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German Pages 303 Year 1990
DIETRICH VOLLMER Auslegung und „Auslegungsregeln"
Schriften zur Rechtstheorie Heft 142
Auslegung und „Auslegungsregeln"
Von
Dietrich Vollmer
Duncker & Humblot * Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Vollmer, Dietrich:
Auslegung und „Auslegungsregeln" / von Dietrich Vollmer. — Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Schriften zur Rechtstheorie; H. 142) Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06822-X NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0582-0472 ISBN 3-428-06822-X
Meiner Mutter und dem Andenken meines Vaters
Inhaltsverzeichnis Einleitung
13
Erster Teil „Allgemeine Auslegungsregeln" §1 Das Problem
15
A. Gegensätzliche Auffassungen über die begriffliche Möglichkeit „allgemeiner gesetzlicher Auslegungsregeln" 15 I. Die herrschende Lehre
15
II. Die Gegenauffassungen
16
B. Grundsätzliche Fragestellung und Gegenstand der Untersuchung § 2 Kritische Analyse der herrschenden Lehre von den §§ 133 und 157 BGB als positivrechtliche gesetzliche Vorschriften der Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen
A. Begründung der herrschenden Lehre im Schrifttum I. Überblick II. Die Begründung durch Mayer-Maly
18
20
20 20 21
1. Darstellung
21
2. Analyse und vorläufige Kritik
22
B. Methodischer Ansatz und Notwendigkeit einer erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Grundlegung der weiteren Untersuchung
25
C. Erkenntnis- und wissenschaftstheoretische sowie methodologische Grundlegung der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen
28
I. Erkenntnistheoretische Grundauffassungen 1. Realismus
28 29
8
Inhaltsverzeichnis
2. Dualismus
30
3. Idealismus
32
4. Stellungnahme — Entscheidung für den erkenntnistheoretischen Realismus 33 5. Mögliche Folgerungen und Grundproblematik der Erkenntnistheorie und Methodenlehren II. Neuzeitiche Erkenntnislehren
40 44
1. Rationalismus
44
2. Empirismis
45
3. Positivismus
47
III. Die Falsifikationslehre des „kritischen Rationalismus" als erkenntnistheoretische und methodologische Grundlage der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen
49
IV. Die „Moderne Wissenschaftstheorie" als erkenntnistheoretische und methodologische Grundlage der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen
59
1. Grundsätzliche Unvereinbarkeit einer analytischen Erkenntnis- und Wissenschaftsauffassung mit einer „geisteswissenschaftlich-hermeneutischen" Erkenntnis- und Auslegungslehre
59
2. Der sogenannte „logische Empirismus" als Ausgangspunkt der sprachanalytischen Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie
62
a) Die Grundhaltung des „logischen Empirismus" zum Erkenntnisproblem 62 b) Die Grundlagen der Wissenschafts- und Erkenntnislehre des „logischen Empirismus"
63
aa) Die Lehre Schlicks
63
(1) Darstellung
63
(2) Stellungnahme
73
bb) Die These von der Reduktion aller Erkenntnis auf das „erlebnismäßig Gegebene" und ihre Folgen: „Physikalismus" und „linguistische Wende"
80
3. Die „moderne sprachanalytische Wissenschaftstheorie"
89
a) Gegenstandslehre und „allgemeine Prädikation"
89
b) Definitions- und Urteilslehre
92
c) Satzlehre
98
Inhaltsverzeichnis d) Zusammenfassende kritische Analyse
9 99
4. Nichtbegründbarkeit einer allgemeinen Erkenntnismethode und einer Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen auf der Grundlage der sprachanalytischen Wissenschaftstheorie 106 V. Neuere Ansätze der Erkenntnislehre, Wissenschafts- und Sprachphilosophie als Grundlagen der juristischen Auslegungslehre und der Annahme „gesetzlicher Methodenanweisungen" 109 1. „Holistischer Naturalismus" nach Quine und „extensionale Auslegungslehre" 109 a) Darstellung aa) Quines Kritik an den Dogmen des Empirismus
109 109
bb) „Empirismus ohne Dogmen": Die sogenannte QuineThese 115 cc) Quines Ontologie, Erkenntnistheorie und Bedeutungstheorie 116 (1) „Ontologische Relativität"
117
(2) „Naturalisierte Erkenntnistheorie"
124
(3) „Reizbedeutungen"
128
b) Zur Annahme positivrechtlicher gesetzlicher „Vorschriften" der Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen auf der Grundlage der allgemeinen Lehren Quines 129 aa) Gegenstand und Art der Auslegungstätigkeit im Sinne der Lehre Quines 129 bb) Unbestimmtheit der Auslegung (Übersetzung), „extensionale Auslegungslehre" und „gesetzliche Methodenanweisungen" 132 c) Stellungnahme
135
2. Nicht-psychologischer Bedeutungsbegriff und „interner Realismus" Putnams und Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen 149 a) Darstellung
149
b) Stellungnahme
158
VI. „Geisteswissenschaftliche Hermeneutik" als erkenntnistheoretischer Ansatz der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen und ihrer Methode 160 VII. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse VIII. Die hier vertretene Auffassung 1. Grundlagen
168 171 171
10
Inhaltsverzeichnis
2. Inhaltliche Voraussetzungen einer realistischen Theorie der Erfahrungserkenntnis 174 a) Die Nichtexistenz ausschließlich „bewußtseinsimmanenter Erkenntnisse" und Unabhängigkeit der Erkenntnisse von MetaErkenntnissen 175 b) Die Existenz körperlicher , körperlichgeistiger sowie geistiger Seiender und ihre Bedeutung für den Erkenntnisbegriff 179 3. Die empirisch-realistische Erkenntnislehre Ernst Wolfs
186
4. Ausschließliche thode
191
Gegenstandsbedingtheit jeder
Erkenntnisme-
D. Methodologische Unmöglichkeit „allgemeiner Auslegungsregeln" als „positivrechtliche Methodenanweisungen" für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen 200 I. Auslegung als Erkennen
200
II. Ausschließliche Gegenstandsbedingtheit der Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen 201 E. Verfehlte historische Grundlagen § 3 „Allgemeine Auslegungsregeln" ohne positivrechtlichen Inhalt
202 206
Zweiter Teil „Besondere Auslegungsregeln" § 4 Kritische Analyse der herrschenden Lehre von den „besonderen Auslegungsregeln" 208
A. Darstellung der Lehre
208
B. Die Unlösbarkeit des Problems der Abgrenzung „besonderer Auslegungsregeln" von sogenannten „Ergänzungsnormen" als Folge der verfehlten Annahme von „besonderen Auslegungsregeln" 211 C. Verfehlte Grundlagen der herrschenden Lehre von den „besonderen Auslegungsregeln" 221 § 5 Die tatsächliche Natur der als „besondere Auslegungsregeln" bezeichneten gesetzlichen Regelungen 224
A. Inhalt und Grenzen staatlicher Gesetzgebung durch den Begriff staatliches Rechtsgesetz 224
Inhaltsverzeichnis
Β. Der Begriff staatliches Rechtsgesetz
225
C. „Besondere Auslegungsregeln" als „Fiktionen"
237
D. „Besondere Auslegungsregeln" als „Legaldefinitionen"
239
E. Die von der herrschenden Lehre fur „besondere Auslegungsregeln" gehaltenen gesetzlichen Regelungen als Vermutungen 240 I. Vermutungen bejahende Auffassungen im Schrifttum
240
1. Das Schrifttum
240
a) Darstellung
240
b) Kritik
242
2. Das Schrifttum zum Bürgerlichen Gesetzbuch a) Überblick
244 244
b) „Vermutungen des Erklärungswertes" (Die Auffassung von Oertmann) 244 c) „Auslegungsvorschriften" als „Vermutungen für die Existenz von Verkehrssitten" (Die Auffassung von Titze) 249 d) Zugehörigkeit der „besonderen Auslegungsregeln" zu den als „prozeßrechtliche Hilfsregeln der Beweisführung" verstandenen gesetzlichen Vermutungen (Die Auffassung von Wolf) 253 e) Zwischenergebnis II. Der Begriff Gesetzliche Vermutung
254 254
1. Zum Gegenstand und zur Methode der Begriffserläuterung
254
2. Die gesetzlichen Tatsachenvermutungen
260
a) Die gesetzlichen Tatsachenvermutungen als „tatsachenerschließende Rechtssätze" (Die Ansicht von Rosenberg) 260 b) Gesetzliche Vermutungen als „Beweisregeln" oder Beweislastregelungen 266 aa) Stellungnahmen im Schrifttum (1) Gesetzliche Vermutungen als „voraussetzungsgebundene Beweislastregeln" (Die Ansicht von Leipold) .. (2) Gesetzliche Tatsachenvermutungen als „Fiktionen der Feststellung der vermuteten Tatsache" (Die Ansicht von Musielak) (3) Gesetzliche Vermutungen als sogenannte „zweite Tatbestände" (4) Gesetzliche Vermutungen als „Hilfsregeln der Beweisführung" (Die Ansicht von Wolf)
266 266
273 281 282
12
Inhaltsverzeichnis
bb) Die eigene Auffassung des Begriffes gesetzliche Tatsachenvermutung: Allgemeine prozeßrechtliche Tatbestände beweislastausschließender rechtlicher Verhältnisse 286 3. Die gesetzlichen Rechtsvermutungen
292
III. Folgerungen fur die von der herrschenden Lehre als „besondere Auslegungsregeln" bezeichneten gesetzlichen Regelungen 295 Literaturverzeichnis
297
Einleitung Die Mehrdeutigkeit vieler sprachlicher Ausdrücke bedingt, daß der Inhalt wörtlicher Erklärungen oft nicht ohne weiteres erkennbar ist. Dies gilt für Erklärungen jeder Art, beispielsweise für politische, ebenso wie für die in dieser Abhandlung behandelten rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Letztere bedürfen daher ebenso wie Erklärungen anderer Art der Auslegung. Unbestritten ist, daß die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht nach Gutdünken des Auslegenden erfolgt, sondern einer Methode bedarf, die willkürliche Behauptungen von Geschäftsinhalten ausschließt. Abgesehen davon gehen im juristischen Schrifttum die Auffassungen über die „richtige" Methode auseinander. Mayer-Maly z.B. stellt „psychologischsubjektiv" und „objektiv-normativ" „konzipierte Interpretationstheorien" einander gegenüber 1. Alleine die Unterscheidung von subjektiv und objektiv konzipierten Auslegungslehren zeigt, daß der aus dem Gemeinen Recht stammende Streit zwischen Willens- und Erklärungstheorie trotz anderer Bezeichnungen und gegenteiliger Behauptungen noch nicht ausgestanden ist. Der Grund hierfür liegt hauptsächlich in der sprachlichen Fassung des § 133 BGB. Nach dem Wortlaut des § 133 BGB „ist" „bei der Auslegung einer Willenserklärung" „der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften". Nach der herrschenden Lehre ist die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen durch § 133 BGB ebenso gesetzlich vorgeschrieben wie die Methode der „Auslegung von Verträgen" durch §157 BGB 2 . Die „richtige" Methode der Auslegung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen und „Verträgen" läßt sich danach letztlich nur durch Auslegung der §§133 und 157 BGB erkennen. Die Unterschiede in den Auffassungen über die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen sind nach der herrschenden Lehre ein Streit über die Auslegung der §§133 und 157 BGB, die gewöhnlich als „Auslegungsregeln" bezeichnet und inhaltlich als gesetzliche Methodenanweisungen verstanden werden. Das Thema dieser Arbeit könnte daher einen Versuch erwarten lassen, durch Auslegung der §§133 und 157 BGB zu einer eindeutigen Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen zu gelangen. Die Tatsache jedoch, daß die Fülle derartiger Versuche nicht zu einer allgemein akzeptierten Auffassung über die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen geführt hat, zwingt zu der Frage nach der Haltbarkeit 1 2
Vgl. Mayer-Maly, Münch.-Komm., § 133 Rdn. 1. Zum Inhalt dieser Lehre im einzelnen siehe Erster Teil, § 1 Α. I. bei Fn. 4-16.
14
Einleitung
der grundlegenden Annahme der herrschenden Lehre, die §§ 133 und 157 BGB seien gesetzliche Methodenanweisungen. Diese und die darin enthaltene allgemeine Frage, ob es überhaupt gesetzliche Methodenanweisungen gibt, ist das erste Hauptthema dieser Untersuchung. Die Frage nach der Lehre von den „gesetzlichen Auslegungsregeln" stellt sich für die herrschende Lehre nicht, weil diese trotz aller unterschiedlichen Auslegungslehren traditionell ohne nähere Begründung von der Kompetenz des Gesetzgebers ausgeht, durch Gesetz methodische Grundsätze der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen festzulegen. Geht man davon aus, daß Auslegung ein Erkennen ist, so stellt sich die Frage, ob ein solches Erkennen im Vorhinein durch staatliche gesetzliche Regelungen geregelt werden kann, ohne den Inhalt der von einer anderen Person als dem Auslegenden abgegebenen Erklärung zu verfalschen und von vorneherein unzulässig einzuschränken. Letztlich ist die Frage berührt, ob und inwieweit der Gesetzgeber berechtigt ist, über den durch „gesetzliche methodische Regelungen" gebundenen erkennenden Richter die rechtsgeschäftliche Freiheit (Inhaltsfreiheit) der Menschen durch gesetzliche Auslegungsanordnungen einzugrenzen. Neben den §§133 und 157 BGB werden solche gesetzlichen Regelungen ebenfalls als „Auslegungsregeln" bezeichnet, nach deren Wortlaut bestimmte inhaltlich mehrdeutige Erklärungen „ i m Zweifel" als mit einem bestimmten Inhalt erklärt anzusehen sind 3 . Die Theorie von den gesetzlichen Methodenanweisungen wird auf diese Weise ergänzt durch die Theorie der gesetzlichen Anweisungen von Auslegungsergebnissen für bestimmte Fälle, in denen sich bei methodischer Auslegung kein eindeutiger Geschäftsinhalt ergibt. Dem Gesetzgeber wird danach nicht nur die Kompetenz zugebilligt, durch Gesetz die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen festzulegen, sondern darüber hinaus bestimmte Auslegungsergebnisse vorzuschreiben. Da danach die Annahme bestimmter Geschäftsinhalte vom Gesetz vorgeschrieben ist, stellt sich auch hier letztlich die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Theorie von den „besonderen Auslegungsregeln" mit der rechtsgeschäftlichen Freiheit des Einzelnen. Die Frage nach der Haltbarkeit dieser Lehre und die sich aus der hier dazu vertretenen Auffassung ergebenden Konsequenzen sind Gegenstand des zweiten Hauptteils dieser Untersuchung.
3
Zum Inhalt dieser Lehre im einzelnen siehe Zweiter Teil, "4 A. bei Fn. 1-20.
Erster
Teil
„Allgemeine Auslegungsregeln" § 1 Das Problem A. Gegensätzliche Auffassungen über die begriffliche Möglichkeit „allgemeiner gesetzlicher Auslegungsregeln" I. Die herrschende Lehre Die sich ihrem Wortlaut nach auf die Methode der Auslegung von „Willenserklärungen" und „Verträgen" beziehenden §§133 und 157 BGB werden gewöhnlich als „Auslegungsregeln" bezeichnet4. Nach herrschender Lehre sind das positiv-rechtliche Gesetzesbestimmungen, die „Anweisungen" „enthalten", „wie die Auslegung einer Willenserklärung oder auch eines Vertrages im Ganzen vorzunehmen" sei5. Mit den gebräuchlichen Bezeichnungen „allgemeine" 6 , „generelle" 7 oder auch „formale" 8 „Auslegungsregeln" wird im Sinne der herrschenden Lehre terminologisch klargestellt, daß es sich bei den §§133 und 157 BGB um Bestimmungen handelt, die nicht wie die ebenfalls behaupteten „besonderen Auslegungsregeln" ein bestimmtes „Ergebnis der Auslegung als das ,im Zweifel 4 zutreffende bezeichnen"9, sondern die bei der Auslegung von „Willenserklärungen" allgemein anzuwendende 4
Vgl. ζ. B. Larenz, Allg. Teil, § 19 II e (338); Palandt-Heinrichs, 37. Aufl., § 133 Anm. 1 a; gleichbedeutend bezeichnet Heinrichs neuerdings § 133 ebenso wie § 157 als „Auslegungsnorm", vgl. Palandt-Heinrich, 48. Aufl., § 133 Anm. 1 a; Rüthers, Allg. Teil, § 19 II, Rdn. 214 (131); v. Lübtow, Erbrecht, S. 274; Flume, Allg. Teil, Bd. II, Kap. IV, § 16 3a (307), der gleichbedeutend von „Auslegungsvorschriften" spricht; vgl. auch Motive, Bd. 1 S. 155 (Mugdan I S. 437), und Bickel S. 159. 5 So z. B. Larenz, Allg. Teil, § 19 II e (338); ähnlich Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil I, §49 II (300). 6 So z. B. die Ausdrucksweise bei Flume, Allg. Teil, Bd. II, Kap. IV, § 16 3 a (307), der allerdings widersprüchlich in der betreffenden Überschrift die §§133 und 157 als „Auslegungsvorschriften des BGB" bezeichnet und demgegenüber im anschließenden Text unter Hinweis auf die Motive Bd. 1 S. 155 ausführt, „das BGB" enthalte „im Gegensatz zu anderen Kodifikationen keine allgemeinen Auslegungsregeln, die bestimmte Anweisungen für die Auslegung" gäben. 7 So z.B. v. Lübtow, Erbrecht I, S. 274. 8 So z.B. Larenz, Allg. Teil, § 19 II e (339). 9 So die Formulierung von Larenz, Allg. Teil, § 19 II e (338).
1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
16
Auslegungsmethode positivrechtlich vorschreiben 10. Unabhängig davon, ob die „Willenserklärung" 11 selbst, die „Erklärung" als Geltungserklärung 12 , der „auszulegende Text" 13 oder „der äußere Tatbestand der Willenserklärung" 14 ™ Schrifttum ausdrücklich als Gegenstand der Auslegung angegeben werden, oder ob statt der Angabe des Gegenstandes vom „Ziel der Auslegung" 1 5 die Rede ist, die Methode der Auslegung ist nach herrschender Lehre nicht ausschließlich vom Gegenstand der Auslegung, sondern zumindest auch von gesetzlichen Regelungen bestimmt; mit den Worten von Larenz ausgedrückt: „Über die Methode der Auslegung entscheidet nicht die Theorie allein, sondern diese ist durch die positiven Gesetzesbestimmungen der §§133 und 157 BGB vorgezeichnet" 16 . II. Die Gegenauffassungen Im Gegensatz zu dieser herrschenden Lehre steht die schon in den Motiven zum ersten Entwurf des BGB ausgesprochene Auffassung, „Vorschriften dieser A r t " — gemeint sind die hier besprochenen „allgemeinen Auslegungsregeln" — 10 Für viele Autoren ist dies so selbstverständlich, daß sie es nicht besonders hervorheben. Aus dem jeweiligen Kontext ergibt sich aber eindeutig die Zugehörigkeit zur herrschenden Auffassung. So führt ζ. B. Hübner, Allg. Teil, § 351, Rdn. 426 (313) aus, „das Gesetz" unterscheide „zwischen der Auslegung von Willenserklärungen (§133) und der Auslegung von Verträgen (§ 157)", und stützt seine anschließende Erläuterung der Auslegungslehre auf diese beiden gesetzlichen Bstimmungen. Heinrichs betont in der 37. Aufl. des Palandt (Palandt-Heinrichs, 37. Aufl., § 133 Anm. 1 a), „die Auslegungsregeln" seien „sachlich-rechtliche, nicht prozeßrechtliche Normen" und führt neuerdings aus (Palandt-Heinrichs, 48. Aufl., § 133 Anm. 1 a), „Rechtsprechung und Lehre" hätten „aus den beiden Normen unter Einbeziehung von allgemeinen Grundsätzen einen weitgehend allgemein anerkanntnen Kanon von Auslegungsgrundsätzen entwickelt. Von diesen Grundsätzen" beruhe „das Verbot der Buchstabenauslegung, die Grundsätze über die Auslegung von nichtempfangsbedürftigen Willenserklärungen und der Vorrang des übereinstimmenden Parteiwillens auf § 133; dagegen" richte „sich die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen überwiegend und die ergänzende Vertragsauslegung ausschließlich nach § 157". Die Belege für die Tatsache, daß die herrschende Lehre die Grundlage der Auslegungsmethode in den vermeintlich positiv-rechtlichen Bestimmungen der §§133 und 157 BGB sieht, lassen sich beliebig erweitern; vgl. statt aller noch Enneccerus-Nipperdey, §205 I 1 (1248). 11
So ζ. B. Palandt-Heinrichs, 37. Aufl., § 133 Anm. 2; in der 48. Aufl. nennt Heinrichs als Auslegungsgegenstand den „konkreten Erklärungsakt, dessen rechtlicher Inhalt festgestellt werden" solle (vgl. Palandt-Heinrichs, 48. Aufl., § 133 Anm. 3 a). 12 So Larenz, Allg. Teil, § 19 II b (280). 13 So Staudinger-Coing, § 133 Anm. 24. 14 So Hübner, § 35 I, Rdn. 427 (313). 15 Vgl. nur Lüderitz, S. 47, nach dem „Ziel" der Auslegung ist, „die konkrete Regelungsfolge und damit Rechtsfolge festzustellen"; nach Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen nichtiger Willenserklärungen, S. 277, ist es „Aufgabe" der inhaltlichen Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, „den rechtlichen (wirklichen) Willen des Erklärenden aus Licht zu bringen"; auch Brox, Allg. Teil, § 61, Rdn. 123 (66) spricht vom „Ziel der einfachen Auslegung". 16 Larenz, Methode der Auslegung, S. 3.
§ 1 Das Problem
17
seien „im wesentlichen Denkregeln ohne positivrechtlichen Gehalt; der Richter erhalte Belehrungen über praktische Logik" 1 7 . Die Motive enthalten den ausdrücklichen Hinweis, „dabei" liege „die Gefahr nahe, daß diese Vorschriften für wirkliche Rechtssätze genommen" würden, „und daß der Sinn des gesprochenen Wortes als die Hauptrichtschnur behandelt" werde, „von der nur insoweit abgewichen werden dürfe, als das Gesetz dies besonders erlaubt" habe, „während doch die Aufzählung aller möglicherweise maßgebenden Umstände im Gesetze geradezu ausgeschlossen" sei 18 . Darüber hinaus werden an gleicher Stelle Zweifel an der Erforderlichkeit des § 133 BGB geäußert 19 . Diese Auffassung wird — soweit ersichtlich — im Grundsatz zur Zeit nur von Ernst Wolf und Bickel vertreten 20 . Nach diesen ist Auslegung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung 21 Erkennen des Geschäftsinhaltes der Erklärung 22 und damit Erkennen eines bestimmten Gegenstandes im Sinne der von den genannten Autoren zugrundegelegten empirischen realistischen Erkenntnisund Wissenschaftslehre 23. Die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen ist danach wie jede Methode wissenschaftlichen Erkennens einer positivrechtlichen gesetzlichen Regelung entzogen 24 . Während aber Ernst Wolf ausdrücklich eine gesetzliche Gebundenheit an gleiche Umstände und damit die Existenz von „allgemeinen Auslegungsregeln" verneint 25 , bezeichnet Bickel — jedenfalls terminologisch übereinstimmend mit der herrschenden Lehre — die §§ 133 und 157 BGB als „allgemeine gesetzliche Auslegungsregeln" 26, obwohl er den von der herrschenden Lehre behaupteten positivrechtlichen Gehalt der Bestimmungen bestreitet 27 . Warum es sich bei den §§133 und 157 BGB trotz fehlenden positivrechtlichen Inhalts um „gesetzliche Regeln für die Auslegung" 28 handeln soll, erklärt Bickel nicht; insbesondere bleibt die Frage der Gebundenheit an die „Regeln" offen 29 . Fest steht nur, daß Bickel einen von 17
Motive, Bd. I, S. 155 (Mugdan I S. 437). Motive, Bd. I, S. 155 (Mugdan I S. 437). 19 Motive, Bd. I, S. 155 (Mugdan I S. 437). 20 Wolf, Allg. Teil, §9 A II s (432); Bickel, S. 161. 21 Wolf und Bickel vermeiden bewußt den Ausdruck „Willenserklärung", weil nach ihnen nicht der Wille erklärt wird, sondern eine Erklärung mit rechtsgeschäftlichem Inhalt abgegeben wird; vgl. Wolf, Allg. Teil, § 7 Β (298 ff.), § 9 A II c 6, Fn. 23 (423); Bickel, S. 98. 22 Wolf, Allg. Teil, §9 A I (416); Bickel, S. 98. 23 Zu den erkenntnis- und wissenschftstheoretischen Grundlagen Ernst Wolfs, vgl. dessen Ausführungen „Gibt es eine marxistische Wissenschaft", S. 25 ff. und Allg. Teil, § 1 A VI (20ff.); vgl. dazu Bickel, S. 11 ff. und lOOff.; eingehend dazu unten, Erster Teil, § 2 C VIII 3, bei Fn. 724ff. 24 Wolf, Allg. Teil, §9 A II e (430f.); Bickel, S. 161. 25 Wolf, Allg. Teil, "9 Β I e (439f.). 26 Bickel, S. 159. 27 Bickel, S. 161. 28 Vgl. die Überschrift ,,a)" bei Bickel, S. 159. 29 Diese Frage wird auch von Flume nicht eindeutig beantwortet. Flume führt einerseits aus (Juristentags-Festschrift, S. 195), die §§ 133,157 BGB „seien in Wirklichkeit 18
2 Vollmer
18
1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
dem der herrschenden Lehre abweichenden, aber nicht definierten Begriff „allgemeine gesetzliche Auslegungsregeln" seinen Ausführungen zugrundelegt.
B. Grundsätzliche Fragestellung und Gegenstand der Untersuchung Eine vergleichende Analyse der im vorstehenden Abschnitt dargelegten Auffassungen führt zu folgenden Feststellungen: Zwischen der herrschenden Lehre und der Auffassung Bickels besteht lediglich die terminologische Übereinstimmung hinsichtlich der §§ 133 und 157 BGB als „allgemeine Auslegungsregeln". Sachlich stehen sich dagegen beide Auffassungen diametral gegenüber, da die Behauptung positivrechtlicher „Anweisungen" und die Verneinung eines positivrechtlichen Inhalts der §§ 133 und 157 BGB einander ausschließen. Demgegenüber stimmen die Auffassungen Bickels und Wolfs sachlich in der Ablehnung der Annahme eines positivrechtlichen Inhalts überein. Sie unterscheiden sich sachlich und terminologisch jedoch dadurch, daß die §§133 und 157 BGB auch nach Bickel „allgemeine" gesetzliche „Auslegungsregeln" mit einem allerdings nicht klargestellten begrifflichen Inhalts sind, während Wolf die Existenz „allgemeiner Auslegungsregeln" grundsätzlich verneint und dementsprechend auch die Bezeichnung ablehnt. Diese vergleichende Analyse läßt die schon in der Einleitung allgemein umrissene grundsätzliche Fragestellung dieser Untersuchung deutlich werden. Es geht — von terminologischen Problemen abgesehen—um die Frage nach der sachlichen Berechtigung von Lehren, nach denen die sprachlich in Befehlsform gefaßten und sich ihrem Wortlaut nach eindeutig auf die Methode der Auslegung von „Willenserklärungen" und „Verträgen" beziehenden §§ 133 und 157 BGB gesetzliche Regelungen der Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen mit materiellrechtlichem Inhalt sind, an die der Auslegende kraft Gesetzes gebunden ist. Die damit gestellte Frage nach der begrifflichen Möglichkeit von „allgemeinen Auslegungsregeln" ist — soweit ersichtlich — als selbständiges Thema noch nicht untersucht worden, obwohl der schon bereits zitierte Hinweis in den Motiven, die §§ 133 und 157 BGB enthielten keine „wirklichen Rechtssätze", Anlaß dazu gegeben hätte. Dies gilt umso mehr, als in den Motiven auch bereits auf die Unmöglichkeit einer gesetzlichen Aufzählung aller möglicherweise für die Auslegung maßgebenden Umstände hingewiesen wird. Da die Bestimmung der Methode der Auslegung von „Willenserklärungen" durch „allgemeine" positivrechtliche „Auslegungsregeln" eine gesetzliche Festlegung der bei der Auslegung zu berücksichtigenden Umstände bedeutet, was nicht ohne Einfluß überflüssig", andererseits erkennt er sie offensichtlich mit der herrschenden Lehre als positiv-rechtliche gesetzliche Regelungen an, wenn er an anderer Stelle (Allg. Teil, § 16 3 a S. 308) ausführt, „ihre Bedeutung als Rechtssätze" seien „gering". Flume muß daher trotz seiner teilweise abweichenden Darlegungen zu den Vertretern der herrschenden Lehre gezählt werden.
§ 1 Das Problem
19
auf den durch die Auslegung festzustellenden Inhalt der Erklärung bleibt, kommt der hier gestellten Frage nach der sachlichen Richtigkeit „allgemeiner Auslegungsregeln" im Sinne der herrschenden Lehre entscheidende Bedeutung zu. Die Frage, ob die §§ 133 und 157 BGB „allgemeine gesetzliche Auslegungsregeln" darstellen, stellt sich aber auch, wenn man der Auffassung Bickels im Grundsatz zustimmt; denn da Bickel — wenn auch mit anderem begrifflichen Inhalt als die herrschende Lehre — ebenfalls von „allgemeinen gesetzlichen Auslegungsregeln" spricht, stellt sich gleichfalls die Frage, ob die §§ 133 und 157 BGB auch auf der Grundlage der von Ernst Wolf und von Bickel vertretenen Auslegungslehre als „allgemeine gesetzliche Auslegungsregeln" ohne positivrechtlichen Inhalt zu beurteilen sind. A u f diese Frage ist erst einzugehen, wenn sich erweist, daß die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht durch positivrechtliche Gesetzesbestimmungen vorgeschrieben ist. Zusammenfassend kann damit die Problematik und der Gegenstand der Untersuchung durch die Frage ausgedrückt werden, ob die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen überhaupt gesetzlichen Regelungen zugänglich ist, d.h. ob solche Regelungen, als die nur die §§ 133 und 157 BGB und allenfalls noch § 2084 B G B 3 0 angesehen werden können, begrifflich möglich sind. Bei der Untersuchung geht es nicht um die Darstellung einer vollständigen Auslegungslehre im einzelnen, sondern um die für jede Auslegungslehre grundlegende Frage nach der Möglichkeit der Festlegung der Auslegungsmethode durch gesetzliche Regelungen.
30 Auch unter den Vertretern der herrschenden Lehre besteht keine Einigkeit über die systematische Einordnung des § 2084 BGB. So wird ζ. B. bei Palandt-Keidel, 37. Aufl, § 2084 Anm. 1 ausgeführt, „§ 2084" enthalte „eine erbrechtliche Ausgestaltung des § 133". Danach müßte die Bestimmung eine „allgemeine erbrechtliche Auslegungsregel" sein. Andererseits wird in Anm. 4 a derselben Kommentierung der § 2084 als „Beweisregel" bezeichnet, die erst eingreife, „wenn die Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen, § 133 oder den besonderen Auslegungsregeln", ..., „nicht bereis zum Erfolg" führe, „sondern Zweifel" offenlasse, „welche von zwei oder mehreren Auslegungen die richtige" sei. Aufgrund der Vermengung von Auslegung und Beweisrecht kann dieser Kommentierung nichts entnommen werden; nach v. Lübtow, Erbrecht I, S. 278 ist § 2084 „die erbrechtliche Ausprägung des dem § 140 zugrundeliegenden Gedankens der Umdeutung oder Konversion"; Leipold, Erbrecht, § 12IV 1, Rdn. 299 (135), führt zu § 2084 BGB aus, „die Grenzen der wohlwollenden Auslegung zur ergänzenden Auslegung und zur Umdeutung (§ 140)" seien „fließend; im Grunde" „lasse" „sich § 2084 (neben einzelnen besonderen Auslegungsregeln) als gesetzlicher Anhaltspunkt für die allgemeine Zulässigkeit einer ergänzenden Testamentsauslegung verstehen". Ohne auf diese Problematik näher einzugehen, kann festgestellt werden, daß die hier untersuchte Frage der begrifflichen Möglichkeit „allgemeiner Auslegungsregeln" auch § 2084 BGB betrifft, soweit die Bestimmung als solche aufgefaßt wird.
2*
§ 2 Kritische Analyse der herrschenden Lehre von den §§ 133 und 157 BGB als positivrechtliche gesetzliche Vorschriften der Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen A. Begründungen der herrschenden Lehre im Schrifttum I. Überblick Entsprechend der oben dargelegten grundsätzlichen Fragestellung dieser Untersuchung müßte eine wissenschaftliche Begründung den Beweis enthalten, daß die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen überhaupt positivrechtlichen, als „Anweisung" oder „Auftrag" verstandenen gesetzlichen Regelungen zugänglich ist. Eine Begründung der herrschenden Lehre, nach der die§§ 133 und 157 BGB „allgemeine" positivrechtliche methodische „Anweisungen" oder „Aufträge" 3 1 enthalten, wird im Schrifttum überwiegend nicht versucht. Gleich welche Auslegungslehre vertreten wird, es wird in der Regel ohne nähere Begründung für selbstverständlich gehalten, daß die Methode der Auslegung von „Willenserklärungen" durch die sogenannten „allgemeinen Auslegungsregeln" der §§133 und 157 BGB „vorgezeichnet" 32 ist. Statt einer wissenschaftlichen Anforderungen genügenden Beweisführung begnügt man sich mit der Behauptung, die Regelungen seien „allgemeine Auslegungsregeln" 3 3 , ohne die hier untersuchte Frage nach der begrifflichen Möglichkeit solcher „Auslegungsregeln" überhaupt mit einem Wort zu erwähnen. Angesichts von Auslegungslehren, nach denen die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen von vorneherein von angeblich im Gesetz getroffenen Wertentscheidungen abhängig ist 3 4 , wird die hier behandelte Frage im allgemeinen nicht gestellt und der Inhalt der als in den §§133 und 157 BGB enthalten angenommenen methodischen „Anweisungen" — angepaßt an die jeweilige eingene Auslegungslehre — willkürlich behauptet. Erst im neueren Schrifttum sah man sich veranlaßt, als Antwort auf die oben beschriebene Ansicht Bickels 35 zu der 31
Vgl. die Formulierungen bei Larenz, Allg. Teil, § 19 I I e (338) ("Anweisungen") und Mayer-Maly, Münch.-Komm., § 133 Rdn. 1 ("Auftrag"). 32 Vgl. Larenz, Methode der Auslegung, S. 3, der diese Behauptung auch nicht weiter begründet. 33
Bis auf die noch zu erörternde Stellungnahme Mayer-Malys, Münch.-Komm., § 133 Rdn. 1, findet sich — soweit ersichtlich — z.B. in der Kommentarliteratur keine Definition des Begriffes „Auslegungslehre". 34 So z.B. Mayer-Maly, Münch.-Komm., " 133 Rdn. 1; eine eingehende Kritik „wertungsjuristischer" Auslegungslehren enthält die Abhandlung Bickels, Die Methoden der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen; vgl. dort insbesondere die Zusammenfassung S. 90 ff. 35
Vgl. oben Erster Teil, § 1 B. bei Fn. 26-29.
§ 2 Kritik der Lehre von den gesetzlichen Methodenvorschriften
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hier behandelten Grundproblematik ausdrücklich Stellung zu nehmen und eine Rechtfertigung der herrschenden Lehre zu versuchen. II. Die Begründung durch Mayer-Maly 1. Darstellung
Zur Verteidigung der herrschenden Lehre führt Mayer-Maly in seiner Kommentierung des §133 BGB wörtlich aus 36 : „Die Bestimmung37schreibt dem Richter vor, wie er bei der Auslegung eines Rechtsgeschäftes vorzugehen hat. Da es dabei verschiedene Möglichkeiten gibt, wie schon der Gegensatz zwischen den psychologisch-subjektiv und den objektiv-normativ konzipierten Interpretationstheorien zeigt, enthält § 133 — wie immer man ihn verstehen mag — eine wertende Entscheidung des Gesetzgebers, m.E. im Sinne eines Auftrages, bei der Auslegung einer Willenserklärung vom Wollen des Erklärenden auszugehen. Aber auch dann, wenn man unter dem ,wirklichen Willen 4 ein anderes versteht, ist § 133 als verbindlicher Gesetzessatz anzusehen. Die Ansicht von Bickel 38 , in §133 sei lediglich eine Belehrung und kein Rechtsgesetz enthalten, kann sich zwar auf einen Passus in den Motiven zum BGB 39 berufen, doch kommt es hier wie sonst nicht auf die Vorstellungen an der Gesetzgebung beteiligter Personen, sondern auf den objektiven Sinngehalt der gesetzlichen Regelung an. Daß sich die Methode des Erkennens eines Gegenstandes der rechtlichen Regelung entzieht, ist gewiß richtig. Die notorische Pluralität der Interpretationsmöglichkeiten und die dieser korrespondierende Divergenz der Auslegungsresultate kann einen Gesetzgeber jedoch dazu bestimmen, Vorschriften über die Auslegung bestimmter ,Texte' (im hermeneutischen Sinn: d.h. mögliche Auslegungsobjekte) aufzustellen. Tut er das, so gibt er nicht nur Belehrungen über praktische Logik 1 . Er trifft vielmehr Wertentscheidungen. Auslegen ist nämlich kein Erkennen im Sinne eines exakten Wissenschaftsbegriffes. Es ist nicht eine Frage von richtig oder falsch, ob man Tarifverträge nur nach ihrem publizierten Text oder auch nach den Vorstellungen ihrer Schöpfer interpretiert 40 .Für beide Möglichkeiten lassen sich gewichtige Argumente vortragen. Daher bedarf es gesetzlicher oder judizieller Entscheidung über die hier maßgeblichen Auslegungsgrundsätze". Näher erläuternd führt MayerMaly aus, wenn „einmal die Entscheidung für die Aufstellung gesetzlicher Auslegungsregeln gefallen" sei, „so" sei „das zum Normvollzug berufene Organ im Umgang mit den Instrumenten der Hermeneutik nicht mehr frei, sondern" habe „die vom Gesetzgeber bezeichneten Prioritäten ebenso zu beachten wie die von ihm ausgesprochenen Verbote 41 . 36
Mayer-Maly, Münch.-Komm., § 133 Rdn. 1. Das bei Mayer-Maly, Münch-Komm., §133 Rdn. 1 zu §133 BGB angeführte Schrifttum enthält keine Definition des Begriffes „allgemeine Auslegungsregeln". 38 Vgl. oben Erster Teil, § 1 B. bei Fn. 26-29. 39 Vgl. oben Erster Teil, § 1 B. bei Fn. 26-29. 40 Vgl. dazu die Literaturangaben bei Mayer-Maly, Münch.-Komm., § 133, Fn. 6. 37
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1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln" 2. Analyse und vorläufige Kritik
Diese Ausführungen zeichnen sich dadurch aus, daß Mayer-Maly — soweit ersichtlich als einziger — eine zusammenhängende Beweisführung zur Begründung der Lehre von den §§133 und 157 BGB als „allgemeine positivrechtliche gesetzliche Auslegungsregeln" versucht. Die von Mayer-Maly allerings nicht zu Beginn seiner Argumentation genannte grundlegende Prämisse ist die Annahme, daß Auslegung kein Erkennen im Sinne eines exakten Wissenschaftsbegriffes sei. Zur Begründung dieser Prämisse stützt er sich auf die Behauptung, „es" sei „keine Frage von richtig oder falsch, ob man Tarifverträge nach ihrem publizierten Text oder nach den Vorstellungen ihrer Schöpfer" interpretiere. Mayer-Maly greift hier am Beispiel des Tarifvertrages seinen eingangs angeführten Hinweis auf die Existenz von „psychologisch- subjektiven" und „objektivnormativen" „Interpretationstheorien" auf, der ihm zur Behauptung einer „notorischen Pluralität der Interpretationsmöglichkeiten und dieser entsprechenden Divergenz der Auslegungsresultate" dient. Auf diese Behauptung stützt er letztlich die Befugnis des Gesetzgebers, kraft verbindlichen Rechtssatzes die eine oder andere Auslegungsmethode anzuordnen. Die Argumentation Mayer-Malys erscheint zwar auf den ersten Blick einleuchtend. Bei genauer Beurteilung zeigt sich jedoch, daß sie keine Begründung seiner entscheidenden Grundvoraussetzung enthält, wonach Auslegung kein Erkennen im Sinne eines solchen Wissenschaftsbegriffes sei, nach dem wissenschaftliches Erkennen allein wahres Beurteilen eines Gegenstands ist. Die Beweisführung Mayer-Malys läuft insoweit auf eine petitio principii hinaus. Beweisthema ist die Behauptung, der Gesetzgeber könne zur Aufstellung von „Auslegungsvorschriften" „bestimmt" werden. Begründet wird diese Behauptung mit der „notorischen Pluralität der Interpretationsmöglichkeiten". Diese „notorische Pluralität" wird wiederum mit der Behauptung gerechtfertigt, Auslegung sei kein Erkennen im Sinne eines exakten Wissenschaftsbegriffes. Wenn Mayer-Maly zur Begründung dieser letzten Behauptung auf das Beispiel verweist, bei der Auslegung von Tarifverträgen sei es „keine Frage von richtig oder falsch, ob man sie nach dem Text oder den Vorstellungen ihrer Schöpfer" interpretiere, so steht dieses Beispiel nur stellvertretend für seine eingangs aufgestellte Behauptung der „notorischen Pluralität der Interpretationsmöglichkeiten". Mayer-Maly begründet damit seine grundlegende Annahme, aus der er die Berechtigung des Gesetzgebers zur Aufstellung von „allgemeinen Auslegungsvorschriften" im Sinne der herrschenden Lehre rechtfertigt, mit dieser Annahme selbst. Trotz dieser logisch unhaltbaren Argumentation ist indessen nicht zu verkennen, daß Mayer-Maly im übrigen Schrifttum nicht genannte, sondern allenfalls unausgesprochen unterstellte Voraussetzungen ausdrücklich nennt, unter denen die §§ 133 und 157 BGB überhaupt als „allgemeine methodische 41
Mayer-Maly, Münch.-Komm, § 133 Rdn. 2.
§ 2 Kritik der Lehre von den gesetzlichen Methodenvorschriften
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Anweisungen" gegebenenfalls begründbar sind. Diese Voraussetzungen sind zum einen die Annahme, es gebe bei jeder Erklärung eine offenkundige Vielzahl („notorische Pluralität") von Auslegungsmöglichkeiten und diesen entsprechenden Auslegungsresultaten, und zum anderen die behauptete Möglichkeit, der Gesetzgeber könne durch diese Vielzahl der Auslegungsmöglichkeiten zur Aufstellung von „Auslegungsvorschriften" bestimmt werden. Zwischen beiden Voraussetzungen besteht eine Verknüpfung dergestalt, daß die zweite ohne die erste nicht denkbar ist; denn nur dann, wenn eine Erklärung in verschiedener Weise ausgelegt werden kann und dementsprechend auch verschiedene methodische Möglichkeiten bestehen, hat der Gesetzgeber von der Sache her überhaupt die Wahlmöglichkeit, einige dieser „Auslegungsmöglichkeiten" für maßgeblich zu erklären und andere auszuschliessen. Die entgegengesetzte Grundposition, nach der es jeweils nur eine von gesetzlichen Vorgaben unabhängige Auslegungsmöglichkeit und dementsprechend bei jeder Erklärung nur ein Auslegungsergebnis gibt, schließt dagegen die Möglichkeit des Gesetzgebers notwendig aus, zwischen mehreren Auslegungsmethoden kraft Gesetzes zu wählen. Allgemein notwendige Voraussetzung der behaupteten „Pluralität der Interpretationsmöglichkeiten" ist die Auffassung, daß Auslegung kein Erkennen im Sinne eines solchen Wissenschaftsbegriffes ist, nach dem wissenschaftliches Erkennen allein wahres Beurteilen eines Gegenstandes unter Ausschluß anderer Erkenntnisse ist. M i t der ausdrücklichen Ablehnung eines solchen Auslegungsbegriffes und gleichzeitiger Charakterisierung der Auslegung als „Umgang mit den Instrumenten der Hermeneutik" stellt Mayer-Maly diese für die herrschende Lehre von den „allgemeinen Auslegungsregeln" grundlegende Auffassung klar heraus. Die vom Standpunkt einer „hermeneutischen Auslegungslehre" ausgehende Kritik an der Auffassung Bickels ist aber nur dann berechtigt, wenn beweisbar ist, daß Auslegung kein Erkennen in einem solchen streng wissenschaftstheoretischen Sinne ist, nach dem ein Gegenstand nur entweder wahr oder falsch beurteilt werden kann. Diesen Beweis führt Mayer-Maly jedenfalls ausdrücklich nicht. Er setzt der Auslegungslehre Bickels lediglich seine eigene entgegen, ohne deren Richtigkeit zu beweisen. Die Behauptung, Bickel könne sich zur Begründung seiner Auffassung zwar auf den oben zitierten Passus in den Motiven 4 2 berufen, es komme aber hier wie sonst nicht auf die Vorstellungen der an der Gesetzgebung beteiligten Personen an, sondern auf den „objektiven" Sinngehalt der gesetzlichen Regelung, ist weder geeignet, eine „hermeneutische Auslegungslehre" unter Einschluß „allgemeiner positivrechtlicher Auslegungsregeln" sachlich zu stützen, noch als Beweis der Unhaltbarkeit der Auffassung Bickels brauchbar; denn dieser beruft sich nicht in erster Linie und ausschließlich auf den besagten Passus in den Motiven, sondern leitet seine den Motiven im Ergebnis entsprechende Auffassung aus der nach seiner Ansicht allein richtigen Erkenntnis ab, daß Auslegung Erkennen eines bestimmten Gegenstandes — 42
Vgl. dazu Bickel, S. 159, und Motive, Bd. I, S. 155.
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1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
nämlich des Geschäftsinhaltes einer rechtsgeschäftlichen Erklärung — im Sinne eines exakten Wissenschaftsbegriffes sei, nach dem es nur ein wahres Erkennen eines Gegenstandes gibt 4 3 . Mit dieser Unzulänglichkeit der Kritik Mayer-Malys steht nicht die Richtigkeit der Auffassung Bickels fest. Mayer-Malys Ablehnung der Auffassung Bickels läuft zwar auf eine petitio principii hinaus. Aus diesem Fehler läßt sich aber der Schluß nicht rechtfertigen, daß sich die herrschende Lehre von den „allgemeinen Auslegungsregeln" nicht auf der Grundlage einer „hermeneutisch" orientierten oder auch anderen Auslegungslehre begründen ließe. Für die herrschende Lehre wurde hier Mayer-Maly ausführlich zitiert, weil dieser als einziger auf die grundsätzliche, zur Zeit nur von Bickel und Wolf vertretene Gegenposition eingeht, indem er die Existenz „allgemeiner Auslegungsregeln" nicht lediglich behauptet, sondern den Versuch unternimmt, diese Lehre aus seinem „hermeneutischen" Verständnis der Auslegung von „Willenserklärungen" abzuleiten. Die tatsächliche Schwäche der Argumentation Mayer-Malys liegt aber darin, daß er den Zusammenhang zwischen der „notorisch Pluralität der Auslegungsmöglichkeiten" und seinem „hermeneutischen" Auslegungsverständnis nicht begründet. Er unterscheidet sich damit letztlich nicht von den anderen Vertretern der herrschenden Lehre, die die Möglichkeit mehrerer Auslegungsmethoden als Voraussetzung der Wahlmöglichkeiten des Gesetzgebers zur Aufstellung von allgemeinen Methodenanweisungen unterstellen. Darüber hinaus geht Mayer-Maly ohne nähere Begründung davon aus, der Gesetzgeber habe die Kompetenz, frei zwischen den behaupteten mehreren Auslegungsmöglichkeiten zu wählen. Ob sich diese Konsequenz ohne weiteres aus der behaupteten „notorischen Pluralität der Auslegungsmöglichkeiten" ergibt, bleibt ebenso offen, wie die davon zu unterscheidende Frage, ob der Gesetzgeber von seiner behaupteten Wahlmöglichkerit Gebrauch gemacht hat. Mayer-Maly führt hierzu lediglich aus, „die notorische Pluralitat der Auslegungsmöglichkeiten" könnten „einen Gesetzgeber dazu bestimmen, Vorschriften über die Auslegung bestimmter,Texte 4 aufzustellen" 44 . Über den von Bickel angeführten Passus in den Motiven, der gerade darauf hindeutet, daß der Gesetzgeber mit den §§133 und 157 BGB keine positivrechtlichen „allgemeinen" Auslegungsregeln aufgestellt hat, setzt sich Mayer-Maly mit dem Hinweis auf
43
Vgl. Bickel, S. 11 ff. und S. 99ff. Mayer-Maly, Münch.-Komm., § 133, Fn. 3, beruft sich ausdrücklich auf Dilthey, nach dem Auslegung „das kunstmäßige Verstehen von dauernd fixierten Lebensäußerungen" ist. Mayer-Maly führt in diesem Zusammenhang weiter aus, „diesem weiten Begirff der Auslegung" unterfielen „neben der juristischen auch die theologische, die historische, die literarische und die künstlerische Interpretation, um nur einige zu nennen. Es" könne „daher eine »allgemeine Auslegungslehre als Methodik der Geisteswissenschaften 4 formuliert werden". Schon an diesen Ausführungen wird deutlich, daß auch die Vertreter der „hermeneutischen Auslegungslehre" die Auslegung als eine bestimmte Art des Erkennens auffassen, allerdings nicht — wie Mayer-Maly sagt — im Sinne eines exakten Wissenschaftsbegriffes. 44
§ 2 Kritik der Lehre von den gesetzlichen Methodenvorschriften
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den vermeintlichen „objektiven Sinngehalt" der beiden gesetzlichen Regelungen hinweg, ohne diese Behauptung näher zu begründen. Für die weitere Untersuchung bleibt als Ergebnis der Analyse der Auffassung Mayer-Malys festzustellen, daß er die für die Annahme „allgemeiner Auslegungsregeln" grundlegende Voraussetzung klarstellt, nämlich die Möglichkeit des Gesetzgebers, die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen kraft gesetzlicher Anordnung festzulegen, und diese von Bickel und Wolf bestrittene Möglichkeit aus der behaupteten Existenz mehrerer Auslegungsmethoden ableitet, dies jedoch außer mit dem Hinweis auf die für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen geltende „geisteswissenschaftlichen Hermeneutik" nicht mehr begründet.
B. Methodischer Ansatz und Notwendigkeit einer erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Grundlegung der weiteren Untersuchung Das Ergebnis der bisherigen Analyse läßt sich mit dem Satz ausdrücken, daß die herrschende Lehre von den „positivrechtlichen gesetzlichen Methodenanweisungen" bisher zwar nicht bewiesen worden ist, damit aber ihre NichtBeweisbarkeit nicht feststeht. Die in der Regel fehlende oder — wie bei MayerMaly — nicht hinreichende Begründung zwingt für die weitere Untersuchung methodisch in der Weise vorzugehen, alle Begründungsmöglichkeiten aufzuzeigen und auf ihre Haltbarkeit hin zu überprüfen. Die möglichen Begründungen sind dabei von ihren Grundlagen her als hypothetische Ansätze zu formulieren und einer Überprüfung zu unterwerfen. Wie die Auseinandersetzung zwischen Mayer-Maly und Bickel zeigt, kann eine positive Begründung oder Ablehnung der herrschenden Lehre von den „gesetzlichen Methodenanweisungen" nur von allgemeinen erkenntnistheoretischen Grundlagen aus erfolgen. Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Frage zu, ob Auslegung Erkennen im Sinne eines exakten Wissenschaftsbefriffes ist, dessen Methode ausschließlich vom Gegenstand des Erkennens (der Auslegung) und nicht von positiven Festlegungen wie staatlichen Rechtsgesetzen abhängig ist. Von der Position der herrschenden Lehre aus lautet die Frage, ob der Auslegungsbegriff einen „Methodenpluralismus" zuläßt, ohne den gesetzgeberische Methodenanweisungen nicht möglich sind. Auch wenn die Frage so gestellt ist, bleibt die Notwendigkeit bestehen, sie von den allgemeinen erkenntnistheoretischen Grundlagen her zu beantworten. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus folgenden möglichen Zusammenhängen: Ist man der Auffassung, daß Auslegung überhaupt kein Erkennen ist, sondern — wie die „klassische Hermeneutik" sagt — eine „Kunstlehre des Verstehens", so bleibt zu prüfen, ob diese Auffassung zutreffend ist. Die allein mögliche Gegenposition ist, die Auslegung als Erkennen aufzufassen 45. Sieht man die Auslegung als Erkennen an, bestehen wiederum zwei Möglichkeiten. Hier kann 45
Vgl. Bickel, S. 90ff.
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1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
man zum einen — wie Mayer-Maly — die Ansicht vertreten, Auslegung sei zwar ein Erkennen, aber kein solches im Sinne eines exakten Wissenschaftsbegriffes, nach dem die Erkenntnismethode ausschließlich gegenstandsbedingt ist, sondern positiv festgelegt werden könne. Wenn man aber andererseits der Auffassung ist, Auslegung sei ein Erkennen im Sinne eines exakten Wissenschaftsbegriffes, so ist damit noch nicht gesagt, daß die Methode eines solchen Erkennens ausschließlich gegenstandsbedingt ist. Es bleibt denkbar, daß die Methode eines Erkennens im Sinne eines exakten Wissenschaftsbegriffes auch positiven Festlegungen unterliegt. Nur wenn der Lehre von der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen ein Erkenntnisbegriff zugrunde liegt, der nicht-gegenstandsbedingte methodische Festsetzungen ausschließt, ist die Lehre von den §§133 und 157 BGB als „gesetzliche Methodenanweisungen" nicht vertretbar. In allen anderen aufgezeigten Möglichkeiten sind hingegen methodische Festsetzungen vom Erkenntnisbegriff her möglich, weil bei diesen ein „Methodenpluralismus" nicht ausgeschlossen ist. Da auch die theoretische Möglichkeit, daß Auslegung überhaupt kein Erkennen ist, nur vom Erkenntnisbegriff her zu beurteilen ist, ist eine Erörterung der erkenntnistheoretischen Grundlagen der Auslegungslehre unumgänglich. Die entscheidende Schwäche aller Lehren der Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, die auf den §§133 und 157 BGB als „postivrechtlichen gesetzlichen Methodenanweisungen" aufbauen, liegt darin, daß die erkenntnistheoretischen und methodologischen Grundlagen nicht offengelegt werden. Statt einer Begründung von den erkenntnistheoretischen Grundlagen her wird die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicherErklärungen aus der Gesetzesauslegung der §§133 und 157 BGB gewonnen. Die auf diese Weise nicht lösbaren Probleme werden mit Hinweisen der Art beiseitegeschoben, wie: „Rechtsprechung und Lehre" hätten „aus den beiden Normen unter Einbeziehung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen einen weitgehend allgemein anerkannten Kanon von Auslegungsgrundsätzen entwickelt" 46 . Dabei wird nicht berücksichtigt, daß der Begriff Auslegung in den beiden Paragraphen des BGB schon vorausgesetzt ist, folglich bei der „Anwendung der Vorschriften" bereits geklärt sein muß. Die hier untersuchte entscheidende Frage, ob Auslegung Erkennen eines bestimmten Gegenstandes ist, das von seinem Begriff her einen Methodenpluralismus ausschließt, wird außer von Mayer-Maly nicht erörtert, von letzterem — wie dargelegt — allerdings in diesem entscheidenden Punkt unzureichend. Die Maßgeblichkeit erkenntnistheoretischer Grundlagen für die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen und damit für die Frage nach der Möglichkeit „gesetzlicher Methodenanweisungen" kann nicht mit dem Argument ausgeräumt werden, es gehe bei der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen um deren besondere juristische Bedeutungen, folglich um eine ausschließlich von juristischen Grundlagen aus zu beurteilende Frage; denn eine 46
So z.B. Palandt-Heinrichs, 48. Aufl, § 133 Anm. 1 a.
§ 2 Kritik der Lehre von den gesetzlichen Methodenvorschriften
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solche Annahme setzt zunächst den Beweis voraus, daß Auslegung als Ermittlung der juristisch maßgeblichen Bedeutung einer Erklärung von erkenntnistheoretischen Grundlagen unabhängig ist. Dieser Beweis kann — jedenfalls unter der Voraussetzung, daß Jurisprudenz eine Wissenschaft ist — nicht geführt werden; denn eine Wissenschaft ohne erkenntnistheoretische Grundlagen gibt es nicht. Auch Larenz, nach dem „seit dem Buche von Danz über die Auslegung die Überzeugung herrschend geworden" ist, „daß die Auslegung es nicht mit der Erforschung des Willens, sondern mit der Ermittlung des Sinnes der Erklärung, und zwar ihres rechtsmaßgeblichen, des ihr von Rechts wegen zukommenden Sinnes zu tun" habe 47 , stützt seine Lehre von der „Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts" letztlich auf die idealistische Rechtsphilosophie Julius Binders^und die Zurechnungslehre Hegels 49 und damit auch auf eine bestimmte erkenntnistheoretische Grundhaltung. Aber nicht nur die zentrale Frage nach den erkenntnistheoretischen Grundlagen der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, sondern auch der gesamte Ansatz einer Begründung „gesetzlicher Methodenanweisungen" setzt die Klärung erkenntnistheoretischer Grundfragen voraus. Neben der Erklärung des Verständnisses der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen muß zumindest eine Begründung dafür gegeben werden, daß der Gesetzgeber die Auslegungsmethode kraft Gesetzes festlegen kann. Auch die damit gestellte Frage nach dem Verhältnis von Gesetz und Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen ist abhängig davon, ob man Gesetz und Rechtsgeschäft als Gegenstände der Erkenntnis im Sinne einer exakten Wissenschaftslehre oder als Objekt von Wertungsfragen auffaßt. Letztlich setzt schon die Frage, welche Voraussetzungen zur Begründung der Annahme „gesetzlicher Methodenanweisungen" notwendig und ausreichend sind, deren Erkennen voraus; denn es macht schon bei der Formulierung eines hypothetischen Ansatzes einen entscheidenden Unterschied aus, ob man die Voraussetzungen als „Wertungszusammenhänge" ansieht, oder ob man die in einer juristischen Theorie verbundenen Sätze als Urteile in Bezug auf unabhängig von subjektiven Wertungen existierende Sachverhalte auffaßt 50 . 47
Larenz, Methode der Auslegung, S. 1. Larenz, Methode der Auslegung, Vorwort VI. 49 Larenz, Methode der Auslegung, Vorwort V, mit Hinweis auf seine eigene Schrift „Hegels Zurechnungslehre und der Begriff der objektiven Zurechnung". 50 Zur heute herrschenden „Wertungsjurisprudenz" und zum „wertorientierten Denken in der Jurisprudenz" vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 9 ff. und S. 95 ff. — Schon in seiner zur Auslegungslehre grundlegenden Schrift „Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts" wendet sich Larenz gegen die Anwendbarkeit der Logik in der Rechtswissenschaft. Er führt dort , Vorwort V, aus, „zwar" fehle „es ... nicht an Versuchen, eine systematische Rechtswissenschaft auf der Grundlage logischer und erkenntnistheoretischer Untersuchungen zu begründen, aber die hier zu nennenden Arbeiten der Wiener Schule" litten „gerade an der Verkennung der grundsätzlichen Einsicht, daß die Logik der Rechtswissenschaft nicht die formale Logik sein" könne, „deren sich etwa die Mathematik" bediene, „sondern eine Teleologik und das" heiße „eben 48
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1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
Aus den vorgenannten Gründen sind die hier vertretene erkenntnistheoretische Auffassung und die sich aus ihr ergebenden Konsequenzen für den Begriff und die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen darzulegen unter Abgrenzung von anderen erkenntnistheoretischen Grundhaltungen und deren Folgerungen für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen und deren Methoden. Da eine Auseinandersetzung mit der unübersehbaren Fülle erkenntnistheoretischer Konzeptionen nicht Gegenstand dieser Arbeit sein kann, ist eine Beschränkung auf die für die Auslegung und ihre Methode bedeutsamen Grundzüge der wesentlichen erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Lehren geboten. Soweit sich aus den zu erörternden erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Lehren unmittelbare Folgerungen für Auslegungsbegriff und -methode ergeben, werden diese im Rahmen der nachfolgenden erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Grundlegung im jeweiligen Zusammenhang schon dargestellt. Zwar ist die Frage, ob Auslegung Erkennen eines bestimmten Gegenstandes unter Ausschluß eines „Methodenpluralismus" ist, grundsätzlich gesondert nach der Darlegung des hier vertetenen Erkenntnisbegriffes zu beantworten. Diese sachlich bedingte Methode wird aber auch eingehalten, wenn im Rahmen der erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Grundlegung unmittelbare Folgerungen direkt gezogen werden. Dieses Vorgehen hat zudem den Vorteil, daß aus sachlichen Gründen abzulehnende erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Auffassungen als Grundlage der Auslegungslehre sofort ausgeschlossen werden können, ohne daß später auf sie zurückgegriffen werden müßte.
C. Erkenntnis- und wissenschaftstheoretische sowie methodologische Grundlegung der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen I. Erkenntnistheoretische Grundauffassungen Die neuzeitlichen Erkenntnislehren, deren Anfange mit dem Beginn der Neuzeit51zusammenfallen, haben sich im Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung der Philosophie in Einzelfragen vielfaltig und meist kontrovers entwickelt. Auch die Grundthesen sind unterschiedlich formuliert worden. Auf die Verschiedenartigkeit dieser Lehren kommt es für die vorliegende Abhandeine dialektische Logik sein" müsse, „die in der logischen Eigenart des Rechts als eines Zusammenhanges von sinnerfüllten Normen begründet" sei, „deren Gesamtheit eben dadurch eine Sinneinheit" ausmache, „daß ihnen die Idee des Rechtes als ihr teleologisches Prinzip letzthin zugrunde" liege. Schon hier wird deutlich, daß Larenz die in jeder Wissenschaft geltende Logik durch dialektische metaphysiche „Sinn-Einheiten" ersetzen will. Larenz beraubt damit die gesamte heute meist als „Wettungsjurisprudenz" aufgefaßte Rechtswissenschaft der Grundlage exakten Denkens und verneint somit die Möglichkeit 51 wissenschaftlichen Erkennens in derhier Rechtswissenschaft. Pilosophiegeschichtlich wird davon ausgegangen, daß die Philosophie der Neuzeit den Zeitraum von ca. 1600 bis ca. 1900 einnimmt, danach die Philosophie der Gegenwart beginnt.
§ 2 Kritik der Lehre von den gesetzlichen Methodenvorschriften
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lung nicht an. Hier handelt es sich lediglich darum, die für das erkenntnistheoretische Thema grundlegenden Hauptpositionen in ihren wesentlichen Gemeinsamkeiten zu formulieren, so, wie sie nach dem heutigen Stand der modernen philosophischen Erkenntnislehre — auch historisch rückblickend — üblicherweise aufgefaßt werden. In der neuzeitlichen und gegenwärtigen Philosophie und Erkenntnistheorie lassen sich drei Grundauffassungen unterscheiden: Der erkenntnistheoretische Realismus, der Dualismus und der erkenntnistheoretische Idealismus. Jede dieser drei Grundauffassungen ist für die Beurteilung der Lehre von der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen von Bedeutung. 1. Realismus
Für den erkenntnistheoretischen Realismus steht der Satz: „Erkennen ist Erkenntnis objektiver Tatsachen" 52 . Objektive Tatsachen sind danach Sachverhalte oder besser Gegenstände, die unabhängig davon existieren, ob und wie sie von den Menschen als erkennende Subjekte erkannt oder gedeutet werden 53 . Gegenstände des Erkennens sind danach real, d. h. von Bewußtseinsinhalten unabhängig existierende Tatsachen oder Sachverhalte 54. Diese Gegenstände werden durch Erfahrung erkannt, wobei Erfahrung im „natürlichen", nicht im sogenannten „normativen" Sinne, also nicht als zur Ethik und Ästhetik gehörende subjektive Werterfahrung verstanden wird 5 5 . Erfahrung im Sinne des erkenntnistheoretischen Realismus kann vorläufig ohne Anspruch auf Präzision definiert werden als Ergebnis der Umsetzung von sinnlichen Wahrnehmungen in Erkenntnisse. Bei der Erfahrung wird vielfach unterschieden zwischen „innerer" und „äußerer" Erfahrung 56 . Diese Unterscheidung betrifft letzlich die Frage, inwieweit subjektive Faktoren die Erfahrungserkenntnis beeinflussen 57. Soweit 52 Vgl. v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 145 und 179ff., dem zufolge nach dem erkenntnistheoretischen Realismus die Außenwelt den Gegenstand der Erfahrung bildet (S. 154); nach ihm lauten die Thesen des erkenntnistheoretischen Realismus: „es gibt Erfahrungen von objektiven Sachverhalten" und „es gibt eine Erkenntnis objektiver Tatschen (S. 180ff.). 53
V. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 179. Vgl. v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 180; zum Begriff „real" vgl. insbesondere Wolf, Allg. Teil, § 1 A V b 1 (17); Wolf definiert: Real ist ein Seiendes, das unabhängig von einer sich darauf beziehenden Bewußtheit existiert. 55 V. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 151 f. 56 Vgl. dazu v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 152 f. 57 Für v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 153, gibt es nur eine Erfahrung; innere und äußere Erfahrung sind nach ihm nur Typen, und es gibt nach ihm ein breites Feld von Verbindungen und Übergängen zwischen ihnen. Im Ergebnis bezeichnet v. Kutschera seine Auffassung als sogenannten „schwachen Realismus", der dadurch gekennzeichnet sein soll, daß die Erfahrung nicht gänzlich unabhängig von subjektiven Faktoren sein soll; vgl. dazu unten, Erster Teil, §2 C. VIII. 1. bei Fn. 686ff. 54
1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
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das bejaht wird, handelt es sich nicht mehr um einen reinen Realimus 58 . Für die grundsätzliche These des erkenntnistheoretischen Realismus bleibt festzuhalten, daß es nach diesem nur ein letztlich wahrnehmungsbedingtes auf Erfahrung begründetes Erkennen existierender Gegenstände unabhängig von vorgegebenen Bewußtseinsinhalten gibt. Der erkenntnistheoretische Realismus setzt einen ontologischen Realismus voraus. Das Erkennen eines bewußtseinsunabhängigen Gegenstandes setzt also dessen Existieren voraus. Der ontologische Realismus geht davon aus, daß es real existierende Gegenstände, also objektive Tatsachen gibt 5 Q . Die prima facie einleuchtende Erklärung dafür ist, daß die Welt (Erde, Weltall) schon existierte, bevor es Menschen gab, die als auch zur physischen Natur gehörende Lebewesen erst erkennen konnten und können 60 . Faßt man die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen als Erkennen im Sinne des erkenntnistheoretischen Realismus auf, dann ist Auslegung Erkennen eines bewußtseinsunabhängig existierenden Gegenstandes. Der Gegenstand, der zu erkennen ist, existiert danach also bereits im Zeitpunkt der Auslegung, wird damit nicht durch die Auslegung erst erzeugt. Die Auslegungsmethode muß folglich als Erkenntnismethode ebenfalls die reale Existenz des Auslegungsgegenstandes voraussetzen. Ob sie damit ausschließlich von dem Gegenstand der Auslegung abhängt, ist damit noch nicht gesagt. Diese Frage kann erst beantwortet werden, wenn dem erkenntnistheoretischen Realismus grundsätzlich zu folgen ist. 2. Dualismus
Der Dualismus geht von Descartes her zwar grundsätzlich von einem ontologischen Realimus aus und bejaht demgemäß das Existieren körperlicher Gegenstände unabhängig vom Bewußtsein 61 . Er nimmt aber nicht eine einzige Realität an, sondern trennt streng zwischen Körperlichem und Geistigem als eigenständigen Seinsbereichen („Substanzen"). Er läßt sich durch die Sätze kennzeichnen: 1. „Alles Reale ist entweder physischer oder psychischer Natur". 2. „Die Natur des Physischen ist von der des Psychischen total verschieden" 62. Die rein psychischen Sachverhalte („res cogitationes") werden den physischen („res extensa") gegenübergestellt. Grundlage dieser Unterscheidung ist die Auffassung Descartes, daß an der Existenz des denkenden Subjekts kein Zweifel 58
Vgl. dazu unten Erster Teil, §2 C. VIII. 1. bei Fn. 684ff. V. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 179f. 60 V. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 181. 61 Die Philosophie Descartes weicht hierin vom erkenntnistheoretischen Idealismus ab; in der 6. Meditation „Über das Dasein der materiellen Dinge und den substanziellen Unterschied zwischen Seele und Körper" (Meditatio V I „de rerum materialium existentia et reali mentis a corpere distinctione") begründet Descartes die Existenz körperlicher Gegenstände, vgl. Descartes, Meditationes, S. 129ff. 62 So die zutreffende Formulierung von v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 290. 59
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bestehen könne. Descartes stellt sich methodisch auf den Standpunkt, daß ein allmächtiger Lügengeist das erkennende Subjekt („Ich") über alles zu täuschen versucht, und kommt zu dem Schluß, daß eine Täuschung über die eigene Existenz nicht möglich sei. Descartes formuliert: „... — aber es gibt einen, ich weiß nicht welchen, allmächtigen und höchst verschlagenen Betrüger, der mich geflissentlich stets täuscht. — Nun, wenn er mich täuscht, so ist es also unzweifelhaft, daß ich bin. Er täusche mich, soviel er kann, niemals wird er doch fertigbringen, daß ich nichts bin, solange ich denke, daß ich etwas sei. Und so komme ich, nachdem ich nun alles mehr als genug hin und her erwogen habe, schließlich zu der Feststellung, daß dieser Satz: ,Ich bin, ich existiere 4, so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist" 6 3 . Für Descartes ist es allein das Denken, das nicht von dem erkennenden Subjekt getrennt werden kann 6 4 . Die in dem Denken liegende Selbstgewißheit bezieht sich für Descartes auf alle Bewußtseinszustände65. Da mit diesen Bewußtseinszuständen noch nichts darüber ausgesagt ist, was unabhängig von dem eigenen Denken und allen Menschen in gleicher Weise zugänglich ist, stellt sich für Descartes das Problem der Erkenntnis der Außenwelt. Die Lösung besteht für ihn darin, daß Gott die Zuverlässigkeit der von ihm geschaffenen Vernunft garantiere. Die richtige Anwendung der Vernunft heißt nach Descartes „klares und deutliches Erkennen". Was klar und deutlich erfaßt ist, ist sicher. Klare und deutliche Vorstellungen hat man nach Descartes einerseits von sich selbst als nur denkendem, nicht ausgedehntem Wesen und andererseits von dem Körper, sofern er nur ein ausgedehntes, nichtdenkendes Wesen ist. Descartes zieht daraus den Schluß, daß Denken und Körper verschieden sind 66 . Rein psychische Gegenstände sind nach dem Dualismus z. B. Gedanken, Erinnerungen, Vorstellungen und — für die Auslegungslehre bedeutsam — der Wille.
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Descartes, Meditationes, S. 43. Vgl. Descartes, Meditationes, S. 47. 65 Vgl. dazu Wuchterl, S. 83 f. 66 Die entscheidende Stelle bei Descartes, Meditationes, S. 41, lautet: „Und da ich ja erstens weiß, daß alles, was ich klar und deutlich verstehe, in der Weise von Gott geschaffen werden kann, wie ich es verstehe, so genügt es, eine Sache ohne eine andere klar und deutlich verstehen zu können, um mir die Geweißheit zu geben, daß die eine von der anderen verschieden ist, da wenigstens Gott sie getrennt setzen kann. Auch kommt es nicht darauf an, durch welche Macht dies geschieht, damit man sie für verschieden hält. Ebendaraus also, daß ich weiß, ich existiere, und einstweilen nur von meinem Denken gewahr werden konnte, daß es zu meiner Natur oder meinem Wesen gehört, ebendaraus schließe ich mit Recht, daß mein Wesen auch allein im Denken besteht. Und wenngleich ich vielleicht — oder vielmehr gewiß, wie ich später auseinandersetzen werde — einen Körper habe, der mit mir sehr eng verbunden ist, so ist doch, — da ich ja einerseits eine klare und deutliche Vorstellung meiner selbst habe, sofern ich nur ein denkendes, nicht ausgedehntes Wesen bin, und andererseits eine deutliche Vorstellung vom Körper, sofern er nur ein ausgedehntes, nichtdenkendes Wesen ist — so ist, sage ich, soviel gewiß, daß ich von meinem Körper wahrhaft verschieden bin und ohne ihn existieren kann"; vgl dazu v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 297 und insbesondere Wuchterl, S. 83 f. 64
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1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
Zur Rechtfertigung des Dualismus sind vor allem zwei Hauptargumente vorgebracht worden 67 . Das eine Hauptargument ergibt sich aus der Ablehnung derjenigen monistischen Theorien, nach denen entweder alles Physische auf das Psychische zurückzuführen ist (Idealismus) oder alles Psychische sich auf das Physische reduzieren läßt (Materialismus). Bei dieser Ablehnung wird davon ausgegangen, daß die monistischen Theorien sich als unhaltbar erwiesen haben — was an dieser Stelle nicht näher zu untersuchen ist — , so daß nur der Dualismus bleibe, nach dem die körperliche und geistige Natur zwei selbständige Seiensbereiche seien. Das zweite wesentliche Argument bilden Versuche, Psychisches und Physisches als eigenständige Seiensbereiche zu definieren und beiden Bereichen unterscheidende Begriffspaare gegenüberzustellen. Für die Auslegungslehre, die auch heute noch durch den Gegensatz von Wille und Erklärung beeinflußt ist, sind folgende zur Unterscheidung des Psychischen vom Physischen angenommenen Gegensätze von Bedeutung: Physisches sei objektiv, Psychisches dagegen subjektiv; Psychisches sei zielgerichtet, teleologisch bestimmt, Physisches dagegen kausal, mechanisch68. 3. Idealismus
Der erkenntnistheoretische Idealismus ist die Gegenthese zum erkenntnistheoretischen Realismus. Er kann in dem Satz zusammengefaßt werden: Erkenntnis ist Erkennen von „Ideen" oder anders benannten Idealitäten, ζ. B. „Erscheinungen" („phänomena"); Gegenstände der Erfahrung sind nur solche, nicht bewußtseinsunabhängig existierende „Gegenstände" 69 . Ausgangspunkt des erkenntnistheoretischen Idealismus war in der neuzeitlichen Philosophie die Unterscheidung Descartes zwischen „primären" und „sekundären Qualitäten". „Primäre Qualitäten" waren für Descartes nur solche beobachtbaren Eigenschaften, die klar und deutlich seien, d.h. geometrische Begriffe 70 . Andere Beobachtungen betreffen nach ihm „sekundäre Qualitäten", die zwar auch von den beobachteten Dingen verursacht seien, den Dingen aber nicht selbst zugesprochen werden könnten, weil sie nicht klar und deutlich erkennbar seien. Die „sekundären" Eigenschaften repräsentieren dabei zwar reale Attribute des Gegenstandes, diese sind aber nach Descartes nicht oder nicht vollständig bekannt. Die zugesprochenen Attribute können daher immer nur aus dem Bewußtsein kommen 71 . Die Erkenntnislehre Descartes ist damit teilweise eine 67
Vgl. dazu v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 298. Vgl. die Zusammenstellung der vom Dualismus vertretenen Begriffspaare bei v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 299 ff. 69 V. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 191. 70 Vgl. Descartes, Principien der Philosphie, S. 3Iff. 71 Descartes, Principien der Philosophie, S. 32f., versucht dies am Beispiel der Härte klarzumachen, indem er dem Sinn nach ausführt, daß wir ein Ding, einen körperlichen Gegenstand als hart empfanden, wenn er dem Druck unserer Hände Widerstand leiste. Würde der Gegenstand vor diesem Druck zurückweichen, würden wir ihn nicht als hart 68
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idealistische Abbildtheorie, die schließlich zum erkenntnistheoretischen Idealismus geführt hat 7 2 . Nach diesem sind Gegenstände der Erfahrung nicht mehr wie für Descartes die Dinge selbst („an sich"), sondern nur noch die als unvollkommene schattenhafte „Abbilder" der „reinen" „Urbilder" oder „Ideen" aufgefaßten „Erscheinungen" im erkennenden Subjekt. Die einzelnen Arten des erkenntnistheoretischen Idealismus brauchen hier nicht erläutert zu werden. Für die Frage nach der Möglichkeit gesetzlicher „Methodenanweisungen" zur Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen bleibt festzuhalten, daß der erkenntnistheoretische Idealismus eine „ideale" Grundlage darstellt, einen „Methodenpluralismus" anzunehmen und daraus die Möglichkeit des Gesetzgebers abzuleiten, „allgemeine Auslegungsregeln" aufzustellen; denn der Gegenstand der „Auslegung" (des „Erkennens") ist nicht mehr wie nach dem erkenntnistheoretischen Realismus bewußtseinsunabhängig gegeben, sondern eine Erscheinung in der Person des Auslegenden. Da diese Erscheinung je nach Person des Auslegenden verschieden sein kann, läßt der erkenntnistheoretische Idealismus die Möglichkeit verschiedener Auslegungsgegenstände und damit verschiedene Auslegungsmethoden zu, ohne daß auf die Frage eingegangen werden müßte, ob die Auslegungsmethode als Erkenntnismethode ausschließlich von ihrem Gegenstand abhängig ist mit der Folge, daß nur eine Auslegungsmethode möglich ist. Inwieweit der für den den Erkenntnis- und damit für den Auslegungsbegriff entscheidende Ansatz des erkenntnistheoretischen Idealismus haltbar ist, wird unter Darlegung der Argumente des erkenntnistheoretischen Idealismus in der nunmehr folgenden Stellungnahme zu den für den Auslegungbegriff dargelegten wesentlichen Grundauffassungen entschieden. 4. Stellungnahme — Entscheidung für den erkenntnistheoretischen Realismus
Das Grundproblem des Dualismus liegt darin, die behauptete völlige Verschiedenheit von geistiger und körperlicher Realität zu begründen. Vertreter des Dualismus behaupten nicht etwa wie solche des ontologischen Idealismus, die Wirklichkeit bestehe nur in „Erscheinungen" („Ideen"), sondern setzen Dinge der Außenwelt als körperliche Seiende voraus. Bei völliger Verschiedenheit von Körper und Geist muß der Dualismus den erkennenden Menschen im Ergebnis in „res cogitans" und „res extensa" teilen, ohne Verknüpfungen zwischen beiden zuzulassen. Erkennen körperlicher Gegenstände könnte es danach folgerichtig nicht geben. Daß dieser Dualismus nicht mit Ergebnissen empfinden. Da aber die Bewegung des Gegenstandes relativ zu unseren Händen nicht die objektive Natur der Dinge verändern könne, sei die Härte nicht dem Gegenstand selbst zuzuschreiben. Man könne nur folgern, daß den „sekundären Qualitäten" etwas in den Dingen entspreche, man aber nicht wisse was. V. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 193, weist gegenüber diesem Argument Descartes zutreffend darauf hin, „daß wir einen Gegenstand nicht als hart" empfanden, impliziere „nicht, daß er nicht hart" sei. 72
Vgl. dazu v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 189ff., insbesondere S. 191.
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1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
von Untersuchungen der modernen Medizin in Einklang zu bringen ist, nach denen es Wirkungen von psychischen auf physische Zustände und umgekehrt gibt, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß es nicht körperliche und geistige Seiende als zwei verschiedene Arten von Seienden gibt, sondern nur, daß beide nicht völlig verbindungslos nebeneinander stehen. Gibt es sowohl körperliche als auch geistige Seiende, so sind beide zumindest durch den Gattungsbegriff Seiendes verknüpft und unterscheiden sich lediglich durch die Artmerkmale 73 . Da Begriffe auch nach dem Dualismus als geistige Seiende aufzufassen sind, sind die als davon völlig verschieden behaupteten körperlichen Realitäten durch den Gattungsbegriff Seiendes (oder: Realität) für den Dualismus begrifflich nicht erfaßbar. Die Erkenntnislehre kommt nicht daran vorbei, geistige und körperliche Seiende als Arten ein- und desselben Seins aufzufassen, wenn sie körperliche Gegenstände als Gegenstände der Erfahrung nicht verneinen will. Der Beweis der völligen Verschiedenheit von physischer und psychischer Realität muß scheitern, weil der Dualismus gerade voraussetzt, was er eigentlich beweisen muß, nämlich, daß ein Gegenstand nur entweder psychisch oder physich sein kann. Wird diese Unterscheidung vorausgesetzt, ist ein physischer Gegenstand notwendig vollständig erkannt, wenn dessen physische Eigenschaften erkannt sind. Psychische Eigenschaften kann er nicht aufweisen und sind dementsprechend nicht erkennbar, da dann das „entweder — oder" von „res cogitans" und „res extensa" aufgehoben wäre. Ob ein Gegenstand sowohl physische als auch psychische Eigenschaften hat, kann vom Ansatz des Dualismus her überhaupt nicht festgestellt werden. Der Beweis des Gegenteils kann vom Ausgangspunkt des Dualismus aus damit ebensowenig geführt werden wie die Natur des Menschen als erkennendes Subjekt nicht erklärt werden kann 7 4 . Der Dualismus setzt ein Bewußtsein außerhalb des menschlichen Körpers voraus, das empirisch nicht erklärbar und damit lediglich frei behauptbar ist. Er steht damit im Widerspruch zu der Erfahrung, daß gerade beim Erkennen geistige Inhalte im zum menschlichen Körper gehörenden Gehirn existieren, daß Psychisches also ohne physischen menschlichen Körper nicht möglich ist. Psychisches wird vom Dualismus als körperloses Bewußtsein ohne realen Bezugsgegenstand aufgefaßt. Menschliches Erkennen ist aber nur möglich, weil die vom Dualismus angenommene vollständige Trennung von Körper und Geist beim Erkennen nicht existiert. Auf der Grundlage des Dualismus ist eine Definition des Begriffes Erkennen damit nicht möglich. In einer empirischen Erkenntnistheorie hingegen können geistige Inhalte nicht als nicht-empirisch erfaßbare Wesenheiten vorausgesetzt werden, sondern sind empirisch erfaßbare Seiende. Zur Klarstellung der noch im Einzelnen zu erläuternden hier vertretenen Position wird schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß es danach kein Bewußtsein im Sinne des Dualismus oder jeder anderen Art von Bewußtseinsphilosophie gibt, sondern nur einzelne 73
Zur Unterscheidung von körperlichen und geistigen Seienden vgl. unten Frsier Teil, §2 C. VIII. 2. b), bei Fn. 700 ff. 74 Vgl. v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 297f.
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auf andere geistige Seiende, insbesondere Erkenntnisse, bezogene Bewußtheiten, die ebenso wie andere geistige Seiende empirisch erfaßbar sind. In der Lehre von der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen spielt der Dualismus als Dualismus von „Wille" und „Erklärung" eine wesentliche Rolle, je nachdem, ob der „subjektive Wille" des Erklärenden oder der von diesem unabhängige sogenannte „äußere Erklärungstatbestand" als Gegenstand der Auslegung angesehen wird 7 5 . Als erkenntnistheoretische Grundlage ist der Dualismus aus den vorgenannten Gründen nicht geeignet, entweder den Willen als subjektiven, zielgerichteten oder die Erklärung selbst als objektiven, mechanisch oder kausal bestimmten Gegenstand der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen zu erkennen. Es wurde bereits dargelegt, daß der erkenntnistheoretische Idealismus als Grundlage einer Auslegungslehre in Betracht kommt, die die Möglichkeit gesetzlicher „Methodenanweisungen" einschließt. Dies setzt allerdings die grundsätzliche Haltbarkeit des erkenntnistheoretischen Idealismus voraus. Mit der Unhaltbarkeit des Dualismus steht die Richtigkeit des erkenntnistheoretischen Idealismus nicht fest. Der erkenntnistheoretische Idealismus läßt sich der Sache nach auf folgende Hauptthesen zurückführen: 1. Alles Wahrgenommene und Beobachtete ist ichbedingt ( = subjektbedingt). 2. Gegenstände (Sachverhalte) der Wahrnehmung und Beobachtung sind nicht solche einer „Außenwelt", sondern solche, die im wahrnehmenden oder beobachteten Subjekt existieren. Als Gegenstände der Wahrnehmung oder Beobachtung werden demgemäß ausschließlich immer subjektive Sachverhalte behauptet, die z.B. als „Phänomene", „Ideen" (Locke, Berkeley) oder „Erscheinungen" (Kant) bezeichnet werden. „Alle Eigenschaften des Körpers sind ausnahmslos Ideen in uns", „der Körper ist also nichts anderes als ein Komplex von Ideen", „sein esse fallt mit seinem percipi zusammen" 76 . „. 75 Larenz, Methode der Auslegung, S. 10ff., spricht im Ansatz wohl zutreffend vom „Dualismus von Wille und Erklärung in der Lehre von der Auslegung" und kritisiert ζ. B. die Lehre von Danz dahingehend, daß nach dieser einerseits die Auslegung mit einem inneren Willen nichts zu tun haben solle (so Danz, Auslegung, S. 211), andererseits das sogenannte „objektive Auslegungsprinzip" von Danz „gar nicht" durchgeführt sei, da danach „der verkehrsmäßige Sinn" „nämlich" „dann hintereinem subjektiven" zurücktrete, „wenn beide Parteien übereinstimmend dasselbe meinten" (falsa demonstratio). Larenz (S. 13) meint, „die Lehre von Danz" enthalte „so einen harten Dualismus" und übt ähnliche Kritik an weiteren älteren Auslegungslehren. — Es darf grundsätzlich nicht verkannt werden, daß Larenz hier einen faktisch bestehenden Dualismus in der Lehre von der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen meint, das Wort „Dualismus" also nicht grundsätzlich im Sinne von Descartes gebraucht. Dennoch ist der dahinterstehende Streit zwischen Willens- und Erklärungstheorie letztlich auf den philosophischen Dualismus zurückzuführen, der in den durchweg idealistischen Auslegungslehren der Rechtswissenschaft wieder zum Tragen kommt. Innerhalb der idealistisch orientierten Auslegungstheorien wird der „objektivierte Sinn" einer Erklärung in dualistischer Weise dem „subjektiven Sinn" gegenübergestellt, und zwar insbesondere in der Lehre von der falsa demonstratio. In die idealistischen und damit subjektiven Auslegungslehren werden wiederum objektive Merkmale der Außenwelt eingefügt, was letztlich zu unhaltbaren Widersprüchen führt.
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1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
Die als „Natur des Geistes" (Berkeley) 77 , als „Natur des menschlichen Verstandes" (Hume) oder als „Prinzipien der Vernunft" (Kant) existierend behauptete Erfahrung ist dem neueren Schrifttum zum erkenntnistheoretischen Idealismus zufolge aufzufassen als Produkt einer Wechselwirkung zwischen den Gegenständen und Sachverhalten des Wahrnehmens einerseits mit subjektiven Faktoren andererseits 78, wobei „Geist" —jedenfalls im Sinne Berkeleys — nicht das substantielle Subjekt des Bewußtseins, sondern den Inbegriff der psychischen Phänomene bedeute 79 . Die erste These, die im modernen erkenntnistheoretischen Schrifttum auch — allerdings unscharf — als „Argument von der Subjektbezogenheit des Beobachteten" 80 bezeichnet wird, enthält den grundlegenden Fehler der Ineinssetzung von Gegenständen der Wahrnehmung oder Beobachtung mit vermeintlichen Inhalten der Wahrnehmung oder Beobachtung im Menschen. In diesem Sinne kann man von einer „Verwechslung von Beobachtung und Sachverhalten des Beobachtens" sprechen 81. Für die idealistische Erkenntnistheorie folgt daraus die Ineinssetzung von (vermeintlichen) geistigen Teilinhalten des erkennenden Menschen mit den Erkenntnisgegenständen selbst. Allgemein kann man sagen, daß der erkenntnistheoretische Idealismus das Erkennen, also den auf einen Gegenstand bezogenen Denkinhalt, ohne logische und sachliche Begründbarkeit mit dem Gegenstand des Erkennens gleichsetzt. Sinnestäuschungen können damit als Erkennen definiert werden. Ein Wahrheitskriterium läßt sich nicht finden. Nach dem erkenntnistheoretischen Idealismus kann im Ergebnis jede Behauptung als wahre Erkenntnis ausgegeben werden. Das auf der Annahme einer ausschließlich von der menschlichen Wahrnehmungs- und Vernunftorganisation beeinflußten Erfahrung beruhende zweite Hauptargument des erkenntnistheoretischen Idealismus weist dem Grundsatz nach dieselben Schwächen wie das erste Argument auf. In diesem zweiten Argument werden unzulässig Erfahrungen mit Wahrnehmungen gleichgesetzt. Es mag zwar sein, daß Wahrnehmungen lediglich Bilder der zu erkennenden Gegenstände liefern, die sich von den Gegenständen selbst erheblich unterscheiden können 82 . Diese Bilder sind aber keine Erfahrungen. Erfahrung ist Wissen von Gegenständen, das zwar auf deren Wahrnehmung beruht, aber selbst nicht Wahrnehmung ist. Aus der Art und Weise, wie ein erkennendes Subjekt einen Gegenstand betrachtet, folgt nicht dessen Subjektsabhängigkeit83. Es werden 76
So Windelband-Heimsoeth, § 34, 2 (403). Vgl. Rod, S. 124. 78 Vgl. dazu und zu den im neueren Schrifttum gegen den erkenntnistheoretischen Idealismus vorgebrachten Argumenten v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 202 ff. 79 Vgl. Rod, S. 124. 80 V. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 203. 81 V. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 203. 82 So ζ. Β. v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 208. 83 V. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 203. 77
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also wieder die Sachverhalte des Beobachtens — hier: des Wahrnehmens — mit den beobachteten Sachverhalten identifiziert. Als Definition betrachtet, enthält diese Lehre einen Zirkel, als Gleichung analog einer mathematischen Gleichung kann sie nicht richtig sein, weil Ungleiches gleichgesetzt wird 8 4 . Die Subjektabhängigkeit der Erkenntnisse stützt sich im erkenntnistheoretischen Idealismus letztlich auf subjektive Annahmen darüber, wie nach den Anschauungen des erkennenden Subjekts der zu erkennende Gegenstand idealiter sein soll, nicht wie er an „an sich" (real) beschaffen ist 8 5 . Da Beobachtungen (Wahrnehmungen) auch nach dem erkenntnistheoretischen Idealismus Grundlage aller Erkenntnisse sein sollen , kann man nicht zugleich behaupten, sie stellten die Erkenntnisse als Ergebnisse des Erkennens dar und zeigten die Gegenstände nur idealiter und nicht so, wie sie „an sich" beschaffen sind. In der Lehre von der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen bietet der erkenntnistheoretische Idealismus die „ideale" Grundlage, von einer oder mehreren vorgefaßten, als Ideal bestimmten „Bedeutungen" („rechtsmaßgeblicher Sinn der Willenserklärung") auszugehen und dem Gesetzgeber die Festlegung der nach seinen Idealvorstellungen richtigen Auslegungsmethode zu überlassen. Aufgrund der sachlichen und logischen Unhaltbarkeit des Dualismus und des erkenntnistheoretischen Idealismus bleibt der erkenntnistheoretische Realismus als mögliche Grundlage nicht nur der Auslegungslehre, sondern auch eines vollständigen Ansatzes der Überprüfung der Lehre von den sogenannten „allgemeinen Auslegungsregeln". Da es unzulässig wäre, die Richtigkeit des erkenntnistheoretischen Realismus lediglich aus der Negation der beiden anderen erkenntnistheoretischen Grundauffassungen abzuleiten, soll versucht werden, den erkenntnistheoretischen Realismus durch positive Argumente zu begründen. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß der erkenntnistheoretische den ontologischen Realismus voraussetzt, da unabhängig von Bewußtseinsinhalten existierende Gegenstände nur erkannt werden können, wenn solche existieren. Die prima facie plausible Begründung ist, daß die Welt existierte, bevor es Menschen als erkennende Subjekte gab 8 6 . Ein weiteres Argument läßt sich im Ergebnis wie folgt formulieren: Der erkenntnistheoretische Realismus als die These der Erkenntnis bewußtseinsunabhängig existierender Gegenstände setzt deren Existieren voraus, also den ontologischen Realismus; dieser ist seinerseits aber wiederum nur auf der Grundlage des erkenntnistheoretischen Realismus begründbar; erkenntnistheoretischer und ontologischer Realismus stellen sich danach in Bezug auf ihre Begründung als notwendig geschlossenes System dar, 84
Vgl. v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 204. Die „phainomena" sind nach der idealistischen Erkenntnislehre Sachverhalte des .Erscheinens als ob"; vgl dazu v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 205 f. 86 Vgl. oben Erster Teil, §2 C. I. 1., bei Fn. 60. 85
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1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
was für den erkenntnistheoretischen und den ontologischen Idealismus nicht gilt. — Dieses Argument von der hier sogenannten „systematischen Geschlossenheit des ontologischen und erkenntnistheoretischen Realismus" läßt sich leicht verständlich von einer in der Philosophie vertretenen Gegenposition her erläutern, nach der der erkenntnistheoretische Idealismus mit einem ontologischen Realismus verträglich sein soll. Stellt man den ontologischen Realismus und den erkenntnistheoretischen Idealismus lediglich als unbegründete Thesen nebeneinander, so scheint zwischen beiden kein logischer Widerspruch zu bestehen; denn daß es bewußtseinsunabhängige Gegenstände gibt, scheint nichts darüber auszusagen, daß diese Gegenstände auch so erkannt werden können, wie sie „an sich „ (real) beschaffen sind. Dies ist die grundlegende Annahme der kritischen Philosophie Kants. Nach Kant existieren zwar die Gegenstände „an sich", nur sind sie als solche nicht erkennbar 87 . Erkennbar sind nach Kant vielmehr nur die von den Gegenständen „an sich" hervorgerufenen „Erscheinungen" („phainomena") 88 . Dieser Theorie ist zunächst entgegenzuhalten, daß der von Kant als „Kritizismus" abgewandelte erkenntnistheoretische Idealismus schon aus den oben erörterten logischen Gründen, insbesondere der Gegenstandsidentifizierung von beobachteten Sachverhalten und Sachverhalten des Beobachtens, nicht haltbar ist. Darüberhinaus verkennt Kant, daß das Existieren äußerer „Dinge" nur über eine realistische Erkenntnistheorie begründbar ist; denn nur wenn man bewußtseinsunabhängig existierende Gegenstände so, wie sie „an sich" beschaffen sind, erkennen kann, ist deren Existenz behauptbar. Kann man dagegen lediglich „Erscheinungen" erkennen, bleibt die Annahme von tatsächlich existierenden Gegenständen allenfalls nicht begründbare Hypothese. Die Erscheinungen können ideale Bilder der Gegenstände „an sich" (idealistische Abbildtheorien), subjektive Vorstellungen oder sogar Sinnestäuschungen darstellen. Weder die Behauptung, wie die Gegenstände „an sich" beschaffen sind, noch ob sie überhaupt existieren, kann begründet werden. Die einzige Möglich87 Kant stellt dies in der Vorrede zur 2. Aufl. Β X X V , X X V I in eindeutiger Weise klar. Kant führt aus: „daß Raum und Zeit nur Formen der sinnlichen Anschauung, also nur Bedingungen der Existenz der Dinge als Erscheinungen sind, daß wir ferner keine Verstandesbegriffe, mithin auch gar keine Elemente zur Erkenntnis der Dinge haben, als so fern diesen Begriffen korrespondierende Anschauung gegeben werden kann, folglich wir von keinem Gegenstande als Dinge an sich selbst, sondern nur so fern es Objekt der sinnlichen Anschauung ist, d.i. als Erscheinung, Erkenntnis haben können, wird im analytischen Teile der Kritik bewiesen; woraus denn freilich die Einschränkung aller nur möglichen spekulativen Erkenntnis der Vernunft auf bloße Gegenstände der Erfahrung folgt. Gleichwohl wird, welches wohl gemerkt werden muß, doch dabei immer vorgehalten, daß wir eben dieselben Gegenstände auch als Dinge an sich selbst, wenngleich nicht erkennen, doch wenigsten müssen denken können. Denn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint. Nun wollen wir annehmen, die durch unsere Kritik notwendig gemachte Unterscheidung der Dinge, als Gegenstände der Erfahrung, von eben denselben, als Dingen an sich selbst, wäre gar nicht gemacht, so müßte ..." ). 88
Kant, Vorrede zur 2. Aufl., Β X X V , X X V I .
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keit, die Gegenstände „an sich" in ihrer tatsächlichen Beschaffenheit erkennen und diese Erkenntnisse auch begründen zu können, findet danach ihre Grundlage im erkenntnistheoretischen Realismus. Während dieser somit zusammen mit dem ontologischen Realismus auch hinsichtlich seiner Begründbarkeit ein in sich geschlossenes, widerspruchfreies System darstellt, kommt Kant nicht daran vorbei, die nach ihm nicht erkennbaren Gegenstände „an sich" entweder begründungslos zu behaupten oder im Sinne des ontologischen Idealismus als nicht real existierende „Ideen" aufzufassen. Die im erkenntnistheoretischen Schrifttum aufgestellte Behauptung, Kant habe versucht, einen ontologischen Realismus mit einem erkenntnistheoretischen Idealismus zu verbinden 89 , ist nicht haltbar. Die von Kant behaupteten „Dinge an sich" sind keine bewußtseinsunabhängig existierenden Gegenstände, sondern als idealistische „Erscheinungen" „als ob" lediglich Postulate. Die Feststellung der Widerspruchsfreiheit von ontologischem und erkenntnistheoretischem Realismus und die daraus folgende logische Unmöglichkeit des Versuchs, den erkenntnistheoretischen Realismus zu verneinen, impliziert allerdings noch nicht dessen positive Rechtfertigung. Man könnte sich nun auf den Standpunkt stellen, eine bis in die letzten Gründe positive Erklärung des Erkenntnisproblemes sei auch bei grundsätzlicher Bejahung des erkenntnistheoretischen Realismus nicht möglich. Zur Begründung könnte man anführen, die grundlegende These des erkenntnistheoretischen Realismus, daß alles Erkennen empirisches Erkennen bewußtseinsunabhängig existierender Gegenstände sei, erfordere ihrerseits den Rückgriff auf andere empirische Erkenntnisse. Die Situation wäre also die, daß der Versuch der Widerlegung des erkenntnistheoretischen Realismus zwar auf einen Selbstwiderspruch, der Versuch seiner Rechtfertigung jedoch auf eine petitio principii oder einen infiniten Erkenntnisund Begründungsregreß hinausläuft 90 . Für die Definition des hier als Grundlage des Auslegungsbegriffes zu klärenden allgemeinen Erkenntnisbegriffes ergibt sich damit das Problem, ob dieser infolge eines infiniten Begründungsregresses letztlich nicht vollständig zu definieren oder ob die Definition notwendig selbstbezüglich ist. Auch ein realistischer Erkenntnisbegriff scheint somit nur innerhalb einer letzlich nichtbeweisbaren, realistisch genannten Erkenntnistheorie definier bar zu sein. Eine solche Kritik an der realistischen erkenntnistheoretischen Grundauffassung wäre indessen nur berechtigt, wenn nicht ohne selbstbezügliche und damit zirkuläre Begründung und ohne Annahme eines infiniten Begründungsregresses erkannt und definiert werden könnte, was Erkennen ist. Mit der Bejahung des erkenntnistheoretischen Realismus ist lediglich ein Merkmal des Erkenntnisbegriffs erkannt, nämlich das Merkmal „real existierender Gegenstand". Dieses Merkmal ist vollständig definiert und erläutert, wenn man als Ergebnis der Auseinandersetzung mit den drei möglichen erkenntnistheoretischen Grundauf89 90
So z.B. v. Kutschera, Erkenntnisthoerie, S. 180, mit Hinweis auf Fichte. Vgl. v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 182.
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1. Teil: „Allgemeine Auslegungsregeln"
fassungen festhält, daß aufgrund der schon inneren Widersprüchlichkeit des Dualismus und des erkenntnistheoretischen Idealismus einerseits und im Gegensatz dazu der inneren Widerspruchsfreiheit des erkenntnistheoretischen Realismus andererseits nur der auf bewußtseinsunabhängig („real") existierende Seiende bezogene Begriff Gegenstand als Merkmal des Erkenntnisbegriffes in Frage kommt. Erkennen ist danach immer Erkennen eines real existierenden Gegenstandes. In jeder Erkenntnis ist begriffsnotwendig die Erkenntnis des Seins eines Gegenstandes enthalten. Jede Erkenntnis enthält notwendig das Urteil, daß ein Entsprechungsverhältnis existiert, zwischen dem Gedachten und dem, worauf sich das Gedachte bezieht. Wird ein derartiges Entsprechungsverhältnis verneint, sind Erkennen und Wahnvorstellungen nicht voneinander zu unterscheiden. 5. Mögliche Folgerungen und Grundproblematik der Erkenntnistheorie und Methodenlehren
M i t der Einsicht, daß die das Erkennen allgemein begründenden Gegenstände des Erkennens real existierende Seiende sind (erkenntnistheoretischer Realismus) 91 , ist nur ein Merkmal des Erkenntnisbegriffes geklärt. Die Frage nach den weiteren Merkmalen läßt sich allgemein als das „Problem der Natur des Erkennens" bezeichnen. Sachlich geht es darum, ob und in welchen Grenzen eine Erkenntnis der real existierenden Gegenstände als das, was sie sind, und so, wie sie sind, möglich ist 9 2 . Zu beantworten ist die Frage, worauf das Erkennen beruht, was Grundlage des Erkennens ist. Gegenstand der Untersuchung ist nicht ein einzelwissenschaftlich gegebener Gegenstand , sondern der Gegenstand ist das Erkennen selbst. Erkenntnisgegenstand der Erkenntnistheorie ist das Erkennen selbst. Diese Tatsache legt das Bedenken nahe, daß bei der Klärung dessen, was Erkennen ist, es selbst schon vorausgesetzt werden müsse. Der Begriff Erkennen wäre dann notwendig selbstbezüglich, die Definition des Begriffs zirkulär. Zur Lösung des Problems lassen sich ungeachtet der jeweiligen Begründbarkeit grundsätzlich drei hypothetische Lösungsansätze vertreten: — Zum einen könnte man die Auffassung vertreten, das Erkennen sei von einem übergeordneten Erkennen abhängig. Der Erkenntnisbegriff könnte dann nur unter Rückgriff auf einen übergeordneten Erkenntnisbegriff definiert werden. Diese Auffassung führte zu einem infiniten Begründungsregreß der Erkenntnislehre. Der Erkenntnistheorie läge eine Meta-Erkenntnistheorie zugrunde, dieser wiederum eine Meta-Meta-Erkenntnistheorie usw.. Eine solche Lösung würde aber den — vermeintlich bestehenden — Zirkel nur durch den infiniten Begründungsregreß ersetzen mit der Folge, daß der Erkenntnisbegriff hinsichtlich aller Begriffsmerkmale letztlich nicht erkannt und definiert werden könnte. 91
Vgl. v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 182. Zum hier vertretenen Gegenstandsbegriff vgl. unten, Erster Teil, § 2 VIII. 2. b), bei Fn. 713. 92
§ 2 Kritik der Lehre von den gesetzlichen Methodenvorschriften
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— Die meisten in der Philosophie vertretenen Auffassungen gehen daher von einem anderen Ansatz aus. Man setzt einen sogenannten „fixen Punkt", eine unumstößliche Grundlage, die selbst nicht mehr weiter begründet und aus der alles weitere abgeleitet wird 9 3 . So wird beispielsweise eine transpersonale „Ideenwelt" behauptet (Piaton), die auf vielen Wegen bei Hegel zum historisch sich entwickelnden „Weltgeist" wurde. Andere gehen von den „Ideen" („Vorstellungen") des einzelnen Menschen aus, die allein Gegenstand der Erfahrungserkenntnis sein sollen (z.B. Berkeley), wieder andere von der „Materie" (z.B. Marx). Descartes ging vom „Denken" aus, d.h. vom „vernünftigen" Bewußtsein, der „ratio", Kant versuchte es mit einer Bestimmung des idealen „Erkenntnisapparates". — Die dritte grundsätzliche hypothetische Lösungsmöglichkeit schließlich besteht in dem Nachweis, daß die angenommene Zirkularität des Erkenntnisbegriffes überhaupt nicht besteht, es sich dabei um ein Scheinproblem handelt. Einen solchen Versuch hat die gegenwärtige sprachanalytische Philosophie unternommen, auf die noch näher einzugehen ist, insbesondere im Hinblick auf ihre für die Auslegungslehre wesentlichen bedeutungstheoretischen Implikationen 94 . Die sprachanalytische Philosophie geht von der Annahme aus, die Probleme der Erkenntnistheorie seien bedingt durch deren Belastung mit ontologischen Fragen, insbesondere der Kontroverse zwischen Realismus und Idealismus, und diese Probleme würden sich durch exakte Analyse der Sprache für die Wissenschaftslehre als Scheinproblem darstellen 95 . Der sprachanalytischen Wissenschaftslehre ist zuzugeben, daß das Grundproblem der Erkenntnistheorie, woher die Erkenntnis der Dinge stammt, in historisch bestimmten Zusammenhängen mit der Befürwortung entweder des ontologischen Idealismus oder Realismus besteht. Hierzu braucht nur auf den oben erläuterten Begründungszusammenhang zwischen ontologischem und erkenntnistheoretischem Realismus hingewiesen werden 96 . Aus diesem Begründungszusammenhang ergibt sich, daß auch die übrigen Merkmale des Erkenntnisbegriffes nicht im Widerspruch stehen dürfen zu dem Merkmal, daß jeder Gegenstand des Erkennens ein real existierendes Seiendes ist. — Ungeachtet der hier schon entschiedenen Kontroverse zwischen Realismus und Idealismus sind in Bezug auf die „Natur des Erkennens" folgende hypothetische Zusammenhänge und Möglichkeiten zu unterscheiden: Akzeptiert man einen ontologischen Idealismus, so kann man nur einen erkenntnistheoretischen Idealismus vertreten. Eine realistische Erkenntnistheorie ist ausgeschlossen, weil es nach dem ontologischen Idealismus keine außerhalb des Bewußtseins existierenden Gegenstände des Erkennens gibt, solche also nicht erkannt werden können. Die Unhaltbarkeit des erkenntnistheoretischen Idealismus wurde bereits dargelegt. Man kann das Erkennen als 93 94 95 96
Vgl. dazu auch Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, §4, 1 (12 f.). S. unten Erster Teil, §2 C. IV. 3., bei Fn. 292ff. S. unten Erster Teil, § 2 C. IV. 3. a bei Fn. 295ff. S. oben Erster Teil, § 2 C. I. 4. bei Fn. 87ff.
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Erfahrungserkenntnis und/oder in einer a priori angenommenen idealen „Vernunft" begründet ansehen, die Identifizierung des Erkennens mit seinem Gegenstand macht jede nachvollziehbare Beurteilung eines Erkenntnisgegenstandes unmöglich. Befürwortet man demgegenüber den ontologischen Realismus, lassen sich zwar verschiedene erkenntnistheoretische Auffassungen vertreten, die aber insoweit abzulehnen sind, als sie wiederum einen erkenntnistheoretischen Idealismus implizieren, auf dessen Grundlage die „Natur des Erkennens" nicht erklärt werden kann. Dies gilt zunächst für die schon abgelehnte Lehre Kants, in der versucht wird, den erkenntnistheoretischen Idealismus mit der Annahme realer „Dinge an sich selbst" zu verbinden. Sind ausschließlich bewußtseinsimmanente „Erscheinungen" Gegenstände des Erkennens, ist die bewußtseinsunabhängige Existenz und Beschaffenheit der Gegenstände „an sich" nicht begründbar. A n dieser Unmöglichkeit der Begründbarkeit real existierender Gegenstände des Erkennens scheitern auch alle Auffassungen, die den ontologischen Realismus mit dem erkenntnistheoretischen Idealismus zu verbinden versuchen. Es ist noch nicht einmal möglich, den jeweiligen Gegenstand des Erkennes als real („an sich") existierend zu behaupten. Auch dies gilt unabhängig davon, ob man solches „Erkennen" als Erfahrungserkenntnis und/oder in einer a priori angenommenen idealen Vernunft begründet ansieht. Danach bleiben im Grundsatz nur zwei Möglichkeiten offen, auf deren Grundlage die „Natur des Erkennens" bestimmt werden kann. Die eine Möglichkeit besteht darin, sowohl den ontologischen als auch den erkenntnistheoretischen Realismus zu vertreten und auf dieser Grundlage das, was Erkennen ist, zu definieren. Die zweite Möglichkeit ist, die aus dem Gegensatz zwischen Realismus und Idealismus sich ergebenden Probleme erkenntnistheoretisch für unbeachtlich zu erklären und ein „Medium" anzugeben, in dem sich das Erkennen vollzieht. Ein solches „Medium" glaubt die heute herrschende sprachanalytische Wissenschaftstheorie in der Sprache gefunden zu haben. Beiden noch offenen Möglichkeiten entsprechen schon im Ansatz unterschiedliche methodologische Grundhaltungen. Vertritt man den ontologischen und erkenntnistheoretischen Realismus, kommt man nicht an der Konsequenz vorbei, daß die —jeweilige — Methode des Erkennens von dessen —jeweiligem — Gegenstand abhängig ist; denn nur dann kann ein Gegenstand auch methodisch als das, was er ist, und so, wie er ist, erkannt werden, also in seiner bewußtseinsunabhängigen Existenz und Beschaffenheit. Bei diesem grundsätzlichen erkenntnismethodischen Ansatz ergeben sich allerdings zwei Probleme, die an dieser Stelle noch nicht gelöst, sondern nur formuliert werden können. Das erste Problem ergibt sich daraus, daß nur ein denkender Mensch erkennen kann. Daraus könnte man folgern, daß die Erkenntnismethode nicht
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nur von dem Gegenstand des Erkennens abhängig ist, sondern auch von Bewußtseinsinhalten. Die Frage lautet also: Ist die Methode des Erkennens eines Gegenstandes ausschließlich von diesem abhängig oder auch von subjektiven Faktoren („Bewußtseinsinhalten") 97 ? Das zweite Problem ist gekennzeichnet durch eine ähnliche Fragestellung wie die, ob der Erkenntnisbegriff zirkulär ist. Das Problem kann man wie folgt beschreiben: Wenn die Erkenntnismethode vom jeweiligen Gegenstand des Erkennens abhängig ist, scheint es wiederum so zu sein, daß nur die bereits vollständige Erkenntnis des zu erkennenden Gegenstandes Aufschluß über die Erkenntnismethode geben kann. Infolge des gegebenen Zirkels wäre eine Erkenntnismethode nicht begründbar. Soweit man im wissenschaftstheoretischen Schrifttum von der Zirkularität einer realistischen Methodenlehre ausgeht, wird als Ausweg eine aus konventionellen Festsetzungen bestehende Methodologie des Erkennens realer Gegenstände befürwortet 98 . Diese Auffassung, auf die noch näher einzugehen ist, versucht im Ergebnis einen ontologischen Realismus mit einer konventionalistischen Methodenlehre zu verbinden. Erklärt man demgegenüber die Kontroverse Realismus — Idealismus für erkenntnistheoretisch unbeachtlich und hält die Sprache für das „Medium", in dem sich das Erkennen vollziehe, so ist für eine realistische Begründung der Methodenlehre kein Platz. Die Erkenntnismethode kann dann nur in der Anwendung sprachimmanenter Regeln grammatikalischer, syntaktischer und anderer Art bestehen, wobei sich diese Regeln aber mangels Bezuges auf außersprachliche Gegenstände aus der Sprache selbst ergeben und/oder durch Konvention festgesetzt sein müssen. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß ausschließlich gegenstandsabhängige Erkenntnismethoden nur auf der Grundlage des ontologischen und erkenntnistheoretischen Realismus begründbar sind, weil nur nach diesen Auffassungen die „Natur des Erkennens" (der Erkenntnisbegriff) ohne Rückgriff auf a priori 97
Eine solche Methodologie entspräche der Auffassung v. Kutscheras. Für diesen „ergibt sich" aus der nicht störungsfreien Beobachtbarkeit in der Mikrophysik „ein ontologischer wie erkenntnistheoretischer Realismus, der die Natur nicht als Welt ,an sich', sondern als Gegenstand unserer Erfahrung begreift, ohne ihr damit Objektivität und Eigenständigkeit gegenüber dem Psychischen abzusprechen" (v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 408 ff., insbesondere S. 409). Die Zirkularität dieser Auffassung ist offensichtlich. Der ontologische Realismus ist gerade die Auffassung, nach der die Gegenstände „an sich" unabhängig von einer sich auf sie beziehenden Erkenntnis existieren. Nur als erfahrungsunabhängig existierende Gegenstände können sie überhaupt Gegenstände der Erfahrung sein. Anderenfalls sind sie in die Erfahrung verlagert, mithin in idealistischer Weise nicht von der Erfahrungserkenntnis getrennt. V. Kutschera begeht hier den gleichen Fehler, den er dem erkenntnistheoretischen und ontologischen Idealismus vorwirft, nämlich die Verwechslung von beobachteten Sachverhalten und Sachverhalten des Beobachtens (vgl. v. Kutschera, Erkenntnistheorie, S. 203 ff.). Seine Auffassung ist nicht, wie er selbst behauptet, ein schwacher Realismus, sondern ein erkenntnistheoretischer Idealismus. 98 Diese Auffassung wird insbesondere von den „kritischen Rationalisten" vertreten.
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angenommene Bewußtseinsinhalte erklärbar ist und dem nur Erkenntnismethoden entsprechen können, die ebenfalls ohne Rückgriff auf Bewußtseinsinhalte gewonnen werden und nicht in Festsetzungen welcher Art auch immer bestehen. Nach allen anderen Auffassungen ist zumindest die Erkenntnismethode nicht ausschließlich gegenstandsbedingt. Die Methode der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen ist dementsprechend dann ausschließlich gegenstandsbedingt und nicht von vorneherein durch gesetzliche „Anordnungen" festsetzbar, wenn die Auslegung im Sinne des erkenntnistheoretischen und ontologischen Realismus Erkennen bewußtseinsunabhängiger Gegenstände ist. Die Beantwortung dieser Frage setzt die vollständige Klärung des Erkenntnisbegriffes und des diesem entsprechenden Methodenbegriffes voraus. Die vorstehend als hypothetische Ansätze aufgezeigten Möglichkeiten, das „Problem der Natur des Erkennens", also des Erkenntnisbegriffes und des diesem entsprechenden Methodenbegriffes zu lösen, hat man in der Philosophie in den unterschiedlichsten Weisen zu begründen versucht. Die nahezu unübersehbare Fülle der einzelnen Versuche zwingt zu einer Beschränkung auf die Erörterung der wichtigsten Richtungen. Dabei wird sich zeigen, daß gerade die grundlegenden Richtungen der gegenwärtigen Wissenschaftstheorie"infolge ihrer Bemühungen um methodische Strenge und exakte Analyse der Sprache nicht nur für den Erkenntnisbegriff, sondern unmittelbare Bedeutung für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen und ihre Methode haben, sofern sich diese Richtungen grundsätzlich als haltbar erweisen. Nach der hier getroffenen Entscheidung für den erkenntnistheoretischen Realismus könnten die in der Neuzeit^unternommenen Versuche zur Lösung des Erkenntnisproblems zwar grundsätzlich vernachlässigt werden, da in dieser Zeit nur idealistische Auffassungen vertreten wurden. Wenn im folgenden dennoch diese Lehren kurz skizziert werden, so geschieht dies, weil diese Auffassungen nach wie vor die gegenwärtige erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Diskussion beeinflussen. II. Neuzeitliche Erkenntnislehren 1. Rationalismus
Der ältere Rationalismus suchte wie der gleichzeitige Empirismus 101 eine Antwort auf die Frage, woraus sich die Sicherheit menschlicher Erkenntnis ergebe. Anlaß zur Begründung dieser Lehren war ein allgemein festzustellender Erkenntnisskeptizismus, der darauf beruhte, daß die Dogmen der von der 99
Der Ausdruck „gegenwärtige Wissenschaftstheorie" steht an dieser Stelle für die nicht „geisteswissenschaftlich-hermeneuiisch" orientierten Erkenntnis- und Wissenschaftslehren. 100 Ca. 1600 bis 1900. 101 Die Blütezeit des Rationalismus und des klassischen Empirismus lagen ca. zwischen 1600 und 1800.
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Kirche besetzt gehaltenen Philosophie und Wissenschaften nicht mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften in Einklang zu bringen waren. Den Ansatz zu der Frage, was menschlicher Erkenntnis Gewißheit verschafft und radikalen Zweifel beseitigt, sahen die Rationalisten in der Vernunft, im Denken selbst. Der Rationalismus postulierte die Existenz erster unumstößlicher Vernunftaxiome, deren Wahrheit nicht bezweifelt werden könne. Aus diesen Vernunftaxiomen glaubte man Erkenntnisse mittels deduktiver Schlußverfahren ableiten zu können. Führender Vertreter war Descartes. Der rationalistische Primat der Vernunft kommt bei Descartes in der Formulierung zu Ausdruck: „Ich bin, ich existiere, das ist gewiß, wie lange aber? Nun, solange ich denke" 1 0 2 . Diese behauptete Identität von Denken und Sein war für Descartes die erste unumstößliche Gewißheit, aus der alles weitere abgeleitet werden könne. — Das Problem dieser Auffassung liegt darin, daß Descartes wie auch andere Vertreter des Rationalismus nicht erklären können, wie die Vernunftaxiome entstehen. Die Begriffe werden von den Rationalisten als „angeborene Vorstellungen" („angeborene Ideen") gedeutet. Das Denken wird als Maßstab an die Dinge „an sich" angelegt, nicht aber wenigstens teilweise als von den Gegenständen abhängig gesehen. Das Denken hat für die Rationalisten somit notwendig a priorischen Charakter. Die Unterscheidung Descartes zwischen primären und sekundären Qualitäten entbehrt angesichts dieses a priorischen Charakters des Denkens jeder Grundlage. Descartes ist der Einwand entgegenzuhalten, daß er letztlich ohne Begründung und Begründbarkeit eine Kombination von ontologischem Realismus und einem erkenntnistheoretischen Idealismus vertritt 1 0 3 ; denn bei einem a priorischen Charakter des Denkens können die Dinge „an sich" nur so erkannt werden, wie es der vorprogrammierten „Vernunftorganisation" des erkennenden Subjekts entspricht, nicht jedoch so, wie sie tatsächlich beschaffen sind. Der streng durchgeführte Rationalismus impliziert somit einen erkenntnistheoretischen Idealismus, der aus den genannten Gründen abzulehnen ist 1 0 4 . 2. Empirismus
Der Empirismus hält hingegen Erkenntnis nur als Erfahrungserkenntnis für möglich. Ohne Erfahrung gibt es nach ihm keinerlei Erkenntnis. Unter dem Stichwort „Empirismus" werden allerdings die verschiedensten Lehren vertreten. Die Vertreter des klassischen Empirismus vertraten durchweg idealistische Konzeptionen. Berkeley beispielsweise ging davon aus, daß die Gegenstände des Erkennens nur im Geiste existieren könnten. „Ihr Sein" sei „Wahrgenommenwerden, und es" sei „unmöglich, daß sie irgendeine Existenz außerhalb des Geistes oder der 102 103 104
Descartes, Meditationes, S. 47. Vgl. schon oben die Kritik des Dualismus, Erster Teil, §2 C. I. 4. bei Fn. 73 ff. Siehe schon oben Erster Teil, § 2 C. I. 4. bei Fn. 76ff.
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denkenden Wesen" hätten, „die sie" wahrnähmen 105 . Berkeley erweist sich somit als einer der konsequentesten Vertreter sowohl des ontologischen als auch des erkenntnistheoretischen Idealismus. Erfahrung findet für ihn ausschließlich im Geiste statt ohne Bezug auf einen real existierenden Gegenstand. Erfahrung ist danach unbedingte, d. h. absolut gesetzte Geistestätigkeit. Berkeley's erkenntnistheoretischer Ansatz liegt in der schon oben als logisch und sachlich abgelehnten idealistischen Identifizierung von Erkennen und Gegenstand des Erkennens. Dasselbe gilt für den bedeutendsten Vertreter des älteren Empirismus, David Hume, dessen Philosophie sich Kant teilweise zu eigen machte. Hume versuchte zwar im Ansatz zutreffend das Erkennen von dem rationalistischen Primat der Vernunft zu lösen. Dieser bestand für ihn in einem nichtbegründbaren Einsichtsideal 106 . An dessen Stelle setzte er jedoch eine idealistische Theorie der Erfahrung. Hume unterscheidet zwischen „Vorstellungsbeziehungen (relations of ideas)" und „Tatsachen (matters of fact)". Tatsachen sind nach ihm nicht streng zu beweisen, denn eine Tatsachenerkenntnis besitze nicht die „intuitive oder demonstrative Gewißheit" eines Satzes, dessen Wahrheit auf bloßen Vorstellungsbeziehungen beruhe 107 . Zur Begründung führt Hume dem Sinn nach folgendes Argument an: Was streng bewiesen werden könne, dessen Gegenteil sei in sich widersprüchlich; was widersprüchlich sei, könne man sich nie deutlich vorstellen; das Gegenteil jeder Tatsache könne man sich immer deutlich vorstellen, also sei es nicht widersprüchlich: folglich könne man keine Tatsache streng beweisen 108 . Hume meint, daß die alle Tatsachen betreffende Beziehung von Ursache und Wirkung nicht auf Vernunfterwägungen beruhe, sondern stellt den Satz auf, „daß Ursachen und Wirkungen nicht durch Vernunft, sondern durch Erfahrung zu entdecken" seien 109 . Die Erfahrung und damit die empirische Erkenntnis versucht Hume mittels Assoziation zu erklären, was ihn zu der Frage führt, mit welchem Recht vergangene Erfahrungen auf den vorliegenden Fall übertragen werden 110 . Diese Frage ist unter der Bezeichnung „Induktionsproblem" seither eines der Grundprobleme der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie. Es soll hier nicht in Abrede gestellt werden, 105
Berkeley, S. 28. Vgl. dazu Craig, S. 9ff., insbesondere auch S. 62ff. 107 Vgl. Hume, S. 41 ff. 108 Hume, S. 35 f., führt aus: „Das Gegenteil jeder Tatsache bleibt immer möglich, denn es kann niemals einen Widerspruch in sich schließen und wird vom Geist mit der gleichen Leichtigkeit und Deutlichkeit vorgestellt, als wenn es noch so sehr mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Daß die Sonne morgen nicht aufgehen wird, ist ein nicht minder verständlicher Satz und nicht widerspruchsvoller, als die Behauptung,