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German Pages XVII, 233 [246] Year 2020
Auswärtige Kulturpolitik
David Maier
Auswärtige Musikpolitik Konzeptionen und Praxen von Musikprojekten im internationalen Austausch
Auswärtige Kulturpolitik Reihe herausgegeben von Wolfgang Schneider, Hildesheim, Deutschland
„Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes“, heißt es in Artikel 32 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Die „Pflege“ geschieht durch Diplomatie und wirtschaftliche „Beziehungen“. Dritte Säule der Außenpolitik ist die Auswärtige Kulturpolitik, die es zu untersuchen gilt. Dialog und Austausch mittels Kunst und Kultur sind Gegenstände von Politikwissenschaft und Kulturwissenschaften. Studien der Kulturpolitikforschung analysieren und reflektieren Anspruch und Wirklichkeit von Projekten und Programmen der so genannten Mittlerorganisationen. Die von Wolfgang Schneider herausgegebene Reihe bei Springer fundiert Theorie und Praxis Auswärtiger Kulturpolitik auf nationaler Ebene, im komparatistischen internationalen Diskurs und im Rahmen der europäischen Integration.
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/11802
David Maier
Auswärtige Musikpolitik Konzeptionen und Praxen von Musikprojekten im internationalen Austausch Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Wolfgang Schneider
David Maier Hildesheim, Deutschland Dissertation, Universität Hildesheim, 2019 Erstgutachter: Prof. Dr. Wolfgang Schneider Zweitgutachterin: Prof. Dr. Raphaela Henze Disputation: 15.11.2019
Auswärtige Kulturpolitik ISBN 978-3-658-30540-6 ISBN 978-3-658-30541-3 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30541-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Geleitwort
Auswärtige Kulturpolitik (AKP) wurde in den letzten Jahren einer der Schwerpunkte in der Kulturpolitikforschung. Dabei geht es immer um Anspruch und Wirklichkeit, um Theoriebildung und Praxistauglichkeit, um Außenpolitik und Innenpolitik, um (Heraus-)Forderungen und Förderungen, konkret um das Ausstellungswesen, um Entwicklungszusammenarbeit, um Fair Cooperation, um Künstlerresidenzen, zuletzt um die Evaluation der Evaluationen. Diskutiert werden nationalstaatliche Interessen und internationale Beziehungen, Cultural Diplomacy und Außenwirtschaftspolitik, kulturelle Projektarbeit und Programme wie die Deutschlandjahre, zur Friedenssicherung und Konfliktprävention. Untersucht werden langfristige Konzeptionen und mittelfristige Zielvereinbarungen sowie die Rolle der Mittlerorganisationen und AKP im europäischen Kontext, als Netzwerk der Kulturinstitute und zunehmend das Engagement zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie der Künstlerinnen und Künstler. Darunter waren und sind auch Musiker. Kann man deshalb von einer „Auswärtigen Musikpolitik“ sprechen? Gelingt es David Maier mit seinen Forschungen nachzuweisen, dass diese musikalische Sparte ein Teil des kulturpolitischen Systems ist? Und wer sind die Akteure, was sind ihre Erfahrungen in der Musikarbeit im Ausland und welche Kriterien, Kategorien und Systematisierungen ermöglichen Transparenz in einem Feld der AKP, das in der Tat noch nicht erforscht wurde? David Maier interessiert zudem als Kulturmanager, was es in seiner Profession braucht, um qualifiziert interkulturell zu agieren und welche kulturmanagerialen Kenntnisse im internationalen Kulturaustausch Relevanz haben. Für Deutschland konstituiert er eine besondere öffentliche Wahrnehmung, die sich in der Selbstbehauptung als Musikland auszudrücken versucht. Insofern sei die Frage nach dem Stellenwert der Musik in der AKP einer kulturpolitischen Klärung wert, die Beobachtung und Befragung der Programmmacher sicher aufschlussreich für strategische Ziele und operative Maßnahmen. Seine Hypothese: „Die Durchführung von Musikprojekten im Rahmen kultureller Programmarbeit erfolgt seitens der kulturmanagerialen Verantwortlichen über ein eigenes Involviertsein sowie persönliche musikalische Präferenzen, jedoch überwiegend ohne strategische Implikation in Form kulturpolitischer Vorgaben.“ Vom Deutschen Musikrat (DMR) leitet er den Terminus „Auswärtige Musikpolitik“ ab, von den konzeptionellen Positionierungen des Auswärtigen Amtes (AA) den Zeitrahmen der Untersuchungen, von 2000, als eine auf Menschen-
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Geleitwort
rechte fokussierende AKP propagiert, bis 2017, in dem ein „Review Process“ der AKP abgeschlossen wurde. Auch alle anderen Begrifflichkeiten werden nachvollziehbar und nachweisbar definiert. Methodisch nutzt David Maier die Diskursanalyse, wertet die Musikprojekte aus und führt leitfadengestützte Gespräche mit Experten. Er präsentiert die Ergebnisse der Analyse von Musikprojekten und der ihnen zugrundeliegenden kulturmanagerialen Vorgehensweise sowie die Bedarfe und Reflektion kulturpolitischer Vorgaben. Überlegungen zu einer konzeptionellen Kulturarbeit sowie kulturmanageriale Konsequenzen fixiert David Maier ebenso wie AKP im untersuchten Handlungskontext und der zu Tage geförderten Handlungslogik, kulminierend in Überlegungen zu inhaltlichen Perspektiven und Empfehlungen zum politischen Handeln. Auswärtige Musikpolitik könne als Gesamtheit der Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der AKP im Bereich der Musik verstanden werden. In Anlehnung an Heike Denscheilmanns akribische Untersuchung zum Deutschlandbild in den Ausstellungen von GI und ifa fasst David Maier in einer Tabelle zusammen, was an Zielen und Konzeptionen für die kulturelle Programmarbeit im Forschungszeitraum festzuhalten ist. Es gelingt ihm, schon vor den Projektanalysen ihre Rahmenbedingungen zu benennen. Eine solche hilfreiche Schematisierung findet sich auch als Übersicht der Akteure von Musikprojekten in der AKP. Diese transparente Kenntlichmachung einer wissenschaftlichen Auswertung führt auch zu einer pointierten Darstellung der untersuchten Musikprojekte. Auf diese Art und Weise lassen sich Erkenntnisse schnell vergleichen und geben in der Abgrenzung oder Gemeinsamkeit Hinweise für den Diskurs. Es wird deutlich, dass insbesondere die sogenannten Verbundprojekte großes Potential beinhalten, sparten- und grenzübergreifend gestaltet zu werden, mit zum Teil nachhaltigen Wirkungen jenseits von musikalischen Veranstaltungen – auch weil sie die Akteure im Netzwerk stärken und ihr Zusammenarbeiten ermöglichen. David Maier reflektiert aber nicht nur Strukturen, sondern auch Inhalte. Eine seiner zentralen Fragen lautet: „Welche deutsche Musik sollte im Ausland präsentiert werden?“. Klassik und Jazz führen wohl die Hitlisten an. Pop und Neue Musik gehören aber auch zum Portfolio. Aber was ist überhaupt deutsche Musik oder offener formuliert: Musik aus Deutschland? Wie steht es um die kritische Hinterfragung eurozentristischer Perspektiven, wie wird mit dem kolonialen Erbe umgegangen? „Es geht um Zielsetzung und Planung, um die Analyse der Zielgruppe, Formate und Zugang, um die Entwicklung von Alleinstellungsmerkmalen und nachhaltigen Instrumenten. Es geht letztlich um eine Identifikation der in der Musikarbeit anzuwendenden Instrumente des Kulturmanagements und umgekehrt um ein Bewusstwerden der kulturpolitischen Dimensionen des kulturmanagerialen Handelns.“
Geleitwort
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David Maiers Tiefenbohrungen ergeben wichtige Erkenntnisse zur Praxis der Projekte, die ausführlich betrachtet und befragt werden. Die Auswertungen der Analysen fokussieren auch auf die besonderen Herausforderungen internationaler Musikbeziehungen: das gegenseitige Vertrauen, das gemeinschaftliche Vorgehen, die Sprache der Kommunikation, die Struktur der Organisation, die lokalen Einflussfaktoren sowie die Führung des Teams. Als Erfolgskriterien stünden immer noch das Interesse von Teilnehmenden und Besuchern, die Wirkung in der öffentlichen Wahrnehmung, die Begeisterung der Akteure, aber auch die Prozesshaftigkeit der Projekte im Vordergrund. Empowernment, Nachhaltigkeit und „Role Modelling“, also die Weitergabe von erfolgreichen Projekten, werden oft als Kriterien für eine positive Evaluation genannt. Die Befragten verweisen zudem darauf hin, „dass der Kulturmanager vor Ort derjenige sei, der letztlich die Auswärtige Kulturpolitik umzusetzen habe und dass dies auch stets in der Arbeit mitschwinge“. Deshalb diskutiert David Maier auch die Fragen nach der musikalischen Ausbildung der Verantwortlichen, ob es vielleicht eher Generalisten bräuchte und wie es sich mit den persönlichen Vorlieben verhalte. Er differenziert zwischen extrinsischen Gestaltungsfaktoren und intrinsischen Motivationen, verweist auf künstlerische Expertise und organisatorische Kompetenz als Voraussetzung und fasst in einer weiteren Abbildung zusammen, was die Bedarfe kulturmanagerialer Qualifikation und Kenntnis bei Musikprojekten, wie etwa Netzwerk- und Projektmanagement oder Transkulturalität und Leadership, sind. Die Musikprojekte im Rahmen der AKP divergieren stark in ihren Begründungszusammenhängen und Zielsetzungen, sie seien zumeist durch die regional gegebene Situation beeinflusst und von nur vagen Leitlinien geprägt. „Im Mittelpunkt der Musikarbeit steht überwiegend die Repräsentation deutscher Künstler auf der einen, die dialogische Zusammenarbeit mit Künstlern sowie Vermittlungsarbeit mit Schülern im Ausland auf der anderen Seite“. Hier sieht David Maier auch einen öffentlichen Widerspruch zwischen dem der Musik allseits zugesprochenen Wert und der tatsächlichen Gewichtung in den Konzeptionen. Mit zahlreichen Handlungsempfehlungen und einem neuen Terminus, dem des „Auswärtigen Kulturmanagements“, zur Präzisierung kultureller Programmarbeit, schließt die Forschungsarbeit. David Maier liefert ein umfassendes Werk mit erstmaligen Einblicken in die AKP. Das hat man so noch nicht gelesen, von dem kann man nun wissen und lernen. Auswärtige Musikpolitik wird definiert und durch die Analyse der Praxen reflektiert – im Kontext von Außenpolitik und Kulturpolitik. Internationales Kulturmanagement wird differenzierter dargestellt und erhält mit dem Begriff des Auswärtigen Kulturmanagements eine Spezifizierung. David Maier kennt sich bestens aus. Er war, wie er bei den Ausführungen zu den Methoden der Un-
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Geleitwort
tersuchung preisgibt, selbst mehrmals als Kulturmanager und Musiker im Auftrag von Mittlerorganisationen im Ausland tätig. Er belegt mit seinem Literaturverzeichnis, dass seine Diskurskenntnis State of the Art ist und er dies theoretisch zu verwenden weiß. David Maier generiert aus den Experteninterviews Material für die Auseinandersetzung um eine permanente Reform der AKP und weiß dies auch in der Ergebnissicherung zu pointieren. Seine rund zwei Dutzend Erkenntnisse sind geprägt von einem kulturpolitischen Potential, das die Akteure nutzen können, um die Zukunft von Auswärtiger Musikpolitik weiterzuentwickeln. Auch die ganz generelle Frage an die Mittlerorganisationen hat besondere Brisanz: Muss denn alles über das GI veranstaltet werden? Gäbe es nicht auch mehr die Möglichkeit, das System der Distribution zu fördern? Wie wäre es neben dem proaktiven und dem reaktiven Kulturmanagement von Musikprojekten im Ausland mit einem Delegationsprinzip, das Netzwerke in die Lage versetzt, selbstständig zum Beispiel musikalische Bildung zu verbreiten? Wolfgang Schneider Prof. Dr. Wolfgang Schneider war Gründungsdirektor des Instituts für Kulturpolitik an der Stiftung Universität Hildesheim und UNESCO Chair in Cultural Policy for the Arts in Development.
Inhaltsverzeichnis
1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Auswärtige Musikpolitik: Einleitung ...................................................... 1 Gegenstand, Erkenntnisinteresse und Zielsetzung .............................. 1 Stand der Forschung, Darstellung der Forschungslücke ..................... 6 Definitionen und Begriffe ................................................................... 9 Methodik ........................................................................................... 15 Aufbau der Arbeit.............................................................................. 17
2 2.1
Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems: Einordnung .......... 19 Kulturpolitische Dimensionen der Musik.......................................... 20 2.1.1 Ästhetisch-inhaltliche Dimensionen der Musik ........................ 20 2.1.2 Sozial-gesellschaftliche Dimensionen der Musik ..................... 21 2.1.3 Ökonomische Dimensionen der Musik..................................... 23 Zusammenfassung: Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems ............................................................................................. 24 Musikpolitik als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik ........................ 26
2.2 2.3 3 3.1
3.2 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Programmarbeit im außenkulturpolitischen Konzept ......................... 33 Konzeptionen der Auswärtigen Kulturpolitik von 2000-2017 .......... 33 3.1.1 Vom Prinzip der Zweibahnstraße und Vernetzung ................... 34 3.1.2 Vom Diktum des Dialogs und der Moderation ......................... 36 3.1.3 Vom Grundsatz der Repräsentation und außenpolitischen Prämissen.................................................................................. 38 3.1.4 Vom Gebot der internationalen Zusammenarbeit und Partizipation.............................................................................. 40 Zusammenfassung: Rolle der Musik im außenkulturpolitischen Konzept ............................................................................................. 42 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik ........ 47 Goethe-Institut................................................................................... 47 Deutscher Musikrat ........................................................................... 52 Auswärtiges Amt, deutsche Auslandsvertretungen ........................... 57 Sonstige Akteure ............................................................................... 60 Zusammenfassung: Akteure von Musikprojekten ............................. 68
X 5 5.1 5.2
5.3 5.4 6 6.1 6.2 6.3
6.4 7 7.1
Inhaltsverzeichnis
Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik.......... 75 Systematisierungsansätze von Musikprojekten ................................. 75 Systematisierung anhand der Auswertung von Musikprojekten der Auswärtigen Kulturpolitik ........................................................... 78 5.2.1 Informationen über Musik aus Deutschland ............................. 78 5.2.2 Einzelkonzerte, Konzertreisen und Festivals ............................ 79 5.2.3 Workshops und Meisterklassen, Talks und Vorträge ............... 81 5.2.4 Aus- und Weiterbildungsprogramme, Empowerment .............. 82 5.2.5 Musikalische Zusammenarbeit und Koproduktion ................... 83 5.2.6 Musikprojekte in Deutschland, einreisende Gastspiele in Deutschland .............................................................................. 86 5.2.7 Residenzprogramme ................................................................. 86 5.2.8 Sonstige Programme ................................................................. 87 Zusammenfassung: Verbundprojekte als Schwerpunkte der Musikarbeit........................................................................................ 88 Kritik an Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit .............. 92 Management von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik ............................................................................................ 99 Internationales Kulturmanagement an der Schnittstelle zwischen operativer Umsetzung und politischen Vorgaben............................ 101 Managementkompetenzen bei Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit ............................................................................... 105 Internationales Kulturmanagement als Bezugsrahmen Auswärtiger Musikarbeit ................................................................. 112 6.3.1 Theoretische Bezüge des Kulturmanagements ....................... 112 6.3.2 Theoretische Erkenntnisse als Grundlage der angewandten Forschungsmethoden .............................................................. 114 Exkurs: Intrinsische Motivation als Interesse und Involviertheit ... 114 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik ................................................................... 117 Methoden der Untersuchung ........................................................... 117 7.1.1 Zeitliche Eingrenzung............................................................. 117 7.1.2 Auswahl der Musikprojekte.................................................... 118 7.1.3 Leitfadengestützte Experteninterviews ................................... 132 7.1.4 Auswertung der Interviews mittels qualitativer Inhaltsanalyse ......................................................................... 134 7.1.5 Teilnehmende Beobachtung ................................................... 138
Inhaltsverzeichnis
7.2
XI
Ergebnisse der Untersuchung .......................................................... 141 Musikprojekte als Teil der Kulturellen Programmarbeit ........ 142 Kulturmanageriale Vorgehensweisen und Instrumente .......... 153 Erfolgsbewertungen ................................................................ 168 Bedarfe kulturmanagerialer Qualifikationen und Kenntnisse bei Musikprojekten .............................................. 172 7.2.5 Reflexion und Umsetzung kulturpolitischer Vorgaben bei Musikprojekten ....................................................................... 179 7.2.6 Musikalische Interessen, Involviertsein und das eigene Rollenverständnis ................................................................... 181 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4
8 8.1
8.2
8.3 8.4
Auswärtige Musikpolitik: Konzeptionelle Kulturarbeit sowie kulturmanageriale Konsequenzen ....................................................... 187 Handlungskontext des Kulturmanagements bei Musikprojekten .... 188 8.1.1 Zur Rolle von Musikprojekten im außenkulturpolitischen Konzept .................................................................................. 189 8.1.2 Zur Rolle von Musikprojekten im Rahmen der Programmarbeit ...................................................................... 191 8.1.3 Nebeneinander oder gemeinsam? Zur Zusammenarbeit der Akteure bei Musikprojekten ................................................... 193 Handlungslogik des Kulturmanagements ........................................ 194 8.2.1 Zum Verständnis der Durchführenden als Auswärtige Kulturmanager ........................................................................ 194 8.2.2 Über die Einbeziehung persönlicher Interessen der Durchführenden ...................................................................... 195 8.2.3 Generalist oder Experte? Zur Qualifizierung der Kulturmanager und möglichen Folgen ................................... 196 Zum Konzept von Musikprojekten .................................................. 200 Perspektiven für die Musikarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik .................................................................................... 203
Literatur .......................................................................................................... 205 Internetquellen ................................................................................................ 227
Abbildungen
Abbildung 1: Kulturpolitische Dimensionen der Musik: Ästhetisch-inhaltliche Dimension, gesellschaftlich-soziale Dimension, ökonomische Dimension, eigene Darstellung .............................................................................................. 26 Abbildung 2: Musikpolitik als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik, eigene Darstellung .............................................................................................. 31 Abbildung 3: Einordnung der Auswärtigen Musikarbeit in die Außenpolitik, eigene Darstellung .............................................................................................. 64 Abbildung 4: Musikprojekte in der Auswärtigen Kulturpolitik, eigene Darstellung .............................................................................................. 91 Abbildung 5: Management von Musikprojekten im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit (nach Fischer 2004: 110), eigene Darstellung ........................ 111 Abbildung 6: Ablaufmodell strukturierender Inhaltsanalyse (nach Mayring 2015: 98), eigene Darstellung .................................................. 137 Abbildung 7: Übersicht Nennung Auswahlkriterien für Musikprojekte Musikprojekte, eigene Darstellung ..................................... 156 Abbildung 8: Besondere Herausforderungen bei der Durchführung von Musikprojekten, eigene Darstellung ................................................................. 168 Abbildung 9: Kriterien zur Erfolgsbewertung eines Musikprojekts, eigene Darstellung ............................................................................................ 172 Abbildung 10: Bedarfe kulturmanagerialer Qualifikationen und Kenntnisse bei Musikprojekten und deren Zusammenhänge, eigene Darstellung .............. 178 Abbildung 11: Management von Musikprojekten im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit (nach Fischer 2004: 110), eigene Darstellung..... 179
XIV
Abbildungen
Abbildung 12: Durchführung anhand persönlicher Interessen, eigene Darstellung ............................................................................................ 199 Abbildung 13: Kulturmanageriales Selbstbild, eigene Darstellung .................. 199 Abbildung 14: Kulturpolitische Handlungslogik, eigene Darstellung .............. 199
Tabellen
Tabelle 1a: Übersicht der außenkulturpolitischen Konzeptionen 2000-2017, (auf Grundlage und in Erweiterung von Denscheilmann 2013: 62), eigene Darstellung .............................................................................................. 43 Tabelle 1b: Übersicht der außenkulturpolitischen Konzeptionen 2000-2017, (auf Grundlage und in Erweiterung von Denscheilmann 2013: 62), eigene Darstellung .............................................................................................. 44 Tabelle 1c: Übersicht der außenkulturpolitischen Konzeptionen 2000-2017, (auf Grundlage und in Erweiterung von Denscheilmann 2013: 62), eigene Darstellung .............................................................................................. 45 Tabelle 2a: Übersicht der Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik, eigene Darstellug ......................................................................... 70 Tabelle 2b: Übersicht der Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik, eigene Darstellung........................................................................ 71 Tabelle 3: Kriterien zur Systematisierung von Musikförderung und Musikprojekten im Allgemeinen (Föhl/Götzky 2013: 17).................................. 77 Tabelle 4a: Zuordnung der untersuchten Musikprojekte zur Systematisierung ......................................................................................... 131 Tabelle 4b: Zuordnung der untersuchten Musikprojekte zur Systematisierung ......................................................................................... 132 Tabelle 5: Übersicht des untersuchten Musikprojekts (Feldstudie), eigene Darstellung ............................................................................................ 141 Tabelle 6a: Übersicht der untersuchten Musikprojekte, eigene Darstellung..... 185 Tabelle 6b: Übersicht der untersuchten Musikprojekte, eigene Darstellung .... 186
Abkürzungen
AA AKBP AKP BKD BKM BMFSFJ bzw. CLASS DMR ebd. e.V. etc. GEMA GI GIA GMUB GVL ifa IDKV IFCM JMD JMI MMF o. J. o. S. u. a. UNESCO UNHCR vgl. VSt/VIB VUT
Auswärtiges Amt Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik Auswärtige Kulturpolitik Bildungskooperation Deutsch Beauftragte für Kultur und Medien Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Beziehungsweise Association of Classical Independents Germany Deutscher Musikrat ebenda, ebendort eingetragener Verein et cetera Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Goethe-Institut Goethe-Institute im Ausland Goethe Musiklabor Ulan Bator Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH Institut für Auslandsbeziehungen Interessenverband deutscher Konzertveranstalter und Künstlervermittler International Federation of Choral Music Jeunesses Musicales Deutschland Jeunesses Musicales Internationale Music Managers Forum ohne Jahr ohne Seite unter anderem/ unter anderen United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization United Nations High Commissioner of Refugees vergleiche […] Verbindungsstelle für Internationale Beziehungen Verband Unabhängiger Tonträgerunternehmen
1 Auswärtige Musikpolitik: Einleitung
1.1 Gegenstand, Erkenntnisinteresse und Zielsetzung Spätestens als Willy Brandt die Auswärtige Kulturpolitik seinerzeit als „dritte Säule der deutschen Außenpolitik“ bezeichnete, konnte diese auch als ein wichtiger Baustein außenpolitischer Handlungen betrachtet werden.1 Im Mittelpunkt standen zu jener Zeit die „Präsentation Deutschlands und der deutschen Kulturszene im Ausland“, die „weltweite Förderung der deutschen Sprache“ sowie die „Stärkung des Bildungsstandorts Deutschland und der europäischen Integration“ (Schwencke/u.a. 2009:37f.). Mit der Konzeption 20002 des Auswärtigen Amts, die zu jener Zeit auf Initiative der damaligen rot-rünen Bundesregierung entstand, wurde die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik – wie sie fortan bezeichnet werden sollte – schließlich auch erstmalig direkt mit außenpolitischen Zielen wie Krisenprävention, Menschenrechtsschutz und Demokratieförderung verknüpft. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik hatte hierdurch nicht weniger als einen grundlegenden Paradigmenwechsel vollzogen.3 Es ging fortan nicht mehr ausschließlich um eine Förderung der deutschen Kultur im Ausland, sondern eben auch um ihre direkte Verknüpfung mit Fragen der Werteorientierung und den politischen Zielen der Außenpolitik (vgl. Auswärtiges Amt 2000: 16ff.). Insbesondere ein Aspekt der Auswärtigen Kulturpolitik erfuhr im Zuge jener Neuorientierung eine besondere Aufmerksamkeit: Die Herausforderungen der kulturellen Globalisierung, durch die sich in einer „Phase der Nivellierung nationaler Unterschiede durch globalisierte Strukturen“ (Hoffmann 2005: 22), auch ihre Gegenbewegung, „der Rückzug in die kleinen Einheiten“, vollzieht (Herzog 1998: 124).
1
2
3
Die Verwendung des Ausdrucks geht auf die Ausführungen von Außenminister Willy Brandt anlässlich der Veröffentlichung des Tätigkeitsberichtes der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts im Jahr 1966 zurück (vgl. Bundesregierung 1966: 613f.). Im vorliegenden Text werden Eigenbegriffe, Künstlernamen und Anglizismen zur besseren Lesbarkeit kursiv geschrieben. Allgemein sprachlich angewandte Anglizismen (z.B. Skype), literarisch eingeführte Namen (z.B. Parzival) und die dem Thema dieser Arbeit zuzuordnenden Institutionen und Fachtermini (z.B. Goethe-Institut, Deutschlandjahr, etc.) sind hiervon ausgenommen. Aus Gründen der Lesbarkeit wird die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im weiteren Verlauf des Textes ausschließlich als Auswärtige Kulturpolitik bezeichnet.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Maier, Auswärtige Musikpolitik, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30541-3_1
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1 Auswärtige Musikpolitik: Einleitung
Die Kulturen sind einem „widersprüchlichen Prozess von gleichzeitiger Globalisierung und Fragmentierung unterworfen“ (Wagner 1997: 37). Während sich neben Ökonomie und Kommunikation also auch die Kultur über nationale Schranken hinwegsetzt, geht dieser Prozess gleichzeitig mit einer Rückbesinnung auf kulturelle Traditionen, mit einer „kulturellen Identitätssuche in regionalen und lokalen Bezügen zur Selbstvergewisserung“ einher (ebd.). Lepenies sprach in diesem Zusammenhang bereits im Jahr 1996 von einer „Pluralisierung der Kulturen“ und forderte als Konsequenz dessen mehr Anstrengung in der Übersetzung der Kulturen und prägte hiermit gleichzeitig das Diktum der „Lernkulturen“ (Lepenies 1996: 51, Lepenies 1996: 49). Mit dem Kabinett Merkel II folgte im Jahr 2011 eine neuerliche Konzeption der Auswärtigen Kulturpolitik und auch dieses Mal nicht weniger als eine gesamtstrategische Neuausrichtung der entsprechenden Strukturen und Programme: So war es fortan das erklärte Ziel, den „Einfluss in der Welt zu sichern und die Globalisierung verantwortlich mitgestalten“ zu wollen (Auswärtiges Amt 2011: 2). Als Maßnahmen zur Erreichung jener Ziele wurden die Umschichtung von Mitteln „zugunsten prioritärer Bereiche“, die allgemeine Erhöhung von „Effizienz“ sowie die Einschränkung, bisweilen Beendung von Inlandsaktivitäten der Auswärtigen Kulturpolitik, festgelegt (Auswärtiges Amt 2011: 13). Nicht zuletzt wurde die Außenkulturpolitik im Zuge dieser Konzeption auch erstmals offensiv mit außenwirtschaftspolitischen Zielen verknüpft4 Doch trotz aller verschiedenen Schwerpunkte und strategischer Prioritäten, war es die drängende Frage jener Dekade, wie nachhaltiges Verständnis und Respekt für divergierende Wertevorstellungen und unterschiedliche Lebensweisen in der Welt erreicht werden können. Auch deshalb wurde im Rahmen der Konzeption 2000 erstmalig die Kulturelle Programmarbeit5 als Instrument der Auswärtigen Kulturpolitik hervorgehoben. Explizit heißt das, dass die Kulturelle Programmarbeit, hier zu definieren als der Bereich von Kunst, Musik, Literatur, Film und Architektur (vgl. Bauer 2005: 95), einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der Ziele der Auswärtigen Kulturpolitik zu leisten hat. Dabei bewegt sich die Kulturelle Programmarbeit immer in einem Spannungsfeld zwischen dieser politischen Aufgabe und der nötigen Kulturfreiheit, changiert in ihrem Zweck einerseits und der originären Beschaffenheit anderer4
5
Ein informativer Text von Düwell über die Geschichte der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik im 20. Jahrhundert findet sich im Handbuch Kultur und Außenpolitik (vgl. Düwell 2005). Die Begriffspaare Kulturelle Programmarbeit, Auswärtige Kulturpolitik, Auswärtige Musikprojekte, Auswärtige Musikarbeit, Auswärtiges Kulturmanagement und Auswärtige Musikpolitik werden im Zuge dieser Arbeit als feststehende Eigennamen betrachtet, womit sich die konsequent gleichbleibende Rechtschreibung begründet.
1.1 Gegenstand, Erkenntnisinteresse und Zielsetzung
3
seits zwischen „politischer Steuerung und kultureller Autonomie“ (Schreiner 2008: 5). Tatsächlich ist Kulturelle Programmarbeit nach wie vor weniger als eine „analoge und eigenständige strukturelle Organisation eines Programmbereichs in der Auswärtigen Kulturpolitik“ zu betrachten (Bauer 2005: 95). Dies ist darauf zurückzuführen, dass Komposita wie Kulturelle Programmarbeit „primär aus der Praxis Auswärtiger Kulturpolitik entstanden sind und nicht auf einer reflektierenden Theoriebildung im Kontext der politischen Konzeptionalisierung deutscher Auswärtiger Kulturpolitik beruhen“ (Bauer 2005: 96). Die Programmarbeit verhält sich dementsprechend primär additiv zu den außenkulturpolitischen Strategien, ist aber dennoch als wichtiger Bestandteil ebenjener zu verstehen.6 Traditionell wird in diesem Zusammenhang der Musik eine wichtige Rolle zuteil. Das liegt in erster Linie an der Wahrnehmung Deutschlands als Musikland, einem großen musikkulturellen Erbe sowie einer ausgeprägten Musiklandschaft. Die Philosophin Grünberg spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem „deutschen Klang“ und wie er „in der Musik mitschwingt“ (Grünberg 2010: 24, vgl. hierzu auch Applegate 2002). Grundlegender wird es bei einer soziokulturellen Betrachtung, nämlich, dass Musik „über kulturelle, physische und sprachliche Grenzen hinweg Menschen miteinander verbindet“ (Schmidt 2013:14). Auch gemäß dem E.T.A. Hoffmann zugeschriebenen Satz „Wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an“. 7 Die operative Durchführung der Kulturellen Programmarbeit obliegt den so genannten Mittlerorganisationen. Im Bereich der Musik ist das Goethe-Institut als wichtigster Akteur zu identifizieren, im Bereich der Laienmusik und Nachwuchsförderung arbeit es in besonderem Maße mit dem Deutschen Musikrat zusammen (vgl. Bertram 1999: 9f.). Der Deutsche Musikrat ist es auch, der bei der Betrachtung der Musik als Teil der Kulturellen Programmarbeit der Auswärtigen Kulturpolitik von einer Auswärtigen Musikpolitik spricht, verstanden als ein „Instrument, um mit und durch Musik Politik für eine humane Gesellschaft zu betreiben“ (Deutscher Musikrat 2009: 9). Dabei ist der Begriff Musikpolitik im öffentlichen Bewusstsein keineswegs verankert, schon gar nicht ist die Auswärtige Musikpolitik wissenschaftlich ausreichend erfasst. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Komposita 6
7
Im Rahmen des Berichts der Enquete-Kommission Auswärtige Kulturpolitik im Jahr 1975 wurde zwar nicht explizit über Kulturelle Programmarbeit gesprochen, jedoch bereits über die Möglichkeiten der kulturellen Begegnung durch Film, Fernsehen, Bibliotheken, Musikveranstaltungen u.a. (vgl. Deutscher Bundestag 1975: 45f.). Einer ähnlichen Argumentationslinie folgt ebenso der bereits erwähnte Bericht der Enquete-Kommission Auswärtige Kulturpolitik bei der Begründung von Musikarbeit im Rahmen der Auswärtigen Programme (vgl. Deutscher Bundestag 1975: 54). Ebenso Wissig (vgl. Wissig 1964: 53f.).
4
1 Auswärtige Musikpolitik: Einleitung
Auswärtige Musikpolitik und Auswärtige Musikarbeit bisher ebenso keine hinreichend semantische Unterscheidung erfahren haben. Die vorliegende Arbeit widmet sich der Musik als Bestandteil der Kulturellen Programmarbeit, dem Sprachgebrauch des Deutschen Musikrates folgend, der Auswärtigen Musikpolitik. Aus einer Betrachtung der Musik als Bestandteil der Kulturellen Programmarbeit lassen sich vielerlei Fragen ableiten, die so oder so ähnlich bereits in einigen wenigen Fachbeiträgen zur Kulturellen Programmarbeit im Allgemeinen gestellt wurden: Wie kann man vor Ort den unpräzisen globalpolitischen Ansprüchen Rechnung tragen, während man sich gleichzeitig auf die Ausgestaltung von bilateralen Maßnahmen konzentriert sowie an Relevanz und Nachfrage zu orientieren hat?8 Wie kann die Planung und Durchführung von Auswärtiger Musikpolitik als „eigenständige und integrierte Politikform“ verstanden und angeboten werden (Schulte 2000: 2)? Und weiter: Welche Rolle spielt die Musik in der Außenkulturpolitik überhaupt (vgl. Kalisch 2009: 12f.)? Verkommt die Programmarbeit nicht gar zum „Dekor des kulturellen Dialogs“, zum „Zierrat der Außenpolitik“ (Schwencke 1998: 50, Ehlich 1997: 50), wenn Ziele und Strategien im Ganzen schlichtweg „Festrednerisch-Unanschaulich“ bleiben (Lau 2001: 40)? Was bedeutet das konkret für die Kulturmanager9, die vor Ort entsprechende Ziele umzusetzen haben? (vgl. Bauer 2007: 640). Aus diesen verschiedenen Aspekten ergibt sich in der Praxis eine konkrete Frage- wie auch Problemstellung für die Verantwortlichen vor Ort, nämlich die nach ihrem Selbstverständnis. Anders: Inwiefern sind die Programmgestalter der Mittlerorganisationen und diplomatischen Vertretungen tatsächlich Kulturmanager, also Dienstleister, die Rahmenbedingungen musikalischer Produktion und Rezeption organisieren oder inwiefern betreiben sie vor dem Hintergrund nicht näher definierter Zielvorgaben des Auswärtigen Amts „praktische, realisierte Kulturpolitik“ (Fuchs 1999: 3)? Und sind diese Kulturmanager dementsprechend selbst Auswärtige Kulturpolitiker, die in ihrem Wirkungsfeld ein Musikangebot anhand eigener Ziele und Präferenzen ausfüllen (vgl. Mandel 2011: 28, Haselbach/u.a. 2012: 217)? Basierend auf diesen Überlegungen stehen folgende Erkenntnisfragen im Mittelpunkt dieser Arbeit:
8
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Das Begriffspaar „vor Ort“ bezeichnet in dieser Arbeit die im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik praktizierte Tätigkeit der Kulturmanager im Ausland. In dieser Arbeit wird fortan aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch selbstverständlich alle Geschlechter.
1.1 Gegenstand, Erkenntnisinteresse und Zielsetzung
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Wie wird die Auswärtige Musikpolitik Deutschlands im Ausland abgebildet? Inwieweit orientiert sich das Kulturmanagement der Mittlerorganisationen und deutschen Auslandsvertretungen an den strategischen Zielen der Auswärtigen Kulturpolitik und welche operativen Maßnahmen bzw. Konzepte leiten sie hieraus für die Planung und Durchführung von Musikprojekten ab? Inwieweit reflektieren die im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik im Ausland tätigen Projektverantwortlichen das eigene Involviertsein bei der musikprogrammatischen Gestaltung? Welche Qualifikationen sind für jene kulturmanageriale Ausgestaltung erforderlich? Bestimmen musikalische Kenntnisse und Interessen die Handlungslogik der Durchführenden und wie wirkt sich dies auf die Konzepte von Musikprojekten aus? Inwieweit finden die musikalischen Kenntnisse und Interessen sowie Erfahrungswerte des Kulturmanagents vor Ort umgekehrt auch Eingang in die außenmusikpolitischen Konzeptionen?
Auf der Basis des dargestellten Forschungsfeldes und des skizzierten Erkenntnisinteresses bildet eine zentrale Hypothese den Rahmen für die vorliegende Arbeit: Die Durchführung von Musikprojekten im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit erfolgt seitens der kulturmanagerial Verantwortlichen über ein eigenes Involviertsein sowie persönliche musikalische Präferenzen, jedoch überwiegend ohne strategische Implikation in Form kulturpolitischer Vorgaben. Das Ziel ist die Untersuchung von Musikprojekten im Ausland, die Dimensionen und Wechselbeziehungen von Kulturmanagement und Auswärtiger Kulturpolitik näher zu bestimmen. Hieraus sollen Handlungsimpulse abgeleitet werden, die zu einer strategischen und nachhaltigen Auswärtigen Programmarbeit, insbesondere einer strategischen Musikarbeit führen können.10 Im Fokus der Arbeit steht also nicht die grundlegende Konzeptionalisierung der Auswärtigen Kulturpolitik, sondern aus den Konzeptionen resultierende Vorgaben und ihre Umsetzungen, also eine Analyse des Kulturmanagements im Rahmen Auswärtiger Kulturpolitik und seiner konstitutiven Rahmenbedingungen. Als Forschungszeitraum sollen primär die Jahre 2000-2017 herangezogen werden. Dies begründet sich vor allem in der Tatsache, dass die Auswärtige Kulturpolitik im Jahr 2000 mit der Konzeption 2000 als auch im Jahr 2011 mit der 10
Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit wurde bereits in einem Beitrag für das Jahrbuch der Kulturpolitik 2017/18 als auch in einem Beitrag auf der Website von Brokering Intercultural Exchange vorgestellt (vgl. Crückeberg/u.a. 2018: 296f. und Maier 2018: o.S.).
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1 Auswärtige Musikpolitik: Einleitung
KONZEPTION 2011 jeweils grundlegende Revisionen erfahren hat und schließlich im Jahr 2015 einem erneuten Review-Prozess unterzogen wurde.11 In den genannten Zeitraum fallen die Legislaturperioden Schröder I und II sowie Merkel I, II und III. Besonders interessant ist der zu erforschende Zeitraum insbesondere auch deshalb, weil der Kulturellen Programmarbeit eine höhere Gewichtung im Rahmen außenkulturpolitischer Zielvorgaben zuerkannt wurde. Gleichwohl spielt auch der Zugang zu Quellen, Publikationen und nicht-öffentlichen Dokumenten eine Rolle, genauso wie die Auswahl von Gesprächspartnern und die hierdurch mögliche Identifikation von relevanten Projekten. Ein ebenso wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass in diesem Zeitraum zahlreiche relevante Strukturveränderungen im Bereich der Auswärtigen Musikpolitik festzustellen sind, so zum Beispiel die Auflösung der Verbindungsstelle des Deutschen Musikrates, der Kooperationsvertrag zwischen Goethe-Institut und Deutschem Musikrat sowie das Erscheinen verschiedener Positionspapiere.12 Da es sich bei dem Kulturmanagementbereich jedoch um ein höchst dynamisches Feld handelt und die Bestimmungen der Dimensionen und Wechselbeziehungen von Kulturmanagement und Auswärtiger Kulturpolitik ebenso stets von gegenwärtigen Entwicklungen abhängen, sollen auch – soweit es möglich ist – aktuelle Diskurse in die vorliegende Arbeit mit eingebracht werden. 1.2 Stand der Forschung, Darstellung der Forschungslücke Neben den für diese Arbeit grundlegenden und bereits erwähnten Konzeptionen des Auswärtigen Amts in den Jahren 2000 und 2011 sind noch weitere Publikationen von Relevanz: Hierzu sind der bereits genannte Bericht der EnqueteKommission zur Auswärtigen Kulturpolitik im Jahr 1975 sowie die Leitsätze für die Auswärtige Kulturpolitik (vgl. Auswärtiges Amt 1970) zu zählen, die 10 Thesen zur kulturellen Begegnung und Zusammenarbeit mit Ländern der Dritten Welt von 1982 (vgl. Auswärtiges Amt 1982), ebenso die wissenschaftlichen Aufbereitungen von Singer (vgl. Singer 2003, Singer 2004). Als wichtig und ebenfalls grundlegend sind die kulturtypologischen Einordnungen von Düwell zu betrachten (vgl. Düwell 2005), ebenso Hoffmanns Herausgeberschaft zu den Aufgaben der deutschen Kulturpolitik in der Welt (vgl. Hoffmann 1994) sowie
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Eine ausführliche Darstellung jener Konzeptionen erfolgt in Kapitel 3. Grundsätzlich wird im vorliegenden Text der Begriff Konzeption bei der Beschreibung übergeordneter Strategien verwendet, da dieser hier als Leitidee bzw. fließender Prozess verstanden werden soll. Der Begriff Konzept soll hingegen eher als fixierter Plan definieren werden, der seine Umsetzung durch konkrete Maßnahmen findet. Eine ausführliche Darstellung erfolgt in Kapitel 4.
1.2 Stand der Forschung, Darstellung der Forschungslücke
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die Antworten von Lepenies auf die Frage Wozu deutsche Auswärtige Kulturpolitik? (vgl. Lepenies 1996). In den vergangenen Jahren ist zudem eine Vielzahl von Publikationen erschienen, die sich mit den Grundlagen und Theorien der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik beschäftigen (vgl. exemplarisch Maaß 2005, Schulte 2000, Schreiner 2011 und Tham 2001).13 Zahlreiche Forschungsarbeiten am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim haben sich in den vergangenen Jahren ebenfalls mit der Thematik auseinandergesetzt, so mitunter Hampel, die in ihrer Arbeit Kriterien für eine internationale Kooperationskultur in transnationalen Produktionsprozessen entwickelt (vgl. Hampel 2014, außerdem Gad 2014). Auch Wolfgang Schneider, Leiter des Instituts für Kulturpolitik, hat bereits zahlreiche wissenschaftliche Beiträge zum Thema veröffentlicht. Hierzu gehört unter anderen die Publikation Auswärtige Kulturpolitik. Dialog als Auftrag – Partnerschaft als Prinzip (vgl. Schneider 2008a), zudem verschiedene Artikel in entsprechenden Veröffentlichungen (z.B. vgl. Schneider 2012) oder die jüngste Publikation zum Thema Kulturarbeit in Transformationsprozessen. Innenansichten zur Außenpolitik des Goethe-Instituts (vgl. Schneider/Kaitinnis 2016). Bemerkenswert sind auch die jüngsten Publikationen zur Auswärtigen Kulturpolitik, so eine Herausgeberschaft von Zimmermann und Geißler (vgl. Zimmermann/Geißler 2018), die eine Vielzahl an Beiträgen zur Auswärtigen Kulturpolitik der letzen fünfzehn Jahre bündelt, sowie das Jahrbuch für Kulturpolitik 2017/18, herausgegeben vom Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft (vgl. Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 2018). Der Aspekt der kulturellen Globalisierung hat bereits ein großes Maß an wissenschaftlicher Aufarbeitung erfahren (vgl. Mößner 2007, Siepelmeyer 2009, Gross 2012). Einige Autoren widmen sich hierbei im Besonderen der Unterhaltungskultur, auch der Musik (vgl. Altmann 2009, Taylor 1997, Martel 2011). Darüber hinaus wurde auch die Rezeption der Auswärtigen Kulturpolitik schon zum Gegenstand der Forschung gemacht (vgl. Bauer 2003). Auf die Kulturelle Programmarbeit beziehen sich vereinzelte Studien, die sich in ihrem Forschungsziel weitestgehend auf die Förderung einzelner künstlerischer Ausdrucksformen im Ausland beschränken. Besonders zu erwähnen sind die Untersuchungen von Denscheilmann zu Tourneeausstellungen der Mittlerorganisationen (vgl. Denscheilmann 2013). Ebenso wurde der potentielle Beitrag der Künste zur Krisen- und Konfliktprävention behandelt (vgl. Balla 2008). In den Publikationen von Schreiner werden die Strategien der Auswärtigen Kulturarbeit auf der einen Seite sowie Umsetzung, Nutzen und Wirkung auf der anderen Seite, betrachtet. Der Autor konzentriert sich vor allem auf die Frage, in 13
Einen umfassenden Überblick über die Publikationen zur Auswärtigen Kulturpolitik erhält man in den Katalogen der Bibliothek des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart.
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1 Auswärtige Musikpolitik: Einleitung
welchem Maße die Auswärtige Kulturpolitik „trotz einer großen Vielfalt an unterschiedlichen Perspektiven der beteiligten Akteure Rahmenfunktionen für andere Politikfelder erfüllen“ kann, um hieraus Handlungsempfehlungen für eine strategische Steuerung Auswärtiger Kulturpolitik ableiten zu können (Schreiner 2008: 7,vgl. auch Schreiner 2011a). Die Arbeit der Mittlerorganisationen war bereits mehrfach Inhalt von Forschungsarbeiten. Diese beschäftigen sich zumeist ländervergleichend mit der Umsetzung des kulturpolitischen Auftrags (vgl. beispielhaft Maier 2005, Altmann 2003, Znined-Brand 1999). Einige Beiträge befassen sich zudem mit dem Auftrag zur Förderung der deutschen Sprache im Ausland (z.B. vgl. Krumm 1996), andere beziehen sich auf die historischen Entwicklungen der Mittlerorganisationen (vgl. Kathe 2005, Schumacher 2011). Auch zu den politischen Dimensionen der Musik sind einige erwähnenswerte Texte erschienen. Diese Arbeiten haben einen überwiegend musikethnologischen Hintergrund, beschäftigen sich mit der Rezeption von Musik, ihrer Rolle in der Gesellschaft sowie ihrem Verhältnis zur Politik (vgl. Leppert 1987, Attali 2014, Frevel 1997, Cannaris 2005, Gienow-Hecht 2018). Ebenfalls einer musikwissenschaftlichen Analyse entsprechen zahlreiche Publikationen zur grenzüberschreitenden Wirkung von Musik als Instrument zum Dialog der Kulturen (vgl. z.B. Baumann 1991). Die Musik als Bestandteil der Kulturellen Programmarbeit der Auswärtigen Kulturpolitik ist weder in Gänze besprochen noch erforscht, es finden sich nur sehr wenige allgemeine Texte (vgl. Der Generalsekretär des Goethe-Instituts zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland und zur Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit 1992 und Yaeger 2014), oft in Bezug auf ihre Nutzung als Instrument zum besseren Erlernen der deutschen Sprache (vgl. Rössel/Kreher 2007) oder als Instrument zur politischen Bildung (vgl. Kleinen 2011). Hervorgehoben werden soll die Arbeit von Ittstein, der in seiner Dissertation die gesellschaftlich-kommunikativen Dimensionen (soziale Prozesse) der Musik anhand der Arbeit der deutschen Mittlerorganisation in Indien analysiert (vgl. Ittstein 2009). Einen aufschlussreichen Einblick in die Nutzung der populären Musiken im Rahmen von Public Diplomacy gewährt die Herausgeberschaft von Dunkel und Nietzsche: In einzelnen Beiträgen werden verschiedene Perspektiven der Public Diplomacy, von der Rolle des Jazz während des Kalten Kriegs bishin zu migrantischer und post-migrantischer Integration durch Musik in Deutschland behandelt (vgl. Dunkel/ Nietzsche 2018). Im Jahr 2019 erschien zudem ein Sammelband von Peres da Silva/ Hondros mit dem Titel Music Practices Across Boarders (vgl. Peres da Silva/ Hondros 2019).
1.3 Definitionen und Begriffe
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Wichtig sind auch die Grundsatzpapiere des Deutschen Musikrates, die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Deutschen Musikrat und dem GoetheInstitut sowie der Rahmenvertrag zwischen dem Goethe-Institut und dem Auswärtigen Amt (vgl. Deutscher Musikrat 2008, Deutscher Musikrat 2009, Auswärtiges Amt 2001). Die kulturmanagerialen Aspekte in der Auswärtigen Programmarbeit finden kaum Beachtung, abgesehen von einigen kurzen Noten (vgl. Hamm-Brücher 1994, Bode 2002, Knüsel 2011). Viel mehr haben all diese Arbeiten gemein, dass ihnen keine konkrete Reflexion und Analyse der Beziehung von Kulturpolitik und Kulturmanagement in der Auswärtigen Programmarbeit innewohnt. Es liegen keine empirischen Erkenntnisse vor, die auf die „Interaktion von Kulturmanagement und Kulturpolitik“ eingehen (Mandel 2011: 39). Dementsprechend hat auch eine theoretische Auseinandersetzung mit diesen beiden eng miteinander verknüpften Themenfeldern bisher kaum Eingang in den wissenschaftlichen Diskurs um die Auswärtige Kulturpolitik gefunden. Es kann also festgestellt werden, dass die Forschung Fragen nach dem Verhältnis von Auswärtiger Kulturpolitik zu Kulturmanagement und umgekehrt weitestgehend ausklammert. Dementsprechend kann eine Forschung, die sich aus interdisziplinärer Sicht mit dem musikalischen Angebot und dem beschriebenen Spannungsverhältnis von strategischen Zielvorgaben und der operativen Umsetzung vor Ort beschäftigt, ebenfalls als Desideratum bezeichnet werden. Die Auswärtige Musikpolitik findet in diesem Zusammenhang keine wissenschaftliche Würdigung, sie kann in Anlehnung an Witte dementsprechend nach wie vor als „Praxis ohne Theorie“ beschrieben werden (Witte 2001: o.S.). An diesen Wissensund Theoriedefiziten willl das Promotionsvorhaben ansetzen. Nach wie vor kann der Aussage von Schneider Gültigkeit bescheinigt werden: „Auswärtige Kulturpolitik wissenschaftlich zu untersuchen heißt nicht nur Institutionskunde zu betreiben, viel mehr geht es um Aufgaben und Ziele, sowie um Mittel und Möglichkeiten bei deren Umsetzung“ (Schneider 2008b: 8). Dabei gelte es „in besonderer Weise die Wirklichkeit anhand von Beispielen aus der Praxis unter anderem von Sprachförderung, Kulturaustausch und Wissenschaftstransfer zu hinterfragen“ (ebd.). 1.3 Definitionen und Begriffe Im Folgenden sollen als Grundlage dieser Arbeit einige relevante Termini genauer erläutert werden.
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1 Auswärtige Musikpolitik: Einleitung
Kulturbegriff Als Grundlage für diese Arbeit soll der erweiterte Kulturbegriff genutzt werden, an dessen Definition sich auch die Auswärtige Kulturpolitik bereits seit den 1970er Jahren orientiert und der im Rahmen der Weltkonferenz über Kulturpolitik der UNESCO im Jahr 1982 auch eine Definition erfahren hat, die bis heute Gültigkeit erfährt: „Die Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen“ (Deutsche UNESCO-Kommission 1983: 121). Die Orientierung am erweiterten Kulturbegriff, eine „pragmatische, anwendbare Verbindung von Kunst, Politik und Gesellschaft“ als Anwendungsfeld der Auswärtigen Kulturpolitik, ist, einem Beitrag von Knopp in Politik & Kultur folgend, der Gegensatz einer etastischen Vorstellung von einem konkreten politischen Nutzen für die Umsetzung außenpolitischer Ziele (Knopp 2018: 251). Dabei ist die praktische Anwendung dieses Begriffs in der internationalen Kulturarbeit von großer Wichtigkeit: Entscheidend sei hierbei – so Balla -, dass der Kulturbegriff offen und nicht statisch gedeutet werde: „In solchen Wechselbeziehungen tragen Kulturen und Nationen zu einer qualitativen Dynamik der internationalen und interkulturellen Beziehungen bei und sind somit die Voraussetzung für das Begreifen anderer. Kultur ist dementsprechend die Basis für eine globalisierte Gesellschaft“ (Balla 2008: 143). Auswärtige Kulturpolitik Auswärtige Kulturpolitik wird als „Gesamtheit der sozio-kulturellen Aktionen einer in einem souveränen Nationalstaat organisierten Gesellschaft gegenüber ihrer internationalen Umwelt“ verstanden (Bauer 2003: 132f.). Die Auswärtige Kulturpolitik ist somit Bestandteil der Außenpolitik und im Auswärtigen Amt angesiedelt (vgl. Schwencke/u.a. 2009: 37). Zum konkreteren Verständnis dienen die von der Enquete Kommission 1975 formulierten Grundsätze der Auswärtigen Kulturpolitik, die bis heute – natürlich entsprechend der politischen
1.3 Definitionen und Begriffe
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Gewichtung und Interpretation, außerdem angepasst an das wiedervereinte Deutschland – Gültigkeit besitzen: „1. Sie steht gleichwertig neben Diplomatie und Außenwirtschaftspolitik, 2. Sie geht trotz staatlicher Trennung der Deutschen von einer gemeinsamen deutschen Kultur aus, 3. Sie muss sich an den Zielen der Außenpolitik orientieren, soll aber nicht Magd des Politischen oder gar der Außenpolitik werden, 4. Sie kann nicht mehr auf einseitigen Kulturexport beschränkt bleiben, sondern muss sich den kulturellen Wechselbeziehungen und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit öffnen, 5. Sie vermittelt ein ausgewogenes, wirklichkeitsnahes und selbstkritisches Deutschlandbild“ (zit. nach Maaß 2005: 25). Ziele der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik sind die „Präsentation Deutschlands und der deutschen Kulturszene im Ausland, die weltweite Förderung der deutschen Sprache, die Stärkung des Bildungsstandorts Deutschland durch die Vergabe von Stipendien, die Stärkung der europäischen Integration sowie ein Beitrag zur zivilen Konfliktprävention durch Bildungs- und Kulturprogramme in krisenanfälligen Gebieten“ (Schwencke/u.a. 2009: 38). Neben dem Auswärtigen Amt sind jedoch auch weitere politische Akteure zu nennen, die Mittel für die Auswärtige Kulturpolitik bereitstellen. Das sind beispielsweise die Mittel des Deutschen Bundestags für die Förderung des deutschen Jugendaustauschs, die Mittel des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend sowie andere Dienststellen (vgl. Endress 2005: 178). Bei der Nutzung der Kultur als Mittel der Außenpolitik wird auch häufig der Terminus Kulturdiplomatie verwendet, der auf die vor allem US-amerikanische Verwendung des Begriff Cultural Diplomacy oder Diplomacy of Cultures14 zurückgeführt werden kann. Dieser Begriff kann wiederum nicht ausschließlich auf eine „amtliche Kulturpolitik“ beschränkt werden, sondern beschreibt viel mehr ein Netzwerk aus „Personen in unterschiedlichen Positionen“, die beispielsweise über den Austausch von Ideen und Werten einen „transnationalen wie trankulturellen Dialog“ fördern (Paulmann 2005:11). Kulturdiplomatie basiert auf der Theorie der Public Diplomacy, die sich in ihrer ursprünglichen Definiton auf die „Kommunikationsprozesse“ staatlicher Akteure eingeschränken lässt. Dies wur14
In der vorliegenden Arbeit wird mitunter das so genannte Code-Switching angewandt, was sich in den vergangenen Jahren als Definition des Wechsels zwischen verschiedenen Sprachen beim Lesen etabliert hat. Die Thematik dieser Arbeit sowie die bisweilen wichtigen sprachlichen Details, die gegebenenfalls durch eine Übersetzung verloren gehen könnten, rechtfertigen eine entsprechende Umsetzung.
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1 Auswärtige Musikpolitik: Einleitung
de jedoch in den vergangenen Jahren verstärkt auf Kommunikationsaspekte aller transkulturell handelnden Akteure, welche „die Wahrnehmung des eigenen Landes im Ausland beeinflussen“, ausgeweitet (Ostrowski 2010: 20, außerdem Löffelholz/u.a. 2019). Ferner impliziert der Begriff auch einen „Wettbewerb der Kulturen“ (Nathaus 2018: 44), welcher deutlich vom überwiegenden Teil der in dieser Arbeit vorgestellten Konzeptionen von Außenkulturpolitik abweicht. Dementsprechend kann bei Cultural Diplomacy auch von einem Konzept persuasiver Kunstvermittlung gesprochen werden. Aufgrund der Unschärfe der Definitionen und der in Deutschland eher seltenen wie tendenziell unpassenden Nutzung jener Begrifflichkeiten wird im Rahmen dieser Arbeit auf eine Verwendung des Begriffs weitestgehend verzichtet. Kulturelle Programmarbeit „Der souveräne Staat ist Träger von Außenpolitik und Kulturpolitik, aber in der Kulturpolitik bedient er sich in weiten Bereichen dem Zustand der pluralistischen Gesellschaft gemäß der Gruppen, die die Kultur tragen. Zugleich bringt der Staat damit seine Überzeugung zum Ausdruck, dass Kultur nur im Raum der Freiheit wächst. Er lässt die Gesellschaft, deren Ordnung er bewirkt, frei kommunizieren mit den Gesellschaften, die in anderen Staaten vertreten sind“ (Martin 1964: 10). Dieses Zitat aus den 1960er Jahren zeigt, dass die Trennung der Auswärtigen Kulturpolitik und ihrer praktischen Umsetzung bereits weit vor einer terminologisch schärferen Trennung gehandhabt wurde. So verdeutlicht Schober in ihrer Dissertation zu Kunst- und Kunstgewerbeausstellungen als Mittel der Auswärtigen Kulturpolitik in der Weimarer Republik, dass Kunst bereits nach dem 1. Weltkrieg als wichtiger Bestandteil der Bemühungen zur Normalisierung diplomatischer Beziehungen gewertet worden sei (vgl. Schober 2004: 182, ebenso Denscheilmann 2013: 48). Die Struktur der Auswärtigen Kulturpolitik – so wie sie mitsamt den Mittlerorganisationen existiert – entwickelte sich schließlich nach dem 2. Weltkrieg, nachdem Kultur während des Nationalsozialismus als Propagandainstrument missbraucht worden war.15 15
Eine Darstellung der Geschichte der Kulturellen Programmierarbeit ist nicht Thema dieser Arbeit. Zur Geschichte und zum Auftrag der Kulturellen Programmierarbeit vgl. Wissig 1976: 13ff., Denscheilmann 2013, Schober 2004, Bauer 2005 und Bauer 2010. Zur Entwicklung der Mittlerorganisationen vgl. Paulmann 2005. Zur Entwicklung des Begriffs Kulturelle Programmierarbeit vgl. Bauer 2011.
1.3 Definitionen und Begriffe
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Sattler stellte im Jahrbuch der Auswärtigen Kulturbeziehungen 1964 fest, dass im 20. Jahrhundert eine „Dritte Bühne“ außenpolitischer Beziehungen „entstanden zu sein scheint, auf der mit Filmen, Sportkämpfen, Ausstellungen, Büchern, Theaterstücken und Ballets, mit dem Austausch von Wissenschaftlern und Erziehern, von Studenten und Erwachsenenbildern gespielt wird" (Sattler 1964: 16). Im Jahr 1975 wurde der Auswärtigen Kulturpolitik schließlich im Rahmen des Abschlussberichts der Enquete Kommission auch eine besondere Qualität der internationalen Beziehungen“ zugeschrieben (Auswärtiges Amt 1975: 9). Der Begriff Kulturelle Programmarbeit etablierte sich allerdings erst wesentlich später.16 Bauer stellt in seiner Suche nach der historischen Einordnung des Begriffs fest, dass Kulturelle Programmarbeit „zunächst als Ressortbegriff der institutionalisierten Auswärtigen Kulturpolitik zu verstehen" war (Bauer 2011: 2). Der Terminus „Programm“ hätte dabei ein „konzeptionelles Interesse der Außenpolitik“ suggeriert, das sich ferner in den Schlagworten „Dialog der Kulturen, interkultureller Dialog, Präsentation der Bundesrepublik als Kulturstaat, vertrauensbildende Maßnahme oder sicherheitspolitisches Instrument“ äußerte (ebd.). Seit der Konzeption 2000 wird der Begriff auch in Abgrenzung zu den Feldern Spracharbeit, Wissenschaft und Entwicklungsarbeit verwendet. Die Kulturelle Programmarbeit obliegt den im Auftrag des Bundes wirkenden Mittlerorganisationen und wird darüber hinaus durch „eine Vielzahl von privaten Initiativen sowie Aktivitäten von Vereinen, kirchlichen Gruppen, Stiftungen, usw.“ mitgestaltet (Bauer 2003: 135). Auf der Basis des erweiterten Kulturbegriffs und orientiert an den Zielen der Außenpolitik, werden „Programm und Projekte in den Bereichen Kunst, Literatur, Architektur, Musik, Archäologie, u.v.m.“ realisiert (Bauer 2005: 100f.).17 16
17
Der Begriff Kulturelle Programmarbeit fehlt in allen relevanten Papieren, so zum Beispiel in den Leitsätzen für die Auswärtige Kulturpolitik (1970) des Auswärtigen Amts, in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Enquête-Kommission Auswärtige Kulturpolitik des Bundestages (vgl. Bundesregierung 1977) sowie in den Zehn Thesen zur kulturellen Begegnung und Zusammenarbeit mit Ländern der Dritten Welt (1982) des Auswärtigen Amts. Einzig die Stellungnahme der Bundesregierung (1977) zum EnquêteBericht enthält die ähnliche Formulierung Programme der auswärtigen Kulturpolitik (vgl. hierzu ausführlich Bauer 2011). Zur Wichtigkeit der Kulturellen Programmarbeit der Goethe-Institute schrieb die spätere Nobelpreisträgerin Hertha Müller in einem Essay: „Das freie Wort muss Voraussetzung bleiben und nicht das richtige Deutsch. Jenseits davon wird Kulturarbeit unmöglich. Nur durch Bücher in den Bibliotheken, durch Lesungen, Filme, Konzerte, Ausstellungen wird das freie Denken lebendig gehalten. Denn es geht um Inhalte. (...) Als zu Lesungen angereiste Autorin habe ich an vielen Goethe-Instituten das gleiche festgestellt: Die Sprachlehrer bleiben den kulturellen Veranstaltungen fern. Ihre Vorstellung von Arbeit bleibt stecken in der „Effektivität“. (...) Wenn der Deutschunterricht zum wichtigsten Interesse wird, tilgt das Goethe-Institut seine eigene Substanz“ (Müller 1996: 122).
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1 Auswärtige Musikpolitik: Einleitung
Kulturelle Programmarbeit ist dementsprechend die Umsetzung Auswärtiger Kulturpolitik in konkrete Maßnahmen und „bildet gegenüber der strategischkonzeptionellen Ebene der Auswärtigen Kulturpolitik die operative Ebene der Implementation“ (Schreiner 2008: 6). Dabei soll – wie bereits oben dargestellt – die Kulturelle Programmarbeit kein „einseitiger Kulturexport von Sprache, Wissenschaft, Kultur oder Kunst“ sein, sondern orientiert sich an dem „Grundsatz kultureller Wechselbeziehungen und partnerschaftlicher Zusammenarbeit (Zweibahnstraße) und gegenseitiger Bereicherung nationaler Kulturtraditionen“ (Klein 2009: 112f.). In dieser Arbeit umfasst der Begriff Kulturelle Programmarbeit dementsprechend alle Maßnahmen, die mit den Mitteln der Kulturarbeit Ziele der Außenpolitik verfolgen und bezieht sich – auch in Abgrenzung zur Public Diplomacy – überwiegend auf die Arbeit der Mittlerorganisationen. Dazu gehört jedoch explizit auch die Spracharbeit, sofern ihre Vermittlung auf künstlerischen Inhalten fußt. Weitere Akteure finden zwar Erwähnung, werden jedoch in der Analyse der Musikprojekte ausgeschlossen. Ergänzend wird in dieser Arbeit an der einen oder anderen Stelle auch der Begriff Auswärtige Musikarbeit genannt. Dies soll definitorisch als Eingrenzung der Kulturellen Programmarbeit auf die Musik verstanden werden. Kulturmanagement Unter Kulturmanagement wurden viele Jahre – entsprechend der klassischen Managementlehre – die Planung, Organisation und Kontrolle kultureller Einrichtungen, die Analyse ordnungspolitischer Rahmenbedingungen sowie die strategisch-operativen Aufgaben wie Finanzmanagement, Marketing und Kommunikation verstanden (vgl. Schwencke/u.a. 2009: 108). Auch nach Bendixen sind die Grundfunktionen und Steuerungsaufgaben des Kulturmanagements in verschiedene Abläufe, nämlich Zielsetzung, Planung, Organisation, Controlling und Führung zu gliedern (vgl. Bendixen 2006: 72f.) Die Funktionen seien dabei jedoch nicht als Prozess, sondern als „immer wiederkehrende Phasen“, als revolvierender Prozessverlauf zu verstehen (ebd.). Nach Scheytt ist es das Ziel des professionellen Kulturmanagements, auf Basis betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse einen exzellenten Kulturbetrieb zu generieren (vgl. Scheytt 2008: 122). Vor dem Hintergrund des Spannungsfeldes zwischen kultureller Autonomie auf der einen und Marktorientierung auf der anderen Seite bezeichnen sich die Kulturmanager selbst mitunter gerne als „Ermöglicher und Schnittstellenagenten für die Ressourcensicherung, Legitimation und Akzeptanz künstlerisch-kultureller Prozesse in der Gesellschaft“ (Schwencke/u.a. 2009: 108). Heinrichs und
1.4 Methodik
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Klein prägen den Begriff der Bezugsdisziplin, der zum Ausdruck bringen soll, dass „die Theorie des Kulturmanagements sich nicht auf eine einfache Übernahme betriebswirtschaftlicher Methoden beschränken darf, sondern immer auch den Kontext berücksichtigen muss, in dem kulturelles Handeln stattfindet“ (Heinrichs/Klein 2001: 38f.). Dies kann und muss dann dementsprechend auch und in besonderem Maße für die Kulturelle Programmarbeit gelten. Der Kulturmanager müsse sich – einer Definition von Heskia folgend – „laufend mit der Kunst auseinandersetzen, ein operatives Verständnis für die künstlerischen Prozesse besitzen“ und „Kunstwissen und Management zu kultureller Leadership bündeln“ (Heskia 2014: 98f.). Im Zuge zahlreicher Diskussionen, Tagungen und Publikationen hat sich die „klassische“ Betrachtung des Rollenbilds der Kulturmanager hin zu einem interdisziplinären Begriffsverständnis verändert (vgl. Heinrichs/Klein 2001: 194).18 Kulturmanager sind – einer Definition von Fischer folgend – „mit Leitungsaufgaben oder mit einzelnen Sachfunktionen in den Bereichen Kulturproduktion, Kulturvermittlung, Kulturförderung und Kulturerhaltung befasst. Sie sind Kulturschaffende, die sich auch im Planerischen und Organisatorischen bewegen, oder sie kommen vom Management und stellen sich mit ihren Fähigkeiten in den Dienst der Kunst“ (Fischer 2004: 100). 1.4 Methodik Diese Arbeit stützt sich auf einen kompilativen Methodenmix wie er unter anderem von Föhl/Glogner-Pilz vorgeschlagen wird (vgl. Föhl/Glogner-Pilz 2017: 54). Hierzu gehören eine Quellenanalyse, eine Analyse und Systematisierung verschiedener im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik durchgeführte Musikprojekte, eine Auswertung von Experteninterviews unter Berücksichtigung von Hintergrundgesprächen sowie eine teilnehmende Beobachtung.19
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Weiterführende Einordnungen und Definitionen zum Kulturmanagement vgl. u.a. Hausmann 2012 oder Heinrichs 2012. Auf die Auswertung der Experteninterviews sowie die teilnehmende Beobachtung wird als Grundlage der Projektauswertung in Kapitel 7 nochmals dezidiert eingegangen.
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1 Auswärtige Musikpolitik: Einleitung
Quellenanalyse Als Grundlage für diese Arbeit dient eine ausführliche Quellenanalyse. Hierzu wurden für das Thema relevante Pubilkationen ausgewertet. Dazu gehören die politischen Papiere, wissenschaftliche Publikationen, Tagungsergebnisse sowie journalistische Texte und unveröffentlichte Papiere. Auch auf weitere begleitende Materialien wie Präsentationen und Evaluationen wurde zurückgegriffen. Analyse Musikprojekte Als nächster Schritt erfolgte eine ausführliche Analyse und in deren Folge eine Systematisierung der im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik durchgeführten Musikprojekte in den Jahren 2000–2017. Hierzu wurde auf verschiedene zur Verfügung stehende Listen, u.a. auch interne Dokumentationen des GoetheInstituts, zurückgegriffen. Hintergrundgespräche Aufbauend auf der inhaltlichen Analyse der vorliegenden Fachliteratur und anderer Publikationen, wurden zur Vorbereitung der theoretischen Kapitel und der Erarbeitung der Interviewleitfäden mehrere Hintergrundgespräche und Korrespondenzen mit Vertretern der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts, Mitarbeitern der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und des Deutschen Musikrates geführt. Verlaufsprotokolle und Aufnahmen dieser Hintergrundgespräche liegen zwar vor, sind aber nicht zur Veröffentlichung vorgesehen. Die Hintergrundgespräche mit Jörg Süßenbach (Leiter Bereich Musik des Goethe-Instituts) und Volker Mettig (ehemaliger Leiter der Verbindungsstelle für internationale Beziehungen des Auswärtigen Amts beim Deutschen Musikrat) wurden rückwirkend durch die Gesprächspartner zur Nutzung freigegeben und können deshalb im Rahmen dieser Arbeit zitiert werden. Es war Ziel, durch die Auswahl der Hintergrundgespräche ein entsprechend breites Meinungsbild der Akteure Auswärtiger Musikpolitik widerspiegeln zu können. Expertengespräche Da in den Bereichen Auswärtige Musikpolitik und internationales Kulturmanagement noch von einer Grundlagenforschung gesprochen werden kann, be-
1.5 Aufbau der Arbeit
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gründete die vorgelegte These eine qualitativ empirische Vorgehensweise als wichtigstes Evaluationsinstrument dieser Arbeit. Deshalb wurde anhand der Kriterien der qualitativen Forschung ein Leitfaden entwickelt und auf dessen Basis Expertengespräche mit verschiedenen Kulturmanagern der Mittlerorganisationen geführt. Die Leitfäden wurden entsprechend des Kontextwissens der Interviewten abgewandelt und ergänzt. Insgesamt wurden acht für das Thema relevante Personen identifiziert und interviewt.20 Die Auswertung der Interviews wurde anhand einer strukturierenden Inhaltsanalyse vorgenommen. Im Sinne dieser Vorgehenweise wurde ein Kategoriensystem gebildet, um hieraus eine Struktur herauszuarbeiten. Auf Grundlage dieser Struktur, ergänzt mit Kontextwissen, wurden die Ergebnisse herausgearbeitet. Teilnehmende Beobachtung Ergänzend zu den oben genannten Punkten wurde zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse das Musikprojekt Musiktour Leila Akinyi von 20. bis 22. Januar 2019 begleitet. Die Beobachtung des Projektmanagements und die Gespräche mit den durchführenden Kulturmanagern sowie den beteiligten Künstlern wurden in die Auswertung der Expertengespräche mit eingearbeitet. 1.5 Aufbau der Arbeit In Kapitel 2 erfolgt zunächst eine Einordnung des Begriffs Musikpolitik. Hierzu werden die verschiedenen kulturpolitischen Dimensionen der Musik beleuchtet und diese anschließend in einen internationalen Kontext gestellt. In Kapitel 3 wird die Rolle der Musik als Bestandteil der Auswärtigen Kulturpolitik hinterfragt. Als Grundlage dessen werden hierzu die Konzeptionen der Auswärtigen Kulturpolitik von 2000 bis 2017 beleuchtet. Im vierten Kapitel werden schließlich die einzelnen Akteure der Musikarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik vorgestellt und die Ergebnisse zusammengefasst. Das Kapitel wird mit zwei kurzen Exkursen zu den Themen Musik und Globalisierung sowie Musikexportförderung ergänzt, um so eine noch breitere Expertise in der Betrachtung der Auswärtigen Musikpolitik zu erhalten. Im fünften Kapitel erfolgt eine Systematisierung von Musikprojekten in der Auswärtigen Musikpolitik. Auf Basis der Literaturanalyse, der Hintergrundge20
Der gesamte Anhang sowie alle für diese Publikation relevanten Interview-Aufzeichnungen sind beim Verfasser dieser Arbeit auf Wunsch einsehbar.
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1 Auswärtige Musikpolitik: Einleitung
spräche und Auswertung vorliegender Papiere sollen so die gängigen Formate und Formen Auswärtiger Musikpolitik vorgestellt werden. Anschließend wird im sechsten Kapitel das Management von Musikprojekten, welches im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit durchgeführt wird, konkreter untersucht. Zunächst wird die Rolle des Kulturmanagements an der Schnittstelle zwischen operativer Umsetzung und politischer Regulierung dargestellt, schließlich werden die wesentlichen Instrumente beim Management von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik eingegrenzt. Anschließend wird hinterfragt, ob das internationale Kulturmanagement als theoretischer Bezugsrahmen der Untersuchung identifiziert werden kann. Im siebten Kapitel wird die Untersuchung der Konzeptionen und Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik vorgelegt. Es enthält eine nochmals konkretere Vorstellung der Untersuchungsmethode, eine Begründung der Auswahl der untersuchten Musikprojekte sowie des gewählten Forschungsdesigns und eine Darstellung der teilnehmenden Beobachtung. Das Kapitel mündet schließlich in der Präsentation der Ergebnisse der Untersuchung, welche in verschiedenen Kategorien zusammengefasst werden. Die Zusammenfassung der Ergebnisse folgt in Kapitel 8 in Form von Überlegungen für eine konzeptionelle Auswärtige Kulturpolitik und kulturmanageriale Konsequenzen.
2 Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems: Einordnung
Der Begriff Musikpolitik wird überwiegend im offiziellen Sprachjargon des Deutschen Musikrates genutzt und hat sich im öffentlichen Bewusstsein wenig verankert.21 Bezeichnend ist hierfür eine Anekdote aus dem Jahr 2005: „Musikpolitik – was ist denn das?“ entfuhr es dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily im Berliner Konzerthaus während einer Laudatio auf die PHILHARMONIE DER NATIONEN und fügte entschuldigend hinzu, dass der Begriff ihm seine Beamten aufgeschrieben hätten“ (zitiert nach Höppner 2009: 8).22 Dabei findet die Musik durchaus im politischen Diskurs statt: Zum einen erfährt die Musik eine grundlegende Würdigung, so wie beispielsweise durch den ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, der seinerzeit feststellte, dass erst die Musik den Menschen zu einem ganzen Menschen mache (vgl. Rau 2003: o.S.). Zum anderen ist Musik aber vor allem ein fester Bestandteil der alltäglichen kulturpolitischen Arbeit. So zeigt sich die starke Verankerung der Musik im kulturpolitischen Diskurs zum Beispiel im Schlussbericht der EnqueteKommission des Deutschen Bundestages Kultur in Deutschland, in dem insbesondere die musikalische Bildung sowie der Aspekt der Musikwirtschaft ausgiebig Erwähnung finden. Am Beispiel der Musikvereine, also dem der Aspekt der Laienmusik, wird die der Musik zugesprochene Wichtigkeit besonders deutlich: „Chöre und Instrumentalgruppen bereichern das kulturelle Leben in den Regionen, sprechen einen großen Zuhörerkreis an und vermitteln oft erste oder einzige unmittelbare Kulturerlebnisse. Musikvereine verstehen sich 21
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Der Begriff Musikpolitik wurde wohl erstmalig von Leo Kestenberg in einem Zeitungsartikel Angewandte Musikpolitik (Berliner Tageblatt Nr. 425 vom 21.9.1922) verwendet, der im Grundsatzpapier des Deutschen Musikrates zitiert wird: „Die Überschrift entstammt einem Aprilscherz. Eine Musikzeitung ließ mich just zum 1. April einen Lehrauftrag an der Berliner Hochschule für Musik übernehmen, der das Gebiet der angewandten Musikpolitik umfassen sollte. Der Scherz traf eine so bitter enttäuschte und zerrissene Zeit, dass er überall ernstgenommen wurde, ja selbst in Frankreich richtete der Herausgeber der Zeitschrift Le Menestrel die Anfrage an die französische Regierung, was sie angesichts dieser politisch-musikalischen Aktion zu tun gedächte“ (zit. nach Deutscher Musikrat 2009: 5). Der Begriff Theaterpolitik hingegen ist eher als etablierter und emanzipierter Begriff in der Kulturpolitik zu erachten (vgl. Herdlein 1981).
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Maier, Auswärtige Musikpolitik, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30541-3_2
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2 Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems: Einordnung
nicht nur als Ort der Musikpflege, sondern auch als Institution sozialer und kommunikativer Repräsentanz. Sie integrieren alle Altersgruppierungen, nationalen Zugehörigkeiten, ohne intellektuellen oder sozialen Unterschieden Bedeutung zuzumessen“ (Deutscher Bundestag 2007a: 163f.). Wie bereits aus den verschiedenartigen Kategorien des Schlussberichts der Enquete-Kommission herauszulesen ist, findet also auch Musik in verschiedenen kulturpolitischen Kontexten statt. Im folgenden Kapitel sollen diese verschiedenen Wirkungsebenen der Musik aufgeschlüsselt und anschließend in einen internationalen Kontext gesetzt werden. Dies soll schließlich auch dazu beitragen, ein grundlegendes Verständnis des Begriffs Auswärtige Musikpolitik herzustellen. 2.1 Kulturpolitische Dimensionen der Musik Die kulturpolitischen Dimensionen der Musik sind im Wesentlichen mit den unterschiedlichen Zielen der Kulturpolitik gleichzusetzen – diese Ziele lassen sich aus dem Zusammenspiel der unterschiedlichen Wirkungsebenen, den Konzepten und Ideen von Kultur, definieren. Es zeigt sich, dass die Ziele und die entsprechenden kulturpolitischen Schwerpunkte immer wieder divergieren und ihre Gewichtung seit jeher Gegenstand zahlreicher Kontroversen ist, da sie logischerweise auch als Legitimation für kulturpolitische Entscheidungen dienen. Fuchs spricht bei der Betrachtung verschiedener kulturpolitischer Ziele folglich auch von „Begründungsweisen“, die er aus dem systemtheoretischen Gesellschaftsmodell und seinen vier Subsystemen Politik, Wirtschaft, Soziales und Kultur ableitet (Fuchs 2007: 55ff.). Klein wiederum kategorisiert in a) ästhetisch-inhaltliche, b) bildungspolitische, c) gesellschaftspolitisch orientierte und d) ökonomische Ziele kulturpolitischen Handelns (vgl. Klein 2009: 173f.). In Anlehnung an diese Definitionen sollen die verschiedenen kulturpolitischen Dimensionen der Musik als Grundlage weiterführender Analysen aufgeschlüsselt werden.23 2.1.1 Ästhetisch-inhaltliche Dimensionen der Musik Die ästhetisch-inhaltlichen Zielsetzungen der Kulturpolitik zielen darauf ab, dass es Aufgabe staatlichen Handelns ist, „Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen 23
Eine ähnliche Unterteilung der kulturpolitischen Dimensionen der Musik hat der Verfasser dieser Arbeit bereits in einer vorherigen Publikation veröffentlicht (vgl. Maier 2014). Der Autor folgt dieser Ausarbeitung und macht entsprechende inhaltliche Referenzen kenntlich.
2.1 Kulturpolitische Dimensionen der Musik
21
Kunst und Kultur sich (in jeder Hinsicht) frei (d.h. frei von irgendwelchen sogenannten sozialen oder ökonomischen Sekundärnutzen) entfalten können sollen. Hier stehen Kunst und Kultur im Vordergrund aller Bemühungen“ (Klein 2009: 173). Diesem Wunsch nach einer solitären Betrachtung des Geistigen, Wahren und Schönen wohnt auch die kulturimmanente Begründungsstrategie inne, nämlich die Anerkennung der grundlegenden sinnstiftenden Wirkung von Kultur für die Gesellschaft und der entsprechenden Wichtigkeit ihrer unbedingten Pflege und Förderung. Fuchs spricht der Musik hierdurch dann doch auch eine Gestaltungsaufgabe „im Sinne einer Perfektibilität, einer Humanisierung des Menschengeschlechtes“ zu (Fuchs 2007: 12). In erster Linie kann und muss Musik aber auch im wörtlichen Sinne schlicht und ergreifend schön sein, inspirieren und uns abschweifen lassen. „Musik ist ein hervorragender Anlass zur ästhetischen Kontemplation. Die sinnliche Attraktivität ihrer Melodien, Rhythmen, Klangfarben und Geräusche führt dazu, den gewöhnlichen Gebrauch der Sinne als Instrumente des zweckorientierten Erkennens und Handelns für den Moment zurückzustellen, um stattdessen die Aufmerksamkeit auf die sonst als irrelevant ausgeblendete Fülle der Gegenwart zu richten. (...) Songtexte, die durch ihre Lautgestalt und ihre Reime auffällig werden, „süchtig machende“ Melodien, die zum Mitsingen verlocken, energiereiche Rhythmen, die das Kommando über die Motorik übernehmen, sowie die reine Sinnlichkeit von Stimm- oder Instrumentenklängen bzw. -geräuschen“ (von Appen 2007: 289). Der Musikwissenschaftler von Appen bezieht sich mit diesem Zitat insbesondere auf Rhythmik und Melodie, doch darüber hinaus haben auch andere Aspekte wie die Gesangsstimme und der Sound eine besondere Wichtigkeit (vgl. Bielefeldt 2008: 201f. und Maier 2014: 17). Zudem ist Musik gleichfalls ein Medium, in dem auch unterschiedliche künstlerische Bereiche verschmelzen und die Grenzen künstlerischer Gestaltungsformen fließend werden (vgl. Palmer 2002: 10).24 2.1.2 Sozial-gesellschaftliche Dimensionen der Musik Bereits in der Betrachtung der ästhetisch-inhaltlichen Dimensionen wird deutlich, wie fließend sich der Übergang jener Perspektiven darstellt und dass es fast 24
Zu nennen ist beispielsweise der Pop-Künstler David Bowie, dessen Kunst stets eine Gratwanderung zwischen performativer Kunst, Visual Design, Pop Art und Musik beinhaltet hat.
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2 Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems: Einordnung
unumgänglich ist, Musik auch in einen gesellschaftspolitischen Kontext einzuordnen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Kultur ohne Gesellschaft nicht vorstellbar und sie auch deshalb stets im Kontext mit gesellschaftspolitischen Zielen zu sehen ist (vgl. Fuchs 1999: 3f.). Das gilt insbesondere für Musik als Teil der Kulturellen Bildung und kann jugend- und sozialpolitische sowie bildungspolitische Themen berühren. Wenn beispielsweise von Musik in der Jugendkulturarbeit gesprochen wird, so implementiert dies zumeist die sozialisierende Funktion bei Jugendlichen (vgl. Maier 2014: 19). Demzufolge ist insbesondere Popmusik mehr als einfach nur Jugendmusik, vielmehr ist sie jugendliche „gestaltdurchdringende Existenzerfahrung“ (Baacke 1998: 21). Diesen Aspekt betont auch Binas-Preisendörfer, Sachverständige der Enquete-Kommission Kultur in Deutschland: „Diese Musik verkörpert in erster Linie eine sozialisierende Infrastruktur von kaum zu überschätzender Bedeutung — in den öffentlichen Räumen, in denen sie stattfindet, in den Formen des individuellen und kollektiven Umgangs mit ihr, in den sozialen Interaktionen, die sie vermittelt, den sozialen Rollenspielen, denen sie Raum gibt und nicht zuletzt in ihrer Bindung an die Makrostrukturen von Medienmärkten und den Märkten der Tonträgerindustrie“ (Binas 1997: o.S.). Es können sich aber auch Erwachsene über Musik in ihrer Persönlichkeit bilden, sich in ihren Ausdrucksformen entfalten und mit sich und ihrer sozialen Umwelt auseinandersetzen (vgl. Maier 2014: 20). Auch der Deutsche Musikrat bezeichnet Musikpolitik als „ein Instrument, um mit und durch die Musik Politik für eine humane Gesellschaft zu betreiben“ (vgl. Deutscher Musikrat 2009: 2). Dieses Verständnis von Musikpolitik basiert auf der strategischen Neuausrichtung im Jahr 2003, in deren Zuge sich der Deutsche Musikrat – „als aktiver Teil der Zivilgesellschaft und größte Bürgerbewegung im Kulturbereich“ – auch stärker als eine mitgestaltende Kraft in der Gesellschaft verstanden wissen will (ebd.). Im Zuge jener Neuausrichtung definiert der Deutsche Musikrat als Schlussfolgerungen sein zukünftiges Selbstverständnis, das „ein human- und werteorientiertes Gesellschaftsbild“ der „Ausgangspunkt jeder Musikpolitik“ sei (ebd.). Musikpolitik sei als „Teil einer Reihe gesellschaftspolitischer Instrumente“ zu betrachten und nur dann erfolgreich, „wenn sie mit dem Anspruch gesellschaftspolitischer Wirksamkeit betrieben wird“ (ebd.). Klein warnt aber gleichzeitig vor den Risiken, sich in der Breite der thematischen Möglichkeiten auch vom „eigentlichen Kern von Kunst und Kultur zu entfernen und die Kultur damit nur noch für gesellschaftspolitische Ziele zu instrumentalisieren“ (Klein 2009: 174).
2.1 Kulturpolitische Dimensionen der Musik
23
2.1.3 Ökonomische Dimensionen der Musik Auch die ökonomischen Dimensionen der Kultur sind mittlerweile ein anerkannter und wesentlicher Faktor im kulturpolitischen Diskurs.25 Es ist klar: Kultur ist wichtiger Wirtschaftsfaktor, im „Kulturbereich wird die Kreativität erzeugt, von der die anderen Felder, vor allem der Wirtschaftsstandort Deutschland, profitieren“ und nichts symbolisiert dabei den „Doppelcharakter von Kulturgut und Ware“ so deutlich wie die Musik (Fuchs 2007: 57, Maier 2014: 21). Diese duale Betrachtungsweise findet ihren Ausdruck unter anderem auch in den Creative Industries, in der so genannten Kultur- und Kreativwirtschaft, in der die Musikwirtschaft als eine Schlüsselindustrie gilt.26 An dieser Stelle sollen einige Zahlen-Beispiele aus Deutschland genannt werden:
Allein der Tonträgermarkt erzielt einen jährlichen Gesamtumsatz von über 1,5 Milliarden Euro (vgl. Bundesverband Musikindustrie 2015: 8). Die Musikwirtschaft generiert eine Bruttowertschöpfung in Höhe von rund 4 Milliarden Euro (vgl. Bundesverband Musikindustrie 2015b: 14). Im Jahre 2014 wurden inklusive Freiberuflern und Selbstständigen über 120.000 Beschäftigte im Bereich der Musikwirtschaft gezählt (vgl. Bundesverband Musikindustrie 2015b: 14).
Die Zahlen verdeutlichen, warum Musik auch als Wirtschaftsgut zu begreifen ist und „dementsprechend wirtschaftspolitische Zusammenhänge ebenso mitgedacht werden sollten“ (Maier 2014: 22). Die Musikwirtschaft ist aber nicht nur Teilmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft, sondern es bestehen auch andere, indirekte ökonomische Effekte:
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Bis heute beeinflusst der Begriff Kulturindustrie und die damit verbundene Kritik an einer Kultur als Ware in den Schriften Dialektik der Aufklärung einen Gutteil der kultur(wirtschafts)politischen Diskurse (vgl. Horkheimer 1988: 128ff.). Zumindest galten Kultur und Wirtschaft in Deutschland auch deshalb lange als unvereinbar (vgl. Schwencke/u.a. 2009: 89). „Unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen erfasst, welche überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kulturellen/kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen. Das Wirtschaftsfeld Kultur- und Kreativwirtschaft umfasst folgende elf Kernbranchen oder Teilmärkte: Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Markt für darstellende Künste, Designwirtschaft, Architekturmarkt, Pressemarkt, Werbemarkt sowie Software/Games-Industrie“ (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2009: 5). Mehr zum Thema Creative Industries und Creative Class vgl. Florida 2003 oder Florida 2009.
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2 Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems: Einordnung
Kreativität wird zum Standortfaktor, auch Place Branding genannt.27 Dabei wird Musik ein Instrument des Standortmarketings und soll helfen, neue Unternehmen zu gewinnen und qualifizierte Arbeitskräfte anzulocken.28 Musik wird so zu einem Imageträger für Kommunen (vgl. ebd.). 2.2 Zusammenfassung: Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems Ein Vertreter des Deutschen Musikrats formuliert sein Verständnis von Musikpolitik in einem Artikel „Musikpolitik in der Praxis“ in der Zeitschrift Musikforum folgendermaßen: „Die Musik versteht sich (im Regelfall) unpolitisch, wird aber dadurch, dass sie im öffentlichen Raum produziert wird, in einen politischen Kontext gestellt“ (Bäßler 2009: 11). Dabei spricht er von Musikfunktionären als „Anwälte[n] der Musik“, die sich auf „die künstlerischen Rahmenbedingungen“ beziehen und „damit in ihrem bürgerschaftlichen Engagement“ diejenigen sind, „die für das kämpfen, was sonst gesamtstaatlich nicht beachtet und damit verhindert würde“ (ebd.). Gleichzeitig schreibt er der Politik die Aufgabe zu, „der Kunst überhaupt, der Musik insbesondere, eine Schutz- und Realisierungsfunktion zu gewähren, nicht aber Aufträge zu erteilen, die zu einer wie auch immer gearteten Bevormundung und Unterordnung von Kunst führen. (...). Dementsprechend tritt die Musikpolitik immer hinter die Musik und die Menschen zurück, die Musik in weitestem Sinne „machen“ – als Komponisten, als Interpreten, als Produzenten, als Hörer. Musikpolitik ermöglicht und schützt“ (ebd.) Hieraus folgert er auch eine entsprechende Anspruchshaltung für den Deutschen Musikrat: „Musikpolitik ist kein Alleinstellungsmerkmal von Gruppen oder gar Einzelpersonen, sondern originäre Aufgabe des Dachverbandes des Musiklebens in Deutschland als Repräsentanz der Zivilgesellschaft“ (ebd.). 27
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Das übergeordnete Ziel des Place Brandings ist, die Positionierung eines Standorts als unverwechselbare Marke, um Touristen, Investoren, Unternehmen und qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen – Standort-Marketing (vgl. Tauber 2009: 7 oder Braun 2010: 1). Ein Beispiel hierfür sind die politischen Entscheidungen der Stadt Mannheim und die damit verknüpften Ziele: Mit der Musikpark Mannheim GmbH ist ein Kreativzentrum errichtet worden, mit der die Musikwirtschaft als Cluster der Kultur- und Kreativwirtschaft zusammengeführt wurde. Der Bereich Kulturelle Stadtentwicklung kümmert sich um all diejenigen Musiker und Unternehmen, die erwerbswirtschaftlich orientiert tätig sind. Eine Beauftragte für Popkultur und Medien – angesiedelt im Kulturamt – kümmert sich um den musikalischen Nachwuchs, die Popakdemie Baden-Württemberg bildet aus. Bekannt wurde diese Strategie als Mannheimer Modell. Auch deshalb wurde Mannheim im Jahr 2015 als UNESCO – City of Music ausgezeichnet und in das Creative City Network aufgenommen (vgl. Nr.1).
2.2 Zusammenfassung: Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems
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Auch für den Musikwissenschaftler Prieberg ergibt sich Musikpolitik bereits in den 1970er Jahren „aus den Erfordernissen der Praxis, aus dem Stand des Musiklebens“, was ihn zu der Schlussfolgerung führt, dass „weniger die Politiker als vielmehr die Musiker auf jeder Stufe des musikpolitischen Systems entscheidend mitzureden haben“ (Prieberg 1976: 14). Er sieht in Musikpolitik vor allem eine Innenwirkung, aber auch einen sozialpolitischen Aspekt, eine „Tendenz zum Wohlfahrtstaat humanistischer und sozialistischer Prägung“ und fordert, dass „der sozialpflegerisch engagierte demokratische Staat die Erhaltung und Entwicklung der Musik – und nicht nur der Musik – zu finanzieren habe, nachdem das traditionelle Mäzenat des ehemals kulturtragenden Bürgertums weithin versagt, weil das Musikpublikum nicht mehr bereit ist, seine Konsumbedürfnisse im Opernhaus und im Konzertsaal kostendeckend zu finanzieren. Der Staat fördert die Musik aber nicht etwa deshalb, weil er ihr einen politischen oder ideologischen Stellenwert im engeren Sinne zumisst, sondern weil sie eben eine verbreitete und wichtige gesellschaftliche Aktivität ist“ (Prieberg 1976: 13f.). Es kann also festgestellt werden, dass Musikpolitik, die als Teilfeld eines solchen kulturpolitischen Systems verstanden wird, sowohl eine ihr immanente Dimension, nämlich die Pflege der Kunst als solche – l`art pour l`art – und die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen durch die Politik als auch ökonomische und gesellschaftliche Dimensionen umfasst.29 In einem Gastbeitrag in der Zeitschrift Musikforum sieht Schmidt die Musikpolitik zudem in der Verantwortung, „sowohl ein ausgewogenes Wechselbild von einer Vermittlung des Musiklands Deutschland als auch nachhaltig wirkende Begegnungsprogramme mit anderen Musikkulturen auf europäischer und globaler Ebene [zu] ermöglichen“ (Schmidt 2013: 14) – womit sich die vorherig durchgeführte Einordnung von Musik als Teilfeld des politischen Systems um den Begriff Auswärtig ergänzen ließe. Die auf der folgenden Seite zu findende Graphik (Abbildung 1) visualisiert nochmals die drei verschiedenen kulturpolitischen Dimensionen, aus welchen Musikpolitik heraus begründet werden kann. Die Graphik soll im Verlauf der nächsten Kapitel sukzessive um weitere Erkenntnisse ergänzt werden.
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Der Kulturwissenschaftler Vogt unterscheidet ähnlicherweise in die ars gratia politiae, „der Ausübung der Künste um des Gemeinwesens willens“, die politia gratia artis, mit dem Ziel, „der direkten und vor allem der indirekten politischen Förderung der Künste“, der „Stärkung der Gesellschaftsverfassung nach innen wie außen“ und eine ars gratia artis, „eine Kunst um ihrer selbst willen“ (Vogt 2010: 1).
26
2 Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems: Einordnung
Musikpolitik
Ästhetischinhaltliche Dimension
Gesellschaftlichsoziale Dimension
Ökonomische Dimension
Abbildung 1: Kulturpolitische Dimensionen der Musik: Ästhetisch-inhaltliche Dimension, gesellschaftlich-soziale Dimension, ökonomische Dimension, eigene Darstellung
2.3 Musikpolitik als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik Wie können nun die verschiedenen Dimensionen der Musikpolitik in die Betrachtung der Auswärtigen Kulturpolitik Eingang finden, insbesondere vor dem Hintergrund außenpolitischer Strategien des Auswärtigen Amts? Welche Rolle hat die Musik im Rahmen internationaler Beziehungen? Welcher Wert wird der Musik zugesprochen bei der Erreichung strategischer Ziele in der Auswärtigen Kulturpolitik? Diesen und weiteren Fragen wird im folgenden Kapitel nachgegangen. Der holländische Autor Noteboom fasste die inhaltlich-ästhetische Seite der Kulturellen Programmarbeit anlässlich geplanter Sparmaßnahmen des GoetheInstituts bereits im Jahr 1996 folgendermaßen zusammen: „Das Argument der Kunst an sich – in welcher Form auch immer – reicht offensichtlich nicht mehr aus, das Unwägbare muss gewogen werden, und zahllose Kulturbeamte sind damit den ganzen Tag beschäftigt“ (Noteboom 1996: 107). Weiter schreibt er: „Das allereinfachste Argument, dass die Kunst eines Volkes etwas von Seele und Geist dieses Volkes zeigt oder, anders gesagt, dass nicht nur materielle Tarifmauern zwischen Ländern existieren, sondern auch geistige, und dass es für die Freigeister Sinn macht, diese niederzureißen, prallt am Dogma der Sparmaßnahmen ab, welches zur Zeit jede gesellschaftli-
2.3 Musikpolitik als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik
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che Diskussion beherrscht, gegen die die Kunst wie immer die schlechtesten Argumente hat. Unwägbar ist nun mal unwägbar“ (Noteboom 1996: 107f.). Und dass das unwägbare Element der Kunst zu einem „spezifischen Gewicht“ eines Landes gehöre, ergänzt er, sei ein Paradox, mit dem die Politiker großer Schwierigkeiten haben. „Kunst als Flagge“ sei nichts falsches, man müsse aber verstehen, dass die Vielfalt der Kunst genau das sei, was sie so unwägbar mache, ihr gerade deshalb aber so ein großes Gewicht verleihe (Noteboom 1996: 109). Einfacher, jedoch nicht unkomplizierter, wird es bei der Betrachtung möglicher gesellschaftlich-sozialer Dimensionen: Einfacher wird es deshalb, weil der Musik traditionellerweise zugeschrieben wird, das wichtigste Instrument in Bezug auf die Förderung und Gestaltung des interkulturellen Dialogs, die kulturelle, physische und sprachliche Begegnung von Menschen zu sein.30 Im 17. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik heißt es: „Musik spielt in der Wahrnehmung der deutschen Kultur im Ausland eine besondere Rolle. Konzerte deutscher Musiker und die Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern sind besonders geeignet, die deutsche Musikkultur im Ausland zu vermitteln und auch über Sprachbarrieren hinweg Zusammenarbeit und Verständigung zu fördern“ (Deutscher Bundestag 2014: 36). Kompliziert ist es aber dann, wenn man sich fragt, inwiefern es sich tatsächlich um einen so genannten interkulturellen Dialog handelt, wenn, wie bereits einleitend dargestellt, bisweilen von einem „deutschen Klang“ gesprochen wird, der in die Welt getragen wird (Grünberg 2010: 25).31 Dennoch ist es eine grundlegende 30
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Einer ähnlichen Argumentationslinie folgt der bereits erwähnte Bericht der EnqueteKommission Auswärtige Kulturpolitik bei der Begründung von Musikarbeit im Rahmen der Auswärtigen Programme (vgl. Deutscher Bundestag 1975: 54), ebenso Wissig (vgl. Wissig 1964: 53f.). Auch der Musiksoziologe Kalisch beschreibt Musik als „Medium, das Grenzen überspringt“: „Aus der grundsätzlichen Verschiedenheit von Musik und Sprache lässt sich die besondere Bedeutung der Musik für den Menschen verstehen. Die Musik vereint, was andere Kulturtechniken unweigerlich trennen oder sogar zerstören. Musik, von Menschen ausgeübt, entspringt seinem eigenen Ausdrucksbedürfnis, um als Laut die eigene leibseelische Begrenztheit zu transgredieren und sich wem oder was auch immer mitzuteilen – und wenn auch nur dem sich musikalisch Artikulierenden selber“ (Kalisch 2009: 13f.). „Der deutsche Klang ist ein Exportartikel geworden. Das West-Eastern Divan Orchestra intoniert ihn; deutsche Hörner und Trompeten finden ihren Weg in Orchester in Amerika und anderswo; und Dirigenten und Musiker, die in der in Deutschland gepflegten Kultur vom Musizieren groß geworden sind, sind im Ausland sehr beliebt. (...) Während Marken darauf abzielen, Lifestyles zu transportieren, transportiert der deutsche Klang tatsächlich nicht nur einen Lifestyle, sondern eine gefühlte (und kognitiv nicht reflektierte) Bezie-
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2 Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems: Einordnung
soziokulturelle Betrachtung, eine weit verbreitete Ansicht, dass Musik „über kulturelle, physische und sprachliche Grenzen hinweg Menschen miteinander verbindet“ (Schmidt 2013: 14). Bertram schreibt hierzu: „Seit jeher gehört die Musik zu den Künsten, für die die Grenzüberschreitung, die Unabhängigkeit von politischen und sprachlichen Barrieren charakteristisch ist. Die Sprache der Musik überwindet Grenzen, weil sie kein Verständigungsproblem kennt. Musik ist der sublimste Ausdruck weltumspannender Humanität und Kreativität. Musik ist das internationale Kommunikationsmedium par excellence“ (Bertram 1999: 9). Auch Hoffmann greift diese Argumentation auf, indem er die „symbolische Kommunikation in den Sprachen nonverbaler Medien wie Musik, darstellende Kunst, bildende Kunst, ja auch die Symbolik der Körpersprache“ als immer themagebend für die Arbeit des Goethe-Instituts beschreibt, gerade weil durch sie der „kritischen Reflexion immer neue Nahrung gegeben" werde (Hoffmann 2002: 64). Der Komponist Bhagwati hingegen zweifelt jedoch an genau jener postulierten interkulturellen Wirkung von Musik, kritisiert das „Klischee von der Musik als Weltsprache“ (Bhagwati 2011: o.S.). Vor allem die Wirkung westlicher Musik auf andere Kulturkreise will er differenzierter betrachtet wissen: „Indem man die europäische Musik zur Weltsprache erklärt, definiert man andere Musikkulturen zu Regional- und Lokalsprachen um. (...) Und schließlich akzeptieren, dass auch Ereignisse, die wir nicht verstehen, Ästhetiken, die uns abwegig erscheinen, nicht notwendigerweise einer niedrigeren Kulturstufe angehören müssen, sondern einfach einen anderen Weg gehen, bei dem jede Debatte darüber, wer weiter entwickelt ist oder eine tiefere Erkenntnis mitbringt, sinnlos ist (...)“ (ebd.). Ähnlich argumentiert auch Bauer, wenn er die verbreitete Vorstellung kritisiert, dass „Kunst und Kultur per se eine kommunikative und verbindende Wirkung innewohnt“ und damit impliziert werde, dass „beispielsweise Musik, Theater und bildende Kunst universell zugänglich seien“ (Bauer 2007: 643). Eine solche Annahme verkenne die „Fremdheit kultureller Phänomene“ und ignoriere die „mit ihrer Rezeption verbundenen epistemologischen Herausforderungen“, was ihn zweifeln lässt, ob die Erwartungshaltung an die schönen Künste hierdurch überhaupt erfüllt werden könne (ebd.). hung zu einer ganzen Lebenswelt; eine Art Wissen. Darin liegt sein Wert und seine Besonderheit“ (Grünberg 2010: 25).
2.3 Musikpolitik als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik
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Dieser Argumentation folgt auch der Musikwissenschaftler Reinecke und fordert, eben genau diese Fremdheit anderer Kulturen zu erkennen und mitzudenken: „The simple fact that music takes up a large part of what we call intercultural dialogue demands first of all that we acknowledge that music is not a term which implies a singular structure or behaviour. The meaning of music goes beyond this. Cautiously expressed it implies a large set of, in part, completely different cultural and intercultural patterns of behaviour. 1) the realization that there are various cultures 2) the realization that there are various possibilities and varieties of dialogue 3) the acceptance of the fact of communication which includes all its consequences, paradoxes and transformations“ (Reinecke 1991: 16). Ein entscheidender Beitrag zum Gelingen eines zweibahnigen Musikdialogs wäre es also, die „ehemals selbstverständliche eurozentristische Perspektive aufzugeben“, wie Kleinen in einem Artikel für die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt und ebenso, die verschiedenartigen Möglichkeiten des Dialogs zu erproben (Kleinen 2011: o.S.). Dann könne Musik „bekräftigen, in Frage stellen, zur Reflexion anregen und das emotionale Befinden beeinflussen“ (ebd.). Die ökonomische Perspektive spielt eher eine untergeordnete Rolle in der Auswärtigen Musikpolitik. Zwar divergieren die Schwerpunkte der Auswärtigen Kulturpolitik und sind von politischen Zielvorstellungen abhängig, allerdings wird einer zu offensichtlichen Verknüpfung mit wirtschaftspolitischen Interessen und einer entsprechenden Instrumentalisierung der Auswärtigen Kulturpolitik mit deutlicher Kritik entgegnet.32 Wie kann Musik also in welchen Strukturen in die Auswärtige Kulturpolitik eingearbeitet werden? Die Musikwissenschaftlerin Jorgensen strukturiert Musik und ihre Rolle im Rahmen internationaler Beziehungen in sieben unterschiedliche „soziale Prozesse“ (Jorgensen 1990: 56f.): 32
Image preservation Loyalty maintenance Personification Vgl. hierzu den Exkurs Musikexportförderung und den hier dargestellten Diskurs in Kapitel 4.
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2 Musik als Teilfeld des kulturpolitischen Systems: Einordnung
Socialization Information exchange Cooperation Competition
Ittstein bezeichnet diese „sozialen Prozesse“ in seiner Dissertation wiederum auch als „Dimensionen“ und erklärt dies damit, dass unter jenem Begriff „Elemente, Aspekte, sich unterstützende und gegenläufige Tendenzen, gleichgeartete oder widerständige System- und Umweltbedingungen, sowie das Handeln von Menschen und Interessengruppen innerhalb der Machtverteilung, in der Veränderung in den Blick genommen“ werden (Ittstein 2009: 40). Für Ittstein untergliedert sich der „idealtypische“ Überblick über den Gegenstandsbereich der Musik im Rahmen internationaler Beziehungen in der Trennung sechs wesentlicher Dimensionen und er übersetzt diese – auf der Grundlage von Jorgensen – als Beeinflussung der Wahrnehmung, Personifizierung, Sozialisation, Informationsaustausch, Kooperation, wirtschaftlicher Wettbewerb (vgl. ebd.). All diese Dimensionen, die einander ergänzen und sich überlagern, ordnet er dem gesellschaftlich-kommunikativen Funktionsbereich zu (vgl. ebd.). Dies gilt insbesondere für den sozialen Prozess des Informationsaustauschs, die Nutzung der Musik als interkulturelles Kommunikationsmittel, also Völkerverständigung. Auch der Prozess der Kooperation in Form der Zusammenarbeit in interkulturellen Musikprojekten, sowohl auf künstlerischer als auch auf institutioneller Ebene, stellt eine besonders wichtige Form des Funktionsbereichs dar (vgl. Ittstein 2009: 58). Der Prozess der Beeinflussung der Wahrnehmung, also die Nutzung der Musik als Einflussfaktor im so genannten Nation Branding, sei ebenso dazu zu zählen. Als Sozialisation bezeichnet Ittstein die Beeinflussung auf das Rezeptionsverhalten eines Menschen. Hierdurch könnten nicht nur „ästhetische Bewertungsgrundlagen und persönliche Vorlieben nachhaltig beeinflusst werden“, sondern es würden auch Potentiale (kultureller) Bildung gefördert (Ittstein 2009: 72). Im Prozess der Personifizierung wird Musik ein identitätsstiftender Faktor zugesprochen. Die beiden letztgenannten Prozesse sind durchaus auch der ästhetischinhaltlichen Dimension der Musik zuzuordnen, ob ihrer intrinsischen-reflexiven Wirkungsebene. Es zeigt sich hierdurch also, dass Musikpolitik als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik sowohl ihr immanente als auch ökonomische und gesellschaftliche Dimensionen umfasst. Es zeigt sich jedoch auch, dass eine Einordung überwiegend in der gesellschaftlich-sozialen Dimension zu erfolgen hat. Dies ergibt sich einerseits durch die entsprechenden Zielvorgaben der Mittlerorganisationen, bedingt sich andererseits aber auch durch die historisch verankerten Ziele der
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2.3 Musikpolitik als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik
vielen privatrechtlichen Organisationen (friedliche internationale Begegnung, Völkerverständigung, etc.). Auswärtige Musikpolitik kann dementsprechend als Gesamtheit der Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der Auswärtigen Kulturpolitik im Bereich der Musik verstanden werden. Die Durchführung obliegt dabei der Kulturellen Programmarbeit, explizit der Musikarbeit. Anknüpfend an Abbildung 1 wird in der folgenden Graphik (Abbildung 2) die nun um das AUSWÄRTIGE ergänzte Musikpolitik als Teilfeld der Auswärtigen Kulturpolitik eingeordnet. Auch hierin finden sich die drei verschiedenen kulturpolitischen Dimensionen wieder, aus welchen Musikpolitik heraus begründet werden können. Zudem wird die Graphik mit den von Ittstein dargestellten Gegenstandsbereichen, den sozialen Prozessen, der Musik im Rahmen internationaler Beziehungen, ergänzt. Auswärtige Kulturpolitik
Auswärtige Musikpolitik
Ästhetischinhaltliche Dimension
Gesellschaftl.soziale Dimension
Ökonomische Dimension
Informationsaustausch Kooperation Beeinflussung Sozialisation Personifizierung Wettbewerb
Abbildung 2: Musikpolitik als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik, eigene Darstellung
3 Programmarbeit im außenkulturpolitischen Konzept
Die Kulturelle Programmarbeit müsse weiter entwickelt werden, heißt es in der Konzeption 2000 des Auswärtigen Amts (vgl. Auswärtiges Amt 2000: 16). Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass – wie bereits dargestellt – die Verbindung von Kulturprogrammen und Diplomatie nicht bereits vorher einen hohen Stellenwert hatte. Bei der Betrachtung der Geschichte der Kulturellen Programmarbeit wird deutlich, dass sich diese stets im Rahmen politischer Einordnungen bewegt hat. Aus diesem Grund sollen die für den Untersuchungszeitraum dieser Arbeit relevanten außenpolitischen Konzeptionen – die Konzeption 2000, die Konzeption Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in Zeiten der Globalisierung – Partner gewinnen, Werte vermitteln, Interessen vertreten aus dem Jahr 2011 sowie der Review-Prozess 2014/15 – vergleichend gegenübergestellt werden, um auf dieser Grundlage Rolle und Funktion von Musikprojekten als Bestandteil der Kulturellen Programmarbeit genauer betrachten zu können. Darüber hinaus sollen auch die Tagungen Menschen bewegen – Kultur und Bildung in der deutschen Außenpolitik aus dem Jahr 2006 und Konferenz Menschen bewegen – Kulturpolitik im Zeitalter der Globalisierung aus dem Jahr 2009 sowie Menschen bewegen – Forum zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik aus dem Jahr 2016 mit in die Betrachtung einbezogen werden, um den Entwicklungsprozess innerhalb des beforschten Zeitraums noch besser nachvollziehen zu können. In einer sich anschließenden Zusammenfassung wird die Rolle der Musik als Bestandteil dieser Konzeptionen nochmals abschließend bewertet. 3.1 Konzeptionen der Auswärtigen Kulturpolitik von 2000-2017 Die Betrachtung der Konzeptionen der Auswärtigen Kulturpolitik in jenem Zeitraum lässt sich in vier Phasen unterschiedlicher politischer Perspektiven und Begründungen unterteilen. Während unter Außenminister Fischer erstmalig offensiv das Prinzip der Zweibahnstraße erwähnt und gleichzeitig die Kulturelle Programmarbeit mit den Zielen der Außenpolitik verbunden wurde, führte dessen Nachfolger Steinmeier diese Überlegungen weiter, hin zu einem Diktum der Moderation und des transkulturellen Dialogs. Schließlich, unter Außenminister Westerwelle, wurde die Außenkulturpolitk im Zuge der Konzeption 2011 wieder © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Maier, Auswärtige Musikpolitik, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30541-3_3
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3 Programmarbeit im außenkulturpolitischen Konzept
verstärkt dem Zwecke der Repräsentation zugeordnet und mit außenpolitischen Prämissen verbunden. Der ihm wieder folgende Steinmeier setzte wiederum an seiner Arbeit an und entwickelte diese weiter. 3.1.1 Vom Prinzip der Zweibahnstraße und Vernetzung Konzeption 2000 Im Rahmen der Konzeption 2000 wird betont, dass die Kulturelle Programmarbeit zum „Kernbereich“ der Auswärtigen Kulturpolitik gehört, durch sie „ein aktuelles Bild vom künstlerischen Leben und Schaffen in Deutschland“ und das Land als „kreativer Kulturstaat“ in Europa präsentiert wird (Auswärtiges Amt 2000: 23). Gleichzeitig wird festgestellt, dass durch die Kulturelle Programmarbeit auch die Ziele der außenpolitischen Konzeptionen erreicht werden können (ebd.). Erstmalig wird die Kulturelle Programmarbeit hierdurch auch in einen direkten Bezug zu außenpolitischen Zielen gestellt. Zu diesen Zielen gehört die Sicherung des Friedens, die Konfliktverhütung, die Verwirklichung der Menschenrechte und die partnerschaftliche Zusammenarbeit (vgl. Auswärtiges Amt 2000: 16). Zu den zentralen Grundsätzen der Auswärtigen Kulturpolitik soll dabei eine Orientierung an Werten und die Vermittlung von Kultur als Teil einer europäischen Kultur gehören. Auch soll sich die Auswärtige Kulturpolitik nicht auf die Kulturvermittlung, sondern auf einen zweibahnigen Kulturdialog konzentrieren (vgl. ebd.). Die Erarbeitung der KONZEPTION 2000 wird mit den veränderten Rahmenbedingungen der deutschen Außenpolitik begründet – immerhin orientiert sich die Auswärtige Kulturpolitik zu jenem Zeitpunkt in ihren Grundsätzen nach wie vor an den in den 1970er Jahren entwickelten Leitlinien, obgleich diese durch das Auswärtige Amt stets weiterentwickelt wurden. Als die wichtigsten Instrumente der Kulturellen Programmarbeit werden die „Literaturförderung (...), die Filmförderung (...), die Unterstützung von Gastspielen (...), die Instrumenten- und Musikalienspenden, die Förderung von Festivals, Kongressen und Seminaren, die Lehr- und Beratertätigkeit in Entwicklungs- und Transformationsländern sowie die Förderung von Ausstellungen (...)“ genannt (Auswärtiges Amt 2000: 22f.). Als Hauptkriterien für die Auswahl von Kulturprojekten werden die „künstlerische Qualität“, „die Aufnahmebereitschaft im Partnerland (Relevanz)“ sowie die „Wirkung der jeweiligen Maßnahme (Nachhaltigkeit)“ aufgezählt (Auswärtiges Amt 2000: 23). Die jeweiligen Programmverantwortlichen sind für die Auswahl zuständig, die Qualität wird von Expertengremien (Beiräten) der Mittleror-
3.1 Konzeptionen der Auswärtigen Kulturpolitik von 2000-2017
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ganisationen beurteilt, Relevanz und Nachhaltigkeit sollen u. a. von den Auslandsvertretungen und Instituten vor Ort sowie dem Auswärtigen Amt und den Zentralen der jeweiligen Mittlerorganisation eingeordnet werden. Zur Frage, welche Zielgruppen mit der Kulturellen Programmarbeit angesprochen werden sollen, heißt es hierzu erklärend: „Veranstaltungen aus dem Bereich Ausstellungen, Literatur, Musik, Film und Theater/ Tanz zielen zwar auf das Publikum insgesamt (‚Endverbraucherorientierung‘), sollen aber bevorzugt Multiplikatoren, insbesondere aus dem Bereich der Medien, ansprechen und den fachlichen Austausch von Künstlern untereinander sowie die künstlerische Fortbildung fördern. Die AKP bietet dieser Zielgruppe sowohl ein nachfrageorientiertes (was wollen sie von der Kunst in Deutschland wissen?) als auch ein angebotsorientiertes Programm (was wollen wir ihnen über das künstlerische Leben in Deutschland mitteilen?)“ (ebd.). Während der Wunsch nach stärkerer Vernetzung der Akteure unter Einbindung der Zivilgesellschaft und das formulierte Prinzip der Zweibahnstraße auf breite Zustimmung treffen (vgl. Harnischfeger 2002: o.S.), ist ein „(...) erstes umfassendes Leitprogramm für die kulturelle Außenpolitik nach den Reformbemühungen der 1970er Jahre (...)“ nicht frei von Kritik (Bauer 2010: 93). Besonders die offensive Verknüpfung von Außenpolitik und Programmarbeit wird kritisch betrachtet. Schneider fordert: „Die Instrumentalisierung der Kultur muss in jeder Beziehung – ob religiös, wirtschaftlich, politisch oder gesellschaftlich – vermieden werden“ (Schneider 2008c: 29). Fuchs beschreibt es in seinem Standardwerk zur Kulturpolitik noch eindeutiger: „Dieser instrumentelle Charakter von Kultur widerspricht jedoch dem üblichen Verständnis von Kultur in der Kulturpolitik, es ist möglicherweise noch nicht einmal verfassungskonform (Art. 5 GG). Damit kann ein weiteres Ergebnis festgehalten werden: Strukturell und konzeptionell muss Kultur mit Außenpolitik zwangsläufig in ein Spannungsfeld geraten“ (Fuchs 2007: 113). Trotz aller Kritik, kann der Konzeption 2000 jedoch zugeschrieben werden, den kulturellen Dialog und die Wichtigkeit einer entsprechenden Auswärtigen Kulturpolitik seinerzeit verstärkt in den Mittelpunkt außenpolitischer Diskussionen gebracht zu haben.
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3 Programmarbeit im außenkulturpolitischen Konzept
3.1.2 Vom Diktum des Dialogs und der Moderation Tagung Menschen bewegen – Kultur und Bildung in der deutschen Außenpolitik Das erklärte Ziel der Konferenz war das Ausloten neuer Formen der Zusammenarbeit zwischen den Mittlerorganisationen und die Einbindung eines erweiterten Kreises an Akteuren der Auswärtgen Kulturpolitik. Zudem sollte die Konferenz „Perspektiven einer zukunftsorientierten, modernen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik aufzeigen“, heißt es im entsprechenden Conference Purpose des Auswärtigen Amts (Nr.2). Leitfragen behandelten die Vermittlung eines „zeitgemäßen Bilds über Deutschland“ und die „Rolle der Kreativindustrien“ (ebd.). Gefragt wurde aber auch, wie sich die veränderte gesellschaftliche Realität in der Konzeption der Auswärtigen Kulturpolitik widerspiegeln muss, wie „wir im Wettbewerb um die besten Köpfe“ bestehen. Ebenso, welche „neuen Kooperationsformen und partner“ zu finden sind, welche Bedeutung „dynamische Weltregionen“ haben und welchen Beitrag der „Kulturdialog in der Bewältigung neuer Herausforderungen an Sicherheit und Stabilität“ leisten kann (ebd.) Diskutiert wurde in sechs Arbeitsgruppen, „die Rolle der Kreativindustrie“, das Selbstverständnis der Auswärtigen Kulturpolitik im „Spiegel des gesellschaftlichen Wandels“, das Schaffen von Netzwerken durch „Bildung und Wissenschaft“, das Erreichen von „mehr Wirkung durch innovative Kooperationsmodelle“, die globale Reichweite in „neuen und alten Weltregionen“ sowie “Kultur des Dialogs in einer globalisierten Welt“ (ebd.). Die Betrachtung der Auswärtigen Kulturpolitik erfuhr durch die Tagung eine Verschiebung, hin zu einem Verständnis, welches die Auswärtige Kulturpolitik als Moderator kultureller Prozesse, nicht in erster Linie in der Präsentation von Kultur einordnet. In besonderer Weise wurde auch ein Diskurs für und wider das Konzept einer Nationalkultur geführt, Einigkeit herrschte hingegen bei der Feststellung, dass durch den erforderlichen interkulturellen Dialog gleichzeitig auch die Trennung von innerer und Auswärtiger Kulturarbeit aufgeweicht werden müsse (vgl. Auswärtiges Amt 2006: 60f.). Die Thematisierung der inhaltlichen Ausrichtung der Auswärtigen Kulturpolitik fand auch in der medialen Berichterstattung hohe Beachtung: Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung war bereits das „Stattfinden“ eines solchen Kongresses „ein neues Bekenntnis“ zur Auswärtigen Kulturpolitik, der Tagesspiegel sah in der Hervorhebung des kulturellen Dialogs gar eine „Sensation“ (Auswärtiges Amt 2006: 181).
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Konferenz Menschen bewegen – Kulturpolitik im Zeitalter der Globalisierung „Wir leben in einer Zeit großer Veränderungen, unsere Welt ist im Umbruch“, schrieb Bundesaußenminister Steinmeier in seinem Grußwort zur Dokumentation der Konferenz Menschen bewegen – Kulturpolitik im Zeitalter der Globalisierung (Auswärtiges Amt 2009: 3). Er begründete die Notwendigkeit einer solchen Konferenz und die Suche nach „klugen Antworten“ mit der Verschiebung von „wirtschaftlichen und politischen Gewichten“ und der Entstehung von „neuen politische[n] Kraftzentren“ (ebd.). Zu diesem Anlass wurden im Frühjahr 2009 über tausend Vertreter aus Kultur, Politik und Wirtschaft eingeladen, um über die verschiedenartigen Herausforderungen der kulturellen Globalisierung und die Rolle Deutschlands zu diskutieren. In insgesamt sechs Panels wurden verschiedene Fragen erörtert, unter anderem nach der Verbindung von Kultur- und Klimapolitik, nach der Kulturarbeit in den großen Metropolen oder nach der Bildung von Netzwerken im Zeitalter der Digitalisierung. Die Kulturelle Programmarbeit selbst wurde in keinem gesonderten Panel behandelt, doch schwang sie fast durchgehend mit. So wurde beispielsweise das Spannungsfeld zwischen dem „Wunsch, Kultur nicht nur zu exportieren und der immensen Resonanz, die deutsche kulturelle Großereignisse im Ausland bewirken“ festgestellt und die Frage nach dem entsprechenden Umgang damit gestellt. (Auswärtiges Amt 2009: 48). Den Rahmen der Konferenz bildeten die Tage der Auswärtigen Kulturpolitik, in denen sich vier Veranstaltungen und fünf Ausstellungen mit verschiedenen Themen der Auswärtigen Kulturpolitik auseinander setzten. Vorausgegangen war der Wunsch, „Auswärtige Kulturpolitik anhand von konkreten Projekten einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen und damit die Menschen für die Besonderheiten zu begeistern, die entstehen, wenn Kultur im interkulturellen Kontext gedeihen kann“ (Auswärtiges Amt 2009: 151). Gleichzeitig sollte „den Partnern des Auswärtigen Amts die Möglichkeit gegeben werden, ausgewählte Elemente ihrer Arbeit in Deutschland zu präsentieren und damit zu zeigen, welche Vielfalt an Aktivitäten kulturelle Arbeit im Ausland beinhaltet“ (ebd.). Die Konferenz und die Rahmenveranstaltung festigten die deutliche Hinwendung zur Auswärtigen Kulturarbeit, die bereits im Jahr 2006 mit der Tagung zu Kultur und Bildung in der deutschen Außenpolitik ihren Anfang genommen hatte. Auch im Jahr 2007 wurde dies in einer Rede von Bundesaußenminister Steinmeier zur Veranstaltung Perspektive Europa in der Akademie der Künste verdeutlicht. Darin betonte er die Wichtigkeit der Künste in der Auswärtigen Politik, ebenso die Bedeutung ihrer Unabhängigkeit (vgl. Nr.3).
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3 Programmarbeit im außenkulturpolitischen Konzept
3.1.3 Vom Grundsatz der Repräsentation und außenpolitischen Prämissen Konzeption 2011 Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in Zeiten der Globalisierung – Partner gewinnen, Werte vermitteln, Interessen vertreten Die Konzeption reagiere „auf die Erfahrungen der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts und bestimmt den Kurs für die kommenden Jahre“, schreibt die Bundesregierung in der Antwort auf eine große Anfrage mehrerer Abgeordneter zum „Paradigmenwechsel im Konzept zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Amts vom September 2011“ (Deutscher Bundestag 2012: 3). Das Auswärtige Amt wiederum begründet die Neu-Konzeption der Auswärtigen Kulturpolitik als Reaktion auf die Globalisierung und einem tiefgreifenden Wandel, durch den sich auch das „natürliche Gewicht“ Deutschlands in der Welt verringere (Auswärtiges Amt: 2011: 2f.). Gerade deshalb komme es „in einer Welt gegenseitiger Vernetzung und vielfacher Abhängigkeiten“ darauf an, diesen „Wandel verantwortungsvoll zu gestalten“ und den „Einfluss in der Welt zu sichern“ (ebd.). Das Auswärtige Amt beschreibt die Auswärtige Kulturpolitik in dieser Konzeption als „ein wesentliches Element der Außenpolitik“ zur Unterstützung der außenpolitischen Ziele: „Europa stärken“, „Frieden sichern“ sowie „Alte Freundschaften pflegen, neue Partnerschaften gründen“ (Auswärtiges Amt: 2011: 3). Dabei wird als konkreter Schwerpunkt unter anderem die „Reform der Strukturen in den drei Säulen der AKBP“ beschrieben – hierunter fällt auch die „Anpassung des Netzes kultureller Auslandspräsenzen“ (Auswärtiges Amt: 2011: 10). Unter dem Punkt „Kunst und Außenpolitik“
wird die Wichtigkeit hervorgehoben, „mit einzelnen Projekten und Kampagnen für Sichtbarkeit zu sorgen“ und diese „Leuchtturmprojekte“ unter Einbindung der Privatwirtschaft durchzuführen (Auswärtiges Amt: 2011: 12). Im Rahmen einer Fachtagung in Loccum im Jahr 2012 beschreibt Andreas Meitzner vom Auswärtigen Amt die neuen Ziele der Auswärtigen Kulturpolitik zusammenfassend als benötigte „Anpassung von Strukturen und Instrumenten an die Realitäten des 21. Jahrhunderts“ (Meitzner 2012: 122f.). Die Auswärtige Kulturpolitik sei für ihn „integraler Bestandteil der deutschen Außenpolitik“ und „verfolgt eigene Ziele und Interessen, sie ist nicht l`art pour l`art" (ebd.). Die Ziele des Auswärtigen Amts sind, „mit den Instrumenten und Mitteln der AKBP regionale und thematische Ziele zu fördern“, „Deutschlands Rolle als Partner in Politik und Wirtschaft und bei der Lösung globaler Fragestellungen zu fördern“, die „finanzielle Grundlage der AKBP zu sichern und zu erweitern, insbesondere Partner in der Wirtschaft, bei Stiftungen und im Ausland zu gewinnen“ sowie „die vorhandenen Mittel effizient und nachhaltig einzusetzen“ (ebd.).
3.1 Konzeptionen der Auswärtigen Kulturpolitik von 2000-2017
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Dem entgegnet Ulla Schmidt als ehemaliges Mitglied des Unterausschusses „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“ in ihrer „Kritik des AKBP-Konzepts 2011 des Auswärtigen Amts“: „Geht es wirklich darum, dass Deutschland als Einzelner seinen Einfluss in der Welt sichern muss? Oder darum, dass die Strukturen der AKBP an das 21.Jahrhundert anzupassen sind, weil sie noch zu sehr in der Nachkriegsordnung verhaftet seien? Lassen wir mal beiseite, dass das Auswärtige Amt die stete Anpassung und Neuorientierung der Arbeit der Mittlerorganisationen übersieht. (...) Am politischen und gesellschaftlichen Wandel haben die Mittlerorganisationen ihre Arbeit stets ausgerichtet. (...) Diesen Weg will das AKBP-Papier des Auswärtigen Amts verlassen und beschreibt ein Globalisierungsszenario, in dem Deutschland als Verlierer dazustehen droht“ (Schmidt 2012: 132). Auch Schneider betont, dass den Zielen der Auswärtigen Kulturpolitik „der gesellschaftliche Diskurs“ und „vor allem das klare politische Bekenntnis“ fehlt, sie „schlingert, vor und zurück, links und rechts, zwischen entwicklungs- und wirtschaftspolitischen Prämissen“ (Schneider 2012: 37f.). Noch Jahre später regt sich Unmut, insbesondere über „Bildung, Austausch und Dialog“ als die durch das Auswärtige Amt identifizierten Instrumente der Konzeption 2011: „Dieses neoliberale Dokument ist klaren ökonomischen Interessen verpflichtet: Die Bundesregierung möchte den deutschen Einfluss in der Welt sichern und zu dem Zweck Bildung, Austausch und Dialog nutzen, um Menschen dazu zu bringen, Deutschland in einem positiven Licht zu sehen und unsere Werte und Ideen zu übernehmen. Dies ist offensichtlich der falsche Ansatz, denn er ist nicht im Interesse der Künstler. Künstlerische Prozesse sind keine politischen Instrumente“ (Schneider 2016: 39). Andere wiederum stören sich an der prominenten Verwendung des Begriffs Public Diplomacy, der in der amerikanischen Politik als Beeinflussung ausländischer Öffentlichkeiten verstanden wird und „meilenweit“ vom deutschen Verständnis von Auswärtiger Kulturpolitik entfernt sei (Harnischfeger 2016: 111). Jochimsen von der Partei Die Linke sieht in der Konzeption den Verlust von „Selbstzweck von Kultur und Bildung“ genauso wie des inneren „Zusammenhang[s] von Innen und Außenpolitik“ und schreibt: “Wir aber wollen keine Export- und Schaufensterpolitik mit belehrendem Habitus: Wir wollen einen Dialog der Kulturen, vielfältige Möglichkeiten der Begegnung und des Austauschs“ (Jochimsen 2013: 15).
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3 Programmarbeit im außenkulturpolitischen Konzept
Zusammenfassend konstatiert der Politikwissenschaftler Schreiner, dass Kulturvermittlung dann gelingt, wenn die „Illusion des Nichtpolitischen, auf der der politische Nutzen von Außenkulturpolitik beruht, im Kulturaustausch aufrechterhalten wird, die es der Zielgruppe ermöglicht, dem Präsentierten mit Vorstellungen des Universalistischen und Selbstzweckhaften entgegenzutreten“ (Schreiner 2011b: 34). Harnischfeger bezeichnet die Debatte um die Gegensätze jener beiden Konzeptionen bewusst zugespitzt als Frage um „Propaganda oder Dialog“ (Harnischfeger 2016: 113). 3.1.4 Vom Gebot der internationalen Zusammenarbeit und Partizipation Review-Prozess 2014/2015 Im Jahr 2014 findet ein so genannter Review-Prozess zur strategischen Ausrichtung der Außenpolitik statt. Zahlreiche Diskussionsveranstaltungen in ganz Deutschland stehen im Zeichen der Transformation in den arabischen Ländern, beschäftigen sich mit den Krisen- und Konfliktherden, beispielsweise in der Ukraine, oder haben die transatlantischen Beziehungen zum Thema. Die übergeordneten Themen sind „Deutschlands Rolle in Europa, Deutschlands Partner, Menschenrechte, Internationale Ordnung sowie Krisen und Konflikte“ (Nr.4). Ein besonders wichtiger Aspekt ist dabei die Einbindung der Bevölkerung, eine Website lädt ein zum interaktiven Dialog.33 Experten – auch aus dem Ausland – werden gezielt nach deren Meinung zur deutschen Außenpolitik befragt, diese in den Diskurs mit eingespeist. Ein so genanntes Werkstattgespräch zum Nationalmythos Nibelungen im Maxim-Gorki-Theater bringt Kunst, Politik und Wissenschaft zusammen, will eine „kritische, politische und künstlerische Auseinandersetzung und Aneignung des historisch belasteten“ Stoffs und stellt Fragen, wie die eigene Identität, vor dem Hintergrund der Globalisierung auf das Weltgeschehen einwirkt (Nr.6). Der Review-Prozess als solcher nimmt Einfluss auf die Auswärtige Kulturpolitik, indem er aufzeigt, dass diese „stärker als bisher auch zum Aufbau von und zur Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaften“ genutzt werden muss (Auswärtiges Amt 2016: 15). Auch deshalb werde den Mittlerorganisationen bei den Koordinierungsaufgaben „im Zuge einer zunehmenden Anzahl und Diversifizierung der Träger“ im Bereich der Kultur- und Bildungsarbeit eine immer wichtiger wer33
Die Internetseite www.aussenpolitik-weiter-denken.de lädt aktiv dazu ein, sich am Diskussionsprozess zu beteiligen. Zu finden sind Blog-Einträge, eine Mediathek, Facebook und Twitter-Kommentarleisten und die Beiträge der Experten (vgl. Nr.5).
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dende Bedeutung zugesprochen (ebd.). Ein herausgehobenes Instrument der Auswärtige Kulturpolitik ist dabei die Kommunikation, so soll, insbesondere im Bereich der Willkommenskultur, die Auslandskommunikation eine noch wichtigere Rolle spielen. Menschen bewegen 2016 Im Frühjahr 2016 fand schließlich ein weiterer Kongress unter dem Titel Menschen bewegen statt, mit dem die Auswärtige Kulturpolitik und ihre Träger einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden wurden – die Kulturelle Programmarbeit stand dabei besonders im Rahmen einer Langen Nacht der Ideen im Mittelpunkt. In verschiedenen Berliner Locations, wie zum Beispiel dem Haus der Kulturen der Welt, der IfA-Galerie oder dem Maxim-Gorki-Theater wurden gesellschafts- und kulturpolitisch relevante Themen diskutiert. Im Tresor Berlin diskutierten unter dem Motto Die Kraft der Kultur – Music matters die Kulturmanager Dimitri Hegemann (Tresor / Happy Locals), Ania Pipilenko (Projekt Players of Change), Christoph Borkowsky (Piranha Arts) und Johannes Hossfeld (Goethe-Institut) darüber, wie Musik „Lebensraum beeinflussen und neue Möglichkeitsräume entstehen lassen“ kann (Nr.7). Die insgesamt dreitägige Veranstaltung endet unter dem Motto Kultur und Außenpolitik Live: Es wurden die Ideen der vorausgegangenen Langen Nacht präsentiert, außerdem waren Impulsvorträge und kleinere Auftritte zu sehen. Interessant ist dabei die Herangehensweise: Sowohl im Zuge des ReviewProzesses als auch während Menschen bewegen 2016, wird der Diskurs maßgeblich durch partizipative Formate geleitet. Der Besuch des Kongresses Menschen bewegen stand allen Interessierten frei und dementsprechend nennt sich das in diesem Rahmen vorgestellte Jahrbuch Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik 2016 auch schlicht Was wir tun (vgl. Auswärtiges Amt 2016).34 Als Kernanliegen der Neubestimmung bezeichnet dieser 20. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik den „(...) Zugang zu Kultur und Bildung weltweit zu verbessern und so vorpolitische Freiräume für Dialog und Diskurs, für Kreativität und Verständigung zu schaffen“ (Auswärtiges Amt 2017: 15), dies vor dem Hintergrund „grenzüberschreitender Krisen, Flüchtlingsströ34
Auch im Jahr 2017 hat das Auswärtige Amt wieder eine Lange Nacht der Ideen organisiert. Ziel war es, an verschiedenen Orten der Berliner Kulturlandschaft „die Bandbreite der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“ zu zeigen (Nr.8). Im Mittelpunkt standen dabei die Fragen: „Was können wir über die Kultur zunehmender Renationalisierung entgegensetzen? Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Bildung oder die Museumsarbeit im 21. Jhdt. aus? Wie gestalten wir den Kulturerhalt in Konfliktgebieten?“ (ebd.).
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3 Programmarbeit im außenkulturpolitischen Konzept
me[n] und schwindende[m] Zusammenhalt in Europa“ (Auswärtiges Amt 2017: 11). Ein besonderer Fokus lag im Berichtszeitraum auf Kultur und Bildung in Krisenzeiten und –regionen, auf der Stärkung der europäischen Zusammenarbeit, der Koproduktion von Wissen und Kultur, Bildungsbiografien sowie der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft (Auswärtiges Amt 2017: 6f.). 3.2 Zusammenfassung: Rolle der Musik im außenkulturpolitischen Konzept Eine Analyse der verschiedenen Konzeptionen, Tagungen und Kongresse, welche sich mit den Grundsätzen der Auswärtigen Kulturpolitik auseinandersetzen, zeigt, dass die Kulturelle Programmarbeit in der Gesamtbetrachtung der außerkulturpolitischen Konzeptionen stets Berücksichtigung fand und entsprechend der politischen Ausrichtungen mit verschiedenen Zielsetzungen und Schwerpunkten konsoniert wurde. Besonders augenscheinlich wird dies anhand der Neuausrichtung der Auswärtigen Kulturpolitik 2011, durch welche die Kulturelle Programmarbeit eine deutliche Gewichtung auf Formen der Repräsentationen und Sichtbarkeit, beispielsweise durch die Organisation von Deutschlandjahren erfährt. Die Musik selbst findet in jenen Ausarbeitungen und Debatten nur wenig Platz. Während die Wichtigkeit der Organisation von Musikveranstaltungen in der Konzeption 2000 zumindest noch eine kurze Erwähnung findet, wird sie in den Folgejahren hauptsächlich in Form der Erwähnung verschiedener BestPractice-Beispiele (Schlingensief, Antarctica) in die Debatten mit eingespeist. Im Jahr 2016 wird die Musik zumindest im Titel einer Veranstaltung, Music Matters, die wichtige Rolle der Musik betont. Dieser Bezug wird jedoch während der Veranstaltung inhaltlich kaum aufgegriffen. Tatsächlich ist auffällig, dass die Formate, welche im Rahmen der Tagungen in Berlin stattfinden, häufig einen inhaltlichen Schwerpunkt zu Berlin und dem Berliner Kulturleben vorweisen, was den Veranstaltungsorten, den eingeladenen Diskutanten und Präsentatoren und in Folge dessen auch dem Verlauf der Diskussionen geschuldet ist. Dies stellt zwar durchaus die erwünschte Verzahnung von Kulturinnen- und außenpolitik und ein entsprechendes „Rückspiel aus der Zweibahnigkeit“ dar, tatsächlich geht der eigentliche Bezug zur Kulturellen Programmarbeit im Ausland hierdurch an der einen oder anderen Stelle verloren (Schneider 2008c: 17). In der Langen Nacht der Ideen im Jahr 2017, welche als Debatten- und Repräsentationsformat zu identifizieren ist, lässt sich schließlich durch die Auswahl der Veranstaltungsorte sowie der Themen (Luther, Music in Africa, Artists-inResidence-Programme, etc.) ein nochmals deutlicherer Bezug zur Kulturellen Programmarbeit und der Musik erkennen.
3.2 Zusammenfassung: Rolle der Musik im außenkulturpolitischen Konzept
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In folgender Tabelle werden – in Anlehnung an Denscheilmann 2013 – die für diese Arbeit und den entsprechenden Forschungszeitraum relevanten Ziele und Konzeptionen für die Kulturelle Programmarbeit und explizite Erwähnungen der Musikarbeit zusammengefasst.35 Themen/ Ziele
Konzept der Kulturellen Programmarbeit
Erwähnung/ Behandlung der Musik
KONZEPTION 2000 - Unterstützung der allgemeinen Ziele der Außenpolitik - Sicherung des Friedens, Konfliktverhütung - Verwirklichung der Menschenrechte und partnerschaftliche Zusammenarbeit - gestaltende Rolle Deutschlands in der Welt - Deutschland als Kulturstaat in Europa darstellen - europäische Identität fördern
- Kulturelle Programmarbeit ist Kernbereich der AKP - Foren des Dialogs schaffen - Prinzip der Zweibahnigkeit - Beurteilung nach Qualität, Relevanz und Nachhaltigkeit - Multiplikatoren als Zielgruppe - langfristige Projekte, auch im Ausbildungsbereich - Unterstützung von Gastspielen - Veranstaltungen aus dem Bereich Musik sind wichtig
MENSCHEN BEWEGEN 2006 - Stärkung interkult. Dialog -Erreichen neuer Zielgruppen durch Einsatz neuer Medien, Kreativindustrie -Besserer Umgang mit Einwanderungsmilieus und ihre Spiegelung in der AKP - Betreuung der besten Köpfe im Ausland - Mehr Wirkung erzielen durch Kooperationen mit kompetenten Partnern aus der Privatwirtschaft - Mehr Präsenz in dynamischen Wachstumsregionen - Konfliktprävention und Stabilitätssicherung - AA als Knotenpunkt in weltweiten Netzwerken - Moderation kultureller Prozesse - Hohes Ansehen von Kulturschaffenden im Ausland - Kulturarbeit als Schnittstelle für den Dialog
-
Tabelle 1a: Übersicht der außenkulturpolitischen Konzeptionen 2000-2017, (auf Grundlage und in Erweiterung von Denscheilmann 2013: 62), eigene Darstellung
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Die tabellarische Darstellung von Menschen bewegen 2016 kann nicht umfassend erfolgen, da diese Veranstaltung – wie oben beschrieben – tendenziell eher als Repräsentationsforum denn als ergebnissorientierter Kongress zu verstehen ist.
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Themen/ Ziele
Konzept der Kulturellen Programmarbeit
Erwähnung/ Behandlung der Musik
3 Programmarbeit im außenkulturpolitischen Konzept MENSCHEN BEWEGEN 2009 - Kultur in den Metropolen, verstärkte Kooperationen zur besseren Präsenz - Mehr Dialog und Kontakte in Krisengebieten durch Kultur- und Bildungsprojekte - Verbesserung des weltweiten Netzwerkes - Zusammenführung von Kultur, Bildung und Klimaschutz - Vorbereitung des Deutschlandjahres 2011 - Verknüpfung mit Sportthemen - Erreichen junger Zielgruppen - Spannungsfeld zwischen Arbeit vor Ort und Kulturexport - Kultur nicht mit Erwartungen überfrachten - Dialog auf Augenhöhe - Kunst soll Ansätze zum Nachund Weiterdenken bieten - Kunst darf nicht pädagogisieren, aber auch nicht passiv bleiben. - Erwähnung von Schlingensiefs FESTSPIELHAUS AFRIKA durch Steinmeier - Vorstellung des Zukunftslabors der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen - Vorstellung des Konzertprojekts ANTARKTIKA
KONZEPTION 2011 - Europa stärken
- Frieden sichern
- Alte Freundschaften pflegen, neue Partnerschaften gründen - Krisenprävention
- einzelne Kampagnen und Projekte sollen für Sichtbarkeit sorgen, Leuchtturmdenken - Anpassung des Netzes kultureller Auslandspräsenzen - Themenfokussierte Auswahl, Deutschlandjahre
-
Tabelle 1b: Übersicht der außenkulturpolitischen Konzeptionen 2000-2017, (auf Grundlage und in Erweiterung von Denscheilmann 2013: 62), eigene Darstellung
3.2 Zusammenfassung: Rolle der Musik im außenkulturpolitischen Konzept
Themen/ Ziele
Konzept der Kulturellen Programmarbeit Erwähnung/ Behandlung der Musik
REVIEW-PROZESS 2014/2015 - Deutschlands Rolle in Europa und Deutschlands Partner - Menschenrechte, Internationale Ordnung - Krisen und Konflikte - Aufbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft - Koordinierung der Träger - Willkommenskultur - Auslandskommunikation -Werkstattgespräch NATIONALMYTHOS NIBELUNGEN
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MENSCHEN BEWEGEN 2016
- Diskussionspanel DIE KRAFT DER KULTUR – MUSIC MATTERS im Rahmen der Langen Nacht der Ideen bei Menschen bewegen 2016
Tabelle 1c: Übersicht der außenkulturpolitischen Konzeptionen 2000-2017, (auf Grundlage und in Erweiterung von Denscheilmann 2013: 62), eigene Darstellung
4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Im folgenden Kapitel sollen die wichtigsten durchführenden Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik vorgestellt werden. Dabei soll insbesondere beleuchtet werden, warum die jeweiligen Institutionen Auslandsmusikarbeit betreiben, welche Zielgruppen sie haben, welche Förderkriterien sie angelegt haben und welche Ziele sie damit verfolgen. Als prägende Akteure der Auswärtigen Musikarbeit wurden durch die Recherche sowie die Hintergrundund Expertengespräche das Goethe-Institut, der Deutsche Musikrat und das Auswärtige Amt selbst identifiziert. Neben diesen vorgestellten Akteuren gibt es gleichwohl auch zahlreiche weitere Akteure, die Auswärtige Musikprojekte realisieren, darunter kirchliche und zivilgesellschaftliche Träger, Kommunen und die Länder. Neben einer Zusammenfassung der Ergebnisse, wird das Kapitel mit zwei Exkursen zu den Themen Musik und Globalisierung sowie Musikexportförderung ergänzt. 4.1 Goethe-Institut In der Satzung des Goethe-Instituts werden die „Förderung der Kenntnis deutscher Sprache im Ausland, die Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes durch Informationen über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben“ als Vereinszweck angegeben (Goethe Institut 2000:2). Ferner heißt es, dass „Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur sowie die Völkerverständigung in Deutschland, Europa und der Welt“ gefördert werden sollen und sich diese Aufgaben im Wesentlichen aus dem mit dem Auswärtigen Amt abgeschlossenen Rahmenvertrag ergeben (ebd.). Eine der im Rahmenvertrag mit dem Auswärtigen Amt formulierten zentralen Aufgaben ist die „Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit“, unter anderem mittels der „Durchführung und Vermittlung kultureller Veranstaltungen“, der „Vermittlung von Informationen im Ausland über das kulturelle Leben in Deutschland“ und „sonstiger Beteiligung an kultureller Zusammenarbeit und Austausch mit kulturellen Einrichtungen im Ausland“ (Auswärtiges © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Maier, Auswärtige Musikpolitik, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30541-3_4
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Amt 2001: 14). Dem Goethe-Institut kann hierdurch unter allen Mittlerorganisationen sicherlich die größte Rolle in der Kulturellen Programmarbeit zugeschrieben werden.36 Das Goethe-Institut unterscheidet in der Außendarstellung der Kulturellen Programmarbeit, so zum Beispiel in den Jahrbüchern, zwischen folgenden Programmen:
Musik Bildende Kunst Tanz und Theater Film, Funk und Fernsehen Literatur Kultur und Entwicklung Wissenschaft und Zeitgeschehen
Während das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) im Bereich der Programmarbeit überwiegend in den Bildenden Künsten engagiert ist, langfristige Wissenschaftskooperationen und Hochschulzusammenarbeiten zu den zentralen Kompetenzen der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) wie des Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gehören, erfolgt die sonstige Kulturarbeit im Ausland überwiegend durch das Goethe-Institut.37 Hierzu gehört dementsprechend auch die Realisierung von Musikprojekten (vgl. Deutscher Bundestag 2011: 6f.). Im 17. Bericht zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik wird die Musikarbeit des Goethe-Instituts wie folgt zusammengefasst: 36
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Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit verfügt das Goethe-Institut über insgesamt 159 Institute und so genannte Verbindungsbüros in 98 Ländern. Das Goethe-Institut hat die Welt in 13 Regionen eingeteilt, denen jeweils ein Regionalinstitut vorsteht – Dezentralisierung und Regionalisierung wurden im Zuge der Reform goethe09 durchgeführt. Generalsekretär Ebert: „Eine Region mit acht bis fünfzehn Instituten ist eine wesentlich homogenere Einheit als ein Netzwerk mit 159 Instituten. Und die kulturpolitischen Fragen sind in den Ländern einer Region oft ähnlich“ (Goethe-Institut 2015a: 195). Neben den oben genannten Organisationen gilt auch das Haus der Kulturen der Welt in Berlin als so genannter Mittler, darüber hinaus werden im Jahrbuch der AKBP 2016 auch die Deutsche Akademische Flüchtlingshilfe Albert Einstein des UNHCR, die Zentralstelle für Auslandsschulwesen, der Pädagogische Austauschdienst der Kultusministerkonferenz, die Fachstelle für Internationale Jugendarbeit, die Deutsche UNESCO Kommission, das Deutsche Archäologische Institut, die Zentralstelle der Bundesregierung für internationale Berufsbildungszusammenarbeit, die Plattform International Marketing for National Education, die Informations- und Beratungsstelle für Auslandsaufenthalte in der beruflichen Bildung, die Deutsche Welle, die Max Weber Stiftung und die Kulturstiftung des Bundes als wichtige Akteure der AKBP gezählt (vgl. Auswärtiges Amt 2016: 89ff.).
4.1 Goethe-Institut
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„Die musikalische Auslandsarbeit des Goethe-Instituts auf professioneller Ebene umfasst die Konzeption, Besetzung und Durchführung von Einzelkonzerten, Tourneen, Meisterkursen, Workshops und Symposien. Im Amateur- und Nachwuchsbereich unterstützt das Goethe-Institut musikalische Austauschprojekte, die die Begegnung zwischen Menschen verschiedener Länder durch die gemeinsame künstlerische Arbeit ermöglichen. (...) Dabei wird die gesamte Vielfalt und Breite des deutschen Musiklebens abgedeckt – von Alter Musik und Klassik über Jazz, Rock und Pop, Elektronika bis hin zu Klangkunst und Neuer Musik“ (Deutscher Bundestag 2014: 28).38 Hier wird die dezentrale Organisationsstruktur des Goethe-Instituts sichtbar: Die Musikarbeit wird zum einen durch den Fachbereich Musik in der Zentrale des Goethe-Instituts in München verantwortet – dieser gehört zur Abteilung Kultur und wird gegenwärtig von Jörg Süßenbach geleitet.39 Zum anderen sind es die Programmabteilungen der Kulturinstitute im Ausland, die im „Dialog mit örtlichen Partnern wie Konzerthäusern, Clubs, Festivals, initiativen, etc. die Grundstrukturen“ entwickeln (Süßenbach 2009: 10). Der ehemalige Goethe-Institut Mitarbeiter Drews verglich die Arbeitsaufteilung zwischen den Kulturinstituten im Ausland und dem Fachbereich in der Zentrale mit den klassischen Kategorien des Tonträgermarktes, Artist & Repertoire, nämlich Repertoire/Thema im Ausland, Künstlerauswahl in München. (vgl. Drews 1992: 4). Süßenbach wiederum schreibt der Zentrale gar primär nur „beratende und impulsgebende“ Funktion zu: „Diese lokale Eigenständigkeit ist intendiert und wird auch dadurch ermöglicht, dass die Programmbudgets fast vollständig von den Auslandsinstituten bewirtschaftet werden. (...) Wir kommen dann ins Spiel, wenn es darum geht, die passenden Ensembles, Künstler oder Experten zu identifizieren. (...) Uns versetzt das vorteilhaft in die Lage, dass wir durch die auch finanzielle Einbeziehung von Partnern in den Gastländern sicher sein können, dass Projekte auch wirklich gewollt sind und wir nicht an den Interessen unserer Zielgruppen vorbei agieren“ (Süßenbach 2009: 10).
38 39
Eine konkretere Kategorisierung der Musikprojekte im Ausland folgt in Kapitel 5. Insgesamt gehören zur Abteilung Kultur sechs Fachabteilungen, nämlich die Bereiche Literatur & Übersetzungsförderung, Tanz & Theater, Bildende Kunst, Musik, Bildung & Diskurse und Film, Fernsehen, Hörfunk.
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Die Zentrale ist diesem Zitat folgend jedoch mehr als nur Impulsgeber: Größere Projekte werden auch in Deutschland konzipiert und den Programmplanern im Ausland schließlich die Möglichkeit der Partizipation angeboten. Insgesamt stehen dem Fachbereich Musik in München rund 1,7 Millionen Euro zur Verfügung (Süßenbach 2016). Da die Arbeit der Auslandsinstitute budgetiert ist, sind die Mittel für die Musikprogramme nur schwer zu ermitteln und selbst der Zentrale in München nicht genau bekannt (ebd.). Konkretere Zahlen kann man jedoch einem Gutachten zur Musikförderung des Bundes entnehmen: „Das Goethe-Institut verfügt nur in Teilen über eine Statistik, die eine spartenbezogene Zuordnung der Ausgaben zum Musikbereich ermöglicht. Für 2010 werden die verausgabten Mittel der ausländischen GoetheInstitute im Musikbereich mit ca. 1 Mio. Euro für Projektarbeit veranschlagt, 2.002.600 Euro wurden aus Mitteln der Zentrale für den Musikbereich ausgegeben, 393.814 Euro im Laien- und Nachwuchsbereich. Das Goethe-Institut hat dementsprechend im Jahre 2010 ca. 3,4 Mio. Euro im Musikbereich verausgabt“ (Föhl/Götzky 2013: 24). Darüber hinaus können Projekte mit Musikbezug nicht nur im Rahmen der Kulturprogrammarbeit, sondern auch im Rahmen der Spracharbeit, der sogenannten Bildungskooperation Deutsch (BKD), stattfinden, was eine vollständige Ermittlung möglicher Budgets zusätzlich erschwert. Wie und vor welchem konkreten Hintergrund die Institute im Ausland ihre Musikarbeit betreiben und anhand welcher Kriterien die geförderten Musiker ausgewählt werden, ist jedoch nur schwer nachzuvollziehen. Hierzu heißt es in einer Antwort der Bundesregierung zur Musikförderung des Bundes, dass die Projekte im engen Dialog mit den Partnern im Ausland entwickelt würden, es werde das realisiert, was in besonderer Weise nachgefragt sei (vgl. Deutscher Bundestag 2011: 10). Gleichzeitig nimmt das Goethe-Institut für sich in Anspruch, in „nichts zu investieren, was der Markt auch machen könne oder mache“, sondern es gehe in erster Linie darum, Musik aus Deutschland vorzustellen, die eine „innovative Komponente hat" (Leue 2004: 74). Einen wichtigen Bestandteil der Arbeit des Fachbereichs Musik bildet in diesem Zusammenhang auch die Kooperation mit den beiden Beiräten – laut Satzung des GoetheInstituts muss jedem Fachbereich mindestens ein Beirat beratend zur Seite stehen. Der Fachbereich Musik steht mit den Beiräten Profi sowie Nachwuchs- und Laienförderung auf operativer Ebene im ständigen Austausch und tritt – laut Süßenbach – in der Regel einmal im Monat zu einer Sitzung zusammen: „Im Nachwuchsbereich sind die Beiräte an Funktionen gebunden, die im Kooperationsvertrag mit dem Deutschen Musikrat festgehalten wurden. Im Profibereich
4.1 Goethe-Institut
51
wird nach Persönlichkeiten gesucht, die besondere Kompetenzen in den verschiedenen Genres haben, und die idealerweise keine Eigeninteressen verfolgen. Alle Beiräte werden durch das Präsidium ernannt“ (Süßenbach 2016).40 Die Musikprojekte werden dementsprechend seitens des Goethe-Instituts zum einen nach Bereichen, Profi und Nachwuchs- und Laienbereich, und hierunter wiederum nach Förderformaten unterschieden:
Förderung von selbstorganisierten Auslandsgastspielreisen Einreisende Gastspiele Residenz/Förderung von Arbeitsaufenthalten Förderung durch Auftragsmittel, durch die GIA (Partner) organisierte Projekte
Dabei scheint das musikalische Genre bei der Auswahl der Musikprojekte eher eine untergeordnete Rolle zu spielen, entsprechend der bereits vormals erwähnten Antwort der Bundesregierung folgt die Förderung der Musik „außenpolitischen Erfordernissen und ist im Wesentlichen regional gegliedert, nicht nach Sparten" (Deutscher Bundestag 2011: 3). Es gebe bei der Entwicklung und Durchführung der Projekte „keinerlei Vorbehalte gegenüber einzelnen Sparten sowie gegenüber E- und U-Musik“ (Deutscher Bundestag 2011: 10). Im Nachwuchs- und Laienbereich „entstehen die meisten Projekte durch Anträge von in Deutschland ansässigen Ensembles“, im Bereich Profi erfolgt die Musikförderung durch Projektförderungen weitestgehend über das GoetheInstitut, daneben in besonderen Fällen auch durch das Auswärtige Amt direkt.41 Wichtige Auswahlkriterien sind „Qualität, die Kommunikationsfähigkeit, manchmal auch die Belastbarkeit von Künstlern“ (Süßenbach 2009: 13). Insgesamt sind es ca. 800 Veranstaltungen pro Jahr, die dem Musikbereich zugeordnet werden können. Davon konnten beispielsweise im Jahr 2010 ca. 250 Projekte dem so genannten U-Bereich zugeordnet werden.42 Der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, bezeichnet die Strategie des Goethe-Instituts als „Kaskade“, indem man vor Ort nach vorher „definierten Zielen handelt“, sich dabei aber “immer auf die lokalen Szenen bezieht“ (Goethe-Institut 2015a: 196). Entscheidend ist für ihn die Entwicklung 40
41 42
Durch die Beiräte bestehen wiederum weitere Schnittstellen zum Auswärtigen Amt, welches Vertreter der einzelnen Fachreferate zu den Beiratssitzungen entsendet. Siehe 4.3 Auswärtiges Amt Bei einer Gesamtbetrachtung der Musikförderung des Bundes kommt es im so genannten U-Bereichs zu folgender ungefährer Aufteilung: Ca. 40 Prozent Jazz, ca. 30 Prozent Elektronika, ca. 25 Prozent Rock/Pop, ca 5 Prozent diverses (vgl. Deutscher Bundestag 2011: 15).
52
4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
von „orts- und regionalspezifische Projekten“ im dialogischen Ansatz (ebd.). Auch durch die Musikarbeit sollen „Entwicklungen, Netzwerke, etc. initiiert“ werden, die über ein Projekt hinaus Bestand haben (Süßenbach 2009: 10). Im „Idealfall“ soll ein Musikprojekt die „Einleitung eines Prozesses“ darstellen (ebd.).43 Als Zielgruppe hat das Goethe-Institut Multiplikatoren als wichtigste Zielgruppe seiner Kulturarbeit bestimmt (vgl. Knopp 2016: 170). Ein weiterer Bestandteil der Musikarbeit des Goethe-Instituts ist die Möglichkeit, sich als professioneller Musiker über den 2009 eingeführten Fonds zur Förderung von Gastspielvorhaben bei der Finanzierung der Reisekosten unterstützen zu lassen. Im Jahr 2010 erhielten 40 Ensembles diese Art von Förderung. 4.2 Deutscher Musikrat Der Deutsche Musikrat ist ein Dachverband zahlreicher deutscher Musikverbände. Er vertritt 90 musikalische Fachverbände und die 16 Musikräte der Bundesländer sowie zahlreiche Einzel- und Ehrenmitglieder (vgl. Nr.9).44 Seit 2004 steht Prof. Martin Maria Krüger dem eingetragenen Verein als Präsident vor, Prof. Christian Höppner fungiert als Generalssekretär. Zu den Mitgliederverbänden gehören unter anderen die Bundesvereinigung Deutscher Chorverbände, die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, der Bund deutscher Zupfmusiker, der Deutsche Rock- und Popmusikerverband, der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, der Verband deutscher Schulmusiker und der Verband der deutschen Konzertdirektionen. Neben dem Verein wurde im Jahr 2003 zudem eine gemeinnützige Projektgesellschaft mit Sitz in Bonn gegründet, in der alle Projekte (Fördermaßnahmen) gebündelt worden sind. Auf der Homepage des Deutschen Musikrates heißt es: „Neben der Förderung professioneller Musiker, dem Engagement im Bereich des Laienmusizierens und der Zeitgenössischen Musik unterstützt die Projektgesellschaft insbesondere den musikalischen Nachwuchs“ (Nr.11). 43
44
Ergänzend soll an dieser Stelle bereits der im Sommer 2016 aufgelegte Internationale Koproduktionsfonds des Goethe-Instituts Erwähnung finden, der unter 4.2.5 nochmals vorgestellt werden wird: „Mit dem Internationalen Koproduktionsfonds möchte das Goethe-Institut den uneingeschränkten internationalen und interkulturellen Künstleraustausch und dessen Reflexion unterstützen. Die Ermöglichung eines derartigen Austauschs und die damit einhergehende Vernetzung unter den Akteuren sind dabei ebenso wichtig wie die entstehenden Produktionen“ (Nr.10). Zum Zeitpunkt des Erstellens dieser Arbeit sind auch bereits mehrere Musikprojekte durch den Fonds ermöglicht worden, so zum Beispiel Originial Sin in den USA, More than One Species in Georgien und viele mehr. Der Deutsche Musikrat vertritt laut eigenen Angaben insgesamt über 8 Millionen Menschen.
4.2 Deutscher Musikrat
53
Bekannte Projekte sind beispielsweise Jugend musiziert, das Bundesjugendorchester, das Bundesjazzorchester oder das POPCAMP. Die Überarbeitung der Organisationsstruktur, insbesondere die Erweiterung des Vereins um eine gGmbH, ist die Konsequenz aus einer Überschuldung, die im Jahr 2002 zur Einreichung eines Insolvenzantrags führte. Die finanzielle Notsituation wurde seitens des Deutschen Musikrates mit „Managementfehlern“ begründet (Koch 2000: o.S.). Der Insolvenzplan wurde im April 2003 von den Gläubigern angenommen und die damit verbundenen Strukturveränderungen entsprechend eingeleitet. Im Jahr 2005 wurde unter dem Motto Musikland Deutschland - wie viel kulturellen Dialog wollen wir? eine Tagung veranstaltet, aus dem der 2. Berliner Appell entstand. Zur Auswärtigen Kulturpolitik wurde hierzu folgender Text formuliert: „Die Auswärtige Kulturpolitik muss wieder im Sinne einer dritten Säule der Außenpolitik gestärkt werden und den interkulturellen Dialog vor allem über Begegnungsprogramme auf der Laienmusikebene befördern. Die jungen Musikerinnen und Musiker sind gerade bei nachhaltig angelegten Begegnungsprogrammen ausgezeichnete Multiplikatoren für Toleranz, Weltoffenheit und Verständigung“ (Krüger 2007: o.S.). Das in diesem Text insinuierte Selbstverständnis und die darin proklamierte Relevanz von Laienmusik für die Auswärtige Kulturpolitik basiert vor allem darauf, dass der Deutsche Musikrat zu jener Zeit im Auftrag des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) über die so genannte Verbindungsstelle für Internationale Beziehungen (VSt) mit Aufgaben der musikalischen Auslandsarbeit und des internationalen Jugendaustausches befasst ist.45„Im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik fördert die VIB vor allem Gastspiele deutscher Amateur- und Spitzennachwuchsensembles im Ausland und Musikprojekte im Rahmen des Jugendaustausches in beide Richtungen“, heißt es hierzu in einer Drucksache des Deutschen Bundestags (Deutscher Bundestag 2001: 16).46 Den größten Schwerpunkt bildet 45
46
Ausdrücklich Bezug auf das British Council als institutionelles Vorbild nimmt ein Memorandum unter dem Titel „Die deutsche Musik und das Ausland. Zur Wiederherstellung und Pflege der zwischenstaatlichen Beziehungen“, auf dessen Grundlage 1957 die Verbindungsstelle nach Bewilligung eines Jahreszuschusses durch das Auswärtige Amt gegründet wird. Im Jahr 1964 schlossen das Auswärtige Amt und der Deutsche Musikrat einen Vertrag, in dem die „Aufgaben, Finanzierung und die Arbeitsweise der VSt im einzelnen geregelt wurden“ (Mettig 1993: 189). Die Abkürzung der Verbindungsstelle wird nicht einheitlich genutzt. In einigen Dokumenten wird sie mit VSt, in anderen mit VIB abgekürzt. Der Verfasser dieser Arbeit folgt der
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
die Vergabe von Projektmitteln zur Förderung von Auslandsgastspielen (vgl. Deutscher Musikrat 1992: 141). Ferner wird der Auftrag des Verbindungsbüros darin gesehen, „die Teilnahme junger deutscher Interpreten an internat. Musikwettbewerben“ zu ermöglichen (ebd).47 Laut eigenen Angaben fördert der Deutsche Musikrat durch die Verbindungsstelle den internationalen Kulturaustausch auch durch „Unterstützung von Informations – und Fortbildungsaufenthalten ausländischer Musiker“ (ebd.).48 Auch der ehemalige Leiter der Verbindungsstelle, Volker Mettig, betont in einem mit ihm für diese Arbeit geführten Interview die „wesentliche Rolle“ der VSt in der Auswärtigen Kulturpolitik als Mittler des Auswärtigen Amts: „Während das Goethe-Institut nur im engeren Bereich von Gastspielen professioneller Solisten und kleinerer Ensembles tätig war, hat die VSt die gesamten Bereiche des Chorwesens, der Laienmusik, der Jugendensembles und des professionellen Nachwuchses abgedeckt. Darüber hinaus umfassten die Aktivitäten der VSt die gesamte Welt, während das GI lediglich in Ländern und Orten aktiv war und ist, in denen es Zweigstellen unterhält“ (Mettig 2016). Im Zuge einer Prüfung der Zuwendungen des Auswärtigen Amts bemängelte der Bundesrechnungshof jedoch bereits im Jahr 2000, dass das Auswärtige Amt neben den Projekten der VSt eben „vergleichbare Projekte des Goethe-Instituts“ fördere und zudem mit „eigenen Mitarbeitern mit der Finanzierung von Gastspielen“ beschäftigt sei (Bundesrechnungshof 2000: 16). Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass „die Aufspaltung der Förderaktivitäten auf zwei verschiedene Mittlerorganisationen und das Bundesministerium unwirtschaftlich und intransparent“ ist (ebd.). Zudem bemängelte er das „Fehlen eines sachgerechten Gesamtkonzeptes und einer Vorgabe von Zielen und Inhalten der vorliegenden Projektförderung durch das Auswärtige Amt“, was nach Auffassung des Bundes-
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48
Nutzung des Befragten Mettig und nutzt – wenn nicht als Zitat dargestellt – die Abkürzung VSt. Bereits 1953 wurde die deutsche Sektion des Internationalen Musikrates der UNESCO gegründet, was als erster Schritt der Wiederaufnahme der internationalen Verbindungen im Bereich Musik nach Ende des 2. Weltkriegs zu identifizieren ist. Zur Geschichte des Deutschen Musikrates vgl. Sass/ Eckhardt 1993. Widersprüchlich sind hier die Aufgaben des Deutschen Musikrats als Interessens- und Lobbyverband auf der einen Seite, und als NGO mit enger Verpflechtung zum Regierungshandeln auf der anderen Seite. Mitte der 1990er Jahre wird zudem Kritik geäußert, dass sich die Kulturverbände, so auch der Deutsche Musikrat, von den „makroperspektivischen Kulturdiskussionen und den umfassenden Willensbildungsprozessen“ verabschiedet hätten und die Konzentration auf die „Einwerbung und Sicherung von staatlichen Projektförderungen“ gerichtet sei (Frevel 1997: 222).
4.2 Deutscher Musikrat
55
rechnungshofes zu „zweifelhaften Zuständigkeitsabgrenzungen und Doppelarbeit bei gleichzeitiger Konkurrenz um die Fördermittel“ führte (ebd.).49 Als Konsequenz forderte der Bundesrechnungshof, „die musikalische Auslandsarbeit im Wege eines Gesamtkonzeptes mit präziseren Zielvorgaben neu zu strukturieren und die Programmmittel zukünftig bei einem der beiden Mittler zu bündeln“ (ebd.) Im Jahr 2002 wurde die VSt – auf Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses des Bundestags – als „Bereich Musik II“ in die Abteilung Kultur des Goethe-Instituts mit Sitz in Bonn überführt. Dieser Bereich wurde wiederum im Jahr 2008 aufgelöst und schließlich als Bereich Laienmusizieren und Förderung des musikalischen Nachwuchses in den Fachbereich Musik in der Zentrale des Goethe-Instituts in München integriert. In der im Zuge dessen entstandenen Kooperationsvereinbarung zwischen Goethe-Institut und Deutschem Musikrat heißt es hierzu: „Die ehemalige Verbindungsstelle des Deutschen Musikrates, welche von 1957 bis 2002 insbesondere Begegnungen zwischen Ensembles der Laien- und semiprofessionellen Szene aus Deutschland und dem Ausland ermöglicht sowie international Lehrkräfte vermittelt hat, wurde durch Beschluss des Auswärtigen Amts als Fachbereich Musik 2 unter Beibehaltung ihrer Aufgaben beim Goethe-Institut angesiedelt“ (Goethe-Institut 2007: 1). Die beiden Institutionen verpflichten sich in dieser Vereinbarung, „auf allen Feldern der Musikkultur im In- und Ausland, die als Themenfelder von gemeinsamem Interesse erkannt sind“, zusammenzuarbeiten (ebd.). Dazu zählen die Vertragsparteien auch, „neben den auf allen Ebenen zu führenden Konsultationsprozessen die gegenseitige Verstärkung bei der Kommunikation der gemeinsamen Ziele gegenüber den Entscheidungsträgern aus Politik, Kultur, Wirtschaft, den Medien und weiteren gesellschaftlich relevanten Gruppen“ (ebd.). 49
„Die VSt ist institutionell zu 100% vom Auswärtigen Amt finanziert worden. Hinzu kamen Projektmittel des Auswärtigen Amts und seit 1990 Projektmittel aus dem Kinderund Jugendplan des Bundes (BMFSJ). Die Projektmittelzuwendungen des Auswärtigen Amts stiegen seit der ersten Zuwendung im Jahr 1961 von 70.000 DM auf bis zu 4,5 Mio DM jährlich Anfang der 90er Jahre. Seit 1992 wurden die Projektmittel im Zuge der allgemeinen Haushaltseinsparungen kontinuierlich gekürzt, allerdings kamen immer wieder Sondermittel für bestimmte Projekte hinzu. 2002, im letzten Jahr der VSt, betrugen die AA-Projektmittel insgesamt 2,0 Mio €. Die Projektmittel des BMFSJ betrugen zu Beginn (1990) 1,0 Mio DM und lagen im Jahr 2003 bei 430.000 €, hinzu kamen noch Mittel, die als Zentralstelle für das Deutsch-Polnische Jugendwerk und Tandem (Koordinierungsstelle deutsch-tschechischer Jugendaustausch) verwaltet wurden: DPJW 15.500 €, TANDEM 36.300 €“ (Mettig 2016).
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Im Rahmen dieser Kooperationsvereinbarung wurde festgelegt, dass man gemeinsam „Begegnungsprogramme für junge deutsche und ausländische Musiker sowie Ensembles des Laienmusizierens einschließlich der semiprofessionellen Szene“ schaffen wolle und „die Vermittlung bzw. der Austausch von Lehrern sowie Ensembleleitern“ gefördert werden wolle (Deutscher Musikrat 2008: 2). Bis heute ist der Deutsche Musikrat im Beirat des Arbeitsbereichs Nachwuchsund Laienförderung durch den Einsitz des Präsidenten des Musikrates vertreten. Weitere Mitglieder sind Vertreter von großen im Deutschen Musikrat organisierten Verbänden. Im Jahr 2010 wurde die Auswärtige Musikpolitik im Papier Eckpunkte der Auswärtigen Musikpolitik des Deutschen Musikrates erneut als „eine seiner originären Aufgaben“ definiert (Deutscher Musikrat 2010: 1f.). Hierin wird die Aufgabe des Deutsche Musikrats durch einen „definitorisch breiten Ansatz von Kultureller Vielfalt“ begründet, der sich „eben nicht nur auf den transkulturellen Bereich eingrenzen“ und „womöglich in der alleinigen Zuständigkeit des Auswärtigen Amts und seiner Mittlerorganisationen“ ableiten lässt, sondern „auf das engste mit den kulturellen Ausdrucksformen eines Landes verbunden“ ist (ebd.). Der Deutsche Musikrat versteht Auswärtige Musikpolitik dementsprechend als „Teil seiner gesamtstrategischen Ausrichtung“, deren „konzeptionelle Grundlage“ die UNESCO-Konvention Kulturelle Vielfalt, der 2. Berliner Appell, das Grundsatzprogramm und die entsprechenden Präsidiumsbeschlüsse bilden (Krüger 2007: o.S.). Hieraus leitet der Deutsche Musikrat die Ziele seiner Auswärtigen Musikpolitik ab: 1) Strategische Partnerschaften für die musikpolitischen Themen von gemeinsamen Interesse bilden 2) Nachhaltig angelegte Begegnungen fördern 3) Informationsaustausch (ebd.) Für den Musikrats-Präsidenten Krüger ist es zusammenfassend das wesentliche Ziel des Deutschen Musikrates, über die Auswärtige Musikpolitik „den transkulturellen Dialog weiter auszubauen“ (Krüger 2009: 15). 50 Nicht nur die bewusste Abgrenzung des Deutsche Musikrats zu den Mittlerorganisationen im Rahmen des Papiers Eckpunkte der Auswärtigen Musikpolitik 50
Der Deutsche Musikrat ist auch Mitglied des European Music Council, unter dessen Dach sich alle europäischen Musikräte wie auch andere nationale und internationale Musikorganisation versammeln. Richard Jakoby sah im Einsatz für die „musikpolitische Arbeit“ bereits im Jahr 1991 „musikimmanente und übergeordnete Perspektiven der human relations“ (Jakoby 1991: 48).
4.3 Auswärtiges Amt, deutsche Auslandsvertretungen
57
des Deutschen Musikrates lässt darauf schließen, dass die Neuverteilung der Kompetenzen innerhalb der Auswärtigen Musikpolitik nicht unbedingt zu einem Dialog auf Augenhöhe geführt hat. Gefragt nach der Zusammenarbeit zwischen Goethe-Institut und Deutschem Musikrat antwortet Süßenbach lediglich, dass der Deutsche Musikrat auch „Antragsteller für die großen Bundesensembles sei“ (Süßenbach 2016). Ein hochrangiger Funktionär des Deutschen Musikrates, der nicht namentlich genannt werden will, ist noch ein wenig deutlicher: „Es gibt Wünsche an das Goethe-Institut, die noch offen sind. Wir haben da eine Partnerschaft. Ich würde mir aber natürlich schon wünschen, dass wir – mit dem was wir erreichen wollen – mit entsprechenden Mitteln ausgestattet werden. (...) Wir sind da gegenüber früheren Zeiten ein leicht betäubter Bär“ (Name und Protokoll liegen dem Verfasser vor). 4.3 Auswärtiges Amt, deutsche Auslandsvertretungen In der Konzeption 2000 wird die Wichtigkeit der Mittlerorganisationen im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit hervorgehoben. Das Auswärtige Amt ist also in erster Linie Zuwendungsgeber; die Mittlerorganisationen, so auch das GoetheInstitut mitsamt der Musikarbeit, sind Zuwendungsempfänger. Das Goethe-Institut agiert als eingetragener Verein in erster Linie jedoch staatsunabhängig.51 Im Jahr 2007 begann die Reform goethe09, mit der die kameralistischen Jahrespläne auf betriebswirtschaftliche Budgetierungsmodelle und dementsprechend auch die Steuerung von zugewiesenen Einzelmitteln auf Zielvereinbarungen umgestellt wurden. Auch die Dezentralisierung und Regionalisierung der Goethe-Institute wurden konsequent umgesetzt.52 Das Auswärtige Amt erarbeitet seitdem mit dem Goethe-Institut alle vier Jahre neue Zielvorgaben, die dann wiederum seitens des Goethe-Instituts in verschiedene Regionalstrategien heruntergebrochen werden. Diese konkretisierten Regionalstrategien dienen wiederum als Grundlage für die Budgetaufteilung sowie als Basis für die Planung der gesamten lokalen Institute. Direkte Schnittstellen zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut gibt es außerdem bei der Bewirtschaftung so genannter Auftragsmittel, also Sondermittel, die das Auswärtige Amt dem Goethe-Institut zur Verfügung stellt, um „Projekte mit besonderer kulturpolitischer Bedeutung, vor allem an Orten ohne GoetheInstitute und in Schwerpunktregionen der AKBP“ durchzuführen (Süßenbach 51 52
Zur Autonomie des Goethe-Instituts – de jure und de facto – vgl. Crückeberg 2016: 82. Weitere Informationen und Kritik an der Reform GOETHE09 vgl. exemplarisch Nr.12
58
4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
2009: 12). Zudem sind Vertreter der Fachreferate des Auswärtigen Amt zu Gast bei den Beiratssitzungen des Goethe-Instituts und man trifft sich einmal im Jahr um sich gegenseitig über die Planungen zu informieren (vgl. ebd.). Das Auswärtige Amt finanziert also das Goethe-Institut: „Für 2010 werden insgesamt Mittel in Höhe von 4.305.612 Euro dem Musikbereich zugerechnet, wobei es einen weiteren Bereich von Kulturausgaben durch das Goethe-Institut gibt (sog. Kleiner Kulturfonds), die keiner Sparte zugeordnet werden können und ggf. weitere Musikförderungen beinhalten“ (Föhl/Götzky 2013: 21). Doch auch das Auswärtige Amt selbst und die deutschen Auslandsvertretungen spielen bei der Umsetzung der Kulturellen Programmarbeit eine wichtige Rolle. Konkret ist das beim Auswärtigen Amt die Abteilung Kultur- und Kommunikationsabteilung, die wiederum neun Referate umfasst und zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit von Dr. Andreas Görgen geleitet wird. Zudem sind es die Kulturreferate der Deutschen Botschaften in den Gastländern.53 Auf der Internetseite des Auswärtigen Amts wird die Förderung der Kulturellen Programmarbeit als „Kernbereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“ bezeichnet (Nr.13). Diese „vermittelt im Ausland ein Bild von der hohen Qualität und großen Vielfalt des künstlerischen Schaffens in Deutschland und präsentiert unser Land als innovative und kreative Kulturnation“ (ebd.). Darüber hinaus sei die Kulturelle Programmarbeit „besonders geeignet, interkulturelle Begegnungen und Kommunikation auch jenseits des politischen Diskurses zu ermöglichen und damit das Verständnis füreinander und die Verständigung miteinander zu erleichtern und zu vertiefen“ (ebd.). Das Auswärtige Amt unterscheidet dabei in der Kulturellen Programmarbeit zwischen folgenden Formaten (vgl. Nr.14):
Förderung von Ausstellungen, Künstleraustausch Unterstützung von Gastspielen, Tourneen musikalischer Ensembles, von Theater- und Tanzgruppen, u.a. Buch- und Literaturförderung Filmförderung
Zwar wird der Großteil der verfügbaren Fördermittel für die Kulturelle Programmarbeit an die entsprechenden Mittlerorganisation verteilt,54 doch die beim 53
54
Das Budget der „Pflege kultureller Beziehungen im Ausland“ liegt im Jahr 2015 bei rund 690 Millionen Euro, was einem Anteil von ca. 20% des Gesamtbudgets entspricht. Das Budget für eigene Kulturprojekte liegt im Mittel bei rund 10-20 Millionen Euro pro Jahr (Nr.15). Das Goethe-Institut erhält im Jahr 2015 als größte Mittlerorganisation rund 234 Millionen Euro an institutioneller Förderung, zusätzlich rund 16 Millionen € Projektförderung (vgl. Nr.15).
4.3 Auswärtiges Amt, deutsche Auslandsvertretungen
59
Auswärtigen Amt verbleibenden Mittel werden für die „Förderung größerer Kulturvorhaben von erheblicher außenkulturpolitischer Bedeutung mit internationaler Ausstrahlung“ verwendet (ebd.). Das Auswärtige Amt legt dabei neben der künstlerischen Qualität besonderen Wert auf „regionale Schwerpunktsetzung, Nachhaltigkeit sowie partnerschaftliche Kooperation mit Institutionen und Persönlichkeiten im Gastland“ (ebd.). Die dadurch entstehenden Netzwerke bezeichnet das Auswärtige Amt als das „wichtigste Kapital der Kultur- und Kommunikationspolitik“ (Nr.16). Über die Wichtigkeit der Musik heißt es ebenfalls auf der Internetseite des Auswärtigen Amts: „Die Musik spielt in der Wahrnehmung der deutschen Kultur im Ausland eine besondere Rolle. Das liegt an der herausragenden deutschen Musiktradition, aber auch an der Vielfalt und Qualität des aktuellen deutschen Musiklebens, im professionellen wie im Amateurbereich. Konzerte deutscher Musikerinnen und Musiker im Ausland und insbesondere die Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern im Ausland sind besonders geeignet, diese ausgeprägte Musikkultur im Ausland zu vermitteln und auch über Sprachbarrieren hinweg Zusammenarbeit und Verständigung zu schaffen“ (Nr.17). Spiegelt sich diese Darstellung jedoch auch in der Programmarbeit des Auswärtigen Amts wider? In einem Gespräch mit einem Vertreter der Abteilung Kulturund Kommunikation des Auswärtigen Amtes wird die Frage verneint und betont, dass man für Musik keine gesonderte Rolle vorgesehen habe im Vergleich zu anderen Künsten. Zwar spiele Musik eine Rolle im Rahmen der Gesamtkonzeption, aber es gebe keine Differenzierung der Künste und keine besondere Rollenzuweisung (Name und Protokoll liegen dem Verfasser vor).55 Die konkrete Auswahl von zu fördernden Musikprojekten unterliege somit ebenfalls außenpolitischen Prämissen bzw. einer positiven Bewertung ob der internationalen Ausstrahlung – konkrete Auswahlkriterien bestünden allerdings nicht und es seien mehr Einzelentscheidungen in der Praxis (ebd.) So wird auch bei konkreter Recherche nicht ersichtlich, nach welchen Maßstäben die Auswahl von geförderten Musikprojekten erfolgt. Crückeberg bescheinigt den Deutschen Botschaften in seinem Artikel über die „ambivalenten Beziehungen zwischen Goethe-Institut und den Deutschen Botschaften“, „ein großes Publikum“ erreichen zu wollen, während das Goethe-Institut dazu tendie55
Interessanterweise stellt die Abteilung Kultur und Kommunikation des Auswärtigen Amts sich und einige ausgewählte Projekte im Jahr 2008 in einer Broschüre unter dem Titel Wo die Musik spielt – Kultur und Kommunikation in der deutschen Außenpolitik vor (vgl. Auswärtiges Amt 2008).
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
re, „Elitenförderung zu betreiben und nicht die breite Masse anzusprechen“. Dabei nennt er den Konzertbereich als Beispiel, in dem das Goethe-Institut beispielsweise „eher Modern-Jazz-Bands für einen kleineren Kreis“ fördere. Ein Beispiel für große Konzertformate, die durch das Auswärtige Amt bzw. eine Deutsche Botschaft durchgeführt wurden, nennt er jedoch nicht (Crückeberg 2016: 90). Er begründet diese verschiedenen Herangehensweisen in der unterschiedlichen Definition des Kulturbegriffs der beiden Akteure.56 Tatsächlich ist es so, dass die deutschen Botschaften selbst auch nur über wenige operative Gelder für die Durchführung und Förderung von Kulturprojekten verfügen. Die dafür vorgesehenen Mittel stammen aus dem so genannten Kleinen Kulturfonds: „Der Kleine Kulturfonds steht den Auslandsvertretungen für kleine kulturelle Maßnahmen zur Verfügung. Er soll den Vertretungen vor Ort ermöglichen, die etablierten Aufgabenfelder der Auswärtigen Kulturpolitik durch kleine Projekte mithilfe ihrer spezifischen Orts- und Sachkenntnis zu ergänzen und abzurunden“ (Deutscher Bundestag 2001:14). Das Begriffspaar Auswärtige Musikpolitik findet seitens des Auswärtigen Amtes zudem auch gar keine Verwendung. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes erläutert hierzu, dass man auch nicht von Auswärtiger Theaterpolitik, Auswärtiger Filmpolitik, oder sonstigem spreche. Man gehe nicht die Kunstsparten durch und mache daraus eine jeweilige Politikgattung (Name und Protokoll liegen dem Verfasser vor). Auch hierin wird erkennbar, dass die Kulturelle Programmarbeit durch das Auswärtige Amt eher in einem gesamtstrategischen Komplex betrachtet wird. 4.4 Sonstige Akteure Neben dem Auswärtigen Amt, dem Goethe-Institut und dem Deutschen Musikrat, sind weitere Mittlerorganisationen, Institutionen, Vereine, Stiftungen, NGOs zu finden, die auf ihrem Feld Musikprojekte im Ausland durchführen – entsprechend der einleitend vorgenommenen Begriffsdefiniton sind diese also dem Bereich der Public Diplomacy zuzurodnen. Auf der Basis einer vergleichenden Quellenanalyse sind diese weiteren Akteure in ihrer Relevanz eingeschätzt worden – eine weitere exemplarische Auswahl an Akteuren soll im Folgenden kurz vorgestellt werden. 56
Wobei offensichtlich sowohl das Goethe-Institut als auch das Auswärtige Amt selbst den erweiterten Kulturbegriff als Ausgangspunkt ihrer Arbeit nutzen (vgl. Nr.18 und vgl. Nr.19).
4.4 Sonstige Akteure
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Deutsche Welle Der Auslandssender Deutschlands Deutsche Welle ist über Radio, Fernsehen sowie Internet weltweit verfügbar. Gemäß dem 20. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik erreicht die Deutsche Welle rund 135 Millionen Menschen und ist „eine bedeutende Botschafterin unseres Landes im Ausland und zugleich eine unabhängige Informationsquelle in der Welt“, sie fördere hierdurch „das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker und schafft einen Zugang zur deutschen Sprache“ (Deutscher Bundestag 2017: 35). Die Deutsche Welle ist keine Mittlerorganisation der AKBP, sondern eine „Einrichtung mit internationalem Bezug“ (ebd.). Die Zuständigkeit und Finanzierung für den Sender liegt bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, weitere Projektmittel stammen aus den Etats des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.57 Im Bereich Musik sind die verschiedenen Musiksendungen und entsprechende musikjournalistische Aufbereitungen von besonderer Bedeutung. Eines der bekanntesten Formate der Deutschen Welle ist das Musikmagazin PopXport, in dem wöchentlich die neuen Trends der deutschen Musikszene vorgestellt und Berichte von den großen deutschen Musikveranstaltungen gesendet werden. Auch der deutsche Musiknachwuchs wird unterstützt, hierzu kooperiert die Sendung mit der Initiative Musik (vgl. Nr.20). Darüber hinaus entwickelt die Deutsche Welle aber auch andere Musikformate, die in einer ganzheitlichen Betrachtung von Musikprojekten im Ausland eine wichtige Rolle einnehmen: So arbeitet beispielsweise die Redaktion Deutschkurse bereits seit vielen Jahren mit der Band Einshoch6 – das sind neun Musiker, die Hip Hop und klassische Musik miteinander kombinieren – zusammen, um Deutschlernenden die deutsche Sprache näher zu bringen. Als Grundlage dienen dabei eine 40-teilige Videoserie, mehrere Musikvideos, begleitende Schulmaterialien und Handreichungen für Lehrer. In Kooperation mit dem Goethe-Institut wurden mit der Band bereits zahlreiche Tourneen auf mehreren Kontinenten absolviert. Als Beispiel zu nennen sind ebenfalls die Gastspiele des Deutschen Symphonieorchesters im Ausland. In einem Artikel in Politik & Kultur beschreibt der Orchesterdirektor Richter seine Erfahrungen auf den Auslandsreisen nach Sofia, Moskau und Bukarest, welche auf Einladung der Deutschen Welle stattfanden und durch die dortigen Redaktionen in Kooperation mit den jeweiligen Botschaften und Goethe-Instituten organisiert wurden. Als Besonderheit erkennt Richter, dass dieses Konzerte ebenso live übertragen wurden – was er mit der großen 57
Weiterführende Informationen zur Deutschen Welle und ihrer Geschichte vgl. Hagedorn 2016.
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Geltung der Deutschen Welle in osteuropäischen Ländern begründet (vgl. Richter 2018: 258). Jeunesses Musicales Die Fédération Internationale des Jeunesses Musicales wurde 1946 vom Generalsekretär der Brüsseler Philharmonie, Marcel Cuvelier, gegründet. Es war das erklärte Ziel, junge Menschen miteinander über Musik zu verbinden, „soziale, geographische und kulturelle Unterschiede zu überbrücken und eine internationale Plattform für interkulturelle Dialoge zu schaffen“ (Nr.21). Heute erreicht die Jeunesses Musicales international mehr als sechs Millionen junge Menschen in vierzig Ländern (vgl. ebd.). In der Jeunesses Musicales Deutschland – mit Sitz in Weikersheim – haben sich rund 300 junge Orchester zusammengeschlossen. Auf der Internetseite der Jeunesses Musicales Deutschland definiert man sich als „Impulsgeber im Kulturleben“ und will zudem mit zahlreichen Initiativen und Projekten „Anstöße und Motivation für die Orchesterarbeit“ geben (Nr.22). In ihrem Leitbild wird dargestellt, dass das „Bekenntnis zu Freiheit und Verantwortung, Respekt und Offenheit, Freundschaft und Begegnung über alle Grenzen hinweg (...) das weltweite Netzwerk der Jeunesses Musicales“ begründet (Nr.23). Die Förderung von „Kunst und Kultur und der Völkerverständigung“ ist in der Satzung festgeschrieben (Nr.24). Dabei definiert sich der Aspekt der Völkerverständigung in erster Linie über die internationale Organisationsstruktur der Jeunesses Musicales international selbst. Darüber hinaus werden verschiedenen international ausgerichtete Projekte durchgeführt, wie zum Beispiel Ethno Germany, bei dem zahlreiche Musiker aus der Welt zusammen kommen, um „vielfältige kulturelle Hintergründe [zu] erkunden und traditionelle Musik neu [zu] erfinden“ (Nr.25). Das Begriffspaar Auswärtige Musikpolitik findet im Sprachgebrauch der Jeunesses Musicales Deutschland keine Verwendung.
4.4 Sonstige Akteure
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Deutscher Chorverband Laut eigenen Angaben ist der Deutsche Chorverband „Deutschlands erste Adresse für die vokale Musik“ (Nr.26). Er fungiert als Dachverband für insgesamt 29 Mitgliedsverbände sowie die Deutsche Chorjugend. Auf der Internetpräsenz des Verbands sind zahlreiche Projekte und Initiativen seitens des Deutschen Chorverbands genannt, so zum Beispiel die Tage der Neuen Chormusik, Kooperationen von Schule und Chor, Männerchortage, Frauenchortage, Jazzchor-Festivals, die Ausbildung für Management-Nachwuchs und Chorvorstände sowie viele andere Projekte mehr (ebd.). Dabei ist der Verband per se international ausgerichtet: „Weltweit bekennen sich 450 Chöre auf allen fünf Erdteilen zur Mitgliedschaft im Deutschen Chorverband – Chöre zwischen Santiago de Chile, Windhuk und Tokio. Der Deutsche Chorverband ist zudem aktiver Player in den Chorverbänden Europas und im Welt-Chorverband IFCM“ (ebd.). Als Hauptaufgabe wird erachtet, „den Chorgesang im Laienbereich zu pflegen und zu fördern und dessen Stellenwert in unserer Gesellschaft in angemessener Weise zu erhalten und zu erhöhen“ (Nr.27). Der Verband sieht darin einen „kulturpolitischen Beitrag, den es auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene umzusetzen gilt, um gesellschaftsbezogen und völkerverbindend wirksam zu werden“ (ebd.). Der Begriff Auswärtige Musikpolitik findet in Satzung und allgemeinem Sprachgebrauch des Deutschen Chorverbands keine Verwendung, lediglich im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft beim Deutschen Musikrat. Auch wird bei der Betrachtung der einzelnen Projekte deutlich, dass der Deutsche Chorverband die Auswärtige Kulturarbeit überwiegend über internationale Begegnungsprogramme in Deutschland definiert. Das sicherlich größte Projekt dieser Art ist das Deutsche Chorfest, zu dem alle vier Jahre in eine deutsche Stadt eingeladen wird. Im Rahmen dieses Festes kamen in den vergangenen Ausführungen jeweils ungefähr 500 Chöre mit rund 20.000 Sängerinnen und Sängern aus der ganzen Welt zusammen (vgl. Nr.28). Sonstige Es sind noch zahlreiche Akteure mehr zu nennen, die sich um die musikalische Auslandsarbeit verdient machen. Hierzu gehören unter anderem das Haus der Kulturen der Welt, welches um die Vermittlung außereuropäischer Kulturen in Deutschland bemüht ist, auch der DAAD, wenn deutsche Musiker mit Stipendien im Ausland unterstützt werden – und umgekehrt.
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Auch die Deutsch-Französischen und Deutsch-Polnischen Jugendwerke seien zu nennen, ebenso der Deutsch-Französische Kulturrat. Auch die Kulturabteilung der deutschen UNESCO-Kommission kann zu den Akteuren der Auswärtigen Musikarbeit gezählt werden, da sie nicht nur die Bundesregierung in UNESCO-Angelegenheiten berät, sondern auch Workshops und Seminare im In- und Ausland anbietet. Bereits im Jahr 1993 heißt es in einer Publikation anlässlich des 40jährigen Bestehens des Deutschen Musikrates: „Heute existiert allein im Bereich der Gastspiele und des musikalischen Jugendaustauschs aufgrund der außerordentlichen Zunahme der internationalen Mobilität und der Anzahl reisewilliger Ensembles und Künstler ein nicht mehr überschaubares Neben- und Durcheinander von kommerziellen, touristischen, privat finanzierten und staatlich (d.h. aus Mitteln des Bundes, der Länder und der Kommunen) subventionierten Projekten, wobei die letzteren vermutlich nicht einmal den größten Anteil ausmachen“ (Mettig 1993: 193). Die folgende Graphik (Abbildung 3) greift die vorherigen Abbildungen auf, ordnet die Auswärtige Musikarbeit als Teil der Kulturellen Programmarbeit ein und visualisiert zur besseren Nachvollziehbarkeit die verschiedenenen Akteure, welchen in diesem Kapitel eine wichtige Rolle im Zuge der Auswärtigen Musikpolitik zugeschrieben wurde. Außenpolitik
Auswärtige Kulturpolitik
Kulturelle Programmarbeit
Auswärtige Musikarbeit
GI
DMR
AA
Sonstige
Abbildung 3: Einordnung der Auswärtigen Musikarbeit in die Außenpolitik, eigene Darstellung
4.4 Sonstige Akteure
65
Exkurs: Musik und Globalisierung Ein stets wiederkehrendes Thema bei der Betrachtung des zugrundeliegenden Forschungszeitraums ist der Aspekt der kulturellen Globalisierung. Die unter 3.1 vorgestellte Konferenz Menschen bewegen 2009 zeigt, dass die hieraus für die Außenkulturpolitik entstehenden Herausforderungen einen zentralen Punkt bei der Entwicklung außenkulturpolitischer Strategien einnehmen. Der Musik muss als universelles Kulturgut dabei eine wichtige Rolle zugesprochen werden. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle ein entsprechender Exkurs Eingang in die Betrachtung der Auswärtigen Musikpolitik finden. Bereits der vorherige Außenminister Fischer wollte den Herausforderungen der Globalisierung mit einem neuen Politikansatz begegnen – dieser fand seinen strategischen Ausdruck schließlich in der Konzeption 2000. Fischer begründet seine außenpolitische Strategie damit, dass „in bislang unbekannter Schnelligkeit traditionelle Distanzen überwunden werden, neue Nähe, aber auch neue Konfrontationen entstehen und in der Nähe auch durchaus neue Fremdheit entstehen kann“ (Auswärtiges Amt 2000: 5). Als wesentliche Herausforderungen identifiziert er „weit mehr als die Globalisierung der Finanzmärkte sowie den „weltweite[n] Siegeszug des Shareholder-Value-Prinzips“ und bemerkt, dass die „technologischen Revolutionen der Wissensgesellschaft, ob Informationstechnik oder Gen- und Biotechnologie, nicht nur unsere Volkswirtschaften, sondern auch die Tiefenstrukturen unserer Gesellschaften“ verändern (ebd.). Was Wissenschaft, Medien und Vertreter der Kultur längst festgestellt haben, wird mit jener neuen außenpolitischen Ausrichtung des Auswärtigen Amts sodann auch politischer Kanon. Bereits 1996 schreibt Hoffmann hierzu passend: „Wir sehen uns heute durch eine umfassende Globalisierung aller Lebensbereiche zum Entwurf neuer Strategien und Arbeitsformen herausgefordert. Diese Globalisierung ist radikaler, als wir sie uns 1970 hätten vorstellen können. Ihre Grundlage ist ökonomisch: Nationale Volkswirtschaften verlieren immer stärker an Bedeutung, die Steuerungsinstrumente nationaler Wirtschaftspolitik sind überfordert. Zugleich bahnen sich sehr weitgehende Formen politischer Kooperationen über die Grenzen des Nationalstaats hinaus an. (...) Die Globalisierungstrends unserer Zeit sind jedoch zugleich ein kultureller Vorgang, zunächst verstanden in dem Sinn, dass Themen und Probleme, die wir längst als rein kulturell zu definieren gelernt hatten, weltweit auch den politischen Diskurs zu beherrschen beginnen“ (Hoffmann 1996: 275f.).
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Die Globalisierung birgt Tendenzen der Homogenisierung als auch solche der Lokalisierung, dies ist nicht zuletzt durch die politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre nochmals verstärkt sichtbar geworden.58 Hoffmann schließt mit der These, dass Kulturprojekte nur in internationalen Kooperationen entstehen können, „Multikultur als Stichwort, Popmusik als Beispiel“ (ebd.). Nur einige Jahre später äußert er jedoch auch seine „ernste Befürchtung“, dass mit den „Trends der ökonomischen Globalisierung, den neuen Kommunikationstechniken und der weltweiten Ausbreitung von gewissen Mustern der Kulturindustrie und der Alltagskultur“ alles Eigene wie in einem „riesigen Mahlstrom hinabgezogen“ werde „in ein universales Einerlei, entweder in eine nordamerikanisch-englisch beherrschte Einheitskultur oder in eine konturenlose Hybridität von Beliebigkeit (Hoffmann 1998: 39). Auch das Auswärtige Amt spricht davon, dass eine globale Angleichung der Alltagskultur „zum Verblassen zahlreicher Regionalkulturen und als Gegenreaktion zur Besinnung auf tradierte Kulturformen bis hin zu religiös und kulturell begründeten Konflikten“ führen kann (Auswärtiges Amt 2000: 18). Hierzu schreibt Wagner, dass der „mit der Moderne herausgebildete Weltmarkt eine neue Stufe ökonomischer, finanzieller und sozialer Zusammenhänge und Abhängigkeiten“ hervorgebracht habe (Wagner 1997: 37). Globalisierung habe „über ihre ökonomische und politische Bedeutung hinaus die kulturellen Symbolwelten und Bezugsfelder radikal verändert“ und „Kulturen sind dabei in einem widersprüchlichen Prozess von gleichzeitiger Globalisierung und Fragmentierung unterworfen. Zum einen bringt der Globalisierungsprozess von Ökonomie und Kommunikation auch eine weltweite Kultur ohne nationale Schranken mit universellen Bildungswelten und gleichen Mustern von Popularkultur hervor. Dieser Prozess geht jedoch auch einher mit einer verstärkten Rückbesinnung auf kulturelle Traditionen, deren Besonderheiten gegenüber anderen Kulturen hervorgehoben werden" (ebd.). Welche Rolle spielt Musik nun im Zuge jener Umwälzungsprozesse? Tatsächlich kann die wechselseitige Durchdringung von Lokalität und Globalisierung in besonderer Weise über Musik sichtbar gemacht werden.59 Es zeigt sich an ihr aber auch, dass „ein, meist ökonomisch determiniertes, Streben nach globaler Homogenisierung und Standardisierung an seine natürlichen Grenzen stößt“ (Alt58
59
An dieser Stelle kann man zahlreiche Beispiele nennen, unter anderem den beschlossenen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (2016), die nationalstaatlichen Entwicklungen in der Türkei (2016), Griechenland (seit 2011), etc. Über die Bedeutung von Popmusik in der westlichen Zivilisation schreibt Burchill: „Der Materialismus als Versprechen im Westen hat ausgedient: Wenn der Aufstieg stagniert, wenn die Wirtschaft schrumpft, ist Pop als westliche Selbstvergewisserung passé (...) Wenn Pop aber Freiheit bedeutet, was bedeutet dann das Ende des Pop für die Freiheit?“ (Burchill 2009: 12).
4.4 Sonstige Akteure
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mann 2009: 52), denn „lokale Trends und Stile auf der einen Seite und Globalisierung einer jugendlichen Tanz- und Musikkultur auf der anderen Seite prägen die innere Dynamik der kulturellen Globalisierung im Musiksektor und dessen Vielfalt“ (ebd.). In seiner vielbeachteten langjährigen Studie stellt Martel nüchtern fest, dass „die europäische Definition von Kultur – historisch, national, oft elitär – (...) nicht in das globale und digitale Zeitalter“ passe, so gar nicht mehr der „weltweite Standard“ sei (Martel 2011: 496). Ferner konstatiert er: „Europäische Kultur ist ein Nischenprodukt für wichtige Marktsegmente, aber sie ist nicht mehr Kultur für die Masse. Die Europäer sind vielleicht noch führend bei Bildhauerei, klassischer Musik, postmodernem Tanz und Avantgarde-Poesie, aber im internationalen Kulturgeschäft zählt das gegenüber Blockbustern, Bestsellern und Hits nicht viel“ (ebd.). Mit der aus dieser Fragestellung entstehenden Konsequenz für die Kulturelle Programmarbeit im Ausland beschäftigt sich der Sprachwissenschaftler Meyer bereits 1997 und stellt fest, dass kaum noch eine Aktivität mit dem Begriff der internationalen, interkulturellen Begegnung erfasst werden könne, gerade in einer Zeit, in der die modernen Medien alle nationalen Grenzen übersprüngen und der Begriff der internationalen Tourneeveranstaltung nicht mehr allein auf die „klassischen Reisen von Orchestern, Theatern, Chören oder Tanzensembles anzuwenden sei“, sondern längst die meisten anderen Kultursparten bis hin zu Literatur und bildender Kunst einschließe (Meyer 1997: 65f). Weiter schreibt er: „In dem Maße, wie Kunst immer mehr zum Gegenstand globaler Transfers und Bestandteil kosmopolitischer Aneignung wird, stellt sich zunehmend die Frage nach der Definition nationaler oder regionaler Identität des Kulturbetriebs beziehungsweise die Rechtfertigung teilweise überbordender subventionierter internationaler Kulturaktivitäten nach dem Motto alles überall und für jedermann. (...) Dies trifft besonders auf die Städte zu, wo sich Veranstalter zunehmend fragen müssen, was sie eigentlich für wen veranstalten. Von welchem Kulturbegriff ist eigentlich auszugehen? Wird die kulturelle und soziale Wirklichkeit des Gastlandes reflektiert? Und welches Bild deutscher Kultur wird tatsächlich ins Ausland transportiert, wenn die Städte Reisen örtlicher Ensembles organisieren oder fördern?“ (ebd.). Wagner konstatiert auch, dass durch diese Entwicklung einer „an traditionellen sozialen Zielgruppen ausgerichtete Kulturpolitik“ die Grundlage entzogen worden
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
sei (Wagner 1997: 38): „Das gilt sowohl für konzeptionelle Zielsetzungen wie für konkret kulturelle Praxisformen, vor allem soziokultureller Kulturarbeit“ (ebd.). Gerade vor dem Hintergrund der kulturellen Globalisierung und der besonderen Wirksamkeit von Musik als Teil der Kulturellen Programmarbeit scheint es somit als notwendig gegeben, diesem Aspekt in der Planung außenmusikpolitischer Strategien eine prioritäre Bedeutung zukommen zu lassen. 4.5 Zusammenfassung: Akteure von Musikprojekten Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Goethe-Institut als größte Mittlerorganisation auch den wichtigsten Beitrag in der Umsetzung musikpolitischer Maßnahmen leistet. Auf Seiten der Akteure existieren verschiedene Herangehensweisen in der operativen Umsetzung, Förderung und Förderkriterien divergieren bisweilen grundlegend, die Zielgruppen sind verschieden. Dies stellt zunächst keine negative Bewertung dar, schließlich ist hierdurch gewährleistet, dass die zahlreichen, auch gegensätzlichen Aspekte der Auswärtigen Musikpolitik – Präsentation entgegen Kollaboration, Künstlerförderung entgegen Musikexport, Profimusiker entgegen Laienmusiker, Außen entgegen Innen, u.a. – Eingang in die Konzeption der Programmarbeit des Auswärtigen Amts, der Mittlerorganisationen und zahlreicher weiterer privatrechtlicher Akteure finden. Es muss jedoch festgestellt werden, dass ausschließlich der Deutsche Musikrat unter dem Lemma Auswärtige Musikpolitik arbeitet und hieraus partielle Ziele ableitet. Allerdings hat der Deutsche Musikrat aufgrund der zahlreichen durch ihn vertretenen Partikularinteressen, die sich innerhalb des Verbandes darstellen, sowie der radikalen strukturellen Veränderungen in den letzten Jahren, deutlich weniger Anteil an kulturpolitischen Prozessen im Ausland als noch vor einigen Jahren. Aus der bewussten Abgrenzung des Deutschen Musikrats zu den Mittlerorganisationen im Rahmen des Papiers Eckpunkte der Auswärtigen Musikpolitik sowie der engen Verknüpfung zu den musikalischen Projekten im Inland – und eher wenigen musikalischen Auslandsprojekten – lässt sich schließen, dass die Nutzung des Begriffs Auswärtige Musikpolitik primär einem historischen Kontext, nämlich der Arbeit der VSt, geschuldet ist. Zudem wirkt es bei naher Betrachtung so, als sei die häufige Verwendung des Begriffs auch eher aus Motiven der Vermarktung sowie der politischen Selbstvergewisserung vonnöten. Ein Funktionär des Deutschen Musikrats bezeichnet die Nutzung des Begriffs Auswärtige Musikpolitik als „Marke“ und „Türöffner“: „Wir benutzen den Begriff Auswärtige Musikpolitik auch immer öfter im Zusammenhang mit dem Begriff des Transkulturellen Dialogs um deutlich zu machen, dass Auswärtige Musikpolitik auch immer gleich ein Stück In-
4.5 Zusammenfassung: Akteure von Musikprojekten
69
nen-, also, nationale Kulturpolitik ist“ (Name und Protokoll liegen dem Verfasser vor).60 Dahingegen sind die Konzepte und Ziele des Goethe-Instituts deutlicher nachzuvollziehen, bedingt durch die klare Position als Mittlerorganisation, das entsprechend große Netz an Auslandsinstituten und den Anspruch der partnerschaftlichen Zusammenarbeit in den jeweiligen Zielländern. Musik spielt eine wichtige Rolle in der Programmarbeit der Institute, gleichwohl kommt der musikalischen Auslandsarbeit jedoch keine Priorität zu. Auch für die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts spielt die Musik keine herausgehobene Rolle. Zwar wird die Musik in der Gesamtheit der Vermittlung des künstlerischen Schaffens mit einbezogen, Schwerpunkt ist dabei jedoch die Repräsentation. Das Auswärtige Amt fördert sodann überwiegend große, prestigeträchtige Musikprojekte (z.B. Tourneen der Berliner Symphoniker, Auftritte großer Pop-Acts im Rahmen von Deutschland-Jahren, etc.). Andere Projekte werden bisweilen auch unterstützt, die Durchführung wird jedoch partnerschaftlich mit den jeweiligen Goethe-Instituten vor Ort geplant. Auswärtige Musikpolitik, verstanden als Gesamtheit der Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der Auswärtigen Kulturpolitik im Bereich der Musik, die ihre Durchführung in der Kulturellen Programmarbeit, explizit in der Musikarbeit, erfährt, ist zwar als Begriff selbst nicht etabliert, über die Arbeit der Akteure jedoch allgegenwärtig. Es scheint, als werde der Musik ihre Wertigkeit zugestanden, selten aber die kulturpolitischen Dimensionen und Wirkungsebenen – siehe Kapitel 2.2 – mitgedacht und im Zuge der Operationalisierung mit umgesetzt. Die Abbildung 3 zeigt auf, dass Auswärtige Musikpolitik als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik und die Auswärtige Musikarbeit wiederum als Teil der Kulturellen Programmarbeit verstanden werden kann, welche durch die Instrumente des internationalen Kulturmanagements umgesetzt wird. Eine Systematisierung der Musikprojekte der Auswärtigen Musikarbeit – wie im folgenden Kapitel erarbeitet – soll Grundlage sein, kulturmanageriale Instrumente für eine entsprechende Umsetzung zu entwickeln. 60
Die Begriffe Interkulturalität, Multikulturalität und Transkulturalität,werden oft vermischt, meistens gar synonym verwendet. In Abgrenzung zu den beiden erstgenannten Begriffen, geht die Transkulturalität davon aus, dass Kulturen nicht mehr „durch klare Abgrenzung, sondern durch Verflechtungen und Gemeinsamkeiten gekennzeichnet sind“, und „quer durch die Kulturen hindurchgehen“ (Welsch 2010: 42). „Dieser Ansatz basiert auf einem offenen, dynamischen und deterritorialisierten Kulturbegriff, wie er auch in den Kulturwissenschaften verstanden wird. Das Konzept der Transkulturalität trägt in der theoretischen Perspektive zu einer Auflösung bzw. Entschärfung von kulturellen Differenzen bei, indem diese als temporäre, durchlässige und heterogene Phänomene betrachtet werden“ (Sinner 2011: o.S.).
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Institution
Goethe-Institut
VSt/Deutscher Musikrat
Ziele (Musik)
- Begegnung zw. Menschen verschiedener Länder durch gemeinsame künstl. Arbeit allg. - Förderung der Kenntnis deutscher Sprache im Ausland, die Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes durch Informationen über kulturelles, gesellschaftliches und politisches Leben
- eine möglichst breit gefächerte und qualitätvolle Präsentation deutscher Musikkultur im Ausland als Beitrag zu einem positiven Deutschlandbild, Förderung des Partnerschaftlichen Dialogs der Kulturen. nach 2003 - Ausbauen des transkulturellen Dialogs
„Auswärtige Musikpolitik“
- keine Nutzung des Begriffs
Konzepte
- „Kaskade“, Artist & Repertoire-Prinzip - Entwicklung von Konzepten im engen Dialog mit Partnern im Ausland - Dialog mit örtlichen Partnern wie Konzerthäusern, Clubs, Festivals, initiativen, etc. - zweibahnig, überwiegend im Ausland
- enge Verknüpfung mit den kulturellen Ausdrucksformen des eigenen Landes - keine „Eingrenzung“ auf transkulturellen Austausch -Förderung eher nachfrageorientiert: Förderung von antragst. Ensembles, aufgrund bestehender Einladungen, auf Anregung der Kulturinstitute - Jugendthemen nach 2003 - Bildung strategischer Partnerschaften für die musikpolitischen Themen - Nachhaltig angelegte Begegnungen fördern - Informationsaustausch - zweibahnig, überwiegend im Inland
Auswärtiges Amt
- Musik hat keine gesonderte Rolle allg. - Vermittlung der Vielfalt des künstlerischen Schaffens - interkulturelle Begegnungen und Kommunikation - Verknüpfung mit außenpolitischen Zielen
- keine Nutzung des Begriffs
- regionale Schwerpunktsetzung, Nachhaltigkeit sowie partnerschaftliche Kooperation mit Institutionen und Persönlichkeiten im Gastland - Durchführung über GI oder Auslandsvertretungen
Tabelle 2a: Übersicht der Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik, eigene Darstellug
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4.5 Zusammenfassung: Akteure von Musikprojekten
Institution
Förder- und/ oder Projektkriterien
Goethe-Institut - Qualität - Kommunikationsfähigkeit - Belastbarkeit von Künstlern - Profi und Laienbereich - Keine Förderung nach Genres
- Förderung von selbstorganisierten Auslandsgastspielreisen - Einreisende Gastspiele Förderung
- Residenz/Förderung von Arbeitsaufenthalten - Förderung durch Auftragsmittel, durch die) organisierte Projekte
Zielgruppen
- Multiplikatoren
VSt/Deutscher Musikrat -Orientierung an den Zielvorgaben des Auswärtigen Amts -künstlerische Qualifikation -regionale Schwerpunkte durch Zielvorgaben des AA nach 2003 - Keine Förderung nach Genres - Laien- und Nachwuchsbereich - Förderung von Gastspielen deutscher Amateur- und Spitzennachwuchsensembles im Ausland und Musikprojekte im Rahmen des Jugendaustausches in beide Richtungen nach 2003 - Begegnungsprogramme für junge deutsche und ausländische Musiker sowie Ensembles des Laienmusizierens einschließlich der semiprofessionellen Szene - Vermittlung bzw. der Austausch von Lehrern sowie Ensembleleitern - überwiegend Künstlerförderung
Auswärtiges Amt
- Überwiegend Einzelentscheidungen - internationale Ausstrahlung - Profibereich - Keine Förderung nach Genres
- Förderung von Ausstellungen, Künstleraustausch - Unterstützung von Gastspielen, Tourneen musikalischer Ensembles, von Theater- und Tanzgruppen, u.a. - Schwerpunkt ist Repräsentation
- Größere Öffentlichkeiten
Tabelle 2b: Übersicht der Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik, eigene Darstellung
Exkurs: Musikexportförderung Stets wurden der Auswärtigen Kulturpolitik seitens der politischen Entscheidungsträger verschiedenartige Ziele und Erwartungen zugeschrieben, entspre-
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
chende Diskussionen waren und sind allgegenwärtig, wurden nur in verschiedenen Graden der Intensität geführt. Dabei geht es vor allem um die Schwerpunkte der Auswärtigen Kulturpolitik, ihren Nutzen, sei es zur Konfliktprävention, Cultural Diplomacy oder eben für wirtschaftliche Interessen. Die nach der Konzeption 2011 geführte Diskussion über die Verknüpfung von wirtschaftspolitischen Interessen mit der Auswärtigen Kulturpolitik ist dementsprechend auch nicht als neue politische Kontroverse zu bezeichnen. Da die Musik unter bestimmten Gesichtspunkten auch als Wirtschaftsgut betrachtet werden kann, soll im Folgenden ein Exkurs zum Thema Musikexportförderung Eingang in diese Arbeit finden. Der damalige Außenminister Kinkel postulierte bereits im Jahr 1996, dass Auswärtige Kulturpolitik eben nicht aus „politischem Altruismus“ heraus betrieben werde, sondern damit vitale Interessen verfolgt würden (Kinkel 1996: 32). Man könne nicht in Zeiten der „Globalisierung der Märkte (...) Politik, Außenwirtschaft und Auslandskulturarbeit als freitragende Säulen behandeln, die wie Solitäre in den Himmel ragen“ (Kinkel 1996: 33). Der Kaufmann Avenarius sieht in der Kultur auf der einen und einem Mercedes-Wagen auf der anderen Seite durchaus „vergleichbare repräsentative Güter“ - und konstatiert: „Man kann nur die Kultur ausstrahlen, die man hat“ (Avenarius 1996: 144). Dem entgegnet Bertram, dass Kultur „weder die Magd der Politik noch der Wirtschaft“ sein dürfe (Bertram 1996: 32). Auch Hoffmann konstatierte, dass „Auswärtige Kulturpolitik nicht der verlängerte Arm wirtschaftlicher Interessen“ sein dürfe (Hoffmann 2002: 65). Bereits im Jahr 1979 äußerte Hamm-Brücher während einer Rede Bedenken in der Wahrnehmung der Auswärtigen Kulturpolitik im Ausland: „Es drängt sich das Bild auf: Der moderne Wirtschaftsriese stellt den Kulturzwerg in den Schatten. Deutschland als Kulturstaat damit werden im Ausland meist Vorstellungen aus der Vergangenheit verbunden: Goethes Faust, Beethovens Neunte Symphonie, der Bamberger Reiter, das Bauhaus und Richard Strauss. Von unserer kulturellen Gegenwart weiß man wenig. Sie wird sozusagen vom Mercedesstern überstrahlt!“ (Hamm-Brücher 1980: 35). Grass attestiert der Kultur einen „Wert an sich“, der sich „nicht in zusätzliche Abhängigkeit begeben“ sollte (Grass 1996: 247), auch Gad fordert in seiner Abhandlung über die Entwicklungsarbeit dazu auf, sich davon zu lösen, den wirtschaftlichen Nutzen von Kultur stets als „vordergründige Rechtfertigung“ für Auswärtige Kulturarbeit in Betracht zu ziehen (Gad 2008: 180).
4.5 Zusammenfassung: Akteure von Musikprojekten
73
„Auch wenn Kultur, genauso wie jeder andere Bereich des Lebens, sicherlich von Zeit zu Zeit mit wirtschaftlichen Faktoren verbunden ist und sein muss, so bedarf es doch weiterhin eines allgemeinen Grundverständnisses, das kulturelles Denken und Handeln in sich selbst als Begründung anerkennt“ (ebd.). Tatsächlich fällt es mitunter schwer, eine gänzliche Abgrenzung von Kultur- und Wirtschaftsgut zu vollziehen, insbesondere dann, wenn es sich um zeitgenössische Kunstgattungen handelt – wie bereits erwähnt, symbolisiert nur wenig den Doppelcharakter von Kultur und Ware so sehr wie die Musik, insbesondere die Popmusik. Der Goethe-Mitarbeiter Fischli schrieb 1997 in der Zeitschrift für Kulturaustausch über die Filmarbeit des Goethe-Instituts, die in vielen Ansätzen auch auf die Musik übertragen werden kann: „Wie also soll eine Institution wie das Goethe-Institut mit der Differenz zwischen dem öffentlichen Auftrag (...) und dem Anspruch künstlerischer Werke, nicht fungibel zu sein, umgehen? Wie kann die Filmarbeit des Goethe-Instituts mit seinem doppelgesichtigen Gegenstand, Kulturgut und Ware zu sein, umgehen, sofern sie mehr sein will als bloßer Transmissionsriemen für die Filmexportwirtschaft? Was haben wir der gerade im Film- und Medienbereich besonders sichtbaren Globalisierung und Standardisierung der Produktion, Verteilung und Rezeption entgegenzusetzen?“ (Fischli 1997: 86f.). Seiner Meinung nach liegt es nahe, nicht so sehr in Abgrenzungskategorien zu denken, sondern stattdessen nach gemeinsamen Interessen zwischen Kommerz und Kultur zu suchen (vgl. ebd.). Hierzu schreibt das Goethe-Institut auf seiner Homepage: „Vor dem Hintergrund der in der Vereinssatzung des Goethe-Instituts formulierten Aufgaben ist die Stimulierung von Exportmöglichkeiten von Musik aus Deutschland jedoch kein prioritäres Kriterium bei der Entwicklung von Musikprojekten des Instituts, sondern eher ein ausgesprochen erwünschter Nebeneffekt der Musikarbeit. So lösen gerade Projekte, die durch die vielen Goethe-Institute in für unsere Außenpolitik wichtigen, aber (musik-)wirtschaftlich eigentlich nicht so bedeutenden Regionen (besonders in Entwicklungs- und Transformationsländern) initiiert werden, wenig bis keinen Umsatz aus“ (Nr.79).
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4 Akteure von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Es bleibt festzustellen, dass der so genannte Musikexport, trotz immer wiederkehrender, kontrovers geführter Diskurse, aus Sicht der Durchführenden der Kulturellen Programmarbeit keine Wichtigkeit erfährt, was dementsprechend auch eine Distanz zur Wirtschaft vermuten lässt.61 Zum tatsächlichen Zweck der Musik-Exportförderung wurde im Jahr 2003 die GermanSounds Ag – Das Deutsche Musik-Exportbüro gegründet, welches sich der Öffentlichkeit als „Joint Venture der deutschen Musikwirtschaft und dem Deutschen Musikrat“ präsentierte (Nr.29). Gründungsmitglieder waren seinerzeit der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, der Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen (VUT), der Deutsche MusikverlegerVerband, der Bundesverband der Veranstaltungs-wirtschaft (IDKV), der Musikmanagerverband IMUC, das Music Managers Forum Deutschland (MMF), der Verband der deutschen Musikproduzenten, die Musikmessen Womex und popkomm, CLASS (Association of Classical Independents Germany) und der DMR. Finanziert wurden die Aktivitäten durch die Gesellschafter sowie durch Beiträge der Verwertungsgesellschaften GEMA und GVL sowie durch Zuschüsse des Bundes. Erklärtes Ziel des deutschen Musikexportbüros war die „Bewerbung des Musikstandortes Deutschland“ und die Erschließung ausländischer Märkte, das Bereitstellen von Informationen über ausländische Musikmärkte, das Herstellen von Kontakten und das Aufbauen von Förderstrukturen (ebd.). Im Jahr 2006 musste das Exportbüro aufgrund finanzieller Einsparungen in der Musikindustrie wieder geschlossen werden.62 Im darauffolgenden Jahr wurde als Folgemodell die Initiative Musik durch die Bundesregierung in Kooperation mit der Musikwirtschaft als Fördereinrichtung für Rock, Pop und Jazz in Deutschland gegründet (vgl. Nr.30). Den Hauptanteil der Projektmittel stellt die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien zur Verfügung (vgl. Nr.32). „Zu einem der drei Kernziele der Initiative Musik zählt die Verbreitung inländischer Musik im Ausland“, erklärte Jens Michow, Aufsichtsratsmitglied bei der Initiative Musik, in einer Presseerklärung zur Kurztourförderung (Nr.33). Michow bezeichnet die Tourneeförderung deutscher Gruppen im Ausland als „ein[en] wesentliche[n] Baustein zur Erreichung dieses Ziels“ (ebd.). Weitere Instrumente der Musikexportförderung der Initiative Musik sind u.a. vom Auswärtigen Amt geförderte Themenreisen ausländischer Musikjournalisten nach Deutschland, Delegationsreisen sowie Präsentationen auf internationalen Fachmessen. 61
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Nicht erst seit der Konzeption 2011 spielt bei der Durchführung der Kulturellen Programmarbeit die partnerschaftliche Zusammenarbeit der Mittlerorganisationen mit der Privatwirtschaft eine nicht unwichtige Rolle. Von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit kann allerdings nicht gesprochen werden. Weitere Informationen zur GermanSounds Ag vgl. Nr.31
5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Im Jahr 1992 beschrieb der damalige Leiter des Musikreferats der Münchner Zentrale des Goethe-Instituts die verschiedenartigen Formen der Musikprojekte, nämlich die „dialogische Arbeit in Form von Jazz-Workshops und Orchesterarbeit“, die jeweils „spezifische Arbeit in den Metropolen“, die Förderung „veritabler Produktionen aus der aktuellen Szene/Situation heraus mit den Partnern der jeweiligen Gastländer“ sowie die „traditionelle Tourneeaktivität“ (Drews 1992: 7). Durch die Aufzählung wird deutlich, wie heterogen und vielseitig sich Musikprojekte der Auswärtigen Kulturpolitik darstellen können. Im folgenden Kapitel wird zunächst darauf eingegangen, welche Unterscheidungen und Kriterien die Förderung von Musik und die Durchführung von Musikprojekten tatsächlich erfahren könnte – hierzu sollen als Grundlage verschiedene Systematisierungsansätze herangezogen werden, die im Jahr 2013 von Föhl und Götzky für ein Gutachten zur Musikförderung des Bundes erarbeitet wurden (vgl. Föhl/ Götzky 2013). 5.1 Systematisierungsansätze von Musikprojekten In dieser genannten Studie zur Bundesmusikförderung werden die Vielzahl an verschiedenen Möglichkeiten zur Systematisierung von Musikprojekten in Oberkategorien zusammengefasst, nämlich 1. Musik, 2. MusikerInnen, 3. Publikum, 4. geförderte Formate, 5. geförderte Institutionen, 6. Begründungszusammenhänge der Förderung, 7. Förderformate und 8. bisherige Förderpraxis. Es wird dementsprechend deutlich, dass Musikförderung nach diversen Aufgabenbereichen und Förderzielen sortiert werden kann (vgl. Föhl/ Götzky 2013: 16f). Die Autoren der Studie haben hierzu verschiedene bestehende Darstellungen zur Musikförderung des Bundes analysiert und stellen fest, dass hiervon keine das Kriterium erfülle, „eine in sich stimmige Systematik abzubilden – die Einzelglieder sind nicht distinkt und ergeben zusammengenommen auch kein Ganzes. Stattdessen folgen die Kategorien eher den Anforderungen der jeweiligen historisch gewachsenen Praxis der Mittelvergabe und führen dabei Aspekte zusammen, die ganz verschiedenen Systematiken folgen“ (ebd.). © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Maier, Auswärtige Musikpolitik, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30541-3_5
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5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Auf Grundlage jener Kriterien lässt sich jedoch ableiten, welche Systematisierungsansätze für Musikprojekte der Auswärtigen Kulturpolitik herangezogen werden könnten. Tatsächlich ließen sich die verschiedenen musikpolitischen Perspektiven unterschiedlichen Ansätzen zuordnen, so zum Beispiel den Begründungszusammenhängen (Tabelle 3, Punkt 6), den Publikumsmerkmalen (Tabelle 3, Punkt 3) oder aber den Förderformaten (Tabelle 3, Punkt 7). Da aber genau diese Ansätze – wie bereits in Kapitel 4 dargestellt – in erheblichem Maße unter den einzelnen Akteuren der Auswärtigen Musikarbeit divergieren, sind die Systematisierungsansätze (Tabelle 3, Punkt 4), welche sich auf geförderte Formate beziehen, am sinnvollsten zu begründen. Natürlich ist eine formatbezogene Systematisierung nicht als geschlossene, sondern als durchlässige Einheit zu verstehen, da Musikformate auch oftmals verschiedenen Ansätzen zugeordnet werden können. Hierzu schreiben Föhl und Götzky: „Die Dokumentation des Auswärtigen Amtes unterscheidet zwischen Ausgaben des Goethe-Instituts und direkter (eigener) Projektförderung. Die Ausgaben des Goethe-Instituts werden wiederum unterschieden nach dem Professionalisierungsgrad der MusikerInnen, und diese wiederum nach Auftrags- und Pauschalmitteln. Separat gelistet sind Ausgaben gemäß Kinder- und Jugendplan. Es existiert keine zentrale Statistik für die Mittel, die aus dem sog. Kleinen Kulturfond vergeben werden. Die Darstellung wechselt zwischen den Systematisierungskriterien: Förderinstitutionen, Budgets, MusikerInnen, Fördermittelarten und Begründungszusammenhängen der Förderung. Auch hier wird keine der Systematiken konsequent durchgeführt“ (Föhl 2013/Götzky: 19). 1. Systematisierungsansätze, die sich auf die Musik beziehen − Musiksparten − Entstehungszeit (zeitgenössisch, Barock, ...) − Instrumente (in einem weiten Sinne von ›Instrument‹, der alle Varianten der Klangerzeugung von Gesang bis elektronischer Musik umfasst) − Herkunftsorte/-regionen − KomponistInnen 2. Systematisierungsansätze, die sich auf die geförderten ausführenden Musiker beziehen − Professionalisierungsgrad (Laien/Nachwuchs/Profis) − Soziodemografische Merkmale (Alter, Geschlecht, soziale/ethnische/kulturelle/regionale Herkunft)
5.1 Systematisierungsansätze von Musikprojekten
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3. Systematisierungsansätze, die sich auf das (erwartete/bisherige/tatsächliche) Publikum beziehen − Größe des Publikums (Großveranstaltung, ...) − Soziodemografische Merkmale (Alter, Geschlecht, soziale/ethnische/kulturelle/regionale Herkunft) 4. Systematisierungsansätze, die sich auf die geförderten Formate beziehen − musikalische Veranstaltungsformate (Konzerte, Festspiele, Festivals, ...) − musikbezogene Forschung (Forschungsprojekte, Begleitforschung, ...) − Wettbewerbe und Preise −musikpädagogische Vermittlungsformate (Ferienkurse, Musikakademien, ...) − Bedeutung/Ausstrahlung des Formats/der Veranstaltung (lokal, regional, gesamtstaatlich, international, ...) 5. Systematisierungsansätze, die sich auf die geförderten Institutionen beziehen − Institutionen, die Geld weiterverteilen vs. Institutionen, die es selbst verausgaben (Stiftungen, Arbeitsgemeinschaften, Bundesvereinigungen, Orchester, Archive, ...) − Standort(e) der Einrichtung/Institution − Bedeutung/Ausstrahlung der Einrichtung/Institution (lokal, regional, gesamtstaatlich, international ...) 6. Systematisierungsansätze, die sich auf Begründungszusammenhänge der Förderung beziehen − Gesetzesgrundlagen, die dazu führen, dass etwas gefördert wird/werden muss 7. Systematisierungsansätze, die sich auf Förderformate beziehen − Förderung von Einzelprojekten − institutionelle Langzeitförderungen − wiederholte Projektförderungen 8. Systematisierungsansätze, die sich auf die bisherige Förderpraxis beziehen − Förderer/fördernde Institutionen − Budgets, aus denen die Förderung gezahlt wird/wurde − bisherige Förderdauer − bisherige Förderhöhe, ggf. mit Untersortierungen nach Art der vergebenen Mittel (Auftragsmittel, Pauschalmittel, Personalmittel, Sachmittel ...) − bisheriger Erfolg der Förderung (nach unterschiedlichen Parametern/Kennzahlen). Tabelle 3: Kriterien zur Systematisierung von Musikförderung und Musikprojekten im Allgemeinen (Föhl/Götzky 2013: 17)
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5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
5.2 Systematisierung anhand der Auswertung von Musikprojekten der Auswärtigen Kulturpolitik Die dargelegten Möglichkeiten der Systematisierung veranschaulichen die Schwierigkeiten, Musikprojekte deutlich einer bestimmten Kategorie zuzuordnen. Im Folgenden soll daher eine Systematisierung von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik vorgelegt werden, für die im Rahmen dieser Arbeit mehrere tausend Musikprojekte der Auswärtigen Kulturpolitik betrachtet wurden.63 Exemplarisch werden jeweils einige Beispiele genannt, um so eine bessere Nachvollziehbarkeit der verschiedenen Formate zu schaffen. Das Goethe-Institut als wichtigster Akteur in der Durchführung Auswärtiger Musikprojekte nimmt dabei dementsprechend den größten Raum ein. Allerdings wird bei der Betrachtung vieler Goethe-Projekte nicht immer deutlich, ob es sich um einen kulturellen Programmpunkt oder primär um Spracharbeit handelt, da durchaus beide Abteilungen der Institute, also Kulturabteilung und Sprachabteilung (Bildungskooperation Deutsch), Musikprojekte realisieren. Hierzu nochmals eine Einschätzung von Drews in einem Interview mit der Musikzeitschrift Intro: „Die interne Diskussion diesbezüglich ist zum Teil sehr intensiv, weil es in diesem Zusammenhang mitunter zu Fehlinformationen gekommen sein mag. (…) Da kann es leicht zu Irritationen kommen. Es geht letztlich darum, eine Balance zwischen der Didaktisierbarkeit der Texte für den landeskundlichen Sprachunterricht und dem Innovationspotential der Musik zu finden. Das wird intern kontinuierlich diskutiert“ (Nr.34). 5.2.1 Informationen über Musik aus Deutschland Die Vermittlung aktueller künstlerischer Entwicklungen in Deutschland sowie die Präsentation Deutschlands als kreativer Kulturstaat im Ausland sind Ziele der Kulturellen Programmarbeit (vgl. Auswärtiges Amt 2000: 23). Das ist der Grund, warum beispielsweise das Goethe-Institut, zahlreiche Informationen über die deutschen Musikszenen zur Verfügung stellt, insbesondere im digitalen Bereich. Die Homepage bietet aktuelle Informationen zu den verschiedenen Genres, präsentiert Festivals, porträtiert Künstler und schafft Überblicke über die Musikwirtschaft, wie sie aber auch durchaus kontroverse Themen aufgreift. Der Deutsche Musikrat ergänzt diese Inhalte mit dem Musikinformationszentrum, einer Platt63
Die Ergebnisse dieser Systematisierung wurden durch den Verfasser dieser Arbeit bereits kurz zusammengefasst in einem Beitrag für das Jahrbuch der Kulturpolitik 2017/18 vorgestellt (vgl. Crückeberg/ u.a. 2018: 296ff.).
5.2 Systematisierung anhand der Auswertung von Musikprojekten der Auswärtigen Kulturpolitik
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form mit zahlreichen Statistiken und redaktionellen Beiträgen über die Musikszene, außerdem mit der Europäischen Musikbörse.64 Darüber hinaus ist die deutsche Musikszene – gefördert durch das Auswärtige Amt oder das Goethe-Institut – auch oftmals im Ausland präsent. So ist es mittlerweile bereits Tradition, dass sich eine Delegation von über 800 Vertretern der deutschen Musik (außerdem Filmbranche, etc.) auf der South by South-West in Austin (USA) präsentiert. Darüber hinaus fördern Auswärtiges Amt, GoetheInstitut und die Initiative Musik aber auch die Teilnahme an zahlreichen anderen Messen und Musikveranstaltungen. Ein weiteres oft genutztes Instrument zur Informationsvermittlung im Ausland sind Info-Ausstellungen. Diese sind oft als mobile und unkompliziert installierbare Wanderausstellungen konzipiert, andere wiederum sehr aufwendig und für einen besonderen Standort gestaltet. Bereits in den späten 1980er Jahren wurde unter dem Titel Gefühl und Härte in den Goethe-Instituten Frankreichs eine Ausstellung über die Geschichte der deutschen Rockmusik gezeigt. Im Jahr 2010 wurde die multimediale Ausstellung musik + x als Wanderausstellung konzipiert und war fortan weltweit mehrere Jahre in verschiedenen GoetheInstituten zu erleben (vgl. Nr.35). Neben der Informationsvermittlung wurde darüber hinaus zu den entsprechenden Themen eine ausgiebige Didaktisierung für Deutschlehrende angeboten (vgl. Nr.36). Ein anderes Beispiel ist das aufwendig realisierte Projekt Club Berlin in Singapur: In drei eigens gestalteten Containern wurde die Berliner Technoszene mit Fotoausstellungen von Sven Marquardt und Martin Eberle porträtiert, bekannte DJs der Berliner Musikszene wie Marcel Dettmann Head High, Massimiliano Pagliara, Answer Code Request, Tale Of Us, David August und Modeselektor luden zum Feiern ein (vgl. Nr.37). Im Jahr 2015 sorgte das Format Geniale Dilletanten für Aufmerksamkeit, ebenfalls vom Goethe-Institut geplant und durchgeführt – die Ausstellung poträtiert die popkulturellen Aufbrüche der 1980er Jahre. Zum Katalog erschien auch eine CD mit passenden Musikstücken (vgl. Goethe-Institut 2015b). 5.2.2 Einzelkonzerte, Konzertreisen und Festivals Die Organisation und Unterstützung von Einzelkonzerten, Konzertreisen und Festivals nimmt in der Kulturellen Programmarbeit eine traditionell wichtige Rolle ein. Auch Bauer sieht neben der wechselseitigen „Information über aktuelle Entwicklungen im Musikleben der deutschsprachigen Länder im Ausland sowie der vielfältige Musikformen dieser Welt im Inland“ die Durchführung und 64
vgl. www.goethe.de (vgl. Nr.38), www.miz.org (vgl. Nr.39), www.music-connects.de (vgl. Nr.40)
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5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Unterstützung von Gastspielen als „wirkungsvolle Maßnahme“ auf Seiten des Auswärtigen Amtes und der Mittlerorganisationen (Bauer 2005: 106.): „Gemeint sind Tourneen von Ensembles aus dem Laien- und Profibereich und in der Gesamtbreite der Musiksparten Chor, Kammerensemble, Jugendensemble, Oper, Orchester, Jazzorchester, zeitgenössische populäre Musikgruppen sowie in jüngster Zeit auch sogenannte Events“ (ebd.). Einen wesentlichen Anteil hat hierbei das Goethe-Institut. Konzerte stellen in ihrer Form die unmittelbare Möglichkeit der Abbildung der deutschen Musikkultur dar. Nicht selten sind deshalb auch veritable Stars ihres jeweiligen Genres im Auftrag des Auswärtigen Amts und der Mittler unterwegs. Das sind beispielsweise Popstars wie Jan Delay, Seeed und Clueso, Jazzgrößen wie Michael Wollny, Klaus Doldinger, Heinz Sauer oder Christof Lauer, die bekannten deutschen Vertreter der elektronischen Musik (Mouse on Mars, Modeselektor, u.a.) und Independent-Szenen (Blumfeld, Tele, Blixa Bargeld, etc.). Auch nahezu alle Orchester und Klassiksolisten von Rang (Berliner Philharmoniker, Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Anne Sophie Mutter, u.a.), sowie die renommierten Künstler und Ensembles der Neuen Musik (Ensemble Recherche, Ensemble Modern, Karl-Heinz Stockhausen, u.a.) haben bereits im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit gewirkt.65 Allerdings werden nur in sehr seltenen Fällen solitäre Konzertdarbietungen angeboten, stattdessen werden diese in der Regel auch mit einer Begegnungsform, zum Beispiel mit Workshops, kombiniert.66 65
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Exemplarisch soll an dieser Stelle ein Auszug aus einer Pressemitteilung des deutschen Vertretungsbüros in Ramallah dargestellt werden: „Der österreichische Cellist Erich Oskar Huetter gab am 03. Juli 2008 ein vom Deutschen Vertretungsbüro in Ramallah und dem Deutschen Verbindungsbüro in Gaza organisiertes Konzert in Gaza Stadt – in der wunderschönen Kulisse eines privaten Archäologiemuseums, das zur Zeit von dem Gazaner Geschäftsmann Jawdat al Khodary aufgebaut wird. Auf dem Programm des einzigartigen musikalischen Ereignisses standen die 1. und 2. Suite für Violoncello von J. S. Bach und die beiden arabischen Stücke Zikrayati und Longa Riad. Im Publikum fanden sich sowohl Musikkenner als auch viele Zuhörer, die bis dahin noch nie ein klassisches Konzert besucht hatten, darunter auch zahlreiche Jugendliche. Das Programm wurde mit hoher Aufmerksamkeit und Begeisterung aufgenommen. Die Teilnehmer bedankten sich nach dem Konzert ausgiebig bei dem Künstler und den Veranstaltern. Gaza brauche solche kulturellen Veranstaltungen, um zwischendurch ein wenig Normalität in der ansonsten deprimierenden Lage spüren zu können, so ein Konzertbesucher. Die Menschen in Gaza scheinen, so Huetter, hungrig nach Musik und Kunst. Für den jungen Musiker war es persönlich von groβer Bedeutung in Gaza zu spielen. Es handelte sich für ihn um eine Geste der Wertschätzung. Huetter ging es dabei darum, als Künstler nicht weg zu sehen, sondern sich die Mühe zu machen nach Gaza zu fahren und dort klassische Musik auch für jene Menschen zu spielen, die aufgrund der politischen Situation und der dortigen Reisebestimmungen sonst nicht die Chance dazu bekommen“ (Nr.43). Eine Art Erlebnisbericht über seine DJ-Engagements in Ramallah, Beirut und anderen Orten im Nahen Osten veröffentlichte der House- und Techno-DJ Hans Nieswandt in seinem Buch Disko Ramallah (vgl. Nieswandt 2006).
5.2 Systematisierung anhand der Auswertung von Musikprojekten der Auswärtigen Kulturpolitik
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Die Organisation oder Unterstützung eines Festivals bietet nochmals weitere Möglichkeiten der besonderen inhaltlichen Programmierung und Aufbereitung: So können im Rahmen eines Festivals verschiedene Arten der musikalischen Begegnung ermöglicht werden, das Publikum kann mit verschiedenen Spielarten der Musik oder Musikrichtungen unterschiedlicher Herkunft konfrontiert werden. Im Rahmen des europäischen Jazzfestivals Jazz im Goethe-Garten präsentiert das Goethe-Institut in Lissabon beispielsweise jährlich acht Musikgruppen aus acht verschiedenen Ländern (vgl. Nr.41). Auch Nachwuchsmusiker haben die Möglichkeit, an verschiedenen Programmen im Ausland teilzunehmen. So erhalten junge Talente die Möglichkeit, an internationalen Wettbewerben und Auslandskonzerten teilzunehmen. Dies gilt insbesondere für die Preisträger entsprechender Wettbewerbe und Teilnehmer der Förderprogramme (z.B. Deutscher Musikwettbewerb, Dirigentenforum, Popcamp, etc.). Auch das Bundesjugendorchester ist weltweit zu hören, versteht sich selbst als „kultureller Botschafter Deutschlands“, das sich „im Rahmen zeitgeschichtlich bedeutender Projekte“ engagiert (Nr.42). 5.2.3 Workshops und Meisterklassen, Talks und Vorträge „Wenn sie Festwochen oder Workshops veranstalten, dann wird die Sache interessant. Da beginnt der Austausch, und Musik wird zu mehr als bloßer Arbeit“ (Russ 2004: 77). Goethe-Mitarbeiter Russ fasst so in einem Satz zusammen, wie Musikprojekte in den Augen der Mittler zu einem Erfolg werden können – über Austausch, Begegnung, Dialog und Kommunikation. Ein Workshop, dem Duden folgend als „Veranstaltung, in dem bestimmte Themen von den Teilnehmern selbst erarbeitet werden, praktische Übungen durchgeführt werden“, ist hierzu ein geeignetes Instrument (Nr.44). Darüber hinaus sind Workshops jedoch manchmal auch einfach notwendig, um eine bestimmte Musik für den Zuhörer überhaupt erst erschließbar zu machen: So unterscheidet der Musikethnologe Kuckertz zwischen artistic music und functional music, deren Kontext „über die Darbietung hinaus“ erläutert werden muss (Kuckertz 1991: 248f.). Dies gilt bis heute insbesondere bei Formen der E-Musik oder der Neuen Musik, die ein einführendes Workshop-Format mitunter bedingen, um dann in Konzertform intensiver rezipiert werden zu können. Eine Meisterklasse wiederum – oder das häufiger genutzte Masterclass – ist ein Kurs, der durch einen führenden Experten seines Gebiets durchgeführt wird (vgl. Nr.45). Musikalische Talente erhalten hierdurch Zugang zu weiterbildenden
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5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Maßnahmen und mitunter Prominenten ihres Fachgebiets, was auch zu einer starken emotionalen Bindung zur anbietenden Institution führen kann. Die Meisterklassen können in allen möglichen Bereichen durchgeführt werden, so zum Beispiel im Instrumentalbereich, in der Stimmbildung, im Ensemblespiel oder in der Studioarbeit. Hier sei zum Beispiel die Unterstützung der Modern Academy in Hongkong durch das Goethe-Insitut genannt. Die Modern Academy des Hongkong New Music Ensemble ist ein internationales Trainingsprogramm im Bereich der Neuen Musik: „The Modern Academy is an in-depth short course tailored to advanced students and young professionals, through an intensive study and collaboration with faculty and peers, to enhance their skills of performance and composition in modern music“ (Nr.46). Die Workshops und Meisterklassen, die oft einem kleineren Kreis an Talenten vorbehalten sind, werden oftmals auch mit Vorträgen oder Bühnengesprächen kombiniert, um sich einem breiteren Publikum zu öffnen. 5.2.4 Aus- und Weiterbildungsprogramme, Empowerment Ein fließender Übergang lässt sich zu den Aus- und Weiterbildungsprogrammen im Bereich der Musik herstellen. Am Beispiel des Goethe Musiklabors in Ulan Bator zeigt sich, dass die musikalische Auslandsarbeit weit über eine kurzfristige Realisierung in Form von Projekten hinausreicht und auch zu einer langfristigen Durchführung gelangen kann. Auf der entsprechenden Internetseite werden die inhaltlichen Ziele des Projekts folgendermaßen dargestellt: „Seit dem 8. September 2014 wird eine Klasse von 30 Studenten zunächst für ein Jahr in den Bereichen Blues, Jazz, Rock, Latin, Rock und Pop ausgebildet. Damit findet erstmals eine solche Ausbildung auf höchstem Niveau in der Mongolei statt. Das GMUB verfolgt das Ziel, langfristig einen neuen Ausbildungszweig am Mongolian College for Music and Dance, der führenden Ausbildungsstätte für klassische und traditionelle mongolische Musik in der Mongolei, aufzubauen und zu etablieren sowie den Studenten des GMUB Zusatzqualifikationen zu verleihen, die deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbreitern. Zusätzlich wird die Aus- und Weiterbildung des Lehrpersonals am College for Music and Dance gemeinsam mit dem Management des College for Music and Dance durchgeführt und reformiert. Damit wird die Grundlage für die Einführung ei-
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nes neuen Studienzweiges Popularmusik in der Mongolei geschaffen“ (Nr.47). Ein weiteres, hieran anschließendes Arbeitsfeld, nimmt die Förderung und Unterstützung von Pädagogen im Ausland ein: Musiklehrer werden qualifiziert und weitergebildet. Der Deutsche Musikrat und das Goethe-Institut unterstützen beispielsweise „gemeinsam mit Partnern in den Zielländern musikpädagogische Projekte und Maßnahmen, die der Qualifizierung von Musiklehrerinnen und lehrern, Chorleiterinnen und -leitern oder Instrumentalistinnen und Instrumentalisten zugute kommen“ (Nr.48). Ein weiteres Beispiel, wenn auch nicht ausschließlich auf die Durchführung von musikalischen Projekten bezogen, ist die Aus- und Weiterbildung von Kulturmanagern. Im Rahmen der Initiative Kultur und Entwicklung des Goethe-Instituts sollen die kulturellen Szenen in den Partnerländern langfristig unterstützt werden. Ziel ist „die internationale Vernetzung von Kulturschaffenden, der Austausch mit deutschen Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie der langfristige Aufbau und die Verankerung von Qualifizierungsangeboten in Projekt- und Kulturmanagement in den Partnerländern“ (Nr.49). Auch der Online-Kurs Managing the Arts: Marketing for Cultural Organizations hat zum Ziel, Kulturmanager im Ausland zu vernetzen und weiterzubilden (vgl. Nr.50). All die genannten Maßnahmen folgen dabei der Strategie des sogenannten Empowerments, also einer Übertragung von Verantwortung. Ursprünglich ein Begriff aus dem Bereich der Mitarbeiterführung, hat die „Hilfe zur Selbsthilfe“ in den 1970er und 1980er Jahren Einzug in die Entwicklungspolitik gehalten und ist ein auf Partnerschaft beruhendes Konzept (Gad 2014: 63f.). Es sei darauf ausgelegt, dass sich die „Partizipationsoptionen der Menschen in den Partnerländern langfristig erhöhen und in diesem Sinn die Zielgruppen stärker Entwicklungsprozesse mutgestalten können“ (ebd.). Oftmals werden in diesem Zusammenhang auch die Begriffe Partizipation und Ownership verwendet.67 5.2.5 Musikalische Zusammenarbeit und Koproduktion Die Kreation und Unterstützung internationaler musikalischer Kollaborationen sowie die Schaffung von Strukturen, die eine nachhaltige Entwicklung von Koproduktion fördern, sind wesentlicher Betandteil der Kulturellen Programmarbeit. Das Zusammenbringen von Musikern und Komponisten, das Realisieren gemeinsamer Auftritte gehören seit vielen Jahren zum allgemeinen Bestand der 67
Laut BMZ bezeichnet Ownership die „Eigentverantwortung, die Zielgruppen und Partnerorganisationen bei der Entwicklungszusammenarbeit übernehmen“ (vgl. Nr.84).
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Programmarbeit. Insbesondere im Bereich der klassischen und der improvisierten Musik sind bereits zahlreiche Projekte verwirklicht worden. Aus tausenden Beispielen sollen die musikalischen Begegnungen der Neuen Vocalsolisten aus Stuttgart mit den polnischen Kwartludium, die Kollaborationen des Jazzmusikers Christof Lauer mit Kollegen aus Indien oder die musikalische Kooperation von Soul-Sängerin Joy Denalane mit Star-Trompeter Hugh Masekela in Südafrika genannt werden.68 Insbesondere im Bereich des musikalischen Jugendaustauschs sind zudem zahlreiche Beispiele zu finden: Der Deutsche Musikrat, als ein Beispiel, realisiert verschiedene Begegnungsprogramme und die Zusammenarbeit von Ensembles im In- und Ausland. Zu nennen sind unter anderem die Konzert- und Begegnungsreisen des Bundesjazzorchesters, die oft in Entwicklungs- und Schwellenländer führen. Auch private Initiativen wie das Global Music Orchestra reihen sich in die lange Liste transkultureller Programme ein (vgl. Nr.51). Aber auch in Europa kann die Musik als Instrument transkultureller Verständigung einen wichtigen Stellenwert haben, wie es der schwedische Musikwissenschaftler Bjälesjö am Beispiel der Popmusik einzuordnen versuchte: „In der Entwicklung Europas spielt das Verhältnis zwischen Musik, Ethik, Nationalismus, sozialem Hintergrund, Alter, Geschlecht und Ort eine wichtige Rolle. Diese Faktoren sind Orientierungspunkte für Individuen, soziale Gruppen und Regionen. Ein durch Musik gewachsenes Zugehörigkeitsgefühl fordert Normen und Werte der Gesellschaft heraus und schafft alternative, kulturelle Ausdrucksweisen und Stile. (…) Besonders in der heranwachsenden Generation gibt es eine Menge weiterer Beispiele von musik- und lebensstilorientierten Gemeinschaften in Europa, die Netzwerke schaffen und sich austauschen. Dieses translokale Netzwerk wird etwa durch persönliche Kontakte und Besuche aufrechterhalten, sowie durch Konzerte, Festivals, Fanzines, Maillisten, Webseiten, Clubs etc. (…) Popmusikalische Entwicklungen sind translokal, da sie gleichzeitig von weltweiten, kulturellen Einflüssen und Homogenisierungstendenzen und gleichzeitig von lokalen Variationen und Vielfalt gesteuert werden“ (Bjälesjö 2007: 200f.). 68
Hampel geht ausführlich auf das Verständnis und die Deutung des Begriffs Kooperation ein, deren Wesen in einem Zusammenwirken von Partnern zu definieren ist, „als Strategie, die Tätigkeiten auf ein gemeinsames Ziel hin vereinigt“ (Hampel 2015: 39). Im Ausland wird der Begriff Kollaboration oftmals synonym verwendet, erfährt im Deutschen jedoch auch andere und irreführende Konnotationen (vgl. Hampel 2015: 38). Kollaboration wird unter 5.2 als ein Instrument in der Kategorisierung genannt und ist überwiegend auf die Darstellungen der Gesprächspartner und auf die Literatur zurückzuführen. Zu Kollaborationen vgl. auch Terkessidis 2015.
5.2 Systematisierung anhand der Auswertung von Musikprojekten der Auswärtigen Kulturpolitik
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Das Goethe-Institut hat in den letzten Jahren zahlreiche kollaborative Projekte verwirklicht, so zum Beispiel Moving Arts, durch welches künstlerische Talente über Ländergrenzen hinweg zusammengeführt werden, oder Music in Africa, durch das feste Arbeits-, Informations- und Kommunikationsstrukturen geschaffen werden und das „sowohl künstlerische als auch ökonomische Zukunft“ bieten soll (Lehmann 2016: 24). Ein ebenso gutes Beispiel für die Förderung von Begegnung und Koproduktion ist Ten Cities, ein transkontinentales Musikprojekt über die Clubkultur in 10 verschiedenen Städten: “Ten Cities is a journey of musicians and writers. It consists of a musicand a research part. The project brings together about 50 DJs, producers and musicians from the ten cities, enabling them to cooperate and produce music together. This part is guided by ten local curators in each city who have chosen the participants, together with a central curatorial group in Berlin and Nairobi, and are facilitating the cooperations. Intensive work periods by the participating musicians in the ten cities will form the central stages of the project, accompanied by concerts and parties. At the same time, a research project will use the perspective of club cultures to explore and investigate again a crucial notion of political theory: the public sphere - from a different perspective than the usual research tradition and in a serial, intercultural approach. About 20 authors, all from the city they are writing about, will tell us the history of club music in those ten cities, and the history of the public spheres that have been formed around club music for the last 50 years” (Nr.52). Aufgrund des großen Erfolges solcher Projekte, hat das Goethe-Institut – wie bereits detailliert dargestellt – seit dem Jahr 2016 einen internationalen Koproduktionsfonds aufgelegt. Der Fonds unterstützt dabei gezielt Projekte, welche die „kooperativen und koproduktiven Aspekte bei der Realisierung operativer Prozesse“ hervorheben (Nr.53). Das Auswärtige Amt versteht Koproduktion als „logische Fortsetzung von Kooperation, insofern sich nur in gemeinsamen Arbeitsprozessen wirkliche Dialoge herstellen lassen“ (Grätz 2016: 27). Dementsprechend wird ein „wirkungsorientiertes Planen mit den jeweiligen Partnern“, eine Zielerreichung aufgrund von Erfahrungen, aktuellen Informationen und Analysen“ angestrebt. (ebd.). Der Koproduktionsfonds soll „neue kollaborative Arbeitsprozesse und innovative Produktionen im internationalen Kulturaustausch anregen, um die Entstehung neuer Netzwerke und Arbeitsformen in globalen Zusammenhängen zu unterstützen und um neue Wege der interkulturellen Zusammenarbeit zu erproben“ (Nr.53).
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5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Genannt sei an dieser Stelle auch der West-Eastern Divan, ein Workshopprogramm von Daniel Barenboim und Edward Said, das im Jahr 1999 seinen Anfang in Weimar nahm (vgl. Nr.54). Im Rahmen des Divans treffen Musiker aus Israel, Palästina und anderen arabischen Regionen aufeinander, um gemeinsam Musik zu machen, mit dem Ziel der Völkerverständigung. 5.2.6 Musikprojekte in Deutschland, einreisende Gastspiele in Deutschland Das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut fördern Gastspielreisen nach Deutschland, um es Musikerinnen und Musikern, Chören und Orchestern aus Entwicklungs- und Transformationsländern zu ermöglichen, mit deutschen Partnern Konzertreisen oder Auftritte auf Festivals zu organisieren (vgl. Nr.10). In der Realisierung dieser Begegnungen – die auch in besonderer Weise durch zahlreiche Schulprojekte, städtepartnerschaftliche Programme, Stiftungsprojekte, etc. tagtäglich im Kleinen und im Großen ermöglicht werden – findet der Aspekt der Zweibahnigkeit seine tatsächliche Durchführung.69 Was Lepenies als eine „Stärkung der importorientierten Kulturpolitik“ bezeichnete, ist für die BKM Grütters nichts anderes als ein wichtiger „Bestandteil heimischer Integrationspolitik, die ja nicht zuletzt auch von Intellektuellen, von Künstlern und Schriftstellern geleistet wird" (Lepenies 1996: 44 und Grütters 2018: 56). Auswärtige Kulturpolitik ist dann auch die Übersetzung von Kulturen oder mit den Worten von Hamm-Brücher: „Auswärtige Kulturpolitik beginnt zu Hause“ (Hamm-Brücher 1980: 141). 70 5.2.7 Residenzprogramme „Residenzprogramme bieten Künstlern und anderen Kulturschaffenden die Zeit, den Raum und die Ressourcen, um – allein oder gemeinsam – an Bereichen ihres Schaffens zu arbeiten, in denen sich eine stärkere Besinnung oder Fokussierung auszahlt“, heißt es in einer Definition der Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2014 (Nr.56). Für das Auswärtige 69
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In erster Linie ist es der Konzertmarkt, der in Deutschland zahlreiche Gastspiele ausländischer Künstler ermöglicht. Jährlich konzertieren tausende von Künstlern aus aller Welt in den Veranstaltungshäusern und auf den Festivals des Landes. So wie es im Ausland zahlreiche Beispiele gibt, die Erwähnung finden könnten, so ist auch in Deutschland eine Unmenge an transnationalen Musikprojekten vorzufinden, die der Auswärtigen Musikpolitik zuzuordnen wären, in ihrer Gesamtheit jedoch schlichtweg nicht erfasst und dokumentiert werden können.
5.2 Systematisierung anhand der Auswertung von Musikprojekten der Auswärtigen Kulturpolitik
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Amt gibt die Residenzarbeit „Raum für grenzüberschreitenden Austausch künstlerischer und wissenschaftlicher Impulse und für kulturelles Verstehen“ (Nr.57). Insgesamt gibt es weltweit etwa einhundert Programme mit längeren Aufenthalten deutscher Künstler und Wissenschaftler, das Auswärtige Amt realisiert die Programme an über vierzig Standorten – überwiegend in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut (vgl. ebd.). Im Folgenden werden einige Standorte exemplarisch genannt:
bangaloREsidency (Bagalore, Indien) Villa Kamogawa (Kyoto, Japan) Seoul Art Space (Seoul, Südkorea) Deutsche Akademie Rom Villa Massimo (Rom, Italien) Stiftung Cité Internationale des Arts Paris (Paris, Frankreich) Villa Aurora (Los Angeles, USA) Kulturakademie Tarabya (Istanbul, Türkei) Deutsches Studienzentrum Venedig (Venedig, Italien)
Außenminister Steinmeier bezeichnet Künstlerresidenzen seinerzeit als „Knotenpunkt für die Außenkulturpolitik“, der Präsident des Goethe-Instituts Lehmann die Residenzhäuser als „Basislager für Künstler und Intellektuelle“, als „ehrgeizige Orte, die Zukunft schaffen“ (Lehmann 2016: 24). Er erläutert hierzu, dass es Menschen brauche, „die sich dem Dialog aussetzen, mit der Fähigkeit des Umgangs mit kulturellen Unterschieden. Das Goethe-Institut setze deshalb neben seinem Sprach- und Kulturprogramm auf Residenzprogramme“ (ebd.).71 5.2.8 Sonstige Programme Förderung selbst organisierter Auslandsgastspiele Das Goethe-Institut unterstützt sowohl Gastspielvorhaben/ Musikprojekte von professionellen Ensembles oder Einzelmusikern als auch von deutschen Laienund Nachwuchsensembles. Dabei handelt es sich „um eine Teilfinanzierung von Projekten durch Reisekostenzuschüsse“ (Nr.57). Voraussetzung ist, dass die 71
Einen ausführlichen Überblick über Residenzprogramme bietet die Dissertation von Johannes Crückeberg (vgl. Crückeberg 2019). Im Jahr 2018 fand zudem ein Treffen des Arbeitskreises Deutscher Internationaler Residenzprogramme im HAU in Berlin statt. Der Arbeitskreis wurde 2015 auf Initiative des Auswärtigen Amts und des Goethe-Instituts gegründet. Die dokumentierten Ergebnisse des Treffens vermitteln weitere Eindrücke über die aktuellen Schwerpunkte von Künstlerresidenzen (vgl. Nr.58).
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5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
beantragten Vorhaben von hoher künstlerischer Qualität sind. Die Begutachtung der Projektanträge führt der Fachbereich mit der Unterstützung seines künstlerischen Beirats und den „Programmverantwortlichen der relevanten GoetheInstitute im Ausland“ durch (ebd.). Fördermittel für Gastspiele im Ausland sind allerdings nicht nur über das Goethe-Institut zu beantragen: Auch die Länder unterstützen bisweilen derlei Vorhaben, Kommunen beispielsweise im Bereich der Städtepartnerschaften. Mitunter sind auch Projektanträge bei Stiftungen erfolgreich.72 Researchprogramme, Datenbanken, etc. Auch die Organisation und Mitwirkung an Kongressen sowie die Durchführung von Researchprojekten ist ein Aspekt der Auswärtigen Musikarbeit. So war die Forschungsarbeit – neben den bereits erwähnten transkontinentalen Musikkooperationen – ein wesentlicher Bestandteil des Projektes Ten Cities. Im Rahmen dieser Researcharbeit wurden die Clubkulturen der teilnehmenden Städte beleuchtet und die lokalen Musikgeschichten rekonstruiert. Andere Programme Es sind zahlreiche weitere musikalische Projekte der Auswärtigen Kulturpolitik zu finden, die sich nicht direkt in die bereits genannten Kategorien einordnen lassen. So zum Beispiel Live-Konzertübertragungen (Berliner Philharmoniker, etc.), die Europäische Orgelwerkstatt, Auftragsarbeiten für Künstler/ Ensembles, die Barenboim-Said-Akademie in Berlin, etc. Bis ins Jahr 2016 hat das GoetheInstitut auch die Auswahlvorspiele für die deutschen Anwärter auf einen Platz im European Union Youth Orchestra (EUYO) durchgeführt, dies jedoch mittlerweile an die Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin abgetreten (vgl. Nr.60). 5.3 Zusammenfassung: Verbundprojekte als Schwerpunkte der Musikarbeit Bei der Analyse der Musikprojekte im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit zeigt sich, dass Übergänge oftmals fließend sind – insbesondere im Bereich Workshop, Meisterklassen, Aus- und Weiterbildung sowie Koproduktion sind 72
Als Beispiel soll hier das Gerd Bucerius Stipendium der Deutschen Stiftung Musikleben genannt werden (vgl. Nr.59).
5.3 Zusammenfassung: Verbundprojekte als Schwerpunkte der Musikarbeit
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zahlreiche Überschneidungen und Kongruenzen zu identifizieren. Es lässt sich vermuten, dass Musikprojekte oft innerhalb einer Kategorie der oben dargestellten Systematisierung geplant werden, aufgrund des Aufwands, der Kosten und der ggf. formulierten Zielerwartungen aber mit weiteren Kategorien verbunden werden. Als so genannte Verbundprojekte kann man sodann solche Programme bezeichnen, die ob ihrer interdisziplinären Konzeption keiner konkreten Zuweisung einer Kategorie von Musikprojekten mehr gerecht werden. Es handelt sich also zumeist um übergreifend angelegte Formate, oftmals auch sparten- wie auch genreübergreifend, die je nach Größe langfristig und oft auch mit mehreren Partnern vor Ort geplant werden (vgl. Goethe Institut 2002: 18).73 Hieraus lässt sich ableiten, dass die Planung und Durchführung jener Verbundprojekte oft mit einem größeren organisatorischen und zeitlichen Aufwand verbunden sind. Gleichzeitig ist im Ergebnis jedoch auch entsprechende Wirksamkeit, sowohl in der inhaltlichen Vermittlung als auch in der Außendarstellung, zu erwarten. Im Bereich der Musik gestalten sich die Verbundprojekte oft durch ein Konzert, kombiniert mit einem Workshop oder einer Masterclass. Dies wäre sozusagen die kleinste Einheit eines Verbundprojekts. Der Ausgestaltung jener Projekte – und der damit verbundene Wunsch nach Effektivitätssteigerung – sind jedoch keine Grenzen gesetzt. Einige Beispiele: Die Ausstellung musik + x wurde häufig mit Gastspielen deutscher Künstler und damit einhergehenden Workshops an Schulen verbunden. FolkloreMusikgruppen treffen auf zeitgenössisches Tanztheater, Stummfilme werden musikalisch umrahmt, DJs bespielen Kunsträume. In Vietnam wurde zum Abschluss des Deutschlandjahres 2010 ein interdisziplinäres Musiktheaterprojekt mit 100 Künstlern, Sängern, Tänzern, Instrumentalisten aus Europa und Asien auf die Bühne gebracht (vgl. Nr.61). In Sao Paolo verband das Projekt Ficción Disco Musik, Installationskunst und Design.74 In Italien wurde die Italienische Reise von Goethe als Hörspiel mit Musik und einem begleitenden Comic neu erarbeitet (vgl. Nr.62). Verbundprojekte laden – neben den kategorienübergreifenden und oftmals auch genreübergreifenden Ansätzen – ebenfalls dazu ein, mit Partnern zusammen zu arbeiten, auch mit Auslandsinstitutionen anderer Staaten. Das Projekt Electro-
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Im Jahrbuch des Goethe-Instituts 2002 wird anhand eines konkreten Beispiels der Begriff Verbundprogramm verwendet. In anderen Quellen konnte die Nutzung des Begriffs nicht nachgewiesen werden. Der Erfolg von Ficción Disco ist damals nicht zuletzt auch auf die Produktionsform zurückzuführen, die sich von der Tradition der entsandten Programme unterscheidet, indem die Zweigstelle einen großen Freiraum für die Gesamtkoordination der Veranstaltung erhält. Die autonome Produktionsform erlaubt eine sehr starke Profilierung im Gastland und konnte den Kulturaustausch ergänzen und bereichern (vgl. Massuh 1992: 58f.).
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5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
nic Soundscapes in Nigeria wurde zum Beispiel gemeinsam durch Goethe-Institut und Institut Francais geplant und realisiert (vgl. Nr.63). Mehrere Aspekte lassen den Schluss zu, dass ein als Verbund konzipiertes Musikprojekt vorteilhaft für die durchführenden Kulturmanager sein könnte. Als besonderen Vorteil stellt sich zum einen die Möglichkeit der inhaltlichen Ausdifferenzierung dar, Programme können auf diese Weise kategorien-, genre-, und stilübergreifend ausgestaltet werden. Hierdurch steigen wiederum die Chancen, die mit dem Projekt verbunden Ziele zu erreichen. Durch ein Verbundprojekt entstehen zudem auch Potentiale der stärkeren Wahrnehmung des Projekts, Marketing-Synergien werden offensichtlich. Die Zielgruppenansprache kann weiter ausdifferenziert werden. Ebenso scheint es so, dass hierdurch bessere Einbindungsmöglichkeiten verschiedenartiger Partner vor Ort entstehen. Grundsätzlich kommen weitere Möglichkeiten der Kooperation, bisweilen auch länderübergreifend, zum Tragen. Es lässt sich vermuten, dass Verbundprojekte darüber hinaus auch Kosteneinparungspotentiale bergen, gegebenfalls auch eine gesteigerte Attraktivität gegenüber Sponsoren aus der Privatwirtschaft zu erwarten ist. Ein größeres Finanzvolumen bei Verbundprojekten würde zudem auch zur Erreichung eines möglichen Eigenmittelbedarfs bei Förderverfahren führen, wodurch die Akquise von Drittmitteln erleichtert werden dürfte. Die folgende Graphik setzt an Abbildung 2 an und ergänzt diese um die erarbeitete und in diesem Kapitel dargestellte Systematisierung. Die verschiedenartigen Möglichkeiten und grundsätzlich offenen Formen von Verbundprojekten werden durch eine Umkreisung jener Systematisierung angedeutet.
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5.3 Zusammenfassung: Verbundprojekte als Schwerpunkte der Musikarbeit
Auswärtige Kulturpolitik
Auswärtige Musikpolitik
Ästhetischinhaltliche Dimension
Gesellschaftl.soziale Dimension
Ökonomische Dimension
Informationsaustausch Kooperation Beeinflussung Sozialisation Personifizierung Wettbewerb
Verbundmaßnahmen
Konzerte, Festivals Sonstige
Musikprojekte in Deutschland
Workshops
Kollaborationen
Informationen über Musik
Residenzprogramme
Abbildung 4: Musikprojekte in der Auswärtigen Kulturpolitik, eigene Darstellung
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5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
5.4 Kritik an Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit Die Arbeit der Mittlerorganisationen, insbesondere die Kulturelle Programmarbeit, ist seit jeher einer kritischen Betrachtung ausgesetzt. Die Fragen nach dem WIE und dem WAS bestimmen den außenkulturpolitischen Diskurs. Dabei schwingt die grundlegende Frage nach der Sinnhaftigkeit einzelner Projekte mit, durchaus auch gelegentlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Programmarbeit selbst (vgl. Christmann 2001: o.S.). Die Diskussion über Mittel und Zweck, Ziele und Nutzen der Auswärtigen Kulturpolitik ist allgegenwärtig, wird nur zu verschiedenen Phasen in verschiedenen Graden der Intensität mit unterschiedlichen Schwerpunkten geführt (vgl. Exkurs Musikexport). Ein explizit der Musikarbeit gewidmeter Diskurs existiert in dieser Art eher weniger, aus einzelnen Artikeln und Debattenbeiträgen lassen sich jedoch auch Kritikpunkte an Inhalten und Zielen der Musikprojekte erkennen. Die zentral beleuchteten Fragestellungen lauten stets: Welche deutsche Musik sollte im Ausland präsentiert werden? Popmusik, Klassik, Neue Musik oder Jazz? Gibt es das überhaupt, eine deutsche Musik? Wer ist die Zielgruppe von Musikprojekten? Welche Programmprofile sollten angeboten werden – ein eher auf Unterhaltung ausgerichtetes oder eher ein intellektuelles Angebot? (vgl. Stoll 2005: 288). Und überhaupt: Wann wird Musik tatsächlich nur, vornehmlich vom Westen aus, in die Welt exportiert und wann beginnt sie im Sinne der häufig bemühten Zweibahnstraße zu wirken? Dies gilt natürlich für jegliche Art von Kulturveranstaltung. Tatsächlich ist die Art und Weise, wie musikalische Angebote im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit unterbreitet werden, von eminenter Bedeutung. In seinem Artikel Exporting Culture in a Global World – Necessity, Waste of Money, or even Danger stellt der Kulturmanager Sacker fest: „In reality only a long-term cultural engagement with people who are accepted as equal partners on a level playing field can lead to innovative and new co-operations. If they are truly based on dialogue and the West or more developed countries are equally willing to learn from their respective partners, only then may they create the mutual trust which is required for human understanding, for the discovery of unknown worlds of culture, for peace and even for good business“ (Sacker 2014: 94). Anders formuliert, aber im Kern gleichbedeutend, wird die Frage von einer Teilnehmerin der Tagung Cultural Policy and Arts Education an der Bundesakade-
5.4 Kritik an Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit
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mie Wolfenbüttel aufgeworfen: „Who empowers whom?“.75 Ist das Verlassen der eurozentristischen Perspektive nicht grundlegend für eine erfolgreiche dialogische Kulturarbeit? Vorausgesetzt ist hierfür ein proaktives Handeln der Kulturmanager. Henze schreibt dazu: „Many European arts managers too rarely leave their comfort zone, preferring to stay within the narrow confines of similar notions of arts and culture and similar funding structures and policies“ (Henze 2017b: 80). Deutliche Kritik an einer solch monoperspektivischen Ausrichtung der Kulturellen Programmarbeit ist auch bei Schneider zu lesen: „Es steht nicht gut um die Künste als Programm der Auswärtigen Kulturpolitik. Das Große und Ganze wird gepredigt, aber kulturpolitisch macht sich kaum einer Gedanken, was im Ausland ausgestellt wird, welche Musik bei den Projekten eine Rolle spielt, wie die Vermittlung von Theater stattfindet. Denn noch immer geht es doch vorrangig um den Export. Der Austausch wird gepriesen, gepflegt wird die Präsentation. Wer sich einmal der Mühe unterzieht, die Jahresberichte der Kulturinstitute zu analysieren, wird feststellen müssen, dass der weitaus größte Teil der Veranstaltungen durch Theateraufführungen, Lesungen, Filmvorführungen, Vorträge und Kunstausstellungen geprägt ist – also schon im Format sehr eindimensional strukturiert. Es wird etwas demonstriert, aber wie intensiv ist die Kommunikation angelegt? Wo bleibt der Austausch im Sinne eines Prozesses? Und was entsteht Neues, wenn das Programm vorrangig den Konsum bedient?“ (Schneider 2010: 88). Eine gleichsam wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch der Umgang mit dem Erbe des Kolonialismus.76 Hierzu erklärt Henze, dass der „Kolonialismus das kulturelle Selbst- und Fremdverständnis in vielen Ländern nachhaltig geprägt wie auch erschüttert“ habe und sich dieser Tatsache dementsprechend „gerade europäische Kulturmanager in internationalen Kontexten ebenso bewusst sein müssen, wie der daraus erwachsenen Verantwortung“ (Henze 2017a: 7). Der Frage nach der Konzeption und den „Ansätzen“ von Musikprojekten schließt sich die Frage nach der richtigen Handhabung an. Wann und in welchem Kontext beginnt Musik überhaupt zu wirken? „Musik, wobei hier von europäischer, abendländischer E-Musik, Jazz und Rockmusik die Rede ist, erklingt täglich, weltweit, in 75
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CULTURAL POLICY AND ARTS EDUCATION – A FIRST AFRICAN-EUROPEAN EXCHANGE (vgl. Nr.66); Quelle: Tagungsaufzeichnung des Verfassers. Weiterführende Informationen zur Theorie des Postkolonialismus vgl. Loomba 2015.
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5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
welcher Form und Qualität auch immer. Musik hat überall ihr Publikum, von Carnegie Hall und der Scala bis zum Teatro José Alencar und dem Tanghalang Nicanor Abelardo. Diese enorme Verbreitung, die scheinbar problemlose Handhabung und Akzeptanz machen das Medium für die Arbeit von Kulturinstitutionen verführerischer als es wünschenswert wäre. Ein bis zwei, nach Möglichkeit auch noch mehr Musikveranstaltungen pro Jahr gehören quasi zum guten Ton der Kulturarbeit im Ausland, und zwar nicht nur der deutschen“ (Schmelter 1992: 28). Wenn also die Musik ohnehin allgegenwärtig ist, wie es Schmelter – lange Zeit Regionalleiter der Goethe-Institute in Ost-Asien – in dieser Äußerung insinuiert, warum wird ihr dann ein solch wichtiger Stellenwert bei der Kulturellen Programmarbeit zugesprochen? Ein weiterer Kritikpunkt ist die Frage danach, welche musikalischen Maßnahmen tatsächlich zur Erreichung der außenkulturpolitischen Ziele dienen. Ist es beispielsweise wirklich richtig, keinerlei Präferenzen für Stil, Genre und Angebot zu haben, wie es seitens des Goethe-Instituts betont wird? Am Beispiel Brasiliens erläutert de la Fontaine die sich hieraus ergebenden Konsequenzen, die durchaus bis heute Gültigkeit besitzen: „Was wollen wir eigentlich mit dieser Art Musikentsendungen in ein Land wie Brasilien, in dem es ganz und gar an der Subventionskultur fehlt, die erst im Nachkriegsdeutschland diese künstlichen E-Blüten hervorgebracht haben, mit Darmstadt, Donau-Eschingen, Köln und den anderen. (...) Das deutsche Baukastendenken in E- und U-Musik ist genauso fremd wie der Jazz, der nichts sein will und kann als Jazz. Was wollen wir auch mit musikalischen Entsendungen, die überhaupt nicht typisch sind für das, was sich bei uns nach dem Krieg wirklich abspielte. Wir exportieren etwas, dass bei uns in der BRD hochgradig subventioniert ist, von heute auf morgen sein Publikum verlieren würde, würden die staatlichen Subventionen entfallen, ganz und gar ohne Rückhalt im deutschen Kulturpublikum, und bringen es in Länder, die in der kulturellen Infrastruktur nichts adäquates anzubieten haben und denen auch das Verständnis für das abgeht, was hier musikalisch gespielt werden soll. Kurz und gut, diese Musik eignet sich eigentlich nicht für den musikalischen Dialog. Wir bevormunden hier mit einem Material, das, wie ich bereits angedeutet habe, selber Resultat starker historischer Zäsuren und Deformationen ist und stellen uns taub gegenüber dem lebendigen Reichtum der Po-
5.4 Kritik an Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit
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pular-Musik, die in ihren Formen noch teilweise in die animistische Vorgeschichte der Menschheit reicht“ (De la Fontaine 1992: 12f.). Aus diesen Aspekten ergibt sich die nicht weniger wichtige Fragestellung, nämlich nach der Zielgruppe, den Formaten und ihrer jeweiligen Zugänglichkeit: „Ein voller Saal, ...der Besuch einer örtlichen Musikschule, ...das Zusammentreffen mit einheimischen Musikern (...) sind Grund genug, von der Richtigkeit und Notwendigkeit solcher Veranstaltungen überzeugt zu sein. Weitergehende Fragen werden selten gestellt. (...) Konzerte und vergleichbare kulturelle Ereignisse wie Theater- oder Ballettabende finden traditionsgemäß vor dem gleichen Publikum statt: den Wohlhabenden, Privilegierten und Angehörigen der Expat-Kolonien, das gilt für die Hauptstadt wie für die Provinz eines Landes“ (Schmelter 1992: 28). Auch die Kulturmanagerin Maier stellt in einer Untersuchung der GoetheInstitute fest, dass junge Leute „weder als Gäste oder Künstler auf dem Podium noch als Besucher (…) ausreichend in die Veranstaltungen der Goethe-Institute mit einbezogen“ werden (Maier 2008: 42). Schneider schreibt über seine Erfahrung, dass beispielsweise in Afrika die Eintrittspreise von Kulturveranstaltungen in der Regel „das Monatseinkommen von 50% des potentiellen Publikums übersteigen“ würden, kritisiert aber vor allem, dass es sich bei zahlreichen Veranstaltungsformaten um „temporäre Events mit geringem Einfluss auf die kulturelle Infrastruktur“ handeln würde (Schneider 2016: 50). In einem Interview beschreibt der damalige Goethe-Mitarbeiter Russ die gängige Konzertpraxis: „Das ist der Normalfall. Wenn sie etwa eine international erfolgreiche Popband haben, dann stehen die da oben, singen ihre Lieder, wunderbar, und die Leute sind glücklich. Nach dem siebten Lied geht die Band von der Bühne. Licht aus, und die Sache ist erledigt“ (Russ 2004: 78). Wie kann vor dem Hintergrund dieser Aussagen von einer strategischen Umsetzung außenkulturpolitischer Ziele gesprochen werden? Tatsächlich liegt es doch nahe, dass die Besucher von Konzerten „gewiss nicht mit der Einstellung gekommen seien, sich einmal ein neues Bild von Deutschland zu machen, sondern einfach nur, um die Musik zu genießen“ (Leue 2004: 73). Hinzu kommt auch die berechtigte Frage nach dem Interesse für deutsche Kultur im Allgemeinen. Hierzu schreibt Sacker:
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5 Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
„Naturally we strongly believe that Germany, as a modern ‚Kulturnation‘ (Cultural Nation) plays a vital role with regard to globalization, amongst the concert of all nations. Yet, even with ist abundance and qualitiy of artistic and intelectual diversity, it still has to fight deeply rooted prejudices in order to present Germany as an innnovative and creative country“ (Sacker 2014: 86). Wassener, ebenfalls Goethe-Mitarbeiter, stellt wiederum die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Kulturinstitutionen in ohnehin kulturell gut ausgestatteten Metropolen:77 „Die Frage ist durchaus legitim, was heutzutage eigentlich fehlen würde im Theater-, Tanz- und Musikleben von London, New York, Paris, Tokyo, was eigentlich vermisst würde im kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Dialog zwischen Deutschland und Italien, Spanien und Rußland, wenn es die Goethe-Institute nicht gäbe oder die Informationszentren und einschlägige Fachreferate der deutschen Botschaften, die Büros des Deuschen Akademischen Austauschdienstes und die der politischen Stiftungen in den Metropolen geschlossen würden“ (Wassener 1997: 10). Der ehemalige Goethe-Mitarbeiter Mumme stellt gar die Wirkung der Programmarbeit im Ausland ob der Konkurrenzsituation gänzlich in Frage: „Die Goethe-Institute konkurrieren mit einer Vielzahl von Fernseh- und Radiosendungen, von Filmen und Veröffentlichungen in Zeitungen und Magazinen und mit Veranstaltungen von Fachhochschulen und Universitäten. Sie alle vermitteln schon seit Jahren ein sehr genaues Bild der Lebenswirklichkeit in Deutschland und erreichen ein breiteres Publikum als es den Goethe-Instituten jemals möglich wäre. Insofern waren solche von den Goethe-Instituten im Rahmen eines erweiterten Kulturbegriffs organisierten Veranstaltungen nicht viel anderes als ein Tropfen in einen bereits gefüllten Eimer“ (Mumme 2006: 153).
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Die Leitung einer Kulturabteilung einer deutschen Botschaft im europäischen Ausland bestätigt diese Aussage in einer Korrespondenz mit dem Verfasser dieser Arbeit, will jedoch weder namentlich genannt noch zitiert werden. Vor dem Hintergrund des dort breit gefächerten Angebots an Kultur- und insbesondere Musikveranstaltungen finden gar keine Residenzkonzerte mehr statt und selbst musikalische Projekte des Goethe-Instituts werden nur in seltenen Einzelfällen gefördert.
5.4 Kritik an Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit
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Zusammenfassend werden also konkrete Fragen nach den Konzepten der Musikarbeit, den Schwerpunkten, Zielen und Zielgruppen sowie der Art und Weise der Kooperation mit Partnern vor Ort aufgeworfen und diskutiert. Durch die Identifizierung dieser zentralen Fragestellungen können demzufolge auch wesentliche Grundfunktionen des Kulturmanagements – des Managements jener Musikprojekte im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit – angezeigt werden (vgl. Bendixen 2006:72): Es geht um Zielsetzung und Planung, um die Analyse der Zielgruppen, Formate und Zugang, um die Entwicklung von Alleinstellungsmerkmalen und nachhaltigen Instrumenten. Es geht letztlich um eine Identifikation der in der Musikarbeit anzuwendenden Instrumente des Kulturmanagements und umgekehrt um eine Bewusstwerdung der kulturpolitischen Dimension des kulturmanagerialen Handelns.
6 Management von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Nach Kettner geht es beim Kulturmanagement um die Planung und Führung leistungserbringender Prozesse, darüber hinaus aber eben auch um das Management einer Organisation und die Steuerung von Verhalten, im Idealfall das „Führenkönnen“ mit Hilfe von Visionen, Ideen, Werten und Gütern (Kettner 2011: 100f.). Für den Kulturmanager Bode ist es eine Frage der Lesart des Begriffs Kulturmanagement: Setzt man den Fokus auf die Managementfunktion, dann legt diese Sichtweise nahe, dass man unter Kulturmanagement „ein wirtschaftliches Agieren im Betrieb versteht“ (Bode 2008: 39f.). Nach Bode bestehe die besondere Herausforderung für das Kulturmanagement dann darin, dass der Umgang mit dem Kulturgut „besondere Marktkenntnisse“ voraussetze, eine Übersetzungsfunktion zwischen öffentlichem und privatwirtschaftlichen Denken einnehme und sich darüber hinaus um die Produkte und ihre Vermarktung kümmert (ebd.). Legt man den Fokus auf den ersten Teil des Wortes von Kulturmanagement, also Kultur, geht es für Bode primär um die Frage, „wie das kulturelle Schaffen organisiert werden kann“ (Bode 2008: 41). Es steht dann nicht mehr die Frage nach dem betrieblichen Management im Zentrum, sondern das Schaffen von Rahmenbedingungen, in denen Kultur stattfinden kann. Hier treten insbesondere die meritorischen Güter der Kultur hervor (vgl. ebd.).78 Konkreter unterscheidet van der Berg in ihrem Artikel Impresario, Künstler, Manager oder Fuzzi? Rollenmodelle des Kulturmanagers die Grundtypen eines Kulturmanagers, darunter den Kulturmanager als Kommerzialisierer, den Kulturmanager als Institution, als Dolmetscher, als charismatischen Inszenator, als Ermöglicher, als postheroischen Künstler sowie als Forscher (vgl. van der Berg 2007: 133). Bei der Betrachtung dieser Typologie wird erkennbar, dass eine Harmonisierung dieser verschiedenen Funktionen und Rollenbilder ob ihrer Interdisziplinarität nahezu unmöglich scheint. Deutlich wird auch, dass die Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen Kunst und Ökonomie „eine wesentliche FUNKTION des Managers für die Kulturarbeit darstellt“ (Föhl 2009: o.S.) – dies 78
Als meritorisch werden nicht dem marktwirtschaftlichen Sektor zuzuordnenden Güter bezeichnet, die „in größerem Umfang bereit gestellt werden, als es den in der individuellen Zahlungsbreitschaft zum Ausdruck kommenden Präferenzen der Bürger entspricht“ (Andel 1984: 630f.). Zu ebensolchen werden auch die Kulturgüter gezählt.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Maier, Auswärtige Musikpolitik, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30541-3_6
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ist eine Feststellung, die den Kulturwissenschaftler Föhl zu folgender Schlussfolgerung kommen lässt: „Eine Suche nach einer unikalen Berufsbeschreibung ist demnach nicht nur nicht möglich, sondern wäre zugleich kontraproduktiv. So lebt der vermeintlich »idealtypische« Kulturmanager als Vermittler, Ermöglicher und Vermarkter von Kultur doch vor allem von seiner Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit, womit er den Blick auf aktuelle Trends behält und entsprechende Erkenntnisse direkt in seine Arbeit einfließen lässt“ (ebd.). Die Typologie von Rollenbildern weiterentwickelnd definieren Föhl/u.a. den Kulturmanager schließlich als „Interspace Manager“: “New ‘interspaces’ are appearing for arts/cultural managers who need to be able to understand and moderate the logic underlying activities in other fields and accept it with its specific approaches. (...) The cultural manager needs to fulfil the task of bridging the gap between interspaces. As an external actor who only enters a new cultural field of intervention for a certain amount of time he can be seen as having a very high degree of structural autonomy that makes him the ultimate broker“ (Föhl/u.a. 2016: 19ff.). Während in Deutschland der Kulturmanager dementsprechend in besonderem Maße als „Grenzgänger zwischen Kunst und Ökonomie“ betrachtet werden kann, stehen bei der Kulturarbeit im Ausland (im Rahmen der AKBP) die politische bzw. gesellschaftliche Funktion und Wirkung von kulturmanagerialen Handeln wesentlich stärker im Vordergrund (Götzky 2011: 70). Die entscheidende Veränderung in der Auswärtigen Kulturpolitik liegt darin, dass sich eine Schnittstelle eben nicht im Spannungsfeld von Kunst und Ökonomie befindet, sondern überwiegend zwischen operativer Umsetzung und politischen Vorgaben.79 79
Es gibt zunehmend Publikationen über die Kulturarbeit im Zeichen des demographischen Wandels und der Migration sowie die daraus entstehenden Herausforderungen für Kulturpolitik und Kulturmanagement (vgl. beispielsweise Keuchel 2012, Allmanritter 2014, Wolfram 2017). Tatsächlich ist die Internationalisierung des Kulturmanagements resp. Kulturmanagement im internationalen Kontext ein noch eher seltener behandeltes Thema und hat in Deutschland erst in den letzten zwei Jahren durch die Publikationen von Henze/Wolfram 2014, Henze 2016 und Mandel 2017 sowie die Gründung des Verbands Brokering Intercultural Exchange eine erhöhte Aufmerksamkeit erlangt. In der Studie von Birgit Mandel zu Arts/ Cultural Management in International Contexts, die in Kooperation mit dem Goethe-Institut, der European Cultural Foundation Amsterdam und MitOst Berlin entstanden ist, wird folgenden Fragen nachgegangen:
6.1 Internationales Kulturmanagement zwischen operativer Umsetzung und politischen Vorgaben
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Im folgenden Kapitel soll diese Schnittstelle genauer beleuchtet, zudem sollen die Kompetenzen und Instrumente des Kulturmanagements bei der Umsetzung von Musikprojekten abgeleitet werden. 6.1 Internationales Kulturmanagement an der Schnittstelle zwischen operativer Umsetzung und politischen Vorgaben Internationales Kulturmanagement zwischen operativer Umsetzung und politischen Vorgaben
Henze definiert internationales Kulturmanagement über die Zusammenarbeit mit Partnern aus unterschiedlichen Ländern, „in dem Bewusstsein der Unterschiede der jeweiligen Partner“, die (...) auch im besten Fall nicht nivelliert werden, sondern für das gemeinsame Vorhaben sinnbringend eingebracht und sinnstiftend genutzt werden“ (Henze 2017a: 12). Die Arbeitsprofile des internationalen Kulturmanagements findet sie dabei AUCH in internationalen Organisationen, unter anderem in den Kulturabteilungen der Botschaften als auch in den Mittlerorganisationen (vgl. ebd.). Das internationale Kulturmanagement greift nach Henze auch außenkulturpolitische Zielvorgaben auf und setzt diese mit entsprechenden Partnern strategisch wie operativ um. Dabei ist die kulturpolitische Perspektive dem „plurablen Rollenbild“ des Kulturmanagers inhärent, genauso wie umgekehrt eben auch die kulturmanageriale Umsetzung in kulturpolitischen Entscheidungsprozessen mitgedacht werden müsse (Henze 2017a: 17). Zwar sind dem internationalen Kulturmanagement auch die klassischen kulturmanagerialen Instrumente, nämlich Zielsetzung, Planung, Organisation, Controlling und Führung, zuzuordnen, diese „– How is internationalization influencing arts/cultural management? Is there a tendency towards harmonization of arts/cultural management practices due to cultural globalization? Or are concepts and practices of arts/cultural management still more influenced by the specific national or regional contexts and cultural values? – How do arts/cultural managers from different world regions describe their work context, working conditions and missions? How do they assess goals of cultural policy in their country and the effects of internationalization on the cultural sector? – What are in their opinions the main challenges and the main benefits of international cultural cooperation and which competencies do they deem important for working successfully in international and intercultural contexts? – And how does internationalization influence concepts and curriculum in arts/cultural management training? How should international trainings be designed to be beneficial?” (Mandel 2017:11f.). Die Erkenntnisfragen beziehen sich auf arts/ cultural managers, die im internationalen Kontext tätig sind, beschränken sich jedoch nicht auf die Kulturmanager der kulturellen Programmarbeit: „they work in global companies of the creative industries, in international art festivals, or international tourism“ (Mandel 2017: 11). Mandel betont dabei ausdrücklich, dass es sich hierbei um eine Studie des arts/cultural managements im internationalen Kontext handelt, nicht jedoch um internationales Kulturmanagement.
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werden jedoch durch den Einbezug des Außenkulturpolitischen ausgestaltet. Klarstellenderweise soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass es sich bei der Betrachtung von internationalem Kulturmanagement in diesem Fall um den internationalen Kontext des Kulturmanagements im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit der Auswärtigen Kulturpolitik handelt. Das Kulturmanagement im internationalen Kontext kann in weitere Felder eingeordnet werden, Mandel zufolge „als Teil von Cultural Diplomacy und Kulturentwicklungsplanung“, was am ehesten noch dem Kontext der AKBP zuzuordnen wäre, als Kulturmanagement in globalen kultur- und kreativwirtschaftlichen Bereichen sowie als Kulturmanagement, „das ein v.a. durch Migration verändertes und diversifiziertes Kulturleben im eigenen Land moderiert und organisiert“ (Mandel 2016: 86). Mandel hinterfragt in einer weiteren Publikation, ob Kulturmanagement nur eine dienende Funktion hat und sich dementsprechend auch aus inhaltlichen Fragen heraushalten müsse (vgl. Mandel 2011: 27). In der Beantwortung dieser Frage diagnostiziert sie eine „verengte Sichtweise auf Kulturmanagement, die weder die heutige Praxis zureichend beschreibt, noch zukünftigen Herausforderungen angemessen erscheint“ (ebd). Kulturmanagement, so ihre These, habe weder eine rein dienende Funktion gegenüber der Kunst, noch eine rein ausführende gegenüber der staatlichen Kulturpolitik: „Kulturmanagement ist zum einen Bestandteil des arbeitsteiligen Prozesses kollektiver Kreativität, wobei der Grad der Einflussnahme auf die Produktion oder die Auswahl von Kunst in der Realität sehr unterschiedlich sein kann. (...) Zudem kann der Wirkungskreis von Kulturmanagement nicht auf die Ebene des einzelnen Kulturbetriebs begrenzt werden, sondern erstreckt sich auch auf die Interessensorganisation von Kulturbetrieben und Kulturschaffenden und auf die Kulturverwaltung“ (Mandel 2011: 28). Auch Höhne und Keller stellen fest, dass die Rolle des Kulturmanagements weit darüber hinausgeht, nur die von der Politik gesetzten Ziele zu realisieren. Die Praxis zeige, „dass die Beziehungen zwischen Kulturmanagement und Kulturpolitik keineswegs so eindeutig und einseitig codiert sind, da widerstreitende Interessen und gegenseitige Einflussnahme ins Spiel kommen“ (Höhne/Keller 2011: 9). Mandel wiederum konstatiert, dass Kulturmanagement immer auch gesellschaftliche Verantwortung übernähme, „unabhängig davon, ob es seine Handlungsspielräume bewusst und zielgerichtet wahrnimmt“ (Mandel 2011: 38). Diese erheblichen Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten verblieben auch unter einem hierarchischen Steuerungsregime, insbesondere dann, wenn die Kulturpolitik keine präziseren Vorgaben formuliere. Es bliebe die Frage, ob Kulturmanagement seine Gestaltungsmöglichkeiten bewusst nutze und wenn ja, welche
6.1 Internationales Kulturmanagement zwischen operativer Umsetzung und politischen Vorgaben
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Handlungsorientierungen und Zielsetzungen dafür maßgebend seien und welche Bedeutung dabei dem Gemeinwohl eingeräumt würden (vgl. ebd.): „Dafür bedarf es eines neuen Rollenmodells für Kulturmanager, indem diese nicht nur die Rahmenbedingungen kultureller Produktion und Rezeption effizient organisieren, sondern auch das gesellschaftliche Kulturleben als Ganzes im Blick haben, Kulturmanager, die sich im Sinne gesellschaftlicher Verantwortung und auf der Basis präzise definierter Zielsetzungen und strategischer Instrumente für die stärkere Relevanz von Kunst und Kultur in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen engagieren, Kulturmanager, die auch kulturpolitische Zielsetzungen entwickeln und Aushandlungsprozesse moderieren, um Klarheit über verschiedene Interessenlagen, Bedürfnisse und Ziele zu schaffen und damit beizutragen, Transparenz in einem Feld zu schaffen, das bislang stark mystifiziert wurde und damit strategischer Entscheidungsfindung entzogen war“ (Mandel 2011: 39). Noch einen Schritt weiter gehen Badura und Mokre, wenn sie fordern, Kulturmanagement nicht auf effizientes Ressourcenmanagement zu beschränken „oder ihm zusätzlich einige gestalterische kuratorische Funktionen im Kultursektor zuzuschreiben“ (Badura/Mokre 2011: 62f.): „Vielmehr müsste eine Repolitisierung der Kultursektors (auch) durch das und im Kulturmanagement stattfinden, die jenes Vakuum füllt, das eine entpolitisierte Kulturpolitik geschaffen hat. (...) Politisierung ist hier gemeint als Stiftung von öffentlichen Kontroversen, darüber nämlich, was Kultur jeweils leisten soll und leisten kann. (...) und daher wäre es wichtig, genau diese Spannung auch zum Thema des Kulturmanagements zu machen. Dazu allerdings muss das Kulturmanagement die bequeme Position des neutralen Ermöglichens verlassen und Position beziehen, eine Position, die da sie streitbar ist, auch bestritten werden kann und wird“ (ebd.) Dem entgegen steht die Darstellung der Autoren Föhl, Wolfram und Peper in einem Beitrag in der Zeitschrift für Kulturmanagement: „Cultural Managers must not try to assume the role of cultural politicians – unless they want to take on a corresponding political office – or they think they could act as a substitute here, because they were not elected for this role and therefore do not have any democratic legitimacy for it either“ (Föhl/u.a. 2016: 22).
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Dem Kulturmanager schreiben die Autoren jedoch die Kompetenz zu, Kulturpolitik (cultural policy) als spezifisches System mit eigener Logik, Regeln und Vokabular zu übersetzen – und zu legitimieren (Föhl/u.a. 2016: 23). „Cultural Managers act between the conflicting priorities of cultural policiy, cultural organizations and artists, and in their perspective fields as well. (...) Rather, Cultural Managers are mediators, translators, cooperators, networkers and facilitators who act on the part of cultural policy as well as on the part of cultural players to empower cultural development processes as well as individuals“ (Föhl/u.a. 2016: 22f.). Götzky arbeitet in ihrem Aufsatz über die Politikverdrossenheit des Kulturmanagements wiederum heraus, dass das Kulturmanagement „theoretisch und praktisch das eigene Involviertsein bei der Gestaltung des kulturpolitischen Raums“ zukünftig intensiver reflektiert werden müsse (Götzky 2011: 79). Es gehe darum, das kulturpolitische Handeln eines Kulturmanagers zu identifizieren und um eine entsprechende Bewusstwerdung kulturpolitischer Dimensionen. Auch Wagner stellt fest, dass in den wenigsten Publikationen zu Kulturmanagement die Kulturpolitik als "zentraler Bezugspunkt" genannt werde, diese Verbindung doch aber im Alltag "eng und vielgestaltig" sei (Wagner 2010: 172f.). Klein wiederum stellt dem entgegen, dass Kulturpolitik und Kulturmanagement „auf unterschiedlichen Ebenen“ agieren (Klein 2009b: 65): „Kulturpolitik entscheidet über die inhaltliche Ausrichtung, setzt die normativen Ziele. Hier geht es also in erster Linie um das Was? bzw. um das Wozu? aller aktivierender Bemühungen der Kulturpolitik, also um Fragen, die nicht »wissenschaftlich« (im Sinne der Fachdisziplin Kulturmanagement), sondern eben nur diskursiv gelöst werden können. Kulturmanagement hat lediglich den Anspruch (diesen allerdings mit Nachdruck), Auskünfte darüber zu geben, wie die Ziele der Kulturpolitik bestmöglich umgesetzt werden, d.h. wie kulturbetriebliche Prozesse optimiert werden können“ (ebd.). Klein unterstreicht seine Ausführungen, indem er einige „typische Fragestellungen der Kulturpolitik in Abgrenzung zum Kulturmanagement“ aufgreift, zum Beispiel, dass es Aufgabe der Kulturpolitik sei, „welche Zielgruppen mit welchen inhaltlichen Zielen angesprochen werden sollen“ und es ebenso im Verantwortungsbereich der Kulturpolitik liege, „ob ein kulturelles oder künstlerisches Projekt aus inhaltlichen, ästhetischen oder kulturpolitischen Gründen sinnvoller Weise gefördert werden sollte“ (Klein 2009b: 67). Ein professionelles Projekt-
6.2 Managementkompetenzen bei Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit
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management könne lediglich sicherstellen, dieses Projekt möglichst effizient durchzuführen: „Eine Kulturpolitik, allemal eine aktivierende, wird also Auskunft darüber geben müssen, wohin die Reise gehen soll, wohin mit welchem Zweck und Ziel wer aktiviert werden soll. Das ist eine zentrale Aufgabe der Kulturpolitik, bei der Kulturmanagement schwer helfen kann. Man sollte sich aber aus dieser Aufgabe allerdings auch nicht herausmogeln, indem man vermeintliche Gegnerschaften aufbaut. Das nützt nicht dem Kulturmanagement, aber vor allem nicht der Kulturpolitik!“ (ebd.). Er reagiert mit diesem Text auf einen Text von Knoblich, der genau jene Aufteilung wiederum in Frage stellt und dieser mit einer Kritik am "Paradigma des Managerialismus in der Kulturpolitik" entgegnet (Knoblich 2009: 38). Es kann wohl zum jetzigen Zeitpunkt der Feststellung von Föhl/GlognerPilz zugestimmt werden, dass die „Positionen und das gegenseitige Verhältnis“ von Kulturpolitik auf der einen und Kulturmanagement auf der anderen Seite noch nicht vollends definiert sind – „beziehungsweise befindet sich dieses Verhältnis in einem fließenden Annäherungs- und mitunter auch Abgrenzungsprozess. Schließlich treten beide Felder auch in zunehmende Konkurrenz um Deutungs -und Entscheidungshoheiten, was vor allem dort zu beobachten ist, wo die Kulturpolitik keine präzisen Vorgaben formuliert“ (Föhl/Glogner-Pilz 2017: 26). Unstrittig ist jedoch bei der Betrachtung der Kulturellen Programmarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik, dass diese nicht ohne Schnittmengen mit der Politik betrachtet werden kann.80 Die in der Auswärtigen Kulturpolitik tätigen Kulturmanager, diejenigen also, die Außenkulturpolitik operativ umsetzen, müssen sich demzufolge auch der politischen Dimensionen bei der Ausgestaltung kultureller Praxis bewusst sein. 6.2 Managementkompetenzen bei Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit Schreiner beschreibt bereits in einer Studie im Jahr 2008, dass es „im Kontext der alltäglichen Umsetzung der Kulturarbeit“ einfacher sei, „zu einer klaren Definition der Begriffe, einer verbindlichen Formulierung der Zielhorizonte und zur Konzeption eindeutiger und passender Strategien zu gelangen“ (Schreiner
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Vgl. hierzu auch Bedorf/Röttgers (Bedorf/Röttgers 1975: 8) und Lepenies in den Ausführungen zum Verhältnis von Kultur und Politik (Lepenies 2006).
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2008: 6). Dabei benennt der acht Faktoren, die die Strategieentscheidungen der Auswärtigen Kulturpolitik beeinflussen sollten: „1. Politische Vorgaben und Zielhorizonte; 2. Kulturelle und infrastrukturelle Gegebenheiten vor Ort; 3. Die politische, soziale und ökonomische Situation des Gastlandes; 4. Erwartungen seitens der Partner vor Ort sowie deren finanzielle, strukturelle und personelle Möglichkeiten; 5. Die Struktur des kulturellen Angebots aus Deutschland sowie Art und Zahl der Anknüpfungspunkte, die sich gegenüber dem Gastland bieten; 6. Erwartungen seitens der Kulturschaffenden aus Deutschland; 7. Eigene finanzielle, strukturelle und personelle Möglichkeiten; 8. Spezifika der Kulturbereiche und Sparten“ (Schreiner 2008: 25). Schreiner sieht sich in der Auflistung jener Faktoren in seiner Auffassung bestätigt, „wie wichtig die lokalen und sachbezogenen Wissens- und Erfahrungsschätze der Mitarbeiter sind, die konkrete Kulturarbeit betreiben. Ohne sie scheint weder die Entwicklung von Strategien und die Konkretisierung von Zielhorizonten noch deren Beurteilung und Bewertung möglich“ (ebd.). Er konstatiert zudem, dass es ein Hindernis darstellt, dass sich „die Akteure der Auswärtigen Kulturpolitik nur unzureichend problembezogen und auf systematischer Grundlage miteinander verständigen“ (Schreiner 2008: 29). Abschließend stellt er fest, dass „der doppelte Anspruch, einerseits politische Ziele mit Kultur zu verfolgen, andererseits der Kultur dabei einen notwendigen Freiraum zur eigenen Entfaltung zu belassen“ auch weiterhin bestehen bleiben solle. In der Verbindung von politischer Zielorientierung und Autonomie der Kulturarbeit sieht er gar die Stärke der deutschen Auswärtigen Kulturarbeit, obwohl sich aus dieser Konstellation gleichwohl die Notwendigkeit ergebe, effektive Formen der Kooperation und Koordination zu finden (Schreiner 2008: 31). Gerade vor diesem Hintergrund stellt sich nochmals die Frage, welche Kultur für welche Kunst gemanagt werden soll – und mit welchen Erwartungen (vgl. Badura/Mokre 2011: 60). Inwiefern müssen Management-Tools an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden? Denn, „eine Methode, die in einem bestimmten Kontext funktioniert hat, muss in einem anderen Land und Zusammenhang nicht zwingend zum Erfolg führen“ (Henze 2017a: 76). Gerade bei der Realisierung von Musikprojekten im Ausland ist davon auszugehen, dass weitere Kompetenzen benötigt werden, die über den klassischen Werkzeugkasten der Managementlehre hinausgehen – auch wenn die bekannten Qualifikationen und
6.2 Managementkompetenzen bei Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit
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Fähigkeiten aus der Managementlehre ebenso beim Management von Musikprojekten Anwendung finden. Auch wenn sich die bereits vorgestellte Studie von Mandel vor allem mit der interkulturellen Zusammenarbeit von Kulturmanagern beschäftigt, soll noch einmal ein genauerer Blick auf sie geworfen werden. Schließlich stellt Mandel auch fest, dass es wichtig ist, „kulturelle und soziale Bedarfe eines Landes oder einer Region festzustellen“, wofür thematische und künstlerische Schnittstellen zwischen dem Herkunfts- und dem zu unterstützenden Land identifiziert und passende Kooperationspartner gefunden werden müssten (vgl. Mandel 2016: 93). In der Studie heißt es hierzu: “It became evident through the research that arts/cultural management takes place in multiple international contexts and that there is no global, uniform international management in the cultural field. Arts/cultural management is always based in a specific local context” (Mandel 2017: 217). Es wird deutlich, dass die Persönlichkeit der Kulturmanager und ihre Beziehungen vor Ort einen entscheidenden Anteil haben, die Befragten nennen gar „personality as the most important influencing factor on management styles“ (ebd.)81. Welche Kompetenzen benötigen demzufolge also die Kulturmanager der kulturellen Programmarbeit in der heutigen Zeit, um kulturelle Produktion zu planen und zu ermöglichen? Im Rahmen der 8. Jahrestagung des Fachverbandes Kulturmanagement, die im Januar 2015 auf dem Campus Künzelsau der Hochschule Heilbronn stattfand, versuchte Drda-Kühn in einem Vortrag jene Fähigkeiten für ein solch zukunftsfähiges internationales Kulturmanagement zusammenzufassen:
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„Projektmanagement Professionelle Kommunikation, Networking, Arbeit in interdisziplinären Teams Überblick über die Medienlandschaft, neue Technologien und Trends Interkulturelle Kommunikation und interkulturelles Wissen über Kulturverständnisse sowie die Strukturen von Kultur und Kulturpolitik Betriebswirtschaft Nationale und internationale Finanzierungsmöglichkeiten
An dieser Stelle soll auch auf das 6-AUGEN-PRINZIP verwiesen werden, welches als Aufforderung an die Auswärtige Kulturpolitik verstanden wird, „erstens einen eigenen Standpunkt zu entwickeln, zweitens internationale, fremde Standpunkte sichtbar und erkennbar zu machen und drittens zu einer gemeinsamen Sicht auf Aufgabe und Thema beizutragen“ (Auswärtiges Amt: 2016: 50).
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6 Management von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Erfahrungen beim Antragsschreiben und Sponsorenakquise, möglichst auch im Crowdfunding“ (Oswald 2015: o.S.).
Auch wenn die Darstellung von Drda-Kühn wenig geordnet erscheint, lässt sich aus den verschiedenen Punkten ableiten, dass es sich bei dieser Ausarbeitung von managerialen Fähigkeiten auch wieder um allgemeine, leicht angepasste Funktionen des Kulturmanagements handelt. Sind die Kompetenzen beim Management von Musikprojekten im Ausland dementsprechend als äquivalent zu den von Drda-Kühn genannten allgemeinen Kompetenzen des Kulturmanagements, ergänzt mit musikalischem Fachwissen und interkulturellen Kompetenzen, zu verstehen? Zur weiteren Identifikation einzelner Kompetenzen soll der Terminus Musikmanagement herangezogen werden. Tatsächlich ergibt eine nähere Beschäftigung mit diesem Begriff jedoch nur wenig Hilfestellung, da in der gängigen Fachliteratur kaum Definitionen zu finden sind. Ein Versuch wagt Tröndle in einem Artikel für kulturmanagement.net: „Musikmanagement ist Aufmerksamkeitsmanagement, für dessen Erfolg Musikvermittlung und Managementmethoden zu einer Einheit finden müssen. Solch ein Managementmodell berücksichtigt die systeminternen Prozesse der Entwicklungsgeschichte des Konzertwesens. D.h. es wird nicht ein betriebswirtschaftliches Managementmodell auf das Konzertwesen aufgesetzt, sondern das Managementmodell muss aus dem Vermittlungsprozess der Beziehung Musiker – Hörer heraus entwickelt werden“ (Tröndle 2009: o.S.). Tröndle nimmt mit diesem Zitat Bezug auf seine These, dass der Erfolg von Musikprojekten, insbesondere von Konzerten, vor allem von einer Analyse der „Bedürfnis- und Rezeptionsstruktur“ des Publikums und einer Variation der Musik- und Darbietungsformen abhängt. Er sieht im Motiv der „Aufmerksamkeit“ einen Schlüsselbegriff und erkennt durch die Betrachtung der Musikgeschichte einen erhöhten Bedarf, das Beziehungspaar Musikschaffende – Hörer noch stärker in das kulturmanageriale Handeln miteinzubeziehen (ebd.). Auch in der weiterführenden Suche nach einer hinreichenden Eingrenzung des Begriffs Musikmanagement wird deutlich, dass dieser in vielen verschiedenen Bereichen Verwendung findet: So lassen sich dem Musikmanagement verschiedene Beschäftigungsfelder zuordnen, wie zum Beispiel das A&R Management, Produktmanagement, Personal Management, Brand Management, etc. All diese Tätigkeitsfelder weisen jedoch darauf hin, dass das Musikmanagement im Allgemeinen eher in musikökonomische Kategorien eingeordnet wird – insbe-
6.2 Managementkompetenzen bei Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit
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sondere in einer Zeit, in der sich die Musikindustrie in einem Transformationsprozess befindet, in dem Wertbildung und Wertschöpfung an die Veränderungen von Musikproduktion und Konsumption angepasst werden müssen. In einer Publikation von Lange/ Bürkner/ Schüssler heißt es hierzu, dass „(...) die vertrauten Akteurs- und Produktionskonstellationen in Popmusik, elektronischer Musik und zeitgenössischen Stilvarianten nicht mehr einheitlichen Formierungskriterien folgen. (…) Stattdessen entstehen heute hybride ökonomisch-kulturelle Wertschöpfungsformen, deren Voraussetzungen und Ausprägungen maßgeblich durch neue digitale Produktions-, Vertriebs- und Bewertungsmöglichkeiten beeinflusst werden“ (Lange/u.a. 2013: 12). Zwar betonen die Autoren, dass der gegenwärtige Umbruch „eng mit gesellschaftlichen Debatten korrespondiert“, doch geht es bei diesem definitorischen Ansatz von Musikmanagement offensichtlich primär um die Steuerung und Neuverortung in einem betriebswirtschaftlichen Kontext (ebd.).82 Der Begriff Musikmanagement scheint deshalb im Zusammenhang mit dem Management von Musikprojekten im Ausland weniger geeignet. Einen wiederum anderen Zugang ließe sich über die Darstellungen des Schweizer Kulturmanagers Fischer herstellen: Er stellt fest, dass die Tätigkeiten und Fertigkeiten des Managements sowohl in der Wirtschaft als auch in der Kultur kaum unterschieden werden können, handele es sich doch in beiden Fällen um die zielgerichtete Anwendung von Kenntnissen in Organisationen und Projekten und spiele sich ständig in zwei Bereichen ab, (a) im Bereich der Führungsfunktionen und (b) im Bereich der Sachfunktionen (Fischer 2004: 91f.): Unter den Führungsfunktionen lassen sich die folgenden Querschnittsbereiche einordnen:
82
Planung als das Formulieren und Festlegen von Zielen. Organisation als Umsetzung in der Praxis. Führung als Koordination, Motivation und Zielvereinbarung mit beteiligten Mitarbeitern. Kontrolle als Überprüfung der Zielerreichung (vgl. ebd.)
Dass die Förderung der Popmusik abseits der gegenwärtigen Verwertungsmechanismen als Aufgabe der Kulturpolitik zu verstehen sein sollte, beschrieb der Autor der vorliegenden Arbeit bereits im Jahr 2014 in einer Publikation über Musikförderung in RheinlandPfalz (vgl. Maier 2014).
110
6 Management von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Der Bereich der Sachfunktionen umschreibt die konkrete Verrichtung von Aufgaben, die für eine tatsächliche Umsetzung notwendig sind (vgl. Fischer 2004: 108):
Beschaffung Produktion Marketing Administration (vgl. ebd.).
Dabei sind „Art, Anzahl und Umfang von Sachfunktionen abhängig vom jeweiligen Betriebstyp“ (Heinze 1997: 52) und können sich je nach Institution und Kunstgenre stark unterscheiden. Neben diesen Bereichen (a) und (b) benennt Fischer jedoch auch die Aspekte Fachwissen und Rahmenbedingungen, welche bei der Betrachtung des Kulturmanagements als konstituierend verhandelt werden können: Den Rahmenbedingungen lassen sich die jeweils besonderen Eigenheiten (Kulturpolitische Zielsetzungen, politisches Umfeld, kulturelles Umfeld, Trägerschaft, etc.) zuordnen. Hieraus ließe sich folgern, dass sich die Handlungslogik des Managements von Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit ganz wesentlich durch den spezifischen Kontext der im Ausland agierenden Kulturmanager bedingt wird (vgl. van den Berg 2007: 146) – nämlich die Ziele der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Dieser Aspekt der Rahmenbedingungen lässt sich also genau als jenes Spannungsfeld zwischen operativer Umsetzung und politischen Vorgaben beschreiben und berücksichtigt hierdurch auch in besonderem Maße die gesellschaftspolitische Funktion der Kultur, wie sie ihr im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit zugeschrieben wird. Das Fachwissen ist, gemäß Fischer, ein weiterer Punkt, der Einfluss auf das Management von Musikprojekten nimmt. Dementsprechend handet es sich in diesem Fall um musikalische Kenntnisse. Dass ein im Rahmen der kulturellen Programmarbeit tätiger Kulturmanager tatsächlich über dezidierte Kompetenzen im Musikbereich verfügt, ist – einer Aussage der Goethe-Führungskraft Landwehr zufolge – heutzutage zumindest wahrscheinlicher als es noch vor einigen Jahren war: „Unter den rund 300 Führungskräften, die wie Diplomaten der Rotation unterliegen und mit Dienstpässen des Auswärtigen Amtes im Ausland arbeiten, überwogen noch vor einigen Jahren die Generalisten, die sich durch gute Bildung, ein abgeschlossenes Studium (meistens) in den Geisteswissenschaften, breite Interessen, vorausgegangene Auslandserfahrung und flexible Einsatzmöglichkeiten (‚nicht ortsgebunden‘) auszeichneten. Spezial- oder Fachkenntnisse entwickelten sich mit der Zeit aus persönli-
6.2 Managementkompetenzen bei Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit
111
chen Interessen heraus oder mit dem alle drei bis sechs Jahre wechselndem Einsatzort, an dem bestimmte Kunstsparten besonders gepflegt wurden. (...) Einhergehend mit der Professionalisierung in den Künsten ist die Zahl der Fachexperten unter den Goethe-Mitarbeitern gewachsen“ (Landwehr 2014: 113f.). Das Management von Musikprojekten im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit umfasst auf der Grundlage von Fischer also einen funktionalen Ansatz, „Querschnittsfunktionen, die den Einsatz von Ressourcen und die Koordination der Sachfunktionen steuern“ (Schreyögg 1993: 26). Die folgende Graphik (Abbildung 5) will das Management von Musikprojekten auf Grundlage von Fischer einordnen, ergänzt um die inhaltlichen Ausarbeitungen der hierfür konstituierenden Bereiche Rahmenbedingungen (Auswärtige Kulturpolitik) und Fachwissen (Musikalische Kenntnisse).
Musikprojekt
Sachfunktionen Beschaffung, Produktion, Marketing, Administration
Führungsfunktionen Planung, Organisation, Durchführung, Kontrolle
Fachwissen
Rahmenbedingungen
Künstlerische Idee Abbildung 5: Management von Musikprojekten im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit (nach Fischer 2004: 110), eigene Darstellung
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6 Management von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
6.3 Internationales Kulturmanagement als Bezugsrahmen Auswärtiger Musikarbeit Im Folgenden soll zunächst der Bezugsrahmen definiert werden, auf dessen Grundlage im nächsten Kapitel die Ergebnisse der Untersuchung hergeleitet werden. Zunächst sollen weitere verschiedene theoretische Bezüge des Kulturmanagements vorgestellt werden, die als ein „perspektivisches Erweiterungspotential“ zu verstehen sind, „mit dem auch der Praktiker instande gesetzt wird, über das Tagesgeschehen hinauszublicken“ (Bendixen 1996: 53). Aus einem Exkurs zur intrinsischen Motivation als Interesse und Involviertheit und einem darin erfolgenden Einbezug verschiedener Motivationstheorien, lässt sich zudem weiterführend ableiten, dass sich kulturmanageriales Handeln in der Auswärtige Musikpolitik in Theorie wie auch Praxis mitunter auch auf die persönlichen Interessen der durchführenden Kulturmanager zurückführen lässt. 6.3.1 Theoretische Bezüge des Kulturmanagements In den letzten Jahren wurden zahlreiche Theoriemodelle vorgestellt und diskutiert, die für das Kulturmanagement relevant sind. Aufgrund der Vielschichtigkeit des Kulturmanagements können diese Modelle verschiedenen Bezugsdisziplinen zugeordnet werden. Es fehlt allerdings nach wie vor an einer „konsistenten und konkreten Verortung von Kulturmanagement im System der Realwissenschaften bzw. der angewandten Sozialwissenschaften“ (Föhl/Glogner-Pilz 2017: 10f.). Insbesondere das Fehlen anwendungsorientierter Logiken in den so genannten Realwissenschaften führt dazu, keine konkreten Bezugsrahmen für kulturmanageriales Handeln aufzeigen zu können.83 Tröndle nd andere Mit-Autoren nutzen in diesem Zusammenhang den Begriff Postkulturmanagement und beschreiben damit die Notwendigkeit der Erweiterung der „bisher managementorientierten Professionalisierung des institutionellen Handelns“ hin zu einer Entwicklung aus der künstlerischen Praxis zu wissenschaftlich fundierten Forschungsszenarien: „Gerade diese Verbindung von wissenschaftlichem und künstlerischem Arbeiten könnte Signum für eine transdisziplinär angelegte Forschung im Fach Kunst- und Kulturmanagement sein“ (Tröndle/u.a. 2009: 130). Als theoretische Bezugswerke des Kulturmanagements haben sich mitunter die Systemtheorie Luhmanns (vgl. Luhmann 1984) und die Feldtheorie von Bour83
Realwissenschaften haben zum Ziel, „wahrnehmbare Wirklichkeitsausschnitte empirisch zu beschreiben, zu erklären und Gestaltungshinweise zu formulieren“ (ebd.).
6.3 Internationales Kulturmanagement als Bezugsrahmen Auswärtiger Musikarbeit
113
dieu (vgl. Bourdieu 1983) etabliert. Ein anderer Ausgangspunkt ist der Versuch von Johannis, das Innovationsmanagement der Wirtschaftswissenschaften als theoretischen Bezugsrahmen kulturmanagerialen Handelns zu identifizieren (vgl. Johannis 2008). Kirchberg hingegen ordnet das Kulturmanagement in ein Wertesystem (vgl. Kirchberg 2010), herangezogen werden auch Beckers Interaktionstheorie sowie das Promotorenmodell von Witte, welches der Betriebswirtschaftslehre zuzuordnen ist (vgl. Becker 2014, Witte 1973). Föhl/u.a. erarbeiten einen Theorienbezug über die Netzwerktheorie, Winter setzt das Kulturmanagement in den Kontext der Cultural Studies (vgl. Föhl/u.a. 2016, Winter 2016). Der von Scheytt etablierte Begriff des aktivierenden Kulturmanagements stützt sich in seinen Ausführungen auf die sozial- und politikwissenschaftliche Semantik des Governance (vgl. Scheytt 2008: 133f. und zur politikwissenschaftlichen Theorienbildung Mayntz 2003). Wagner sieht im Begriff der Gouvernementalität von Foucault einen theoretischen Ansatz: „Die Verknüpfung von Subjektkonstitution mit der Ausbildung von Staat machen diesen Ansatz interessant für ein Untersuchen der staatlichen Aktivitäten in der Sphäre von Kunst und Kultur“ (Wagner 2010: 182, vgl. Foucault 2004: 162). Ebenfalls kann der Begriff des reflexiven Kulturmanagements bei der theoretischen Bestimmung des Kulturmanagements herangezogen werden – diesen hat Heinze in Anlehnung an die kritische Theorie geprägt (vgl. Heinze 2009b und Götzky 2011: 75f.). Kettner sieht eine mögliche Reflexion des Kulturmanagements innerhalb der sozialwissenschaftlichen Professionalisierungs-theorie, besonderen Aufschluss zieht er aus den Überlegungen des Soziologen Oevermann, auf dessen Ausführungen er seine Verortungen stützt (vgl. Kettner 2016: 109ff.). Kettner ist es aber auch, der konstatiert, dass Kulturmanagement „als Sammelbegriff einer reflexionstheoretisch nicht wirklich weiter zu vereinheitlichenden Heterogenität von Praktiken fungiert“ und nicht damit zu rechnen sei, dass „eine eindeutige und zugleich vollständige Zuordnung erfolgen kann“ (Kettner 2016: 110). Vielmehr geht es ihm um einen Differenzierungsgewinn.84
84
Weitere wissenschaftliche Bezugstheorien wie zum Beispiel Politikwissenschaften, Rechtswissenschaften, etc. vgl. beispielhaft Konrad 2009.
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6 Management von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
6.3.2 Theoretische Erkenntnisse als Grundlage der angewandten Forschungsmethoden Klarstellenderweise soll an dieser Stelle betont werden, dass die im Rahmen dieser Arbeit dargestellte Kulturarbeit im Ausland nicht den gesamten Raum der Kulturpraxis widerspiegelt, weshalb hierdurch auch nur ein kleiner theoretischer Rahmen dargestellt werden kann. Bendixen sagte hierzu bereits im Rahmen der Fachkonferenz zur Qualifizierung für Kulturmanagement in Europa im Jahr 1994, dass es „zu den zentralen Aufgaben von Theoriearbeit“ gehöre, den „praktischen Ort des Kulturmanagements wahrzunehmen und zu interpretieren“ (Bendixen 1996: 54). In diesem Sinne sollen die erarbeiteten theoretischen Erkenntnisse – die vorgenommene Herauslösung der Theorie des Kulturmanagements und Übertragung auf Teile des internationalen Kulturmanagements und der Kulturellen Programmarbeit – ausreichender Bezugsrahmen sein, um die Bestimmung der Forschungsmethode zu begründen. Auf eine vertiefende Bildung von weiteren Hypothesen wurde im Sinne der Unvoreingenommenheit verzichtet, denn es sollte vermieden werden, dass „der Forscher aufgrund seiner eigenen theoretischen Annahmen und Strukturen, die seine Aufmerksamkeit auf konkrete Punkte lenken, (...) blind bleibt für die Strukturen im untersuchten Feld bzw. Subjekt“ (Flick 2012:125). In der qualitativen Sozialforschung wird hier von einer so genannten zirkulären Strategie gesprochen. Durch einen multiparadigmatischen und interdisziplinären Forschungsansatz soll eine offene und flexible Auseinandersetzung gewährleistet bleiben (vgl. Föhl/Glogner-Pilz 2017: 85). 6.4 Exkurs: Intrinsische Motivation als Interesse und Involviertheit Die dieser Arbeit zugrundeliegende These macht auch einen allgemeinen Blick auf die Motivationspsychologie respektive Motivationstheorien notwendig, da davon ausgegangen wird, dass die Durchführung von Musikprojekten mitunter auch von eigenen Interessen der Verantwortlichen abhängig ist. Grundsätzlich kann die intrinsische Motivation aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und über zahlreiche Konstrukte definiert werden. Diese finden sich zumeist in der Lernmotivation wieder, können aber auch auf andere Bereiche übertragen werden. Zu diesen verschiedenen Deutungen sind beispielsweise die intrinsische Motivation nach Selbstbestimmung und Kompetenz oder eben die Motivation als Interesse und Involviertheit zu zählen. Der Psychologe Rheinberg beleuchtet diese verschiedenen Felder und stellt fest, dass die verschiedenen definitorischen Anstrengungen „im Ergebnis erheblich divergieren“, was, wie er
6.4 Exkurs: Intrinsische Motivation als Interesse und Involviertheit
115
erklärt, nicht zufriedenstellende Ergebnisse in der Forschung zur Folge habe (Rheinberg 2004: 17): „Die Suche nach der wahrhaft intrinsischen Motivation stellt sich als Jagd nach einem Phantom heraus, die immer mal wieder neu gestaltet wird, weil es so schön wäre, wenn es Erfolg hätte (ebd.). Intrinsisch bezieht sich auf Aktivitäten, die ihren Anreiz nicht in erster Linie „aus den erwarteten Ergebnisfolgen, sondern aus dem Tätigkeitsvollzug beziehen“ (Rheinberg 2004: 7). Darüber hinaus stellt Schiefele fest, dass das tätigkeitsbezogene Verständnis von intrinsischer Motivation eine weitere Unterscheidung erfahren kann, nämlich eine Motivation nicht nur über eine Tätigkeit, sondern auch über einen Gegenstand stimuliert werden kann (vgl. Schiefele 1996: 52). Intrinsisch motiviert kann dann bedeuten, „dass die Person das Erlebnis hat, selbstbestimmt (selbstintentional) zu handeln und dass sie glaubt, an einem als wertvoll erachteten Gegenstand zu arbeiten“ (Rheinberg 2004: 11f.). Tatsächlich sei es jedoch so, dass die intrinsische Motivation sowohl als „in der Tätigkeit“ als auch als „in der Person/ dem Selbst“ entstehen könne (ebd.). Dies ist gerade in Hinblick auf diese Arbeit ein interessanter Aspekt, lässt es doch vermuten, dass ein selbstbestimmtes Arbeiten an einem Thema – in diesem Fall die Musik – zu einer erhöhten Motivation führen kann. Auch in der Definition des Begriffs Interesse trifft man auf verschiedene, abweichende Theorieansätze, es wird unterschieden zwischen individuellem Interesse und aktuellem Interesse: Das individuelle Interesse findet insbesondere in der pädagogischen Interessentheorie Anwendung und bezieht sich auf ein selbstbestimmtes Erleben und einer Identifikation mit dem Gegenstand (vgl. Krapp 1999: 392f.). Rheinberg erkennt in Menschen – nach den Lernpsychologen Sanonse und Smith – auch dann eine intrinsische Motivation, wenn sich ihr Interesse auf handlungsnahe positive Erlebnisse bezieht. Das aktuelle Interesse wird als „kognitiv-affektive Erfahrung“ definiert, die „bei positiver Erlebnistönung, die Aufmerksamkeit auf die Tätigkeit bzw. Aufgabe lenkt und fokussiert. Man möchte die Aktivität hier und jetzt gerade tun (feel like it) und hat Freude (enjoyment) dabei“ (Rheinberg 2004: 12). Ferner schreiben Sanonse und Smith: „We consider individuals to be intrinsically motivated when their behaviour is motivated by actual, anticipated, or sought experience of interest” (Sansone 2000: 345).
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6 Management von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Interessanterweise geht es hierbei also nicht um „eine überdauernde Vorliebe für einen Gegenstandsbereich“, sondern um ein handlungsnahes „positives Erlebnis während der Tätigkeit, das aktuell erlebt, aber auch antizipiert und gesucht werden kann“ (Rheinberg 2004: 12). Dies lässt wiederum vermuten, dass sich auch Kulturmanager, die keine ausgewiesene Vorliebe für die Musik haben, für ein positives Erlebnis in diesem Bereich motivieren ließen. Es ist letztlich auch Rheinberg, der vorschlägt, die verschiedenartigen Deutungen von intrinsischer Motivation zu vermeiden, indem die einzelnen Sachverhalte präzise angesprochen werden (vgl. Rheinberg 2004: 21). Er folgt dem Begriffsverständnis, welches Motivation als „in der Tätigkeit“ begreift und spricht von einer „tätigkeitszentrierten Motivation“ (ebd.). In direktem Zusammenhang steht dabei das Konzept der sozialen Produktionsfunktionen, über welches erklärbar wird, „warum sich die Menschen für so unterschiedliche Dinge und in so unterschiedlichem Maße interessieren, engagieren und emotionalisieren“ (Esser 1993: 126). Die Produktionsfunktionen spiegeln sich in besonderer Weise im Begriff des Interesses wider, nämlich „die Vorstellung von der sozial sinnhaften, an den geltenden institutionellen Regeln orientierten Produktion der Mittel für die Bedienung der individuellen Leidenschaften“ (Esser 1993: 131). Die Einschränkung respektive „Systematisierung der Neigungen“ geht in ihrem Kern auf das 16. Jahrhundert zurück, in dem der Begriff des Interesses bereits „ein Element der Reflexion und Kalkulation hinsichtlich der Art, wie diesem Streben nachzukommen war“ beinhaltete (Hirschmann 1987: 41). Esser beschreibt in seinem Standardwerk über Situationslogik und Handeln, dass sich das Interesse an einer Ressource „aus der Effizienz der Ressource für die Bedienung der beiden allgemeinen Bedürfnisse“ ergibt (Esser 1993: 126): „Je mehr Nutzen sie durch die Erzeugung von sozialer Wertschätzung und physischem Wohlbefinden produzieren kann, umso höher ist das Interesse des Akteurs an ihr“ (ebd.). Bei der Betrachtung von Auswärtiger Musikarbeit stellt sich dementsprechend die Frage, ob sich die Motivation bei der Planung und Durchführung aus einer Motivation „in der Tätigkeit“ oder aber aus der Vorliebe für den „Gegenstandsbereich“, in diesem Fall die Musik, speist – und inwieweit überhaupt eine Zielerreichung, also „Ergebnisfolge“, relevant für die Motivation der Kulturmanager ist.
7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
In diesem Kapitel sollen nochmals ausführlich die methodischen Vorgehensweisen vorgestellt werden. Die sich aus diesen Vorgehensweisen ergebenen Parameter begründen die Auswahl der untersuchten Musikprojekte, welche ebenso eine konkretere Darstellung erfahren. Im Anschluss werden die Ergebnisse der Untersuchung der Konzeptionen und Praxen von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik vorgestellt. 7.1 Methoden der Untersuchung Die Idee für das Forschungsvorhaben begründet sich in erster Linie über den persönlichen Bezug des Autors dieser Arbeit. Im bearbeiteten Forschungszeitraum war der Verfasser selbst mehrmals als Kulturmanager und Musiker im Auftrag der Mittlerorganisationen im Ausland tätig. Durch die Beobachtung und Teilnahme an Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit entstand der Wunsch nach einer wissenschaftlichen Analyse der Musikarbeit im Ausland. Die Eingrenzung des Forschungszeitraums sowie die der Auswahl der Musikprojekte zugrundeliegenden Parameter sollen im Folgenden dargestellt werden. Eine Begründung des durchgeführten Methodenmixes sowie die Vorgehensweise bei der Auswertung der Expertengespräche werden ebenfalls dargelegt. 7.1.1 Zeitliche Eingrenzung Wie bereits einleitend beschrieben, hat die Auswärtige Kulturpolitik mit der Konzeption 2000 eine Neuausrichtung erfahren, die auch direkten Einfluss auf die Kulturelle Programmarbeit haben sollte. Auch in den Folgejahren war die Kulturelle Programmarbeit immer wieder ein wichtiger Bestandteil bei der konzeptionellen Betrachtung der Auswärtigen Kulturpolitik. Hierdurch können die vorliegenden Forschungsfragen auch unmittelbar mit etwaigen Veränderungen
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Maier, Auswärtige Musikpolitik, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30541-3_7
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
außenkulturpolitischer Gewichtungen abgeglichen werden.85 Es ist von ebenso großer Bedeutung, dass in den vergangenen zwanzig Jahren die Auswärtige Kulturpolitik und auch insbesondere die Kulturelle Programmarbeit verstärkt Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung geworden ist. Im genannten Forschungszeitraum haben sich zudem die Zuständigkeiten im Bereich der Auswärtigen Musikarbeit signifikant verändert, so stand beispielsweise mit Volker Mettig der letzte Leiter der Verbindungsstelle für ein Gespräch zur Verfügung. Der Kooperationsvertrag zwischen dem Goethe-Institut und dem Deutschen Musikrat im Jahr 2007 ist in diesem Zusammenhang als wichtiger Wendepunkt in der Konzeption Auswärtiger Musikarbeit zu betrachten. Spätestens mit der strategischen Neuausrichtung des Deutschen Musikrates im Zuge der Erstellung des neuen Grundsatzprogramms wurde schließlich auch der Terminus Musikpolitik in den Mittelpunkt gerückt, im Jahr 2012 schließlich die Eckpunkte der Auswärtigen Musikpolitik in einem Strategiepapier beschlossen. Dem Autor dieser Arbeit liegt eine umfassende Dokumentation der Musikprojekte des Goethe-Instituts für den genannten Forschungszeitraum vor. Die Materiallage und der Dokumentationsstand gewährleisten ausreichend Material für eine wissenschaftliche Analyse. Zudem ist es durch den gewählten Zeitraum möglich, die direkt beteiligten Kulturmanager der begutachteten Projekte zum Erkenntnisgewinn zu befragen. 7.1.2 Auswahl der Musikprojekte Für die Auswahl der zu analysierenden Musikprojekte wurden mehrere Kriterien festgelegt, die einen möglichst breiten und umfassenden Überblick gewährleisten: a) Es handelt sich bei den zu untersuchenden Musikprojekten um Projekte des Goethe-Instituts oder einer Botschaft/ eines Konsulats, ggf. des Deutschen Musikrates. So ist gewährleistet, dass die relevanten Durchführenden der Auswärtigen Musikarbeit dargestellt werden. Klarstellenderweise handelt es sich im Sinne der Forschungsfrage um solche Musikprojekte, die durch Kulturmanager im Ausland im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik durchgeführt wurden oder werden. Bei Musikprojekten des Goethe-Instituts ist es unerheblich, ob es sich um Projekte der Programmabteilungen oder der Sprachabteilungen handelt – entscheidend ist, dass es sich um ein Projekt handelt, welches der in Kapitel 5 erarbeiteten Systematisierung zugeordnet werden kann.
85
vgl. hierzu Kapitel 3 dieser Arbeit.
7.1 Methoden der Untersuchung
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b) Die zu untersuchenden Projekte sind überwiegend so genannte Verbundprojekte beziehungsweise Projekte, die über das reine Durchführen eines Veranstaltungsformats hinausgehen. Dies begründet sich in den Ergebnissen der im Vorfeld der Befragung erarbeiteten Systematisierung von Musikprojekten in der Kulturellen Programmarbeit. c) Der Interviewpartner hat das Musikprojekt innerhalb des vorgegebenen Zeitraums hauptverantwortlich geplant und durchgeführt oder führt dieses gerade durch. d) Der Interviewpartner ist erreichbar und zeitlich verfügbar. Mitunter bestehen zwischen dem Autor und den Befragten bereits persönliche Kontakte im Vorfeld der Untersuchung, sodass diese sich eher für ein Interview bereit erklären und mehr Vertrautheit im gemeinsamen Umgang zu erwarten ist. e) Es spielt keine Rolle, auf welcher hierarchichen Ebene sich der Befragte in seiner Institution befindet, entscheidend ist sein persönliches Involviertsein bei der kulturmanagerialen Durchführung des Musikprojekts. f) Die untersuchten Musikprojekte sind auf möglichst viele verschiedene Länder und Kontinente verteilt. Als Orientierung wurde hierzu die vom Goethe-Institut praktizierte Einteilung der Welt in Regionen angewandt. g) Die untersuchten Musikprojekte spiegeln innerhalb ihres „Verbundes“ möglichst viele verschiedene Kategorien der Systematisierung wider. Wie bereits in Kapitel 4 dargestellt, wird die Musikarbeit im Wesentlichen durch das Goethe-Institut abgebildet. Dies spiegelt sich auch in der Auswahl der untersuchten Musikprojekte wider. Es handelt sich dabei um Projekte von GoetheInsituten und diplomatischen Repräsentanzen – zwar wurde auch ein Projekt des Deutschen Musikrates analysiert und über ein Expertengespräch vertiefend behandelt, jedoch konnten die oben dargestellten Kriterien nur bedingt erfüllt werden, weshalb auf eine Darstellung im Rahmen dieser Arbeit verzichtet wurde. Insgesamt wurden acht Interviews mit Kulturmanagern im Zeitraum vom 23. März bis 11. Oktober 2017 geführt, dementsprechend wurde das Management am Beispiel von insgesamt acht Projekten analysiert. Als Experten standen – genannt in der Reihenfolge der aufgeführten Projekte – folgende Personen zur Verfügung:
Dr. Ingo Schöningh (ehem. stellv. Leiter des Goethe-Instituts Tokio/ Japan) Sebastian Woitsch (ehem. Leiter des Verbindungsbüros des GoetheInstituts Ulan Bator/ Mongolei) Irina Pinigina-Petrowskaja (Management Kulturprogramme GoetheInstitut Minsk/ Weißrussland)
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Julia Klein (Management Kulturprogramme Goethe-Institut Lissabon/ Portugal) Annette Uppenkamp (Sachbearbeiterin Kulturabteilung an der Deutschen Botschaft Montevideo/ Uruguay) Dr. Almuth Meyer-Zollitsch (ehem. Leiterin des Goethe-Instituts Hanoi/ Vietnam) Johannes Hossfeld (ehem. Leiter des Goethe-Instituts Nairobi/ Kenia) Michael Diebold (Leiter Kulturabteilung der Deutschen Botschaft in Kairo)86
Mit dem Gespräch mit letztgenannter Person konnte auch eine Sättigung der Empirie festgestellt werden. Im Folgenden sollen diese Musikprojekte aufgelistet und beschrieben werden – in einigen Fällen wurden die Beschreibungen der Musikprojekte oder einzelner Formate der Musikprojekte um zusätzliche Projektinformationen (grau unterlegter Kasten) ergänzt. Käptn Peng und die Tentakel von Delphi (2013, Tokyo/ Japan) Käptn Peng ist das Pseudonym des Schauspielers Robert Gwisdek, der mit seinen vier Bandkollegen – die Tentakel von Delphi – seit Anfang 2012 nunmehr drei Alben veröffentlicht hat. Robert Gwisdek wurde einem größeren Publikum durch seine Mitwirkungen in zahlreichen Tatort-Filmen bekannt, auch sein Roman Der unsichtbare Apfel aus dem Jahr 2014 wurde von der Kritik positiv besprochen. Die Musikgruppe errang durch eine Mischung aus Hip-Hop, intelligenten, sozialkritischen Texten und hochwertigen Kompositionen vor allem bei einer jüngeren Zielgruppe deutschlandweite Aufmerksamkeit. Das Debütalbum Expedition ins O erreichte Platz 60 der deutschen Charts, das Album Das nullte Kapitel aus dem Jahr 2017 erreichte sogar Platz 12 in Deutschland. Die Musikgruppe hat sich vor allem als Live-Band einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Im Dezember 2013 gastierten Käptn Peng und die Tentakel von Delphi im Rahmen der Projektreihe genePro doitsu auf Einladung des Goethe-Instituts, des Deutschen Akademischen Austauschdiensts und der Japanisch-Deutschen Gesellschaft Tokyo in Japan (vgl. Nr.65). Neben der Durchführung von zwei Kon86
Die Interviews mit Dr. Ingo Schöningh, Irina Pinigina-Petrowskaja und Johannes Hossfeld wurden persönlich (Face-to-Face), mit Dr. Almuth Meyer-Zollitsch per Video-SkypeInterview, mit Julia Klein, Sebastian Woitsch, Annette Uppenkamp und Michael Diebold per Telefon geführt.
7.1 Methoden der Untersuchung
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zerten am 3. Dezember 2013 im Club Que und am 5. Dezember 2013 im Cyclone standen auch mehrere Schul-Workshops auf dem Programm. Die Verpflichtung nach Japan kann durchaus auch als Startschuss einer guten Zusammenarbeit der Band mit den Goethe-Instituten betrachtet werden. Immer wieder wurde das Quintett für Gastspiele verpflichtet, so zum Beispiel nach Breslau oder im Rahmen des Goethe-Symposiums in Weimar. Die Planung der Auftritte in Tokyo lag im Verantwortungsbereich von Dr. Ingo Schöningh, dem zu jener Zeit stellvertretenden Leiter des Goethe-Instituts Tokyo. Beschreibung des Musikprojekts Käptn Peng und die Tentakel von Delphi: „With their debut album Die Expedition ins O (2013) the Berlin based band Käptn Peng und die Tentakel von Delphi took Germany's alternative scene by storm in 2013. The indie quintet formed around uprising actor Robert Gwisdeck, who was nominated for his performance in Das Wochenende (2012) at the German Film Awards 2013. The band established their own label Kreismusik in 2012 to escape the commercial directives of the music business. Since then the nonconforming and purely self-managed creative combo played themselves into the hearts of the German club scene and conquered all major festivals. Accompanied by pans, cans, hammers, mixer, guitar, and double bass, Robert challenges the audience with subversive, highly ironic and philosophical lyrics and those who get lost on the way still shake theirs heads to the addictive beats. In December 2013 Goethe-Institut Tokyo, DAAD and The JapaneseGerman Society invite Käptn Peng und die Tentakel von Delphi to Japan to give young Japanese a glimpse of the latest hit phenomena in Berlin culture and enjoy their enchanting melodic mayhem. Don´t miss your chance to experience the hit quintet of intellectual insanity LIVE on Stage!“ (Nr.65). Goethe Musiklabor Ulan Bator/Mongolei (seit 2014) Das Goethe Musiklabor Ulan Bator ist ein Projekt des Verbindungsbüros des Goethe-Instituts in der Mongolei mit dem College for Dance and Music Ulan Bator und der Giant Steppes of Jazz NGO, welches im Jahr 2014 ins Leben gerufen wurde. Erstmals entstand hierdurch ein Ausbildungszweig für Jazz- und Popularmusik in der Mongolei und konnte innerhalb von nur zwei Jahren Projektlaufzeit als eigenständiger Bachelorstudiengang etabliert werden. Neben dem Musikunterricht in den Fächern Harmonie, Gesang, Improvisation, Gehörbil-
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
dung, Musikgeschichte und Instrumentalunterricht, sind auch immer wieder internationale Dozenten zu Gast in Ulan Bator. Darüber hinaus werden Konzerte und weiterführende Workshops veranstaltet. So konnte sich das Goethe Musiklabor Ulan Bator nach eigener Aussage zur „wichtigsten Plattform für Austausch und Vernetzung im Bereich Jazzmusik in der Mongolei“ entwickeln (Nr.66). Als ein besonderes Highlight ist die CD-Veröffentlichung von ENJI zu bezeichnen, die zu den ersten Absolventen des GMUB gehört. Ebenso ist die Band The Jazz Train aus dem GMUB hervorgegangen. Mit der Konzertreihe International Jazz Series konnten international bekannte Jazzkünstler nach Ulan Bator gebracht werden, „der Jazz-Nachwuchs des Goethe Musiklabors Ulan Bator steht gemeinsam mit den internationalen Musikerinnen und Musikern auf der Bühne des Opernhauses von Ulan Bator“ (Nr.67). Das GMUB entstand unter der Leitung des deutschen Musikers Martin Zenker, der die Herausforderungen seiner Arbeit in einem Interview mit dem Deutschlandfunk beschrieb: „Man braucht ganz gute Nerven. Man muss einfach auch mal Zusagen machen in der Hoffnung, dass es sich dann drei Tage vorher bewahrheitet. Manchmal klappt‘s auch nicht. Zum Beispiel hat uns ein Theater einen Tag vorher abgesagt, weil sie angefangen haben zu renovieren. Es ist unglaublich kurzfristig, spontan und chaotisch. Es gibt viele lustige Geschichten, es gibt aber auch Situationen, wo man denkt: Das hätte man sich auch sparen können. Aber wenn man sich drauf einlässt, geht’s.“ (Nr.68). Der Interviewpartner war der durchführende Projektleiter Sebastian Woitsch, seinerzeit Leiter des Verbindungsbüros in der Mongolei. Beschreibung des Musikprojektes Goethe Musiklabor Ulan Bator: „Die Mongolei ist in jeder Hinsicht ein Land im Wandel. Nach der politischen Wende im Jahr 1990 öffnete sich das Land für kulturelle Einlüsse aus dem Westen. Kleine, überaus lebendige Musikszenen entwickelten sich: Pop, Rock, HipHop, Jazz. Die traditionellen Ausbildungsstätten aber konnten mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten. Gemeinsam mit dem Music and Dance College, einer der wichtigsten Ausbildungsstätten für klassische und traditionelle Musik in der Mongolei, eröffnete das Verbindungsbüro des Goethe- Instituts daher im September 2014 das Goethe Musiklabor Ulan Bator.Unter der Leitung des deutschen Bassisten Martin Zenker entstand mit dem GMUB erstmals ein Ausbildungszweig für Jazz- und Popularmusik in der Mongolei.
7.1 Methoden der Untersuchung
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Nach nur zweijähriger Projektlaufzeit konnte die Ausbildung als Bachelorstudiengang am Music and Dance College etabliert werden. In zwei eigens dafür umgebauten Unterrichtsräumen werden die mongolischen Nachwuchsmusikerinnen und -musiker in den Fächern Harmonie, Gehörbildung, Musikgeschichte und Instrumentalunterricht aus- und weitergebildet. Die Räume sind mit hochwertigen Instrumenten und technischen Anlagen ausgestattet – insgesamt wurde eine knappe Tonne Material aus Deutschland in die Mongolei verschifft“ (Nr.67). Minsker Pop-Akademie (2012-2017, Minsk/ Weißrussland) Die Minsker Pop-Akademie begann im Dezember 2012 mit einem Workshop der Musikmanager Tim Renner, Alan Bangs und Stefan Reichmann am GoetheInstitut in Minsk (vgl. Nr.69). Seitdem wurden in losen Abständen immer wieder deutsche Gastdozenten eingeladen, die Workshops und Seminare zu überwiegend musikwirtschaftlichen Themen wie Radio, Vertrieb, Labels, etc. hielten. Auch Themen wie Ausbildung und die Arbeit im Tonstudio wurden behandelt. Als Dozenten waren beispielsweise Christian Göbel (Motor Entertainment), Torsten Mewes (Believe Digital Hamburg), Marc Wohlrabe (Berlin Music Commission) oder Detlef Schwarte (Reeperbahn Festival) im weißrussischen Minsk zu Gast. Zielgruppe der Vorlesungen waren Musiker, Produzenten, Festivalmacher und Clubbetreiber in Weißrussland. Diesen wurde auch die Möglichkeit angeboten, an verschiedenen Bildungsreisen nach Deutschland teilzunehmen, unter anderem wurden die Festivals Haldern Pop und Elbjazz sowie die Popakademie Baden-Württemberg besucht. Ziel der Reisen war es, sich weiterzubilden und zu vernetzen. Am 22.September 2016 erhielten fünf weißrussische Bands die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Showcase-Konzerts auf dem Reeperbahnfestival im Sommersalon zu präsentieren. Im April 2017 fand das Veranstaltungsformat schließlich seinen vorläufigen Abschluss, doch war es ein Wunsch der Beteiligten, die Zusammenarbeit in geeigneter Form fortzuführen. So wird derzeit über ein Minsk Music Festival nachgedacht, eine Veranstaltungsreihe, die sich die Minsker Pop-Akademie zum Vorbild nimmt, aber durch verschiedene Kulturinstitutionen unterstützt wird. Die Besonderheit des Projekts liegt auch in der Länge der Durchführung – die Minsker Pop-Akademie wurde fast fünf Jahre lang durchgeführt. Die Projektleitung lag im Verantwortungsbereich der Goethe-Institut Mitarbeiterin Irina Pinigina-Petrowskaja.
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Beschreibung des Musikprojekts Minsker Pop-Akademie87, beispielhafter Infotext für eine Veranstaltung der Reihe: „Wie funktioniert der deutsche Musikmarkt? Am 1. Dezember veranstaltet das Goethe-Institut Minsk im Rahmen der Minsker Akademie der populären Musik einen weiteren Workshop für interessierte Musiker und Fachleute aus dem Bereich populäre Musik. Diesmal steht das Thema PR und erfolgreiche Kommunikation mit den Medien im Mittelpunkt. Der Workshop beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten des Themas wie: Medien und Popkultur in Deutschland, wichtige Aspekte des Imports nach Deutschland, deutsche Printmedien, wichtige Aspekte der Kommunikation mit den Medien. Im zweiten Teil des Workshops geht es dann um die gemeinsame Erstellung eines Releaseplanes. Im Anschluss daran präsentieren die Gruppen ihre Ergebnisse, es wird auf einzelne relevante Details sowie offene Fragen eingegangen. Um die Erfahrungen der Akteure aus der deutschen und der belarussischen Musiklandschaft auszutauschen, klassische Fehler in Kommunikation zu vermeiden und – wo es möglich ist – voneinander zu lernen und zu profitieren, haben wir auch diesmal wieder zwei sehr profilierte Experten gewinnen können: Jan Clausen und Daniel Koch“ (Nr.81). JiGG – Jazz im Goethe-Garten (seit 2007, Lissabon/ Portugal) Bereits seit 2007 veranstaltet das Goethe-Institut Lissabon jährlich im Sommer das Europäische Jazzfestival JiGG – Jazz im Goethe-Garten. Wie dem Namen zu entnehmen ist, sind auf dem Festival zahlreiche Jazz-Acts aus verschiedenen europäischen Ländern zu Gast. Traditionell wird das mehrere Tage andauernde Festival jedoch von einer portugiesischen Band eröffnet und von einer deutschen Band beendet. Das Festival ist als Konzertserie ausgelegt, was bedeutet, dass an mehreren aufeinanderfolgenden Abenden einzelne Konzerte veranstaltet werden. Die künstlerische Leitung obliegt dem portugiesischen Musiker und Kurator Rui Neves, der in Portugal auch das renommierte Festival Jazz em Agosto leitet. Das Goethe-Institut bezeichnet den Garten als einen „Ort der Begegnung und eine Plattform des musikalischen Austausches“, wo „aktuelle Tendenzen des zeitgenössischen Jazz, Improvisation und Free Music“ präsentiert werden (Nr.70). Hinzu kommen, jedoch eher selten, Workshops oder andere weiterführende 87
Die Bezeichnung des Programms wird seitens des Goethe-Instituts in Minks nicht konsequent betrieben – mal wird es Minsker Pop-Akademie, mal Minsker Akademie der populären Musik bezeichnet.
7.1 Methoden der Untersuchung
125
Formate. Zu Gast waren bereits zahlreiche renommierte Künstler, unter anderem Rotazaza, Kuu, Underkarl, Expressway Sketches, das Frederik Köster Quartett, Nils Wogram, oder auch Wollny I Kruse I Schäfer [EM]. Die Interviewpartnerin Julia Klein, eine Mitarbeiterin des Goethe-Instituts, verantwortet die Projektleitung des Festivals. Beschreibung des Musikprojekts Jazz im Goethe-Garten, beispiehafter Infotext für eine Festivalausgabe: „O Jazz im Goethe-Garten (JiGG) regressa ao ímpar jardim do Goethe-Institut, em Lisboa, para apresentar uma série de concertos, ao longo de duas semanas, que vêm dar a conhecer as tendências mais atuais do jazz europeu.De 3 a 13 de julho, o Goethe-Institut propõe seis concertos dos quais quatro são apresentados em estreia nacional. Nestes finais de tarde, o público vai poder desfrutar não só da música inovadora programada pelo diretor artístico do festival, Rui Neves, como do verão já totalmente instalado na cidade e, por fim, de algumas iguarias típicas da Alemanha, servidas no restaurante do jardim. A interligar os quatro trios, o quarteto e o duo que marcam presença nesta 14.ª edição do JiGG estão a ousadia e a independência do jazz criado em solo europeu, numa constante procura pela rutura com linguagens e géneros instalados, aqui apresentado num evento de verdadeira parceria europeia graças ao papel desempenhado pelo Goethe-Institut como produtor do evento e pelas entidades parceiras do JiGG 2018: as Embaixadas da Áustria e da Suíça, o Instituto Cervantes e o Instituto Italiano de Cultura“ (Nr.80). Konzertreihe Barockmusik (2016, Montevideo/ Uruguay) Die Deutsche Botschaft in Montevideo veranstaltet – wie die meisten anderen Botschaften auch – regelmäßig Konzerte. Im Jahr 2016 wurden mit Susanne Erhardt (Klarinette, Flöte, Chalumeau) und Cristina García Banegas (Orgel, Clavicytherium, Klavier) zwei bedeutende Interpretinnen des Barock und der Klassik für eine Reihe von Konzerten für Flöte und Orgel an verschiedenen Orten Uruguays verpflichtet (vgl. Nr.71). Die deutsche Künstlerin Susanne Ehrhardt ist Lehrbeauftragte an der Hochschule Hanns Eisler in Berlin und eine weltweit gebuchte wie preisgekrönte Soloflötistin. Die uruguaianische Organistin Cristina García Banegas wurde ebenfalls vielfach ausgezeichnet und erlangte vor allem durch die Aufnahmen des Orgelwerks von Bach internationales Renomee.
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Die Konzerte fanden in Paysandú, Punta del Este und der Deutschen Evangelischen Kirche in Montevideo statt. Gespielt wurden Werke aus dem Barock, der Klassik und der Moderne von den Komponisten Telemann, Byrd, Vivaldi und einigen mehr. Organisiert und durchgeführt wurden die Veranstaltungen von Annette Uppenkamp, die in der Kulturabteilung der Deutschen Botschaft in Montevideo tätig ist. Der durch das Tal geht (2010, Hanoi/Vietnam) Die Musiktheaterproduktion Der durch das Tal geht war eine Kooperation zwischen dem Goethe-Institut Hanoi, dem Vietnam National Opera & Ballet Theatre und der Vietnam National Academy of Music, die im Jahr 2010 als Abschluss des Deutschland-Jahres in Vietnam in der Garnier-Oper in Hanoi zur Aufführung kam.88 Erzählt wurde die Geschichte von Parzival, „der als unwissender junger Man aus den Armen der Mutter ausbricht, der durch das Tal geht, um die Welt zu entdecken“ (vgl. Nr.72). Das Libretto kam von Tankred Dorst, einem der renommiertesten deutschen Dramatiker und Schriftsteller seiner Zeit – zu seinen bekanntesten Werken gehört das bis heute vielgespielte Merlin oder Das wüste Land. Die Musik kam von Pierre Oser, bekannt als Komponist und Musikalischer Leiter zahlreicher deutschsprachiger Theater. Ein internationales Produktionsteam setzte das Stück mit vietnamesischen Schauspielern, Musikern und Sängern um. In einem Interview mit einer Tageszeitung bestätigte Tankred Dorst, dass „die Aufführung, wie sie jetzt ist, auch stark vom vietnamesischen Kunstverständnis beeinflusst“ gewesen sei. Die Gesangslehrerin Silvia Modden beschrieb ihre Arbeit mit den vietnamesischen Sängerinnen und Sängern als „große Freude“: „Besonders spannend ist es, das Ineinandergreifen, Aufeinanderzugehen der drei Sparten, Gesang, Tanz und Schauspiel, mitzuerleben. Wie aus den unterschiedlichen Ausdrucksformen mehr und mehr ein Ganzes wird, wie die Geschichte über Parzival immer plastischer und greifbarer wird“ (Nr.73).
88
Ergänzend soll an dieser Stelle ein Artikel von Dunkel über die Arbeit des Dirigenten Söllner in Süd-Vietnam als Teil einer Strategie des Nation Buildings der USA und zur Verbesserung der deutsch-südvietnamesischen Beziehungen Erwähnung finden. Dunkel schreibt von überwiegend nationalen Machtinteressen der Deutschen, einer „Western Cultural Superiority“ (vgl. Dunkel 2018).
7.1 Methoden der Untersuchung
127
Die organisatorische Gesamtleitung lag bei Dr. Almuth Meyer-Zollitsch, die zu jener Zeit Leiterin des Goethe-Instituts in Hanoi war. Beschreibung des Musikprojekts Der durch das Tal geht: „Unter dem Titel „Der durch das Tal geht“ interpretieren Künstler aus Europa und Vietnam den Parzival-Stoff nach einem Libretto von Tankred Dorst neu. Das groß angelegte, interdisziplinäre Musiktheaterprojekt wird am 14. Januar 2011 im historischen Opernhaus in Hanoi uraufgeführt. Die Produktion, eine Kooperation des Goethe-Instituts mit dem Vietnam National Opera & Ballet Theatre (VNOB) und der Vietnam National Academy of Music, bildet den glanzvollen Abschluss des Festprogramms „Deutschland in Vietnam 2010“ in Vietnam. Der Parzival-Mythos kommt nach Südostasien: Mit „Der durch das Tal geht“ entsteht derzeit eine Musiktheaterproduktion in Vietnam, bei dem Gesang, Schauspiel und Tanz miteinander verwoben werden. Erzählt wird die zeitlose und universale Geschichte von Parzival, der als unwissender junger Mann aus den Armen der Mutter ausbricht, „durch das Tal geht“, um die Welt zu entdecken. Er tötet und er leidet, bis er die Liebe und das Mitgefühl mit anderen Menschen kennenlernt. Das internationale Produktionsteam setzt seine künstlerische Vision mit vietnamesischen Musikern, Schauspielern und Tänzern um. Die Komposition für Soli, Chor und großes Orchester schuf der deutsche Komponist, Dirigent und Musiker Pierre Oser, der Dramatiker Tankred Dorst schrieb das Libretto. Es inszeniert die österreichisch-amerikanische Regisseurin Beverly Blankenship, unterstützt wird sie von dem deutschen Choreografen Hans Henning Paar, dem österreichischen Bühnenbildner, Kostüm- und Lichtdesigner Andreas Lungenschmid und von Christoph Maier- Gehring, Chefdramaturg am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz. Die deutsche Mezzosopranistin Silvia Mödden ist zuständig für Phonetik und Sängerausdruck. In einem aufwändigen und durch Projektionen unterstützten Bühnenbild, in phantasievollen Kostümen und in einem markanten Lichtdesign wird eine vielschichtige, wegen ihrer universalen Gültigkeit und menschlichen Tiefe auch dem vietnamesischen Publikum gut nachvollziehbare Geschichte erzählt. Dabei wechseln sich gesprochene und gesungene Passagen ab, die Sprechtexte werden auf Vietnamesisch und die gesungenen Parts auf Deutsch mit vietnamesischen Übertiteln inszeniert“ (Nr.72).
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Ten Cities (seit 2011, Kapstadt, et al.) Ten Cities ist ein Projekt des Goethe-Instituts und des Berliner Kollektivs Adaptr.org. Das Musikprojekt brachte 50 Künstler, DJs, Produzenten und Instrumentalisten, aus je fünf Städten aus Afrika und Europa, zum gemeinsamen Musikschaffen zusammen, um zu erfahren, wie die Clubkulturen der beiden Kontinente sich gegenseitig beeinflussen. Hierdurch trafen Kreative aus Berlin, Bristol, Johannesburg, Kairo, Kiew, Lagos, Lissabon, Luanda, Nairobi und Neapel aufeinander. „Diese zehn Städte mit ihren je spezifischen Musikstilen hat das Projekt miteinander kurzgeschlossen, speziell ihre Clubkulturen und ihre Produzenten elektronischer Musik. Es ging um Gemeinsamkeiten, um Unterschiede – und natürlich darum, neuartige elektronische, tanzbare Musik zu produzieren“ (Nr.74). Darüber hinaus war Ten Cities aber auch als Research-Projekt angelegt: “At the same time, a research project will use the perspective of club cultures to explore and investigate again a crucial notion of political theory: the public sphere - from a different perspective than the usual research tradition and in a serial, intercultural approach. About 20 authors, all from the city they are writing about, will tell us the history of club music in those ten cities, and the history of the public spheres that have been formed around club music for the last 50 years” (Nr.52). Das Projekt sollte zeigen, dass „Clubs mehr als nächtliche Treffpunkte zum Vergnügen sind. Sie bieten im Idealfall einen Ort, an dem Menschen zusammenkommen, Kultur generieren und erleben sowie mit alternativen Identitäten und Lebensentwürfen spielen können. Ein Gegenentwurf zur offiziellen Gesellschaft“ (Nr.74). Ten Cities endete mit der Veröffentlichung einer kompilierten CD und einer abschließenden Party in Berlin im November 2014, bei der mehr als zwanzig Künstlerinnen und Künstler zu einem gemeinsamen Abschlusskonzert zusammenkamen. Der Interviewpartner Johannes Hossfeld war bis ins Jahr 2013 der Leiter des Goethe-Instituts Nairobi und für das Projekt verantwortlich.
7.1 Methoden der Untersuchung
129
Beschreibung des Musikprojekts Ten Cities: „Ten Cities is a journey of musicians and writers. It consists of a music- and a research part. The project brings together about 50 DJs, producers and musicians from the ten cities, enabling them to cooperate and produce music together. This part is guided by ten local curators in each city who have chosen the participants, together with a central curatorial group in Berlin and Nairobi, and are facilitating the cooperations. Intensive work periods by the participating musicians in the ten cities will form the central stages of the project, accompanied by concerts and parties. At the same time, a research project will use the perspective of club cultures to explore and investigate again a crucial notion of political theory: the public sphere - from a different perspective than the usual research tradition and in a serial, intercultural approach. About 20 authors, all from the city they are writing about, will tell us the history of club music in those ten cities, and the history of the public spheres that have been formed around club music for the last 50 years. (...)The music part is guided by a network of ten curators from each city that is working with a central coordination group, consisting of participants from Nairobi and Berlin and the two project offices in Nairobi (Goethe-Institut Kenya) and Berlin (Adaptr.Org). For the research project, the cooperation is assisted by editors from Nairobi and Berlin. Even the visual language of the project is a cooperation. Ten Cities is a process, focusing on creating and producing, carried forward by travels and visits. During this process, the project aims at creating networks that are open and involve more and more participants. We are happy with the dynamics taking their own path“ (Nr.52). QUADRO NUEVO FEAT. CAIRO STEPS (2016, Kairo) Die Band Quadro Nuevo ist ein deutschlandweit bekanntes WeltmusikEnsemble, welches seit mehr als zwanzig Jahren zusammenspielt. Das Quartett ist dafür bekannt, stets neue musikalische Wege zu gehen und verschiedene Musikkulturen miteinander zu verschmelzen. Cairo Steps wiederum ist ein aus deutschen und ägypthischen Musikern bestehendes Ensemble: „Cairo Steps merges and combines traditional Egyptian and oriental grooves with modern jazz improvisation, classical music and contemporary sounds“ (Nr.75). Die gemeinsame Zusammenarbeit der Ensembles beschreiben die Musiker auf ihrer Internetseite als ein „exotisches, inspirierendes und mitreißendes Klangerlebnis. Musik als fliegender Teppich – hinweg über Grenzen von Zeit, Politik und Religion“. Zwei renommierte Bands, das mehrfach mit dem Musikpreis
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
ECHO ausgezeichnete Ensemble Quadro Nuevo und Cairo Steps, ein internationales Sufi-Weltmusik-Ensemble „begegnen einander in einer spannenden Mischung aus klassisch arabischer Musik, Tango Oriental, hypnotischen Grooves, Jazz und Improvisation“ (Nr.76). Im Dezember 2016 reisten die Musiker durch Ägypten, spielten in Opernhäusen in Cairo, Alexandria und Damanhur und veröffentlichten anschließend ihr Musikalbum Flying Carpet (vgl. Nr.77). Unterstützung erfuhren die Ensembles seinerzeit von der deutschen Botschaft in Kairo, auch ein Auftritt in den Räumen der Botschaftsresidenz war Bestandteil der Tournee. Als Interviewpartner für diese Arbeit stand Michael Diebold von der Kulturabteilung der Botschaft zur Verfügung – er fungierte als organisatorischer Ansprechpartner für Quadro Nuevo feat. Cairo Steps. Die folgenden Tabellen (Tabellen 4a und 4b) ordnen alle untersuchten Musikprojekte der in Kapitel 5.2 erarbeiteten Systematisierung von Musikprojekten zu. Aus ihr wird erkennbar, welche Musikprojekte, welche Kategorien abbilden. Es wird deutlich, dass einzelne Musikprojekte durchaus verschiedene Kategorien gleichzeitig abbilden können, dementsprechend als Verbundprojekte bezeichnet werden können. Europ. Jazzfestival LISSABON/ PRT Region Südwesteuropa
Konzertreihe Barock MONTEVIDEO/ URY Region Südamerika
Kategorie Informationen über Musik aus D Einzelkonzerte, Konzertreisen, Festivals Workshops und Meisterklassen Musik. Zusammen-arbeit/ Ko-Produktion Aus- und Weiterbildung, Empowerment Musikprojekte in D, einreisende Gastspiele
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Der durch das Tal geht HANOI/ VNM Region Südostasien/ Australien/ Neuseeland
Cairo Steps KAIRO/ EGY Region Nordafrika-Nahost
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7.1 Methoden der Untersuchung Europ. Jazzfestival LISSABON/ PRT Region Südwesteuropa
Konzertreihe Barock MONTEVIDEO/ URY Region Südamerika
Kategorie
Der durch das Tal geht HANOI/ VNM Region Südostasien/ Australien/ Neuseeland
Cairo Steps KAIRO/ EGY Region Nordafrika-Nahost
Residenzprogramm Sonstige Programme Talks und Vorträge Gastspielförderung Research und Datenbanken Tabelle 4a: Zuordnung der untersuchten Musikprojekte zur Systematisierung
Kategorie
Ten Cities NAMIBIA/ KEN Region Subsahara-Afrika (et al)
Informationen über Musik aus D Einzelkonzerte, Konzertreisen, Festivals Workshops und Meisterklassen
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Musik. Zusammen-arbeit/ Ko-Produktion Aus- und Weiterbildung, Empowerment Musikprojekte in D, einreisende Gastspiele Residenzprogramm
Käptn Peng TOKYO/ JPN Region Ostasien
Goethe Musiklabor ULAN BATOR/ MNG Region Ostasien
Pop-Akademie MINSK/ BLR Region Osteuropa/ Zentralasien
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Kategorie
Ten Cities NAMIBIA/ KEN Region Subsahara-Afrika (et al)
Käptn Peng TOKYO/ JPN Region Ostasien
Goethe Musiklabor ULAN BATOR/ MNG Region Ostasien
Pop-Akademie MINSK/ BLR Region Osteuropa/ Zentralasien
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Sonstige Programme Talks und Vorträge
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Research und Datenbanken
Tabelle 4b: Zuordnung der untersuchten Musikprojekte zur Systematisierung
7.1.3 Leitfadengestützte Experteninterviews Wie bereits dargestellt, wurden im Zuge der Recherche mit mehreren projektverantwortlichen Experten leitfadengestützte Interviews durchgeführt. Die Auswahl der Interviewpartner erklärt sich durch die Verantwortlichkeit bei den ausgewählten Musikprojekten. Im Allgemeinen werden Experten als solche bezeichnet, wenn sie ein besonderes Wissen in einem abgegrenzten Fachbereich besitzen (vgl. Gläser/Laudel 2009: 10). Im Kontext dieser Arbeit sind zudem diejenigen Personen Experten, denen ein spezifisches Wissen bedingt durch eine „faktische Position“ in einer Hierarchie zugeschrieben werden kann (Bogner/Menz: 2005: 40). Die Nutzung eines Leitfadens begründet sich in der Annahme, dass durch die „offene Gestaltung der Interviewsituation“ die Sichtweisen der befragten Personen offener zutage kommen als es durch Fragebögen u.ä. der Fall sein könnte (Flick 2002: 117). Die Überprüfung der einleitend gestellten Erkenntnisfragen (vgl. 1.1) sowie der erarbeitete Bezugsrahmen – und der in diesem Rahmen dargestellte Verzicht auf weitere Hypothesenbildungen – begründet eine induktive Vorgehensweise: „Da bislang häufig keine ausreichend theoretischen Grundlagen für kulturmanageriale Fragestellungen zur Verfügung stehen, wird eine solche Vorgehensweise als zielführend erachtet, um sich den spezifischen bzw. potetiellen Forschungsfeldern anzunähern und diese abzustecken“ (Föhl/ Glogner-Pilz 2017: 59).
7.1 Methoden der Untersuchung
133
Der Forschungsbereich sowie die Rekonstruktion von Alltags- und Fachwissen legitimiert eine Mischform aus narrativem und strukturiertem Interview, einem so genannten teilnarrativen Interview (vgl. Helfferich 2011: 179). Durch die qualitative Forschung besteht die Möglichkeit, „(...) Situationsdeutungen, Alltagstheorien oder Handlungsmotive in offener Form zu erfragen, Alltagstheorien und Selbstinterpretationen differenziert und offen zu erheben (...)“ (Hopf 2015: 350). Der Fragebogen wurde entlang der Kriterien der qualitativen Forschung erstellt und entsprechend der Musikprojekte sowie des Kontextwissens der Befragten angepasst (vgl. Helfferich 2011 und Lucius-Hoene/Deppermann 2002). Der Leitfaden der vorliegenden Forschung unterteilt sich in vier Themenblöcke: Eingangs wurde der Interviewpartner aufgefordert, frei über das Musikprojekt zu erzählen. Diese offene, erzählanregende Frage nahmen die meisten Interviewpartner zum Anlass, einen ersten allgemeinen Überblick über das jeweilige Musikprojekt zu schaffen (vgl. Flick 2007: 203 und Hampel 2014: 183). Oftmals wurden durch diesen Einstieg bereits erste Antworten auf folgende Fragen gegeben und zumeist auch sehr direkt eine allgemeine Einschätzung über den Erfolg abgegeben – dies sicherlich auch deshalb, weil die meisten Projekte abgeschlossen waren oder kurz vor dem Abschluss standen. Der erste Themenblock hatte dann eine konkretere Durchdringung des Musikprojekts zum Ziel. Gefragt wurde nach den Beteiligten, den Umsetzungskriterien und Erwartungen. Die regionalen Einflussfaktoren wurden abgefragt, wie auch die Beteiligung von Partnern vor Ort. Abschließend wurde die Einschätzung nach den Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren des Musikprojekts erfragt. Der zweite Themenblock behandelte die Umsetzung kulturpolitischer Vorgaben bei der Planung und Steuerung von Musikprojekten sowie das allgemeine Verständnis von Musikpolitik beziehungsweise von der Einordung jenes Begriffs. Im dritten Teil ging es um allgemeine Fragen zur kulturmanagerialen Vorgehensweise. Hierzu gehören unter anderem Kompetenzen, Instrumente und die Herausforderungen, die im Rahmen der Umsetzung und Durchführung von Musikprojekten zu beachten sind. Im letzten Themenblock wurde nochmals konkret nach den musikalischen Interessen und einer eventuellen musikalischen Vor- und Ausbildung gefragt, um aus den Informationen weitere Rückschlüsse über die Motivation der Kulturmanager zu erlangen. Ebenso erfolgte eine Abfrage über das eigene Selbstverständnis bei der Durchführung von Musikprojekten. Zitierte Passagen der unter 7.1.2 vorgestellten Interwiewpartner werden ohne konkreten Zeilenbezug kenntlich gemacht, da die Transkripte der Interviews nicht zur Veröffentlichung vorgesehen sind, beispielhaft „Zitat“ (Schöningh 2017). Neben den Expertengesprächen wurden – wie bereits einleitend dargelegt – auch Hintergrundgespräche geführt. Als Gesprächspartner wurden gezielt Perso-
134
7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
nen ausgesucht, die zwar beruflich mit der Auswärtigen Kulturpolitik und ebenso mit der Musik in Verbindung stehen, nicht aber als Kulturmanager im Ausland fungieren. So konnten nochmals andere Perspektiven und Erfahrungen in die Erarbeitung des Leitfadens wie auch in die Auswertung der Expertengespräche mit eingespielt werden. Außerdem wurden zahlreiche informelle Gespräche auf Auslandsreisen und kulturpolitischen Kongressen geführt. Ebenso von großer Wichtigkeit war die Präsentation von Zwischenergebnissen auf Tagungen sowie in Fachpublikationen.89 Bei der Durchführung von Lehraufträgen konnten die Ergebnisse in den Unterricht eingespeist und der Dialog mit den Studierenden dementsprechend auch in die Forschungsarbeit zurückgekoppelt werden. 7.1.4 Auswertung der Interviews mittels qualitativer Inhaltsanalyse Die Auswertung der Interviews wurde anhand einer strukturierenden Inhaltsanalyse vorgenommen. Das Ziel der strukturierenden Inhaltsanalyse besteht darin, „bestimmte Aspekte aus dem Material heraus[zu]filtern“, das Material unter bestimmten Kriterien einzuschätzen. Die grundlegende Systematik der Inhaltsanalyse besteht in der Regelgeleitetheit, der Theoriegeleitetheit sowie der Orientierung an zu entwickelnden Katgeorien (vgl. Krippendorff 1980: 75). Grundsätzlich ist die Inhaltsanalyse dann geeignet, wenn „große Textmengen mit Blick auf die Repräsentativität von Ergebnissen auf der Basis vieler Interviews analysiert werden sollen“, wie es Flick in seiner Einführung zur qualitativen Sozialforschung beschreibt (Flick 2002: 313f.). Durch die Art der Auswertung können „klar umgrenzte Aussagen“ und ihre Kontexte festgestellt werden (ebd.). Es handelt sich dementsprechend um das Modell der inhaltlichen Strukturierung, durch die Material zu bestimmten Themen extrahiert und zusammengefasst wird (vgl. Mayring 2015: 99). Entsprechend des geplanten Forschungsdesigns wurden die Interviews zunächst mit Hilfe des Computerprogramms F4 im erforderlichen „Genauigkeitsgrad“ transkribiert (Flick 2007: 379).90 Anschließend wurden diese durch mehrmaliges Korrekturhören von Übertragungsfehlern bereinigt (vgl. Schmidt 2015: 449). Als Form der Protokollierung wurde die wörtliche Transkription in „normales Schriftdeutsch“ angewandt:
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Erste Forschungsergebnisse hat der Autor dieser Arbeit u.a. bereits auf dem Bundeskongress der Kulturpolitischen Gesellschaft im Sommer 2017 präsentiert. Die Transkriptionsregeln sind im Anhang einsehbar.
7.1 Methoden der Untersuchung
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„Wenn Erhebungsmaterial ausführlich ausgewertet werden soll, so bietet sich eine wörtliche Transkription an, bei der eine vollständige Textfassung erstellt wird. Hierbei können unterschiedliche Verfahrensweisen angewendet werden. So bietet das internationale phonetische Alphabet die Möglichkeit, Sprachfeinheiten wie Klangfärbungen abzubilden. Etwas weniger detailliert ist die literarische Umschrift, bei der Dialekt im gebräuchlichen Alphabet wiedergegeben wird. Am häufigsten wird die Übertragung in normales Schriftdeutsch gewählt, bei der u.a. Satzbaufehler bereinigt und der Stil geglättet werden. Zwar werden bei den ersten beiden Varianten die reichhaltigen Kontextinformationen weitestgehend beibehalten, der damit verbundene Aufwand aber ist sehr hoch, zudem leiden die Lesbarkeit und die weitere Bearbeitbarkeit“ (Mayring 2002: 102). Im nächsten Schritt wurden die RTF-Dateien in das Textanalyseprogramm MAXQDA eingelesen. Dem Bilden von Auswertungskategorien vorausgesetzt, war das mehrmalige vertiefte Lesen der Interview-Transkripte, woraus sich verschiedene Themen und Einzelaspekte bilden konnten. Als Grundlage der Kodierung der Experteninterviews wurden so genannte deskriptive Systeme konstruiert: „Die Konstruktion deskriptiver Systeme reicht bereits am weitesten in den Bereich der Auswertung hinein. Konstruktion deskriptiver Systeme meint die Einteilung des aufbereiteten Datenmaterials in verschiedene Kategorien anhand der zugrundeliegenden theoretischen Vorüberlegungen. Das Material wird also entsprechenden Oberbegriffen zugeordnet und damit für die nachfolgende Auswertung vorstrukturiert. Dabei besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Empirie, denn: einerseits werden Kategorien theoriegeleitet entwickelt, gleichzeitig kann es im Verlauf der Datenaufbereitung notwendig werden, neue Kategorien zu entwickeln, die in den theoretischen Überlegungen nicht berücksichtigt waren“ (Mayring 2002: 102). Auf der Grundlage dieser Systeme wurde ein klares Kategoriensystem herausgebildet, um – im Sinne der strukturierenden Inhaltsanalyse – eine Struktur herauszuarbeiten. Als Kategorien bezeichnet man die in der Empirie „über Klassifikation gewonnenen Zusammenfassungen gleicher oder ähnlicher Elemente zu einer übergeordneten Bezeichnung“ (Reinhold 2017: 327). Wie Mayring erläutert, werden „Kategorien […] im Wechselspiel zwischen der Theorie (der Fragestellung) und dem konkreten Material entwickelt, durch Konstruktions- und Zuordnungsregeln definiert und während der Ananlyse überarbeitet und rücküberprüft“ (Mayring 2015: 61). Im Programm MAXQDA wer-
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
den diese Kategorien als Codes bezeichnet, „das „Zuordnen von Textpassagen zu einer Kategorie wird in der qualitativen Sozialforschung als Codieren bezeichnet“ (Kuckartz/u.a. 2008: 36). Die Kategorien wurden dann mit entsprechenden Definitionen und Ankerbeispielen eingegrenzt. Hierzu schreibt Ramsenthaler: „Das Kategoriensystem mit Kategorien, Unterkategorien, Kategoriendefinitionen und Ankerbeispielen stellt den in den ausgewerteten Texten enthaltenen latenten Sinn dar (...). Es dient als Ausgangspunkt für die Interpretation des Textes und ist Herzstück der Analyse“ (Ramsenthaler 2013: 23). Die Kategorien wurden also letztlich sowohl über ein induktives Verfahren, d. h., aus dem Material heraus, als auch über ein deduktives Verfahren gebildet. Die Deduktion wurde über die Bestimmung von Ankerbeispielen und Kodierregeln vorgenommen und am Textmaterial angewendet. Die Codierregeln selbst wurden – sensu Kuckartz – einfach gehalten: 1. Es werden Sinneinheiten codiert, aber mindestens ein Satz, am besten ein Absatz, bei Bedarf mehrere Absätze und die einleitende Interviewer-Frage. 2. Gleiche Informationen werden nur einmal codiert. (vgl. Kuckartz/u.a. 2008: 39f.) Nach der Extraktion der Fundstellen wurden die Ergebnisse schließlich durch Zusammenfassung und Streichung entsprechend aufbereitet. Die Kategorien wurden durch einen Teil des Materials überprüft und wiederum revidiert. Schließlich wurden alle Textstellen in die vorliegenden Kategorien eingeordnet (Ramsenthaler 2013: 29f.). Im letzten Schritt wurden einzelnen Kategorien mittels Explikation ergänzt: Im Sinne der „weiten Kontextanalyse“ wurde zu den einzelnen Passagen weitere ergänzende Textstellen und Zitate eingearbeitet (Mayring 1995: 212). Ferner erläutert Mayring: „Die weiteste Form einer Kontextanalyse lässt den gesamten Verstehenshintergrund des oder der Interpreten der Explikation zu. Dies kann bis hin zu freien Assoziationen des Interpreten mit den in der Textstelle angesprochenen Inhalten gehen“ (Mayring 2015: 92). Die folgende Graphik (Abbildung 6) stellt nochmals zusammenfassend die Vorgehensweise anhand des Ablaufmodells strukturierender Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring 2015: 98) dar.
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7.1 Methoden der Untersuchung
Qualitative Inhaltsanalyse
Strukturierung
Bestimmung der Strukturierungsdimensio nen und Ausprägungen, Zusammenstellung des Kategoriensystems
Formulierung von Definitionen, Ankerbei spielen, und Kodierregeln zu den einzel nen Kategorien Materialdurchlauf: Fundstellenbezeich nung
Überarbeitung und ggf. Revision von Kategoriensystem und Katagoriendefinition
Materialdurchlauf: Bearbeitung und Extraktion der Fundstellen
Ergebnisaufbereitung
Abbildung 6: Ablaufmodell strukturierender Inhaltsanalyse (nach Mayring 2015: 98), eigene Darstellung
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
7.1.5 Teilnehmende Beobachtung Ergänzend zu Quellenanalysen, der Rekonstruktion von exemplarischen Musikprojekten sowie der Auswertung von Expertengesprächen wurde zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse ein Teil des Musikprojektes „Frankreich-Tournee Leily Akinyi“ im Januar 2019 begleitet. Der überwiegende Teil der Planung der durchführenden Kulturmanager fand im Vorfeld, über mehrere Wochen verteilt, und weniger an den Veranstaltungstagen selbst statt. Dennoch brachten die Beobachtung des Projektmanagements und die Gespräche mit den durchführenden Kulturmanagern sowie den beteiligten Künstlern wichtige weiterführende Forschungsergebnisse, die hilfreich bei der Auswertung der Expertengespräche waren und darin mit eingeflossen sind. Im Sinne der weiten Kontextanalyse der Interviews wurden Erfahrungswerte aus dem Musikprojekt mit in die Auswertung einbezogen. Darüber hinaus hat der Autor dieser Arbeit im Forschungszeitraum selbst als Künstler und Dozent bei mehreren Musikprojekten der Kulturellen Programmarbeit im Ausland mitgewirkt. Hierzu gehört die Leitung eines Workshops an der Minsker Pop-Akademie in Weißrussland im Jahr 2017, die Konzeption und Durchführung des Musikprojekts Chaos Beat Symphonie in den Jahren 2013-2015 in Italien und Malta sowie die Konzeption und Durchführung des Projekts D.Pop in Italien und Frankreich in den Jahren 2010-2012. Inhalt Mit Leily Akinyi wurde eine Künstlerin durch das Goethe-Institut Frankreich verpflichtet, die dem Genre Hip-Hop/ Deutschrap zuzuordnen ist. In Zusammenarbeit mit den lokalen Instituten wurde eine Tournee geplant, welche acht Termine in verschiedenen Städten umfasste. Die Gastspiele der Künstlerin fanden überwiegend in Schulen und soziokulturellen Zentren statt und bestanden jeweils aus einer Kombination von Workshop und Konzert. Dementsprechend kann das Musikprojekt als Verbundprojekt definiert werden.
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7.1 Methoden der Untersuchung
Ablaufplan Teilnehmende Beobachtung Stadt Strasbourg
Adresse Centre socio- culturel Marcel Marceau 5 Place Albert Schweizer 67100 Strasbourg
Lunéville
Lycée polyvalent régional Ernest Bichat 4, avenue Paul Kahn 54300 Lunéville Le réservoir – Salle Erckmann
Zeitl. Ablauf 10.00 Uhr Workshop 12.00 Uhr Mittagspause 12.00 Uhr Aufbau Technik 12.30 Uhr Mittagessen 13.00 Uhr Ankunft Security 13.30 Uhr Soundcheck 14.15 Uhr Konzert 15.20 Uhr Autogrammstunde 09.00 Uhr Schlüsselübergabe 10.00 Uhr Workshop 10.30 Uhr Aufbau Technik 12.30 Uhr Mittagessen 13.30 Uhr Soundcheck Ankunft Security 14.30 Uhr Konzert 15.45 Uhr Autogrammstunde
4, Cours de Verdun 54300 Lunéville
Methodik Ziel der Feldforschung war es, das tatsächliche Verhalten und Handeln der durchführenden Kulturmanager nochmals in der praktischen Umsetzung an einem Veranstaltungstag zu erfahren – darüber hinaus konnte auch die Möglichkeit genutzt werden, die Umsetzung eines Musikprojekts auch über die beteiligten Künstler einzuordnen und deren Perspektive miteinzubeziehen. Da es sich um die Beobachtungen eines tatsächlich stattfindenden Musikprojektes handelte, kann dem Feld eine hohe Natürlichkeit zugeschrieben werden. Sowohl der Künstlerin, den Lehrkräften als auch den durchführenden Kulturmanagern wurde im Vorfeld offengelegt, dass es sich bei der Anwesenheit des Autors um eine Beobachtung zu Forschungszwecken handelt – den Schülern wurde diese Information jedoch nicht im Vorfeld übermittelt. Da diese allerdings nicht im Fokus der Forschung standen, kann dennoch von einer transparenten Feldforschung gesprochen werden. Der Forschende nahm während des Workshops an einem in der Nähe der Gruppe positionierten Schreibtisch, während des Konzerts an der Seite des Saals stehend, teil, griff jedoch zu keiner Zeit in das Geschehen ein und nahm keinen
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Einfluss auf die Beobachteten – dies ist als passiver Partizipationsgrad zu definieren. Der Beobachtungsmodus erfolgte überwiegend strukturiert, da ein besonderer Schwerpunkt auf dem Handeln der Kulturmanager als auch der Künstlerin lag und überdies die zeitliche Abfolge und stattfindenden Punkte im Vorfeld bekannt waren, weshalb sich der Verfasser entsprechend vorbereiten konnte. Die Aufzeichnung der Ereignisse erfolgte wiederum unstandardisiert und orientierte sich nicht an einem Leitfaden. Die protokollierten Ereignisse wurden nach den Veranstaltungen entsprechend des Forschungsinteresses ausgewertet und zusammengeführt.91 Beschreibung des Musikprojekts Frankreich-Tournee von Leily Akinyi: Im Rahmen der deutsch-französischen Woche rund um den 22. Januar 2019 herum präsentiert das Goethe-Institut Frankreich in enger Zusammenarbeit mit dem DFJW und PASCH die deutsch-kenianische Sängerin und Rapperin Leila Akinyi. Ende Oktober war sie bereits mit dem Goethe-Institut Italien auf Tournee und gibt nun uns die Möglichkeit, mit insgesamt acht Konzerten in ganz Frankreich sie selbst und ihre Bühnenauftritte näher kennenzulernen. 21.01.2019 Straßburg 22.01.2019 Lunéville 24.01.2019 Paris 25.01.2019 Lyon 28.01.2019 Montpellier 29.01.2019 Toulouse 31.01.2019 Bordeaux 01.02.2019 Lille Geboren in Mombasa und aufgewachsen in Köln, erlebt Leila Akinyi von Beginn an die Vielfältigkeit verschiedener Kulturen, muss sich dabei allerdings auch rassistischen Erfahrungen stellen. Ihre Texte greifen unter anderem diese persönlichen Erlebnisse auf. Sie singt auf Deutsch und Swahili, mixt Soul, Rap, Reggae und Afrobeats immer wieder zu neuem Klangfeuer und schreibt Songs, die bewegen und berühren. In ihrer ersten EP-Veröffentlichung 2016 Afro Spartana beim Label Melting Pot Music rappt die Kölner Sängerin und Rapperin in ihrem gleichnamigen Song 91
Die methodische Vorgehensweise und Dokumentation im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung orientiert sich im Wesentlichen an Merkens 2007 sowie Nr. 83. Eine ausführlichere Dokumentation der Feldstudie befindet sich im Anhang.
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7.2 Ergebnisse der Untersuchung
mit bitterbösem Sprachwitz und prangert dabei die Vorurteile und Klischees über Schwarze an.Leila Akinyi steht für „stark sein“ und Empowerment! Sie steht für „schwarz sein“ und für „Liebe verbreiten“ – sich selbst und andere zu lieben – unabhängig davon, wie jemand ist oder aussieht. Wir freuen uns auf eine große Songwriterin ohne Angst vor Tabus, eine Künstlerin mit beeindruckender Stimme und klarer Haltung, die für Empathie und für das „Recht anders zu sein“ wirbt. (Nr.82) Musiktournee Leila Strasbourg/ FRA Region Südwesteuropa
Musiktournee Leila Lunéville/ FRA Region Südwesteuropa
Kategorien
Konzert Workshop
Konzert Workshop
Durchführung
Goethe-Institut Nancy, Außenstelle Strasbourg Lokale Dienstleister Schulen DFJW PASCH Vermittlung deutscher Musik und Sprache
Goethe-Institut Nancy
Zielgruppe
Deutschlernende Schüler
Erfolgsbewertung
Eher hoch
Deutschlernende Schüler, Interessierte Eher hoch
Pers. Involviertsein Kulturmanager Kulturpolit. Handlungslogik
Eher gering
Eher gering
Mittel
Mittel
Kooperationen
Projektziele
Lokale Dienstleister Schulen DFJW PASCH Vermittlung deutscher Sprache
Tabelle 5: Übersicht des untersuchten Musikprojekts (Feldstudie), eigene Darstellung
7.2 Ergebnisse der Untersuchung Die Gliederung der Untersuchungsergebnisse wurde entsprechend der theoretischen Grundlegung und der theoretischen Bezugnahme auf Fischer unter Kapitel 6.2 angepasst: Dementsprechend werden die Rahmenbedingungen unter dem Kapitel Musikprojekte als Teil der Kulturellen Programmarbeit dargestellt, die Sach- und Führungsfunktionen im Kapitel Kulturmanageriale Vorgehensweisen und Instrumente. Die Kategorie Fachwissen wird im Kapitel Bedarfe kul-
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
turmanagerialer Qualifikationen und Kenntnisse bei Musikprojekten betrachtet. Ergänzend dazu werden die Erfolgsbewertungen der einzelnen Projekte durch die Kulturmanager aufgeführt. Hinzu kommen im zweiten Teil der Auswertung – in separater Darstellung – die Reflexion und Umsetzung kulturpolitischer Vorgaben bei Musikprojekten. Hiernach erfolgen die Einschätzung des Selbstverständnisses der Kulturmanager sowie die Bewertung, inwiefern musikalische Interessen und Vorkenntnisse bei der Planung und Durchführung von Musikprojekten eine gesonderte Rolle spielen. Bewusst wurden bei der Darstellung der Ergebnisse mehrere wörtliche Anker-Zitate eingearbeitet und kursiv kenntlich gemacht, um hierdurch die Herleitungen der Ergebnisse verständlicher aufgezeigt zu wissen. 7.2.1 Musikprojekte als Teil der Kulturellen Programmarbeit Strategien, Zielsetzungen und Zielgruppen von Musikprojekten Gefragt wurde nach strategischen Leitlinien zur Musikarbeit und ob auf deren Grundlage die Musikprojekte entwickelt werden. Berücksichtigt wurden dementsprechend alle Antworten, die Bezug auf Planung und Zielsetzungen nehmen. Die Befragten lassen erkennen, dass Musikprojekte selten mittelfristige oder gar langfristige Planungen erfahren, tatsächlich eher kurzfristige bis sogar situative Entscheidungen vorherrschen. Meyer-Zollitsch macht beispielsweise deutlich, dass sie Musikprojekte nicht deshab auswähle, weil es strategisch besonders sinnvoll sei – sie richte ihre Planung ausschließlich an den Gegebenheiten des Gastlandes aus (Meyer-Zollitsch 2017). Überhaupt scheinen bei den befragten Mitarbeitern des Goethe-Instituts etwaige Leitlinien der Zentrale in München eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. Es gebe zwar durchaus diese Leitlinien, die auch Sinn machten, aber man dürfe sich nicht zu sehr darauf versteifen und müsse sich an die Gegebenheiten vor Ort anpassen, so Klein (Klein 2017). Zwar bestätigt Schöningh, dass die Beiräte des Goethe-Instituts etwaige Musikkonzepte, Bands, Musiker, etc. wesentlich qualifizierter beurteilen könnten, seine Entscheidung für eine Zusammenarbeit mit Käptn Peng sei beispielsweise jedoch völlig unabhängig von Empfehlungen gefallen (Schöningh 2017). Man könne, so Woitsch, Leitlinien nutzen, aber insbesondere im Musikbereich nicht deren Durchsetzung erzwingen – die Initialzündung müsse im Gastland erfolgen (Woitsch 2017). Die Zielformulierungen und die identifizierten Zielgruppen divergieren dementsprechend zwischen den verschiedenen Musikprojekten. So ist die Vermittlung des deutschen Musikerbes ein sehr häufiger Bezug in den Antworten der Befragten. Gleichwohl sind es darüber hinaus weitere Ziele, die
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mit der Musikarbeit verbunden werden. Als Beispiel nennt Uppenkamp die Durchführung mehrerer Konzerte mit der evangelischen Gemeinde im Rahmen der Lutherdekade: Dabei handelte es sich ausdrücklich um eine Musikveranstaltung, mit dem „Hintergrund oder Ziel, Luther und seine Reformation vorzustellen“ (Uppenkamp 2017). Aus einer gänzlich anderen Perspektive betrachtet wiederum Ingo Schöningh die Musikarbeit, nämlich aus der eines Sprachvermittlers, konstatiert allerdings, dass die Goethe-Institute eben verschiedene Ziele bedienen würden (vgl. Schöningh 2017): „Die Idee dahinter ist ja, dass man interessante Dinge identifiziert, mit denen man ein modernes Deutschlandbild transportiert und mit der man eine gewisse Attraktion der deutschen Kultur und Sprache, auch bei jungen Deutschlernerinnen und -lernern, entsprechend generiert. Und da überlegt man sich natürlich: Wie kriegt man Künstler her, die interessant sein könnten für Deutschlernerinnen und -lerner im Ausland? Und da sind Musiker natürlich häufig sehr ansprechbar. Gerade Musiker, die auch bereit sind Projektarbeit zu leisten und die auch einfach Lust haben mit jungen Leuten noch zu arbeiten und Workshops zu gestalten“ (Schöningh 2017). Pinigina-Petrowskaja greift in ihrer Antwort das Thema Empowerment auf, in dem sie das Hauptziel ihrer Musikarbeit unter „Kultur und Entwicklung“ subsummiert und dementsprechend auch einer übergeordneten Kategorie der GoetheInstitute zuschreibt. Es gehe um Weiterqualifizierung und Austausch im Sinne von „Wie kann ich jemandes Erfahrungen nutzen, um das hier zu verbessern?“ (Pinigina-Petrowskaja 2017). Meyer-Zollitsch geht in ihren Zielsetzungen noch einen Schritt weiter, indem sie sich bei der Konzeption von Musikprojekten fragt: „Wo können wir Kunst im öffentlichen Raum machen? Wo können wir das Publikum selber involvieren, in dem was wir machen?“ (Meyer-Zollitsch 2017): „Das ist das Wichtigste als Goethe-Mensch: Dass man da so ein Gespür dafür kriegt: Wo besteht die Möglichkeit, dass man interessante Leute zusammenbringen kann, damit etwas Gemeinsames, Neues entsteht? Das ist es, was mich eigentlich auch immer wieder antreibt. Und da bin ich nicht alleine, sondern kann auch für meine Kollegen sprechen“ (Meyer-Zollitsch 2017). Auch für Klein spielt die Einbindung der Menschen eine wichtige Rolle und sie nimmt in ihrer Antwort Bezug auf das Jazzfestival, dem sie eine verbindende Komponente zuschreibt:
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
„Bei dem Jazzfestival zum Beispiel spielt interkultureller Dialog für mich eine große Rolle (...). Natürlich geht es hier vor allem um die Präsentation. Selbstverständlich gibt es auch einfach nur Konzerte, wie zum Beispiel das Konzert von Joachim Kühn. Da lädt man eine Ikone ein, und er gibt das Konzert, ohne dass wir weitere Zusatzveranstaltungen organisieren. Aber auch bei solchen Veranstaltungen versuchen wir immer noch zusätzlich die Künstler mit lokalen Partnern oder Künstlern zusammenzubringen, die für einen gegenseitigen Austausch interessant sein könnten. Wir versuchen schon immer noch zusätzlich Netzwerke zu initiieren“ (Klein 2017). Die Aspekte Vernetzung und Dialog erkennt auch Diebold bei der Planung von Musikprojekten, will diese aber weniger kulturpolitisch aufgehängt wissen: „Für uns sind Kulturveranstaltungen - wie soll ich sagen - die Belohnung für uns sich verbunden fühlende Ägypter und die internationale Community, um sich zu sehen, um sich zu unterhalten, um zu genießen, mit dem Fokus – wir wollen zeigen – Deutschland ist das Land, das von Beethoven bis heute, NENA oder TOTE HOSEN immer schon gute und hörbare Musik rausgebracht hat“ (Diebold 2017). Diebold bemerkt, dass es letztlich doch darum gehe, deutsche Kultur in den jeweiligen Gastländern zu fördern und umgekehrt auch (vgl. Diebold: 8 – 8) Er bezieht sich auf das Handbuch für Kulturreferenten, in dem es heißt, dass Maßnahmen und Projekte eine Relevanz und Nachhaltigkeit für die Beziehung zum Gastland aufweisen und gemeinsam mit örtlichen Partnern entwickelt und durchgeführt werden sollten (vgl. Diebold 2017). Letztlich seien es für ihn die gesellschaftlichen, kommunikativen Aspekte, denn Konzerte seien auch immer eine gute Gegebenheit „Leute zu treffen, eine gute Zeit zu haben, gute Musik zu hören“ (Diebold 2017). Dementsprechend seien die Zielgruppen bei Musikprojekten auch immer wechselnd. Bei Veranstaltungen an der Botschaft, den so genannten Residenzkonzerten, liege der Fokus eher auf ägyptischen Partnern aus Politik, Wirtschaft und Kultur, die dann zu solchen Veranstaltungen eingeladen würden (vgl. Diebold 2017). Anders verhalte es sich wiederum bei Konzerten in Schulen oder der Kairoer Oper. Während also am Beispiel der Botschaft festzustellen ist, dass sich die Musikarbeit überwiegend am Lemma der Repräsentation zu orientieren scheint, wird bei der Betrachtung der anderen Musikprojekte nicht deutlich, ob sich die Musikprojekte tatsächlich an den Zielgruppenvorgaben der Akteure der Kulturellen Programmarbeit orientieren. Schöningh sieht in der Ansprache von Multiplikato-
7.2 Ergebnisse der Untersuchung
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ren und der damit einhergehend geringen Berücksichtigung von Sprachkursteilnehmern auch durchaus eine Problemstellung: „Und das ist dann die kulturelle Elite, auf die all unser Bestreben ausgerichtet ist. Und der andere lernt Deutsch, kommt jeden Tag, investiert seine gesamte Zeit und jeden Monat tausend Euro in uns hinein. Also, so ein massives qualitatives Gefälle einer Wertschätzung, dass man schauen muss, dass man da nicht die Relationen verliert“ (Schöningh 2017). Uppenkamp stellt wiederum nüchtern fest, dass die Botschaft an die „Unterschicht“ nicht herankomme und „mit klassischer Musik schon gar nicht“ (Uppenkamp 2017). Meyer-Zollitsch hingegen identifizierte in Vietnam ein junges Publikum und wählte deshalb gerade bei der Parzival-Produktion einen Ansatz, der auch Identifikationspunkte und Anknüpfungspunkte für dieses junge Publikum bot (vgl. Meyer-Zollitsch 2017). Für Hossfeld begründet sich diese Vielzahl an Zielsetzungen und Zielgruppen an den drei unterschiedlichen Identitäten des Goethe-Instituts: Es sei nun mal ein deutsches Kulturinstitut, zudem und gleichermaßen immer Bestandteil einer Szene vor Ort und außerdem auch Teil eines internationalen Kulturzusammenhangs. Aus diesem Grund scheinen übergeordnete strategische Leitlinien für die Musikarbeit auch nur bedingt vereinheitlichbar: „Wie regiert die lokale Szene? Wie funktioniert die lokale Szene? Was fehlt in der lokalen Szene strukturell? Was fehlt in der lokalen Szene ästhetisch-formal? Welche Themen sind interessant? Welche Themenszenen? Auf welche Arten der Zusammenarbeit, auf welche Formate reagiert die lokale Szene? Und ich bin übrigens nicht überzeugt davon, prinzipiell nur die lokale Szene zu unterstützen. Ich finde es wichtig in die lokale Szene eventuell Sachen rein zu geben, die die Szene gerade NICHT macht. Statt immer nur die lokale Szene zu unterstützen, kann es interessant sein, einen Impuls reinzugeben, weil es das gerade nicht gibt“ (Hossfeld 2017). Woitsch sieht in der Praxis darüber hinaus einen ausgeglichenen Mix aus strategischen Zielvorgaben, aus der beruflichen Herkunft der entsprechenden handelnden Personen und auch der persönlichen Vorlieben und Erfahrungswerten der Leute (vgl. Woitsch 2017). Hierzu schreibt Dittrich-van Wehring, dass eine begründete Zielvorstellung der Programmarbeit „entscheidend von der Ausgangssituation im Gastland und nicht von den politischen Wünschen oder wirtschaftlichen Interessen des Mutterlandes: von dem politischen System, der gesellschaft-
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lichen Ordnung, historischen Erfahrungen, der Religion, Traditionen, Hoffnungen, Erwartungen und künstlerischen Äußerungen“ abhänge (Dittrich-van Wehring 2016: 117). Hierauf wird in Kapitel 7.2.4 nochmals gesondert eingegangen.
Kategorien und Konzepte von Musikprojekten Im Allgemeinen wird bestätigt, dass die Programmkonzeptionen in der Gesamtheit betrachtet würden und kein besonderer Fokus auf konkreten Musikprojekten liege (Uppenkamp 2017). Vor dem Hintergrund der Divergenz der Zielgruppen innerhalb der Programmarbeit definiert Schöningh ideale Musikprojekte als solche, bei denen man Dinge verbinden könne, bei denen man „eine angewandte, so eine direkte Begegnung mit den Künstlern, so eine kooperative Geschichte“ schaffen könne (Schöningh 2017). Es bestätigen jedoch alle Befragten, dass es bestimmte Formate gebe, die sich schlicht etabliert haben und gemeinhin werden diese klassischen Schemata auch als „effektiv“ bezeichnet. Hier sind vor allem Formate respektive Formatkombinationen von Interesse, die über das reine Präsentieren der Kunst hinausgehen: „Wenn Künstler kommen, egal ob ein Fotograf, zum Beispiel, oder eine Band, und dann nicht nur was auf der Bühne zeigen, sondern man kann auch von dem Austausch profitieren. Das ist wirklich ganz toll. Man hat eben beides. Und das kommt immer sehr gut an. Und ich glaube, so kann man auch richtig gut das Publikum gewinnen – in allen Sinnen“ (Pinigina-Petrowskaja 2017). Es wird der Vorteil erkannt, dass man mit bestimmten Verbundprojekte bestimmte Effekte erzielen könne, zum Beispiel, dass man auch für kommende Projekte Publikum generieren könne. Die Befragten berichten davon, dass insbesondere durch Workshops oftmals auch ein Austausch zustande komme, der dann in der Zukunft weitergeführt werde (vgl. Uppenkamp 2017). Uppenkamp definiert die Konzeption von Musikprojekten letztlich aber auch als angebotsbezogen, bemerkt, dass es manchmal einfach keinen Sinn mache, einen Workshop zu veranstalten, weil es beispielsweise niemanden oder nicht genug Musiker gebe, die das Instrument spielten (vgl. Uppenkamp 2017). Die Einbeziehung des entsprechenden Kontextes bei der Planung von Musikprojekten sieht auch Klein als besonders eminent: „Es muss in jedem Land selbst definiert und entschieden werden, was für den jeweiligen kulturellen Kontext Sinn macht. Meiner Meinung nach
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bringt es natürlich einen großen Mehrwert. Aber es soll auch kein Muss sein. Ich finde, man muss auch nicht immer versuchen, alles irgendwie unter einen Hut zu bringen und noch mehr zu machen. Ich denke, es reicht auch manchmal einfach aus, ein Konzert im klassischen Rahmen zu organisieren, ohne noch großartig Verbundprojekte zu starten. (...). Ich finde es kommt immer wirklich sehr auf den Kontext an (...)“ (Klein 2017). Generell bestätigen die Interviewpartner jedoch, dass man bei Musikprojekten oftmals in kleinen Maßnahmen, „dann auch mit diesem kleinsten Verbund“ aus Workshop und Konzert arbeite. Diese Verbundveranstaltungen würden auch oftmals im Vorhinein eingeplant, da es schlicht schade wäre, wenn es nur bei einem Konzert bliebe mit einem anschließenden Empfang (vgl. Diebold 2017): „Wenn wir Künstler unterstützen, dann fragen wir immer den Künstler an: Gibt es darüber hinaus noch eine Chance, an einem Nachmittag irgendwas zu machen? Auch dieses nichtstattgefundene Rockfestivalprojekt war ja unter dem Charakter, dass wir gesagt haben: Ihr kommt, Ihr spielt nicht nur Konzerte, sondern Ihr tauscht Euch aus mit anderen europäischen Musikern und vor allem mit ägyptischen Kollegen und es soll auf der Bühne zum Ausdruck kommen, dass Ihr zusammen was gemacht habt“ (Diebold 2017). Damit benennt Diebold den immer wichtiger werdenden Aspekt der Koproduktion, der auch für Hossfeld von wichtiger Bedeutung ist. Allerdings sei es entscheidend, Produktionsprozesse zu ermöglichen, bei denen die Gruppen von Künstlern „einen gemeinsamen Weg zurücklegen“; es sei außerdem wichtig, dass dieser Weg ergebnisoffen sei und hierdurch eine Intensität im kulturellen Austausch entstehe, der für beide Seiten produktiv sei (vgl. Hossfeld 2017).: „Das Modell der Koproduktion ist für unsere Arbeit generell ein ganz wichtiges, ganz produktives Format. Ich halte es für ganz wichtig. Und viele Projekte, die wir in Kenia gemacht haben, waren Koproduktionsprojekte. Es ist, glaube ich, wichtig den Unterschied zu sehen, um das gegeneinander auszuprofilieren. Im Unterschied zu Projekten, die auf Veranstaltungen fokussiert sind. Nichts gegen die tolle Veranstaltung, aber der Produktionsprozess als symmetrische Angelegenheit – die Symmetrie ist natürlich das Entscheidende – als Prozess zwischen Künstlern, die unterschiedlich genug sind, aber auch zu einem gemeinsamen Rahmen oder Bezugsrahmen gehören, die also wirklich miteinander sprechen können, sich wirklich aufeinander beziehen können. Also, nicht das klassische Or-
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chester, das da plötzlich irgendwo aufschlägt und ohne Zusammenhang mit lokalen Musikerinnen und Musikern zusammen musizieren soll, ohne dass man einen Bezugsrahmen hat und an ihm gearbeitet hat. Ich persönlich bin skeptisch, ob aus solchen Konstellationen etwas Interessantes entstehen kann“ (Hossfeld 2017). Demzufolge sei es auch wichtig, über die reine Nutzung etablierter Formate hinauszudenken. Der Befragte will jedoch nicht zwingend erkennen, dass sich diese Maßnahmen in besonderer Art und Weise in der Kulturellen Programmarbeit etabliert haben, sieht auf der einen Seite „einen Haufen Projekte“, die „einfach eine Disziplin, eine Kunst durchführen, dies als gut definierten Kern nehmen und es dabei belassen“ (ebd.). Auf der anderen Seite gebe es aber auch vielerlei Themen, die unterschiedliche Bereiche umfassen; Hossfeld benennt dabei die Filmveranstaltung mit dem Panel als einen „Klassiker“. Diesen Ansatz sieht er allerdings auch begründet (Hossfeld 2017), ebenso wie auch Meyer-Zollitsch die Vorteile der Koproduktion erkennt: „Dieser Gedanke der Koproduktion lässt sich da eben sehr gut realisieren. Das haben wir ja eben da am Deutschlandjahr auch gemacht. Also, im Parzival vor allem. Aber auch mit, ich weiß nicht wie vielen, Meisterklassen, die wir im Laufe dieses Jahres und der Jahre, die danach noch kamen (Lachen), dann durchgeführt haben – mit Musikern aus Deutschland, Ensembles aus Deutschland, mit denen wir (...) Sommerakademie, Kammermusik in Saigon oder eben Meisterklassen an der nationalen Musikakademie in Hanoi gemacht haben. Also, da liegt die Koproduktion im Ensemblespiel schon sozusagen nahe“ (Meyer-Zollitsch 2017) Alle Befragten bestätigen, dass es keine Handreichung seitens der Strategieabteilungen gebe, wie die verschiedenen Verbundprojekte letztlich auszugestalten seien. Tatsächlich will auch keiner der Kuturmanager hierin eine Notwendigkeit erkennen: „Also, mir widerstrebt auch ein zu großer funktionalistischer Zugang zu diesem ganzen Thema. (...) Ich brauche an ein paar Stellen nicht diesen Künstler, der DAS macht, sondern den Personaler, der einen künstlerischen Begriff hat. Bei allen denen brauche ich dann doch wieder irgendwo den Mut, irgendwas zu machen, was dann vielleicht einfach auch mal eine Orchidee ist. Und das muss es auch immer geben dürfen, finde ich. Weil, das kann auch nochmal was auslösen oder auf ein Publikum stoßen
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oder eine Relevanz finden, mit der man vorher nicht gerechnet hat“ (Schöningh 2017). Letztlich sei etwas ideal, wenn es am Ende aufgehe. Man solle doch aber auch noch die Freiheit haben, eine einmalige Sache „abfeiern“ zu können und die Programm- und Verbundplanung sollte nicht in irgendeiner Form eine Ausschließlichkeit haben (Schöningh 2017). Es gebe auch keine Formel und auch keine Vorgaben wie einzelne Projekte durchzuführen seien, so Hossfeld: „Wir sehen jedes Projekt als einzelnes, neues Projekt. Als Fachbereiche in der Zentrale beraten wir die Goethe-Institute im Ausland. Letztlich glauben wir, dass nur die Kollegen vor Ort in der Lage sind, zu beurteilen, ob ein Projekt vor Ort plausibel ist oder nicht. Nur mit der Kenntnis vor Ort, so glauben wir, kann man das letztlich beurteilen.” (Hossfeld 2017). Einschätzung der Gewichtung von Musikprojekten innerhalb der Kulturellen Programmarbeit „Es ist insofern eine, ich nenne es jetzt mal eine dankbare Kategorie, weil, und da kommen wir zu einem der Uraltklischees, das kommt bestimmt immer wieder, Musik ist eben diese universelle Sprache. (...) in vielen Ländern ist Musik ein integraler, ganz wichtiger Bestandteil, auch der lokalen Traditionen und wirklich auch in der Selbstwahrnehmung der Kultur vor Ort“ (Woitsch 2017). Entsprechend der Vermutung von Woitsch, wird die Musik tatsächlich von allen Befragten als wichtiger Bestandteil der Auswärtigen Kulturpolitik verstanden. Woitsch sieht die Vorteile vor allem darin, dass man durch das sehr große Feld der Musik, „am ehesten noch diesen kleinsten gemeinsamen Nenner findet, um auch gemeinsam etwas umzusetzen“ (Woitsch 2017). Auch Meyer-Zollitsch sieht in der Musik einen „Kernbereich von unserem Kulturleben“, von dem immer wieder so viel Faszination ausgehe, weil es eben so unerschöpflich sei (Meyer-Zollitsch 2017). Musik eigne sich ganz besonders für die Kulturelle Programmarbeit. „Ja. Ich meine, ich würde vielleicht sagen, Musik ermöglicht eine Vielfalt an Formaten, mit denen man eine sehr große Reichweite und auch eine sehr große Nachhaltigkeit erzielen kann“ (Meyer-Zollitsch 2017).
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Klein sieht in der Gewichtung von Musik innerhalb ihrer Programmplanungen viel mehr ein budgetäres Problem: Das meiste Budget, welches für die Musikarbeit zur Verfügung stünde, sei für das Jazz-Festival gebunden (vgl. Klein 2017). Und tatsächlich scheint eine Gewichtung der Musik innerhalb der Programmplanung oftmals weniger eine inhaltliche als vielmehr eine monetär bedingte Entscheidung zu sein. Pinigina-Petrowskaja erläutert, dass sie dennoch immer wieder aufs Neue überrascht sei, wie wichtig die Musik in den vergangenen Jahren am Goethe-Institut in Minsk geworden sei: „Da bin ich wirklich ziemlich subjektiv, weil ein großer Teil von meinem Arbeitsalltag aus Musik besteht. Aber eigentlich versuchen wir, und es klappt meistens, unsere Angebote gleichmäßig zu verteilen. Das bedeutet, wir schauen dann, wenn wir über die Planung für das nächste Jahr sprechen, und das ist immer im Herbst des laufenden Jahres, dass wir dann schon dabeibleiben, dass alles vertreten ist. Aber Musik ist – ich weiß nicht, irgendwie ist es in den letzten Jahren doch mehr geworden – ja, spielt eine große Rolle. Also, manchmal haben wir es sogar gemerkt im Endeffekt. Wenn du dann siehst: Das Jahr ist vergangen und man schreibt Abschlussberichte. Und man sieht dann plötzlich: Es war tatsächlich ganz viel“ (Pinigina-Petrowskaja 2017). Auch die Botschaft in Kairo kann innerhalb der Programmplanungen keine Schwerpunkte setzen. Man habe nicht die Mittel, nicht die Ressourcen und es sei auch nicht deren „primäre Aufgabe, hier den Musikimpresario zu spielen“ (Diebold 2017). Musikveranstaltungen seien viel mehr das „Icing on the Cake“ (Diebold 2017): „Wir haben als Botschaft ein extrem begrenztes Budget – das nennt sich kleiner Kulturfonds. Das heißt, wenn wir fördern, dann in der Regel zwei bis dreimal im Jahr in der Größenordnung zweineinhalb bis maximal 5.000 Euro (..) Dazu gehört alles. Dazu gehören auch darstellende Kunst, dazu gehört Theater, Kino, Filmfestspiele und so weiter, neue Medien, Film, Fernsehen, Hörfunk und so weiter. Also, ist nicht nur auf Musik beschränkt“ (Diebold 2017). Schwerpunkte innerhalb der Musikarbeit Selbstverständlich spiele bei den Musikprojekten auch das kulturelle, in diesem Fall musikalische Erbe eine Rolle, betont Süßenbach in einem Interview und
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ergänzt, dass dem Goethe-Institut jedoch nichts ferner läge als eine „kulturimperialistische Haltung“ (Süßenbach 2009: 12). Diesen Bezug auf die deutsche Musikkultur nimmt auch Meyer-Zollitsch und beschreibt die musikalischen Schwerpunkte, die sich für sie aus der Planung des Deutschlandjahres in Vietnam im Jahr 2011 herausgebildet haben: „Wir haben dann zum Beispiel auch die Cellisten der Berliner Philharmoniker zu Gast gehabt. Wir haben einige namhafte Ensembles im Laufe dieses Deutschlandjahres gehabt. Und dann eben zum Schluss dieses riesengroße Gesamtkunstwerk Parzival. Da war natürlich klar, dass da Musikprogramme auch in besonderem Maße geeignet sind, weil die deutsche Kultur natürlich auch besonders als eine/ Oder Musik eine besonders große Rolle in unserer deutschen Kultur spielt. Und zwar auch immer noch. Auch heute. Also, zeitgenössische Musik“ (Meyer-Zollitsch 2017). Gleichzeitig betont Meyer-Zollitsch jedoch auch, musikalisch nicht festgelegt zu sein, also die ganze musikalische Bandbreite an Angeboten für die Kulturelle Programmarbeit zu nutzen. Wo auch immer sie gearbeitet habe, habe sie den großartigen Reichtum an musikalischen Formen genutzt: „Also, weil man eben mit Musik auch diese natürlich nahliegende Möglichkeit der Zusammenarbeit hat. Also mit lokalen Ensembles, mit Musikern jeden Fertigkeitsgrades, sagen wir mal. Ja, ob man nun mit Musikstudenten arbeitet oder mit den Solisten der Nationaloper, also da hat man ja die ganze Bandbreite“ (Meyer-Zollitsch 2017). Deutlich wird jedoch auch, dass sich der überwiegende Teil dieser Aussagen eben doch tendenziell eher auf hochkulturelle Musikprojekte bezieht. Grundsätzlich ist die allzu häufige Festlegung der Programmgestaltung auf Formate, die der E-Musik oder der experimentellen Musik zuzuschreiben sind, eine nicht selten wahrgenommene These. Süßenbach erklärt, dass in einer internen Dokumentation versucht werde, die Projekte einzelnen Subgenres zuzuordnen, was aber in der Praxis aufgrund von Überschneidungen und Vermischungen der Genres nicht trennscharf möglich sei (vgl. Süßenbach 2016). Schöningh erklärt die seines Erachtens häufig zu findenden Muster von Musikprojekten folgendermaßen: „Und auf moderne Kunstmusik zu setzen, was das Goethe-Institut viel eher tut, hat natürlich ganz viele Vorteile, die irgendwie parallel einhergehen. Das Erste ist: Es ist immer günstiger als ein Opernorchester zu holen. Das Zweite ist: Es ist qualitativ immer unglaublich abgesegnet. Im Auswärtigen Amt muss man niemandem erklären, warum man jetzt moderne Kunst/ Es ist viel schwieriger und viel mutiger eine gute Punkband
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zu holen als jetzt irgendwie Schola Heidelberg zu holen oder Ensemble Modern zu holen. Das und moderner Tanz sind so die nichtsprachlichen Kunstformen, die am ehesten noch zu einem, dann noch mit der bildenden Kunst, immer ein Niveau transportieren. Einfach auf Grund einer schwierigeren Zugänglichkeit. Und auf Grund des größeren Rätselcharakters dessen, was sich da vollzieht“ (Schöningh 2017). Man könne – so Schöningh – eine Gleichung aufmachen: „Je größer der Rätselcharakter, desto höher die angenommene Qualität“ (Schöningh 2017). Auch dass es bestimmte „Klassiker“ oder auch Empfehlungsmechanismen unter den Instituten gibt, die mitunter weniger Reflexion über die musikalischen Programmierungen erfordern, streitet Schöningh nicht ab. Es sei eben auch eine Form der Darstellung eines Staats im Ausland, auf die „Aushängeschilder der klassischen Kulturvermittlung“ zu setzen, einen sehr „traditionellen Begriff der Kultur“ anzuwenden. Beethoven sei bekannt und wichtig – „und deswegen mache ich jetzt mal Beethoven“ (Schöningh 2017). Diebold bestätigt diese Aussage, gibt aber gleichfalls deutlich zu erkennen, dass er gerne auch andere Musikprojekte verwirklicht sehen würde: „Wir wollen so breit aufgestellt wie möglich sein. Ich würde zum Beispiel unheimlich gerne mal wieder soliden deutschen Rock haben. Eine gute deutsche Rockband, die auch diese Facette abdeckt, was leider Gottes bei vielen Botschaften nicht der Fall ist. (...) Es ist immer noch sehr klassikoder jazzlastig“ (Diebold 2017). Dies versucht Diebold darin zu begründen, dass Angehörige der Generation seiner Kollegen wahrscheinlich noch „überzeugte Anhänger von Mozart, Händel, Beethoven“ seien und, wenn überhaupt, Free Jazz oder vergleichbare Musikrichtungen berücksichtigten, weil sie hierdurch meinten, sie seien „modern und hip“ (Diebold 2017). Auch Pinigina-Petrowskaja sieht einen Schwerpunkt in einer vermeintlich anspruchsvolleren Musik, begründet es aber mit der akademischen Zuordnung: „Jazzmusik ist langsam irgendwie auch ein Teil der Klassik geworden. Und dadurch, dass Jazzmusik zum Beispiel hier in Minsk sehr gut ankommt, machen wir in den letzten Jahren auch mehr“ (PiniginaPetrowskaja 2017). Süßenbach erklärt hierzu, dass sich die lokale Gewichtung von Disziplinen „zum allergrößten Teil aus der Erkenntnis der örtlichen Goethe-Institut-Verantwortli-
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chen ableite, zudem, welche Sparten in der Partnerlandschaft in besonderer Weise nachgefragt sind und besonders nachhaltige und intensive Effekte erwarten lassen. Eine weitere, im Vergleich zum ersten Punkt jedoch stark untergeordnete Rolle, spielten die Hintergründe und Netzwerke der rotierenden Programmverantwortlichen“ (Süßenbach 2016). Für Klein geht es in erster Linie um Qualität. Man unterstütze kompetente Leute, denen es an Geld fehle und wolle Struktur fördern und stärken (vgl. Klein 2017). So unterstütze man zum Beispiel ein Festival im Bereich der experimentellen, elektronischen Musik. 7.2.2 Kulturmanageriale Vorgehensweisen und Instrumente Auswahlkriterien Es ist naheliegend, dass die Auswahlkriterien der Kulturmanager, warum eben jene in dieser Arbeit exemplarisch extrahierten Musikprojekte durchgeführt wurden, den bereits dargestellten Zielen ähnlich oder gar kongruent sind. Diese Begründungen können dann oftmals auch in einen direkten Bezug zu übergeordneten außenkulturpolitischen Zielsetzungen gesetzt werden. Zum Beispiel benennen die befragten Kulturmanager häufig eine vollzogene Analyse der Gegebenheiten und Bedarfe vor Ort und eine hieraus resultierende Ableitung notwendiger Maßnahmen. Am Beispiel des Goethe Musiklabor Ulan Bator wird erklärt, dass man früh gesehen habe, dass es eine „unglaublich große Nachfrage nach dieser Art von Ausbildung“ in der Mongolei gegeben habe und es ein dynamischer Prozess gewesen sei, um sich schließlich für die Durchführung des Projekts an jenem Standort zu entscheiden (vgl. Woitsch 2017.). Ähnliche Argumentationen kann man beispielsweise bei der Betrachtung der Minsker Pop-Akademie erkennen (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017). Dementsprechend ließen sich solcherlei Auswahlkriterien dem Thema Capacity Building zuordnen. In anderen Begründungszusammenhängen spielen die Kapazitäten der Partner ebenfalls eine gewichtige Rolle: Zum einen ist das die Beurteilung, ob die Durchführung bestimmter Projekte tatsächlich gemeinsam mit entsprechenden Partnern umsetzbar ist. Zum anderen sind das mitunter auch bereits lange existierende Partnerschaften und Netzwerke, die bestimmte Formate von Musikprojekten oder künstlerische Schwerpunkte vorbestimmen – beispielsweise die Zusammenarbeit mit einer örtlichen Mozart-Gesellschaft. Ein weiteres entscheidendes Auswahlkriterium ist die Finanzierbarkeit – ein Aspekt, der von allen Befragten genannt wird. Das vorhandene Budget ist beispielsweise oftmals dafür ausschlaggebend, ob ein Musikprojekt durchgeführt
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wird oder nicht, ob es dann eher eine kleine Besetzung oder ein größeres Ensemble sein kann (vgl. Uppenkamp 2017). Dies lässt vermuten, dass die Auswahl der Formate und Künstler durch eingeschränkte Budgets von vorneherein auch eine Einschränkung erfahren könnte. Ein ebenso offensichtliches wie auch naheliegendes Auswahlkriterium ist der in irgendeiner Form dazustellende Deutschlandbezug (vgl. Diebold 2017). Dieser ist stets verschiedenartig herzuleiten, mal ist es schlichtweg die Herkunft der Künstler, mal bezogen auf die Produktionsstätte, mal sind es musikhistorische Bezüge. Oftmals ist es im Fall der Musik auch die Sprache, also Deutsch, welche durch die Werke Vermittlung erfährt. „Ich glaube, dass die lyrische Kraft von Tocotronic relevanter ist als von nahezu allen professionellen Lyrikern, die ich so kenne. Und deswegen dachte ich: Die müssen wir auf jeden Fall mal holen“ (Schöningh 2017). Natürlich bedingt auch die künstlerische Einschätzung die Auswahl von Musikprojekten. Das sind beispielsweise thematische Aufhänger wie es bei der Entscheidung für die Parzival-Produktion in Vietnam mitunter der Fall war (vgl. Meyer-Zollitsch 2017). Zudem sind es künstlerische Auftragsarbeiten oder besondere Formen der künstlerischen Zusammenarbeit, darüber hinaus kann die Aktualität von bestimmten Formaten oder Bands einen Anlass zur Durchführung darstellen (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017). Klein erläutert hierzu: „Die meisten Bands aus den anderen europäischen Ländern, außer Portugal, haben hier ihre Premiere. Die Musiker sind zwar bekannt, aber es sind meistens neue Projekte, die in dieser Formation in Portugal noch nicht großartig aufgetreten sind“ (Klein 2017). Auch die Übernahme von bestehenden Formaten, bestimmter tradierter Veranstaltungsmuster, die seit vielen Jahren bestehen, können zu erneuten Entscheidungen zugunsten eines Musikprojektes führen. Das können auch bestehende Angebote sein, also beispielsweise die ohnehin im Auftrag des Goethe-Instituts gastspielreisenden Ensembles. Interessant ist, dass neben den hier skizzierten Auswahlgründen auch weitere, oftmals pragmatische Kriterien genannt werden, die bei der Auswahl von Musikprojekten eine Rolle spielen. In Uruguay sind das beispielsweise die musikthematischen Aufteilungen zwischen der Botschaft, welche überwiegend Programme der klassischen Musik realisiert, und dem Goethe-Institut, das hauptsächlich im Bereich neue Musik und elektronische Musik arbeitet. Dies sei eine Aufteilung, die sich so eingespielt habe (vgl. Uppenkamp 2017). Ebenso können
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positive Erfahrungen dazu beitragen, Formate wiederholt durchzuführen oder Künstler mehrmals zu buchen. Die Befragten geben häufig an, dass die erfolgreiche Durchführung an anderen Instituten ein positives Auswahlkriterium darstelle (vgl. ebd.). Ebenfalls können persönliche Kontakte oder lange bestehende Bekanntschaften eine Rolle im Entscheidungsprozess für oder gegen ein Projekt spielen. So ergänzt Schöningh bei den Auswahlkriterien für Tocotronic, dass es sich letztlich auch deshalb anbot, weil es am Ende ja doch auch immer Menschen seien, die man kenne – beispielsweise habe er den Trommler der Band über dessen Stipendium an der Villa Kamogawa kennengelernt (vgl. Schöningh 2017). Ein weiteres Kriterium ist die Zugänglichkeit und Anschlussfähigkeit – sowohl die der ausgewählten Themen als auch der ausgewählten Künstler. An einem anderen Musikprojekt – einer Konzert- und Schulreise des Berliner Duos Lonski & Classen – wird erklärt, dass es eben gerade „über elektronische Musik und bestimmte Kompositionen und Spielereien und diese Live-Performance von elektronischer Musik“ möglich gewesen sei, einen engen Draht zu japanischen Oberstufenschülern zu schaffen (Schöningh 2017). Auch Käptn Peng identifiziert Schöningh als eine Band, die man für solche Workshops antriggern konnte, die auch Lust hatte auf diese Form der Erfahrung und in einem entsprechenden Alter war (vgl. Schöningh 2017): „Also, da war einfach noch eine Nähe da, die bei ganz vielen anderen halbwegs arrivierten Bands mit so einer Qualität einfach nicht da ist“ (ebd.). Grundsätzlich stelle sich stets die Frage, ob ein Musikprojekt anschlussfähig, vermittelbar und eben auch relevant sei (vgl. Schöningh 2017). Darüber hinaus werden von den Experten auch die Begriffe Interdisziplinarität und Nachhaltigkeit als Auswahlkriterien genannt.Die folgende Abbildung (Abbildung 7) fasst nochmals die über die Experteninterviews ermittelten Auswahlkriterien für die Durchführung von Musikprojekten entsprechend der Häufigkeit ihrer Nennung (dunkles grau = häufig, helles grau = weniger häufig) zusammen. Auswahlkriterien (häufige Nennungen) Identifizierung des Bedarfs vor Ort Partner- und Netzwerkanalyse Deutschland - / Deutschbezug Künstlerische Bewertung/ Relevanz/ Qualität Finanzierbarkeit Empfehlungen anderer Institute/ Kollegen Anknüpfung an bestehende Formate (z.B. Gastspielreise) Auswahlkriterien (wenige Nennungen) Örtliche Gegebenheiten (z.B. Opernhaus vor Ort) Aufteilung innerhalb verschiedener Institute vor Ort
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Zugänglichkeit der Musik Zugänglichkeit der Kategorie (z.B. Verbundprojekte) Zugänglichkeit der Künstler Kreation/ Premierenförderung Nachhaltigkeit Interdisziplinarität Unterstützung ausschl. über finanzielle Förderung Traditionelles, bereits bestehendes Format Persönliche Kontakte Abbildung 7: Übersicht Nennung Auswahlkriterien für Musikprojekte Musikprojekte, eigene Darstellung
Planung, Durchführung und Evaluation Einige Experten geben an, dass man insbesondere am Goethe-Institut sehr aufwendige Planungen durchführe und dies auch eine große Rolle spiele. Hossfeld beschreibt die Planung von Ten Cities als einen „transparente[n], aufwendige[n] Planungsrozess“ (Hossfeld 2017). Andere Befragte machen wiederum deutlich, dass ihre Veranstaltungen „fast zufällig“ entstanden seien (Pinigina-Petrowskaja 2017). Das Beispiel der Minsker Pop-Akademie zeigt auf, dass konkretere Projektplanungen tatsächlich erst nach der Bewilligung entsprechender zusätzlicher Mittel aufgenommen worden sind und gerade zu Beginn des Gesamtprojekts die Durchführung der Folgeveranstaltungen erst kurzfristig gesichert war (vgl. ebd.). In den Kulturabteilungen der Botschaften wiederum stellt man ebenso Jahresplanungen auf, muss aber vieles davon wieder verwerfen, da diese Planungen aus verschiedenen Gründen häufig nicht aufgehen würden (vgl. Diebold 2017). Die Durchführung der einzelnen Projekte gestaltet sich demzufolge ebenso unterschiedlich. Während ein Teil der Befragten alles aus einer Hand ableistet und nur die wenigsten Felder ausgelagert werden (können), haben andere Projektverantwortliche mehr Möglichkeiten des Delegierens, beschränken ihre Hauptverantwortlichkeit auf die kommunikativen Prozesse, das Erteilen von Aufträgen und das Vernetzen der beteiligten Akteure (vgl. Klein 2017 und Meyer-Zollitsch 2017). Das hängt jedoch nicht zwingend mit der hierarchischen Position des Befragten zusammen, sondern auch mit der Größe des durchführenden Instituts/der durchführenden Abteilung, dem Umfang der Aufgaben, der Größe des Musikprojekts und den Gegebenheiten vor Ort. Meyer-Zollitsch beschreibt beispielsweise anhand der Parzival-Produktion, dass sich die durchführende Abteilung in jenem Zeitraum nahezu in ein Theaterproduktionsteam verwandelt habe. Man kümmerte sich um Nachbesetzungen,
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Probenplanungen, Betreuung der einzelnen Musiker, das Erstellen eines Textbuches, das Zusammenkleben von Partituren aus deutschen und vietnamesischen Übersetzungen und viele andere organisatorischen Aufgaben (vgl. Meyer-Zollitsch 2017). Hossfeld vergleicht die operative Durchführung und Begleitung von Ten Cities als Spielanleitung, eine Spielanordnung, die ein Netz und eben nicht eine zentrale Steuerung vorgesehen habe. Dieses Netz bestand aus Kuratoren in den einzelnen Städten und sei symmetrisch besetzt gewesen (vgl. Hossfeld 2017): „Es muss sich beweisen und es muss gut werden und es muss als Projekt gelingen. Im Falle von Ten Cities war die Projektanlage eher eine Spielanordnung: es ging um einen Prozess, der ein recht umfangreiches Netzwerk von Leuten involviert. Klar, Du kannst auch ein Projekt machen, da gibt es die Projektleitung und einen Heldenkurator und die ziehen das durch. (...) Ten Cities war ganz anders angesetzt. Dann lebt man mit einem gewissen Chaos, wenn man die Energie will. Dann lebt man mit einer gewissen Auflösung der direktiven Verantwortung, weil man die Intensität des Prozesses und des Netzwerkes will. (...) Ich finde Projekte problematisch, die sagen: Das ist partizipativ. Das ist symmetrisch. Aber unter der Hand regiere ich das durch“ (Hossfeld 2017). Trotz der Verschiedenartigkeit der Musikprojekte können sich aber auch Routinen in der Vorbereitung und Durchführung der Musikprojekte entwickeln. Die Befragten geben an, dass insbesondere bei sich wiederholenden oder ähnlichen Formaten keine größeren organisatorischen Herausforderungen entstehen (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017). Es hängt dementsprechend stark von den einzelnen Befragten ab, inwiefern diese den Management-Prozess durch Planungshilfen wie beispielsweise Projektmanagement-Software oder Meilenstein-Planungen realisieren. Die einen beziehen sich dabei auf ihre ausreichend vorhandenen Erfahrungswerte und bezeichnen die Arbeit bei sich jährlich wiederholenden Projekten als Selbstläufer (vgl. Klein 2017). Andere wiederum arbeiten mit Checklisten die einzelnen Phasen eines Projekts ab, nutzen vorgefertigte Formulare und sogar vorgefertigte Sprachbausteine für die Korrespondenz mit den eingeladenen Musikern und Dozenten (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017). Pinigina-Petrowskaja ist es auch, die entsprechende E-Formulare für die Auswertung der einzelnen Projekte verwendet. Es wird jedoch deutlich, dass das Thema Evaluation bei der Mehrheit der Befragten keine vorgeordnete Rolle spielt – obwohl das Goethe-Institut in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Evaluation der Kulturarbeit unternommen hat.
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Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die kulturmanagerialen Arbeitsabläufe der Musikprojekte im Wesentlichen die klassischen Phasen eines Projektablaufs widerspiegeln: Dazu gehören gemäß Klein die Konzeptphase, die Definitionsphase, die Realisierungsphase und die Anschluss-/Kontrollphase (vgl. Klein 2008: 45). Räumliche Infrastruktur Unter diesem Punkt soll nochmals der Aspekt der räumlichen Infrastruktur gesondert dargestellt werden, weil diesem in den Antworten zum Projektmanagement ein erkennbar großer Stellenwert zugesprochen wurde. So beschreibt beispielsweise Woitsch, dass Infrastruktur ein ganz wichtiger Aspekt in der Durchführung des Projekts und sogar Bestandteil in den Verhandlungen mit den Kooperationspartnern gewesen sei. Das College for Dance and Music erklärte sich in Folge jener Verhandlungen bereit, zwei Räume zur Verfügung zu stellen, welche dann durch das Goethe-Institut entkernt und entsprechend der Anforderungen an Musikräume ausgebaut wurden: „Und wir haben sogar eine kleine Bühne reingebaut am Ende. Sodass wir das auch als kleinen Auftrittsort nutzen konnten“ (Woitsch 2017.). Dazu gehören auch die Instrumenten- und die Technikausstattung, verbunden mit dem Ziel, „allerhöchste Standards“ zu setzen (ebd.). Die Ausstattung ist auf der anderen Seite aber auch der Grund, warum die Botschaft in Montevideo ihre Konzerte überwiegend in der Hauptstadt stattfinden lässt – weil sich dort in der Regel die am besten geeigneten Räume befinden (Uppenkamp 2017). Dass nicht gut ausgestattete Räume jedoch kein Hindernis darstellen müssen, zeigt die Parzival-Produktion in Vietnam – die Endproben fanden in den Wintermonaten statt und das Opernhaus wie auch die Probebühne waren nicht geheizt, weshalb die Künstler in Schal und Mütze probten (MeyerZollitsch 2017). Gleichzeitig können Räumlichkeiten unabhängig von ihrer Ausstattung auch einen besonderen Reiz für musikalische Darbietungen ausmachen: So erklärt Klein am Beispiel des Gartens im Goethe-Institut Lissabon, dass dieser sehr einladend und in besonderer Weise geeignet für die Durchführung von OpenAir-Konzerten sei (vgl. Klein 2017). Auch die vielen Vögel, die sich während des Konzerts um die Bühne versammeln, seien etwas Besonderes: „Ich erinnere mich an Gunter Hampel, der dann mit einem Vogel ein Duett gemacht hat, gegenseitig die Töne imitiert hat. Das ist eine Kleinigkeit. Ich finde, das ist ein wirklich sehr besonderer Ort“ (Klein 2017).
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Vermarktung Nach der Definition von Klein ist Kultur-Marketing „die Kunst, jene Marktsegmente bzw. Zielgruppen zu erreichen, die aussichtsreich für das Kulturprodukt interessiert werden können, indem die entsprechenden Austauscheigenschaften (z.B. Preis, Werbung, Vertrieb, Service usw.) dem künstlerischen Produkt bzw. der kulturellen Leistung möglichst optimal angepasst werden, um dieses mit einer entsprechenden Zahl von Nachfragern erfolgreich in Kontakt zu bringen und um die mit der allgemeinen Zielsetzung des Kulturbetriebs in Einklang stehenden Ziele zu erreichen“ (Klein 2001: 40). Die Vermarktung der Kulturellen Programmarbeit ist ob ihrer Konzeption und ihres Auftrags jedoch weniger an den klassischen Marketinginstrumenten, nämlich Produktpolitik, Preispolitik, Distributions- und Kommunikationspolitik, angelehnt. Vielmehr ist die Vorgehensweise überwiegend auf die Bekanntmachung einzelner Formate begrenzt. Marketing wird hier also in der notwendigen Abgrenzung gegenüber dem herkömmlichen Konsumgütermarketing betrachtet. Das Marketing befasst sich in erster Linie mit der Promotion, also mit der Marktkommunikation (vgl. Heskia 2014: 88f.). Dazu gehört auch die Pressearbeit, die ebenfalls unter diesem Punkt der Vermarktung subsummiert werden soll und von allen Befragten als wichtiger Punkt in der Projektarbeit herausgestellt wird. Es zeigt sich ebenso, dass die sozialen Netzwerke und die Bekanntmachung über das Internet einen genauso wichtigen Aspekt darstellen. Meyer-Zollitsch erklärt dazu, wie wichtig es gewesen sei, dass während des Projekts so viel darüber gepostet wurde, „auf Facebook und überall“, und die Künstler selbst auch auf ihren privaten Accounts unheimlich intensiv über die Arbeit berichtet hätten (Meyer-Zollitsch 2017). Es wird deutlich, dass – je nach Gastland – die Mund-zu-Mund-Propaganda, das begeisterte Darüber-Sprechen, einen nach wie vor sehr wichtigen Aspekt der Vermarktung eines Musikprojektes darstellt. Woitsch erzählt beispielsweise davon, welch großen Effekt das Verteilen von T-Shirts an die beteiligten Studenten mit sich gebracht habe: „Dieses Etablieren des Brands: Wie gesagt, die TShirts waren ein so überschaubarer Einsatz von Ressourcen und gleichzeitig ein Erfolg hinten rum. Das war unfassbar. (...) Die sind so stolz mit diesen Dingern da rumgelaufen und das hat wirklich ganz schnell rumgesprochen“ (Woitsch 2017). Er spricht dabei von einer Markenentwicklung, intern wie auch extern, und bezeichnet die Vermarktung als einen ganz wesentlichen Punkt – entsprechend seines Mottos: „Tue Gutes und rede darüber“ (vgl. ebd.). Auch in Japan habe eine solche Art des Marketings funktioniert, indem man beispielsweise mit
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dem Durchführen eines Workshops für das nächste Konzert gleich wieder Publikum generiert habe (Schöningh 2017). Für Diebold wiederum ist es „zunächst einmal immer die Sache des lokalen Partners, der seine Kontakte hat, der seine Netzwerke hat, diese Sache zu bewerben“ (Diebold 2017). Man bewerbe jedoch die Veranstaltungen auch über die eigenen Kanäle bei der deutschen und internationalen Community. „Da gehen tausende von Mails raus mit dem Flyer oder sonst irgendwas, wo wir dann sagen: Leute, da ist was, wo wir Mitveranstalter sind – Kommt und habt Spaß!“ (ebd.). Hossfeld sieht in Marketing und Öffentlichkeitsarbeit eine „Riesenrolle“, er stellt fest, dass das Goethe-Institut insgesamt sehr viel wert auf Öffentlichkeitsarbeit lege (Hossfeld 2017). Er unterteilt dabei die Vermarktung eines Musikprojekts am Beispiel von Ten Cities in drei unterschiedliche Reichweiten: Das eine sei die „Reichweite einer grundsätzlichen Haltung im Goethe-Institut“, die für das Projekt ganz entscheidend sei (Hossfeld 2017Es gehe um eine Haltung, eine Position, die durch das Projekt mitkommuniziert und dadurch verbreitet werde – verbreitet dann zum Beispiel über die Presse, wenn Journalisten „darüber schreiben, es verstehen und es gut finden“ (ebd.). Dann gebe es eine Reichweite des Projektes in den Szenen. Gerade bei einem solchen Projekt, das die Szenen miteinander vernetze, komme es entscheidend darauf an, wie tief es in die einzelnen Szenen eintauche. Bei der dritten Reichweite gehe es dann schlicht und einfach um die Bekanntmachung der Musik bei einer breiten Öffentlichkeit, den Rezipienten und Konsumenten der Musik (vgl. ebd.). Ein weiterer genannter Aspekt, der dem Marketing zugeordnet werden kann, ist das Schaffen eines möglichst niedrigschwelligen Charakters von Veranstaltungen (Klein 2017). Für Klein spielt deshalb die Vermittlung des Umfelds eine genauso wichtige Rolle. Die Leute würden nämlich auch wegen der netten Atmosphäre kommen und seien dann teilweise überrascht, was für eine Art Musik zu hören ist: „Ich bin da aber eigentlich immer ganz froh drüber. Ich glaube, es ist eine sehr gute Art und Weise den Leuten im Publikum, die zu dieser Musik noch nicht so einen direkten Zugang gefunden haben/ eben dieser Zugang vereinfacht wird. Es ist, wie gesagt, ein schöner Garten, an einem angenehmen Sommerabend. Es kann für Einige eine sanfte Heranführung an diese Musikrichtung bedeuten“ (Klein 2017). Personalplanung und Kooperationsmanagement Wie bereits auf den vorherigen Seiten dargestellt, gestaltet sich das operative Management von Projekt zu Projekt verschieden. Das bedeutet auch, dass Perso-
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nalbedarfe und -planung sowie die vorhandenen Personalressourcen in erheblichem Maße divergieren. Während ein Teil der Befragten in kleinen Teams arbeitet, einige Projektverantwortliche wiederum über Assistenzen verfügen, arbeiten andere überwiegend alleine an der Realisierung der Musikprojekte. Bei mehreren Mitarbeitern in der Kultur-Abteilung eines Instituts, beispielsweise in der Programmabteilung des Goethe-Instituts in Minsk, geht die Entscheidung voraus, wer die Leitung des Projekts übernimmt – diese Entscheidungen werden dialogisch mit der Institutsleitung getroffen und beziehen in der Regel auch die persönlichen Interessen der Mitarbeiter mit ein (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017). In einigen Fällen wurde eigens für das Musikprojekt ein Projektkoordinator eingestellt, so wie es beispielsweise in der Mongolei oder in Vietnam der Fall war (vgl. Meyer-Zollitsch 2017). Darüber hinaus werden weitere Mitarbeiter, Praktikanten und Aushilfen für weitere Arbeiten eingespannt, beispielsweise für den Kassendienst oder das Facility Management (vgl. Klein 2017). Aufgabenvergabe an externe Dienstleister Einzelne Aufgabengebiete werden bisweilen ausgelagert. Das ist oftmals die Öffentlichkeitsarbeit oder die Projektdokumentation. Bei Musikprojekten, die besondere künstlerische Kenntnisse benötigen – so wie es beispielsweise bei Jazz der Fall ist – wird auch gerne ein künstlerischer Berater beauftragt (vgl. Klein 2017). Auch Ten Cities verfügte in jedem der zehn teilnehmenden Länder über einen Kurator, der in seinem Land die Musiker aus seiner eigenen Szene heraus auswählte (vgl. Hossfeld 2017). Die Rolle von lokalen Mitarbeitern und Partnern Alle Befragten geben an, dass die Personalführung und –planung sowie die Beauftragung und Kommunikation mit Dienstleistern einen zeitintensiven Faktor darstellt. Gleichwohl erklärt Hossfeld am Beispiel von Ten Cities, wie wichtig die lokalen Mitarbeiter für die Arbeit des Goethe-Instituts seien: „Die kennen die Szene in- und auswendig. Das ist die große Stärke. Du hast die lokalen Kolleginnen und Kollegen vor Ort. (...) Die sind da. Die sind Teil der Szene“ (Hossfeld 2017). Die Befragten betonen auch stets die Wichtigkeit von Partnern bei der Durchführung von Musikprojekten und es wird deutlich, dass es sich in diesem Fall nicht
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um das Rezitieren außenkulturpolitischer Vorgaben und Satzbausteine handelt, sondern um tatsächlichen Respekt, der die funktionierenden Partnerschaften vor Ort speist. Dies wird auch von Meyer-Zollitsch bestätigt: „Wenn man erstmal eine gute Beziehung hat zu den Leuten, dann geht eigentlich alles. Und dann setzten die auch Himmel und Hölle in Bewegung. Da gibt es dann auch keinen Feierabend“ (Meyer-Zollitsch 2017). Dabei geht es aber auch nicht nur um die Unterstützung bei der Realisierung von Projekten, sondern auch um Expertisen und Ideen, die von den Partnern eingebracht werden. Diebold erläutert in diesem Kontext, dass man offen sei für den künstlerischen Input der Partner und diesen auch immer wieder aufgreife (vgl. Diebold 2017). Die Qualität des Partners ist dabei von entscheidender Bedeutung: So erklärt Klein, dass man in Portugal durchaus mit Partnern zusammengearbeitet habe und sich dann entschlossen habe, darauf zukünftig zu verzichten, weil es einfach nicht gut gelaufen oder kein gegenseitiges Vertrauen vorhanden gewesen sei: „Es muss eine gute Beziehung zu dem Partner da sein und man muss sich auch wirklich darauf verlassen können, dass es da gut angelegt ist“ (Klein 2017). Im Fall des GMUB war vorgesehen, dass der Projektkoordinator auch die gemeinsame Koordination mit den Partnern vor Ort übernehmen sollte. Allerdings hätten die Ansprechpartner sehr häufig gewechselt; die Stelle sei in jener Zeit viermal neu besetzt worden: „Dann stehst du da. Dann hast du wirklich eine gute Arbeitsebene, ein gutes Arbeitsverhältnis aufgebaut und dann wird diese Stelle neu besetzt und dann fängt man wieder von vorne an“ (Woitsch 2017). Genauso ist aber auch die Rotation der entsandten Mitarbeiter der Institute und Kulturabteilungen für die Durchführung langjähriger Projekte nicht immer vorteilhaft, zum Beispiel weil dadurch die Verantwortung für das Projekt wechseln kann. (vgl. Hossfeld 2017). Finanzierung, Drittmittelbeschaffung und Controlling Bezugnehmend auf die untersuchten Projekte geben die Befragten an, dass die Sponsorensuche „ein ganz großes Thema“ sei (Meyer-Zollitsch 2017). Bei langjährigen Projekten sei dies mit der Zeit sogar immer wichtiger geworden, „weil das Budget immer kleiner wird und auch die Institute immer weniger gewillt
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sind alle Kosten ihrerseits zu übernehmen“ (Klein 2017). Die Finanzierung der Projekte sei stets das „A und O“ (Woitsch 2017). Viele der Befragten sprechen davon, bei den Projekten gezielt nach Budgets zu suchen, „von der Hand in den Mund zu leben“, erzählen von mitunter „zufällig“ entstandenen Möglichkeiten der Finanzierung (Diebold 2017, Pinigina-Petrowskaja 2017). Eine Besonderheit stellen jene Projekte dar, die im Rahmen eines Deutschlandjahres realisiert wurden, so wie es bei der Parzival-Produktion in Vietnam der Fall war: „Sagen wir mal, ich würde tatsächlich sagen, ohne das Deutschlandjahr hätten wir dieses tolle Projekt überhaupt nicht realisieren können. Denn, das ist ja klar, dass das auch ein sehr großer Mitteleinsatz gewesen ist. Das heißt, das ging weit über unser normales Budget hinaus. Und sowas können Sie nur im Rahmen des Deutschlandjahres machen. Also, da hätte ich nie im Leben/ Wenn ich einfach als Institutsleiterin Vietnam versucht hätte, sowas abzustellen, hätte ich nie soviel Mittel akquirieren können, dass wir das hätten realisieren können. Einmal durch die Sondermittel vom Auswärtigen Amt im Rahmen des Deutschlandjahres. Das sind ja Sondermittel des Auswärtigen Amts, Sondermittel des Goethe-Instituts. Natürlich auch die Sponsoren, die genau wissen, dass nur im Deutschlandjahr eine solche Sichtbarkeit auch möglich ist. (...) Wenn sie so ausgesprochen große Projekte haben, dass das eben dann doch meistens im Rahmen von solch einem Deutschlandjahr ermöglicht wird“ (MeyerZollitsch 2017). Im Bereich Sponsoring stehe man häufig vor der Herausforderung, dass mögliche Partner oft zunächst das komplette Programm verlangten, um auf dieser Grundlage einen Förderentscheid zu treffen – das Programm hänge jedoch wiederum davon ab, ob und wie viel Geld man von den Sponsoren bekomme (vgl. ebd.). Darüber hinaus sei es, so die Befragten, schichtweg schwierig für manche Arten von Musikprojekten Sponsoren zu begeistern. Landwehr schreibt hierzu, dass am Goethe-Institut sinkende Mittel nicht mehr mit den Deutschkursen ausgeglichen werden könnten: „Für die Kulturmanager des Goethe-Instituts heißt das, dass sie nicht mehr nur die Kooperationen mit anderen Kulturträgern oder mit Stiftungen ausbauen müssen, sondern ihre Produkte sozusagen auch auf den Markt tragen und verstärkt Drittmittel einwerben müssen“ (Landwehr 2014: 123). Die Botschaften stehen ebenso vor großen Herausforderungen bei der Akquise von Drittmitteln, wie es durch die Befragten erklärt wird:
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„Wir haben normalerweise kein sehr großes Budget. Also, wir können zwar immer für spezielle Projekte extra Geld beantragen, aber bei Musikprojekten ist das nicht so leicht, weil eben da oft dann die Antwort kommt: Es ist aber eigentlich doch eher Goethe-Aufgabe, die Kulturarbeit zu machen“ (Uppenkamp 2017). Das Projekt Ten Cities wurde wiederum durch so genannte Exzellenzgelder des Auswärtigen Amts finanziert, was den durchführenden Kulturmanager vor Ort vor Herausforderungen und Drucksituationen stellte – die bewilligten Gelder mussten innerhalb des entsprechenden Haushaltsjahres verausgabt werden, was bedeutet, dass die Produktionsprozesse an bestimmten Punkten beginnen mussten, „weil wir schlicht dann einfach Geld ausgeben mussten“ (Hossfeld 2017). Förderung durch Mittel der Europäischen Union kann in manchen Fällen auch zur Anwendung kommen, wie es im Fall der Minsker Pop-Akademie der Fall war. Pinigina-Petrowskaja erläutert auch, dass die Antragstellung zu Beginn Schwierigkeiten mit sich gebracht habe und sie beim Schreiben von Förderanträgen erst mit der Zeit mehr Sicherheit gespürt habe (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017): „Und das wäre aber auch noch unmöglich gewesen ohne Unterstützung von einem EU-Projekt. Die größten Positionen konnten damit abgedeckt werden. Allein könnten wir das niemals stemmen und hätten das nie stemmen können“ (Pinigina-Petrowskaja 2017). Neben den finanziellen Förderungen durch Dritte, ist auch die Unterstützung von lokalen Unternehmen im Bereich des Sachsponsorings von Bedeutung. Am Beispiel des Jazzfestivals in Lissabon ist das beispielsweise ein Musikgeschäft oder auch ein Klavierstimmer (vgl. Klein 2017). Im Rahmen der Parzival-Produktion wurde mit einem großen Hotel kooperiert, in dem Künstler und Gäste untergebracht werden konnten (vgl. Meyer-Zollitsch 2017). Das Musikprojekt GMUB in der Mongolei wurde durch Kooperationen mit deutschen Unternehmen unterstützt: „(...) über entsprechende Gastkünstler, die da waren, haben wir Kontakte zu Ausstattungsfirmen zum Beispiel knüpfen können, die uns dann mit entsprechenden Discountangeboten großzügig entgegengekommen sind. Und wir haben das geschafft, dort wirklich eine Ausstattung reinzustellen. Das fängt an bei elektronischen Stage-Pianos und hört auf bei Posaunen-Sets, die wir zur Hälfte des Preises da reinlegen konnten“ (Woitsch 2017).
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Dass auch das Controlling, also die Buchhaltung und Kontrolle über das vorhandene Budget, eine wichtige Rolle spielt, wird von einem Teil der Befragten genannt, aber nicht in übermäßig thematisiert. Vertragswesen Das Vertragswesen spielt in den Antworten der Befragten eine eher untergeordnete Rolle, obgleich zu erkennen gegeben wird, dass Verträge viel Arbeit machen würden (Woitsch 2017). Einfach sei es nicht, so Hossfeld, „aber das geht“ (Hossfeld 2017). Besondere Herausforderungen Die Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort ist – wie bereits erwähnt – ein wesentlicher Bestandteil der Kulturellen Programmarbeit. Sehr häufig sind die durchführenden Kulturmanager jedoch auch schlichtweg auf diese Zusammenarbeit angewiesen. Das beginnt schon dann, wenn Veranstaltungen außerhalb einer Residenz oder eines Instituts stattfinden und bereits hierdurch eine Notwendigkeit von Absprachen, Terminierungen und gemeinsam geplanten Arbeitsschritten entsteht. Entsprechend der Komplexität der Musikprojekte und der Größe des geplanten Verbunds divergieren dementsprechend auch die genannten Herausforderungen. Am Beispiel der Musikvermittlungs-Projekte wird deutlich, dass man zunächst Schuldirektoren und andere Verantwortliche davon überzeugen musste, mit einem Hip Hop- oder Jazz-Projekt Zugang zu einer Schule zu finden. In Japan sei Hip Hop beispielsweise nicht die vorherrschende Musikrichtung (vgl. Schöningh 2017). Eine ebensolche Überzeugungsarbeit musste dann auch bei anderen Beteiligten geleistet werden, so zum Beispiel bei den involvierten lokalen Lehrkräften. Woitsch bezeichnet es als größte Herausforderung der ersten anderthalb Jahre des Projekts, neue Ideen in die festgelegten Strukturen und Denkweisen der Partnerinstitutionen zu bringen. Diese Herausforderung bestand gerade vor dem Hintergrund, dass die Lehrweise in der Mongolei zu jener Zeit „diametral entgegengesetzt“ zu den modernen Vorstellungen der Musikvermittlung war, sich noch sehr stark an Lernschulen der ehemaligen Sowjetunion sowie dem benachbarten China orientiert hatte (vgl. Woitsch 2017). Dies hatte zur Folge, dass insbesondere von den alt eingesessenen Lehrern „durchaus Gegenwind“ festzustellen gewesen sei (Woitsch 2017). Es wird aber konstatiert, dass man in der Regel zu einvernehmlichen Lösungen komme – wobei der Einfluss der Residenzen und Institute auch immer eine gewichtige Rolle spielt:
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„Gäbe es die Reputation des Goethe-Instituts im Ausland nicht, könnten wir ganz viele Dinge einfach nicht machen, ganz klar. Man geht schon mit einem gewissen Selbstbewusstsein auch in jedes Gespräch rein“ (Schöningh 2017). Auch in die Bindung der Schüler musste viel Arbeit investiert werden – Woitsch ließ jeden einzelnen Schüler ein Dokument unterzeichnen, welches die Absicht des Schülers erklärte, an dem Projekt regelmäßig teilzunehmen und pünktlich zu sein (vgl. Woitsch 2017). Zu den besonderen Herausforderungen gehört darüber hinaus häufig, dass die beteiligten Partner nur sehr schlechtes Englisch, manchmal auch gar kein Englisch, geschweige denn Deutsch sprechen.92 Hieraus entsteht auch die Notwendigkeit der Übersetzungen von Textbüchern, Programmen, etc. für die Beteiligten (vg. Meyer-Zollitsch 2017). Auch die Bewältigung von technischen sowie infrastrukturellen Aufgaben ist den meisten Ausführungen der Befragten immanent: „Das heißt, auch von daher mussten sich die Mitwirkenden natürlich alle darauf einstellen, dass man es, sagen wir mal, unter den Produktionsbedingungen, die in Vietnam vorhanden waren, hingekriegt hat. Das war teilweise schon eine ziemliche Herausforderung“ (Meyer-Zollitsch 2017). Was die Kulturmanager ebenso in größere Schwierigkeiten bringen kann, sind organisationsstrukturelle Gegebenheiten: „Überregional“ angelegte Projekte der Goethe-Institute, also Projekte, die über eine Region des Goethe-Instituts hinausgehen, bringen besondere erhebliche organisationsstrukturelle Herausforderungen mit sich. Das liege in der Natur der Sache, wenn Institute an unterschiedlichen, oft weit entfernten Orten in der Welt, gemeinsam mit ihren Partnern vor Ort, in einem Projekt zusammenkommen. Das Netzwerk des Goethe-Instituts mache solche Projekte möglich, aber sie seien schwierig (vgl. Hossfeld 2017). Auffällig ist, dass die Befragten in den wenigsten Fällen die Kommunikation mit den Künstlern und deren Belange als besondere Herausforderung nennen. Zwar wird oftmals die anstrengende logistische Planung (zum Beispiel die Reiseplanung) genannt – allerdings spiele dieser Aspekt in der Gesamtheit der Betrachtung eine nur untergeordnete Rolle (vgl. Klein 2017). Problematisch war der Umgang mit Künstlern dann, wenn man sich nicht gänzlich auf sie habe verlassen können (vgl. Hossfeld 2017). Inhaltlich-ästhetische Aspekte werden 92
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Sprache, die Literatur, der Wissenskanon im Kulturmanagement nach wie vor deutlich aus einer „nord-globalen“ Perspektive dominiert wird. Auch können die Sprachen Englisch, Deutsch, Französisch im globalen Süden mitunter negativ-konnotiert sein.
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von den Befragten wiederum nicht unbedingt als herausfordernd eingeschätzt, nur für Meyer-Zollitsch war es das Zusammenbringen von Schauspielkunst, Tanz und Musik (vgl. Meyer-Zollitsch 2017). Ein anderes Projekt in Ägypten scheiterte deshalb, weil die Künstler das Engagement aus Angst vor Anschlägen absagten (vgl. Diebold 2017). Andere angefragte Musiker erhielten nicht alle erforderlichen Security Clearances von ägyptischer Seite – dies mutmaßlich, weil es sich hierbei um ein geplantes Rockfestival für eine junge Zielgruppe handelte (vgl. Diebold 2017). Auch MeyerZollitsch musste Rücksicht auf die staatliche Zensur nehmen – am Morgen der Aufführung des Parzival wurde diese nochmals abgenommen, was zur Folge hatte, dass ein von Tankred Dorst in den Text eingearbeitetes Schimpfwort gestrichen werden musste (vgl. Meyer-Zollitsch 2017). Pinigina-Petrowskaja benennt die größten Herausforderungen in jenem Zeitraum, in dem in Weißrussland noch keine visafreie Einreise möglich war und die Pässe von zwei eingeladenen Speakern im Zuge eines Streiks der deutschen Post verloren gingen: „Und ich musste dann einen Kopfstand machen und dafür hat das ganze Institut, glaube ich, dann gearbeitet. Wir haben über die deutsche Botschaft, zu der wir eigentlich gehören, das Innenministerium hier und das Außenministerium in Deutschland nochmal angefragt. (...) Und man hat für unsere Referenten dann ausnahmsweise in zwei Tagen neue Reisepässe ausgestellt und neue Visa reingestempelt. (...) Also, das war so eine Zusammenarbeit von zum Teil so großen und für mich unverständlichen Mechanismen“ (Pinigina-Petrowskaja 2017). Es können demzufolge aus der Musikarbeit im Ausland verschiedenartige Herausforderungen abgeleitet werden, die in der folgenden Graphik (Abbildung 8) nochmals zusammenfassend dargestellt werden. Die genannten Herausforderungen fungieren wiederum im folgenden Kapitel als Grundlage für die Erarbeitung der Bedarfe kulturmanagerialer Qualifikationen bei der Umsetzung von Musikprojekten.
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Zugänge (Vertrauen, Ermöglichung,etc.) Joint Participation (Gemeinschaftliches Vorgehen, Einvernehmen, etc.) Organisation Sprache Organisationsstrukturen Führung Lokale Einflussfaktoren (Visa, Zensur, etc.) Abbildung 8: Besondere Herausforderungen bei der Durchführung von Musikprojekten, eigene Darstellung
7.2.3 Erfolgsbewertungen „Der Erfolg spiegelt sich natürlich einmal objektiv in dem Parameter, den man für Kulturveranstaltungen natürlich immer hat. Also, wie viele Zuschauer waren da? War das Haus ausverkauft? Und haben die Medien berichtet? Das konnte man alles mit ‚Ja‘ beantworten. Also, wir hatten ein enorm großes Medienecho. Aber für uns, für die Macher sozusagen, war eigentlich diese enorme Intensität des Produktionsprozesses, das war etwas, was uns alle unglaublich bewegt hat. Sowohl das Regieteam als auch eben alle Mitwirkenden. Und man hat eben gespürt wie die Begeisterung auch neue Kräfte entwickelt, entfesselt hat sozusagen, bei den Mitwirkenden“ (Meyer-Zollitsch 2017). Mit diesem Zitat können bereits die wesentlichen Aspekte der Erfolgsbewertung eines Projekts durch die Befragten zusammengefasst werden. Diese Erfolgsparameter lassen sich unter den Begrifflichkeiten Interesse und Öffentlichkeit, Begeisterung und Prozesshaftigkeit subsummieren. Es können darüber hinaus aber auch noch weitere Aspekte identifiziert werden, die eine erfolgreiche Bewertung eines Musikprojekts durch die Befragten zur Folge haben.
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Interesse und Öffentlichkeit Das Interesse an den durchgeführten Musikprojekten durch Besucher, Teilnehmer, etc. ist für viele der Befragten ein zentrales Erfolgskriterium. Meyer-Zollitsch gibt beispielsweise an, dass sich im Vorfeld der Parzival-Aufführung eine solch starke Eigendynamik und Interesse des kulturinteressierten Publikums entwickelt hätten, dass man sich entschied, die Generalprobe als zusätzliche Veranstaltung anzubieten (vgl. Meyer-Zollitsch 2017). Auch die anderen Kulturmanager argumentieren häufig mit Zuschauerzahlen und dem großen Interesse an deren Projekten (vgl. Klein 2017). Allerdings gibt Uppenkamp ebenso zu bedenken, dass es eben auch ganz und gar auf das Format des Musikprojekts ankomme – während beispielsweise bei bestimmten Konzerten 120 Zuschauer als sehr erfolgreich zu erachten wären, komme dieselbe Zahl an Zuschauern bei einem Gastspiel des Münchener Kammerorchesters einem „Flop“ gleich (Uppenkamp 2017). Für Schöningh sind es dann auch beispielsweise die Klickzahlen, die ein Video eines am Musikprojekt angegliederten Wettbewerbs auf YouTube generiert hat (vgl. Schöningh 2017). Grundsätzlich sehen alle Befragten in der Öffentlichkeitswirkung einen wichtigen Erfolgsfaktor – in manchen Fällen wird hierbei von Leuchttürmen gesprochen; Meyer-Zollitsch spricht im Fall von Parzival von einem Highlight als Abschluss des Deutschlandjahres (vgl. Meyer-Zollitsch 2017). Auch Woitsch nennt die Wichtigkeit, dass das Musikprojekt in der Mongolei sehr schnell seine „Kreise geschlagen“ habe, die Menschen auch außerhalb der Hochschule Notiz genommen hätten (Woitsch 2017). Hossfeld betont wiederum, dass es für ihn am wichtigsten gewesen sei, in die lokalen Szenen in Angola, Lagos, Südafrika, hinein zu wirken und das Musikprojekt dort bekannt zu machen (vgl. Hossfeld 2017). Empowerment Am Beispiel der Entwicklung des Curriculums für das GMUB wird deutlich, wie wichtig die Kompetenzvermittlung und Bewusstmachung der Stärken lokaler Kräfte als Bestandteil eines erfolgreichen Musikprojekts eingeschätzt wird (vgl. Woitsch 2017). So hätten die anfänglich kritischen Theorielehrer des Colleges schnell gemerkt, welche Fortschritte die Studierenden des GMUB machten. Aus diesem Grund wurden Fortbildungen für die gesamte Theorieabteilung des Colleges angeboten. So seien neue methodische Herangehensweisen vermittelt und festgelegte Strukturen sowie Denkweisen aufgelöst worden (vgl. Woitsch 2017). Pinigina-Petrowskaja bewertet beispielsweise eine Reise nach Deutschland als Erfolg, bei der die belarussischen Teilnehmer den gesamten Organisationsablauf des Haldern Popfestivals kennenlernen durften, in die Durchführung des Festi-
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vals mit eingebunden wurden und diese „gelernten Tricks“ schließlich unmittelbar in die Organisation der heimatlichen Open-Air-Festivals einfließen lassen konnten (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017). Grundsätzlich erkennt die Kulturmanagerin im Goethe-Institut Minsk einen neutralen, „geschützten Raum“, den die Musikakteure der lokalen Szene für sich in Anspruch genommen haben (Pinigina-Petrowskaja 2017). Zweibahnige Prozesse und Nachhaltigkeit Hossfeld sieht in der gleichberechtigten, prozesshaften Durchführung eines Musikprojekts einen wesentlichen Erfolgsfaktor – Musiker, die wirklich miteinander sprechen, sich gegenseitig etwas zu geben haben und sich für eine gewisse Zeit aufeinander einlassen. Von einem solchen Austausch und gemeinsamen Prozess würden dann auch Musiker aus Europa profitieren (vgl. Hossfeld 2017). Jedoch bewege man sich, so Hossfeld, in offenen Projekten oft in einem hohen Unsicherheitsbereich, weshalb es auch oft gut begründet sei, wenn sich Kulturmanager im Ausland auf das Veranstalten von Konzerten beschränken (vgl. Hossfeld 2017). „Und ich glaube das wären die Bedingungen an die Projekte, die ich gut finde und die ich wichtig finde. Es muss auf beiden Seiten was passieren. Es muss symmetrisch sein. Es muss produktiv sein. Es muss ein echtes, produktives, ehrliches Gespräch in einem gemeinsamen Bezugsrahmen ergeben, der aber unterschiedlich genug ist, dass auch was passiert. Und es muss aus Goethe-Institut-Sicht auch so sein, dass es ohne das Goethe-Institut nicht stattfinden würde. Wenn es eh stattfindet, sollten wir es nicht machen. Wir machen nur die Sachen, die nicht stattfinden“ (Hossfeld 2017). Ob ein Projekt dieser Art tatsächlich als erfolgreich zu bewerten ist, das sei eigentlich erst Jahre später, beispielsweise über Expertengespräche in den Szenen herauszubekommen. Es sei schwer, so Hossfeld, diese Wirkungen nachzuvollziehen (vgl. Hossfeld 2017): „Eigentlich setzen wir bei solchen Projekten, die eher so netzwerkmäßig ausgerichtet sind, auf eine Wirkung, die indirekt ist, die langfristig ist, die erst so vielleicht in drei, vier, fünf Jahren rauskommt“ (ebd.). Begeisterung Ein vermeintlich offensichtlicher, aber nicht minder wichtiger Aspekt für die Befragten ist die Zufriedenheit und Begeisterung der Teilnehmer. So berichtet
7.2 Ergebnisse der Untersuchung
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Woitsch davon, dass er gerade zu Beginn sehr bemüht gewesen sei, die Studierenden „als eine Crew, eine Familie“ zu etablieren, die sich mit diesem Projekt identifiziert (vgl. Woitsch 2017). Hierdurch habe er eine besondere Atmosphäre schaffen wollen, die aus dem Projekt in das College hineinwirkte (vgl. ebd.). Auch Pinigina-Petrowskaja betont, wie wichtig es ihr gewesen sei, dass die Bands selbst glücklich waren. Zugang zur Zielgruppe Schöningh nennt als besonderen Erfolgsfaktor das besondere Engagement sowie die überzeugende und körperliche Präsenz von Robert Gwisdek (Käptn Peng) bei der Durchführung der Workshops. Die besonderen Fähigkeiten des Künstlers seien ideal gewesen, um die Zielgruppe ansprechen zu können (vgl. Schöningh 2017). Role Modelling Aus vielen Aussagen der Befragten lässt sich schließen, dass ein Musikprojekt auch dann als erfolgreich bewertet werden kann, wenn sich hiervon wiederum andere Institute, Organisationen, etc. inspirieren lassen. Das kann eine vollumfängliche oder auch teilweise Adaption eines Musikprojektes sein – beispielsweise werden an den Goethe-Instituten oftmals Musikprojekte realisiert, die bereits in anderen Instituten eine erfolgreiche Durchführung erfahren haben. Hier kann exemplarisch das Verbundprojekt Konzert + Workshop genannt werden. Auch Hossfeld habe früh auf den Erfolg von Ten Cities schließen können, als sich das Haus der Kulturen der Welt von diesem Projekt inspirieren ließ. Auch seien zahlreiche Buchprojekte durch das Projekt inspiriert worden (vgl. Hossfeld 2017). In den Anfangsjahren des GMUB kam es sogar dazu, dass ein Musiker aus Südafrika in die Mongolei reiste und sich unter anderem auch hierdurch zur Gründung der Rainbow Academy in Südafrika inspirieren ließ (vgl. Woitsch 2017). Die folgende Graphik (Abbildung 9) verweist nochmals zusammenfassend auf die durch die Auswertung gesammelten Kriterien zur Erfolgsbewertung eines Musikprojekts.
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Interesse und Öffentlichkeit Empowerment Zweibahnige Prozesse und Nachhaltigkeit Begeisterung Zugänge Role Modelling Abbildung 9: Kriterien zur Erfolgsbewertung eines Musikprojekts, eigene Darstellung
7.2.4
Bedarfe kulturmanagerialer Qualifikationen und Kenntnisse bei Musikprojekten
Im folgenden Kapitel sollen entsprechend der Kategorie FACHWISSEN die ermittelten Bedarfe kulturmanagerialer Qualifikationen und Kenntnisse bei Musikprojekten herausgearbeitet werden. Auch in diesem Fall sind zwischen den einzelnen Punkten wieder Überschneidungen zu erkennen – die Aspekte Kenntnisse regionaler Einflussfaktoren, Netzwerk- und Kooperationsmanagement, Leadership sowie Transkulturelle Kompetenz weisen deutliche Interdependenzen auf. Projektmanagement Die Bewältigung der allgemeinen Herausforderungen des Projektmanagements nimmt in der Durchführung von Musikprojekten einen wesentlichen Stellenwert ein. Anhand der über die bereits dargestellten Aspekte zur Planung und Durchführung von Musikprojekten ergeben sich für die Kulturmanager zahlreiche Aufgaben. Diese lassen sich den klassischen Phasen eines Projektablaufs zuordnen (vgl. Klein 2008: 45). Neben der Planungsphase wird der Arbeitsalltag der Kulturmanager maßgeblich durch die Realisierungsphase, vor allem durch Logistik, Reise, Behördengänge (Visa, etc.), Hospitality, Instrumentenmiete, Vertragsbearbeitung, Personalmanagement, Pressearbeit und Marketing bestimmt. Es zeigt sich, dass die Musikprojekte verschiedenartig bearbeitet werden, manchmal von
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einem Kulturmanager alleine, manchmal in arbeitsteiligen Prozessen.93 Es ist jedoch nicht der Fall, dass für Projektmanagement konkrete strukturelle wie instrumentelle Vorgaben existieren, allerdings verweisen die Befragten der Goethe-Institute auf in Anspruch genommene Fortbildungen und die existierenden Angebote zur Weiterbildung (vgl. Klein 2017). Pinigina-Petrowskaja verweist darauf, dass es beim Projektmanagement in besonderer Weise auf Selbstdisziplin, Selbstorganisation und ein gutes Zeitmanagement ankomme (vgl. PiniginaPetrowskaja 2017). Kenntnisse regionaler Einflussfaktoren Was der Kulturmanager mitbringen müsse, sei, so Woitsch, die Fähigkeit, die Szenen vor Ort einschätzen zu können. Er betont, wie wichtig es sei, tatsächlich vor Ort zu sein, die richtigen Schlüsse zu ziehen und ein Verhältnis zu den Partnern aufzubauen. Man müsse sich die Frage stellen, was auf der einen Seite sinnvoll, was auf der anderen Seite gewollt sei und wie dann die Projekte mit den Partnern auf welche Art und Weise umgesetzt werden könnten (vgl. Woitsch 2017). Auch Hossfeld sieht in der Kenntnis der lokalen Szene einen wichtigen Faktor (vgl. Hossfeld 2017). Dazu gehöre mitunter auch das Hintergrundwissen über die Lebenssituation der Musiker, falls dieses von Belang für die Durchführung des Musikprojektes sei (vgl. Meyer-Zollitsch 2017). Für Schöningh wiederum ist genau diese Kenntnis der lokalen Szene auch die Aufgabe der Ortskräfte. Es sei deshalb eher die Kompetenz gefordert, jemanden zu identifizieren, der wisse, was vor Ort laufe und das einem dann auch so mitteile (vgl. Schöningh 2017): „Ich muss einen Zugang haben zu meiner eigenen Szene. Ich muss einen vermittelnden Zugang haben zu der Szene des Landes, in dem ich bin. Und dann muss ich überlegen, wie kriege ich das irgendwie zusammen und angedockt?“ (ebd.). Folglich stellt Schöningh die Frage, ob es nicht gerade deshalb einen Generalisten als Kulturmanager brauche, der sich zunächst einmal anschaue, mit wem man vor Ort wie arbeiten könne (vgl. Schöningh 2017). Am Beispiel der Musikarbeit in Vietnam erläutert Meyer-Zollitsch, dass man aufgrund der jungen Altersstruktur des Landes besonders für ein junges Publikum „Identifikationspunkte und Anknüpfungspunkte“ habe bieten wollen (Meyer-Zollitsch 2017). Ebenfalls am Beispiel Vietnams erläutert Schöningh wiederum die Notwendigkeit eines Goethe-Instituts, das eigene Profil sowie die Wahrnehmung des Instituts in diesem Ort konkret zu analysieren – in diesem 93
Vgl. hierzu auch den Punkt Personalmanagement.
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Fall als ein Ort, an dem Dissidenten angestellt seien und Kunst gezeigt würde, die im öffentlichen vietnamesischen Diskurs nicht gezeigt werden dürfe (vgl. Schöningh 2017). Dieser Umgang mit restriktiven Regimen, der staatlichen Zensur, Visa-Fragen etc. stellt die Arbeit der Kulturmanager sodann auch in einen Kontext, der politische und diplomatische Einschätzungen erfordert. Oftmals ist es jedoch schlichtweg der Umgang mit differierenden Habitus und Lebensweisen. Klein rät dazu, sich in gewissen Situationen anzupassen, nicht zu versuchen, sich stur durchzubeißen und auch nicht in Panik auszubrechen, wenn man beispielsweise ein Timing nicht einhalten könne (vgl. Klein 2017). Auch die bereits zitierte Studie des Kulturmanagements im internationalen Kontext kommt zu der Erkenntnis, dass, neben den generellen Funktionen des Kulturmanagements, die Konzepte und Strategien stets spezifisch und adäquat an die bestimmten Rahmenbedingungen vor Ort angeglichen werden müssten (vgl. Mandel 2017: 221). Netzwerk- und Kooperationsmanagement Zum Netzwerk- und Kooperationsmanagement schreibt Dittrich-van Wehring, dass es entscheidend sei, zu wissen, mit WEM sich vor Ort gemeinsam erarbeitete kulturelle Programme durchführen ließen (vgl. Dittrich-van Wehring 2016: 117): „Das Vertrauen in den Partner ist dabei wichtiger als seine Fachkenntnisse, denn er kennt in seinem sozialen Netzwerk Menschen, die das erforderliche Fachwissen mitbringen und hat gegebenenfalls Kontakte zu Mitveranstaltern, die über Räumlichkeiten und ein Stammpublikum verfügen“ (ebd.). Auch die Befragten benennen das Netzwerk vor Ort als „Säule“ der Durchführung von Musikprojekten (Woitsch 2017), für Schöningh stellt das Netzwerk gar das „Allerwichtigste“ dar – die Arbeit sei im Wesentlichen davon bestimmt, zu hinterfragen, wen man einbinde, wie belastbar die Netzwerke seien und wie man diese Netzwerke wiederum an die eigene Arbeit binde (vgl. Schöningh 2017 und Woitsch 2017). Uppenkamp erläutert, dass man eigentlich immer Partner vor Ort brauche (vgl. Uppenkamp 2017). Aus den Projekten ergäben sich, so Schöningh, konkrete Fragen, deren Beantwortung über entsprechende Netzwerke zu lösen sei. Dies könne beispielsweise das Booking von Künstlern und Dozenten oder das Marketing sein. „Wer klebt mir die Poster an die Hauswände in Kyoto, was tausend Kilometer entfernt ist?“ (Schöningh 2017). Entweder finde man Leute, die man bezahlt, oder man finde Leute, die man entsprechend begeistert (vgl. ebd.). Schöningh bezeichnet diese Art von Kompetenz als „Soziales Aktivierungspotenzial“ und schreibt dieser gerade im Ausland eine besondere Wichtigkeit, je-
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doch auch eine besondere Komplexität zu. Dies läge vor allem an der darin mitschwingenden „Kulturtransformationsaufgabe“ (Schöningh 2017). Ferner ist zu erwähnen, dass die Netzwerkarbeit auch bei der Mittelbeschaffung eine große Rolle spielt. Oftmals werden Projekte zwar durch die Institute organisiert, jedoch kooperativ finanziert (vgl. Klein 2017). Die Botschaften gehen solcherlei Partnerschaften auch oft mit den Botschaften anderer Länder ein (vgl. Diebold 2017).
Transkulturelle Kompetenz Transkulturalität verweist, nach Heinze, auf „die Vielfalt unterschiedlicher Lebensformen und Lebensstile moderner Gesellschaften sowie die Grenzüberschreitung von Nationalkulturen“ (Heinze 2009b: 36). Nach Wolfram ermächtigt Transkultur „zu einer Selbstdarstellung von Menschen auf Grund ihrer eigenen Selbstentwürfe, Ideen und Vorstellungen“ (Wolfram 2015: 21). Dabei entwirft das Konzept der Transkulturalität „ein anderes Bild von Verhältnis der Kulturen. Nicht eines der Isolierung und des Konflikts, sondern eines der Verflechtung, Durchmischung und Gemeinsamkeit“ (Welsch 1994: 4). Das Wissen und der Umgang mit dem Konzept der Transkulturalität wird von allen Befragten als Kernkompetenz des Managements der Auswärtigen Musikarbeit bewertet. Woitsch spricht in diesem Zusammenhang von einer „interkulturellen Empathie“, einer Fähigkeit des Kulturmanagers, die er mitbringen müsse, um sich in kulturelle Mentalitäten vor Ort einfühlen zu können (Woitsch 2017). Klein wiederum tut sich jedoch schwer, grundlegende soziale Kompetenzen und interkulturelle Kompetenzen voneinander zu trennen. Man müsse sich einfach auf andere Gegebenheiten, Menschen, Kulturen einlassen können (vgl. Klein 2017). Auch Pinigina-Petrowskaja subsummiert die für die Kulturmanager erforderlichen Kompetenzen schlicht unter dem Lemma der Soft Skills (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017). In einem Artikel zum Kulturmanagement im internationalen und interkulturellen Kontext stellt Mandel wiederum fest, dass ein Verständnis von interkultureller Kompetenz als Wissen, wie man mit Mitgliedern aus anderen Kulturräumen am besten umgehe, um nicht gegen gängige Sitten und Gebräuche zu verstoßen, nicht mehr ausreichend sei (Mandel 2016: 96). Mandel fragt, welche Art von methodischem Wissen für das Agieren in internationalen Kontexten notwendig sei: „Umfasst es v.a. Social-Skills, um Vertrauen und Akzeptanz in verschiedenen Ländern zu gewinnen? Oder beinhaltet es eher die Fähigkeit, die kulturellen Normen des eigenen Landes und mehr noch des eigenen Milieus in Auseinandersetzung mit anderen kulturellen Systemen und Einstellungen kritisch
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
zu hinterfragen?“ (ebd.). Sie verweist auf die Autoren Schuster und Schütz, die in ihrem Magazin für internationales Kulturmanagement für eine „grundlegende transkulturelle Verständniskompetenz“ plädieren (Schuster/Schütz 2015: 3). Dem Begriff der Verständniskompetenz folgend, sind dementsprechend auch die Sprachkenntnisse von Relevanz. Diese werden zwar von den Befragten nicht prioritär, jedoch in den Aufzählungen häufig genannt (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017). Leadership-Qualitäten Der von Schöningh eingeführte Begriff des „Sozialen Aktivierungspotentials“ kann sich auch auf die besonderen Anforderungen an das Leadership des Kulturmanagers beziehen. Leadership beinhaltet – nach Wirtschaftslexikon Gabler – „einerseits Eigenschaften (z.B. Charisma, Persönlichkeit, Sympathie) und andererseits Fähigkeiten (z.B. Motivationsfähigkeit, Rhetorik, Überzeugungskraft), die in eine interaktionsbezogene und verhaltensbeeinflussende Managementkompetenz als zentrale Charakteristika von Leadership münden“ (Nr.78). Nach Klein werden das Wissen, die Fähigkeiten und vor allen Dingen das Engagement der Mitarbeiter zu „kapitalen Organisationswerten, die ebenso bewertet, gepflegt und erweitert werden müssen, wie etwa die materiellen Vermögenswerte einer Kultureinrichtung“ (Klein 2009: 9).94 Die Kompetenz des Kulturmanagers im Ausland liegt demzufolge auch ganz besonders im Führungsverhältnis zu den Mitarbeitern und unterscheidet sich hierdurch nochmals dezidiert von der Annahme allgemeingültiger berufstypischer Qualifikationen des Kulturmanagements. Dementsprechend bezeichnet Schöningh seine Mitarbeiter als „erste Zielgruppe“ seiner Tätigkeit und stellt die Frage in den Mittelpunkt, wie man sich diesen gegenüber verhalten müsse, wie den lokalen Kräften und wie den deutschen Angestellten gegenüber (Schöningh 2017). Zudem erklärt er, dass es wichtig sei, zu analysieren und die Mitarbeiter identifizieren zu können, die sich in ein Musikprojekt „reinhängen wollen“, einen Zugang fänden und auch verstünden, was man damit vorhabe (Schöningh 2017). Pinigina-Petrowskaja bestätigt, dass im Erkennen der richtigen Persön94
Eine Studie von Rowntree, Neal & Fenton im Auftrag des Programms Cultural Leadership International (CLI) und des BRITISH COUNCILS kann für weiterführende Erkenntnisse herangezogen werden. CLI konzentriert sich allerdings im Wesentlichen auf die Unterstützung junger Kulturmanager im Feld der internationalen Kulturarbeit, die befragten Kulturmanager der Studie arbeiten alle im Feld der internationalen Kulturarbeit, das sind Theaterfestivals, Bibliotheken, etc. – explizit nicht arbeiten sie jedoch als Auswärtige Kulturmanager für Mittlerorganisationen (vgl. Rowntree/ u.a. 2011, ebenso die grundegenden Ausführungen zum Leadership, zum Beispiel Drucker 2001).
7.2 Ergebnisse der Untersuchung
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lichkeiten für ein Projekt eine wichtige Kompetenz liege (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017). Zu einer ganz ähnlichen Erkenntnis kommt auch die Studie des arts/cultural managements im internationalen Kontext: „A clear majority of respondents is convinced that the working style of arts/ cultural managers is less determined by structural factors like the system of cultural policy or the understanding of arts and culture in the region but rather by the individual personality, educational background and the individual professional path“ (Mandel 2017: 219). Einen anderen Aspekt bei der Personalführung benennt Landwehr, Bezug nehmend auf ihre Goethe-Zeit in Indien. In einem Artikel über die Arbeit als Kulturmanager im Max Mueller Bhavan – wie das Goethe-Institut in Indien genannt wird – beschreibt Landwehr, dass der „westliche Kulturmanager“ bei Personalmanagement und bei der Einstellung von Mitarbeitern Vorsicht walten lassen müsse, da Konflikte zwischen Religionen und so genannten indischen Communities bis heute wahrnehmbar seien (Landwehr 2014: 122).95 Hierdurch werden auch die Interdependenzen zwischen den genannten Bedarfen kulturmanagerialer Qualifikationen deutlich. Nicht genannte Kompetenzen Die Abbildung 10 stellt nochmals die ermittelten Bedarfe kulturmanagerialer Qualifikationen und Kenntnisse bei Musikprojekten im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit grafisch dar – die farbliche Unterscheidung erklärt sich über eine separate Darstellung der genannten sozialen Kompetenzen und ihre Verbindungen (Netzwerkmanagement, Leadership, Regionalkenntnisse und Netzwerkmanagement) sowie der managerialen Kompetenzen (Projektmanagement). Interessant ist dabei, dass die Notwendigkeit von betriebswirtschaftlichen und künstlerisch-inhaltlichen Kenntnissen der Kulturmanager seitens der Befragten nahezu vollständig ausgeklammert werden. Die Abbildung 11 nimmt ein weiteres Mal Bezug auf Fischer und fasst die Ergebnisse und Schwerpunkte mit der vorherig erarbeiteten Auswertung des ersten Teils der Befragungen grafisch zusammen.
95
Passenderweise benennt Landwehr ihren Artikel OPEN FOR EVERYTHING und will damit die Notwendigkeit eines Kulturmanagers des Goethe-Instituts beschreiben, offen für die gastgebende Gesellschaft, gegenüber der Kunst, der Wirtschaft, etc. zu sein.
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Netzwerkmanagement
Projektmgmt
Trans-kulturalität Regionalfaktoren
Leadership
Abbildung 10: Bedarfe kulturmanagerialer Qualifikationen und Kenntnisse bei Musikprojekten und deren Zusammenhänge, eigene Darstellung
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7.2 Ergebnisse der Untersuchung
Erfolgsbewertung Interesse/ Öffentlichkeit Empowerment Zweibahnigkeit Begeisterung Zugänge Role Modelling
Musikprojekt
Berufstypische Qualifikationen Projektmanagement Soziale Kompetenzen Netzwerkmgmt Transkulturalität Regionalfaktoren Leadership
Sachfunktionen
Führungsfunktionen
Fachwissen
Künstlerische Kompetenzen Rahmenbedingungen Handlungslogik des Kulturmanagements a) Kulturpolitischer Kontext AKBP b) Extrinsische oder intrinsische Faktoren c) Mittler oder diplomatische Vertretung Künstlerische Idee Abbildung 11: Management von Musikprojekten im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit (nach Fischer 2004: 110), eigene Darstellung
7.2.5 Reflexion und Umsetzung kulturpolitischer Vorgaben bei Musikprojekten Im zweiten Teil der Auswertung sollen nochmals explizit die Reflexion und Umsetzung kulturpolitischer Vorgaben bei Musikprojekten durch die durchführenden Kulturmanager aufgezeigt werden. Danach werden das eigene Rollenver-
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
ständnis, die musikalische Ausbildung und deren Einfluss auf die Musikarbeit eruiert. Politische Dimension der kulturmanagerialen Tätigkeit und Orientierung an außenkulturpolitischen Zielvorgaben Die Befragten verweisen darauf, dass der Kulturmanager vor Ort derjenige sei, der letztlich die Auswärtige Kulturpolitik umzusetzen habe und dass dies auch stets in der Arbeit mitschwinge. Es sei aber nicht so, dass man sich tagtäglich mit der Frage beschäftige, welchen Teil der Auswärtigen Kulturpolitik man denn nun „heute mal umsetzen“ wolle (Woitsch 2017). Tatsächlich wird ein konkreter Bezug der Musikarbeit zu etwaigen strategischen Vorgaben sehr unterschiedlich bewertet. Ein überwiegender Teil – sei es in den Botschaften oder Goethe-Instituten – findet keine gesonderte Verortung von Musikprojekten zu bestimmten strategischen Zielen (vgl. Uppenkamp 2017, Woitsch 2017). Es wird dargelegt, dass Ziele im Unterbewusstsein verankert seien, dann jedoch eher an konkreten Personen und Zugängen vollzogen würden – es müsse auch immer ein Stück weit abstrahiert werden (vgl. Schöningh 2017). Pinigina-Petrowskaja erkennt die strategischen Vorgaben zwar als Richtlinien an, sieht aber auch einen großen Spielraum in der Projektplanung (vgl. PiniginaPetrowskaja 2017). Man denke zwar nicht die ganze Zeit an die Vorgaben, aber habe einen Überblick und könne sich so regelmäßig selbst überprüfen (vgl. ebd.). Hossfeld hingegen will die Arbeit am Goethe-Institut Kenia deutlich im Rahmen der Regionalstrategien des Goethe-Instituts für Subsahara-Afrika eingeordnet wissen: Er habe die Entstehung jener Strategie begleitet, habe sie für wichtig und sehr gut gehalten und versucht, diese Strategie durch seine Arbeit umzusetzen (vgl. Hossfeld 2017). rundsätzlich sind die Musikprojekte stets verschiedenen außenkulturpolitischen Zielen zuzuordnen. So wird beispielsweise die Musikarbeit in Entwicklungsländern aus bisweilen gänzlich anderen Perspektiven heraus betrieben als es in westlichen Ländern der Fall ist (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017).96 Der Terminus Auswärtige Musikpolitik ist den Befragten allerdings weniger geläufig, erfährt auch seitens der Befragten keine Verwendung, obgleich der Musikarbeit stets auch eine politische Dimension innewohnt. Schon alleine die transnationale Zusammensetzung von Bands könne, so Klein, bisweilen einen „politischen Faktor“ darstellen, der weit über rein musikalische Aspekte hinaus96
Der Terminus Entwicklungsland ist umstritten und es existiert auch keine einheitliche Definition. Bisweilen hat sich die Nutzung des Begriffs Globaler Süden durchgesetzt, eine Anwendung in obenen beschriebenem Kontext wäre jedoch ebenfalls nicht korrekt.
7.2 Ergebnisse der Untersuchung
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ginge (Klein 2017). Diebold wiederum spricht der Musik zwar ebenfalls eine politische Dimension im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik zu, glaubt aber nicht, dass man mit Musik tatsächlich Politik machen könne (vgl. Diebold 2017). 7.2.6 Musikalische Interessen, Involviertsein und das eigene Rollenverständnis Musikalische Vorkenntnisse und Interessen Der überwiegende Teil der Befragten verfügt zwar über keine professionelle musikalische Ausbildung in Form eines Studiums, benennt jedoch ein grundsätzlich großes Interesse an Musik. Bis auf eine Ausnahme haben alle Befragten über mehrere Jahre ein Instrument erlernt, in Bands und Orchestern gespielt oder tun das bis heute noch. Interessant ist die Feststellung, dass die Kulturmanager tatsächlich stark unterschiedliche musikalische Interessen bekunden – diese reichen von Punk, Jazz, Frühbarock bis hin zu Classic Rock (vgl. Schöningh 2017). Die Befragten bewerten sehr unterschiedlich, ob ihre musikalischen Vorkenntnisse in hervorgehobener Weise mit ihrer Arbeit an den Musikprojekten verknüpft werden können. Woitsch erklärt beispielsweise, dass er zwar Klarinette gelernt habe, aber dieses Wissen nicht für die Umsetzung eines Musikprojekts benötige – für die wirklichen Kernkompetenzen im Bereich Musik müsse man sich ohnehin die entsprechenden Experten holen, da dies der einzelne Kulturmanager nicht abdecken könne (vgl. Woitsch 2017). Andere wiederum verweisen darauf, dass sie sich auch genauso für andere künstlerische Genres interessierten, wie zum Beispiel Tanz oder Film (vgl. Meyer-Zollitsch 2017, Hossfeld 2017). Klein wiederum gibt zu erkennen, dass sie im Musikbereich gerne „sehr viel mehr machen“ wolle, weil sie eben auch aus dem Musikbereich komme und das der Bereich sei, für den sie sich am meisten interessiere (Klein 2017). Durchführung anhand persönlicher musikalischer Interessen Diese unterschiedliche Bewertung spiegelt sich auch in der Einschätzung wider, inwieweit die persönlichen Interessen grundlegenden Einfluss auf die Planung und Durchführung von Musikprojekten der Auswärtigen Kulturpolitik haben. Diebold konstatiert, dass er jede Art von Musik ständig machen wollen würde, wenn es nach ihm ginge (vgl. Diebold 2017). Allerdings verwehre er sich auch in aller Deutlichkeit des Eindrucks, dass mehr Interesse auch gleichzeitig mit mehr Engagement für eine Sache einherginge (vgl. Diebold 2017). Auch für Klein geht es um die Qualität der Musikprojekte – ihr eigener Musikgeschmack dürfe kein
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
Auswahlkriterium darstellen (vgl. Klein 2017). Ein persönliches Interesse an der Sache könne jedoch andere Auswirkungen haben, zum Beispiel, dass man sich stärker für ein entsprechendes Hintergrundwissen interessiere (vgl. Klein 2017). Am Beispiel von Hossfeld werden diese unterschiedlichen Perspektiven nochmals besonders deutlich. Er betont nämlich, dass er noch nie Projekte aus persönlichem Interesse gemacht habe, sondern stets auf das reagiert habe, was er vor Ort vorgefunden habe (vgl. Hossfeld 2017). Tatsächlich halte er es für problematisch, Musikprojekte nur aus eigenem Interesse zu verfolgen. Es würde gute Projektmacher auszeichnen, dass „sie relativ distanziert von sich, aber mit möglichst guter Expertise lokale Szenen angucken und partnerschaftlich Projekte aufsetzen“ (Hossfeld 2017.). Ähnlich argumentiert auch Meyer-Zollitsch, obgleich sie ebenfalls bestätigt, dass die Präferenzen durchaus auch durch den Institutsleiter gesetzt würden. Man müsse allerdings, so Meyer-Zollitsch, „sehr taube Ohren haben als Institutsleiter“, um sich grundsätzlich der Musik zu verschließen. Das ginge gar nicht (Meyer-Zollitsch 2017). Woitsch erkennt beispielsweise auch an der Arbeit seines Nachfolgers in Ulan Bator eine völlig andere Ausrichtung (vgl. Woitsch 2017). Schöningh will in einem gesteigerten persönlichen Interesse an bestimmten Projekten auch kein Problem erkennen. Er versuche in den verschiedenen künstlerischen Genres anschlussfähig zu bleiben und das gelinge ihm mal besser und mal schlechter (vgl. Schöningh 2017). Es sei jedoch schlicht und ergreifend so, dass es Themen gebe, für die er mehr brenne und für andere eben weniger (vgl. ebd.). Grundsätzlich sei jedoch – so Schöningh – der Zugang zu Musikprojekten beim Goethe-Institut wohl etwas reflektierter als es im Auswärtigen Amt der Fall ist. Hierin besteht sicherlich auch der größte Unterschied in der Musikarbeit zwischen den Goethe-Instituten und den Botschaften – in den Auslandsvertretungen seien Musikprojekte „zum Teil personalisiert und gelegentlich auch abstrahiert von der künstlerischen Qualität“ (Schöningh 2017). Uppenkamp bestätigt, dass Musikprojekte auch von persönlichen Interessen, denen des Botschafters und ihren eigenen, mitgesteuert würden (vgl. Uppenkamp 2017). Ihr sei wichtig, ein aktuelles Deutschland darzustellen, auch moderne deutsche Unterhaltungsmusik zu präsentieren, sie müsse sich jedoch anpassen, wenn der Botschafter etwas Anderes bevorzuge (vgl. Uppenkamp 2017). Diese musikalischen Präferenzen und Ausrichtungen würden davon geprägt, wer Botschafter oder Institutsleiter sei (vgl. Uppenkamp 2017). Diebold bestätigt, dass insbesondere Programme/ Konzerte in den Residenzen in der Regel vom Geschmack des Botschafters abhängen würden – und er könne sich nicht vorstellen, dass der Botschafter mal eine Punkband oder einen politischen Liedermacher einladen würde.
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In der Regel lüden Botschafter eher einen klassischen Pianisten, ein Streichertrio oder einen Flamenco-Gitarristen ein (vgl. Diebold 2017). Zusammenfassung: Extrinsische Gestaltungsfaktoren a) Personenabhängige Gestaltung der Musikprojekte Neben dem durchführenden Kulturmanager können Musikprojekte auch von weiteren Personen abhängig sein – dies bezieht sich vor allem auf hierarchisch höherrangige Personen wie zum Beispiel den Botschafter oder Institutsleiter. So kann deren persönlicher Musikgeschmack in hohem Maße Einfluss auf die Planung von Musikprojekten nehmen (vgl. Uppenkamp 2017). b) Standortabhängige Gestaltung der Musikprojekte Wie bereits mit den Bedarfen kulturmanagerialer Qualifikationen bei Musikprojekten dargestellt, sind die Kenntnisse regionaler Faktoren von wichtiger Bedeutung. Diese können durchaus direkten Einfluss auf die Gestaltung von Musikprojekten nehmen, insbesondere bei ihrer Planung und Durchführung in Krisengebieten oder restriktiven Systemen (vgl. Diebold 2017). c) Organisationsstrukturabhängige Gestaltung der Musikprojekte Die Musikarbeit der Goethe-Institute betreffend, sind auch die Vorschläge und Ausarbeitungen der entsprechenden Fachabteilung der Zentrale von Belang. Durch sie erfahren die durchführenden Kulturmanager Impulse verschiedener Art. Diese reichen von konkreten Projektvorschlägen bis hin zu dem Angebot gemeinsamer Besuche von Musikmessen und anderen Veranstaltungen zum Zweck der Fortbildung (vgl. Klein 2017). Grundsätzlich seien die Kulturmanager in der Planung und Durchführung der Musikprojekte zwar frei, jedoch stehe man in regem Austausch mit der Zentrale und tausche sich gerne aus. Die Zentrale würde nur dann eingreifen, wenn ein Projekt gänzlich missfallen würde – eine vorherige Rücksprache sei grundsätzlich erwünscht (vgl. Klein 2017). Bisweilen zeigen sich die Befragten rückblickend gar erstaunt über die zugesprochenen Freiheiten der Ausgestaltung eines Projekts (Pinigina-Petrowskaja 2017). Hossfeld berichtet, dass ihm die Zentrale einen Vertrauensvorschuss gegeben habe und dass es galt, diesen Vorschuss so gut es ging einzulösen (Hossfeld 2017). d) Gastspielabhängige Gestaltung der Musikprojekte Hierzu ergänzend, jedoch in separater Darstellung, soll die gastspielabhängige Gestaltung von Musikprojekten Erwähnung finden. Die befragten Kulturmana-
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7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik
ger geben an, dass sie auch oftmals angebotsabhängig planen – was bedeutet, dass sie sich an bestehenden Gastspiel- oder Tourneeangeboten orientieren, die ohnehin in der Region von anderen Anbietern oder von Deutschland aus geplant werden (vgl. Uppenkamp 2017). Das führt bei kleineren Botschaften oder Instituten sogar dazu, dass Musikprojekte weniger proaktiv geplant werden, sondern passende Angebote und Initiativen aus anderen Ländern abgewartet werden (vgl. ebd.). Selbstverständnis/Rollenverständnis Am Beispiel von Uppenkamp wird deutlich, dass die Befragten den Terminus Musikpolitik nicht als Beschreibung ihres Tätigkeitsfeldes sehen. Die Aufgabe sei das Management und eben nicht die Politik, erklärt sie, ergänzt jedoch, dass ihrer Arbeit in Anerkennung interkultureller Aspekte dann doch eine politische Komponente innewohne (vgl. Uppenkamp 2017). Auch Klein verortet sich eher im Programmmanagement, obgleich sie den hybriden Zustand ihrer Tätigkeit erkennt (vgl. Klein 2017). Pinigina-Petrowskaja wiederum würde sich selbst gerne als Kulturmanagerin definieren, sieht sich einer solchen Zuschreibung jedoch nicht gewachsen (vgl. Pinigina-Petrowskaja 2017). Es ist hervorstechend, dass sich die Befragten bei der Beschreibung der eigenen Tätigkeit und des Selbstverständnisses sehr schwer tun, sie schwanken zwischen den Begrifflichkeiten des internationalen Kulturmanagements, der Auswärtigen Kulturpolitik, Projektentwicklung und Programmmanagement. Nur die wenigsten verweisen auf ihre tatsächliche Stellenbeschreibung (vgl. Hossfeld 2017). Viel eher können die Befragten definieren, was sie nicht sind: Booker, Musikmanager, Konzertveranstalter oder sonstige Berufsbezeichnungen, die der Musikwirtschaft zugeordnet werden können (vgl. Diebold 2017). Schöningh will sich als „Herbergsvater“ definiert wissen, der zunächst den Mikrokosmos eines Instituts erfassen und im Kanon der Mitarbeiter aus verschiedenen Kulturen seine Rolle finden müsse. Alleine sei man immer nur der Deutsche, aber im Team könne man Potentiale bündeln (Schöningh 2017Bei der Musikarbeit sei es deshalb nicht wichtig, ein Trendscout zu sein, aber man müsse bewerten können, wer als Trendscout in Frage käme (vgl. ebd.). In der Rollenzuschreibung sieht er sich eher als Manager denn als Politiker (vgl. Schöningh 2017). Für Hossfeld ist die Frage nach dem Selbstbild nicht abschließend geklärt. Er verweist auf hierzu geführte Diskussionen im Goethe-Institut, die sich damit auseinandersetzen, ob die Kulturmanager nun eine Expertise in den einzelnen künstlerischen Genres aufweisen müssen oder nur organisatorische Kompetenzen mitzubringen haben (vgl. Hossfeld 2017).
185
7.2 Ergebnisse der Untersuchung Europ. Jazzfestival LISSABON/ PRT Region Südwesteuropa
Konzertreihe Barock MONTEVIDEO/ URY Region Südamerika
Der durch das Tal geht HANOI/ VNM Region Südostasien/ Australien/ Neuseeland
Cairo Steps KAIRO/ EGY Region Nordafrika-Nahost
Kategorien
Konzert Workshops
Konzert Koproduktion Informationen über Musik aus D
Konzert
Durchführung
Goethe-Institut
Kooperationen
Lokale Dienstleister
Projektziele
Präsentation der europ. Jazzszene (Repertoireförderung, Newcomerförderung) Öfnung GI z.Zivigesellschaft
Deutsche Botschaft Veranstaltungsorte Lokale Partner Präsentation von Barockmusik Künstlerzusammenarbeit
Koproduktion Konzert Informationen über Musik aus D Workshops u. Meisterklassen Weiterbildung Goethe-Institut
Zielgruppe
Allgemeines Publikum, Kulturinteressierte
Erfolgsbewertung Pers. Involviertsein Kulturpolit. Handlungslogik
Dt. Botschaft
Veranstaltungsorte Lokale Szenen Einbindung vieler Künstler Capacity Building
Veranstaltungsorte
Allgemeines Publikum, Kulturinteressierte
Jüngere vietn. Zielgruppe Allg. Publikum, Kulturinteressierte
Wohlhabend, westlich orientierte Ägypter mittl. Alters
Eher hoch
Neutral
Eher hoch
Neutral
Eher hoch
Eher gering
Eher hoch
Eher gering
Mittel
Gering
Hoch
Gering
Tabelle 6a: Übersicht der untersuchten Musikprojekte, eigene Darstellung
Zusammenbringen von Menschen
186
Kategorien
Durchführung Kooperationen
7 Auswertung der Konzepte von Musikprojekten in der Auswärtigen Kulturpolitik Ten Cities NAMIBIA/ KEN Region Subsahara-Afrika (et al)
Käptn Peng TOKYO/ JPN Region Ostasien
Goethe Musiklabor ULAN BATOR/ MNG Region Ostasien
Pop-Akademie MINSK/ BLR Region Osteuropa/ Zentralasien
Koproduktion Workshops und Meisterklassen Aus- und Weiterbildung Musikprojekte in D Talks und Vorträge Research und Datenbanken Goethe-Institut
Workshop Konzerte
Aus- und Weiterbildung Koproduktion Workshops und Meisterklassen Musikprojekte in D Talks und Vorträge
Aus- und Weiterbildung Koproduktion Workshops/ Meisterklassen Musikprojekte in D Talks/Vorträge Informationen über Musik aus D
Goethe-Institut
Goethe-Institut
Goethe-Institut
Vernstaltungsorte Lokale Szenen Institutskooperationen
Veranstaltungsorte Schulen Institutskooperationen
Hochschulen Veranstaltungsorte
Veranstaltungsorte Lokale Szenen
Networking Capacity Building Auftrittserfahrung Jüngere Zielgruppe, Musiker
Networking Capacity Building
Projektziele
Transnationaler Austausch Capacity Building
Zielgruppe
Musiker, Produzenten, DJs aus versch. Ländern Eher hoch
Deutschlernende Schüler, jüngere Zielgruppe Eher hoch
Eher hoch
Weißrussische Akteure der Musikszene Hoch
Hoch
Eher hoch
Eher Hoch
Hoch
Hoch
Mittel
Eher hoch
Eher hoch
Erfolgsbewertung Pers. Involviertsein Kulturmgmt Kulturpolit. Handlungslogik
Tabelle 6b: Übersicht der untersuchten Musikprojekte, eigene Darstellung
8 Auswärtige Musikpolitik: Konzeptionelle Kulturarbeit sowie kulturmanageriale Konsequenzen
Auswärtige Musikpolitik
Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, die konstitutiven Rahmenbedingungen Auswärtiger Musikpolitik und ihre kulturmanageriale Umsetzung zu untersuchen. Nach einer Darstellung der außenkulturpolitischen Rahmenbedingungen sowie der außenmusikpolitischen Akteure erfolgte eine Systematisierung von Musikprojekten, aus welcher hervorging, welche Konzepte den Musikprojekten zugrunde liegen und welche Formate von Konzepten besonders wirksam erscheinen. Die Rekonstruktion von exemplarischen Musikprojekten sowie die Auswertung der Interviews mit den an jenen Projekten beteiligten Experten brachte Erkenntnisse darüber, welche Ziele damit verfolgt wurden und inwieweit die Durchführenden die Planung jener Projekte in einen außenkulturpolitischen Handlungskontext gesetzt haben. Zudem sollte herausgefunden werden, inwiefern musikalische Kenntnisse und persönliche Interessen der Durchführenden deren Handlungslogik bestimmt haben. Im Folgenden sollen die Erkenntnisse diskutiert und Überlegungen zu einer Auswärtigen Musikpolitik sowie einer entsprechenden kulturmanagerialen Umsetzung dargestellt werden. Das Kapitel 8.1 geht auf die Rolle der Musik im außenkulturpolitischen Konzept ein und hinterfragt die strategische Steuerung von Musikprojekten. Zudem wird auch die Rolle der Musik innerhalb der Kulturellen Programmarbeit beleuchtet und über ein proaktives Management von Musikprojekten diskutiert. Abschließend soll in diesem Unterkapitel ein kritischer Blick auf die Zusammenarbeit der Akteure Auswärtiger Musikpolitik geworfen werden. Das Kapitel 8.2 geht auf die Handlungslogik des Kulturmanagements ein. Es wird hinterfragt, ob der kulturpolitische Handlungskontext auch deshalb für die Durchführenden nicht umfänglich greifbar ist, weil ihnen eine konkrete Zuschreibung sowie Bezeichnung ihres Aufgabenfeldes fehlt. Hieran anschließend sollen nochmals die Chancen besprochen werden, die sich aus den persönlichen Interessen der Projektverantwortlichen ergeben. In diesem Zusammenhang sollen auch die Qualifikationen der Durchführenden diskutiert werden. Auch das Konzept des Musikprojekts wird in diesem Unterkapitel hinterfragt. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 D. Maier, Auswärtige Musikpolitik, Auswärtige Kulturpolitik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30541-3_8
188
8 Auswärtige Musikpolitik
Abschließend und zusammenfassend sollen unter 8.3 Perspektiven für die Musikarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik dargestellt werden. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse werden die wichtigsten Punkte der einzelnen Kapitel nochmals abschließend zusammengefasst. 8.1 Handlungskontext des Kulturmanagements bei Musikprojekten Die Ergebnisse der Befragungen zeigen deutlich, dass die Kulturmanager weder der Auswärtigen Musikpolitik eine gesonderte Rolle zuschreiben, noch explizit von einer Auswärtigen Musikpolitik sprechen – somit wird durch die Auswertung der Interviews eine bereits in den grundlegenden Kapiteln (zum Beispiel 3.2) erarbeitete Erkenntnis bestätigt. Auch eine übergeordnete Strategie für Musikprojekte im Rahmen Kultureller Programmarbeit wird nur bedingt erkannt, vielmehr bestimmt ein eher abstrakter Bezug zu verschiedenartigen Schwerpunkten und regionalen Zielformulierungen die operativen Maßnahmen des Kulturmanagements. Musikprojekte divergieren stark in ihren Begründungszusammenhängen und Zielsetzungen, was erklärt, warum es den Befragten schwer fällt, der Musikarbeit im außenkulturpolitischen Konzept eine besondere Rolle zuzuordnen. Zudem liegt der Auftrag der Durchführung von Musikprojekten im Rahmen der Kulturellen Programmarbeit zwar primär beim Goethe-Institut, tatsächlich sind aber zahlreiche weitere Akteure auf diesem Feld zu identifizieren – dies erschwert die Definition eines allgemeingültigen Handlungsrahmens. Eine Gesamtstrategie scheint zudem auch wenig sinnvoll – als zu verschieden offenbaren sich Zielsetzungen und Erfolgserwartungen, die mit Musikprojekten verfolgt werden. Insbesondere sind es aber auch die regional gegebenen Voraussetzungen, die den Handlungsraum der Kulturmanager und in Folge dessen auch maßgeblich die Ausgestaltung von Musikprojekten beeinflussen. Tatsächlich können etwaige Strategien eher als subsidiäres Supplement der Programmplanung vor Ort verstanden werden. Die Gesamtheit der Handlungslogik der Durchführenden von Musikprojekten ergibt sich aus einer Mischung aus außenkulturpolitischem Kontext, der intrinsischen Motivation, den extrinsischen Einflussfaktoren und deutlicherweise auch aus dem Unterschied, ob es sich bei den Durchführenden um Vertreter der Mittler oder diplomatischer Repräsentanzen handelt. Gerade deshalb scheint es von besonderer Wichtigkeit, den Rahmen außenkulturpolitischer Strategien stärker mit den durchführenden Organisationen und den im Feld tätigen Personen zu verknüpfen und hierdurch die kultur- und gesellschaftspolitischen Zusammenhänge sichtbarer zu machen. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass das Handeln der Akteure gleichermaßen umgekehrt kultur-
8.1 Handlungskontext des Kulturmanagements bei Musikprojekten
189
politische Ideen beeinflusst, welche ebenso ihren Ausdruck in den Strategien und Zielsetzungen finden sollten. Die Stärkung eines außenkulturpolitischen Handlungsrahmens, welcher den Kulturmanagern als Orientierung dienen könnte, ist jedoch nicht als Instrumentalisierung der Künste in der Kulturellen Programmarbeit zu verstehen: Die Autonomie und Ausdrucksfreiheit der Künste ist sowohl durch das Grundgesetz als auch durch die überwiegende Durchführung der unabhängigen Mittler geschützt. Jedoch kann in Folge einer stärkeren strategischen Implikation eine gesamtfunktionale Folgerung für die Musikarbeit im Rahmen Kultureller Programmarbeit herausgearbeitet werden. 8.1.1 Zur Rolle von Musikprojekten im außenkulturpolitischen Konzept Die in Kapitel 3.1 erarbeitete Übersicht der außenkulturpolitischen Konzepte 2000-2017 (Tabelle 1) zeigt, dass der Kulturellen Programmarbeit im Allgemeinen nur vage Leitlinien zugeordnet werden können. Grundsätzlich reflektieren diese einzelnen politischen Konzepte in nur sehr geringem Maße die Rolle der Kulturellen Programmarbeit, auch wird die Rolle der einzelnen Gattungen und Genres nicht deutlich. Während Denscheilmann die Grundausrichtungen bei Tourneeausstellungen der 1970er bis 2000er Jahre anhand sich verändernder außenkulturpolitischer Konzepte bisweilen nachvollziehen kann (vgl. Denscheilmann 2012: 273), lassen sich diese bei der Betrachtung der Musikprojekte im analysierten Zeitraum nicht feststellen. Im Mittelpunkt der Musikarbeit steht überwiegend die Repräsentation deutscher Künstler auf der einen, die dialogische Zusammenarbeit mit Künstlern sowie Vermittlungsarbeit mit Schülern im Ausland auf der anderen Seite – sie greifen in diesem Sinne zwar durchaus einzelne allgemeingültige Ziele der Auswärtigen Kulturpolitik auf, jedoch lassen die verschiedenen Formate von Musikprojekten eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den politischen Konzepten vermissen. Gleiches gilt für die Begründung der Auswahl eines bestimmten Musikprojekts, welches sich wesentlich stärker aus Erfahrungen der Praxis ableiten lässt als aus einer konzeptionellen Grundlage. Hieraus offenbart sich ein ganz offensichtlicher Widerspruch zwischen dem der Musik allseits zugesprochenen Wert und der tatsächlichen Gewichtung in den Konzepten. In einer Publikation des Goethe-Instituts wird auf die Grundsätze der Arbeit der Institutionen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik verwiesen, aus denen wiederum die Grundsätze der Kulturarbeit im Ausland abgeleitet werden: Als wesentlich werden hierin nochmals die Ermöglichung interkultureller Ver-
190
8 Auswärtige Musikpolitik
ständigungsprozesse, die partnerschaftlich-dialogische Zusammenarbeit, die Anerkennung und Förderung ästhetischer Kreativität und der Anspruch auf hohe Qualität und Innovation beschrieben: kontextsensibel und nachhaltig solle sie sein sowie „als Akteur der Szenen im Ausland dienen“ (Goethe-Institut 2016: 2). Für das Goethe-Institut bedeutet dies die Notwendigkeit der Beantwortung verschiedener Fragestellungen: „Inwieweit werden wir unseren Ansprüchen an partnerschaftlichen Dialog, hohe Qualität und Innovation gerecht? Schaffen wir es, Interesse für Kunst und Kultur zu wecken und einen freien Austausch darüber zu fördern? Trägt die Vernetzung relevanter Akteure dazu bei, dass neue Konzepte, Aktivitäten und neue Strukturen – auch unabhängig vom GoetheInstitut – entstehen? Inwiefern trägt die Vermittlung eines aktuellen Deutschlandbildes zu vertrauensvollen Beziehungen zwischen Deutschland und den Gastländern bei? Gelingt es uns, den Kulturaustausch und interkulturellen Dialog in einer globalisierten Welt zu fördern?“ (ebd.). Das Goethe-Institut zieht hieraus den Schluss, die eigene Arbeit in so genannten Wirkungskreisläufen zu denken. Nachhaltige Wirkungen der Kulturarbeit würden mit einer „ziel- und wirkungsorientierten Planung mit lokalen Partnern“, der „gemeinsamen Gestaltung von Projekten“ und der „Analyse von Wirkungen bis zur Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse für die Steuerung und Planung laufender und künftiger Vorhaben“ erzielt werden (ebd.). Es stellt sich demzufolge die Frage, ob der Musik durch eine stärkere Verankerung in ebensolchen Wirkungskreisen auch eine begründetere Rolle im außenkulturpolitischen Konzept zugeordnet werden könnte? Eine grundlegendere Auseinandersetzung mit der Musik sowie dem Spannungsverhältnis von Musik und Politik im Rahmen politischer Strategiebildungsprozesse wäre, so scheint es, nicht nur wünschenswert, sondern substantiell – dieser Bedarf ließe sich sicherlich auch auf andere Kunstgattungen übertragen. Eine grundlegende Kenntlichmachung und stärkere Verankerung in strategiebildende Prozesse hätte auch zur Folge, dass hierdurch ein größeres Verständnis der Projektdurchführenden für die eigene Arbeit gefördert würde und sich dies wiederum in einer nachvollziehbareren Auswahl an durchgeführten Musikprojekten widerspiegeln könnte. Eine Bewusstwerdung der über die Musik entstehenden Möglichkeiten für die Kulturarbeit im Ausland wäre wichtiger als ein in der Kulturpolitik häufig reflexhaft gefordertes mehr – in erster Linie ginge es deshalb sicherlich nicht um ein mehr an Musikprojekten oder ein mehr an Personal und finanzieller Mittel, sondern um die Beantwortung der Frage, ob die Durchführung von Musikprojekten im Sinne außenkulturpolitischer Ziele durch ein System der Deputation (De-
8.1 Handlungskontext des Kulturmanagements bei Musikprojekten
191
legationsprinzip) gestützt werden kann, welches keine gesamtheitliche Betrachtung erfährt. Wäre somit auch zu hinterfragen, ob eine zentrale Steuerung der Musikprojekte vonnöten sein müsste, zumindest aber eine umfassende Kommunikation, die sich an jene richtet, die Musikprojekte im Ausland realisieren? Zwar stellen die dezentrale Verteilung von Kompetenzen, die Komplexität und Vielfältigkeit der Aufgabengebiete sowie die verschiedenen Schwerpunkte der einzelnen Akteure wesentliche Merkmale der Auswärtigen Kulturpolitik dar, gleichzeitig bergen sie aber ein nicht zu unterschätzendes Risiko, Kompetenzen und Ressourcen zu verlieren sowie Doppelstrukturen zu schaffen. Natürlich ist die Auseinandersetzung mit dem Partnerland unbedingt erforderlich – die Ergebnisse der Befragungen lassen jedoch die Einschätzung zu, dass eine umfassendere Organisation musikalischer Angebote respektive eine zentralisiertere Betreuung zumindest erwägenswert wäre.
Grundausrichtungen der Musikarbeit spiegeln sich nicht in außenkulturpolitischen Konzepten wider. Konkrete Auswahl von Musikprojekten kann selten in außenkulturpolitischen Kontext gestellt werden. Auseinandersetzung mit Spannungsverhältnis Musik und Politk kann zu größerem Verständnis der Projektdurchführenden als auch nachvollziehbarer Auswahl von Musikprojekten führen. Zentralisiertere Steuerung respektive intensivierte Betreuung aus Deutschland heraus scheint erwägenswert.
8.1.2 Zur Rolle von Musikprojekten im Rahmen der Programmarbeit Der in Kapitel 2.3 erarbeiteten Grundüberlegung folgend, kann Auswärtige Musikpolitik als Gesamtheit der Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der Auswärtigen Kulturpolitik im Bereich der Musik verstanden werden. Hierzu gehören dementsprechend nicht nur solche der Kulturabteilungen der Goethe-Institute. Eine Vielzahl an erfolgreichen Maßnahmen kann diesen nicht zugeordnet werden, was sowohl durch die Auswahl der untersuchten Musikprojekte als auch durch die in dieser Arbeit ergänzend vollzogene Feldstudie widergespiegelt wird – so sind beispielsweise die Tourneen von Käptn Peng und Leila Akiniy Musikprojekte der Sprach- und eben nicht der Programmabteilungen, das Projekt Der durch das Tal geht fand im Rahmen eines Deutschlandjahres in Kooperation zwischen Goethe-Institut und dem Auswärtigen Amt statt. In Konsequenz dessen lässt sich die Folge ableiten, dass eine Vielzahl an Musikprojekten parallel er-
192
8 Auswärtige Musikpolitik
dacht und geplant wird, mitunter ohne Beteiligung der Kulturabteilungen – dass hierdurch auf der einen Seite wenig effektiv mit Ressourcen umgegangen wird, auf der anderen Seite vorhandenes Wissen ungenutzt bleibt, lässt sich zwar nicht final verifizieren, jedoch zumindest in Betracht ziehen. Andererseits lässt sich durchaus auch ein System informeller Empfehlungspraktiken unter den Durchführenden erkennen. Wird ein Musikprojekt durch einen Verantwortlichen als erfolgreich erachtet, so wird dieses häufig anderen Durchführenden empfohlen und durch diese schließlich auch nicht selten umgesetzt – so gesehen bei Leila Akiniy, die bereits vor ihrer Tournee in Frankreich eine durch das Goethe-Institut organisierte Reise durch Italien durchgeführt hatte. Auch die zahlreichen Engagements von Käptn Peng lassen sich auf jene Empfehlungsmechanismen zurückführen. Dies – sowie die im Ausland durchgeführten Tourneen, welche in Deutschland organisiert wurden – kann als bisweilen reaktives Kulturmanagement von Musikprojekten beschrieben werden. Es trifft zu, dass dies zweifelsohne auch als eine funktionierende Qualitätskontrolle verstanden werden kann, erscheint jedoch zumindest widersprüchlich zu den Aussagen der Befragten und der darüber hinaus häufig proklamierten Überzeugung, Musikprojekte auf Grundlage des spezifischen Kontextes sowie der Bedürfnisse vor Ort zu realisieren. Dass eine Vielzahl an Ideen aufgrund von Kosten sowie technischer und logistischer Erwägungen – vielen Durchführenden ist die Buchung eines größeren Ensembles schlichtweg nicht möglich – nicht durchgeführt werden kann und stattdessen eher Literatur- und Filmveranstaltungen angeboten werden, lässt die Rolle von Musikprojekten in der Kulturellen Programmarbeit im Vergleich zu anderen Kunstgattungen zudem eher untergeordnet erscheinen. Das Schaffen transparenter Netzwerk- und Informationsstrukturen über Musikprojekte zwischen den Akteuren könnte den Durchführenden zumindest Anreize geben, eigene Musikprojekte proaktiv zu planen, umzusetzen und bereits gewonnene Erfahrungswerte zu nutzen.
Ausgestaltung musikalischer Programmarbeit bisweilen nicht durch Kultur-/Programmabteilung. Hierdurch wenig effektve Nutzung von Ressourcen und Kompetenzen. Programmauswahl durch informelle Empfehlungspraktiken zwischen den Verantwortlichen der Institutionen und Vertretungen – mitunter bedingt durch persönliche Bekanntschaft der Durchführenden. Förderung eines aktiven Kulturmanagements würde Grundsatz ortsspezifischer/ regionalbedingter Programmarbeit folgen. Schaffen transparenter Netzwerk- und Informationsstrukturen.
8.1 Handlungskontext des Kulturmanagements bei Musikprojekten
8.1.3
193
Nebeneinander oder gemeinsam? Zur Zusammenarbeit der Akteure bei Musikprojekten
Während beispielsweise in der Bildenden Kunst überwiegend das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und ebenfalls das Goethe-Institut tätig sind, betätigen sich im Musikbereich neben dem Goethe-Institut, den Auslandsvertretungen und dem Deutschen Musikrat noch zahlreiche weitere Organisationen, die verschiedenartige Musikprojekte im Ausland realisieren. Doch selbst innerhalb der erstgenannten Träger der Auswärtigen Kulturpolitik eröffnet sich ein schier unübersichtliches Tableau an unterschiedlichen Musikprojekten. Das liegt, so scheint es, zum einen am hybriden Charakter der Musik – zwischen Ware und Kulturgut –, am heterogenen Wesen dieses Charakters – zwischen kulturhistorischem Erbe, zeitgeistigen Trends und künstlerischer Avantgarde – sowie an der unterschiedlichen Vermittlung und Rezeption – zwischen Live-Erlebnis und Radiobeschallung, zwischen Laiendarbietung und Symphonieorchestertum, konzertant und partizipativ, zwischen Repräsentieren und Koproduzieren. Dies trifft bei keiner weiteren Gattung in solch expliziter Form zu, wie es bei der Musik der Fall ist – so beschränkt sich beispielsweise die Auswärtige Kunstpolitik in hohem Maße auf die Durchführung von Ausstellungen. Es stellt sich die Frage, inwiefern diese Unterschiedlichkeit und Vielzahl an Akteuren und Projekten als große Stärke der Programmarbeit oder aber als Merkmal eines strukturschwachen Programmfeldes erkannt werden will. In Anerkennung musikalischer und konzeptioneller Vielfalt, des Konzepts Mittlerorganisation und des Delegationsprinzips der Mittler lässt sich festhalten, dass eine Auflösung dieses Problems nicht zu erwarten ist. Mindestens aber darf erwogen werden, ob die diplomatischen Vertretungen im Ausland aufgrund der hohen Ausprägung persönlicher Interessen bei der Durchführung von Musikprojekten und deren stark repräsentativen Formen nicht einer ebenso umfassenden Beratung bedürften wie sie dem Fachbereich des Goethe-Instituts in München über die Beiräte und den Instituten im Ausland über die Zentrale zuteil wird. Eine effektivere Form der Kooperation zwischen den diplomatischen Vertretungen sowie den Mittlern – so wie es tendenziell in kleineren Ländern (zum Beispiel Weißrussland oder Uruguay) der Fall ist, scheint allemal wünschenswert. Was den Deutschen Musikrat angeht, will der Eindruck entstehen, dass eine Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut eher einseitig als beidseitig gewünscht, bisweilen jedoch vertraglich vereinbart ist und tatsächlich nur punktuell kooperiert wird und gegenseitige Informationen und Beratungen fast ausschließlich über die Fachbeiräte der Goethe-Institute zutage treten, welche wiederum nur selten zusammenkommen. Auch wenn dem Deutschen
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8 Auswärtige Musikpolitik
Musikrat eine theoretische Fundierung des durch ihn gebräuchlichen Terminus Auswärtige Musikpolitik abgesprochen werden könnte – seine Tätigkeit zumindest nur bedingt den Zielen der Auswärtigen Kulturpolitik zugeordnet werden kann –, muss befürchtet werden, dass eine geringe Kooperation und Transparenz zwischen den Institutionen einen drohenden Verlust an Synergien und gemeinsam zu nutzender Kompetenzen zur Folge haben könnte.
Bedarf an einer Intensivierung der musikalischen Beratung diplomatischer Vertretungen. Notwendigkeit der Effektivierung der Kooperationen zwischen diplomatischen Vertretungen und Mittlern. Bedarf an Stärkung der Kooperation zwischen Mittler und Deutscher Musikrat.
8.2 Handlungslogik des Kulturmanagements 8.2.1 Zum Verständnis der Durchführenden als Auswärtige Kulturmanager Aus der Gesamtheit der Antworten lässt sich schließen, dass nicht alle Befragten eine tiefergehende Reflexion ihres kulturmanagerialen Tätigkeitsfeldes erkennen lassen. Die Ergebnisse offenbaren das unklare Selbstverständnis der Projektdurchführenden, die überwiegende Zuordnung der Tätigkeit zu klassischen kulturmanagerialen Aufgabenfeldern auf der einen, die überwiegende Kontextualisierung des Handelns in einen außenkulturpolitischen Bezugsrahmen auf der anderen Seite. So benennen sie zwar Aufgabengebiete, welche dem Kulturmanagement zugeordnet werden, eine allgemeingültige Einordnung in dieses Berufsfeld wird jedoch überwiegend ausgeschlossen. Dies kann an den grundsätzlich eher generalistischen Aufgabenerfordernissen an die Mitarbeiter liegen, jedoch auch an den bisweilen unscharfen Kenntnissen der Definitionen von Programmarbeit, Kulturmanagement und Auswärtiger Kulturpolitik. Zudem zeigt sich, dass die befragten Beschäftigten der Goethe-Institute ihre Tätigkeit zwar in jenen kulturmanagerialen Feldern kategorisieren, jedoch ihr Handeln wesentlich deutlicher in einen außenkulturpolitischen Kontext stellen – als Auswärtige Kulturpolitik treibende – als es die Mitarbeiter der diplomatischen Vertretungen tun. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse offenbaren sich die Schnittstellen im Spannungsfeld von operativer Umsetzung und politischen Vorgaben sowie von gestalterischer Einflussnahme und funktionaler Dienstleistung in besonderer Weise. Vor diesem Hintergrund ließe sich die Tätigkeit der Durchführenden in der Kulturellen Programmarbeit als Auswärtiges Kulturmanagement definieren. Dieser
8.2 Handlungslogik des Kulturmanagements
195
Terminus hat bisher keinen Eingang in den wissenschaftlichen Diskurs gefunden, obwohl dieser in aller Deutlichkeit nicht nur den Kontext, in welchem Kultur stattfindet, sondern eben auch die außenkulturpolitische Perspektive als wahrnehmbaren Bezugspunkt wie auch die managerialen Themenfelder verbindet. Gleichzeitig ist es somit auch eine Abgrenzung zu dem auch in dieser Arbeit genutzten Begriff des internationalen Kulturmanagements. Wie bereits in Kapitel 6.1 beschrieben, konzentriert sich dieser Begriff nämlich nicht nur auf Kulturmanagement im Rahmen Auswärtiger Kulturpolitik, sondern auf verschiedene Handlungsebenen im internationalen Kontext. Auswärtiges Kulturmanagement könnte jedoch als fachspezifischer Teilbereich des Internationalen Kulturmanagements erkannt werden und dementsprechend in ausschließlicher Form für die Durchführung Kultureller Programmarbeit im Rahmen Auswärtiger Kulturpolitik angewandt werden. Der Auswärtige Kulturmanager könnte demzufolge als eine Art Schnittstellenmanager bezeichnet werden, der im Sinne außenkulturpolitischer Vorgaben, operative Maßnahmen vor dem Hintergrund regionaler Voraussetzungen, transkultureller Kompetenzen sowie eigener künstlerischer Schwerpunkte managerial durchführt und somit auch praktisch umgesetzte Kulturpolitik betreibt. Eine Einordung in ein solches Auswärtiges Kulturmanagement wäre, so scheint es, hilfreich für die konkrete Vergewisserung des eigenen Tätigkeitsfelds der handelnden Personen und möglicherweise auch Prämisse einer strategiegeleiteten Kulturarbeit.
Keine tiefergehende Reflexion des eigenen kulturmanagerialen Tätigkeitsfeldes bei den Durchführenden feststellbar. Deutliche Unterschiede in persönlicher Einordung als Auswärtige Kulturpolitik treibende zwischen den Mitarbeitern der Mittler und den der Auslandsvertretungen. Empfehlung der Etablierung des Begriffspaars Auswärtiges Kulturmanagement als fachspezifischer Teilbereich des (internationalen) Kulturmanagements. Funktion als Schnittstellenmanager wäre Vergewisserung des Tätigkeitsfelds der Kulturmanager und Grundlage einer strategiegeleiteten Kulturarbeit.
8.2.2 Über die Einbeziehung persönlicher Interessen der Durchführenden Besonders bei der Betrachtung der eigenen Interessen und der intrinsischen Motivation der Kulturmanager werden Unterschiede in den grundsätzlichen Aus-
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8 Auswärtige Musikpolitik
richtungen der Durchführenden offenbar: Während Kulturprojekte der Auslandsvertretungen überwiegend aus den Präferenzen der Botschafter gespeist werden, verwahren sich die Mitarbeiter des Goethe-Instituts der Annahme, musikalische Projekte anhand persönlicher Interessen auszuwählen oder zu fördern. Es muss festgestellt werden, dass eine musikalische Ausbildung, besondere Vorkenntnisse oder ein besonderes Interesse an Musik vom überwiegenden Teil der Befragten zwar als vorteilhaft für die Durchführung von Musikprojekten erkannt werden, jedoch keine Bevorzugung gegenüber anderen Kunstgattungen zur Folge haben. Widersprüchlich ist, dass auf der anderen Seite jedoch auch bestätigt wird, dass die programmatischen Schwerpunkte einzelner Institute und Vertretungen – im Fall der Goethe-Institute auch unabhängig von entsprechenden Regionalstrategien – durchaus von den Institutsleitungen abhängig sind. Es stellt sich sodann die Frage, ob es für die entsendenden Einrichtungen sinnvoll wäre, ebenjene Interessen – vom Botschafter, Institutsleiter bis hin zur lokalen Kraft – zu kennen und für die Ausgestaltung von Musikprojekten zu nutzen. Es liegt auf der Hand, dass herausragende Kenntnisse über lokale Szenen aus einem gesteigerten persönlichen Interesse resultieren. Diese Zugänge sind wiederum Voraussetzungen für gelingende Kulturarbeit. Will man also Begegnung und transkulturellen Dialog und Verständnis fördern, so wäre die Einbeziehung persönliche Interessen der Durchführenden als Vorteil zu verstehen.
8.2.3
Deutliche Unterschiede in Gewichtung persönlicher Interessen zwischen Mittlern und Auslandsvertretungen. Musikalische Bildung und besonderes Interesse an Musik von Vorteil, jedoch nur bedingt von Relevanz. Kenntnisse über die persönlichen kulturellen Interessen der Mitarbeiter wären Voraussetzung für gelingende dialogbasierte Kulturarbeit. Generalist oder Experte? Zur Qualifizierung der Kulturmanager und möglichen Folgen
Aufgrund des beschriebenen Selbstverständnisses sowie der mannigfaltigen Aufgabenfelder der Auswärtigen Kulturmanager müsste in Folge dessen auch die Qualifizierung der Projektdurchführenden diskutiert werden. Tatsächlich ist die Frage nach dem erforderlichen Spezialisierungsgrad in der Kulturellen Programmarbeit eine durchaus häufig vorzufindende Debatte, in welcher nach wie vor unterschiedliche Ansichten vertreten werden – dabei geht es um die Frage, ob eher generalistische Qualifikationen oder aber besondere partielle Expertisen auszuweisen seien. Während auf der einen Seite ein „Organisator“ bevorzugt wird,
8.2 Handlungslogik des Kulturmanagements
197
„der sich nicht länger hinter anderen Disziplinen versteckt, sondern sein Fach als eine umfassende Form sozialen, transkulturellen und managerialen Handelns versteht“ (Wolfram: 2012: 19), ist auf der anderen Seite ein Spezialist „statt des allgemein gebildeten Generalisten“ gefragt (Knopp 2017: 163). Dabei geht es im Besonderen um die fachlichen Qualifikationen der entsandten Mitarbeiter des Goethe-Instituts. Legt man dieser Diskussion die vorhergehend definierte Bezeichnung des Auswärtigen Kulturmanagements zugrunde, so müssten zunächst vor allem die von den Befragten nicht als zwingend notwendig erachteten Kompetenzen, nämlich betriebswirtschaftliche und künstlerisch-inhaltliche Kenntnisse, genannt werden. Vorausgesetzt nämlich, man wolle mit Musikprojekten auch klar definierte Ziele erreichen, scheint insbesondere eine Auseinandersetzung mit den Aspekten Marketing und Künstlerischer Inhalt eine Prämisse dieses Auswärtigen Kulturmanagements zu sein. Wie sonst vermag ein Kulturmanager die richtigen Zielgruppen mit den richtigen Inhalten erreichen? Eine Stärkung jener Kompetenzen würde unweigerlich dazu führen, dass kulturmanageriales wie künstlerisches Denken und Handeln einer ebenso umfassenden wie gleichberechtigten Qualifizierung bedürfen. Die Homogenisierung der Aspekte Sachfunktionen, Führungsfunktionen sowie Fachwissen erscheint somit als notwendiger Schritt, um die Handlungslogik der Kulturmanager bei Musikprojekten im Ausland zu begründen. Dazu gehören dementsprechend auch die von den Befragten genannten Punkte Projektmanagement, Netzwerkmanagement, Leadership, Regionalfaktoren und Transkulturalität. Dies hätte zur Folge, dass das Auswärtige Kulturmanagement zwar eine grundsätzliche generalistische Ausbildung erfordern würde, darüber hinaus jedoch auch eine künstlerisch-ästhetische Auseinandersetzung mit einem Schwerpunkt, in diesem Fall mit der Musik, zwingende Voraussetzung wäre, um wirkungsvollere Musikprojekte zu realisieren.97 Die Analyse und das Verständnis von sparten- und genrebezogene Spezifika, ihren Kontexten, Wirkungsebenen, und die Kompetenz, diese in die Praxis zu übersetzen, müssten für die Umsetzung einer strategischen Auswärtigen Musik97
Gromes und Kurzenberger versuchen in einem Interview mit Schneider einen ähnlichen Überbau zur Theaterarbeit zu schaffen. Über den Ausbildungsansatz der praktischen Theaterwissenschaften an der Universität Hildesheim wolle man das „Wechselverhältnis von Theorie und Praxis“ beleuchten. Sie sagen, dass „praktisches und theoretisches Tun […] immer wieder nebeneinander vermittelt werden“ müssen (Gromes/u.a. 2017: 18). Ein Merkmal dieser Ausbildung sei auch eine „polyästhetische Erziehung“, also eine interdisziplinäre Ausbildung, die Studierende dazu befähige, zu organisieren und den Umgang mit Besuchern und Laien zu erlernen, eine „Aufhebung der Trennung zwischen Zuschauer und Bühne“, weg vom System der ausdifferenzierten Theaterberufe (Gromes/u.a. 2018: 34f.).
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8 Auswärtige Musikpolitik
politik eine wichtige Grundlage sein. Eine weiterführende Qualifizierung in diesen Bereichen könnte schließlich auch zur Folge haben, dass Musikprojekte weniger situativ aufgesetzt und durchgeführt würden, sondern vermehrt auf der Grundlage von strategischen Überlegungen. Auswärtiges Kulturmanagement als reaktive Disziplin würde so auch einem eher gestalterischen Prinzip weichen. Die Entscheidungen für die Durchführung von Musikprojekten würden hierdurch wiederum transparenter und nachvollziehbarer gemacht werden. Es ist offensichtlich, dass auch dies auf andere künstlerische Disziplinen zu übertragen wäre, was mitunter strukturelle Veränderungen in Form von notwendigen Schwerpunktbildungen in den Programm- und Kulturabteilungen zur Folge hätte. Ein Generalist mit dem Schwerpunkt Musik würde für die Dauer seines Auslandsaufenthalts ebensolche musikalische Schwerpunkte setzen können, verknüpft mit entsprechenden Zielsetzungen. Hierdurch ließen sich letztlich auch persönliches Interesse und Involviertsein mit der Programmarbeit im Ausland in Einklang bringen, zudem wäre die Förderung und bewusste Einbeziehung persönlicher künstlerischer Interessen nicht zuletzt auch eine moderne Form der Mitarbeiterförderung. Dass dies jedoch auch unweigerlich schärfere inhaltliche Konturen der einzelnen Programmabteilungen sowie der Durchführenden erkennbar machen würde, ist offensichtlich. Eine Analyse der regionalen Bedarfe VOR einer entsprechenden Entsendung oder Besetzung eines Mitarbeiters und die damit einhergehenden Schwerpunktbildungen für einen zu definierenden Zeitraum müssten demzufolge Teil einer gesamtstrategischen Personalplanung aus Deutschland heraus sein. Dies würde sowohl für leitende Positionen als auch für Sachbearbeitungen gelten. Bei gleichzeitig verstärkter strategischer Implikation aus Deutschland heraus hätte dies für das Goethe-Institut durchaus auch eine Stärkung des Delegationsprinzips zur Folge wie auch eine ebenso deutlichere inhaltliche Akzentuierung der Arbeiten der Fachbereiche in der Zentrale. Den Durchführenden von Musikprojekten anderer Akteure der Musikpolitik ließe sich – schon aufgrund der Personaldichte sowie der originären Aufgabenbereiche – eine solch deutliche Kennzeichnung der Tätigkeit nur bedingt zuschreiben. Wünschenswert wäre es aber allemal, dass die Mitarbeiter der Kulturabteilungen in den Botschaften und im Auswärtigen Amt weiterführende künstlerische, kulturmanageriale sowie tatsächlich außenkulturpolitische Qualifikationen erfahren. Die folgenden Darstellungen (Abbildungen 12 bis 14) stellen nochmals zusammenfassend und nachvollziehbar die unterschiedlich starken Ausprägungen in Kulturmanagerialem Selbstverständnis, Kulturpolitischer Handlungslogik und Durchführung anhand eigener Interessen zwischen Mittlern und Auslandsvertretungen vergleichend dar.
199
8.2 Handlungslogik des Kulturmanagements
Stärkung künstlerischer und kulturmanagerialer Kompetenzen. Homogenisierung der verschiedenen Qualifikationen. Schwerpunktbildungen in den Programm- und Kulturabteilungen würde Programmabteilungen, Durchführende als auch Fachbereiche in Deutschland stärken. Analyse der Bedarfe vor Ort müsste dementsprechend vor einer Entsendung geschehen.
Geringe Ausprägung
Mittlere Ausprägung
Hohe Ausprägung
Dipl. Vertretungen
Mittler
Abbildung 12: Durchführung anhand persönlicher Interessen, eigene Darstellung
Geringe Ausprägung
Mittlere Ausprägung
Dipl. Vertretungen
Hohe Ausprägung
Mittler
Abbildung 13: Kulturmanageriales Selbstbild, eigene Darstellun
Geringe Ausprägung
Mittlere Ausprägung
Dipl. Vertretungen
Abbildung 14: Kulturpolitische Handlungslogik, eigene Darstellung
Hohe Ausprägung
Mittler
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8.3 Zum Konzept von Musikprojekten Eine bewusste Kategorisierung von Musikprojekten seitens der Kulturmanager lässt sich eher nicht feststellen, genauso wenig eine Erarbeitung, welche Kategorie von Musikprojekt dem Erreichen entsprechender Ziele bestmöglich hilfreich sein kann. Es ist deutlich nachzuvollziehen, dass die Mittler ihrer Arbeit ein wesentlich breiteres Musikverständnis, von der E-Musik über Neue Musik bis hin zu Popmusik und Techno, zugrunde legen als es die Botschaften tun. Gleiches gilt für die wesentlich breitere Facette der Anwendung verschiedener Kategorien von Musikprojekten. Konkret hat es jedoch den deutlichen Anschein, dass Musik im Vergleich zu den anderen Genres nach wie vor in besonderer Weise als Form der Repräsentation genutzt wird und die partizipativen Möglichkeiten kaum zum Tragen kommen. Wie bereits in Kapitel 5.3 dargestellt, zeigt sich jedoch auf der anderen Seite, dass eine Vielzahl an Musikprojekten als so genannte Verbundprojekte konzipiert wird. Auch die sich hieraus ergebenden Vorteile wurden im Zuge dessen erläutert – eine einfache Begründung ist vor allem darin zu finden, dass die befragten Kulturmanager oftmals angeben, bei der Planung von Musikprojekten nach weiteren Möglichkeiten zu suchen, die über eine solitäre Konzertdarbietung der eingeladenen Künstler hinausgehen. Tatsächlich ist jedoch auch in diesem Fall festzustellen, dass die Durchführung jener Verbundprojekte in überwiegendem Maße aus Erfahrungen und bestehenden Kontakten der Verantwortlichen gespeist wird. Eine bewusste Kenntnisnahme der Möglichkeiten von Verbundprojekten sowie eine explizite Herangehensweise bei der Planung als Verbundprojekt kann weder den Befragungen der Projektdurchführenden noch den strategischen Leitlinien in besonderer Weise entnommen werden. Wie erklärt sich dieser Widerspruch? Wie kann es sein, dass dieses Konzept von Musikprojekten zwar in verschiedener Art und Weise durchgeführt wird, jedoch kein besonderes Bewusstsein oder gar eine Handreichung für die Durchführenden zu bestehen scheinen? Nochmals Bezug nehmend auf die zuvor dargestellten Grundsätze der Arbeitsweise bei Kulturprojekten des Goethe-Instituts, sollte die Ausgestaltung von Musikprojekten einen wesentlich stärkeren Bezug zu dem in jener Broschüre aufgezeigten Wirkungsmodell herstellen können. In diesem Wirkungsmodell wird gefragt, inwieweit die an die Arbeit gestellten Ansprüche erfüllt und die Ziele erreicht würden, ob „Aufwand und Ergebnis der Arbeit in einem günstigen Verhältnis“ stünden, zu welchen „langfristigen und gesellschaftlichen Wirkungen“ die Arbeit im Sinne der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik beitragen würde, inwieweit die „Grundlage für Langzeit- und Übertragungseffekte“ ge-
8.3 Zum Konzept von Musikprojekten
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schaffen würde und inwiefern die positiven Wirkungen auch von Dauer seien (Goethe-Institut 2016: 11). Es lässt sich erkennen, dass zuvörderst Verbundprojekte diesen Fragestellungen positiv entsprechen können. Aus diesem Grund scheint es sinnvoll, den Durchführenden ein tiefergehendes Verständnis über jene Wirkungsmöglichkeiten zu vermitteln. Zwar greifen die neuerlichen Schwerpunkte der Kulturellen Programmarbeit, nämlich die Aspekte der Koproduktion und der Künstlerresidenzen, die Idee der Realisierung von kategorien-, sparten- und genreübergreifenden Formaten auf, allerdings sind diese häufig an bestimmte Programme oder feste Häuser gebunden. Gerade die gegenwärtige Akzentuierung der Arbeit der Künstlerresidenzen offenbart die Potentiale, welche in jenen Formaten zu finden sind (vgl. Crückeberg 2019). Die Mitarbeiter einzelner Kulturabteilungen wissen bisweilen jedoch nicht um die Vorteile ebensolcher Verbundprojekte, noch ist ihnen die Begrifflichkeit geläufig. Tatsächlich scheint kein Konzept von Musikprojekten dem Diktum der dialogischen, begegnenden, transkulturellen Kulturarbeit so nahe zu kommen wie es die Verbundprojekte tun – weit über ein reines Vermitteln westlicher Musiken hinaus, hin zum gemeinsamen Schaffen und Lernen. Fernab von reinen Repräsentationsschemata kann über künstlerische Inhalte tatsächlicher Kulturaustausch geschaffen werden. Durch eine bewusste Festlegung besonders wirksamer Verbundprojekte könnte ein akteurs- und institutionsübergreifender Konsens erzeugt werden, in welcher Art und Weise die mit der Programmarbeit verbundenen Ziele in ihrer Wirksamkeit gestärkt werden – ohne dass diese künstlerischen Prozesse Gefahr laufen müssten instrumentalisiert zu werden. Konkret könnte dies bedeuten, Best-Practice-Modelle von Verbundprojekten zu identifizieren und aus diesen entsprechende Handreichungen für die Auswärtigen Kulturmanager zu erarbeiten.98 Die Vermittlung dieser Handreichungen müsste jedoch über ein ausschließliches Präsentieren (Jahrbücher, Intranet, etc.) hinausgehen und tatsächlich in Form konkreter Anwendungsvorschläge, beispielsweise in Form von Schulungen, Feldstudien, etc., erfolgen. 98
Bei der Weitergabe von Best-Practice-Projekten, Methoden lassen sich immer „vergleichbare Grundsätze herausarbeiten, die verallgemeinbar sind“, die funktioniert haben und auch weiter funktionieren (Henze 2018: Allerdings erfährt das Prinzip Best Practice auch eine kritische Betrachtung, zum Beispiel durch Mattocks: „Therefore, ultimately, best practices can provide the beginnings of inspiration for policy learning and transfer. However, without the inclusion of models, contextualized information on implementation and evaluation, as well as contact information so that interested agents can obtain further details from the source of the practice itself, their effectiveness as an approach for policy learning and exchange of remains limited” (Mattocks 2017: 26).
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Dabei müsste gezielt danach gefragt werden, welche Ziele und Zielgruppen mit einem Musikprojekt erreicht werden sollen und inwiefern diese mit den Zielen der Auswärtigen Kulturpolitik korrespondieren, welche Art von Verbund für die Erreichung dieser Ziele sowie einem plausiblen Aufwand-Nutzen-Prinzip konzipiert werden sollte und welche langfristigen Effekte damit im Gastland erwartet werden können. Durch eine konkrete vorherige Aufbereitung jener Aspekte wäre man zumindest dafür sensibilisiert, ob es tatsächlich sinnvoll ist, den Großteil des zur Verfügung stehenden Budgets für solitäre Projekte wie ein Musikfestival, eine Jazzreihe oder ein Symphoniekonzert zu investieren und inwiefern hierdurch tatsächlich nachhaltiger und kreativer Austausch oder eine „wirksame Kulturpolitik dank Irritationsimpulsen“ geschaffen würde, wie sich der Leiter des GoetheInstituts Australien, Arpad Sölter, zitieren lässt (zit. nach Gmür 2018: 524). Ist dabei von besonderer Relevanz, welche Art von Musik gespielt respektive „genutzt“ wird? Es ist zumindest fragwürdig, ob E-Musik und Neue Musik tatsächlich genauso geeignet sind für einen transkulturellen Dialog, wie es die verschiedenen Formen der Popkulturen (und hiermit sind explizit nicht nur die westlichen Formen gemeint) sind. Gibt es denn diesen deutschen Klang überhaupt noch – über eine kulturhistorische Zuschreibung hinaus? Ist deutsche Musik mittlerweile nicht mindestens genauso divers, wie es die deutsche Bevölkerung ist? Konkret: Ist orientalisch geprägter Straßen-Hip-Hop nicht mindestens genauso deutsch, wie es Wagner ist? Es ließe sich durchaus feststellen, dass gerade die Musikarbeit nach wie vor aus einer eher eurozentristischen Perspektive heraus gestaltet wird. Ein Kunstwerk, also auch Musik, tritt im internationalen Austausch – so wie Knopp es beschreibt – unmittelbar in andere Deutungszusammenhänge (vgl. Knopp 2018: 253).99 Gerade vor diesem Hintergrund scheint eine ästhetische Akzentuierung der Musikarbeit, hin zu einer musikdialogischen Praxis, mindestens wünschenswert. In diesem Zusammenhang haben aber auch die Künstler selbst eine entscheidende Rolle. Welche Personen repräsentieren die deutsche Musik? Am Beispiel Leila Akiniy wird deutlich, dass Dialog auch maßgeblich durch die passende Art der Sprache/ Ansprache (in diesem Fall eine jugendliche Sprache), Verhaltenscodes, Kleidung, etc. ermöglicht wird und hierdurch alles andere als ein klischeebeladenes Deutschlandbild transportiert wird.
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An dieser Stelle sei an die Reaktionen auf Barenboims Aufführung von Wagners TRISTAN & ISOLDE in Jerusalem im Jahr 2001 erinnert.
8.4 Perspektiven für die Musikarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik
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Keine Kategorisierung von Musikprojekten seitens der Durchführenden. Mittler mit deutlich breiterem Genrezugang als diplomatische Vertreter. Musiknutzung dient in besonderer Form der Repräsentation. Verbundprojekte besonders geeignet für dialogische, trankulturelle Kulturarbeit. Identifikation Best-Practice-Modelle von Verbundprojekten und Erarbeitung Handreichungen für Durchführende empfehlenswert. Popmusik besonders geeignet für dialogische, trankulturelle Kulturarbeit. Hinwendung zu musikdialogischer Praxis wünschenswert.
8.4 Perspektiven für die Musikarbeit in der Auswärtigen Kulturpolitik In einer Gastvorlesung von Oliver Scheytt an der Universität Hildesheim im Jahr 2017 zur Auswärtigen Kulturpolitik fragte der ehemalige Geschäftsführer der letztmaligen deutschen Kulturhauptstadt Europas rhetorisch, wie man das Goethe-Institut denn strategisch steuern solle. Ihm sei keine Institution bekannt, deren Steuerung so komplex und schwierig sei (Quelle: Vorlesungsprotokoll des Verfassers). Stellt sich aber vielleicht nicht eher die Frage, inwieweit das Auswärtige Kulturmanagement qualifiziert werden kann, wie es aktiv Kulturpolitik vor Ort zu betreiben fähig ist? Das Wechselspiel zwischen strategischen Vorgaben und operativem Kulturmanagement wird im besten Fall durch das Engagement und Wissen der Durchführenden im Ausland gesteuert – und nicht umgekehrt. Steht dies im Widerspruch zu den zuvor erarbeiteten Implikationen, dass stärkere strategische Eingaben aus Deutschland heraus notwendig sind? Im Gegenteil: Die Identifikation von sinnvollen Verbundprojekten, die vorherige Schwerpunktbildung bei der Entsendung von Mitarbeitern und die Vermittlung weiterführender Qualifikationen der Durchführenden – bei gleichzeitiger Anerkennung der Kompetenzen der Kulturmanager und ihrer besonderen Interessen an bestimmten Genres, Stilistiken und Themen – führt umgekehrt zu mehr Gestaltungsfreiräumen vor Ort. Das Auswärtige Kulturmanagement kann in dieser Form zu einer proaktiven Disziplin der Auswärtigen Kulturpolitik werden, kann nachhaltig wirken und tatsächliche dialogische Kulturarbeit vor Ort ermöglichen – und ihr Handeln so in die außenkulturpolitischen Konzeptionen rückwirkend einspeisen. Für die Musik könnte und müsste es zukünftig zuvorderst bedeuten, dass Projekte dieser Kunstsparte in ihren Formaten von der reinen Repräsentation weggeführt werden – so wie es in anderen Bereichen bereits der Fall ist. Die Form der Koproduktion und ihre mittlerweile größer aufgelegte Förderung ist hierfür ein guter Weg, tatsächlich sind es aber die vielen tausend Projekte im
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Kleinen, die nach wie vor einem klassischen Durchführungsmuster folgen. Es bedarf einer kritischen Überprüfung seitens der Akteure, ob dem tatsächlichen Wert der Musik hiermit Genüge getan wird. Die vorherigen Ausführungen zeigen, dass dies nicht der Fall ist. Dass gerade Projekte wie zum Beispiel Ten Cities in ihrer Konstitution besonders anstrengend in der Durchführung sind, mitunter auch scheitern können, darf nicht daran hindern, dass besonders diese Verbundprojekte in besonderer Weise dem Ansatz Kultureller Programmarbeit folgen. All dem muss in Deutschland jedoch ein grundlegendes außenpolitisches Verständnis vorausgehen, muss ein erstmalig in dieser Tiefe geführter Diskurs darüber geführt werden, wie solche Projekte und ihre Durchführung handhabbar, dialogisch-transkulturell und wirkungsvoll sind. Es muss diskutiert werden, wie die verschiedenen Träger und Mittler chorisch zusammenarbeiten können. Es muss berücksichtigt werden, wie die Menschen, welche die Strategien empfangen und umsetzen sollen, Musikprojekte bestmöglich fördern, ermöglichen und gestalten können. Kurz: Wie die Musik mehr als nur ein leises Hintergrundrauschen ist. Wie es der Klang transkultureller Freundschaften wird.
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