden, Noah’s flood, Cain and Abel, the Tower of Babel – receive either scant or no attention elsewhere in the Hebrew Bible, there is a clear and sustained engagement with these tales of a bygone age in Jewish literature from the latter half of the Second Temple period. This is exactly when one finds the expansive and creative tales about Enoch acquiring esoteric knowledge and writing it down, which extend far beyond the limited treatment he receives in Genesis 5. John Collins has called this literary presentation of Enoch an example of “competitive historiography.”43 This model stresses that Jews turned to the figure of Enoch to articulate a version of history that stressed their antiquity and superseded alternative accounts of the origins of human civilization, in particular those that privilege Mesopotamia, a region widely noted in the Hellenistic period for its deep antiquity.44 There is something to this. The Hellenistic age is characterized by a comparatively young people, the Greeks, conquering and dominating a range of ancient cultures in Egypt, Babylon, Judea, and Persia.45 This loss of native power among these ancient cultures helped produce a climate of nostalgia for the past. Intellectuals of the Hellenistic Near East, such as Berossus and Manetho, strove to articulate the value of their 41 Helge S. Kvanvig, Primeval History: Babylonian, Biblical, and Enochic. An Intertextual Reading, JSJSup 149 (Leiden: Brill, 2012), 107–58; Amar Annus, “On the Origin of Watchers: A Comparative Study of the Antediluvian Wisdom in Mesopotamian and Jewish Traditions,” JSP 19 (2010): 277–320. 42 Relevant versions of the Sumerian King List include WB 444 and Berossus (frg. 3) (Berossus is also discussed below). See VanderKam, Enoch (see n. 14), 34, 39; Kvanvig, Primeval History (see n. 41), 90–106; Gerald P. Verbrugghe and John M. Wickersham, Berossos and Manetho, Introduced and Translated (Ann Arbor: University of Michigan Press, 1996), 49. 43 John J. Collins, The Apocalyptic Imagination: An Introduction to Jewish Apocalyptic Literature (3rd ed.; Grand Rapids: Eerdmans, 2016 [orig. pub., 1984]), 57. 44 It should also be stressed that there are antecedents in the Hebrew Bible itself for associating Enoch with the beginnings of human civilization. The first and only city mentioned in the antediluvian period in the Hebrew Bible is named after Enoch (Gen 4:17). 45 For a recent overview of this era, see Matthew J. Goff, “The Hellenistic Age,” in The Wiley Blackwell Companion to Ancient Israel, ed. Susan Niditch (West Sussex: Wiley Blackwell, 2016), 241–56.

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cultures by stressing their antiquity and contribution to human civilization as the source of knowledge that was of benefit to people throughout the Hellenistic world, such as writing and mathematics. In this period one finds not simply a rise of Jewish interest in the primordial past. There is also a dramatic increase in the Jewish practice of pseudepigraphy, of literature attributed to great men of the past.46 While much of the literary heritage of Israel and the ancient Near East is anonymous, the Hellenistic context of a cultural crisis and competing accounts of the etiology of knowledge possessed by various peoples helps explain the appeal in this period to venerable figures rooted in the distant past. The practice of attaching an individual’s name to a text may also itself reflect influence of Hellenistic modes of textuality, since this practice was widespread in Greek tradition.47 Accounts of revelation to Enoch in the early Enoch literature of the Astronomical Book and Watchers, both dated to the third century BCE, can be profitably interpreted against the backdrop of a vibrant contemporary discourse, in which a range of Hellenistic authors described the origins of human civilization, typically connecting this innovation to a single legendary figure.48 The Babylonian priest Berossus in the third century BCE articulated a Babylonian origin to human civilization, relating that long ago a large monster in the shape of a fish named Oannes (Sumerian Uan) came to shore, teaching them knowledge about a range of topics, including mathematics, the art of writing, and how to build cities.49 A collection of pseudepigraphic Egyptian oracles 46

The appeal of a text rooted in the distant past is also evident during this period in the Diaspora in the Jewish appropriation of the sibylline tradition and the development of the Sibylline Oracles. See Lightfoot, The Sibylline Oracles (see n. 12), 72. 47 Reed, “Pseudepigraphy, Authorship” (see n. 20), 478; Wyrick, The Ascension of Authorship (see n. 5), 2; Pamela O. Long, Openness, Secrecy, Authorship: Technical Arts and the Culture of Knowledge from Antiquity to the Renaissance (Baltimore: The Johns Hopkins University Press, 2001), 25. 48 I discuss this issue in Matthew J. Goff, “A Blessed Rage for Order: Apocalypticism, Esoteric Revelation, and the Cultural Politics of Knowledge in the Hellenistic Age,” HeBAI (forthcoming). See also John J. Collins, “Jewish Apocalypticism against Its Hellenistic Near Eastern Environment,” in idem, Seers, Sibyls and Sages in Hellenistic-Roman Judaism, JSJSup 54 (Leiden: Brill, 1997), 59–74; Wyrick, The Ascension of Authorship (see n. 5), 122–23. Also note the forthcoming dissertation by Kyle Roark (Florida State University). 49 The key passage reads: “In the very first year there appeared from the Red Sea (the Persian Gulf) in an area bordering on Babylonia a frightening monster, named Oannes, just as Apollodorus says in his history. It had the whole body of a fish, but underneath and attached to the head of the fish there was another head, human, and joined to the tail of the fish, feet, like those of a man, and it had a human voice. Its form has been preserved in sculpture up to this day. Berossus says that this monster spent its days with men, never eating anything, but teaching men the skills necessary for writing and for doing mathematics and all sorts of knowledge: how to build cities, found temples, and make laws. It taught men how to determine borders and divide land, also how to plant seeds and then to harvest their fruits and vegetables. It taught men all those things conducive to a settled and civilized life. Since

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from the second or perhaps first century BCE, attributed to Nechepso and Petosiris, a pharaoh and sage, respectively, offers a wealth of astronomical knowledge, on topics such as eclipses, presenting this information as revelation disclosed by Hermes, reflecting syncretism of Hermes and Thoth, the Egyptian god of writing.50 The historian Diodorus Siculus in the first century BCE connects the origins of both astronomy and writing to Hermes in Egypt, again indicating his conflation with Thoth (1.16.1). Diodorus, cognizant of the opinion that astronomical knowledge was first acquired in Mesopotamia, claimed that the deep antiquity of Babylonian astronomy was in fact a product of Egyptian colonization of Babylon, at which time Egyptian astronomers were transported to Mesopotamia (1.28.1; cf. 1.69.5–6; 1.81.4).51 So understood, the antiquity of Babylonian astronomy supports the claim that this knowledge originated in Egypt. This origin myth for astronomy in Diodorus does not refute the widespread view that Babylon is a site of ancient seat of astronomical speculation but rather coopts it to assert an Egypto-centric conception of the origins of human civilization (1.9.1; 1.10.3).52 There is something similar at work in the earliest Enochic literature, Watchers and the Astronomical Book, and its reception in ancient Judaism. These texts do not deny the reputation of the Babylonians for having the oldest astronomical knowledge, but rather rework this tradition to assert a Jewish etiology for astronomy. The Astronomical Book attributes the revelation of astronomical truth to Enoch and its highly technical content draws from Babylonian

that time nothing further has been discovered.” See Verbrugghe and Wickersham, Berossos and Manetho (see n. 42), 44 (frg. 1). Consult also John Dillery, Clio’s Other Sons: Berossus and Manetho: With an Afterword on Demetrius (Ann Arbor: University of Michigan Press, 2015). 50 Pedro Pablo Fuentes González, “Néchepso-Pétosiris,” in Dictionnaire des philosophes antiques, IV: de Labeo à Ovidius (ed. R. Goulet; Paris: C.N.R.S. Éditions, 2005), 601–15 (603); Martin Hengel, Judaism and Hellenism, 2 vols. (Philadelphia: Fortress, 1974), 1.215. For the text of these fragments, consult Ernestus Riess, “Nechepsonis et Petosiridis Fragmenta Magica,” Philologus Supplementband 6 (1891–93): 327–88. 51 Compare the assertion of Chaeremon, a first century CE Egyptian philosopher and astronomer that once, when the Egyptians lost all of their astronomical data during a flood of the Nile, they turned to the Babylonians to replace this material. They however gave the Egyptians erroneous data, causing them to become disciples of Chaldean astronomers. See Pieter W. van der Horst, “Antediluvian Knowledge,” in Japheth in the Tents of Shem: Studies on Jewish Hellenism in Antiquity, CBET 32 (Leuven: Peeters, 2002), 139–58 (141); idem, Chaeremon: Egyptian Priest and Stoic Philosopher, EPRO 101 (Leiden: Brill, 1987); 10– 11 (frg. 2); Annette Yoshiko Reed, “Abraham as Chaldean Scientist and Father of the Jews: Josephus, Ant. 1.154–168, and the Greco-Roman Discourse about Astronomy/Astrology,” JSJ 35 (2004): 119–58 (141). 52 Contrast Cicero, who disputes the assertion that Babylonian astronomical calculation is based on data collected over 470,000 years (De divinatione 1.19.36). See van der Horst, “Antediluvian Knowledge” (see n. 51), 140.

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astronomical traditions.53 As Reed has highlighted, astronomy in this period was not simply a debate among ‘scientists’ about obscure technical and mathematical details regarding the motion of heavenly bodies; astronomy was also a by-word for antiquity and a source of cultural prestige.54 Astronomy was an intellectual and cultural commodity claimed by various intellectuals employed to answer the question of which culture is the oldest. While some Jewish texts attribute astronomical knowledge to other figures, as in the Treatise of Shem, the prominence of the Babylonian association with astronomy helps explain why Enoch emerges in this period as the first author of astronomical texts, since the presentation of Enoch in the Hellenistic era extensively incorporates Babylonian traditions.55 It is never explicit in the Astronomical Book that Enoch was the first human to receive astronomical knowledge, but given the antiquity of this figure this is a reasonable inference. Moreover, the view that he was in fact the first person to possess astronomical knowledge is explicit in Jubilees, a second century BCE text, which also credits him with the invention of writing. The attribution of both writing and astronomy to a particular culture hero, such as Thoth or Hermes, is well attested in the Hellenistic period, as is evident from the discussion above. Similarly Pseudo-Eupolemus, an early second century BCE Jewish text preserved by Eusebius, reformulates Abraham’s journey in Genesis 12 to posit a distinct account of the origins of culture. Abraham, situated in Babylon, learns astronomy from Enoch – thus locating the origin of astronomical knowledge in Babylon, while attributing this to Enoch rather than a figure from Babylonian myth. Abraham leaves Mesopotamia, teaching astronomy to the Phoenicians and then to the Egyptians, offering a westward orientation to the spread of civilizing knowledge. Understanding the broader context of Hellenistic debates about the origins of civilization helps explain the transformation of Enoch in this period into an antediluvian source of wisdom. Authors appealed to Enoch to portray the origins of human civilization in a way that privileges accounts of the primordial past in the literary heritage of Israel. 53

For recent studies of the astronomical details of the work, see Helen R. Jacobus, Zodiac Calendars in the Dead Sea Scrolls and Their Reception: Ancient Astronomy and Astrology in Early Judaism, Studies in Judaica 14 (Leiden: Brill, 2014); Jonathan Ben-Dov, Head of All Years: Astronomy and Calendars at Qumran in Their Ancient Context, STDJ 78 (Leiden: Brill, 2008); Dennis Duke and Matthew J. Goff, “The Astronomy of the Qumran Fragments 4Q208 and 4Q209,” DSD 21 (2014): 176–210. 54 Reed, “Abraham as Chaldean Scientist,” 136–42. See also John M. Steele, ed., The Circulation of Astronomical Knowledge in the Ancient World, Time, Astronomy, and Calendars 6 (Leiden: Brill, 2016); Jonathan Ben-Dov and Seth L. Sanders, eds., Ancient Jewish Sciences and the History of Knowledge in Second Temple Literature (New York: New York University Press, 2014). 55 Note also Ant. 1.70, which attributes the development of astronomical knowledge to the line of Seth (which would include Enoch).

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The case of Watchers is rather different than the Astronomical Book with regard to its depiction of Enoch as a primordial source of revelation of knowledge important to human civilization. The core drama of the book in chapters 6–11 involves the repudiation of antediluvian revelation of various types of knowledge, including metallurgy and astronomy, presented as an illicit disclosure of heavenly information from wayward angels. This has been variously understood as an adaption of Mesopotamian myth (the apkallus) or Greek myth (Prometheus).56 The general interest of Enochic material in Babylonian tradition weighs the scale to the former option but the possibility of engagement with Greek myth cannot be dismissed out of hand. In any case, Watchers has a different attitude when compared to the Astronomical Book with regard to the types of knowledge revealed by the disobedient angels. In Watchers Enoch is given sanctioned, authentic astronomical knowledge by angels, in contrast to what the watchers reveal in 1 Enoch 6–11. At the end of Watchers Enoch is presented as receiving genuine knowledge about the terrestrial world and heavens, as mentioned above. It is never affirmed that he is the first person to acquire this information, but as with the Astronomical Book this is a reasonable inference. As for the other types of unsanctioned revelation disclosed by the watchers, authentic forms of these types of knowledge are never revealed to Enoch. The book presents the origins of civilizing knowledge, which includes the invention of metal weapons and female ornamentation, in a way that shows a deep unease with the world, providing an etiology for human culture that explains rampant violence and sexual iniquity. The exact cultural contexts in which the book, which has a complicated history of development, were produced cannot be reconstructed with full confidence. But the composition’s pessimistic outlook with regard to human civilization coheres with the basic situation in the Near East during the Hellenistic age, with the alienation from the present moment that can be discerned among the cultures conquered by the Greeks.57 The book expressly pairs the flood with the eschatological judgment, a strong assertion that God is nevertheless in control of history, with human iniquity ordained to be punished at the end of history rather than in the present (1 Enoch 10–11). The deep antiquity of Enochic revelation coheres in important ways with the theme of writtenness and the depiction of Enoch as an author. Writing provides a practical, durable medium that connects the present to a distant, Enochic past.58 The emphasis on writing is also important in Jubilees, which portrays the patriarchs as transmitting writings across the generations (e.g., 10:14; cf. 56 For an example of the former theme (discussed above), see Annus, “On the Origin of Watchers” (see n. 41), 277–320; for the latter perspective, see Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 12), 191–93. 57 Collins, “Enoch and Ezra” (see n. 8), 238; Reed, Fallen Angels (see n. 10), 41–44; Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 12), 170. 58 Reed, “Pseudepigraphy, Authorship” (see. n. 20), 486–87.

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Sir 44:4–5), as well as in the text’s claim that writing is an Enochic invention (Jub. 4:17). The Dead Sea Scrolls establish that by the third century written documents attributed to Enoch were being produced and copied. Two of these manuscripts appear to have included several Enochic texts on the same scroll (4Q204; 4Q205), suggesting that people were combining and collating Enochic writings, although most of the Enochic texts from Qumran do not attest this phenomenon. The construal of Enochic revelation in textualized form is especially emphasized in the Astronomical Book. This composition is explicitly presented as a book which purports to contain revelation that Enoch received from the angel Uriel (1 En. 72:1). The document legitimizes itself by its self-presentation as the authentic transmission of a document that Enoch himself authored. The Epistle of Enoch likewise emphasizes Enochic authorship, claiming at the outset that it is written by “Enoch the scribe” (92:1). The book also stresses the phenomenon of Enochic writing by depicting Enoch as complaining that sinners write books in their own names and asserting that they should instead copy without alteration his books (104:10–11).59 Watchers, while it asserts that Enoch is a scribe, does not present itself explicitly as a book written by Enoch in the manner of the Astronomical Book. There is tension in Enochic literature between Enoch as a source of textualized revelation and as a figure who transmits revelation orally, through inspired utterances, not unlike the prophets of the Hebrew Bible.60 The Epistle of Enoch, while presented as a written document, reads like a series of speeches spoken by Enoch. The initial portrait of Enoch in 1 Enoch (chapters 1–5) likewise depicts him as someone who “speaks” to future generations, urging them to change their sinful ways while including an oracle of theophanic judgment, which is reminiscent of the Hebrew prophets (e.g., Mic 1:2–4; Hab 3:2–6).61 There are also strong parallels between 1 Enoch 1 and the description of the prophet Balaam in Numbers 22–24.62 These affinities are an indication of the prophetic tradition as a formative influence on the emerging apocalyptic tradition. Enoch however, while offering spoken eschatological oracles and ex 59 “And I know this mystery, that sinners will alter and copy the words of truth and pervert many and lie and invent great fabrications, and write books in their own names. Would that they would write all my words in truth, and neither remove nor alter these words, but write in truth all that I testify to them.” The passage may complain that some authors are altering and attributing to themselves Enochic written works. The passage may also negatively refer to the Hellenistic custom of attributing one’s own name to a text. The emphasis that they write “in their own names” is in the Greek but not the Ethiopic version of the passage. See Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 12), 533–34; Loren T. Stuckenbruck, 1 Enoch 91–108, CEJL (Berlin: de Gruyter, 2007), 592–93, 597–98. 60 Reed, “Pseudepigraphy and/as Prophecy” (see. n. 20), 34–36. 61 Collins, The Apocalyptic Imagination (see n. 43), 59. 62 VanderKam, Enoch (see n. 14), 116–18.

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eventu prophecies, is never called in 1 Enoch a prophet, in contrast to the composition’s emphasis that he is a scribe. One plausible explanation for this is that in the Second Temple period prophecy – accounts of prophets of old who offered inspired utterances to Israel in a performative, oral fashion – circulated in written form, allowing for significant overlap between the categories prophet and scribe.63

5. The Prophetic Authority of Enoch In later antiquity the construal of Enoch as an authoritative figure is clearly connected to his portrayal as a prophet. His status as a prophet is also important for the later scriptural status of Enochic writings. This can be reasonably understood as an expansion of his affinities with the older prophets of the Hebrew Bible evident in his depiction in 1 Enoch. Enoch is regarded as a prophet in the Ethiopian tradition. The subscript that concludes 1 Enoch, for example, according to one Geʿez manuscript (Bodl. Or. 531), begins “here ends the vision of Enoch the prophet.”64 James Bruce, who helped reintroduce the West to 1 Enoch when he brought manuscripts of the composition to Europe in the 1770s, named this text “the Prophecies of Enoch,” reflecting the reception of the book in Ethiopian tradition.65 The citation of 1 En. 1:9 by Jude in Greek is an oracle of eschatological judgment which, Jude 14 relates, Enoch “prophesied” (προεφήτευσεν). Tertullian presents Enoch as “the most ancient prophet,” asserting that his written prophecies constitute part of the scriptural heritage of Christianity (de Idol. 15). Irenaeus and Athenagoras both refer to the Enochic story of the fallen angels as having been declared “through the prophets” by the Holy Spirit (adv. Haer. 1.10.1; cf. 4.16.2; Embassy 24).66 This presentation of Enoch as a prophet likely reflects the broad and expansive nature of “the prophets” as a scriptural category in early Christianity beyond the books traditionally labelled as the Neviʾim. The importance of Enoch as a scriptural 63

Alex P. Jassen, Mediating the Divine: Prophecy and Revelation in the Dead Sea Scrolls and Second Temple Judaism, STDJ 68 (Leiden: Brill, 2007). 64 Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 12), 17, 552 (his ms A). This is the manuscript published by Laurence. See Richard Laurence, The Book of Enoch the Prophet. Translated from an Ethiopic Ms. in the Bodleian Library (London: Kegan Paul, Trench & Co., 1883), 180. Consult also Reed, “Pseudepigraphy and/as Prophecy” (see. n. 20), 41. 65 He also related that in the manuscript in question the “Prophecies of Enoch” comes before the book of Job and stated that this is its customary place in the Ethiopian Old Testament. See Laurence, The Book of Enoch the Prophet (see n. 64), vii. 66 Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 12), 88; James C. VanderKam, “1 Enoch, Enochic Motifs and Enoch in Early Christian Literature,” in The Jewish Apocalyptic Heritage in Early Christianity, ed. idem and William Adler, CRINT III.4 (Assen: Van Gorcum; Minneapolis Fortress Press, 1996), 33–101 (40–43).

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prophet who received genuine revelation appears to be a distinctly Christian phenomenon, presumably shaped, as Reed suggests, by a desire to construe older scriptures as pre-Christian testimony that proclaims the advent of Christianity.67

6. Conclusion The discourse in ancient Judaism regarding Enoch affirms a basic insight of post-structuralism – texts can take on significance and meaning far removed from whatever their original authors intended. We see a broad and multifaceted appropriation of the figure of Enoch and writings attributed to him in the late Second Temple period. The remark by Borges is fitting that all writers create their predecessors.68 The ancient answer, however, to Beckett’s question is that who is speaking matters a great deal. The narrative strategy of attributing a text to Enoch was quite effective in the late Second Temple period. The pseudepigraphic attribution of writings to this antediluvian sage endowed them with the allure of deep antiquity and could easily legitimate claims of heavenly revelation. Enoch’s depiction as a scribe and an inquisitive and intelligent person was also used to affirm the validity of the knowledge such writings contained. The conferral of Enochic authority on texts through the narrative technique of pseudepigraphy takes two dominant forms in Enochic literature. One is to present one’s text as an authentic representation of a book written by Enoch long, long ago. This technique is particularly manifest in the Astronomical Book but runs throughout the corpus of 1 Enoch. A related motif is to portray Enoch as a culture hero, the conduit through which knowledge came to this world that is of benefit to humankind as a whole, such as astrology and writing. This strategy is explicit in Jubilees and Pseudo-Eupolemus and, as I have argued above, implicit in the Astronomical Book and also shapes Watchers. A second major way to code a text as written by Enoch, which overlaps with the first, is to offer a narrative presentation of Enoch as an oracular figure, putatively written by Enoch himself, that recounts his exceptional utterances and activities, such the reception of visions and journeys conducted by angels. This theme shapes the depiction of Enoch as a scribe and a prophet. The construal of Enoch as an antediluvian transmitter of divine knowledge whose writings 67

Reed, “Pseudepigraphy and/as Prophecy” (see. n. 20), 38. See also Laura Nasrallah, An Ecstasy of Folly: Prophecy and Authority in Early Christianity (Cambridge: Harvard University Press, 2003). 68 One could also appeal to Derrida’s assertion that “the person writing is inscribed in a determined textual system.” See Jorge Luis Borges, “Kafka and His Precursors,” in Burke, Authorship (see n. 3), 335–37 (337); Jacques Derrida, “The Exorbitant. Question of Method,” in ibid., 117–24 (120).

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were preserved offered an effective and powerful way for Jews to establish a link to and understanding of the primordial past.

Warum Esra? – Beobachtungen zum Autorkonzept des 4. Esrabuches Stefan Krauter Warum ist das 4. Esrabuch ein Esrabuch? Diese Frage kann man, wenn man sie streng als Frage nach der intentio auctoris versteht, selbstverständlich nicht beantworten. Was sich der Autor mit der Wahl dieses Pseudonyms gedacht hat, wissen wir nicht und können es nicht wissen.1 Innerhalb einer textimmanenten oder auch einer rezeptionsästhetischen Betrachtungsweise kann diese Frage aber durchaus sinnvoll sein. Vergleicht man das 4. Esrabuch mit weiteren, späteren Esraschriften, so erkennt man: In vielen dieser Schriften, z.B. der Offenbarung des Esra2, der Apokalypse des Esra3, der Visio Beati Esdrae4, der Apokalypse des Sedrach5 und den Fragen Esras6, ist „Esra“ kaum mehr als eine relativ beliebige Chiffre für einen Seher mit Geheimwissen über die Zukunft.7 Das sogenannte 6. Esrabuch scheint sogar erst im Laufe der Überlieferungsgeschichte zufällig von einem ursprünglich anonymen Text zu einer Esraschrift geworden zu sein.8 Das ist im 4. Esrabuch offensichtlich anders: Dass es eine Esraschrift ist, ist für seinen Plot von Bedeutung und für die anvisierten Leser interpretationsfähig und auch interpretationsbedürftig.

1

Das scheint mir eine unumstößliche Grundeinsicht der Literaturwissenschaft zu sein, trotz der kognitiven Wende, die den realen Autor wieder stärker in den Fokus rückt, als dies in früheren, textzentrierten Modellen der Fall war. 2 Vgl. dazu D.A. FIENSY, Revelation of Ezra, in: J.H. Charlesworth (Hg.), Old Testament Pseudepigrapha Bd. 1, New York 1983, 601–604. 3 M.E. STONE, Greek Apocalypse of Ezra, in: J.H. Charlesworth (Hg.), Old Testament Pseudepigrapha Bd. 1, New York 1983, 561–579. 4 J.R. MUELLER/G.A. ROBBINS, Vision of Ezra, in: J.H. Charlesworth (Hg.), Old Testament Pseudepigrapha Bd. 1, New York 1983, 581–590. 5 S. AGOURIDES, Apocalypse of Sedrach, in: J.H. Charlesworth (Hg.), Old Testament Pseudepigrapha Bd. 1, New York 1983, 605–613. 6 M.E. STONE, Questions of Ezra, in: J.H. Charlesworth (Hg.), Old Testament Pseudepigrapha Bd. 1, New York 1983, 591–599; J. LEONHARDT-BALZER, Fragen Esras, JSHRZ NF 1/5, Gütersloh 2005. 7 Vgl. dazu S. KRAUTER, Esra zwischen Kanon und Apokryphen, in: J. Frey/C. Clivaz/T. Nicklas, Between Canonical and Apocryphal Texts. Processes of Reception, Rewriting and Interpretation in Early Judaism and Early Christianity, WUNT, Tübingen [im Druck]. 8 M. WOLTER, 5. Esra Buch. 6. Esra Buch, JSHRZ 3/7, Gütersloh 2001, 823.

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Ich möchte im Folgenden zuerst beschreiben, wie die Figur „Esra“ im 4. Esrabuch konstruiert wird. Dann werde ich zeigen, dass das eine einigermaßen prekäre Konstruktion ist. Sie weist nämlich in sich, vor allem aber im Gegenüber zu der aus anderen Texten und Traditionen bekannten Figur „Esra“ Spannungen und Brüche auf. Schließlich möchte ich versuchen, eben diese spannungsreiche Konstruktion zu deuten.

1. Der Esra des 4. Esrabuches 1.1 Die Namenszuschreibung Wörtlich genommen bedeutet Pseudepigraphie, dass ein Werk eine „falsche Überschrift“ hat, d.h. eine Verfasserangabe, die nicht auf den tatsächlichen Autor referiert. Im Falle des 4. Esrabuches ist es aber weniger die Überschrift – die ja je nach Version verschieden und in der Fassung „4. Esrabuch“ eine moderne Kategorisierung ist –, die einen Bezug zu Esra herstellt, als vielmehr der Text selbst. Gleich zu Beginn des Textes wird nämlich Esra als Ich-Erzähler namentlich eingeführt und er bleibt dann auch durchgehend Hauptfigur und Erzähler. Mit einer Ausnahme: dem (vermutlich ursprünglichen)9 Schluss in der syrischen Version (4Esr 14,50); dort wird seine Entrückung in der 3. Person erzählt. Gerade dieser Wechsel vom personalen zum auktorialen Erzähler, wenn die Entrückung Esras erzählt wird, lässt schon vermuten, dass die ansonsten in der 1. Person erzählende Hauptfigur auch der Autor des vorangehenden Textes sein soll.10 Über die eigene Entrückung11 kann man ja logischerweise keinen Text verfassen.12 Verstärkt wird dieser Eindruck durch zwei Hinweise: Esra soll aufschreiben, was er gesehen hat (4Esr 12,37), und diktiert 70 verborgene, nur für die Weisen bestimmte Bücher über die Geheimnisse am Ende der Zeiten (4Esr 14,46f). Es liegt nahe, dies selbstreferentiell zu lesen, d.h. das 4. Esrabuch als Ausführung des Schreibauftrages und eines der 70 Bücher zu verstehen.

9 In der lateinischen Version scheint dieser Vers aufgrund der Anfügung von 6. Esra (und teilweise auch 5. Esra) verlorengegangen zu sein. 10 Das ist nicht notwendig so. Es gibt antike Texte mit Ich-Erzählern, die eindeutig nicht der Autor sind, z.B. die Metamorphosen des Apuleius. Umgekehrt gibt es Texte, deren pseudepigraphischer Autor in auktorialer Erzählperspektive in der 3. Person über sich erzählt, z.B. die als Moseschrift verstandene Tora. 11 Im Unterschied zur Himmels- oder Jenseitsreise, von der man wieder zurückkehrt. 12 Ebenso wie über den eigenen Tod; vgl. die Debatten über den Verfasser des Schlusses des Pentateuch (Dtn 34).

Warum Esra?

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1.2 Verortung und Datierung Ebenfalls gleich im ersten Vers wird dieser Ich-Erzähler, Protagonist und pseudepigraphische Autor Esra geographisch und chronologisch eingeordnet: Er befindet sich im dreißigsten Jahr nach der Zerstörung der Stadt (d.h. Jerusalems) in Babylon (4Esr 3,1). Zwar kann man aufgrund der Adlervision auf eine Datierung gegen Ende der Regierungszeit Domitians kommen, was rund 30 Jahre nach der Eroberung Jerusalems und der Zerstörung des Zweiten Tempels durch Vespasian wäre.13 Dennoch ist es nicht sinnvoll, den ersten Vers direkt als verschlüsselte Angabe zum realen Autor zu lesen. Orts- und Zeitangabe gehören vielmehr zur Konstruktion der Figur Esra. Sie befindet sich sozusagen in maximaler Entfernung von einem Zustand des Heils und des Friedens: in der Stadt der Feinde und – wenn man die symbolischen 70 Jahre aus Jeremia (Jer 25,11; 29,10; vgl. Esr 1,1) als zeitlichen Anhaltspunkt nimmt – mitten in der Exilszeit. 1.3 Personenkonstellationen Distanz prägt auch die Personenkonstellationen, in denen sich die Figur Esra bewegt. Es wird zwar deutlich, dass Esra eine Führungsfigur des Volkes Israel ist (4Esr 5,16–19; 12,40b–50; 14,13). Bis auf wenige Passagen ist Esra aber nicht in direkter Interaktion mit dem Volk oder mit dessen Vertretern. Stattdessen zieht er sich von allen Kontakten zurück. Im Visionsteil sondert er sich sogar von menschlichen Lebensgewohnheiten ab, indem er auf Anweisung Uriels für Tiere typische Nahrung zu sich nimmt (4Esr 9,23–27). In religiöser Hinsicht wird er vom Volk distanziert, indem ihm die Fürbitte für das Volk untersagt wird (4Esr 10,39; 12,40b–50; 7,61; 8,46–62a). Eingeordnet wird Esra hingegen in einen anderen Personenkreis: Er wird mit Abraham und Mose parallelisiert, die genauso wie er Offenbarungen über das Ende der Zeiten bekamen (4Esr 3,14; 14,4f.). Daniel wird ausdrücklich als sein „Bruder“ erwähnt (4Esr 12,11). An einigen anderen Stellen werden „die deinesgleichen“ (similes tui) genannt (4Esr 14,9; 8,51.62). Das sind die Menschen, die wie Esra würdig sind, an der kommenden Welt teilzuhaben. Am Ende der Schrift erhält Esra den Auftrag, die 70 geheimen Bücher für die Weisen in seinem Volk (sapientes de populo tuo) zu überliefern (4Esr 14,46; vgl. 4Esr 12,38). Da die 70 Bücher unter anderem auf das 4. Esrabuch selbst referieren, liegt es nahe, dass hier eine Identifikationsmöglichkeit für die intendierten Leser angeboten wird. Sie sind diese Weisen und als solche mit Esra, Abraham, Mose und Daniel verbunden, insofern sie die Geheimnisse am Ende der 13 K.M. HOGAN, Theologies in Conflict in 4 Ezra. Wisdom Debate and Apocalyptic Solution, JSJ.S 130, Leiden u.a. 2008, 182–185, diskutiert die verschiedenen Datierungsvorschläge und plädiert für eine Datierung der ursprünglichen Textfassung in die Zeit des letzten Flaviers und eine spätere Ergänzung und Erweiterung.

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Zeiten kennen und richtig mit ihnen umgehen (quorum scis corda posse capere et servare secreta haec; 4Esr 12,38), und sie sollen sich wohl auch als diejenigen fühlen, die diese Seher als Ihresgleichen empfinden und mit ihnen Anteil an der kommenden Welt haben werden. 1.4 Funktionen Über weite Strecken des Werkes hat Esra die Funktion eines Offenbarungsempfängers: in den ersten drei Abschnitten dergestalt, dass er der durchaus kritische Gesprächspartner Uriels ist, in den Abschnitten vier bis sechs, indem er Visionen sieht. Auch im Schlussabschnitt behält er diese Funktion, hier in der Form, dass ihm mithilfe einer wundersamen Gedächtniserweiterung die 94 Schriften eingegeben werden. Zur Funktion des Offenbarungsempfängers treten hier aber noch weitere Aspekte hinzu: In diesem Abschnitt bekommt Esra Offenbarungen nicht nur für sich, sondern zur Weitergabe an andere, wird also Offenbarungsmittler. Indem er die ihm eingegebenen Worte fünf Schreibern diktiert, entsteht ein dauerhaftes, seinen Tod bzw. seine Entrückung überdauerndes Offenbarungsmedium. Und indem er die Schriften nach Gottes Anweisung in öffentliche und verborgene einteilt und vor dem Volk eine abschließende Mahnrede hält, setzt er sozusagen auch Regeln für den richtigen Gebrauch dieser Offenbarung.

2. Eine prekäre Konstruktion Im Großen und Ganzen wirkt der Esra des 4. Esrabuches auf den ersten Blick wie eine in sich stimmige Figur. Bei näherem Hinsehen zeigen sich jedoch Spannungen und sogar Brüche, die hart daran vorbeischrammen, dass sich die pseudepigraphische Fiktion des Buches selbst destruiert. Dies gilt einerseits textimmanent, andererseits besonders dann, wenn man Bezüge zu weiteren Esratraditionen mit in den Blick nimmt. 2.1 Interne Spannungen Dass das 4. Esrabuch kein in sich bruchloses Werk ist, zeigt ein Blick in die Auslegungsgeschichte. Nicht ohne Anlass haben ja Ausleger des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wie Richard Kabisch14 vermutet, das Werk sei aus mehreren Quellen kompiliert. Diese Herangehensweise an den Text wird heute von den meisten Auslegern abgelehnt. Sie ist ja auch eigentlich keine Lösung, sondern eher eine Verschiebung des Problems. Allerdings gibt es auch keinen Konsens über eine Lösung. Wie kann es sein, dass im Laufe des Werkes sehr verschiedene, ja teilweise nicht miteinander 14

R. KABISCH, Das vierte Buch Esra, auf seine Quellen untersucht, Göttingen 1889.

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vereinbare theologische Positionen geäußert werden? Wie ist der Rollenwechsel Esras vom einsamen, verzweifelt klagenden Menschen zum Neuoffenbarer der Schriften und Mahner und Tröster des Volkes zu verstehen? Auf der einen Seite wird vertreten, dass das Buch eine gedankliche und emotionale Entwicklung Esras darstelle – so v.a. Michael Stone15 in seinem Kommentar in Anschluss an die Grundzüge von Hermann Gunkels Deutung16. Auf der anderen Seite wird behauptet, dass das Buch verschiedene theologische Positionen, verteilt auf verschiedene Protagonisten in einer Art Debatte gegeneinander antreten lasse – so v.a. Karina Martin Hogan17 unter Aufnahme von Arbeiten von Wolfgang Harnisch18 und Egon Brandenburger19. Ich denke, dass man, indem man die Autorkonstruktion des Buches berücksichtigt, die Menge der plausiblen Deutungen etwas eingrenzen kann. Esra ist Hauptperson, Ich-Erzähler und pseudepigraphischer Autor des Buches. Von daher ist die von Egon Brandenburger aufgebrachte,20 von Wolfgang Harnisch radikalisierte21 und später wiederum von Brandenburger etwas zurückgenommene22 Deutung, Esras Äußerungen im Dialogteil des Buches drückten eine vom realen Autor völlig abgelehnte theologische Position aus, wenig plausibel. Wenn der Esra der ersten drei Visionen, wie Harnisch meinte, ein „Häretiker“ wäre, dann müsste entweder die „Bekehrung“ in Vision 4 sehr viel deutlicher markiert sein – oder der Text würde sich sozusagen den Boden unter den eigenen Füßen wegziehen. 15 M.E. STONE, Fourth Ezra. A Commentary on the Book of Fourth Ezra, Minneapolis 1990. Im Grundsatz ähnlich auch M.P. KNOWLES, Moses, the Law, and the Unity of 4 Ezra, NT 31 (1989), 257–274. 16 H. GUNKEL, Das vierte Buch Esra, in: E. Kautzsch (Hg.), APAT Bd. 2, Tübingen u.a. 1900, 331–402. Aus heutiger Sicht sind seine Versuche der psychologischen Einfühlung in Esra bzw. den mehr oder weniger mit ihm identifizierten Verfasser der Schrift allerdings etwas blumig. 17 HOGAN, Theologies in Conflict (s. Anm. 13). 18 W. HARNISCH, Verhängnis und Verheißung der Geschichte. Untersuchungen zum Zeitund Geschichtsverständnis im 4. Buch Esra und in der syr. Baruchapokalypse, FRLANT 97, Göttingen 1969. 19 E. BRANDENBURGER, Die Verborgenheit Gottes im Weltgeschehen. Das literarische und theologische Problem des 4. Esrabuches, AThANT 68, Zürich 1981; DERS., Adam und Christus. Exegetisch-religionsgeschichtliche Untersuchung zu Röm. 5,12–21, WMANT 7, Neukirchen 1962. 20 BRANDENBURGER, Adam (s. Anm. 19). 21 HARNISCH, Verhängnis und Verheißung (s. Anm. 18), 64f.; DERS., Der Prophet als Widerpart und Zeuge der Offenbarung. Erwägungen zur Interdependenz von Form und Sache im IV. Buch Esra, in: D. Hellholm (Hg.), Apocalypticism in the Mediterranean World and the Near East. Proceedings of the Internat. Colloquium on Apocalypticism, Uppsala, August 12–17, 1979, Tübingen 1983, 461–493, Wiederabdruck in: W. HARNISCH, Rhetorik und Hermeneutik in der Apokalyptik und im Neuen Testament, SBAB 45, Stuttgart 2009, 11–41 (33). 22 BRANDENBURGER, Verborgenheit (s. Anm. 19), 149–153.

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Deutlich vorsichtiger formuliert Karina Martin Hogan ihre These, dass im 4. Esrabuch sozusagen drei verschiedene Theologien des antiken Judentums in einer Debatte gegeneinander anträten: Covenantal Wisdom vertreten von Esra im Dialogteil, Eschatological Wisdom vertreten von Uriel im Dialogteil und Apocalyptic Theology in den Visionen und im Epilog.23 Zwei Probleme hat aber auch diese Interpretation: Erstens gebührt Hogan zwar das Verdienst, das theologische Profil der verschiedenen Aussagen im Werk sehr sorgfältig herausgearbeitet zu haben. Dabei macht sie aber die Unterschiede etwas zu stark und übersieht manche grundlegenden Gemeinsamkeiten. Darauf haben Beiträge, die ihren Entwurf kritisch rezipieren, hingewiesen.24 Zweitens scheint mir wieder unklar, wie in diesem Falle die pseudepigraphische Autorkonstruktion des Textes stimmig sein soll. Im 4. Esrabuch gibt es zwei bzw. drei sehr ungleiche Dialogpartner – einen Menschen, einen Engel und Gott. Das kann eigentlich nur funktionieren, wenn man Folgendes annimmt: Erstens vertreten der Engel und Gott im Grunde dieselbe Position. Zweitens besteht zwischen ihnen und dem menschlichen Gesprächspartner ein deutliches Gefälle. Drittens allerdings, da der Mensch die Figur ist, die der Schrift als deren pseudepigraphischer Autor ihre Autorität verleiht, muss zumindest seine Haltung am Ende, d.h. zum fiktiven Zeitpunkt der Abfassung, aus Sicht des realen Autors eine vertretbare Haltung sein. Viertens muss darum alles, was diese Figur äußert, mit ihrer Haltung am Ende in ein stimmiges Ganzes integrierbar sein. „Stimmiges Ganzes“ kann dabei durchaus Veränderungen und Entwicklungen implizieren – es könnte sogar (nachvollziehbare) Brüche implizieren –, kaum aber ein bloßes Nebeneinander verschiedener Ansichten. Auch wenn man Hogans Konzept einer theologischen Debatte aufnimmt, muss man also zumindest ein Moment des Gunkelschen Interpretationsansatzes, d.h. einer gedanklichen und psychologischen Entwicklung, integrieren. 2.2 Externe Spannungen Der Esra aus dem 4. Esrabuch überschneidet sich in manchen Aspekten mit dem aus anderen Esratraditionen, insbesondere aus dem biblischen Esra-Nehemia-Buch bekannten Esra: Zu nennen ist natürlich an erster Stelle schlicht der Name, dann die Verortung in Babylon, ebenso die Zeichnung als Führungsfigur des Volkes Israel. Die zentrale Gemeinsamkeit ist die Funktion bei der Neuoffenbarung der Tora. Innerhalb der Esratraditionen gibt es hier eine gewisse Bandbreite von der Rolle im Esra-Nehemia-Buch, wo Esra das Gesetz vorliest, erklärt und durchsetzt (Neh 8,1–12; vgl. auch 3Esr 9,37b–55), bis zu Äußerungen bei Kirchen-

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HOGAN, Theologies in Conflict (s. Anm. 13). Vgl. v.a. A.E. STEWART, Narrative World, Rhetorical Logic, and the Voice of the Author in 4 Ezra, JBL 132 (2013), 373–391 (375). 24

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vätern25 oder in rabbinischen Texten26, wo er die Tora nochmals von Gott eingegeben bekommt. Innerhalb dieses Spektrums lässt sich das 4. Esrabuch durchaus verorten – mit dem besonderen Akzent, dass Esra auch die 70 geheimen Schriften empfängt und diktiert. Allerdings gibt es auch Unterschiede: Das beginnt mit den Personenkonstellationen. Während der Esra des 4. Esrabuches mit wenigen Ausnahmen einsam ist, ist Esra im Esra-Nehemia-Buch in ständiger Auseinandersetzung mit dem Volk und dessen Vertretern (Esr 7,28; 8,15–21; 8,24–30; 9f.) und er steht in (allerdings teilweise lockerer) Verbindung mit weiteren Zentralfiguren der nachexilischen Restauration, nämlich Joschua, Serubbabel und Nehemia (Neh 8,9; 12,1.13.26.36.47). Eine für den Esra des Esra-Nehemia-Buches konstitutive Beziehung, nämlich seine Beauftragung durch den persischen König (Esr 7,11–26), fehlt im 4. Esrabuch. Dementsprechend kommen auch Themen wie Wiederaufrichtung des Tempels, Wiedereinrichtung des Kultes, Einsetzung einer Torarechtsprechung, Neukonstituierung des Volkes, Mauerbau entweder überhaupt nicht in den Blick oder nur innerhalb visionärer Ausblicke auf die Endzeit.27 Wenn man versucht, die „Biographie“ des Esra aus dem 4. Esrabuch mit der des Esra aus Esra-Nehemia zusammenzufügen, wird die Differenz zum Widerspruch: Den Zeit- und Ortsangaben zufolge müsste Esra nach dem im 4. Esrabuch Erzählten mit seiner in Esra-Nehemia berichteten Mission beginnen. Das ist aber innerhalb der Erzählwelt des 4. Esrabuches kaum vorstellbar. Denn in 4Esr 14,9.13f. wird Esra sein nahe bevorstehender Tod (bzw. seine Entrückung aus dieser Welt) angedeutet, in der syrischen Version wird die Entrückung in 4Esr 14,50 erzählt. Selbst wenn man annimmt, zwischen der Neuoffenbarung der Schriften und der Entrückung könne eine Zeitspanne liegen, kommt man in Schwierigkeiten. Das Esra-Nehemia-Buch datiert die Rückkehr im Anschluss an Jer 25,11 und 29,10 auf 70 Jahre nach der Exilierung. Ein Esra, der laut 4Esr 3,1 30 Jahre nach der Exilierung in Babylon lebt, müsste daher im Esra-Nehemia-Buch ein unwahrscheinlich alter Mann sein. Wie kann man diese Spannungen erklären? Eine erste Möglichkeit, die man nicht von vornherein ausschließen darf, ist die, dass der Esra des 4. Esrabuches gar nicht der Esra aus dem Esra-Nehemia-Buch und ähnlichen Esratraditionen 25

Vgl. z.B. Irenaeus, haer. 3,21,2; Eusebius, h.e. 5,8,15; Clemens Alexandrinus, Stromateis 1,22,149; Tertullian, De cultu feminarum 1,3. Vgl. dazu T. HIEKE, Art. Esra, in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2005 (Zugriffsdatum: 28.04.2017), 2.4.; R.A. KRAFT, „Ezra“ Materials in Judaism und Christianity, ANRW II/19.1 (1979), 119–136 (125). 26 Vgl. dazu G.G. PORTON, Ezra in Rabbinic Literature, in: J.M. Scott (Hg.), Restoration. Old Testament, Jewish, and Christian Perspectives, JSJ.S 72, Leiden u.a. 2001, 305–333; E. VIEZEL, Ezra (Book and Person). III. B. Rabbinic Judaism, C. Medieval Judaism, Encyclopedia of the Bible and its Reception 7 (2013), 632–663. 27 Vgl. KRAFT, „Ezra“ Materials (s. Anm. 25), 133.

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ist. Diesen Schluss haben immerhin manche antike Ausleger gezogen, etwa die spanische Rezension des 5. Esrabuches.28 Als Hinweis in diese Richtung könnte man auch den schon erwähnten zweiten Namen Esras, Salatiel, verstehen. Falls damit Schealtiel, der Vater Serubbabels, aus Esr 3,2.8 gemeint wäre,29 könnte der aus davidischer Familie stammende Esra/Salatiel des 4. Esrabuches nicht der Priester aus dem Esra-Nehemia-Buch (Esr 7,1–5.11) sein.30 Allerdings ist diese Möglichkeit eher unwahrscheinlich. Denn wie bei allen antik jüdischen Apokalypsen lebt die Autorfiktion des 4. Esrabuches davon, dass der pseudepigraphische Autor eine aus der biblischen Tradition bekannte Figur der Vergangenheit ist.31 Gerade daraus ergibt sich ja der Autoritätsanspruch des Buches. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass der Esra des 4. Esrabuches der Esra des kanonischen Esra-Nehemia-Buches wäre. Man darf nicht einfach davon ausgehen, dass dieses sozusagen der Kern- und Ausgangspunkt aller weiteren Esratraditionen sei. Vielmehr sieht man gerade am Esra-Nehemia-Buch, das in sich auch nicht frei von Widersprüchen ist, an der als 3. Esrabuch bezeichneten Parallelversion, an der Aufnahme der Esrageschichte bei Josephus und an weiteren Texten, dass es offenbar verschiedene Traditionen von der Restauration nach dem Exil gab, die einzeln oder auch in verschiedenen Kombinationen literarisch verarbeitet wurden. Es ist also nicht unmöglich, dass der Esra aus dem 4. Esrabuch zwar im Grunde der Esra ist, der auch im Esra-Nehemia-Buch vorkommt, aber eben nicht in direktem Bezug auf dieses Buch, sondern als von ihm weitgehend unabhängige, sehr anders geartete Erzähltradition. Der gemeinsame Kern bestünde dann eigentlich nur darin, dass Esra im Zusammenhang mit dem Exil die Schrift wiederherstellte. Aus zwei Gründen scheint mir aber auch diese Möglichkeit eher weniger wahrscheinlich. Erstens kann man doch erkennen, dass das 4. Esrabuch bemüht ist, den Widerspruch zum Esra des Esra-Nehemia-Buches zumindest an der Oberfläche nicht zu groß werden zu lassen. Die Hinweise auf den Zeitpunkt des Todes bzw. der Entrückung Esras bleiben – bewusst – undeutlich.32 Zweitens bezieht sich das 4. Esrabuch explizit auf den biblischen Kanon: Die 24 von den Büchern, die Esra diktiert, die für alle bestimmt sind, sind die Bücher der Hebräischen Bibel, und es liegt durchaus nahe, auch das Esra-Nehemia28

5Esr 1,1 ψ. Vgl. dazu S. KRAUTER, Zur Theologie des 5. Esra-Buches, Early Christianity 2 (2011), 153–172 (156–158). 29 So P. METZGER, Esra und das vierte Esra-Buch. Die Bedeutung des Pseudonyms für die Interpretation einer apokalyptischen Schrift, in: F.W. Horn/M. Wolter (Hg.), Studien zur Johannesoffenbarung und ihrer Auslegung (FS O. Böcher), Neukirchen-Vluyn 2005, 263– 290 (266). 30 Vgl. dazu auch STONE, Fourth Ezra (s. Anm. 15), 55f. 31 Im Falle von Daniel ist aus den ursprünglichen Erzählungen und den auf sie Bezug nehmenden späteren Visionen ein Buch geworden. 32 4Esr 4,52; vgl. STONE, Fourth Ezra (s. Anm. 15), 54.

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Buch darunter zu vermuten. Von diesen 24 Büchern her beziehen die 70 geheim zu haltenden Bücher für die Weisen ihre Autorität. Wie schon bei Abraham und Mose gibt es diese beiden Teile der Offenbarung, die aufeinander bezogen sind. Von daher kann man durchaus behaupten, dass der Esra des 4. Esrabuches den Esra aus den biblischen Traditionen voraussetzt. Aber er ist eben auch deutlich von ihm unterschieden. Genau das gilt es nun abschließend zu interpretieren.

3. Deutungsmöglichkeiten 3.1 Kontinuität Das 4. Esrabuch endet mit der Szene, die den Höhepunkt des Esra-NehemiaBuches darstellt, der Verlesung des Gesetzes. Die Umstände sind nicht genau dieselben,33 dennoch ist der Kern gleich. Paul Metzger erfasst ihn in seinem Aufsatz „Esra und das vierte Esra-Buch. Die Bedeutung des Pseudonyms für die Deutung einer apokalyptischen Schrift“34 folgendermaßen: Der biblische Esra stehe für den Wiederaufbau Israels nach der Katastrophe der Tempelzerstörung und des Exils.35 In dieser Funktion werde er nun nach der Katastrophe der zweiten Tempelzerstörung reaktiviert. Wie er schon einmal nach dem Exil Israel die Tora wiedergegeben habe, die das Überleben Israels sichere, so auch jetzt.36 Karina Martin Hogan macht in ihrem Aufsatz „Pseudepigraphy and the Periodization of History in Jewish Apocalypses“37 einen ähnlichen Vorschlag. Esra sei eine Brückenfigur („bridge figure“).38 Sie weist zurecht darauf hin, dass das Exil im 4. Esrabuch noch mehr als im Esra-Nehemia-Buch als Bruch in der Weitergabe der Traditionen Israels imaginiert wird, weil es geprägt ist durch den völligen Verlust der Schrift (4Esr 14,21). Esra fungiere im 4. Esrabuch daher in erster Linie als derjenige, der die Schriften wiederherstelle.39

33 So geht es einmal um die Tora, ein andermal um die 24 Schriften der Hebräischen Bibel, einmal um eine Verlesung vor dem Volk, ein andermal um ein Diktat für fünf Schreiber. 34 METZGER, Esra (s. Anm. 29). 35 METZGER, Esra (s. Anm. 29), 266f. 36 Ebd., 270–279. 37 K.M. HOGAN, Pseudepigraphy and the Periodization of History in Jewish Apocalypses, in: J. Frey/J. Schröter/M. Janssen/C.K. Rothschild (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen, WUNT 246, Tübingen 2009, 61–83. 38 HOGAN, Pseudepigraphy (s. Anm. 37), 74–82. 39 Ebd., 81f.

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Ein erster wichtiger Aspekt der Esrafigur im 4. Esrabuch ist also sicherlich, dass sie für Kontinuität steht: Wie der biblische Esra sorgt dieser Esra dafür, dass das „Gesetz“ erhalten bleibt. 3.2 Autorität Esra stellt allerdings im 4. Esrabuch nicht nur das „Gesetz“ wieder her, sondern auch die 70 weiteren Schriften. Das 4. Esrabuch setzt dabei die Autorität der „24 Bücher“ voraus. Sie sind autoritativ und öffentlich. 70 Schriften – darunter sich selbst – stellt das 4. Esrabuch vom Autoritätsanspruch auf eine Ebene mit diesen bereits bekannten und anerkannten Büchern, aber ausdrücklich als nicht öffentliche, sondern als verborgene (4Esr 14,46). Es geht hier kaum um ein Corpus von 70 Schriften, das sozusagen als esoterischer Kanon neben 24 kanonischen Büchern etabliert werden soll. Die 70 Schriften stehen vielmehr für den Inhalt der Offenbarungen, die Esra bekommen hat, d.h. für die Belehrung über die Geheimnisse der Endzeit.40 Um diesen Anspruch zu formulieren, wird die Stilisierung Esras als zweiter Mose, die im kanonischen Esrabuch angelegt ist, ausgebaut.41 Zugleich wird sozusagen rückwirkend Mose als erster Esra gezeichnet, dem am Sinai auch schon die geheimen Weisheiten offenbart wurden (4Esr 14,3–6).42 Autorität ist also ein zweiter Aspekt der Esrafigur des 4. Esrabuches: Diese Figur sorgt dafür, dass die Schrift mit demselben Anspruch auftreten kann wie die kanonischen Schriften. 3.3 Krise Wie bereits ausgeführt, scheint es mir nicht möglich, die Position Esras im Dialogteil der Schrift, d.h. in den ersten drei Abschnitten, nur als abgelehnte und widerlegte Position innerhalb einer theologischen Debatte aufzufassen. Zwar besteht – darin sind sich wohl alle Ausleger des 4. Esrabuches einig – ein deutliches Autoritätsgefälle zwischen dem Menschen Esra einerseits und dem Engel Uriel sowie den von Gott gesandten Visionen andererseits und darum auch ein Gefälle zwischen Esras Ansichten am Beginn und am Ende der Schrift. Aber auch als überwundene Position Esras ist seine Position in den drei vorderen Abschnitten doch eben eine Position derjenigen Figur, die der Schrift insgesamt ihre Autorität verleiht. 40 So zu Recht u.a. B.W. LONGENECKER, 2 Esdras, Sheffield 1995, 91; STONE, Fourth Ezra (s. Anm. 15), 441. 41 Vgl. dazu LONGENECKER, 2 Esdras (s. Anm. 40), 85–88. Zu dem Motiv, dass Esra nicht die Tora aus Babylon wiederbringt und verliest, sondern sie vom Geist inspiriert neu diktiert, vgl. KRAFT, „Ezra“ Materials (s. Anm. 25), 125. Die nächste Parallele ist Tertullian, De cultu feminarum 1,3, der ebenfalls „Apokryphen“, nämlich das Henochbuch, miteinbezieht. 42 In 4Esr 3,14 wird dies sogar noch auf Abraham zurückprojiziert.

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Esras Situation am Beginn des 4. Esrabuches kann man als Krise des aus dem Esra-Nehemia-Buch bekannten Esra verstehen. Dort verliest er das Gesetz (Neh 8,1–12) und sorgt durch Belehrung und auch durch politische Maßnahmen dafür, dass es vom Volk als ganzes und von allen einzelnen in Zukunft befolgt wird, und zwar vor allem in Hinblick auf den Kult (Neh 10). Im 4. Esrabuch bezweifelt Esra grundsätzlich, dass das Volk oder einzelne Menschen in der Lage seien, das Gesetz zu befolgen, und er klagt, dass der immerhin unternommene Versuch des Volkes, dieses zu befolgen, sich nicht positiv auswirkte. Diesem Zweifel entspricht sein Rückzug aus seiner Rolle: Als Phaltiel ihn als Führungsfigur des Volks anspricht, weist Esra ihn zurück (4Esr 5,16– 19). So sehr Esra also für Kontinuität und für die Autorität steht, so sehr ist er auch Exponent einer grundsätzlichen Krise überkommener Glaubenssätze. 3.4 Transformation Unter diesem Aspekt ist nun auch nochmals auf den ersten Punkt – Esra, den Neuoffenbarer der Tora, als Garanten der Kontinuität – zurückzukehren. So plausibel es ist, dass in der Schlussszene des 4. Esrabuches die Verlesung des Gesetzes aus Neh 9 aufgenommen wird und dass darin das Element der Kontinuität eine wichtige Rolle spielt, ist das doch nicht einfach eine Art Wiederholung. Das übersieht m.E. die erwähnte Deutung von Paul Metzger. In seiner Interpretation steht am Ende des Buches die vollständige Restitution der Tora. Die zusätzlich zu ihr gegebenen „70 Bücher“ dienen allenfalls dazu, die in der Krise ins Wanken geratene Motivation, die Gebote der Tora zu befolgen, wieder zu stärken.43 Sozusagen am anderen Ende eines möglichen Spektrums von Deutungen steht Bruce W. Longeneckers Untersuchung „Eschatology and the Covenant“. Er meint, dass die hinzutretende esoterische Offenbarung die Funktion der Tora massiv verändere.44 Die „70 Bücher“ seien inhaltlich mit dem identisch, was Uriel in den Dialogen gesagt habe, d.h. mit einer individualistischen, legalistischen Heilslehre für die wenigen.45 Die „24 Bücher“, die Bücher der Hebräischen Bibel, stünden hingegen für die Restitution von Gottes Bund mit Israel, innerhalb dessen einerseits Israel kollektiv, andererseits aber besonders

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METZGER, Esra (s. Anm. 29), 270–279; ähnlich KNOWLES, Moses (s. Anm. 15), 270– 274, der allerdings mehr darauf abhebt, dass das Gesetz selbst am Ende die Funktion des „guten Triebes“ bekomme, der das „böse Herz“ überwinde. 44 B.W. LONGENECKER, Eschatology and the Covenant. A Comparison of 4 Ezra and Romans 1–11, JSNT.SS 57, Sheffield 1991. Diese These wurde allerdings von ihm selbst später deutlich modifiziert: DERS., 2 Esdras (s. Anm. 40), 29–32.98–100. 45 LONGENECKER, Eschatology (s. Anm. 44), 136.

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der einzelne Israelit die Tora erfüllen soll und kann.46 Allerdings versteht Longenecker diese nach außen an das Volk gerichtete Botschaft ironisch:47 Der Schein werde aufrechterhalten, dass Gottes Bund (mit gewissen Modifikationen) weiterhin bestehe, während doch in Wirklichkeit Esra ein neues, eben Uriels gänzlich vom Bundesgedanken gelöstes Gesetzesverständnis legitimiere.48 Longenecker selbst hat in späteren Publikationen diese These nicht mehr vertreten. Sie geht auch, wie mir scheint, deutlich zu weit – und trifft doch einen richtigen und wichtigen Punkt. Mit dem Nebeneinander von exoterischen und esoterischen autoritativen Schriften ist im 4. Esrabuch nämlich durchaus ein Wandel in der Funktion des Gesetzes verbunden: Während im Esra-Nehemia-Buch die Erneuerung der Tora im engen Verbund mit der politischen und religiösen Erneuerung des Volkes Israel steht (Wiederaufbau des Tempels, Errichtung der Mauern, Aufhebung der Mischehen), ist dies im 4. Esrabuch nicht der Fall. Die Tora (bzw. die 24 Schriften) ist zwar wörtlich dieselbe, aber sie ist jetzt der Wegweiser zu einem gerechten Leben, das nach dem Tod zum Heil führen wird.49 Dieser Wandel in der Funktion ist aber möglich, weil diese Schriften jetzt (in der Fiktion freilich schon immer) im Zusammenhang mit der esoterischen Offenbarung über die kommende Welt stehen. Diese wird zwar dem Volk nicht mitgeteilt, sondern nur den Weisen, die aus ihr die Zusammenhänge verstehen lernen. Aber sie spielt doch immerhin insoweit für alle eine Rolle, als sie plausibel macht, der exoterischen Offenbarung weiterhin zu folgen, auch wenn ihr früherer Kontext und damit eigentlich auch die Motivation, ihr zu folgen, jedenfalls in dieser Welt unwiderruflich verloren sind.50 Von daher ist es nur konsequent, dass die Figur Esra im 4. Esrabuch in einem Spannungsverhältnis zum biblischen Esra steht, den sie voraussetzt. Dessen Rolle bei der Restauration Israels nach dem Exil kann er gar nicht mehr haben, weil eine solche Restauration für das 4. Esrabuch völlig außerhalb des Erwartbaren und auch außerhalb des theologisch Denkbaren liegt. Insofern ist Esra dann auch und sogar insbesondere eine Figur der Transformation.

46 Ebd., 137: Esras Abschiedsrede (4Esr 14,28–36) setze einen individualistischen Akzent und nehme darin Uriels Position teilweise auf. 47 Ebd., 138. 48 Ebd., 155. 49 Vgl. das Fazit der Abschiedsrede Esras an das Volk 4Esr 14,13: Si ergo imperaveritis sensui vestro et erudieritis cor vestrum, vivi conservati eritis et post mortem misericordiam consequemini. 50 Insofern ähnelt der Esra des 4. Esrabuches dem der Rabbinen, die in ihm ebenfalls keine Figur der Restauration, sondern der Transformation Israels sehen; vgl. PORTON, Ezra in Rabbinic Literature (s. Anm. 26), 305. Vgl. auch B.W. LONGENECKER, Locating 4 Ezra: A Consideration of its Social Setting and Functions, JSJ 28 (1997), 271–293.

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Warum also Esra? Die Eingangsfrage lässt sich nun erstens präziser stellen und zweitens auch plausibel beantworten. Der Erzähler, Protagonist und pseudepigraphische Autor des 4. Esrabuches ist ein „revidierter Esra“. Er soll die Leser an den Esra der biblischen Tradition erinnern und ist doch erkennbar anders.51 Dieser „revidierte Esra“ transportiert eine komplexe Botschaft an die Leser: Er steht für Kontinuität zur biblischen Tradition und damit auch für deren weiterbestehende Autorität. Zugleich aber kann er eine tiefgreifende Krise dieser Tradition zum Ausdruck bringen und einen Lösungsansatz für diese Krise repräsentieren, der in einer Transformation der Tradition besteht.

51 Ob das impliziert, dass für (zumindest einige) antike Leser die pseudepigraphische Autorschaft des Esra eine transparente Fiktion war, lässt sich schwer einschätzen. Zeugnisse dafür gibt es in der Rezeptionsgeschichte nicht.

Visions with Authority Reconsidering the Origins and Transmission of Apocalyptic Visions, with Special Attention to Jewish and Christian Pseudepigrapha István Czachesz In an age that is obsessed with the intellectual ownership of texts and ideas, it seems puzzling why anyone would want to express their ideas in publications that bear other people’s names. Yet this is exactly what we can see happening in the ancient Mediterranean World routinely. Famous authors were in fact concerned about texts circulating under their names without their authorization. For example, in the introduction to his Institutio oratoria, Quintilian mentions as an important reason for writing his manual that his students put into circulation under his name notes taken during his lectures (Quintilian, Inst. 1, Pref. 7). Christ followers used the names of the apostles routinely to promote their own ideas in gospels, letters, and apocalyptic texts. It seems that in apocalyptic literature such a procedure was the rule rather than the exception. The phenomenon of pseudepigraphy has been studied extensively and scholars usually agree that using the name of a well-known figure served the purpose of lending a text authority.1 Employing the names of prophets from the historical past could also enhance the widespread literary technique of vaticinium ex eventu.2 In addition to writing in someone else’s name (which is the usual meaning of pseudepigraphy), attributing an existing text to a known figure could serve the same purpose. In fact, very few texts in the Bible were written by the person whose name appears in their title.3 It seems, however, that even 1 See recently Bart D. Ehrman, Forgery and Counterforgery: The Use of Literary Deceit in Early Christian Polemics (New York: Oxford University Press, 2014); Jörg Frey et al., Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen. Pseudepigraphy and author fiction in early Christian letters (Tübingen: Mohr Siebeck, 2009). 2 Locating visions in the past made it possible to make successful “predictions” in the text about events that took place in the author’s past but in the ascribed author’s future, thus giving credibility to additional prophecies about the real author’s future. The classical example of the technique is the Book of Daniel. 3 It would be advisable to reserve the word “pseudepigraphy” to the secondary attribution of authorship to an existing text and using “pseudonymity” in the case of someone writing in someone else’s name. On one hand, there is a shared logic behind both phenomena: the

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within the general practice of attributing both existing and new texts to some well-known figure, apocalyptic visions constitute a special case. As Michael E. Stone observed, “[i]t had long been a prevalent opinion of scholarship that pseudepigraphic apocalypses are in some sense forgeries and that they present completely fictitious narratives about their claimed authors, with no roots in reality.”4 If one follows the path set out by previous scholarship, one has no choice but to conclude that ancient Jewish and Christian accounts of visions of heavenly realities were in fact double forgeries: they both misattributed authorship and presented fictional narratives (of visions) as historical events. The aim of this essay is to contribute to the discussion of strategies of authorization in the pseudepigrapha by drawing on a new approach to visionary experience. I will argue that a fresh look at subjective religious experience in apocalyptic literature prompts us to reconsider both charges of “forgery.” In particular, I will turn to insights from cognitive neuroscience to revisit the plausibility of the occurrence of visionary experiences like the ones we read about in apocalyptic texts; discuss the relationship between visions and texts; and ask about the visionary practices and social settings of the visionaries.

Neuroscience and the reality of visionary experiences During the last decade, some scholars defended the position that accounts of visions and tours of heaven and hell in the ancient Mediterranean world were rooted in actual religious experiences.5 The support for such a position has been authority of texts and ideas is what matters rather than their actual authorship. On the other hand, there are important differences between the two procedures. For example, only the latter technique can be used to enhance the credibility of a vaticinium ex eventu (see note 2 above). 4 Michael E. Stone, “A Reconsideration of Apocalyptic Visions,” HTR 96.2 (2003): 167– 80, at 167. 5 Some important statements include John J. Pilch, “Holy Men and Their Sky Journeys: A Cross-Cultural Model,” BTB 35.3 (2005): 106–11; Alan F. Segal, “Religious Experience and the Construction of the Transcendent Self,” in Paradise Now: Essays on Early Jewish and Christian Mysticism, ed. April D. DeConick (Atlanta: Society of Biblical Literature, 2006), 27–40; Michael E. Stone, Ancient Judaism: New Visions and Views (Grand Rapids: Eerdmans, 2011), 90–121; Adriana Destro and Mauro Pesce, “The Heavenly Journey in Paul. Tradition of a Jewish Apocalyptic Literary Genre or Cultural Practice in a Hellenistic-Roman Context?,” in Paul’s Jewish Matrix, ed. Thomas G. Casey, Justin Taylor, and Karl P. Donfried (Mahwah, NJ: Paulist Press; Rome: Gregorian & Biblical Press, 2011), 167–200; Pieter F. Craffert, “Alternate States of Consciousness and Biblical Research,” BTB 47.2 (2017): 100–110. Other relevant contributions are found in Frances Flannery, Colleen Shantz, and Rodney A. Werline, eds., Experientia, Volume 1: Inquiry into Religious Experience in Early Judaism and Early Christianity (Atlanta, GA: Society of Biblical Literature, 2008); Colleen Shantz and Rodney A. Werline, eds., Experientia, Volume 2:

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derived mainly from comparative cultural studies. Later in this essay, I will turn to comparative evidence to examine various details of the textual tradition. In the beginning, however, I will take a different route and reason about the reality and importance of visionary experiences based on the neuroscientific study of religious experience. Any subjective experience is processed and remembered with the help of the neurological apparatus of the brain. We can make the observation that subjective religious experiences show both similarities and variation. Some details of the experiences are different between two individuals coming from the same religious tradition, whereas other details are more consistent within a given culture. Furthermore, there are also cross-culturally recurrent features of religious experiences. If identical elements of religious experience are witnessed in several cultures, it is meaningful to presuppose that there are shared neuroanatomical features behind them. Moreover, variation both within and between cultures can be explained by the application of different stimuli to the same neuroanatomical structures. The connection between visionary experiences (and religious experiences in general) and neurological phenomena has been subject to theoretical and empirical research for some decades. During the mid-1980s, Michael A. Persinger developed and tested the hypothesis that mystical and religious experiences are correlated with mild epileptic seizures in the temporal lobe, the part of the brain located above the ears on both sides.6 In the 1990s, based on earlier experimental work in brain imaging, Eugene G. D’Aquili and Andrew B. Newberg put forward a complex theory of how brain parts interact to cause different types of mystical experience in meditation. They focused, in particular, on two ways that lead to the experience of “absolute unitary being,” in which the subject “loses all awareness of discrete limited being and of the passage of time, and even experiences an obliteration of the self-other dichotomy,” an experience that is usually interpreted as the unio mystica or the experience of God.7 More recently, Fred H. Previc developed a model that connects religious belief with a particular system of the brain that is responsible for processing information in the extrapersonal space, that is, space that surrounds the individual outside of arm’s reach but still close enough to be immediately relevant for thoughts and

Linking Text and Experience (Atlanta, GA: Society of Biblical Literature, 2012); István Czachesz et al., “Special Issue: Religious Experience in Mediterranean Antiquity,” J. Cogn. Hist. 2.1 (2015): 5–74. 6 Michael A. Persinger, Neuropsychological Bases of God Beliefs (New York: Praeger, 1987). 7 Eugene G. D’Aquili and Andrew B. Newberg, The Mystical Mind: Probing the Biology of Religious Experience (Minneapolis: Fortress, 1999); Andrew B. Newberg and Eugene G. D’Aquili, “The Creative Brain/The Creative Mind,” Zygon 35 (2000): 53–68.

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actions.8 This system is also active in dreams and hallucinations, explaining experiences of leaving the body or being connected to external forces. Another influential, neuroscientific model of religious experience has been proposed by Patrick McNamara.9 McNamara’s process of “decentering” involves the giving up or limiting of personal agency; entering a liminal state; search for an optimal self; and integration of the old into a new self. In particular, McNamara described how neural processes result in the “reduction of intentionality or a turning over of the will to God” and culminate with “insights and gratitude/joy.”10 The process described by McNamara is partly based on empirical data gained from the study of entheogenic substances (psychoactive substances that are known to evoke religious experience).11 However, McNamara suggested that “[w]e can be relatively confident that […] entheogens produce religious experiences by activating the same brain circuit that normally handles religious experiences.”12 The neuroscientific studies mentioned so far shared an interest in religious experience as a special kind of experience, mediated by dedicated brain structures. This line of scholarship can be linked to the understanding of religious experience as sui generis (of a special kind) in several academic traditions in modern times. For example, German romantic theology, Anglo-American conversion-oriented theology, Rudolf Otto’s concept of “the holy,” and Mircea Eliade’s irreducible, sacred essence of religion, among others, were indebted to such a concept of religious experience. Other scholars argued for a broader and more diverse approach to the neuroscience of religious experience. For example, Uffe Schjødt suggested that “[r]eligious behavior encompasses widely different thoughts and practices,” which “differ widely in both cognitive content and corresponding neural correlates” (p. 312).13 Gerd Theissen called for the study of both “extreme” and “moderate” religious experience in biblical sources.14 The visionary experiences described in apocalyptic literature in general, and in the pseudepigrapha, in particular, can be called “extreme” both in terms of their extraordinary 8

Fred H. Previc, “The Role of the Extrapersonal Brain Systems in Religious Activity,” Consciousness and Cognition 15 (2006): 500–539. 9 Patrick McNamara, The Neuroscience of Religious Experience (New York: Cambridge University Press, 2009), 44–58. 10 Ibid., pp. 53 and 143, respectively. 11 Ibid., pp. 131–43. 12 Ibid., p. 138. 13 Uffe Schjoedt, “The Neural Correlates of Religious Experience,” Religion 41, no. 1 (2011): 91–95; Uffe Schjoedt, “The Religious Brain: A General Introduction to the Experimental Neuroscience of Religion,” Method Theory Study Relig. 21, no. 3 (2009): 310– 39, at 312. 14 Gerd Theissen, Erleben und Verhalten der ersten Christen: Eine Psychologie des Urchristentums (Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2007).

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intensity and in terms of their many aspects that deviate from everyday experience. Apocalyptic visions include shared structural elements and motifs, but they also include a great amount of individual detail. Many elements of visionary experiences can be connected to neurological phenomena observed in other contexts. For example, the phenomenon of outof-body experiences (OBEs) constitutes one of the most researched topics related to visionary experience in neuroscience. Olaf Blanke studied experiences including “vestibular sensations (such as floating, flying, elevation and rotation), visual body-part illusions (such as the illusory shortening, transformation or movement of an extremity) and the experience of seeing one’s body only partially during an [out-of-body experience] or [autoscopy].”15 Whereas previous research connected out-of-body experiences to disturbances in these areas due to pathologies such as epileptic seizures or migraine, the latest studies identified tendencies in clinically normal people that are correlated with out-ofbody experiences, such as more perceptual anomalies and more proneness to hallucinations.16 The neuroscientific study of out-of-body experience has been drawn upon by biblical scholars, who identified elements of out-of-body experiences, among others, in Paul’s tour of heaven mentioned in 2 Corinthians 1217 and in the vision described in chapters 6–11 of the Ascension of Isaiah.18 Near-death experiences (NDEs) constitute another group of phenomena that is relevant for the study of visionary experience. People who had such experience report “ineffability, overwhelming feelings of peace, seeing a tunnel, a sensation of being out of the body, meeting nonphysical beings including a ‘Being of Light,’ reviewing one’s life, a border or point of no return, and coming back to life with marked changes in attitudes and with knowledge not acquired through normal perception.”19 While out-of-body experiences are related to a relatively well-defined group of neurological processes (the integration of information about the location and unity of the self and the body), near-

15

Olaf Blanke et al., “Out-of-Body Experience and Autoscopy of Neurological Origin,” Brain 127.2 (2004): 243–58. 16 Jason J. Braithwaite et al., “Cognitive Correlates of the Spontaneous out-of-Body Experience (OBE) in the Psychologically Normal Population: Evidence for an Increased Role of Temporal-Lobe Instability, Body-Distortion Processing, and Impairments in OwnBody Transformations,” Cortex 47.7 (2011): 839–53, at 849. 17 Colleen Shantz, Paul in Ecstasy: The Neurobiology of the Apostle’s Life and Thought (Cambridge and New York: Cambridge University Press, 2009). 18 István Czachesz, “Religious Experience Behind the Account of Isaiah’s Ascent to Heaven: Insights from Cognitive Science,” in The Ascension of Isaiah, ed. Jan N. Bremmer, Thomas R. Karmann, and Tobias Nicklas (Leuven: Peeters, 2016), 235–57. 19 Bruce Greyson, “Getting Comfortable with near Death Experiences. An Overview of near-Death Experiences,” Mo. Med. 110.6 (2013): 475–81, at 471.

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death experiences involve a diversity of experiential details and neurological correlates.20 Yet another natural condition frequently discussed in this context is sleep paralysis. Sleep paralysis is a “transient, conscious state of involuntary immobility occurring immediately prior to falling asleep or upon wakening,” generally thought to be related to the so-called REM (rapid-eye-movement) phase of sleep, in which dreaming typically occurs.21 Hallucinatory experiences in this condition include seeing lights, animals, strange figures, demons, hearing heavy footsteps, humming or buzzing noises, noises of heavy objects moved, a sense of a monitoring “evil presence,” pressure on the chest, suffocating, choking, floating, being out of the body, and flying.22 Other sleep-related experiences include hypnagogic experiences at the onset of sleep (which occur with or without sleep paralysis), including sudden acquisition of knowledge, seeing lights, panoramic landscapes, vivid and colorful images such as honeycombs, webs, tunnels, and spirals.23 Related auditory sensations include hearing one’s name called and being addressed by the persons visualized. Sensations of floating upward, falling, weightlessness, flying, rapid acceleration, being “wrenched out of one’s body,” spinning, swirling, being hurled through a tunnel, or being moved rapidly forwards also characterize this state. It is notable that many visionary experiences described in apocalyptic literature display a narrative structure, often presented as a journey through the heavens and the nether world. We can connect this pattern to neurological processes identified behind the typical sequence of events of many hallucinatory experiences. Michael Marsh considered the effects of hypoxia (reduced levels of oxygen in the brain).24 As oxygen returns to the brain, different areas near the side, top, and back of the brain produce visual, auditory, and emotional information that are largely disconnected at that point. This phase is characterized by purposeless activity, an easy penetration of boundaries, and a neglect of earthly realities. Subsequently, the awakening brain becomes able to register new memories and stores these loosely connected images and sensations. During the last stage, the prefrontal cortex regains function. This part of the brain 20 Dean Mobbs and Caroline Watt, “There Is Nothing Paranormal about near-Death Experiences: How Neuroscience Can Explain Seeing Bright Lights, Meeting the Dead, or Being Convinced You Are One of Them,” Trends Cogn. Sci. 15.10 (2011): 447–49. 21 J. Allan Cheyne, Steve D. Rueffer, and Ian R. Newby-Clark, “Hypnagogic and Hypnopompic Hallucinations during Sleep Paralysis: Neurological and Cultural Construction of the Night-Mare,” Conscious. Cogn. 8.3 (1999): 319–37, at 319. 22 Ibid., 320; Katharine J. Holden and Christopher C. French, “Alien Abduction Experiences: Some Clues from Neuropsychology and Neuropsychiatry,” Cogn. Neuropsychiatry 7.3 (2002): 163–78, at 167. 23 Michael Marsh, Out-of-Body and near-Death Experiences: Brain-State Phenomena or Glimpses of Immortality? (Oxford and New York: Oxford University Press, 2010), 138–41. 24 Ibid., 84–96.

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includes areas responsible for higher cognitive functioning, such as decisionmaking, planning, and social perception. As a result, the initial disengagement from earthly reality gives way to renewed responsibility; dying patients meet family members who convince them to return to life; and finally, elements of the environment are integrated into the experience increasingly. McNamara described a comparable sequence that emerges from changes in the balance of the neurotransmitters serotonin and dopamine in the brain.25 Without delving into the neuroanatomical details, we can summarize the findings of Marsh and McNamara in a two-phase model of visionary experience.26 The sequence starts with a complete oblivion to this-worldly reality and a surge of vivid, hallucinatory sensations and images. In the second phase of the experience, such details enter conscious perception and reflection. Marsh emphasizes the integration of resurfacing clues about the real world, including awareness of social ties, into the experience. McNamara’s model, in turn, explains the emotional aspect of the experience (blissful, pleasant sensations). The two-phase model is helpful in understanding the directionality and narrative structure present in ancient tours of heaven and hell. It is of course evident that oral and literate transmission also shaped the descriptions of the tours, which we will consider in the next part this essay. Further, distinction can be made between two narrative perspectives: while some visionaries travel through upper and lower regions, others stay put on earth and their gaze is directed to those realms. It remains to be seen if the latter distinction relies on different neurological correlates or arises from the literary patterns used to describe the experience. The suggested structure of several apocalyptic texts in terms of the two-phase model is shown in Table 1.

25

McNamara, The Neuroscience (see n. 9), 131–43. For a detailed discussion, see István Czachesz, Cognitive Science and the New Testament: A New Approach to Early Christian Research (Oxford and New York: Oxford University Press, 2017), 160–65. 26

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István Czachesz Early phase

Late phase

Note

Testament of Levi 2-5

Seven heavens

Judgment, return

1 Enoch 14-19 (Ethiopic)

Heaven

Earth, prison of stars and powers

2 Enoch (Slavonic)

Seven heavens

Return and report

Revelation

Heaven

Last judgment

Ends with the heavenly Jerusalem

Apocalypse of Peter

Greek: Heaven

Greek: Hell

Phases reversed in the Ethiopic text

Testament of Abraham

Heaven?

Judgment, sins and punishments

Heaven mentioned in the later version

Apocalypse of Abraham

Heaven

Sins of the world, punishments

3 Baruch (Greek)

Four heavens

Entry denied to fifth heaven, description of mankind, return

Greek Apoc. of Ezra

Heaven

Intercession, Tartarus

Multiple journeys

Visio Pauli

Third heaven

Earth and hell

Ends in heaven

Continues with fantastic landscapes

Table 1: Phases of some early visions of heaven and hell (until the fourth century CE)

Let us add a few notes on the texts listed in the table from the point of view of the two-phase model. (1) The themes of divine judgment and revenge (or punishments) are integrated into many tours of heaven. How far and in what way these elements reflect subjective experience is a question we cannot discuss at this place. We can note that these themes involve abstract concepts of divine justice, which are based on complex cultural traditions.27 The experiential aspect of these themes is not always explicit or elaborated, although the vivid, mythological imagery of judgment in Revelation invites a reading in terms of religious experience and has been subject to “psychedelic” interpretations. (2) Many of the visions also include a “tour of hell,” which became the standard 27

Lautaro R. Lanzillotta, “Does Justice Reward the Righteous? The Justice Pattern Underlying the Apocalypse of Peter,” in The Apocalypse of Peter, ed. Jan N. Bremmer and István Czachesz (Leuven: Peeters, 2003), 127–57; István Czachesz, The Grotesque Body in Early Christian Discourse: Hell, Scatology, and Metamorphosis (Sheffield: Equinox, 2012), 9–55.

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form of apocalyptic texts in Christianity, including an especially detailed description of hell in the Visio Pauli. It seems difficult to understand the structure of these episodes from either neuroscientific model, which rather predict a return to normal, everyday reality at the end of the vision. Whether tours of hell are ultimately based on macabre visions such as some experiences connected to sleep paralysis (see above) or other conditions is an interesting question we cannot pursue further at this point. (3) At least two of the visions (Revelation and the Visio Pauli) end with a return to heaven. Although one can imagine a scenario in which the viewer goes through multiple cycles of the two-phase journey, it is more straightforward to understand such complex tours as resulting from literary composition (which, in turn, could be motivated by both aesthetic and theological interests). (4) The same is true of multiple, separate tours, such as in the Greek Apocalypse of Ezra. (5) The Testament of Abraham has two extant recensions, of which only the later one (B) contains a fairly short visit to heaven (chapter 8). It is remarkable that many texts contain a tour of heaven without an interest in hell, whereas there are very few tours of hell without at least a short glimpse at heaven. What are the implications of the neuroscientific research of visionary experiences for understanding the connection between ancient visions and authorization? The study of brain processes underlying visionary experiences, including a variety of their elements and the narrative structure of many texts, strengthens our confidence that people in Mediterranean antiquity indeed had experiences similar to the ones described in apocalyptic texts. Ancient people had brains that were identical (in terms of neuroanatomy) to human brains in the twenty-first century and thus they had experiences that were similar to ours. Since elements of such visionary experiences have been repeatedly documented and connected to underlying neurological processes, there is good reason to think that ancient people had such experiences, too. Visionary experiences are not only real in terms of having observable anatomical correlates but also in terms of their effects on the people who have them. While visions are shaped by people’s beliefs and previous experiences, as I will argue in a moment, both the content of the visionary experience and its effects on the subject can be surprising and powerful, possibly contradicting the subject’s convictions and worldviews.28 Thus visionary experiences can yield surprising realizations, which is at least one of the reasons why ancient Mediterranean societies (and pre-industrial societies in general) understood visions as important sources of knowledge. In other words, the perceived reality of the visions and their powerful effects convinced the seer of their significance and lent authority to the seer and the seer’s report. The recognition of such authority was probably supported by the cultivation of experiences by a wider 28

Ismael E. A. Peláez, “Science, Spirituality, and Ayahuasca: The Problem of Consciousness and Spiritual Ontologies in Academy,” Zygon 52, no. 1 (2017): 100–123.

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circle of non-experts, who had access to visionary experiences in various ways, such including shared practices (to be discussed later), sleep-related conditions (see above), or illness. In spite of its openness to multiple interpretations, Paul’s short report of visionary experience in 2 Corinthians 12 is informative in this respect. Whether Paul refers to himself or perhaps to someone else is less significant than the information that “visions and revelations” were important matters when it came to his authority among the apostles (at least in the eyes of his addressees) and that reporting a visit to the third heaven could enhance an apostle’s credibility. Our discussion of the neurological correlates of visionary experiences suggests that such claims were not fictional and rhetorical but could in fact be rooted in powerful subjective experience.

Texts, memory, and apocalyptic tradition While understanding the neurological correlates of religious experiences provides important insights about their reality and significance, additional factors have to be taken into consideration in order fully to understand their origin and impact. Figure 1 presents a heuristic model of how subjective experience interacts with various psychological and cultural entities (Fig. 1).29

Figure 1: Religious experience in context 29

First printed in István Czachesz, “Religious Experience in Mediterranean Antiquity: Introduction to the Special Issue,” J. Cogn. Hist. 2.1 (2015): 5–13, at 8, used with permission; cf. István Czachesz, Cognitive Science and the New Testament: A New Approach to Early Christian Research (Oxford and New York: Oxford University Press, 2017), 140– 65.

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The diagram shows that the anatomy of the human brain shapes and constrains religious experience (as we have argued above) as well as beliefs and culture in a broad sense. The emergence of religious experience in the brain is the result of some form of “stimulation.” Empirical research has produced knowledge about the role of meditative techniques and psychoactive substances in religious experiences. In this essay, we understand stimulation in a much broader sense, including ritual practices, personal circumstances, and even historical events. As I will argue, texts can also serve as starting points of meditation and facilitate subjective experience. A crucial fact about visionary experiences is that we have no access to them except through the seer’s memories. It is the memory of the experience, rather than the momentary experience itself, which matters for its long-term influence on the seer and the seer’s community. For the experience to be known to others and exert an influence on culture it must be expressed in some form of behavior, such as speech, writing, or some artistic medium. This is true of all subjective experience: before it can be known to others, subjective experience has to be recalled and externalized. With with the help of modern technology one can take objective measures, such as recording physiological states and activity in different brain regions; however, the subjective nature of the experience will be available only through self-report, which is based on the subject’s recollections. When we study experience in the historical past, texts and artifacts are the only means by which we can access the memory traces of subjective experiences. The seer’s previous beliefs and experiences shape religious (visionary) experience. The beliefs held by the individual influence religious experience and contribute to its formation, interacting with emotional and sensory components of the experience as it takes shape. How early in the experience this begins is a matter of debate and probably depends on the type of experience that is being investigated. In some cases it may be meaningful to speak about “raw experience,” one that is largely uninfluenced by cultural input and which becomes interpreted only during later stages or levels of cognitive processing.30 Undoubtedly, as soon as the initial experience is stored in memory it undergoes various transformations. The process of remembering is a constructive one.31 30

Cf. Ann Taves, “Ascription, Attribution, and Cognition in the Study of Experiences Deemed Religious,” Religion 38, no. 2 (2008): 125–40; Nina P. Azari and Dieter Birnbacher, “The Role of Cognition and Feeling in Religious Experience,” Zygon 39, no. 4 (2004): 901– 17. 31 Eg., Daniel L. Schacter, Memory Distortion: How Minds, Brains, and Societies Reconstruct the Past (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1995); Daniel L. Schacter and Donna R. Addis, “The Cognitive Neuroscience of Constructive Memory: Remembering the Past and Imagining the Future,” Philos. Trans. R. Soc. B Biol. Sci. 362.1481 (2007): 773– 86; Daniel L. Schacter and Scott D. Slotnick, “The Cognitive Neuroscience of Memory Distortion,” Neuron 44.1 (2004): 149–60; Antonietta Curci and Tiziana Lanciano, “Features

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What gets encoded into long-term memory, how memories are reconfigured with time, and how recollection takes place will shape subjective experience as remembered by the subject. Further psychological, social, and environmental factors will influence how this recollection is then put into words. As a result, differences in culturally acquired knowledge and expectations can lead to substantial variation in experiences that probably rely on a shared set of neurological processes. For example, a two-phase visionary experience, suggested in the previous section, can be remembered and communicated as shamanic journey, alien abduction, or a journey to heaven. As the memory of the experience is externalized, it enters cultural transmission, exposing it to the influence of literary genres and other cultural patterns of communication. At this stage, it becomes unavoidable that new layers of meaning are attached to the memory of the experience, giving room to religious, social, and political interpretations to be incorporated in the transmitted visionary account. It is obviously very difficult to distinguish the layers of a visionary report; what the seer actually saw and remembered, what are the subsequent interpretations by the seer or the seer’s community, and how later individuals may have been involved in the process of oral and written transmission of the visionary experience. More important than identifying “authentic” elements of the visionary account is to recognize that texts and other forms of external representations (such as artistic or liturgical expressions) of the religious experience exert an influence on the beliefs and experiences of other individuals. As a result, one seer’s experience, as shaped by individual remembering and cultural transmission, can provide the setting for another seer’s experience, its memories, and its interpretation. The openness of the experience to subsequent interpretations and its potential to influence (the interpretation of) new experiences is probably a key factor behind some traditions gaining more authority than others. While visionary practices will be scrutinized in more detail in the next part of the essay, the use of texts has to be mentioned in this section, as it pertains directly to the discussion of experience, memory, and transmission. Based on our above discussion, we can identify three different roles that texts can play in connection with visionary experiences: (1) the seer can use texts in meditation as a stimulus to facilitate visionary experience; (2) texts can serve as vehicles to transmit the memory of the visionary experience; (3) and texts can be used to make sense of the experience by the individual or the group. The use of texts in the stimulation of religious experiences is a cross-culturally attested practice. For example, Amazonian shamans learn sacred songs,

of Autobiographical Memory: Theoretical and Empirical Issues in the Measurement of Flashbulb Memory,” J. Gen. Psychol. 136.2 (2009): 129–52.

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so-called icaros, which enable them to communicate with the plants.32 More closely related to the cultural traditions with which are concerned, scholars have studied the practice of meditation on texts leading to religious experience in ancient Mediterranean traditions.33 Dan Merkur proposed that by meditating on older apocalyptic texts, the seers induced their visions to manifest traditional themes, topics, and motifs.34 Angela Kim Harkins analyzed ritual mourning in Daniel’s interpretation of Jeremiah’s prophecy, as it is depicted in Daniel 9. In that passage, Daniel performs funerary rites and prayers, acts that generate a state of rumination, a naturally occurring cognitive state in which the mind makes presence from absence. In the passage, Daniel has a visionary experience of an angel who reveals to him a revised interpretation of Jeremiah’s prophecy concerning the 70-year duration of the exile. Harkins suggested that Daniel’s reenactment of traditional ritual practices as well as the prophet Jeremiah’s anguish and intense mourning results in self-diminishment and subsequent transformative insight.35 Whether the account reflects the practices of a prophet in the Babylonian exile (which is unlikely) or some other individual or group in an entirely different historical setting is irrelevant in this respect. To mention another example from the non-canonical pseudepigrapha, in the first vision of the Latin Book of Ezra (4 Ezra 3–5), the seer meditates on biblical traditions that are known to us from Genesis, Exodus, and 1–2 Samuel, among others. Finally, the chariot vision of Ezekiel 1, together with the temple vision of Isaiah 6, inspired Jewish merkavah mysticism and the related hekhalot literature from Late Antiquity, which describes a variety of ritual practices, some implying an ascent to the throne of God.36 In the process of reflecting on a text, the experience recorded in the text influences the mental state of the meditator and contributes to the formation of new religious experiences. 32

Stephan V. Beyer, Singing to the Plants: A Guide to Mestizo Shamanism in the Upper Amazon (Albuquerque: University of New Mexico Press, 2009), 63–80. 33 Angela Kim Harkins, “Ritual Mourning in Daniel’s Interpretation of Jeremiah’s Prophecy,” J. Cogn. Hist. 2.1 (2015): 14–32; Christopher T. Holmes, “(Religious) Language and the Decentering Process: McNamara and De Sublimitate on the Ecstatic Effect of Language,” J. Cogn. Hist. 2.1 (2015): 53–65; Celia Deutsch, “The Therapeutae, Text Work, Ritual, and Mystical Experience,” in Paradise Now: Essays on Early Jewish and Christian Mysticism, ed. April D. DeConick (Leiden and Boston: Brill, 2007), 287–311; Angela Kim Harkins, “The Performative Reading of the Hodayot: The Arousal of Emotions and the Exegetical Generation of Texts,” J. Study Pseudepigr. 21.1 (2011): 55–71. 34 Dan Merkur, “The Visionary Practices of Jewish Apocalyptists,” in Psychology and the Bible: A New Way to Read the Scriptures. Volume 2, From Genesis to Apocalyptic Vision, ed. J. Harold Ellens and Wayne G. Rollins (Westport, CT: Praeger, 2004), 339. 35 Harkins, “Ritual Mourning” (see n. 33). 36 James R. Davila, “Ritual in the Hekhalot Literature,” in Practicing Gnosis, ed. John D. Turner, Gregory Shaw, and April D. DeConick (Leiden and Boston: Brill, 2013), 449–66; Peter Schäfer, The Hidden and Manifest God: Some Major Themes in Early Jewish Mysticism (Albany, NY: State University of New York Press, 1992).

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In a chain of textual transmission, if a community valued texts that were connected to the name of a particular prophetic figure, the religious experience recorded in the text would be transmitted through the centuries and, in turn, play a role in the subsequent experiencing of further visions. For example, the religious group that composed and read the Ascension of Isaiah embraced the martyrdom of the prophet to make sense of its own situation and (arguably) used the apocalyptic tradition connected to the biblical figure of Isaiah to cultivate religious experiences.37 Thus the fact that a text was (deemed) suitable for achieving religious experiences contributed to the authority of both the text and its inscribed author.

The seers’ practices and social position At the beginning of this essay, I stated that visionary experiences are experienced with the neurological apparatus of the brain, which led to the examination of neurological processes behind various aspects of apocalyptic visions. In this part of my essay, I would like to go one step further and ask what circumstances and behaviors prompted such experiences, with special attention to actual practices that can be identified in the sources. It is fair to start with the observation that accounts of visionary practices are scarce in ancient Jewish and Christian sources.38 In some texts, visions simply occur to the seer without any particular effort or preparation. For example, the throne vision of Isaiah begins by giving the date of the vision: “In the year that King Uzziah died, I saw the Lord sitting on a throne…” (Isaiah 6:1). Other texts include a vague reference to some particular state of mind, in which the seer received the revelation. For example, the Book of Enoch mentions that Enoch was a righteous man, whose “eyes were opened by God” (1 Enoch 1:2). The writer of Revelation identifies the place of vision as the island of Patmos and adds that he was “in the spirit on the Lord’s day” (Revelation 1:9–10). While minor details about visionary practices can be pieced together from the above-mentioned writings and some other sources, I will now turn to the description of visionary practices in the Latin Book of Ezra (4 Ezra), which reveals exceptionally much about the circumstances of the visions reported in the text.39 The text mentions mourning, fasting, the consumption of plants, and a special cup of liquid. Mourning and lamentation are mentioned at several 37

See below for more details. At this place I do not consider the hekhalot literature, mentioned above, as these texts take us to Jewish tradition beyond Late Antiquity. 39 For a more detailed discussion, see István Czachesz, “Visionary Practices in the Book of Ezra,” in The Figure of Ezra between Early Judaism and Ancient Christianity, ed. Jan N. Bremmer (Leuven: Peeters, 2018), 51–78. 38

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points of 4 Ezra (3.1–3, 5.21–22, 9.38). Dan Merkur suggested that the practice behind the first vision is “induction of ecstasy through mourning.”40 Merkur also offered parallels from other ancient Jewish literature, such as Daniel, the Book of Watchers, 2 (Syriac) Baruch, 3 (Greek) Baruch, Joseph and Aseneth, and Pseudo-Philo. Further, 4 Ezra describes a particular schedule of fasting. The seer fasts for four to five weeks altogether, depending on the interpretation of 4 Ezra 6.35 (see below). He fasts for seven days before the second vision (5.13, 20); for another seven days before the third vision (6.35); and probably for a week even before the first vision (as suggested by the total of three weeks mentioned in 6.35).41 He eats only flowers of the field for a week before the fourth (9.26– 27) and sixth visions (12.51). Fasting is a virtually universal phenomenon in religions and is often claimed to lead to visions.42 Indeed, empirical evidence on fasting and starvation includes auditory hallucinations.43 In an experimental study at the University of Minnesota (conducted in 1944–1945), thirty-three types of effects were observed in participants after twenty-four weeks of semi-starvation.44 Observations most relevant to our study included self-mutilation, poor insight, depression, mood lability, anxiety, apathy, psychotic episodes, personality changes, social withdrawal, loss of sexual appetite, sleep disturbances, strength-reduction, hypersensitivity to light and noises, and paresthesia (the feeling of false tactile sensations and tingling in the body). A newer study based on collecting data form patients with eating disorders found a similar set of effects, including mood changes, sleep disturbance, apathy, personality changes, tingling, light intolerance, and hearing voices in the head.45 The author of 4 Ezra mentions that the seer consumed flowers and plants before the fourth and fifth visions (9.26–27, 12.51). What Ezra’s diet of plants and herbs involved has been subject to much discussion. On one hand, it could imply a diet of semi-starvation, as suggested, for example, by Peter-Ben Smit, 40

Dan Merkur, “The Visionary Practices of Jewish Apocalyptists,” in Psychology and the Bible: A New Way to Read the Scriptures. Volume 2, From Genesis to Apocalyptic Vision, ed. J. Harold Ellens and Wayne G. Rollins (Westport, CT: Praeger, 2004), 323. 41 Ibid., 326. 42 Merkur, “The Visionary Practices” (see n. 40); Rosemary Rader, “Fasting,” in Encyclopedia of Religion, ed. Lindsay Jones, Mircea Eliade, and Charles J. Adams, vol. 5, 2nd ed. (Detroit: Macmillan Reference USA, 2005), 2995–98. 43 Daniel M. T. Fessler, “Starvation, Serotonin, and Symbolism. A Psychobiocultural Perspective on Stigmata,” Mind Soc. 3.2 (2002): 81–96; Riccardo Dalle Grave, Elettra Pasqualoni, and Giulio Marchesini, “Symptoms of Starvation in Eating Disorder Patients,” in Handbook of Behavior, Food and Nutrition, ed. Victor R. Preedy, Ronald R. Watson, and Colin R. Martin (New York: Springer, 2011), 2259–69. 44 Ancel Keys et al., The Biology of Human Starvation (Minneapolis: University of Minnesota Press, 1950). 45 Dalle Grave, Pasqualoni, and Marchesini, “Symptoms of Starvation” (see n. 43).

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who calls it a “minimal diet.”46 On the other hand, suggestions have been made about the possibly hallucinogenic nature of Ezra’s plants.47 Various plants were known for their psychoactive effects in antiquity.48 If Ezra’s diet indeed contained psychoactive ingredients, some of the most likely candidates are opium poppy (papaver somniferum), henbane (hyoscyamus niger; causes visual hallucinations and sensations of light), mandrake (mandragora officinarum; hallucinogenic and hypnotic), poison hemlock (conium maculatum; used as a sedative in small quantity), wormwood (arthemisia absinthium; the plant from which modern-day absinth is made), and darnel rye grass (causing nausea and symptoms of drunkenness). Combined with four to five weeks of fasting, several of these plants (depending on the geographical location) could be ingested to elicit hallucinations. Finally, during the last vision, the seer is offered a cup: Then I opened my mouth, and behold, a full cup was offered to me; it was full of something like water, but its color was like fire. And I took it and drank; and when I had drunk it, my heart poured forth understanding, and wisdom increased in my breast, for my spirit retained its memory; and my mouth was opened… (14.39–41)49

While previous interpretations focused on the symbolism of the cup, elsewhere I argued that the cup could be filled with mixed wine that contained hallucinogenic additives.50 That ancients added spices to wine is beyond dispute. What the exact spices were and whether they contained hallucinogenic additives has been discussed without reaching sound conclusions. While David Hillman and Carl Ruck argued for wide-ranging effects of psychoactive substances on ancient religions,51 it is not necessary to take an extreme position to acknowledge the role of wine in various Greco-Roman cults (esp. Dionysus, Bacchus), as 46 Peter-Ben Smit, “Reaching for the Tree of Life: The Role of Eating, Drinking, Fasting, and Symbolic Foodstuffs in 4 Ezra,” JSJ 45.1 (2014): 1–22, at 10. 47 Jonathan A. Moo, Creation, Nature and Hope in 4 Ezra (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2011), 146; Brent Landau, “Under the Influence (of the Magi): Did Hallucinogens Play a Role in the Inspired Composition of the Pseudepigraphic Revelation of the Magi?,” in Fakes, Forgeries, and Fictions: Writing Ancient and Modern Christian Apocrypha, ed. Tony Burke and Andrew F. Gregory (Eugene, OR: Cascade Books, 2017), 79–94, at 89. 48 Important sources include Theophrastus, Enquiry into Plants 9.18.3; Pliny, Natural History 20.76, 20.97, 23.16.23, 24.160–65, 25.36–37; Pedanius Dioscorides, On Medical Materials II.169.2, III.63, IV.68.2, etc. 49 Trans. Bruce M. Metzger in James H. Charlesworth, ed., The Old Testament Pseudepigrapha. Volume 1, Apocalyptic Literature and Testaments (New Haven, CT and London: Yale University Press, 2009). 50 Czachesz, “Visionary Practices in the Book of Ezra” (see n. 39), 70–74. 51 David C. A. Hillman, The Chemical Muse: Drug Use and the Roots of Western Civilization (New York: Thomas Dunne Books/St. Martin’s Press, 2008); Carl A. P. Ruck, “Entheogens in Ancient Times: Wine and the Rituals of Dionysus,” in History of Toxicology and Environmental Health, ed. Philip Wexler, vol. 2 (London, et al.: Academic Press, 2015), 116–25.

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well as in Christianity.52 Even moderate assumptions about the use of additives in ancient wine mixing make a realistic interpretation of the cup of Ezra a viable alternative to the former, symbolic approaches. In addition to mentioning (or sometimes hinting at) practices that could be used to attain visions, the Book of Ezra also describes the interaction of the seer with his people. When all the people heard that the seven days were past and I had not returned to the city, they all gathered together […] and came to me and spoke to me, saying, “For of all the prophets you alone are left for us […] like a lamp in a dark place […].” (4 Ezra 12.40–42)

The text shows Ezra as a prophet acting on behalf of his people. The social setting on the prophet is different from what we usually read about the great prophets of the Hebrew Bible, who usually struggle to make God’s message understood among their fellow-countrymen. In the Book of Ezra, in contrast, the seer is portrayed as a diviner who inquiries about God’s plan on behalf of his people. While the practice of divination in ancient Israel has been downplayed in much of previous biblical scholarship, recent critical studies of Israelite divination showed the extent and nature of divinatory practices in ancient Jewish tradition.53 Indeed, scholars identified practices in the Hebrew Bible that are of interest for the interpretation of the Book of Ezra: 54 incubation (with many examples, e.g., Genesis 28.10–19; 37.5–10; 40; 41; Judges 7:13–14; 1 Kings 3.3–15; 1 Samuel 3); divination by ordeal (Numbers 5, where the origin of the pregnancy is tested using the “water of bitterness”); and several cases of divination in politics (Judges 6.36–40; 20.27–28; 1 Samuel 6; 2 Samuel 11; 15.25–26). Another apocalyptic text that reveals various details about the practices and social position of the seer is the Ascension of Isaiah. According to AscIsa 6, forty prophets and “sons of prophets” gathered on the occasion of Isaiah’s vision, hoping to receive some kind of instruction or initiation from him (Isaiah laying his hands upon them). Isaiah was seated on the king’s couch and other prophets were sitting to his right (and left). As Isaiah was speaking “in the Spirit,” he fell silent and “his consciousness was taken from him” (according to the Ethiopic text), while his eyes remained open and his mouth shut. As I 52

For a concise discussion and references, see Czachesz, “Visionary Practices in the Book of Ezra” (see n. 39), 64–65 and 71–74. On Eucharistic wine, see recently J. Penniman, “‘The Health-Giving Cup: Cyprian Ep. 63 and the Medicinal Power of Eucharistic Wine” in Journal of Early Christian Studies 23 (2015): 189–211 (I owe this reference to Angela Kim Harkins). 53 E.g., Frederick H. Cryer, Divination in Ancient Israel and Its Near Eastern Environment: A Socio-Historical Investigation (Sheffield, England: Sheffield Academic Press, 1994); Ann Jeffers, “Magic and Divination in Ancient Israel,” Relig. Compass 1.6 (2007): 628–42. 54 Jeffers, “Magic and Divination” (see n. 53), 638–39.

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István Czachesz

argued elsewhere,55 the overall setup of the prophetic session described here reminds one of the ethnographic descriptions of shamanic rituals, where more junior shamans and apprentices join the seer, trying to learn the technique of trance and making attempts to achieve it themselves.56 Further, the condition of the prophet (as described in AscIsa 6.10–12) seems to correspond to the symptoms of sleep paralysis, which neuroscientists previously discussed in the context of alien abduction, out-of-body, and near-death experiences (see that above). The portraits of the respective seers in the Book of Ezra and the Ascension of Isaiah are remarkable for two reasons. First, they suggest that the visions occurred under circumstances under which one would expect them to take place given the neurobiological observations made in the first part of this essay. In other words, they make realistic assumptions about the visions, situating them in realistic visionary practices. Second, while they use the names of great figures of the ancient Jewish tradition (Ezra and Isaiah, respectively) to identify the seer, and include references to the assumed historical contexts of these figures, they also reveal much about the present circumstances, in which the visions and the visionaries are to be understood. The past (as known from the tradition) is used to create a historical drama that is meant to be transparent for references to the writer’s present. In these sources, we can see the authority of a visionary and his visions in the historical presence of the community that wrote and used the text are then attached to the authority of a foundational figure of the tradition. The heroes of the past offered important means of identity formation and making sense of acute historical situations.57 This is especially clear in the case of the Ascension of Isaiah, where the Christian community who adapted the text has seen the persecution and martyrdom of the prophet as an archetypal image of their own social and historical context, while they also considered the ancient prophet as an inspiration of their own visionary practices. For example, Tobias Nicklas and Meghan Henning, elaborating on former suggestions about the prophetic context of the AscIsa, argued that the community that created and used the text was an ascetic group that actively pursued the experience of heavenly ascent,

55

Czachesz, “Religious Experience Behind” (see n. 18), 239–43. Mihály Hoppál, Sámánok Határok Nélkül, Documentary (Budapest, 2008); Mihály Hoppál, Beyond the Borders of the Mind (Trance in a Daur Shamanic Healing Ritual), Documentary (Budapest, 2008); Mihály Hoppál, Sámánok Világa (Budapest: Püski Kiadó, 2010), 213–28; Mihály Hoppál, “Trance and Sacrifice in a Daur Shamanic Healing Rite,” Shaman 13.1–2 (2005): 61–78. 57 Reconstructing the particular historical contexts of the writings is not the purpose of this essay. The narrative frame of the Book of Ezra is set after the destruction of Jerusalem in 70 AD. The Ascension of Isaiah deals with the persecutions of a Christian community. 56

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by means that included fasting and a special diet. 58 The group was probably democratic, encouraging every member to have visions but at the same time gathered around a few charismatic leaders. Furthermore, we can speculate on whether the names of the great figures of the past came to be attached to the seers themselves already in their original historical settings. We can ask whether the respective seers were believed somehow to be empowered by the chosen prophetic model, perhaps by adhering to some specific technique to attain visions or by relying on the literary tradition of the chosen prophetic model to make sense of their visions. Arguments for such connections can be derived from well-known examples in canonical literature. In Luke 1:17, the archangel Gabriel announces that John the Baptist will come “with the spirit and power of Elijah.” The same notion is reflected by Jesus’ words in Matthew 17:11–12. The author of the Book of Acts understood Jesus as the prophet like Moses who was promised in Deuteronomy 18:15–19 (cf. Acts 3:17–26) and it has been argued that the Gospel of Luke portrayed Jesus as the “prophet like Moses.”59 The widespread notion of performing miracles or prophesying with the power of the Holy Spirit is another indication that initiation to the service of superhuman agents was a means of producing valid visions and prophetic utterances. In their final, written form, the apocalyptic visions and tours of heaven in the literature stretching from Isaiah to the Hekhalot often emphasize historical, political and theological points.60 However, we can note that exegetes usually read these texts first and foremost for the purpose of learning about historical, political and theological issues or enlisting the texts as evidence to support their views about those issues. The Ascension of Isaiah and 4 Ezra are interesting because they record a more immediate reason for interpreting visions, that is, to learn about the future that God has in store for a particular community.

58 Meghan Henning and Tobias Nicklas, “Questions of Self-Designation in the Ascension of Isaiah,” in The Ascension of Isaiah, ed. Jan N. Bremmer, Thomas R. Karmann, and Tobias Nicklas (Leuven: Peeters, 2016), 175–98. 59 David P. Moessner, Lord of the Banquet: The Literary and Theological Significance of the Lukan Travel Narrative (Minneapolis: Augsburg Fortress, 1989), 46–79. In Hebrew Bible interpretation, the promise is usually understood to refer to Joshua (cf. Joshua 1:5.16.17; 3:7; 4:14; 11:15). 60 For example, John J. Collins, Apocalypse, Prophecy, and Pseudepigraphy: On Jewish Apocalyptic Literature (Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2015), 219–34, offers various possible explanations for choosing Enoch, Daniel, and Moses as pseudonyms to make political statements and form group identities.

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István Czachesz

Conclusions In this essay, we have taken a fresh look at visionary practices in selected pseudepigraphic writings, using insights from neuroscientific research and comparative methods, with the purpose of revisiting the problem of authorization in apocalyptic literature, with special attention to the problem of pseudepigraphy. We have identified several indicators that apocalyptic texts reflect (elements of) actual visionary experiences and analyzed the intricate relationship between textual transmission and religious experience. We found that texts contribute to religious experiences by transmitting and socially coordinating beliefs, while the memories of visionary experiences undergo further processing and compositional changes in textual transmission. Attributing texts to figures of authority did not simply serve to give credence to ideas expressed in literature. Evoking traditions about heroes of the past provided a mechanism for group identify formation and shaped religious experiences when texts were used in meditative practices. Authoritative figures of the past thus served as anchors of cultural tradition, creating continuous trains of beliefs, experiences, and behavior across the centuries.61

61

I would like to thank the editors and Angela Kim Harkins for their helpful comments on earlier versions of the manuscript.

Pseudonymity in 2 Baruch Jeremiah 45.1–5 as the Fertile Seedbed for a Hopeful Exhortation Jordash Kiffiak Why did the author of 2 Baruch choose Baruch as the pseudonymous figure for this apocalyptic text?1 In this essay I argue that, in addition to general considerations, Jer 45.1–5 (LXX 51.31–35) served, in terms of both its form and content, as the key catalyst for the selection of Baruch in 2 Baruch, a text written likely in its entirety2 between 70 CE and 132 CE, composed in Hebrew3 and translated into Greek and, later, Syriac.4

1

Having presented an earlier version of this paper at the conference in honor of Adela Yarbro Collins and John J. Collins, it is a privilege to contribute to the present volume with the same aim. I have learned from them both immensely – in my case, from Adela especially on the Jewish context of the New Testament, from John on things apocalyptic. I am grateful for their kind generosity, shown me upon a brief visit to New Haven in 2016. I would like to thank the participants at the conference – notably John J. Collins and Matthew J. Goff – and also Phillip Lasater, Liv Ingeborg Lied and Serge Ruzer for their remarks on earlier versions of this study. 2 Earlier scholarship saw 2 Bar. as composed from diverse, partially inconsistent sources. The tide has changed in the twentieth century, with Pierre-Maurice Bogaert, Apocalypse de Baruch: introduction, traduction du syriaque et commentaire, 2 vols., Sources chrétiennes 144–145 (Paris: Éditions du Cerf, 1969), 1:57–88, providing the model defense of the unity of the text’s composition. 3 This position, argued at length by Robert H. Charles, The Apocalypse of Baruch: Translated from the Syriac, Chapters 1–77 from the Sixth Cent. Ms. in the Ambrosian Library of Milan and Chapters 78–87 – the Epistle of Baruch from a New and Critical Text Based on Ten Mss. and Published Herewith (London: Black, 1896), xliv–liii, has been supported by a number of subsequent studies – cf. Matthias Henze, Jewish Apocalypticism in Late First Century Israel: Reading “Second Baruch” in Context, TSAJ 142 (Tübingen: Mohr Siebeck 2011), 23–25. Some, following Bogaert, Apocalypse de Baruch (see n. 2), 1:353–80, claim that Greek and Hebrew are equally possible as the text’s original language. 4 A more detailed version of the argument presented in this essay will constitute the core of my forthcoming monograph on 2 Bar.

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Jordash Kiffiak

Current Proposals Pseudonymous attribution of texts to historical persons, generally, was a widespread phenomenon in the Hellenistic period.5 It was used for a variety of purposes, including mere forgery. In Jewish and/or Christian contexts in particular, pseudonymous attribution occurred frequently. This point is particularly true for apocalyptic literature, where the convention is taken to be transparent. The use of pseudonyms here constitutes, at least in part, an effort to establish the authority of the text in question. Various, potentially complementary theories seek to identify how authority is established through pseudonymous attribution in apocalyptic texts. At a basic level, John J. Collins states, use of a “venerable figure from the distant past... adds to the remoteness and mystery of the revelation.”6 Possibly prophets are not employed as pseudonymous characters in Jewish apocalypses.7 Focusing the question on historical apocalypses, Karina Martin Hogan notes that many of these texts contain a periodization of history involving deterministic and predictive elements, including ex eventu prophecy. She argues that the relevant pseudonymous characters, including Baruch, are chosen for their ability to function as scribal “bridge figures.”8 Still, the question remains. Why was Baruch chosen as our text’s pseudonymous figure?9 Why was not one of his contemporaries – say Gemariah ben Shaphan (Jer 36.10–12, 25) or Baruch’s brother, Seraiah ben Neriah (51.59) – selected? Hindy Najman sees in both 2 Baruch and 4 Ezra a participation in “a discourse tied to a founder: a practice of ascribing texts to an ideal figure, in order 5 See the contributions in section two (“Griechisch-römische Kontexte”) of Jörg Frey, Jens Herzer, Martina Janßen and Clare K. Rothschild, eds., Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen, assisted by Michaela Engelmann, WUNT 246 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2009), 105–330. 6 John J. Collins, The Apocalyptic Imagination: An Introduction to Jewish Apocalyptic Literature, 3rd ed. (Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2016), 6. 7 John J. Collins, “Enoch and Ezra,” in Fourth Ezra and Second Baruch: Reconstruction After the Fall, ed. Matthias Henze and Gabriele Boccaccini, SJSJ 164 (Leiden and Boston: Brill, 2013), 83–97 (83). Devorah Dimant, “4Ezra and 2Baruch in Light of Qumran Literature,” in Fourth Ezra and Second Baruch: Reconstruction After the Fall, ed. Matthias Henze and Gabriele Boccaccini, SJSJ 164 (Leiden and Boston: Brill, 2013), 31–61 (60), offers an alternative proposal. 8 Karina Martin Hogan, “Pseudepigraphy and the Periodization of History in Jewish Apocalypses,” in Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen, ed. Jörg Frey, Jens Herzer, Martina Janßen and Clare K. Rothschild, assisted by Michaela Engelmann, WUNT 246 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2009), 61–83 (74). 9 Note, though, 2 Bar. nowhere explicitly states that Baruch is the author of the text; cf. Matthias Henze, “From Jeremiah to Baruch: Pseudepigraphy in the ‘Syriac Apocalypse of Baruch,’” in Biblical Traditions in Transmission: Essays in Honour of Michael A. Knibb, ed. Charlotte Hempel and Judith M. Lieu, JSJSup 111 (Leiden: Brill, 2006), 157–77 (164).

Pseudonymity in 2 Baruch

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not only to authorize the texts in question but also to restore the figure’s [idealized] authentic teachings.”10 The use of pseudonymity in these two texts, then, would be manifestations of a broad phenomenon, not coterminous with apocalyptic literature and extending far beyond it. As for 4 Ezra, the approach’s effectiveness has been questioned.11 As for 2 Baruch, Matthias Henze affirms Najman’s idea, while supplementing it with further posited influences. Pointing also to Ezekiel and, especially, to Moses and Jeremiah, Henze claims that Baruch in 2 Baruch should be understood as “an amalgam that resides at the intersection of multiple discourses, each tied to a founder,” for “his character combines the traits of several biblical figures.”12 Concerning Baruchian tradition, he sees the contents of the book of Baruch (edited in the second or first century BCE)13 and the four relevant pericopae in the book of Jeremiah to be equally informative for 2 Baruch.14 He seems to depict the “growth of the Baruch legend” as (quasi-)linear.15 Balázs Tamási sees in the main character of 2 Baruch a combination of prophetic attributes, tied to the respective “scriptural ‘founders,’” namely the figures of Jeremiah and Moses principally, but also Ezekiel, Daniel and Abraham.16 Such approaches reveal how the notion of a discourse tied to a founder, despite its explanatory power for interpreting a text, may prove insufficient to pinpoint why a given figure is chosen for pseudonymous attribution, 2 Baruch being a case in point.17 Some scholars see special features within the tradition about Baruch as particularly instructive for the question of pseudonymity. Two widely recognized points are (a) Baruch’s direct experience of Jerusalem’s fall and the temple’s

10 Hindy Najman, “How to Make Sense of the Pseudonymous Attribution: The Cases of 4 Ezra and 2 Baruch,” in A Companion to Biblical Interpretation in Early Judaism, ed. Matthias Henze (Grand Rapids, MI, and Cambridge: Eerdmans, 2012), 308–36 (326), emphasis original. 11 Collins, “Enoch and Ezra” (see n. 7), 92. 12 Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 100, emphasis original. Henze (“From Jeremiah to Baruch” [see n. 9], 166) argues, for example, that Baruch is not called a scribe in 2 Bar. in order to demonstrate that he has received a prophetic mantle from Jeremiah, specifically. 13 Sean A. Adams, Baruch and the Epistle of Jeremiah: A Commentary Based on the Texts in Codex Vaticanus (Leiden: Brill, 2014), 5. 14 Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 100. 15 Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 89. 16 Balázs Tamási, “Baruch as a Prophet,” in Fourth Ezra and Second Baruch: Reconstruction After the Fall, ed. Matthias Henze and Gabriele Boccaccini, SJSJ 164 (Leiden and Boston: Brill, 2013), 195–217 (215). 17 E.g. Henze’s idea that the transfer of prophetic authority from Jeremiah to Baruch lies behind the choice of Baruch as pseudonymous figure only moves the problem onto the question of why the authority needed to be transferred (cf. “From Jeremiah to Baruch” [see n. 9], 177).

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demise and (b) his positive relation to the Torah.18 Tamási argues that Baruch’s status as a prophet in the reception of tradition – observable in Second Temple period writings and beyond, in both Jewish and Christian circles – made him particularly eligible for the prophetic role cut out for him in 2 Baruch.19 For J. Edward Wright, various aspects of Jer 45, notably Baruch’s privileged access to divine revelation, make him a prime candidate as the protagonist in our apocalyptic text (also in 3 Baruch).20 The episode’s location in the Old Greek (OG) version, which makes Baruch the last figure to receive a prophecy (Jer [LXX] 51.35), accounts, he argues, at least in part for “the increasing prominence of Baruch in later Jewish and Christian texts.”21 Notably, a number of the relevant features from the book of Jeremiah that Henze lists also pertain to Jer 45 in particular.22

Key Features of Jeremiah 45.1–5 (LXX 51.31–35) Given the foregoing, it is worth examining the key features in Jer 45.1–5 (LXX 51.31–35) that bear a particular relevance to 2 Baruch. There are six. (1) Jer 45.1–5 resembles a dialogue between Baruch and God. While Jeremiah speaks, the line of communication between God and Baruch receives emphasis.23 God seems to take the prophet’s place.24 The sense of a virtual dialogue is created as God cites Baruch’s speech (vv. 3, 5 // LXX 51.33, 35), not previously narrated, and replies to aspects of its content, each in turn.25 (2) Baruch makes a complaint and a request. Both are personal in nature. The sense of pain is palpable, as Baruch accuses God directly for his suffering. A request for special treatment is made.26 18

See, e.g. Dereck Daschke, City of Ruins: Mourning the Destruction of Jerusalem through Jewish Apocalypse, BINS 99 (Leiden and Boston: Brill, 2010), 144. 19 Tamási, “Baruch as a Prophet” (see n. 16), 195–217. 20 J. Edward Wright, Baruch ben Neriah: From Biblical Scribe to Apocalyptic Seer, Studies on Personalities of the Old Testament (Columbia, SC: University of South Carolina Press, 2003), 37–8, 63, 80, 111–12. 21 Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 37. 22 Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 93–4; cf. “From Jeremiah to Baruch” (see n. 9), 167. 23 See Jack R. Lundbom, Jeremiah, 3 vols., AB 21 (New York: Doubleday, 1999), 3:176, on the possible truncation of the series of events here. 24 See the exception in ‫ֹאמר ֵאלָ יו‬ ַ ‫( כֹּה תּ‬Jer 45.4) // εἰπὸν αὐτῷ (LXX 51.34). 25 It is not clear if the two citations of Baruch’s speech – a complaint and a request – are to be understood as separate utterances or as one and the same, characterized distinctively. 26 See William L. Holladay, Jeremiah: A Commentary on the Book of the Prophet Jeremiah, 2 vols., with Paul D. Hanson, Hermeneia (Philadelphia: Fortress, 1986, 1989), 2:310. The seer distinguishes himself here from his compatriots. See further, below, on Baruch’s special privileges, despite God’s denial of “great things” for Baruch.

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(3) Baruch’s speech pertains to the unjust suffering of the righteous. The suffering clearly results from the activity of Gentile oppressors.27 At the same time, it occurs because many within the kingdom of Judah have been unfaithful to the covenant. Baruch perceives himself as receiving poor compensation for his righteousness.28 Baruch’s experience may serve as a paradigm for the unjust suffering of the righteous among the people of the covenant.29 The issue of unjust suffering lies at the heart of the exchange between the scribe and God. (4) God gives three promises or prophecies to Baruch. First, using imagery that commonly pertains to the nation, he announces punishment for the kingdom of Judah (v. 4 // LXX 51.34). The emphasis on a broad geographical scope in the Masoretic Text (MT) reinforces the point.30 Second, God foretells a widespread destruction that will affect all humanity (v. 5 // LXX 51.35).31 The prophecy might easily have been understood by ancient readers as referring to a massive, eschatological destruction.32 For those who anticipated their own survival, the prediction might be taken as constituting vengeance against oppressors. Third, Baruch’s life will be spared (v. 5 // LXX 51.35). In both versions, this text offers a breath of hope, given its literary context.33 Also, though God denies Baruch’s request for “great things,” the seer’s fate as a survivor,

27 Given God’s reply (Jer 45.4) and the superscription (v. 1), which make connections with chs. 1 (and elsewhere) and 36, respectively, Baruch’s suffering is related to the imminent destruction and uprooting affecting the kingdom of Judah. (The location in the MT, after ch. 44, is also pertinent.) God punishes his people through the hands of their enemies. 28 Baruch’s complaint, concerning the perception of unfair treatment as one of the wicked, is “not unlike the question of Job,” (Walter Brueggemann, To Pluck Up, to Tear Down: A Commentary on the Book of Jeremiah, 2 vols., ITC [Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1988, 1991], 2:205). 29 So William McKane, Jeremiah, 2 vols., ICC (Edinburgh: T&T Clark, 1986–1996), 2:1105; cf. Lundbom, Jeremiah (see n. 23), 3:177. 30 The OG version, probably more original here, does not contain a phrase corresponding to the MT’s ‫ל־ה ָא ֶרץ ִה יא‬ ָ ָ‫וְ ֶאת־כּ‬, seemingly lessening the sense of totality thereby. The MT’s gloss may have been taken by some ancient readers as “a reference to universal demolition;” but this was unlikely the intended sense (contra McKane, Jeremiah [see n. 29], 2:1097). 31 The text may offer “an allusion to the suprahistorical war against all the nations (cf. [Jer] 12.12; 25.31; 30.5–7) associated in prophetic forecasts of the end time” (Robert P. Carroll, Jeremiah: A Commentary, OTL [London: SCM, 1986], 748, as cited by Henze, Jewish Apocalypticism [see n. 3], 94). 32 Similarly, Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 94. 33 In the MT version, “the message of doom [spoken to the Judean fugitives in Egypt] in Jeremiah 44 is immediately counterpoised in Jeremiah with a note of hope that looks to the future beyond the imminent disaster” (Henze, Jewish Apocalypticism [see n. 3], 94). In the OG version, Jer (LXX) 51.35 constitutes the text’s last prophecy, followed by the concluding narrative of the conquest of Jerusalem (ch. 52). The juxtaposition creates a similar sense of hope for the prophecy.

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albeit as a fugitive, is set apart from that of the wicked. Possibly a more substantial point is made.34 (5) The issue of Torah observance is at the fore. The text’s opening (v. 1 // LXX 51.31) recalls the episode (36.1–32 // LXX 43.1–32) in which Baruch, commissioned by Jeremiah, calls the people to return to Torah obedience, at great risk to himself. The prophecy against Judah (v. 4 // LXX 51.34), echoing the opening of the book of Jeremiah, further raises the issue of Torah observance. Yet another connection comes through literary sequencing.35 (6) Finally, the greater context is a cataclysm of national scope: the military conquest of Jerusalem, the temple’s destruction and the nation’s exile. The connection between the Baruchian episode and demise of Judah is even stronger in the OG version.36 While the reader familiar with 2 Baruch may already note the relevance of these points, in what follows I will pursue in detail the argument that Jer 45 constitutes the specific inspiration for the choice of Baruch as the pseudonymous figure. Two factors give this hypothesis plausibility already at the outset. Our text has an extensive scriptural focus, uncommon for apocalypses, as it creatively re-employs familiar material.37 The content of Jer 45 fits well with what Gwendolyn B. Sayler has identified as the overall movement of 2 Baruch, namely a progression from grief to consolation.38

Dialogue between God and Baruch God and Baruch’s dialogue, in terms of both quantity and quality, is a marked feature of 2 Baruch. To speak proleptically, noting this feature makes the text stick out within its genre for two reasons. First, revelation in apocalypses typically comes through visions or otherworldly journeys, with discourse or

34 In the MT version, possibly Baruch moves from “a mere recorder of contracts” in Jer 32, through one “actively engaged in promoting Jeremiah’s religiopolitical program” (chs. 36, 43), to “someone who warrants special attention from the Almighty” (ch. 45), as Wright (Baruch ben Neriah [see n. 20], 33) claims. A similar point seems to be made in the OG version, as Baruch becomes Jeremiah’s successor through this episode (LXX 51.31–35). 35 Baruch’s suffering is closely tied to that of Jeremiah, depicted in Jer 37–44, which arises from Torah promulgation; cf. Lundbom, Jeremiah (see n. 23), 3:173. 36 In the OG version, God’s promise to suffering Baruch is the final text leading into the concluding chapter (Jer [LXX] 52), narrating the national disaster of epic proportions. 37 See Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 113–4. 38 Gwendolyn Beth Sayler, Have the Promises Failed?: A Literary Analysis of 2 Baruch, SBLDS 72 (Chico, CA: Scholars, 1984).

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dialogue as supplementary material.39 2 Baruch is likely dependent on 4 Ezra.40 Both texts have pervasive dialogue, such that literary influence may account, in part, for the emphasis on dialogue in our text.41 Still, other factors may contribute to why the author of 2 Baruch deemed this to be a feature worth taking over from 4 Ezra. Second, apocalyptic texts commonly have an angel, not God, as the character with whom the human seer interacts. Our text flips both these tendencies on their heads.42 The dialogue can be analyzed quantitatively in terms of frequency and length. Baruch speaks with God more often than with any other character – at least five times (2 Bar. 1.1–5.4; 13.1–20.6; 22.1–30.5; 39.1–43.3; 48.26–52.7), but possibly six (75.1–76.5). With others the seer speaks once or at most twice.43 As for length, the amount of material (some 33 chapters) dedicated to God and Baruch’s verbal interaction is more than that for any other type of activity, including Ramiel’s interpretation (22 chapters) and Baruch’s letterwriting (10 chapters). This tendency is more marked when one also considers Baruch’s prayers (2 Bar. 21.3–25; 38.1–4; 48.1–24; 54.1–22), which contri39

Collins, Apocalyptic Imagination (see n. 6), 6; cf. 9. See Bruce M. Metzger, “The Fourth Book of Ezra,” in The Old Testament Pseudepigrapha: Volume 1: Apocalyptic Literature and Testaments, ed. James H. Charlesworth, ABRL (New York: Doubleday, 1983), 517–59 (522); Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 76; Collins, Apocalyptic Imagination (see n. 6), 278–9. Alternative positions are that the nature of the texts’ relationship cannot be determined – Michael E. Stone, Fourth Ezra: A Commentary on the Book of Fourth Ezra, Hermeneia (Minneapolis, MN: Fortress, 1990), 39 – that 4 Ezra is dependent on 2 Bar. – Bogaert, Apocalypse de Baruch (see n. 2), 1:26–27 – that both are dependent on an earlier, hypothetical source – Daniel M. Gurtner, Second Baruch: A Critical Edition of the Syriac Text: With Greek and Latin Fragments, English Translation, Introduction, and Concordances, Jewish and Christian Text Series (New York: Bloomsbury T&T Clark, 2011), 16. Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 182–83, envisages a more complicated scenario, involving intersection in oral and written stages leading to the two texts’ composition. 41 Devorah Dimant, “Pseudo-Ezekiel and the Apocryphon of Jeremiah C in Perspective,” RdQ 25 (2011): 17–39 (31), argues that revelatory dialogue is one part of “an apocalyptic literary tradition alive in Hebrew [as opposed to in Aramaic] around the beginning of the Common Era.” Whether or not such widespread usage can be confirmed, 4 Ezra’s use of extended dialogue might sufficiently affect the contours of the genre in the minds of subsequent authors and audiences as to minimize the weight of discontinuity when such dialogue is found in later apocalypses; cf. John Frow, Genre, The New Critical Idiom (London: Routledge, 2006), 124–44. 42 The lack (or inversion) of typical features in the genre need not indicate that 2 Bar. is something other than an apocalypse. A more flexible understanding of genre is appropriate, one which allows for a given text to bear greater or lesser similarity to a genre’s prototypical core – see John J. Collins, Apocalypse, Prophecy, and Pseudepigraphy: On Jewish Apocalyptic Literature (Grand Rapids, MI: Eerdmans, 2015), 1–20; cf. idem. “Epilogue: Genre Analysis and the Dead Sea Scrolls,” DSD 17 (2010): 389–401. 43 Baruch speaks with the elders and a few others (2 Bar. 44.1–46.6), the people (31.1– 34.1; 77.1–17) and, possibly, Ramiel (55.3–76.5), albeit in only a quasi-dialogue. 40

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bute much to the divine-human dialogue. Thus, roughly half of the text’s narrative section (roughly 37 of 77 chapters) involves this dialogue. In terms of qualitative analysis, too, the dialogue between God and Baruch plays a leading role.44 First, the text opens with these characters in dialogue. Through the primacy effect,45 the expectation is set that the content of their speech and also the type of interaction will be important in what follows, as the text’s plot unfolds. Second, the recurrent divine-human dialogue exercises interpretive control over much of the intervening material, whether narration of events, lament or visionary experience. For example, the initial narrative section confirms God’s prediction of the special conditions in which Zion is captured by the Babylonians. Baruch’s lengthy lament (2 Bar. 10.5–12.4), despite the sense of isolation it evokes, leads into further dialogue with God, as God picks up on the final issue raised in Baruch’s lament, namely the success and ultimate fate of the Gentiles. In a similar way, Baruch’s initial vision (chs. 36–37), picks up on the earlier topic of conversation, the Messiah’s appearance, and is followed by Baruch’s prayer, God’s interpretation of the vision and then explicit dialogue between the two characters (41–43). Third, as alluded to above, the remarkable quality of God and Baruch’s dialogue stands out when compared to the seer’s interaction with Ramiel. After seeing a vision of the entirety of human history, Baruch prays (ch. 54). Following the lengthy interpretation that Ramiel offers, Baruch again prays (75.1–8). Possibly, thereafter Ramiel speaks to Baruch (alternatively God speaks here). Regardless, in either case the two characters actually never speak with one another. The detailed back-and-forth interactions that God and Baruch enjoy are noticeably missing. Ramiel’s interpretation, the lengthiest speech in the text, functions in essence as a monologue. Fourth, Baruch’s letter to the two-and-a-half tribes (2 Bar. 78–86) is strongly informed by the preceding divine-human dialogue. Completing the movement of God’s consolation of Baruch and then, through him, the consolation of the people of the covenant, the letter contains in fact the sole instance in which Baruch communicates God’s revelations in some detail to other human characters. The practical implications arising from the dialogue-based revelation are brought to the fore, especially the need for obedience to the Torah. That the letter rounds the apocalypse off, leaving the divine-human dialogue behind, supports its function in part as a bridge between the narrative world and that of its reader and hearers. The hypothesis that our author has found inspiration in the dialogic nature of the interaction between God and Baruch in Jer 45 for the mode of revelation 44

Similarly, Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 128. See Shlomith Rimmon-Kenan, Narrative Fiction: Contemporary Poetics, 2nd ed. (London: Routledge, 2002), 123–4. 45

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in 2 Baruch easily explains the text’s heavy use of dialogue between Baruch and God, a feature which is unique among extant apocalypses. The strength of this hypothesis increases, I will seek to demonstrate below, when the mood and content of the two dialogues are compared.

Complaint and petition Two notable characteristics of Baruch in 2 Baruch, as with the seer of Jer 45, are his complaints and petitions, often given in bold terms. As for the former, scholarship has tended to downplay the poignancy of Baruch’s laments and protestations, as well as the sense of complaint that the text of 2 Baruch generally invokes. Factors leading to this incorrect assessment are comparison with 4 Ezra, taken inappropriately to be a ruling interpretive principal;46 exaggeration as to the extent of Baruch’s consolation and contentment at various points;47 and a narrow focus on grief related to the temple’s demise, disregarding the text’s attention to Baruch and others’ post-conquest experience of suffering. But the complaining tone in our text is remarkable. Baruch’s bold complaining is seen frequently in the early part of the text. It appears in his opening speech (2 Bar. 3.1–2), where he resists God’s plan, protesting its apparent unfairness. In an extreme move, outright contradicting God (‫ܝ‬ ), he asks to die. Given the primacy effect, this feature influences to a notable measure the seer’s characterization. Thereafter his challenges to and objections to God – often personal in nature – repeatedly occur.48 His extensive lament (chs. 10–12), a key case in point, expresses mourning in a profound manner. Baruch appears almost forsaken by God – a point underestimated in scholarship.49 Not just the demise of the temple is in view, but also the current

46 Cf., esp., Wolfgang Harnisch, Verhängnis und Verheißung der Geschichte: Untersuchungen zum Zeit- und Geschichtsverständnis im 4. Buch Esra und in der syr. Baruchapokalypse, FRLANT 97 (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1969), 74–5. But 2 Bar. should be interpreted first and foremost on its own terms – see Sayler, Have the Promises Failed? (see n. 38), 9 (cf. 129–34); Frederick J. Murphy, The Structure and Meaning of Second Baruch, SBLDS 78 (Atlanta, GA: Scholars, 1985), 6; Michael E. Stone and Matthias Henze, 4 Ezra and 2 Baruch: Translations, Introductions, and Notes (Minneapolis: Fortress, 2013), 2, 9; Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 6–8. 47 That Baruch is a witness of God’s own involvement in the demise of the temple may lessen the pain of the lament in 2 Bar. 10–12, but it is still very sharp (contra e.g. Daschke, City of Ruin [see n. 18], 150–1). 48 Challenges: 2 Bar. 11.3; 28.5; cf. 24.4; objections: 5.1; 14.1–7, 16–19; 16.1. 49 Baruch calls upon demonic forces to lament with him (2 Bar. 10.8) – an invocation that to the best of my knowledge is not paralleled elsewhere in Second Temple Jewish literature. (For an alternative interpretation, see Liv Ingeborg Lied, The Other Lands of Israel: Imaginations of the Land in 2 Baruch, SJSJ 129 [Leiden: Brill, 2008], 113.)

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suffering of the survivors on account of their enemies.50 On this account, the lament here is reminiscent of that of Baruch from the book of Jeremiah, as well as those of Jeremiah himself. Similar phraseology occurs in Jer 45.3 ( ‫אוֹי־נָ א‬ ‫ )לִ י‬and 2 Bar. 10.7 ( ‫)ܘܝ‬, with the latter’s focus on the plurality of the righteous who suffer. In the apocalypse Baruch challenges God’s justice (11.3), as does his namesake in the book of Jeremiah. Despite God’s response of commissioning Baruch with a special role in the eschaton, the seer is little consoled, bemoaning the fate of the righteous (14.1–7).51 Eventually, Baruch’s complaining stance is replaced by submission.52 But the mournful tone in the text continues – a point that is commonly not perceived.53 The sting of one of the root causes of Baruch’s complaint, namely the wicked enemies of Israel going unpunished, persists until the close of the text. I will address this important topic in detail later. Here I note how in the letter, following Baruch’s description of his own movement from mourning to consolation (81.2–4), he turns to comfort the nine-and-a-half tribes by pointing to the coming vengeance for their enemies. This theme draws to the fore how a mournful undertone persists until the close of the text. The choice of Baruch as pseudonymous figure is easily understandable given the seer’s repeated complaints, also the persistent sense of mourning, in 2 Baruch, which is comparable to the character in Jer 45. One instance is worthy of special mention. Baruch’s description of his initial grief focuses on the relentlessness of the suffering (81.3): “Will these things continue for us to the ̈ ̈ end? And will these evils come upon us always ( ‫ܐܬ‬ ‫ܘ‬ ‫”?)ܗ‬54 Jer 45.3 reads: 50 Similarly, see Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 80. The virgins in 2 Bar. 10.19 likely make artefacts for the temple (Rivka Nir, The Destruction of Jerusalem and the Idea of Redemption in the Syriac Apocalypse of Baruch, SBLEJL 20 [Atlanta, GA: SBL, 2003], 100–117). Despite this fact and the reference to priests in 10.18, figures directly associated with the temple are not principally in focus. 51 Baruch reuses phraseology from the earlier lament, noted above (... ‫; ܕ ܘܝ‬ 2 Bar. 14.14). 52 Resolution begins already in 2 Bar. 21, though complaint appears as late as 48.15–17. Cf. Tom W. Willett, Eschatology in the Theodicies of 2 Baruch and 4 Ezra, JSPSup 4 [Sheffield: JSOT Press, 1989), 101, 104; Daschke, City of Ruins (see n. 18), 157; George W. E. Nickelsburg, “A New Testament Reader’s Guide to 2 Baruch: Or a 2 Baruch Reader’s Guide to the New Testament,” in Fourth Ezra and Second Baruch: Reconstruction After the Fall, ed. Matthias Henze and Gabriele Boccaccini, SJSJ 164 (Leiden and Boston: Brill, 2013), 271–93 (275). 53 Daschke, City of Ruins (see n. 18), 149, who observes numerous references to “mourning, grief, lamentation,” sees no real punch there (cf. pp. 150–2, 157, 159); cf. also Willet, Eschatology in the Theodicies (see n. 52), 122. An exception to the trend is Nickelsburg, “A New Testament Reader’s Guide” (see n. 52), 274–5. 54 Unless otherwise noted, the English translation of 2 Bar. comes from Gurtner, Second Baruch (see n. 40).

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You say, “Woe is me! The LORD has added grief to my pain. I am worn out with groaning, and I have found no rest (‫אתי‬ ִ ‫נוּחה ל ֹא ָמ ָצ‬ ָ ‫וּמ‬ ְ ).”55

In both texts the sense of grief and suffering is unremitting. The parallel supports the notion that the Jeremianic text may well have acted as a source of inspiration for our apocalypse. The key difference, though, between 2 Baruch and Jer 45 is noteworthy.56 While hope is left implicit in the Jeremianic text, it is explicit in our text. There the hope is less than requested and decidedly thisworldly, here it is eschatological and far beyond Baruch’s expectations. As for petition, from his opening speech onward, this activity characterizes Baruch. His many requests focus especially on attaining privileged knowledge about the future, including interpretation of visions concerning the eschaton.57 These are granted, often in notable detail. In other ways also, Baruch and Ramiel each point to the significance of Baruch’s petitioning.58 Beyond requests for knowledge, Baruch makes some extraordinary appeals, including, for example, for mortality to be brought to an end (21.22), for his life to be taken (3.2), and for special treatment to be given to Israel (48.18–20). The last two are not granted. This characterization of the seer in 2 Baruch is profitably explained on the hypothesis that it draws on Jer 45 for inspiration. Notably, here Baruch’s extreme request given personal suffering made in his opening speech – “…take my spirit that I may go to my fathers…” (2 Bar. 3.2) – is akin to the request for special treatment during a time of national adversity made by his counterpart in Jer 45.3. Moreover, the seeking after “great things” (‫ )גְ ד ֹלוֹת‬in Jer 45.5 seems to find a parallel in the privileged role that Baruch receives from God in our text (cf. 54.9–10). Given the connection, the differences stick out as noteworthy. There the petitioner is left unsatisfied, here Baruch’s many requests are granted. While his petition for special treatment there is denied, here God accords Baruch a privileged status beyond what he seeks. If the inversion of expectations is intentional, then it may underscore the hope that the figure of Baruch comes to embody in the apocalypse.

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English translations of the Hebrew Bible are taken from the JPS version. For a similar interpretive approach, see Yair Zakovitch, “And You Shall Tell Your Son...”: The Concept of the Exodus in the Bible (Jerusalem: Magnes, Hebrew University, 1991). 57 See 2 Bar. 3.5–9; 5.1; 11.3; 14.3; 21.19; 24.4; 28.6–7; 38.3; 41.1–6; 48.48–49.3; 54.6, 20; 81.3. 58 2 Bar. 41.2; 48.21; 54.7; 56.1; 76.1; 81.4; cf. 34.1. 56

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Unjust suffering of the righteous The unjust suffering of the righteous is a consuming concern in 2 Baruch. Baruch’s portrayal as a righteousness figure is a recurrent aspect of his characterization. At the outset, God declares that the deeds and prayers of Baruch and those like him protect Jerusalem (2.2; cf. 14.7). He is cast in the role of a traditional righteous figure especially as a true teacher of the Law of Moses59 – a topic I will return to. Baruch can even boast openly of his own righteousness (38.1–4). He belongs to and is an exemplar of the group for whom both this world and the one to come have been created (15.7–8; 21.24; cf. 14.19). Though scholarship has tended to downplay the sense of grief by focusing attention on the loss of the temple, an issue resolved early on, the enduring, post-conquest experience of the suffering of the righteous finds recurrent expression. Gentile enemies are in view. First, this theme appears in the opening dialogue, though its importance there is commonly overlooked in scholarship. Baruch’s questioning specifies the agents of the coming calamity, “our haters” ̈ ( : 3.5), whereas God’s opening pronouncement avoids mention of human agency altogether (1.4–5).60 When God continues to refrain from mentioning the agents (4.1; cf. 4.3), Baruch refers to them as “your haters” ̈ ), in a renewed, though unsuccessful, attempt to win God over to (5.1: his side.61 The wickedness of the conquerors, who worship idols, is underscored. Second, Baruch’s lament addresses not only the loss of the temple, but also the suffering of him and others on account of the Gentile nations’ deeds of aggression and on account of their prosperity. Expression of his pain crescendos, leading through his lamentation over the temple, until he addresses the enemies of Zion. Unending pain and immeasurable groaning (11.2) results from their prosperity in the day of Zion’s demise. As “what has happened to ܿ ! "‫ ) ܡ ܕ‬becomes equated with “that which Jerusalem” (10.7: # !‫ܘܪ‬ has happened to us” (11.3, 5: ! "‫) ܡ ܕ‬,62 the deeds of these Gentiles are linked to the original cause of Baruch and his compatriots’ suffering. The traditional question raised here is how God could use Gentiles to punish Israel.63 The suffering is unjust (11.3). The blessing over the righteous dead, who have not suffered this pain, confirms that the righteous within Israel in Baruch’s generation are in view in his reference to “us,” not Israel generally (11.4–5). 59 Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 82–3; Mark Whitters, The Epistle of Second Baruch: A Study in Form and Message, LSTS 42 (Sheffield: Sheffield Academic, 2003), 165–6. 60 Translation mine. 61 Translation mine. 62 Note also that though Baruch laments “over Zion” (2 Bar. 10.5), as indicated in the introductory description, he early on utters a woe upon “us” (10.7). 63 See, e.g., Hab 1. Cf. Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 78; cf. 80.

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Third, the repeated use of the phrase “that which has happened to us” ( ‫ܡ‬ ! "‫ )ܕ‬and related phraseology is pertinent. Such phraseology, introduced in close association with the “pain” (11.1–2, 4: % &) and “affliction” (11.5: '() brought about by Israel’s enemies, is revisited often by Baruch in similar contexts (14.3; 21.21; 24.4; 75.8; 79.3; cf. 84.5). It becomes in effect a shorthand, it seems, for the righteous’ suffering at the hands of the Gentiles.64 In one case, Baruch’s knowledge of this suffering is contrasted with his desire ̈ ) : 24.4), tying in a to see punishment meted out upon “our enemies” ( theme that I will discuss below. The fact that the general concept of “what has happened” is tied so closely to the experience of unjust suffering at the hands of the Gentiles reinforces the latter’s importance. Fourth, the text’s climactic cloud vision drives home the said notion of suffering. The vision characterizes the Gentiles as wicked, associating their prosperity – along with the wayward among the twelve tribes – with the black waters.65 The bright waters, in contrast, generally correspond to the righteous within Judah and the periods of their prosperity. However, in discussion of the eleventh, black waters Ramiel addresses the unjust suffering of righteous Baruch and those like him. Seeking to mitigate the pain felt, Ramiel points to the suffering of God and the angels (67.2–3). The twelfth, bright waters constitute the one would-be positive period not filled with the success of the righteous. Indeed, Israel’s very existence is in danger.66 These deviations in history’s pattern, appearing towards the vision’s climax, bring to the fore the challenge of the unjust suffering of the righteous at their Gentile enemies’ hands. Beyond the four points discussed, the expressed desire for vengeance (see below) contributes to establishing the importance of this theme of suffering. Jer 45, too, addresses the injustice inherent in Gentile nations bringing upheaval and grief to Baruch’s world.67 The image of war is invoked in the use of “booty” (‫ ) ָשׁלָ ל‬and possibly in language referring to a refugee’s life, employed in God’s promise to Baruch (45.5). The pericope’s location in the text – prior to the narration of the conquest (OG) and/or after the account of postconquest difficulties for the group Baruch and Jeremiah are included in (MT and OG) – reinforces the point. Thus, 2 Baruch’s attention to this theme of suffering is intelligible as a reiteration of concerns found in the Jeremianic text. The difference is that in our text Baruch is explicitly concerned not only with himself, but also with other righteous ones. But there is more. 64 Ramiel also uses such phraseology (2 Bar. 64.4; 67.1) with reference to the suffering of Baruch and the other righteous as it pertains to the oppression by the Gentiles. 65 Note the successes of David, Solomon and Hezekiah involve the destruction of Gentiles. 66 Note also that the Messiah annihilates all “who have ruled over you” (2 Bar. 72.6), implying a previous period of unjust suffering. 67 Cf. Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 111–2. Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 93, expresses a similar idea.

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Baruch, as an exemplar of the righteous, suffers also at the hands of his wayward compatriots. Baruch’s grief over this point is introduced when he asks why Zion was not spared on account of its few righteous inhabitants instead of punished for the wickedness of the many (14.5–7).68 The earlier sense of solidarity is further eroded when a group of “many of your people” (41.3: ̈ * ) is identified. Having rejected the Torah, these individuals +( will not receive blessings at the end of the age.69 True “Israel” is the faithful minority.70 Baruch’s request for protection for the righteous in this age is denied. Clearly their suffering can be collateral damage arising from punishment of the misdeeds of their wicked conationals. The reward for the righteous will be in the next age, God assure. The force of the assurance is apparently so great that Baruch exclaims, “Rejoice in the suffering which you now suffer…” (52.6). The righteous suffer on account of their fellow nationals at points in the vision of the cloud. The general trend has categorically good and bad generations among God’s people associated squarely with bright and black waters, respectively. Thus, for example, the suffering of the Israelites’ sojourning in the wilderness in Moses’ generation on account of disobedience goes unmentioned; only the positive events associated with the revelation at Sinai are recounted.71 However, in the black ninth waters, Manasseh’s reign, the righteous are directly persecuted by the wicked (64.2). Furthermore, the righteous in future generations are also affected negatively here; for on account of Manasseh’s impiety it is decreed that Zion be uprooted (64.4). In Baruch’s generation, too, the unfairness of his hardships is implicitly acknowledged as Ramiel seeks to redirect Baruch’s attention to God’s own affliction (67.5). Possibly, the author avoids making a moral assessment of his contemporaries (the bright twelfth waters) in an attempt to maximize the appeal of his call to Torah obedience. Still the situation implied at the destruction of the second temple is akin to that of the main character’s generation. And the implicit suffering of the righteous there on account of conationals can be discerned. In his closing speech Baruch inculpates his unrighteous contemporaries in no uncertain terms for the suffering he and other righteous ones must endure (77.10): “And do you not know that because of you who sinned, the one who did not sin was destroyed, and that because of those who acted wickedly, the one who did no foolishness was delivered up to enemies?”72 Here, too, we see the rich interconnectedness of the causes of the righteous’ suffering, namely

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See Willett, Eschatology in the Theodicies (see n. 52), 99. See also 2 Bar. 48.18–20. 70 Sayler, Have the Promises Failed? (see n. 38), 62; cf. 68–9. 71 Still, note Ramiel’s reference to Moses, Aaron, Miriam, Joshua and Caleb and “all those like them” (2 Bar. 59.1), likely implying that some among Israel then were wayward. 72 See also the seer’s prayer in 2 Bar. 75.7–8. 69

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the misdeeds of the fellow members of Israel, which according to the Deuteronomistic scheme then bring about the aggression of national enemies. Baruch’s concluding epistle offers a less penetrating perspective. All of the twelve tribes are guilty of sin and are bound by the same bond (78.4; cf. 79.3).73 Presumably paraenetic concerns here trump the need to distinguish the righteous from their contemporaries, as the author seeks to win readers over to his perspective on Torah obedience and eschatological theodicy.74 In Jer 45, too, Baruch’s plight is indelibly imprinted by the unfair consequences for him stemming from his compatriots’ unfaithfulness to the covenant. The episode’s opening line (45.1) invokes the earlier story (36.1–32) of resistance and personal danger to Baruch. The location of 45.1–5 (likewise LXX 51.31–35), following the narration of the many vicissitudes Jeremiah endures, at times Baruch also, underscores the point.75 The note of Baruch’s complaint in 45.3 reverberates along the lines of the tonal frequencies of these earlier texts. God’s prophecy of coming destruction for Judah (45.4) brings together the connection of Baruch’s suffering on account of his compatriots through national enemies. It is easy to see, then, how the choice of Baruch as lead figure in 2 Baruch might be influenced by Jer 45. A difference in our text pertains, again, to how Baruch clearly is a member of and acts as a leader of a group, the righteous within Israel. One further point is relevant. The degree to which a desire for revenge is expressed in 2 Baruch has commonly been underestimated.76 Baruch’s lament introduces the theme, predic73

Note also the deference shown to the righteous of earlier generations (2 Bar. 75.7; 85.1–3). 74 Alternatively, Baruch’s letter was possibly composed by a later author and attached to the apocalypse at a later date (cf. Sayler, Have the Promises Failed? [see n. 38], 98–102). For the epistle as an integral component of 2 Bar. see, Whitters, Epistle of Second Baruch (see n. 59), 48–52; Lutz Doering, “The Epistle of Baruch and Its Role in 2Baruch,” in Fourth Ezra and Second Baruch: Reconstruction After the Fall, ed. Matthias Henze and Gabriele Boccaccini, SJSJ 164 (Leiden and Boston: Brill, 2013), 151–73 (173). 75 Jeremiah undergoes mistreatment and even the threat of death at the hands of conationals. They both otherwise suffer from the negative consequences of their compatriots’ actions leading to the capture of Jerusalem (a connection on this point is made in the OG version also through the ensuing narrative). 76 See, e.g., Kenneth R. Jones, Jewish Reactions to the Destruction of Jerusalem in A.D. 70: Apocalypses and Related Pseudepigrapha, SJSJ 151 (Leiden: Brill, 2011), 90; Daniel M. Gurtner, “Eschatological Rewards for the Righteous in Second Baruch,” in Interpreting 4 Ezra and 2 Baruch: International Studies, ed. Gabriele Boccaccini and Jason M. Zurawski, LSTS 87 (London: T&T Clark, 2014), 107–115, 109–110; Daschke, City of Ruins (see n. 18), 166; Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 131–9. Exceptions to the trend include Lied, Other Lands of Israel (see n. 49), 209–10, 234; Willett, Eschatology in the Theodicies (see n. 52), 123; Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 75, 86; Michael Theophilos, “The Portrayal of Gentiles in Jewish Apocalyptic Literature,” in Attitudes to Gentiles in Ancient Judaism and Early Christianity, ed. David C. Sim and James S. McLaren, LNTS 499 (London: Bloomsbury T&T Clark, 2014), 72–91.

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ting his enemies’ downfall (12.1–4). God confirms that they will be “thoroughly punished” (13.5) and promises Baruch the personal satisfaction of being a witness (13.3–12; cf. 14.3). Still the seer protests that at the end of the age the identity and numbers of Gentiles will be insufficient to satisfy his thirst for “retribution” (14.1: % (‫ܪ‬,-). The challenge is later met by the revelation that sins committed in every generation are at stake (24.1–2). Indeed, God’s patience towards the Gentiles now will result later in their obliteration.77 Still, ̈ ) ) will Baruch yearns to know in detail how and when “our haters” (24.4: be punished. In a series of revelations, God meets this desire for knowledge. On the one hand, revenge will be had at the end of this age: natural disasters and related phenomena (27.1–15; cf. 48.31–37; 70.3–8) will affect all outside of the faithful among the covenant people and the Messiah will destroy the final Gentile world power, along with all Gentiles who have oppressed or even known Israel (36.7–10; 39.7–40.2; 72.2–6).78 The violent activity associated with the Messiah is noteworthy.79 On the other hand, at the resurrection, all of the wicked among the Gentile nations will receive the ultimate punishment, cut off from the world to come and tormented (30.4–5; 51.1–6). Baruch’s desire for vengeance upon national enemies is loudly given voice in the closing letter. Here this hope constitutes the primary sense of Baruch’s “encouragement” (81.1: , ) to readers. He states (82.2): “For you know that our creator will surely avenge (. ‫ ܬ‬. ‫ )ܕ‬us on all our enemies according to all that they have done to us and with us.” Recalling language from his lament, Baruch describes in poetic verse how the current prosperity of the nations will turn into ruin, their punishment (82.3–9; 83.10–21).80 Whether the revenge occurs in this world or at the onset of the next one – or in both contexts – is not elucidated. The end of the letter, too, offers encouragement through the ̈ ). future punishment of “those who hate us” (85.9: While Baruch’s thirst for specifics about the eventual punishment of his enemies is quenched at one point, the text betrays that the author is not yet satisfied with his treatment of the subject. When Baruch attempts to change topics (48.48), God surprisingly returns to the fate of the wicked opponents of Zion, beginning with a more detailed depiction of their judgement and torment 77 Sayler, Have the Promises Failed? (see n. 38), 45–6; Willett, Eschatology in the Theodicies (see n. 52), 109. 78 In God’s interpretation of the vision of the vine and cedar, it seems that the Messiah’s vanquishing of the fourth Gentile kingdom constitutes vengeance also against the first kingdom, which is responsible for Zion’s destruction in Baruch’s day (2 Bar. 39.3). Cf. Willett, Eschatology in the Theodicies (see n. 52), 110. The use of “dust” (/0) and “soil” (1 2() in 35.5 and 36.10 contributes to the sense of revenge through defeat of the cedar. 79 Enemies of Zion are put to death by the sword (2 Bar. 40.1; 72.6). This point is missed by some scholars. 80 In the letter’s second poem the recipients of judgement and punishment (cf. 2 Bar. 83.18–21) are the enemies of Zion (note the things avenged in 83.22).

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following the resurrection (51.1–6).81 Implicitly, the righteous have the satisfaction of seeing their enemies suffer all the more at the sight of the former group’s exaltation and transformation. The revelation wins Baruch over; for he knows that the punishment of his enemies at the resurrection is assured.82 Yet the apocalypse goes on to depict in greater detail the satisfaction that the Messiah will afford, when he brings everything “low” (73.1), handing over a great mass of humanity to death by the sword and subjugating the rest (72.5–6). Thus through Baruch’s mouth and, beyond that, through predictions of the eschaton, 2 Baruch displays a marked interest in revenge against the national enemies of the righteous in Israel. This interest is an important aspect, I maintain, of the concern for the suffering of the righteous. Jer 45 is informative, also in this regard, for the choice of Baruch as the pseudonymous figure in 2 Baruch. The book of Baruch is surprisingly proBabylonian,83 in ways inconceivable in 2 Baruch, commanding (Bar 1.11), “…pray for the life of King Nebuchadnezzar of Babylon, and for the life of his son Belshazzar, so that their days on earth may be like the days of heaven.”84 The dialogue in Jer 45 envisages total destruction for “all flesh” (v. 5), including the wicked Gentiles that God uses to punish the kingdom of Judah.85 Though a desire for revenge is not explicit in Jer 45, our text’s vision of the demise of this age’s wicked kingdoms is far closer to the picture in Jer 45 than that in the book of Baruch.

Recipient of promises and prophecies As a historical apocalypse, 2 Baruch is marked by divine revelation in the form of predictions.86 A host of promises and prophecies pertain to two broad themes: preservation and destruction. In various ways, these topics correspond in turn to the predictions contained in Jer 45.4–5.

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Baruch understands the description to pertain to his “enemies” (2 Bar. 52.6). The rhetorical force of Baruch’s question “…why do you look for the decline of your enemies?” (2 Bar. 52.6) has been misunderstood by Jones, Jewish Reactions (see n. 76), 101–2. 83 See, though, Bar 4.32–35. 84 The English translation of Bar comes from the NRSV. 85 See also Jer 50–51 (LXX 27–28). Baruch, in particular, is distanced from Babylon in Jer on account of being falsely accused of collusion (43.3). 86 Collins, Apocalyptic Imagination (see n. 6), 8, claims that all extant historical apocalypses consistently contain ex eventu prophecy and descriptions of eschatological upheavals and the judgement of the wicked; they commonly address future cosmic transformation and resurrection. 82

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Preservation First, God’s promise to spare Baruch’s life is closely paralleled in a rather literal sense. Given the impending capture of Jerusalem, God says in Jer 45.5: “but I will at least grant you your life in all the places where you may go” (‫>־שׁם‬ ָ ֶ‫ל־ה ְמּקֹמוֹת ֲא ֶשׁר ֵתּל‬ ַ ‫)וְ נָ ַת ִתּי לְ @ ֶאת־נַ ְפ ְשׁ@ ְל ָשׁלָ ל ַ ל ָכּ‬.87 Similarly, God announces that Baruch and others like him will not be harmed in the imminent fall of the city to the Babylonians in 2 Bar. 2.1–2. In fact, they must be removed so that the disaster can occur.88 Second, God offers Baruch a personal promise of preservation of eschatological proportions. In response to Baruch’s lament, God promises, “…you will surely be preserved [ 34‫ ܘ ܬܬ‬34 ] to the end of times, that you may be a testimony” (2 Bar. 13.3; cf. 25.1). At that time, when the nations are finally “thoroughly punished” (13.5), the seer will vouch for God’s justice. In the meantime, Baruch will be taken out of this corruptible world (43.1–2). Baruch will not die (76.2), but “will surely be taken up [6 4 ,5 4 ]” (48.30). At the same time, the context of an imminent departure is a fitting setting for the concluding letter, which resembles a testament.89 Baruch’s location, too, on a mountain, surveying the land, recalls Moses’ departure and last testament.90 Still, the connection with Jer 45.5 remains. It is reasonable here to see Baruch’s departure and preservation as a witness as developing and heightening the privileged treatment afforded the righteous sage there.91 Here Baruch does not just survive by the skin of his neck. Rather, having obtained eternal invincibility, he even enjoys the satisfaction of participation in God’s punishment of the enemies of the righteous.92 This stark variation of a motif underscores the author’s grand vision of eschatological vindication. Third, God’s promise of protection is also given to others at the end of the present age. Leading up to the messianic age, God protects the righteous, within the land of Israel, from the series of upheavals affecting humanity (2 Bar. 29.1– 2; 71.1). This protection from natural and other disasters is strictly predicated on Torah observance (32.1).93 Then, after defeating the last world ruler, the 87

Jer (LXX) 51.35: καὶ δώσω τὴν ψυχήν σου εἰς εὕρεµα ἐν παντὶ τόπῳ, οὗ ἐὰν βαδίσῃς ἐκεῖ. On OG Vorlage’s ‫ כל מקום‬vs. MT’s ‫ל־ה ְמּקֹמוֹת‬ ַ ‫ ָכּ‬see Holladay, Jeremiah (see n. 26), 2:307. 88 The text narrates that they leave the city (2 Bar. 5.5), which is then taken (6.1; 8.4). 89 Whitters, Epistle of Second Baruch (see n. 59), 156–68. 90 Murphy, Structure and Meaning (see n. 46), 129. 91 Similarly, Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 80; Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 93–4. 92 Henze, “From Jeremiah to Baruch” (see n. 9), 177, makes a similar point, but in relation to how the Baruch of 2 Bar. enjoys a fate that Jeremiah (in biblical tradition) and Moses do not. 93 The protective quality of the land in 2 Bar. 71.1, too, is derived from the piety of its inhabitants (see Lied, Other Lands of Israel [see n. 49], 206).

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Messiah protects the remnant of God’s people (40.2: 7+(‫)! & ܕ‬, ushering in the final era of “the world of corruption” (40.3: /50‫ ܕ‬%+ (). While threats from human opponents are already vanquished, protection from disease and other adversities are probably to be envisioned here (cf. 73.1–2). Thus, the protection promised in Jer 45.5, extended now to all the righteous, is expanded in multiple ways, relocated to the end of this age.94 But, what is more, reversing Baruch’s sentence to a refugee’s life in the earlier text, the protection in 2 Baruch pertains specifically to those living in the land originally decimated by their enemies. And, unlike the scribe of the earlier tradition, these righteous ones gain much more than simply their own lives as booty. They regain all that was lost. Fourth and finally, the promise of protection is extended to all of the righteous in the eschaton. It has two components: resurrection and incorruptible life. The former requires extra attention. One interpretive tradition reads 2 Baruch as adhering to a universal resurrection: in the eschaton both the righteous and the wicked are raised, prior to the meting out of rewards and punishments. But greater attention to detail in the few textual instances within our apocalypse that address the resurrection leads to the conclusion that only the righteous are raised from the dead. In the first place, as Eugen J. Pentiuc has shown, reference to the “first” and “last” in 30.2 does not denote both the wicked and the righteous, but rather two different groups of the righteous, who meet each other at the resurrection.95 Secondly, Liv Ingeborg Lied has likewise convincingly argued that the recognition motif in 50.2–4 does not serve an apologetic purpose, combatting resurrection deniers, but depicts a group internal event: the knowledgeable righteous recognize one another at the resurrection.96 Thirdly, the notion of “treasuries” (18‫ )ܐܘܨ‬in 30.2 is best understood as containing only the souls of the righteous.97 The phrase “treasuries of souls” ( 18‫ܐܘܨ‬ ̈ 24‫ )ܕ‬in 21.23 refers to the holding containers reserved uniquely for the deceased righteous. Moreover, 2 Baruch repeatedly uses “treasuries” to refer in various senses to the righteous – whether as containers of their souls or of

94 Similarly, Wright, Baruch ben Neriah (s. 20), 111–2; cf. Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 93–4. 95 Eugen J. Pentiuc, “The Nature of the Resurrected Bodies: 2 Baruch and the New Testament,” in Fourth Ezra and Second Baruch: Reconstruction After the Fall, ed. Matthias Henze and Gabriele Boccaccini, SJSJ 164 (Leiden and Boston: Brill, 2013), 309–34 (320). 96 Liv Ingeborg Lied, “Recognizing the Righteous Remnant?: Resurrection, Recognition and Eschatological Reversals in 2 Baruch 47–52,” in Metamorphoses: Resurrection, Body and Transformative Practices in Early Christianity, ed. Turid Karlsen Seim and Jorunn Økland (Berlin: de Gruyter, 2009), 311–35 (326). 97 So, too, Lied, Other Lands of Israel (see n. 49), 249–50; pace Pentiuc, “Nature of the Resurrected Bodies” (see n. 95), 319.

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their deeds.98 Fourthly, with Henze, I argue that the dead that the earth “gives back” in 50.2 are the righteous.99 In line with the categorical divide created by 2 Baruch between the wicked, who “belong to” (42.7: ‫ܢ‬,4‫ܐ‬ ‫ܕܕ‬ ) “corruption” (/50), and the righteous, who “belong to” ( ‫ܕܕ ܘܢ‬ ‫ܢ‬,4‫“ )ܐ‬life” (% 0̈ ), what is preserved in the earth of the present corruptible age (50.2) does not belong to it, namely the bodies of the righteous.100 With the precedent set in 30.1–5 that the souls of the righteous are released and the souls of the wicked are tormented at the sight of the others’ resurrection, the most fitting reading of 50.2 would envision a similar scenario. The resurrection is the extension par excellence of God’s promise to Baruch in Jer 45.5. The wicked, in contrast, suffer at the sight of the resurrected and greatly glorified bodies of the righteous, before their departure for torment (51.5–6). As to the incorruptible life inherited by all of the righteous, its quality is exceptional. The righteous become like angels and “equal to stars,” yet surpass the angels in glory, being able to change into any form of beauty desired (51.10–12). The dwelling of the righteous is at the peak of that glorious world and they have access to its vast splendors, including God’s throne.101 The hypothesis that 2 Baruch is consciously drawing on the precedent set in Jer 45.5 for inspiration102 accounts well for the data found in the four variations on the theme of preservation in our text. The resurrection and the incorruptible life in the eschaton are the ultimate manifestation of God’s preservation of the righteous from the forces of destruction in this age. They are the farthest extension of God’s promise to Baruch in Jer 45.5. Yet the differences, too, are noteworthy. Given the variation in terms of quality and location, the resurrection and incorruptible life constitute a virtual inversion of the original promise.103 Baruch, along with those like him, is offered not a vagabond’s life in a world of continuous strife but an undying life of bliss and ontological excellence in a world where even the memory of the corruptible age is erased (44.9). The paraenesis is clear. The righteous should carry on. They will be amply compensated in the next age for all they suffer now. The variation on the theme

98 The picture found in 2 Bar. differs from that in, for example, 1 En. 22, where one finds separate chambers for the righteous and wicked. 99 See, Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 315–7, 319. 100 Sayler has observed that terminology used to describe the temple vessels’ burial and final restoration (2 Bar. 6.8–9) are re-employed in ch. 50 to depict human burial and resurܰ rection. Also, Given the positive connotation elsewhere in 2 Bar. for 34 (“to guard, watch, ܰ ܶ keep”) and its passive counterpart ( 34‫)ܐ ܬ‬, it would be uncharacteristic for these verbs to describe the earth holding the bodies of the wicked here. 101 Cf. Lied, Other Lands of Israel (see n. 49), 248–50. 102 Cf. Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 111–2. 103 See the inversion of the figure of Ezra in 4 Ezra (cf. Collins, “Enoch and Ezra” [see n. 7]).

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of preservation is in line with our text’s reassignment of the rewards for covenantal faithfulness to the world to come. Destruction The two predictions of coming destruction made in Jer 45, too, seem to have an active life in 2 Baruch. The immediate context of God’s promise of survival to Baruch is, in fact, a prediction of doom for all of humanity: “For I am going to bring disaster upon all flesh – declares the LORD” (Jer 45.5 // LXX 51.35: ‫ל־בּ ָשׂר נְ ֻאם־ ְיהוָ ה‬ ָ ‫ל־כּ‬ ָ ַ ‫)כּי ִהנְ נִ י ֵמ ִביא ָר ָ ה‬. ִ 104 This is the perfect sort of text for an apocalypse in the Second Temple period to reference with respect to universal, eschatological judgement and destruction. Earlier in this vignette God has already predicted the demise of Judah as punishment for disobedience. The two versions differ here slightly. The MT lays more emphasis on the destruction’s widespread geographical scope: “I am going to overthrow what I have built, and uproot what I have planted – this applies to the whole land” (Jer 45.4 // LXX 51.34: ‫ל־ה ָא ֶרץ‬ ָ ‫ת־כּ‬ ָ ‫יתי ֲאנִ י ה ֵֹרס וְ ֵאת ֲא ֶשׁר־נָ ַט ְ ִתּי ֲאנִ י נ ֵֹתשׁ וְ ֶא‬ ִ ִ‫ר־בּנ‬ ָ ‫ִהנֵּ ה ֲא ֶשׁ‬ ‫)היא‬. ִ 105 The OG lacks an element corresponding to the MT’s final phrase.106 The prediction specific to the nation has an immediate application in the apocalypse. The text opens, in fact, with God’s pronouncement that he will soon destroy Jerusalem and remove its inhabitants (2 Bar. 1.4–5; cf. 4.1; 5.2– 3).107 Yet given verbal similarities, the prophecy of doom from Jer 45.5 seems also to have left its imprint here.108 The evil, which there falls “upon all flesh,” here is levelled at God’s people. Possibly, informed readers and hearers of the apocalypse could anticipate at the text’s beginning that a greater punishment awaits those Gentiles who will do Israel harm. The fulfillment of the prediction is then vividly narrated in the immediately following portion of text. The many and varied aspects of the apocalypse that more closely correspond to the prediction of the evil coming upon “all flesh” in Jer 45.5 fall into two broad themes: widespread destruction at the end of this age; and the final judgement and ultimate demise of the wicked. They are both introduced, it seems, 104

See McKane, Jeremiah (see n. 29), 2:1097; Lundbom, Jeremiah (see n. 23), 3:177. Wright (Baruch ben Neriah [see n. 20], 30) notes how for Deuteronomistic ideology “‘building’ and ‘planting’ are associated with living in the Promised Land under divine protection.” 106 Other, minor differences between the two versions do not affect the basic shared sense (Holladay, Jeremiah [see n. 26], 2:310). 107 Amos 9.14–15 has building and planting/uprooting referring to cities and God’s people, respectively. If the ideas of building and planting in Jer 45.4 are the same, then 2 Bar. 1.4 offers a parallel, as God’s judgement falls upon “this city” and “its inhabitants.” 108 ‫( ִה נְ נִ י ֵמ ִביא ָר ָ ה ַ ל‬Jer 45.5) is similar indeed to =( %4‫ܐ‬ ‫ܗ‬ (2 Bar. 1.4). An intermediary stage in Greek (ἰδοὺ ἐγὼ ἐπάγω [or ἐπιφέρω] κακὰ ἐπί; cf. Acts 5.28; Jude 9) may have enabled the preservation of the Hebrew linguistic features. 105

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when God first speaks, generally, of the coming, thorough judgement upon the nations (13.5). Exposition in detail is reserved for later. As for the destruction at the end of the present world, two phases are envisioned. First, a time of many tribulations, consisting of twelve periods, will come upon “the inhabitants of the earth” (25.1; 25.3: %(‫ ܿ ܕܐܪ‬8,+ ), save the righteous in the land of Israel. When God revisits the idea, stressing its totality, the double reference to land and people may echo the MT version’s text (Jer 45.4–5).109 At any rate, the sense of totality expressed in both versions (45.5; [LXX] 51.35) is found also here and repeatedly thereafter.110 Second, the messianic era, which is then ushered in, raises a new set of difficulties for the earth’s inhabitants. The vision of the cedar depicts the Messiah’s laying waste of all world powers – again, the destruction’s totality is stressed (2 Bar. 36.4–5). Likewise, in the vision of the cloud, the lightning lights up and seizes “the whole earth” (53.9, 10) to have dominion over it. Ramiel explains that the Messiah will summon and judge “all the nations” (72.2), bringing low “everything that is in the world” (73.1). Huge swathes of the world’s population are put to death by the sword. As for the final judgement and the punishment of the wicked, 2 Baruch repeatedly stresses the sense of totality. Books have kept a record of the sins of all of humanity throughout history (24.1–2). What awaits evaluation are not just actions but also all thoughts (83.3). Human culpability is undeniable, God insists, “[f]or each of the inhabitants of the earth knew when he was sinning” (48.40). And no one will be privileged to special treatment or appeal at the final judgement (85.12). Baruch envisions a mass of humans punished by fire following the judgement (48.42–43, 46–47). The wicked, who belong to the present, corruptible world, must perish along with it (31.5; 44.9; cf. 42.7). It will be as though they had never been. Baruch’s letter, which repeatedly visits the notion of virtual mass destruction for humankind, requires special comment. In the relevant portions of the text it is not always clear whether the decimation of humanity at the end of this age or that following the final judgement – or both – are in view. Nevertheless, the comprehensiveness of the coming calamity is clear.111 Here judgement and destruction are closely tied to the greatly desired vengeance for the righteous (cf. 82.1–2). Notably, the letter closes on the point of future reward and, especially, judgement and destruction by fire (85.11–15). Positing 2 Baruch’s direct reliance on Jer 45 helps to make sense of our text’s multiple variations on the theme of the destruction of the wicked, as I 109

ܿ

In 2 Bar. 29:1 God’s emphasis on “the whole earth” (%(‫ܗܘ ܐܪ‬ ,&‫ )ܕ‬and “all who live” ( ̈ 0‫ܕ‬ ‫)& ܘܢ ܐ‬, is similar to the ideas, also wording, that “this applies to the whole land” (Jer 45.4: ‫ל־ה ָא ֶרץ ִה יא‬ ָ ָ‫ )וְ ֶאת־כּ‬and “upon all flesh” (v. 5: ‫ל־בּ ָשׂר‬ ָ ָ‫) ַ ל־כּ‬. 110 2 Bar. 31.5; 32.1, 6; 48.32. 111 See, e.g. the use of “all,” “everyone,” “everything” and related phrases in 2 Bar. 83.2– 23; 85.14–15

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have shown.112 Yet one might object that, as a historical apocalypse, 2 Baruch would naturally concern itself with divine revelation of this sort.113 But, if Wright is correct, the private oracle to Baruch in the Jeremianic text was the catalyst for the tradition of Baruch as a recipient of revelation, including visions.114 Thus, a connection between Jer 45 and our text concerning predictions of future destruction, specifically, already becomes more likely. The probability increases when the themes of preservation and destruction are considered together, for they are intertwined in this text as in that one. The original promise that Baruch’s life will be spared (Jer 45.5) contrasts with both the prediction of punishment for the Judahites (45.4) and of a coming “evil” for “all flesh” (45.5). I observe four pairs of similar, contrasting predictions in 2 Baruch (noting some key passages): the preservation of righteous Baruch versus the downfall of Zion (chs. 1–2); the preservation of Baruch’s life until the end of the age versus the ultimate disaster for the Gentiles then (ch. 13); protection for the righteous as this world’s end approaches versus calamities and destruction for the wicked (chs. 28–29, 32, 70–71) or the last ruler’s defeat (ch. 40); and the incorruptible life reserved for the righteous versus the final judgement and ultimate demise of the wicked (chs. 30, 42, 50–51).115 These recurring sets of positive and negative predictions reinforce the idea that 2 Baruch is working with Jer 45 as a template.

Obedience to the Torah Obedience to the Torah is one of the main concerns in 2 Baruch.116 As the narrative unfolds, the Torah takes the temple’s place as the central feature providing cohesion for the protagonist’s community. 2 Baruch’s persistent emphasis on adherence to the Torah causes it to stand out within its genre, since

112

Cf., Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 93–4, especially on the military defeat of Israel’s enemies. 113 All extant historical apocalypses describe eschatological upheavals and the future judgement of the wicked (Collins, Apocalyptic Imagination [see n. 6], 8). 114 Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 63, 111. Note the MT version of Jer 45.1–5 and, even more, the OG version can be read such that Baruch is Jeremiah’s prophetic successor (cf. Wright, Baruch ben Neriah [see n. 20], 37–8; Tamási, “Baruch as a prophet” [see n. 16], 197). 115 Note the event of the righteous’ exaltation is precisely the moment in which the wicked greatly suffer (cf. Willett, Eschatology in the Theodicies [see n. 52], 105). 116 Charles, Apocalypse of Baruch (see n. 3), 26; Murphy, Structure and Meaning (see n. 90), 28, 124; Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 76–77; Lied, Other Lands of Israel (see n. 49), 2, 132; Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 9–10, 103, 107.

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apocalyptic revelation is commonly presented as an alternative to Mosaic authority.117 The Torah is promoted in a variety of ways in our text. First, offering a unique solution to the tension between Moses and apocalyptic revelation, 2 Baruch integrates the Deuteronomistic scheme of sin, exile, repentance and return with apocalyptic eschatology.118 God progressively reveals to Baruch how the ultimate reward for obedience to the Torah lies not in this world but in the world to come. The related Deuteronomistic ideas of “death” and “life” are also tied into this solution.119 Convinced of the new revelation, Baruch powerfully exhorts his conationals to keep the Torah (chs. 44– 46; 84–85). What were perceived as many and great losses are now seen as temporary setbacks, limited to this age, as Baruch confidently states, “…we have nothing now except the Mighty One and his Law” (85.3). Second, 2 Baruch insists that adherence to the Torah procures much benefit also in this age. The vision of the cloud makes it clear that obedience to the Torah results, typically at least, in peace and prosperity.120 Disobedience brings loss of land and temple.121 Yet the preservation that adherence to the Torah affords is not dependent upon geographical location.122 Indeed, the righteous are protected in a way that even the temple is not.123 Third, strong lines of parallelism between Moses and Baruch further promote the Torah. Baruch explicitly compares himself to Moses, as he calls the people to covenantal faithfulness (ch. 84).124 Like Moses, our seer ascends a mountain to survey land;125 offers a final testament;126 speaks using conditional statements which depict the reward for covenantal faithfulness;127 and, as noted 117

See Michael E. Stone, “Pseudepigraphy Reconsidered,” Review of Rabbinic Judaism 9 (2006): 1–15, 9, on the “alternate channel of authority” constructed in Enochic texts. 118 Murphy, The Structure and Meaning (see n. 46), 17; Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 107. 119 Murphy, Structure and Meaning (see n. 46), 130; Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 106–107, 208. Adam and Moses are the paradigms of death and life, owing to their disobedience or obedience to the Torah, despite Adam’s relative prosperity in this world (2 Bar. 17–18). Note, similarly, the sole criterion for proselytes and apostates is Torah obedience (chs. 41–2). 120 Similarly, Hogan, “Pseudepigraphy and the Periodization of History” (see n. 8), 73. 121 Cf. Lied, Other Lands of Israel (see n. 49), 107. 122 Lied, Other Lands of Israel (see n. 49), 133. 123 Murphy, Structure and Meaning (see n. 46), 18. 124 Murphy, Structure and Meaning (see n. 46), 129; Whitters, Epistle of Second Baruch (see n. 59), 158–165; Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 105; Tamási, “Baruch as a prophet” (see n. 16), 215; Doering, “Epistle of Baruch” (see n. 74), 169. 125 Murphy, Structure and Meaning (see n. 46), 129; Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 104–5. 126 Murphy, Structure and Meaning (see n. 46), 129. Whitters, Epistle of Second Baruch (see n. 59), 156–168. 127 Murphy, Structure and Meaning (see n. 46), 120–4.

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above, refers to (dis)obeying the Torah in terms of death and life. Such examples could be multiplied.128 Baruch’s message ultimately plays a secondary role, however, to the Law given by Moses.129 Fourth, Baruch is also cast in the light of Jeremiah, further promoting the Torah. The opening line of 2 Baruch and, especially, the double call the seer receives from God (1.2–2.2; 13.1–12) indicate that Baruch has taken over the role assigned to his prophetic master in the biblical tradition.130 Like Jeremiah in the book by that name, Baruch in our text is a prophet who calls the people to be faithful to the covenant and to keep the Torah.131 Fifth, Baruch is presented as an inspired and ideal interpreter of the Torah for his community.132 This facet of Baruch’s portrayal is one example of a broader cultural development within Second Temple Judaism.133 So fantastic is Baruch’s ability to interpret the Torah that his addressees fear life without him (33.3; 46.1–3).134 While Baruch attempts to defer to the Torah itself (77.15–16; 85.3), his epistolary activity, whereby he interprets the Scriptures for all of the Twelve Tribes, shows de facto how difficult it is for the text to have him take leave of his role as inspired interpreter.135 The emphasis on Torah fits well in the idea that 2 Baruch draws on Jer 45 for inspiration. The message against Judah in 45.4 (LXX 51.34) resembles the beginning of the book, where observance of the Torah is a key theme, implying that the people’s disobedience, here too, is at stake.136 Moreover, the opening phrase in Jeremiah (45.1 // LXX 51.31) refers to the earlier narrated episode (cf. 36.1 // LXX 43.1) in which Baruch writes and then, at great risk, represents Jeremiah, reading the scroll of his master’s prophecies and predicting doom for the people if they fail to repent and to uphold the Torah and the covenant. Baruch’s lack of success there is the context invoked in Jer 45.137 Finally, the 128

Though in his letter Baruch is uncharacteristically sympathetic towards sinners within Israel, his need for a “defense” (2 Bar. 84.7) shows he still distances himself from them. 129 Henze, “From Jeremiah to Baruch” (see n. 9), 170; Doering, “Epistle of Baruch” (see n. 74), 168; pace Whitters, Epistle of Second Baruch (see n. 59), 163. 130 Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 72, 74, 108–13; Tamási, “Baruch as a prophet” (see n. 16), 205–6. Note Baruch even receives revelation to give to Jeremiah (e.g. 2 Bar. 2.1). 131 Jer 15.1; 2 Macc 2.2–3; Apocryphon of Jeremiah C (4Q385a 18 i). Cf. Dimant, “4 Ezra and 2 Baruch” (see n. 7), 55; cf. Tamási, “Baruch as a prophet” (see n. 16), 208. 132 Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 38–9, 82, 89–96, 124. 133 Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 87–97, 94. 134 Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 89; Tamási, “Baruch as a prophet” (see n. 16), 211. 135 Note the book of 2 Bar. itself, taken as a whole, also props up Baruch in this way. 136 Jer 1.16 (cf. 2.5, 11) condemns idol worship (Holladay, Jeremiah [see n. 26], 1:42). 137 Note Jer 45.1 (LXX 51.31) cites the fourth year of Jehoiakim’s reign when the scroll is written (36.1 [LXX 43.1]), though Baruch reads it in the fifth (36.9) or eighth year (LXX 43.9).

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immediate literary context in the MT version and, especially, in the OG version, bring the connection with Torah to the fore.138 Of course, the importance of the Torah in 2 Baruch does not point only to the figure of Baruch in Jeremiah, as I have highlighted in the foregoing.139 Still, in light of the other, closer connections between 2 Baruch and Jer 45 outlined above, it is reasonable to see the influence of the latter text on the former regarding also the insistence on keeping the Torah. The point is supported by the observation of a similar constellation of ideas in the two texts. Torah observance in 2 Baruch is closely related to the present suffering of the righteous and the future comfort in the form of eschatological blessings and woes for the righteous and the wicked. In the same way, Baruch’s suffering in Jer 45 stems from his faithfulness to Torah, while God’s prophecies of life for him and destruction for others serve to bring comfort. The great difference is that the reward for Torah observance is much greater and surer in 2 Baruch. Another important difference is the level of respect and success Baruch enjoys in our text, leading his community towards keeping the Torah.

Demise of Jerusalem and related events as context Lastly, the narrative contexts of Jer 45 and 2 Baruch employ similar historical settings. This point has received much attention. The final episode involving Baruch in the book of Jeremiah, whether dated to 604 BCE (MT version) or 601 BCE (OG), is closely linked to the capture of Jerusalem by the Babylonians, the destruction of the Temple and the exile of the majority of Judahites in 586 BCE, along with the aftermath for those who stay behind.140 First, God’s prediction of doom for the nation in 45.4 and of a vagabond’s life for Baruch in 45.5 anticipates the events themselves. Second, a lengthy prose section, whose episodes are presented in chronological order, has already narrated both the events around the fall of Jerusalem (39.1–14 // [LXX] 46.1–3, 14 – or, in the OG version, at least some of these events) and the remnants’ later difficulties in the land of Israel and Egypt (chs. 40–44). The Baruchian pericope, though actually out of chronological order, brings the narrative sequence to a close; in this way the dialogue there presumes and builds upon knowledge of these calamitous events (that technically lie in the future of the narrative 138 Catchwords and a shared suffering link Jer 44 and 45 (cf. Lundbom, Jeremiah [see n. 23], 3:173). Disobedience to God’s commands is in question in the preceding chapter. In the OG, additionally, the conquest of Judah (LXX 52) follows the prophecy to Baruch. 139 Also, the Torah-centered wisdom in 2 Bar. is likely influenced by the book of Baruch. See, Doering, “Epistle of Baruch” (see n. 74), 173, on “Torah paraenesis” in the epistolary tradition associated with Baruch and Jeremiah. 140 On the dating to 604 BCE see Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 16, 18. On the dating to 601 BCE see Holladay, Jeremiah (see n. 26), 1:4–5.

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world).141 Third, in the OG version the episode is followed immediately by a detailed depiction of the Babylonian’s conquest of Jerusalem (Jer [LXX] 52).142 Thus, Jer 45 both depicts the difficult final days of the kingdom of Judah and invokes the imminent, subsequent disaster and its aftermath, which are anticipated by the prophecies contained in the episode. Positing the influence of Jer 45 on the mind of our author for the choice of Baruch makes great sense of the similarities in narrative settings.143 In the opening of the apocalypse (2 Bar. 1–5), as in the Jeremianic text, the setting is the land of Israel, in the final days of the kingdom of Judah, with a far-reaching national disaster through military conquest at hand. The related narrative texts of the Babylonians’ conquest of the Judahites and their exile in the book of Jeremiah, invoked by Jer 45.4, have a parallel in 2 Bar. 6–8. The setting for the remainder of 2 Baruch is then roughly the same as that envisioned in the prophecy of hope for Baruch in Jer 45.5, along with the narrative texts that depict the harsh realities of the survivors, in the conquered land and beyond. These important similarities are not shared with the book of Baruch, whose setting is in Babylon, after the Judahites are exiled. The historical context of our author, as is widely recognized, is most likely the Jewish revolt against Rome in 66–70 CE and its aftermath.144 Thus, the key features held in common between the author’s historical setting and the setting of the main character – also, importantly, the setting in and invoked by Jer 45 – are Jerusalem’s seizure by enemy troops, the temple’s demise and the postdestruction community’s efforts.145 Of course, there are numerous differences between the respective series of events narrated in Jeremiah and in 2 Baruch. Some differences are vivid and gripping. First, Baruch, Jeremiah, and others like him, are removed prior the siege and capture of Jerusalem (cf. Jer 38–39). Righteous living, in accordance with the Torah, does in fact procure protection, it is claimed.146 Second, God himself, assisted by angels, brings the city and its temple to ruins. The implication is that hope is not to be placed in this sacred space as much as, now, in 141

On this bookend function see Brueggemann, To Pluck Up (see n. 28), 2:204. In the MT, the oracle against the nations comes between the final pericope with Baruch and the concluding narrative of Judah’s fall (ch. 52). The book’s end aside, ch. 45 is the final narrative section and final text focused on Judah. It, thus, naturally links to ch. 52. 143 Similarly, Wright, Baruch ben Neriah (see n. 20), 111–2 (cf. 75–6); Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 93. 144 Cf. Liv Ingeborg Lied, “Recent Scholarship on 2 Baruch: 2000–2009,” CBR 9 (2011): 238–76, 240, 245. 145 Henze, Jewish Apocalypticism (see n. 3), 93. See, Lied, “Recent Scholarship” (see n. 144), 261, 267–8, on the difficulty of determining precise details of the historical situation of 2 Bar.’s author. 146 It is worth underscoring this key difference with the vision of Jer 45, in which not only those unfaithful to the covenant, who bear responsibility for the calamity, experience the horrors of Jerusalem’s fall, but also the righteous. 142

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the Torah and, finally, in the world to come.147 Third, Baruch, not Jeremiah, takes up the place of leadership.148 The turn in late Second Temple Judaism from prophecy towards apocalypses and/or inspired interpreters of the Torah may be at play here.149 At any rate, his status, bearing greater similarity to those in his community, and the respect he is afforded serve to undergird his sympathetic and paraenetic message, leading his community and all of the twelve tribes from grief to consolation. Fourth, Baruch and the other survivors stay in the land of Israel and maintain unity.150 This ideal state and geographical context sets the stage for eventual vindication.151

Conclusion Clearly, Jer 45 (LXX 51.31–35) is not the sole source of the many and various traditions influencing the composition of 2 Baruch. Other scholars have shown how scriptural figures – especially Moses and Jeremiah – and their reception in subsequent literature bear an indelible imprint on our apocalypse through a variety of means. Other traditions about Baruch himself, too, whether evident elsewhere in the book of Jeremiah or in the book of Baruch and later literature, make their mark. General features are also important, such as Baruch’s being a venerable figure from the past, a scribe at an important historical juncture and an ideal figure to whom a number of texts are ascribed. However, an impressive number of features is held in common by Jer 45 and 2 Baruch, specifically. Much of the shared material pertains to similar networks of features. My argument is that the revelatory, quasi-dialogic encounter between God and the mournful Baruch in the book of Jeremiah, concerning his suffering and involving predictions about Baruch, his wicked compatriots and all of humanity, constituted the principal grounds for the author’s choice of Baruch as the pseudonymous figure in 2 Baruch, over and against some other ancient figure. The said episode contained enough material in seed form that was germane to his project so as to inspire the decision. 147

Murphy, Structure and Meaning (see n. 46); Lied, “Recent Scholarship” (see n. 144),

248. 148

Note in the book of Jeremiah, both the prophet and Baruch (Jer 43.3) are not respected. This point may also pertain to the picture of unity, addressed immediately below. 149 Note, though, that Baruch is portrayed as also a prophet in 2 Bar. And a similar portrayal of Baruch as a Torah proponent and respected leader is found in the book of Baruch. 150 Biblical texts speak mostly of life in exile; the little they say about the remnant in the land of Israel does not depict unity but factions (cf. Jones, Jewish Reactions [see n. 76], 89). In Jer, Baruch ends up in Egypt (ch. 43), along with the others who willingly leave the land. 151 Not only is Baruch spared the suffering as a fugitive prescribed him in Jer 45.5, but also the presence of the righteous in their ancestral homeland foreshadows the Jewish reign and judgement of the Gentiles there during the messianic age.

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Notably, though, once this connection is established, what is distinct in 2 Baruch vis-à-vis Jer 45 is often what carries the punch. Important points in the apocalypse come into greater relief through the implied comparison: the requests of our Baruch, unlike those of his literary predecessor, are granted by God; many survivors of the destruction, not fugitives but still dwelling in the land of Israel, warmly receive Baruch’s exhortation to cling to the Torah; our Baruch is the recipient of great things; and, closely related, the righteous are promised, much more than mere survival, a future that is ultimately of monumental significance and splendor, with their thirst for vengeance quenched. The result is a hopeful exhortation to the survivors of the Jewish Revolt, at the end of the first century CE or the beginning of the second, to be faithful in observance of the Torah so that they might receive special protection here in the present world and, finally, inherit incorruptible life in the world to come, while also enjoying the sort of comfort afforded by seeing their wicked kinspeople and their Gentile enemies thoroughly punished.

Der Stammvater als Offenbarungsträger Autorisationsstrategien in der apokryphen Leiter Jakobs Christfried Böttrich Im Kreis der frühjüdischen Apokalypsen fristet die apokryphe „Leiter Jakobs“ (KlimJak) ein weitgehend unbeachtetes Dasein. Bekannt wurde sie in der westeuropäischen Bibelwissenschaft erstmals im Jahre 1900 durch Gottlieb Nathanael Bonwetsch.1 Seither sind nur einige wenige weitere Übersetzungen erschienen,2 die jedoch alle auf die völlig ungenügenden russischen Quelleneditionen des 19. Jh.s angewiesen blieben. Inhaltliche Studien zur frühjüdischen Apokalyptik machen deshalb auch weiterhin stets einen großen Bogen um die „Leiter Jakobs“. Diese Situation hat sich inzwischen grundlegend geändert. Seit 2015 liegt in der Reihe „Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit. Neue Folge“ (Gütersloh) zum ersten Mal eine Übersetzung der „Leiter Jakobs“ in ihrem gesamten Umfang vor, die auf einer neuen handschriftlichen Grundlage beruht.3 Die kritische Edition des Textes, die der Übersetzung notwendigerweise vorausging, ist 2017 in St. Petersburg erschienen;4 die Fülle der übersetzbaren Lesarten ist auch im Apparat der vorliegenden deutschen Edition nachgewiesen. Ein beigefügter ausführlicher Kommentar bietet zugleich eine Interpretation der Schrift, die deren Endgestalt wie auch ihre erkennbaren 1 G.N. BONWETSCH, Die apokryphe Leiter Jakobs, in: NGWG.PH 7, 1900, 76–87 (2 Fassungen). 2 A.E. PENNINGTON, The Ladder of Jacob, in: H.F.D. Sparks (Hg.), The Apocryphal Old Testament, Oxford 1984, 453–463 (2 Fassungen); H. G. LUNT, Ladder of Jacob (c. First Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: OTPs 2, Garden City/New York 1985, 401–411 (1 Fassung); M. ENRIETTI, Scala di Giacobbe, in: P. Sacchi (Hg.), Apocrifi dell’Antico Testamento 3, Brescia 1999, 551–570 (1 Fassung); J. PETKOV, Altslavische Eschatologie. Texte und Studien zur apokalyptischen Literatur in kirchenslavischer Überlieferung, Tübingen 2016, 319–329 (1 Fassung). 3 C. BÖTTRICH/S. FAHL unter Mitarbeit von D. FAHL, Leiter Jakobs, in: JSHRZ.NF I/6, Gütersloh 2015, 1–280. In dieser Übersetzung sind alle drei Redaktionen der Paleja enthalten und lassen sich im Textbild nachvollziehen: die TP- und die PP-Redaktion sind durch die verwendete Schriftart unterschieden, die KP-Redaktion wird noch einmal separat im Anhang wiedergegeben. 4 S. FAL’/D. FAL’ (= Fahl), Lestvica Jakova. Kritičeskij tekst, in: TODRL 65, 2017, 197– 242.808–810.

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Christfried Böttrich

Wachstumsschritte zu berücksichtigen versucht. Auf dieser Grundlage kann es gelingen, nun auch Sachfragen wie die nach Autorschaft, Authentizität und Autorisationsstrategien zu beantworten. Dazu ist es notwendig, zunächst den jüngsten Forschungsstand kurz vorzustellen. Worin die Autorisationsstrategien der „Leiter Jakobs“ bestehen – diese Frage lässt sich dann tatsächlich nur im Plural stellen und beantworten. Denn die „Leiter Jakobs“ verfügt über ein ganzes Arsenal solcher Strategien, deren Kumulation das Überleben wie auch den Erfolg dieser merkwürdigen Schrift erst begreiflich machen.

1. Überlieferungswege und Wachstumsprozesse Die sogenannte apokryphe „Leiter Jakobs“ (KlimJak) ist uns heute nur noch als Textsegment der kirchenslavischen „Tolkovaja Paleja“ (13. Jh.) erhalten.5 Textzeugen einer unabhängigen Überlieferung gibt es nicht. Damit aber stellt sich die grundsätzliche Frage: Inwiefern kann diese Passage überhaupt als ein eigenständiges Werk, eine Schrift, ein Apokryphon – und damit eben auch als ein Beispiel frühjüdischer Apokalyptik identifiziert werden?6 Eine positive Antwort auf diese Frage setzt methodisch voraus, dieses Segment in seinem Kontext isolieren und auf eine vorausliegende Quelle zurückführen zu können. Dafür gibt es in der Tat eine Reihe von Indizien. Zum ersten stellt die „Tolkovaja Paleja“ im Ganzen eine Kompilation verschiedener Quellenstücke aus Bibel, Apokryphen und hagiographischer Literatur dar, die durch eingeschobene Kommentare in der Tradition typologischer Exegese alttestamentliche Geschichte chronographisch aufbereitet.7 Da sich der Abschnitt zur „Leiter Jakobs“ in auffälliger und origineller Weise von Gen 28 unterscheidet, bietet die Annahme einer apokryphen Tradition – analog zu vielen anderen vergleichbaren Stücken8 – die nächstliegende Erklärung. Zudem machen die 5 Zur Paleja und ihren verschiedenen Redaktionsstufen vgl. ausführlich BÖTTRICH/ FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 12–18. 6 Zur Problematik vgl. L.I. LIED, Text – Work – Manuscript. What Is an „Old Testament Pseudepigraphon“?, JSPE 25 (2015), 150–165. 7 Im September 2017 war ein Greifswalder Symposium unter dem Titel „Von der Historienbibel zur Weltchronik. Die byzantinisch-slavische Palaea/Paleja“ dieser literarischen Eigenart der Paleja-Literatur gewidmet. Eine Veröffentlichung der Beiträge ist für 2019 geplant. 8 Das betrifft etwa Texte wie das „Leben Adams und Evas“, die „Testamente der zwölf Patriarchen“, die „Erzählung über den schönen Josef“ (Josef und Aseneth), die „Geschichte Melchisedeks“, das „Leben des Mose“, die „Apokalypse Abrahams“ und andere mehr; vgl. zum Ganzen A. DE SANTOS OTERO, Alttestamentliche Pseudepigrapha und die sogenannte „Tolkovaja Paleja“ [TP], in: D. Papandreou, W.A. Bienert und K. Schäferdieck (Hg.), Oecumenica et Patristica (FS W. Schneemelcher), Stuttgart u.a. 1989, 107–122.

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Kommentatoren mit ihren zum Teil unbeholfenen Interpretationsversuchen deutlich, wie fremd ihnen der Text bereits ist und welcher Mühe es bedarf, ihn nicht nur in seiner Grundlinie, sondern auch in allen erzählerischen Einzelheiten in das Gesamtwerk zu integrieren.9 Zum zweiten enthält das betreffende Textsegment zahlreiche sprachliche Hinweise darauf, dass hier aus einer griechischen Vorlage übersetzt worden ist; auch darin gleicht es der Mehrzahl der in der „Tolkovaja Paleja“ versammelten Erzählungen.10 Zum dritten wird dieses Textsegment schon vom 14./15. Jh. an auf dem slavischen Apokryphenindex verzeichnet und somit als etwas Eigenständiges, vom Bibeltext zu Unterscheidendes wahrgenommen. Daran hat sich dann auch die russische Literaturwissenschaft in der Mitte des 19. Jh.s orientiert, die das betreffende Segment nun – wenngleich in unterschiedlicher Abgrenzung – in ihre Apokryphensammlungen einfügte.11 Zum vierten schließlich erweist sich die ganze Einheit, wie sie in der „Tolkovaja Paleja“ einschließlich der Kommentare vorliegt, inhaltlich als ausgesprochen inkohärent und vielschichtig. Ohne Zweifel lassen sich bereits in dem erzählenden Teil Wachstumsspuren erkennen, die auf unterschiedliche geschichtliche und theologische Kontexte verweisen. Solche Beobachtungen gestatten zwar noch keine Rekonstruktion eines hypothetischen „Ur-Apokryphons“. Sie machen jedoch wahrscheinlich, dass die Geschichte dieses Textsegmentes in der jüdischen Apokalyptik des 2. Jh.s n. Chr. begann und auf ihrem weiteren Weg bis in die „Tolkovaja Paleja“ im 13. Jh. verschiedene Rezeptionsphasen durchlaufen hat. Dabei sind manche erzählerischen Details sprachlich korrumpiert, ursprüngliche Abgrenzungen und Strukturen verwischt sowie theologische Profile nivelliert oder verändert worden. Doch die narrative Logik und die theologische Intention lassen sich in den einzelnen Phasen noch immer nachvollziehen. Die westeuropäische Bibelwissenschaft war seit Bekanntwerden der apokryphen „Leiter Jakobs“ in der Mitte des 19. Jh.s vor allem an jenem Teilsegment interessiert, in dem sie eine jüdische Apokalypse zu identifizieren meinte. Die bisherigen Übersetzungen haben sich auf diesen „Kern“ reduziert, den restlichen Text abgeschnitten – und ihre Gliederung in Kapitel und Verse somit an einem Torso vorgenommen.12 Davon löst sich die nun vorliegende Edition des 9 Vgl. dazu ausführlich die Kommentare bei BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 187–247. 10 Einzelheiten vgl. bei BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 87–90. 11 A.N. PYPIN, Ložnye i otrečennye knigi russkoj stariny. Pamjatniki starinnoj russkoj literatury, izdavaemye Grafom G. Kušelevym-Bezborodko III, St. Petersburg 1862, Nachdr. Paris 1970, 27–32; N.S. TICHONRAVOV, Pamjatniki otrečennoj russkoj literatury I, St. Petersburg 1863, Nachdr. London 1973, 91–95; I.JA. PORFIR’EV, Apokrifičeskie skazanija o vetchozavetnych licach i sobytijach po rukopisjam Soloveckoj Biblioteki, in: SORJaS 17/1, 1877, 58–59 und 138–149; I. FRANKO, Apokrifi i legendi z ukrains’kich rukopisiv. Zibrav, uporjadkuvav i pojasniv Dr. Iv. Franko. I, L’viv 1896, 108–120. 12 Einzelheiten vgl. bei BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 30–33.

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Gesamttextes ab und entwirft die Gliederung noch einmal neu. Grundsätzlich ist dabei zwischen Erzähl- und Kommentarteil zu unterscheiden, die beide in einen Rahmen aus Versatzstücken der biblischen Erzählung (Gen 28,5 und 29,1) eingespannt sind. Der Erzählteil gliedert sich in 4 Kapitel; der Kommentarteil gliedert sich in 15 Abschnitte, die jeweils mit PK (= Paleja Kommentar) gekennzeichnet sind; in Kap. 1 ist ein erster Kommentar (PK 1) schon zwischen die Vision von der Leiter und die Rede Gottes eingeschoben; die im Anschluss en bloc angefügten Kommentare nehmen jeweils auf bestimmte Abschnitte des erzählenden Teiles Bezug. Die Gliederung des gesamten Textsegments hat demnach folgende Gestalt: A. Anfangsrahmen: Aufbruch zu Laban, Übernachtung in Bet El 1. Erzählung Jakobs Traum Vision von der Leiter PK 1,1–7 Rede Gottes Jakobs Erwachen und Gebet Jakobs Erwachen Jakobs Gebet Jakobs Begegnung mit dem Engel Erscheinung des Engels Namensgebung Jakob – Israel Rede des Engels und Deutung der Vision Israels Bedrückung Israels Errettung christologische Fortschreibung

1,1–4,75 1,1–13 1,1–5 zu 1,1–5 1,6–13 2,1–15 2,1–4 2,5–15 3,1–11 3,1–6 3,7–11 4,1–75 4,1–18 4,19–36 4,37–75

2. Kommentar

PK 2–15

PK 2: Programmsatz PK 3,1–7 PK 4,1–6 PK 5,1–13 PK 6,1–20 PK 7,1–10 PK 8,1–15 PK 9,1–31 PK 10,1–10 PK 11,1–10 PK 12,1–12 PK 13,1–6 PK 14,1–10 PK 15: Überleitungssatz

zu 4,10–14 zu 4,16–23 zu 4,24–36 zu 4,37–45 zu 4,46–48 zu 4,49–53 zu 4,54–64 zu 4,65–71 zu 4,72–74 zu 4,75 über Dtn 21,22–23 über Jesus Christus

B. Schlussrahmen: Fortsetzung des Weges zu Laban

Anhand dieser Gliederung lässt sich auch die Schichtung des Textes in ihren Umrissen nachvollziehen. KlimJak 1,1–4,36 stellt sich als ein apokalyptischer

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Text dar, der den Traum Jakobs aus Gen 28 zu einer großen Geschichts-offenbarung ausbaut: Noch vor Beginn des Weges nach Mesopotamien schaut der Stammvater bereits das künftige Geschick seiner Nachkommen, erfährt von Israels Bedrückung und Errettung. Neben der entsprechend umgestalteten Vision von der Leiter bietet vor allem die Rede des Engels alle entscheidenden Aussagen, die eine solche Interpretation wahrscheinlich machen. Der Wendepunkt liegt in KlimJak 4,19 mit dem Auftreten einer Rettergestalt; Höhe- und Zielpunkt aber ist der Untergang „Edoms“ (= Roms) in KlimJak 4,36 sowie die Restitution Israels und seines Kultes im eigenen Land.13 Mitten in der Rede des Engels wird dann schon der nächste Wachstumsschritt sichtbar. Nachdem in KlimJak 4,36 sachlich bereits alles gesagt ist, setzt die Rede noch einmal neu an und führt nun eine Erlöserfigur ein, die unzweideutig als der Gottessohn Jesus Christus zu identifizieren ist.14 Dass genau hier eine christologische Fortschreibung der Engelrede beginnt, wird durch die Umkehrung der Ausgangsperspektive markiert: Während nach Gen 28,12/ KlimJak 1,5 die Bewegungsrichtung der Engel von unten nach oben ansetzt, steigen nun die Engel zuerst herab und dann hinauf. Das aber wird ausdrücklich als Analogon für den Abstieg des Erlösers interpretiert, der Himmel und Erde wieder miteinander verbindet. Diese christologische Fortschreibung der Engelrede in KlimJak 4,37–75 ist maßgeblich von dem Gedanken der Inkarnation bestimmt und bedient sich dabei der christlichen apokryphen „Erzählung des Afroditian“ als einer ihrer Hauptquellen.15 Der byzantinischen Tradition der „χρησµῳδίαι ἑλληνικαί“, der paganen griechischen Weissagungen der Geburt Christi, tritt nun die apokryphe „Leiter Jakobs“ als ein weiterer Text zur Seite,16 der schon den Stammvater Israels als Adressaten einer entsprechenden 13 Zum Geschichtsbild, das hier entworfen wird, vgl. BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 81–84. 14 Eindeutige Titel werden zur Wahrung der archaischen Erzählsituation zwar vermieden; poetische Umschreibungen wie „ein Mensch vom Höchsten“ (4,38), „der Erwartete“ (4,45), „eine königliche Wurzel“ (4,49), „der Retter der Länder und die Ruhe der sich Mühenden“ (4,51), „eine Wolke, beschattend vor der Hitze die ganze Welt“ (4,52), „der Pantokrator“ (4,58), „der Gekommene“ (4,65) oder „der Verwundete“ (4,72) sprechen jedoch eine eindeutige Sprache. 15 A.G. BOBROV, Apokrifičeskoe „Skazanie Afroditiana“ v literature i knižnosti Drevnej Rusi. Issledovanie i teksty, St. Petersburg 1994; K. HEYDEN, Die „Erzählung des Aphroditian“. Thema und Variationen einer Legende im Spannungsfeld von Christentum und Heidentum, STAC 53, Tübingen 2009 (das ist die bislang umfangreichste Studie, die auch eine Präsentation und Übersetzung aller Quellen enthält); BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 249–254 (dt. Übersetzung der Novgoroder Redaktion). 16 Vgl. dazu E. BRATKE, Das sogenannte Religionsgespräch am Hof der Sasaniden, TU.NF 4/3a, 1899, 139–217; HEYDEN, Erzählung des Aphroditian (s. Anm. 15), 171–225. Die „Leiter Jakobs“ führt zwar wieder in den jüdischen Bereich zurück, wird aber durch die zahlreichen Anspielungen auf die „Erzählung des Afroditian“ eng mit dieser griech.-byz. Tradition „paganer“ Weissagungsbeweise verbunden.

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Offenbarung in Anspruch nimmt. Was in KlimJak 1,1–4,36 zur künftigen Errettung Israels gesagt wird, bezieht der Autor jener christologischen Fortschreibung der Engelrede in KlimJak 4,37–75 nun auf die künftige Errettung der Menschheit durch den Erlöser Jesus Christus. Diese christliche Aneignung bzw. Usurpation der kleinen jüdischen Apokalypse ist zunächst noch frei von polemischen Tönen. Mit der späteren Einbindung des fortgeschriebenen Erzählteiles (KlimJak 1,1–4,75) in den Kontext der „Tolkovaja Paleja“ wird eine solche polemische Ausrichtung dann jedoch zur entscheidenden Intention der Kommentatoren: Selbst der Stammvater Israels schaute bereits das Kommen des Erlösers – wie aber kann Israel sich dann immer noch seiner Anerkennung verweigern? Das größte Rätsel stellt das Gebetes Jakobs in KlimJak 2,5–15 dar. Sein Duktus und sein theologischer Gehalt ordnen es in die Tradition der MerkabaMystik ein,17 durchsetzt mit Zügen einer synkretistischen Heliosverehrung.18 Zu diesem Gebet findet sich auch eine klare Parallele unter den magischen Texten aus der Kairoer Geniza (11. Jh.) – eine hebräische Fassung also, die ein Stück Vorgeschichte zumindest dieses einen Textteiles der „Leiter Jakobs“ vor ihrer Übersetzung ins Kirchenslavische belegt.19 Erst mit der Eingliederung der christlich adaptierten und jüdisch-mystisch beeinflussten „Leiter Jakobs“ (KlimJak 1,1–4,75) in den Bestand der „Tolkovaja Paleja“ betritt die Exegese festen Boden. Welcher Art die Übersetzung war, die den Kompilatoren vorlag, muss offen bleiben. Der Text indessen, den sie nun in ihre Sammlung übernehmen, lässt sich aufgrund der handschriftlichen Überlieferung relativ sicher feststellen. Dabei erweist sich die seit Bonwetschs Übersetzung üblich gewordene Unterscheidung zwischen einer Kurzund einer Langfassung inzwischen als hinfällig. Die zum Teil unterschiedlichen Textumfänge – besonders im Umfeld des Gebetes Jakobs und der Engelrede – sind nicht primär das Ergebnis redaktioneller Arbeit am Text der KlimJak, sondern Ausdruck der Überlieferungsgeschichte der „Tolkovaja Paleja“ im Ganzen. Verantwortlich für den unterschiedlichen Umfang der Engelrede ist ganz offensichtlich ein mechanischer Blattverlust, der dann in der weiteren Überlieferung auf unterschiedliche Weise kompensiert worden ist.20 Die ausführliche Fassung von Jakobs Gebet (KlimJak 2,5–15) und seiner Begegnung mit dem Engel (KlimJak 3,1–11) hingegen übernimmt die PP vollständig aus der gleichen Vorlage, die schon die Kompilatoren der TP benutzt, jedoch gekürzt wiedergegeben hatten. 17

Vgl. etwa auch ApkAbr 17,8–18; dazu G. SCHOLEM, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Zürich 1957, Frankfurt 1980, 61–67. 18 R. LEICHT, Qedushah and Prayer to Helios. A New Hebrew Version of an Apocryphal prayer of Jacob, JSQ 6 (1999), 140–176. 19 P. SCHÄFER/SH. SHAKED, Magische Texte aus der Kairoer Geniza II, TSAJ 64, Tübingen 1997 (Gebet Jakobs 31–32 – hebr., 50–51 – dts.). 20 Vgl. ausführlich BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 23–28.

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Die so genannte „Tolkovaja Paleja“ (TP) und ihre späteren Redaktionen sind der einzige nachweisbare Kontext für die apokryphe „Leiter Jakobs“.21 Ihre Kompilatoren stellen die ältesten für uns greifbaren Leser des Textes dar; ihre Interpretationen liefern eine Leseanweisung, wie sie seit der Entstehung der „Tolkovaja Paleja“ dem Text der „Leiter Jakobs“ mitgegeben worden ist. Wer dahinter zurückfragt, muss sich zunächst mit dieser Interpretation auseinandersetzen. Zugleich aber gewinnt die apokryphe „Leiter Jakobs“ damit noch einmal ein völlig neues Profil. Sie wird zum Teil einer „Historienbibel“22 und findet nun Eingang sowohl in die altrussische Chronographie23 wie auch in die Tradition antijüdischer Schriftauslegung24. Über die Datierung des Textes lassen sich Aussagen allein auf den unterschiedlichen Stufen der Textentstehung und somit auch nur hypothetisch treffen.25 Das jüdisch-apokalyptische Teilstück (KlimJak 1,1–4,36) signalisiert die Situation des Exils in der Mitte des 2. Jh.s nach der Zeit Kaiser Hadrians. Mit der christologischen Fortschreibung der Engelrede und dem so erweiterten Gesamttext (KlimJak 1,1–4,75) gelangt man in die Debatten der frühbyzantinischen Zeit etwa im 4.–7. Jh., in denen die christliche Apologetik noch nach Anknüpfungspunkten und Legitimationsmustern sucht. Das Gebet Jakobs (KlimJak 2,5–15) gehört einem eher synkretistischen Mileu zwischen dem 6. und 10. Jh. an, in dem vor allem jüdisch-mystische Kreise ihren Einfluss geltend machen.26 Die Kompilation der „Paleja“ setzt dann im späten 13. Jh. auf slavischem Boden ein, wo das gesamte Segment der KlimJak zwischen den 21

Eine kritische Edition dieses wichtigen Textkorpus fehlt bis heute. Eine erste Edition der „Tolkovaja Paleja“ basierte auf einer Hs aus Kolomna (1406) – Paleja Tolkovaja po spisku sdelannomu v g. Kolomne v 1406 g. Trud učenikov N. S. Tichonravova, Moskau 1892; eine unvollständige Faksimile-Edition der „Polnaja Chronografičeskaja Paleja“ tritt ihr zur Seite – P.P. Novickij, Tolkovaja Paleja 1477 goda. Vosproizvedenie Sinodal’noj rukopisi Nr. 210, in: IOLDP 93/1, St. Petersburg 1892; ein moderner Nachdruck verbindet Elemente aus beiden Editionen – Paleja Tolkovaja, hg. von A. Kamčatnov u. a., Moskau 2002. Allein die „Kratkaja Chronografičeskaja Paleja“ liegt inzwischen in einer kritischen Edition vor – E.G. VODOLAZKIN, Kratkaja Chronografičeskaja Paleja (tekst). Vypusk 1, in: TODRL 57, 2006, 891–915; Vypusk 2, in: TODRL 58, 2007, 534–556; Vypusk 3, in: TODRL 61, 2010, 345–374; Vypusk 4, in: TODRL 63, 2014, 238–261; Vypusk 5, in TODRL (in Vorbereitung); eine korrigierte Fassung mit dts. Übersetzung und Kommentierung im Rahmen eines von der DFG geförderten Projektes (FAHL/FAHL/BÖTTRICH) befindet sich in Vorbereitung und soll 2019 im Gütersloher Verlagshaus erscheinen. 22 Vgl. zu diesem Terminus M. GASTER, Ilchester Lectures on Greeko-Slavonic Literature and its Relation to the Folklore of Europe During the Middle Ages, London 1887, 147– 208 (The Bible Historiale). 23 Vgl. dazu E.G. VODOLAZKIN, Vsemirnaja istorija v literature Drevnej Rusi (na materiale chronografičeskogo i palejnogo povestvovanija XI–XV vekov), Sagners Slavistische Sammlung 26, München 2000. 24 Vgl. dazu unten Anm. 40 und 41. 25 Vgl. ausführlich BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 92–94. 26 Vgl. ausführlich BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 34–36 und 64–65.

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Rahmenteilen A und B (aus Erzähltext und Paleja-Kommentar) nun vor allem im klösterlichen Raum beheimatet ist. Autoren sind für die apokryphe „Leiter Jakobs“ in größerer Zahl und in zeitlicher Abfolge anzunehmen.27 Über ihr Profil lässt sich jedoch – vor allem für die Zeit vor der Übersetzung – aufgrund der vielfachen sprachlichen Überarbeitungen und Korrumptionen des Textes kaum etwas sagen. Der Autor der postulierten jüdischen Apokalypse (Mitte 2. Jh. n. Chr.) schreibt einen einfachen, auch ohne gelehrtes Wissen leicht nachvollziehbaren Erzähltext. Der Autor, der die Engelrede christologisch fortschreibt (4.–7. Jh.), setzt hingegen schon einen höheren Grad an theologischer Bildung voraus, indem er auf die Bibel wie auf außerkanonische, legendarische und liturgische Überlieferungen zurückgreift und dabei mit verschiedenen Chiffren spielt. Die jüdischen Mystiker, die das Gebet Jakobs geprägt haben (6.–10. Jh.), repräsentieren eher einen elitären Kreis von Rezipienten. Bei den Kompilatoren und Kommentatoren der „Paleja“ kann man schließlich von der monastischen Bildungsschicht im alten Russland ausgehen.

2. Autorisationsstrategien und Funktionalisierungen Texte wie die „Leiter Jakobs“ sind auf ihren wechselvollen Überlieferungswegen zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Da sie des Schutzes kanonischer Geltung entbehren, müssen sie ihre Legitimation immer wieder neu erwerben und verteidigen. Deshalb kann es auch gar nicht verwundern, dass eine Reihe verschiedener Autorisierungsversuche ihre Spuren im Text selbst wie auch in seiner Rezeptionsgeschichte hinterlassen haben. Sie sind abhängig von dem jeweiligen Überlieferungskontext und von der Funktion, die man dem Text dabei zuschreibt. Sinnvollerweise kann die Entwicklung solcher Strategien in der KlimJak nur rückwärts nachvollzogen werden. Sicherheit lässt sich allein im Blick auf die Letztgestalt des gesamten Textsegmentes im literarischen Zusammenhang der „Tolkovaja Paleja“ gewinnen. Jeder Schritt, der hinter diese Textgestalt zurückzugehen versucht, bewegt sich auf dem Boden von Rekonstruktionen. Das gilt besonders für die postulierte früheste Phase der Textentstehung – für die hypothetisch identifizierte frühjüdische Apokalypse (KlimJak 1,1–4,36). Im Folgenden sollen die „Wachstumsringe“ des Textes, soweit sie sich plausibel machen lassen, von außen nach innen gehend mit Blick auf die jeweiligen Autorisationsstrategien untersucht werden. Die ersten beiden „Ringe“ setzen schon bei der Rezeption des Textes an: der Mönch Savva beruft sich in seinem apologetischen Sendschreiben ausdrücklich und umfangreich auf die „Leiter Jakobs“; die Redaktoren des slavischen Apokryphenindexes nehmen die 27

Vgl. ausführlich BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 90–91.

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Gegenperspektive ein, unterscheiden das Textsegment (das ihnen möglicherweise auch noch separat vorlag) von seinem Kontext in der Tolkovaja Paleja und markieren es damit als häretisch. Davor lassen sich mit einiger Wahrscheinlichkeit drei Phasen des Textwachstums erkennen: die Kompilatoren und Kommentatoren der Paleja greifen den vorliegenden jüdisch-christlichen Erzähltext als eine Offenbarungsschrift auf und kontextualisieren ihn im Rahmen ihres Gesamtwerkes neu; die christlichen Apologeten im 4.–7. Jh. lesen die jüdische Apokalypse als Weissagungsbeweis auf Christus hin und schreiben ihn entsprechend fort; am Anfang aber steht vermutlich eine kleine jüdische Apokalypse aus der Mitte des 2. Jh.s, die dem von Rom bedrängten, aus Palästina vertriebenen Judentum Zuspruch und Hoffnung in der Autorität des Stammvaters vermitteln möchte. 2.1 Inanspruchnahme – der Mönch Savva und sein Sendschreiben (1488) Das interessanteste Zeugnis für die Rezeption der apokryphen „Leiter Jakobs“ im alten Russland stellt das Sendschreiben eines gewissen Mönches Savva an sein Beichtkind, den Bojaren Dmitrij Šein dar.28 Savva lebt in einem Kloster auf der „Heu-Insel“ im nördlichen Ladogasee. Es ist die Zeit, in der die Novgoroder Häresie der so genannten „Judaisierenden“ Wellen schlägt.29 Als Savva Kenntnis erhält, dass Dmitrij in diplomatischer Mission Kontakte zu einem Juden namens Zacharija Skara habe, greift er zur Feder. Über die Identität jenes Zacharija ist viel gerätselt worden. Sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei gar nicht um einen Juden, sondern um den (katholischen) genuesischen Kaufmann und Fürsten Zaccaria de Ghisolfi. Savva jedoch sieht Gefahr im Verzug und unternimmt es nun, mit einem eigens verfassten, umfänglichen Sendschreiben sein Beichtkind vor den Gefahren jüdischer Lehren zu warnen.30 Der größte Teil des Sendschreibens besteht aus Zitaten. Sie entstammen den Evangelien und Apostelbriefen, vor allem aber der „Tolkovaja Paleja“ und der „Rede über das Gesetz und die Gnade“ des Metropoliten Ilarion, immer wieder 28

Den Text ediert S.A. BELOKUROV, Poslanie inoka Savvy na židov i na eretiki. S predisloviem S. A. Belokurova, in: ČOIDR, Nr. 202, Moskau 1902, kniga 3, razdel 2, I–X (HsBeschreibung und Einleitung), 1–93 (Text); eine Übersicht über den Bestand mit der Übersetzung einzelner Passagen aus der Edition Belokurovs bietet S. Fahl in: BÖTTRICH/FAHL/ FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 259–263. 29 Vgl. E. HÖSCH, Orthodoxie und Häresie im alten Rußland. Schriften zur Geistesgeschichte des östlichen Europa 7, Wiesbaden 1975, 43–50; C. HANNICK, Art. Judaisierende, in: LMA 5 (1991), 77; A. PLIGUZOW, Polemika o novgorodskich eretikach i „Otvet kirillovskich starcev“, in: W. Moskovich, S. Schwarzband und A. Alekseev (Hg.), IOUDAIKH ARCAIOLOGIA (FS M. Altbauer), Jews and Slavs 3 (1995), 135–155; J. LURIA, Istočniki po istorii „novojavivšejsja novgorodskoj eresi“ („židovstvujuščich“), in: ebd. 199–223; A.I. ALEKSEEV, Židovstvujuščie, in: Pravoslavnaja ėnciklopedija 19, Moskau 2008, 185–194. 30 Vgl. ausführlich BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 43–47.

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unterbrochen von eindringlichen Appellen an den Empfänger, er möge dem Christentum treu bleiben bzw. umkehren, falls er schon unter den Einfluss des Judentums geraten sein sollte. Gerade im Kontext der Paleja-Zitate kommen nun vorzugsweise alttestamentliche Erzähltexte zum Zuge, die christologisch ausgewertet werden. Den umfangreichsten Teil macht dabei ein nahezu vollständiges Zitat der apokryphen „Leiter Jakobs“ aus. Eingeleitet wird dieses Zitat mit der These, dass die Christen die wahren Nachkommen Jakobs, die Juden aber und alle nicht an Christus Glaubenden die wahren Nachkommen Esaus seien. Savva kehrt damit die Zuordnung der jüdisch-apokalyptischen Grundschicht in der „Leiter Jakobs“ um: Stand dort dem bedrängten Gottesvolk Israel das feindliche Rom unter der Chiffre „Edom“ gegenüber, so wird nun Israel unter der Chiffre „Esau“ (Edom)31 der Kirche als dem wahren Gottesvolk gegenübergestellt. Am Übergang von der christologisch fortgeschriebenen Engelrede zum Kommentarteil fügt Savva den folgenden Satz ein: „Ich wundere mich, o Jude, über dein Unverständnis und deine Verfinsterung: Wie hast du diese Worte Gottes jeden Sabbat gelesen – das, wovon dir Gott, ehe es geschah, gesagt hat, es müsse geschehen, und es geschah?“32 Damit fasst er knapp zusammen, was bereits die Intention des Palejakommentars ausmacht:33 Mit Hilfe eines Textes wie der apokryphen „Leiter Jakobs“ sollen „die Juden“ aus ihren eigenen Quellen widerlegt werden. Schon der Stammvater wusste von dem kommenden Erlöser. Das setzt freilich voraus, dass Savva diesen Text als ein jüdisches Zeugnis versteht und auf einer Ebene mit dem in der Paleja zitierten alttestamentlichen Text ansiedelt. Er bewertet die Rede des Engels als eine Offenbarung an Jakob, die in der Folge auch seinen Nachkommen (als Teil der synagogalen Lesung?)34 nicht unbekannt gewesen sein könne – zumindest aber jetzt, wo sie im Kontext der Paleja nachzulesen ist, diese Nachkommen überführen müsse. Zwischen PK 6 und PK 7 platziert er einen weiteren Einschub, in dem er die Überlieferung vom Einzug Jesu in Jerusalem als Beleg für die zutreffende Christuserkenntnis des Volkes von Jerusalem entfaltet. Dem Muster-Bußgebet für den fiktiven jüdischen Gesprächspartner in PK12,11–12 fügt er ein weiteres Bußgebet hinzu und macht damit klar, dass eine Konversion nur in einer Richtung stattfinden könne. Für den Mönch Savva, der in seinem Kloster auf der Heu-Insel also Zugang zur „Paleja“ hat, fungiert dieses Werk im Allgemeinen, die apokryphe „Leiter Jakobs“ aber im Besonderen, als Autorität, wenn es um die Jakobs-Kindschaft 31

Vgl. unten Anm. 59. BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 261. 33 Vgl. dazu BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 40–43. 34 Die Wendung hat offensichtlich Aussagen wie Act 15,21 oder 13,27 vor Augen. Nimmt Savva etwa an, der von ihm zitierte Text sei Teil der regulären jüdischen Schriftlesung? Setzt er ihn mit dem kanonischen Text von Gen 28 gleich oder geht er auch von der Lektüre außerkanonischer Texte in der Synagoge aus? 32

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geht und damit um den Anspruch, „wahres Israel“ zu sein. Eine solche Autorität erkennt Savva der „Paleja“ deshalb zu, weil sie in Übereinstimmung mit der Väterexegese eine in sich stringente Interpretation der alttestamentlichen Geschichte bietet. Er nimmt den Text der apokryphen „Leiter Jakobs“ weniger in seiner Einzelgestalt als in dem Gesamtpaket der „Paleja“ wahr, die ihm als Kronzeugin der Adversus-Judaeus-Tradition vertraut und zur Hand ist. Sein Sendschreiben kann er deshalb mit dem Verweis eröffnen, es sei „zusammengesetzt aus〈Schriften〉der Apostel und der Propheten und heiliger, gotttragender Väter“. Was es über den Bibeltext hinaus enthält, steht für Savva somit fest auf dem Boden der orthodoxen Tradition. 2.2 Unterscheidung – der Index Librorum Prohibitorum Die Argumentation des Mönches Savva, der die Autorität der apokryphen „Leiter Jakobs“ aus ihrer Einbettung in die „Paleja“ ableitete, versteht sich nicht von selbst. Dass man diesen Text auch trotz seines Kontextes in Frage stellen konnte, macht der Apokryphenindex deutlich. Die älteste Fassung des slavischen Index Librorum Prohibitorum findet sich in dem so genannten „Izbornik des Svjatoslav“ aus dem Jahr 1073, einer Abschrift des verloren gegangenen Sammelbandes für den bulgarischen Zaren Simeon (893–927). In der Folge ist diese Liste immer weiter ergänzt, korrigiert und schließlich weit verbreitet worden. Als Artikel „Über die wahren und falschen Bücher“ etablierte sich der Index in Sammelbänden unterschiedlichen Inhalts, besonders aber in Werken der kanonistischen Literatur. Seine variierenden Einträge spiegeln vor allem die Geschichte und Verbreitung apokrypher Texte im slavischen Kulturkreis wider. Ein wirklich effektives Instrument zu deren Bekämpfung aber scheint er zu keinem Zeitpunkt gewesen zu sein.35 Eine „Leiter Jakobs“ taucht zum ersten Mal im 14. Jh. auf dem slavischen Apokryphenindex auf36 und ist fortan fester Bestandteil aller weiteren Fassungen. Allerdings unterliegt der Eintrag von Anfang an verschiedenen Ungereimtheiten: Die merkwürdige Wendung „12 iakoviči (Variante: iakovlič’) glagolemaja lěstvica“, die man etwa mit „12 Jakobssöhne so genannte Leiter“ übersetzen müsste, lässt an eine Kombination mit den Testamenten der Zwölf Patriarchen denken und ermangelt der Eindeutigkeit.37 Deshalb widmete 35

Vgl. zum Index A.N. PYPIN, Dlja objasnenija statii o ložnych knigach, in: Letopis’ Zanjatij Archeografičeskoj Kommissii 1, 1862, 1–55; E. TURDEANU, Apocryphes bogomiles et apocryphes pseudo-bogomiles, RHR 138 (1950), 22–52 und 176–218, spez. 25–38; N.A. KOBIAK, Spiski otrečennych knig, in: Slovar’ knižnikov i knižnosti Drevnej Rusi 1 (1987), 441–447; zuletzt I.M. GRITSEVSKAYA, Some Problems of Textology of Indexes of Prohibited Books, in: L. diTommaso und C. Böttrich (Hg.), The Old Testament Apocrypha in Slavonic Tradition. Continuity and Diversity, TSAJ 140, Tübingen 2011, 201–223. 36 So auf dem sogen. Pogodinschen Nomokanon (RNB Sammlung Pogodin, Nr. 31, folia 187–190, 14. Jh.). 37 Vgl. ausführlich BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 1–2 und 5.

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Aleksandr Ivanovič Jacimirskij der „Leiter Jakobs“ in seinem großen bibliographischen Werk über die slavischen Apokryphen38 auch keinen eigenen Abschnitt und subsumierte sie, dem scheinbaren Vorbild des Indexes folgend, unter die Zwölfertestamente. Ivan Franko hingegen sah hier nur die „Leiter Jakobs“ bezeichnet und rekonstruierte den Wortlaut des Eintrages als „12 iakovličja glagolemaja lěstvica“, was mit „Jakobs so genannte Zwölferleiter“ zu übersetzen wäre.39 Die Popularität der apokryphen „Leiter Jakobs“ scheint durch diese Inkriminierung jedenfalls keinen Schaden genommen zu haben. Ob das an der Unbestimmtheit der Formulierung oder an der Unklarheit hinsichtlich des bezeichneten Textes lag, lässt sich nur schwer abschätzen. Das stärkste Gegengewicht stellte wohl jene Textgestalt selbst dar, die das einstmals unabhängige Apokryphon durch seine feste Einbindung in den neuen Zusammenhang der „Paleja“ gewonnen hatte. Was man an der ausschmückenden Nacherzählung von Gen 28 vielleicht noch als merkwürdig empfinden konnte, war durch die „rechtgläubige“ Kommentierung der „Paleja“ hinreichend kompensiert. Die typologischen Exegesen in der Tradition der Väterliteratur, wie sie bereits in KlimJak 1 zum ersten Mal in den Erzähltext eingeschaltet und am Ende als geschlossener Block angefügt sind, rücken den gesamten Bezugstext von Klim 1,1–4,75 in das Licht kirchlich sanktionierter und legitimierter Literatur. Allein jener Text, der den Kompilatoren der Paleja einst als Vorlage gedient hatte und der eines solchen Schutzes entbehrte, ist in der Folge wieder verloren gegangen. 2.3 Interpretation – die Kompilatoren und Kommentatoren der Paleja Der erzählende Bezugstext, den die Kompilatoren offenbar schon übersetzt vorfinden (KlimJak 1,1–4,75), bewahrt sich zunächst noch eine gewisse Interpretationsoffenheit. Sein Verständnis wird zwar durch die christologische Fortschreibung der Engelrede (KlimJak 4,37–75) schon festgelegt, doch ihr endgültiges Profil erhält die gesamte Passage erst mit ihrer Einbindung in den literarischen Kontext der „Paleja“. Für eine solche neue Kontextualisierung der apokryphen „Leiter Jakobs“ zeichnen die Kompilatoren und Kommentatoren der „Paleja“ verantwortlich. Sie verfahren dabei auf zweierlei Weise. Zum einen ordnen sie die kleine Erzählung in den großen Textzusammenhang eines Werkes ein, das die „highlights“ der alttestamentlichen Geschichtserzählung zu einem großen und stringenten Gesamtbild zusammenfügt, ergänzt und erweitert um eine Reihe außerbiblischer Texte. Hier fungiert die apokryphe „Leiter Jakobs“ als Beleg für die 38 I.A. JACIMIRSKIJ, Bibliografičeskij obzor apokrifov v južnoslavjanskoj i russkoj pis’mennosti (spiski pamjatnikov). I: Apokrify vetchozavetnye, Petrograd 1921. 39 I. FRANKO, Apokrifi i legendi z ukrains’kich rukopisiv. Zibrav, uporjadkuvav i pojasniv Dr. Iv. Franko. I, L’viv 1896, XXVII.

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messianische Linie in der Geschichte des Gottesvolkes bzw. als ein Vorverweis auf den Erlöser Jesus Christus. Dadurch wird das einstige Apokryphon zum Baustein eines großangelegten Geschichtsentwurfs, der bei der biblischen Überlieferung beginnt und sich in der altrussischen Chronographie fortsetzt. Zum anderen aktualisieren die Kompilatoren den Text durch ihre typologischen Kommentare und machen ihn der zu ihrer Zeit von neuem auflebenden Adversus-Judaeus-Tradition dienstbar. Das literarische Genre einer polemischen Auseinandersetzung mit dem Judentum, das seit dem 2. Jh. n. Chr. vor allem in Gestalt von Traktaten mit dem programmatischen Titel „κατὰ ̓Ιουδαίων/adversus judaeos“ im Osten wie im Westen weite Verbreitung fand,40 hat im 13. Jh. als Teil des byzantinischen theologischen Erbes bereits seinen Weg in den slavischen Kulturkreis gefunden.41 In seinem Geiste legen auch die Kompilatoren der „Paleja“ ihre Kommentare an. Sie bemühen darin einen fiktiven jüdischen Gesprächspartner, den sie auf exegetischem Wege seines Irrtums überführen und von der Wahrheit des Bekenntnisses zu Jesus Christus überzeugen wollen. Teils geschieht das auf der Ebene nüchterner Argumentation, teils in Form schroffer Ausfälligkeiten. Durchgängig aber geht es dabei um den Nachweis, dass bereits die heiligen Schriften Israels das Heil in Christus im vorhinein kennen und ankündigen. In diese Schriftzeugnisse beziehen sie nun auch apokryphe Traditionen ein und unterziehen sie der gleichen hermeneutischen Methodik. Im Kontext der „Paleja“ (abgeleitet von ἡ παλαιὰ διαθήκη),42 die sich selbst als adäquaten Ausdruck alttestamentlicher Geschichtstheologie versteht, wird der außerkanonische Text gleichsam kanonisch geadelt.

40 Vgl. H. SCHRECKENBERG, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld (1.–11. Jh.), EHS.T XXIII/172, Frankfurt / M. u. a. 31995; ders., Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte (11.–13. Jh.). Mit einer Ikonographie des Judenthemas bis zum 4. Laterankonzil, EHS.T XXIII/335, Frankfurt / M. u. a. 21991; DERS. Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches Umfeld (13.–20. Jh.), EHS.T XXIII 497, Frankfurt M. 1994. 41 A. PERESWETOFF-MORATH, A Grin without a Cat. I: Adversos Judaeos texts in the literature of medieval Russia (988–1504); II: Jews and Christians in medieval Russia – assessing the sources, Lund 2002; dazu die Rez. von E.G. VODOLAZKIN, Ob ulybkach i kotach (po povodu knigi A. Peresvetova-Morata „A Grin without a Cat“), RuLit 2004/4, 198–203. 42 Zunächst ist die „Paleja“ ein (apologetisch orientierter) Ersatz für das in seiner Gesamtheit unzugängliche „Alte Testament“, eine Art Kurzfassung zum Zweck erbaulicher Lektüre. Die byzant. „Palaea historica“ (8./9. Jh.) und die slav. „Tolkovaja Paleja“ (13./14. Jh.) vertreten strukturell den gleichen Literaturtyp, sind ansonsten jedoch völlig unabhängig voneinander entstanden. Beide signalisieren sie den offensichtlichen Bedarf an einer erbaulichen Lektüre atl. Texte. Vgl. noch C. BÖTTRICH, Palaea/Paleja. Ein byzantinisch-slavischer Beitrag zu den europäischen Historienbibeln, in: K. Schiffner, K. Wengst und W. Zager (Hg.), Fragmentarisches Wörterbuch. Beiträge zur biblischen Exegese und christlichen Theologie (FS H. Balz), Stuttgart 2007, 304–313.

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Für die Kompilatoren der „Paleja“ fungiert die apokryphe „Leiter Jakobs“ in dieser Perspektive nicht nur als Weissagungsbeweis für das Kommen Christi. Vielmehr wird sie nun auch zum Beleg der altkirchlichen Substitutionstheorie:43 Die wahren Kinder Jakobs und damit das wahre Gottesvolk sind diejenigen, die an Jesus Christus glauben. Das leiten die Kommentatoren aus jener Vision des Stammvaters Jakob in Bet El ab, in der er nicht nur sein eigenes künftiges Geschick bzw. das seiner Nachkommen sieht, sondern auch die Herabkunft des göttlichen Erlösers als Höhepunkt der Geschichte schaut. Was der Juda-Spruch (Gen 49,10–12) oder das Bileamsorakel (Num 24,17) im kanonischen Text nur andeuten, spricht die apokryphe Rede des Deuteengels in KlimJak 4,37–75 klar und unmissverständlich aus. Dabei verstehen die Kommentatoren ihren Bezugstext in KlimJak 1,1–4,75 offensichtlich als eine jüdische Offenbarung ehrwürdigen Alters, die vor Zeiten an die Adresse des Patriarchen ergangen ist. Aus dieser Adresse und Konstellation bezieht sie ihre Autorität, ohne dass der Sachverhalt selbst eigens nachgewiesen werden müsste. Eingebunden in den Ablauf der biblisch legitimierten Geschichte und eingebettet in ein Textgefüge, das vom Alten Testament dominiert und gerahmt wird, profitiert auch die apokryphe „Leiter Jakobs“ von der unhinterfragten Würde des kanonischen Textes. Zur Autorität von Text und Kontext tritt zusätzlich noch die Autorität der Auslegungsmethodik hinzu. Die christologische Exegese alttestamentlicher Texte wie auch die (daraus zunehmend entwickelte) antijüdische Hermeneutik der „Paleja“ sind seit der Väterzeit fest etabliert44 und werden von allen Theologen der orthodoxen Tradition selbstredend praktiziert. Die Deutung der Leiter auf das Kreuzesholz etwa, die als PK 1 zwischen KlimJak 1,5 und 1,6 eingeschoben ist, folgt ausschließlich der Väterexegese – und nimmt dabei in Kauf, mit dem unmittelbaren Kontext in einen frontalen Widerspruch zu geraten. Denn während die apokalyptische Vision mit dem Bild der Leiter die Bedrohung Israels durch die Völkerwelt inszeniert, die jedoch am Ende auf Israels künftige Errettung hinausläuft, postuliert der Kommentar nun die Annahme der Völker komplementär zu einer Verwerfung Israels. PK 2 formuliert dann programmatisch: „Verstehe, Jude, wie da Gott eurem Vorvater Jakob das Kommen des Gottessohnes erklärte!“ Was Jakob als dem Stammvater Israels offenbart wurde, ist dabei nun in Wahrheit schon für seine Nachkommen bestimmt. Und die müssen sich (nach Auffassung der Kommentatoren) dieser Offenbarung auch stellen. In PK 10,8–10 wird dem fiktiven jüdischen Gesprächspartner entgegengehalten: „Wie konntest du denn nicht die Wahrheit erkennen ...?“, um 43

Vgl. dazu J. THIESSEN, Gott hat Israel nicht verstoßen. Biblisch-exegetische und theologische Perspektiven in der Verhältnisbestimmung von Israel, Judentum und Gemeinde Jesu, EDIS 3, Frankfurt u.a. 2010, 17–30. 44 F.R. PROSTMEIER, Antijüdische Polemik im Rahmen christlicher Hermeneutik. Zum Streit über christliche Identität in der Alten Kirche, ZAC 6 (2002), 38–58.

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dann in PK 11,9 zu konstatieren: „Wir aber haben〈ihn〉erkannt und werden nicht zuschanden werden.“ Der Wahrheitsgehalt jener Vision, die Jakob in Bet El sah und die ihm der Engel deutete, ist für die Kommentatoren in Christus längst erwiesen, die Offenbarung somit durch die Geschichte legitimiert. Die merkwürdige Neufassung der Erzählung aus Gen 28, wie sie in der apokryphen „Leiter Jakobs“ vorliegt, wird im Rückblick, aus der Perspektive ihrer Rezeption durch die Kompilatoren und Kommentatoren der „Paleja“, auf exegetischem Wege bzw. auslegungsmethodisch autorisiert. 2.4 Fortschreibung – die christlichen Apologeten Die christlichen Apologeten, die im 4.–7. Jh. jene kleine jüdische Apokalypse (KlimJak 1,1–4,36) zu Gen 28 – sei es schon mit dem mystischen Gebet in KlimJak 2,5–15 oder noch ohne dasselbe – entdecken, greifen diesen Text unter einer ganz bestimmten Perspektive auf: Sie verstehen ihn im Sinne einer praeparatio evangelica45 und unterstellen ihm damit einen Wahrheitsgehalt, den es nur noch ein bisschen stärker und eindeutiger herauszustellen gilt. Zum entscheidenden Haftpunkt wird dabei die abschließende Heilsperspektive, in der die endzeitliche Errettung Israels dem Eingreifen Gottes oder einem Heilskönig zugeschrieben wird. Für die christlichen Rezipienten kann es sich dabei nur um den verheißenen Erlöser Jesus Christus handeln, den sie auf mehr oder weniger verborgene Weise in der kleinen Apokalypse schon angedeutet sehen. Sie finden darin bestätigt, dass der Erlöser nicht nur ganz allgemein aus dem Gottesvolk Israel hervorgeht, sondern „Nachkomme Jakobs“ in einem exklusiven, theologisch bedeutsamen Sinne ist: Im Stammvater ist – noch vor der Volkwerdung seiner Söhne – bereits der eine Nachkomme enthalten, der einst die gesamte Menschheit erlösen wird. In jener Urszene der Jakobsgeschichte, in der sich an einem heiligen Ort (Bet El) das künftige Geschick des Patriarchen offenbart, ist nicht nur die Geschichte Israels, sondern auch die der Christenheit anvisiert. Juden und Christusgläubige sind gleichermaßen Kinder Jakobs – ohne dass damit schon ein Ausschlusskriterium wie bei den späteren Kommentatoren der „Paleja“ intendiert wäre. Für eine solche christologische Lektüre der jüdischen Apokalypse, die schließlich zur Fortschreibung der Engelrede führt, herrscht im 4.–7. Jh. ein besonders günstiges theologisches Klima. Christliche Apologetik sieht sich vor die Aufgabe gestellt, Alter und Würde ihrer Christusverkündigung nachzuweisen. Wenn die Jesus-Christus-Geschichte keine religiöse Innovation darstellt,46 sondern tief in der Hoffnungsgeschichte Israels wie auch der Völkerwelt 45

Vgl. dazu M. HENGEL/H. LICHTENBERGER, Die Hellenisierung des antiken Judentums als Praeparatio Evangelica, Humanistische Bildung 4 (1981), 1–30. 46 Vgl. zum ganzen Vorstellungskreis auch P. PILHOFER, Presbyteron kreitton. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte, WUNT 2/39, Tübingen 1990.

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verankert ist, muss es dafür entsprechende Vorzeichen geben. Im Bereich der alttestamentlichen Schriften arbeitet man dafür die Linie der „messianischen Verheißungen“ heraus, die nun vor allem im liturgischen Geschehen ihren Ort finden. Zugleich sucht man im Bereich der paganen Literatur nach Voraussagen, die auf einen künftigen Heilsbringer hindeuten. Diese so genannten „χρησµῳδίαι ἑλληνικαί/griechischen Weissagungen“47 treten den alttestamentlichen Texten zur Seite und entwerfen das Gesamtbild einer Menschheitsgeschichte, deren Hoffen und Sehnen auf den Erlöser Jesus Christus zuläuft. Zu dieser Gattung gehört in hervorragender Weise die christliche apokryphe „Erzählung des Afroditian“, deren Ursprünge möglicherweise noch bis in die vorkonstantinische Zeit zurückreichen und die sich spätestens vom 6. Jh. an nachweisbar großer Beliebtheit und Verbreitung erfreut.48 Sie erzählt, wie im Hauptheiligtum der persischen Königsmetropole die Kunde von der Geburt eines Erlöserkindes aufkommt, das die Herrschaft der Götter beendet; daraufhin brechen drei der Magier auf und machen sich auf den Weg nach Bethlehem. Die Sternenerscheinung, die dabei eine zentrale Rolle spielt, schlägt die Brücke zu Mt 2 und erinnert zugleich an das Bileamsorakel in Num 24,17. Unter dem Eindruck dieses christlichen Apokryphons haben christliche Apologeten, die auf der Suche nach weiteren außerkanonischen „messianischen Verheißungen“ waren, KlimJak 1,1–4,36 entdeckt und die Fortschreibung der Engelrede (KlimJak 4,37–75) in Angriff genommen. Dafür stellt die „Erzählung des Afroditian“ eine Art Substruktur dar, und der „Stern aus Jakob“ bildet das assoziative Bindeglied. Die jüdische Apokalypse, die bei Gen 28 ihren Ausgang nimmt, namentlich aber die darin enthaltene Engelrede, erscheint in dieser Perspektive als verborgenes Zeugnis von Christus. Dass sie keinen kanonischen Rang beanspruchen kann, beeinträchtigt ihre Autorität nicht – im Gegenteil! Den christlichen Apologeten dieser Zeit geht es ja gerade um den Aufweis der christlichen Heilswahrheit dort, wo man sie nicht erwartet! Von den ursprünglichen Adressaten noch unerkannt, offenbaren Texte wie die apokryphe „Leiter Jakobs“ jetzt erst ihren verborgenen Sinn. Die Botschaft von dem Erlöser Jesus Christus öffnet den Blick für das, was bislang noch verborgen war, nun aber „dechiffriert“ werden kann.49 Gerade das Vage, Geheimnisvolle, schwer Deutbare wird jetzt zum Markenzeichen der Wahrheit und begründet den neuen Geltungsanspruch der apokryphen „Leiter Jakobs“ für die Verteidigung der christlichen Heilslehre. 47

S. oben Anm. 16. S. oben Anm. 15. 49 Was das in der apokalyptischen Literatur und später auch im NT wohlbekannte “Revelationsschema” besagt, findet hier eine Analogie: ein seit Urzeiten verborgenes Geheimnis wird nun in der als Endzeit verstandenen Gegenwart für die Auserwählten enthüllt; vgl. dazu M. WOLTER, Verborgene Weisheit und Heil für die Heiden. Zur Traditionsgeschichte und Intention des „Revelationsschemas“, ZThK 84 (1987), 297–319. 48

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Dafür muss der Text freilich erst noch vereindeutigt werden. Das geschieht in der christologischen Fortschreibung der Engelrede mittels eines Potpourris aus verschiedenen Anspielungen und Assoziationen. Neben der „Erzählung des Afroditian“ handelt es sich dabei um Versatzstücke aus alt- und neutestamentlichen Schriften, aus dem Barnabasbrief oder aus verschiedenen liturgischen Texten. So wie schon die „Erzählung des Afroditian“ eine Szene entwirft, deren paganer Ursprung rein fiktiven Charakter hat,50 bleibt auch diese Fortschreibung ein erkennbar christliches Werk. Sie bezieht ihre Legitimation vornehmlich aus dem Anspruch, verstreutes Wissen zusammenzuführen und miteinander zu vernetzen. Dieses Verfahren, Zusammengehöriges zu „kumulieren“, trägt schon den Anspruch der Autorisierung in sich. Mit dem hermeneutischen Schlüssel der Christusoffenbarung lässt sich jedenfalls auch die Autorität jüdisch-apokrypher wie paganer Texte ausreichend begründen. In dieser bearbeiteten Gestalt, in der aus der jüdischen Apokalypse ein christlicher Weissagungsbeweis wird, tritt die apokryphe „Leiter Jakobs“ ihren Weg durch die spätantike und byzantinische Literatur an und gelangt dabei bis in den slavischen Kulturkreis. Es ist genau diese christologische Prägung, die sie dabei schützt und ihr Überleben sichert. Denn nun ist das kleine Apokryphon auf dreifache Weise legitimiert: durch seinen „biblischen“ Ausgangspunkt bei dem modifizierten Text von Gen 28, durch seine christologische Perspektive und durch seine theologisch-apologetische Tendenz. Mit dem Entwurf eines gesamtbiblischen Erzählzusammenhangs und dem Rückgriff auf ein etabliertes exegetisches Modell vermag dieses ursprünglich jüdische Apokryphon fortan auch im Raum christlicher apologetischer Literatur zu bestehen. 2.5 Revitalisierung – die jüdischen Apokalyptiker Besonderes Interesse verdient der apokalyptische Entwurf, der vermutlich am Ursprung der apokryphen „Leiter Jakobs“ steht. Wenn seine geschichtliche Beheimatung bei den jüdischen Exulanten in der Mitte des 2. Jh.s n. Chr. stimmt,51 dann hat dieser Entwurf eine klar bestimmbare Funktion: Gegen die Übermacht der römischen Herrschaft, gegen das Ende des eigenständigen kultischen Lebens und gegen die Vertreibung aus dem Mutterland gilt es, den Zerstreuten die Hoffnung auf eine endzeitliche Restituierung Israels zu erhalten. Dazu aber muss sich dieser Text erst einmal Gehör und Geltung verschaffen. Die Strategien, mit denen die kleine Apokalypse ihre Autorisierung betreibt, sind diejenigen, die sich in der apokalyptischen Literatur längst schon bewährt haben. Zum Ersten wird der Bibeltext als maßgebliche Bezugsgröße aufgegriffen und noch einmal neu erzählt – vertieft, erläutert und erweitert. Die neue 50 Diese Fiktion wird noch weiter ausgeschmückt, wenn die „Erzählung des Afroditian“ etwa als Teil eines byz. Disputationsromans (5./6. Jh.) begegnet; vgl. BRATKE, Religionsgespräch (s. Anm. 16); dazu HEYDEN, Erzählung des Aphroditian (s. Anm. 15), 116–170. 51 Vgl. zum Geschichtsbild BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 81–84.

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Offenbarung ist in der alten Zeit und bei den Autoritäten in der Geschichte Israels schon vorhanden; sie bedarf nur noch einmal der ausdrücklichen Darstellung. Zum Zweiten ist es das Medium von Vision und Audition, das die Verlässlichkeit der göttlichen Zusage sichert. Zum Dritten wird die Interpretationsoffenheit der Vision durch die Belehrung eines angelus interpres reduziert und auf die Situation der Adressaten zugespitzt. 2.5.1 Bibeltext und „rewritten-Bible“ Ihre grundlegende Autorität bezieht die apokryphe „Leiter Jakobs“ aus der Tatsache, dass sie mit Gen 28 einen der prominentesten Offenbarungstexte der biblischen Überlieferung aufnimmt. Jakobs Traum von der Himmelsleiter ist religiöses Basiswissen, das ohne besondere Bildung vorausgesetzt werden kann. Auch die weitere Geschichte des Stammvaters klingt in der kleinen Apokalypse verschiedentlich an. Sie ist jedoch auf charakteristische Weise fortgeschrieben. Diese Neufassung lässt sich am einfachsten dem Genre der „rewritten bible“ zuordnen.52 Der Erzählzyklus um die Figur des Patriarchen Jakob weist vor allem zwei Höhepunkte auf: den Traum von der Himmelsleiter (Gen 28,10–22) und den nächtliche Kampf am Jabbok (Gen 32,23–33).53 An beiden Episoden, deren besonderes Faszinosum in der unmittelbaren Gottesbegegnung besteht, hat sich die Rezeptions- und Auslegungsgeschichte immer wieder abgearbeitet. Grundlegend wird der ganze Zyklus zudem von dem Motiv der Segensverheißung durchzogen. Was seinerzeit dem Abraham zugesagt war (Gen 18,18; 22,18), erfährt nun auch gegenüber Jakob eine Erneuerung (Gen 28,14). Der Ort Bet El steht am Beginn und am Ende jenes gefahrvollen Weges, auf dem Jakob sich von seinem Elternhaus emanzipiert und den Grund für das spätere Zwölfstämmevolk legt. Schlüsselfunktion hat auch der Bruderkonflikt zwischen Jakob und Esau, der überhaupt erst zum Auslöser für die Bedrohung und Bewahrung des Stammvaters wird.54 Die jüdische Apokalypse hat diesen Zyklus zu ihrem Stoff gemacht, verleiht ihm dabei aber sowohl durch Auswahl als auch durch eine Reihe von Ergän52 Vgl. dazu A. KLOSTERGAARD PETERSEN, Rewritten Bible as a Borderline Phenomenon – Genre, Textual Strategy, or Canonical Anachronism?, in: A. Hilhorst, E. Puech und E. Tigchelaar (Hg.), Flores Florentino. Dead Sea Scrolls and Other Early Jewish Studies in Honour of Florentino García Martínez, JSJ.SS 122, Leiden/Boston 2007, 285–306; A. Laato und J. van Ruiten (Hg.), Rewritten Bible Reconsidered, Studies in Rewritten Bible 1, Åbo 2008; J. Zsengellér und K. Gáspár (Hg.), Rewritten Bible after Fifty Years. Texts, Terms, or Techniques? A Last Dialogue with Geza Vermes, JSJ.S 166, Leiden 2010. 53 Vgl. z.B. M. FISHBANE, Composition and Structure in the Jacob Cycle (Gen 25:19– 35:22), JJS 26 (1975), 15–38; S.D. WALTERS, Art. Jacob narrative, ABD 3 (1992), 599–608; J.L. KUGEL, The Ladder of Jacob. Ancient Interpretations of the Biblical Story of Jacob and his Children, Princeton/Oxford 2006; R.A. KLEIN, Jakob, BG 17, Leipzig 2007. 54 Vgl. dazu z.B. G. Langer (Hg.), Esau – Bruder und Feind, Göttingen 2009.

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zungen und Veränderungen eine neue Gestalt. Zunächst nimmt sie Gen 28 als zentralen Inhalt auf, nutzt aber sogleich den Sinnüberschuss, den das Bild von der Himmelsleiter gegenüber der folgenden Gottesrede hat,55 um ihm einige neue Elemente einzufügen. Nun sind es nicht mehr nur Engel, die sich auf der Leiter befinden. Vielmehr ist die Leiter, die eher als breite Treppe erscheint, von 2 x 12 statischen Repräsentationsfiguren jener Völker besetzt, die Israel in Zukunft feindlich entgegentreten werden. Damit implementiert der Autor bereits in der Vision den entscheidenden Haftpunkt, auf den sich der Deuteengel dann mit seiner Interpretation der Geschichte Israels bezieht. Um diese Deutung in ihrer ganzen Tragweite erfassen zu können, wird Jakob deshalb auch schon hier – noch vor Beginn der Engelrede – mit seinem neuen, auf seine künftigen Nachkommen bezogenen Namen „Israel“ ausgezeichnet (KlimJak 3,7–8).56 Der angelus interpres, der Jakob aufgrund seines Gebetes erscheint, vollzieht diese Umbenennung, bevor er mit seiner Deutung der Vision beginnt. Dabei wird bereits in einer Vorblende ein Bogen zu der späteren Jabbok-Szene (Gen 32) geschlagen, in der sich dann der nächtliche Kontrahent als genau jener Deuteengel aus der Offenbarungsszene in Bet El zu erkennen gibt (KlimJak 3,9–11).57 Auch der Bruderkonflikt zwischen Jakob und Esau wird in der apokalyptischen Neufassung fruchtbar gemacht. Dafür verlagert er sich jedoch von der Ebene der Erzählung auf die der gedeuteten Geschichte.58 Nach der Textfassung der PP in KlimJak 4,10 wird der letzte „Usurpatorkönig“, der alle vorherigen Bedrücker Israels übertrifft, „aus den Enkeln deines Bruders Esau“ stammen. Esau aber ist nach Gen 36,9 Stammvater der Edomiter, die wiederum als die exemplarischen Feinde Israels gelten. Deshalb fungieren Esau und Edom auch vom 2. Jh. n. Chr. an als Chiffren für Rom.59 Die entscheidende Wende

55 Nur um Jakob Schutz und Segen auf seinem Weg zuzusagen, hätte es dieses aufwändigen Bildes nicht bedurft. Bedeutung und Funktion der Leiter wie auch der auf- und absteigenden Engel bleiben im Bibeltext unerklärt. Allein der geöffnete Himmel sowie die Treppe als eine Art Zugang erweisen sich in der nachfolgenden Benennung des Ortes mit „Haus Gottes“ als belangvolle Erzählelemente. 56 Diese markante Abweichung vom Bibeltext findet sich so nur in der ausführlichen Fassung von KlimJak 3 (nach der PP). 57 Zu einer solchen Rekonstruktion des korrumpierten PP-Textes in KlimJak 3,11 vgl. den Kommentar zur Stelle bei BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 143–145. 58 In der Erzählung wird nur in der PP-Redaktion je einmal kurz in 3,9 und 4,10 auf Esau Bezug genommen. 59 N. GLATZER, The Attitude Towards Rome in Third Century Judaism, in: A. Dempf u. a. (Hg.), Politische Ordnung und menschliche Existenz, München 1962, 243–257; B.C. CRESSON, The Condemnation of Edom in Postexilic Judaism, in: J.M. Efird (Hg.), The Use of the Old Testament in the New and Other Essays, Durham N.C. 1972, 125–148; G. STEMBERGER, Die Beurteilung Roms in der rabbinischen Literatur, in: ANRW II 19.2, Berlin 1972, 338–396; F. AVEMARIE, Esaus Hände, Jakobs Stimme. Edom als Sinnbild Roms in

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tritt für Israel erst dann ein, wenn „das ganze Königreich von Edom mit allen moabitischen Völkern“ zugrunde geht (KlimJak 4,36).60 Im Ganzen bleibt die Neufassung von Gen 28 und 32 in der apokryphen „Leiter Jakobs“ relativ nahe an ihrem biblischen Vorbild. Zum einen fügt sie bei dem Bild der Leiter mit den Büsten rechts und links weitere Elemente hinzu, baut das Gelübde Jakobs in Gen 28,20–22 zu einem solennen Gebet aus (KlimJak 2,5–15)61 und präsentiert als umfangreichste Ergänzung die Rede des Deuteengels; zum anderen verdichtet sie die vorliegende Erzählung dort, wo sie die Umbenennung Jakobs mit dem Namen Israel schon in Bet El stattfinden lässt. Bei einer unbefangenen Lektüre stellt sich dadurch weniger der Eindruck eines Gegensatzes zum Bibeltext als vielmehr der Eindruck einer Vertiefung oder erklärenden Paraphrasierung ein. Nach der Logik der „rewritten bible“ folgt der Text der Sinnrichtung seines biblischen Vorbildes und führt dessen Intention lediglich weiter aus. Die jüdische Apokalypse steht damit noch im Lichtkreis der biblischen Jakobserzählung und partizipiert an deren Autorität. Beide Fassungen schließen einander jedenfalls nicht aus, so dass die apokryphe „Leiter Jakobs“ gut als aktualisierte Auflage der biblischen Erzählung in einer veränderten Zeit verstanden werden konnte. 2.5.2 Erzählperspektive und Autorschaft Eine der wichtigsten Modifikationen gegenüber der biblischen Vorlage stellt in der apokryphen „Leiter Jakobs“ die Änderung der Erzählperspektive dar. Während in Gen 28 das ganze Geschehen einer auktorialen Perspektive unterworfen ist, unterbrochen von gelegentlichen wörtlichen Reden, spricht in KlimJak 1,1–4,36 durchgängig Jakob selbst.62 Abgesehen von den beiden Rahmenteilen (A,1–3/B), in denen Gen 28,5 und 29,1 referiert wird, bleibt in dem gesamten Erzähltext das Ich des Patriarchen bestimmend. Der Text stellt sich somit als Selbstbericht eines Visionärs dar, der aus eigenem Erleben spricht und den Bericht aus Gen 28 damit noch einmal an Authentizität übertrifft. Zumindest ist es genau dieser Eindruck, der die kleine Apokalypse nun erst zu dem macht, was sie zu sein beansprucht: das vollmächtige Wort des Stammvaters, der zugleich als Offenbarungsträger fungiert.

der frühen rabbinischen Literatur, in: R. Feldmeier (Hg.), Die Heiden. Juden, Christen und das Problem des Fremden, WUNT 70, Tübingen 1994, 177–208. 60 So nach der umfangreicheren Fassung der Engelrede, die nur in der PP-Redaktion erhalten ist. 61 Wahrscheinlich stammt die ausführliche mystische Fassung des Gebets in der PP-Fassung aus einer separaten Überlieferung. 62 Zu Unterschieden hinsichtlich der Erzählperspektive zwischen den KlimJak-Rezensionen in den verschiedenen Paleja-Typen vgl. die Tabelle in BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 25–26. Die Passagen, in denen in der 3. Person erzählt wird, sind als abgewandelt (meist gekürzt) erkennbar.

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Jakob tritt damit den großen Figuren der apokalyptischen Tradition zur Seite, spielt in diesem erlesenen Kreis jedoch eine unverwechselbar eigenständige Rolle: Adam, Henoch oder Noah etwa entstammen der Urzeit und empfangen deshalb grundlegende, menschheitsrelevante Offenbarungen; Daniel, Baruch oder Esra repräsentieren das Gottesvolk in Zeiten der Krise, in denen sie ihre Offenbarungen als Orientierungswissen erhalten; Jakob indessen steht ganz unmittelbar am Ursprung der Geschichte Israels, mehr noch als Abraham. Die Offenbarungen, die ihm zuteil werden, betreffen das Geschick seiner Nachkommen in einer exklusiven und zugleich umfassenden Weise. In dem Stammvater Jakob ist bereits das ganze Geschick Israels präsent; in Bet El wird es ihm in seiner gesamten Komplexität von Bedrohung und Errettung schon vor Augen gestellt. Dabei erweist sich zugleich das persönliche Geschick Jakobs auf seinem gefahrvollen Weg – unter der Bedrohung durch seinen Bruder Esau wie unter dem Segen Gottes – als ein Spiegelbild des künftigen Weges Israels durch die Zeiten.63 Fundamentaler lassen sich die Schau und die Deutung der Geschichte Israels kaum ansetzen. Jakob als Hauptfigur für die geschichtliche Identität Israels erhält sein Offenbarungswissen, noch bevor das Zwölfstämmevolk überhaupt die Bühne der Geschichte betritt. Noch bevor Jakob in Mesopotamien seine Familie gründet und seine zwölf Söhne zeugt, noch bevor er sich am Jabbok des glücklichen Ausgangs seiner Flucht gewiss sein kann, noch bevor die Versöhnung mit seinem Bruder Esau überhaupt in den Bereich des Möglichen rückt – wird ihm bereits ein Blick auf Israels Bedrohung und Bewahrung gewährt. Wenn überhaupt etwas den vertriebenen und bedrängten jüdischen Adressaten dieser kleinen Apokalypse um die Mitte des 2. Jh.s n. Chr. Mut machen konnte, dann war es diese am Beginn ihres geschichtlichen Ursprungs platzierte Vision. Nicht die globale Welt- oder Völkergeschichte ist ihr Thema, sondern das unmittelbare Geschick des jüdischen Volkes. Und dafür gibt es keinen kompetenteren und verlässlicheren Offenbarungsträger als eben Jakob/ Israel selbst. In seiner Autorität und dem Paradigma seines Lebensweges wird schon das große Hoffnungszeichen sichtbar, das der Autor schließlich mit der Heilsperspektive von Israels Errettung auch ganz ausdrücklich an den Schluss seiner Geschichtsschau stellt.

63 Diesen Zug nutzt auch Flavius Josephus, der in seinen Antiquitates den Konflikt der feindlichen Brüder herunterspielt und ausbalanciert – eben weil auch er in ihm schon den Völkerkonflikt zwischen Israel und Rom angedeutet sieht; vgl. dazu L.H. FELDMANN, Josephus’ Portrait of Jacob, JQR 79 (1989), 101–151.

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2.5.3 Vision und Audition Vision und Audition sind in der apokalyptischen Tradition die bevorzugten Medien göttlicher Offenbarung.64 Beide werden dem Stammvater Jakob zuteil, wobei zunächst alles Gewicht auf der nächtlichen Traumvision liegt (KlimJak 1,1–6).65 Im Rahmen dieser Vision wird der Träumer von Gott direkt angesprochen (KlimJak 1,7–12). Erwacht bittet er Gott in einem ekstatischen Gebet um die Deutung des Traumes. Noch vor Beendigung seines Gebetes aber hört er – offenbar noch immer im Zustand der Trance – die Stimme Gottes, die an die Adresse des Deuteengels gerichtet ist (KlimJak 3,1–3).66 Die anschließende Begegnung mit dem Engel gestaltet sich dann als mustergültige Angelophanie und gewinnt mit Bezug auf den vorausgegangenen Traum den Charakter einer neuen (wenngleich korrespondierenden) Offenbarung. Strukturell bietet die Vision von der Himmelsleiter nichts anderes als das, was auch in Gen 28 erzählt wird. Lediglich einige neue Elemente (wie die konkret gezählten zwölf Stufen und die darauf platzierten 24 Büsten feindlicher Herrscher) treten dem Bild hinzu und verschieben seinen Gehalt in Richtung einer „Stufenleiter der Geschichte“.67 An dem göttlichen Ursprung dieser Vision aber kann für das Lesepublikum kein Zweifel bestehen. Wie schon in Gen 28,13 auch wird Gott selbst an der Spitze der Leiter sichtbar und spricht den Visionär direkt an (KlimJak 1,7). Jakob erlebt nicht wie die Offenbarungsempfänger anderer apokalyptischer Schriften neue Formen der Gottesbegegnung. Eine Himmelsreise ist für ihn nicht erforderlich. Vielmehr verbleibt er im Rahmen seiner längst eingeführten und biblisch fest etablierten Traumvision. Deshalb bedarf es hier auch keiner weiteren Plausibilisierungen. Was Jakob schaut, lebt von der Glaubwürdigkeit des biblischen Grundtextes. Die Gottesrede (KlimJak 1,7–12) stellt eine freie und modifizierte Fassung von Gen 28,13–15 dar. Ihre wichtigsten Veränderungen bestehen nach der ausführlicheren PP-Redaktion darin, dass die Segenszusage Gottes eben nicht mehr nur Jakob und allen Völkern gilt, sondern sich auch durch die Zeiten bis hin zur letzten Generation erstreckt. Diese neue, eschatologische Perspektive bereitet schon die Engelrede vor, die den Schwerpunkt dann auf den Gang der Geschichte Israels bis hin zu seiner endzeitlichen Errettung legen wird.

64 Vgl. zum Ganzen M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie 1/2, WUNT 2/79.80, Tübingen 1995/1997. 65 Vgl. dazu auch J. LANCKAU, Der Herr der Träume. Eine Studie zur Funktion des Traumes in der Josefsgeschichte der Hebräischen Bibel, AThANT 85, Zürich 2006. 66 Das geschieht in der Fassung der PP, die auch den unmittelbaren Kontext des Jakobgebetes ausführlicher enthält als die TP-Redaktion. 67 Mit der exakten Zahl der Stufen und ihrer Besetzung signalisiert der Text, dass die „Leiter“ nicht nur der Verbindung von Himmel und Erde dient, sondern darüber hinaus auch einen symbolischen Eigenwert hat.

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In KlimJak 3,1–3 heißt es: „Und als ich noch mein Gebet sprach, kam eine Stimme vor mein Angesicht ...“; diese Stimme gilt nach der ausführlicheren PP-Redaktion indessen nicht Jakob, sondern einem der Dienstengel Gottes, der nun den Auftrag erhält, Jakobs Gebetsbitte zu erfüllen und ihm die Vision zu deuten. Jakob, selbst noch in einer Art Gebetsekstase befangen und mit seinen Sinnen – dem mystischen Charakter seines Gebetes entsprechend – in die Welt Gottes vorgedrungen, hört diese Stimme gleichsam als Ohrenzeuge der himmlischen Konversation mit.68 Gelegentlich hat man hier an das Offenbarungsphänomen der so genannten „Bat Kol/Tochter der Stimme“ gedacht, womit in der rabbinischen Tradition der Widerhall göttlichen Redens bezeichnet wird.69 Dabei erscheint die Stimme Gottes gleichsam in hypostasierter Gestalt.70 In KlimJak 3,1–3 wird freilich Gott selbst als der Redende eindeutig benannt, so dass es sich hier nur um eine weitere Audition des inzwischen erwachten Offenbarungsempfängers handelt. Ihre Funktion besteht darin, die folgende Angelophanie durch den expliziten göttlichen Auftrag noch einmal zu legitimieren. Dieser Auftrag hat insofern Gewicht, als er Jakob bereits die Identität des Deuteengels mitteilt (nach der PP), ihm Verstand für die Deutung des Traumes zusagt und schließlich auch den göttlichen Segen (im Sinne der Namensänderung) in Aussicht stellt. Jakob weiß damit schon gleichsam „aus erster Hand“, wer und was auf ihn zukommt. Die Angelophanie ist für ihn im vorhinein durch ein weiteres Offenbarungswort Gottes autorisiert und bestätigt. 2.5.4 Bild und Deutung Zur Theophanie, die allein im Traum erfolgt und aus Vision und Audition besteht, tritt nach Jakobs Erwachen in KlimJak 3–4 eine Angelophanie hinzu. Die merkwürdige Versicherung des Offenbarungsempfängers, er habe sich bei dem Anblick des Engels „nicht entsetzt“ (KlimJak 3,5–6 – nach der PP-Redaktion), erklärt sich aus der vorausgegangenen zusätzlichen Audition, die Jakob schon auf diese Erscheinung vorbereitet hatte. Zudem wird betont, die Vision der Leiter selbst sei „viel schrecklicher“ gewesen als die Erscheinung des Deuteengels. Dergestalt präpariert empfängt Jakob nun seinen neuen Namen und nimmt die Deutung des Engels entgegen. Was Jakob im Folgenden zu hören bekommt, erweist sich mit Blick auf Umfang und Inhalt als der Höhe- und Zielpunkt des gesamten Textes.71 Im Grunde 68 Eine ähnliche Szene findet sich interessanterweise noch in ApkAbr 10,4, wo Abraham zum Ohrenzeugen des göttlichen Auftrages an den Engel Jaoel wird. 69 So z. B. J.H. CHARLESWORTH, The Jewish Roots of Christology. The Discovery of the Hypostatic Voice, SJTh 39 (1986), 19–41. 70 P. KUHN, Offenbarungsstimmen im Antiken Judentum. Untersuchungen zur Bat Qol und verwandten Phänomenen, Tübingen 1989. 71 Den 43 Versen der bisherigen Erzählung schließen sich nun noch einmal 36 Verse der Engelrede an.

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stellt diese Engelrede noch einmal eine neue Offenbarung dar. Sie enthält eine Reihe von Informationen, die an der Vision keinen Anhalt haben und darüber hinausgehen. Was in der Vision rätselhaft blieb, fügt sich nun erst in der Engelrede zu einem stringenten Geschichtsentwurf zusammen. Ausgewiesen und legitimiert ist der Deuteengel nicht nur durch den göttlichen Auftrag, dessen Ohrenzeuge Jakob war (KlimJak 3,1–3).72 Vielmehr wird er im Text nun auch als der Oberste aller angeli interpretes überhaupt eingeführt.73 Die Textfassung der PP legt ihm zudem noch den Namen „Sariel“ bei und identifiziert ihn auf diese Weise mit einer der schillerndsten Erzengelfiguren im Konzert der frühjüdischen Angelologie überhaupt.74 Zweifellos liegt es in der Absicht des Erzählers, gerade diesen Engel, der später auch mit Jakob am Jabbok ringen wird (KlimJak 3,9–11),75 als eine Art oberste Instanz für die Geschichte Israels ins Spiel zu bringen. KlimJak 3,8 deutet mit der vagen Aussage „dein Name wird meinem Namen ähnlich sein: Israel“ diesen gemeinsamen Bezug auf das künftige Gottesvolk schon an.76 Diesem Image, eine Art „Völkerengel“ Israels zu sein, macht der Deuteengel schließlich auch alle Ehre. Leider ist seine Rede im Verlauf der Überlieferung dann an vielen Stellen so stark korrumpiert worden, dass der darin enthaltene große Geschichtsentwurf nur noch in Umrissen und mit Hilfe einiger hypothetischer Annahmen rekonstruiert werden kann.77 Immerhin lässt sich erkennen, dass der Engel die gegenwärtige Bedrückung Israels in das Licht der Sklaverei in Ägypten rückt – und dementsprechend dann auch die verheißene Rettung in den Farben eines neuen Exodus auszumalen vermag. Die geschichtliche Erfahrung Israels wird durch solche Analogien wie überhaupt durch die Assoziation biblischer Topoi so in den Text eingezeichnet, dass auch die am Schluss anvisierte Hoffnungsperspektive plausibel erscheint. Der Deuteengel als der maßgebliche Offenbarer ist in der kleinen Apokalypse jedenfalls mit einer komplexen Autorität ausgestattet: er gehört zu den obersten Dienstengeln Gottes und ist dort (nach der PP im Range eines Erz72

Zur Figur des Deuteengels vgl. H. REICHELT, Angelus interpres-Texte in der JohannesApokalypse, Frankfurt u. a. 1994, spez. 5–20. 73 Vermutlich ist der Text an dieser Stelle durcheinandergeraten, so dass die Funktionsbezeichnung des Engels in KlimJak 3,2 („Ältester derer, die ...“) unklar bleibt; eindeutig erscheint indessen die weitere Bestimmung „der du über die Träume herrschst“. 74 Vgl. ausführliche Belege bei BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 135– 137 (Kommentar zur Stelle). 75 Auch diese Identifikation ergibt sich nur aus einer Rekonstruktion des korrumpierten Textes in KlimJak 3,9–11; vgl. BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 145 (Kommentar zur Stelle). 76 „Israel“ könnte somit als eine Art Anagramm des Engel-Namens „Sariel“ verstanden sein; ansonsten fungiert nach Dan 12,1 der Erzengel Michael als der „Völkerengel“ Israels; vgl. BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 141 (Kommentar zur Stelle). 77 Vgl. dazu BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 81–84, sowie den Kommentar zu diesem ganzen Abschnitt.

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engels) für Visionen und deren Deutung zuständig; er wird von Gott selbst beauftragt, der Gebetsbitte Jakobs um die Deutung seines Traumes zu entsprechen; er wird für Jakob als den Offenbarungsempfänger noch einmal durch eine zusätzliche Audition legitimiert; er beweist seine Empathie für den Stammvater Israels durch Segen und Namensgebung, die den gemeinsamen Bezug auf das Gottesvolk signalisieren; er vermag die Geschichte Israels aus der archaischen Situation in Bet El heraus nachvollziehbar darzustellen. Die abschließende Heilsperspektive, die Israels Errettung in Aussicht stellt, erscheint für den ursprünglichen Adressatenkreis somit als gut begründet und vielfach legitimiert. Die geschichtliche Situation, in die hinein die Engelrede spricht, verleiht den Worten noch einmal einen besonderen Klang. Denn sie spiegelt sich in dem Text auf behutsam angedeutete, jedoch eindeutig identifizierbare Weise wider. Die 24 Büsten rechts und links auf den Stufen der Leiter (KlimJak 1,3) symbolisieren die Totalität der Völkerwelt und im Spiel mit den Zahlen 12 und 24 die verzweifelte, bedrängte Lage des Gottesvolkes, das von seinen übermächtigen Feinden gleichsam umringt ist. Vier militärische Kampagnen gegen die heilige Stadt treten aus diesem Bild noch einmal hervor (KlimJak 4,6.8).78 In dem „Usurpatorkönig“ aber, der am Ende alle früheren Feinde Israels besiegt und schließlich in ihrer Feindseligkeit übertrifft (KlimJak 4,10–14), bildet sich eindrücklich die unwiderstehliche Macht des römischen Imperiums ab. Die Chiffre „Edom“ fungiert als Schlüssel, Rom in der Mitte des 2. Jh.s als den maßgeblichen Bedrücker der exilierten Juden ins Bild zu setzen:79 den Kult gibt es nicht mehr; das Volk ist vertrieben; es lebt in Sklaverei und wird zum Dienst fremder Götter genötigt. Erkennt man darin die politischen Verhältnisse in der Zeit nach Hadrian, dann entwickelt dieses Geschichtsbild eine ganz eigene Suggestivkraft. Die ursprünglichen Adressaten, die sich darin wiederfanden, mussten sich angesprochen, bestärkt und aufgerichtet fühlen. Denn die Glaubwürdigkeit der Heilszusage in apokalyptischen Texten bemisst sich nicht zuletzt an der Authentizität ihrer Situationsanalyse. Hier wird man der Rede des Engels sicher noch mehr an einstiger Klarheit unterstellen dürfen – einer Klarheit, die sich erst im Laufe der Überlieferung (mit dem zunehmenden Verlust der ursprünglichen Situation) verwischt und verwirrt hat. Der ursprüngliche Schluss der kleinen Apokalypse scheint verloren gegangen zu sein. Vermutlich endete die Engelrede so, wie sie begann – nämlich mit einer direkten Anrede an den Patriarchen. Danach wäre noch ein Abschluss der 78

Vgl. dazu BÖTTRICH/FAHL/FAHL, Leiter Jakobs (s. Anm. 3), 149 und 151 (Kommentar zur Stelle). J.L. KUGEL, The Ladder of Jacob, HTR 88 (1995), 209–227, hat diese „vier Abstiege“ auf jenen Midrasch zu Gen 28 bezogen, in dem die Auf- und Abstiege der Engel als Bild für den Aufstieg und Fall der vier Weltreiche verstanden werden; diese Interpretation kommt jedoch nicht ohne weitreichende Konjekturen aus und lässt sich mit dem Bild selbst nicht befriedigend in Einklang bringen. 79 Vgl. oben Anm. 59.

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ganzen Erzählung zu erwarten, der den Abschied des Engels und den Aufbruch Jakobs nach Mesopotamien thematisiert. In der vorliegenden Form schneidet die christologische Fortschreibung ab KlimJak 4,37 diesen Schluss jedoch ab und setzt mit der weiteren Entfaltung der Erlöserfigur unmittelbar bei der gerade beginnenden Heilsperspektive an. Auch diese Fortschreibung bricht schließlich in KlimJak 4,75 wieder ab, um nach einem harten Schnitt von der nun beginnenden Kette der Paleja-Kommentare fortgesetzt zu werden. Ob Jakob als der maßgebliche Offenbarungsträger in dem ursprünglichen Text noch einmal zu Wort kam, bleibt offen.

3. Autorisation als Berufung auf den Stammvater Juden und Christen berufen sich gleichermaßen auf Jakob. Sie tun dies freilich mit unterschiedlichen Interessen. Beider Ansprüche haben in der apokryphen „Leiter Jakobs“, so wie sie uns heute vorliegt, ihre Spuren hinterlassen.80 Für Juden steht die Figur des Erzvaters Jakob am Ausgangspunkt ihrer Geschichte. Aus der Zahl der zwölf Jakobssöhne geht idealerweise das „Zwölfstämmevolk“ hervor. Jakobs Verheißungsname „Israel“ überträgt sich auf das Volk im Ganzen, das indessen auch weiterhin pars pro toto als „Jakob“ oder „Haus Jakob“ firmiert.81 In der Figur des Jakob spiegelt und verdichtet sich die geschichtliche Identität Israels. Die biographische Erzählung von Jakobs Geburt, seinem Bruderkonflikt, der Flucht nach Mesopotamien, der Gottesbegegnung in Bet El, der Gründung einer Familie und dem Aufstieg zu Wohlstand und Macht, der glücklichen Rückkehr und dem spürbaren Segen Gottes skizziert gleichsam eine Geschichte des Gottesvolkes in nuce.82 Hier sind schon viele Elemente künftiger Höhen und Tiefen enthalten sowie die Strukturen grundlegender Konflikte angelegt. Vor allem aber ist darin bereits jene Segenslinie vorgezeichnet, die den Weg des Gottesvolkes durch die Zeiten begleiten wird. Insofern hat es eine hohe Plausibilität, wenn die jüdische 80

Vgl. C. BÖTTRICH, The Patriarch and his manifold descendants. Jacob as visionary between Jews and Christians in the apocryphal „Ladder of Jacob“, in: M. Henze, W. Adler und L. DiTommaso (Hg.), The Embroidered Bible. Studies in Biblical Apocrypha and Pseudepigrapha in Honour of Michael E. Stone, Leiden 2018, 283–292. 81 Häufig steht die Chiffre „Jakob“ schlicht für Israel im Ganzen; gelegentlich wird das Volk als „Haus Jakobs“, „Kinder Jakobs“ oder „Zelte Jakobs“ bezeichnet; Wendungen wie „der Rest Jakobs“ oder „mein Knecht Jakob“ kommen hinzu. Dieser Sprachgebrauch kehrt auch im NT wieder (vgl. die Zitate in Röm 9,13 und 11,26 oder die Anspielungen in Lk 1,33 und Apg 7,46). 82 Insgesamt erweisen sich die Erzelternerzählungen als Modellgeschichten, in denen Beziehungskonstellationen auf grundsätzliche Weise durchgespielt werden. Thomas Mann hat das in seinem großen, vierteiligen Roman „Joseph und seine Brüder“ (1934–1943) auf kongeniale Weise erspürt und literarisch neu gestaltet.

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Apokalypse in KlimJak 1,1–4,36 das künftige Geschick Israels keinem anderem als dem Stammvater Jakob offenbart werden lässt. Dort, wo sein persönlicher Weg die größte Gottesnähe erfährt, öffnet sich auch der Blick auf die Geschichte seiner Nachkommen. Jedes Ringen um diese Geschichte führt auf den Stammvater zurück und sucht bei ihm nach entsprechenden Antworten. Jakob fungiert in dieser Perspektive als Garant dafür, dass Gott in allen Bedrängnissen zu seinem Volk steht. Diese Konstellation verhilft der kleinen jüdischen Apokalypse hinter KlimJak 1,1–4,36 letztlich zu ihrer Überzeugungskraft. Auch Christen verstehen Jakob als Identifikationsfigur – wenngleich auf andere Weise. Jesus von Nazareth, der die „Sammlung Israels“ betreibt,83 beruft mit einer prophetischen Zeichenhandlung einen Kreis von zwölf Schülern,84 der die primäre Ausrichtung seiner Sendung auf das Zwölfstämmevolk Israel sinnfällig symbolisiert. Die frühe Christenheit, die in Jesus von Nazareth den verheißenen Messias Israels sieht, deutet den Segensspruch Jakobs über seinen Sohn Juda (Gen 49,10–12) als eine prophetische Verheißung; in dem Bileamsorakel über den „Stern aus Jakob“ (Num 24,17) erkennt sie den Patriarchen als den realen und geistigen Stammvater des Messias Jesus. Israel bzw. das „Haus Jakob“ stellt für die Christenheit keine fremde Größe, sondern den Raum der eigenen Geschichte dar. An seinem Stammvater macht sich die messianische Linie einer gemeinsamen Hoffnungsgeschichte fest; in ihm wird die Segenszusage für die Völker aktualisiert. Der geöffnete Himmel in Bet El steht auch für die Zuwendung Gottes in der Gestalt des Menschensohnes (Joh 1,51).85 Insofern lag es nahe, die Ankunft des Erlösers Jesus Christus ebenfalls schon bei dem Stammvater Israels festzumachen – in Gestalt einer Offenbarung, die das Ganze dieser gemeinsamen Geschichte umschließt.86 Die christologische Fortschreibung der Engelrede in KlimJak 4,37–75 beruht noch auf einem Selbstverständnis, das die Geschichte Israels und der Christenheit in einen großen, organischen Zusammenhang einzuordnen vermag. Erst die Kompilatoren der „Paleja“ greifen dann auf jenes Modell zurück, das im Aufstieg der Kirche die 83

Pointiert kommt das in der Aussage, „nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ gesandt zu sein (Mt 10,5–6; 15,24), zum Ausdruck; vgl. auch G. LOHFINK, Die Sammlung Israels. Eine Untersuchung zur lukanischen Ekklesiologie, StANT 39, München 1975. 84 Mk 3,13–19/Mt 10,1–4/Lk 6,12–16. Dieser symbolisch etablierte Kreis der „Apostel/Gesandten“ (so dezidiert bei Lk) wird gezielt in die Sendung Jesu an Israel einbezogen, wie die Aussendungsüberlieferung (Mk 6,7–13/Mt 10,1–15/Lk 9,1–6) zeigt. 85 Dieser Bezug auf Gen 28 wird in Joh 1,51 ganz ausdrücklich hergestellt; in der Väterexegese ist der Vers immer wieder zum Ausgangspunkt ausgedehnter Reflexionen über den Offenbarungsträger Jakob geworden; vgl. W. RORDORF, Die Jakobsleiter. Gen 28,10ff und Joh 1,51 in der patristischen Exegese, in: M. Rose (Hg.), Johannes-Studien. Interdisziplinäre Zugänge zum Johannes-Evangelium (FS J. Zumstein), Zürich 1991, 39–46. 86 Ähnlich verfährt die frühe Christenheit schon mit Blick auf Abraham: Paulus interpretiert in Gal 3,16 die Abrahamsverheißung so, dass sie vor allem auf den einen Nachkommen Jesus Christus abzielt; Joh 8,56 konstatiert, dass Abraham bereits „den Tag“ des Messias Jesus gesehen habe.

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Überwindung und damit den Abstieg des Judentums sieht. Jetzt erst wird Jakob als Kronzeuge gegen sein eigenes Volk aufgerufen. In der christlichen Frömmigkeit ist die Berufung auf Jakob stets lebendig geblieben – meist unter dem Vorzeichen seiner christologischen Inanspruchnahme, gelegentlich aber auch in der offenen Perspektive einer gemeinsamen Geschichte. Dichterischen Ausdruck verleiht Paul Gerhard (1607–1676) einer solchen „Autorität“ des Patriarchen Jakob, wenn er in EG 302,2 singt: „Wohl dem, der einzig schauet / nach Jakobs Gott und Heil! / Wer dem sich anvertrauet, / der hat das beste Teil, / das höchste Gut erlesen, / den schönsten Schatz geliebt; / sein Herz und ganzes Wesen / bleibt ewig unbetrübt.“ Das Lied aus dem Jahr 1653, das sich an Ps 146 orientiert („wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist“), atmet im Gotteslob jene Offenheit eines Bezugs auf den Stammvater Jakob, die Juden und Christen eint. Dieser Offenheit verdankt letztlich auch die apokryphe „Leiter Jakobs“ ihre bleibende Faszination bei Juden und Christen auf ihrem langen Weg durch die Jahrhunderte.87

87 Ein herzlicher Dank gilt Sabine und Dieter Fahl, die den Text der KlimJak immer wieder mit mir diskutiert und auch zu diesem Beitrag kritische Anmerkungen beigesteuert haben.

Apokalyptik und Mystik im rabbinischen Judentum Michael Tilly 1. Einleitung Im Jahre 1799 schreibt Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834) in seinem bedeutenden religionsphilosophischen Werk „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern“: „Ihr Wesen ist weder Denken noch Handeln, sondern Anschauung und Gefühl. Anschauen will sie das Universum in seinen eigenen Darstellungen und Handlungen will sie es andächtig belauschen, von seinen unmittelbaren Einflüssen will sie sich in kindlicher Passivität ergreifen und erfüllen lassen.“1

In diesem Diktum Schleiermachers spiegelt sich die in Folge der geistesgeschichtlichen Epoche der Aufklärung in Europa virulent gewordene Frage wider, ob Religion ihre eigentliche Autorisierung entweder durch Vernunft oder durch Erfahrung erlangt. Die Frage nach dem Konnex zwischen dem Modus der Offenbarung und der Autorität ihres Inhalts beschäftigte auch Thomas von Aquin (1225–1274). Der mittelalterliche Kirchenlehrer differenzierte in seiner „Summa theologica“ zwischen der cognitio dei doctrinalis, dem theoretischen, lehrhaft vermittelbaren und durch die kirchliche Lehrtradition überlieferten Wissen von Gott, und der cognitio dei experimentalis, dem mittels der fundamentalen sinnlichen Wahrnehmung einer unmittelbaren Begegnung mit Gott erlangten Erfahrungswissen vom Wesen der transzendenten Wirklichkeit.2 Hiermit durchaus vergleichbar ist die Annahme einer Dichotomie von „vernünftiger“ Apperzeption des Willens Gottes mittels exegetischer Aktivität und „erlebter“ unmittelbar wahrgenommener Gotteserfahrung bzw. die Unterscheidung von halachisch normativer und mystischer Frömmigkeit. Diese begegnet auch im Zusammenhang mit dem komplexen Problem, warum die jüdische Apokalyptik, die ich hier zunächst als ein religiöses „Mentalitätsphänomen“3 bestimmen möchte, zu deren wesentlichen Aspekten sowohl ein aus ihr hervor1 F.D.E. SCHLEIERMACHER, Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern, Berlin 1799, 26f. 2 Summa theologica I–II, q. 97, a. 2 ad 3. 3 M. TILLY, Apokalyptik (UTB Profile 3651), Tübingen u.a. 2012, 7. Vgl. P.D. HANSON, The Dawn of Apocalyptic. The Historical and Sociological Roots of Jewish Apocalyptic Eschatology, Philadelphia 31989.

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gegangener Komplex gattungsähnlicher literarischer Texte als auch eine gewisse soziologische Konturierung ihrer Trägerkreise gehören, mit dem Partherkrieg Trajans (113–116 n. Chr.) und mit der Niederschlagung des Bar-KochbaAufstands im Jahre 135 n. Chr. sukzessive zum Erliegen kam.4 In den Netzwerken rabbinischer Gelehrter seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. wurden keine eigenständigen apokalyptischen Schriften mehr produziert.5 Weder wurde das ältere apokalyptische Schrifttum als literarische Gattung hier fortgeführt noch wurden die apokalyptischen Texte hellenistisch-jüdischer Provenienz abgeschrieben, übersetzt oder explizit zitiert. Was uns von jüdischen apokalyptischen Werken erhalten ist, wurde zumeist nicht im jüdischen, sondern im christlichen Überlieferungsbereich tradiert und in kirchliche Literatursprachen (Griechisch, Koptisch, Äthiopisch, Syrisch, Armenisch, Georgisch, Altslawisch) übersetzt. Typische literarische Merkmale älterer jüdischer Apokalypsen wie etwa die Pseudepigraphie, Vaticinia ex eventu oder narrativ gerahmte Schilderungen ekstatischer Visionen kommen in den rabbinischen Texten dieser Epoche (Mischna, Tosefta und tannaitische Midraschim) kaum vor. Auch die Katastrophe der Tempelzerstörung des Jahres 70 n. Chr. wurde von den rabbinischen Gelehrten nicht mehr in den Kategorien der apokalyptischen Vorstellungswelt gedeutet. Die gängigen Erklärungsmodelle für dieses Phänomen weisen auf die offenkundig notwendige Distanzierung der um ihre Akzeptanz seitens der römischen Provinzverwaltung bemühten rabbinischen Gelehrtenkreise von der Apokalyptik hin. Nach zwei gescheiterten, von religiösen Fanatikern angezettelten Aufständen gegen das Imperium Romanum wollten die Rabbinen sich offenbar sowohl von sämtlichen radikalen Eiferern und militanten messianisch inspirierten Strömungen als auch von allen eschatologischen Spekulationen, Endzeitberechnungen sowie messianischen bzw. „rebellischen“ Hoffnungen auf sofortige Erlösung abgrenzen. Der wesentliche Grund dieser Abgrenzung war ihr Bestreben, die eigene beanspruchte Position (bzw. deren fragile römische Duldung) als sachverständige Autoritäten hinsichtlich der lebensdienlichen Auslegung und Applikation der Tora nicht zu gefährden.6 4 Vgl. A.J. SALDARINI, Apocalypses and „Apocalyptic in Rabbinic“ Literature and Mysticism, Semeia 14 (1979), 187–205 (189). 5 Vgl. ebd., 187. 6 Vgl. M. BECKER, Apokalyptisches nach dem Fall Jerusalems. Anmerkungen zum frührabbinischen Verständnis, in: Ders./M. Öhler (Hg.), Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie, WUNT II/214, Tübingen 2006, 283–360; C. ROWLAND, Things into which Angels Long to Look: Approaching Mysticism from the Perspective of the New Testament and the Jewish Apocalypses, in: Ders./C.R.A. Morray-Jones (Hg.), The Mystery of God. Early Jewish Mysticism and the New Testament, CRI III/12, Leiden u.a. 2009, 2–215 (23f.), sowie M. HENGEL, Die Ursprünge der Gnosis und das Urchristentum, in: Ders., Studien zum Urchristentum, WUNT 234, Tübingen 2008, 549–593 (591–593). Anders O. IRSHAI, Dating the Eschaton. Jewish and Christian Apocalyptic Calculations in

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Unbeschadet dieses deutlich erkennbaren Misstrauens der Tannaiten gegenüber der Apokalyptik bezeugen zahlreiche frühmittelalterliche jüdische Texte eine Renaissance apokalyptischer Vorstellungen.7 Wiederholt begegnen hier zentrale Themenkomplexe der apokalyptischen Eschatologie wie z.B. das esoterische Motiv der himmlischen „Thronhallen“ (Heḵalot), das göttliche „Schöpfungswerk“ (Ma‛ase Bereschit)8 und das visionäre „Thronwagenwerk“ des Propheten Ezechiel (Ma‛ase Merkavah).9 Insbesondere die seit dem 4. bis 6. Jahrhundert n. Chr. entstandene Heḵalot-Literatur (von hebr. „Heḵal“, übersetzt „Halle“ [im himmlischen Palast bzw. Tempel]) enthält sowohl Stücke, die man durchaus mit traditionellen apokalyptischen Texten in Beziehung setzen kann, als auch Schlüsselbegriffe der älteren apokalyptischen Vorstellungswelt. Wiederholt begegnen in diesen Texten Schilderungen des wundersamen Aufstiegs ihrer Protagonisten zum himmlischen Tempel sowie ausführliche Beschreibungen ihres gefahrvollen Weges durch die himmlischen Hallen des göttlichen Palastes, in dessen erhabener Mitte Gott selbst als eine überdimensionale anthropomorphe Königsgestalt thront.10 Wenn die Apokalyptik im Judentum nur bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels eine signifikante Rolle spielte und erst Jahrhunderte später in jüdischen Texten aus byzantinischer Zeit wieder erkennbare Reflexe hat,11 dann stellt sich einerseits die Frage nach dem „missing link“ zwischen diesen beiden disparaten Literaturbereichen. Müssen die ersten Jahrhunderte nach der Tempelzerstörung wirklich als eine „antiapokalyptische“ Epoche betrachtet werden? Kam der jüdischen Apokalyptik seitdem kein Geltungsanspruch mehr zu? Kann von einem rigiden Traditionsbruch im Sinne einer absichtlichen Diskontinuität (bzw. einer bewussten Abstoßung) zwischen der Apokalyptik und der rabbinischen Religion und Literatur die Rede sein?12 Andererseits ist zu fragen, Late Antiquity, in: A.I. Baumgarten (Hg.), Apocalyptic Time, SHR 86, Leiden u.a. 2000, 113–153. 7 Vgl. R.M. LESSES, Ritual Practices to Gain Power. Angels, Incantations, and Revelation in Early Jewish Mysticism, HThS 44, Harrisburg 1998, 13–17. 8 Vgl. G.A. WEWERS, Geheimnis und Geheimhaltung im rabbinischen Judentum, RGVV 35, Berlin u.a. 1975, 224–231; M.J. SABÁN, Maasé Bereshit. El misterio de la Creación, Buenos Aires 2013. 9 Vgl. J. MAIER, Vom Kultus zur Gnosis, Kairos.St 1 (1964), 112–121 sowie 131–146; WEWERS, Geheimnis (s. Anm. 8), 231–235; ROWLAND, Things (s. Anm. 6), 25f.; R. ELIOR, The Three Temples. On the Emergence of Jewish Mysticism, Oxford 2004, 63–81; I. GRUENWALD, Apocalypticism and Merkavah Mysticism, Anthropological Journal of European Cultures 90 (2014), 3f. 10 Vgl. E.R. WOLFSON, Through a Speculum That Shines. Vision and Imagination in Medieval Jewish Mysticism, Princeton 1994, 82–85. 11 Vgl. J.J. COLLINS, The Apocalyptic Imagination, Grand Rapids u.a. 21998, 281; TILLY, Apokalyptik (s. Anm. 3), 83–86. 12 So z.B. D. RÖSSLER, Gesetz und Geschichte. Eine Untersuchung zur Theologie der jüdischen Apokalyptik und der pharisäischen Orthodoxie, WMANT 3, Neukirchen-Vluyn

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worin die Gründe für die erneute Inanspruchnahme der Apokalyptik zu suchen sind. Kann gerade ihre erneute Rezeption durch die Trägerkreise der HeḵalotLiteratur als Ausdruck einer kulturellen und theologischen Opposition jüdischer Mystiker gegenüber der traditionellen Torafrömmigkeit und den Autoritätsansprüchen der Rabbinen gelten? Oder ist gerade die Merkavah-Mystik als Ausdruck religiöser und sozialer Binnendifferenzierungsprozesse innerhalb der rabbinischen Bewegung zu betrachten?13 Ich möchte in meinem Beitrag den Versuch unternehmen, beide Fragereihen einer zumindest partiellen Klärung zuzuführen, indem ich in zwei Hauptteilen zunächst nach apokalyptischen Traditionen in der rabbinischen Traditionsliteratur frage und sodann die wesentlichen einschlägigen Texte und Tendenzen innerhalb der Heḵalot-Literatur betrachte. Die beiden Teile der Untersuchung münden in eine Zusammenfassung der Einzelbeobachtungen sowie deren Deutung.

2. Apokalyptische Traditionen in der rabbinischen Traditionsliteratur Die Stellung des rabbinischen Judentums zur Apokalyptik ist differenziert zu betrachten. Einerseits konzentrieren sich die eschatologischen Themen in den rabbinischen Texten überwiegend auf ganz unspezifische Motive und Motivkomplexe wie „Messias“, „Endzeit“ und „Erlösung“, ohne dass dabei auch die spezifische Vorstellungswelt und das charakteristische Geschichtsverständnis der Apokalyptik rezipiert werden. Andererseits enthält die rabbinische Literatur auch eine ganze Reihe apokalyptischer Traditionen. Rezipiert wurden z.B. die Verknüpfung von Toraobservanz und Bestehen im Endgericht, das Interesse an kosmologischen Zusammenhängen, die typologische Beziehung von erfahrenem und erhofftem Heil und die aktualisierende Deutung der prophetischen Tradition. Ebenso begegnet hier auch das Personal der endzeitlichen Heilsschilderungen der „klassischen“ Apokalyptik. Sowohl die Propheten der Endzeit (z.B. Elia, Henoch) als auch die Offenbarungsengel (z.B. Michael, Gabriel, Metatron) und messianische Gestalten (z.B. Messias ben Josef, Messias ben David) finden bei den jüdischen Gelehrten Erwähnung. 2 1962, 12–42. Vgl. M. MACH, From Apocalypticism to Early Jewish Mysticism, in: J.J. Collins (Hg.), The Encyclopedia of Apocalypticism, Bd. 1: The Origins of Apocalypticism in Judaism and Christianity, New York u.a. 2000, 229–264 (234). 13 Als grundlegend für die Erforschung der Merkavah-Mystik gilt G. SCHOLEM, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Frankfurt a. M. u.a. 1957, 43–86. Vgl. I. CHERNUS, Mysticism in Rabbinic Judaism, SJ 11, Berlin u.a. 1982, 32; P. ALEXANDER, Late Hebrew Apocalyptic: A Preliminary Survey, Apocrypha 1 (1990), 197–217; M. HENGEL, Paulus und die Frage einer vorchristlichen Gnosis, in: Ders., Paulus und Jakobus, WUNT 141, Tübingen 2002, 473–510 (502f.).

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Insbesondere übernahmen die Rabbinen die Vorstellungen von der allgemeinen Totenauferweckung, vom Endgericht über Gerechte und Sünder und vom dualistischen Gegensatz zwischen dieser Welt und der kommenden Welt. So heißt es in M Sanh X 1: „Ganz Israel hat Anteil an der zukünftigen Welt, denn es wird gesagt: ‚Und dein Volk sind alle Gerechte, für immer werden sie das Land besitzen als Spross meiner Pflanzung, als Werk meiner Hände, damit ich verherrlicht werde.‘“

Ebenso begegnen bereits in tannaitischen Texten sowohl Ansätze einer Periodisierung der determinierten und eschatologisch ausgerichteten Geschichte als auch Spuren eines heilsgeschichtlich konstruierten Dekadenzmodells. In b Sanh 97a ist die Rede von einem Siebenjahreszyklus vor dem Kommen des Messias. In S Dtn 357 zu 34,2f. (Finkelstein 426, 15f.; 427, 4f.) lässt Gott Mose vor seinem Tod die kommende Geschichte Israels und den Garten Eden14 sehen: „Eine andere Auslegung. ‚Bis an das westliche Meer‘ – Lies nicht: ‚Bis an das westliche Meer‘ (‫)ים‬, sondern: ‚Bis zum letzten Tag‘ (‫)יום‬. (Das) lehrt, dass er ihm die ganze Welt zeigte, vom Tage an, wo sie geschaffen wurde, bis (zum jüngsten Tage, da) die Toten auferstehen. […] ‚Der Palmenstadt‘ – das lehrt, dass er ihm den Garten Eden zeigte und die Gerechten, die sich in ihm ergehen.“

In Pirke de-Rabbi Eliezer 30 begegnet sogar eine Art Geschichtsapokalypse, innerhalb derer die Wehen der Endzeit15 geschildert werden: „R. Jischma‘el sagte: Fünfzehn Dinge werden die Kinder Ismaels im Land (Israel) tun am Ende der Tage, und diese sind: Sie werden das Land mit Seilen ausmessen, sie werden einen Friedhof in eine Ruhestätte für Kleinvieh (und) in einen Dunghügel verwandeln, sie werden mit ihnen und von ihnen ausmessen bis zu den Gipfeln der Berge, die Lüge wird sich vermehren und die Wahrheit wird verborgen sein, die Gesetze werden Israel entrissen, Sünden werden Überhand nehmen in Israel, sie werden Scharlach des Wurms in die Wolle mischen, und man wird Feder und Blatt mit Fliegen bedecken, man wird den Fels des Königtums niederbrechen, und sie werden die verwüsteten Städte wieder aufbauen und die Wege bereiten, und sie werden Haine und Gärten pflanzen über den eingestürzten Mauern des Tempels, und sie werden über dem heiligen Ort ein Bauwerk errichten, und zwei Brüder werden dort aufstehen, Prinzen am Ende der Tage, und zu ihrer Zeit wird der Zweig, der Sohn Davids, sich zeigen. Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das ewig nicht zerstört werden wird.“

Gerade in den jüngeren Schichten der rabbinischen Traditionsliteratur zeigen sich verstärkt gesamtgeschichtliche Deutungen und Applikationen der älteren apokalyptischen Tradition anlässlich aktueller Problemhorizonte bzw. Krisen-

14 Vgl. PesR 20,11 (Mose schaut das himmlische Heiligtum) und hierzu G. STEMBERGER, Das Fortleben der Apokalyptik in der rabbinischen Literatur, in: Ders., Judaica Minora II, TSAJ 138, Tübingen 2010, 290–298 (295). 15 Vgl. auch PesR 36,3–7.

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zeiten. So weist der wohl sekundäre16 Abschluss des Mischnatraktats Soṭa (IX 15) im Codex Kaufmann eine starke apokalyptische Prägung auf: „Vor der Ankunft des Messias wird die Frechheit überhandnehmen und die Teuerung groß sein. Der Weinstock wird seine Frucht tragen und der Wein dennoch teuer sein. Die Regierung wird der Ketzerei verfallen und es gibt keine Zurechtweisung. Das Lehrhaus wird der Unzucht dienen.“

Insbesondere in der Midraschliteratur begegnet wiederholt apokalyptisches Traditionsgut. Dessen intendierte „Domestikation“ bezeugt indes ein zusammenhängender Text aus dem babylonischen Talmud (b BB 73a – 75b).17 In dieser phantastischen Reiseerzählung wird das visionäre Erlebnis des apokalyptischen Sehers der rabbinischen Auslegung der heiligen Schrift als Quelle transzendenten Wissens untergeordnet. Von besonderem Interesse sind die Bezugnahmen auf solche Bibeltexte, denen offenbar das Potenzial zuerkannt wurde, unkundige oder unreife Leser zu verwirren oder gar ins Verderben zu stürzen: Ein qua Stichwortassoziation (es geht durchweg um Fragen der illegitimen Sexualität) an die vorangehende Mischna (I 8) anknüpfendes rabbinisches Diktum in M Ḥag II 1 (vgl. T Ḥag [Re’ijja] II 1)18 mahnt zur strengen Arkandisziplin: „Man halte keinen Vortrag über ‚Blutschande‘ vor dreien, über das ‚Schöpfungswerk‘ (‫ )מעשה בראשׁית‬nicht vor zweien, über den ‚Thronwagen‘ (‫ )מרכבה‬auch nicht vor einem, es sei denn, dass es ein Weiser ist, der aus eigenem Nachdenken einen Einblick gewonnen hat. Wer vier Dinge nachgrübelt, für den wäre es erwünschter, er wäre gar nicht zur Welt gekommen: Was ist oben? Was ist unten? Was war vorher? Was wird nachher sein? Und wem die Ehre (‫ )כבוד‬seines Herrn nicht am Herzen liegt, dem wäre wohler, wenn er gar nicht zur Welt gekommen wäre.“

Neben den Bestimmungen hinsichtlich „verstörender“ sexueller Verfehlungen (Lev 18,20) gelten hier besonders die Darstellungen der Weltschöpfung (Gen 1) und Ezechiels Vision vom göttlichen Thronwagen (Ez 1; vgl. Ez 10) als den Weisen vorbehaltene Studienobjekte, deren Lektüre und Auslegung nicht in der Öffentlichkeit erfolgen darf, sondern allein einer gelehrten Elite vorbehalten bleibt.19 Indes ist bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass hier keinesfalls von Ekstase und visionärer Erfahrung die Rede ist, sondern von Lek16

Vgl. b Sanh 97a sowie STEMBERGER, Fortleben (s. Anm. 14), 293. Vgl. G. STEMBERGER, Münchhausen und die Apokalyptik – Bavli Bava Batra 73a–75b als literarische Einheit, in: Ders., Judaica Minora II, TSAJ 138, Tübingen 2010, 299–316. 18 Vgl. WEWERS, Geheimnis (s. Anm. 8), 4–13; C.R.A. MORRAY-JONES, Divine Names, Celestial Sanctuaries, and Visionary Ascents: Approaching the New Testament from the Perspective of Merkava Traditions, in: C. Rowland/Ders. (Hg.), The Mystery of God. Early Jewish Mysticism and the New Testament, CRI III/12, Leiden u.a. 2009, 219–498 (221–227 sowie 341–358); ELIOR, Temples (s. Anm. 9), 161f. 19 Vgl. A. GOLDBERG, Der Vortrag des Ma‘ase Merkawa, in: Ders., Mystik und Theologie des rabbinischen Judentums. Gesammelte Studien I, TSAJ 61, Tübingen 1997, 1–15 (2– 5); P. SCHÄFER, Der Ursprung der jüdischen Mystik, Berlin 2011, 255.291f. 17

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türe und (fehlgeleiteter) Exegese. Vielmehr ist die Auslegung dieser Texte deshalb so gefährlich (vgl. j Ḥag 77a, 45-47), weil die unerwünschte Neugierde des Auslegers Gottes „Ehre“ (‫ )כבוד‬zu beschädigen droht.20 Die Bedeutung außergewöhnlicher Toragelehrsamkeit und (in der Diktion universitärer Ausschreibungstexte formuliert) „ausgewiesener Exzellenz in Forschung und Lehre“ als „Schlüsselkompetenzen“ für das Studium von Ex 1 kommt in b Ḥag 13a21 zum Ausdruck: „R. Joḥanan (b. Nappaḥa) sagte zu R. Ele‘azar (b. Pedat): ‚Komm, ich will dich das Thronwagenwerk lehren (‫)אגמרך במעשה המרכבה‬.‘ Dieser erwiderte: ‚Ich bin noch nicht alt genug.‘ Als er alt genug dazu war, starb R. Joḥanan. Darauf sagte R. ’Asi zu ihm: ‚Komm, ich will dich das Thronwagenwerk lehren.‘ Dieser erwiderte: ‚Wäre mir dies beschieden, so würde ich sie von deinem Lehrer R. Joḥanan gelernt haben.‘“

Dass Ez 1 im öffentlichen synagogalen Gottesdienst nicht als Haftara verwendet werden darf,22 wird in M Meg IV 10 explizit angemerkt: „Man lese den Thronwagen nicht als Haftara.“ Wenn hier und in M Ḥag II 1 die Vermutung zutrifft, dass solche Verbote auch einen Anlass haben müssen, dann lässt sich durchaus schlussfolgern, dass in beiden Fällen eine von den Tannaiten vehement abgelehnte spekulative bzw. „mystische“ Tendenz23 in manchen Synagogengemeinden im Hintergrund stand: „If there was food for the imagination in the merkabah, this food might be poisoned. It must be kept under lock and key.“24 Darauf, dass sich diese Ablehnung freilich nicht durchzusetzen vermochte, scheint die Gemara z.St. (b Meg 31a) hinzuweisen, die als abweichende Meinung festhält: „Am Wochenfest (lese man den Abschnitt): ‚Sieben Wochen‘25 und als Haftara (ein Kapitel) aus Habakuk. Manche sagen, man lese (den Abschnitt): ‚Im dritten Monat‘26 und als Haftara (das Kapitel) vom Thronwagen (‫)ומפטירין במרכבה‬27.“

Offensichtlich bot sich Ez 1 in amoräischer Zeit gerade im Zusammenhang mit dem Gedenken an die heilstiftende Gabe der Tora am Sinai als besonders leistungsfähiger Prophetentext an, um die alles überragende Herrlichkeit und

20

Vgl. SCHÄFER, Ursprung (s. Anm. 19), 292. Vgl. WEWERS, Geheimnis (s. Anm. 8), 122f. 22 Vgl. ELIOR, Temples (s. Anm. 9), 226f. 23 Vgl. D. HALPERIN, The Faces of the Chariot. Early Jewish Responses to Ezekiel’s Vision, TSAJ 16, Tübingen 1988, 25, und hierzu M. MACH, Das Rätsel der Hekhalot im Rahmen der jüdischen Geistesgeschichte, JSJ 21 (1990), 236–252. 24 So HALPERIN, Faces (s. Anm. 23), 37. 25 Dtn 16,9ff. 26 Ex 19,1ff. 27 Ez 1. 21

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Macht Gottes zu akzentuieren.28 Zu den bekanntesten tannaitischen Texten, in denen vor dem Studium bestimmter Abschnitte der jüdischen heiligen Schriften gewarnt wird, gehört T Ḥag II 3f. (vgl. j Ḥag 77b, 8-12.17f.22f.)29, wo offenbar auf das Studium des Schöpfungswerks (Gen 1) Bezug genommen wird: „Vier betraten den Garten: Ben ‘Azzai, Ben Zoma, Aḥer30 und R. ‘Aḳiba. Ben ‘Azzai schaute und starb. […] Ben Zoma schaute und wurde wahnsinnig. […] Aḥer schaute und schnitt die Pflanzen ab. R. ‘Aḳiba ging in Frieden hinein und kam in Frieden wieder heraus ( ‫רבי עקיבה‬ ‫)עלה בשׁלום וירד בשׁלום‬.“

Auch hier ist es allein der älteste und gelehrteste der vier Rabbinen, der den Besuch des „Gartens“ bzw. das Studium des „Schöpfungswerks“ unbeschadet überlebt. Die explizite Bezugnahme auf diese Tradition bei dem Kirchenschriftsteller Origenes31 zeigt an, dass die Rabbinen das Studium von „gefährlichen“ Bibeltexten, die esoterische Spekulationen provozieren konnten, offenbar als eine exklusive Domäne besonders erfahrener Gelehrter betrachteten und dies auch von außen so wahrgenommen wurde. Indes kann noch nicht davon die Rede sein, dass die vier Weisen in dem Text irgendeinen mystischen Aufstieg unternahmen.32 Hiermit korrespondiert auch die Beobachtung, dass die babylonische Gemara zu M Ḥag II 1 (b Ḥag 14b-15b) generell nicht an visionären Erfahrungen interessiert ist, sondern an exegetischen Differenzierungen.33 Als ein erstes Zwischenfazit lässt sich festhalten: An die Stelle der apokalyptischen Prophetie, der Wortoffenbarung und der Pseudepigraphie war im rabbinischen Judentum nach der Zerstörung des zweiten Tempels sukzessive die autoritative Erhebung des Sinnüberschusses der Tora durch die Gelehrten selbst getreten.34 Die Heiligung des Menschen und seine Annäherung an Gott geschahen nun nicht mehr mittels einer ekstatischen Himmelsreise, sondern 28

Vgl. HALPERIN, Faces (s. Anm. 23), 19; R. ELIOR, The Merkavah Tradition and the Emergence of Jewish Mysticism, in: A. Oppenheimer (Hg.), Sino-Judaica: Jews and Chinese in Historical Dialogue, Tel Aviv 1999, 101–158. 29 Vgl. A. NEHER, Le voyage mystique des quatres, RHR 140 (1951), 59–82; WEWERS, Geheimnis (s. Anm. 8), 171–188; A. GOSHEN-GOTTSTEIN, Four Entered Paradise Revisited, HThR 88 (1995), 69–133; A. GOLDBERG, Der verkannte Gott. Prüfung und Scheitern der Adepten in der Merkawamystik, in: Ders., Mystik (s. Anm. 19), 36–40 (36–39); SCHÄFER, Ursprung (s. Anm. 19), 273–277; C.C. ROWLAND, The Open Heaven. A Study of Apocalyptic in Judaism and Early Christianity, Eugene 22002, 306–322. 30 Der Ausdruck ‫„( אחר‬ein anderer“) substituiert den Namen des Elischa‘ b. Abujja, der mit der damnatio memoriae belegt wurde (vgl. j Ḥag 77b, 12–18). 31 Vgl. Origenes, Commentarium in cantica canticorum, prol. 1,7. 32 Vgl. M. HIMMELFARB, Heavenly Ascent and the Relationship of the Apocalypses and the Hekhalot Literature, in: Dies., Between Temple and Torah, TSAJ 151, Tübingen 2013, 257–282 (259). 33 SCHÄFER, Ursprung (s. Anm. 19), 332. Vgl. HALPERIN, Faces (s. Anm. 23), 25. 34 Vgl. R. KIRSCHNER, Apocalyptic and Rabbinic Responses to the Destruction of 70, HThR 78 (1985), 27–46 (44f.).

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mittels der rabbinischen Exegese. Übernommen wurde nicht die literarische Gattung „Apokalyptik“, sondern nur ein Teil der in ihr begegnenden Vorstellungswelt.35 Bei dieser Rezeption wurden die apokalyptischen Motive und Inhalte durchweg politisch neutralisiert und später – vor dem zweifachen offenbarungsgeschichtlichen Hintergrund des nunmehr fixierten Kanons heiliger Schriften für den gottesdienstlichen Gebrauch und der Überzeugung vom Ende der Prophetie seit Maleachi – zudem in ihrer Bedeutung gegenüber dem Torastudium relativiert. Und auch dort, wo die Tannaiten ihre Zukunftserwartungen mittels der apokalyptischen Tradition entfalteten, ging es ihnen wohl eher um die lebenspraktische ethische Relevanz dieser Traditionen in der Gegenwart als um die theoretische und systematisch reflektierte Explikation des erhofften Reiches Gottes in der Zukunft. Die Vorstellung einer totalen Traditionsdiskontinuität zwischen der apokalyptischen Literatur der hellenistisch-römischen Zeit und der rabbinischen Traditionsliteratur lässt sich also nicht halten. Keinesfalls mündete die jüdische Apokalyptik nur in die christliche Eschatologie. Vielmehr hat die – in sich inhomogene – rabbinische Bewegung auch Aspekte der apokalyptischen Vorstellungswelt mehr oder weniger gekannt, übernommen und umgedeutet. Damit ist freilich nur ein Bruchteil der zahlreichen literarisch-geistigen Texte und Traditionen erfasst, aus dem die rabbinischen Gelehrten schöpften, denn die apokalyptische Bewegung gehörte im Judentum zu keiner Zeit zum religiösen Hauptstrom.

3. Heḵalot-Literatur und Apokalyptik In der Mystik kommt das fromme Bewusstsein einer unmittelbaren Gegenwart Gottes zum Ausdruck. Die frühe jüdische Mystik ist Theosophie insofern, als es ihr darum geht, die Geheimnisse der verborgenen Existenz Gottes aufzudecken. Zugleich ist sie Esoterik insofern, als diese Erkenntnisse als Geheimwissen einem exklusiven Kreis vorbehalten sind.36 Als Quellen der jüdischen Mystik können sowohl das apokalyptische Schrifttum als auch die kosmogonischen Überlieferungen und mystischen Traditionen der älteren Rabbinen und zahlreiche (mit gnostisch-dualistischen Lehren verbundene und später zum Teil durch die islamische Mystik des Sufismus vermittelte) Elemente der neuplatonischen Philosophie gelten. Die sogenannte Heḵalot-Literatur37 gilt als die erste vollentwickelte Erscheinungsform der frühen jüdischen Mystik. Zwar stammen sowohl die erhaltenen 35

Vgl. TILLY, Apokalyptik (s. Anm. 3), 85f.; ROWLAND, Heaven (s. Anm. 29), 29–37. Vgl. P. SCHÄFER, Der verborgene und offenbare Gott, Tübingen 1991, 4. 37 Vgl. R. ELIOR, Early Forms of Jewish Mysticism, in: S. Katz (Hg.), The Cambridge History of Judaism 4. The Late Roman-Rabbinic Period, Cambridge 2006, 749–791 (749– 36

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europäischen Manuskripte als auch die Handschriftenfragmente aus der Kairoer Geniza aus mittelalterlicher Zeit und sind nicht wenige Inhalte erkennbar nachtalmudischen Ursprungs, doch lassen sich innerhalb des literarischen Kontexts der mehrheitlich wohl im 6. Jahrhundert n. Chr. in Babylonien ausgehärteten38 Heḵalot-Texte auch zahlreiche ältere Traditionen erkennen, die an Motive aus kulttheologischer Tradition, insbesondere an das Motiv des göttlichen Thronwagens (Merkavah) in Ez 1, anknüpfen.39 Die gehäufte Nennung palästinischer Gelehrter als Tradenten bzw. Protagonisten (z.B. R. Joḥanan, R. Jischma‘el, R. ‘Aḳiva) deutet auf den palästinischen Ursprung zumindest eines Teils der ihnen zugeschriebenen Überlieferungen hin. Hauptinhalt der Heḵalot-Literatur40 ist die wundersame Reise des Mystikers (Jored Merkavah)41 durch die sieben Himmel und die sieben himmlischen Paläste, um die Engel zu beschwören, Gott auf seinem Thronwagen zu schauen, an der himmlischen Liturgie vor dem Gottesthron teilzunehmen und im höchsten Himmel auch einen Einblick in das zukünftige Geschick des Volkes Israel zu bekommen. Als Beispiel für diese Vorstellung kann eine hymnische Passage in Heḵalot zuṭarti (Schäfer § 421) gelten: „Der große, mächtige und furchtbare, großartige und starke Gott, der verhüllt ist vor den Augen aller Geschöpfe und verborgen vor den Dienstengeln, aber offenbar Rabbi ‘Aḳiva durch das Werk der Merkavah, um seinen Wunsch zu erfüllen.“

Die formal und inhaltlich höchst heterogenen42 und zum Teil nur fragmentarisch erhaltenen Heḵalot-Texte sind zumeist sehr kurz und weisen in den Handschriften derart viele – und zuweilen gravierende – Abweichungen und Überschneidungen auf, dass es kaum möglich erscheint, redaktionell fixierte „Werke“ zu identifizieren. Peter Schäfer schlägt deshalb vor, nicht von eigent783); DIES., Temples (s. Anm. 9), 232–265; MORRAY-JONES, Names (s. Anm. 18), 228–232. Vgl. auch die Übersichtsdarstellungen bei G. STEMBERGER, Esoterik II. Judentum, TRE 10 (1982), 368–374 (371f.); M.D. SWARTZ, Mystical Texts, in: S. Safrai/Z. Safrai/J. Schwartz/P.J. Tomson (Hg.), The Literature of the Sages, Bd. 2, CRI II/3b, 393–420 (401– 415); E. BEN-ELIYAHU/Y. COHN/F. MILLAR (Hg.), Handbook of Jewish Literature from Late Antiquity, 135–700 CE, Oxford 2012, 96–106. 38 Vgl. SCHÄFER, Ursprung (s. Anm. 19), 338. 39 Vgl. P. ALEXANDER, The Mystical Texts (Companion to the Qumran Scrolls), London u.a. 2006, 123. 40 Die nachfolgenden Übersetzungen der Heḵalot-Texte entstammen P. SCHÄFER (Hg.), Übersetzung der Hekhalot-Literatur, Bd. 1 (§§ 1–80), TSAJ 46, Tübingen 1995; Bd. 2 (§§ 81–334), TSAJ 17, Tübingen 1987; Bd. 3 (§§ 335–597), TSAJ 22, Tübingen 1989; Bd. 4 (§§ 598–985), TSAJ 29, Tübingen 1991. Vgl. J.R. DAVILA, Hekhalot Literature in Translation. Major Texts of Merkavah Mysticism, JJTP.S 20, Leiden u.a. 2013. 41 Zum Terminus vgl. A. KUYT, The „Descent“ to the Chariot, TSAJ 45, Tübingen 1995, 369. 42 Vgl. R.S. BOUSTAN/P.G. MCCULLOUGH, Apocalyptic Literature and the Study of Early Jewish Mysticism, in: Oxford Handbook of Apocalyptic Literature, Oxford u.a. 2014, 85– 103 (85).

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lichen „Werken“, sondern von „Makroformen“43 als übergeordneten literarischen Einheiten zu sprechen, welche einerseits stark fluktuieren und andererseits nur eine schwache redaktionelle Identität aufweisen.44 Zu diesen Makroformen gehören Heḵalot rabbati („Größere Paläste“), Heḵalot zuṭarti („Kleinere Paläste“), Ma‘ase Merkavah („Werk des Thronwagens“), Merkavah rabba („Großer Thronwagen“), Schi’ur Ḳoma („Maß der Größe [der Körperteile Gottes]“)45 sowie 3. (= hebr.) Henoch bzw. Sefer Heḵalot („Buch der Paläste“). Innerhalb des Sammelwerkes Heḵalot rabbati als literarisch abgrenzbare Mikroformen isolieren lassen sich z.B. die Gedulla-Hymnen, welche die besondere Größe bzw. Überlegenheit des erwählten Merkavah-Mystikers preisen und entgegen der traditionellen Apokalyptik eine gleichsam „präsentische“ Eschatologie bezeugen (§§ 81–93), die litaneiartigen Qeduscha-Hymnen, die das himmlische Thronritual beschreiben und allesamt vom Trishagion (Jes 6,3) beschlossen werden (§§ 94–106), eine David-Apokalypse, in welcher König David als endzeitliche Messiasgestalt gepriesen wird (§§ 122–126)46 sowie eine Reihe von weiteren Aufstiegsschilderungen („Ḥavurah-Berichte“; §§ 198–267). Gleich zu Beginn der Qeduscha-Hymnen (Schäfer § 94 [O1531]) wird Gott als ein auf seinem Thronwagen inmitten des himmlischen Hofstaates sitzender König vorgestellt, der durch die ihn umringenden vier ‫„( חיות הקדשׁ‬heiligen Lebewesen“ bzw. Menschengestaltiger, Stier, Löwe und Adler; vgl. Ez 1,5ff.) gepriesen wird: „[Es] singen die Fürsten, die an jedem Tag dem Herrn, dem Gott Israels, und dem Thron seiner Herrlichkeit dienen. Sie tragen das Rad des Throns der Herrlichkeit. Juble, juble, höchster Sitz, jauchze, jauchze, kostbares Gerät, das überaus wunderbar gemacht wurde.“

Aufgabe nicht nur der ‫חיות הקדשׁ‬, sondern aller Lebewesen im Himmel und auf Erden ist es, Gott als König zu preisen (Schäfer § 274 [O1531]): „[Es] ist Pflicht aller Geschöpfe, dich gewaltig sein zu lassen, dich zu schmücken, dich zu preisen, dich zu loben, dich zu erhöhen, dich groß zu machen, dich zu heiligen, dich zu erheben, dich zu verherrlichen, dich erhaben zu machen, dich zu rühmen.“

43 SCHÄFER, Ursprung (s. Anm. 19), 336. Gegen Schäfers dekonstruktivistischen Ansatz argumentiert J. DAN, The Ancient Jewish Mysticism, Tel Aviv 1993, 16–24. Vgl. auch Y.D. ARBEL, Beholders of Divine Secrets. Mysticism and Myth in the Hekhalot and Merkavah Literature, New York 2003. 44 SCHÄFER, Gott (s. Anm. 36), 6; vgl. ALEXANDER, Texts (s. Anm. 39), 123. 45 Zur traditionsgeschichtlichen Basis des Vorstellungskomplexes vgl. das Beschreibungslied in Hld 5,10ff. 46 Vgl. hierzu A.M. SCHWEMER, Irdischer und himmlischer König. Beobachtungen zur sogenannten David-Apokalypse in Hekhalot Rabbati §§ 122–126, in: M. Hengel/Dies. (Hg.), Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt, WUNT 55, Tübingen 1991, 309–359.

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In den Gedulla-Hymnen wird auch der Merkavah-Mystiker als Repräsentant und Abgesandter Israels gepriesen, durch dessen Beteiligung an der gemeinsamen himmlischen Liturgie47 sich die Gemeinschaft zwischen Gott und Volk konstituiert bzw. immer wieder von neuem realisiert (Schäfer § 163 [O1531]): „Gesegnet dem Himmel und der Erde sind die, die zur Merkavah hinabsteigen, wenn ihr meinen Söhnen sagt und verkündet, was ich tue während des Morgengebets, während des Minḥa und des Abendgebets, an jedem Tag und zu jeder Stunde, da Israel vor mir ‚Heilig‘ spricht.“

Peter Schäfer spricht hier von einer mystischen „unio liturgica“.48 In einer weiteren Gedulla-Hymne (Schäfer § 86 [O1531]) begegnet der Merkavah-Mystiker geradezu als messianischer Erwählter,49 der zwischen Gut und Böse und zwischen Rein und Unrein50 zu unterscheiden vermag: „Die alles übertreffende Größe besteht darin, dass alle Geschöpfe vor ihm sein werden wie Silber vor dem Goldschmied, der erkennt, welches Silber geläutert, welches Silber untauglich und welches Silber rein ist. So wird er auch in einer Familie erspähen, wie viele Mamzerim in der Familie sind, wie viele während der Menstruation gezeugte Söhne, wie viele mit zerquetschten Hoden, wie viele mit verstümmeltem Glied, wie viele Sklaven und wie viele Söhne von Unbeschnittenen.“

Die Annäherung des Mystikers an den göttlichen Thronwagen und die ihn tragenden Tiere gilt als überaus gefährliches Unterfangen, da die Himmelswesen ihn nicht unterschiedslos unterstützen oder gar leiten, wie es die Deuteengel der traditionellen Apokalypsen51 üblicherweise tun, sondern den Jored Merkavah prüfen, den unwürdigen Jored bedrohen (vgl. b Ḥag 15a) und allein dem würdigen Jored Zugang gewähren.52 Dabei wird die Himmelsreise selbst fast nie ausführlich geschildert (Schäfer § 258 [O1531]): „Ich sah einen wie Ḥaschmal.53 Er verbindet sich und erhebt sich und wählt aus unter den yorde merkavah, sei es, dass (einer) würdig ist, zur Merkavah hinabzusteigen, sei es, dass (einer) nicht würdig ist, zur Merkavah hinabzusteigen. […] Wenn er nicht würdig ist, zur Merkavah hinabzusteigen (und) wenn sie zu ihm sagen: ‚Geh nicht hinein!‘, und er (dennoch) hineingeht, (dann) werfen sie sogleich Eisenstücke auf ihn.“

Als hilfreich beim Eintritt des Mystikers in den Thronsaal Gottes erweisen sich sichtbare magische Hilfsmittel wie das „Große Siegel“ und die „Furchtbare 47

P. SCHÄFER, Engel und Menschen in der Hekhalot-Literatur, in: Ders., Hekhalot-Studien, TSAJ 19, Tübingen 1988, 250–276 (266f.). 48 SCHÄFER, Ursprung (s. Anm. 19), 461. Vgl. MORRAY-JONES, Names (s. Anm. 18), 503–505. 49 Vgl. R.S. BOUSTAN, From Martyr to Mystic, TSAJ 102, Tübingen 2005, 239f. 50 Vgl. SCHÄFER, Gott (s. Anm. 36), 43. 51 Vgl. M. MACH, Entwicklungsstadien des jüdischen Engelglaubens in vorrabbinischer Zeit, TSAJ 34, Tübingen 1992, 142–144. 52 Vgl. SCHÄFER, Engel (s. Anm. 47), 252f.; KUYT, „Descent“ (s. Anm. 41), 243f. 53 Zur thronenden menschlichen Gestalt des Ḥaschmal vgl. Ez 1,27.

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Krone“ (Schäfer § 236 [O1531]). Das Hauptkriterium der Autorisierung des würdigen gegenüber dem unwürdigen Jored Merkavah ist jedoch nichts anderes als seine umfassende Torakenntnis (Schäfer § 234 [O1531]):54 „Wer zur Merkavah hinabsteigt, steigt nur hinab, wenn in ihm diese beiden Eigenschaften sind: Wer Tora, Propheten und Schriften gelesen hat, Mischnajot, Midrasch, Halaḵot und Aggadot, Verbot und Erlaubnis lernt und wer jedes Verbot, das in der Tora geschrieben ist, einhielt und alle Warnungen und Gesetze, Rechtssatzungen und Weisungen beachtete, die Mose vom Sinai her gesagt wurden.“

Eine als Zahlenspruch aufgebaute Qeduscha-Hymne (Schäfer § 104 [O1531])55 stellt diese Differenzierung zwischen würdigen und unwürdigen Joredim deutlich erkennbar in Analogie zu T Ḥag II 3f. dar: „Die Stimme des Ersten: Wer die(se) Stimme hört, wird sogleich wahnsinnig und stürzt nieder. Die Stimme des Zweiten: Jeder, der sie vernimmt, verirrt sich sogleich und kehrt nicht wieder. Die Stimme des Dritten: Wer die(se) Stimme hört, den befallen Krämpfe und er stirbt sogleich. Die Stimme des Vierten: Jedem, der sie vernimmt, zerbersten sogleich der Schädel seines Hauptes und sein Körper […]. Die Stimme des Fünften: Jeder, der sie hört, wird sogleich hingegossen wie eine Trinkschale, und löst sich ganz auf im Blut. Die Stimme des Sechsten: Jeder, der sie vernimmt, dessen Herz befallen sogleich Stiche, und sein Herz schüttelt seine Eingeweide und wühlt (sie) um […], so wie es heißt: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen usw. R. Jischma‘el sagte: Alle diese Loblieder hörte R. ‘Aḳiba, als er zur Merkavah hinabstieg, und er nahm sie auf und lernte sie von vor dem Thron seiner Herrlichkeit, (die Lieder), die seine Diener ihm sangen.“

David Halperin merkt hierzu an: „Here, expounding the merkabah stopped being a matter of Bible study alone. It took on overtones of ecstatic experience of journeys by realms filled with strange and dangerous sights.“56 Bemerkenswert ist auch, dass nicht ein visionärer Offenbarungsempfang des Mystikers, sondern seine aktive Beteiligung an der himmlischen Liturgie den Höhepunkt des Abschnitts darstellt. Einen Hinweis auf den Nutzen einer solchen mystischen Himmelsreise gibt ein Ausspruch R. Jischma‘els in Heḵalot rabbati (Schäfer § 308 [V228]), in dem der Gelehrte sein mühevolles und langwieriges Torastudium beklagt: „R. Jischma‘el sagte: Drei Jahre lang sah mich R. Neḥunja b. Ha-ḳana in großer Bedrängnis und in großer Pein. Eine Schrift(stelle), die ich heute las und lernte, vergaß ich am nächsten 54

Vgl. C.R.A. MORRAY-JONES, A Transparent Illusion. The Dangerous Vision of Water in Hekhalot Mysticism, JSJ.S 59 (2002), 204: „In the rabbinic ‫ מעשה מרכבה‬tradition, the required qualification is not priestly descent, but the status of a ‫חכם‬, i.e., a Talmudic ‚sage‘ or rabbi”, sowie SCHÄFER, Engel (s. Anm. 47), 257; KUYT, „Descent“ (s. Anm. 41), 98–100; B. REBIGER, Das Leitermotiv in der Hekhalot-Literatur, in: K. Herrmann u.a. (Hg.), Jewish Studies between the Disciplines, Leiden u.a. 2003, 226–242 (231f.); BOUSTAN, Martyr (s. Anm. 49), 277. 55 Vgl. M. MEERSON, Rites of Passage in Magic and Mysticism, in: R. Boustan/M. Himmelfarb/P. Schäfer (Hg.), Hekhalot in Context, TSAJ 153, Tübingen 2013, 323–347 (345). 56 HALPERIN, Faces (s. Anm. 23), 37. Vgl. SCHÄFER, Gott (s. Anm. 36), 25.

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Tag. Da ich sah, dass mein Studium keinen Bestand in meiner Hand hatte, erhob ich mich, nahm mich zusammen (und hielt mich zurück) von Essen und Trinken, Waschen und Ölen und (enthielt mich) des Beischlafs, und keinerlei Gesang oder Lied kam aus meinem Mund.“

Im Anschluss an seine Himmelsreise vermag R. Jischma‘el das, was er zuvor mühevoll und nur mit mäßigem Erfolg erlernen musste, plötzlich in einem einzigen Akt der Erkenntnis57 zu erfassen und unauslöschlich im Gedächtnis zu behalten (Schäfer § 309 [V228]): „[…] Als ich das große Geheimnis hörte, erleuchteten sie meine Augen, und alles, was ich hörte, (sei es) Schrift, Mischna, oder irgendetwas (anderes), vergaß ich nicht mehr.“

Es ist festzuhalten, dass die erfolgreiche Himmelsreise des Jored einerseits seine umfassende Torakenntnis voraussetzt und andererseits sein Torastudium erleichtert.58 Hieraus lässt sich schließen, dass es den Trägerkreisen der Heḵalot-Literatur nicht um eine „antirabbinische“ mystische Neuformulierung traditioneller apokalyptischer Modelle ging, sondern um eine Indienstnahme apokalyptischer Motive für die Autorisierung der von ihnen propagierten innerweltlichen bzw. innergeschichtlichen Heiligung (bzw. Fundierung gelingenden Lebens) aller Frommen durch autorisierte Auslegung und Anwendung der am Sinai geoffenbarten schriftlichen und mündlichen Tora.59 Fragen wir nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den antiken jüdischen Apokalypsen und der mittelalterlichen Heḵalot-Literatur, dann ergibt sich der folgende Befund: Einerseits verbindet beide Textcorpora ein gemeinsames Interesse am Wohlergehen sowohl des frommen Gelehrten als auch der gesamten jüdischen Gemeinde. Ebenso liegt beiden religiösen Denksystemen die Vorstellung zu Grunde, dass Gott außerhalb dieser Welt und außerhalb der Geschichte stets anwesend ist und bleibt und dass er sich um sein Volk kümmert. Ebenso wie bereits die jüdische Apokalyptik zur Zeit des zweiten Tempels beharrt auch die frühe jüdische Mystik selbst im Angesicht von aktueller Not und Bedrückung auf Gottes ungebrochener Liebe zu seinem Volk. Gerade den Makroformen der Heḵalot-Literatur ist insgesamt anzumerken, dass im Verlauf ihrer uneinheitlichen Überlieferung immer wieder auch traditionelle apokalyptische Stoffe in sie eingefügt wurden.60 Eine Reihe gravierender Differenzen zwischen Apokalyptik und Mystik deutet hingegen darauf hin, dass die beiden Systeme wohl nicht in einer genetischen und kontinuierlichen traditionsgeschichtlichen Beziehung stehen.61 57

Vgl. SCHÄFER, Gott (s. Anm. 36), 51. Vgl. CHERNUS, Mysticism (s. Anm. 13), 93f.; STEMBERGER, Esoterik II (s. Anm. 37), 371; LESSES, Practices (s. Anm. 7), 370. 59 Vgl. GRUENWALD, Apocalypticism (s. Anm. 9), 28. 60 Vgl. C.C. ROWLAND, The Visions of God in Apocalyptic Literature, JSJ 10 (1979), 138–154; HIMMELFARB, Ascent (s. Anm. 32), 280. 61 Vgl. I. GRUENWALD, From Apocalypticism to Gnosticism, BEAT 14, Frankfurt a. M. u.a. 1988, 53f. 58

Apokalyptik und Mystik im rabbinischen Judentum

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Während als apokalyptische Visionäre die Helden der Vorzeit oder Propheten begegnen, treten als Protagonisten der jüngeren mystischen Himmelsreisen durchweg anerkannte und berühmte rabbinische Autoritäten in Erscheinung. Martha Himmelfarb merkt hierzu an: „The choice of great rabbis for the heroes of the hekhalot texts […] has the effect of diminishing the distance between the protagonist of the text and the reader who wishes to emulate him.“62 In der apokalyptischen Literatur ist oft davon die Rede, dass der Seher von Gott in den Himmel gerufen, eingeladen, gebracht oder passiv entrückt und auf seiner gefährlichen Reise von einem Engel begleitet wird. Die Himmelsreisen in der Heḵalot-Literatur werden hingegen von den Mystikern auf eigene Initiative hin unternommen. Die Rolle der Engel in den Heḵalot-Texten ist nicht die eines freundlichen Begleiters, Helfers oder Interpreten, sondern zumeist die eines feindseligen Wächters, der nur den würdigen Jored passieren lässt und den unwürdigen Jored bestraft, vertreibt oder vernichtet. Der Schilderung der Himmelsreise selbst wird in der Heḵalot-Literatur zumeist ein weitaus geringerer Stellenwert zuerkannt als in der Apokalyptik. Der eigentliche Aufstieg zu Gott wird gemeinhin vorausgesetzt, aber nicht explizit beschrieben. Letzterer Beobachtung entspricht das Faktum, dass die Heḵalot-Texte zumeist nur in kurzen und ungerahmten Einheiten überliefert sind.63 Der Apokalyptiker hofft auf ein letztendlich heilvolles Ende der Geschichte und auf die Restitution des Kultes im neuen Tempel im Reich Gottes. Für den Mystiker indes ist diese Restitutionshoffnung eigentlich überflüssig, denn sowohl das Heil als auch der Kult sind für ihn im himmlischen Tempel bereits gegenwärtig und wirkmächtig. Die dem apokalyptischen Seher geoffenbarten und in der apokalyptischen Literatur kommunizierten Inhalte sind Objekte der Erkenntnis über die Zustände und Vorgänge in der transzendenten Welt und in der Zukunft. Diese reflektierten und narrativ vermittelten Zustände und Vorgänge haben häufig eine kontrapräsentische Dimension und einen sozial- bzw. herrschaftskritischen Impuls. Die instruktiv vermittelten Erfahrungen der jüdischen Mystiker betonen dagegen nicht die soteriologische, sondern die kultische Dimension der Gottesbegegnung,64 bestehen in ihrer unmittelbaren Einbeziehung in diese Zustände und Vorgänge65 und bewirken ihre existenziale Verwandlung.66 In ihrer eigenen Teilnahme an der liturgischen Gemeinschaft mit den Engeln verwirklichen sich für die Mystiker und ihre gedachten Adressaten als behauptete Elite des religiösen Establishments zugleich die umfassende Realität und die Gegenwärtigkeit des Heils und der Erlösung.67 62

HIMMELFARB, Ascent (s. Anm. 32), 281. Vgl. ebd., 280. 64 Vgl. SALDARINI, Apocalypses (s. Anm. 4), 189f. 65 Vgl. STEMBERGER, Esoterik II (s. Anm. 37), 372; SCHÄFER, Gott (s. Anm. 36), 160; ELIOR, Forms (s. Anm. 37), 764. 66 Vgl. CHERNUS, Mysticism (s. Anm. 13), 107; HIMMELFARB, Ascent (s. Anm. 32), 282. 67 Vgl. MACH, Apocalypticism (s. Anm. 12), 258. 63

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4. Zusammenfassung und Ergebnisse Es dürfte hinreichend deutlich geworden sein, dass die Dichotomie „Vernunft vs. Erfahrung“ das komplexe Verhältnis zwischen Toraobservanz und mystischer Frömmigkeit im spätantiken und frühmittelalterlichen Judentum nicht zu erfassen vermag.68 Bereits bald nach dem Ende des Zweiten Tempels scheinen Torastudium und Liturgie in unterschiedlichen Kontexten als funktionale Äquivalente an die Stelle des Tempelopfers getreten zu sein. Gleichzeitig mit dem Verschwinden der jüdischen Aufstiegsapokalypsen änderte sich nun auch die Wahrnehmung der Prophetie als legitime und autoritative Offenbarungsform. Die methodische Auslegung, Aktualisierung und Applikation der Tora scheint also zu dieser Zeit – zumindest aus der Perspektive der sich zunehmend konsolidierenden Netzwerke rabbinischer Gelehrter – sämtliche andere Offenbarungsformen verdrängt zu haben.69 Peter Schäfer beschreibt die diesbezüglichen Beweggründe der Weisen wie folgt: „Die dem Menschen adäquate Haltung gegenüber Gott kann […] neben dem Gebet nur das Studium der Tora sein.“70 Auch diejenigen Stellen in den tannaitischen Texten, an denen die Rabbinen ältere apokalyptische Stoffe punktuell aufgreifen,71 bezeugen deren literarische Integration entweder in liturgische oder in schriftgelehrte Zusammenhänge. Beides entspricht der Beobachtung, dass das eigentliche Augenmerk der rabbinischen Bewegung wohl weniger einer erhofften zukünftigen Erlösung als einem gelingenden Leben in der Gegenwart galt. Die seit amoräischer Zeit und vor allem in der visionären Heḵalot-Literatur erkennbare erneute Inanspruchnahme formaler und inhaltlicher Elemente der apokalyptischen Tradition72 entspricht keinesfalls einer konturierbaren heterodoxen bzw. „antinomistischen“73 Gegenbewegung zur mittlerweile konventionalisierten rabbinischen Frömmigkeit. Vielmehr korrespondieren Offenbarungs- und Geltungsanspruch der mystischen Texte mit der Ideologie und mit der exklusiven Selbstwahrnehmung einer offenkundig elitären Gruppierung innerhalb (bzw. am Rand) der rabbinischen Bewegung.74 Die individuelle und „sinnliche“ mystische Erfahrung war also nicht zum Antonym des „vernünf68

Vgl. WOLFSON, Speculum (s. Anm. 10), 119–124. Vgl. SCHÄFER, Ursprung (s. Anm. 19), 295. 70 SCHÄFER, Gott (s. Anm. 36), 157. 71 Vgl. MACH, Apocalypticism (s. Anm. 12), 261. 72 Vgl. STEMBERGER, Fortleben (s. Anm. 14), 295; MACH, Apocalypticism (s. Anm. 12), 231. 73 So K. SCHUBERT, Problem und Wesen der jüdischen Gnosis, Kairos 3 (1961), 3–15 (14). 74 Vgl. CHERNUS, Mysticism (s. Anm. 13), 86f.; R.M.M. TUSCHLING, Angels and Orthodoxy, STAC 40, Tübingen 2007, 46f.; M. VIDAS, Hekhalot Literature, the Babylonian Academies, and the tanna’im, in: Boustan/Himmelfarb/Schäfer (Hg.), Hekhalot (s. Anm. 55), 141–176. 69

Apokalyptik und Mystik im rabbinischen Judentum

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tigen“ Torastudiums und der rabbinischen Tradition geworden. Vielmehr galt sie ihrem Trägerkreis in ambivalenter Weise sowohl als dessen Folge, indem sie allein dem durch sein besonderes Wissen und Können herausragenden Toragelehrten unmittelbare Einblicke in den himmlischen Thronsaal ermöglichte, als auch als seine eigentliche Voraussetzung, indem solche Einblicke wiederum als notwendige Grundlage und Ausweis wahrer Gelehrsamkeit und Bildung betrachtet wurden.75 Diese Gelehrsamkeit und Bildung sind es, die sowohl den Status als auch die Heiligung des rabbinischen Mystikers zu begründen vermögen: Die apokalyptischen Traditionen in der Heḵalot-Literatur „are authorized not because they came from heaven, but because they successfully lead to heaven.“76

75 76

Vgl. BOUSTAN/MCCULLOUGH, Literature (s. Anm. 42), 87. Ebd., 98.

Frühchristliche Literatur

The Construction of the Author’s Authority in the Book of Revelation as a Whole Adela Yarbro Collins By the “book of Revelation as a whole” I mean the form of the work that has come down to us, insofar as the manuscripts agree, and beyond that agreement I refer to the eclectic, critically reconstructed, earliest recoverable form of the text.1 The question of “the author” may be viewed from two perspectives. One is mainly what some literary critics have called “the implied author,” that is, the author that can be inferred from the text itself. This author, who calls himself John, is simply a mediator of the revelation he has received. The revelation originated with God, who gave it to Jesus Christ, who made it known by sending his angel to John (1:1–2). John does not actually present himself as an author but as a scribe who simply wrote down what was dictated to him and what he saw and heard. From the point of view of the text itself, John is merely the mediator or reporter of divine revelation. The true author of the revelation is God. This perspective may be based on John’s visionary and auditory experience or it may be a literary convention. The other perspective is the modern historical critical one, which involves the actual (human) author as he may be reconstructed by a consideration of how and why he composed his text. This reconstruction also must be inferred from the text itself. In addition, it draws upon the contexts in which the work was composed and received and how those contexts may shed light on the methods and purposes of the actual author. Since I do not believe that the work is pseudonymous, I call the author “John” and mean by that an early Christian writer otherwise unknown. Since the date of writing is likely to be during the last thirty years of the first century or, at the latest, the first thirty years of the second century CE, both the author as he presents himself and the actual author may be approached historically. In other words, they can be placed in one or more cultural contexts and in relation to at least a few historical events. The implied or reconstructed actual audiences can similarly be approached historically.

1 I use Nestle-Aland, 28th revised edition of the Greek New Testament and consult the text-critical decisions of David E. Aune, Revelation, WBC (Dallas, TX: Word Books, 1997– 1998).

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Authority may be, and sometimes is, implemented by force. When such is not the case, authority may be claimed but is effective only when it is conferred. Given this social context of the exercise and acceptance of authority, the question to be addressed in this paper is how John attempts to persuade his audience to grant him authority. What does the authority John hopes to establish entail for his audiences? On the most general level it entails giving him a hearing. Someone must be willing to read the work aloud and others to listen to it and to take it seriously. The next step is for the audiences to allow the work to form or change how they perceive the world in which they live and how they act in it, communally and individually. The work presents a vision, literally and figuratively. It presents virtual revelatory experiences that the audiences are invited to share vicariously. It also conveys a vision, in the sense of a way of looking at social and political reality, that the audiences are encouraged to adopt as their own. What can be inferred from the fact that John wrote a work directed to seven congregations in western Anatolia? I take as a working hypothesis that John would not have risked writing this elaborate work particularly for these seven congregations or communities if he did not already have some degree of authority in relation to them. If he had no authority, the risk was significant that no one would read it aloud and members of the seven communities would not gather to listen to it. It has long been inferred from the text that John was a refugee from the first Jewish war with Rome and that he left Judea at some point after 70 CE and traveled to western Anatolia. It is not certain why he went to Patmos. In any case, it seems likely that he had visited each of the seven congregations before he left the mainland and had acquired a following in each city.

1. Opening Elements 1.1 The Preface (Rev 1:1–3) The preface to the book of Revelation is in the third person. It may be that John composed it, since the Greek style and the substance of the passage are compatible with the rest of the work. Even if someone else wrote it, one can ask how it contributes to the construction of the authority of its ostensible author, John. The sentence now found in verses 1–2 begins by identifying the content of the work as a “revelation” (ἀποκάλυψις). As noted above, John is portrayed as a mediator of the revelation, not its author. Verse 2 affirms that John “testified to” (µαρτυρέω) the word of God and the “testimony” (µαρτυρία) of Jesus, namely, to “as much as” or “whatever” (ὃσα) he saw. The literary context of

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this sentence makes it highly likely that “the word of God” and “the testimony of Jesus” refer to the “revelation,” the content of the work. Thus, in the preface, the highest authority is claimed for the work by identifying it as God’s word. John is also given a high degree of authority as one who was chosen to communicate this revelation to the servants of God. Even though his authority is derived, in the cultural context in which he wrote such authority is far higher than the authority John might claim as the true or only author of a work. The last sentence of the preface refers to the content of the work as “words of prophecy” (οἱ λόγοι τῆς προφητείας). So the content of the work is a revelation and also a prophecy. This statement implies that John is a prophet. A prophet is typically a mediator between God and human beings. The prophet speaks God’s words to a certain human being or group of people. John’s role is similar, but in this case he writes the message and sends it to the seven communities, rather than delivering it orally. The last sentence of the preface, verse 3, is a beatitude pronounced upon the one who reads the work aloud and on those who listen and “keep” or “observe” (τηρέω) the words of the prophecy. This beatitude may well pronounce “blessed” or “happy” those who are already reading the book aloud and those who listen and live in accordance with its words. It would seem, however, that an important reason for writing this beatitude is to construct or reinforce the authority of the work. The rhetorical impact is, in part, to encourage those in the community who are literate to read the book aloud to the gathered community. The potential blessing also encourages the members of the seven communities to listen to that reading, and much more important and difficult, to live in accordance with its message. 1.2 Epistolary prescript (Rev 1:4–6) The epistolary prescript is in the third person but only in the sense that all ancient letters begin in that way. Some scholars have argued that John enclosed his apocalypse or prophecy within the opening and closing elements of a letter in imitation of Paul and to evoke an authority analogous to his.2 Martin Karrer and E. J. Goodspeed have argued for Pauline influence.3 Whether that is the case or not, it may be fruitful to compare the prescripts of the two writers.

2 The epistolary elements in Revelation are the prescript (1:4–6) and the epistolary closing (22:21). 3 Martin Karrer, Johannesoffenbarung als Brief: Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort, FRLANT 140 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1986); Edgar J. Goodspeed, New Solutions of New Testament Problems (Chicago: University of Chicago Press, 1927); see the discussion in Aune, Revelation (see n. 1), 1.lxii–lxxv.

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Paul often elaborates his name, for example, with reference to his being an apostle.4 John, in contrast, does not elaborate his name at all in the “sender” slot (Rev 1:4). This lack of elaboration supports the hypothesis mentioned above, that the seven communities were already acquainted with John before he went to Patmos. Paul’s elaborations, with the exception of Romans, do not indicate that he was unacquainted with the addressees. Rather they serve his rhetorical purposes. Paul also sometimes elaborated the designation of the addressees, for example, as “the beloved of God called to be holy.”5 As with his own name as sender, John does not elaborate the simple designation of his addressees: “The seven congregations that are in Asia” (Rev 1:4). Like Paul, John dares to greet the addressees in the name of God and Christ or to wish them “favor and peace” from God and Christ.6 Rather than refer simply to “God” (θεός), John speaks of “the one who is and who was and is coming and from the seven spirits that are before his throne” (1:4). In doing so John prepares his audiences for the vision he is about to share, in which God is master of time, most relevantly for this work, of the future.7 The seven spirits before the throne represent beings, probably high angels or archangels, who are agents of God.8 In the greetings of his letters Paul usually speaks simply of God our father.9 So John differs from Paul in construing God in such a way as to prepare his audiences for the content of his work. John does something similar in conveying favor and peace from Jesus Christ. The name Jesus, along with the epithet “Messiah,” is elaborated as “the faithful witness,10 the firstborn of the dead, and the ruler of the kings of the earth.” This portrayal of Jesus prepares the audiences for the profound and intense criticism of the kings of the earth as they relate to the Roman empire.11 This political network exercises the power that Jesus as Messiah exercises in heaven and will soon carry out on earth. His depiction as faithful witness is a model for the members of the audience who are called to testify and be loyal to Jesus whatever the cost to their livelihoods and even their lives. His role as the firstborn of the dead foreshadows the promised resurrection in which the audiences will take part.

4

Rom 1:1–5, 1 Cor 1:1, 2 Cor 1:1, Gal 1:1, Philemon 1; in Phil 1:1 “Paul” and “Timothy” are both elaborated as “servants (δοῦλοι) of Christ Jesus.” 5 Rom 1:7; see also 1 Cor 1:2, 1 Thess 1:1. 6 Compare Rev 1:4 with Rom 1:7, 1 Cor 1:3, 2 Cor 1:2, Gal 1:3, Phil 1:2, Philemon 3. 7 Contrast other threefold temporal descriptions of divinity that have a form of the verb “to be” rather than of the verb “to come”; Aune, Revelation (see n. 1), 1.31–32. 8 Cf. Aune, Revelation (see n. 1), 1.34–35. 9 Rom 1:7, 1 Cor 1:3, 2 Cor 1:2, Gal 1:3, Phil 1:2, Philemon 3. 10 Or “the witness, the faithful one.” 11 Rev 17:2, 12–14; 18:3, 9; 19:17–19, 21. These are rehabilitated in 21:24.

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Paul often conveys favor and peace simply from Lord Jesus Christ.12 In Galatians, he elaborates that phrase by adding, “who gave himself for our sins so that he might rescue us from the present evil age in accordance with the will of our God and father, to him be glory into the ages of the ages, Amen.”13 This elaboration and doxology prepare for Paul’s argument in this letter that it is through the death or faithfulness of Jesus Christ that both Jews and Gentiles are justified.14 This doxology takes the place of the thanksgiving that Paul articulates in his other letters. John also follows his characterization of Jesus in the greeting with a doxology, rather than a thanksgiving. Christ is praised as “the one who loves us and released us from our sins by his blood, and he made us a kingdom, priests to his God and father, to him be glory and might into the ages [of the ages], Amen.15 In the first part, John articulates the work of Christ in a way similar to what Paul says in Galatians: that Jesus’ death resulted in our release from our sins.16 In the second part, John describes as the work of Jesus Christ the making of those redeemed from their sins into a kingdom and priests of God, his father. This characterization is mentioned several times in the work and defines this identity of the audience over against the pressure on them to be members of the kingdom of the beast, that is, of the emperor and his allies, and to participate in the imperial cults. 1.3 Isolated prophetic sayings (Rev 1:7–8) Ugo Vanni has interpreted these sayings as evidence for the liturgical reading of Revelation and perhaps for a choral, responsive reading.17 If, however, we take seriously the designation of the content of the work as a prophecy in 1:3, these two sayings may be taken as reported divine speech. They follow up the mediated greeting with words that come directly from God. The first saying applies a line from Daniel 7 with three lines loosely based on Zechariah 12 to the risen Christ. It ends with the affirmation, ναί, ἀµήν, which may be interpreted as the divine voice affirming this composite prophecy. The second saying is explicity in the voice of God: I am the alpha and the omega, says the Lord God, the one who is, and who was, and who is coming, the Almighty. These sayings support the hypothesis that the designation of the content of this work as prophecy in the preface implies that John is a prophet. In mediating these two sayings he presents himself as such. It is noteworthy that the self12

Rom 1:7, 1 Cor 1:3, 2 Cor 1:2, Phil 1:2, Philemon 3. Gal 1:4–5. 14 Gal 2:15–16. 15 Rev 1:5b–6. 16 Cf. Gal 1:4 with Rev 1:5b. 17 Ugo Vanni, “Un esempio di dialogo liturgico in Ap 1:4–8,” Bib 57 (1976): 453–67. 13

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presentation of God in the second saying confirms the characterization of God in the greeting of the epistolary preface.

2. An epiphany of one like a son of man and seven prophetic messages (Rev 1:9–3:22) After the two prophetic sayings, John speaks in his own voice for the first time. He introduces himself as “your brother and partner in the tribulation and kingdom and endurance in Jesus.” He does not claim an authoritative role for himself, such as an apostle or prophet. Rather he takes a position of equality with his audience by using the rhetorical device of captatio benevolentiae. John’s self-introduction is one of the opening elements in a report of an epiphany in which the heavenly figure dictates to him seven prophetic messages, one for each of the congregations to which the work is addressed.18 This is a major strategy of authorization.19 John claims a high level of authority for these messages because they are dictated to him by one like a son of man, that is, the risen Christ. They are dictated to him in detail and in their entirety. The impact upon the audiences is that the risen Christ knows what is going on in each of their communities and that the praise, blame, instruction, threats, and promises all come from him. As in the preface, a very high level of authority is claimed for the work, in this case the messages, but the role of John is that of a mediator. His authority is derived from his role as a writing prophet. The authority of John as a mediator of the entire epiphany, including the messages, is further supported by his statement that, from the beginning of the experience, he was in a state conducive to the reception of revelation, namely, “in the spirit”.20 The naming of this state suggests that he was under the guidance and control of the spirit of God and thus that his reproduction of the epiphany and the dictation by Christ is accurate. Further, each message contains the saying, “Let the one who has an ear listen to what the spirit is saying to the congregations.”21 The audience may experience tension here between the Spirit as the author of these messages and Christ as having that role.22 Paul occasionally seems to equate the risen Christ and the Spirit.23 Another explanation is that there is perfect accord between the two and 18 Aune defines them as “proclamations” belonging to a new mixed genre created by John (Revelation [see n. 1], 1.119). 19 For the use of this strategy in Jubilees, see Hindy Najman, Past Renewals: Interpretative Authority, Renewed Revelation, and the Quest for Perfection in Jewish Antiquity, JSJSup 53 (Leiden: Brill, 2010), 40. 20 Rev 1:10. 21 Rev 2:7, 11, 17, 29; 3:6, 13, 22. 22 The messages are clearly defined as originating with Christ rather than with God. 23 E.g., 2 Cor 3:17–18.

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that they are both active in the revelatory process. In any case, John claims the authority of the Spirit as well as that of Christ for the messages that he is relaying to his audiences. 2.1 The message to Pergamum (2:12–17) As is well known, there are no explicit citations in the book of Revelation, such as we find in the Gospel of Matthew, especially in the infancy narrative. Allusions to Scripture, however, are abundant, almost constant, and these begin to occur near the beginning of the work. A new and distinctive use appears in the message to Pergamum. The community in Ephesus have previously been praised for hating the works of the Nicolaitans. In contrast, the congregation in Pergamum is blamed because some of its members hold the teachings of that group.24 The teaching of the Nicolaitans is characterized as “the teaching of Balaam, who taught Balak to set a trap for the sons of Israel, [to lead them] to eat meat sacrificed to idols and to commit sexual immorality.”25 The famous story according to which Balak hires Balaam to curse Israel is found in Numbers 22– 24. The passage in Revelation is based on the account in Numbers 25 concerning how Israelite men had sexual relations with the woman of Moab, who led them to worship their god, Baal of Peor.26 Revelation alludes specifically to Num 31:16. That verse claims that Balaam advised Midianite women to lead Israelite men into the worship of Baal of Peor. In Revelation it is not clear whether there is a teacher in the community to whom John gives the nickname “Balaam”. It is clear, however, that the teaching of a group, probably those John calls “the Nicolaitans”, is labeled as “the teaching of Balaam”. Rev 2:14 implies that the teaching of Balaam involves idolatry and sexual immorality (in some sense). In Numbers 31, the prototypical teaching or advice of Balaam is clearly and emphatically denounced as deserving of “the Lord’s vengeance”, which the Israelites are to carry out, one thousand men from each tribe.27 This vengeance involved the killing of every Midianite man, boy, and woman who has slept with a man. It also included the taking of goods and virginal girls as plunder.28 The labeling of the teaching of the Nicolaitans as “the teaching of Balaam” is a powerful adversarial move. Before that move it was the teaching of a group of people within the larger movement of followers of Jesus that could be 24

The word οὕτως at the beginning of Rev 2:15 indicates that the teaching to which 2:14 refers is that propagated by the “Nicolaitans.” 25 Rev 2:14. 26 The account assumes that Midianite women were also involved, perhaps because the Midianites cooperated with the Moabites in hiring Balaam to curse Israel (Num 22:4, 7). 27 Num 31:1–6. 28 Num 31:7, 15–18, 20–24.

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accepted or rejected as individuals and other groups saw fit. The application of the label transformed it into a clearly false and dangerous teaching that must be strictly opposed and eliminated from the community. The expectation that such opposition and elimination would take place implies that this message has divine authority mediated by John. 2.2 The message to Thyatira (2:18–29) In the message to Thyatira, it is clear that John refers to an actual woman by the name “Jezebel”, who, he says, “calls herself a prophetess”.29 The message indicates that she has a following in the city, “You permit the woman” to prophesy and, presumably, recognize the authority of her prophecies. She is a prophet who also teaches. The message recognizes this but adds to “teaches” the verb “leads astray”. Her teaching is characterized in the same way as that of “Balaam”: She teaches the servants of Jesus “to commit sexual immorality and to eat meat sacrificed to idols.” Such a description is a fair representation of the ideology expressed in Numbers 31. With regard to the teaching of the prophetess in Thyatira, this summary is probably not a fair account of the teaching from her own point of view and that of her followers. Once again, a powerful adversarial technique is used. A teaching that some members of the congregation in Thyatira found both acceptable and attractive is labeled in such a way as to characterize it as clearly wrong and unacceptable. The woman herself is threatened with “great tribulation” if she does not repent, and her followers with death.30 As in the message to Pergamum, the adversarial technique here assumes a high degree of authority of this message for the addressees.

3. The Vision of what must happen after this (Rev 4:1–22:5) There is some differentiation between the epiphany of chapters 1–3 and the vision that begins with chapter 4. The epiphany is initiated by John hearing a voice like a trumpet. The vision is introduced by John seeing an open door in heaven. At the beginning of the vision, the voice that John heard before gives him new instructions. Perhaps most notably, John states that, “immediately I was in the spirit”. This is evidently the beginning of a second experience of being in a state conducive to the reception of revelation.

29 30

Rev 2:20. I am taking the term τέκνα (children) as an allusion to her followers (2:23).

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3.1 The vision of the throne of God (chapter 4) It is debated whether the text implies that John went up to heaven, as he was invited to do by the voice.31 In any case, he is granted a vision of the divine throne room in heaven. This experience adds significantly to the authority of John as mediator of revelation and as prophet. Michaiah ben Imlah is distinguished as a true prophet vis-à-vis the false prophets in the court of King Ahab by his admission to the divine throne room, where he hears the plans of God that will actually come to pass.32 Isaiah describes his presence in the divine throne room where he is given an important prophetic commission.33 Ezekiel is allowed to see the chariot-throne of the God of Israel and experience the divine presence that has left the temple in Jerusalem.34 John’s admission to the divine throne room suggests that he is a prophet of a similar stature to these great predecessors. Other apocalyptic writers roughly contemporary with John also told about their admission to the heavenly, divine throne room. In the Book of the Watchers, Enoch makes a journey to heaven, where he sees the palace or temple of God and God seated on his throne. There the Lord gives him a long message to announce to the Watchers who have gone down to earth.35 That this event secures the authority of Enoch as a mediator of revelation is made clear in the preface to the work.36 Abraham makes a similar journey, guided by an angel, and has a vision of the divine throne. The angel assists him to join in the angelic praise proper to the heavenly place where God dwells. Then the Deity gives him a lengthy revelation. This experience likewise enhances the authority of the work, which is attributed to Abraham.37

31 Rev 4:1. Aune assumes that an ascent is involved (Revelation [see n. 1], 1.266, 274– 76). Revelation does not, however, describe a typical ascent; see Martha Himmelfarb, Ascent to Heaven in Jewish and Christian Apocalypses (New York: Oxford University Press, 1993), 34. 32 1 Kgs 22:19–23. 33 Isa 6. 34 Ezek 1. 35 1 Enoch 14:8–16:4; George W. E. Nickelsburg, 1 Enoch 1: A Commentary on the Book of 1 Enoch, Chapters 1–36, 81–108, Hermeneia (Minneapolis, MN: Fortress, 2001), 251– 75. 36 1 Enoch 1:2–3; Nickelsburg, 1 Enoch 1 (see n. 35), 137–39. 37 Apocalypse of Abraham 15–32; Alexander Kulik, Retroverting Slavonic Pseudepigrapha: Toward the Original of the Apocalypse of Abraham, SBL Text-critical Studies 3 (Leiden: Brill, 2004), 36–94.

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3.2 The scroll with the seven seals (chapters 5:1–11:19) The one sitting on the throne holds a scroll in his right hand. Scholars have debated what type of scroll it is.38 The important thing for our purposes is that the content of the scroll is associated with events. The revelation of that content does not come about by opening all seven seals, unrolling the scroll, and reading it. Rather John witnesses events that occur at the opening of each of the seven seals.39 This feature makes this scroll analogous to the tablets of heaven. Florentino García Martínez has emphasized the importance of the heavenly tablets for the attempts in Jubilees to authorize and legitimate that text.40 In Revelation, the scroll with the seven seals does not contain a record (or blueprint) for all of history, but only for eschatological events. The first four eschatological events are typical and general. Some aspects of them are related to the apocalyptic discourse of Mark and its parallels. The import of the event related to the first seal is contested. The second refers to war, the third to famine, and the fourth demonstrates the results of war and famine, namely widespread death. The fifth event is related to imminent expectation. The souls of the dead ask when the shedding of their blood will be vindicated and are told that they must wait a little longer (ἔτι χρόνον µικρόν). The sixth depicts events immediately preceding the end, which occur on “the great day of the wrath (of the one seated upon the throne and of the Lamb).” The sixth event is an apocalyptic description of the chaotic cosmic phenomena that are immediately related to the day of the wrath of the one seated upon the throne and of the Lamb. The nature of that day is not specified further. The opening of the sixth seal apparently also evokes the sealing of the 144,000 servants of God and the salvation of all those who have come out of the great tribulation.41 The opening of the seventh seal seems to have three effects: 1) silence in heaven for half an hour; 2) the appearance of seven angels with seven trumpets; and 3) the vision of the angel at the heavenly altar of incense.42 Since the appearance of the seven angels with trumpets is an effect of the opening of the seventh seal, it is suggested that the events connected with the blowing of those 38 Rev 5:1. The main hypotheses are that it is: a legal document; a book of destiny; the book of life; a record of human sin; Scripture; or a bill of divorce; Aune, Revelation (see n. 1), 1.431–43, 344–46. 39 Rev 6:1–17, 8:1–5. 40 Florentino García Martínez, “The Heavenly Tablets in the Book of Jubilees,” in Studies in the Book of Jubilees, ed. Matthias Albani, Jörg Frey, and Armin Lange, TSAJ 65 (Tübingen: Mohr Siebeck, 1997), 243–60 (258–59); Najman, Past Renewals (see n. 19), 39–40. 41 Rev 7:1–17. 42 Rev 8:1–5.

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trumpets are also events written in the scroll with seven seals. Thus the events of the trumpets are also written in a heavenly book analogous to the heavenly tablets known from Jubilees and elsewhere. So the image of the scroll with seven seals, and its similarity to the heavenly tablets, authorizes the visions in chapters six through eleven of Revelation. They are reliable because they are written in that scroll, and John is authoritative because he was allowed to witness the content of that scroll. In this case he does not read the scroll or listen to someone else read it. Rather, he sees, in anticipatory fashion, what will happen in the future when the Lamb actually opens the seals of that scroll and puts its content into effect. 3.3 The little scroll of chapter 10 The angel who appears in chapter 10 is not an ordinary angel. He is mighty and wrapped in a cloud, recalling the one (like a son of man) who is coming with the clouds.43 He has a varicolored halo upon his head, recalling the varicolored light surrounding the throne of God.44 His face (πρόσωπον) is like the sun, bringing to mind the description of the one like a son of man whose face (ὄψις) is like the sun shining in full strength.45 The authority of this angel is already expressed by the description of his appearance, which likens him to God and the risen Christ. The angel has a small, open scroll in his hand. Although it is physically different, a scroll in a heavenly context recalls the scroll with the seven seals. The angel commissions John in a manner similar to the commission John received from the one like a son of man in the epiphany.46 The angel’s command that John prophesy once again implies that John is a prophet. Finally, the same voice that John had heard earlier47 commands him to take the open scroll from the hand of the angel. The angel then commands him to eat it and tells him that it will be bitter in his stomach but sweet in his mouth. This is a clear allusion to the scene in which the Lord gives Ezekiel an unrolled scroll to eat and then commands him to speak to the house of Israel.48 The scroll in Ezekiel represents the words that God gives him to speak. The scroll in Revelation 10 seems to contain that which John is to prophesy, prophecies that concern peoples, nations, tongues, and many kings.

43

Cf. 10:1 with 1:7. Cf. 10:1 with 4:3. 45 Cf. 10:1 with 1:16. 46 Cf. 10:11 with 1:19. 47 Cf. 10:8 with 1:10–11, 4:1. 48 Cf. Rev 10:8–10 with Ezek 2:9–3:3. 44

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Some scholars have argued that the content of the little scroll consists of the material related to the temple and the two witnesses in chapter 11.49 That material, however, does not fit the description of what John should prophesy in the immediate future. So it is likely that the little scroll symbolizes the prophecies of chapters 12 to 22 and corresponds to the scroll with the seven seals, which represents the visions of chapters 6–11. The upcoming prophecies in chapters 12–22 are thus authorized in several ways. They come from a heavenly scroll given to John by an important, apparently high-ranking angel. The content consists of prophecies, which, as legitimated here, have high authority. Finally, John is likened to Ezekiel in this passage, one of the great writing prophets of Israel. 3.4 Prophecies about peoples, nations, tongues, and many kings (chapters 12–22) As Günther Bornkamm pointed out long ago, the visions of chapters 12–22 are more transparent with regard to their historical and cultural referents than those of chapters 6–11 are.50 One of the striking features of the later chapters is the use of Scripture to talk about cultural institutions contemporary with John and their future. Scholars have debated what motives John had in his use of Scripture. Was he “loyal” to his source texts? Were they “canonical” for him? Did he intend to interpret Scripture? If so, how does the interpretation of Scripture relate to John’s role as a prophet?51 Jan Dochhorn has described the book of Revelation as “schriftgelehrte Prophetie.”52 Another way to look at the use of Scripture in Revelation is to understand it as a way of establishing an authorizing link to the already accepted prophetic books. This link may involve the implicit claim that a particular use of Scripture gives that use the status of prophecy. This is done by linking these uses to

49

Ernst Lohmeyer, Die Offenbarung des Johannes, 3rd ed., HNT 16 (Tübingen: Mohr Siebeck, 1970), 89; Günther Bornkamm, “Die Komposition der apokalyptischen Visionen in der Offenbarung Johannis,” ZNW 36 (1937): 132–49; John M. Court, Myth and History in the Book of Revelation (Atlanta, GA: John Knox Press, 1979), 84; Richard Bauckham, “The Conversion of the Nations,” in idem, The Climax of Prophecy: Studies in the Book of Revelation (Edinburgh: T. & T. Clark, 1993) 238–337 (266). Aune rejects this hypothesis (Revelation [see n. 1], 2.585). 50 Bornkamm, “Komposition” (see n. 49), 136–42. 51 Adela Yarbro Collins, “The Use of Scripture in the Book of Revelation,” in New Perspectives on the Book of Revelation, ed. Adela Yarbro Collins, BETL 291 (Louvain-LaNeuve: Université Catholique de Louvain and Leuven: Katholieke Universiteit Leuven, 2017), 11–32. 52 Jan Dochhorn, Schriftgelehrte Prophetie: Der eschatologische Teufelsfall in Apc Joh 12 und seine Bedeutung für das Verständnis der Johannesoffenbarung, WUNT 268 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2010).

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the divine, heavenly revelation that is also responsible for the production of the older prophetic books.53 I choose the term “use” of Scripture rather than “interpretation” of Scripture because John’s focus does not seem to be on the meaning of older Scripture. Rather, his focus is on the institutions of Greco-Roman culture, especially the Roman empire, along with its political and economic network, the imperial cults, and the impending destruction of these institutions. More specifically, what I mean by “use” is “application.” What John is doing has an analogy in the interpretation of the vision of the eagle in 4 Ezra. The Lord says to Ezra: This is the interpretation of the vision that you have seen: The eagle that you saw coming up from the sea is the fourth kingdom that appeared in a vision to your brother Daniel. But it was not explained to him as I now explain it to you.54

The most obvious difference between the interpretations of the eagle and the fourth beast of Daniel 7 is that the fourth beast in Daniel represents the kingdom of Alexander the Great and those of his successors, whereas the eagle of 4 Ezra represents Rome. John does something similar in using passages from the prophets that refer to Babylon, Tyre, and other cities to refer to Rome. I suggest that neither the implied author of 4 Ezra nor John is claiming that the true referent of the older visions and oracles is actually Rome. They seem rather to imply that both the earlier referents and the later one are all divinely inspired and thus true. The implied author of 4 Ezra gains authority and prestige by being designated as “the brother of Daniel”. The role of the two writers may be primarily that of prophet or mediator of revelation, but they are associated as having the same role. Similarly, John states that he fell down to give reverence or obeisance to the angel who had shown him the things that he saw and heard. The angel tells him not to do so because he is the fellow servant (σύνδουλος) of John and of his brothers the prophets.55 If we take “the prophets” as referring to, or at least including, the writing prophets of Israel, then this passage authorizes John by closely associating him with them as a brother. So by “application” I mean a new interpretation of an older image, vision, or oracle that is presented as divinely inspired, just as the earlier ones were. I will discuss two examples in a little more detail.

53

Cf. Najman, Past Renewals (see n. 19), 39. She speaks of “interpretations” of the Torah of Moses. I apply her insight to “uses” of the prophetic books. 54 4 Ezra 12:10–12; trans. from Michael E. Stone and Matthias Henze, 4 Ezra and 2 Baruch: Translations, Introductions, and Notes (Minneapolis, MN: Fortress, 2013), 68. 55 Rev 22:8–9.

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3.4.1 The Vision of the prostitute in Revelation 17 In the introduction to this vision (17:1–3), John is said to be once again “in the spirit,” that is, in an inspired state, ready to receive revelation (v. 3). After a description of the prostitute and the beast upon which she sits, John states, “and upon her forehead a name [was] written, a secret, ‘Babylon the great, the mother of the prostitutes and the detestable things of the earth.’”56 The term μυστήριον has the sense of something formerly unknown but now revealed. The angel promises John to tell him the secret of the woman and of the beast that carries her.57 At the end of the angel’s lengthy interpretation of this vision, the woman is identified as “the great city that has royal power over the kings of the earth.”58 In spite of the view of some scholars that this city is Jerusalem, the worldwide dominion depicted here can refer, in John’s time, only to Rome. So what is the significance of this “secret”? It seems highly likely that John was aware of a city in Mesopotamia called Babylon, which was the agent of the destruction of Jerusalem and the first temple. It seems unlikely that John implies that Jeremiah, Isaiah, and Ezekiel did not pronounce their oracles against that Mesopotamian city. The “secret” or “mystery” seems to be that these oracles refer also to the city of Rome, which destroyed Jerusalem and the second temple. The vision of the prostitute and its interpretation, which are revealed to John, describe in veiled detail the future destruction of Rome in a way analogous to the oracles of destruction uttered by the earlier prophets. 3.4.2 The Beast from the sea in Revelation 13:1–10 In the corresponding vision in Daniel 7, Daniel, probably viewed by John as a prophet, saw four beasts rising from the sea.59 John is clearly alluding to Daniel 7. The beast arises from the sea, like the four beasts of Daniel. Like the fourth beast of Daniel, the beast of Revelation has ten horns.60 More subtly, but probably not accidentally, the seven heads of the one beast in Revelation seem to combine all the heads of the four beasts of Daniel.61 Furthermore, the one beast of Revelation is like a leopard (the third beast of Daniel), has feet like a bear (the second one in Daniel), and a mouth like a lion (the first beast in Daniel). This combination of features, along with the ten horns of the fourth beast, makes clear that John’s beast is portrayed as a combination of the four beasts

56

Rev 17:5. Rev 17:7. 58 The interpretation is given in Rev 17:8–18. The identity of the woman is revealed in v. 18. 59 Dan 7:2–8. 60 Cf. Dan 7:7 with Rev 13:1. 61 The lion and the bear apparently have one head each (Dan 7:4–5); the leopard has four heads (Dan 7:6); and the fourth beast apparently has only one head (Dan 7:7–8). 57

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of Daniel. They are combined in such a way as to place the emphasis on the present regime rather than on a review of history involving four kingdoms. It is striking that John could have confined himself to interpreting the fourth beast of Daniel as Rome but did not do so. The fact that he so clearly alludes to Daniel as an authoritative sacred text yet freely rewrites it is a sign of the authority he claims as prophet who has received new revelation.

4. Conclusion As I suggested in the introduction to this paper, the implied author of Revelation portrays himself as the mediator chosen by God to communicate revelation concerning “what must happen soon” and about “what is and what is to happen after this.”62 He experiences an epiphany of Christ, who dictates seven messages for him to deliver. He then is granted visions of the heavenly realm, the true nature of the current political and economic regime, and the future destruction of that regime. He also sees the destruction of heaven and earth and the final events of judgment and salvation. Immediately after these visions, John reports words of the revealing angel that authorize the entire work up to that point as reliable and true words, communicated by the Lord of the spirits to his angel (or messenger) to show his servants “what must happen soon.”63 Then the one who is coming soon pronounces a blessing on those who keep the words of the prophecy of this book.64 These features of the text depict a prophet whose role is strictly limited to mediation yet the text he mediates has the highest and most reliable divine authority. The historical critic may look behind this narrative of derived authority to consider how the actual author composed his work and how he claims authority for his methods of composition. He imitates to some degree Paul’s epistolary prescripts, especially that of Galatians, in the elaboration of Jesus Christ as a source of favor and peace, followed by a doxology. He thus establishes himself as a communicator similar to Paul. John also applies famous figures from Scripture to situations in the communities of Pergamum and Thyatira, making powerful adversarial moves, for example, in associating the teaching of the Nicolaitans with the teaching of Balaam through the lens of the condemnatory ideology of Numbers 31. Likewise he condemns the right of a particular woman to call herself a prophet and to teach by associating her with Jezebel and, even more importantly, by

62

Rev 1:1, 19; 4:1. Rev 22:6; cf. 22:16. 64 Rev 22:7. 63

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portraying Christ as condemning her and her followers. Both applications of older images are presented as divinely inspired and thus as authoritative. John elevates his authority by portraying his vision of the divine throne, thus associating himself with Micaiah ben Imlah, Isaiah, and Ezekiel. This move is comparable to the depictions of apocalyptic seers, such as Enoch and Abraham, as ascending to the throne of God. Finally, his use of Scripture is bold and authoritative, appropriating oracles originally against Babylon and other cities to condemn the city of Rome, its empire, and its political and economic network. He also rewrites older sacred texts, such as Daniel, to apply them more pointedly and more forcefully to Rome.

Zur Konstruktion von Autorschaft in der Ascensio Jesaiae Jan Dochhorn 1. Einleitung Die Ascensio Jesaiae1 ist eine Erzählung über das Martyrium des Propheten Jesaja unter König Manasse, die neben dem Martyrium, der Zersägung des Propheten anlässlich von Anklagen des Pseudopropheten Balkirâ, auch die Vorgeschichte des Propheten unter Manasse und Hiskia in den Blick nimmt und dabei zwei große Weissagungen des Propheten einschließt, welche den größeren Teil des Textes ausmachen: Die erste Weissagung bezieht sich auf die Geschichte von Kirche und Welt von der Herabkunft Christi über den endzeitlichen Auftritt des Nero rediturus bis zu Christi Parusie (AscJes 3,13–4,22), während die zweite, die längere von beiden, die fast den gesamten Schlussteil des Buches ausmacht (AscJes 6–11), eine Schilderung des Propheten von seinem Aufstieg in den siebten Himmel enthält, in der das zentrale Moment eine Schau der verborgenen Herabkunft Christi bis zur Unterwelt und des offenbaren Aufstiegs Christi nach seiner Auferstehung bis in den siebten Himmel darstellt (AscJes 10,6–11,33); die erzählte Gegenwart des Propheten und die Zukunft des Christusereignisses – Zukunft ist es ja in der jesajanischen Perspektive – verschränken sich hier. Es ist diese große Vision des Jesaja, von der die Ascensio Jesaiae, auf deutsch oft „Himmelfahrt des Jesaja“ genannt, ihren Namen hat, der Entsprechungen schon in Kirchenväterzeugnissen findet und in den äthiopischen Handschriften, der einzigen Textgestalt, in der sie uns vollständig erhalten ist, wo sie ዕርገተ ፡ ኢሳይያስ (̔ergata ’Isâjejâs; „Aufstieg des Jesaja“) heißt.2 Es bleibt noch zu erwähnen, dass die Ascensio Jesaiae 1

Die maßgebliche Ausgabe der verschiedenen Versionen der Ascensio Jesaiae (mit italienischer Übersetzung und einer lateinischen Synopse) ist P. BETTIOLO/A. GIAMBELLUCA KOSSOVA/C. LEONARDI/E. NORELLI/L. PERRONE, Ascensio Jesaiae. Textus, CChr.SA 7, Turnhout 1995. 2 Zu AscJes (aeth) vgl. ዕርገተ ፡ ኢሳይያስ ፡ ነቢይ. Ascensione di Isaia profeta. Versione etiopica. Introduzione ed edizionre critica a cura di L. Perrone. Traduzione a cura di E. Norelli, in: Bettiolo u.a., Ascensio Jesaiae (s. Anm. 1), 1–129; zum Titel und seiner Bezeugung vgl. ebd., 45. Die Ausgabe von Perrone basiert auf neun Handschriften aus dem 15.–19. Jahrhundert (5). Eine zehnte ist Perrone bekannt, wird von ihm aber unberücksichtigt gelassen mit der Begründung, dass sie einer anderen Handschrift (einem Vaticanus aus dem 15.

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ausweislich antiker lateinischer, koptischer und griechischer Fragmente sowie der Kirchenvätertestimonien mit Sicherheit ein antikes Werk ist.3 Hat man in ihr früher eine jüdische Martyriumserzählung identifiziert, nach Abzug angeblicher Zutaten aus christlicher Zeit, so neigt man aufgrund italienischer Forschungen seit 1980 mehr dazu, das Werk in seiner Gesamtheit als eine christliche Komposition anzusehen.4 Ob die Ascensio Jesaiae eine Redaktionsgeschichte hat, wie etwa Acerbi und Norelli annehmen, oder sich einem einmaligen literarischen Entstehungsprozess verdankt, lasse ich im Folgenden unberücksichtigt, gestehe aber, mich bereits im Sinne einer unitarischen Hypothese geäußert zu haben und damit dahingehend, dass es eine Kompositionsgeschichte der Ascensio Jesaiae nicht gegeben hat.5 Schwierigkeiten bereitet die Sicherung eines ursprünglichen Textes der Ascensio Jesaiae; der Vergleich des äthiopischen Textes mit den fragmentarischen Überlieferungen in anderen Sprachen zeigt, dass hier die ganze Leidenschaft des Textkritikers gefragt ist. Dieser werde ich nachgehen, aber ich tue es nicht hier. Fragen wir nach der Konstruktion von Autorschaft in der Ascensio Jesaiae, so können wir anhand des etwas verschwommenen Bildes, das uns mit dem Textmaterial gegeben ist, einen äußerst ambivalenten Befund erheben: Zum einen lässt nämlich die Ascensio Jesaiae nichts verlauten, was uns etwas über den Autor des Gesamtwerks verriete, und zum anderen betreibt sie allen Aufwand, um die in ihr mitgeteilten Visionen des Jesaja als Visionen des Jesaja Jahrhundert) sehr nahestehe (vgl. ebd., 4f.; er gibt ihr das Sigel D). Es handelt sich um ein Blatt der Handschrift Abbâ Garimâ 2 (3?), eine der wirklich berühmten alten äthiopischen Handschriften, die man inzwischen der Spätantike zuweist, vgl. A. BAUSI, The „True Story“ of the Abba Gärima Gospels, Comparative Oriental Manuscript Studies Newsletter 1 (2011), 17–20. Vielleicht hätte Perrone sie doch etwas ernster nehmen sollen. Eine weitere, aber wohl kaum bedeutende Handschrift ist online auf den Webseiten des Endangered Archives Programme einzusehen: EAP 357/1/11 (Abuna Yohannes Museum, Nr. 11); sie stammt aus dem 20. Jahrhundert und fällt schon dadurch aus dem Rahmen, dass sie ausschließlich die Ascensio Jesaiae enthält. 3 Zu den antiken Fragmenten vgl. die in Anm. 1 genannte Textausgabe, zu den Testimonien vgl. J. DOCHHORN, Die Ascensio Jesaiae, JSHRZ 2/1, in: G.S. Oegema (Hg.) Unterweisung in erzählender Form. Mit Beiträgen von J. Dochhorn, B. Ego, M. Meiser und O. Merk, JSHRZ 6/1,2, Gütersloh 2005, 1–48 (13–15). 4 Für den älteren Forschungsstand, der ein ursprünglich jüdisches Martyrium Jesajas annahm, vgl. exemplarisch G. BEER, Das Martyrium des Propheten Jesaja, in: E. Kautzsch (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments 2, Tübingen 1900, 119– 127 (121); zur Literarkritik mit Hinweisen auf Vorgänger, u.a. DILLMANN; vgl. A. CAQUOT, Bref commentaire du „Martyre d’Isaïe“, Semitica 23 (1973), 65–93; E. HAMMERSHAIMB, Das Martyrium Jesajas; N. MEISNER, Aristeasbrief, JSHRZ 2/1, Gütersloh 1973, 17–34. Für die neue Sicht vgl. A. ACERBI, L’Ascensione di Isaia. Cristologia e profetismo in Siria nei primi decenni del II. Secolo, Studia Patristica Mediolanensia 17, Mailand 1989; E. NORELLI, Ascensio Jesaiae. Commentarius, CChr.SA 8, Turnhout 1995; DERS., Ascension du prophète Isaïe, Apocryphes, Collection de poche de l’AELAC 2, Turnhout 1993. 5 Vgl. DOCHHORN, Ascensio (s. Anm. 3), 16–19.

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zu kontextualisieren und zu legitimieren – und so eine Autorschaft des Jesaja für Texte in der Ascensio Jesaiae zu konstruieren. Ich werde im Folgenden zunächst die für die Konstruktion von Autorschaft relevanten Passagen der Ascensio Jesaiae präsentieren (2), sodann grundsätzliche Tendenzen dieser Konstruktionsarbeit erläutern (3) und anschließend versuchen, den historischen Ort dieser Autorschaftskonstruktion zu eruieren – unter Bezugnahme auf affine Texte, die bei der Auffindung dieses historischen Ortes relevant sein mögen (4).

2. Hinweise zur Konstruktion von Autorschaft in der Ascensio Jesaiae Durch die gesamte Ascensio Jesaiae hindurch lassen sich Informationen finden, die Wissen über Jesaja als Autor der jesajanischen Visionen in der Ascensio Jesaiae vermitteln. Aber auch über Jesaja als Autor anderer Visionen, der des biblischen Jesajabuches, erfahren wir etwas, und darüber hinaus über andere prophetische Autoren und biblische sowie außerbiblische Bücher prophetischen wie nichtprophetischen Inhalts; auch diese Informationen sind hier zu verwerten, da aufgrund ihrer Jesaja als Autor der Visionen der AscJes zusätzlich Profil erhält. Ich werde diese Hinweise nun im Einzelnen durchgehen und mich dabei im Wesentlichen der Reihenfolge des Erzählten anschließen. 1. AscJes 1,1–6: Die Ascensio Jesaiae beginnt mit einer Testamenteröffnungssituation: Hiskia, der König von Juda, überreicht seinem später auf Abwege geratenem Sohn Manasse in der Gegenwart von Jesaja und dessen Sohn Josab (vgl. Jes 7,3 LXX) im 26. Jahre seiner Herrschaft „Worte der Gerechtigkeit“ (ቃላተ ፡ ጽድቅ), die er selber in seinem 15. Regierungsjahr, als er krank war, gesehen hatte (AscJes 1,2). Der Inhalt dieser Worte wird in AscJes 1,3–4 kurz skizziert. Er ist christlicher Natur und handelt speziell von „Gerichtshandlungen über diese Welt und die Qualen der Gehenne für den Herrscher dieser Welt“ (ኵነኔያተ ፡ ዘዝዓለም ፡ ወሥቃያተ ፡ ዘገሃናም ፡ ዘምኰንነ6 ፡ ዝዓለም; AscJes 1,4) sowie „seine Engel, Herrschaften und Mächte“ (ወዘመላእክቲሁ ፡ ወዘስልጣናቲሁ ፡ ወዘኀይላቲሁ); es gibt Parallelen zum 6 Die Handschriften bezeugen die Archetyplesart ዘምኵናነ, mit der die Gehenne als Strafort für diese Welt bezeichnet wird, was mir wenig sinnvoll erscheint. Es kann leicht aus ዘምኰንነ verderbt sein (aufgrund unwillkürlicher Beeinflussung durch vorhergehendes ኵነኔያተ ፡ ዘዝዓለም). Ich folge einem Konjekturvorschlag von Dillmann, vgl. A. DILLMANN: Ascensio Jesaiae Aethiopice et Latine Prolegomenis, Adnotationibus Criticis et Exegeticis Additis Versionum Latinarum Reliquis, Leipzig 1977, 62. Vgl. auch die Lesart „parxwn“ in AscJes (copt I) 1,4 (im Fragment Zeile 7) nach P. BETTIOLO, Ascensione di Isaia. Versioni copte. Introduzione, edizione e traduzione, in: Ders. u.a. : Ascensio Jesaiae (s. Anm. 1), 147– 187 (163).

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Folgekontext (vgl. AscJes 2,2; 7,9; 10,12; 11,16), aber sprachlich fällt vor allem ein paulinisches bzw. deuteropaulinisches Profil auf, das etwas stärker ausgeprägt scheint als im Folgekontext (vgl. v.a. Eph 1,21; 2,2 und 6,12).7 Unwahrscheinlich ist, dass hier der reale Autor der AscJes auf ein weiteres Werk aus seiner Literaturproduktion verweisen will, das uns verlorengegangen wäre. Die in AscJes 1 konstruierte Szenerie widerspricht dem: Empfänger der Hiskia-Prophetie ist ja sein Sohn Manasse, bei dem sie laut AscJes 1,7 nichts ausrichten wird; er wird sie, wie wir es uns wohl vorstellen dürfen, weggeschmissen haben. Textpragmatisch ähnelt dieser Verweis gleichwohl vielen anderen in kanonischen Büchern, deren Referenzschriften (etwa das in Jos 10,13 erwähnte „Buch des Aufrechten“) entweder existieren oder nicht mehr existieren, vielleicht auch niemals existiert haben: Für den impliziten Leser lässt er das vorliegende Werk als Teil eines Kontextes erscheinen, in dem neben ihm andere Literatur verfasst wurde; es gehört einer literarischen Welt an, die auch erzählerisch konstituiert wird (Hiskia hatte seine Vision während seiner Krankheit, und er gab ihre Niederschrift an Manasse weiter). Manasse wird aber auch noch ein anderes Stück Literatur überreicht (AscJes 1,5–6): Es handelt sich um Worte, die Jesaja im zwanzigsten Regierungsjahr des Hiskia im Hause des Königs gesehen hatte; sie betreffen das Gericht über die Engel, die Auslöschung dieser Welt, die Kleidung der Heiligen, ihren Lebensausgang und ihre Verwandlung sowie die Verfolgung und den Aufstieg des „Geliebten“ (ፍቁር = fequr; dies ist der häufigste Christustitel in der Ascensio Jesaiae). Damit sind Themen sowohl der ersten wie auch der zweiten Prophetie des Jesaja in der Ascensio Jesaiae genannt (vgl. AscJes 3,13–4,22; 6–11 und speziell 3,13; 4,16.18; 5,15–16; 7,12; 9,10–11.13–17.18.24–26; 10,8–15; 10,18–11,33). Die Datierung der Vision des Jesaja auf das zwanzigste Jahr des Hiskia findet eine Entsprechung in AscJes 6,1, wo diese Datierung mit Hinblick auf die zweite Prophetie des Jesaja (6–11) vorgenommen wird. Die erste Prophetie in AscJes 3,13–4,22 ermangelt einer solchen Datierung, hier gleichermaßen wie in AscJes 3,13–4,22; ob die erste Prophetie in AscJes 1,5– 6 mitzudenken ist, kann allein von dieser Stelle her nicht geklärt werden, liegt aber aufgrund der inhaltlichen Überschneidungen zwischen 1,5–6 und 3,13– 4,22 nahe und dürfte auch ex post in AscJes 4,1 klar werden (s.u.). Die Textgestaltung erscheint in dieser Sache etwas uneben; Literarkritiker mögen ihre Geräte in Bereitschaft versetzen, aber ich mahne zur Vorsicht. Sicher scheint jedenfalls, dass in AscJes 1,5–6 Prophetisches aus der Ascensio Jesaiae der Autorschaft des Jesaja zugeordnet wird. Gesorgt wird auch dafür, dass es nicht verlorengeht: Manasse erhält ein Exemplar, das der Schreiber Samnas aufgeschrieben hatte (1,5). Ein weiteres Exemplar ist an die 7 Zu (deutero-) paulinischen Einflüssen in der Angelologie der AscJes und speziell in AscJes 1,3–4 vgl. J. DOCHHORN, „World“ (ዓለም) in the Ascension of Isaiah (erscheint demnächst), § II,2a.

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Propheten gegangen, die Jesaja umgeben (1,5; vgl. 6; 11,36–40), und ein weiteres hat Jesaja seinem Sohn Josab übergeben (1,6). Wenigstens zweifach wird damit wohl für ein Überleben der Prophetien in der AscJes gesorgt sein; weitere Indizien in der AscJes deuten an, dass ihr Erzähler auf die Propheten und Josab als Tradenten gesetzt hat (vgl. v.a. AscJes 4,1; 6; 11,36–40) – mit Erfolg, denn wir haben sie nun in der AscJes. Die Kopie für Manasse hingegen wird in seiner Sicht wenig gebracht haben, denn Manasse wird sich, wie Jesaja in AscJes 1,7–13 ankündigt, auf Abwege begeben, unter anderem, indem er Jesaja nach dem Willen des „Geliebten“ ein Martyrium zukommen lässt. Dass Manasse das ihm ausgehändigte jesajanische Schriftstück entsorgt habe, wird zwar nicht explizit gesagt, aber laut 1,7 richtet es bei ihm nichts aus, und in AscJes 11,43, ganz am Ende des Buches, heißt es, er habe nicht auf die vorhergehenden Worte, wohl die Vision in AscJes 6–11, geachtet. Wir haben hier wohl auch ein Indiz dafür, wie wir uns das Schicksal der oben erwähnten Prophetie des Hiskia vorzustellen haben, die ja nur an Manasse ausgehändigt wurde (vgl. AscJes 1,2): Sie ist weg. Ein zusätzliches Werk des realen Autors der AscJes werden wir also nicht annehmen müssen. Charles hat AscJes 3,13– 4,22 als das Testament des Hiskia identifizieren wollen; das war vermutlich eine schlechte Idee.8 2. AscJes 2,6: AscJes 2,1–5 hatte über den Regierungsstil des Manasse berichtet; er steht unter dem Einfluss der Geistmächte Satan und Berial sowie schlechter Berater. Für Weiteres wird in AscJes 2,6 auf die Königsbücher verwiesen. Hier deutet sich ein Bezug zu biblisch-autoritativer Literatur an, einerseits explizit und andererseits implizit durch biblische Referenztechnik, die sich auch schon mit der Erwähnung einer Hiskia-Prophezeiung in AscJes 1,3–4 abgezeichnet hatte. Die Jesaja-Prophetie der AscJes steht nicht für sich allein, und ebenso ist parabiblisches Erzählen über Jesaja und seine Welt (hier die Herrschaft des Manasse) nicht unbegleitet; in diesem Fall ist sie abgestützt durch (proto-) kanonische Literatur. 3. AscJes 2,7–11: Jesaja zieht sich vor Manasse zurück, zuerst nach Bethlehem und dann in die Einöde, zusammen mit seinem Sohn und Propheten, die aus biblischer Überlieferung bekannt sind (Micha, Hananja, Joel, Habakkuk), sowie mit anderen Gläubigen. Hier zeigt sich ein Bezug zu biblischer Prophetie, wobei allerdings nicht nur Buchpropheten im Blick sind. Die Einbeziehung des Josab mag mit seiner Bedeutung für die Rezeption der JesajaProphetien in der Ascensio Jesaiae zu tun haben (vgl. AscJes 1,6). 4. AscJes 2,12–3,5: In Bethlehem gab es auch einen Pseudopropheten, dessen ursprünglicher Name aufgrund der Differenzen in den Textzeugen nur schwer zu rekonstruieren ist; in der äthiopischen Version scheint die Namens8 Vgl. R.H. CHARLES, The Martyrdom of Isaiah, in: Ders. (Hg.), The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament in English, Bd. 2: Pseudepigrapha, Oxford 1913, 155– 162 (157).

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form Balkirâ (በልኪራ) zu dominieren. Er spürt Jesaja auf und sorgt dafür, dass er bei Manasse angeklagt wird (AscJes 3,6–12). Überwiegend besteht AscJes 2,12–3,5 indes aus Exkursen über die Vorgeschichte des Balkirâ und der Pseudoprophetie sowie die Vorgeschichte der wahren Prophetie, die dafür sorgen, dass die Ereignisse um Jesaja und seine Prophetenkollegen in Juda mit älteren Ereignissen um Elia und die wahren Propheten in Samaria korreliert werden. Parabiblisch-jesajanische Prophetengeschichte scheint hier in eine rekonstruierte Geschichte biblischer Prophetie eingebettet; strukturell ähnelt dies den zahlreichen Verweisen auf kanonische Jesaja-Prophetie in der AscJes sowie auf eine nichtkanonische und verlorengegangene Hiskia-Prophetie in AscJes 1,3–4. 5. AscJes 3,6–13: Balkirâ erwirkt die Verhaftung Jesajas durch Manasse, indem er Anklagegründe gegen Jesaja vorbringt, die beide etwas mit biblischer Prophetie, insbesondere der Prophetie des Jesajabuches zu tun haben: Jesaja und seine Propheten weissagten, so stellt er fest, Unheil über Juda, Benjamin und den König Manasse (3,6–7), und vor allem: Jesaja erhebe sich über Mose mit seiner Behauptung, er habe Gott gesehen (AscJes 3,8–9; vgl. Jes 6,1), wo laut Mose dies doch niemand überlebe (vgl. Ex 33,20), und überhaupt vergleiche er Jerusalem mit Sodom und die Fürsten Judas und Jerusalems mit Gomorrha (AscJes 3,19; vgl. Jes 1,10). Wir könnten uns lange mit der eigentlich interessanten Tatsache beschäftigen, dass mindestens der erste Anklagegrund im jüdischen Sinne erstaunlich orthodox ist: Soll der Pseudoprophet Balkirâ an das nichtchristliche Mehrheitsjudentum in der realen Zeit des Verfassers erinnern? Aber wir unterlassen das hier, denn Balkirâ ist im Grunde gar nicht wichtig. Die eigentliche Hintergrundmacht des Geschehens ist nämlich eine andere, eine Geistmacht, Berial (3,13), von dessen Einfluss über Manasse wir bereits wissen. Und Berial hat einen speziellen Beweggrund für sein Vorgehen gegen Jesaja: Dieser hatte mit einer Prophetie Samael bloßgestellt, die Berial in der Ascensio Jesaiae anscheinend übergeordnete satanische Macht (s.u.). Der Inhalt dieser Prophetie wird in AscJes 3,13–4,22 referiert. Wir sehen hier biblische Jesajaprophetie und parabiblische Jesajaprophetie (die erste Jesajaprophetie der Ascensio Jesaiae) auf interessante Weise miteinander korreliert: Auf der Ebene der menschlichen Akteure sind die zeitbezogenen Prophetien Jesajas und seiner Kollegen sowie vor allem Prophetien des biblischen Jesajabuches das Thema, auf der Ebene darüber, in der Geisterwelt, spielt eine Prophetie der Ascensio Jesaiae eine Rolle. Vermutlich ist damit impliziert, dass die Ascensio Jesaiae prophetisch Höherrangiges vermittele im Vergleich zum biblischen Jesajabuch, auch wenn das hier nicht sehr stark hervorgehoben erscheint. 6. AscJes 3,13–4,22: Um den Inhalt der für Berial anstößigen Jesajaprophetie geht es in AscJes 3,13–4,22: Geboten wird zunächst die Geschichte von Christus sowie der Kirche bis kurz vor dem Ende (3,13–3,31), dann der Auftritt Berials als Nero rediturus (4,1–13) und schließlich die Parusie Christi

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und die Entrückung der Heiligen sowie die Verfluchung und Zerstörung der Welt durch Christus (4,14–18); es schließt sich eine Schlussbemerkung über biblische Parallelen zur AscJes an (4,19–22). Der Inhalt der Prophetie wird zunächst im nominalen Aufzählungsstil referiert, wobei sich allerdings mehr und mehr verbal-narrative Momente einschleichen; ab 3,17 wird im Verbalstil erzählt. Klar erkennbar für den Leser wird die Prophetie also nicht oder mindestens nur teilweise im Wortlaut wiedergegeben. Die zweite Prophetie in AscJes 6–11 hingegen ist von Anfang an Erzählung (Näheres s.u.); sie wird nicht referiert, sondern zitiert und wie ein Quellenstück dokumentiert. Es scheint, dass der Erzähler mehr auf die zweite, umfangreichere JesajaProphetie fokussiert als auf die erste, nur die zweite wird ja auch datiert (s.o. zu AscJes 1,1–6). 7. AscJes 3,31: Das letzte, was über die Endzeit- und Kirchengeschichte vor dem Auftritt Berials als Nero rediturus verlautet, betrifft den Umgang mit den Prophetien der AscJes in einem dekadent gewordenen kirchlichen Milieu: „Diese9 meine Gesichte werden sie für ungültig erklären“, sagt Jesaja; man beachte die Vielzahl der Gesichte, mit der wohl auch die große Vision in AscJes 6–11 einbezogen ist. Verbunden damit, heißt es weiter, werden „sie“ auch die Prophezeiungen der Propheten vor Jesaja für ungültig erklären; wieder steht biblische Prophetie neben der parabiblischen. Interessanterweise sind nur Propheten im Blick, die älter sind als Jesaja; wahrscheinlich gibt sich die Ascensio Jesaiae hier nicht etwa unwillkürlich als Spätwerk zu erkennen, sondern folgt ihrer narrativen Logik: Geschichte der Prophetie ist in der AscJes kontemporär mit Jesaja oder vorjesajanisch (vgl. die Erzählungen zur Vorgeschichte der Prophetie Jesajas und seiner Kollegen in AscJes 2,12–3,13). 8. AscJes 4,1: Der Abschnitt über den Auftritt Berials alias Nero beginnt mit einer unvermittelten Anrede Hiskias und Josabs durch Jesaja (4,1). Damit wird das nachfolgend Erzählte als bedeutsam markiert. Zugleich wird für die Prophezeiung in AscJes 3,13–4,22 als Ganze eine Redesituation geschaffen, die in AscJes 3,13ff. zuvor so nicht zu imaginieren war. Der Leser kann sie aber unter Rückgriff auf die Eingangsszene der AscJes per analogiam erschließen, und damit wird auch über diese Eingangsszene etwas ausgesagt sein: Wir hatten bereits festgestellt, dass die in AscJes 1,5–6 erwähnte Jesajaprophetie vor allem die von AscJes 6–11 sein dürfte, dass man aber wohl auch an die von AscJes 3,13–4,22 zu denken hat. Dies betätigt sich nun hier. Doch besonders leicht scheint dem Leser die Imaginationsarbeit nicht gemacht zu werden; er muss einiges tun, um die Erwähnung von Hiskia und Josab in 4,1 unterzubringen, sofern er nur AscJes 1,1–6 im Blick haben soll. Anders verhält es sich, wenn er über ein Reden Jesajas vor Josab und Hiskia schon etwas mehr weiß, nämlich aus AscJes 6; 7,1; 9,22; 11,16; 11,36–40, wo 9

Statt እለ (so vermutlich die Archetyplesart) ist mit PERRONE (s. Anm. 1), 65, እላ zu lesen.

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ein ganz ähnlicher Publikumsbezug für die Prophetie in AscJes 6–11 mit wesentlich mehr Aufwand konstruiert wird. Vielleicht haben wir hier einen Hinweis darauf, dass AscJes 6–11 mindestens teilweise ein älteres Quellenstück ist (dessen Autorschaftskonstruktion bzw. kommunikativer Rahmen hier impliziert wird, vielleicht unwillkürlich), aber es kann auch sein, dass der Autor der AscJes Mehrfachlektüre seines Werkes erwartet und darum wenig dabei findet, im Erzählverlauf später Erzähltes hier vorauszusetzen. 9. AscJes 4,19–22: Die Endzeitweissagung in AscJes 3,13–4,22 wird von Jesaja selbst abgeschlossen mit einer Kette von Hinweisen auf biblische Prophetien, die dazu dienen, die in 3,13–4,18 vorhergegangene Prophetie zu kontextualisieren. Zunächst wird in 4,19 ein „Gesicht über Babylon“ (ራእየ ፡ ባቢሎን) als „Reste der Worte des Gesichts“ (ትራፋተ ፡ ነገረ ፡ ራእይ) bezeichnet; wahrscheinlich soll damit Jes 13–14, das seiner Überschrift zufolge ein „Gesicht über Babylon“ ist (vgl. Jes 13,1 LXX: Ὅρασις ἣν εἶδεν Ἠσαΐας υἱὸς Αµὼς κατὰ Βαβυλῶνος), als Supplement zu AscJes 3,13–4,19 bezeichnet werden, und es ist wohl vorausgesetzt, dass speziell die Weissagung über den König von Babylon in Jes 14 den wiederkehrenden römischen Kaiser Nero meint (Babylon ist Rom!).10 Es folgt ein genereller Verweis auf die „öffentlich“ (ገሃደ) und „im Gleichnis“ (በምሳሌ) ergangene Weissagungen des Jesaja (AscJes 4,20), die als „Reste des Gesichts über den Herrn“ ትራፋተ ፡ ራእየ ፡ እግዚእ) betitelt werden; zugrunde liegt offenbar eine Unterscheidung zwischen öffentlicher und geheimer Prophetie (letztere muss die der AscJes sein), und erneut erscheint das Jesajabuch als Supplement. An dritter Stelle wird auf das Gottesknechtslied in Jes 52,13ff. als Beleg für den Descensus ad inferos verwiesen (AscJes 4,21a); diesmal fehlt eine auf Supplementcharakter der biblischen Prophetie hinweisende Terminologie, und dies wohl mit Gründen, denn vom Descensus ad inferos war in AscJes 3,13–4,18 nicht die Rede gewesen, während AscJes 6–11 nur zweimal erkennen lässt, dass dieses Theologumenon für die AscJes wichtig ist, ohne besonders ausführlich zu werden (vgl. AscJes 10,8; 11,19). An die Verweise auf das Jesajabuch schließen sich in AscJes 4,21b–22 Referenzen auf weitere Propheten an, zunächst auf die Psalmen Davids, dann die Sprüche Salomos und schließlich die Worte Qorahs, Etans, Asafs sowie die übrigen Psalmen (4,21b–22a): Eine vollständige Liste der Ketubim, verstanden als Prophetien, ist das nicht, eher eine an historischer Reihenfolge orientierte Liste prophetischer Persönlichkeiten, die in Ketubim zu Wort kommen; es sieht so aus, als sei hier das Buch Hiob genauso ausgeschlossen wie Qohelet und das Hohelied (denn die Sprüche Salomos werden immerhin – als Buch – explizit genannt), was vielleicht Zweifel an der Kanoni10 Vgl. J. DOCHHORN, Die Ascensio Jesaiae und das Jesajabuch, in: F. Wilk/P. Gemeinhardt (Hg.), Transmission and Interpretation of the Book of Isaiah in the Context of Intraand Interreligious Debates, Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 280, Leuven 2016, 359–372 (364–367).

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zität dieser Werke impliziert (zu Hiob s.u.). Es folgt in 4,22b eine Liste der zwölf Propheten, darauf ein Verweis auf Worte Josephs, des Gerechten und Daniels. Auffällig erscheint das Fehlen der Propheten Jeremia und Hesekiel; wenn hier nicht ein Textverderbnis vorliegt (nur der äthiopische Text ist hier als Textzeuge aktiv), dann kann die Ursache sein, dass die AscJes Prophetie primär als vorjesajanisches Phänomen in den Blick nimmt (vgl. AscJes 3,31), und hier redet ja immerhin Jesaja. Durchgehalten erscheint diese vorjesajanische Orientierung indes kaum, denn um Haggai und Sacharja vor Jesaja zu verorten, müsste man schon erstaunlich unkundig sein; es sieht so aus, als ob die AscJes das Dodekapropheton in jedem Falle vollständig berücksichtigen wollte. Erklärungsbedürftig erscheint dann noch eher die Referenz auf den klar nachjesajanischen Daniel; er war vielleicht kaum zu vermeiden, da seine Prophetien so große Affinitäten zu den Endzeitweissagungen in AscJes 3,13–4,22 hatten. Rätselhaft sind erst recht die Worte Josephs des Gerechten. Hat man die AscJes allein im Blick, kann damit eigentlich nur Joseph, der Vater Jesu, gemeint sein, der in AscJes 11,2 erwähnt wird, und zwar als ein Gerechter. Joseph ist als Prophet sonst eher unbekannt, aber es ist gar nicht einmal ausgeschlossen, dass an ihn wirklich gedacht ist: Die Erzählungen über die Geburt Jesu in der AscJes (vgl. v.a AscJes 11,1–17) orientieren sich ausschließlich an den Geburtsgeschichten des Matthäusevangeliums,11 in denen Joseph eine prominente Rolle spielt, auch als Visionsempfänger; die AscJes könnte ihn ähnlich verstanden haben wie die Logienquelle Johannes den Täufer: als den letzten vorchristlichen Propheten (vgl. Lk 16,16 par). Ein Textverderbnis ist aber ebenfalls nicht auszuschließen: Vielleicht ist eigentlich Hiob gemeint (griechisch ΙΩΒ > ΙΩCΗΦ), der in Hiob 1,1 als Gerechter bezeichnet wird und den eine im Testament Hiobs 17 festgehaltene haggadische Überlieferung in die Perserzeit datiert, so dass er kurz vor dem Ende der Liste in AscJes 4,19– 22 einen guten Platz hätte. 10. AscJes 5,15–16; 11,41: AscJes 5,1 konstatiert erneut, dass Berial um der Prophezeiungen in AscJes 3,13–4,22 willen Jesaja hat zersägen lassen, und entsprechende Notizen über die Zersägung des Propheten wiederholen sich in AscJes 5,15–16 und 11,41, diesmal als Rahmung der großen Prophetie in AscJes 6–11. Die Dublettenbildung erscheint so unelegant wie verständlich: Es waren mehrere Prophetien in die Gesamterzählung zu integrieren und mit dem Martyrium zu korrelieren. Indes eine kleine und durchaus sublime Verschiebung inhaltlicher Natur ereignet sich mit den auf AscJes 6–11 bezogenen Martyriumsnotizen in 5,15–16; 11,41: Hier ist nicht Berial, sondern der ihm übergeordnete Samael12 der Initiator des Geschehens: Samael findet es 11 Vgl. E. NORELLI: Ascension du prophète Isaїe, Apocryphes. Collection de poche de l’AELAC 2, Turnhout u.a. 1993, 50–58. 12 Zum Verhältnis Samaels und Berials vgl. DOCHHORN, World (s. Anm. 7), § II,2b. In Kürze kann gesagt werden: Samael ist Satan (vgl. AscJes 2,1.2; 11,41), während Berial

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unter anderem nicht gut, dass Jesaja seine Vernichtung prophezeit hat (von dieser ist denn auch in AscJes 8,11 die Rede). Erneut scheint die Prophetie in AscJes 6–11 höher zu rangieren als diejenige in AscJes 3,13–4,22, was diesmal darin zum Ausdruck kommt, dass in der Geisterwelt des Bösen die Reaktion auf AscJes 6–11 Chefsache ist. 11. AscJes 6–11: Die Autorschaftskonstruktion der Prophetie in AscJes 6– 11 ist derartig ausführlich geschildert, dass es paradoxerweise nicht vieler Worte bedarf, sie zu rekonstruieren: Im zwanzigsten Regierungsjahr des Hiskia wird Jesaja wird am Königshofe entrückt im Rahmen einer Versammlung, die zu Beginn der Verkündigung der ihm zuteil gewordenen Gesichte vom Propheten Micha auf eine kleine Schar von Propheten, Josab, Hiskia und wenige Gerechte an des Königs Hof beschränkt wird (AscJes 6, vgl. speziell 6,17). Dieses Rahmengeschehen wird in AscJes 7,1; 9,22 und 11,16 erneut aufgerufen (AscJes 7,1 ist eine Überschrift zum eigentlichen Visionsteil; in 9,22 und 11,16 redet Jesaja seinen Sohn Josab und König Hiskia an wie in AscJes 4,1). Der esoterische Charakter der Vision in AscJes 6–11 ist damit klar erkennbar, und er wird umso deutlicher im abschließenden Rahmenteil (AscJes 11,36–40), wo auf die Ankündigung, dass dieses Gesicht sich in der letzten Generation erfüllen werde (11,38), ein expliziter Geheimhaltungsbefehl erfolgt (11,39), welcher der Unterscheidung zwischen öffentlicher und geheimer Prophetie Jesajas in AscJes 4,20 entspricht. 12. AscJes 11,42–43: Es schließt sich der Kreis zum Beginn der Ascensio Jesaiae: Manasse wird wie schon in AscJes 1 als der Empfänger der jesajanischen Prophetie bezeichnet, hier wohl mit ausschließlichem Bezug auf AscJes 6–11. Angesichts des Geheimhaltungsbefehls in AscJes 11,39 erscheint das unlogisch, aber wir erfahren ja auch gleich, dass Manasse diese Vision nicht beherzigte, wie wir es ja schon aus AscJes 1 wissen. Den äußersten Rahmen der AscJes bildet damit eine Testamentseröffnungsszene mit Manasse als Empfänger, die aber für die Konstruktion von Autorschaft anders als in anderen jüdischen und christlichen Literaturwerken, die eine solche Szenerie aktivieren (in der Regel die sogenannte Testamentliteratur), nichts austrägt, weil Manasse als Empfänger solcher Überlieferung ungeeignet ist.

zukünftig der Endtyrann (= Nero rediturus) ist und seit je ein die Welt regierender böser Engel (AscJes 4,2), der als solcher wie Samael zu diabolischer Inspiration in der Lage ist (Samael: 2,1; Berial: 3,11). Satan ist die Hintergrundmacht zum Endtyrannen, vgl. Apk 12 (über den Drachen = den Satan) und Apk 13 (über den von ihm derivierenden Endtyrann) sowie 2Thess 2,9.

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3. Zur Autorschaftskonstruktion der AscJes: Grundzüge Wie der vorhergehende Überblick über das Quellenmaterial ergibt, spielt die Konstruktion von Autorschaft in der AscJes eine beträchtliche Rolle; sie scheint dafür literarisch einiges zu investieren. Das Gesamtbild lässt sich anhand von vier Kernbegriffen erläutern: 1. (Keine) Pseudepigraphizität: Die AscJes ist kein Pseudepigraph. Diese Aussage mag angesichts des gängigen Sprachgebrauchs überraschen, und noch mehr mag überraschen, wenn ich konstatiere, dass sie damit im Gesamt der sogenannten Pseudepigraphen, zumindest derjenigen des Alten Testaments, nicht alleine steht. Die AscJes ist als Erzählung in keiner Weise auktorial legitimiert, keiner sagt uns, wer weiß, dass Jesaja zersägt wurde. Dies gilt ähnlich für narrative Rahmenelemente in der Henochliteratur: Das erste Henochbuch setzt damit ein, dass über Henoch in der dritten Person berichtet wird, ohne dass gesagt wird, wer das berichtet. Das Testament Abrahams ist ebenfalls eine Erzählung über Abraham; es bleibt offen, wer erzählt. Das vierte Esrabuch verfährt anders; dieses ist tatsächlich ein Esra-Pseudepigraph: Vom Anfang bis zum Ende ist alles Ich-Bericht Esras, der indirekt wohl auch erzählt, wie sein Buch zustande gekommen ist (es wird eines der nicht-öffentlichen Bücher sein, die in 4Esr 14 erwähnt werden). Das Testament Hiobs stellt wieder einen anderen Fall dar: Hier erzählt überwiegend Hiob in der IchPerspektive, ähnlich wie in der AscJes ja auch zu etwa 60% Jesaja in der IchPerspektive berichtet, aber anders als in der AscJes bürgt im TestHiob für den narrativen Rahmen ein Erzähler, der sich in der Ich-Perspektive selber namentlich nennt: Hiobs Bruder Nereus (vgl. TestHiob 53); ihm verdanken wir die Edition des Hiob-Berichts; sein griechischer Name wird wohl andeuten, dass eine durchsichtige Pseudepigraphizität intendiert ist. Eine nahe Parallele zur Konstellation in der AscJes bietet vielleicht die Assumptio Mosis: Diese besteht zu einem beträchtlichen Teil, ca 70% des erhaltenen Textes – wie viel vom Gesamttext muss ungeklärt bleiben –, aus einer Mose-Prophetie (AssMos 2–10), aber der narrative Rahmen ist wohl ebenfalls anonym. Zugleich aber scheint in AssMos 1,16–17 dafür gesorgt zu werden, dass ein Schriftstück über die Zeiten gerettet wird, bei dem vielleicht an die Mose-Prophetie in AssMos 2–10 zu denken ist, die dann ähnlich wie die Jesaja-Prophetien in der AscJes, mindestens diejenige in AscJes 6–11, als ein älteres Dokument imaginiert wäre, das in die vorliegende Erzählung inkorporiert wurde. Halten wir also fest: Die AscJes ist kein Pseudepigraph. Aber zu leugnen ist nicht, dass sie Momente von Pseudepigraphizität enthält, da ja ihre Jesajaprophetien pseudepigraph sind. Es liegt also ein komplizierter Fall vor, den differenziert zu beschreiben durch den Terminus Pseudepigraph als Bezeichnung für das Gesamtwerk eher verhindert als gefördert wird, und dies gilt auch für andere, sogenannte Pseudepigraphen, speziell des Alten Testaments. Ich meide daher diesen Begriff. Sehr viel, was unter der

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Bezeichnung alttestamentliche Pseudepigraphen läuft, stellt eher eine Verlängerung biblisch-israelitischer Literaturproduktion dar. Insonderheit die Kombination eines anonymen narrativen Rahmens mit ichperspektivischer Rede eines Protagonisten, für die zuweilen auch Schriftlichkeit behauptet wird (vgl. Jer 36), ist schon längst vorgeprägt in den Prophetenbüchern. 2. Bezug zur biblischen Überlieferung: Schon in der Aufnahme biblischer Gattungskonventionen zeigt sich ein Moment, das für die zur Rede stehende Literatur viel eher konstitutiv ist als Pseudepigraphizität, nämlich ihr Bezug zur biblischen Erzählwelt: Die AscJes erzählt biblische Erzählwelt weiter; wesentliche Momente ihrer Prophetenerzählung beruhen dabei auf Exegese an biblischen Texten. Die AscJes ist ein Parabiblicum, eine parabiblische Schrift; ich ziehe den Begriff Parabiblica, der in Bezug auf die Autorschaftskonstruktion neutral ist, dem Begriff Pseudepigraphen vor. Nur am Rande sei erwähnt, dass Pseudepigraphen im herkömmlichen Sinne und das Corpus der Parabiblica nicht identisch sind. Die herkömmliche Taxonomie rechnet die Oracula Sibyllinica zu den Pseudepigraphen; nach meiner Taxonomie sind sie keine Parabiblica, da sie nicht durch Bibelbezug, jedenfalls nicht in der Hauptsache, bestimmt sind.13 Parabiblizität ist für die Konstruktion von Autorschaft in der AscJes insofern von Bedeutung, als in ihr der Bezug zur biblischen Erzählwelt dazu beiträgt, die Auktorialität des Jesaja für seine Visionen zu sichern. Eine besondere Rolle spielt dabei der Bezug zu biblischer Literatur außerhalb des Jesajabuchs, einmal dadurch, dass auch andere Propheten, oftmals, aber nicht ausschließlich Schriftpropheten, in die Erzählung einbezogen erscheinen (vgl. AscJes 2,7–3,5), zum anderen, indem auf Werke dieser Propheten verwiesen wird (vgl. 4,19–4,22). 3. Esoterik: Zum Bibelbezug bzw. zur Parabiblizität der AscJes gehört auch ein Moment, das man im Sinne einer Abgrenzungstendenz verstehen kann: Die AscJes kennzeichnet die Jesajaprophetie in AscJes 6–11 durch einen Geheimhaltungsbefehl als Geheimprophetie (AscJes 11,36–40), und das Christuszeugnis der Prophetie in AscJes 3,13–4,22 wird abgegrenzt gegen dasjenige der öffentlichen Prophetien des Jesaja (4,19–21a). Im letztgenannten Zusammenhang wird den öffentlichen Prophetien Jesajas Supplementcharakter zu derjenigen in AscJes 3,13–4,22 zugewiesen, und es wird mit Anklängen an die synoptische Gleichnistheorie behauptet, Jesaja rede dort – offenbar anders als in der AscJes – in Gleichnissen (vgl. Mk 4,10–12 par). Es sieht so aus, als stehe die AscJes für eine im Vergleich zum biblischen Jesajabuch höhere Art von Jesajaprophetie, freilich ohne dass damit eine Differenz hinsichtlich der 13

Zu einer Taxonomie des potentiell frühjüdischen (vorrabinischen) Schrifttums vgl. J. DOCHHORN, Jüdisch-alexandrinische Literatur? Eine Problemanzeige und ein Überblick über diejenige Literatur, die potentiell dem antiken Judentum entstammt, in: T. Georges/ F. Albrecht/R. Feldmeier u.a. (Hg.), Alexandria, Civitatum Orbis Mediteranei Studia 1, Tübingen 2013, 285–312 (dort auch zu dem Begriff „Parabiblica“).

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Aussagegehalte impliziert würde. Es passt zu dieser Konstellation, wenn beim Martyrium des Jesaja die von irdischen Anklägern vorgebrachten Gründe auf das biblische Jesajabuch Bezug nehmen (AscJes 3,6–12), während die Akteure in der Geisterwelt, Berial zunächst und dann der noch höher stehende Samael, sich an die Prophetien der AscJes halten, Berial an AscJes 3,13–4,22 (vgl. 3,13; 5,1) und Samael an AscJes 6–11 (vgl. AscJes 5,15–16; 11,41–42). Die bösen Geistmächte verstehen Jesaja auf einer höheren Ebene als seine irdischen Gegner. Eine Parallele zum Esoterismus der AscJes bietet das vierte Esrabuch, das in seinem Abschlusskapitel (4Esr 14) zwischen öffentlichen Büchern (denen des jüdischen Kanons) und einer wesentlich größeren Zahl von geheimen Büchern unterscheidet, die nicht für den Denkhorizont der breiten Menge gedacht sind. Esra schreibt beide in einem prophetischen Akt nieder und rekonstruiert damit die zweigestaltige Literatur Israels, die biblische und die geheime. Wie in der AscJes ist Exoterisches und Esoterisches auf denselben Akteur zurückgeführt; hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu PseudoApostolica in Randgruppen des Christentums, die ihr esoterisches Wissen oft auf einen anderen als die im Neuen Testament bevorzugten Autoritätsgaranten zurückführen und damit nicht nur höheres, sondern kompetetives Wissen beanspruchen (vgl. etwa das Thomasevangelium und das Evanglium der Maria). Ein solcher Oppositionsgestus ist der Ascensio Jesaiae genauso fremd wie dem vierten Esrabuch; man mag cum grano salis in beiden Fällen von orthodoxer Esoterik sprechen. 4. Personenbezug: Der AscJes ist erkennbar nicht an der Legitimierung ihrer eigenen Autorität und Auktorialität gelegen als vielmehr an derjenigen des Jesaja. Sein Visionswissen ist personal beglaubigt. Hier zeigt sich eine Personenbezogenheit in der Autorisierung von Offenbarungstradition, die eine Entsprechung findet in dem Personenbezug bei der Liste biblischer Prophetieparallelen zu der Prophetie in AscJes 3,13–4,22, vgl. 4,19–22: Diese Liste hat zwar eine gewisse Nähe zu einer Kanonliste, ist aber keine; sie ist vielmehr eine Aufreihung prophetischer Persönlichkeiten. Wir können vergleichbare Phänomene in den Parabiblica sehen: Wenn es dort Offenbarungswissen gibt, was beinahe die Regel ist, dann verdankt sie sich in aller Regel einem Hauptprotagonisten wie hier Jesaja oder auch einem Nebenprotagonisten wie Eva in der Apokalypse des Mose, wo Adam die Hauptrolle spielt, Eva aber vom Sündenfall berichtet (über den sie etwas besser Bescheid weiß), vgl. ApkMos 15–30. Eine Entsprechung findet dieser Personenbezug in Diskussionen um Apokryphizität in der Alten Kirche: Drei prominente byzantinische Kanonlisten etwa, die Stichometrie des Nikephoros, die Liste der 60 kanonischen Bücher und die Synopse des Athanasius, sind da, wo sie Apokryphen verzeichnen (mit dem Ziel, sie zu exkludieren), nur wenig mehr

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als Listen biblischer Namen.14 Und in einem vielleicht auf Priscillian zurückgehenden Traktat aus einem Würzburger Codex des 6. Jahrhunderts, der mit bemerkenswerten Argumenten die Lektüre apokrypher Schriften verteidigt, ist das Phänomen Apokryphizität weniger als ein literarisches im Blick denn als personal vermittelte Prophetie, etwa von Abraham, Isaak oder Jakob, auf deren prophetische Autorität sich, wie unser Autor feststellt, Tobias beruft, was seines Erachtens bedeutet, dass er selbst es auch darf und sollte.15

4. Zu Pragmatik und historischem Ort der Konstruktion von Autorschaft in der AscJes Wo gehört die Ascensio Jesaiae mit ihrer spezifischen Konstruktion von Verfasserschaft hin, textpragmatisch und historisch? Wir bewegen uns, wie schon festgestellt, in der Antike, und Voraussetzungen aus der neutestamentlichen Literaturproduktion scheinen bereits vorhanden. Beides weist uns in das zweite Jahrhundert, aber deutlicher kann und muss man hier nicht werden. Es wird im Folgenden lediglich darum gehen, die mit der Verfasserschaftskonstruktion gegebene Textpragmatik etwas näher zu beleuchten (4.1), um dann Voraussetzungen zu benennen, aufgrund derer es sich nahelegte, eine Prophetenerzählung mit echt-jesajanischen Prophetien zu schreiben, wie wir sie mit der Ascensio Jesaiae vorliegen haben (4.2). 4.1 Pragmatik Die AscJes ist ein alttestamentliches Parabiblicum christlicher Herkunft. Mit dieser Aussage ist ein Moment des Aufsehenserregenden verbunden: Es war im frühen Christentum nämlich zunächst gar nicht üblich, alttestamentliche Parabiblica zu verfassen. Die AscJes könnte eines der ersten Werke sein, vielleicht sogar das erste überhaupt, mit dem Christen auf diese Art von Literaturproduktion kamen und damit eine schriftstellerische Strategie aktivierten, die im jüdischen Kontext des Christentums schon länger etabliert war (und zeitgleich dort wohl schon an Bedeutung einzubüßen begann). Im ersten Jahrhundert waren Christen in der Hauptsache mit anderem befasst als mit alttestamentlichen Parabiblica: Sie schufen eine neue Erzählwelt, die des Neuen Testaments, und wenn sie Parabiblica schufen, dann zunächst neutestamentliche, etwa indem sie Paulus Briefe schreiben ließen – 14 Zu den drei Kanonverzeichnissen vgl. Text und Kommentar bei T. ZAHN, Geschichte des Neutestamentlichen Kanons, Bd. 2: Urkunden und Belege zum ersten und dritten Band, erste Hälfte, Erlangen u.a. 1890, 289–293; 295–301; 302–318, vgl. speziell 292; 300; 317. 15 Vgl. den Text aus dem dritten Traktat des Würzburger Codex bei G. SCHEPSS, Priscilliani quae Supersunt. Accedit Orosii Commonitorium de Errore Priscillianistarum et Origenistarum, CSEL 18, Prag u.a. 1889, 45–46 (p. 58 im Codex).

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hier haben wir es dann auch wirklich einmal mit Pseudepigraphen im terminologisch gut gesicherten Sinne zu tun –, oder indem sie Jesus über sich selbst Mitteilungen machen ließen, die sich zu bereits bekannten Jesusworten in der Regel ähnlich explikativ verhielten wie die nonkompetitive Esoterik des 4Esra und der AscJes sich zu der Exoterik der biblischen Bücher verhielt; ich nehme hier Bezug auf die Jesusreden des Johannesevangeliums.16 Bezogen sich Christen auf alttestamentliche Literatur, dann fast durchweg mit der Absicht der Illustration und Legitimation, etwa durch Zitation und Allusion. Speziell konnte eine solche Illustrations- und Legitimationsstrategie auch darin Gestalt gewinnen, dass ein neutestamentlicher Protagonist oder Autor eine alttestamentlich bekannte Rolle auf sich applizierte: So spielt etwa der Johannes der Johannesapokalypse die Rollen des Elia und die des Hesekiel (vgl. Apk 2,20– 23; 10). Aber er tut es auf eine bestimmte Weise: Er spielt Elia und Hesekiel jetzt als Christ und impliziert damit, dass seine Christlichkeit in einer Linie liege mit Elia und Hesekiel. Er fragt sich jedoch nicht, was damit eigentlich für Elia und Hesekiel in ihrer Zeit hätte verbunden sein können; sie bleiben für ihn Autoritäten der Vergangenheit, in die er nicht hineinschlüpft, etwa um herauszufinden, was es für Elia und Hesekiel bedeutet haben könnte, dass sie in ihrer Zeit mit Johannes auf einer Linie lagen. Solches aber geschieht in der AscJes: Dass Jesaja christologisch relevante Prophezeiungen von sich gegeben hatte, war Christen schon länger bekannt (vgl. nur Mt 1,23). Nur wurde jetzt eben auch gefragt: Was bedeutete das für Jesaja? Und wie sah denn das den Prophezeiungen zugrundeliegende Wissen aus? Die Antwort lautete: Die Konsequenz für Jesaja war ein Martyrium, und das zugrundeliegende Wissen des Jesaja war ein explizit christologisches, das keineswegs so gleichnishaft und damit deutungsbedürftig war wie die biblischen Jesajaprophetien, mit denen es aber in der – christlichen – Sache übereinstimmte. Dieses Wissen hatte im Übrigen einen spezifischen Charakter, anders gesagt: Es stimmte mit einer Theologie überein, die nicht alle Christen in der Abfassungszeit der Ascensio Jesaiae teilten; dies wird man dem Hinweis in AscJes 3,31 über die Abweisung der Prophetie der AscJes sowie überhaupt der jesajanischen und vorjesajanischen Prophetie in der Kirche kurz vor dem Auftritt des Nero Redivivus wohl entnehmen dürfen. Der Verfasser der AscJes 16

Nirgendwo teilt der Jesus des Johannesevangeliums mit, dass andere Jesusreden weniger gültig seien als die des Evangeliums, und der Hinweis in Joh 20,30 (viele andere Wunder hat Jesus getan, die in diesem Buch nicht geschrieben stehen) lässt doch die Existenz anderer Bücher über Jesus und deren prinzipielle Anerkennung durch den Evangelisten mindestens erahnen. Das Johannesevangelium ist denn auch von Clemens Alexandrinus nicht als kompetitiv, sondern als komplementär aufgefasst worden, vgl. Anm. 17. Eine wohl kompetitive Struktur bietet hingegen die Epistula Jacobi Apocrypha in NHC I,2, in der Jesus vor einer Offenbarungsrede an Jakobus und Petrus die Bücherschreiberei der anderen Jünger als unnütz deklariert; siehe den Text bei D. KIRCHNER, Epistula Jacobi Apocrypha. Die zweite Schrift des Nag-Hammadi-Codex 1, TU 136, Berlin 1989, 11.

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sah die Abwehr gegen die Prophetie der AscJes als Missachtung nicht nur dieser geheimen Jesajaprophetie, sondern der Prophetie des Jesaja und von Schriftpropheten überhaupt. Das musste er, wenn die geheime Jesajaprophetie dem Aussagegehalt nach identisch sein sollte mit der biblischen Prophetie (vgl. hierzu AscJes 4,19–22). Es ist natürlich klar, dass der reale Autor der AscJes mit einer solchen Konzeption Jesaja hervorragend zum Sprachrohr seiner Theologie machen konnte, aber man würde seinem Selbstverständnis wohl kaum gerecht werden, wenn man bei dieser Aussage, der üblichen Lancierungshypothese (Pseudepigraphie als Versuch, eine lahmende Theologie auf den schnellen Wagen einer bewährten Autorität zu setzen), stehen bliebe: Der Verfasser der AscJes verfährt mit Jesaja nicht anders als der Evangelist Johannes mit seinem Jesus: Was beim kanonischen Jesaja gleichnishaft war, sein Christuszeugnis, wurde in der AscJes explizit, wie auch der johanneische Christus christologisch explizit macht, was bei der Christologie synoptischer Überlieferung zuweilen der Klarheit ermangelt; eben dies meint ja wohl Clemens von Alexandria, wenn er das Johannesevangelium als ein pneumatisches Evangelium bezeichnet.17 Man könnte, diese Aussagen des Clemens aufnehmend, über die AscJes sagen, dass wir es in ihren Prophezeiungen mit einem pneumatischen Jesaja zu tun haben. 4.2 Historischer Ort Was ist geschehen, dass es zu dieser Konstellation von Auktorialität im frühen Christentum kommen konnte? Ich versuche im Folgenden, einige Phänomene im frühen Christentum zu skizzieren, die den Umgang mit alttestamentlicher Überlieferung und Parabiblica betreffen und die gewissermaßen als die Reagenzien aufgefasst werden können, aufgrund derer diese Konstellation zustande kommen konnte. Die hier gegebene Aufstellung ist, soweit möglich, geordnet nach dem Prinzip steigender Ähnlichkeit zum Resultat, also zur Autorschaftskonstruktion der AscJes. Der Reihenfolge entspricht in der Tendenz auch ein Fortschreiten auf der Zeitlinie, freilich mit der Einschränkung, dass viele Phänomene (etwa Zitate aus alttestamentlichem Schrifttum) zeitübergreifend ständig präsent waren und viele der konkreten Belege von Intertextualität nur schwer zu datieren sind und vielleicht auch einer späteren Zeit (nach 200 n. Chr.) entstammen. 17 Vgl. das Exzerpt aus den Hypotyposen bei Eusebius, h.e. 6,14,5–7, speziell 7: […] τὸν µέντοι Ἰωάννην ἔσχατον, συνιδόντα ὅτι τὰ σωµατικὰ ἐν τοῖς εὐαγγελίοις δεδήλωται, προτραπέντα ὑπὸ τῶν γνωρίµων, πνεύµατι θεοφορηθέντα πνευµατικὸν ποιῆσαι εὐαγγέλιον („Johannes indes habe als der letzte [sagt Klemens – Anm. d. Verf.], als er erkannt habe, dass die leiblichen Angelegenheiten in den Evangelien dargelegt worden seien, aufgefordert von seinen Bekannten, vom Geist göttlich getragen, ein pneumatisches Evangelium hervorgebracht“), vgl. den Text bei K. ALAND, Synopsis Quattuor Evangeliorum. Locis Parallelis Evangeliorum Apocryphorum et Patrum Adhibitis Edidit, Stuttgart 251996, 555.

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1. Christen alludierten und zitierten18 Texte aus „der Schrift“, gewöhnlich dem, was später der Tenakh wurde bzw. die protokanonischen Bücher des Alten Testaments.19 2. Sie alludierten und zitierten oft nicht sehr wortlautgemäß (Mk 14,27// Sach 13,7), oft wohl aus dem Gedächtnis (Mk 2,26?), bei Zitaten zuweilen mit falschen Angaben zur Provenienz (Mt 27,9–10, wo Jeremia statt Sacharja als Quelle angegeben wird), auch unter bewusstem oder unwillkürlichem Rückgriff auf andere Spendetexte (vgl. Mk 12,36//Ps 110,1 + 8,7). Es kam zu Mischzitaten (Mk 1,2–3//Jes 40,3 + Mal 3,1 + Ex 23,20) und Mischallusionen (Mk 14,62//Dan 7,13 + Ps 110,1). Es konnten Zitatkompositionen entstehen, schon bei Paulus (Röm 11,26–27//Jes 59,20–21 + Jes 27,9; Röm 3,10–18?). Es kamen auch christlich überformte Zitate oder Allusionen vor (2 Kor 3,16// Ex

18 Zitate sind Textreferenzen mit einer expliziten Zitatmarkierung; Allusionen sind unmarkierte Textreferenzen, die dem Leser die Bezugstextidentifikation überlassen (oft mit dem Ziel poetischer Verdichtung). Mit Textaufnahmen im Unterschied zu Textreferenzen haben wir es zu tun, wenn ein Autor andere Texte benutzt, ohne dass der implizite Leser darin eine Bezugnahme auf den betreffenden Text erkennen soll, so etwa im Falle des Plagiats, der Quellenbenutzung oder des Echos (Nachhall eines Fremdtexts bei einem Autor aufgrund unwillkürlicher Beeinflussung). Vgl. J. DOCHHORN, Zitat II. Neutestamentlich, Lexikon der Bibelhermeneutik (2009), 690. Abzugrenzen von Textaufnahmen und Textreferenzen sind Wissensaufnahmen und Wissensreferenzen: Wenn Biblisches in neutestamentlichen Texten auftaucht, wird oftmals nicht auf Texte zurückgegriffen und der Leser soll auch nicht Texte identifizieren, sondern es wird ein biblisches Wissen aufgerufen oder beim Leser biblisches Wissen evoziert. Dies geschieht fast durchgängig im Judasbrief. So liegt etwa, wenn in Jud 9 ausweislich Clemens Alexandrinus, Adumbrationes ad locum und in Origenes, De Principiis 3,2,1 (CCS 22,244) die Assumptio Mosis benutzt wird, weder ein Zitat noch eine Allusion vor, sondern es wird Wissen aus einer biblischen Erzählwelt geltend gemacht, vgl. J. DOCHHORN, Ein starkes Stück Schrift: Über den Judasbrief in der frühchristlichen Bildungswelt und über die Bildungswelt des Judasbriefs – mit besonderer Berücksichtigung der Tradition über Michael und den Teufel in Judas 9, in: F. Wilk (Hg.), Scriptural Interpretation at the Interface between Religion and Eductaion. In Memory of Hans Conzelmann, Themes in Biblical Narrative 22, Leiden 2018, 178–203. Ähnlich ist die Bezugnahme auf Jannes und Jambres in 2Tim 3,8 zu verstehen. Die Beispiele zeigen, dass den Wissensaufnahmen oft parabiblische Quellen zugrundeliegen. 19 Vgl. die Loci citati vel allegati (Appendix III) in NESTLE-ALAND28. Unterschieden werden „direkte Zitate“ und „Anspielungen“, erstere sind durch Kursive markiert. Die Begrifflichkeit ist alles andere als klar (vgl. meine definitorischen Bemühungen in Anm. 18). „Direkte Zitate“ aus dem Septuaginta-Sondergut (vulgo: deuterokanonische Bücher, Apokryphen) notiert die Ausgabe selten, und die betreffenden Stellen sind m.E. kaum zwingend als solche zu erweisen. Explizit zitiert wird Schrift außerhalb des Tenakh in Judas 14, aber dort wird nicht Septuaginta-Sondergut aufgenommen, sondern Henoch-Überlieferung (1Hen 1,9). Es ist schwer zu klären, ob Paulus z.B. die Sapientia Salomonis benutzt; zitiert wird sie jedenfalls bei ihm nicht.

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34,34).20 Und es gab Zitate, die nur schwer oder gar nicht in einem alttestamentlichen Buch zu identifizieren waren (1Kor 2,9; Eph 5,14); die Grenze zu den sogenannten Agrapha21 war überschritten. 3. Alttestamentliche Bücher wurden von Christen interpoliert, schwerpunktmäßig mit christologischen Weissagungen.22 Christliche Rede wurde bei den Propheten nicht mehr nur gefunden, sie wurde ihnen auch angedichtet. 4. Alttestamentlich parabiblische Traditionen waren Christen vertraut, und alttestamentlich parabiblische Bücher wurden dementsprechend von ihnen gelesen, wohl schon von Anfang an: Paulus hatte Kontakt mit dem exegetischen Wissen, das der Apokalypse des Mose und der Vita Adae et Evae 20 Der κύριος („Herr“) von Ex 34,34 LXX ist in 2Kor 3,16 mit Christus identifiziert, auch scheint das Motiv der Hinwendung des Mose zum Herrn auf die christliche Existenz hin vergegenwärtigt. Liegt ein Zitat oder eine Allusion vor? Wie zu kategorisieren ist, hängt davon ab, ob man die ausführliche Bezugnahme auf den Abstieg des Mose vom Sinai in 2Kor 3 als Zitatmarkierung ansieht oder als Hilfe für die Realisierung einer Allusion. Bei Allusionen wird Lesern gewöhnlich weniger Hilfestellung geleistet. Umgekehrt sind Zitatmarkierungen meist expliziter. 21 Agrapha sind Schriftreferenzen (im gegebenen Fall auf alttestamentliche Schrift), die sich in kanonischen (kanonisch gewordenen) Büchern nicht verifizieren lassen, vgl. A. RESCH, Agrapha. Aussercanonische Schriftfragmente. Gesammelt und untersucht und in zweiter, völlig neu bearbeiteter, durch alttestamentliche Agrapha vermehrter Auflage herausgegeben, TU NF 15, Bd. 3 u. 4, Leipzig 1906 (Nachdruck: Wiesbaden 1974). Zu unterscheiden ist dieser Sprachgebrauch von der (wohl eher irreführenden) Verwendung des Begriffes Agraphon/Agrapha in der Jesusforschung, wo er außerkanonische Jesusworte bezeichnet, vgl. hierzu O. HOFIUS, Versprengte Herrenworte, in: W. Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Bd. 1: Evangelien, Tübingen 6 1990, 76–79. 22 Ein einschlägiges Beispiel ist der Septuaginta-Psalter, der gerade in denjenigen Textzeugen, die RAHLFS für seine Ausgabe bevorzugt (also nicht im antiochenischen Text), kurze Surplus-Lesarten mit christologischem Kolorit aufweist, vgl. Ps 37,14.21; 49,6 (?); 50,9; 95,10 und dazu A. RAHLFS, Psalmi cum Odis, Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum. Auctoritate Academiae Gottingensis Editum 10, Göttingen 1979, 30–32; R. PETRAGLIO, Le interpolazioni cristiane del salterio greco, Augustinianum 28 (1988), 89–109; J. DOCHHORN, Septuaginta Deutsch (II). Besprechung von „M. Karrer/W. Kraus (Hg.), Septuaginta deutsch. Erläuterungen und Kommentare zum griechischen Alten Testament, Bd. 1 u. 2, Stuttgart 2011,“ Theologische Rundschau 80/1(2015), 103–116, speziell 113–114 (über Kommentierungen von E. BONS und R. BRUCKER und zu den Surpluslesarten in Ps 37,21 und 95,10 LXX). In der Diskussion um die betreffenden Surplus-Lesarten gibt es auch Zweifel, dass sie überhaupt christlich sind (vgl. BONS zu Ps 37,21). Bei dem zur Rede stehenden Phänomen ist zu beachten, dass manche Texte aus der alttestamentlich-biblischen Welt täuschend gut zu einer christologischen oder christlichen Deutung passen – kein Wunder, ruht doch das Christentum auf dieser Welt auf. Deutung und Ausgelegtes tragen dieselbe Tarnfarbe, denn die Deutung ist vom Ausgelegten genährt. Ein Beispiel aus einem parabiblischen Text ist Bar 3,38: Μετὰ τοῦτο ἐπὶ τῆς γῆς ὤφθη καὶ ἐν τοῖς ἀνθρώποις συνανεστράφη („Danach erschien er/sie/es auf der Erde und verkehrte mit den Menschen“). Wer ist gemeint? Gott? Die Weisheit? Die nachfolgend erwähnte Thora? Oder eben Christus?

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zugrundeliegt;23 die breit bezeugte Rezeption dieser Werke in der christlichen Literatur24 wird auf die Anfänge des Christentums zurückgehen. Der zweite Timotheusbrief greift auf Traditionen über Jannes und Jambres zurück (2Tim 3,8) und der Judasbrief auf die Assumptio Mosis (vgl. Anm. 18). Eine von Christen wohl schon früh nach ihrer Abfassung rezipierte parabiblische Schrift ist auch das vierte Esrabuch,25 dem die AscJes hinsichtlich ihres Schriftbezugs

23 Ich gehe davon aus, dass die Grundidee der Geschichte von der Verführung Adams und Evas durch den Teufel als einer von außen an das Paradies herantretenden Macht in ApkMos 15–30//VitAd 44 (15–30) der Geschichte von der Okkupation des adamitisch konturierten Ichs durch die Sünde in Röm 7,7–25 zugrundeliegt. Paulus dürfte als Schriftgelehrtenschüler mit Ergebnissen der exegetischen Arbeit aus dem Milieu der Adamdiegesen in Kontakt gekommen sein (Adamdiegesen bedeutet hier: ApkMos + VitAd). Vgl. hierzu J. DOCHHORN, Röm 7,7 und das zehnte Gebot. Ein Beitrag zur Schriftauslegung und zur jüdischen Vorgeschichte des Paulus, Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 100 (2009), 59–77. Weiteres zum Verhältnis von ApkMos, VitAd und Paulus siehe bei DERS., Die Adamdiegesen und das Neue Testament, in: F. Amsler/A. Frey/ J.-D. Kaestli/A.-L- Rey/B. Cangemi Trolla/M. Rouquette (Hg.), La Vie d’Adam et Éve et les traditions adamiques. Actes du quatrième colloque international sur les littératures apocryphes juive et chrétienne, Lausanne – Genève, 7-10 janvier 2014, Lausanne 2017, 57–75. 24 Zahlreich sind die Rezeptionsspuren der Vita Adae et Evae, vgl. die Hinweise bei J. DOCHHORN, Die Apokalypse des Mose. Text, Übersetzung, Kommentar, Texte und Studien zum antiken Judentum 106, Tübingen 2005, 38–60; wichtig wurde vor allem ihre Teufelsfallgeschichte, derzufolge der Teufel des Himmels verwiesen wurde, weil er Adam nicht anbeten wollte (VitAd 11–17), vgl. ebd., 52–53 Anm. 39. Die Rezeptionsspuren der ApkMos sind vergleichsweise rar, vgl. ebd., 149–152 (mit einer revisionsbedürftigen Auswertung von Origenes, De Principiis 3,2,1); als Rezeptionsspuren können freilich die ca. 30 griechischen Handschriften gelten, welche sie bezeugen (ebd., 28–75) und deren Überlieferung mit Sicherheit auf mehrere alte Majuskel-Archetypen zurückgeht (ebd., 77). Dennoch: Es hat den Anschein, als sei die Vita Adae et Evae in der alten Christenheit (und dann im orientalischen Christentum) unter den Adamdiegesen diejenige Schrift gewesen, die vor allem rezipiert wurde, während es dann im byzantinischen Christentum vor allem die Apokalypse des Mose war; die VitAd (gr) ist untergegangen. Die Popularität der VitAd ist vielleicht damit erklärbar, dass sie die Ausgabe letzter Hand derer war, welche die Adam-diegesen hervorgebracht haben (zur VitAd als Weiterentwicklung der ApkMos vgl. ebd., 139–145); der spätere Rezeptionserfolg der ApkMos im byzantinischen Christentum hat ihren Grund wohl darin, dass die konkurrierende VitAd aufgrund ihrer Teufelsfallgeschichte verdächtig wurde (sowohl bei Ps-Athanasius, Quaestiones ad Antiochum 10 als auch in der Palaia [Vassiliev p. 189] wird die von ihr vertretene Version des urzeitlichen Teufelsfalls abgelehnt); sicher spielt auch die Einbettung der ApkMos in den liturgischen Kontext der Käsewoche eine Rolle, die in mehreren Handschriften bezeugt ist und sich in Reminiszenzen liturgischer Texte sowie einer pseudo-chrysostomischen Homilie an die ApkMos manifestiert (vgl. ebd., 151–152). 25 Die Popularität des 4. Esra zeigt sich wohl vor allem an ihrer Verbreitung im lateinischen und orientalischen Christentum sowie an ihren Rezeptionsspuren in der Apokalpyse des Sedrach, der griechischen Esra-Apokalypse und der Visio Beati Esdrae. Speziell die ApkSedr dürfte alte Traditionshintergründe haben und damit eine frühe Benutzung des 4. Esra im griechischen Christentum bezeugen, vgl. J. DOCHHORN, The Apocalypse of

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und ihres Verständnisses von esoterischer Rede im Vergleich zu kanonischer Rede sehr stark ähnelt. 5. Manche der alttestamentlichen Parabiblica wurden interpoliert, auch hier gewöhnlich mit Christusweissagungen.26 Bei Josephus wurde man ebenfalls Sedrach, in: J.N. Bremmer/V. Hirschberger/T. Nicklas (Hg.), Figures of Ezra, Studies on Early Christian Apocrypha 13, Leuven 2018, 205–225. 26 Christliche Rezeption hat auf die Parabiblica in je unterschiedlicher Weise und unterschiedlich stark eingewirkt, wie die folgenden Beispiele zeigen: 1. Kein christliches Superstrat sehe ich im Testament Hiobs, dessen durch drei mittelalterliche griechischen Handschriften (und einen Apographus) sowie eine slavische Version bezeugter Text nun durch eine sahidische Version abgestützt scheint, vgl. G. SCHENKE/G. SCHENKE ROBINSON, Der koptische Kölner Papyruskodex 3221, Teil 1: Das Testament des Iob, Papyrologica Colonianesia 33, Paderborn u.a. 2009. Die Anspielung auf Ps 110,1 in Test Hiob 33,1 (Hiob sitzt zwar auf dem Mist, aber sein Thron ist zur Rechten des Vaters im Himmel) dürfte vorchristlich sein, vgl. M. HENGEL, Setze dich zu meiner Rechten. Die Inthronisation Christi und Psalm 110,1, in: M. Philonenko (Hg.), Le thrône de dieu, WUNT 69, Tübingen 1993, 108– 194 (179–181). Die sekundären Varianten in den Textzeugen werden zwar überwiegend auf christliche Tradenten zurückgehen, aber ich habe unter ihnen kaum typisch Christliches gefunden. 2. Ebenfalls fehlt ein christliches Superstrat im Archetyp der ApkMos. Die Textzeugen weisen gelegentlich christliche Varianten auf (vgl. die Einflüsse aus dem Protevangelium Jacobi in Lemma °7,2a bei DOCHHORN, Apokalypse des Mose [s. Anm. 24], 232, und die Christusweissagung in Subarchetyp *IIIa in °13,6d; °14,1b, vgl. ebd., 258); die meisten Varianten haben aber kein spezifisch christliches Profil, obwohl nur eine Minderheit der Varianten vorchristlichen Ursprungs sein dürfte (vgl. ebd., 87–91 über die Trenn-varianten, welche die Subarchetypen *Ib und *Ia unterscheiden). 3. VitAd (arm.georg.lat) 42,2–5 enthalten eine Weissagung von der Taufe Christi als Taufe von Adams Leib, die der Archetyp, nicht aber der Urtext von *VitAd (gr) enthalten haben dürfte, da die VitAd ansonsten in gleicher Weise jüdisches Gepräge zeigt wie die ihr zugrundeliegende ApkMos, vgl. ebd., 139–145. 4. Bei christologisch relevanten Stellen der Bilderreden des 1Hen (1Hen 37–71), die nur äthiopisch überliefert sind, und des 4. Esra wird zuweilen sekundärer Einfluss christlicher Messianologie vermutet, teils zu Unrecht, vgl. 1Hen 48,10; 4Esr 7,28; 12,32; 13,32. Eine spezielle Situation läge vor, falls Peter Schäfer recht haben sollte, der unter anderem die Menschensohnspekulationen dieser jüdischen Texte als Reaktion auf das frühe Christentum ansieht, vgl. P. SCHÄFER, Die Geburt des Judentums aus dem Geist des Christentums. Fünf Vorlesungen zur Entstehung des rabbinischen Judentums, Tria Corda 6, Tübingen 2010. 5. Die Vitae Prophetarum weisen in allen Rezensionen christliche Passagen auf, aber das Grundwerk ist jüdisch, vgl. A.M. SCHWEMER, Studien zu den frühjüdischen Prophetenlegenden (Vitae Prophetarum), Bd. 1: Die Viten der großen Propheten Jesaja, Jeremia, Ezechiel und Daniel. Einleitung, Übersetzung und Kommentar; Texte und Studien zum antiken Judentum 49, Tübingen 1995, 65–71 (66–68: über die christlichen Zusätze). 6. Christliche Sprache und Tradition dominieren in allen Rezensionen des Testamentum Salomonis. Ich meine aber, ein Grundnarrativ nachweisen zu können, das textpragmatisch nur in einem jüdischen Kontext einen Sinn ergibt, vgl. J. DOCHHORN, The Testament of Solomon. Some Preliminary Remarks, in: F. Albrecht/J. Dochhorn (Hg.), Testamentum Salomonis (erscheint demnächst in der Reihe Parabiblica [Tübingen]). 7. Das Testament Isaaks ist nur auf Sahidisch und in der Rezension der Testamenta Trium Patriarcharum (Test III) auf Bohairisch, Arabisch und Äthiopisch überliefert; vor den Überlieferungsraum der koptischen Kirche

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kreativ; vielleicht ist keine der christentumsbezogenen Referenzen bei Josephus originär (wohl aber die Erwähnung des Täufers Johannes).27 Besonders wichtig für unsere Zwecke ist eine Interpolation im Schlusskapitel der Paralipomena Jeremiae, derzufolge Jeremia ein christomorphes Martyrium erleidet, das mit einem Scheinmartyrium beginnt: Seine Gegner steinigen einen Stein, der so aussieht wie Jeremia, während Jeremia vor seinem wirklichen Martyrium unerkannt Baruch und Abimelech über noch unoffenbarte Geheimnisse informiert (vgl. Basilides über die Freude Jesu wegen der irrtümlichen Kreuzigung des Simon von Kyrene bei Irenaeus, haer. 1,24,4). Grund für das Martyrium des Jeremia ist wie in der AscJes ein explizites Christuszeugnis des Propheten, und die Gegner stellen auch fest, dass Jeremia rede wie Jesaja, streben für ihn aber eine andere Todesart an (4Baruch 9,21– 22). Anklänge an die AscJes sind unverkennbar. Dies betrifft auch einen Hang zu doketischer Christologie, die das christliche Interpolat in den Paralipomena kommen wir mit dieser Bezeugung nicht zurück, und der Großteil des Textes wird als ein Stück koptische Literatur zu interpretieren sein. Es lassen sich aber jüdische Motive nachweisen, anhand derer zu fragen ist, ob eine jüdische Basisstruktur existiert hat, vgl. J. DOCHHORN, Das Testament Isaaks nach den sahidischen Textzeugen und dem bohairischen Paralleltext. Eine synoptische Übersicht mit kritischen Anmerkungen, in: D. Bumazhnov (Hg.), Christliches Ägypten in der spätantiken Zeit. Akten der 2. Tübinger Tagung zum Christlichen Orient (7.–8. Dezember 2007), Studien und Texte zu Antike und Christentum o.Z., Tübingen 2013, 261–329, speziell die Anmerkungen 73 (289); 80 (290–291); 86 (292); 109 (297); 167 (315); 189 (322), die auf jüdische Traditionshintergründe (oder ein Substrat?) verweisen. 27 Das Testimonium Flavianum in Antiquitates 17,63–64 (NIESE IV,151–152) ist mindestens stark überarbeitet, vgl. die Diskussion bei G. THEISSEN/A. MERZ, The Historical Jesus. A Comprehensive Guide, London 1998 (deutsche Originalausgabe: Göttingen 1996), 64–74. Ich halte es in Gänze für eine Interpolation, weil es im Kontext eher stört, als notwendig ist, weil es in den – allerdings sehr großmaschigen – Argumenta zu Buch 18 keine Erwähnung findet (NIESE IV,138–139) und weil Origenes eher sein Nichtvorhandensein bezeugt als sein Vorhandensein, vgl. Commentarius in Matthaeum 10,17 (GCS 10,22) und dazu Contra Celsum 1,47; 2,13. Die Nachricht über die Hinrichtung „des Jakobus, des Bruders Jesu, des sogenannten Christus“ in Ant 20,200 (NIESE IV,310) ermangelt bekenntnishafter Züge und genießt daher bei THEISSEN/MERZ Vertrauen (vgl. ebd., 72), wird aber interessanterweise von Emil Schürer angezweifelt, weil Origenes in Comm in Mt 10,17; Contra Celsum 1,47; 2,13 (s.o.) dem Josephus eine Version des Jakobusmartyriums mit klar erkennbar christlichen Zügen zuschreibt, was Schürer auf christliche Interpolationstätigkeit in Josephus, Ant. 20,200 zurückführt (der dann auch die uns erhaltene kurze Christusreferenz sich verdankt habe), vgl. E. SCHÜRER, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi. Bd. 1, Leipzig 1901–1909 (Nachdruck: Hildesheim 1964), 581–583 (speziell Anm. 45; 46 [dort auch Literatur]). Die Nachricht über Johannes in Ant. 18,116–119 (NIESE IV,161–162) ist echt; die dort erkennbare Sympathie mit Johannes und der Johannestaufe harmoniert mit dem Interesse des jungen Josephus für den wohl ähnlich gelagerten Eremiten Bannus und seinen Reinigungsriten, vgl. Vita 11 (NIESE IV,323), anders R. NIR, Josephus’ Account of John the Baptist. A Christian Interpolation?, Journal for the Study of the Historical Jesus 10 (2012), 32–62.

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Jeremia indirekt, dafür aber etwa so krass wie Basilides zum Ausdruck bringt, und die Ascensio direkter und weniger krass, wenn sie in AscJes 6–11 den verborgenen Abstieg Christi vom Himmel und seine verborgenen Geburt vor Augen führt, freilich ohne das Kreuzesleiden einzuschränken. 6. Die Allgegenwart von Zitaten und speziell die Existenz schwer herleitbarer Zitate (und Allusionen) legte es nahe, auch für bündige Worte christlicher Schriften einen Hintergrund zu vermuten, und hier vermutete man vielfach Parabiblica: Ein Beispiel findet sich bei Gregorius Syncellos, wo 1Kor 2,9 auf die Apokryphen des Elia, das Wort über die Bedeutungslosigkeit der Beschneidung in Gal 6,15 auf die Apokalypse des Mose (es ist nicht diejenige, über welche ich zu forschen pflege) und Eph 5,14 auf die Apokryphen des Jeremia zurückgeführt werden, vielleicht aufgrund älterer Traditionen.28 Ähnliches liegt wohl zugrunde, wenn Gregor von Nyssa Jeremias Worte zur Herzensbeschneidung zuspricht, die stark an Röm 2,28–29 erinnern.29 7. Mehr und mehr kamen spezifisch christliche Dicta in Umlauf, die man mit alttestamentlichen Propheten assoziierte, oft anscheinend sekundär, da sie auch als anonyme Schriftworte kursieren. Bei diesen Prophetenworten haben wir es mit Agrapha im eigentlichen Sinne des Wortes zu tun (vgl. Anm. 21). Justin etwa zitiert eine erkennbar christliche Esra-Prophetie, die Juden angeblich aus dem Esrabuch entfernt hätten, vgl. Dialogus cum Tryphone 72,2 (GOODSPEED 182) und dazu Lactantius, Divinae Institutiones IV,18,22 (CSEL 19,355–356).30 Unter dem Namen des Hesekiel ist eine leicht doketisch anmutende Weissagung zur Jungfrauengeburt im Umlauf gewesen über eine Kuh, die gebar und doch nicht gebar, vgl. Tertullian, De Carne Christi 23,6 (CCSL 2,915).31 Jeremia wiederum ist ein Wort über den Descensus ad inferos zugewiesen worden, vgl. Justin, Dialogus cum Tryphone 72,4 (Goodspeed, 182).32 8. Gleich mehrere Prozesse christlicher Aneignung und Neuschöpfung von Alttestamentlichem und zugleich einer christlichen Parabiblizität begegnen in der – nur wenige Zeilen umfassenden – Prophetia Jeremiae ad Pashur.33 Sie knüpft an den Konflikt zwischen Jeremia und Pashur in Jer 20 an, die dort in eine Pashur betreffende Unheilsprophetie ausläuft. Die apokryphe Prophetia 28 Vgl. A.A. MOSSHAMMER, Georgii Syncelli Ecloga Chronographica, Bibliotheca Teubneriana, Leipzig 1984, 27 (DINDORF, 48). 29 Vgl. RESCH, Agrapha (s. Anm. 21), 316f, zu Logion, 39. 30 Vgl. ebd., 304f., zu Logion 16. 31 Vgl. ebd., wo Parallelen bei Clemens Alexandrinus, Epiphanius und Gregorius von Nyssa aufgeführt werden, in denen ähnlich lautende Prophetenworte anonym bleiben. 32 Vgl. ebd., 320–322 zu Logion 45, wo fünf Parallelbelege aus Irenäus aufgeführt werden. 33 Ich übernehme den Titel und manche der nachfolgenden bibliographischen Angaben von J.-C. HAELEWYCK, Clavis Apocryphorum Veteris Testamenti, Turnhout 1998, 187f § 228.

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Jeremiae ad Pashur nun weissagt dem Pashur das Unrecht, welches die Juden Christus antun werden, in der Hauptsache aber den Verrat Jesu für 30 Silberlinge und den Erwerb des Töpferackers, vgl. Mt 27,3–10. Bezeugt ist sie in sahidischen Lektionarien der stillen Woche; zugänglich ist mir der Text aus Codex Borgianus sahidicus Nr. 99 nach Zoëga, wo sich der christologischen Weissagung Kontext aus Jer 20 anschließt.34 Sie findet sich ferner in einem Oxforder Lektionar (Huntingdonianus 5), das ebenso der stillen Woche gewidmet ist; dort ist es der ersten Stunde des Karfreitag zugeordnet und bietet nur die christologische Weissagung.35 Ebenfalls nur die christologische Weissagung findet sich auch in einer bohairischen Version, die Tattam aus einem bohairischen Lektionar zitiert.36 In der arabischen Überlieferung ist die christologische Weissagung sowohl unabhängig bezeugt wie auch in Jer 20 eingearbeitet.37 In äthiopischen Handschriften bildet sie – offenbar in der Regel – einen separaten Anhang zum Jeremiabuch, sie kommt in der vierbändigen Diglotte (Geez/Amharisch) aus dem Jahre 1927 vor und ebenfalls in der amharischen Bibelübersetzung aus dem Jahre 1960, die auf die Initiative des Kaisers Haile Selassie zurückgeht.38 Sie hat damit eine Stellung, die derjenigen 34 Vgl. G. ZOËGA, Catalogus Codicum Copticorum Manu Scriptorum qui in Museo Borgiano Velitris Adservantur. Avec une introduction historique et des notes biblio-graphiques par J.-M. Sauget, Hildesheim 1973 (Nachdruck der Ausgabe Rom 1810), 216. 35 Vgl. A. ERMAN, Bruchstücke der oberaegyptischen Uebersetzung des alten Testamentes. Aus den Nachrichten von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg August Universität zu Göttingen, Jahrgang 1880, Nummer 12, Göttingen 1880, 3–5 (über den Inhalt des Lektionars), 34 (Prophetia Jeremiae ad Pashur). 36 Vgl. H. TATTAM, Prophetae Majores in Dialecto Linguae Aegyptiacae Memphitica seu Coptica Edidit cum Versione Latina, Bd. 1, Oxford 1852 (Nachdruck: Hildesheim 1989), V– VI. 37 Vgl. A. VACCARI, Le versione arabi dei profeti, Biblica 3 (1922), 401–423 (420–423): arabischer Text, basierend auf vier Handschriften und Teil einer arabischen Version des Jeremiabuches, die Vaccari auf einen Übersetzer namens Pethion aus dem 9. Jahrhundert zurückführt; er nimmt an, dass diese arabische Version der Prophetie den koptischen Versionen gegenüber Priorität habe, u.a. weil die bohairische Version bei TATTAM (s. Anm. 36) das arabisierende aFJos nlafaKSwr („er sagte zu Phachschor“) hat, was aber auch auf unwillkürliche Interferenz aus der arabischen Muttersprache des Schreibers zurückgeführt werden könnte; vgl. ferner A. VACCARI, Ancora l‘ „Apocryphum Ieremiae“, Biblica 4 (1923), 312–314: arabische Lesarten zu dem in Biblica 3 veröffentlichten Text aus dem Kitâbu ddurri ttamîn (Liber margaritarum pretiorosarum) nach vatikanischen Codices (S. 314) mitsamt einer lateinischen Übersetzung des Textes nach einem Zitat des Dominicus Magrius (17. Jh.) bei Henricus de Bukentop (17./18. Jh.) auf S. 312. 38 Vgl. M.A. GARCÍA, Prophets, Biblical, Encyclopaedia Aethiopica 4 (2010), 220–222, sowie vor allem P. BRANDT, Geflecht aus 81 Büchern. Zur variantenreichen Gestalt des äthiopischen Bibelkanons, Aethiopica 3 (2000), 79–115 (103). Zur Bibel-Diglotte (Ethiopian Manuscript Microfilm Library = EMML 720; 673; 739) vgl. ebd., 111f.: Die EMMLHandschriften sind Kopien. In der Kopier-Vorlage war die Proph Pas noch Teil des Corpus Jeremiacum, in der Kopie gehört sie einem Apokryphen-Band an. Brandt vermutet bei

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des Baruchbuches, des Jeremiabriefes und der Klagelieder des Jeremia analog ist: Sie ist Teil des Corpus Jeremiacum. Auch eine amharische AndemtaKommentierung ist belegt.39 Eine Aufarbeitung des Überlieferungsbestandes und eine Rekonstruktion des Urtexts der Prophetia Jeremiae ad Pashur steht aus; hier lässt sich nur eine Vermutung zu ihrer Entstehungsgeschichte und Pragmatik skizzieren: Am Anfang des Textentstehungsprozesses dürfte Mt 27,9–10 gestanden haben, wo Matthäus als Schriftgrund für die Geschichte vom Verrat Jesu und vom Erwerb des Töpferackers recht frei Sach 11,13 zitiert und – vielleicht durch Gedächtniszitation bedingt – fehlerhaft Jeremia zuschreibt.40 Diese Nachlässigkeit legte die Vermutung nahe, dass es eine entsprechende JeremiaProphetie geben müsse. Eine solche Vermutung äußert Origenes in Commentariorum Series ad Matthaeum 117 (GCS 38,250); sie ist deutlich als These erkennbar. Hieronymus weiß in seinem Kommentar zu Mt 27,9–10 dann schon von einem hebräischen Nazarener zu berichten, der ihm ein apokryphes Jeremiabuch mit einem Korrelat zu Mt 27,9–10 gezeigt habe (vgl. In Matthaeum IV, Zeilen 1525–1527 nach CCSL 77,263). Hier scheint aus der Gedächtnisverirrung des Matthäus parabiblische Fortschreibung geworden zu sein. Eine ähnliche Pragmatik mag bei der Prophetia Jeremiae ad Pashur vorliegen, mag diese nun auf die von Hieronymus erwähnte Quelle zurückgehen oder nicht. In ihrer koptischen, arabischen und äthiopischen Überlieferung scheinen indes gleich mehrere Darbietungsformen des NeoAlttestamentlichen vorzuliegen, ohne dass die ursprüngliche Darbietungsform sicher bestimmt werden könnte: Die Prophetie begegnet separat, und zwar als Bibeltext unter Bibeltexten in Lektionaren genauso wie als biblischer Appendix zum Jeremiabuch, sie begegnet ferner separat mit Materialien aus dem biblischen Bezugskontext (Jer 20), und sie erscheint auch gelegentlich in diesen interpoliert (so vor allem im arabischen Überlieferungsbereich). Die Ascensio Jesaiae ist eine große Jesajaprophetie, die sich ähnlich wie die im Vergleich nur sehr kurze Prophetia Jeremiae ad Pashur auf ein kanonisches diesem Re-arrangement westlichen Einfluss. Zur amharischen Kaiser-Bibel aus dem Jahre 1960 (äthiopisch: 1953) vgl. ebd., 112; hier gehört die Proph Pas zum Corpus Jeremiacum. Zu Ausgaben des äthiopischen Textes vgl. die Angaben bei HAELEWYCK, Clavis Apocryphorum (s. Anm. 33). 39 Vgl. hierzu R.W. COWLEY, Ethiopian Biblical Interpretation. A Study in Exegetical Tradition and Hermeneutics, University of Cambridge Oriental Publications 38, Cambridge 1988, 460: Hinweis auf die Handschrift Cowley 30 in der British Library. Sie ist dort einsehbar, sofern es gelingt, das Personal von ihrer Existenz zu überzeugen. Die Handschrift ist wenig umfangreich und deckt nur Teilbereiche des Corpus Jeremiacum ab (vgl. ebd., 476). Sie ist von H̱ajlä Marjam Berhe kopiert worden (im Auftrag von Cowley?; vgl. ebd.); geschrieben ist sie in blauer Schrift (wohl Kugelschreiber), die für mich nahezu unleserlich ist. 40 Zu Mt 27,9–10 vgl. E. KLOSTERMANN, Das Matthäusevangelium, Handbuch zum Neuen Testament 4, Tübingen 41971, 218f., der die Prophetia Jeremiae ad Pashur unerwähnt lässt.

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Referenzbuch bezieht; sie ist ähnlich wie diese in äthiopischen Handschriften ein Appendix zu ihrem Referenzbuch, so dass es dort also auch ein Corpus Isaianicum gibt (allerdings wohl seltener; die Ascensio Jesaiae ist in äthiopischen Bibelhandschriften anders als die Appendixschriften des Corpus Jeremiacum nicht sehr oft bezeugt, und sie fehlt der Diglotte genauso wie in der Kaiser Haile Selassie-Bibel).41 Wie die Prophetia Jeremiae ad Pashur ist die Ascensio Jesaiae auch vom Matthäusevangelium abhängig (s. passim in § II,9). Ähnlich wie einige der oben unter 7. aufgeführten Prophetica agrapha räumt sie dem Motiv der Jungfrauengeburt – mit leicht doketischer Färbung – sehr viel Platz ein (vgl. AscJes 11,1–11) und interessiert sich für den Descensus ad inferos (vgl. AscJes 4,21; 9,16). Wie der christliche Zusatz in den Paralipomena Jeremia hebt sie die Analogie zwischen Jesajas Martyrium und der Kreuzigung Christi hervor (vgl. AscJes 1,13; 8,12); krass doketisch ist ihre Vorstellung vom Leiden Christi nicht, aber immerhin gibt es das Motiv der Verwandlung Christi bei seinem Abstieg von siebten Himmel, dem ein doketisches Moment innewohnt (Christus verbirgt sein überengelhaftes Wesen gegenüber Engeln, vgl. AscJes 10,8–11, und er verbirgt es auch durch seine Menschwerdung, vgl. AscJes 11,16). Es scheint, als habe es im Christentum eine Tendenz gegeben, Propheten mehr und mehr im explizit christlichen Sinne reden und erleben zu lassen. Dies geschieht auf verschiedene Art, etwa durch Interpolation kanonischer Schriften oder aber durch christliche Zusätze zu Parabiblica. Ein recht bedeutsamer Faktor scheint dabei ein Phänomen zu sein, das ich als Gedächtnisfortschreibung bezeichnen möchte: Schrift wird nicht hier nicht mehr interpoliert, sondern es wird ihr durch Zitatzuschreibung etwas unterstellt, etwa indem Jeremia-Weissagungen auftauchen, die man dem kanonischen Buch nicht zuordnen kann. Je konturierter die Propheten dabei christlich reden und erleben, desto mehr tauchen auch inhaltliche Gemeinsamkeiten mit der Ascensio Jesaiae auf. Irgendwann kam dann jemand auf die Idee, mit der AscJes ein christliches Parabiblicum zu verfassen. Man hatte ja schon welche aus dem Judentum übernommnen. Ein vergleichsweise rezentes Produkt, das vierte Esrabuch, mag in besonderer Weise inspirativ gewirkt haben, vielleicht, 41 Den Handschriftenbeschreibungen PERRONEs (s. Anm. 2) ist zu entnehmen, dass in den Handschriften A, B, E, F, G, H, I und L die Ascensio Jesaiae auf das Jesajabuch folgt, vgl. ebd. 6; 10; 14–15; 16–17; 19; 21; 24; 25. In C ist sie ausweislich ebd., 12, mit dem vierten Esrabuch und der Baruchapokalypse verbunden (wohl der äthiopischen, vgl. HAELEWYCK, Clavis Apocryphorum [s. Anm. 33], 194–195 § 237. In D (der Handschrift Abbâ Garimâ 2 [3?]) erscheint sie mit den Evangelien assoziiert (vgl. ebd., 4), ein Umstand, der näher zu untersuchen ist. In EAP 357/1/11 (s. Anm. 2) steht die AscJes für sich allein. Wir kennen also acht äthiopische Jesaja-Textzeugen mit der AscJes als Appendix; das dürfte nur eine Minderheit der Jesaja-Textzeugen sein. Zur Diglotte und zur Kaiser Haile Selassie-Bibel vgl. die Angaben bei BRANDT, Geflecht aus 81 Büchern (s. Anm. 38): Die AscJes wird dort nicht erwähnt.

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weil man Esra auch als Verfasser mindestens einer christlichen Prophezeiung kannte (vgl. oben unter Nr. 7). Irgendwann im zweiten Jahrhundert wird dies geschehen sein, in welchem Milieu und wann genau, muss hier offen bleiben.

Petrusoffenbarung, Christusoffenbarung und ihre Funktion: Autoritätskonstruktion in der Petrusapokalypse Tobias Nicklas Beginnend mit der Johannesapokalypse zeigt sich im frühen Christentum ein interessantes Phänomen: Apokalyptische Texte werden nun nicht mehr alleine großen Figuren der Vergangenheit oder gar der „grauen“ Vorzeit zugewiesen, sondern bekannten Gestalten der eigenen Gegenwart oder der jüngeren Vergangenheit. Ich denke in diesem Zusammenhang nicht nur an die eigentlich als „Enthüllung Jesu Christi“ (Apk 1,1) betitelte Johannesapokalypse, sondern auch an den Hirten des Hermas, die griechische/äthiopische Petrus- oder die Paulusapokalypse. Zur gleichen Zeit knüpfen andere Schriften wie 5. Esra,1 die Ascensio Jesaiae oder die Apokalypsen Abrahams und Elias weiterhin an Figuren an, die bereits im Alten Testament eine wichtige Rolle spielen. Dies kann bekanntlich so weit gehen, dass die Differenzierungen zwischen den Kategorien „jüdisch“ und „christlich“ bei einigen der Texte kaum mehr angemessen erscheinen,2 ja die Diskussion, ob und wie sich ein bestimmter Text in „frühes Christentum“ oder „frühes Judentum“ einordnet, den Blick auf dessen eigenes Selbstverständnis zu verstellen droht.3 Unsere üblichen Kategorien geraten hier, bei apokalyptischer Literatur, besonders schnell an Grenzen. Diejenigen Apokalypsen früher Jesus- bzw. Christusanhänger – ich vermeide von nun an bewusst die Bezeichnung „Christen“, weil diese (vor allem

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6. Esra wiederum bietet für sich keinen Bezug zu Esra. Dieser entsteht erst durch die Verbindung mit 4. Esra. 2 Darüber hinaus finden sich regelmäßig Elemente, die sich auf griechisch-römische Religiosität zurückführen lassen. Hierzu z.B. T.J. KRAUS, Acherousia und Elysion. Anmerkungen im Hinblick auf deren Verwendung auch im christlichen Kontext, Mn. 56 (2003), 145–163. 3 Hierzu etwa am Beispiel der Ascensio Jesaiae M. HENNING/T. NICKLAS, Questions of Self-Designation in the Ascension of Isaiah, in: J. Bremmer/T. Karmann/T. Nicklas (Hg.), The Ascension of Isaiah, Studies in Early Christian Apocrypha 11, Leuven 2016, 175–198, oder (am Beispiel der Petrusapokalypse) T. NICKLAS, Jewish, Christian, Greek? The Apocalypse of Peter as a Witness of Second Century Christianity in Alexandria, in: L. Arcari (Hg.), Beyond Conflicts. Cultural and Religious Cohabitations in Alexandria and in Egypt between the 1st and the 6th century CE, STAC 103, Tübingen 2017, 27–46.

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als Abgrenzung gegenüber „Juden“)4 in den für uns interessanten Texten normalerweise nicht begegnet –, die sich bewusst auf wichtige Gestalten der apostolischen oder gar nachapostolischen Zeit zurückführen, verwenden verschiedene Techniken der Autorisierung der für sie entscheidenden Figuren. Dass der Hirt des Hermas die Identität seines Autors offenbar nicht verschleiert und auf eine Person zurückzugehen scheint, welche, wie das Muratorische Fragment nahe legt, tatsächlich eine noch im Rom des ausgehenden 2. Jahrhunderts bekannte Gestalt der nachapostolischen Zeit gewesen sein dürfte, ist dem Text mit einiger Wahrscheinlichkeit zum Verhängnis geworden: Zwar vor allem im Ägypten der vorkonstantinischen Zeit beliebt, kam der Schrift wohl zu keiner Zeit und in keiner Region der alten Kirche „kanonischer“ Rang zu, obwohl sie weiterhin in verschiedenen Kontexten – z.B. zur Belehrung von Katechumenen – verwendet werden durfte.5 Auch im Zusammenhang mit der Johannesapokalypse wurde bereits in der Antike diskutiert, ob der Text auf den Apostel Johannes zurückgehen könne, der das Evangelium und die Briefe verfasst habe (vgl. Dionysios von Alexandrien bei Eusebius von Caesarea, h.e. 7,24–25). Die Frage nach der Pseudepigraphie dieses Texts wird – auf anderer Ebene – bis heute gestellt.6 Die Petrusapokalypse wiederum wurde zumindest bei einigen Autoren vor allem des Ostens, aber auch Roms gelesen, verarbeitet und hie und da zitiert,7 doch scheint sie sich nirgends so weit und eindeutig durchgesetzt zu haben, dass sie schließlich im fortschreitenden dritten und schließlich vierten Jahrhundert, als der Kanon des Neuen Testaments auch an seinen Rändern zunehmend klarer definiert wurde, in diesen aufgenommen wurde. Die Tatsache, dass ihre Spuren sich ab dem 5. Jahrhundert mehr und mehr verlieren und sie auch kaum mehr als Schrift „zweiter Kategorie“ gelesen wurde, dürfte sich wohl auch der in einer Zeit zunehmender Bekehrungen ungleich interessanteren Apokalypse 4 Der Begriff Ἰουδαῖος taucht immerhin in den bekannten problematischen Stellen von der Synagoge Satans in Apk 2,9 und 3,9 auf. Er scheint dabei als ehrenvolle Bezeichnung verstanden zu sein, der den Gegnern nicht zugestanden werden soll. 5 Zur Verbreitung des Hirten im vorkonstantinischen Ägypten vgl. T. NICKLAS, Christliche Apokalypsen in Ägypten vor Konstantin: Kanon, Autorität, kontextuelle Funktion, in: T.J. Kraus/M. Sommer (Hg.), The Book of Seven Seals. The Peculiarity of Revelation. Its Manuscripts, Attestation, Transmission, WUNT 363, Tübingen 2016, 95–118 (106–110), sowie M. CHOAT/R. YUEN-COLLINGRIDGE, The Egyptian Hermas. The Shepherd in Egypt before Constantine, in: T.J. Kraus/T. Nicklas (Hg.), Early Christian Manuscripts. Examples of Applied Method and Approach, TENT 5, Leiden u.a. 2010, 191–212. 6 Vgl. die Gedanken von J. FREY, Das Corpus Johanneum und die Apokalypse des Johannes. Die Johanneslegende, die Probleme der johanneischen Verfasserschaft und die Frage nach der Pseudonymität der Apokalypse, in: S. Alkier/T. Hieke/T. Nicklas (Hg.), Poetik und Intertextualität der Johannesapokalypse, WUNT 346, Tübingen 2015, 71–133 (118–133). 7 Vgl. die Übersicht über explizite Zitate in T.J. KRAUS/T. NICKLAS, Das Petrusevangelium und die Petrusapokalypse. Die griechischen Fragmente mit deutscher und englischer Übersetzung, GCS NF 11, Berlin u.a. 2004, 87–100.

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des Paulus verdanken.8 Trotz all dem scheint die Petrusapokalypse mit ihrer Konstruktion von Autorität durchaus Erfolg gehabt zu haben. Die Frage, mit welchen literarischen Mitteln der Text dabei vorgeht, wurde m.E. nie wirklich gestellt. Mein Antwortversuch setzt einerseits an der Darstellung und Rolle der Figur des Petrus an, die in der Petrusapokalypse entwickelt wird, ich versuche aber andererseits zu zeigen, dass der Text auch aufgrund des von ihm entwickelten Christusbildes einen Anspruch kreiert, „autoritative Offenbarung“ zu sein. All dies wiederum mündet in die Fragestellung, inwiefern gerade eine solche Autoritätskonstruktion der erkennbaren Funktion des Textes gerecht wird. Bei meiner Durchsicht konzentriere ich mich auf die allein vollständig erhaltene äthiopische Version der Petrusapokalypse,9 ziehe aber, weil deren Verhältnis zu einem ursprünglich erhaltenen Text des 2. Jahrhunderts im Detail offen bleiben muss, ja der Text an einigen Stellen sicher korrupt scheint,10 wo es möglich ist, die erhaltenen griechischen Fragmente heran. Da das umfangreichste erhaltene griechische Fragment – aus demselben Akhmim-Codex, in dem das Evangelium nach Petrus überliefert ist – jedoch gegenüber allen anderen Zeugnissen so deutliche Abweichungen aufweist, dass man zumindest von einer stark redigierten Fassung, wenn nicht einem eigenständigen Apokry-

8 Letzte Zeichen ihrer Rezeption bieten sich bei Sozomenos, h.e. 7,19,9, der noch im 5. Jahrhundert die liturgische Verlesung des Textes am Karfreitag in einigen Gemeinden Palästinas voraussetzt. Wenig bekannt ist zudem, dass sich eine beim Pilger von Bordeaux (Itin. Burd. 18, 4. Jh.) erhaltene, mit dem Ölberg verbundene Tradition einer Erscheinung Moses und Elijas wohl auf die Verklärungsgeschichte der Petrusapokalypse beziehen dürfte. Hierzu T. NICKLAS, Beyond Canon: Christian Apocrypha and Pilgrimage, in: T. Nicklas/ C. Moss/C.M. Tuckett/J. Verheyden (Hg.), The Other Side: Apocryphal Perspectives on Ancient Christian Orthodoxies, NTOA 117, Göttingen 2017, 23–38 (31). 9 Da die für die Reihe CCSA angekündigte kritische Edition weiter auf sich warten lässt, gehe ich hier von dem Text aus, den P. MARRASSINI, L’Apocalisse di Pietro, in: Y. Beyene/R. Fattovich/P. Marrassini/A. Triulzi (Hg.), Etiopia e oltre. Studi in onore di Lanfranco Ricci, Neapel 1994, 171–232 (221–232), vorgelegt hat. Vgl. zudem D.D. BUCHHOLZ, Your Eyes Will be Opened: A Study of the Greek (Ethiopic) Apocalypse of Peter, SBL.DS 97, Atlanta 1988. 10 Zu erwähnen ist z.B. das in 10,5−6 begegnende Motiv der Herstellung und Verehrung von Tierbildern, z.B. Löwen und Katzen, das, wie schon R.E. BAUCKHAM, The Apocalypse of Peter. A Jewish Christian Apocalypse from the Time of Bar Kokhba, in: Ders. The Fate of the Dead. Studies on Jewish and Christian Apocalypses, NT.S 93, Leiden u.a. 1998, 160– 258 (186), zeigt, nicht in den griechischen Parallelen vorliegt und so wohl erst im Verlauf der Überlieferung in den Text eingedrungen sein mag. Hierzu siehe auch die Argumentation in T. NICKLAS, „Insider“ und „Outsider“: Überlegungen zum historischen Kontext der Darstellung „jenseitiger Orte“ in der Petrusapokalypse, in: W. Ameling (Hg.), Topographie des Jenseits: Studien zur Geschichte des Todes in Kaiserzeit und Spätantike, Altertumswissenschaftliches Kolloquium 21, Stuttgart 2011, 35–48 (46).

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phon sprechen sollte, möchte ich es, im Folgenden als Akhm. bezeichnet, nur vorsichtig heranziehen.11 Obwohl der erhaltene Text fast von Beginn an in der 1. Ps. Pl. erzählt wird,12 taucht Petrus selbst zum ersten Mal explizit erst in Kapitel 2 auf,13 wo er – als Ich-Erzähler – auf die Christusrede zum Feigenbaum antwortet und eine weiterführende Frage stellt. Die Antwort des Herrn ist an Petrus und nicht mehr an die gesamte „Wir-Gruppe“ seiner Anhänger (ApkPetr 1,1) gerichtet. Obwohl die anderen Jünger damit nicht abwesend gedacht sind, wird Petrus somit als Sprecher ihrer Gruppe zum besonderen Offenbarungsempfänger. Nach einer ersten Belehrung über das Feigenbaumgleichnis zum Ende der Zeiten erfolgt, ohne größere Begründung mit einfachem „und er zeigte mir“ angeschlossen, eine Vision: Christus zeigt in seiner rechten Hand die Seelen aller Menschen und auf seinem Handteller die Ereignisse des Jüngsten Tages (ApkPetr 3,1). Der erhaltene Text ist, was die Frage betrifft, wem alles diese Vision zuteilwird, nicht ganz konsistent: Zunächst scheint Petrus alleiniger Adressat, dann alle Anwesenden („wir sahen“; ApkPetr 3,3), dann wieder wird Petrus zum Sprecher der Anwesenden, der sich, ein häufig in Jenseitsreisen bzw. Jenseitsvisionen beobachtbares Motiv, dabei zum Anwalt der Verurteilten macht, ja von Christus als Gottesstreiter bzw. Gottesgegner bezeichnet wird (ApkPetr 3,4–5). Die Antwort Christi richtet sich wieder ganz an ihn; sie reicht nun über mehrere Kapitel, in denen Petrus als Erzähler vollständig aus dem Blick gerät. Mit anderen Worten: Würden die Kapitel 4–6 zu den Ereignissen des Jüngsten Tages sowie Abschnitt 7,1–14,3 mit ihren Beschreibungen höllischer Straforte (ApkPetr 7–12), der den Gerechten gewährten Belohnung sowie des ewigen Reiches Christi (ApkPetr 13,1–14,3) alleine für sich vorliegen, könnte niemand vermuten, dass es sich bei diesem Text um eine Petrusapokalypse bzw. einen irgendwie gearteten petrinischen Text handele. Von Petrus ist erst wieder in ApkPetr 14,4–5, der Prophezeiung des Petrusmartyriums in der „Stadt des 11 Ich halte es durchaus für möglich, dass dieses Fragment und das Fragment des Petrusevangeliums in Akhm. zusammengehören, ja als Fragmente eines apokryphen Texts gelesen werden wollen. Hierzu vgl. die Argumentation in T. NICKLAS, Zwei petrinische Apokryphen im Akhmim-Codex oder eines? Kritische Anmerkungen und Gedanken, Apocrypha 16 (2005), 75–96, sowie DERS., Das apokryphe Petrusevangelium: Stand und Perspektiven der Erforschung, in: L. Roig Lanzillota/I. Muñoz Gallarte (Hg.), Greeks, Jews and Christians. Historical, Religious and Philological Studies in Honor of Jesús Peláez de Rosal, Estudios de Filología Neotestamentaria 10, Cordoba 2013, 337–369 (346–349). 12 Bereits Apk 1,1 bietet einen Bruch der Erzählperspektive. Der Text setzt ein als Erzählung in der 3. Ps. Sg., kippt aber sogleich in die 1. Ps. Pl. 13 Auch im Petrusevangelium aus Akhmim eröffnet sich die (ps-)petrinische Erzählperspektive nicht unmittelbar. Ausführlicher zur Funktion des Petrus in diesem Text vgl. J. FREY, „Apokryphisierung“ im Petrusevangelium: Überlegungen zum Ort des Petrusevangeliums in der Entwicklung der Evangelienüberlieferung, in: J. Schröter (Hg.), The Apocryphal Gospels Within the Context of Early Christian Theology, BETL 260, Leuven u.a. 2013, 157–195 (171–174).

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Westens“, die Rede. Die Kapitel 15–17 wiederum bilden eine Art Schlussrahmen um die Visionen der Kapitel 4–14. Nachdem die Ereignisse von Kapitel 1 ab auf dem Ölberg spielten, spricht ApkPetr 15,1 nun vom „heiligen Berg“ (vgl. Akhmim 4: dem „Berg“), was, will man die griechische Fassung für ursprünglich halten, den bereits in Kapitel 1 erwähnten Ölberg, wofür auch die Vermischung von Verklärung und Himmelfahrtsszene spricht, in der äthiopischen jedoch eher den Zionsberg meinen dürfte.14 Erneut zeigt sich die schon in Kapitel 3 zu beobachtende leichte Inkonsistenz: Der „Herr Jesus“ spricht „zu mir“ (ApkPetr 15,1), fordert jedoch alle Jünger auf, auf den Berg zu gehen, was diese auch betend tun (15,1b).15 Kapitel 15–17 beschreiben nun – wenigstens in großen Teilen aus der Perspektive des Petrus, z.T. aber auch in der WirPerspektive – eine Szenenfolge, die in entscheidenden Zügen an die synoptischen Verklärungserzählungen (vgl. aber auch 2Petr 1,17–18)16 erinnert, d.h. eine um die Vision eines Paradieses (ApkPetr 16,2–3)17 angereicherte Erscheinung von Mose und Elija.18 Ausführlich verarbeitet wird das Motiv vom Bauen der Hütten (ApkPetr 16,7), die Himmelsstimme, eine Öffnung des Himmels und eine Begegnung der (verstorbenen) Gerechten mit dem Herrn, Mose und Elija. Anstelle zu einer Verklärung Jesu kommt es jedoch – anders als bei den Synoptikern – zu einer Entrückung nicht nur des Mose und Elija, sondern auch des Herrn. Verklärung und Himmelfahrt verschmelzen ineinander, die Ent14 Vgl. zur Lösung als Zionsberg R.E. BAUCKHAM, The Fate of the Dead. Studies in Jewish and Christian Apocalypses, NT.S 93, Leiden u.a. 1998, 192f. u. 300f.; E. TIGCHELAAR, Is the Liar Bar Kokhba? Considering the Date and Provenance of the Greek (Ethiopic) Apocalypse of Peter, in: J.N. Bremmer/I. Czachesz (Hg.), The Apocalypse of Peter, Studies on Early Christian Apocrypha 7, Leuven 2003, 63–77 (75f.), denkt hier jedoch an den Hermon. Die konkrete Geographie Jerusalems bzw. Israels scheint für den Text jedenfalls wenig interessant zu sein. 15 Dies wird nun in der Perspektive der 3. Ps. Pl. erzählt. 16 Dass ApkPetr und 2 Petr in einem Verhältnis literarischer Abhängigkeit zueinander stehen, hat R.E. BAUCKHAM, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, in: Ders., The Fate of the Dead, Studies in Jewish and Christian Apocalypses, NT.S 93, Leiden u.a. 1998, 290–303, gezeigt; ähnlich auch T.J. KRAUS, Sprache, Stil und historischer Ort des zweiten Petrusbriefes, WUNT II/136, Tübingen 2001, 387–396. Dass dabei jedoch nicht 2Petr älter ist, sondern umgekehrt die Petrusapokalypse als Quelle des kanonischen Textes zu verstehen ist, hat überzeugend W. GRÜNSTÄUDL, Petrus Alexandrinus: Studien zum historischen und theologischen Ort des zweiten Petrusbriefes, WUNT II/353, Tübingen 2013, 97–143, nachgewiesen. 17 Hierzu ist demnächst eine ausführliche Auseinandersetzung in der Habilitationsschrift von Dr. Heike Hötzinger zu erwarten. 18 Zur griechischen Fassung dieser Szene in Akhm. vgl. T. NICKLAS, „Our Righteous Brethren“: Some Remarks Regarding the Description of the „Righteous Ones“ according to the Greek Revelation of Peter, in: A. Houtman/A. De Jong/M. Misset Van de Weg (Hg.), Empsychoi Logoi. Religious Innovations in Late Antiquity. Studies in Honour of Professor Pieter Willem Van der Horst, Ancient Christianity and Judaism 73, Leiden u.a. 2008, 329– 346.

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rückung der drei wiederum ermöglicht abschließend eine Schau des offenen Himmels. Bereits aus diesem knappen Überblick ergeben sich erste Beobachtungen:

1. Petrusoffenbarung Die Figur des Petrus ist mit dem Gesamtplot der Petrusapokalypse weniger verzahnt als etwa der Seher Johannes mit der Johannesapokalypse. Zwar wissen wir von Letzterem weder als historischer Figur sehr viel, noch gibt die „erzählte Welt“ der Johannesapokalypse über die knappen Informationen aus Apk 1,9–10 hinaus relevante Informationen über die Erzählfigur „Johannes“, der hinter seiner Aufgabe als „Seher“ vollkommen zurücktritt. Mit seinem „und ich sah“ ist der Seher als Seher jedoch praktisch durchgehend präsent; die Kapitel 4–13 der Petrusapokalypse dagegen haben – zumindest auf den ersten Blick – mit Petrus nichts zu tun. Auch ihre Verzahnung mit den Rahmenteilen bleibt wenigstens auf den ersten Blick locker. In diesen wiederum tritt Petrus wie in den synoptischen Evangelien als Sprecher der Jünger (ApkPetr 1,1; 15,1) auf, welche im griechischen Akhmim-Fragment präziser als „die Zwölf“ (Akhm. 5) beschrieben sind.19 Die Schwankungen und Inkonsistenzen der Erzählperspektive des erhaltenen Textes lassen sich m.E. – will man die sicherlich auch eine Rolle spielenden Unsicherheiten der Textüberlieferung zunächst ausblenden – einfach damit erklären, dass ein (die Perspektiven hier und da verwischendes) Zueinander von „Jüngern“ und „Petrus“ Petrus noch klarer zum Sprecher macht, als dies bei einer pur petrinischen Perspektive der Fall wäre, wie sie etwa die koptische Petrusapokalypse aus Nag Hammadi durchhält (NHC VII,3).20 Da die Rahmenteile, wie schon Richard Bauckham gezeigt hat, ihren Hintergrund im Matthäusevangelium finden, dessen Endzeitvisionen wie auch Verklärungsszene sie weiterentwickeln,21 stellt sich die Frage, welche Teile des matthäischen Petrusbildes in der Petrusapokalypse verarbeitet sind und inwiefern sie eine Rolle für die Autoritätskonstruktion der Schrift spielen. Zu den klarsten Aspekten, in denen das Profil der matthäischen Petrusfigur hervortritt, 19

Die Frage, ob Judas hier noch unter den Zwölf mitzudenken ist, spielt für den Text keine Rolle. 20 Zum Petrusbild dieses Textes, der sich wohl mit Jean-Daniel Dubois als basilidianisch einordnen lässt, vgl. knapp W. GRÜNSTÄUDL/T. NICKLAS, Petrus II (in der Literatur), RAC 27 (2015), 399–427 (421), sowie T. NICKLAS, „Gnostic“ Perspectives on Peter, in: H.K. Bond/L.W. Hurtado (Hg.), Peter in Early Christianity, Grand Rapids 2015, 196–221 (211– 214). 21 Vgl. z.B. R.E. BAUCKHAM, The Two Fig Tree Parables in the Apocalypse of Peter, JBL 104 (1985), 269–287. Dies heißt natürlich nicht, dass Matthäusrezeption nur in den Rahmenteilen erkennbar wäre.

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gehört sicherlich die Bekenntnisszene aus Mt 16,13–20, die ihre Parallelen in Mk 8,27–30/Lk 9,18–21 findet, jedoch in V.16b–19 weit über die synoptischen Parallelen hinausgeht. Falls die Petrusapokalypse nicht nur das Matthäusevangelium voraussetzt, sondern auch ein Publikum anspricht, dem Mt wenigstens in entscheidenden Bezügen bekannt ist, muss natürlich das Petrusbekenntnis nicht wiederholt werden, um die sich daraus ergebende Autorität des Petrus einzuspielen – es ist einfach vorauszusetzen. Dies ist möglich, lässt sich aber wohl kaum mehr nachweisen. Soweit ich sehe, setzt der abrupt einsetzende Text zwar sehr grundsätzliche Zusatzinformationen einer Jesus-Story voraus. Immerhin werden weder Jesus noch Petrus, noch seine Jünger eingeführt und es ist offenbar vorausgesetzt, dass der Ölberg als Ort des Wirkens Jesu bekannt ist. Dies jedoch muss noch nicht bedeuten, dass der Text eine Lektüre des Matthäusevangeliums mit der Kenntnis von Spezifika wie dem Petrusbekenntnis erwartet. Trotzdem lohnt es sich m.E., einige Aspekte aus Mt 16,17–19 genauer anzusehen: Zwar finden sich in der Petrusapokalypse keinerlei Spuren von der Seligpreisung des Petrus in Mt 16,17 wie auch seiner Benennung als Simon Bar Jona. Interessant jedoch ist die Begründung dieses Makarismus Mt 16,17c: ὅτι σὰρξ καὶ αἷµα οὐκ ἀπεκάλυψέν σοι ἀλλ’ ὁ πατήρ µου ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς. Petrus, der eben als Sprecher der Jünger sein Bekenntnis zu Jesus als dem Christus, dem Sohn des lebendigen Gottes, geäußert hat, wird hier explizit von Jesus als Empfänger einer besonderen Offenbarung gepriesen. Dieses Zueinander – Petrus als Sprecher der Jünger und Offenbarungsempfänger – hält sich auch in der Petrusapokalypse durch. Ursprung der Offenbarung ist nun jedoch nicht mehr der Vater in den Himmeln, sondern der – allerdings sehr nahe an Gott gerückte – Christus. Das Motiv der in Mt 16,18 erwähnten, auf einen Felsen erbauten Ekklesia spielt in der Petrusapokalypse sicherlich keine Rolle. Obwohl sich Spekulationen zum Motiv der „Pforten des Hades“ (Mt 16,18), der dem Petrus in der Offenbarung ja gezeigt wird, und den Schlüsseln der Königsherrschaft anbieten würden, halte ich in diesem Zusammenhang jedoch Zurückhaltung für geboten. Interessanter jedoch scheint mir, dass das Matthäusevangelium im Anschluss daran zunächst die von Petrus abgelehnte erste Ankündigung von Leiden und Auferstehung Jesu schildert (Mt 16,21–23), danach von der Nachfolge Jesu in den Tod spricht (Mt 16,24–28), um schließlich die Szene von der Verklärung Jesu zu präsentieren, in der Petrus (mit den anderen Begleitern Jesu, Jakobus und Johannes) eine Epiphanie Jesu als mit dem Himmel verbundenes Wesen zuteilwird (Mt 17,2), ihm Mose und Elija erscheinen (Mt 17,3) und er schließlich explizit eine christologisch bedeutsame Offenbarung durch eine auf Gott selbst zurückgehende Himmelsstimme erhält (Mt 17,5). Die Petrusapokalypse bietet zwar nicht genau die gleiche Szenenfolge, doch findet sich auch dort das Motiv der Nachfolge des Petrus in den Tod (ApkPetr 14,4– 5) und anschließend eine auf die synoptischen Verklärungserzählungen zurückgehende Szene, in die sogar das Zueinander Petrus – Satan (Mt 16,23 [par.

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Mk 8,33]) in leichter Abwandlung gegenüber Matthäus eingewoben ist: Petrus wird nicht mehr als Satan bezeichnet, sondern steht im Kampf gegen Satan, der sein Verstehen verschleiert (ApkPetr 16,8). Wie weit die Abhängigkeiten hier gehen, mag diskutiert werden: Die Petrusapokalypse jedoch speist entscheidende Aspekte des Petrusbilds aus Mt 16– 17 in ihr eigenes Petrusbild ein, das im Schlussrahmen besonders ausgeprägt ist. Petrus ist (nicht immer perfekter, durch den Kampf mit Satan gefährdeter) besonderer Offenbarungsempfänger. Als Vertrauter Jesu erhält er Zugang zu himmlischen Welten, ja ihm wird – in der ApkPetr zusammen mit den anderen Jüngern – eine Vision von Mose und Elias sowie die Audition einer Himmelsstimme zuteil. Das konkrete Profil dieses Petrusbildes jedoch wird noch deutlicher, wenn zugleich mitbedacht wird, dass wichtige Aspekte des Petrusbilds des Mt, ja im Grunde aller Evangelien fehlen. Ich denke hier besonders an das Versagen Petri im Zusammenhang mit der Passion Jesu, seine Verleugnung des Herrn: Diese Abgründe des Petrusbilds scheinen in der Petrusapokalypse ausgeblendet, während andere ausgebaut sind.22 Besonders wichtig jedoch wird ein Aspekt der Petrusfigur, der in den Evangelien des Neuen Testaments nur ganz knapp aufscheint, die eigentlich erst in der späteren Petrusrezeption wichtige Vorstellung von Petrus als Glaubenszeugen,23 die an einer Schlüsselstelle des Textes, dem Übergang von der Offenbarung von Endereignissen und Jenseitswelten zur abschließenden „Verklärungs“- und Himmelfahrtsszene zu stehen kommt. Leider ist der erhaltene äthiopische Text der Passage offenbar korrupt, sie ist jedoch in griechischer Sprache erhalten. Der Text von P.Vindob. G 39756 (zweite Hälfte des 5. Jh.s)24 lautet folgendermaßen:

22

Dies kann sich natürlich einfach dem Faktum verdanken, dass ApkPetr nicht von der Passion Jesu erzählt. Dass die Prophezeiung des Todes Petri in eine Auferstehungsszene eingewoben werden kann, die sehr wohl mit der Passionsgeschichte und dem dortigen Versagen Petri verknüpft ist, zeigt jedoch etwa Joh 21. 23 Einen faszinierenden Überblick über die Vielfalt zum größten Teil späterer Quellen, für die das Martyrium des Petrus eine entscheidende Rolle spielt, bietet D.L. EASTMAN, The Ancient Martyrdom Accounts of Peter and Paul, SBL. Writings from the Greco-Roman World 39, Atlanta 2015; für eine Diskussion dieser Quellen in ihrem Bezug auf Rom vgl. T. NICKLAS, Antike Petruserzählungen und der erinnerte Petrus in Rom, in: J. Frey/M. Wallraff (Hg.), Petrustraditionen in Rom, Tübingen 2019 [im Druck]. 24 Zum Fragment wie auch seinem Text vgl. T.J. KRAUS/T. NICKLAS (Hg.), Das Petrusevangelium und die Petrusapokalypse. Die griechischen Fragmente mit deutscher Übersetzung, GCS NF 11, Berlin u.a. 2004, 121–130, sowie (ausführlicher) T.J. KRAUS, P.Vindob.G 39756 + Bodl. MS Gr. th. f. 4 [P]: Fragmente eines Codex der griechischen Petrus-Apokalypse, BASP 40 (2003), 45–61.

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Ἰδοὺ ἐδήλωσά σοι Πέτρε καὶ ἐξεθέµην πάντα. Καὶ πορέυου εἰς πόλιν ἀρχούσαν δύσεως, καὶ πίε τὸ ποτήριον ὃ ἐπηγγειλάµην σοι ἐν χειρεὶ τοῦ υἱοῦ τοῦ ἐν Ἅιδου, ἵνα ἀρχὴν λάβη αὐτοῦ ἡ ἀφανία. …

Seine Übersetzung ist an mehreren Stellen unklar,25 einige Punkte jedoch lassen sich mit Sicherheit festhalten. Jesus hat Petrus „alles“, d.h. offenbar alles, was über die Ereignisse der Endzeit zu wissen möglich ist, kundgetan. Er verwendet dabei das Verbum δηλόω statt des vielleicht spezifischeren ἀποκαλύπτω. All dies hat er zudem genauer dargelegt bzw. „auseinander gesetzt“ (ἐκτίθηµι) und damit gleichzeitig die übliche Rolle des Angelus Interpres ersetzt. Petrus erhält von Christus, der nur wenig später zum Himmel entrückt werden wird, nun seinen letzten Auftrag: er soll in die Stadt gehen, die über den Westen herrscht, und den Kelch trinken, den Jesus ihm verheißen hat. Das „Trinken des Kelches“ kann nichts anderes als das bevorstehende – und mit der Passion Jesu selbst verwobene – Martyrium des Petrus meinen. Mit der Stadt ist sicherlich Rom bezeichnet. Das Martyrium des Petrus wiederum wird als bereits vom Herrn vorhergesagt beschrieben: Es bleibt unklar, ob die Passage literarisch auf Joh 21,18–19 zurückgreift oder das Motiv, dass das Petrusmartyrium vom Auferstandenen selbst prophezeit ist, in beiden Texten unabhängig voneinander aus der Tradition übernommen ist.26 Das weitestgehende Fehlen wörtlicher Parallelen scheint mir für die zweite Lösung zu sprechen. Unklar ist auch, wer mit dem „im Hades“ gemeint ist (und ob bzw. wie er mit dem eschatologischen Gegenspieler aus Kapitel 2 in Bezug steht). Zunächst möchte man an Satan denken, welcher ja auch in ApkPetr 16 noch einmal als Gegner des Petrus erwähnt ist; das Motiv, dass Satan als Herrscher im Totenreich zu denken ist, wäre hier allerdings zum allerersten Mal – und gleichzeitig uneindeutig – belegt, was doch unsicher macht.27 Auch die Wendung αὐτοῦ ἡ ἀφανία ist vieldeutig: Möglich ist die Vernichtung des Sohnes dessen, der im Hades ist, womit wohl Nero gemeint ist, der schon früh mit dem Tode Petri in Verbindung gebracht wurde.28 Möglicherweise ist jedoch auch die Vernichtung dessen im Hades selbst oder „sein Werk der (endzeitlichen) Vernichtung“ gemeint, wie auch die äthiopische Übersetzung den Text gedeutet hat. Sollte mit 25

Zur Diskussion dieser Passage vgl. T. NICKLAS, „Drink the Cup Which I Promised You“ (Apoc. Pet. 14:4): The Death of Peter and the End of Times, in: J. Knight/K. Sullivan (Hg.), The Open Mind: Aspects of Apocalypticism in Second Temple Judaism and Early Christianity (FS C. Rowland), LNTS 522, Edinburgh 2015, 183–200. 26 Da der Text ansonsten keine Hinweise auf den Einfluss johanneischen Denkens zeigt, würde ich hier eher für gemeinsame Tradition plädieren. 27 Diskussion der Belege bei R.E. BAUCKHAM, The Martyrdom of Peter in Early Christian Literature, ANRW II/26.1 (1992), 539–595 (573). 28 Entsprechende Entwicklungslinien habe ich dargestellt in NICKLAS, Antike Petruserzählungen (s. Anm. 23).

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„dem im Hades“ trotz der eben genannten Bedenken der Satan gemeint sein, dann würde in 14,4 gleichzeitig der Sieg Petri in seinem Krieg gegen Satan, welcher auch in ApkPetr 16,8 angedeutet ist, prophezeit. Wie auch immer: Der angekündigte Tod Petri ist nicht einfach „irgendein“ Märtyrertod, sondern in diesem Text einerseits vom auferstandenen Herrn prophezeit und andererseits wohl Teil der zu erwartenden Endereignisse. Will man noch ein wenig spekulieren und schon von einer Erinnerungsstruktur ausgehen, die den Tod Petri mit dem Brand Roms in Verbindung bringt, und gleichzeitig daran denken, dass das Ende der Zeiten in der Petrusapokalypse anders als in den meisten jüdischen und christlichen Apokalypsen mit dem Weltenbrand einhergeht,29 dann mag auch auf dieser Ebene der Tod des Petrus in Folge des Brandes von Rom als ein Vorausbild des kommenden Weltgerichts nach dem Brand der Welt angesehen worden sein. Das Petrusbild der Petrusapokalypse hat so in kreativer Weise Aspekte des Petrusbilds der Evangelien – wohl vor allem des Matthäusevangeliums30 – aufgegriffen und weiterverarbeitet: Der Text ist interessiert am Sprecher des Jüngerkreises, dem besondere Offenbarungen zum Wesen Christi wie auch jenseitiger Wesen zuteilwerden, weniger an dem auch menschlichen Petrus, der in entscheidenden Situationen versagt. Sein in den Evangelien immer wieder erkennbares Unverständnis, das ihm einträgt, von Jesus als „Satan“ angesprochen zu werden, wird in einen Kampf gegen Satan ausgebaut, den er – sollte die Deutung von ApkPetr 14,4 zutreffen – gewinnen wird. Vor allem aber spricht der Text aus der Autorität des Glaubenszeugen, dem Christus selbst sein Martyrium in Rom prophezeit hat, das gleichzeitig mehr als ein Martyrium ist, sondern vielleicht bereits ein Teil der prophezeiten Endereignisse. Wenigstens einige Aspekte dieser Konstruktion petrinischer Autorität werden (wohl in Abhängigkeit von der Petrusapokalypse) auch im 2. Petrusbrief aufgenommen werden.31

29 Hierzu ausführlicher W. GRÜNSTÄUDL, Petrus, das Feuer und die Interpretation der Schrift: Beobachtungen zum Motiv des Weltenbrandes im zweiten Petrusbrief, in: L. Neubert/M. Tilly (Hg.), Der eine Gott und die Völker in eschatologischer Perspektive. Studien zur Inklusion und Exklusion im biblischen Monotheismus, BThSt 137, Neukirchen-Vluyn 2013, 183–208. 30 Interessanterweise erkennt J.R. MARKLEY, Peter – Apocalyptic Seer: The Influence of the Apocalyptic Genre on Matthew’s Portrayal of Peter, WUNT II/348, Tübingen 2013, Einflüsse apokalyptischen Denkens bereits auf die matthäische Darstellung Petri. 31 Diesen Gedanken von GRÜNSTÄUDL, Petrus Alexandrinus (s. Anm. 16), hat inzwischen auch J. Frey in seiner Kommentierung des 2. Petrusbriefes übernommen. Vgl. J. FREY, Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus, ThHK 15/II, Leipzig 2015, 170–174.

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2. Christusoffenbarung Und doch wäre es falsch, die Autoritätskonstruktion der Petrusapokalypse alleine auf die Autorität des Petrus hin zu beschränken. Ähnlich der Johannesapokalypse – jedoch ohne eine solch komplexe Kommunikationsstruktur zu reflektieren, wie Apk 1,1–3 dies tut – lässt sich, wie bereits eingangs deutlich gemacht, ein großer Teil der Petrusapokalypse eigentlich als von Christus gewährte Offenbarung beschreiben. Mit anderen Worten: Der Text führt sich nicht alleine auf die Autorität des Petrus zurück. Dieser ist ein nur in Teilpassagen greifbarer Vermittler einer Offenbarung, die auf Christus zurückgeht. Dabei interessiert sich unser Text kaum für den irdischen Jesus, sondern den nachösterlichen, im Grunde schon als übermenschlich verstandenen Kyrios, welcher das Schicksal der Welt im wahrsten Sinne des Wortes „in seiner Hand“ zeigen kann (ApkPetr 3). Dass dieser mit dem Gekreuzigten zu tun hat, spielt nur in ApkPetr 1,6 herein, wo jedoch keine Kreuzestheologie entwickelt ist, sondern das Kreuz als Erkennungszeichen des zur Parusie Erscheinenden verstanden ist. Im Grunde braucht der Text somit aber auch keine klassische Auferstehung oder eine Erzählung des leeren Grabes – der Herr wird am Ende erhöht werden und als Erhöhter bei der Parusie wieder erscheinen. Die endzeitliche Auferstehung der Toten zum Gericht, von der ApkPetr 4 erzählt, wiederum ist, anders als etwa bei Paulus in 1 Kor 15, nicht mit einer Auferstehung oder Auferweckung Jesu logisch verbunden.32 So versteht sich die Petrusapokalypse als letztlich auf Christus, zu dem Petrus in einem besonderen Verhältnis steht, zurückgeführt.33 Dieser Christus ist nur in 15,1 und 16,1.3.6 als „Jesus“ bezeichnet. Besonders wichtig sind stattdessen Hoheitstitel, die sich am besten mit den Worten „königlicher Gottessohn“ auf den Punkt bringen lassen. Obwohl Christus sogar als „Gott“ (ApkPetr 16,1.3) bezeichnet und mit Attributen belegt werden kann, die sonst nur Gott selbst zukommen, werden Gott als „himmlischer Vater“ (ApkPetr 6,1; 14,3; 16,9; vgl. auch 1,7; 4,2) und „Schöpfer“ (Präskript; ApkPetr 3,6 [2x]; 4,6; 8,2 vgl. auch 5,4–5) einerseits und Sohn, der jedoch auch richterliche Aufgaben übernimmt (z.B. ApkPetr 1,7–8), andererseits deutlich voneinander unterschieden, wenn auch ihr konkretes Verhältnis, obwohl sicherlich subordinatianistisch verstanden, genauso wenig wie die Frage nach dem Menschsein Jesu explizit reflektiert wird. Dieser Christus, der zwar bei der Auferweckung der Toten offenbar keine Rolle 32

Hierzu ausführlich T. NICKLAS, Resurrection – Judgment – Punishment: Revelation of Peter 4, in: G. Van Oyen/T. Shepherd (Hg.), Resurrection of the Dead: Biblical Traditions in Dialogue, BETL 249, Leuven u.a. 2012, 461–474. 33 Zur Christologie der ApkPetr im Detail: T. NICKLAS, El hijo de Dios regio: sovre la cristología del Apocalipsis del Pedro, in: P. de Navascués Benlloch/M. Crespo Losaga/A. Sáez Gutiérrez (Hg.), filiación. Cultura pagana, religion de Israel, orígenes del cristianismo V, Madrid 2014, 275–288.

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spielt,34 wird am Ende der Zeiten vor den Augen der Völker in seine königliche Rolle eingesetzt (ApkPetr 6,2). Obwohl dies aus der Perspektive des Textes noch in der Zukunft liegt, wird diese Rolle Christi Petrus und den Seinen wie auch den Lesern bereits jetzt präsentiert. Das Königtum Christi wiederum bezieht sich auf sein Reich, welches offenbar als himmlisches Reich verstanden ist. Man kann dabei durchaus an eine Interpretation der matthäischen βασιλεία τῶν οὐρανῶν denken. Das himmlische Reich Christi wiederum ist der Raum, der den „Seinen“, den Erwählten des Gottessohnes, offensteht (ApkPetr 14,2).

3. Funktion dieser Beobachtungen Inwiefern jedoch helfen all diese Beobachtungen dazu, den Text besser zu verstehen? Warum spielen die hier entwickelten Bilder Petri und Christi eine so wichtige Rolle für das bzw. die konkreten Anliegen des Textes? Hierzu einige Vorbemerkungen: Anders als Richard Bauckham, der in der Petrusapokalypse ein entscheidendes Zeugnis für das Christentum Palästinas zur Zeit des Bar Kochba-Aufstandes sieht, und anders als Enrico Norelli, der den Text zwar mit Bar Kochba verbindet, ihn zuletzt aber in Syrien lokalisiert hat, sehe ich die Petrusapokalypse als eine in Alexandria im ersten Drittel des 2. Jahrhunderts entstandene Schrift.35 Dabei ist es denkbar, die in Kapitel 2 angedeutete Krise um das mit dem Feigenbaum verbundene „Haus Israel“ mit dem verheerenden Diasporaaufstand zu verbinden;36 gleichzeitig ist es nicht absolut notwendig, den Text als unmittelbar auf eine ganz konkrete, heute noch historisch fassbare Krise reagierend zu begreifen oder gar den „Lügnerischen“ (ApkPetr 2,10) – sei es Bar Kochba, eine messianische Gestalt des Diasporaaufstands (Lukuas?) oder aber ein römischer Kaiser – eindeutig zu identifizieren. Vielleicht erzeugt auch das Zueinander der verschiedenen mit Israel verbundenen Krisen der 34

Zur Einordnung dieses Gedankens in einen breiteren Horizont vgl. T. NICKLAS, Auferstehung zu Tod und Strafe: Unpaulinische Auferstehungsvorstellungen im frühen Christentum, in: J. Verheyden/A. Merkt/T. Nicklas (Hg.), „If Christ has not been raised …“: The Reception of the Resurrection Stories and the Belief in the Resurrection in the Early Church. Proceedings of the Fourth Annual NTP Symposium, Leuven 10–12 October 2012, NTOA 115, Göttingen 2016, 105–121. 35 Vgl. besonders R. BAUCKHAM, The Apocalypse of Peter: A Jewish Christian Apocalypse from the Time of Bar Kochba, in: Ders, The Fate of the Dead. Studies on Jewish and Christian Apocalypses, NovT.S 93, Leiden u.a. 1998, 160–258; E. NORELLI, „L’adversaire eschatologique dans l’Apocalypse de Pierre“, in : Y.-M. Blanchard/C. Badilita (Hg.), Les forces du bien et du mal dans les premiers siècles de l’Eglise, Paris 2011, 291–317 (316f.), sowie NICKLAS, „Insider“ und „Outsider“ (s. Anm. 10) und DERS., Jewish, Christian, Greek? (s. Anm. 3). 36 Ich habe diese Vermutung in NICKLAS, Jewish, Christian, Greek (s. Anm. 3), geäußert, sie scheint mir jedoch nicht von unbedingter Notwendigkeit.

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ersten Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts eine „Grundstimmung“, auf die der Text zu reagieren sucht. So möchte ich meine Beobachtungen weniger von einer konkreten historischen Verortung des Textes als von den Fragestellungen, zu denen der Text Stellung zu beziehen scheint, ausgehen lassen: Auch wenn die Parusie (sowie die ihr vorausgehende Himmelfahrt) Christi die Beschreibung der endzeitlichen Auferstehung der Toten, Weltenbrand und Endgericht, vor allem dann aber die Orte der Verdammung im Text eine breite Rolle einnehmen, so ist damit zum Profil dessen, was der Text dazu zum Ausdruck bringen will, nur wenig gesagt. Anders als im zweiten Petrusbrief kann ich in der Petrusapokalypse noch keine deutlichen Hinweise dafür erkennen, dass die Parusieverzögerung an sich schon ein brennendes Problem ist: Der Text interessiert sich für die Zeichen der Parusie (ApkPetr 1,2) und beschreibt sie ausführlich (ApkPetr 2), ich erkenne aber keinerlei Anzeichen dafür, dass er auf Gegner reagiert, die die Parusie leugnen. Neben der für die Argumentation Bauckhams und Norellis so wichtigen Figur des „falschen Messias“ bzw. des „Lügnerischen“ fällt vor allem auf, wie häufig Kapitel 2 von Märtyrern spricht (ApkPetr 2,11 [2x]; 13 [2x]). Darüber hinaus sind auch im Strafort diejenigen erwähnt, die „die mit einer Lüge die Märtyrer getötet haben“ (ApkPetr 9,4). Obwohl wir hier nur die äthiopische Version des Textes haben, scheint doch deutlich, dass hier bereits eindeutig von „Glaubenszeugen“, die ihr Leben für das Christuszeugnis gegeben haben, die Rede ist.37 Will man das Ende von Kapitel 2, in dem so intensiv von Märtyrern die Rede war, und den Schluss von Kapitel 14, der das Martyrium des Petrus ankündigt, als eine Art von Inklusion um die Kapitel 3–14 auffassen, in denen von den Ereignissen des „Gottestages“ (ApkPetr 4,1)38 und dem Schicksal der Sünder die Rede ist, so zeigt sich m.E. nicht nur deutlich, dass das Schicksal des Petrus nicht nur per se einen Ausgangspunkt der Ereignisse der Endzeit bildet, sondern das in Kapitel 14 Angekündigte mit dem in Kapitel 2 über Martyrien Erzählten in Bezug gesetzt werden kann. Sollte in Kapitel 14 „Nero“ als der „Sohn dessen im Hades“ verstanden sein, so ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass trotz der Rede von „Messiassen“ bzw. dem „Lügnerischen“ auch in Kapitel 2 an den bzw. einen römischen Kaiser angespielt ist. Von dieser Entscheidung soll die Argumentation jedoch nicht abhängen: Gerade als Märtyrer, mit dessen Martyrium die Endereignisse ihren Ausgang nehmen, ist die Figur des Petrus für die Aussage des Textes, dass bis zur Parusie noch viele Martyrien erfolgen werden, von großer Bedeutung. 37

Ich verdanke den Gedanken, dass die Apokalypse des Petrus sich als Märtyrertext lesen lässt, Jan Bremmer. Vgl. konkreter J.N. BREMMER, The First Christian Martyr Text: The Apocalypse of Peter, unpublizierter Vortrag auf dem Workshop „Griechische/Äthiopische Petrusapokalypse“ am 13. Mai 2016 in Regensburg. 38 Die Tatsache, dass hier vom „Tag Gottes“ und nicht vom „Tag des Herrn“ die Rede ist, überrascht doch sehr. Trotzdem sollte man – schon aus Gründen der unsicheren Überlieferung des Textes – nicht zu weitgehende Spekulationen anstellen.

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Das Thema des Martyriums wiederum lässt sich interessanterweise mit einer Reihe anderer Themen verbinden, aus denen sich noch konkretere Fragen, auf die der Text zu reagieren sucht, ergeben: Während das Motiv des Dienstes an fremden Göttern, das bereits in der ersten Christusrede begegnet (ApkPetr 1,4), in der Beschreibung des Endgerichts wieder aufgegriffen wird (ApkPetr 6,8– 9) und sich auch in den Höllenvisionen spiegelt (ApkPetr 10), vielleicht einfach eine Kehrseite zum Thema „Martyrium“ bildet, dem Zeugnis für den wahren Gott, scheint, wie jüngst Eric Beck gezeigt hat,39 die Frage der „Barmherzigkeit“ gegenüber den Sündern eine für den Text nicht marginale Rolle zu spielen. Will man den im Äthiopischen erhaltenen Prolog des Textes nicht einfach als später hinzugefügte, für die Interpretation zweitrangige Einleitung verstehen, sondern ernst nehmen, so geht es im Text nicht nur um Parusie Christi und Auferstehung der Toten, sondern um das Schicksal derer, die wegen ihrer Sünden dem Tod anheimfallen, und das „Mysterium des Sohnes Gottes, des Barmherzigen und Liebhabers der Barmherzigkeit.“ Folgt man Becks Überlegungen weiter, so lässt sich um die Kapitel 3 und 14 eine weitere Inklusion erkennen. Angelehnt an Becks Übersetzung, die die im Äthiopischen von ApkPetr 3,3 erkennbaren Imperfekte wie üblich futurisch versteht, lautet ApkPetr 3,1–3 folgendermaßen: „3 1 Und er zeigte mir in seiner rechten Hand jede Seele und in der Handfläche seiner Rechten das Bild dessen, was am Jüngsten Tag geschehen wird, 2 auch wie die Gerechten und die Bösen getrennt werden, wie die im Herzen Aufrechten handeln und die Sünder für immer ausgerottet werden. 3 Wir sahen, wie die Bösen in großer Drangsal und Sorge so sehr weinen werden, dass alle, die es mit ihren Augen sehen werden, weinen werden, die Gerechten, die Engel, ja auch er selbst.“40

ApkPetr 3,3 ist somit nicht nur als Prophetie über das zukünftige Schicksal der Sünder zu verstehen, sondern auch als Prophezeiung der Reaktion der Gerechten, die um das Schicksal der Sünder weinen werden.41 Wollen wir dies nicht einfach als isolierte Aussage begreifen, so legt es sich nahe, in Kapitel 13 zu blicken, wo wir davon lesen, wie die Auserwählten und Gerechten mit den Kleidern ewigen Lebens bekleidet werden (ApkPetr 13,1).42 Sie werden ganz offensichtlich zu Zeugen des Strafgerichts über die Sünder, welche nun um „Barmherzigkeit“ bitten (ApkPetr 13,4), gleichzeitig aber zugeben, dass das über sie kommende Gottesgericht „gerecht“ sei (ApkPetr 13,6), während der 39 Vgl. Dies ist eine entscheidende These von E.J. BECK, Perceiving the Mystery of the Merciful Son of God. An Analysis of the Purpose of the Apocalypse of Peter, Dissertation Edinburgh 2018 [unpubliziert]. 40 Ich bin E.J. BECK dankbar dafür, dass er mir diese noch unpublizierte Übersetzung zur Verfügung gestellt hat. 41 Dies greift erneut auf Beobachtungen von BECK, Perceiving the Mystery (s. Anm. 39), zurück. 42 Dies erinnert natürlich an Apk 6,11, ohne dass deswegen von literarischer Abhängigkeit der Texte gesprochen werden müsste.

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Engel Tartarouchos ihnen klarmacht, dass Umkehr nun nicht mehr möglich sei (ApkPetr 13,5). In diesem Konflikt von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit spielt nun die Barmherzigkeit des königlichen Gottessohns eine offenbar entscheidende Rolle. Der hier dem korrupten äthiopischen vorzuziehende griechische Text des Wiener Fragments lautet folgendermaßen: „Ich werde meinen Berufenen und meinen Auserwählten den gewähren, den sie aus der Strafe erbitten, und ich werde ihnen eine gute Taufe geben in der Rettung aus dem Acherusischen See, den man so nennt, im Elysischen Feld, einen Teil der Gerechtigkeit mit meinen Heiligen. Und ich werde weggehen, ich und meine jubelnden Auserwählten, zusammen mit den Patriarchen in meine ewige Königsherrschaft.“43

Den Berufenen und Auserwählten wird also – in einer Art von Konkretion dessen, was auch andere Texte unter eschatologischer Mitherrschaft der Gerechten verstehen – die Möglichkeit gegeben, von denjenigen, die eigentlich aus Gründen der Gerechtigkeit bestraft werden müssen, jene auszuwählen, denen Barmherzigkeit gewährt werden soll. Man könnte also von einer Art eschatologischer Fürbitte für die Toten sprechen.44 Dabei ist es möglich, dass den so vom Strafort befreiten Sündern über die Waschung im Acherusischen See und den Aufenthalt im Elysischen Feld eine Art Rettung „zweiter Klasse“ zugedacht ist, während Christus selbst mit seinen Auserwählten und den Patriarchen in seine ewige Königsherrschaft „weggeht“.45 Die Unsicherheit der Textüberlieferung sollte hier jedoch warnen, zu weit zu gehen. Mit anderen Worten: Der Text ist also nicht nur an den zu erwartenden, eventuell als gegenwärtig empfundenen Martyrien interessiert, er entwickelt, damit eng verbunden, eine Konkretion der Idee eschatologischer Mitherrschaft der Gerechten über diejenigen, die als Sünder gegenüber Gott und, wie entsprechende Passagen der

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Übersetzung KRAUS/NICKLAS, Petrusevangelium und Petrusapokalypse (s. Anm. 7). Eine ausführliche Diskussion des Texts bietet T.J. KRAUS, Fürbitte für die Toten im frühen Christentum: „Ich werde … den gewähren, den sie aus der Strafe erbitten“, in: H. Klein/V. Mihoc/K.-W. Niebuhr (Hg.), Das Gebet im Neuen Testament, WUNT 249, Tübingen 2009, 355–396, der den Text breit mit frühjüdischen und christlichen Zeugnissen zur Fürbitte für die Toten in Verbindung setzt, jedoch offen lässt, ob die im Griechischen erhaltene Passage oder die äthiopische Textform, die nicht von der Fürbitte für die Toten spricht, hier ursprünglicher sind. 45 Entscheidend hierzu BECK, Perceiving the Mystery (s. Anm. 39). Geistesgeschichtlich könnte dies ein Versuch sein, mit der Erfahrung umzugehen, dass es nicht einfach nur Gerechte und Sünder – Schwarz und Weiß – gibt, sondern Sünder verschiedener Schwere, ja dass auch Menschen, die (eventuell sogar schwer) gesündigt haben, geliebt sein können. Dieser Versuch hat sich nicht durchgesetzt – stattdessen zeigen sich bereits an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert erste Anzeichen einer Vorform der Idee des „Fegefeuers“, die z.B. in den Akten der Perpetua und Felicitas ebenfalls mit der Fürbitte für die Toten arbeiten. Hierzu weiterführend A. MERKT, Das Fegefeuer: Entstehung und Funktion einer Idee, Darmstadt 2005. 44

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Höllendarstellung deutlich machen, auch Sünder ihnen gegenüber46 eigentlich für immer gestraft werden müssten.47 Dass diese Idee wiederum an Christus, den als königlichen Gottessohn empfundenen Offenbarer gebunden ist, ist nur logisch. Vielleicht lässt sich auch ein letzter Gedanke damit verbinden: Bereits im berühmten siebten Kapitel des 2. Makkabäerbuchs sind die Dekonstruktion des menschlichen Leibes im Martyrium und die Möglichkeit der Re-Konstruktion dieser Leiblichkeit aufgrund der schöpferischen Kraft Gottes miteinander in Verbindung gesetzt. Auch die Petrusapokalypse thematisiert das Schicksal der Gerechten nach ihrem Tode. Dabei jedoch sind zwei Textformen voneinander zu unterscheiden: Die Fassung aus Akhm., die wohl der ursprünglichen Textabfolge nicht mehr folgt, spricht in V.5 eindeutig von der Bitte der Zwölf, „dass er uns einen unserer gerechten Brüder zeige, die aus der Welt hinausgegangen waren, damit wir sähen, von welcher Art (ihre) Gestalt sei, und wir, ermutigt, auch den Menschen, die uns hörten, Mut zusprechen könnten.“48 Darauf folgt eine Offenbarung zweier Männer in verwandelter Leiblichkeit, die als „eure gerechten Brüder, deren Gestalten (μορφή) ihr sehen wolltet,“ (V.13; Übs. Kraus/Nicklas) gedeutet werden.49 Doch auch die äthiopische Fassung kommt – direkt nach Kapitel 14 – konkret auf dieses Thema zu sprechen: Auch hier erscheinen zwei Männer in einer Form himmlischer Leiblichkeit. Diese werden jedoch − anders als im AkhmimText − mit Mose und Elia identifiziert (ApkPetr 16,1). Auf die Frage, wo denn Abraham, Isaak, Jakob und die gerechten Väter seien, folgt die Offenbarung des Paradieses (ApkPetr 16,2–3) – und ihre Deutung: „So wird die Ehre und Herrlichkeit für die sein, die für meine Gerechtigkeit verfolgt wurden“ (ApkPetr 16,5).50 Vor diesem Hintergrund lässt sich das Problem des Zueinanders von erlittenem Unrecht, der Gerechtigkeit Gottes und der Barmherzigkeit Christi bzw. die Frage nach dem endzeitlichen Schicksal derer, die auch in Verfolgung treu zu Christus stehen, ja eventuell das Martyrium erleiden, und ihre eschatologische Mitherrschaft über die Sünder, deren Schicksal, wenn der Gerechtigkeit 46 Dass wenigstens einige der in den Straforten der Petrusapokalypse erkennbaren Sünden mit Verfolgung und Bedrängnis der Gemeinde von außen zu tun haben, habe ich in T. NICKLAS, Als die Hölle christlich wurde – Metamorphosen des Jenseits, Blick in die Wissenschaft 21 (2009), 34–40, gezeigt. 47 Soweit ich sehe, wurde die Vorstellung eschatologischer Mitherrschaft der Gerechten bisher nicht mit der Petrusapokalypse in Bezug gebracht. Für einen guten Überblick zu dieser Vorstellung vgl. H. ROOSE, Eschatologische Mitherrschaft: Entwicklungslinien einer urchristlichen Erwartung, NTOA 54, Göttingen 2004. 48 Übersetzung KRAUS/NICKLAS, Petrusevangelium und Petrusapokalypse (s. Anm. 7). 49 Konkreter zu dieser Passage und den Hintergründen der hier erkennbaren Auferstehungsleiblichkeit vgl. NICKLAS, „Our Righteous Brethren“ (s. Anm. 18). 50 Eric BECK (mündlich) sieht darin eventuell eine Deutung von Mt 5,10.

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zu folgen wäre, schrecklich bliebe, als wenigstens ein entscheidendes Thema des Buches beschreiben.51 Als eine Figur, die als Visionär, Vertrauter Christi, Sprecher der Zwölf und gleichzeitig auch als Märtyrer verstanden ist, ist Petrus, dessen Tod als eingebunden in die Endereignisse gedeutet wird, mehr als jeder andere Apostel, mehr als jede Figur der grauen Vergangenheit und mehr auch als Paulus eine besonders „geeignete“ Autorität hinter diesem Text. Dieser Petrus wiederum führt seine eigene Autorität jedoch auf Christus selbst zurück, welcher gerade in seiner Funktion als „königlicher Gottessohn“ den Seinen endzeitliche Partizipation an seiner Barmherzigkeit prophezeien und ihnen als selbst in den Himmel Aufgenommener ihr Schicksal in himmlischer Leiblichkeit im Paradies eröffnen kann.

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Wichtige Aspekte dieses Bildes finden sich auch bei E.J. BECK, Perceiving the Mystery (s. Anm. 39).

„Wieviel ‚Paulus‘ ist in der Apokalypse des Paulus/Visio Pauli?“ Eine Apokalypse und ihr Protagonist Thomas J. Kraus 1. Hinleitung Wer kennt sie nicht? Die eindringliche Darstellung der „Versuchungen des Heiligen Antonius“, wie sie Hieronymus Bosch in schrecklich-monströsen Details auf einen Triptychon – heute im Museu Nacional de Arte Antiga, Lissabon – gebannt hat. Die Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 28.–29. Mai 2016 leitet auf ihrer Titelseite wie folgt ein:1 „Schöner Horror. Hieronymus Bosch schuf eine Welt des ästhetischen Wahnsinns. Wieso verstört und fasziniert seine Kunst auch nach 500 Jahren noch das Publikum?“ Immerhin 420.000 Menschen besuchten die Ausstellung mit dem Antonius-Altar in sʼHertogenbosch, um sich einer eigenen Auseinandersetzung mit dem numinosen Schrecken zu stellen, die Wahl zwischen zwei divergenten Lebensweisen zu treffen und der Verbindung von zwei Welten gegenüber zu treten. Einerseits ist da die bäuerlich-mittelalterliche, magische Vorstellungswelt im Gegenüber mit der aufkeimenden vernunftorientierten Renaissance, andererseits das sündenfreie tugendhafte Leben im Gegensatz zu Laster, Ausschweifung und Qual. Die Details sind absonderlich und schrecklich, ziehen aber offensichtlich nach wie vor in ihren Bann, sie verstören und faszinieren zugleich, sind – wie mehrmals im Artikel so bezeichnet – „Hirngespinste“ und doch menschliche (Ur-) Befindlichkeit. Diese scheinbare Diskrepanz bezeichnet auch den modernen Menschen der Gegenwart. Auf einem Findling entlang eines Wanderwegs im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz sind Menschen im Feuer abgebildet.2 Dazu ist geschrieben: „Steh still mein lieber / Wandersmann schau uns / verlassene Seelen an. / Bet ein Vaterunser hier / Gott wird’s vergelten Dir.“ Die verlassenen Seelen rufen dem vorbeiziehenden Wanderer zu, erinnern ihn und mahnen aus ihrer 1 K. VAHLAND, Meister der Hirngespinste, Süddeutsche Zeitung 121 (28./29.05.2016) 53.1 (Titelseite). 2 Der Findling ist im Übergang der Straße Hinter Fuchsberg in den Vorderen Fuchsberg an der Wegabzweigung zur Straße NM4 aufgestellt.

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Qual heraus zur Umkehr, zu einem gottgefälligen Leben, aber noch konkreter sogar bitten sie den Vorbeiziehenden inständig um ein Gebet, um Beistand, wohlmöglich um so durch einen Fürbitter Linderung zu erlangen. Und letztlich ist das, was die Einheit aus Bild und Text des Steins mitteilt, etwas, das so gar nicht weit, falls überhaupt entfernt liegt von Motiven und Aussagen christlicher Apokalypsen im Allgemeinen und – der hier näher zu betrachtenden – Apokalypse des Paulus (ApkPl) im Speziellen, auch wenn keineswegs ein unmittelbarer Zusammenhang und Einfluss besteht.

Wieviel ‚Paulus‘ ist in der Apokalypse des Paulus?

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Und damit befänden wir uns bereits inmitten ebenjener Welt der ApkPl, der wir uns sofort zuwenden könnten, wären da nicht die Schwierigkeiten des grundsätzlichen Zugangs zu und die problematische Forschungssituation über genau diese teils schrecklich-verstörende, gleichzeitig doch faszinierende christliche Apokalypse, deren Popularität und Einfluss mehr als beachtlich sind. Einige wenige Vorbemerkungen sollen exemplarisch solche Problemfelder vor Augen führen.

2. Grundsätzliches im Voraus – exemplarische Problemanzeigen 2.1 P.Pintaudi 10 (= Bodl.MS.Gr.th.g 2 [P])3 Es handelt sich um zwei Fragmente eines Pergamentkodex, der aufgrund der Schrift auf die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts datiert wird. Das größere, dreieckige Fragment bewahrt Textreste von sieben Zielen auf beiden Seiten. Die Fleischseite ist relativ gut erhalten, das Pergament bräunlich-gelblich verfärbt. Die Haarseite jedoch weist deutlich auf Kontakt mit etwas Metallischem hin, möglicherweise aus Bronze (Teil des Buchdeckels bzw. Bucheinbands, eventuell mit Dekoration?), was zu einer grünlich oxidierten Verfärbung des Pergaments führte. Im oberen Rand der Haarseite sind in zwei Zeilen Buchstaben spiegelverkehrt und, im Verhältnis zum restlichen Text, auf dem Kopf stehend abgedruckt, d.h. sie stammen entweder von einem ursprünglich hierauf liegenden Blatt, auf dem die Schrift noch nicht getrocknet war, oder wohl eher von einem anderen Blatt, das fest auf dem erhaltenen Fragment lag und dessen Schrift dann, etwa aufgrund von Feuchtigkeit, hier abgedruckt wurde. Der erhaltene Text ist stark fragmentarisch und wenig aussagekräftig. Fragment B [Fleischseite] l.1 hat παρεβη.[, was auf παραβαίνω verweist (vgl. παρέβη [Apg 1,25]). In l.2 steht εἰσελθώ[ν von εἰσέρχοµαι, das auch nicht auffällig ist. Auch ]c̣ον ειδο[ in l.3 ist nicht eindeutig aufzulösen.4 In l.5 könnte für ]ε̣ι ̣α̣οc̣[ bei Annahme von Itazismus poetisches ἵλαος („gnädig, huldvoll“ bzw. „heiter, fröhlich“) oder eines seiner Komposita vorliegen. Noch undeutlicher sind die textlichen Spuren auf der Haarseite: ] ̣χητων ̣[ (l.1) findet sich in verschie3

TM 65095. T.J. KRAUS, Fragment eines Kodex mit Resten aus einer Paulus zugeschriebenen apokryphen Schrift (Paulus-Apokalypse[?] oder Paulus-Akten[?]), in: D. Minutoli (Hg.), Inediti offerti a Rosario Pintaudi per il suo 65° compleanno (P.Pintaudi), Florenz 2012, 47–52 u. Tafel VIII. 4 Aus den vielen Möglichkeiten sei hier zur Demonstration nur angeführt (Suche mit TLG): µέσον εἶδος (Galenus Med., De crisibus libri iii 9.671.2; De methodo medendi libri xiv 10.597.10), τὸ περισσὸν εἶδος (Iamblichus, In Nic. 113.9; Theol. Ar. 77.18), Λόγων δὲ δισσὸν εἶδος (Eusebius, praep. 12.4.1.1), τὸ δὲ σόν εἶδος ἀεὶ τέθηλεν (Flavius Philostratus, Epist. et diael. 1.51.7). Vielleicht gehören ]c̣ον ειδο[ syntaktisch nicht so eng zusammen und es beginnt beispielsweise mit ειδο[ ein neuer Satz bzw. Gedanke.

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denen Zusammensetzungen als Endung. Vielleicht aber ist auch zwischen ] ̣χη und των ̣[ zu trennen. Für ] ̣επ ̣ε[ (l.3), ]τα ̣ ̣α ̣[ (l.5), ]α̣ ̣ ̣[ (l.6) und ]το [̣ (l.7) gibt es zahlreiche Möglichkeiten, von denen sich keine wirklich aufdrängt. Bei ]κεινο ̣[ handelt es sich wohl um ein Allerweltswort (v.a. κεῖνος, ἐκεῖνος und Komposita). Bleiben aber noch die auf dem Kopf stehenden, spiegelverkehrten Buchstaben. Es liegt nahe, ] ̣ω cοι παυλε ειε̣[ und ] ̣αν µ̣ οι οι αδ̣ ε [̣ zu lesen, das dann möglicherweise zu lesen sei als ̣ω cοι Παῦλε εἶεν δ ̓ἂν µοι οἱ ἄδελφοι. Besonders auffällig ist dabei der Vokativ Παῦλε und cοι sowie µοι. Paulus wird direkt aus der Ich-Perspektive angesprochen, wobei der potentielle Optativ εἶεν („sie seien“) noch die dritte Person Plural als weitere Perspektive einspielen könnte. Selbst wenn eine eindeutige Zuordnung zur griechischen Apokalypsis Pauli und insbesondere zur lateinischen Visio Pauli nicht wirklich zwingend gelingt (wie auch zu den Paulus-Akten nicht), könnte P.Pintaudi 10 trotzdem ein Textzeuge einer dem Paulus zugeschriebenen apokryphen Schrift, dann insbesondere der ApkPl sein oder zumindest zu ihrem Traditionsumfeld bzw. einem bestimmten Stand im Laufe der komplexen, vielfältigen und nach wie vor nicht umfänglich aufgearbeiteten Überlieferung dieser Apokalypse gehören.5 Ergo liegt nicht wirklich eine umfassende kritische Textgrundlage aus den relevantesten Überlieferungssträngen und Versionen vor.6 2.2 Relevante Einleitungsfragen Anders als bei anderen Texten, insbesondere der kanonischen Schriften des Neuen Testaments und so mancher apokrypher bzw. apokryph gewordener Literatur, sind für die ApkPl die relevanten Einleitungsfragen nach wie vor nicht eindeutig geklärt.7 Das hängt vielfach damit zusammen, dass oftmals die textlichen und überlieferungsgeschichtlichen Grunderkenntnisse fehlen, sogar fehlen müssen, was angesichts einer komplexen Überlieferungs- und Entwicklungsgeschichte einerseits und der diversen Versionen andererseits einleuchtet. Entsprechend bleibt – wie in den meisten kritischen modernen Übersetzungen 5 So ist beispielsweise die arabische Version der ApkPl zwar in Facetten und in ihrer handschriftlichen Darbietung bekannt, eine wirklich systematische Erschließung als Teil einer umfänglichen Darstellung der ApkPl und ihrer diversen Versionen erfolgte bislang nicht und bleibt ein äußerst diffiziles Unterfangen. Hierzu A. BAUSI, A first Evaluation of the „Arabic Versin of the Apocalypse of Paul”, ParOr 24 (1999), 131–164. 6 So etwa T. NICKLAS, Gute Werke, rechter Glaube: Paulusrezeption in der Apokalypse des Paulus?, in: T. Nicklas/A. Merkt/J. Verheyden (Hg.), Ancient Perspectives on Paul, NTOA 102, Göttingen 2013, 150–169 (151). Ferner pessimistisch H. DUENSING/A. DE SANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus, in: W. Schneemelcher (Hg.), NTApo Bd. 2, Tübingen 6 1997, 644f.: „Die Unterschiede der verschiedenen Texte sind so groß, daß eine Zusammenarbeitung unmöglich ist.“ 7 Vgl. NICKLAS, Gute Werke (s. Anm. 6), 151. Für spezifische Einleitungsfragen vgl. die Beiträge in J. BREMMER/I. CZACHESZ (Hg.), The Visio Pauli and the Gnostic Apocalypse of Paul, Studies on Early Christian Apocrypha 9, Leuven 2007.

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– nur, sich an der vollständigen lateinischen Version – und das heißt bereits wieder an den lateinischen Langformen – zu orientieren, dabei jedoch nicht die anderen Versionen zu vernachlässigen, auch und gerade auch die nur in Auszügen und in recht jungen Handschriften erhaltene griechische Fassung, aber ebenso etwa die koptische, syrische und armenische Version zu berücksichtigen.8 2.3 Kulminationspunkt und Interim – Textgrundlage der ApkPl Die ApkPl kann getrost – zumindest inhaltlich – als Kulminationspunkt einer langen apokalyptischen Tradition gesehen werden, wie dies kürzlich Emiliano Fiori in einem Artikel vorgeschlagen hat.9 Dabei schlägt er unter Rückgriff auf die griffige Modifikation von Apokalypsen als Genre von John J. Collins vor, die ApkPl unter die „prototypischen“ Apokalypsen zu rechnen, eben wegen ihrer typischen Motive und deren hohen Konzentration auf engem Raum.10 Zudem ist die ApkPl als wichtiger Orientierungspunkt für nachfolgende christliche Texte (vgl. u.a. zwei der Jungfrau Maria zugeschriebenen Apokalypsen – immerhin hat die äthiopische Version der ApkPl dann auch Maria als Protagonistin) anzusehen. Sie wurde zigfach in alle Sprachen der Spätantike und des Mittelalters übersetzt und diese Übersetzungen weisen auch ihr Eigenleben auf, obgleich deren Zueinander nach wie vor näherer Erforschung bedarf.11 Und schlussendlich darf keinesfalls eben jene Vision vergessen werden, die als Weltliteratur epochenübergreifend die Vorstellungen der Menschheit über das Was nach dem Tod prägte, die Divina Commedia von Dante Alighieri, hier

8 Hierzu G. RÖWEKAMP, Paulus-Literatur, in: Ders./W. Geerlings (Hg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg i. Br. u.a. 21998, 484–486 (484f.); DUENSING/DE SANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus (s. Anm. 6), 644; J.K. ELLIOTT, The Apocryphal New Testament. A Collection of Apocryphal Christian Literature in an English Translation, Oxford 1993 [paperback edition 2005], 616. 9 Vgl. E. FIORI, A Reactivation of the Apocalyptic Genre in Early Egyptian Monasticism. The Apocalypse of Paul, in: E. Cancik-Kirschbaum/A. Traninger (Hg.), Wissen in Bewegung: Institution – Iteration – Transfer, Episteme in Bewegung 1, Wiesbaden 2015, 307–322 (307). 10 Vgl. J.J. COLLINS, The Genre Apocalypses Reconsidered, ZAC 20 (2016), 21–40. Collins greift hier auf die Beiträge des von ihm selbst herausgegebenen Themenhefts (Apocalypse: The Morphology of a Genre, Semeia 14 [1979]) zurück. Insbesondere für den vorliegenden Kontext relevant erscheinen DERS., Introduction: Towards the Morphology of a Genre, 1–20; DERS., The Jewish Apocalypses, 21–59, aber auch A. YARBRO COLLINS, The Early Christian Apocalypses, 61–121. 11 Vgl. A. HILHORST, The Apocalypse of Paul: Previous history and afterlife, in: Bremmer/Czachesz, The Visio Pauli (s. Anm. 7), 1–22. Ferner in aller Prägnanz R. BAUCKHAM, Non-Canonical Apocalypses and Prophetic Works, in: A. Gregory/C. Tuckett (Hg.), The Oxford Handbook of Early Christian Apocrypha, Oxford 2015, 115–137 (122f.).

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insbesondere seine Reise durch das Inferno, auf das so einiges aus der ApkPl – dann der lateinischen Visio Pauli – eingewirkt haben mag.12 Als Textgrundlage für die lateinische und damit vollständige Visio Pauli dient in erster Linie die auf der Basis von Theodor Silversteins erster kritischer Ausgabe mit Fokus auf den drei lateinischen Langformen von ihm selbst und Anthony Hilhorst nachbearbeitete kritische Ausgabe.13 Für das von der griechischen Apocalypsis Pauli Erhaltene dient nach wie vor die Ausgabe von Konstantin von Tischendorf,14 für die noch zu berücksichtigende koptische Version jene von Ernest Alfred Thompson Wallis Budge15 als Textbasis. Darüber hinaus werden gängige moderne Übersetzungen wegen ihrer Einleitungen, ihrer Erläuterungen und ihrer Referenzen herangezogen. Der zitierte deutsche Text folgt jenem von Hugo Duensing und Aurelio de Santos Otero.16 Als Abkürzung fungiert ApkPl, die dann sowohl die Apocalypsis Pauli (griechisch) als auch die Visio Pauli (lateinisch) bezeichnet.

3. Paulinisches in der ApkPl 3.1 Typisch Paulinisches und damit Paulusrezeption? Selbstverständlich steht im Vordergrund der Betrachtung in dieser Studie, was denn Paulus generell mit der ApkPl zu tun habe. Dabei steht häufig 2Kor 12,1– 5 im Vordergrund und das dann immer wieder als einzige Stelle aus dem Corpus Paulinum, die Beachtung und nähere Betrachtung erfährt (zu 2Kor 12,1–5 aber später mehr). Generell wurde die theologische und damit gedankliche Verbindung der paulinischen neutestamentlichen Texte mit der ApkPl zweimal dezidiert erörtert: 12 Der Zusammenhang zwischen Divina Commedia und ApkPl wird nahezu in allen modernen Übersetzungen und auch in Fachbeiträgen immer wieder betont, meist jedoch ohne im Detail Verbindungslinien zu benennen. Einen Versuch der näheren Bestimmung unternahm bereits T. SILVERSTEIN, Did Dante know of the Vision of St Paul?, Harvard Studies and Notes in Philology and Literature 19 (1937), 231–247. 13 T. SILVERSTEIN, Visio Sancti Pauli: The History of the Apocalypse in Latin together with Nine Texts, StD 4, London 1935; DERS./A. HILHORST, Apocalypse of Paul: A New Critical Edition of Three Long Latin Versions, Cahiers d’Orientalism 21, Genf 1997. 14 K. V. TISCHENDORF, Apocalypses Apocryphae Mosis, Esdrae, Pauli, Iohannis, item Mariae dormitio, additis Evangeliorum et actuum apocryphorum supplementis, Leipzig 1886 [Nachdr.: Hildesheim 1966], 34–69. 15 E.A. WALLIS BUDGE, Miscellaneous Coptic Texts, London 1915, 534–574.1043–1084 (mit englischer Übersetzung). 16 In erster Linie DUENSING/DE SANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus (s. Anm. 6); ELLIOTT, The Apocryphal New Testament (s. Anm. 8); C.C. KAPPLER/R. KAPPLER, Apocalypse de Paul, in: F. Bovon/P. Geoltrain (Hg.), Écrits apocryphes chrétiens I, Bibliothèque de la Pléiade, Paris 1997.

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(1) In der Gedenkschrift für Alfred Stuiber geht Ernst Dassmann im Jahr 1982 der Frage nach dem Paulusbild in ApkPl nach, eben was sich ergäbe, wenn denn Bezüge zum Corpus Paulinum näher betrachtet würden.17 Für Dassmann bleibt die Figur des Paulus in der ApkPl „farblos“, in anderen Worten ohne wirkliche Kontur.18 Als Bezüge bzw. identifizierbare Anspielungen fasst Dassmann allenfalls Röm 8,18, 1Kor 15,27, 2Thess 1,10 und 2Tim 4,7 ins Auge. (2) Darauf aufbauend widmet sich Tobias Nicklas in dem Sammelband Ancient Perspectives on Paul 2013 folgenden leitenden Fragestellungen:19 „Wie ,paulinischʻ ist die Apokalypse des Paulus?“ und „Inwiefern begegnen Gedanken und Ideen, die wir auch im Corpus Paulinum finden? Wie sind sie aufgenommen und weiterentwickelt?“20 Nicklas betrachtet dabei den Text der ApkPl – unterteilt in thematische und inhaltliche Einheiten. Für die Grunddisposition des Menschen in ApkPl 3–8 und Röm 1,18–31 (und 2,1–11) postuliert er „ein in wichtigen Linien so gemeinsames Grundmuster des Denkens über die Situation des Menschen, so dass man vielleicht doch wagen kann, ApkPl 3–8 als eine narrative Umsetzung wichtiger Gedanken der genannten Abschnitte des Römerbriefs zu interpretieren.“21 Er zieht Röm 8 in diesem Kontext heran und stellt für die Abschnitte ApkPl 11–18, 19–30, 31–44 und 45–51 nach deren näherer Betrachtung fest, dass sich Verschiebungen zwischen Paulus und ApkPl ergeben, „die paulinisches Denken nur noch in Fragmenten erahnen lassen.“22 Dies leitet er davon ab, dass die ApkPl „zunächst einmal Dokument einer Zeit [ist], in der die ursprüngliche, noch für Paulus so wichtige Hoffnung auf Naherwartung mehr oder minder verloren ist, in der den Glaubenden aber weiterhin die bleibende Gültigkeit der Predigt vom göttlichen Gericht und den Konsequenzen des eigenen Tuns für die Existenz nach dem Tode eingeschärft werden muss.“ Für Nicklas wird das Paulusbild entscheidend vom Schlusskapitel geprägt, in dem Paulus – ganz gleich, wo man den ursprünglichen Schluss der ApkPl ansetzt und/oder welche Tradition man näher betrachtet – nochmals dezidiert angesprochen wird. Summa summarum ist das nicht viel und vor allem ohne jede konkrete und eindeutig identifizierte Abhängigkeit zwischen Corpus Paulinum und ApkPl.23

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Vgl. E. DASSMANN, Paulus in der ,Visio sancti Pauliʻ, in: T. Klauser/E. Dassmann/K. Thraede (Hg.), Jenseitsvorstellungen in Antike und Christentum, Gedenkschrift für Alfred Stuiber, JbAC.E 9, Münster 1982, 117–128 (124–128). 18 DASSMANN, Paulus (s. Anm. 17), 124. 19 Vgl. NICKLAS, Gute Werke (s. Anm. 6), 150–169. 20 NICKLAS, Gute Werke (s. Anm. 6), 154. 21 NICKLAS, Gute Werke (s. Anm. 6), 158. 22 NICKLAS, Gute Werke (s. Anm. 6), 167. 23 Hinsichtlich gemeinsamer Motive und (vager) Verbindungslinien erweist sich die Lektüre von A.F. SEGAL, Life after Death. A History of the Afterlife in Western Religion, New

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Dieser Eindruck wird unterstützt durch die Tatsache, dass keine deutlichen Zitate paulinischer Schriften in der Apokalypse verifiziert werden können. Diese Feststellungen erfolgen natürlich unter Vernachlässigung von 2Kor 12. 3.2 2Kor 12,1–5 in ApkPl – ein eindeutiger Zusammenhang? Deutlich sichereren Boden scheint man zu betreten, wenn man sich der Verbindung von 2Kor 12,1–5 und der ApkPl zuwendet, so erscheint jedenfalls der generelle Tenor in der Literatur. Und die Zitation dieser Stelle in der Pariser Handschrift (P), Hauptrepräsentantin des vollständigsten lateinischen Texts L1 und meist auch Grundlage für den Fließtext in Editionen und Hauptvorlage für moderne Übersetzungen (mitsamt der beiden kürzeren Handschriften in St.Gallen [Gz] und aus dem Escorial [Esc]), zu Beginn des Texts bestätigt dies. P leitet entsprechend nach der Titulatur (Incipit visio sancti Pauli apostoli) wie folgt ein:24 Veniam autem ad uisiones et reuelaciones domini. Scio hominem in Christo ante annos quatuordecim, siue in corpore nescio siue extra corpus nescio, deus scit, raptum huiusmodi usque ad tercium caelum. Et scio huiusmodi hominem, siue in corpore siue extra corpus nescio, deus scit, quoniam raptus est in paradisum et audiuit archana uerba que non licet hominibus loqui. Pro huiusmodi gloriabor, pro me autem nihil gloriabor nisi in infirmitatibus meis.

Das Ganze wird auch gestützt durch eine Handschrift in Graz (Gz), die (zusammen mit einem Wiener [F] und einem Züricher Kodex [Z]) für die lateinische Langform L2 als wichtige Grundlage fungiert.25 Die Unterschiede zur Vulgata sind zwar marginal,26 textkritische Varianten können – bei aller York u.a. 2004, 399–440 („Paulʼs Vision of the Afterlife“) als interessant, ohne dass Segal jedoch deutliche Bezüge herstellt. 24 SILVERSTEIN/HILHORST, Apocalypse of Paul (s. Anm. 13), 66. Es fehlt dabei: Gloria oportet; non expedit quidem zu Beginn. Gz (für L2 alleine an dieser Stelle) weist nur marginale Unterschiede auf (vgl. SILVERSTEIN/HILHORST, Apocalypse of Paul [s. Anm. 13], 170), endet dann aber mit 2Kor 12,4 salopp und summarisch: scio hominem in Christo ante annos quatuordecim, siue in corpore siue extra corpus nescio, deus scit, raptum huiusmodi usque ad tercium celum. Et scio huiusmodi hominem, siue in corpore siue extra corpus nescio, deus scit, quoniam raptus est in paradysum et audiuit archana uerba que non licet homini loqui. Et cetera. 25 Vgl. NICKLAS, Gute Werke (s. Anm. 6), 153f. Ausführlich zu den Handschriften und lateinischen Langversionen SILVERSTEIN/HILHORST, Apocalypse of Paul (s. Anm. 13), 23– 39.41–58 (Literatur). 26 2Kor 12,1–5 zitiert nach: Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece et Latine, Stuttgart 32005: 1 Gloriari oportet; non expedit quidem; veniam autem ad visiones et revelationes Domini. 2 scio hominem in Christo ante annos quattuordecim sive in corpore nescio sive extra corpus nescio Deus scit raptum eiusmodi usque ad tertium caelum. 3 Et scio huiusmodi hominem sive in corpore sive extra corpus nescio Deus scit 4 quoniam raptus est in paradisum et audivit arcana verba quae non licet homini loqui. 5 Pro eiusmodi gloriabor pro me autem nihil gloriabor nisi in infirmitatibus meis.

Wieviel ‚Paulus‘ ist in der Apokalypse des Paulus?

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grundsätzlichen Relevanz – angesichts der Zielsetzung dieser Studie vernachlässigt werden. Analoges gilt für den griechischen Text von 2Kor 12,1–5.27 Entsprechend wird in der Literatur die Signifikanz dieser Zitation herausgestellt und als Initialmotivation für die ApkPl betrachtet. Einige Beispiele: Hugo Duensing und Aurelio de Santos Otero vermerken in ihrer Einleitung zu dieser Apokalypse in NTApo 6II:28 „Die Entrückung ins Paradies, von der Paulus 2Kor 12 erzählt, gab einem mit den apokalyptischen Traditionen vertrauten Manne Anlaß, das was er über das Jenseits wußte oder dachte, dem Apostel als Berichterstatter in den Mund zu legen.“

J. Keith Elliott schreibt hierzu:29 „Paulʼs description of his being caught up into Paradise (2 Cor 12) gave the cue for creating this Apocalypse which includes his vision of the afterlife.“

Ähnlich formuliert auch Bart D. Ehrman:30 „In a well-known passage from 2 Corinthians 12, Paul claims that he had once been caught up into heaven to behold a vision of things that could not be uttered. A later Christian nonetheless decided to give utterance to these things, and the present apocalypse is the result.“

Also ist 2Kor 12 die ausgezeichnete und bestens geeignete Motivation, die dort aufgerissene Informationslücke mit apokryphen Stoffen im Detail auszugestalten und das Ganze dann an der Person des Paulus festzumachen. Auch ClaudeClaire Kappler und René Kappler rekurrieren gleich im ersten Abschnitt ihrer Einleitung zur ApkPl auf die Referenzstelle, und das natürlich wie selbstverständlich unter Einbettung von 2Kor 12,1–4 (wie sie in der Fußnote dann zusätzlich vermerken):31 „Sa force singulière, dans un genre foisonnant, était de sʼappuyer sur la mystérieuse expérience extatique, évoquée par saint Paul lui-même – à mots couverts, avec un mélange dʼinsistance et de prudence –, celle dʼun homme – lʼapôtre en personne – ravi jusquʼau troisième ciel, jusquʼau paradis – ‚Était-ce en son corps? Était-ce sans son corps? Je ne sais, Dieu le sait‘ –, et qui entendit des paroles ineffables, quʼil nʼest pas permis à un homme de redire.“

27 2Kor 12,1–5 zitiert nach: Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece, Stuttgart 282012 (4. korrigierter Druck 2015): 1Καυχᾶσθαι δεῖ, οὐ συµφέρον µέν, ἐλεύσοµαι δὲ εἰς ὀπτασίας καὶ ἀποκαλύψεις κυρίου. 2 οἶδα ἄνθρωπον ἐν Χριστῷ πρὸ ἐτῶν δεκατεσσάρων, εἴτε ἐν σώµατι οὐκ οἶδα, εἴτε ἐκτὸς τοῦ σώµατος οὐκ οἶδα, ὁ θεὸς οἶδεν, ἁρπαγέντα τὸν τοιοῦτον ἕως τρίτου οὐρανοῦ. 3 καὶ οἶδα τὸν τοιοῦτον ἄνθρωπον, εἴτε ἐν σώµατι εἴτε χωρὶς τοῦ σώµατος οὐκ οἶδα, ὁ θεὸς οἶδεν, 4 ὅτι ἡρπάγη εἰς τὸν παράδεισον καὶ ἤκουσεν ἄρρητα ῥήµατα ἃ οὐκ ἐξὸν ἀνθρώπῳ λαλῆσαι. 5 ὑπὲρ τοῦ τοιούτου καυχήσοµαι, ὑπὲρ δὲ ἐµαυτοῦ οὐ καυχήσοµαι εἰ µὴ ἐν ταῖς ἀσθενείαις. 28 DUENSING/DE SANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus (s. Anm. 6), 645. 29 ELLIOTT, The Apocryphal New Testament (s. Anm. 8), 616. 30 B. EHRMAN, Lost Scriptures. Books that did not make it into the New Testament, Oxford 2003, 288. 31 KAPPLER/KAPPLER, Apocalypse de Paul (s. Anm. 16), 777 u. Anm. 1.

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Die Frage nach dem Leib, die nur Gott selbst zu beantworten weiß, die Entrückung in das Paradies und die dort vernommenen „unaussprechlichen Worte“ dienen als Ausgangspunkte, vielmehr sogar als Programm, so Kappler und Kappler. Doch man ist weiter eingedrungen in die Exegese und Übertragung der Stelle als beabsichtigt, notwendig und zielführend. Dass 2Kor 12,1–4 für die und in der ApkPl eine Rolle spielt, ist nicht von der Hand zu weisen. In einschlägigen Aufsätzen haben Vernon K. Robbins im Jahr 2003 (2Kor 12,2–4 als Veranlassung eines Autors, daraus die ApkPl zu formen),32 James R. Harrison 2004 und Riemer Roukema 2005 mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung und Perspektive die Bedeutung der Referenzstelle für ApkPl nachgezeichnet.33 Doch welche Rolle genau spielt 2Kor 12 hier? Das mag keineswegs so eindeutig und selbstevident sein, wie immer und immer wieder geäußert wird. Und dafür bedarf es auch eines genaueren Blicks auf die relevanten Textstellen in den relevanten verschiedenen Versionen und Überlieferungssträngen dieser doch so einflussreichen christlichen Apokalypse. Doch zunächst nochmals die Vergegenwärtigung von 2Kor 12,1–5:34 1

Gerühmt muss werden; wenn es auch nichts nützt, so will ich doch kommen auf die Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn. 2 Ich kenne einen Menschen in Christus; vor vierzehn Jahren – ist er im Leib gewesen? Ich weiß es nicht; oder ist er außer dem Leib gewesen? Ich weiß es auch nicht; Gott weiß es –, da wurde derselbe entrückt bis in den dritten Himmel. 3 Und ich kenne denselben Menschen – ob er im Leib oder außer dem Leib gewesen ist, weiß ich nicht; Gott weiß es –, 4 der wurde entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann.

Es geht Paulus um „Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn“ – immerhin eröffnet auch der griechische Text der ApkPetr mit der Offenbarung, der ἀποκάλυψις, aber hier Singular und in Bezug auf „den heiligen Apostel Paulus“ (τοῦ ἁγίου ἀποστόλου Παύλου). Meint Paulus hier sein Offenbarungsereignis auf dem Weg nach Damaskus, die Kehrtwende in seinem Leben, wenn er davon schreibt, dass er „einen Menschen in Christus“ kenne (οἶδα ἄνθρωπον ἐν 32

Vgl. V.K. ROBBINS, The Legacy of 2 Corinthians 12:2-4 in the Apocalypse of Paul, in: T.J. Burke/J.K. Elliott (Hg.), Paul and the Corinthians: Studies on a Community in Conflict. Essays in Honour of Margaret Thrall, NT.S 109, Leiden u.a. 2003, 327: „Rather than focus directly on 2 Cor 12:2-4, this essay will explore the manner in which the third or fourth century author of the Apocalypse of Paul created an entire Apocalypse out of these verses.“ 33 Vgl. J.R. HARRISON, In Quest of the Third Heaven: Paul and his Apocalyptic Imitators, VigChr 58 (2004), 24–55; R. ROUKEMA, Paulʼs Rapture into Paradise in Early Christian Literature, in: A. Hilhorst/G.H. van Kooten (Hg.), The Wisdom of Egypt: Jewish, Early Christian and Gnostic Essays in Honour of Gerard P. Luttikhuizen, AJEC 59, Leiden u.a. 2005, 267–283. 34 Zitiert nach: Luther-Bibel 1984 (http://www.bibelwissenschaft.de/de/online-bibeln/luther-bibel-1984, Zugriffsdatum: 11.03.2017). Verwiesen sei hier an den lateinischen und griechischen Text, der in Anm. 27 und 28 zitiert wurde.

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Χριστῷ)? Meint er also damit sich selbst? Das scheint, so Charlotte Touati,35 nicht der Fall zu sein und entspräche nicht der sonstigen paulinischen Behandlung des Damaskusereignisses. Andere Kommentatoren jedoch sehen sehr wohl eine Selbstidentifikation des Paulus mit dem „einen Menschen in Christus“.36 Zudem ist in 2Kor 12,4 von „unaussprechlichen Worten“ die Rede, etwas das, so Touati, „in die Sprache der Mysterien“ gehöre. Wie dem auch sei und für welche Position man sich auch entscheide, für Touati sind Damaskusereignis, Lebenswende und Offenbarung des Paulus von wesentlicher Bedeutung:37 „Die Entrückung in den dritten Himmel, die ekstatische Erfahrung auf dem Weg nach Damaskus und die Lebenswende des Paulus in Folge einer Offenbarung werden sehr früh in Zusammenhang miteinander gesehen, obwohl man nicht weiß, ob es um das gleiche oder verschiedene Ereignisse geht.“

Einer grundsätzlichen kontextuellen Erschließung von 2Kor 12,1–5 geht Leif Carlsson nach.38 Er bettet die Stelle in 2Kor 10–13 ein und geht damit ihrer Bedeutung im Kontext der paulinischen Kosmologie nach, weist aber gerade auch die Besonderheit der Einheit V.1–5 aus. Für Carlsson kommt gerade dort zum Tragen, dass die Gegner des Paulus seine Autorität und seinen Apostelstatus in Frage gestellt, ihn diskreditiert hätten, so dass er nun selbst mit deren Mittel dagegenhalten müsse.39 Auffällig ist dabei die Nennung des dritten Himmels in V.2, etwas, das sonst im Corpus Paulinum nicht begegnet.40 Was hat es aber nun mit der Zusammengehörigkeit von 2Kor 12,1–5 und der ApkPl auf sich? Anders gefragt: Welche Signifikanz hat 2Kor 12,1–5 für die ApkPl? Und was wäre, wenn gerade diese Verse nicht als Anfang der eigentlichen bzw. ursprünglichen ApkPl angesetzt werden würden? Denn auffällig wird bereits bei der bloßen Lektüre dieser Apokalypse eines:41 „Obwohl die Visio Sancti Pauli sich explizit auf 2Kor 12 bezieht, löst sich die Erzählung schnell von der biblischen Quelle. Der Abschnitt über den Aufstieg des Paulus ist ziemlich knapp und mündet in ein Bild, das weitgehend aus der Offenbarung des Petrus übernommen ist.“

35 Vgl. C. TOUATI, Das Schweigen sprechen lassen: Von 2Kor 12,2–4 zu den apokryphen Apokalypsen, in: J.-M. Roessli/T. Nicklas (Hg.), Christian Apocrypha. Receptions of the New Testament in Ancient Christian Apocrypha, Novum Testamentum Patristicum 26, Göttingen 2014, 301–312. 36 Hierzu die Literatur bei P. ARZT-GRABNER, 2. Korinther, PKNT 4, Göttingen 2014, 505 Anm. 526. 37 TOUATI, Das Schweigen (s. Anm. 36), 302. 38 L. CARLSSON, Round Trips to Heaven. Otherworldly Travelers in Early Judaism and Christianity, Lund Studies in History of Religions 19, Lund 2004, 163–191. 39 CARLSSON, Round Trips (s. Anm. 39), 163. 40 Genaueres bei CARLSSON, Round Trips (s. Anm. 39), 169–176. 41 TOUATI, Das Schweigen, (s. Anm. 36), 306.

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Eben deshalb ist gerade der vermeintliche Anfang der ApkPl eingehender zu betrachten. L1 beginnt mit Veniam autem ad uisiones et reuelaciones domini, d.h. „so will ich doch kommen auf die Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn“, also ohne vorangehendes „Gerühmt muss werden; wenn es auch nichts nützt“ von 2Kor 12,1a, und fährt dann mit V.2–5 fort.42 Der erhaltene verkürzte griechische Text dagegen setzt wie folgt ein: Ἀποκάλυψις τοῦ ἁγίου ἀποστόλου Παύλου· ἅπερ αὐτοῷ ἀπεκαλύφθῃ, ἡνίκα ἀνέβη ἕως τρίτου οὐρανοῦ καὶ ἡρπάγη εἰς τὸν παράδεισον καὶ ἤκουσεν ἄρρητα ῥήµατα. „Die Offenbarung des heiligen Apostels Paulus: Das was ihm offenbart wurde, als er hinaufstieg bis in den dritten Himmel und entrückt wurde in das Paradies und er hörte unaussprechliche Worte.“

Wie schon angesprochen: Während 2Kor 12,1 von „Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn“ weiß, damit also allgemein auf diese rekurriert, öffnet der griechische Text der Apokalypse mit der „Offenbarung des heiligen Apostels Paulus“, also der ἀποκάλυψις τοῦ ἁγίου ἀποστόλου Παύλου, d.h. im Singular und mit klarem Namensbezug. Dem steht gegenüber, dass Paulus der auferstandene Christus nicht nur einmal gewahr geworden ist (vgl. Apg 9,1–9; 18,9; Gal 1,12; 1Kor 9,1; 15,8).43 Um welche Offenbarung sollte es sich also handeln? Oder sollte es sich überhaupt um eine der sonst über Paulus oder von ihm angeführten Offenbarungen handeln? Oder ist die in 2Kor 12,2–4 nicht näher erläuterte Entrückung hier gemeint? Wie dem auch sei, letztlich passt das gut als Eröffnung der ApkPl, wodurch das Folgende summa summarum und schlüssig als ἀποκάλυψις gelten kann. Der dritte Himmel allerdings erscheint als auffällige Bezugnahme auf 2Kor 12,2, zumal neben der Vorrede bzw. der Einleitung der ApkPl auch noch ApkPl 11,19 und 21 vom „dritten Himmel“ die Rede ist. In ApkPl 11 wird auch auf die Entrückung des Paulus hingewiesen, die ihn „bis zum dritten Teil des Himmels, welches der dritte Himmel ist“, empor führte. Dieser Satz mit der Entrückung in den dritten Himmel fehlt allerdings in L1 und L2 sowie im griechischen Text, steht so aber in der syrischen Version.44 Gemäß ApkPl 19 – in allen relevanten Kodizes von L1 und L2, aber nicht im griechischen Text – folgt Paulus dem Engel, der ihn „bis zum dritten Himmel“ erhob. In ApkPl 21 wird Paulus aus dem dritten in den zweiten Himmel hinabgeführt. An allen vier Stellen ist der Gedanke der Ortsveränderung, der Entrückung nach oben – bzw. aus dem dritten Himmel nach unten in den zweiten – ausgedrückt. Näheres darüber, warum es ausgerechnet der dritte Himmel sein sollte, erfährt man nicht, 42

Zu L2, genauer Kodex Gz, der das Zitat nach 2Kor 12,4 beendet vgl. Anm. 25. Hierzu C.H. HILL, Regnum Caelorum. Patterns of Millennial Thought in Early Christianity, Grand Rapids u.a. 22001, 216. 44 DUENSING/DE SANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus (s. Anm. 6), 650 Anm. 24, werten den Satz als „für das Verständnis der Lage unentbehrlich“ und rechtfertigen so die Einfügung in ihre Übersetzung. 43

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genauso wenig also wie für 2Kor 12,2. Das Motiv des dritten Himmels ist jedoch hier und in 2Kor 12,2 nicht genuin, sondern findet sich auch noch in anderen Texten: Das slawische Henochbuch (= slavHen = 2Hen) benennt den „dritten Himmel“ als Paradies, in das die Gerechten unter den Menschen gebracht werden (8,1). Das ist umso interessanter, da ApkPl 19–20 Paulus in diesem dritten Himmel auch auf Henoch, den „Schreiber der Gerechtigkeit“, trifft. Das griechische Leben Adams und Evas, d.h. die Apocalypsis Mosis (ApkMos), bezeichnet den Ort, an dem Adam begraben wird, als „dritten Himmel“ (37,5), wohl einer der sieben Himmel, die Seth sehen darf (35,2). Die griechisch-slawische Baruch-Apokalypse (3Baruch)45 situiert die Dialoge und das Geschehen in den Abschnitten 4 bis 9 auch in einem „dritten Himmel“ von insgesamt fünf Himmeln. Einen dritten von sieben Himmeln entsprechend der Siebentageordnung kennt auch die Gedula Moshe.46 Der dritte Himmel findet sich zudem in der syrischen Version und einem armenischen Manuskript von Joseph und Aseneth (JosAs 22,13). Entsprechend ist das Paradies durchaus bereits durch jüdische, aber auch noch weitere andere Texte mit der Nennung des „dritten Himmels“ verbunden.47 Paulus ist sicherlich mit manchen dieser oder anderer Traditionen konfrontiert worden oder vertraut gewesen, vielleicht im Besonderen mit der ApkMos, mit der 2Kor 12 interessante Ähnlichkeiten aufweist (u.a. Engel des Lichts, Satan und Schlange als zwei Wesen, dritter Himmel und Paradies). Die unaussprechlichen Worte, ἄρρητα ῥήµατα bzw. arcana, allerdings lassen sich schwerlich einem anderen Hintergrund zuweisen, wie dies mit den anderen Motiven und Begrifflichkeiten möglich erscheint. Das alpha-privativum ἄρρητος bezeichnet im engeren Sinn etwas, das „nicht gesagt“ ist, ein „Nichtwort“, fasst man das Adjektiv als substantiviert auf, wie es absolut auch häufig gebraucht ist. Allerdings lässt sich die Verwendung von ἄρρητα ῥήµατα nirgends so finden. Belegt sind vor allem ἄρρητα ἱερά (Demosthenes, Gegen Neaera, 99,73; Aristophanes, Die Wolken, 299; Xenophon, Hellenika, 6,3) und ἄρρητα κακά (Demosthenes, Gegen Androtion, 22,61; Gegen Midras, 21,61). Auch impliziert ἄρρητος bereits folgendes ῥήµατα, was in Plato, Symposium, 189b mit ἄρρητα τὰ εἰρηµένα zum Ausdruck kommt. Die konkrete Zusammenstellung beider Lexeme erfolgt aber nur in 2Kor 12,4 und ApkPl in der Zitation

45 Vgl. A. KULIK, 3 Baruch: Greek-Slavonic Apocalypse of Baruch, CEJL, Berlin u.a. 2010. 46 So Gedulat Moshe 5,1–7. Vgl. H. SPURLING, Hebrew Visions of Hell and Paradise, in: R. Bauckham/J.R. Davila/A. Panayotov (Hg.), Old Testament Pseudepigrapha. More Noncanonical Scriptures 1, Grand Rapids 2013, 716. 47 Hierzu KULIK, 3 Baruch (s. Anm. 46), 196.

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der Paulusstelle in L1 oder in der griechischen Überlieferung,48 weshalb die griechische Eröffnung bzw. Vorrede der ApkPl durchaus als Anspielung aufgefasst werden kann.49 Neben den angeführten Aspekten aus 2Kor 12,1–5, auf die in Fußnoten als Referenzstellen verwiesen wird,50 die aber nicht zwingend klare Verweise von der ApkPl aus auf 2Kor 12 sein müssen – wie eben auch hinsichtlich des „dritten Himmels“ verdeutlicht –, wird regelmäßig für ApkPl 21 die Stelle 2Kor 12,4 als Referenz angeführt.51 Zur Kontextualisierung und als Satzanschluss wird an dieser Stelle noch V.3 vorangestellt: 3

καὶ οἶδα τὸν τοιοῦτον ἄνθρωπον, εἴτε ἐν σώματι εἴτε χωρὶς τοῦ σώματος οὐκ οἶδα, ὁ θεὸς οἶδεν, 4 ὅτι ἡρπάγη εἰς τὸν παράδεισον καὶ ἤκουσεν ἄρρητα ῥήματα ἃ οὐκ ἐξὸν ἀνθρώπῳ λαλῆσαι. 3

Et scio huiusmodi hominem sive in corpore sive extra corpus nescio Deus scit 4 quoniam raptus est in paradisum et audivit arcana verba quae non licet homini loqui.

3

Und ich kenne denselben Menschen – ob er im Leib oder außer dem Leib gewesen ist, weiß ich nicht; Gott weiß es –, 4 der wurde entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann.

Der Pariser Kodex (P) von L1 hat für ApkPl 21 demgegenüber:52 Et duxit me et ostendit mihi et audiui illuc verba que non licet omini loqui. „Und er führte mich und zeigte mir, und ich hörte dort Worte, die ein Mensch nicht sagen darf.“

Das Ganze ist in der Apokalypse in ein Schweigegebot eingebettet (Quecumque nunc ostendo tibi et quecumque audieris, ne indices ea omini in terris – „Was ich dir nun hier zeige und was du gehört haben wirst, das sollst du 48

Auch die dokumentarischen Papyri bieten keine wirklichen Vergleichstexte. Vgl. ARZT-GRABNER, 2. Korinther (s. Anm. 37), 506–507 (mit Diskussion von SB VI 9421 und Pap.Graec.Mag. II 13, beide mit ἄρρητος). 49 So NICKLAS, Gute Werke (s. Anm. 6), 154. 50 DUENSING/DE SANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus (s. Anm. 6), 650 Anm. 23 zu ApkPl 11 sowie 656 Anm. 63 zu ApkPl 19. Ein Hinweis für ApkPl 21 und die Erwähnung des „dritten Himmels“ unterbleibt jedoch. Dagegen notieren KAPPLER/KAPPLER, Apocalypse de Paul (s. Anm. 16), 791f.799–802, und ELLIOTT, The Apocryphal New Testament (s. Anm. 8), 623.627–629, keine konkrete Referenz an diesen Stellen. 51 Vgl. DUENSING/DE SANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus (s. Anm. 6), 657 Anm. 70; ELLIOTT, The Apocryphal New Testament (s. Anm. 8), 628 Anm. 15. 52 Lateinischer Text nach SILVERSTEIN/HILHORST, Apocalypse of Paul (s. Anm. 13), 114, deutscher nach DUENSING/DE SANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus (s. Anm. 6), 657. Ferner ELLIOTT, The Apocryphal New Testament (s. Anm. 8), 628: „And he led me and showed me; and there I heard words, which it is not lawful for a man to speak.“ KAPPLER/KAPPLER, Apocalypse de Paul (s. Anm. 16), 801 Anm. 21a, verweisen auf Augustinus, In Ioh. Tract. 98,8: Augustinus lässt sich nicht einmal durch den Stil dieses Satzes in seiner Ablehnung der ApkPl als unpaulinisch beirren.

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niemandem auf Erden mitteilen.“)53 sowie in die Ankündigung der Schau der Dinge, die Paulus „öffentlich erzählen und berichten darf.“ Zwischen den beiden Vergleichsversen gibt es offensichtliche Übereinstimmungen, so dass beide Verse nicht nur als Analogien oder inhaltliche Parallelen nebeneinander abgetan werden können, sondern als abhängig voneinander zu betrachten sind. Gerade die ἄρρητα ῥήµατα ἃ οὐκ ἐξὸν ἀνθρώπῳ λαλῆσαι und arcana verba quae non licet homini loqui sind in der Attribuierung der „Worte“ eindeutiger als illuc verba („jene Worte“) der ApkPl, von denen „es sich (für einen Menschen) nicht gehört/ziemt, sie zu sagen“ (wörtliche Übersetzung). Die auffällige Verbindung ἄρρητα ῥήµατα, d.h. dann konkret arcana verba, aus 2Kor 12,4 findet sich also nicht in L1 und L3. Zwar wird in den Kodizes von L2 (F, Gz, Z) archana (vgl. arcanum „Geheimnis“, „Verborgenes“) von ApkPl 21 verwendet, doch ist es als Teil der Rede des Engels über die „Geheimnisse“ eingebettet und nicht als Zitat der Korintherstelle aufzufassen.54 Was wäre nun, wenn 2Kor 12,1–5 bzw. 2–4 ansonsten ursprünglich nicht in der ApkPl gestanden und erst später hinzugekommen wären? Was, wenn das damit auch für die erhaltene Fassung der griechischen Version zutreffen würde? Inhaltlich und auch für die Zuweisung der ApkPl zu Paulus braucht es eine konkrete Bezugnahme auf 2Kor 12 nicht, zumal weder die Verse konkret noch Inhaltliches aus diesen dezidiert aufgegriffen werden. Der „dritte Himmel“ kann auf eine andere Quelle oder Tradition zurückgeführt werden, vor allem wenn man unterstellt, dass gerade in 2Kor 12 etwa Texte wie die Apocalypsis Mosis (das griechische Leben Adams und Evas) durchscheinen. Eine potenzielle spätere Hinzufügung von 2Kor 12,2–4 würde damit eine verdeutlichende Tendenz für die Zuweisung an Paulus und in erster Linie eine weitere engere Bindung an diesen über das Aufgreifen der Motive des „dritten Himmels“, der „unsagbaren Worte“ und damit der Ambivalenz zwischen dem, was berichtet werden darf, und dem, was nicht öffentlich gemacht werden soll, und der „Entrückung in das Paradies“ darstellen. Vielmehr mag man sogar an Augustinus denken, der in seinem Johannes-Traktat (In Ioh. Tract. 98,9) unmissverständlich seine Haltung der ApkPl gegenüber preisgibt: Diese sei nämlich erdichtet und nicht von der Kirche angenommen worden, eben auch weil sie gerade 2Kor 12 theologisch widerspräche. Jedenfalls weist die ApkPl – wie übrigens auch die gleichnamige koptische aus Nag Hammadi (NHC V,2) – mehr Unterschiede zu Paulus und seinen theologischen Standpunkten auf, beruht also wohl auf anderen ekklesiastischen Traditionen als das Corpus Paulinum.55

53 Wenngleich sprachlich dezent verschieden, so findet sich das Schweigegebot in P, StG, Esc und Arnh. 54 Vgl. SILVERSTEIN/HILHORST, Apocalypse of Paul (s. Anm. 13), 114f.184f.. 55 So HARRISON, In Quest (s. Anm. 34), 24–55.

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Summa summarum aber bleibt von alledem unbenommen, dass die in 2Kor 12,2–4 angezeigte Jenseitsreise des Paulus sehr wohl den grundsätzlichen Anknüpfungspunkt für die ApkPl darstellen kann und dieser faktisch auch wird, ganz gleich ob man in dieser Stelle des Corpus Paulinum sogar die genuine Grundmotivation für die Abfassung der Apokalypse sieht oder aber der Text im Fortgang über die Identifizierung des Ich-Erzählers als Paulus dann letztlich eine Verdeutlichung durch Nutzbarmachung von 2Kor 12,1–5 gerade zu Beginn nach sich zog. Die Zuschreibung an Paulus als Autor ist davon ohnehin unberührt, könnte gerade diese eine weitere Motivation dargestellt haben, die ApkPl im Laufe ihrer Überlieferung und Verbreitung noch stärker über 2Kor 12 an Paulus selbst zu binden. So könnte also 2Kor 12,1–5 zu Beginn der Apokalypse irgendwann vorangestellt worden sein und so programmatisch wirken (vgl. die lateinischen Langformen, dabei L1 und Gz von L2). Eine wirkliche Rezeption paulinischer Inhalte oder ein Text lässt sich für die ApkPl allerdings nicht verifizieren.

4. Paulus in der ApkPl Dadurch wäre bereits der Weg eingeschlagen für eine weitere Perspektive auf die ApkPl, nämlich der Frage nachzugehen, wie jeweils der Name „Paulus“ im Fortlauf der Erzählung Verwendung findet, d.h. mit welchen Attributen Paulus versehen wird, wie er sich in der narrativen Fiktion selbst bezeichnet und wie er angesprochen wird. Gibt es eindeutige Tendenzen und Wechsel in der Bezeichnung des Paulus mit spezifischen Attributen? Grundsätzlich kommen alle Stellen in der ApkPl in Betracht, an denen (a) die Ich-Perspektive generell aufscheint und damit auch (b) der Name Paulus angeführt ist. Natürlich beinhaltet (a) damit (b). Auch wichtig sind aber (c) die konkreten direkten Anreden des Paulus durch andere Charaktere sowie (d) Stellen, an denen von Paulus in der dritten Person die Rede ist. Der Einfachheit halber konzentriere ich mich auf alle Stellen, an denen der Name „Paulus“ angeführt ist, also (b), (c) und (d). Die Lektüre des Textes ergibt folgendes Ergebnis: (1) Heiliger Paulus – Heiliger Apostel Paulus Nur zu Beginn der Auffindungsgeschichte56 in den Abschnitten 1 und 2 (2x) ist vom „heiligen Paulus“ bzw. sancti Pauli (in Kodex P) bzw. τοῦ ἁγίου Παύλου die Rede. In der Vorrede der griechischen Fassung findet sich sogar ein zweites Attribut, also „heiliger Apostel Paulus“ bzw. Ἀποκάλυψις τοῦ ἁγίου 56 Zu dieser ausführlich P. PIOVANELLI, The Miraculous Discovery of the Hidden Manuscript, or The Paratextual Function of the Prologue to the Apocalypse of Paul, in: Bremmer/Czachesz, The Visio Pauli (s. Anm. 7), 23–49.

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ἀποστόλου Παύλου. Der Perspektive geschuldet ist die Verwendung der dritten Person Singular. Das Attribut „heiliger“ erhält Paulus nur zu Beginn der ApkPl in den Abschnitten der Auffindungsgeschichte, wobei es sich in ApkPl 2 jeweils auf „die Offenbarung des heiligen Paulus“, also die ApkPl selbst bezieht. Das könnte – zusammen mit Sozomenos Zweifel an der Wahrheit dieser Geschichte, welche die Kontaktperson, ein alter Presbyter in Tarsus, nicht bestätigen wollte (h.e. 7,19) – ein Hinweis darauf sein, dass die Auffindungsgeschichte erst später hinzugefügt wurde, also der Kern oder wesentliche Teile der ApkPl bereits vor dem Konsulat des erwähnten Theodosius Augustus des Jüngeren und Cynegius im Jahr 388 vorlagen. In den folgenden Abschnitten 3–6 mit dem Appell der Schöpfung an Gott gegen die Menschheit, 7–10 mit dem Bericht der Engel an Gott gegen die Menschen und 11–18 über Tod und Gericht der Gerechten und Sünder wird Paulus nicht mit Namen und besonderen Attributen angesprochen bzw. bezeichnet sich selbst nicht derart. Vielmehr kommt immer wieder – in erster Linie ab Kap. 11 – Paulus in der Ich-Perspektive oder, in anderen Worten, als Ich-Erzähler explizit vor, was auch für die dialogischen Zwischenpassagen wichtig erscheint. Erst ab Kapitel 20 taucht „Paulus“ wieder mit Namen und als Anrede auf. (2) Paulus, Geliebter Gottes – Geliebter Gottes Paulus Meist als direkte Anrede in der zweiten Person Singular findet sich Paule, dilectissime deo (a) oder dilectissimus dei Paulus (vgl. auch Παῦλε, ἀγαπητὲ τοῦ θεοῦ oder ὁ ἀγαπητὸς τοῦ θεοῦ Παῦλος) oder (b) das Ganze ohne Gott in den Abschnitten 20, 41, 43 (durch Erzengel Michael), 44 (zweimal, d.h. durch den Sohn Gottes und durch böse Engel), 46 (durch Maria, genannt mit Engeln und Menschen), 47 (zweimal zusammen mit Menschen), 51 (d.h. dort im koptischen Text, dann zweimal). Dabei wird Paulus im Erzählfortgang durch Engel bzw. den Erzengel Michael, aber auch durch böse Engel so wertschätzend en passant bezeichnet, dass dieses Attribut wie eine feste Wendung oder Auszeichnung wirkt. Paulus ist dabei jemand, dem Vollmacht verliehen wurde (41), der für die verzweifelten Sünder (zusammen mit den Engeln) weint und Gott um Erbarmen anruft (43) und damit auch Erfolg hat, so dass die Strafe zumindest für den Sonntag ausgesetzt wird (44). Maria grüßt ihn als „Paulus, du von Gott und den Engeln und den Menschen Hochgeliebter“ (Aue, Paule, dilectissime die et angelorum et hominum), dem das Privileg zuteil wird, dass er, weil ihn „alle Heiligen“ sehen wollen, im Körper dorthin kommt, um seine Vision zu erhalten (46), ein Wunsch, der dann später (47) Wirklichkeit wird, wenn ihm die Patriarchen begegnen, ihn grüßen und „im Körper“ sehen. Von Abraham, Isaak und Jakob

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wird er gegrüßt als „Paulus, Hochgeliebter Gottes und der Menschen“57 und er erhält eine Seligpreisung dafür, dass er Gewalt um des Herrn Willen ertragen habe (47). Auch der koptische Text betont das Sehen des Paulus „im Körper“ durch Zacharias und Johannes (51) und das Lob des Adam für die Leistung des Paulus („Paulus, Geliebter Gottes“), der viele zum Glauben gebracht hat. Paulus ist auch „Geliebter des Vaters“ (51). (3) Seliger Paulus Nur in den Abschnitten 48, 49 (fünfmal), 50 (zweimal), 51 (zweimal im koptischen Text), 51 (einmal im syrischen Text) findet sich tu beatus es, Paule bzw. µακάριος εἶ σύ, Παῦλε bzw. sprachliche Äquivalente. Hinzuzunehmen ist noch Abschnitt 47 mit der Seligpreisung des Paulus für ertragenes Leid. Diese Anreden erfolgen von verschiedener Seite, d.h. durch „alle Heiligen“ (48 Ende), Ezechiel (49), Lot (49 zweimal) und Hiob (50), im koptischen Text noch durch Elias (51) und Abel und Kain (51) sowie im syrischen Text wohl ebenso durch Elias (51) parallel zum Koptischen. Dabei geht die Seligpreisung des Paulus (48) auch über auf „das Geschlecht und das Volk, welches deinem Wort geglaubt hat“ (tu beatus es, Paule, et beata generacio et gens qui credidit uerbo tuo; L2 [Gz und Z] mit direkter Anrede Paule, aber einer beatus-Preisung für das Volk, das an „dich“ glaubt). Dies scheint ein wichtiger Topos geworden zu sein, da es mehrmals, wenngleich im Detail abweichend, wiederholt wird (49 [dreimal], 50, 51). Paulus und sein Wirken – er hat die Menschen zum Glauben gebracht – ist ein wichtiger Aspekt für die Abschnitte 48–51. Vielleicht gehört dazu auch die Seligpreisung „Selig bist du, Paulus, und selig ist das Geschlecht, das du bedient hast“ (49). Auch Noah selbst preist Paulus selig, sich selbst aber ebenso dafür, dass er Paulus gesehen habe (50). Dies ist im Zusammenhang mit dem „Geliebten Gottes“-Attribut zu sehen, da es hier nach der Seligpreisung angeführt ist. Darüber hinaus wird Paulus im koptischen Text seliggepriesen als der, der „gerecht in allen seinen Werken“ ist (51), und gen Ende hin dafür, dass „dein Geschlecht und deine Schülerschaft alle Kinder des Reiches sind“ (51).58 (4) Bruder Paulus In den auf diese Weise enger strukturell zusammengebundenen Kontext von 48–51 gehören auch die beiden Anreden des Paulus als „Bruder Paulus“ (frater Paule) in 48 durch Moses und in 49 durch Hiob, die ihn beide daraufhin auch

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Interessanterweise spricht auch Abraham von seinem Sohn Isaak als „Hochgeliebten“. Der griechische Text hat in Abschnitt 49 eine Aneinanderreihung von Seligpreisung und Geliebter-Gottes-Attribut: µακάριος εἶ σύ, Παῦλε, ἀγαπητὲ τοῦ θεοῦ. 58

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seligpreisen.59 Damit kommt eine zusätzliche Nuance über das Ansehen des Paulus und sein Verhältnis zu diesen beiden biblischen Autoritäten zum Ausdruck. Paulus wird nahezu eingereiht in die Abfolge der ab Kapitel 46 angeführten Persönlichkeiten, beginnend mit den Patriarchen, dann Mose, die Propheten, Lot, Hiob, Noah, Elias und Elisa und im koptischen Text auch Abel und Kain sowie Adam. Zuvor in Kap. 20 ist es Henoch, „der Schreiber der Gerechtigkeit“, der Paulus als „Geliebten“ begrüßt. (5) Paulus Zugeordnet werden müssen auch die Stellen, an denen Paulus einfach nur als „Paulus“ bezeichnet wird, oftmals im Vokativ Paule, also in direkter Anrede. Kapitel 20, 46 und 47 führen den einfachen Namen aber immer erst an, wenn vorher schon vom „geliebten Paulus“, in 48 vom „Bruder Paulus“ und 50 vom „seligen Paulus“ und „geliebten Paulus“ die Rede war. Dabei erfahren wir, dass die Jenseitsvision des Paulus eine Belohnung für seine Arbeit darstellt (20). Hierbei ist noch Abschnitt 43 interessant mit „Ich, Paulus“, ego Paulus, dem ein dilectissime Paulo vorangeht. Alles in allem wird über Paulus nichts Biographisches oder Bekanntes geboten, was als eindeutige Rückbindung an das Corpus Paulinum zu erkennen wäre. Sicherlich sind gerade die weiteren Qualifizierungen des koptischen Texts am Ende nicht nur interessant, sondern auch urplötzlich reichhaltiger und differenzierter, etwa im Hinblick auf den „erwählten Paulus“ und den „geliebten Paulus“, sogar vom Heiland als „O Geliebter des Vaters“ und „Erwählter Paulus“ (dabei mit „mein Geliebter, Petrus“ gleichgestellt) angesprochen. Doch steht eher die Apokalypse als solche selbst im Mittelpunkt des Interesses, ihre Bedeutung, ihre Verkündigung und ihre Lektüre. Insgesamt, und das bedeutet im Hinblick auf die gesamte ApkPl, wird Paulus näher qualifiziert als – „Geliebter“, „am meisten geliebter“, sei es durch Gott oder die Engel und Menschen, – „Seliger“ (beatus und µακάριος), „selig zu preisender“, insbesondere durch alttestamentarische Persönlichkeiten und – „Heiliger“, „Heiliger Apostel“ in den möglicherweise doch erst später hinzugekommenen Abschnitten der Auffindungsgeschichte und Vorrede. Stellen, an denen nur der Name „Paulus“ Verwendung findet, geht zuvor die nähere Bezeichnung als „Geliebter“ oder „Seliger“ voraus, so dass hier eine Ellipse unterstellt werden könnte. Die Häufung des Vorkommens von Namen und eben genannten Attributen gerade in den Kapiteln 46 bis 51 und v.a. 48 bis 59

Im griechischen Text fehlt die Bruder-Paulus-Anrede, das Geliebter-Gottes-Attribut scheint bevorzugt zu sein.

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51 ist sicherlich dem nun rascher werdenden Wechsel von Dialogpartnern und Charakteren geschuldet. Gerade im Paradies gilt Paulus offensichtlich den dort anwesenden Autoritäten als „geliebt“ und „selig“ (Kap. 20, 46–51), während die analogen Qualifizierungen des Paulus am Ort der Gottlosen und Sünder durch den ihn begleitenden Engel (41), den Erzengel Michael (43) und die Stimme Gottes vom Himmel her (44) als „geliebter Paulus“ bezeichnet wird. Seinem Sonderstatus wegen und weil er auch die Unterstützung durch den Erzengel Michael erfährt (43–44), erfolgt ein Gunsterweis, der darin besteht, dass – wie erbeten – die Gottlosen und Sünder wenigstens am Sonntag Pause von Bestrafung und Qual haben. Das erinnert an TestAbr 13–14 Rezension A: Abrahams Beten und Bitten wird erhört und ihm die Gunst gewährt, so dass diejenigen, die sich bereits in der Bestrafung befinden, aus der Verdammnis herauskommen.60 Aber damit ist schon auf ein abschließendes Fazit übergeleitet.

5. Die Bedeutung des Paulus für die ApkPl Worin besteht die Bedeutung des Paulus für die ApkPl? Er ist – wie eben angeführt – eine wichtige Größe, deren Beten bei Gott Gehör findet (43) und dem die Gunst gewährt wird – zusammen mit Michael versteht sich, der sein Anliegen unterstützt –, dass „alle, die in Qualen sind“ eine Nacht und einen Tag, d.h. den Sonntag, als „Erquickung“ erhalten, und das nicht einmalig sondern „für immer“ (44). Wenn dann in der äthiopischen Übersetzung die Jungfrau Maria als Bittstellerin dies für die Gequälten erreicht, sehen wir uns bereits inmitten eines höchst komplizierten Rezeptions-, Modifikations- und Aktualisierungsprozesses.61 Darüber hinaus wird Paulus in wiederholten Seligpreisungen für seine Leistung gerühmt, eben dafür, dass Menschen zum Glauben gekommen sind. Durch die Voranstellung von 2Kor 12,1–5 sowie die Anreden und Attribute wird die Apokalypse an Paulus selbst als Empfänger der Offenbarung gebunden. Er ist es, der erwählt ist „im Körper“ zu sehen, was andere nicht sehen dürfen, er soll schweigen über Dinge und doch andere weitergeben. Richtigerweise wird die ApkPl immer wieder konsequent innerhalb eines signifikanten Zueinanders verschiedener Apokalypsen eingeordnet, denen ähnliche Motive und Aspekte gemeinsam zu eigen sind. Die Relation zwischen 60

Hierzu ausführlicher T.J. KRAUS, Fürbitte für die Toten im frühen Christentum: „Ich werde … den gewähren, den sie aus der Strafe erbitten“, in: H. Klein/V. Mihoc/K.-W. Niebuhr (Hg.), Das Gebet im Neuen Testament. Vierte europäische orthodox-westliche Exegetenkonferenz in Sâmbăta de Sus 4.–8. August 2007, WUNT 249, Tübingen 2009, 355– 396. 61 Vgl. J.N. BREMMER, The Rise and Fall of the Afterlife. The 1995 Read-Tuckwell Lectures at the University of Bristol, London u.a. 2002, 65f.162 Anm. 72.

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ApkPetr und ApkPl scheint offensichtlich, die erstgenannte erfährt in der anderen detaillierte Ausgestaltung, insbesondere im Hinblick auf weitere Details der Jenseitsreise zu dem Ort, an dem die Sünder bestraft werden, sowie hinsichtlich dessen, was im Paradies geschieht. Überschneidungen sind auffällig und klar zu benennen.62 Immer wieder werden zudem auch die Zephania-Apokalypse (ApkZeph) und die Elias-Apokalypse (ApkEl) als wichtige, durch ähnliche oder auch mit der ApkPl gemeinsame apokalyptische Traditionen geprägte Texte genannt.63 Es sind diese Begegnungen oder das Schauen der Orte, an denen die Gerechten und Sünder sich nach dem Tod aufhalten bzw. aufbewahrt werden. Engel spielen eine wichtige Rolle, ebenso das Aufeinandertreffen mit bestimmten herausragenden Persönlichkeiten. Die Perspektive ist die der ersten Person, in anderen Worten erlangt der Titelcharakter eine Schau des Jenseits und erzählt in der „Ich“-Perspektive wie in einem Erlebnisbericht sehr anschaulich davon. Gerade bei der ApkZeph und der ApkEl mag man sich fragen, warum Zephania und Elias diesen Apokalypsen letztlich den Namen gegeben haben bzw. warum diese Apokalypsen diesen beiden zugeschrieben wurden. Nicht wirklich Konkretes lässt sich als Grund dafür im Textkorpus selbst ausmachen.64 An und für sich mag das auch auf Petrus in der ApkPetr zutreffen. Auf 3Bar und 2Hen, zudem auch auf die Gedulat Moshe65 und den syrischen Transitus Mariae kann in diesem Zusammenhang leider nicht näher eingegangen werden, obgleich 3Bar und Gedulat Moshe mit ApkPl ein ähnliches Muster teilen, eben dann wie das zentrale Interesse am Schicksal der Toten dargeboten wird.66 Für das Anführen von Motiv- und Inhaltsverbindungen sollten jedoch an dieser Stelle die angezeigten Parallelen als Verweise und Verbindungslinien ausreichen. Dass die Rezeption der ApkPl und der in ihr enthaltenen apokalyptischen Traditionen noch weiterging, ist heute weithin bekannt und kann etwa in der sich immer mehr von der wie auch immer zu erfassenden eigentlichen 62

Vgl. z.B. BREMMER, The Rise (s. Anm. 62), 63f. DUENSING/DE SANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus (s. Anm. 6), 646; ELLIOTT, The Apocryphal New Testament (s. Anm. 8), 616. Zu beiden Texten vgl. G. STEINDORFF, Die Apokalypse des Elias, eine unbekannte Apokalypse und Bruchstücke der Sophonias-Apokalypse, TU 17,3a, Berlin 1899; O.S. WINTERMUTE, Apocalypse of Zephaniah, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha Bd. 1, New York u.a. 1983, 497– 507 (Einleitung) u. 508–515 (englische Übersetzung mit Anmerkungen); DERS., Apocalypse of Elijah, in: Charlesworth, The Old Testament Pseudepigrapha Bd. 1, 721–734 (Einleitung) u. 735–753 (englische Übersetzung mit Anmerkungen). 64 Hierzu DUENSING/DE SANTOS OTERO, Apokalypse des Paulus (s. Anm. 6), 625–626. Ferner WINTERMUTE, Apocalypse of Zephaniah (s. Anm. 64), 499; DERS., Apocalypse of Elijah (s. Anm. 64), 721. 65 Hierzu nun hilfreich SPURLING, Hebrew Visions of Hell and Paradise (s. Anm. 64), 699–724. 66 Vgl. SEGAL, Life after Death (s. Anm. 24), 487f., der zitiert aus: R. BAUCKHAM, The Fate of the Dead. Studies on the Jewish and Christian Apocalypses, Leiden u.a. 1998, 78– 80. 63

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ApkPl entfernenden Überlieferungs- und Übersetzungsgeschichte ebenso gesehen werden wie im Kulminationspunkt der Divina Commedia. Die Auswirkungen auf die bildende Kunst sind hinreichend bekannt. Gänzlich auswechselbar erscheint aber gerade Paulus in der ApkPl nicht. Auch wenn damit nicht behauptet wird, dass diese Apokalypse oder genauer gesagt die in ihr verarbeiteten Traditionen bereits von Anfang an Paulus als fiktiven Erzähler zugeschrieben wurden, so wird die Bindung an Paulus irgendwann im Verlauf der Verarbeitung der Quellen und der Kompilation der Traditionen zur ApkPl als wichtig erachtet. Es ist sogar wichtig, Paulus als „Heiligen“ und als „Heiligen Apostel“ noch auszuweisen, auch bedeutend im Hinblick auf die Rolle, die Paulus womöglich als Mittler zwischen den irdischen Menschen und dem Jenseits, d.h. auch den „Heiligen“ im Himmel spielt. Paulus ist der „Geliebte“ der Engel und Gottes, etwas das allen wichtigen alttestamentarischen Persönlichkeiten im Paradies wohl bekannt ist, nahezu wie ein fester Topos innerhalb der Erzählung wirkt. Jedenfalls ist es narrativ wie eine Selbstverständlichkeit in die dialoghafte Darstellung immer wieder eingebunden. Analog dazu passt und in enger Verbindung damit steht auch die durch verschiedene Personen erfolgte Seligpreisung des Paulus, die formelhaft wirkt, als natürlicher Ausdruck vieler Autoritäten, die grundsätzlich über jeden Zweifel erhaben sind. Sicherlich erstaunt in diesem Zusammenhang die Rolle Lots und möglicherweise auch jene Hiobs, die man hier vielleicht eher nicht erwartet hätte, noch mehr die Einbettung von Kain und Abel, die allerdings nur in der erhaltenen koptischen Version des Endes zu finden sind. Gerade die Selbstverständlichkeit und Formelhaftigkeit der Qualifizierungen und die Erweiterung des Namens „Paulus“ mit den Attributen und zugeschriebenen Qualitäten legen nahe, dass es in der ApkPl weniger darum geht, auf die Autorität des Paulus abzuheben, als vielmehr auf der Beziehungsebene, vielleicht sogar eher emotional und wertschätzend Paulus als den einzusetzen, der für uns alle das Jenseits schaut, der Mitleid hat und für andere betet und bittet. Durch ihn können wir wissen und sehen, wie dies gerade in den Kapiteln 11–51 immer wieder durch die Einstreuung seines Namens und die fast schon redundant angeführten, programmatisch wirkenden Qualifizierungen rückgebunden wird. Wird gerade dieser „heilige Apostel Paulus“, wie er in der Vorrede bezeichnet wird, somit nicht gleichzeitig zu einer Art Mittler dessen, was sich uns durch unsere irdische Existenz nicht erschließen kann, einer der anerkannt, respektiert und geliebt wird, dem die Gunst, Verborgenes und für uns Unsichtbares zu sehen und uns zu vermitteln, gewährt ist, und der uns gleichzeitig durch die vermittelten Visionen besonders nahesteht? Wenn ja, dann ist die ApkPl im Zueinander ihrer verschiedenen Versionen (d.h. im konkreten Fall hier die griechische, lateinische und koptische Fassung) ein lebendiger Text in Bewegung, innerhalb dessen die Person Paulus als roter Faden oder Bindeglied immer

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stärker zur narrativen Klammer und zu einer Mittlerperson zwischen der irdischen und der jenseitigen Sphäre wurde.

Zur Nachwirkung der Antike

Die Apokalypse im Irdischen Paradies: Offenbarung, Allegorie und Dichtung in Dantes Commedia Gerhard Regn 1 Welchen Status wollte Dante seiner Commedia zugeschrieben wissen? Eine erste Antwort auf diese Frage gibt der metatextuelle Passus, mit dem der 25. Gesang des Paradiso beginnt. Dort ist die Rede vom „poema sacro/ al quale ha posto mano e cielo e terra“ (Par 25,1–2).1 Die Commedia ist ein poema, Dichtung mithin. Ihr Thema ist religiöser Natur, sie behandelt, um es in der Formulierung des schon im späten 14. Jahrhundert Dante zugeschriebenen Briefes an Cangrande della Scala zu sagen, den status animarum post mortem (Ep 13,24).2 Heilig wird sie aber nicht primär wegen dieses anagogischen Gehalts genannt, sondern vor allem weil das, was sie in ihren drei cantiche erzählt, im Kern nicht Produkt irdischen Wissens oder menschlicher Phantasie ist, sondern vielmehr Resultat überirdischer Eingebung. Dante, der textintern (Purg 30,55) mit seinem wirklichen Namen genannt wird, so dass realer Dichter, Ich-Erzähler und erlebendes Ich die gleiche personale Referenz zugewiesen bekommen, stellt sich als ein Auserwählter dar, der die jenseitige Welt schauen darf und dem dadurch Bezirke zugänglich gemacht werden, die dem normal Sterblichen verschlossen bleiben. Die Commedia präsentiert sich als das schriftliche Zeugnis einer gnadenhaft gewährten Erfahrung. In diesem Sinn reklamiert ihr Autor, Schreiber Gottes zu sein. Der scriba, den sich der christliche Himmel für die Verkündung seiner Botschaft gewählt hat, ist allerdings ein ebenso professioneller wie selbstbewusster Dichter, der sich auf seine irdische Kunst versteht. 1 Die Commedia wird zitiert in folgender Ausgabe: Dante Alighieri, Commedia, hg. v. A.M. Chiavacci Leonardi, 3 Bde, Mailand 1991–1997. Die drei cantiche werden abgekürzt als Inf, Purg, Par, jeweils mit Angabe von canto-Nummer und Verszahl. 2 Dante, Epistole, hg. v. E. Pistelli, Società dantesca italiana, Florenz 1921. Wie auch immer man die Authentizitätsfrage beantwortet: der Cangrande-Brief, der aus einer accessus-Einführung in die Commedia und aus einem Wortkommentar der ersten Verse des Paradiso besteht, ist als zeitgenössisches Dokument für ein historisch adäquates Verständnis von Dantes Jenseitsgedicht von ganz kapitaler Bedeutung. Eine abgewogene, präzise und gut dokumentierte Zusammenfassung der bis heute unentschiedenen Authentizitätsdebatte gibt O. LIEBERKNECHT, Allegorese und Philologie. Überlegungen zum Problem des mehrfachen Schriftsinns in Dantes Commedia, Text und Kontext 14, Stuttgart 1999, 2–5.

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Kulturhistorisch bilden die zahlreichen mittelalterlichen Jenseitsberichte den unmittelbaren Bezugshorizont der Commedia, mithin Texte, die zeitgenössisch in erster Linie der Visionsliteratur zugeschlagen wurden. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, sich die Visionstypologie in Erinnerung zu rufen, die Augustinus in De Genesi ad litteram entwickelt hat.3 Der Bischof von Hippo4 differenziert bekanntlich zwischen visio corporalis, spiritalis und intellectualis.5 Diese Unterscheidung ist für Dante insofern von Belang, als sie eine erste Verortung erlaubt: Bei ihm schaut der Wanderer, anders als in den meisten mittelalterlichen Jenseitsvisionen, die postmortale Welt in corpore, also vermittels einer Entrückung, die die leibhafte Person in ihrer Gänze erfasst, so dass der Körper Medium der Wahrnehmung bleibt.6 Die mittelalterlichen Jenseitsvisionen knüpfen an eine Reihe einschlägiger frühchristlicher Texte an, unter denen die zahlreichen apokryphen Offenbarungen eine zentrale Rolle spielen, insbesondere die Paulusapokalypse in der Variante, die sie in der Visio Sancti Pauli gefunden hat.7 Dass die weit verbreiteten Jenseitsdar-

3 Die Visionstypologie steht im Zentrum des 12. (und letzten) Buches der augustinischen Genesis-Exegese, das in Anschluss an das Ende des 11. Buches (Vertreibung aus dem Paradies) der Frage nach der Bedeutung des biblischen Paradieses in Gestalt eines ausführlichen Kommentars der Paulus-Vision von 2Kor 12,2–4 nachgeht. 4 In der hier relevanten und zwölf Bücher umfassenden Version ist der Genesiskommentar ein Spätwerk (401–414 n. Chr.) aus der Zeit, in der Augustinus als Bischof von Hippo wirkte. 5 Vgl. die konzise Definition in Gen.lit. 12,7,16: Haec sunt tria genera visionum […]. Primum ergo appellemus corporale, quia per corpus percipitur et corporis sensibus exhibetur. Secundum spiritale; quidquid enim corpus non est et tamen aliquid est, iam recte spiritus dicitur: et utique non est corpus, quamvis corpori similis sit, imago absentis corporis, nec ille ipse obtutus quo cernitur. Tertium vero intellectuale, ab intellectu […]. 6 In der visio spiritalis fällt dagegen der Körper als Wahrnehmungsinstanz aus, in den Worten von Gen.lit. 12,7,16: corpus non est. Ausfall des Körpers als Wahrnehmungsinstanz (etwa durch die ekstatische Separierung von Körper und Geist) bedeutet im Übrigen nicht unbedingt Funktionslosigkeit des Körpers. In Gen.lit. 12,20,42 präzisiert Augustinus deshalb, dass visiones spiritales auch körperliche Ursachen haben könnten, ohne dass sie deshalb corporaliter vermittelt sein müssten: non ea [sc. die geschauten Gesichte] corpus exhibet. Dies gelte vor allem dann, wenn sie pathologischer Natur seien und nicht auf das Einwirken übernatürlicher Mächte zurückgingen. Zu den Visionen, deren Ursache übernatürliche Agenten (Gott, Engel, Dämonen) sind, vgl. dagegen Gen.lit. 12,13,28 und 12,26,53. In der Commedia wird die Körperlichkeit des Wanderers, der die Welt des Jenseits schaut, explizit angesprochen, vgl. exemplarisch Purg 3,94–96, wo Vergil den exkommunizierten Büßern, die sich darüber wundern, dass Vergils Begleiter (anders als er und sie selbst) im Sonnenlicht einen Schatten wirft, erklärt, dass dies so sei, weil ihnen ein Mensch aus Fleisch und Blut gegenüberstehe: „io vi confesso/ che questo è corpo uman che voi vedete;/ per che ‘l lume del sole in terra è fesso.“ 7 Dinzelbacher erhebt die Visio Sancti Pauli zum „paradigma, immediato o mediato, per quasi tutte le visioni dell’aldilà nel medioevo“, vgl. P. DINZELBACHER, Il corpo nelle visioni dell’aldilà, Micrologus 1 (1993), 301–326 (305). Zur komplexen Überlieferungstradition

Die Apokalypse im Irdischen Paradies

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stellungen auf die Commedia faktisch einen prägenden Einfluss hatten, liegt auf der Hand.8 Allerdings wissen wir recht wenig darüber, welche der einschlägigen Werke Dante tatsächlich gelesen hat.9 Doch für unsere Frage, welches Bild Dante von seiner Commedia vermitteln wollte, ist dies ohne großen Belang. Obschon Dante als Florentiner Laie in der Volkssprache schrieb und kein professioneller Gelehrter war, war sein Selbstverständnis doch das eines poeta doctus, der den kurrenten Jenseitsvisionen ungeachtet ihrer häufig gegebenen Bindung an monastische oder anderweitige klerikale Kontexte eine Drift zur Volkskultur attestierte und sie deshalb als Werke von eher zweifelhafter Dignität ansah. Er tut jedenfalls alles, um nicht direkt mit ihnen in Verbindung gebracht zu werden. Sein Ziel war es vielmehr, die eigene Jenseitserfahrung als ein singuläres Ereignis erscheinen zu lassen. Die Jenseitsschau ist ein Gnadengeschenk, das nur einem wahrhaft göttlich Erwählten zu Teil wird und nicht dem christlichen Jedermann. Mentalitätsgeschichtlich gesehen liegt Dante damit im Trend: Seit dem 12. Jahrhundert wurde der direkte Eingriff übernatürlicher Mächte in die natürliche Welt zunehmend unter dem Rubrum des begründungsbedürftigen Exzeptionellen verbucht.10 Am Anfang der Commedia hat sich Dante, noch ganz der allgemeinmenschliche homo viator in bivio, wie man ihn aus vielen moraldidaktischen Allegorien der Zeit kennt,11 gerade aus dem Wald der Sünde herausgearbeitet und müht sich, freilich erfolglos, weil ihn drei zeichenhafte Bestien (die Allegorien sowie zur großen Verbreitung der Visio Sancti Pauli vgl. zuletzt M. BENZ, Gesicht und Schrift. Die Erzählung von Jenseitsreisen in Antike und Mittelalter, Berlin u.a. 2013, 24– 35.120f. 8 Zu den mittelalterlichen Jenseitsvorstellungen (unter bes. Berücksichtigung der Jenseitsvisionen) als Verständnishorizont für die Commedia vgl. u.a. A. RÜEGG, Die Jenseitsvorstellungen vor Dante und die übrigen literarischen Voraussetzungen der Divina Commedia. Ein quellenkritischer Kommentar Bd. 1 u. 2, Einsiedeln u.a. 1945; A.M. HAAS, Descensus ad Inferos. Höllenfahrten und Jenseitsvisionen im Mittelalter vor Dante, Communio 10 (1981), 40–56; P. DINZELBACHER, Vision und Visionsliteratur im Mittelalter, Stuttgart 1981; M.P. CICCARESE, Visioni dell’aldilà in occidente. Fonti, modelli, testi, Florenz 1987; E. GARDINER, Visions of Heaven and Hell before Dante, New York 1989; A. MORGAN, Dante and the Medieval Other Word, Cambridge 1990; T. BAROLINI, Why Did Dante Write the Commedia? Dante and the Visionary Tradition, in: Dies., Dante and the Origins of Italian Literary Culture, Fordham 2006, 125–131; BENZ, Gesicht (s. Anm. 7). 9 Zu Dantes Lektüren vgl. Z.G. BARANSKI, Dante e i segni. Saggi per una storia intellettuale di Dante Alighieri, Neapel 2000, 9–27, der darauf aufmerksam macht, dass ein Großteil des stupenden Wissens von Dante durch typisch mittelalterliche ‚Filtermedien‘ wie Florilegium, Epitome, Enzyklopädie, oder verwandte „forme di memoria culturale“ (ebd., 12) vermittelt ist. 10 Vgl. E.R. DANIEL, Joachim of Fiore. Patterns of History in the Apocalypse, in: R.K. Emmerson/B. McGinn (Hg.), The Apocalypse in the Middle Ages, Ithaca u.a. 1992, 72–88 (74f.). 11 Vgl. bes. W. HARMS, Homo viator in bivio. Studien zur Bildlichkeit des Weges, München 1970.

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von Hochmut, Wollust und Habsucht)12 daran hindern, zum rechten Leben emporzusteigen. Doch plötzlich erscheint wie aus dem Nichts Vergil, und mit ihm tritt die geschichtliche Individualität dort auf den Plan, wo bis dahin die Exemplarik des Allegorisch-Allgemeinen herrschte. Der römische Dichter, der unter Rückgriff auf seine von Donatus verfasst Vita13 detailliert mit den Eckdaten seiner Biographie vorgestellt wird, kündigt den Gang in eine jenseitige Welt an, in der die Anagogie durchgängig Reflektor irdischer Historie bleiben wird.14 Das Jenseits wird der Wanderer als etwas wirklich Gegebenes erfahren,15 das freilich mit zeichenhafter Bedeutung aufgeladen ist. Die Zeichenhaftigkeit der jenseitigen Welt ist deshalb die einer Realallegorie, also einer allegoria in factis, die an die Stelle jener traditionellen rhetorisch-poetischen allegoria in verbis tritt, mit der Dante begonnen hatte.16 Die Absicht ist klar. Dante signalisiert, dass die Commedia keine konventionelle Dichtung sein will, sondern dass eine mit den Mitteln der Rhetorik hergestellte Exemplarik durch eine in der konkreten historischen Welt verankerte Exzeptionalität ersetzt wird.17 Denn der Dialog, der sich zwischen Dante und Vergil entspinnt, stellt sogleich 12 Dies ist die geläufige Deutung, der allerdings immer wieder, wenn auch in der Regel mit stark gebremster Überzeugungskraft, Alternativen zur Seite gestellt werden. Eine interessante Ausnahme ist J. FRECCERO, Dante. La poetica della conversione, Bologna 1989, 35.76–82, der die drei Tiere als Allegorien der Versehrungen deutet, welche infolge des Sündenfalls den (nach scholastischer Aristoteles-Interpretation) basalen Seelenvermögen voluntas, ira und concupiscentia zugefügt worden seien. 13 Vgl. C.G. ALESSIO/C. VILLA, Per Inferno I, 67–87, in: R. Avesani/M. Ferrari/T. Foffano/G. Frasso/ A. Sottili (Hg.), Vestigia. Studi in onore di Giuseppe Billanovich, Storia e letteratura 162, Rom 1984, 1–21. 14 Vgl. E. AUERBACH, Dante als Dichter der irdischen Welt. Mit einem Nachwort von Kurt Flasch (Nachdruck der Erstauflage von 1929), Berlin 2001. 15 Die Vermittlung dieses Eindrucks obliegt dem spezifisch mittelalterlichen ‚Realismus‘ Dantes. Vgl. exemplarisch dazu das Dante-Kapitel in E. AUERBACH, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, Bern u.a. 41967, 167–194. 16 Die im Mittelalter kurrente Begrifflichkeit geht im Wesentlichen auf Augustinus (der seinerseits auf terminologische Ansätze bei Ambrosius rekurriert) zurück, vgl. H. BRINKMANN, Mittelalterliche Hermeneutik, Tübingen 1980, 221. Vgl. z.B. Aug.trin. 19,9. Die Faktenallegorie, der schon Augustinus die allegoria historiae zur Seite stellt, meint den Zeichencharakter der Schöpfung (und der sich in ihr entfaltenden Geschichte); wenn diese Begrifflichkeit auf Dantes Jenseitswelt appliziert wird, dann ist dies nach mittelalterlichem Verständnis wohlbegründet: Die postmortale Existenz ist auf Dauer gestellt und deshalb realer als die diesseitige. Zur mittlerweile ins Unübersehbare angeschwollenen Literatur zur Allegorie bei Dante vgl. LIEBERKNECHT, Allegorese (s. Anm. 2), der die einschlägige Literatur bis 1999 in systematischer Perspektive diskutiert. Zum Übergang von der Wort- zur Faktenallegorie in der Prologszene vgl. BARANSKI, Dante (s. Anm. 9), 103–126. 17 A. KABLITZ, Poetik der Erlösung. Dantes Commedia als Verwandlung und Neubegründung mittelalterlicher Allegorese, in: G.W. Most (Hg.), Commentaries – Kommentare, Göttingen 1999, 353–379, hat auf die tiefere Bedeutung des konventionellen Beginns hingewiesen: Mit der ‚Uneigentlichkeit‘ der Wortallegorie veranschauliche Dante den Zustand der gefallenen Welt, dem das Jenseits als eigentliche Realität gegenübergestellt werde.

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und unverkennbar auf das Außerordentliche des annoncierten Geschehens ab. Dante, der sich an dieser Stelle noch als christlicher Durchschnittsmensch sieht, mag nicht glauben, was ihm von Vergil verheißen wird, denn – so der Tenor seiner Rede – Zugang zum Jenseits zu Lebzeiten könnten nur ganz außerordentliche Gestalten erhalten. Zwei, mit denen er sich nicht zu messen wagt, fallen ihm ein, und sie sind in der Tat von welthistorischem Rang: Aeneas und Paulus.18 Der Held von Vergils Epos war für Dante eine historische Gestalt,19 die der christliche Gott selbst zum Gründer des römischen Imperiums vorherbestimmt und damit zum Agenten der Heilsgeschichte gemacht habe – eine Mission, die Aeneas anlässlich seines Abstiegs in die Unterwelt geweissagt worden sei.20 Paulus dagegen, der mit der aus der Apostelgeschichte (Apg 9,15) entlehnten Periphrase als „Vas d’elezïone“ (Inf 2,28) eingeführt wird, war durch seine Entrückung ins Paradies berufen und ertüchtigt worden, die Oikumene in jenem Glauben zu stärken, der den Weg zum Heil ermöglicht: „quella fede/ ch‘è principio a la via di salvazione“ (Inf 2,30). Wie sehr die gerade im italienischen Raum weit verbreitete21 Visio Sancti Pauli auch Dantes Vorstellung vom Jenseits direkt oder indirekt geprägt haben mag22 – an dieser prominenten Stelle der Commedia ist nicht sie gemeint, sondern vielmehr die kanonische PaulusVision von 2Kor 12,2–4. Denn für den Schriftsteller Dante zählt nicht nur die Autorität der Namen, also Aeneas und Paulus, sondern fast mehr noch die der Texte. Die Aeneis ist für ihn das bedeutendste Buch der weltlichen Literatur, doch weit bedeutender ist selbstredend das Buch der Bücher, und zwar in seiner autorisierten Gestalt. Diese schließt die Visio Sancti Pauli nicht ein, im Gegenteil. Schon Augustinus hatte den in der Folge ziemlich populär gewordenen apokryphen Jenseitsbericht als fake news geoutet und in Widerspruch zur Reinheit der kirchlichen Lehre gebracht.23 Die Visio Sancti Pauli taugt folglich 18

„Ma io, perché venirvi? o chi ‘l concede?/ Io non Enëa, io non Paulo sono;“ Inf 2,31–

33. 19

Vgl. G. PADOAN, Enea, Enciclopedia dantesca 2 (1973), 677–679 (678). Inf 2,13–27. Dante stellt dabei insbesondere auf den heilsgeschichtlich gewollten und seinem Verständnis nach ‚typologischen‘ Bezug zwischen paganem und christlichem Rom ab: „[…] e‘ fu de l’alma Roma e di suo impero/ ne l’empireo ciel per padre eletto:/ la quale e ’l quale, a voler dir lo vero,/ fu stabilito per lo loco santo/ u‘ siede il successor del maggior Piero.“ Zur Dehnung des bibelexegetischen Typologie-Begriffes durch Dante vgl. G. REGN, Mythopoiesis, Kosmogonie und Autorschaft in Dantes Commedia. Zu Vergils ‚Vielleicht‘ in Inf 34,106–126, GRM 63 (2013), 313–328 (327 Anm. 41). 21 Vgl. BENZ, Gesicht (s. Anm. 7), 121 Anm. 557. 22 Der Hang zum Spektakulären, der die apokryphe Paulusvision kennzeichnet, ist ja auch dem Dante der Commedia durchaus nicht fremd. 23 Vor allem in In Ioh. Tract. 98,8, wo Augustinus die Visio Sancti Pauli als erdichtetes Lügengespinst brandmarkt, das der Vision von 2Kor 12,2–4 eklatant widerspreche und das die Kirche mit gutem Grund nicht anerkenne: Apocalypsim Pauli, quam sana non recipit ecclesia. 20

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nicht für eine auktoriale Selbstinszenierung, die nach maximalem Prestige strebt und die sich deshalb auf keinen zweifelhaften Leumund berufen kann.24 Aeneas, Paulus, Dante. Man sieht, wie Dante sich als Teil eines erlesenen Klubs in Szene zu setzen sucht, der über die Dreizahl seiner Mitglieder trinitarische Konnotationen zugespielt erhält, die dann übrigens mehrfach variiert werden: Es gibt drei Jenseitsreisende, drei Führerfiguren (Vergil, Beatrice, und Bernhard von Clairvaux, der den Wanderer zur Gottesschau führt)25 sowie drei himmlische Instanzen, die die Jenseitsreise veranlassen – die Gottesmutter, die Heilige Lucia und Beatrice. Als Jenseitswanderer ist Dante also der Dritte in einem Dreierbund,26 und wie den beiden anderen soll auch ihm der Weg durchs Jenseits die Erfüllung eines hohen Auftrags ermöglichen, der wie schon bei Aeneas und Paulus eine heilsgeschichtliche Dimension hat.27 Im 32. Gesang des Purgatorio gibt Beatrice dem Wanderer diesen Auftrag, der in der Niederschrift des Buches besteht, das die Commedia sein wird: „[…] in pro del mondo che mal vive,/ […] quel che vedi,/ ritornato di là, fa che tu scrive.“ (Purg 32,103–105). Das Visionserlebnis fungiert als Instrument der Berufung. Dante soll Mahner und Sendbote für eine ins Unheil verstrickte Welt sein, der er den heilsgeschichtlich gewollten Weg weist. „Quel che vedi,/ […] fa che tu scrive“: dies sind die Worte, in denen der Autor der Johannesapokalypse seinen überirdischen Schreibbefehl erhalten hatte: quod vides, scribe in libro (Apk 1,11).28 Doch nicht genug. An einer weiteren zentralen Stelle, in der numerischen Mitte des Paradieses, wird dieser Auftrag bestätigt. Im 17. Gesang des Paradiso trifft Dante (wie einst der Titelheld der Aeneis im Unterweltsgesang des vergilischen Epos) im Marshimmel der Märtyrer auf seinen Vorfahren, den miles christianus Cacciaguida,29 der ihm nicht nur den Leidensweg ins Exil prophezeit (der Prophet Dante hat also ebenfalls ein Martyrium zu erdulden), sondern 24

Dass Dante mit der Paulusvision den 2. Korintherbrief meint, bestätigt der Beginn des Paradiso (Par 1,4–6: „Nel ciel che più de la sua luce prende/ fu‘ io, e vidi cose che ridire/ né sa né può chi di là sù discende“) ebenso wie der Cangrande-Brief (Ep 13,79), in dem die biblische Paulusvision wörtlich zitiert ist. 25 Führerfiguren, bevorzugt in Gestalt eines angelus interpres, sind konstitutiv für die mittelalterlichen Jenseitsvisionen. 26 Wobei er als einziger alle drei Jenseitsreiche durchmisst: Die Unterwelt wie Aeneas, das Paradies wie Paulus und schließlich noch das Fegefeuer, das ja erst seit 1274 offizieller Teil der Kirchenlehre war. Mit Dante wird das Jenseitswissen gewissermaßen auf den neuesten Stand gebracht. 27 Dies unterscheidet die Commedia vom Durchschnitt der mittelalterlichen Jenseitsvisionen, wo die Dimension der Heilsgeschichte kaum eine Rolle spielt. 28 Die Beauftragung des Johannes erfolgt in einer Situation der Bedrängnis (Apk 1,9), analog dazu wird Dante aus einer Situation der Bedrohung durch die „tre fiere“ ins Jenseits entrückt, wo er dann seinen Schreibauftrag erhält. 29 Gemäß den Angaben der Commedia (Par 15,139–148) folgte Cacciaguida Kaiser Konrad III, der ihn zum Ritter geschlagen hatte, in den zweiten Kreuzzug (1147–48), wo er durch die Muselmanen einen Märtyrertod starb, der ihm dann die himmlische Seligkeit eintrug.

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der ihn zudem anhält, seine Zeitgenossen ungefiltert und schroff (die Rede ist von der „parola brusca“ Par 17,126) wissen zu lassen, was ihm geoffenbart wurde: „tutta tua visïon fa manifesta“ (Par 17,128). Hier wird die Vision als Medium der Offenbarung im Text selbst auf den begrifflichen Nenner gebracht.30 Dante will nicht bloß als einer unter den vielen Visionären wahrgenommen werden, die die mittelalterliche Kultur bevölkern. Ganz im Gegenteil, er reklamiert für sich eine Sonderstellung. Er präsentiert sich nämlich als ein Schreiber Gottes, der sein Buch in die direkte Nachfolge der Heiligen Schrift bringt. Seine Vision soll auf der historischen Zeitachse als die erste wirkliche Offenbarung nach der des Johannes, die ja nach mittelalterlichem Verständnis das letzte Buch des Neuen Testamentes war, gewertet werden. Paradiso 27, wo Dante auf Petrus trifft und dieser ihm seine Investitur zum Offenbarungsträger bekräftigt, ruft dies gegen Ende der Commedia nochmals in Erinnerung.31 Seinem Selbstverständnis nach ist Dante also ein neuer (visionärer) Prophet32 und die Commedia nichts weniger als ein Supplement der biblischen Offenbarung. Auf den ersten Blick scheint Dante ähnlich zu verfahren wie die frühchristlichen Verfasser der Apokryphen. Doch anders als bei diesen ist zu seiner Zeit die Kanonbildung der Heiligen Schrift längst abgeschlossen. Dies bedeutet, dass individuelle Offenbarungserlebnisse wie die zahlreichen mittelalterlichen Visionen, selbst wenn sie in monastischen Zusammenhängen durch lokale kirchliche Institutionen ‚abgesegnet‘, also autorisiert wurden,33 von der Apokalypse als einer institutionell verwalteten Schrift klar geschieden waren. Dies ist die Regel, doch es gibt Ausnahmen. Zu diesen zählt die mittelalterliche Adaptation der pseudo-dionysischen Lehre vom visionären Theologen, in deren Rahmen individuelle Visionserlebnisse, die gemäß der augustinischen Visionstypologie auf die visio intellectualis zugerichtet waren, zum Instrument 30 Dass das Wort selbst, also „visïon“, durch die metrisch bedingte Diärese besonderes Relief erhält, sei nur am Rande erwähnt ebenso wie die Implikation des „tutta“, das einen Verweis auf den Reichtum der Vision und mithin den großen Umfang ihrer Verschriftlichung enthält: Die 100 Gesänge der Commedia zählen nicht weniger als 14233 Verse. 31 „e tu figliuol [so Petrus zu Dante – Anm. d. Verf.] che per lo mortal pondo/ ancor giù tornerai, apri la bocca,/ e non asconder quel ch‘ io non ascondo.“ (Par 27,64–66) Mit der Wendung „mortal pondo“ wird übrigens erneut die Körperlichkeit der Jenseitsvision betont. 32 Prophet im weiteren und mittelalterlich geläufigen Verständnis von ‚Sendbote und Mahner Gottes‘, der einen Verkündigungsauftrag ausführt (und dabei aufgrund der eschatologischen Ausrichtung der Verkündigung auch zukunftsgerichtete Prophezeiungen machen kann – Prophetisches in diesem engeren Sinn findet sich deshalb in der Commedia ebenfalls). Vgl. dazu C. MEIER, Prophetische Inauguration und kirchliches Amt. Zur Funktion informeller Autorisierung in der mittelalterlichen Kirche. Hildegard von Bingen – Rupert von Deutz – Wilhelm von Saint-Thierry, in: H. Basu/G. Althoff (Hg.), Rituale der Amtseinsetzung, Religion und Politik 11, Würzburg 2015, 95–126 (101). 33 Beispielhaft genannt sei Hildegard von Bingen, vgl. MEIER, Prophetische Inauguration (s. Anm. 32), 101–110.

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einer schriftlichen Exegese der Bibel wurden. Das für den italienischen Kontext berühmteste Beispiel einer solchen visionären Prophetie ist der Apokalypse-Kommentar des Joachim von Fiore, den sein Autor als Ausfaltung einer geistigen visio ausweist, die ihn an einem Ostermorgen zuteilgeworden sei.34 Es ist deshalb von besonderer Aussagekraft, dass Dante gerade diesen kirchlich umstrittenen Exegeten der Apokalypse in sein Paradies aufgenommen hat, wo er im Sonnenhimmel der spiriti sapienti als „calavrese abate Giovacchino/ di spirito profetico dotato“ (Par 12,140f.) seinen Platz findet. Der Anschluss an postbiblische visionäre Propheten wie Joachim ist für Dante eine kruziale Autorisierungsstrategie, von der aus zugleich neues Licht auf ein wichtiges Charakteristikum der Commedia fällt. Charakteristisch für Dantes Darstellung der jenseitigen Welt ist die Omnipräsenz der Bibel und, ergänzend dazu, der Bibelexegese.35 Dies ist natürlich längst bekannt.36 Ebenfalls bekannt sind die Versuche, Dantes Engführung seiner Commedia mit der Bibel (und der Bibelexegese) als das zentrale Verfahren zu bestimmen, mittels dessen das Jenseitsgedicht den Status eines poema sacro gewinnt, das in Bezirke führt, die weltlicher Literatur eigentlich verschlossen bleiben müssen, und das seinem Autor, der sich ein „scriptural self“37 zuschreibt, das Profil eines veritablen theologus-poeta verleiht.38 Diese – vor allem durch die anglo-

34 Vgl. R.M. LERNER, The Medieval Return of the Thousand-Year Sabbath, in: Emmerson/McGinn, The Apocalypse (s. Anm. 10), 55–71 (57). Zu den theologisch orientierten „Autoren des Hochmittelalters, die sich als visionäre Propheten stilisiert haben“, vgl. C. MEIER, Autorschaft im 12. Jahrhundert. Persönliche Identität und Rollenkonstrukt, in: P. v. Moos (Hg.), Unverwechselbarkeit. Persönliche Identität und Identifikation in der vormodernen Gesellschaft, Köln u.a. 2004, 207–323 (261). 35 Die Bibel ist in der Commedia erwartungsgemäß der am häufigsten zitierte Text. Hawkins zählt 575 Zitate aus der Heiligen Schrift, gegenüber 395 aus Aristoteles und 192 aus Vergil, vgl. P.S. HAWKINS, Dante’s Testaments. Essays in Scriptural Imagination, Stanford 1999, 36. Zu Bibelexegese, scholastischer Theologie und Commedia vgl. bes. G. MAZZOTTA, Dante’s Vision and the Circle of Knowledge, Princeton 1979. 36 Vgl. exemplarisch dazu G. BARBLAN (Hg.), Dante e la Bibbia. Atti del convegno internazionale promosso da „Biblia“, Firenze, 26, 27, 28 settembre 1986, Biblioteca dell'Archivum Romanicum I/210, Florenz 1988. 37 Der Begriff, der die biblische Identifikation des religiösen Autors bezeichnet, stammt von J.A. ALFORD, The Scriptural Self, in: B.S. Levy (Hg.), The Bible in the Middle Ages. Its influence on literature and art, Binghampton 1992, 1–21. 38 Der wichtigste Impulsgeber für diese Richtung der Danteforschung war Charles Singleton; Terminus und Konzept des theologus-poeta (als pointierte Umkehrung des Konzepts vom poeta-theologus, der verfügbares theologisches Wissen lediglich in das Gewand einer integumentalen Fiktion hüllt) stammen von R. HOLLANDER, Studies in Dante, Ravenna 1980, 39–89 (Kap. „Dante Theologus-Poeta“); eine Zusammenstellung der wichtigsten Dante-Studien dieser Interpretationsrichtung bei R.H. LANSING (Hg.), Dante. The Critical Complex. Vol. 4. Dante and Theology: The Biblical Tradition and Christian Allegory, New York 2003; dass durch den Rekurs auf die Bibel und ihre Exegese der Autor des poema sacro

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amerikanische Dantistik beförderte – Interpretation der Commedia weist in die richtige Richtung. Ihre volle Durchschlagskraft erlangt sie freilich erst, wenn die exegetisch abgestützte Omnipräsenz der Bibel ernsthaft mit der für die Commedia konstitutiven Diskurspraxis der Vision kurzgeschlossen wird.39 Denn gerade wegen ihrer bibelexegetischen Durchformung berührt sich Dantes Jenseitsvision mit der mittelalterlichen Exegese in ihrer Form als inspirierter Bibelkommentar. Beide implizieren eine Schau. Diese hat bei den visionären Theologen durchgängig die Qualität der visio intellectualis. Auch bei Dante ist die visio intellectualis von Belang, doch sie ist nicht autonom. Sie manifestiert sich vielmehr (und zwar im Anschluss an Augustinus) in der verstehenden Durchdringung des körperlich Geschauten,40 deren Index die dem Text eingeschriebene bibelexegetische Dimension ist.41 Anders als bei den visionären Theologen ist bei Dante also die inspirierte Bibelhermeneutik an die Körperlichkeit gnadenhaft gewährter Jenseitserfahrung rückgebunden. Unser Autor erweckt dabei gezielt den Eindruck, als sei die göttliche Gnadenwahl voll und ganz auf die Person des Erwählten zugerichtet, der kein Theologe, sondern eben ein Dichter ist. Dies ist auch der Grund, warum Dante auf den Modus der visio corporalis zurückgreift, der im Gros der mittelalterlichen Jenseitsvisionen nur von nachgeordneter Bedeutung ist:42 Die visio corporalis ist eine wesentliche Ermöglichungsbedingung, dass eine überirdische Offenbarung wirkungsvoll als ein poetisches Narrativ Gestalt gewinnen kann, das den Anschluss an die Aeneis sucht. Denn schon Aeneas war (mithilfe eines visionären Mediums, nämlich der cumäischen Sibylle) in corpore ins Jenseits gelangt, wie Dante ausdrücklich hervorhebt: „[…] di sich als prophetische wie als poetische Instanz profiliert, betont vor allem HAWKINS, Dante’s Testaments (s. Anm. 35), 19–95. 39 Das Visionsthema wird in der o.g. Interpretationsrichtung eher beiläufig behandelt und zum Topos ohne größere Aussagekraft zurückgestuft. Vgl. bes. HOLLANDER, Dante (s. Anm. 38), 64f. 40 Das Verfahren ist bei Augustinus vorgeprägt. In Gen.lit. 12,11,24 betont der Bischof von Hippo, dass die visio corporalis (wie auch die visio spiritalis) idealiter letztinstanzlich auf die visio intellectualis zugerichtet sein sollte. 41 Die im Paradies – dem irdischen wie dem himmlischen – vor allem durch die Erklärungen Beatrices zum Tragen gebracht wird. Die geistige Einsicht, die die visio intellectualis vermittelt, ist also ein Offenbarungswissen, das sich höherer Eingebung verdankt, und das deshalb auch die bloße Vernunfterkenntnis übersteigt; dies zu signalisieren ist die BasisFunktion der (offenen wie verdeckten) Verweise auf die Bibel und ihre Exegese. 42 Der dominante Modus mittelalterlicher Jenseitsschau ist die visio spiritalis; körperlich wird das Jenseits dagegen eher selten erfahren, ein prominentes Beispiel ist das weit verbreitete (circa 150 Handschriften!) Purgatorium S. Patricii, das in seiner ersten Fassung auf die Zeit zwischen 1180 und 1184 datiert ist. Vgl. dazu BENZ, Gesicht, (s. Anm. 7), 173–179. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass auch in einer der lateinischen Versionen der Visio Sancti Pauli eine visio corporalis angesetzt ist: Qui dum in [cor]pore essem qua raptus sum ad tertium celum, Zitat und bibliographische Angabe bei BENZ, Gesicht (s. Anm. 7), 27.

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Silvio il parente,/ corruttibile ancora, ad immortale/ secolo andò, e fu sensibilmente.“ (Inf 2,13–15) Dante konzipiert also sein Jenseitsgedicht dergestalt, dass die erzählte Anagogie an die inspirierte Bibelauslegung gekoppelt wird.43 Die visio corporalis findet, augustinisch gesprochen, in der visio intellectualis ihr Komplement. Diese Verknüpfung ist das diskursstrukturelle Spezifikum, das die Commedia als poetisch verfassten Offenbarungstext vom mainstream der mittelalterlichen Jenseitsvisionen unterscheidet, in denen die visio spiritalis der bestimmende Faktor ist. Die Jenseitsvision, die Dante zur Grundlage seiner Commedia macht, hat den Index eines Offenbarungserlebnisses. Sie ist deshalb wahr und somit auch nicht erfunden. Die Jenseitsreise ist mithin nicht einfach als eine Fiktion zu verstehen, die sich ein Dichter bloß ausgedacht hätte, obschon dies bis auf den heutigen Tag immer wieder behauptet wird. Schon zu Dantes Zeit hat man die Erzählung vom Gang durch die Jenseitsreiche öfter so interpretiert, und zwar im Einklang mit seiner eigenen Definition der Dichtung als einer mit rhetorischen und metrischen Mitteln hergestellten Fiktion,44 die aber bloß bildhaftallegorische Einkleidung, also integumentum, für Wahrheiten spiritueller, moralischer oder politischer Natur sei.45 Die Romantik sah Jahrhunderte später die Darstellung der dantesken Jenseitswelt als höchsten Ausdruck dichterischer Phantasie oder, mit Kant gesprochen, als Gipfel des freien Spiels der Einbildungskraft; und auch in der Moderne blieb Fiktionalisierung das beherrschende Stichwort.46 Erst seit der Mitte des letzten Jahrhunderts gerieten im Zug der 43 Für Dante lässt sich also die von Jauss postulierte „Ablösung der volkssprachlichen Allegorie von der Bibelexegese“ gerade nicht feststellen, vgl. H.R. JAUSS, Alterität und Modernität der mittelalterlichen Literatur. Gesammelte Aufsätze 1956–1976, München 1977, 152–170. 44 Definition in De vulgari eloquentia 2,4,2: „si poesim recte consideremus: che nichil aliud est quam fictio rethorica musicaque poita.“ Zur Bedeutung von fictio bei Dante vgl. G. PAPARELLI, Fictio, Enciclopedia dantesca 2 (1973), 854f. 45 Vgl. dazu bes. Convivio 2,1,3, wo die sog. Dichterallegorie als „veritade ascosa sotto bella menzogna“ bestimmt wird; Funktionsäquivalent der schönen Lüge ist die Fabel, it. favola. Zu diesem integumentalen Deutungsansatz der Commedia vgl. die weiterführenden Hinweise in G. REGN, Gott als Dichter. Die Wirklichkeit der Fiktion in Dantes Paradiso, in: U. Peters/R. Warning (Hg.), Fiktion und Fiktionalität in den Literaturen des Mittelalters, München 2009, 366f. 46 Auch Singleton bleibt letztlich einem modernistischen Fiktionskonzept verhaftet, wenn er in der berühmten Formulierung „the fiction of the Comedy is that it is not fiction“ die Nicht-Fiktivität als Inszenierungsgestus markiert, vgl. C. SINGLETON, The Irreducible Dove, Comparative Literature 9 (1957), 129–135 (129). Dies gilt auch für die Position von HOLLANDER, Studies (s. Anm. 38), 84–86: „My own position […] has never been that the poem is literally true, but that it asks to be taken as being literally true. […] Dante creates a fiction which he pretends to consider not to be literally fictitious, while at the same time contriving to share the knowledge with us that it is precisely fictional. That would be a fair recapitulation of the major points of my argument.“ (Hervorhebung im Text).

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Diskussion um Dante und die Bibel zunehmend die Schwierigkeiten in den Blick, die ein unreflektierter Gebrauch des Fiktionsbegriffs für ein historisch angemessenes Verständnis der Commedia aufwirft.47 Als geoffenbarte Wahrheit ist das dargestellte Jenseits der Commedia Manifestation einer übernatürlichen Wirklichkeit und, es sei wiederholt, deshalb auch keine ‚normale‘ Dichter-Fiktion, ganz gleich ob man diese von den Fiktionstheorien der Moderne her denkt oder ob man sie nach Maßgabe mittelalterlicher Poetik bestimmt.48 Wir haben ja gesehen, dass Dante sein Jenseitsgedicht mit der integumentalen Fiktion einer Wortallegorie nur deshalb eröffnet hatte, um diese als den Inbegriff irdischer Poesie demonstrativ wieder einzukassieren. Doch diese für die mittelalterliche Poetik so charakteristische Spielart des Fiktiven ist damit nicht einfach aus der Welt des Dante-Textes verschwunden, sondern sie kehrt paradoxerweise als konstitutiver Teil des zu ihr scheinbar konträren Offenbarungsdiskurses wieder. Wie dies passiert, soll eine kurze Betrachtung der Gesänge des Irdischen Paradieses illustrieren, mit denen das Purgatorio ausklingt; und warum es passieren muss, soll ein noch kürzerer Blick auf den vierten Paradies-Gesang deutlich machen. Auf dieser Basis kann dann abschließend das Verhältnis von Dichtung und Offenbarung neu justiert werden.

2 Die Gesänge des irdischen Paradieses sind sowohl erzählerisch wie konzeptionell Dreh- und Angelpunkt des poema sacro. Der Wanderer bekommt dort die Sündenabsolution und in der Folge Zugang zum Paradies; er trifft seine in die ewige Seligkeit eingegangene Minnedame Beatrice wieder, die ihn dann durch die neun Himmelskreise bis ins Empyreum geleiten wird; und er erhält von ihr seine förmliche Investitur zum Propheten. Sendbote und Mahner Gottes wird der Wanderer in der Tat auf Grund dessen, was er im Irdischen Paradies sieht: Er sieht eine Prozession der Kirche, in der sich die ganze Heilsgeschichte verdichtet, vom Anbeginn der Menschheit über das Erlösungsgeschehen bis in eine Gegenwart, die sich auf das Ende der Zeiten öffnet. Diese Prozession ist dergestalt vertextet, dass sie den zeitgenössischen Leser des poema sacro 47 Besonders Hollander hat ganz ohne Frage unser Verständnis für die Schwierigkeiten geschärft, die der Fiktionsbegriff hinsichtlich der Commedia aufwirft, ohne freilich mit seiner schon von Singleton vertretenen These von der fingierten Wahrheit der Jenseitsreise eine historisch überzeugende Antwort zu finden. Dies deshalb, weil Dantes make-belief kein Präludium des modernen Fiktionskontraktes ist. Dantes make-belief postuliert (mit der Visionstradition als Ermöglichungsbedingung) lediglich die Glaubhaftigkeit des Gesagten. 48 Zur aktuellen Fiktionsdebatte vgl. zuletzt K. KERL, Die doppelte Pragmatik der Fiktionalität. Studie zur Poetik der Gerusalemme liberata, Stuttgart 2014, 27–91 (Kap. „Theoretische Fundierung der modernen Fiktionstheorie“).

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zunächst einmal an jene fictiones rhetoricae erinnert haben dürfte, die sein kurrentes Vorverständnis von Dichtung geprägt haben. Oder anders gesagt: dem Leser wird nahegelegt zu tun, was er ganz am Beginn seiner Lektüre getan hatte, nämlich eine rhetorische Allegorie zu lesen, also eine allegoria in verbis, bei der, anders als bei der allegoria in factis, die allegorischen Zeichen in ihrer vom Dichter gemachten Bezeichnungsfunktion dergestalt aufgehen, dass sie außerhalb ihrer Zeichenhaftigkeit kein autonomes Sein zu besitzen scheinen. In Singletons prägnanter Formulierung funktioniert diese Art der Allegorie nach dem Prinzip des „this for that“ und nicht nach dem des „this and that“.49 Schon ein konzises Resümee der ersten Hälfte der zweiteiligen Prozession scheint das zu bestätigen.50 Gemessenen Schritts schreiten in Zweierreihe von Osten her 24 weißgekleidete Greise mit liliengekrönten Häuptern einher, denen vier Tiere mit je sechs Flügeln folgen, die einen Triumphwagen umrahmen, den ein Greif zieht. Drei Frauengestalten tanzen auf der rechten und vier auf der linken Seite des „carro“ (Purg 29,115), dem dann sieben weitere Greise in weißem Gewand folgen, und zwar erst zwei nebeneinander, einer von diesen ist wie ein Arzt gekleidet, der andere mit einem Schwert gegürtet; dann kommen vier weitere und am Ende noch einer, der allein geht. Die Signifikate sind nicht allzu schwer erschließbar:51 die 24 Greise stehen für die 24 Bücher des Alten Testamentes, die vier Tiere sind die Evangelien, der Greif ist als ein Wesen, das zwei Naturen in einer Person vereint („una persona in due nature“, Purg 31,81), unzweideutiges Symbol Christi;52 der Wagen signifiziert die Kirche als Institution, die tanzenden Frauen bezeichnen zum einen die drei theologischen Tugenden (die durch die Farben ihrer Gewandung, rot, grün und weiß symbolisiert werden) und zum anderen die vier Kardinaltugenden (die

49

C. SINGLETON, Dante’s Allegory, in: Lansing (Hg.), Dante (s. Anm. 38), 80. Purg 29,43–30,75. 51 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Dante seine anvisierten Rezipienten in verschiedene Gruppen ausdifferenziert, von denen eine aus exegetisch befähigten Lesern besteht. Vgl. LIEBERKNECHT (s. Anm. 2), 16–21. 52 Für die Gesänge des Irdischen Paradieses lässt sich in der Dante-Forschung ein regelrechter Furor des Allegorisierens konstatieren: Es gibt fast nichts, was es nicht gibt. So hat P. AMOUR, Dante’s Griffin and the History of the World. A Study of the Earthly Paradise (Purgatorio, cantos xxix-xxxiii), Oxford 1989, 105f., ein ganzes Buch in den Dienst der These gestellt, dass der Greif mit seiner Doppelnatur nicht etwa Christus, sondern den Senat und das Volk von Rom signifiziere; ich lege hier die weithin konsensfähigen Allegoresen zugrunde, Abweichungen davon werden vermerkt. Die kurrenten Auslegungen, mit denen ich operiere, sind im Kommentar von Chiavacci Leonardi verzeichnet (Dante Alighieri, Commedia [s. Anm. 1]); auf bibliographische Einzelnachweise kann deshalb verzichtet werden. Eine kritische Analyse der einschlägigen Forschung gibt F. MEHLTRETTER, Gott als Dichter der Irdischen Welt. Beatrice und die Allegorie in Dantes Purgatorio (29–33), Deutsches Dante-Jahrbuch 79/80 (2005), 103–160. 50

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ihrerseits über ihre dreiäugige Anführerin, die Klugheit, identifizierbar sind)53, die sieben Alten, die dem Wagen nachfolgen, stehen für die übrigen Bücher des Neuen Testaments: also erst Apostelgeschichte (deren Verfasser laut Hieronymus Arzt war) und Paulusbriefe (deren Autor als ehemaliger Christenverfolger nun das Schwert des Heiligen Geistes führt), dann die vier Katholischen Briefbücher (Jacobus, Johannes, Petrus und Judas), und schließlich, am Ende des Zugs, die Apokalypse des Johannes, deren Charakteristikum als prophetische Vision bildlich veranschaulicht wird: „vidi […]/ […] un vecchio solo/ venir, dormendo, con la faccia arguta.“ (Purg 29,142–144). Mehr noch: Indem er Johannes als Schlafenden präsentiert, bekräftigt Dante die mittelalterlich geläufige Vorstellung von der johanneischen Apokalypse als einer visio spiritalis54 und markiert so zugleich die Andersartigkeit seiner eigenen Offenbarung. Man möchte meinen, dass mit diesem Typus von allegorischer Gestaltung unser Autor seinen Anspruch konterkariert, mit der Commedia einen Offenbarungsdiskurs zu schaffen, der alternativ ist zur fiktionsbasierten allegorischen Poetik seiner Zeit. Doch die Dinge liegen komplizierter. Es zeigt sich nämlich, dass Dante die landläufige Auffassung von Dichtung als allegorischer Fiktion so umgestaltet, dass sie zum integralen Teil seines Konzeptes von Dichtung als Offenbarung wird. Einen ersten Hinweis in diese Richtung erhält man, wenn man sich einen schlichten Tatbestand in Erinnerung ruft: Eine veritable rhetorische Fiktion bzw. allegoria in verbis ist die Kirchenprozession für den Leser nur solange wie er den Kontext ausblendet und davon abstrahiert, was er liest. Er liest, was der Wanderer als erlebendes Ich sieht; und dieser sieht eine Prozession, die ausschaut, als wäre sie die Aufführung einer rhetorischen Allegorie, die vor seinem körperlichen Auge in Szene gesetzt wird. Rhetorische Fiktion und vom Wanderer erlebte Wirklichkeit verschmelzen zu einer Einheit. Dieses Ineinander der differenten Seinsordnungen erfährt durch den weiteren Ablauf der Prozession eine zusätzliche Bestätigung. Nicht erst als Zeichen der Heilsgeschichte gewinnt der Zug der Kirche Bedeutung, sondern er hat sie schon auf einer viel elementareren Ebene. Vermittels der Kirchenprozession wird nämlich Beatrice zur Figur der erzählten Handlung. Während sich die Prozession auf ihren die Zeitenwende der Erlösung signifizierenden Kehrpunkt55 zubewegt, schwebt Beatrice aus dem

53 Die Dreiäugigkeit der Prudentia begründet Dante selbst in Anschluss an Cicero in Convivio 4,2,53. 54 Vgl. I. BOXALL, The Figure of John of Patmos in Pre-1700 Interpretation of Revelation, in: Ders./R. Tresley (Hg.), The Book of Revelation and its Interpreters, Short Studies and an Annotated Bibliography, Lanham 2016, 68–70. 55 Der Kirchenwagen gelangt zu einem kahlen Baum, um den er seine Kehre macht, und an dem ihn der Greif mit der Deichsel – eine Kreuzallegorie – anbindet, woraufhin der abgestorbene Baum neu ausschlägt: Diese Verbildlichung des Erlösungsgeschehens setzt beim

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Paradies herab, um im Triumphwagen der Kirche Platz zu nehmen. Der Werkkontext legt nahe, sie als Allegorie der göttlichen Weisheit zu deuten, denn in dieser Eigenschaft wird sie Dante durchs Paradies führen und ihm die Arkana des Seins erklären.56 Doch eine bloße Personifikation eines Begriffs ist sie eben nicht. Vielmehr ist sie auch und zu allererst eine wirkliche Person, die, obschon in die ewige Seligkeit eingegangen, genau wie die zahllosen Seelen, die das Jenseits bevölkern, ihre historische Identitätskarte behält: Vor ihrem frühen Tod war sie die wirkliche Minnedame des wirklichen Dante im wirklichen Florenz. Beatrice bekommt vom Autor Dante eine Real-Referenz zugewiesen, die auch für ihren postmortalen Zustand Gültigkeit behält.57 Eine diesbezügliche Signalfunktion fällt der Namensnennung zu. Beatrice spricht ihren Minner, den sie als Betrachter der allegorischen Inszenierung sieht, mit seinem wirklichen, seinem historischen Namen an, so dass der Jenseitswanderer aus Fleisch und Blut den Status eines bloßen Zuschauers verliert und in das allegorische Geschehen hineingezogen wird: Beatrice ist die Mittlerin, durch die Dante seinen Part in der Heilsgeschichte zugewiesen bekommt. Es ist dies übrigens die einzige Stelle in der ganzen Komödie, an der Dantes Name fällt; doch nicht genug: im gleichen Moment nennt Beatrice auch Vergil bei seinem Namen (der, ohne dass der Wanderer es gemerkt hätte, genauso unversehens verschwunden ist, wie er am Beginn der Handlung aufgetaucht war)58 – es sei daran erinnert, dass Vergil bei seinem ersten Auftritt ebenfalls eine eindeutige Identitätskarte mit den Eckdaten seiner historischen Biographie ausgestellt bekommen hatte. Und schließlich nennt Beatrice sich auch noch selbst mit ihrem Namen, und zwar verbunden mit der Aufforderung, ganz genau zu ihr hinzuschauen und so ihre Selbstidentifikation zu verifizieren: „Guardaci ben! Ben sem, ben sem, Bea-

biblischen Motiv des Baums der Erkenntnis an, der durch den Sündenfall geschädigt wurde (Gen 2,15–17), so dass er einer weit verbreiteten Legende zufolge verdorrte. 56 Die Deutung Beatrices als Allegorie der göttlichen Weisheit ist im Text zureichend markiert: Die erwartete Ankunft Beatrices wird mit einem minimal abgewandelten Zitat aus dem Hohen Lied zum Ausdruck gebracht, und zwar Canticum Canticorum 4,8 „Veni, de Libano sponsa“ (bei Dante Purg 30,11 als „Veni, sponsa, de Libano“). In Convivio 2,14,20 legt Dante die Braut des Hohen Liedes als Allegorie der göttlichen Weisheit aus. Meist wird Beatrice als Allegorie der Theologie verstanden, was nah bei der Deutung als göttlicher Weisheit liegt, aber nicht ganz dasselbe ist. Andere Auslegungen, etwa Beatrice als Gnade (Singleton), als Ecclesia (Stefanini) oder als Figur Christi (erneut Singleton), gehen in Hinblick auf ihre Einbindung in den Kontext besagter Gesänge nicht ohne Schwierigkeiten ab. Zu den zitierten Allegoresen vgl. MEHLTRETTER, Gott als Dichter (s. Anm. 52), 130–157. 57 Das zeitgenössische Publikum hat die postulierte Realität von Beatrice als Minnedame Dantes, anders als bei Petrarcas Laura, ohne Einschränkungen akzeptiert. Vgl. S. BENROSE, A New Life of Dante, Exeter 2000, 16f. 58 Purg. 30,55: „‘Dante, perché Vergilio se ne vada,/ non pianger […].‘“

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trice“ (Purg 30,73).59 Die wirkliche Beatrice, die außer für sich auch für die göttliche Weisheit steht, ist gewissermaßen eine ins Jenseits transponierte allegoria in factis, während die personifizierten Tugenden, die sie umtanzen, in geradezu demonstrativer Weise die rhetorische allegoria in verbis im Leserbewusstsein präsent halten. Für den Leser kommt es mithin zur Überlagerung von zwei differenten Zeichenordnungen – Wortallegorie und Realallegorie –, die zugleich eine Verschränkung zweier verschiedener Seinsordnungen – des Fiktiven und des Nicht-Erfundenen – impliziert. In dieser Überlagerung des Verschiedenen beginnen sich die Unterschiede aufzulösen. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Elemente, die auf die fiktionsbasierte Wortallegorie zurückverweisen, phänomenologisch an die Erscheinungsweisen der Jenseitswelt angeglichen werden. Irdische Zeichenhaftigkeit (this for that) und überirdische Offenbarung durch Zeichen (this and that) werden kurzgeschlossen. Ein Beispiel: Zu den Heimsuchungen, die die Kirche im Lauf ihrer Geschichte erdulden muss, gehören die Folgen der konstantinischen Schenkung. Den Akt der Schenkung veranschaulicht für den Betrachter Dante (und somit auch für den Leser) die Allegorie des kaiserlichen Adlers, der in den Wagen der Kirche niederstößt und dort seine Federn zurücklässt,60 die leicht erkennbar die irdischen Güter signifizieren, die der Kirche zufallen; und die Folgen des fatalen Geschehens zeigen sich bildlich darin, dass die Federn zu wuchern beginnen und den Wagen in ein veritables Monster verwandeln, mit gefiederten Rädern und gefiederter Deichsel. Doch nicht genug, die Verwandlung ins Monströse geht weiter, der Karren der Kirche wird auch faktisch zum Ungeheuer, denn ihm wachsen sieben Köpfe, drei doppelt gehörnte an der Deichsel, und vier einhörnige an den Seiten des Wagens, auf dem schließlich, fest wie ein Fels, eine schamlose Hure im Liebesspiel mit einem Riesen erscheint. Es liegt auf der Hand, dass das phantastische Geschehen die kurrenten Muster einer rhetorischen Allegorie, wie sie irdische Dichter fabrizieren, überschießt und geradezu demonstrativ überirdischen Offenbarungscharakter gewinnt: In der wundersamen Metamorphose des Wagens kehrt das apokalyptische Tier der Johannesapokalypse wieder, auf dem die meretrix magna sitzt, die mit den Großen der Welt gehurt hatte.61 Die Wiederkehr ist freilich eine solche im Modus heilsgeschichtlich bedingten Wandels. Bei 59

Beatrice spricht, ihrer Rolle angemessen, im pluralis maiestatis. Zu den editionsphilologischen Problemen der Stelle vgl. die Ausgabe von Chiavacci Leonardi: Dante Alighieri, Commedia (s. Anm. 1), 2,891f. 60 Purg 32,112–117. Mit dieser Szene beginnt der zweite Teil der kirchen- und damit zugleich heilsgeschichtlichen Allegorie; die Zeit sub gratia wird also von Anfang an als eine solche unter dem Zeichen von Heilsgefährdung und dräuender Apokalypse präsentiert. Exakt in dieser Situation erhält Dante seine Investitur als prophetischer scriba Dei. 61 Indem Dante die Apokalypse in demonstrativer Deutlichkeit zitiert, bekräftigt er, dass die johanneisch geprägten Bilder seiner Vision ungeachtet ihrer offenkundig allegorischen Zeichenhaftigkeit keine Erfindungen eines irdischen Dichters sein wollen.

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Johannes war die Hure Babylon zur Figur des imperialen Roms geworden, in der Commedia dagegen wird sie zum Bild einer Papst-Kirche,62 die sich durch ihre Gier nach irdischen Gütern korrumpiert hatte; der Riese wiederum ist die – aus Dantes Sicht – gegenwärtige Verkörperung der Mächtigen, um die die Hure buhlt; er verweist unzweideutig auf Philipp den Schönen, der die römische Kirche, die sich aus machtpolitischem Antrieb mit der französischen Krone verbunden hatte, unter seine Gewalt gebracht hatte, um sie 1305 ins französische Exil zu zwingen. Mit dieser Situation, die aus Dantes Sicht eine maximale Pervertierung des heilgeschichtlichen Planes ist, endet die Prozession: Der Riese, der die Hure züchtigt, bemächtigt sich des Wagens und zieht mit ihm durch den Wald von dannen.63 Dieser Schluss ist pointiert prophetisch. Die Jenseitsreise findet ja in der Osterwoche des Heiligen Jahres 1300 statt. Der Wanderer sieht in seiner Vision somit, was sich in naher Zukunft – also 1305 – ereignen wird. Beatrice allerdings sieht noch mehr und noch etwas weiter in die Zukunft, denn sie sieht den Moment, in dem ein Retter kommt, der die gottgewollte Ordnung restituieren wird, und sie formuliert dies in prophetisch-dunkler Rede („narrazion buia“, Purg 33,46) als eine Naherwartung: Es werde ein von Gott gesandter „cinquecento diece e cinque“ (Purg 33,43) kommen, also ein 515, der die Hure und den Riesen töten werde, und zwar bald, „tosto“ (Purg 33,49). Darauf soll Dante die irdische Welt als Mahner vorbereiten. Als die historische Welt errettender Agent der Heilsgeschichte ist der 515 ein klar erkennbarer Antitypus zum weltzerstörenden 666 der Johannesapokalypse. Dass Dante mit der so formulierten Naherwartung zugleich einen Kontrapunkt gegen Joachim von Fiore setzt, steht im Dienst seiner Botschaft. Denn während für den Autor der Expositio in Apocalypsim ein Mann der Kirche die Wendung zum Guten einläuten soll, ist es bei Dante ein Politiker, der mit seinem Handeln deshalb auch nicht, wie dies bei Joachim der Fall ist, ein neues Zeitalter des Heiligen Geistes eröffnet:64 In der Commedia verlangt die Vorbereitung auf die Endzeit vielmehr nach der Restitution der rechten Ordnung durch die Politik. Spätestens an dieser Stelle sieht man, warum Dante seinen Offenbarungstext vor allem als Supplement der Johannesapokalypse profiliert. Er will deutlich machen, dass die von ihm vertretene politische Programmatik heilsgeschichtlich auf die Endzeit bezogen ist, freilich in einer Weise, die durch die zeitgenössisch bekannten Apokalypse-Auslegungen (wie die des Joachim) gerade nicht abgedeckt ist. Es ist deshalb völlig schlüssig, dass die Investitur

62 Zur meretrix magna und ihren Allegoresen (zu denen die Identifikation mit der Papstkirche zählt), vgl. N. HAVELY, Dante and the Franciscans. Poverty and Papacy in the Commedia, Cambridge 2004, 173. 63 Purg 32, 154–160. 64 Zu Joachim von Fiore, unter bes. Berücksichtigung des Zusammenhangs von Apokalypse-Kommentar und Concordia, vgl. DANIEL, Joachim of Fiore (s. Anm. 10).

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zum Propheten direkt an die Markierung der Apokalypse-Referenzen gekoppelt ist.65 Die Referenz auf die Apokalypse des Johannes durchzieht die ganze bildliche Repräsentation der Heilsgeschichte66 und setzt so von Anfang an einen effektvollen Kontrapunkt zur Dimension der Dichterallegorie. Eröffnet wird der Prozessionszug von sieben brennenden Kandelabern, die wir aus der Johannesapokalypse (Apk 4,5) kennen; dort finden sich auch die 24 weiß gekleideten „seniores“ (Apk 4,4), die seit dem Hieronymus-Prolog der Vulgata als Allegorien der alttestamentarischen Bücher ausgelegt wurden – Chiavacci Leonardi hat übrigens darauf aufmerksam gemacht, dass bei Hieronymus auch die Abfolge der biblischen Bücher exakt so vorgeprägt ist, wie Dante sie in seinem Prozessionskonzept umgesetzt hat:67 24 Bücher des Alten Testamentes, vier Evangelien, dann die übrigen neutestamentarischen Schriften mit der Apokalypse als Schlusspunkt. Auf die Johannesapokalypse verweisen noch weitere Bilder, etwa die Allegorien der Evangelien oder der Satansdrache, der bei Dante die Kirchenspaltung bewirkt, und anderes mehr. Dante geht mit der Bildlichkeit der Apokalypse erwartungsgemäß kreativ um. Er schreibt sie aus, um seiner eigenen Offenbarung ihr unverwechselbares Gepräge (inklusive einer eigenständigen Symbolik) zu geben. So ziehen etwa die Flammen der Kandelaber regenbogengleiche Farbstreifen hinter sich her, die dann wie die Bahnen eines riesigen Baldachins die Prozession überspannen und zwischen denen hindurch die gewaltigen Flügel des Greifen sich in den Himmel emporrecken; auch die 100 singenden und Blumen streuenden Engel, die der vom Himmel niederschwebenden Beatrice aus dem Boden des Kirchenwagens heraus entgegen streben, haben einen Apokalypse-Bezug, denn sie bilden einen antitypischen Kontrast zur Verwandlung des Wagens in das apokalyptische Tier. Dies und Ähnliches mehr kann nicht näher ausgeführt werden. Angezeigt ist freilich eine Präzisierung zum Status der Apokalypse-Referenzen. Diese sind nicht einfach Quellenmaterial zur poetischen Bearbeitung und auch nicht Intertextualitätsbezüge, die bloß die Abhängigkeit von einem autoritativen Prätext markieren wollen, um so dem eigenen Text Geltung zuzuschreiben – all dies wären Verfahren, die zuvörderst die Textualität des eigenen Textes akzentuieren und mithin seine poesis, seine dichterische Gemachtheit herausstreichen würden. Darum geht es Dante nicht, oder zumindest nicht primär. Dies zeigen gerade jene Passagen, die bei flüchtiger Betrachtung leicht als Indikatoren einer derartigen Intertextualitätspoetik gelesen werden könnten. Die Allegorien der Evangelien fallen eher knapp aus. Der Erzähler nennt, 65 Vgl. Anm. 53. Zur Geschichte des Apokalypse-Kommentars vgl. BOXALL/TRESLEY, Book (s. Anm. 54), 1–26, sowie EMMERSON/MCGINN, Apocalypse (s. Anm. 10). 66 Zur apokalyptischen Bildlichkeit in den Gesängen des Irdischen Paradieses vgl. P. DRONKE, L’Apocalisse negli ultimi canti del Purgatorio, in: Barblan, Dante (s. Anm. 36), 81–94. 67 Dante Alighieri, Commedia (s. Anm. 1), Bd. 2, 864.

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ohne sie nach ihren Spezies zu differenzieren, die allbekannten vier Tiere mit ihrem übergreifenden Gattungsnamen („animali“, Purg 29,92), fügt lediglich hinzu, dass sie grün bekränzt seien und sechs gefiederte und mit vielen Augen bestückte Flügel hätten. Mehr Verse, so Dante in einer seiner stets wichtigen Leser-Anreden, müsse er nicht verschwenden („più non spargo/ rime“, Purg 29,97f.), denn der interessierte Leser könne alles im Detail bei Ezechiel nachlesen: „ma leggi Ezechïel“ (Purg 29,100). Lediglich hinsichtlich der Anzahl der Flügel macht Dante einen Vorbehalt. Bei Ezechiel seien es vier, bei ihm jedoch sechs, doch in Hinblick auf die Sechszahl sehe er sich im Einklang mit Johannes.68 Dies klingt nach ‚ich halte mich an Johannes‘, also so, also würde Dante seinen Text an dem der Johannesapokalypse ausrichten. Doch dies wird weder gesagt noch ist es gemeint. Vielmehr sagt Dante „Giovanni è meco“ (Purg 29,105) und nicht ‚io sono con Giovanni‘, und er meint damit, dass das, was er selbst gesehen hat, sich mit dem deckt, was auch die johanneische Apokalypse berichtet.69 Mit anderen Worten: Dante schreibt lediglich auf, was er gesehen hat und was vor ihm, ausweislich seines schriftlichen Testats, so zuvor schon Johannes erblickt hatte. Die Apokalypse ist deshalb keine Vorgabe für eine poesis, die qua Intertextualität Geltungssicherung betreibt, sondern sie gibt eine nachträgliche Bestätigung dessen, was Dante im Rahmen seiner Jenseitsvision selbst und eigenständig geschaut hat. Dies wiederum bedeutet, dass Dante zu allererst beglaubigen muss, dass das, was die Vision wiedergibt, von ihm auch tatsächlich so und nicht anders gesehen wurde. Es geht also um die Wirklichkeit der Vision, und diese wird durch einen Wahrnehmungsrealismus plausibilisiert, der darstellungstechnisch ein veritables Kabinett-Stück ist.70 Was der Wanderer sieht, sieht er, dem sich das Jenseits ja in corpore öffnet, mit seinem physischen Auge, und zwar dergestalt, dass sich für den Sehenden das Gesehene als ein zweifelsfrei Gegebenes zeigt, das damit zugleich in seinem Wesen richtig erkannt ist. Diesen Effekt erzeugt unser Autor, indem er, unter begrifflicher Bezugnahme auf die aristotelische Wahrnehmungspsychologie,71 sinnliche Wahrnehmung als einen graduellen Erkenntnisprozess 68

Hier wird explizit greifbar, wie Dante in die Rolle des epischen Erzählers die des Bibelexegeten ‚hineinspielt‘. Des Weiteren belegt die Priorisierung der Johannesapokalypse die typologische Hierarchie von Altem und Neuem Testament. Die allegorische Bedeutung der Sechszahl, die ja in der Bibelexegese von großem Belang ist, spielt dagegen keine Rolle. 69 Vgl. auch HAWKINS, Dante‘s Testaments (s. Anm. 35, Kap. „John is with me“), 55– 71, der ebenfalls die Rolle von Dantes eigener Augenzeugenschaft betont, dieser aber, wohl etwas zu modernistisch, eine bei den biblischen Propheten nicht gegebene Funktion literarischer Selbstermächtigung zuschreibt. 70 Es handelt sich um Purg 29,15–51. 71 Dante bezieht sich begrifflich korrekt (vgl. „l’obietto comun, che ‘l senso inganna“, Purg 29,47) auf De anima 2,4, um den Vorgang der Sinnestäuschung zu erklären. Die hier einschlägigen Aspekte der aristotelischen Wahrnehmungs- und Erkenntnispsychologie expliziert Dante unter Nennung des Referenztextes in Convivio 3,9,6 u. 4,8,6.

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vorführt, durch den jeder mögliche Zweifel an der Faktizität des Wahrgenommenen ausgeräumt wird. Während der Wanderer den Paradieswald gen Osten hin durchschreitet, nimmt er einen Lichteffekt wahr, den er zunächst fälschlich für einen ephemeren Blitz hält, der sich dann aber zu einem Glanz verstetigt, so als sei die Luft zwischen dem Laub der Bäume wie zu Feuer entbrannt; er geht dann weiter auf das Leuchten zu und sieht sieben goldene Bäume, doch als die Distanz zwischen ihm und dem Gesehenen weiter schrumpft, merkt er, dass er sich, offenkundig konditioniert durch seine Umgebung (er bewegt sich ja in einem Wald voller Bäume) ein weiteres Mal hat täuschen lassen. Die Bäume entpuppen sich nämlich am Ende zweifelsfrei als brennende Kandelaber aus Gold, die sich Dante entgegen bewegen und damit die Prozession eröffnen. Was der Jenseitswanderer aus Fleisch und Blut mit seinem körperlichen Auge sieht, ist sachgerecht; es ist also keine Illusion, sondern aus seiner Warte ist es da, es existiert genauso wie er selbst. Schon bevor die Prozession die Gestalt einer inszenierten allegorischen Fiktion annimmt, wird ein starker Realitätseffekt erzeugt, so dass von Anfang an die Dimensionen von erlebter Wirklichkeit und rhetorischer Repräsentation nicht mehr voneinander zu trennen sind. Die Prozession der Kirche ist integraler Teil der visionär geoffenbarten Seinsordnung eines Jenseits, dessen Manifestation deshalb nicht als dichterische Erfindung gewertet werden soll; gleichzeitig freilich bleibt ihre Bindung an eine fiktionsbasierte Poetik klar erkennbar, und zwar in offenkundig gewollter Weise. Wie ist diese Duplizität zu erklären? Eine Antwort gibt der vierte Gesang des Paradiso.72

3 Nach der ersten Begegnung mit den Seligen – es waren dies jene beati, die wie die Florentinerin Piccarda Donati auf Erden ihr Gelübde nicht voll erfüllen konnten – entspinnt sich ein Gespräch über die verschiedenen Seligkeitsgrade, die, in erkennbar thomistischer Argumentation, an die Verdienstgrade gekoppelt werden. Beatrice, die ja für die göttliche Weisheit steht,73 klärt in diesem Zusammenhang Dante auf, dass der angestammte Ort derer, die im Paradies in der fruitio Dei ihre Erfüllung finden (also die Seligen und die Intelligenzen), keineswegs die physischen Himmelskörper seien, in deren erstem und niederstem, dem Mondhimmel, Piccarda sich ja eben erst Dante in einer sinnlich

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Zur Interpretation des Gesangs vgl. REGN, Gott als Dichter (s. Anm. 45). Die göttliche Weisheit nimmt also für ihre Zwecke auch die Scholastik in ihren Dienst: Bibelexegese und theologischer Rationalismus werden bei Dante (wie in der Scholastik selbst) – wenn auch in hierarchischer Abstufung – als zusammengehörig betrachtet. 73

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wahrnehmbaren Form gezeigt hatte.74 Nein, so Beatrice, die Seligen und Intelligenzen seien alle ausnahmslos im ort- und zeitlosen Empyreum beheimatet. Dass sie Dante in den hierarchisch geordneten Himmelssphären des physischen Kosmos erscheinen, sei nichts anderes als eine Konzession an die Bedingtheit seines irdischen Seins. Denn auf diese Weise würde das Prinzip des Einklangs von Seligkeit und Verdienst, welches für das paradiesische Sein konstitutiv sei, für den irdischen Wanderer überhaupt erst sinnlich erfahrbar und auf dieser Basis schlussendlich auch verstehbar. Menschliche Erkenntnis, so Beatrice unter Bezugnahme auf die aristotelische Epistemologie, gründet auf sinnlicher Wahrnehmung. Wenn sich die Seligen und Intelligenzen dem Wanderer in den hierarchisch gestaffelten Sphären des physischen Kosmos zeigen, dann ist dies ein Arrangement, und der Arrangeur ist kein anderer als Gott. Gott bringt auf der Bühne des von ihm geschaffenen Kosmos für den Wanderer also ein Schauspiel zur Aufführung, um dem diesseitigen Dante die Arkana des Jenseits zugänglich zu machen – es sei daran erinnert, dass auch die Kirchenprozession des Irdischen Paradieses den Charakter einer theatralischen Aufführung hatte. Die göttliche Inszenierung wird von Beatrice dergestalt erläutert, dass der Leser sich an die Fiktionen erinnert sehen muss, die Künstler, insbesondere die Wortkünstler, verfertigen. Die diesbezüglichen Signale sind deutlich, wird doch das Schauspiel, das sich Dante zeigt, als eine auf den Menschen zugeschnittene Rede bezeichnet: „così parlar conviensi al vostro ingegno“ (Par 4,40), so die überirdische Beatrice zum irdischen Dante. Und die Mittel dieser Rede sind die Verfahren der Veranschaulichung durch rhetorisch-poetische Fiktionen, wie Metaphern, Personifikationen, Allegorien. Die Intelligenzen, ja sogar Gott, bekommen ein menschliches Aussehen zugeschrieben, das sie so nicht haben. Das Paradiesgeschehen ist also eine Dichtung Gottes, deren diskursives Medium die Vision ist. Der zur Bibel analoge Offenbarungscharakter dieser Vision wird an dieser Stelle von Beatrice geradezu plakativ herausgestellt, denn Beatrice bringt die Jenseitsvision in einen direkten Ähnlichkeitsbezug zur Heiligen Schrift. Das Wort Gottes funktioniert wie das Paradiesgeschehen, denn um die Anagogie begreifbar zu machen, passt sich auch die Heilige Schrift dem menschlichen Vermögen an und greift zur allegorischen Fiktion: „per questo la Scrittura condescende / a vostra facultade, e piedi e mano/ attribuisce a Dio, e altro intende.“ (Par 4,43–45) Die Fiktion Gottes unterscheidet sich von derjenigen der irdischen Dichter in einem wichtigen Punkt. Anders als die Dichter-Fiktion ist diejenige Gottes fiktiv und real zugleich. Durch Beatrice wissend gemacht, weiß der viator Dante, dass das von ihm visionär Geschaute nicht das wahre Sein des Jenseits ist, sondern als göttliche fictio rhetorica nur dessen Zeichen. Doch das von 74 Die Begegnung mit Piccarda ist nach Maßgabe desselben Wahrnehmungsrealismus gestaltet wie die Darstellung der Kirchenprozession, vgl. REGN, Gott als Dichter (s. Anm. 45), 373f.

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Gott fingierte Zeichen bleibt für den Wanderer trotz dieses Wissens visionär erlebte Wirklichkeit. Diese Duplizität von Wirklichkeit und Fiktion wird im 4. Gesang des Paradiso offengelegt. Verdeckt wird sie jedoch schon vorher kommuniziert, etwa durch die Überlagerung differenter Zeichenordnungen in der Kirchenprozession, wo die fiktionsbasierte allegoria in verbis sich mit der realitätsbasierten allegoria in factis verschränkt.75 Insofern fungiert die Repräsentation der Apokalypse im Irdischen Paradies als mise en abyme der Zeichenstruktur der Commedia. In seinem poema sacro erzählt Dante in poetischer Form eine Jenseitsoffenbarung, der bereits ihr göttlicher Urheber dichterische Gestalt gegeben hat, um auf diese Weise die spiritalia der postmortalen Welt für den sterblichen Jenseitswanderer verstehbar zu machen. Die Dimension des Poetischen ist deshalb weit mehr als eine bloße Angelegenheit des modus tractandi, sondern sie resultiert direkt aus der Beschaffenheit dessen, was Dante nach eigenem Bekunden geoffenbart worden war. Doch gerade diese Begründung des Poetischen aus der dichterischen Verfasstheit des Geoffenbarten hat zur Folge, dass die Grenze zwischen göttlicher Botschaft und menschlicher Niederschrift verwischt.76 Denn wenn sich die Rede Gottes und die des Dichters allzu sehr ähneln, dann ist am Ende nicht mehr klar auszumachen, wem was zuzurechnen ist. Für den Autor der Commedia ist dies eine kommode Situation, denn sie 75 Es sei daran erinnert, dass Faktizität hier die postulierte Wirklichkeit des Jenseits meint. Die Vorstellung, dass das (wie auch immer) geschaute Jenseits nicht die „Realität“ der jenseitigen Wirklichkeit abbildet, sondern lediglich zeichenhaft-allegorischer Natur ist, findet sich bereits in der Visionsliteratur vor Dante, und zwar, offenkundig viktorinisches Gedankengut voraussetzend (bes. Hugos De tribus diebus), in der (mit Blick auf Dante) „modernen“ visio corporalis des Purgatorium S. Patricii: Schon dort ist das Jenseits einerseits körperlich wahrgenommene „Realität“ , die andererseits doch „nur“ Zeichen einer höheren Wirklichkeit ist, die Menschen aus Fleisch und Blut nicht zugänglich ist (vgl. dazu BENZ, Gesicht und Schrift [s. Anm. 7], 207–227). 76 Ein metapoetisches (und damit besonders aussagekräftiges Beispiel) ist die Metaphorik, die den Inspirationsgedanken ins Bild setzt. Am Beginn der ersten cantica wird Paulus als inspirierte Offenbarungsinstanz präsentiert und damit zum Modell, dem Dante folgen soll. Unser Autor bringt dies in Anschluss an die Bibel mit dem Bild des Gefäßes der Erwählung zum Ausdruck: „Vas“ (Inf 2,28). Am Beginn der dritten cantica wird dieses Bild dann auf Dante selbst angewandt, nun aber mit Blick auf die Inspiration des weltlichen Dichters, deren Gewährinstanz der pagane Gott der Künste ist, der auch für die irdische Dichtkunst, verstanden als ars bzw. modus tractandi, zuständig ist: „O buono Appollo, a l’ultimo lavoro/ fammi del tuo valor si fatto vaso/ come dimandi a dar l’amato alloro.“ (Par 1,13–15). Dass die Inspiration des göttlichen Offenbarungsträgers ins gleiche Bild gebracht ist wie die des weltlichen Dichters, der eine Arbeit – „lavoro“ – zu verrichten hat, ist Programm. Es signalisiert, dass poetische und prophetische Inspiration, Dichten (als weltliches Tun) und Offenbarung (als göttliche Kundgabe) verschwimmen. Vgl. unter bes. Berücksichtigung der Apoll-Invokation G. REGN, Doppelte Autorschaft. Prophetische und poetische Inspiration in Dantes Paradies, in: R. Schlesier/B. Trinca (Hg.), Inspiration und Adaptation. Tarnkappen mittelalterlicher Autorschaft, Paderborn 2008, 139–155.

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ermöglichte es ihm, eigene Ansichten so einzubringen, als ob sie Teil des Offenbarungswissen wären, und zwar ohne dass dieses ‚Als Ob‘ kenntlich gemacht würde.

Autorinnen- und Autorenverzeichnis Erich Bosshard-Nepustil Dr. theol. habil., Pfarrer der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Zürich-Witikon und außerplanmäßiger Professor für Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, Schweiz. Christfried Böttrich Dr. theol. habil., Professor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald, Deutschland. John J. Collins PhD, Dr. theol. h.c., Holmes Professor of Old Testament Criticism and Interpretation Yale Divinity School, New Haven, Ct., USA. István Czachesz Dr. theol. habil., Professor of Biblical Studies an The Arctic University of Norway (Tromsø), Norwegen. Jan Dochhorn Dr. theol., Senior Lecturer in New Testament am Department of Theology and Religion der University of Durham, Großbritannien. Jörg Frey Dr. theol. habil., Professor für Neutestamentliche Wissenschaft mit Schwerpunkten Antikes Judentum und Hermeneutik an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, Schweiz. Matthew J. Goff PhD, Professor of Religion an der Florida State University, Tallahassee, Fl., USA. Martina Janßen Dr. theol., Pastorin an St. Andreas zu Hildesheim und Habilitandin an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen, Deutschland.

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Autorinnen- und Autorenverzeichnis

Michael R. Jost Dr. des., Assistent von Prof. Dr. Benjamin Schliesser am Institut für Neues Testament der Theologischen Fakultät der Universität Bern, Schweiz. Jordash Kiffiak PhD, Research Associate an der Professur für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, Schweiz. Thomas J. Kraus Dr. theol., Studiendirektor in Neustadt, Opf. und Lehrbeauftragter und Habilitand an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, Schweiz. Stefan Krauter Dr. theol. habil., Assistenzprofessor für Neues Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, Schweiz. Tobias Nicklas Dr. theol. habil., Professor für Exegese und Hermeneutik des Neuen Testaments an der Universität Regensburg, Deutschland. Gerhard Regn Dr. phil. habil., Professor emeritus für Italienische Philologie an der LudwigMaximilians-Universität München, Deutschland. Konrad Schmid Dr. theol. habil., Professor für alttestamentliche Wissenschaft und frühjüdische Religionsgeschichte an der Universität Zürich, Schweiz. Michael Tilly Dr. theol. habil., Professor für Neues Testament und Antikes Judentum an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen, Deutschland. Franz Tόth Dr. theol. habil., Privatdozent an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, Schweiz. Adela Yarbro Collins PhD, Dr. theol. h.c., Buckingham Professor Emerita of New Testament Criticism and Interpretation an der Yale Divinity School, New Haven, Ct., USA.

Stellenregister 1. Bibel 1.1 Schriften des hebräischen Kanons Genesis 1–11 1 1,2 2,1 2,15–17 4,17 5 5,18–20 5,22–24 5,22 5,24 6 12 18,18 22,18 28

28,5 28,10–22 28,10–19 28,12 28,13–15 28,13 28,14 28,20–22 29,1 30,11 32 32,23–33 36,9 37,5–10 40 41 49,10–12

183 290, 292 144n.41 144n.41 404n.55 183n.44 175, 183 158 158 161 175, 175n.15 158, 160, 160n.22 186 274 274 258, 261, 266n.34, 268, 271–276, 278, 281n.78, 283n.85 260, 276 274 223 261 278 278 274 276 260, 276 159 275f. 274 275 223 223 223 270, 283

Exodus 1 3,11 6,12 19 19,1ff. 19,3 23,20 24,12 31,18 32,32f. 33,20 34,1 34,28 34,34 34,34 LXX

291 180 180 124 291n.26 124 337 131 131 130n.4, 150n.57 326 131 131 337f. 338n.20

Leviticus 18,20

290

Numeri 5 10 21,14 21,18 22–24 22,4 22,7 24,17 25 26,55 31 31,1–6 31,7 31,15–18 31,16 31,20–24

223 124 130n.5 165 188, 311 311n.26 311n.26 270, 272, 283 311 146n.47 311f. 311n.27 311n.28 311n.28 311 311n.28

416

Stellenregister

33,54 34,13 36,2f.

146n.47 146n.47 146n.47

Deuteronomium 1,1 16,9ff. 18 18,15–19 18,15 18,22 21,22f. 34 34,10

124 291n.25 122, 156 225 122 156 260 122f., 194n.12 122f.

Josua 1 1,5 1,7f. 1,13 1,16 1,17 3,7 4,14 10,13 11,15 13–21 14–21 24,26

123 225n.59 123 123 225n.59 225n.59 225n.59 225n.59 324 225n.59 146, 146n.48 146n.47 130n.5

Richter 1,3 6,36–40 7,13f. 20,27f.

146n.47 223 223 223

1 Samuel 3 6 10,5–6

223 223 112

2 Samuel 11 15,25f.

223 223

1 Könige 3,3–15 22,19–23

223 313n.32

Jesaja 1–66 1–63,6 1–39 1–34 1,1 1,10 1,20 2,1–4 2,1 3,2 4,2–6 4,3 4,3b 5,25–30 5,25 6–8 6 6,1 6,3 6,5ff. 6,5–7 6,6ff. 6,9f. 6,11–13 6,13bβ 7 7,3 LXX 7,14 8,1 8,16 9,1–6 9,7–20 9,7–9 9,7 9,11 9,12 9,14 10,1–4 10,1 10,4 10,19 11,4 11,13f. 11,14bα 13f. 13f. 13,1

126 134, 148f. 127, 129 136f. 129, 136 326 129n.1, 146, 146n.49f. 146n.50 136 129n.2 150n.57 130n.4, 150n.57 150n.57 114 114 139 219, 313n.33 220, 326 150n.57, 295 150n.57 129n.1, 147 129 136 136 150n.57 119 323 119 131 136 113 114 114 115 114 115 129n.2 114 131n.6 114 131n.6 144 144, 146n.48 146n.48 136n.21 152, 328 136

Stellenregister 13,1 LXX 13,4f. 13,5 13,9–13 13,10 14 16,20 21,1–10 21,1 21,2 24–27 24,16b 24,23 26,15b 26,20f. 27,2ff. 27,9 27,12 28,7ff. 28,12 28,18 29,7 29,9–12 29,9f. 29,11f. 29,11 29,12 29,18 30,2 30,8–11 30,8ff. 30,8 30,9 30,15 30,26 32,3f. 33 34f. 34

34,1–15

34,1 34,2–4

328 151 151 151 144n.40 328 114 136n.21 136 136n.20 151 151 144n.40 144 151 144 337 144 129n.2 136 136n.20 136 135 129n.2, 135f. 134–136, 136n.21, 147 133f., 136n.20, 137 133f., 137 133–136, 137, 147 129n.1, 146n.49 135 135 131, 133–137, 147 136 136 144n.40 136 150n.60 130n.5, 141 133n.11, 138, 141, 141n.33, 142, 150, 150n.60 130n.5, 132–134, 138, 140f., 143, 148–151 132f., 133n.11, 152 132, 133n.11, 141, 141n.34, 143n.39, 144n.41, 151–153

34,2 34,4 34,5–15 34,5f. 34,5 34,6 34,7 34,9–11 34,9 34,11–15 34,11 34,15 34,16f.

34,16f. LXX 34,16 34,16a 34,16aα

34,16aαβ 34,16aβ–17 34,16aβ 34,16aγ 34,16aβγ 34,16b 34,16bα 34,16bβ 34,17 34,17a 34,17aα 34,17aβ 34,17b 34,17bα 34,17bβ

417 151 133n.11.14, 138, 144n.40, 151 132, 133n.11, 152 133 138n.26, 145 133n.11 133 140 133 130n.5, 140, 145 144n.41 132n.9 130, 130n.5, 131, 131n.7, 132, 132n.9, 133f., 136n.21, 137f., 140f., 141n.33f., 142–144, 144n.40, 145f., 146n.48, 147–150, 150n.57, 151, 153f. 147n.51 129n.1, 133n.11, 137n.24 132n.9 130, 130n.5, 131, 132n.9, 133–140, 144n.40, 147 144n.40 130n.5, 131f., 134, 139 131, 131n.7, 144n.40 131, 131n.7, 132n.9 131, 140 131, 145f., 148 131, 131n.7, 138, 145 131, 131n.7 132, 146 131, 145f., 148 131, 131n.7 131, 131n.7, 144n.41, 146n.48 131, 140 131, 131n.7, 144n.42 131, 131n.7

418 35–63 35 35,1f. 35,2 35,4f. 35,5f. 35,6f. 35,8–9a 35,9 35,9b–10 36f. 36,3 36,16aα 36,22 37,2 37,14 38 38,9 39,1 40–66 40–63 40–55 40–55 40ff. 40,1–11 40,3 40,5 40,6–8 40,8 40,9–11 40,26 42,7 42,18–25 43,8 44,5 45,23 47 48,3 48,8 49,16 50,1 50,11f. 51 51,6 51,16

Stellenregister 137 137f., 141, 141n.33, 143 141 144 133 136 141 141n.33 141 141n.33 150n.60 131n.6 139 131n.6 131n.6 131n.6, 133n.14 127n.30 131n.6 131n.6, 133n.14 127 137 139n.30 134, 134n.16, 138, 138n.29 134, 147f. 138n.29 337 129n.1, 146, 146n.49 129, 138n.29 138 138n.29 144n.40 136 136 136 131n.6 129n.1, 146n.49 136n.21 129n.1, 146n.49 136 131n.6 131n.6, 133n.14 138n.29 127n.31 144n.40 129n.1, 144n.40, 145f., 146n.46, 147

51,16a 52,13ff. 54,2f. 55–66 55 55,1 55,2b 55,3a 55,6–13 55,6–11 55,6ff. 55,6 55,7 55,8–11 55,10f. 55,10 55,11 55,12f. 55,13 56–66 56ff. 56 56,1–8 56,9–59,21 56,9ff. 56,10 57,15 57,16 57,17 57,18f. 58,1ff. 58,1 58,6ff. 58,8ff. 58,14 59,1 59,2 59,9ff. 59,9 59,10 59,11 59,14 59,15–20 59,15ff. 59,16–19

146 328 144 134n.16 134n.16, 137–139 137n.25 137n.25 137n.25 137f., 138n.29, 140 137n.25 138f., 148 132n.9, 133f., 137, 137n.24 137f. 137 138 138n.26 129n.1, 146n.49 138, 138n.29, 139 137n.25 139n.30, 148, 148n.54 134n.16 134n.16 139n.30, 148f., 151 139, 139n.30, 140, 148, 151 139 139 139 139 139 139 139 144 139 139 129n.1, 146, 146n.49f. 139 139 139 139 139 139 139 140n.31 139 145

Stellenregister 59,18f. 59,18 59,19a 59,20 59,21 60–62 60–62

60,4 60,9 60,12 60,19f. 61,2 62,2 62,10–12 62,10bβ 62,11aα 63,1–6

63,1 63,3 63,3aα 63,5 63,7–66,24 63,7–64,11 63,7 63,10 63,17 63,18 63,19 63,19b 64,9f. 65f. 65,1–66,24 65,5 65,6f. 65,6 65,6a 65,6b 65,7 65,8–10 65,17 65,18f.

140, 140n.31 148 151 139, 144 129n.1, 140, 145f., 146n.46, 147 139n.30 134n.16, 138, 138n.29, 139, 140n.31, 142, 148 138n.29 138n.29 148 144n.40 148 129n.1, 146n.49 138n.29, 142, 148, 150 143n.37 143n.37 130, 133, 133n.11, 134, 139, 139n.30, 140, 140n.31, 141– 143, 143n.37.39, 144f., 148, 150–153 133n.11 140n.31 151 140n.31 150 143n.39, 151 139n.30, 148f. 136 136 151 138n.26 143n.39, 144n.40 151 127n.32, 151 139n.30, 148f. 130n.4 149 150n.57 149 149 149 149n.55, 153n.72 144n.40 149n.55, 153n.72

66,1 66,8–13 66,20 66,22 Jeremia 1 1,16 2,5 2,11 3,8 12,12 15,1 20 23,5f. 25,11 25,31 27–28 LXX 29,10 30,5–7 32 33 33,14–26 33,14–16 33,14f. 33,14 36 36,1–32 36,1 36,9 36,10–12 36,25 37–44 38–39 39,1–14 40–44 43 43,1–32 LXX 43,1 LXX 43,3 43,9 LXX 44 44,9 45

419 144n.40 149n.55, 153n.72 149n.55, 153n.72 144n.40

231n.27 251n.136 251n.136 251n.136 131n.6 231n.31 251n.131 342–344 115–117 195, 199 231n.31 243n.85 117, 195, 199 231n.31 232n.34 117 115 115–118 116 117 231n.27, 232n.34, 332 232, 241 251, 251n.137 251n.137 228 228 232n.35 253 252 252 232n.34, 254n.148 232 251, 251n.137 254n.148 251n.137 231n.27, 231n.33, 252n.138 246 230, 232, 232n.34, 234, 236f., 239, 241, 243, 247f., 249, 251f.,

420

45,1–5 45,1 45,3 45,4f. 45,4

45,5

46,1–3 LXX 46,14 LXX 50–51 51,31–35 LXX 51,31 LXX 51,33 LXX 51,34 LXX 51,35 LXX 51,59 52 52 LXX

Ezechiel 1

Stellenregister 252n.138, 253, 253n.142.146, 254f. 227, 230, 241, 249 231n.27, 232, 241, 251, 251n.137 230, 236f., 241 243, 248 230n.24, 231, 231n.27, 232, 241, 247, 247n.107, 248n.109, 249, 251–253 230f., 237, 239, 243–247, 247n.108, 248, 248n.109, 249, 252f., 254n.148 252 252 243n.85 227, 230, 232n.34, 241, 254 232, 251, 251n.137 230 230n.24, 231f., 247, 251 230f., 231n.33, 244n.87, 247f. 228 253n.142 231n.31, 232n.36, 252n.138, 253

1,5ff. 1,27 2,9–3,3 10 13,9 14,14 28,3

219, 290f., 291n.27, 294, 313n.34 295 296n.53 315n.48 290 130n.4 162 162

Joel 4,1ff. 4,12–16

143n.37 152n.67

Amos 1,1

114

4,6–12 4,9 5,4–6 6,1 9,14f.

114n.11, 115 115 115 114 247n.107

Micha 1,2–4 4,1–3 4,4a 4,4b 7,11–13

188 146n.50 146n.50 146n.50 143n.38

Habakuk 1 2,2 3,2–6

238n.63 118, 118n.17 188

Sacharja 9 9,1–15 11,13 12 13,7

146n.48 152n.65 344 152n.67, 309 337

Maleachi 3 3,1 3,16 3,22

123 337 130n.4 123

Psalmen 8,7 37,14 37,21 49,6 50,9 56,9 69,29 87,6 90,21 95,10 95,10 LXX 102 110,1 139,16 146

337 338n.22 338n.22 338n.22 338n.22 130n.4 130n.4, 150n.57 130n.4 125n.27 338n.22 338n.22 143n.39 337, 340n.26 130n.4 284

421

Stellenregister Hiob 1,1 4,19–22 17

329 329 329

Hoheslied 4,8 5,10ff.

404n.56 295n.45

Ester 2,8

162

Daniel 1–6 1 1,8 2–6 5 6 6,5 6,10 7–12 7 7,2–8 7,4f. 7,6 7,7f. 7,7 7,10 7,13 7,25 8,5 8,8 9 10–12 10,21 11

162 163 163 163 164 163 163 163 163 163, 309, 317f. 318n.59 318n.61 318n.61 318n.61 318n.60 130n.4 337 163 136n.20 136n.20 219 164 130n.4 164

11,32 12 12,1

163 164 130n.4, 280n.76

Esra 1,1 3,2 3,8 7,1–5 7,11–26 7,11 7,28 8,15–21 8,24–30 9f.

195 200 200 200 199 200 199 199 199 199

Nehemia 8,1–12 8,8 8,9 8,18 9 9,3 9,33 10 12,1 12,13 12,26 12,36 12,47 13,14

198, 203 130n.5 199 130n.5 203 130n.5 168 203 199 199 199 199 199 130n.4, 150n.57

2 Chronik 9,29 17,9 34,14

136n.20 130n.5 130n.5

1.2 Zusätzliche Schriften der Septuaginta-Überlieferung Weisheit Salomos Sirach 44,4f. 44,16 48,22–25 49,14

337n.18

188 176 126 175

2 Makkabäer 2,2f. 7

251n.131 362

Baruch 3,38

338n.22

422

Stellenregister

1.3 Neues Testament Matthäus 1,18–23 1,23 2 5,10 7,12 10,1–15 10,1–4 10,5f. 11,13 15,24 16f. 16,13–20 16,17–19 16,17 16,17c 16,18 16,21–23 16,23 16,24–28 17,2 17,3 17,5 17,11f. 22,40 24,35 27,3–10 27,9f.

119 335 272 362n.50 121 283n.84 283n.84 283n.83 121 283n.83 354 353 353 353 353 353 353 353 353 353 353 353 225 121 138n.28 343 337, 344, 344n.40

Markus 1,2f. 2,26 3,13–19 4,10–12 par. 6,7–13 8,27–30 8,33 12,36 14,27 14,62

337 337 283n.84 332 283n.84 353 354 337 337 337

Lukas 1,17 1,33 6,12–16 9,1–6 9,18–21

225 282n.81 283n.84 283n.84 353

16,16 16,16 par. 16,29 16,31 24,27

121 329 121 121 121

Johannes 1,51 8,56 20,30 21 21,18f.

283, 283n.85 283n.86 335n.16 354n.22 355

Apostelgeschichte 1,25 3,17–26 5,28 7,46 9,1–9 9,15 13,27 15,21 18,9 24,14 26,22 28,23

367 225 247n.109 282n.81 376 395 266n.34 266n.34 376 121 121 121

Römer 1,1–5 1,7 1,18–31 2,1–11 2,28f. 3,10–18 3,21 7,7–25 8 8,18 9,13 11,26f. 11,26

308n.4 308n.5f.9, 309n.12 371 371 342 337 122 339n.23 371 371 282n.81 337 282n.81

1 Korinther 1,1 1,2 1,3 2,9

308n.4 308n.5 308n.6.9, 309n.12 338, 342

423

Stellenregister 9,1 15 15,8 15,27 2 Korinther 1,1 1,2 3 3,16 3,17f. 10–13 12 12,1–5 12,1–4 12,1 12,1a 12,2–5 12,2–4

12,2f. 12,2 12,3 12,4

376 357 376 371

308n.4 308n.6.9, 309n.12 338n.20 337, 338n.20 310n.23 375 211, 216, 372–375, 377–380 370, 372f., 373n.27, 374f., 378–380, 383 373f. 376 376 376 374n.32, 376, 379, 380, 392n.3, 395, 395n.23 97n.313 375–377 378 372n.24.26, 373, 375, 376n.42, 377– 379

Galater 1,1 1,3 1,4f. 1,4 1,5b–6 1,12 2,15f. 3,16 6,15

308n.4 308n.6.9 309n.13 309n.16 309n.15 376 309n.14 283n.86 342

Epheser 1,21 2,2 5,14 6,12

324 324 338, 342 324

Philipper 1,2

308n.6.9, 309n.12

1 Thessalonicher 1,1

308n.5

2 Thessalonicher 1,10 2,9

371 330n.12

1 Timotheus 3,16

173

2 Timotheus 3,8 4,7

337n.18, 339 371

Philemon 1 3

308n.4 308n.6.9, 309n.12

Hebräer 11,5

175

2 Petrus 1,17f.

351n.16, 356 351

Judas 9 14

247n.109, 337n.18 173, 337n.18

Offenbarung 1,1–6 1,1–3 1,1–2 1,1f. 1,1

1,2 1,3 1,4–20 1,4–10 1,4–6 1,4 1,5 1,5b 1,6 1,7f. 1,7 1,9–3,22

43 42f., 45, 306, 312, 357 305f. 45 43n.219, 45n.230, 319n.62, 347, 350n.12 43f., 46, 306 45n.230, 307, 309 103n.341 42 307, 307n.2 43, 308, 308n.6 45, 46, 46n.232 309n.16 357 309 315n.43 310

424 1,9f. 1,9 1,10–20 1,10f. 1,10 1,11 1,16 1,19 2–3 2,1 2,7 2,8 2,9 2,11 2,12–17 2,13 2,14 2,15 2,17 2,18–29 2,20–23 2,20 2,23 2,29 3 3,6 3,9 3,13 3,14 3,22 4 4,1–22,5 4,1 4,3 4,4 4,5 5 5,1–11,9 5,1–14 5,1 6–11 6,1–22,5 6,1–17 7,1–17 8,1–5

Stellenregister 220, 352 43, 46, 396n.28 43, 45 315n.47 97n.314, 310n.20 44, 396 315n.45 44, 315n.46, 319n.62 43, 45 44 310n.21 44 348n.4 310n.21 311 45 311, 311n.24f. 311n.24 310n.21 312 335 312n.29 312n.30 310n.21 357 310n.21 348n.4 310n.21 45, 46n.232 310n.20 312f. 312 313n.31, 315n.47, 319n.62 315n.44 407 407 45 314 44 314n.38 316 45 314n.39 314n.41 314n.39.41

10 10,1–11,19 10,1 10,8–10 10,8 10,11 11 11,3 11,7 11,10 12–22 12 13 13,1–10 13,1 16,6 17 17,1–3 17,2 17,3 17,5 17,6 17,7 17,8–18 17,12–14 17,18 18,3 18,9 19,9f. 19,17–19 19,21 21,2 21,9f. 21,24 22,6–21 22,6–20 22,6 22,7 22,8 22,10 22,8f. 22,16 22,18 22,19 22,20 22,21

315, 335 103n.341 315n.43–45 315n.48 315n.47 315n.46 45f., 316 45f. 46 46 316 330n.12 330n.12 318 318n.60 46 318 43, 318 308n.11 318 318n.56 46 318n.57 318n.58 308n.11 318n.58 308n.11 308n.11 43 308n.11 308n.9 97n.315 43 308n.11 42 103n.341 44, 319n.63 45n.230, 319n.64 45n.230 44, 45n.230 43, 317n.55 46, 319n.63 45n.230, 46 45n.230 46, 46n.233 307n.2

Stellenregister

425

2. Literatur des Antiken Judentums 2.1 Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit Apokalypse des Abraham 214, 258n.8, 347 10,4 279n.68 15–32 313n.37 17,8–18 262n.17 Apokalypse des Elia 347, 385 Apokalypse des Mose 333, 338, 339n.24, 340n.26, 342, 377 15–30 333 35,2 377 37,5 377 Apokalypse des Sedrach 339n.25 Apokalypse des Zephanja 385 Ascensio Jesaiae

1 1,1–6 1,2 1,3f. 1,4 1,4 (copt.) 1,5f. 1,5 1,6 1,7–13 1,7 1,13 2,1–5 2,1 2,2 2,6 2,7–3,5

220, 224, 224n.57, 225, 321f., 322n.2, 323f., 324n.7, 325– 336, 339, 341, 344f., 345n.41, 347, 347n.3 324, 330 323, 327 323, 325 323, 324n.7, 325f. 323 323n.6 324, 327 324f. 325 325 324f. 345 325 329n.12 324, 329n.12 325 332

2,7–11 2,11 2,12–3,13 2,12–3,5 3,6–13 3,6–12 3,6f. 3,8f. 3,11 3,13–4,22 3,13–4,19 3,13–4,18 3,13–3,31 3,13ff. 3,13 3,17 3,19 3,31 4,1–13 4,1 4,2 4,14–18 4,16 4,18 4,19–22 4,19–21a 4,19 4,20 4,21 4,21a 4,21b–22 4,21b–22a 4,22b 5,1 5,15f. 6–11 6 6,1 6,10–12 6,17 7,1 7,9 7,12 8,1–3

325 330n.12 327 325f. 326 326, 333 326 326 330n.12 321, 324–330, 332f. 328 328 326 327 324, 326, 333 327 326 327, 329, 335 326 324f., 327, 330 330n.12 327 324 324 327f., 332f., 336 332 328 328, 330 345 328 328 328 329 329, 333 324, 329, 333 211, 321, 324f., 327–333, 342 223, 325, 327, 330 324 224 330 327, 330 324 324 97n.317

426

Stellenregister

8,11 8,12 9,10f. 9,13–17 9,16 9,18 9,22 9,24–26 10,6–11,33 10,8–15 10,8–11 10,8 10,12 10,18–11,33 11,1–17 11,1–11 11,2 11,9 11,16 11,36–40 11,38 11,39 11,41f. 11,41 11,42f. 11,43

330 345 324 324 345 324 327, 330 324 321 324 345 328 324 324 329 345 329 328 324, 327, 330, 345 325, 327, 330, 332 330 330 333 329, 329n.12 330 325

2 Baruch

165, 168f., 221, 227, 227n.2.4, 228, 228n.9, 229, 229n.12, 230, 232f., 233n.40.42, 235, 235n.46, 236, 236n.54, 237–239, 241, 241n.74, 243, 244n.92, 245f., 246n.98.100, 247– 251, 251n.135, 252, 252n.139, 253, 253n.145, 254, 254n.149, 255, 345n.41 253 249 233 251 238, 247 247n.107f. 243

1–5 1–2 1,1–5,4 1,2–2,2 1,4f. 1,4 1,11

2,1f. 2,1 2,2 3,1f. 3,2 3,5–9 3,5 4,1 4,3 4,32–35 5,1 5,2f. 5,5 6–8 6,1 6,8f. 8,4 10–12 10,5–12,4 10,5 10,7 10,8 10,19 11,1f. 11,2 11,3 11,4f. 11,4 11,5 12,1–4 13 13,1–20,6 13,1–12 13,3–12 13,3 13,5 14,1–7 14,1 14,3 14,5–7 14,7 14,14 14,19 15,7f. 16–19 16,1 17–18

244 251n.130 238 235 237 237n.57 238 238, 247 238 243n.81 235n.48, 237n.57, 238 247 244n.88 253 244n.88 246n.98 244n.88 235, 235n.47 234 238n.62 236, 238, 238n.62 235n.49 236n.50 239 238 235n.48, 236, 237n.57, 238 238 239 238f. 242 249 233 251 242 244 242, 244, 248 235n.48, 236 242 237n.57, 239, 242 240 238 236n.51 238 238 235n.48 235n.48 250n.119

427

Stellenregister 19,1 21 21,3–25 21,19 21,21 21,22 21,23 21,24 22,1–30,5 24,1f. 24,4 25,1 25,3 27,1–15 28–29 28,5 28,6f. 29,1f. 29,1 30 30,1–5 30,2 30,4.f 31,1–34,1 31,5 32 32,1 32,6 33,3 34,1 35,5 36–37 36,4f. 36,7–10 36,10 38,1–4 38,3 39,1–43,3 39,3 39,7–40,2 40 40,1 40,2 40,3 41–43 41–42 41,1–6 41,2

168 236n.52 233 237n.57 239 237 245 238 233 242, 248 235n.48, 237n.57, 239, 242 244, 248 248 242 249 235n.48 237n.57 244 248n.109 249 246 245 242 233n.43 248, 248n.109 249 244, 248n.109 248n.109 251 237n.58 242n.78 234 248 242 242n.78 233, 238 237n.57 233 242n.78 242 249 242n.79 245 245 234 250n.119 237n.57 237n.58

41,3 42 42,7 43,1f. 43,3 44–46 44,1–46,6 44,9 46,1–3 48,1–24 48,15–17 48,18–20 48,21 48,26–52,7 48,30 48,31–37 48,32 48,40 48,42f. 48,46f. 48,48–49,3 48,48 50–51 50 50,2–4 50,2 51,1–6 51,5f. 51,10–12 52,6 53,9f. 54 54,1–22 54,6 54,7 54,9f. 54,20 55,3–76,5 56,1 59,1 64,2 64,4 67,1 67,2f. 67,5 70–71 70,3–8 71,1 72,2–6

240 249 246, 248 244 243n.85 250 233n.43 248 251 233 236n.52 237, 240n.69 237n.58 233 244 242 248n.109 248 248 248 237n.57 242 249 246n.100 245 246 242f. 246 246 240, 243n.81f. 248 234 233 237n.57 237n.58 237 237n.57 233n.43 237n.58 240n.71 240 239n.64, 240 239 239 240 249 242 244, 244n.93 242

428

Stellenregister

72,2 72,5f. 72,6 73,1f. 73,1 75,1–76,5 75,1–8 75,7f. 75,7 75,8 76,1 76,2 77,1–17 77,10 77,15f. 78–86 78,4 79,3 81,1 81,2–4 81,3 81,4 82,1f. 82,2 82,3–9 83,2–23 83,3 83,10–21 83,18–21 83,22 84–85 84 84,1–6 84,5 84,7 85,1–3 85,3 85,9 85,11–15 85,12 85,14f.

248 243 239n.66, 242n.79 245 243, 248 233 234 240n.72 241n.73 239 237n.58 244 233n.43 240 251 234 241 239, 241 242 236 236, 237n.57 237n.58 248 242 242 248n.111 248 242 242n.80 242n.80 250 250 168 239 251n.128 241 168, 250f. 242 248 248 248n.111

3 Baruch

214, 221, 230, 377, 385

4 Baruch (Paralipomena Jeremiae) 341 9,21f. 341

3 Esra 9,37b–55 4 Esra

1,45–47 3–5 3,1–5 3,1 3,14 4,28–36 4,52 5,13 5,16–19 5,20 5,21f. 6,35 7,28 7,61 8,46–62a 8,51 8,62 9,23–27 9,23–25 9,26f. 9,38 10,39 11 12,10–12 12,11 12,32 12,37 12,38 12,40–42 12,40b–50 12,51 13,32 14 14,3–6 14,4f. 14,9

198, 200 165, 168, 168n.46.48, 169, 193–196, 198–204, 204n.50, 205, 220, 225, 228f., 233, 233n.40f., 235, 246n.103, 317, 333, 335, 339, 339n.25, 340n.26, 345n.41, 347 168 219 221 195, 199 195, 202n.42 203n.46 200n.32 221 195, 203 221 221 221f. 340n.26 195 195 195 195 195 178n.26 221 221 195 97n.318 317n.54 195 340n.26 194 195f. 223 195 221 340n.26 111, 125, 313, 333 202 195 195, 199

429

Stellenregister 14,13f. 14,13 14,21 14,28–36 14,39–41 14,42–47 14,46f. 14,46 14,50

199 195, 204n.49 201 204n.46 221 126 194 195, 202 194, 199

5 Esra

194n.9, 200, 347

6 Esra 1,1 ψ

193, 194n.9, 347 200n.28

Geschichte Melchisedeks 258n.8 Griechische Esra-Apokalypse 214f., 339n.25 1 Henoch

1–36 1–5 1 1,2 1,9 2f. 6–11 6,1–2 7,1–2 10–11 12,4 13,4 14–19 14,1 14,18–16,4 15,1 17–19 21,4 22 25,2 32,6 33,2–4 33,3f.

44, 44n.227, 161, 161n.30, 173, 176, 180, 180n.32, 182n.37, 189f. 158f. 188 188 180, 182n.37, 220 189, 337n.18 313n.36 159, 187 160 160 180, 187 179, 179n.28 179 214 179, 179n.31 313n.35 179, 179n.28 161 180 161, 161n.29, 246n.98 180 160 181 181

37–71 48,10 72,1 81,1–82,3 81,2 86,1–4 89,29 90,40–42 92,1 93,2 93,6 104,10f. 104,12f. 106f. 106,19

340n.26 340n.26 188 175 180 173 161 98n.320 188 180 161 188 180n.32 181 175

2 Henoch 8.1 21f. 23,6

173f., 214, 377, 385 377 181 174

3 Henoch 14

173 181

Himmelfahrt des Mose (Assumptio Mosis) 331, 337n.18, 339 1,16f. 331 2–10 331 15–30 339n.23 Joseph und Aseneth 16,19f. 22,13 Jubiläenbuch

4 4,15 4,17 4,19 4,23 7,21 10,14 21,8–10

221, 258n.8 82n.232 377 161, 161n.30, 173– 176, 186f., 190, 314f. 180 173 174f, 176, 188 180 175 173 187 176

430

Stellenregister

Leben Adams und Evas (Apokalypsis Mosis) 258n.8, 338, 339n.23f., 340n.26, 377, 379 11–17 339n.23 42,2–5 (aram.georg.lat) 340n.26 44 (15–30) 339n.23 Leiter Jakobs

1,1–4,75 1,1–4,36 1,1–13 1,1–6 1,1–5 1,3 1,5 1,6–13 1,6 1,7–12 1,7 2,1–15 2,1–4 2,5–15 3–4 3 3,1–11 3,1–6 3,1–3 3,2 3,5f. 3,7–11 3,7f. 3,8 3,9–11 3,9 3,11 4,1–75 4,1–18 4,6 4,8 4,10–14 4,10 4,16–23 4,19–36

257f., 261n.16, 262–266, 268, 270, 276n.62, 284n.87 260, 262f., 268, 270 260, 262–264, 271f., 276, 283 260 278 260 281 261, 270 260 270 278 278 260 260 260, 262f., 271, 276 279 275n.56 260, 262 260 278–280 280n.73 279 260 275 280 275, 280, 280n.75 275n.58 275n.57 260 260 281 281 260, 281 75, 275n.58 260 260

4,19 4,24–36 4,36 4,37–75 4,37–45 4,37 4,38 4,45 4,46–48 4,49–53 4,49 4,51 4,52 4,54–64 4,58 4,65–71 4,65 4,72–74 4,72 4,75

261 260 261, 276 260–262, 268, 270, 272, 283 260 282 261n.14 261n.14 260 260 261n.14 261n.14 261n.14 260 261n.14 260 261n.14 260 261n.14 260, 282

Liber Antiquitatum Biblicarum (Pseudo-Philo) 221 3 Makkabäer 1,8–2,24

176 151n.64

Sibyllinische Orakel 176n.17, 184n.46, 332 3.827 174 Testament Abrahams 214f. 8 215 11,3 [B] 179n.29 13–14 [A] 384 Testamente der Zwölf Patriarchen 174, 258n.8 TestXII Simeon 5,4 174n.11 TestXII Levi 2–5 214 TestXII Levi 14,1 174n.11 TestXII Naftali 4,1 174n.11 TestXII Benjamin 9,1 174n.11

431

Stellenregister Testament Hiobs 33,1 53

331, 340n.26 340n.26 331

Testament Isaaks

340n.26

Testament Moses

173

Testamenta Trium Patriacharum 340n.26 Visio Beati Esdrae 339n.25

2.2 Qumran Damaskusdokument CD 165, 167 I,8f. 167 II,7f. 167 III,12–15 166 V,21–VI,2 121 VI,3–8 165 VI,19 166 VIII,21 166 XV,5 166 XV,8f. 166 XX,12 166 1QpHab II,2 II,3 VII,1–8 VII,4

165 166 118 165

4Q203 81 84

179n.31 179n.29

4Q204 1 VI,9

188 179

4Q205

188

4Q206a II 2

179n.29

4Q246

165

4Q385a (4QApocryphon of Jeremiah Ca) 18 I 251n.131 4Q390

1QS I,1–3 V,8f. VIII,15f.

121 166 121

1QSa I,1f.

166

1QM

165

1QJesa

132n.9

1Q20 (1QapGen) II,20f. XIX,25

173 174 174

4Q174

155

165

4Q504 (4QDibHama) 2 III,11–13 121 4Q530 2 II 14 7 II

179n.29 181

4Q531 7 II

181

11Q13 (11QMelch) 155 11QPsa 27,2–11 27,11

21 120

432

Stellenregister

2.3 Hellenistisch-jüdische Autoren Philo De mutatione nominum 38 175

17,63f. 18,116–119 20,200

341n.27 341n.27 341n.27

Flavius Josephus Antiquitates judaicae 1,85 175 1,170 186n.55 9,28 175 10.11.17 155

Contra Apionem 1,8 1,41

168 111, 125 156

Vita 11

341n.27

bBB 73a–75b bHag 13a bHag 14b–15b bHag 15a bMeg 31a bSanh 97a

290 291 292 296 291 289

Midraschim BerR 25,1

175n.15

PesR 20,11 PesR 36,3–7

289n.14 289n.15

PirRE 30

289

SedOR 30

125

2.4 Rabbinische Literatur Mischna mHag I 8 mHag II 1 mMeg 4,1 mMeg 4,3 mMeg 4,4 mMeg 4,10 mRHSh 4,6 mSan X 1 mSot IX 15 Tosefta tBM 11,23 tHag II 1 tHag II 3f. tSot 13,2 tSot 13,4 tTer 1,10

290 290–292 122n.23 122n.23 122n.23 291 122n.23 289 290

122n.23 290 292, 297 125 156 122n.23

Jerusalemer Talmud jHag 77a,45–47 291 jHag 77b,8–12 292 jHag 77b,12–18 292 jHag 77b, 17f. 292 jHag 77b,22f. 292

Babylonischer Talmud bBB 12a 125 bBB 14b 156

SifD 122n.23 SifD 357 (zu 34,2f.) 289 Targumim TPsJ Gen 5,24

179n.29

TO

175n.15

Gedulat Moshe 5,1–7

385 377n.4

433

Stellenregister

2.5 Hekhalot Literatur Heḵalot rabbati §§ 81–93 (Schäfer) 295 § 86 (Schäfer) 296 §§ 94–106 (Schäfer) 295 § 94 (Schäfer) 295 § 104 (Schäfer) 297 §§ 122–126 (Schäfer) 295 § 163 (Schäfer) 296 §§ 198–267 (Schäfer) 295 § 234 (Schäfer) 297 § 236 (Schäfer) 297 § 258 (Schäfer) 296

§ 274 (Schäfer) § 308 (Schäfer) § 309 (Schäfer)

295 297 298

Heḵalot zuṭarti § 421 (Schäfer)

295 294

Ma‘ase Merkavah 295 Merkavah rabba

295

Schi’ur Ḳoma

295

Sefer Heḵalot

295

3. Frühchristliche Autoren und Werke Apokalypse des Paulus (Visio Pauli) 214f., 347, 366– 368, 368n.5, 369f., 370n.12, 371–374, 374n.32, 375–378, 378n.52, 379–381, 384–386, 392, 392n.7, 393n.7, 395, 395n.23 2 381 3–8 371 3–6 381 7–10 381 11–51 386 11–18 371, 381 11 376, 378n.50, 381 11,19 376 11,21 376 19–30 371 19–20 377 19 376, 378n.50 20 381, 383 20,46–51 384 21 98n.319, 376, 378, 378n.50, 379 22 97n.316 31–44 371

41 43f. 43 44 45–51 46–51 46 47 48–51 48 49 50 51

381, 384 384 381, 384 381, 384 371 384 381, 383 381–383 382 382f. 382, 382n.58 382f. 381f., 384

Apokalypse des Petrus 214, 347–350, 351n.16, 353f., 354n.22, 357n.33, 358f., 374, 385 (Äthiopische Version) 1 351 1,1 350, 352 1,2 359 1,4 360 1,7f. 357 1,7 357 1,16b–19 353

434 2 2,10 2,11 3–14 3 3,1–3 3,1 3,3 3,4f. 3,6 4–14 4–13 4–6 4 4,1 4,2 4,6 5,4f. 6,1 6,2 6,8f. 7–12 7,1–14,3 8,2 9,4 10 10,5f. 13 13,1–14,3 13,1 13,4 13,5 13,6 14 14,2 14,3 14,4f. 14,4 15–17 15,1 15,1b 16 16,1 16,2f. 16,3 16,5 16,6 16,7 16,8

Stellenregister 350, 355, 359 358 359 359 351, 360 360 350 350, 360 350 357 351 352 350 357 359 357 357 357 357 358 360 350 350 357 359 360 348n.10 359f. 350 360 360 361 360 359f., 362 358 357 350, 353 356 351 351f., 357 351 355 357, 362 351, 362 357 362 357 351 354, 356

16,9 357 (Griechisches Fragment, Akhmim) 350, 350n.11, 351n.18 4 351 5 352, 362 13 362 Athenagoras von Athen Legatio Pro Christianis 24 189 Augustinus De civitate dei 21,4 21,7

96n.308 96n.308

De Genesi ad litteram 392 11 392n.3 12 392n.3 12,7,16 392n.5f. 12,11,24 399n.40 12,13,28 392n.6 12,20,42 392n.6 12,26,53 392n.6 De Trinitate 19,9

394n.16

In iohannis evangelium tractatus 98,8 378n.52, 379, 395n.23 Barnabasbrief

273

Clemens von Alexandrien Adumbrationes in epistolas canonicas 337 Stromata 1,22,149 4,26,174,1 6,168

199n.25 91n.277 50n.11

Erzählung des Afroditian 261n.16, 272f. Eusebius Historia Ecclesiastica

435

Stellenregister 5,8,15 6,14,5–7 7,24f.

199n.25 336n.17 348

Praeparatio Evangelica 10,3 49n.1 12,4,1,1 367n.4 Evangelium des Petrus (Akhm.) 349, 350n.11, 350n.13 Hirt des Hermas

Commentariorum Series ad Matthaeum 117 344 Contra Celsum 1,47 2,13

341n.27, 341n.27 341n.27

De Principiis 3,2,1

337n.18

Protoevangelium des Jakobus 340n.26

347f. Pseudo-Athanasius Quaestiones ad Antiochum 10 339n.24

Irenäus Adversus Haereses 1,10,1 1,24,4 3,21,2 4,16,2

189 341 199n.25 189

Isidor von Sevilla Etymologiae 12,7,18

66n.133

Itinerarium Burdigalense 18 348n.8 Justin Dialogus cum Tryphone 72,2 342 72,4 342 Origenes Commentarius in cantica canticorum Prol. 1,7 292n.31 Commentarius in Matthaeum IV,1525–1527 344 10,17 341n.27

Sozomenos Historia Ecclesiastica 7,19 381 7,19,9 348n.8 Tertullian De anima 33

96n.307

De carne Christi 23,6 (CCSL 2,915) 342 De cultu feminarum 1,3 173, 199n.25, 202n.41 De Idololatria 15

189

Transitus Mariae (syr.) 385

4. Nag Hammadi Schriften und Verwandtes Epistula Iacobi Apocrypha (NHC I,2) 335n.16 Thomasevangelium (NHC II,2)

333 Paulusapokalypse (NHC V,2) 379

436

Stellenregister

Petrusapokalypse (NHC VII,3) 252 Libri Ieû 174

Pistis Sophia 99 134

174 174

Mariaevangelium (BG,1) 333

Treatise of Shem

186

5. Übrige griechische und römische Literatur Aelianus De natura animalium 2,32 67 4,2 79 5,26 88 14,13 67 Apuleius De Platone et eius dogmate 1 67 Äsop Fabeln 101 103

Ranae 761–765

57n.69

Thesmophoriazusae 52–57 52n.20 Aristoteles De anima 2,4

408n.71

Historia animalium 1,1 488b12–24 65 4,536b 17f. 69 89n.266 89

Politica 1147a

51n.16

Aischylos Agamemnon 1444f.

67n.137

Archilochos Frgm. 81–83 Frgm. 89–95 Frgm. 96–99

65n.125 65n.125 65n.125

Aristophanes Aves 748–751 1373–1380 1380f.

Athenaios von Naukratis Deipnosophistae 393d 67n.137 14,632f. 70 14,633 66n.130

71 91 69n.150

Aulus Gellius Noctes Atticae 19,9

58n.70 49n.1

Ecclesiazusae 974

71, 82

Babrios Fabeln 72

89, 89n.266

Nephelai 299

377

Bakchylides 3,94–98 5,16–30

69 68

Artemidor von Daldis Oneirocritica 2,45 83n.235

437

Stellenregister Carmina Anacreontea 34 94n.294 34,10–14 70 34,15–18 94n.294

1.16.1 1.28.1 1.69.5f. 1.81.4

185 185 185 185

Cassiodor Variae (Epistulae) 6,9,4 61n.93

Diogenes Laertios 3,5

67n.139

Catull Carmina 3 16,1–14 68,31–33 68,41f.

Donatus Eklogeneinführung 64 55n.46

96 61n.92 52n.27 60n.85

Cicero Brutus 76

56n.59

De divinatione 1,19,36 2,66

185n.52 82n.230

De finibus bonorum et malroum 1,3,7 53n.33, 107 Demetrius De elocutione 113

57n.67

Vita Terentii 7

107

Vita Vergilii 170–173 190–192

55n.49 56n.53

Ennius Annales 11 Frgm. 7 Frgm. 21–58

95 63n.109 65n.125

Euripides Frgm. 911

91, 91n.277

Helena 1107–1109

69

Demokrit Frgm. 18 Frgm. 154

50n.11 66

Demosthenes Gegen Androtion 22,61

377

Flavius Philostratos Epistulae et dialexeis 1,51,7 367n.4 Galenus De crisibus III 9,671,2 367n.4

Rede gegen Midras 21,61 377

De methodo medendi XIV 10,597,10 367n.4

Rede gegen Neaera 99,73 377

Hellanikos von Lesbos Frgm. 140 (JacobyFGrH) 94n.297

Diodor Bibliotheca Historica 1.9.1 185 1.10.3 185

Heraklit Frgm. 50

40n.209

438

Stellenregister

Herodot 1,141

65n.125

Hesiod Erga 1f. 203–212

59n.75 65n.125, 69n.150

Theogonia 1–4

59n.74

Hieronymus Epistulae 1,2,50 58,5

107 107

Quaestiones hebraice in genesim Praef. 56n.53 Hippolytus Refutatio omnium haeresium 9,9,1 41n.209 Homer Hymnen 21

Hymnus an den delphischen Apollo 166–176 95n.300

59n.78 59n.77 51n.15 63n.110 63n.110 50n.8 63n.110

Scholien zu Homers Ilias 3,151 94n.297 Horatius Ars Poetica 79

Carmina 1,1 1,1,35f. 1,6,2 2,20

2,20,1–5 2,20,2f. 2,20,10 3,3,1 3,4,1–4 3,4,5f. 3,19,5 3,28,13–15 3,30

67n.136

Hymnus an Aphrodite 218–238 94n.298

Ilias 1 Odyssee 1f. 8,43–45 8,43f. 13,28f. 22,347f. 22,376

131–135 268f. 285–287 289–294 292–294 400 408–411 440f.

80

3,30,1–6 3,30,1 3,30,12–16 4,1,1–24 4,1,9–12 4,1,10 4,2 4,2,7f. 4,2,1–3 4,2,25–32 4,2,25 4,2,27 4,2,29f. 4,2,31f. 4,2,31 4,3 4,3,13 4,3,17–21 4,3,20 4,3,21–24 4,3,21 4,6 4,8,28f.

57n.65 53n.31 57n.63 106 52n.24 63n.106 52n.26 52n.23, 106

63n.106 55n.42 66n.128 67, 90f., 91n.277, 92n.285, 93, 93n.291f., 95n.300 62n.98 92 91n.279 63n.104 59n.83 50n.8 63n.106 78 93, 93n.291, 93n.292 61n.97 52n.21, 106 54n.35 75 78 78 71, 74–76, 92 76 53n.32 75 75 75 75 75 76 106 75 106 67 54n.41 51, 106 106 89

439

Stellenregister Epistulae 1,1,7–12 1,1,73–75 1,3,15–20 1,3,18–20 1,3,20f. 1,3,20 1,7,29–33 1,19,21f. 2,1,156f. 19,19

81 65n.125 72, 89, 89n.268 65n.125 84 89 65n.125 54n.36 53n.30 57n.66

Satiren 1,4 1,4,34 1,4,43f. 1,4,93 1,10 1,10,18 1,10,66 1,20,17–19 2,1,84f. 2,1,52f. 2,3,323 2,6,79–117

64n.116 79 51n.14 80n.218 64n.116 87 63n.108 87 80n.218 79n.216 80n.221 65n.125

Iamblichus Zur Arithmetikeinführung des Nikomachos 113,9 367n.4 Theologumena arithmeticae 77,18 367n.4 Juvenal 3,60 Kallimachos Aetia Prol. 13–20

53n.30

1,39

69, 72, 74, 76, 77, 86 70, 74, 76n.193, 77, 86, 93f. 86n.249

Anakreonteia 32B

70

1,29–40

Apollonhymnus 110

76, 76n.193

Hymnus auf Delos 249 67n.135 Frgm. 192 86 Frgm. 511 (465 Pf) 76n.195 Lactantius Divinae Institutiones IV,18,22 342 Livius 2,32,9–12

65n.125

Lucilius Frgm. 1074–1083

65n.125

Lukian von Samosata Iuppiter tragoedus 2f. 51n.13 Rhetorum praeceptor 13 70, 73f., 81n.226 Lucretius 1,112–126 1,136–139 1,418 1,921–934 1,922–930 1,923 1,928 1,947 3 3,1–8 3,1–6 3,9–13 3,9 4,22 4,181f. 4,910f. 6,42 910f.

95n.302 54n.40, 84 52n.19 84 54n.38 90 84 71 83 73 84, 84n.237 53n.29, 71, 75, 84 84 71 72–74 73f. 52n.19 72

Macrobius Praef. 5f. 6

86 86

440 Saturnalia 5–6 5,2,4 5,3,12 6,1,5

Stellenregister 49n.1, 58n.70, 85 55n.48 55n.47 56n.53 55n.50f., 107

3,413f. 3,547–550 3,549 3,809f.

90n.271 59n.84 63n.112 79

Ibis 225–232

80

Marcus Manilius Astronomica 1,13–15 2,58f. 2,138–140

100 100 100

Martial Epigrammata 1,1 1,4,8 1,52 1,53 8,62 8,73,5–8 11,3 14,76

Metamorphoses 2,367–380 2,373–376 10,708 669–678

68 91n.280 78 72n.170

89n.269 60n.89 73n.171 73n.171, 89 72n.171 60n.86 89n.269 72

Tristia 1,7,29f. 2 2,353–257 2,427–432

52n.25 64n.116, 99 60n.90 60n.91

Parmenides Frgm. 1,1–32

100

Martianus Capella 134ff. 83n.235 Nemesian VI 54 Olympiodorus Vita Platonis 2 Ovidius Amores 1,15 1,17,7 2,6

106

Paulinus von Mailand Vita Ambrosii 3 82 Pausanias 1,30 9,23,2 10,30,3

67n.139 82n.233 68

67

2,6,1 2,6,53–58 2,6,56 3,9 3,9,25 3,9,59–60 3,353–538

90n.271 90 66n.128, 72n.168, 96, 96n.309 72 96 79n.211 96 83n.235 96 89

Ars amatoria 1,7

79n.209

Pedanios Dioskurides De materia medica II,189,2 221n.48 III,63 221n.48 IV,68,2 221n.48 Persius Proömium 8–14

86n.252

Satiren 6,10f.

72n.168 96n.307

Petronius Satyricon 37

72

441

Stellenregister Platon Apologia Socratis 22bc 50n.5 Ion 534ab 534b 534c 534e

83 71 49n.3 49n.4, 63n.105

Leges 719c

50n.6

Meno 99cd

49n.2

Phaedo 84e–85c 85e

67n.137 67

Phaedrus 245a 258e–259a 258e–259d 262d

50n.7 70, 82n.229 70 82n.229

Politeia 10,620a

69, 91

Symposion 189b

377

Plautus Amphitruo 118

57n.64

Casina 138

79

Phaedrus Epil. 2,5f. 4

55n.43 90n.271

Prol. 1,1f. 2,1–4 3,38f. 4,16–19

54n.39, 63n.108 65n.127 55n.44 90n.271

Phocas Vergilvita 25–29 28–32

56n.55 82

Pindar Isthmische Oden 1,4,64–67 2,1,6–8 3,53f. 5,3,63 7,2,20f. 11,2,1f.

91n.276 71n.164 71n.164 66n.129 71n.164 71

Nemeische Oden 3,4,80–82 5,2,21f. 6,2,28 6,3,46–49 6,54 7,2,20

68, 75n.178 68 66n.129 91n.276 106 66n.129

Olympische Oden 2,5,86–87 2,5,86–88 3,1,4–6 3,1,10 7,1,7f. 9,1f. 9,27–29 10,5,98f. 27–20.4f. 100–104

72f., 106 68, 74 59n.76 51, 106n.352 71 50n.12 106 71 50n.12 50n.12

Pythische Oden 1,5,86 2,53 7,6,52f. 7,6,53 8,5,88–92 10,3,54

52n.22, 106 80n.220 106 76n.187 91n.276 76n.187

Plautus Bacchides 3,94–98

89

Plinius der Ältere Naturalis Historia Prol. 1,22 56

442

Stellenregister

8,215 10,3,6 10,81–85 10,82 10,118 11,4,11 11,4,12 20,76 20,97 22 23,16,23 24,160–165 25,36f.

88n.261 68 69n.148 69 72 71, 76n.187 76n.188 221n.48 221n.48 55n.52 221n.48 221n.48 221n.48

Plinius der Jüngere Epistulae 1,5,2 4,14,5 7,4,10 9,22,1 9,23

3,1,7–12 3,1,8f. 3,1,33–36 3,1,33f. 3,2,25f. 3,3,1–52 3,3,15–20 3,3,31f. 3,3,37–52 3,3,37–50 3,3,51f. 3,9,35–44 4,1,64 4,5,65f. 4,6,29

88 60n.88 50n.8 55n.51, 107 89n.269

Pseudo-Demetrius De Elocutione 227 61n.94

Plutarch Moralia 52B

88n.261

Polemon Physiognomik 21a–b

80

Porcus Licinius Frgm. 1

59n.80

Priscian Epistula ded. ad Iulianum 3 89n.269 Properz 1,9,5f. 2,1,1–10.21–26 2,1,3f. 2,10,1f. 2,13B,36 2,15,27f. 2,34B,43f. 2,34B,83f. 2,34B,93f. 3,1,1–4 3,1,3

79 8n.207 60n.87 78 78 79 51n.17 74n.74 89 54n.37 63n.104

89n.269 51n.17 90n.271 90n.271 90 95n.302 78n.203 79 74 77 78n.203 78n.203 107 79 63n.106

Pseudo-Hesiod Scutum 395

76n.193

Pseudo-Longinos De Sublimi 13,2 13,4 14,1

53n.28, 83 56n.54 83n.234, 107

Publius Papinius Statius Silvae 1,4,25 63n.112 1,5,1 63n.112 2,4 96 Pythagoras 7,6,52f. 10,3,53f.

71n.164 71n.164

Quintilian Institutio Oratoria 1, Praef. 7 207 10,4 56n.61 Sappho Frgm. 58

94, 94n.298

443

Stellenregister Seneca Epistulae morales ad Lucilium 84,2–5 87 84,3.5 85 84,5 84, 85n.246 84,6–8 71, 85 114,1 61n.95 114,4 61n.96 121,22 76n.187.189 Seneca der Ältere Controversiae 9,3,12

17,115 136f.

63n.107 73

Epigrammata 19

63n.103

Theophrastos Historia plantarum 9,18,3 221n.48 Timon von Phleius FGrH F 43 70

88

Servius Kommentar zu Vergils Aeneis 1 55n.45 Kommentar zu Vergils Georgica 3,328 94n.297 Sidonius Apollinaris Epistulae 1,1,2 88 7,18,2 61n.94 Terenz Adelphoe 15–21

56n.57

Eunuchus Prol. 23 27f. 33f. 35–43

56n.56 56n.57 56n.57 56n.57

Theokritos Eidyllia 1,145–148 5,28–30 5,136f. 7 7,36–41 7,47f. 7,91–93 7,159 12,6.f 12,116 16,29

70 70, 74 69n.148, 74 100 74 73 50n.10 77 69 63n.107 63n.107

Velleius Paterculus 2,36,2 107 Vergil Aeneis 8 10,189

395, 399 59n.81 68

Eclogae 6,64–73 7,18f. 8,1–5 9,27–29 9,29 9,35f. 9,36

100, 100n.330 58n.71 58n.72 93 76 74 89n.268

Georgica 2,475–278

59n.82

[Appendix Vergiliana] Elegia in Maecenas 1,24f. 66n.128 Vitruvius De architectura 7 praef. 2

89n.269

Quintilian Institutio oratoria 10,1 58n.70 10,1,123 107 Varro De re rustica 3,16,7

71, 82

444

Stellenregister

Xenarch Frgm. 14

70n.157

Xenophon Hellenika 6,3

377

9,92 9,187 10,16 12,98 16,36 16,274

Anthologia Palatina 2,382 67 2,386 82 2,392 72 7,13 72 7,19 67 7,30 67 7,72 67 7,75 95n.302

69 82 70 70 72 85

Alkyonenfragment (PMGF 26) 94 Historia Augusta, vita Maximi 27,5 88 Physiologus 24

79n.21

6. Weiteres 6.1 Altorientalische Literatur Bahman Yasht

176

Sumerische Königsliste WB 444 Berossus Frgm. 3

183, 183n.42 183n.42 183n.42

6.2 Mittelalterliche Literatur Dante Alighieri Convivio 2,1,3 3,9,6 4,2,53 4,8,6

400n.45 408n.71 403n.53 408n.71

De vulgari eloquentia 2,4,2 400n.44 Divina Commedia 369, 370n.12, 386, 391, 393f., 397, 397n.300, 397n.32, 398, 398n.35, 400f., 401n.47, 403, 406, 411 Inf. 2,13–27 395n.20 Inf. 2,13–15 400 Inf. 2,28 395, 411n.76

Inf. 2,30 Inf. 34,106–126 Purg. 3,94–96 Purg. 29,15–51 Purg. 29,43–30,75 Purg. 29,47 Purg. 29,92 Purg. 29,97f. Purg. 29,100 Purg. 29,105 Purg. 29,115 Purg. 29,142–144 Purg. 30,11 Purg. 30,55 Purg. 30,73 Purg. 31,81 Purg. 32 Purg. 32,103–105 Purg. 32,112–117

395 395n.20 392n.6 408n.70 402n.50 408n.71 408 408 408 408 402 403 04n.56 391, 404n.58 405 402 396 396 05n.60

445

Stellenregister Purg. 32,154–160 Purg. 33,43 Purg. 33,46 Purg. 33,49 Par. 1,4–6 Par. 1,13–15 Par. 4 Par. 4,40 Par. 4,43–45 Par. 12,140f. Par. 15,139–148 Par. 17 Par. 17,126 Par. 17,128 Par. 25 Par. 25,1f. Par. 27 Par. 27,64–66

406n.63 406 406 406 396n.24 411n.75 409, 411 410 410 98 396n.29 396 397 397 391 391 397 397n.31

Brief an Cangrande della Scala 13,24 391 13,79 396n.24 Hugo von St. Viktor De tribus diebus 411n.75 Joachim von Fiore Concordia 406n.64 Thomas von Aquin Summa theologica 285 I–II, q. 97, a. 2 ad 3 285n.2 Tractatus de Purgatorio Sancti Patricii 399n.42, 411n.75

6.4 Slavische Literatur Paleja Kommentar (PK) 1 260, 270 1,1–17 260 2–15 260 2 260, 270 3,1–7 260 4,1–6 260 5,1–13 260 6 266 6,1–20 260 7 266 7,1–10 260

8,1–15 9,1–31 10,1–10 10,8–10 11,1–10 11,9 12,1–12 12,11f. 13,1–6 14,1–10 15

260 260 260 270 260 271 260 266 260 260 260

6.5 Papyri und Manuskript Bodl.MS.Gr.th.g. 2 [P] 367 Bodl.Or. 531

188

P.Pintaudi 10 (=Bodl.MS.Gr.th.g. 2 [P]) Frgm. B l.1 367 l.2 367 l.3 367f. l.5 367f. l.6 368 l.7 368

P.Vindob. G. 39756 354

Autorinnen- und Autorenregister Abel, K. 90–93 Acerbi, A. 322 Achenbach, R. 17 Achtziger, R. 94 Adams, S.A. 229 Addis, D.R. 217 Agourides, S. 193 Albani, M. 182 von Albrecht, M. 58, 63, 74f., 84, 90, 100 Alekseev, A.I. 265 Alessio, C.G. 394 Alexander, P.S. 160, 167, 288, 294f. Alford, J.A. 398 Altheim, F. 153 Ambühl, A. 94 Amour, P. 402 Annus, A. 183, 187 d’Aquili, E.G. 209 Arbel, Y.D. 295 Arzt-Grabner, P. 375, 378 Asper, M. 70, 76f., 86, 94 Asprem, E. 174 Auerbach, E. 394 Aune, D.E. 38, 156, 305, 307f., 310, 313f., 316 Avemarie, F. 275, 281 Azari, N.P. 217 Bar-Efrat, S. 26 Baranski, Z.G. 393f. Barmeyer, E. 62f., 82 Barolini, T. 393 Barr, D.L. 38 Barrett, C.K. 97f. Barthes, R. 3–5, 10, 21, 23, 25, 172 Barton, J. 155 Bauckham, R. 316, 349, 351f., 355, 358, 369, 385 Bauer, T.J. 42 Baum, A.D. 104 Baumstark, A. 57

Bausi, A. 322, 368 Beardsley, M.C. 22 Beck, E.J. 360–363 Becker, M. 111, 126, 286 Becker, U. 114 Beckett, S. 171, 190 Bedenbender, A. 159, 161 Beecroft, A. 6 Beer, G. 322 Belokurov, S.A. 265 Ben-Dov, J. 179, 186 Bennett, A. 5 Benrose, S. 404 Benz, M. 393, 395, 399, 411 Berensmeyer, I. 23 Berges, U. 18, 20, 130, 132f., 140–143, 146, 149f. Bergmeier, R. 45 Bernsdorff, H. 94 Bertau, K. 6 Berthold, H. 58 Bettiolo, P. 321, 323 Beuken, W.A.M. 130, 132f., 136f., 145f. Beyer, S.V. 219 Binder, G. 58 Birnbacher, D. 217 Blanke, O. 211 Blenkinsopp, J. 122, 130, 132f. Blum, E. 114 Bobrov, A.G. 261, 272 Bogaert, P.-M. 227, 233 Boitani, P. 68 Bons, E. 338 Bonwetsch, G.N. 257 Booth, W.C. 23, 29–31 Borger, R. 182 Borges, J.L. 190 Bornkamm, G. 316 Bosshard-Nepustil, E. 17f., 130, 132– 134, 139, 142–147, 150, 152 Botha, P.J.J. 13f.

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Autorinnen- und Autorenregister

Boustan, R.S. 294, 296f., 301 Boxall, I. 403 Boyd, B.W. 96 Böttrich, C. 257–259, 261–267, 269, 273–276, 280–282 Braithwaite, J.J. 211 Brandenburger, E. 197 Brandt, P. 343, 345 Bratke, E. 261, 272f. Bratu, C. 12, 39 Bremmer, J.N. 359, 384f. Bretizgheimer, G. 96 Brettler, M.Z. 122 Brinkmann, H. 394 Broadhead, E.K. 13f. Brooke, G.J. 156 Brucker, R. 338 Brueggemann, W. 231, 253 Buchheit, V. 84 Buchholz, D.D. 349 Buehlens, G. 23 Byrskog, S. 165 Caquot, A. 322 Carlsson, L. 375 Carroll, R.P. 231 Cereti, C.G. 176 Chadwick, H. 84 Chalatsi, E. 66 Chandler, A.R. 69 Charles, R.H. 163, 179, 227, 249, 325 Charlesworth, J.C. 118, 279 Chatman, S. 27, 30, 33, 35 Chenu, M.-D. 12 Chernus, I. 288, 298–300 Cheyne, J.A. 212 Choat, M. 348 Ciccarese, M.P. 393 Coblentz Bautch, K. 159, 161 Collins, J.J. 98f., 105, 155, 159, 163, 166–168, 173, 176, 180, 183f., 187f., 225, 228f., 233, 243, 246, 249, 287, 369 Corti, A. 6, 23 Counet, P.C. 33 Court, J.M. 316 Cowley, R.W. 344 Craffert, P.F. 208 Cresson, B.C. 275, 281

Cryer, F.H. 223 Culpepper, R.A. 42 Curci, A. 217 Curtius, E.R. 87, 90 Czachesz, I. 209, 211, 213f., 216, 220, 222–224 Dalle Grave, R. 221 Dan, J. 295 Daniel, E.R. 393, 406 Daschke, D. 230, 235f., 241 Dassmann, E. 371 Davies, P.R. 13 Davies, P.V. 55 Davila, J.R. 219, 294 Dawsey, J.M. 36 Day, J. 158 De Rentis, D. 85 Deines, R. 38 Demoor, M. 23 Derrida, J. 190 Destrée, P. 62 Destro, A. 208 Detering, H. 8 Deutsch, C. 219 Dewey, J. 14 Dibelius, M. 102, 106 Dieckmann, D. 35 Dillery, J. 185 Dillmann, A. 322f. Dimant, D. 228, 233, 251 Dinzelbacher, P. 392f. diTommaso, L. 17, 42 Dobroruka, V. 157, 178 Dochhorn, J. 46, 100, 104, 316, 322, 324, 328f., 332, 337–341 Doering, L. 241, 250–252 Dohmen, C. 39 Donner, H. 130, 132 Donohue, H. 66 Douglass, E.J. 7 Dowling, D. 6 Döpp, S. 53, 56, 58 Drawnel, H. 182 Dronke, P. 407 Duensing, H. 98, 368–370, 373, 376, 378, 385 Duke, D. 186

Autorinnen- und Autorenregister Eastman, D.L. 354 Eco, U. 29 Effe, B. 58, 100 Egan, R.B. 94 Ehrman, B.D. 207, 373 Elior, R. 287, 290–294, 299 Eliot, T.S. 171 Elliott, J.K. 369f., 373, 378, 385 Enrietti, M. 257 Ercolani, A. 95 Erman, A. 343 Fàbrega, V. 100 Fahl, D. 257–259, 261–267, 272f., 275f., 280f. Fahl, S. 257–259, 261–267, 272f., 275f., 280f. Fairweather, J. 88 Fal’, D. 257 Fal’, S. 257 Falter, O. 58, 63, 78, 100, 106 Feldmann, L.H. 277 Fessler, D.M.T. 221 Fiensy, D.A. 193 Fincke, J.C. 182 Finnern, S. 27, 35 Fiori, E. 369 Fischer, G. 35 Fishbane, M. 116, 274 Flannery, F. 104 Fludernik, M. 28 Fokkelman, J.P. 26 Foucault, M. 4, 171 Fraade, S.D. 165 Franko, I. 259, 268 Fränkel, H. 72 Freccero, J. 394 French, C.C. 212 Frenschkowski, M. 106, 278 Frey, J. VII, 42, 99, 101f., 348, 350, 356 Friede, S. 6, 11, 44 Friedman, S.S. 4 Frisch, A. 17 Fritzen, W. 27, 35 Frow, J. 233 Fuentes González, P.P. 185 Fuhrmann, M. 59, 62, 99 Funk, W.-P. 97

Gamble, H.Y. 15 Ganthar, K. 90 Ganz, D. 19 García, M.A. 343 García Martínez, F. 20, 314 Gardiner, E. 393 Gaster, M. 263 Gärtner, J. 148 Geißler, C. 70, 94 Genette, G. 27f., 35 Giam-Belluca Kossova, A. 321 Giebel, M. 65, 68f., 76, 79f., 96 Gielen, M. 35 Giesen, H. 38 Gillihan, Y.M. 166 Gillmayr-Bucher, S. 7 Glatzer, N. 275, 281 Gmelin, H. 85 Gniesmer, D.F. 35 Goff, M.J. 173, 181, 183f., 186 Goldberg, A. 290, 292 Goldenstein, J. 151 Goldingay, J. 137 Goldman, Y. 117 Goodspeed, E.J. 307, 342 Goshen-Gottstein, A. 292 Gosse, B. 130, 135f., 144 Gossen, H. 66f., 78 Görgemanns, H. 49 Gradl, H.-G. 105 Greenspahn, F. 156 Greyson, B. 211 Gritsevskaya, I.M. 267 Gruenwald, I. 287, 298 Grün, S. 87f. Grünstäudl, W. 351f., 356 Gunkel, H. 197 Gunneweg, A.H.J. 122 Gurtner, D.M. 233, 236, 241 Haarmann, V. 149 Haas, A.M. 393 Habermas, J. 9f. Hackl, U. 153 Haelewyck, J.-C. 342, 344f. Halperin, D. 291f., 297 Hamburger, K. 22 Hammershaimb, E. 322 Hannick, C. 265

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Autorinnen- und Autorenregister

Hanson, P.D. 285 Hardmeier, C. 26, 114 Harkins, A.K. 219, 223, 226 Harms, W. 393 Harnisch, W. 197, 235 Harrison, J.R. 374, 379 Hartling, F. 23 Hartman, L. 160 Havely, N. 406 Hawkins, P.S. 398f., 408 Häfner, G. 103 Heath, M. 62 Heger, P. 161 Heinze, R. 12 Heldmann, K. 57 Hellholm, D. 98 Hendel, R. 155 Hendrickson, L. 93 Hengel, M. 104, 107, 151–153, 172, 174, 185, 271, 286, 288, 340 Henning, M. 224f., 347 Henze, M. 169, 227–235, 239, 241, 244–246, 249–251, 253, 317 Hermisson, H.-J. 137 Herrmann, F.-G. 62 Hess, K. 57 Hesse, F. 136 Heyden, K. 261, 272f. Hieke, T. 37, 39, 199 Hill, C.H. 376 Hillman, D.C.A. 222 Hilhorst, A. 369f., 372, 378f. Himmelfarb, M. 292, 298f., 313 Hix, H. 40f. Hodkinson, O. 102 Hoffmann, U.T. 22, 24–26 Hofius, O. 338 Hogan, K.M. 168, 173, 182, 195, 197f., 201, 228, 250 Holden, K.J. 212 Holladay, W.L. 230, 244, 247, 251f. Hollander, R. 398–401 Holmes, C.T. 219 Holt, J. 4 Holzberg, N. 65, 99, 102 Hongisto, L. 38, 43 Hoppál, M. 224 van der Horst, P.W. 185 Hose, M. 57, 105

Hosius, C. 82, 88 Howell, D.B. 35 Hölbl, G. 151f. Hösch, E. 265 Hultgren, S. 166 Hurtado, L.W. 15 Hübenthal, S. 33 Hübner, U. 153 Hünemörder, C. 66–71, 76, 87f. Irle, K. 85 Irshai, O. 286 Jachmann, G. 53 Jacimirskij, I.A. 268 Jacobus, H.R. 186 Jakob, M. 66–68, 72, 74, 76, 82, 91–93, 95 Jannidis, F. 4f., 7, 32, 62 Janßen, M. 55f., 64, 89, 99, 107 Jassen, A.P. 156f., 189 Jauss, H.R. 400 Jeffers, A. 223 Jenni, U. 153 Jeremias, J. 113f., 143 Johnson, W.A. 13 Jones, K.R. 241, 243, 254 Kabisch, R. 196 Kablitz, A. 394 Kahrmann, C. 27, 35 Kaiser, O. 130 Kambylis, A. 63f., 76–79, 95, 100, 105 Kappler, C.C. 370, 373, 378 Kappler, R. 370, 373, 378 Karrer, M. 38, 42f., 105, 307 Karrer-Grube, C. 115 Kasher, A. 153 Kawashima, R.S. 7 Kayser, W. 22 Keel, O. 79, 151 Kerkhecker, A. 64 Kerl, K. 401 Keys, A. 221 Kimmel, M. 64, 99 Kindt, T. 6, 22, 28–30, 33 King, H. 94 Kirchner, D. 335 Kirk, A. 13

Autorinnen- und Autorenregister Kirk, G.S. 41 Kirschner, R. 292 Klausnitzer, R. 28 Klein, A. 152 Klein, R.A. 274 Kleinschmidt, A.L. 99 Klostergaard Petersen, A. 274 Klostermann, E. 344 Knauf, E.A. 16, 133, 152 Knibb, M.A. 118 Knoche, U. 99 Knowles, M.P. 197, 203 Kobiak, N.A. 267 Koenen, K. 140, 143, 149 Koester, C.R. 38, 42 Koester, S. 90 Koole, J.L. 137 Korpel, M.C.A. 138 Korzeniewski, D. 73, 86, 89 Koster, S. 90 Köhler, H. 87 Köhlmoos, M. 17 König, R. 72 Körtner, U.H.J. 37, 39 Kraft, R.A. 17, 111, 125, 199, 202 Kratz, R.G. 105, 118, 136, 139, 147 Kraus, T.J. 347f., 351, 354, 361f., 367, 384 Krauter, S. 193, 200 Kroll, W. 53f., 63 Kugel, J.L. 160f., 175f., 274, 281 Kuhn, P. 279 Kulik, A. 313, 377 Kuyt, A. 294, 296f. Küppers, J. 65 Kvanvig, H.S. 160, 183 Labahn, M. 43f., 103 Lahn, S. 27, 34f. Lanciano, T. 217 Lanckau, J. 278 Landau, B. 222 Landfester, M. 65 Langbehn, J. 24 Langer, D. 22, 24–26 Lanzillotta, L.R. 214 Lau, W. 143, 149 Lauer, G. 4f., 7, 62 Laurence, R. 189

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Lehmann, K.K. 39 Leicht, R. 262 Leidl, C. 64f. Lennartz, K. 69 Leonardi, C. 321, 391, 402, 405, 407 Leonhardt-Balzer, J. 193 Lerner, R.M. 398 Lesses, R.M. 287, 298 Lichtblau, K. 9 Lichtenberger, H. 271 Lieberknecht, O. 391, 394, 402 Lied, L.I. 235, 241, 244–246, 249f., 253f., 258 Lightfoot, J.L. 174, 184 Lilja, S. 86 Lippold, A. 88 Lloyd, M. 57 Lohfink, G. 283 Lohmeyer, E. 316 Long, P.O. 6, 184 Longenecker, B.W. 202–204 Love, H. 6, 13f., 40 Luck, G. 52, 99 Luck-Huyse, K. 67f., 90f., 93 Lunczer, C. 72 Lundbom, J.R. 230–232, 247, 252 Lunt, H.G. 257 Luria, J. 265 Lux, R. 26 Luz, U. 119 Lynch, M.L. 140 Macdermot, V. 174 Mach, M. 288, 291, 296, 299f. Macholz, C. 111, 126 Maehler, H. 63 Maier, J. 287 Mair, M. 27 Malbon, E.S. 27, 36 Mann, T. 282 Mansfeld, J. 6 Marböck, J. 126 Marchesini, G. 221 Markley, J.R. 356 Markschies, C. 111 Marrassini, P. 349 Marsh, M. 212f. Martinez, M. 4f., 7, 62 Martini, W. 65

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Autorinnen- und Autorenregister

Marx, F. 9, 24 Mason, S. 111, 125 Matthew, M.D. 44 Maul, S.M. 113 Mayordomo-Marín, M. 26, 32, 35 Mazzotta, G. 398 McCullough, P.G. 294, 301 McDermott, W.C. 87 McGill, S. 88 McGinn, B. 19, 407 McKane, W. 231, 247 McNamara, P. 210, 213 Meade, D.G. 107 Meerson, M. 297 Mehltretter, F. 402, 404 Meier, C. 397f. Meier, P.J. 57 Meisner, N. 322 Meister, J.C. 24, 27, 34f. Merkt, A. 361 Merkur, D. 104, 219, 221 Merz, A. 341 Metzger, B.M. 233 Metzger, P. 103, 200f., 203 Meyer, R. 156 Michie, D. 26 Milik, J.T. 160, 179 Miller, M.L. 15 Minnis, A.J. 6, 38 Mobbs, D. 212 Moessner, D.P. 225 Monreal, R. 96 Moo, J.A. 222 Morenz, L.D. 133 Morgan, A. 393 Morray-Jones, C.R.A. 290, 294, 296f. Mosshammer, A.A. 342 Möller, M. 61, 66f., 76, 93 Mörth, I. 10 Mroczek, E. 21, 174, 179 Mueller, J.R. 193 Murphy, F.J. 235, 244, 249f., 254 Mülke, M. 6, 22 Müller, A. 94 Müller, C.D.G. 97 Müller, H.-H. 22, 28–30, 33 Müller, H.-K. 102 Müller, J.-D. 6, 38f.

Najman, H. 17, 103, 127, 155, 157f., 168, 172f., 177f., 228f., 310, 314, 317 Nasrallah, L. 190 Nässelqvist, D. 15 Neger, M. 72, 89 Neher, A. 292 Newberg, A.B. 209 Newby-Clark, I.R. 212 Newsom, C.A. 17, 163 Nickelsburg, G.W.E. 159f., 174, 179f., 187–189, 236, 313 Nicklas, T. 43f., 223–225, 347–352, 354f., 357f., 361f., 368, 371f., 378 Nigmann, U. 94 Nikitinski, O. 86 Nir, R. 236, 341 Norelli, E. 321f., 329, 358f. Nünlist, R. 64–66, 68–70, 73, 84, 88, 94f. Nünning, A. 3f., 28 Obermayer, B. 132f., 141f. Oestreich, B. 14 Olck, F. 70–72, 76, 82 Orton, D.E. 13 Orth, O. 80 Otto, E. 16–18 Padoan, G. 395 Paparelli, G. 400 Parke, H.W. 176 Pasqualoni, E. 221 Paul, S.M. 146, 149 Payne, D. 137 Pearson, B.A. 174 Peláez, I.E.A. 215 Penniman, J. 223 Pennington, A.E. 257 Pennington, J.T. 39 Pentiuc, E.J. 245 Pereswetoff-Morath, A. 269 Perrin, A.B. 178 Perrone, L. 321f., 327, 345 Persinger, M.A. 209 Pesce, M. 208 Petersen, J.H. 53 Petkov, J. 257 Petraglio, R. 338

Autorinnen- und Autorenregister Pigman, G.W. 70f., 83–85, 87, 89 Pilch, J.J. 208 Pilhofer, P. 271 Piovanelli, P. 380 Pischinger, A. 66 Pliguzow, A. 265 Ploner, M.T. 26 Pollard, J. 66 Porfir’ev, I.Ja. 259 Porton, G.G. 199, 204 Previc, F.H. 209f. Prostmeier, F.R. 270 Pypin, A.N. 259, 267 von Rad, G. 122 Rader, R. 221 Rahlfs, A. 338 Ratzinger, J. 39 Rebiger, B. 297 Reed, A.Y. 173f., 176f., 182, 184–190 Regn, G. 395, 400, 409–411 Reichelt, H. 280 Reiff, A. 53f. Reiss, G. 27, 35 Resch, A. 338, 342 Resseguie, J.L. 43 Rhoads, D. 14, 26 Richardson, C. 28 Richardson, J. 57 Riedner, G. 78 Riess, E. 185 Rigninos, A. 67 Rimmon-Kenan, S. 33, 234 Roark, K. 184 Robbins, G.A. 193 Robbins, V.K. 374 Roose, H. 46, 362 Rordorf, W. 283 Rose, C. 35f. Rosenmeyer, P.A. 102 Roukema, R. 374 Rowland, C. 286f., 292f., 298 Römer, T. 122 Rössler, D. 287 Röwekamp, G. 369 Ruck, C.A.P. 222 Rueff, S.D. 212 Russell, D.A. 53, 104, 178 Ruszkowski, L. 139, 142

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Rüegg, A. 393 Sabán, M.J. 287 Saldarini, A.J. 286, 299 Sanders, S.L. 179 Sandy, D.B. 7 de Santos Otero, A. 98, 258, 368–370, 373, 376, 378, 385 Sasse, M. 151–153 Sayler, G.B. 232, 235, 240–242, 246 Schacter, D.L. 217 Schaffrick, M. 8–10, 23 Schams, C. 13 Schäfer, E. 52, 63 Schäfer, P. 151–153, 219, 262, 290– 300, 340 Schäfer-Lichtenberger, C. 12 von Scheliha, R. 57 Schepss, G. 334 Schickert, K. 58f., 62f., 89f. Schiedermair, J. 4 Schiffman, L.H. 172 Schjoedt, U. 210 Schlaffer, H. 36 Schleiermacher, F.D.E. 285 Schluchter, M. 27, 35 Schmid, K. 15, 102, 114f., 120, 132, 149f. Schmid, W. 4, 27–29, 31–35 Schmidt, C. 174 Schmidt, V. 96 Schmitz, B. 7, 27, 32f., 39 Schmitzer, U. 66, 72, 79, 96f., 107 Schneider, C. 153 Scholem, G. 262, 288 Schöttker, D. 4 Schreckenberg, H. 269 Schreiber, S. 98, 103 Schubert, K. 300 Schüle, A. 149 Schürer, E. 341 Schwartz, S. 164 Schwarz, M. 11 Schwarze, M. 6, 44 Schwemer, A.M. 295, 340 Schwinge, E.-R. 91, 93 Segal, A.F. 208, 371f., 385 Seibert, E.A. 13 Seiler, M.A. 86

454

Autorinnen- und Autorenregister

Selbmann, R. 62f. Seo, J.M. 89 Shaked, S. 262 Shantz, C. 211 Shen, D. 29 Silverstein, T. 370, 372, 378f. Singleton, C. 398, 400–402, 404 Ska, J.-L. 120, 126 Skutsch, O. 95 Slotnick, S.D. 217 Smit, P.-B. 221f. Smith-Christopher, D. 163 Sommer, B.D. 15, 156f. Söding, T. 38 Speyer, W. 63, 105, 172 Spoerhase, C. 5, 8, 22 Spurling, H. 377, 385 von Stackelberg, J. 85 Starobinski, J. 36f. Städtke, K. 9 Steck, O.H. 105, 111f., 118, 123, 130, 132f., 138–144, 146, 149f. Steier, A. 69 Stein, E. 63 Stein, M. 56 Steindorff, G. 385 Steiner, F. 6 Stemberger, G. 275, 281, 289f., 294, 298–300 Stemplinger, E. 87f. Stengler, J. 69 Stettner, W. 95 Stewart, A.E. 6, 198 Stiehl, R. 153 Stillinger, J. 6 Stone, M.E. 99, 104, 168, 172, 176, 178, 193, 197, 200, 202, 208, 233, 235, 250, 317 Stoneman, R. 68 Stöckmann, I. 10 Stökl, J. 113 Strecker, G. 98, 102, 104, 106 Stuckenbruck, L.T. 21, 44, 176f., 179, 188 Suerbaum, W. 64, 81, 90f., 93, 95f., 100, 105 Svenbro, J. 6 Swartz, M.D. 294 Swinson, L.T. 38

Syndikus, H.P. 75f., 90–94 Tamási, B. 229f., 249–251 Tannehill, R.C. 26 Tattam, H. 343 Taves, A. 217 Theissen, G. 210, 341 Theisson, P. 55, 57, 87 Theophilos, M. 241 Thiessen, J. 270 Thomas, S.I. 20 Thornton, C.-J. 97f. Thraede, K. 61 Tichonravov, N.S. 259 Tigchelaar, E.J.C. 176, 178, 351 Tilly, M. 101, 103, 285, 287, 293 von Tischendorf, K. 370 van der Toorn, K. 7, 13, 15, 18f. Tóth, F. VII, 38, 41f., 44f., 105f. Touati, C. 375 Tresley, R. 407 Turdeanu, E. 267 Tuschling, R.M.M. 300 Ulrich, E. 37 Vaccari, A. 343 Vahland, K. 365 VanderKam, J.C. 158, 160f., 175, 183, 188f. Vanni, U. 309 Verbrugghe, G.P. 183, 185 Vestrheim, G. 91, 95 Vidas, M. 300 Vielhauer, P. 98, 102, 104, 106 Viezel, E. 199 Villa, C. 394 Vodolazkin, E.G. 263, 269 Vogt-Spira, G. 53 Volk, K. 100 Wacker, M.-T. 161 Walker, C. 3 Wallis Budge, E.A. 370 Walters, S.D. 274 Walton, J.H. 7 Warmuth, G. 67, 70, 75–77, 79–81, 90– 93 Waszink, J.H. 63, 70f., 76, 85

Autorinnen- und Autorenregister Watt, C. 212 Weber, M. 9 Wehrli, F. 70, 76 Weimar, K. 9 Weinberg, J.P. 7 Weinfeld, M. 6 Weippert, M. 112f., 120 Weiß, J. 9 Wellhausen, J. 101, 156 Welslau, E. 87 Welz, K. 79 Wenning, K. 152f. Wenzel, H. 20 Werber, N. 10 Wetz, C. 82 Wetzel, M. 9, 12, 22f. Wewers, G.A. 287, 290–292 Whitters, M. 238, 241, 244, 250f. Wickersham, J.M. 183, 185 Wieland, C.M. 51, 87 Wildberger, H. 130 Willett, T.W. 236, 240–242, 249 Williams, R.G. 3 Wimsatt, W.K. 22 Winko, S. 4f., 7, 62 Wintermute, O.S. 385

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Witte, H. 96 Witulski, T. 99, 104 Wlosok, A. 55 Wolf, N.C. 4 Wolfson, E.R. 287, 300 Wolter, M. 101, 193, 272 Wolterstorff, N. 3 Wright, J.E. 230, 232f., 236, 238f., 241, 244–247, 249, 251–253 Wyrick, J. 172f., 181, 184 Yarbro Collins, A. 104, 316, 369 Yuen-Collingridge, R. 348 Zager, W. 101 Zahn, T. 334 Zakovitch, Y. 237 Zamazalová, S. 182 Zanella, F. 96 Zgoll, C. 68, 72 Zimmermann, B. 99 Zintzen, C. 53 Zoëga, G. 343 Zotou, A. 70, 94 Zweimüller, S. 69f., 76, 81

Sachregister Abraham V, 121, 161, 174, 176, 186, 195, 201–202, 229, 275, 277, 279, 313, 320, 331, 334, 347, 362, 381, 384 Agrapha 338, 342, 345 Anagogie 394, 400, 410 Anonymität/anonym V, 7, 11, 13–14, 24, 87, 98, 101, 157, 172, 174, 184, 193, 331–332, 342 Allegorie/allegorisch 65, 391–394, 400– 411 – Dichterallegorie 400, 406–407 – Kreuzallegorie 405 – Realallegorie 405 – Wortallegorie 401, 405 Allusion 114–115, 160, 231, 311–312, 315, 335, 337–338, 342 Apokalyptik VI, VIII, 97, 103–105, 164, 257–259, 285–288, 293, 295, 298– 299 Apokalyptische Literatur VI, VIII, 11, 17–18, 21 36, 40–41, 47, 98, 100– 108, 120, 155, 157, 165, 171, 176, 178, 201, 207–208, 210, 212–213, 215, 219, 223, 226, 227–230, 233, 272–273, 275, 278, 281, 286–287, 293, 299, 347 Aristophanes 58, 65, 69, 71, 91, 377 Aristoteles 51, 62, 72, 103, 394, 398 Assyrien 112–113, 155, 182, 189 Athenagoras 189 Auctoritas 12–13, 33, 36, 38, 43, 45–46 Audition 112, 274, 278–279, 281, 354 Auferstehung 242–246, 308 – A. des Autors 3, 10 – A. Jesu 321, 353–354, 357–360, 362 Augustinus 96, 378–379, 392, 394–395, 399 Authentizität/authentisch V, 23, 44–45, 103, 175–177, 187–188, 190, 218, 229, 258, 276, 281 Autor/auctor 12, 22, 36–39, 45, 63

– Autormodelle 5, 24 – Impliziter A. 3, 22–23, 27–33, 35–42, 47, 100, 103, 177, 305, 317, 319 – Realer A. 23, 31, 100–101, 107–108, 129, 193, 195, 197–198, 325 Autorschaft V, VIII, 3, 5–7, 13, 18, 20, 22–28, 37–40, 104, 165, 171–173, 177, 188, 207–208, 258, 276, 321– 324, 330–332, 334 – Autorschaftsdebatte 3, 8, 11 – Autorschaftskonstruktionen 323, 328, 330–332, 336 – Autorschaftskonzepte 7, 11, 24, 26, 62 – Autorschaftsmodelle 6, 11, 23–24, 26, 36, 40 – Auktoriale Autorschaft 44 – Declarative authorship 14, 40 – Executive authorship 14 – Persönliche Autorschaft 45 – Precursory authorship 13, 40 – Revisionary authorship 14 Autorisation/Autorisierung V, VIII, 3, 8, 11, 26, 28, 39, 42, 273, 285, 297, 282, 297–298, 333, 348, 397 Autorisationsstrategien 16, 26, 257–258, 264, Autoritätsanspruch 11, 41–43, 200, 202, 288 Autoritativ 21, 37, 40, 44, 202, 204, 292, 300, 349, 407 Babylon 117–118, 132, 152, 155–156, 168–169, 182–187, 195, 198–199, 219, 234, 243–244, 252–253, 294, 317–318, 320, 328, 406 Bernhard von Clairvaux 396 Berufung 17–18, 78–79, 282, 284, 396 Bibel V, 13, 37, 111, 207, 258, 264, 297, 398, 399, 401, 410, 411 – Hebräische B. VI, 15, 111–113, 119– 126, 130, 137, 155, 158, 173, 177,

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Sachregister

183, 188–189, 200–201, 203, 223, 225, 237 – B.-Diglotte 343 – Kaiser Haile Selassie-B. 344, 345 – Rewritten B. VII, 274, 276 Bibelexegese 398, 400, 408, 409 Bibelwissenschaft V, 35, 257, 259 Biographie/biographisch 15, 19, 21–22, 158, 199, 282, 394, 404 Cicero 24, 53, 56, 107, 185, 403 Corpus Paulinum 370–371, 375, 379– 380, 383 Daniel 18, 155, 157–158, 162–165, 169, 176, 195, 200, 219, 221, 225, 229, 277, 309, 317–320, 329 Dichter 24–25, 36–37, 49–52, 54–57, 60–64, 66–73, 75, 77–80, 82–84, 86– 93, 95–100, 106, 391, 394, 399–402, 405, 410 Dichterweihe 64, 78, 100–101 Dichtung 24, 36, 50–53, 58, 60, 62–72, 74–81, 86, 89–90, 92–96, 100, 107, 391, 394, 400–403, 410 Diskursgründer 15–17 Doketisch 341–342, 345 Echtheit V Endzeit/endzeitlich 180, 199, 202, 271– 273, 278, 286, 288–289, 295, 321, 327–329, 352, 355, 357, 359, 362– 363, 406 Elia V, 288, 326, 335, 342, 347, 351, 353, 354, 362, 382–383, 385 Engel 19, 21, 98, 158–161, 164, 167– 168, 173, 179–181, 187–190, 198, 202, 219, 233, 239, 246, 253, 260– 261, 271, 282, 299, 305, 308, 313– 319, 323–324, 345, 360–361, 376– 377, 379, 381, 383–386, 392, 407 – Angelologie 280, 324 – Böse Engel 330, 381 – Deuteengel 43, 97, 270, 275–276, 278–280, 296 – Dienstengel 279, 294 – Engelrede 262–264, 266, 268, 271– 273, 276, 278, 281, 283 – Erzengel 280, 381, 384

– Offenbarungsengel 288 – Völkerengel 280 Entrückung 100–101, 194, 196, 199– 200, 299, 327, 330, 351, 355, 373– 376, 378–379, 392, 395 Epikur 53, 74, 84 Erlebnisechtheit 104–106 Erzähler/Narrator 3, 7, 30–32, 34–36, 40–41, 43–47, 194–195, 197, 205, 325, 327, 331, 350, 381, 386, 391, 407–408 – Fiktiver Erzähler 27, 34, 40, 43, 386 – (s. auch Ich-Erzähler) Esoterik 20, 179, 180, 183–184, 202– 204, 287, 292–294, 330, 332–335, 340 Esra (-Schriften) 18, 20, 103, 107–108, 193, 205, 277, 331, 333, 339, 342, 346, 347 Esther(-rolle) 16, 162–163 Evangelien V, VII, 14, 26, 119, 207, 225, 265, 311, 336, 345, 352, 354, 356, 402, 407 Exil 16, 60, 115, 168, 195, 199–201, 204, 219, 232, 250, 252–253, 263, 281, 396, 406 Exoterik 204, 333, 335 Fabel 65, 69, 89, 400 Falsch – Falsche Angaben 337 – Falsche Bücher 267 – Falsche Prophetie 129 – Falsche Überschrift 16, 194 – Falscher Messias 359 Fälschung V, 102, 208, 228 Fegefeuer (Purgatorium) 361, 396, 399, 401, 411 Fiktion VI, 129, 147, 196, 204–205, 273, 380, 398, 400–401, 403, 409– 411 Fiktional VI, 103, 208, 216, 400 Flavius Josephus (s. Josephus) Gericht 97, 136, 139, 324, 357, 371, 381 – Endgericht 288–289, 359–360 – Gerichtshandlung 323 – Gerichtslogion 132, 152 – Kosmisches Gericht 150

Sachregister – Strafgericht 360 – Verstockungsgericht 140 – Völkergericht 132–133, 140–144, 148–150, 152–153 – Weltgericht 144, 148, 150–151, 154, 356 Geschichtsbild 261, 273, 281 Geschichtsentwurf 280 Geschichtsverständnis 288 Gottesbegegnung 274, 278, 282, 299 Gottesmutter 396 Gottesrede 129, 275, 278 Gottessohn 261, 357, 362–363, 381 Hades 353, 355–356, 359 Häretisch/Häretiker 265 Heilsgeschichte/heilsgeschichtlich VI, 289, 395–396, 401, 403–407 Hekhalot 219–220, 225, 291–292, 294– 297, 299–300 Himmelsreise 100, 278, 292, 296–299 Himmelssphäre 66, 98, 100, 149, 387, 410 Hiskia 321, 323–328, 330 Historisch 4–5, 11, 16, 23–24, 28–29, 36, 41, 91, 98–99, 113, 114, 119, 127, 131, 154, 207, 217, 219, 224– 225, 228, 252–254, 305, 316, 323, 328, 334, 336, 352, 358–359, 394– 395, 397, 401, 404, 406 Historisch-kritisch 305, 319 Horaz 25, 50–54, 57, 59, 61, 63–64, 66– 67, 75–77, 81, 84, 86–93, 98, 103, 106 Hypostase/hypostasiert 31, 33, 279 Ich-Erzähler 43, 45, 194–195, 197, 332, 350, 380–381, 391 Identifikation 97, 280, 398, 406 Identität 87–88, 265, 277, 279, 282, 295, 348 Inspiration 21, 24, 26, 52, 56, 60, 63, 71, 82–83, 86, 101, 103–105, 107, 178, 224, 232, 234, 237, 246, 251, 330, 411 Intention – I. des Autors 8, 11, 22, 32, 262 – I. eines Textes/Werkes VI, 30–32, 65, 259, 266, 276

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Intentional V, 29–30, 210 Interpolation 341, 345 Intertextualität 25, 102–103, 132–133, 140, 142, 148, 160, 336, 407–408 Irenaeus 189, 199, 341 Jenseits – Jenseitsbericht 392, 395 – Jenseitserfahrung 393, 399 – Jenseitsgedicht 391, 398, 400–401 – Jenseitsoffenbarung 411 – Jenseitsreiche 396, 400 – Jenseitsreise 194, 350, 380, 385, 393, 396, 400–401, 406 – Jenseitsvision 350, 383, 392–393, 396–397, 399–400, 408, 410 – Jenseitsvorstellungen 393 – Jenseitswanderer 396, 404, 409, 411 – Jenseitswelt 354, 394, 400, 405 – Jenseitswissen 396 Jerusalem 17, 116–117, 136, 149–153, 155, 163, 169, 224, 231–232, 238, 241, 244, 247, 252–252, 266, 313, 318, 326 – himmlisches J. 97, 214 Jesus 43–44, 119, 121, 225, 260–262, 269–272, 283, 305–312, 319, 335– 336, 341, 347, 351, 353, 355–357 Josephus 111, 125, 155–156, 168, 175, 200, 277, 340–341 Judentum 111 – Antijüdisch 263, 270 – Antikes J. 178–179, 185, 190, 198, 265–266, 269, 284, 345 – Common J. 167 – Frühes J./Frühjüdisch/second temple period V–VI, VIII, 6, 13, 15–16, 20, 103, 109, 156–157, 173–175, 178, 182–183, 189–190, 230, 251, 254, 257, 274, 280, 332, 347, 361 – Mehrheitsjudentum 326 – Nachbiblisches J. VI – Rabbinisches J. VIII, 285–301 Kollektor 83 Kompilation 258, 386 Kompilator 13–14, 38–39, 44, 262–265, 268–271, 283

460

Sachregister

Kanonisch/kanonisiert V, 5, 36–37, 99, 103, 105, 200, 202, 266–270, 272, 293, 324–326, 328, 336, 338, 340, 344–345, 348, 351, 368, 395 – Außerkanonisch 264, 272, 338 – Protokanonisch 337 – Deuterokanonisch 337 Kanonliste 333 Kontextualisierung 108, 265, 268, 323, 328, 378 Lector 14, 45, Legitimation 5, 8, 10, 16, 26, 264, 273, 335 Literaturwissenschaft V, VIII, 4–5, 8, 23, 26, 28, 35, 37, 193, 259 (russische Literaturwissenschaft) Logienquelle 329 Lukrez 51, 53–54, 73–74, 84 Merkavah(-Mystik) 219, 262, 287–288, 291, 294–297 Mesopotamien 113, 158, 182–183, 185– 187, 261, 277, 282, 318 Messias 119, 239, 242–243, 245, 248, 283, 288–290, 308, 359 Metaphorik/metaphorisch 3, 64, 66, 68, 70–72, 76, 78, 80–84, 86, 88–89, 158, 411 Mittelalter/mittelalterlich VIII, 6, 19– 20, 22, 88, 285, 294, 340, 365, 393– 394, 397, 401 Mittler/Mittlerin 66, 71, 82, 386–387, 404 – Vermittler 24, 357 Mose V, 14–18, 20–21, 120–125, 156, 159, 161–164, 166–167, 169, 172– 173, 177, 180, 194–195, 201–202, 225, 229, 238, 244, 250–251, 254, 289, 297, 317, 326, 331, 333, 338– 340, 342, 349, 351, 353–354, 362, 382–383 Mystisch VIII, 178, 209, 219, 262–264, 271, 279, 285, 288–301 Narratologie, narratologisch 6–7, 27–28, 35 Narrator (s. Erzähler) Noah 162, 176, 181, 183, 277, 389

Offenbarung VI, 11, 19–21, 43–44, 46, 98, 104, 112, 155–159, 162, 164– 165, 167–169, 175, 177, 180–181, 185, 188, 190, 195–204, 214–216, 220, 222, 228, 230, 232, 234, 240, 242–243, 249, 285, 305–307, 310, 313–314, 317–319, 374–376, 391– 392, 392, 397, 399 – Autoritative Offenbarung 349 – Apokalyptische Offenbarung 250 – Christusoffenbarung 273, 347–365 – Jenseitsoffenbarung 411 – Offenbarungsanspruch 18 – Offenbarungscharakter 405, 410 – Offenbarungsdiskurs 401, 403 – Offenbarungsempfänger 196, 278– 279, 281, 297, 350, 353–354 – Offenbarungsengel 288 – Offenbarungserlebnisse/-erfahrung 101, 397, 400 – Offenbarungsform 300 – Offenbarungsgeschichtlich 293 – Offenbarungsinstanz 411 – Offenbarungsmittler 16, 18, 179, 196 – Offenbarungsphänomen 279 – Offenbarungsszene 275 – Offenbarungstätigkeit 46 – Offenbarungstext 265, 274, 400, 406 – Offenbarungstradition 333 – Offenbarungsträger 257–284, 397, 411 – Offenbarungsverständnis VIII – Offenbarungswissen 187, 277, 333, 412 – Offenbarungswort 279 – Offenbarungszeugnis 39 – Traumoffenbarung 100 – Wortoffenbarung 292 Oralität 18, 188 Originalität 23, 172 Orthonym V, 42, 99, 103 Ovid 24, 52, 59–60, 66, 72, 79, 86, 91, 96, 100 Parabiblisch VI–VII, 325–327, 332– 340, 342, 344–345 Paulus 42–44, 107–108, 211, 214–216, 307–310, 319, 334, 337–339, 349,

Sachregister 357, 363, 368, 371, 373–387, 392– 396, 403, 411 Pentateuch 16–18, 122–123, 130 Performanz(-theorie) 14–15, 189 Philosophie 5, 53, 293 Plagiat 56, 73, 87–88, 337 Plato 49–51, 62, 67, 69–71, 82–84, 91, 377 – neuplatonisch 293 Polemik/polemisch 65, 70, 73, 77, 80, 86–89, 107, 262, 269 Poststruktural, Poststrukturalisten 4 Priester 54, 62–63, 184, 200, 309 – Dichter-Priester 24 Priesterin 53 Priesterlich – Priesterliche Autorität 19 – Priesterliche Familie 17 – Priesterliche Schriftgelehrsamkeit 16 – Priesterliche(n) Ursprungs bzw. Herkunft 160, 297 Priesterschrift 16 Properz 51, 54–55, 60, 63–64, 74, 78– 79, 90, 97, 107 Prophetie VIII, 7, 19, 21, 46, 102–103, 112–126, 129, 147–148, 155–157, 171, 189, 219, 228, 230–232, 241, 243, 247, 252–254, 292–293, 300, 307, 309, 316, 319, 324–336, 342– 344, 360, 398 Prophet 19, 24, 43, 46, 105, 111–114, 118–119, 121–123, 125–127, 155– 157, 175, 178, 188–190, 219–220, 223–225, 230, 251, 254, 307, 309– 310, 312–313, 315–319, 329, 396, 397 Pseudepigraphie/pseudepigraphisch V– VII, 11, 14, 40, 44, 98, 101–105, 107, 157–158, 161, 172–178, 190, 194–198, 200–201, 205, 207–208, 210, 219, 226, 286, 292, 331–332, 348 Purgatorium (s. Fegefeuer)

461

Realismus 394 – Wahrnehmungsrealismus 408, 410 Redaktor 13–14, 105, 264 Redaktion/redaktionell 104, 120, 123, 127, 143, 257, 275, 278–279, 294– 295 Redaktionsgeschichte 120, 322 Religion 8–10, 24, 210, 285–287 Renaissance 24, 88, 287, 365 Rezeption VI, 29, 39, 54, 85, 264–265, 271, 288, 293, 325, 339–340, 349 – Matthäusrezeption 352 – Paulusrezeption 370, 380 – Petrusrezeption 354 – Rezeptionsästhetisch 193 – Rezeptionsfähigkeit 136 – Rezeptionsgeschichte 30, 205, 264, 274 – Rezeptionsperspektive 137 – Rezeptionsphasen 259 – Rezeptionsprozess 384 Rhetorik/rhetorisch 42, 44,64, 73, 86, 216, 307–310, 394, 400, 402–403, 405, 409–410 Rhetoriker 56 Rom 78, 265–266, 275, 277, 281, 348, 354–356, 395, 402

Qumran VI, 118 119, 121, 165, 173, 181, 188

Säkularisierung/Säkularisation 8–10, 24 Salomo V, 15–17, 328 Satan 325–326, 329, 348, 353–356, 377 Satansdrache 407 Schriftgelehrt 15, 18, 102, 104–105, 133–134, 136–137, 147, 300, 316 Schriftgelehrtenschüler 339 Septuaginta 17, 132, 144–145, 147, 227–255, 323, 328, 337–338 Simon von Kyrene 341 Symbol 15, 19, 32, 70, 95, 402 – Symbolhandlung 112 – Symbolik 222, 407 – Symbolisch/symbolisieren 4, 66, 73, 87, 94, 108, 133, 195, 223, 278, 281, 283, 316, 402 – Symbolkomplex 64, 100–101 – Symboltiere 67–69, 74–87, 92–97

Rabbinisch 8, 125, 175, 199, 279, 285– 301

Talmud – Babylonischer T. 15, 156, 290

462

Sachregister

– Nachtalmudisch 294 Tertullian 173, 189, 199, 202, 342 Theophanie 188, 279 Thron – Thron Gottes 219–220, 246, 294, 297, 308, 313–315, 320, 340 – Thron des Zeus 50 – Thronhalle/-saal (s. Hekhalot) 287, 296, 301 – Thronritual 295 – Thronvision 220 – Thronwagen (s. Merkavah) 287, 290– 291, 294–296 Tora 14, 16–18, 43, 123–125, 130, 149, 155–170, 194, 198–199, 201–204, 230–232, 234, 240–241, 244, 249– 255, 286, 291–292, 297–298, 300, 317 Tradent 13, 16, 19, 113, 117, 120, 126– 127, 129, 133, 136, 147, 153, 294, 325, 340 Transformation 83, 85, 88, 108, 186, 203–205, 211, 217, 219, 243 Transzendenz 10, 31, 285, 290, 299 Traum/träumen 60–61, 78–79, 95–96, 98, 100, 104, 112, 260–261, 274, 278–281 Traumoffenbarung 100 Traumvision 67, 278 Unsterblichkeit 4, 20, 62, 89–96, 101, 400 Urheber 9, 11–12, 16, 23, 28, 29, 31, 36, 38, 129, 305, 411 Urheberrecht 25 Urheberschaft 9, 20, 22, 25, 37, 39 58 Verfasser 11–12, 14, 23, 28, 33, 36, 40– 42, 44, 60, 87, 129–130, 194, 197, 326, 334–336, 346, 397, 403 – Verfasserkonzept 98, 101–102, 104– 107

– Verfasserschaft 138, 143–146, 148, 334–335 – Verfasserschaftskonstruktion 334 Vergil 24, 55–56, 59, 63–64, 67, 74, 76, 82, 87, 93, 100, 103, 107, 392, 394, 396, 398, 404 Vermittlung 28, 46, 101 Vision/Visionär 18–19, 43–44, 47, 67, 91, 100–101, 104–107, 112, 118, 127, 129, 135–136, 163–166, 168– 169, 178, 182, 189–190, 195–200, 202, 207–226, 232, 234, 237, 239– 240, 242–244, 248–250, 253, 260– 261, 270–271, 274–282, 286–287, 290, 292, 297, 299–300, 305–306, 308, 312–320, 321–325, 327, 329– 330, 332–333, 350–352, 354, 360, 363, 369, 373, 381, 383, 386, 392, 393, 395–400, 401, 403, 405–406, 408–411 Wahrheit 25, 82, 185, 269–272, 289, 381, 400–401 – Wahrheitsanspruch V – Wahrheitsgetreu 69 – Wahrheitsgehalt 271 – Wahrheitsinstanz 38 Wahrnehmung 300 – Selbstwahrnehmung 36, 300 – Sinnliche Wahrnehmung 285, 392, 408, 410 – Wahrnehmungsinstanz 32, 392 – Wahrnehmungspsychologie 408 – Wahrnehmungsrealismus 408, 410 – Weltwahrnehmung 101 Zeuge 36, 135, 197, 235, 242, 244, 308 Zeugnis 43, 46, 102, 190, 205, 244, 306–307, 265–266, 269, 272, 349, 358, 360–361, 391 – Christuszeugnis 332, 336, 341, 359 – Kirchenväterzeugnis 391 – Offenbarungszeugnis 39