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German Pages 156 Year 2002
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht
Band 67
Auslandseinsatz der Bundeswehr Von
Martin Limpert
Duncker & Humblot · Berlin
Martin Limpert . Auslandseinsatz der Bundeswehr
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin HeckeI, Karl-Hermann Kästner Ferdinand Kirchhof, Hans von Mangoldt Martin Nettesheim, Thomas Oppermann Günter Püttner, Michael Ronellenfitsch sämtlich in Tübingen
Band 67
Auslandseinsatz der Bundeswehr Von Dr. Martin Limpert
Duncker & Humblot . Berlin
Bibliografische Infonnation Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek veneichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-11014-5 Gedruckt auf aIterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Geleitwort I.
Die Sicherheitspolitik steht heute vor der Aufgabe, die überkommene Trennung von innerer und äußerer Sicherheit zu übelWinden. Gefahrenbekämpfung und Gefahrenvorsorge bilden eine einheitliche nationale Aufgabe. Sie umfasst gleichennaßen die Bewahrung der äußeren wie der inneren Sicherheit. Wie die Anschläge vom 11. September 200 I belegen, besitzen terroristische Angriffe auf die innere Sicherheit eine Qualität, die militärischen Angriffen gleichkommt. Die Polizei ist außerstande, den Luftraum zu übelWachen und zu schützen. Sie ist nicht in der Lage, terroristischen Angriffen mit atomaren, biologischen oder chemischen Kampfstoffen entgegenzutreten. Besonders sicherheitsempfindliche Objekte wie beispielsweise Kernkraftwerke können durch die Polizei nicht wirksam geschützt werden. Dazu ist - und daran hat auch die immer enger zusammenwachsende Europäische Union nichts geändert - nur die Bundeswehr imstande. Das verfassungsrechtliche Zuständigkeitssystem geht immer noch von der prinzipiellen Unterscheidung von innerer und äußerer Sicherheit aus und nimmt eine entsprechende Kompetenzabgrenzung vor: Für die Sicherheit im Inneren sind die Länder mit ihrer Polizei zuständig, Gefahren von außen wehrt der Bund mit den Streitkräften ab. Dadurch kann aber der Anspruch des Bürgers auf eine umfassende, effektive Gesamtsicherheit nicht mehr hinreichend befriedigt werden. Zu seinem Schutz sind die Verantwortlichkeiten fiir beide Sicherheitskomponenten miteinander zu verbinden. Die Zuständigkeiten von Polizei (der Länder und des Bundes in Gestalt des Bundesgrenzschutzes), Katastrophenschutz, Bundeswehr und Zivilschutz sind neu zu justieren. Das Gebot rechtsstaatlicher Sicherheitsgewähr korrespondiert mit den sicherheitspolitischen Aufgaben eines funktionstüchtigen kooperativen Föderalismus. Im Zusammenwirken mit den zuständigen Länderinstanzen haben der Zivilschutz und die Bundeswehr originäre, präventiv wirksame Aufgaben für solche Gefahrenbereiche zu übernehmen, mit deren Bewältigung die Polizei überfordert ist.
11. Die neuen Aufgaben der Bundeswehr sind in eine Strukturrefonn einzubetten, die eine territoriale Schutzkomponente wieder einführt, welche durch die Auftö-
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Geleitwort
sung des Territorialheeres im Zuge der Heeresstruktur 5 zwischen 1993 und 1995 verloren ging. Gegebenenfalls ist eine neue Teilstreitkraft "Heimat-" oder "Territorialschutz" zu schaffen. In entsprechend territorialer Aufgliederung auf die einzelnen Bundesländer kann eine solche neue Formation der Bundeswehr vor allem bei der Bekämpfung des Terrorismus und beim Objektschutz in Abstimmung mit den landesrechtlichen Polizeiinstanzen unter der Leitung und Verantwortlichkeit der jeweiligen Landesinnenminister tätig werden. Die personellen Ressourcen fehlen der Bundeswehr nicht, denkt man an ihre Reservisten. Eine längst überfaIlige neue Reservistenkonzeption muss den Gedanken des "Heimat-" oder "Territorialschutzes" aufnehmen. Dadurch würde die Idee der Wehrpflicht nicht nur eine Renaissance, sondern auch eine gesteigerte Legitimation erleben. Auf diese Weise würde die Bundeswehr ein Teil des kooperativen Föderalismus, beteiligt an der Bewältigung seiner neuen Aufgaben bei der Gewährleistung innerer wie äußerer Sicherheit, also bei der Zusammenfuhrung beider Sicherheitsbereiche zu einer nationalen Sicherheit. International gibt es dafür erfolgversprechende Vorbilder. So ressortiert beispielsweise die amerikanische Nationalgarde bei der Armee, verfugt jedoch über einen doppelten Auftrag: Sie untersteht zum einen den Gouverneuren der Einzelstaaten (State Mission) bei der Bekämpfung von Natur- und Umweltkatastrophen, gewaltsamen Ausschreitungen größeren Stils sowie bei Unfällen, die von der Polizei allein nicht beherrscht werden können. Zum anderen verfügt die Nationalgarde über den allgemeinen militärischen Verteidigungsauftrag (Federal Mission) unter dem Kommando des Verteidigungsministers. Die italienischen Carabinieri erfullen als vierte Teilstreitkraft ebenso Aufgaben im militärischen wie im polizeilichen Bereich. Im militärischen Bereich unterstehen die Carabinieri dem Verteidigungsminister. Im Bereich der inneren Sicherheit nehmen sie unter der Leitung des Innenministers beispielsweise Aufgaben bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des Terrorismus und der illegalen Einwanderung wahr. Ein Blick auf die Zuständigkeiten der französischen Gendarmerie Nationale, der spanischen Guardia Civil, der niederländischen Marechausee und der schwedischen Heimwehr rundet dieses Spektrum der Mischung militärischer und polizeilicher Hoheitsbefugnisse ab.
III. Eine dahin gehende Ausrichtung der Bundeswehr macht strukturelle Maßnahmen ebenso notwendig wie ergänzende verfassungsrechtliche Kompetenzregelungen. Eine bloß am konkreten Einzelfall orientierte Amtshilfe nach Vorbild des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG reicht dazu nicht aus; ebenso wenig Art. 87a Abs. 3 und 4 GG, die den Schutz ziviler Objekte durch die Bundeswehr nur im Verteidigungs- oder Spannungs fall bzw. im Notstandsfall ermöglichen. Art. 35 und 87a GG bedürfen also einer entsprechenden Revision.
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Geleitwort
Einfachgesetzlich sind die notwendigen Ausführungsbestimmungen in Fonn eines Bundeswehrstruktur- oder Bundeswehraufgabengesetzes im Einzelnen zu regeln. Dieses Gesetz sollte auch die Modalitäten des internationalen Einsatzes der Bundeswehr zur Friedenssicherung, Krisenbewältigung und Terrorismusbekämpfung festlegen. Diese Einsätze sind im Einzelnen eine genuin exekutivische Angelegenheit, weshalb ihre Legitimierung und gegebenenfalls Delegitimierung durch den Deutschen Bundestag zunehmend Probleme rechtssystematischer und rechtspolitischer Art aufwirft.
IV. Martin Limpert behandelt die wesentlichen Aspekte dieser Probleme in seiner Monographie. Detailliert und kundig schildert er die einzelnen Out-of-AreaEinsätze der Bundeswehr seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12 . Juli 1994 und ihre parlamentarische Behandlung unter Einbeziehung der verfassungs-, wehr- und völkerrechtlichen Aspekte. Die Bedeutung des konstitutiven Parlamentsbeschlusses stellt er in einen Rechtsquellenzusammenhang mit dem Vorbehalt des Gesetzes. In diesem neuen Abstimmungsinstrument der Volksvertretung erkennt Martin Limpert eine Tendenz zur zunehmenden, nicht immer wünschenswerten Parlamentarisierung politischer Willensbildung. Nicht zuletzt die filigrane Behandlung der zahlreichen und schwierigen verfassungsprozessualen Probleme, die sich im Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr ergeben haben, weist den Autor als jemanden aus, der "dabei gewesen" ist. Sein Buch stellt einen wichtigen Beitrag zur sicherheitspolitischen Funktion der Bundeswehr dar, zur (auch) verfassungspolitischen Dimension der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie zur Wächter- und Initiativfunktion des Deutschen Bundestages.
Professor Dr. Rupert Schah
Vorwort Diese Monographie ist entstanden aus meiner Tätigkeit im Justitiariat der CDU / CSU-Bundestagsfraktion, das sich seit dem 2. Golfkrieg im August 1990 kontinuierlich mit den staats- und völkerrechtlichen Aspekten der UNO- und der NATO-Bündnis-Problematik befasst. Neben die seinerzeit scheinbar höchst problematischen, inzwischen aber schon geradezu klassischen Out-of-AreaEinsätze der NATO, an denen sich die Bundeswehr beteiligt, sind seit dem 11. September 2001 im Zeichen des internationalen Terrorismus Kampfeinsätze zur Bündnisverteidigung getreten. Beide Kategorien von Auslandseinsätzen der Bundeswehr bedingen einander politisch und stehen in einem komplementären Verhältnis zueinander, wenn auch die rechtlichen Grundlagen unterschiedlich sind. Signifikant kam das Engagement der Fraktion, einen Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der UNO zu ermöglichen, in ihrem Beitritt zu den Verfahren über den Adria-, AWACS- und Somalia-Einsatz deutscher Streitkräfte vor dem Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck. Das Justitiariat hat diesen Beitritt rechtlich vorbereitet und in mannigfacher Weise organisatorisch, wissenschaftlich und publizistisch begleitet. Das Out-of-Area-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 hat verfassungsrechtlich und politisch den Weg für eine Beteiligung der Bundeswehr an friedenserhaltenden und friedensschaffenden Einsätzen der UNO freigemacht, ohne dass eine verfassungsrechtliche KlarsteIlung des Grundgesetzes notwendig gewesen wäre. Dennoch wird das Urteil im wissenschaftlichen Schrifttum und im politischen Raum unterschiedlich interpretiert. In der Tat hat das Bundesverfassungsgericht nicht alle in diesem Zusammenhang diskutierten Zweifelsfragen eindeutig beantwortet. Teilweise sind aus seinem Urteil auch Schlussfolgerungen abgeleitet worden, die bei näherer Betrachtung einer Korrektur bedürfen. Der ganze Bedeutungsgehalt dieses Urteils erschließt sich nicht allein aus seinem Text, insbesondere seiner Begründung, sondern vor allem auch aus dem Gesamtzusammenhang der anhängig gemachten Verfahren und ihrer nationalen und internationalen rechtlichen wie politischen Zusammenhänge. Seine Bestätigung durch das Urteil des Zweiten Senats vom 22. November 2001 ist in die Analyse und Bewertung einzubeziehen. Auch damit ist das Thema "out of area" freilich nicht als juristisch ausdiskutiert zu betrachten; angesichts der Situation
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Vorwort
auf dem Balkan und im früheren Jugoslawien sowie im Persischen Golf ist es ohnehin aktuell geblieben. Eine neue Dimension ist durch die Bedrohung der internationalen Gemeinschaft im Zuge des Terrorismus seit dem 11. September 2001 hinzugekommen, die staats- und völkerrechtlich erneut die Frage aufwirft, was die Bundeswehr kann und darf. Dieses Buch soll einen weiterführenden Beitrag zu dieser noch lange nicht abschließend gelösten politischen und juristischen Problematik leisten. Den damaligen Prozessbevollmächtigten der CDU ICSU-Bundestagsfraktion, Professor Dr. Dr. h.c. losef Isensee und Professor Dr. Albrecht Randelzhofer, danke ich für viele weiterführende und vertiefende Gespräche, Anregungen und Hinweise. Besonderen Dank verdient ebenfalls mein Doktorvater, Professor Dr. Dr. h.c. Woifgang Graf Vitzthum, der meinen beruflichen und persönlichen Lebensweg stets freundschaftlich verfolgt und die Aufnahme dieser Arbeit in seine Tübinger Schriftenreihe veranlasst hat. Das Geleitwort von Professor Dr. Rupert Schotz, Vorsitzender des Rechtsausschusses des 14. Deutschen Bundestages, empfinde ich als ehrenvolle Auszeichnung. Bonn/Berlin, im November 2002
Martin Limpert
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. VerfassungsvorbehaIt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Verteidigungsbegriff des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
20 21
11. Art. 87a Abs. 2 GG 111. Einordnung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit (Art. 24 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
24
1. Vereinte Nationen
24
2. NATO und WEU
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a) Ursprüngliche sicherheitspolitische Konzeption
...........
27
b) Neues Strategisches Konzept von 1990/1991 . . . . . . . . . . . .
28
c) Bewertung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . .
30
d) Neues Strategisches Konzept von 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
IV. Völkerrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
35
I. Grundsatz des Gewaltverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2. Humanitäre Intervention
.............................
36
3. Internationaler Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
40
B. Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
45
I. Konstitutiver Parlamentsbeschluss
.........................
45
1. Geltungsbereich
45
2. Verfassungsrechtliche Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
3. Art. 59a GG a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
48
4. Änderung der Rechtsprechung
.........................
54
..................................
58
6. Gefahr im Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
7. Erforderliche Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
5. Initiativbefugnis
Inhaltsverzeichnis
12
62
11. Bisherige Staatspraxis I.IFOR
63
2. SFOR
65
3. Kosovo ..
66
a) Abwendung einer humanitären Katastrophe noch mit Zustimmung des 13. Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
b) Luftverifikationssystem, Extraction Force und Rambouillet-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
c) Humanitäre Hilfe im Kosovo .
70
d) KFOR
71
aa) Befristetes Mandat und Probleme seiner Verlängerung
71
bb) Kontroverse um die Fortdauer und Erweiterung des Mandats
74
4. Mazedonien . . . . .
76
a) Essential Harvest
76
b) Amber Fox
77
5. Ost-Timor ...
79
6. NATO-Bündnis-Fall vom 11. September 2001
82
a) Enduring Freedom . . . . . . . . . . . .
82
b) Vertrauensfrage des Bundeskanzlers .
83
c) Ringen um die Zustimmung
85
7. ISAF . . . . . . . . . . . . . . . .
88
111. Verwendungsgesetz für die Bundeswehr
90
IV. Parlamentarisierung der politischen Willensbildung
92
I. Erweiterung des parlamentarischen Handlungsinstrumentariums
92
2. Mitwirkungsrechte des Bundestages in europäischen Angelegenheiten
96
3. Relativierung der Wesentlichkeitstheorie
.
100
a) Grundlegung . . . . . . . . . . . . . .
100
b) Wesentliches und Unwesentliches
104
c) Wesentliches als Konstitutives ...
108
C. Prozessuale Aspekte . .
III
I. Out-of-Area-Urteil 1994
III
I. Zulässigkeit der Anträge
112
Inhaltsverzeichnis
13
a) Partei fähigkeit und Antragsbefugnis der Bundestagsfraktionen
112
b) Der Bundesminister der Verteidigung als Antragsgegner . . . . . . .
114
c) Rechtsschutzbedürfnis der F.D.P.-Fraktion
. . . . . . . . . . ......
117
d) Unzulässigkeit des Antrags einer .,Sperrminorität" . . . . . . . . . . .
124
e) Partei fähigkeit und Antragsbefugnis der 55 F.D.P.-Abgeordneten ..
126
2. Beitritt der CDU I CSU-Bundestagsfraktion . . . . . . . . . . . . . . . . ..
128
a) Prozessgeschichte
........... . ........... . .......
128
b) Zulässigkeit des Beitritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
130
aal Beitrittsberechtigung
130
bb) Richterrechtliche Einschränkungen
.......... . .......
131
............................
135
dd) Besonderheiten des Beitritts von Fraktionen ..... . ......
138
11. Out-of-Area-Beschluss 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
140
ce) Freie Beitrittswahl
111. Out-of-Area-Urteil 2001
.............................
141
Zusammenfassung und Ausblick
144
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
146
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
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Einführung 1973 traten die damalige Bundesrepublik Deutschland und die damalige Deutsche Demokratische Republik den Vereinten Nationen bei. Im wissenschaftlichen Schrifttum der Bundesrepublik Deutschland (alt) setzte ab 1974 eine Diskussion über "Rechtsprobleme einer deutschen Beteiligung an der Aufstellung von Streitkräften der Vereinten Nationen'" ein. Anlass war der Ausbruch des Jom-Kippur-Krieges im Oktober 1973. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) hatte mit seiner Resolution 340 (1973) alle VN-Mitgliedstaaten aufgefordert, bei dem Bemühen der Beilegung des erneut ausgebrochenen Nahost-Konflikts in vollem Umfang mit den VN - auch auf militärischer Ebene - zu kooperieren. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich an dieser Aktion nur mit der Bereitstellung von Transportleistungen. Angesichts der verfassungstextlichen Abstinenz des Grundgesetzes bewegte sich der Gedanke an eine Out-of-Area-Verwendung der Bundeswehr auf einem "verfassungsdogmatischen Minenfeld"2. Verfassungsrechtlicher Dreh- und Angelpunkt für die Beantwortung der Beteiligungsfrage schien Art. 87a Abs. 2 GG zu sein, wonach außer zur Verteidigung Streitkräfte nur eingesetzt werden dürfen, soweit dieses Grundgesetz es "ausdrücklich" zulässt. Aus politischen Gründen wurde verfassungsrechtlich ein Spannungsverhältnis zwischen dieser Nonn und Art. 24 Abs. 2 GG konstruiert, der dem Bund erlaubt, sich einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einzuordnen, wie es die VN darstellen. Lösungsmöglichkeiten, um die angebliche Sperrwirkung von Art. 87a Abs. 2 GG aufzusprengen, wurden zunächst in der Bestimmung des Einsatzbegriffes gesucht). Sie mussten zu interpretatorischen Verrenkungen führen. Ein ganzes Kaleidoskop von Definitionsversuchen kam dabei zustande. Sie zeigten zumindest, dass der Wortlaut des Art. 87a Abs. 2 GG alles andere als eindeutig war und dass die Staatspraxis in ihm letztlich keine Grenze fand. Mit einer restriktiven Auslegung des Einsatzbegriffes wurden vielfältige Aktionen der Bundeswehr out of area gerechtfertigt, um den vermeintlichen Bindungen aus I
So der Titel einer Abhandlung von Eckar/ Klein. ZaöRV 34 (1974). S. 429 ff.
Mär", Bundeswehr in Somalia. S. 6 ) Klein. ebd .. S. 434 ff.
2
Einführung
16
Art. 87a Abs. 2 GG zu genügen. Sogar die Entsendung eines Minenräumverbandes in den Persischen Golf sollte kein Einsatz im Sinne dieser Vorschrift sein. Aber ein Einsatz im militärischen Sinne war es schon. "Was denn sonst?" möchte man unter Anlegung des Kriteriums "bestimmungsgemäße Verwendung der Bundeswehr" anmerken. Der große Günter Dürig hatte recht, als er unter "Einsatz" jede bewaffnete Verwendung der Bundeswehr als Waffenträger verstand 4 • Keineswegs konnte die Auffassung, wonach sich die Bundeswehr unter dem Grundgesetz nicht an Friedensaktionen der Vereinten N51tionen beteiligen durfte, als herrschende Meinung betrachtet werden 5 , auch wenn regierungsamtliche Stellen damals etwas anderes verkündeten 6• Angesichts der Uneinigkeit im wissenschaftlichen Schrifttum einerseits und der welt- und auch staatspolitischen Notwendigkeiten andererseits erschien es notwendig, deutsche militärische Einsätze out of area auf eine klare, eindeutige verfassungsrechtliche Basis zu stellen. Sie wurde zunächst in einer "klarstellenden Ergänzung des Grundgesetzes" gesehen. Das Epitheton "klarstellend" kennzeichnete das ganze Dilemma der damaligen Situation. Sie zeichnete sich durch einen als unklar empfundenen grundgesetzlichen Normenbefund aus, der nicht den erforderlichen Grad an Eindeutigkeit und Berechenbarkeit aufzuweisen schien. Alle damals im Parlament vertretenen Parteien hatten sich an dieser verfassungspolitischen Diskussion beteiligt und entsprechende Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes im Bundestag eingebracht. Die Regierungsfraktionen von CDU /CSU und FD.P. schlugen in einem gemeinsamen Gesetzentwurf "zur klarstellenden Ergänzung des Grundgesetzes") die Einfügung eines Absatzes 2a in Art. 24 GG vor. "Unbeschadet des Artikels 87a" sollten Streitkräfte des Bundes eingesetzt werden können bei friedens4
In: Maunz/Dürig, Grundgesetz (Bearbeitung 1971), Art. 87a Rn. 32.
5 Vgl. die zutreffende Befundnahme von Tomuschat, in: Bonner Kommentar. Art. 24 (Zweitbearbeitung 1985), Rn. 190; Frowein / Stein (Hrsg.). Rechtliche Aspekte einer Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Friedenstruppen der Vereinten Nationen. Materialien des Kolloquiums vom 17. /18.8.1989. wo in den Referaten beider Herausgeber und in den sich daran anschließenden Diskussionsbeiträgen ein ganz anderer Eindruck vermittelt wurde. 6 Vgl. die Äußerung der Bundesregierung (Staatsministerin Hamm-Brücher. 18.9.1978. BT-Drs. 8/2115. Ziff. 10, S. 6): "Das Grundgesetz enthält keine Bestimmung. die die Beteiligung der Bundeswehr an Friedenstruppen der Bundeswehr ausdrücklich zulässt." Diese auch vom Bundessicherheitsrat seinerzeit kolportierte Rechtsmeinung gipfelt in der Anmaßung mittelbarer authentischer Verfassungsauslegung. Weder Bundesregierung noch Bundessicherheitsrat sind freilich ex autoritate ermächtigt. eine verbindliche Auslegung der Verfassung vorzugeben.
J
BT-Drs. 12/4107 vom 13.1.1993; Begründung aufBT-Drs. 12/4135 vom 15.1.1993.
Einführung
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erhaltenden und bei friedensschaffenden Maßnahmen auf Grund der Kapitel VII und VIII der VN-Charta, jeweils gemäß einem Beschluss des Sicherheitsrates, darüber hinaus auch in Ausübung des Rechts zur kollektiven Selbstverteidigung gemäß Art. 51 der VN-Charta (nur) gemeinsam mit anderen Staaten im Rahmen von Bündnissen und anderen regionalen Abmachungen, denen die Bundesrepublik Deutschland angehört. Die Einsätze waren an die Zustimmung des Bundestages gekoppelt, wobei die Wahrnehmung des kollektiven Selbstverteidigungsrechts einer Zweidrittelmehrheit bedurfte, in den anderen Fällen die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, also die sog. Kanzlermehrheit genügte. Die SPD-Fraktion wollte in ihrem "Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes"X durch Einfügung eines neuen Absatzes 3 in Art. 24 GG nur den Einsatz deutscher Streitkräfte für friedenserhaltende Maßnahmen der VN ohne Kampfauftrag zulassen. Den VN oder betroffenen Staaten sollten auf Anforderung unbewaffnete Angehörige der Streitkräfte zur Bekämpfung von Umweltschäden, für humanitäre Hilfeleistungen und Maßnahmen der Katastrophenhilfe zur Verfügung gestellt werden können. Ein neuer Art. 87a Abs. 2 Satz 2 bestimmte, dass der Bund für friedenserhaltende Maßnahmen nach Art. 24 Abs. 3 dem VN-Generalsekretär bei Vorliegen eines Beschlusses des Sicherheitsrates sowie mit Zustimmung der am Konflikt beteiligten Staaten Angehörige der Streitkräfte unterstellen könnte, die nur mit leichten Waffen zum Selbstschutz ausgerüstet sind, sofern der Bundestag dem zustimmt. Aus heutiger Sicht besonders bemerkenswert waren die Vorstellungen von Bündnis 90/Die Grünen, die damals noch als parlamentarische Gruppe fungierten. In ihrem Antrag "Für eine Zivilisierung internationaler Beziehungen Politik nicht-militärischer KonfliktIösung"9 forderten sie die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf einzubringen, der eine völlige Neufassung der Art. 24, 87a GG bedeutet hätte. Eine deutsche Teilnahme an friedensschaffenden Maßnahmen nach Kapitel VII der VN-Charta wurde generell ausgeschlossen. Friedenserhaltende Maßnahmen nach Kapitel VI der VN-Charta sollten nur insoweit unterstützt werden, als sie nicht "Anrainerstaaten" beträfen. Zu diesem Zweck könne der Bund dem Generalsekretär der Vereinten Nationen bei Vorliegen eines Beschlusses des Sicherheitsrates mit Zustimmung der am Konflikt beteiligten Staaten Angehörige der Streitkräfte unterstellen, die nur mit leichten Waffen zum Selbstschutz ausgerüstet sind und sich als aktive Berufs- und Zeitsoldaten für diese Einsätze freiwillig gemeldet haben. Besonders ins Auge stach der vorgeschlagene Art. 24 Abs. 3 GG JO , der nicht nur die bestehenden Bündnis, BT-Drs. 12/2895 vom 23.6.1992; Begründung auf BT-Drs. 12/4534 vom 10.3.1993. • BT-Drs. 12/3014 vom 2.7.1992. 10 "Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit und Zusammenarbeit einordnen, denen Staaten angehören und beitreten, die voreinander (Hervorhebung vom Verf.) Schutz suchen. Er wird hierbei in Beschränkun-
2 Limpert
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Einführung
verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland in NATO und WEU ignorierte, sondern bei Realisierung durch den Verfassungsgesetzgeber auch die Aufkündigung beider Bündnisse und den Austritt der Bundesrepublik Deutschland zur Folge gehabt hätte. Der Gesetzentwurf der Gruppe der PDS / Linke Listeil zur Änderung von Art. 24 und 87a GG, der den Einsatz der Streitkräfte bis auf den Verteidigungsfall nach Art. 115a Abs. 1 GG auszuschließen suchte, kann außer Betracht bleiben. Eine Einigung über die verschiedenen Gesetzentwürfe kam nicht zustande. Selbst in der damaligen Koalition aus CDU /CSU und FD.P. war mehr oder weniger umstritten, wie hoch die parlamentarische Mehrheitshürde bei welchen Einsätzen der VN gesetzt werden sollte. Die verfassungspolitische Diskussion wurde durch die tragischen Ereignisse im zerfallenden Jugoslawien überrolIt. Die Bundeswehr beteiligte sich an einer Aktion von Seestreitkräften der NATO und der WEU in der Adria zur Überwachung und Durchsetzung eines Waffen- und Handelsembargos, das die VN gegen die Föderative Republik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) auf der Grundlage von Kapitel VII und VIII ihrer Charta verhängt hatten l2 . Des weiteren beteiligten sich deutsche Soldaten an der Durchsetzung des von den VN verhängten Flugverbots im Luftraum über Bosnien-Herzegowina J3 , das von der VN-Schutztruppe (UNPROFOR) überwacht wurde. Die NATO unterstützte sie bei dieser Aufgabe und setzte dazu AWACS-Fernaufklärer ein, in denen Soldaten verschiedener NATO-Mitgliedstaaten als integrierte Einheit tätig waren. Darüber hinaus beteiligte sich die Bundeswehr an UNOSOM 11, der vom VNSicherheitsrat l4 aufgestelIten Streitmacht zur Herstellung friedlicher Verhältnisse in Somalia. Die Teilnahme der Bundeswehr an diesen VN-Aktionen hatte das Out-ofArea-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 15 zum Gegenstand. Es hat die Zulässigkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Vereinten Nationen auf der Grundlage der gegebenen Verfassungslage im Wesentlichen gen seiner Hoheitsrechte einwilligen. die eine friedliche und dauerhafte Ordnung der Sicherheit und Zusammenarbeit zwischen den Völkern herbeiführen und gewährleisten." 11
BT-Drs. 12/3055 vom 21.7.1992.
Resolutionen des Sicherheitsrates Nr. 713 vom 25.9.1991 (VN 1991, S. 175). Nr. 757 vom 30.5.1992 (VN 1992. S. 110) sowie Nr. 787 vom 16.11.1992 (VN 1992. S.220). 12
13 Resolutionen des Sicherheitsrates Nr. 781 vom 9.10.1992 (VN 1992, S. 219) und Nr. 816 vom 31.3.1993 (VN 1993. S. 73). 14
Resolution Nr. 814 vom 26.3.1993 (VN 1993. S. 66).
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BVerfGE 90. 286.
Einführung
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geklärt und den verfassungsrechtlichen Zweifeln auch verfassungspolitisch den Wind aus den Segeln genommen. Diese Leitentscheidung wurde durch das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2001 16 auf der ganzen Linie bestätigt. Daraus ergibt sich: Friedenserhaltende und friedensschaffende Einsätze der Bundeswehr im VN-Rahmen sind zulässig - nach Grundgesetz, NATO-Vertrag und WEU-Vertrag. Sie sind vom Verfassungs- und vom Parlamentsvorbehalt des Grundgesetzes gedeckt. Hier setzen die nachfolgenden Ausführungen an. Sie zeichnen zunächst die verfassungsrechtliche Ausgangslage nach, wie sie sich auf der Grundlage der Out-of-Area- Urteile des Bundesverfassungsgerichts darstellt. Einbezogen werden das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2002 zur Verfassungsmäßigkeit der allgemeinen Wehrpflicht 17 sowie die völkerrechtlichen Implikationen des Außeneinsatzes der Bundeswehr vor dem Hintergrund des neuen Strategischen Konzepts der NATO von 1999. Behandelt wird dabei auch die Rolle der Bundeswehr bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus angesichts der Entwicklungen seit dem 11. September 2001. Der verfassungsprozessuale Teil der Arbeit befasst sich mit forensischen Rechtsproblemen, die in den Out-of-Area-Verfahren aufgetreten sind und darüber hinaus grundsätzliche Bedeutung haben. .
16 BYerfG vom 22.11.2001 - 2 BvE 6/99, http://www.bverfge.de; EuGRZ 2001, S. 643 ff. 17 BYerfG vom 20.2.2002 - 2 BvL 5/99, http://www.bverfg.de; EuGRZ 2002, S. 200 ff.
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A. Verfassungsvorbehalt I. Verteidigungsbegriff des Grundgesetzes Art. 87a Abs. I Satz I GG bildet die verfassungsrechtliche Schlüsselnonn: "Der Bund steHt Streitkräfte zur Verteidigung auf." Abs. I normiert damit drei verfassungsrechtlich relevante Ebenen: die Staatsaufgabe der Verteidigung, die Kompetenz des Bundes zur Verteidigung und die Verwaltungskompetenz des Bundes in diesem Bereich. Die Staatsaufgabennorm des Art. 87a Abs. I Satz I GG wird in Absatz 2 für die Einsätze ergänzt, die keine Verteidigung darsteHen. Sie unterliegen einem enumerativen Verfassungsvorbehalt, nämlich für staatsinterne Sondernutzungen. Denn durch die Einsätze im Innern können in besonderem Maße die Grundrechte beruhrt und die rechtsstaatliche sowie die bundesstaatliche Balance gestört werden. Der Verteidigungsbegriff des Grundgesetzes erschließt sich also daraus, dass man ihn als Aufgabenklausel für die Bundeswehr durch zwei negative Ausgrenzungsmerkmale begreift. Verteidigung meint nicht das Führen eines Angriffskrieges, dessen Vorbereitungshandlungen Art. 26 Abs. I GG bereits für verfassungswidrig erklärt und mit Strafe bedroht. Verteidigung meint ferner nicht Einsätze im Innern. Der Begriff der Verteidigung beinhaltet auch die Verteidigung im Rahmen eines Bündnisses sowie überhaupt jede nach Völkerrecht zulässige Verteidigung, somit auch die Verteidigung nichtverbündeter Staaten, also auch den Fall völkerrechtlich erlaubter Nothilfe I , Nothilfe allein oder im Bündnis mit anderen Staaten 2• Dieser Verfassungsauftrag definiert innerstaatlich deshalb auch die einschlägige soldatenrechtliche Regelung in § 7 SG, in der die Treuepflicht des Soldaten niedergelegt ist. Der Inhalt dieser Pflicht hat sich an den Nonnen des Grundgesetzes zu orientieren. Das gegenseitige Treueverhältnis von Soldat und Dienstherrn ist nicht statisch, so als wären Rechte und Pflichten von Beginn an unabänderlich festgelegt. Die Natur des Treueverhältnisses ist vielmehr dynamisch angelegt und für eine Ergänzung und KlarsteIlung im Rahmen der geltenden Rechtsordnung offen]. Der Vertrauensschutz des Soldaten bei seinem Eintritt in I lsensee I Ralldelzhofer. in: Gegenäußerung der CDU I CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag im Adria-Verfahren. abgedruckt in: Dau I Wöhrmanll. S. 779 ff. 2 Isellsee / Randel:;hofer. ebd .. S. 543. J Schlegtendal. NZWehrR 1992. S. 177 ff. (179). Die Bundesregierung berief sich in
11. Art. 87a Abs. 2 GG
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den Wehrdienst misst sich rechtlich nicht am verteidigungspolitischen status quo, sondern an den rechtlichen Möglichkeiten, die das Grundgesetz eröffnet und denen er sich qua Befehl seines Vorgesetzten zu beugen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung 4 die Vereinbarkeit der al1gemeinen Wehrpflicht mit dem Grundgesetz bejaht und in seiner jüngsten Entscheidung vom 20. Februar 2002 betont, dass der Verfassungsgeber daran keine weiteren Voraussetzungen geknüpft hat, insbesondere nicht das Vorliegen einer bestimmten sicherheitspolitischen Lage. Das im Verfahren der konkreten Normenkontrol1e vorlegende Landgericht Potsdam habe übersehen, "dass es weitere Gründe geben könnte, an der Wehrpflicht festzuhalten. Hier sei nur beispielhaft auf die bestehenden Bündnisverpflichtungen verwiesen"s. In den Out-of-Area-Missionen kommen bis auf weiteres zum Einsatz - nur Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie - Soldaten, die Grundwehrdienst, freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst oder eine Wehrübung leisten, nur, wenn sie sich für besondere Auslandsverpflichtungen freiwillig verpflichtet haben 6 •
11. Art. 87a Abs. 2 GG Das Bundesverfassungsgericht ließ die Frage letztlich offen, ob Art. 87a Abs. 2 GG nur den Einsatz der Bundeswehr "nach innen" regeln wil1 und auf Außeneinsätze nicht anwendbar ist, weil sie in dem Out-of-area-Verfahren keiner Entscheidung bedurfte. Allerdings enthielt das Urteil Ausführungen, die gen au in die Richtung dieser Rechtsauffassung gehen. Das Bundesverfassungsgericht verwies auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. die mit Gesetz vom 24. Juni 1968 7 im Rahmen der Notstandsverfassung in das Grundgesetz aufgenommen worden war, um "die Voraussetzungen zu regeln, unter denen die Streitkräfte im Fal1e eines inneren Notstandes eingesetzt werden dürfen. Darüber ihrer Gegenäußerung vom 14.1.1993 im Adria-Verfahren (2 BvE 3/92) vor allem auf diese Darstellung der soldatenrechtlichen Situation. Siehe Dau / Wöhrmann, S. 52\. • BVerfGE 12.45 (49 ff.); 12. 311 (316); 28. 243 (261); 38, 154 (167); 48. 127 (\ 59); 69, I (21 f.). 5
BVerfG. 2 BvL 5/99 vom 20.2.2002. Rn. 45, 46, http://www.bverfg.de.
Beispielhaft, auch im Wortlaut: Antrag der Bundesregierung zu deutschen Beteiligung an der von der NATO geplanten Operation zu weiteren militärischen Absicherung des Friedensprozesses im früheren Jugoslawien über den 19.6.1998 hinaus im Rahmen der SFOR-Folgeoperation (BT-Drs. 13/10977. Nr. 6 vom 17.6.1998) und Antrag der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung an der NATO-Luftüberwachungsoperation über dem Kosovo (BT-Drs. 14/16, Nr. 3 vom 4.11.1998). 7 BGB!. I S. 709. 6
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A. Verfassungsvorbehalt
hinaus sollte die Notstandsverfassung weder neue Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte schaffen noch im Grundgesetz bereits zugelassene beschränken"x. Das Urteil zieht auch die Motive heran. Es zitiert den Bericht des Rechtsausschusses, wonach verhindert werden soll, dass "ungeschriebene Zuständigkeiten aus der Natur der Sache" abgeleitet werden. Nicht dagegen hätten Befugnisse ausgeschlossen werden sollen, "die sich aus einem Wortzusammenhang mit der Verteidigungskompetenz ergeben"9. Auf der Grundlage dieser wörtlichen Zitate aus dem Bericht des Rechtsausschusses resümiert das Urteil: "Maßgeblich war demnach das Ziel, die Möglichkeiten für einen Einsatz der Bundeswehr im Innem durch das Gebot strikter Texttreue zu begrenzen. Die schon im ursprünglichen Text des Grundgesetzes zugelassene Mitgliedschaft in einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit und die damit mögliche Teilnahme deutscher Streitkräfte an Einsätzen im Rahmen eines solchen Systems sollten nicht eingeschränkt werden."10 Vom Inkrafttreten der Wehrverfassung 1956 bis zur Notstandsverfassung 1968 enthielt Art. 87a GG a.F. den Regelungsgegenstand des heutigen Art. 87a Abs. 1 GG. Er umfasste die verbandskompetenzielle Verortung der Bundeswehr und normierte ihren Verteidigungsauftrag. Einsätze der Streitkräfte zu verteidigungsfremden Zwecken im Innern waren in Art. 143 GG a.F. thematisiert, der durch das verfassungsändernde Gesetz vom 19. März 1956 11 in das Grundgesetz eingefügt worden war. Er lautete: "Die Voraussetzungen, unter denen es zulässig wird, die Streitkräfte im Falle eines inneren Notstandes in Anspruch zu nehmen, können nur durch ein Gesetz geregelt werden, das die Erfordernisse des Art. 79 erfüllt."
Die Notstandsverfassung löste die Übergangsbestimmung des Art. 143 GG a.F. ab und fügte den dort formulierten Grundsatz durch einen neuen Absatz 2 in Art. 87a GG ein. Die Bundesregierung hatte dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 14. März 1968 folgende Formulierungshilfe für Art. 87a Abs. 2 GG gegeben: "Im Innern dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es zulässt.'