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German Pages 896 [451] Year 2009
Karl Grün
Ausgewählte Schriften in zwei Bänden Zweiter Band
Hegel-Forschungen Herausgegeben von Andreas Arndt Paul Cruysberghs
Andrzej Przylebski
Karl Grün
Ausgewählte Schriften in zwei Bänden
Mit einer biographischen und
werkanalytischen Einleitung herausgegeben von Manuela Koppe Zweiter Band
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Akademie Verlag
ISBN 3-05-004146-3 © Akademie
Verlag GmbH, Berlin 2005
Das eingesetzte
Papier ist alterungsbeständig nach DIN / ISO 9706.
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Lektorat: Mischka Dammaschke Einbandgestaltung: Günter Schorcht, Schildow Satz: Manuela Koppe, Berlin Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza Printed in the Federal
Republic of Germany
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung. Poesie und Philosophie.
13
Biographische Hintergründe.
27
1.1. Herkunft, Ausbildung und erste literarische Versuche. 1.2. „Zwischen den beiden Partheien". 1.3. Flucht ins Elsaß.
27 42 56
Politik oder Sozialismus.
67
2.1. Auf der Suche nach einer „Stellung als Glied des Ganzen". 2.2. Politisch-publizistische Tätigkeit in Mannheim. 2.3. Distanzierung vom Liberalismus. 2.4. Bekenntnisse zum Sozialismus. 2.5. Die „Wichtigkeit und Bedeutsamkeit" Feuerbachs.
67 75 82 89 117
Französischer Sozialismus (und Kommunismus) und deutsche Philosophie.
123
3.1. Grüns Beschäftigung mit französischer Sozialtheorie vor 1845. 3.2. „Die soziale Bewegung in Frankreich und Belgien". 3.3. Zu Grüns Arbeit „UeberGöthe vom menschlichen Standpunkte". 3.4. Grün als Übersetzer Proudhons. 3.5. Die „Blätter der Zukunft". Handwerkerkommunismus.
123 131 140 157 170
1.
2.
3.
Kapitel:
Kapitel:
Kapitel:
Inhaltsverzeichnis
4.
Kapitel:
Grün in der politischen Revolution von 1848/49 „Gesinnung und Politik". -
179
4.1. Ein Projekt in Trier und Feuerbach. 4.2. Die Gründung einer „freien deutschen Akademie" in Frankfurt am Main 4.3. Wortführer der äußersten Linken in der Preußischen Nationalversammlung und in der Zweiten Kammer des preußischen Parlaments in Berlin
202
Herausgabe des Nachlasses von Ludwig Feuerbach.
213
.
.
....
5.
Kapitel:
5.1. 5.2.
Zur
179 189
Voraussetzungen und Entstehung. 213
„Ludwig Feuerbach in seinem Briefwechsel und Nachlass sowie in seiner Philosophischen Charakterentwicklung". 5.2.1. Inhalt und Gliederung der „Philosophischen Charakterentwicklung" .
.
.
228 228 234
5.2.2. Zum Briefwechsel und zu Texten aus dem Nachlaß Feuerbachs. 5.3. Zu unmittelbaren Reaktionen auf die Herausgabe des Nachlasses von Feuerbach bis 1887. 314 5.4. Grüns Alterswerk eine Fortsetzung der Feuerbachschen Moralphilosophie? 320 -
Karl Grün
Ausgewählte Schriften 1. Literatur in Nord und Süd.
335
2. Die Philosophie und die Afterphilosophie.
347
3.
Ludwig Börne. Charakter-Skizze.
367
4.
[Ein Toast, gehalten am Sonntag, dem 9. September 1842, in Mannheim].
373
5.
Gesinnung. Aus dem Tagebuche einer Reise an die Nordsee
1843.
375
6.
[Sendschreiben an meine Osnabrücker Freunde].
381
Bildung.
395
7. Ueber wahre
.
.
Inhaltsverzeichnis
8. Meine
Stellung zur Judenfrage.413
9. Feuerbach und die Socialisten.423
10. Politik und Sozialismus.
447
11.
Theologie und Sozialismus.
479
12.
Einführung [Pierre-Joseph Proudhon: Philosophie der Staatsökonomie]
507
.
.
.
13. Der Abgeordnete des Trier'sehen demokratischen Vereins zur Frankfurter Conferenz an seine Vollmachtgeber.
541
14. Denkschrift zur Gründung einer freien akademischen Universität.
545
15. Für die Rechte des Volkes. Adresse der demokratischen Partei in der Volkskammer.
555
[der Jahrbücher der freien deutschen Akademie].
559
17. Zur Würdigung Ludwig Feuerbachs.
565
Ludwig Feuerbach's Philosophische Charakterentwicklung.
595
19. Redaktionelle Vorbemerkung.
731
Ludwig Feuerbach.
755
Ludwig Feuerbach's Papieren.
781
22. Feuerbach's Nachlaß. Zweiter Band.
787
23. Eine Sommerfrische der freien Wissenschaft.
793
L[udwig] Feuerbachs Briefwechsel.
799
25. Kant und Feuerbach.
809
Bertha Feuerbach.
821
16. Zur Einleitung
18.
20.
21. Praktisch! Aus
24. Ein Nachtrag
zu
26. Zum Andenken
an
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis.
825
1. Verzeichnis der in den Anmerkungen verwendeten Abkürzungen und Siglen 2. Übersicht über benutzte Archivmaterialien. 3. Alphabetisches Literaturverzeichnis. 4. Periodika. 5. Werke, Schriften und Aufsätze von Karl Grün.
825 826 827 866 869
Personenverzeichnis.
875
Abbildungsnachweise.
897
.
Politik und
Sozialismus1
Einleitende Gedanken
Welch' eine Legion von Vorurtheilen erblicke ich vor mir! Welch' einen unabsehbaren Janhagel, der dies und das zu erinnern hat und sich in seiner Weisheit noch groß dünkt. Wenn nur das Juste-Milieu an Verstand stille schwiege. Zum Herzen des Volkes wollte ich schon reden und auch verstanden werden. Versuchen wir es, durch den tollen Lärm aller der Marktschreier und politischen Wunderdoktoren hindurch die Stimme der Vernunft vernehmen zu lassen. Was, Du Einzelner hast die Vernunft gepachtet? Du und die paar Leute mit Dir, Ihr wagt es, Alles neben Euch geringzuschätzen? Ja, wenn Eure deutsche Literatur von heute „Alles" heißt. Nein, wenn man uns das Volk gegenüberstellt. Das Volk hat den Instinkt des Richtigen, wir wollen ihm seinen Instinkt zum Bewußtsein bringen. Hütet Euch nur, die Bourgeoisie für das Volk zu nehmen, oder ich erinnere Euch an Thomas Münzer. Preußen leidet in diesem Augenblicke an Konstitutionswehen, die wir komisch nennen würden, hätten nicht alle Geburtsschmerzen etwas Heiliges. Wer verlangt in Preußen die Konstitution? Die Liberalen. Wer sind die Liberalen? Leute in ihren vier Pfählen und einige Schriftsteller, die entweder selbst jene Pfahle besitzen, oder deren Horizont nicht weiter reicht als der Wunsch jener ehrenwerthen Haus- und Fabrikbesitzer. Sind diese Handvoll Besitzer sammt ihren schreibenden Trabanten |99| das Volk? Nein. Verlangt das Volk die Konstitution? Nicht im Traume. -
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K. Grün: Politik und Sozialismus. In: Rheinische Jahrbücher zur gesellschaftlichen Reform. unter Mitwirkung Mehrerer von H. Püttmann, Bd. 1, Darmstadt 1845, S. 98-144.
Hrsg.
Politik und Sozialismus
448
Sollen wir einmal die Geschichte verbessern, sollen wir uns einen Augenblick mit: „Man hätte," „Wenn man" und dergleichen unmöglichen Redensarten befassen? Im Jahre 1815 hätte der preußische Monarch eine Verfassung geben sollen, ein Gnadengeschenk königlicher Dankbarkeit; vor dreißig Jahren hätte man den besitzenden Mittelstand ein Unterhaus in Berlin wählen lassen sollen, Adels war ja genug vorhanden, um eine Pairskammer zu bilden. Geschah dieses, so dekretirten die gesetzgebenden Körper ein allgemeines Zivil-, ein strenges Kriminal-, und ein noch strengeres Preßrecht, vielleicht obendrein noch alle jene Schutzzölle, Handelsverträge und Kolonisationspläne, die Herr List so unaufhörlich predigt; was bis zum Jahre 1830 nicht durchgesetzt worden, wäre ganz gewiß nach der Julirevolution durchgegangen, als die Geldherrn den alten Adel verabschiedeten. Noch 1840 wäre ein Moment gewesen, das Verlorne nachzuholen, noch immer war von keinem deutschen Proletariate die Rede, noch immer hieß das Ideal die „gesetzliche Freiheit;" unmöglich konnte man es dem Verleiher der Konstitution zum Vorwurf machen, daß Er nicht früher auf den Thron gekommen. Zwischen 1840 und heute liegt Schlesien und eine ganze Doktrin. Wir haben erfahren, daß wir ein Proletariat besitzen, und zwar ein Proletariat, das zu schlagen und zu sterben versteht; das Wesen der Konstitution ist erkannt worden, durchschaut wie ein Pavillon von Glas. Man erzählt, nach der schlesischen Revolte habe der König von Preußen den Ritter Bunsen gefragt, was zu thun sei. Bunsen habe die einfache Antwort gegeben: „Majestät, Sie müssen eine Konstitution geben." In die Tasche langend, habe darauf der Ritter Bunsen einen von ihm bereits angefertigten Plan einer preußischen Verfassung hervorgeholt. Der König habe geäußert, er wolle die Sache in Erwägung ziehen. Wenn die Geschichte wahr ist, so hat der Herr Ritter Bunsen eine tüchtige praktische Einsicht verrathen. Denn die Worte: „Majestät, Sie müssen eine Konstitution geben," heißen nach dem schlesischen Weberaufstande gar |100| nichts Anders, als: „Majestät, ziehen Sie sich hinter die konstitutionelle Heiligkeit und Unverantwortlichkeit zurück! Lassen Sie die Bourgeoisie selbst Gesetze geben, lassen Sie diese Bourgeoisie einen verantwortlichen Minister dazu autorisiren, den Pöbel nöthigenfalls zusammenzuschießen!" Die reine, möglichst unbeschränkte Monarchie in gebildeten Ländern hat eine Instanz zu beachten, die ewig wachsam und unerbittlich ist, gleich einem griechischen Aréopage, diese Instanz heißt die Sitte, die öffentliche Meinung. Auch Montesquieu verzeichnet dies Zeugniß der Geschichte. Unter einer Konstitution herrscht das Gesetz, der Scharfrichter, der den Willen einer kleinen Minderzahl exekutirt, während dieselbe Minderzahl sich den künstlichen Schein zu geben weiß, als sei sie die unendliche Majorität, ja die Allheit des Landes. Hätte das schlesische Proletariat ein Bewußtsein, und entspräche diesem Bewußtsein ein bestehendes -
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Recht, so müßte es gegen die Konstitution petitionniren. Das Proletariat hat dazu weder Bewußtsein, noch Recht; wir handeln also in seinem Namen. Wir protestiren. -
plötzlich in dem philosophisch-poetisch-musikalischen Deutschland diese Verfassungswuth, dieses Schwärmen und Träumen von einem politischen Vertrage. Fürst Metternich und die Diplomaten glaubten das Kindlein längst eingesargt zu haben. Woher nur
Politik und Sozialismus
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Und siehe da, es ist noch am Leben und sogar groß und ungestüm geworden. Sehen der Fürst Metternich und die Diplomaten bald ein, daß es gescheuter gewesen wäre, diese heimliche Frucht eines außerehelichen Umganges mit der Freiheit gleich anfangs zu adoptiren, anstatt sich jetzt einem sehr verdrießlichen Erbtheilungsprozesse ausgesetzt zu sehn? Ihr wollt also den politischen Vertrag, Ihr wollt die Konstitution. Die „allgemeine Stimmung" in Preußen will die Reichsstände, die todtesten Provinzen werden plötzlich lebendig, um die Reichsstände zu fordern. Gut, wenn die „allgemeine Stimmung" für die Konstitution ist, so schadet ja meine Kritik um so weniger. Vielleicht aber ist das, was ihr „allgemeine Stimmung" nennt, auf der einen Seite nur ein egoistischer Wunsch der besitzenden Kaste und auf der andern eine allgemeine 11011 Duselei, die sich an Konstitution, Preßfreiheit, Bürgerrechten, gesetzlicher Ordnung und dergleichen berauscht hat, ohne den Inhalt dieser Dinge nur im Entferntesten zu kennen. Ihr werdet mir zugeben, daß dann die Kritik nöthig, höchst nöthig ist. „Wir wollen die Konstitution nur als Uebergang, die Konstitution ist unser nächstes, für jetzt erreichbares Ziel. Wir sind radikal. Kein Mensch kann einem Volke etwas verleihen; denn in ihm selbst liegt die einzige Souveränität. Kommt das Volk erst zum Bewußtsein dieser Souveränität, so wird es die anmaßenden Hindernisse schon beseitigen und seine vollen Rechte ausüben." So höre ich einen kleinen Theil der Vertragswüthigen reden, die zugleich eine Entschuldigung vorbringen und eine Reserve machen wollen. Seid ruhig, auch an euch komme ich; Ihr seid nur eine Konsequenz der Konstitutionnellen, Ihr treibt das Prinzip Jener nur auf die Spitze, Ihr habt kein wesentlich anderes Prinzip. Liberal oder radikal, es ist Alles Eins; Beide knieen vor einem Götzenbilde, das einmal die Verfassungsakte, ein andermal die Volkssouveränität heißt. Zwei Männer des achtzehnten Jahrhunderts in Frankreich haben den Samen ausgestreut, der in diesem Lande die politische Praxis bestimmte, und der jetzt in Deutschland aufzugehen bemüht ist: Montesquieu und Rousseau. Montesquieu war ein Liberaler, Rousseau ein Radikaler. Montesquieu's Maxime ein System hat er nicht gehabt kamen zur lebendigen Wirklichkeit in der Konstitution von 1791, in der von 1814 und blieben in dem Nachdruck von 1830 geltend. Rousseau's System versuchte sich durch den Konvent zu realisiren. Der Liberalismus ist seiner Natur nach empirisch, er sieht die Freiheit anderswo und möchte sie zu Hause gern einführen; wenn nirgendwo in der Welt bürgerliche Freiheit herrschte, so wäre der Liberalismus undenkbar. Er erzeugt nichts, er ist gedankenfaul. Was Montesquieu imponirte, war die englische Verfassung; hier stand der moderne Aristoteles auf seiner Rundreise durch die verschiedenen Gesetzgebungen der Welt still, hier faltete er staunend die Hände. Der Radikalismus dagegen ist idealistisch; er lehnt sich zwar bisweilen an einzelne Zustände an, wie Rousseau an |102| die römische Republik und an die Verfassung von Genf; aber er ist weit entfernt, sein Ideal für irgendwo verwirklicht auszugeben. Auch Plato hatte Sparta hin und wieder im Auge; aber Sparta genügte ihm nicht. -
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Politik und Sozialismus
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Montesquieu's Maximen sind die Maximen der Zweikammermänner beim Sturze Napoleon's, der Benjamin Constant, der Guizot, der Dahlmann, der ABC[-]Schüler in der badischen Kammer. Rousseau's Geist spukt in Robespierre, St. Just, in den Republikanern der dreißiger Jahre, in der Pariser „Reforme," in einigen wenigen Malcontenten in Deutschland. In diesen beiden Männern ist die ganze politische Bewegung der Gegenwart enthalten. Wollen wir also ein Einsehen in diese Bewegung gewinnen, so müssen wir sie bis an ihre Quelle verfolgen, bis zu dem Präsidenten des Parlamentes von Bordeaux und bis zu dem Bürger von Genf. Wir müssen Montesquieu und Rousseau untersuchen, um zu gewahren, daß der Konstitutionalismus keinen Sinn hat, daß er vor keinem ernsten Gedanken Stich hält, und daß selbst die radikalsten Konsequenzen der Volkssouveränität keine Freiheit verbürgen, keine Garantie für freie Bethätigung des menschlichen Wesens bieten. Weder der Liberalismus, noch der Radikalismus haben Anspruch darauf, die gebärende Zeit zu entbinden, sie gehörten zur alten Weltanschauung; die Wissenschaft der Gesellschaft muß sie bei Seite setzen. Montesquieu's Staat ist die eingestandene Knechtschaft, Rousseau's Staat ist die Knechtschaft beim Fackelscheine der Freiheit.
Montesquieu
Montesquieu ist ein Empiriker. Der englische Staatsorganismus, die moderirte oder temperirte Monarchie, wie er sich ausdrückt, ist ihm das Höchste und Letzte des modernen Geistes. Montesquieu findet das, er beweist es keineswegs. Das fortfinden mit seiner Doppelbedeutung ist das Stichwort aller nackten Empirie. In Deduktionen ist Montesquieu überhaupt äußerst schwach. Er weiß nicht einmal den Uebergang vom Naturzustande in den Staat zu machen. Er beginnt sein 11031 erstes Buch des „Geistes der Gesetze "2 damit, die Gesetze im Allgemeinen zu definiren, als „die nothwendigen Beziehungen, die aus der Natur der Dinge entspringen;" in diesem Sinne habe Alles seine Gesetze, die Gottheit, die materielle Welt, die übermenschlichen Intelligenzen, die Thiere, der Mensch. Richtig, die nothwendigen Beziehungen zwischen Mensch und Mensch sind die Quelle des menschlichen Gesetzes. Der Mensch ist aber in einem andern Falle, als das Thier und die materielle Welt; bei diesen fällt das einzig richtige Gesetz ihres Daseins mit ihrem Dasein selbst zusammen, sie haben kein Selbstbewußtsein. Der Mensch hat das menschliche Gesetz, die wahre Beziehung zwischen Mensch und Mensch, erst zu suchen, er ist keine fertige Waare, er ist seines Glückes Schmied. Während er sein Gesetz sucht, kann er irren, und die ganze politische Gesetzgebung ist in der That nichts, als die Geschichte dieses Irrthums. Wie ist das Verhältniß des politi-
siert Der Geist der Gesetze. Aus dem Französischen des Herrn von Montesquieu neu übersetzt und mit berichtigenden Anmerkungen versehen von A. W. Hauswald, 1. Bd., Halle 1829. Ebenda, S. 1.
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sehen Gesetzes zum menschlichen Gesetze? Diese Frage ist in Montesquieu's sämmtlichen Werken weder gestellt, noch beantwortet. Der Mensch und das Mitglied des Staates fallen ihm sofort zusammen. „Das politische Recht besteht in dem Verhältniß der Regierenden zu den Regierten." Da sind wir sofort am Ende, die Natur hat Regierende und Regierte geschaffen, Du mußt herrschen oder dienen! Montesquieu sieht durchaus nur das Vorhandene, das Vorhandene ist das Wirkliche, das Vernünftige. Das Verhältniß der Regierenden zu den Regierten bietet sich ihm geschichtlich unter dreifacher Form dar: es gibt eine republikanische, eine monarchische und eine despotische Regierungsform, und es bleibt nur noch zu untersuchen, welche von diesen drei Formen in jedem gegebenen Falle die beste sei. Schon Helvetius bemerkte in seinen Randglossen zum „Geist der Gesetze", das sei eine schwache Metaphysik, und der Fehler des ganzen Buches bestehe darin, daß nicht auf die Natur des Menschen eingegangen sei. Man kann nichts Besseres über den „Geist der Gesetze" sagen; die Natur des Menschen ist wahrlich nicht darin erschöpft, daß er einmal Bürger oder Unterthan in dieser oder jener Staatsform gewesen oder noch ist. |104| Nach Montesquieu paßt die republikanische Staatsform, die entweder demokratisch oder aristokratisch sein kann, nur für kleine Gemeinschaften und kann auch hier nur durch strenge Frugalität, durch stete Hingebung des Einzelnen an den Gesammtzweck (vertu) in Blüthe erhalten werden. Am Besten wäre es, wenn gleich bei der Bildung der Republik eine gleiche Theilung der Ländereien vorgenommen, und diese Gleichheit durch Erbschaftsgesetze erhalten, oder doch durch eine Vermögenssteuer möglichst unterstützt würde. Montesquieu, der durchaus kein Optimist in Betreff der menschlichen Natur ist, gibt hier in Bezug auf eine einzelne Staatsform zu, was überhaupt das Wesen des Staates ist, daß er nämlich in einer Abstraktion besteht, deren Gedeihen das beste Herzblut der einzelnen Persönlichkeiten zum Opfer verlangt. Oder was ist die vertu in seinen kleinen Republiken anders, als das Hingeben meines besten Selbst an ein allgemeines Gespenst, als ein ewig geschraubter Zustand, eine Uniform mit Schnürleib? Auch verwirft Montesquieu die republikanische Form für die modernen Staaten. Die moderirte Monarchie ist sein Ideal; seine einfache rein erfahrungsmäßige Erklärung einer solchen moderirten Monarchie ist diese: Zwischen dem Volke und dem Monarchen müssen Zwischengewalten existiren, und es muß ein Archiv von Gesetzen geben, welche von jenen politischen Körpern verkündigt werden, wenn sie erlassen sind, und an welche diese erinnern, sobald sie in Vergessenheit gerathen. Was sollen wir mit dieser Erklärung anfangen? Wer sind diese Zwischengewalten, wer ernennt sie, wer bürgt dem Volke dafür, daß diese politischen Zwischengewalten sein Interesse wahrnehmen? Wer macht die Gesetze, der Monarch allein, oder die politischen Körper -
allein, oder der Monarch mit den politischen Körpern
zusammen, und wie sind die
Rechte zwischen dem Monarchen und den politischen Zwischengewalten geregelt! Welche Bedeutung hat eine Erinnerung der politischen Körper, muß der Monarch ihr folgen, oder kann er es auch bleiben lassen? Hier haben wir alle konstitutionnellen Möglichkeiten auf einem Haufen beisammen; Rußland hat eine Konstitution und Eng-
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land |105| hat eine, Montesquieu unterstützt hier die ganze Masse der Verlegenheiten, Halbheiten und Hohlheiten, die der Schuft Talleyrand Jahre nachher aus seiFüllhorn über und welche die dummen und kriegsmüden nem ganz Europa ausschüttete, Völker ganz ruhig hinnahmen. Montesquieu vermischt zwei ganz verschiedenartige Dinge, die in den Häuptern unserer Doktrinäre noch immer in der friedlichsten Ehe beisammen wohnen, das altgermanische Königthum und die Monarchie Ludwig's XVI. Das altgermanische Königthum war ein rein republikanisches Institut, der König Chef der Edelinge, die Spitze der Aristokratie, die man damals freie Männer nannte, weil sie Sklaven hielten und die Römer schlugen. Der altgermanische König war ein absetzbarer Wahlkönig, der im Kriege anführte, aber ohne seine Pares, seine Pairs, auch nicht das Allermindeste in der Gesetzgebung ändern konnte. Die absolute Monarchie des 17. Jahrhunderts war ein Despotenthum mit Höflingseinflüssen, ein unumschränktes Herrscher- und Tyrannenwesen. Die Konstitutionnellen werfen beide Dinge zusammen, sie wollen dem altgermanischen Reitergeneral eine halbe Majestät geben, sie wollen das absolute Monarchenthum mit Pairs umzingeln, einen Pakt mit ihm schließen. Ein solches zwieschlächtiges Ungethüm heißt dann eine Verfassung. Die beiden entgegengesetzten Bestandtheile desselben bleiben aber nichts desto weniger im unaufhörlichen Kampfe, sie sind blos zusammengesetzt, keineswegs verschmolzen. Wie sollte auch Feuer und Wasser jemals in Eins aufgehen? Das Feuer der absoluten Monarchie verzehrt entweder die demokratische Flüssigkeit, wie jetzt in Frankreich; oder der Strom der republikanischen Aristokratie dämpft das Feuer von Gottes Gnaden, wie in England, wo allerdings sehr viel von der altgermanischen Theorie in Geltung geblieben ist. Wäre ich absoluter Monarch, so würde ich, für die Krone und mein Leben fechtend, mich lieber unter den Trümmern meines Thrones begraben, ehe ich mich halbwege zum Reitergeneral degradiren ließe. Will ich aber gegen die Prärogative der absoluten königlichen Machtvollkommenheit kämpfen, so habe ich nur dann ein Recht dazu, wenn ich zugleich gegen alle anderen Prägoga-| 106|tiven, z. B. namentlich gegen die Prärogative des Geldes kämpfe. Also ist nicht einmal der Radikale in seinem Rechte, wenn er das Königthum beschränken will, geschweige denn der Konstitutionelle; der Konstitutionelle kann ebenso gut den Mann im Monde fordern, wie eine Verfassung. Worin besteht nach Montesquieu die politische Freiheit! In zwei Dingen. Erstlich darf man thun, was die Gesetze erlauben, und kann nie zu dem gezwungen werden, was man nicht wollen soll. Zweitens gewährt die politische Freiheit die Sicherheit des Eigenthums. Montesquieu fragt gar nicht, woher jene Gesetze stammen, die das Maaß der Freiheit in sich enthalten, ob sie die vollständige Entschädigung darbieten für die verlorenen natürlichen Rechte, ob jene Gesetze der Ausdruck des menschlichen Wesens sind, oder eine Zwangsjacke, ein Prokrustesbette. Gesetzliche Freiheit! Ganz wie unsere Liberalen. Die Sicherheit des Eigenthums wurde schon von einem klassischen Doktrinär für den Hauptvortheil des staatlichen Lebens erklärt; der Herr Professor und Minis-
sechzig4
4
Im
Original: sechszig
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ter Cicero
meinte, der Staat sei eigentlich dazu vorhanden, daß Jedweder in Frieden sein Güter behielte. Nach der politischen Seite, nach der Seite der Allgemeinheit hin, ist
Zwangsmodell für alle Individualitäten; nach der bürgerlichen Seite zu steht der Polizeidiener, der die Spitzbuben von meinem Obstgarten abwehrt. Ganz wie unsere Liberalen. Herrliche Bestimmung der Menschheit! Die politische Freiheit, wie sie Montesquieu im Auge hat, und bei der nach seiner Meinung der Hauptkniff im Balanciren der Macht durch die Macht besteht, hatte ihre Stätte damals einzig in England aufgeschlagen, England war „der Spiegel der Freiheit." Im Jahre 1748 war dergleichen Phantasterei gewiß erlaubt, wie denn auch unsere Polemik sicher nicht dem Manne Montesquieu, sondern lediglich seiner Doktrin gilt; aber hundert Jahre später? Und Ihr wundert Euch noch, wenn man Euch nachsagt, Ihr wäret ein Jahrhundert zurück? Hören wir das Schema der politischen Freiheit Englands, wie es vor hundert Jahren entworfen wurde, und dann lese man |107| jedes Handbuch des konstitutionellen Rechtes, lese man die ganze Legion von Stoßseufzern durch, die sich seit vier Jahren durch die deutsche Censur mühsam hindurchschmuggeln, ob es nicht auf Eins hinauskommt, ob der Montesquieu nicht in die badische Kammer gehört hätte. Die drei Gewalten: die legislative, die exekutive und die richterliche müssen getrennt sein. Sind die beiden ersten vereinigt, so kann man tyrannische Gesetze geben und sie tyrannisch ausüben. Die richterliche Gewalt kann nicht mit der legislativen vereinigt sein, weil sonst die Gewalt über Freiheit und Leben der Bürger willkürlich würde. Wäre die richterliche mit der exekutiven verbunden, so hätte der Richter die Macht eines Unterdrückers. Die richterliche Gewalt muß temporär sein und Männer aus dem Volke anvertraut werden, damit das Amt gewissermaßen unsichtbar werde, damit das Volk die Magistrate und nicht der Magistrat vor Augen haben. Bei wichtigen Anklagen muß der Verbrecher seine Richter selbst aussuchen, oder wenigstens so viele von ihnen rekusiren können, daß die Uebrigen für Richter seiner Wahl gelten können. Wenn Kaution geleistet werden kann, darf die exekutive Gewalt Niemanden verhaften, den Fall ausgenommen, wo sich Einer wegen eines Kapitalverbrechens sofort zu verantworten hat. Nur im Falle einer Verschwörung wider den Staat, also auf kurze und beschränkte Zeit, darf hiervon eine Ausnahme gemacht werden. Da jeder Mensch eigentlich nur durch sich selbst regiert werden kann, so muß das Volk seine Repräsentanten wählen. Zu dieser Wahl taugt das Volk, selbst diskutiren kann es nicht. Die Repräsentanten haben keine Entschlüsse zu fassen, sondern Gesetze zu machen und zu sehen, ob die gemachten ausgeführt werden. Es gibt immer in einem Staate Leute, die durch Geburt, Reichthümer und Ehrenstellen ausgezeichnet sind; für diese würde die gemeinschaftliche Freiheit eine Sklaverei das Gesetz das
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Politik und Sozialismus
sein, die meisten Beschlüsse würden gegen sie ausfallen. Ihr Antheil an der Gell 08|setzgebung muß im Verhältnisse zu ihren übrigen Vortheilen im Staate stehen; sie bilden einen Körper, der das Recht hat, die Beschlüsse des Volkes aufzuhalten, wie das Volk das Recht hat, die ihrigen aufzuhalten. Dieser Adelskörper muß erblich sein; er ist es erstlich von Natur, und zweitens muß er ein großes Interesse haben, seine Prärogativen, die an sich gehässig sind, zu bewahren. Damit diese erbliche Macht aber nicht in
persönlichen Interessen mißbraucht werde, darf sie z.
B. in Steuerangelegenheiten, wo das höchste Interesse hätte, sie zu bestechen, nur ein Recht der Verhinderung, keins der Beschließung haben. Die legislative Macht muß nicht immer beisammen sein, damit die exekutive Zeit gewinnt, und damit nicht, indem an die Stelle der sterbenden stets neue Deputirten treten, die legislative in einer schlechten Richtung verharren kann. Sie kann sich nicht selbst zusammenberufen, sondern muß von der Exekutive berufen werden. Die Exekutive muß die Gewalt haben, die Beschlüsse der Legislative aufzuhalten. Nicht umgekehrt. Die Person, welche die Exekutive repräsentirt, muß heilig sein, weil sie dem Staate nöthig ist, damit die Legislative nicht tyrannisch werde; von dem Augenblicke an, wo sie angeklagt oder gerichtet würde, gäbe es keine Freiheit mehr. Die Minister aber sind verantwortlich. Der Monarch statuirt nicht, aber er hat ein Veto gegen die Beschlüsse der Legislative man
einzulegen. Die Legislative muß jährlich über die Steuern und über die Land- und Seemacht beschließen, um die Exekutive von sich abhängig zu erhalten. Die Disposition über die Armee steht der Exekutive zu. Der gesetzgebende Körper besteht aus zwei Theilen, der eine hält den andern durch die gegenseitige Befugniß der Einsprache im Zaum. Alle beide sind gebunden durch die exekutive Gewalt, die es wieder ihrerseits durch die legislative ist. Dieses politische Seiltanzen an der Balancierstange der Konstitution ist das Ideal Montesquieu's, die englische Ver-|109|fassung die Helena des konstitutionellen Faust. Das nennt er altgermanische Freiheit, von der schon Tacitus gesagt habe: Bei geringfügigen Angelegenheiten rathschlagen die Vornehmen (Edelinge), bei wichtigen Alle, jedoch so, daß über die Gegenstände der Volksberathung (Versammlung der gemeinen Freien) auch bei den Vornehmen Berathung eintrete. Dieses schöne System sei in den Wäldern gefunden worden, es sei die beste Regierung, welche die Völker auffinden konnten, vorzüglicher als die antiken Verfassungen. Da Montesquieu sich rein am Erzählen und Behaupten hält, so können wir ihn durch einige Fragen und wenige Thatsachen ad absurdum führen. Gab es in der altdeutschen Verfassung nichts als Edelinge und gemeine Freie? Was sagten die Leibeigenen zu der herrlichen in den „Wäldern" gefundenen Freiheit? Die altdeutsche Freiheit ruhte auf der Geburt und auf dem Besitz; die Edelinge der Sachsen waren steinreiche Lords; man
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kann ihren Reichthum an den Ungeheuern Strafen abmessen, die sie als Wehrgeld bezahlten. Die Geburt allein sicherte die Freiheit nicht; wenn ein gemeiner Freier in ein großes Wehrgeld verurtheilt wurde, so hatte es mit seiner Freiheit ein Ende, er wurde Leibeigener. Alle Kriegsgefangene wurden Leibeigene. In England machten die normannischen Junker eine ungeheure Zahl Sachsen zu Leibeigenen, die Normannen und die Sachsen vereint machten ganz Irland leibeigen. Die scheußlichsten Gräuel der Weltgeschichte sind von „freien" Engländern in Irland begangen worden. Wir geben zu, daß die altgermanische Freiheit ohne Leibeigenschaft nicht denkbar war, ebenso wenig wie Athen seiner Sklaven und Sparta seiner Heloten entrathen konnte. Aber in dieser Konzession liegt das Urtheil über die Freiheit jener Völker. Wie die altgermanische Freiheit auf Geburt und Besitz gegründet war, so ist es die neugermanische in England noch zur Stunde. Hat England keine Leibeigenen mehr? Doch, sie heißen nur heute Fabrikarbeiter. Sei als Sohn einer Lordsfamilie geboren, so hast Du Titel und Länderei; sei ein Kind eines reichen Kaufmannshauses, so hast Du Erziehung und Geld. Sei ein Proletarier, so ist das Glück 1110| eine Lotterie für Dich, aus der neben tausend Nieten kaum ein Treffer herauskommt. Das Proletariat in Irland genießt der konstitutionnellen Freiheiten Englands, es verhungert und verfault dabei auf dem Miste. In Frankreich, das sich ebenfalls der englischen Institutionen erfreut, droht der Tag heran, an welchem das verzweifelnde Proletariat seinen Schrei nach Gerechtigkeit mit dem wilden Geheul der Rache und der Zerstörungswuth garten wird. Dann hat es mit dem künstlichen Balanciren der drei Gewalten ein Ende, und das offizielle Land, welches aus Edelingen und gemeinen Freien besteht, die einzig den Segen der Verfassung verspüren, weil sie durch dieselbe in ihrem Privateigenthume geschützt werden, dürfen die Balancierstange höchstens auf ihrem Kopfe empfinden. Vielleicht bewaffnen sich die modernen Leibeigenen auch mit dem Holze der „Wälder," in denen jenes schöne System gefunden worden ist. Die altgermanische Freiheit alle politische Freiheit überhaupt beruht auf der Koalition der Besitzenden gegen die Nichtbesitzenden, auf der Verbündung einer schlauen Minorität gegen eine ungebildete Majorität. Erst administrirt man dieser Majorität den Glauben und die Religion, um sie im Zaume zu halten; wird diese Band lax, so bietet man Polizei und Gerichte auf. Dann wird Justiz geübt. Das ist das ganze Geheimniß der Konstitution. Die konstitutionnelle Freiheit beruht auf dem Besitze: Zeuge dessen der Zensus, dieses unvermeidliche Requisit einer jeden Verfassung. Will man die alten Lächerlichkeiten entgegnen, der Zensus repräsentire immer die Intelligenz, da das Vermögen, auf das er schließen läßt, ein Mittel zur Bildung sei? Ich könnte Jemand nennen, der keinen Heller Vermögen besitzt, der nicht einmal einen Freund hat, welcher großmüthig genug wäre, ein Weinpatent für ihn zu lösen, und der, was die parlamentarische Diskussion betrifft, ein so guter Deputirter sein würde, wie nur Einer in Deutschland. Viel ehrlicher ist der andere Grund, der Zensus, namentlich die erforderte Grundsteuer sei ein sicherer Beweis für die Anhänglichkeit des Abgeordneten an die bestehende Ordnung und an den vaterländischen Boden. Vortrefflich, der Grundbesitzer -
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hängt |111| wirklich an der bestehenden Ordnung, welche Ordnung ihm wieder seinen Grundbesitz garantirt, er hängt am Boden des Vaterlandes er hängt oder er klebt, wie Ihr wollt. Der konstitutionnelle Deputirte vertritt den Zensus, vertritt das Eigenthum, sein eigenes vorab; die exekutive Gewalt ist dadurch identisch mit der legislativen, ihre Entgegensetzung ist eine reine Sophisterei; die legislative wird das oberste Eigenthumsrecht nicht schmälern, da sie das untere, ihren eigenen Privatbesitz nicht angetastet wis-
will. Die Besitzenden herrschen, und die Herrschenden besitzen. Hier ist die Konstitution am Ende, der Proletariatsfrage gegenüber knacken ihr die Kniee; und daß mit der christlichen Barmherzigkeit und Mildthätigkeit diese Wunde der Menschheit nicht zugeheilt wird, das geben selbst Politiker von Profession zu. Ich sage nicht, daß die Jury dem heimlichen Gerichtsverfahren nicht vorzuziehen sei, das heimliche Gerichtswesen ist unter aller Kritik, kein Mensch vertheidigt es mehr, und der christlich-germanische Staat selbst macht täglich irgend ein Konzessiönchen zur Oeffentlichkeit und zum Genossengerichte hin. Aber auch die Jury ist ein bürgerliches Institut, ein Institut, das auf dem Zensus, auf dem Besitze ruht. Man gehe einmal ein Jahr lang nach Frankreich, man beobachte diese richtende Bourgeoisie, man sehe mit eigenen Augen an, wie sie der Tribun des Eigenthums geworden ist, wie unerbittlich, wie systematischstreng sie die Vergehen wider den Privatbesitz behandelt, wie es für sie kein größeres, kein himmelschreienderes Verbrechen gibt, als die Verletzung dieses theuren Besitzes, wie Schändung, Sodomiterei und alle Gräuel der menschlichen Bestialität die Nachsicht der bürgerlichen Genossen erfahren, während sie die Diebe mit einem einzigen Urtheilsspruch auf ewig vernichten, auf ewig aus der Gesellschaft stoßen. Wenn ein solcher, auf mehre Jahre verurtheilter Dieb auch endlich wieder ins bürgerliche Leben zurückkehrt, so bleibt ihm nichts übrig, als wieder zu stehlen und wieder eingesperrt zu werden. In Ste. Pélagie sitzt in diesem Augenblicke ein bartloser Knabe auf anderthalb Jahre, weil er in einem öffentlichen Badehause eine vorgefundene Uhr unter 1112| dem Wasser verborgen und sie dem nachfragenden Aufwärter abgeläugnet hatte. In derselben Ste. Pélagie sitzt ein Marquis auf acht Monate wegen Sodomiterei] Die Gesellschaft der Verbrecher, die mit vollständig ausgebildeten Sitten und Gesetzen neben der bürgerlichen Gesellschaft existirt, hat sich an den Ungerechtigkeiten der letzteren dadurch gerächt, daß gerade die wegen Diebstahls Verurtheilten bei ihr im Rufe der Ehrlichkeit stehen. Die Diebe sind in den Gefängnissen von Paris die geachteten Leute! Welch schmähliches Gesetz ist es nicht, daß man, um trotz einer Kriminalanklage auf freiem Fuße zu bleiben, Kaution leisten muß. Das Geld erwirbt mir Vertrauen, das Geld bezahlt meine Freiheit. Wenn ich mich nun dem Prozesse entziehe, so besteht die Genugthuung für die Gesammtheit darin, daß der Fiskus Geld einsackt. Die fiskalische Absicht des Staates verräth es abermals, daß dieses ganze Wesen auf den Besitz gegründet ist, vom Gelde abhängt. Ueber die Begründung der Pairskammer ein Wort zu sagen, wäre Zeitverschwendung. Wer die Auszeichnung durch Geburt, Reichthümer und Ehrenstellen voraussetzt, sen
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Prärogativen des Adels einräumt, der muß konsequent sein und die absolute Monarchie, die Despotie in ihrem ganzen Umfange vertheidigen. Wenn sich dabei etwas denken läßt, daß ein Mensch durch Geburt einen Vorzug vor dem Andern haben soll, so muß sich auch dabei etwa denken lassen, daß Einer der Allervorzüglichste ist, der den Anderen mit den Geburtsvorzügen die Köpfe herunterschlägt, wenn es ihm beliebt. Ebenso ist es mit der Heiligkeit der Person, die an der Spitze der exekutiven Gewalt steht; entweder ist Keiner heilig oder Alle sind heilig. In der vernünftigen Gesellschaft ist jeder Mensch heilig und unantastbar. wer
die
Die Verantwortlichkeit der Minister ist eine der lächerlichsten Chimären. Wem sind denn die Minister verantwortlich? Der Kammer, d. h. dem Zensus, dem Besitze. Der Minister wird sich hüten, den Besitz anzutasten, er besitzt in der Regel selbst. Die Franzosen haben in der Julirevolution die Minister-|113|verantwortlichkeit ein für alle Mal travestirt. Erst jagten sie den König zum Henker, anstatt die Minister in Anklagestand zu versetzen, und nachher verurtheilten sie die Minister obendrein, weil das wüthende Volk es so wollte, und waren dabei in steter Angst, die Verräther am Vaterlande möchten mit der einzigen Strafe belegt werden, die ihnen von Rechtswegen zukam, nämlich mit der Todesstrafe. Die Konstitution hat überhaupt die Eigenschaft aller Illusion, daß sie befolgt wird, so lange nichts Entscheidendes zu thun ist. Treten Augenblicke wichtigen Handelns ein, so wird sie bei Seite gesetzt, weder unter noch oben bekümmert man sich um sie. Geht es um ernstliche Wahrung der Rechte, heißt es, die Brust muthig den Gefahren der Tyrannei entgegensetzen, so vergißt das Volk plötzlich ganz und gar, daß es eine Konstitution gibt, es folgt seinem Instinkte, seinem Muthe. Die neuen Konstitutionen seit 1814 existiren alle ungefähr, wie die „polnische Nationalität" in der Adresse der französischen Depufirtenkammer. Montesquieu war durchaus konstitutionneller Politiker; er wußte weder, wie der natürliche Mensch zum politischen Menschen, zum Bürger wird, noch ahnte er, daß hinter und über dem Bürger etwas Höheres und Besseres verborgen ist. Er schrieb in einer absoluten Monarchie, unter einem Volke, das zum politischen Extemporiren geboren war. Auch damals schon gab es Sozialisten. Der Engländer Harrington hatte sein System der besten Gesellschaft in der „Oceania" dargelegt.5 Montesquieu fand es unbegreiflich, wie ein Engländer etwas Besseres wünschen könne, als die große germanische Konstitution seines Vaterlandes; er sagte spöttisch von Harrington, er habe Chalcedon gebauet, während er das Gestade von Byzanz vor Augen gehabt. Ganz wie unsere Liberalen. Welchen Vortheil hat der Mensch von der Konstitution, von der moderirten Monarchie? Montesquieu und die Konstitutionnellen haben die Antwort in Bereitschaft. Die bürgerliche Freiheit gewährt die Sicherheit des Lebens, der Ehre und des Eigenthums, -
eine
5
Sicherheit, die
von
öffentlichen und
Privatanklagen gestört
werden kann. Wenn
Siehe The Commonwealth of Oceana. To his highness. The Lord Protector of the Commonwealth of England, Scotland and Ireland. In: The Oceana and other works of James Harrington. By John Toland, London MDCCXLVII, pp. 33-227.
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aber aus einem der |114| drei Raubstaaten herauskommt, so mag und diese Sicherheit, dieses ganz negative Element der Freiheit, als etwas Bedeutendes und Erstrebenswerthes erscheinen; wenn man aber nach Jahrhunderten der Vernunft und der Philosophie immer noch das alte Lied hört, so muß uns denn doch ein solches Resultat erbarmungswürdig vorkommen. Montesquieu meint: Der Schutz der bürgerlichen Freiheit ruhe meistens auf einer guten Kriminalgesetzgebung. Er ruft aus: „Die Kenntnisse, die man in einigen Länder erworben hat, in andern noch erwerben wird über die sichersten Regeln, welche bei Kriminalprozessen zu beobachten sind, interessiren das menschliche Geschlecht mehr als irgend sonst etwas auf der Welt. Eine ganze Masse von Büchern und Zeitschriften sagt in Deutschland, direkt oder indirekt, täglich dasselbe. Montesquieu und diese Schriftsteller haben also vom Menschen keinen höheren Begriff, als den einer raub- und blutgierigen Bestie, die man mit Geschick zähmen müsse. Montesquieu sagt: „In einem Staate, der darüber die bestmöglichen Gesetze hätte, würde ein Mensch, dem man den Prozeß machte, und der morgen am Tage gehängt werden sollte, freier sein, als ein Pascha in der Türkei." Gesetzlicher Zustand, Oeffentlichkeit und Mündlichkeit! Ganz wie bei uns. Ich sage nicht, daß Ihr das heimliche Gericht, die Kabinetsjustiz, die Spezialkommissionen stehen lassen sollt; wenn Ihr aber einmal die Hindernisse der Freiheit wegräumen wollt, so räumt auch gleich ordentlich auf. Aber das wollt Ihr nicht, Ihr wollt aus dem Sklaven des Despotenthums blos den Sklaven der bürgerlichen Freiheit machen. Gut, so müßt Ihr bekämpft werden. Montesquieu hat ein ewig wahres Gemälde der egoistischen Freiheit England entworfen, mit plastisch formender Hand hat er diese Gestalt ausgeführt. Er findet, daß das konstitutionnelle Volk am Besten auf einer Insel wohnt, abgesondert isolirt, ganz wie die bürgerliche Freiheit die Freiheit der Isolirung ist. Das konstitutionnelle Volk ist ferner kein eroberndes, sondern ein Handelsvdik, Es muß einen nothwendigen großen Handel mit den Völkern des Südens eröffnen und die Länder auswählen, |115| mit denen es vortheilhafter Verträge macht. Als Handelsvolk hat es eine Masse kleiner Sonderinteressen, wird ungemein eifersüchtig und betrübt sich mehr über das Gedeihen Anderer, als es über sein eigenes Freude empfindet. Eine benachbarte Nation, deren reicher Boden und glückliche Häfen es reizten, würde es erobern und in einer großen Abhängigkeit erhalten, so daß die Bürger daselbst frei wären, der Staat aber selbst ein Sklave (Irland). In der Religion würde Freiheit herrschen in den „Persischen Briefen"6 erklärt Montesquieu den Protestantismus für die Religion der Industriellen doch so, daß der Glaube, zu dessen Einführung man sich der Knechtschaft bedient hätte, verhaßt sein würde. Die Gesetze gegen die Bekenner dieser Religion (die Katholiken) würden zwar nicht blutig sein, aber so reprimirend, daß sie alles Uebel anrichteten, das man nur mit kaltem Blute thun könnte. Man würde die Reform dieses Glaubens adoptiren, aber nur bis zu einem gewissen Punkte, weil man lieber die Reform unvollkommen sein ließe, ehe man duldete, daß der Klerus reformatorisch würde. Der Egoismus dieser konstitutionman
"
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6
Siehe Des Herrn von Montesquieu Persianische Briefe, 2. Aufl., Frankfurt
Leipzig -
1760.
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neuen Insulaner würde sich auch darin zeigen, daß sie niemals feste Handelstarife einführten, aus Furcht sich verbindlich zu machen und um stets die Hand frei zu behalten. Der christlich-germanische Geist der Selbstliebe, dieser acht konstitutionnelle Geist, ist von unübertrefflicher Meisterhand geschildert. Schade daß es eben mehr als ein Gemälde, daß es Doktrin sein soll. Was hält der Konstitutionnelle von den letzten Dingen? Schauen wir seinen summum bonum, seinem höchsten Gute ins Herz! Montesquieu ist der rationalistische Politiker und der politische Rationalist. Er ist ein Aufklärer, wie die offizielle englische Philosophie, wie die französische Universität, wie unsere Liberalen in Deutschland. Die positiven, die dogmatischen Religionen sind ihm verhaßt; dagegen spricht er von der wahren Religion, die einen großen Einfluß auf das bürgerliche Leben habe, nennt die christliche Religion eine Religion der Liebe, deren Absicht es sei, daß der Mensch die besten bürgerlichen und poli-|l 16|tischen Gesetze habe. Montesquieu erfindet hier eine christliche Religion, die niemals existirt hat, ganz wie unsere liberalen Rationalisten. Spricht man diesen von Zerstörung der religiösen Abhängigkeit überhaupt, so geht ihnen der Verstand aus. Nicht besser macht es Montesquieu. Bayle hatte behauptet, es sei besser Atheist sein, als Götzendiener; Montesquieu nennt das eine Sophisma, das sich auf die Meinung gründe, als sei es dem Menschengeschlechte von gar keinem Nutzen, ob es einen Gott gebe oder nicht. Er hält diesen Glauben für sehr nützlich; denn daraus, daß Gott nicht existiré, folge der Gedanke unserer Unabhängigkeit, oder wenn wir diesen Gedanken nicht haben könnten, der unserer Empörungl Die Religion reprimiré Vieles, wenigstens sei es sehr nützlich, wenn die Fürsten eine hätten. Superb! Die Religion ist der Zaum, der festhalten soll, wenn die Stricke der Gesetze reißen und umgekehrt. Der Konstitutionnelle setzt der gesetzgebenden Versammlung einen König und dem freien Willen des Subjekts einen Gott als Schranke. Kammer und Fürst balanciren einander, wie Wille und Glaube. Auch in deutschen Ständekammern gibt es eine Masse von Leuten, welche die Religion als Zaum für das Volk betrachten. Bayle hatte ferner behauptet, ein Staat, aus wahren Christen bestehend, könne nicht bestehen. Montesquieu sagt: Doch, doch! Der wahre Christ ist ein Mensch, welcher unendlich aufgeklärt über seine Pflichten ist, und der einen sehr großen Eifer besitzt, sie zu erfüllen. Bayle hat Recht, und Montesquieu hat Recht. Wenn Bayle den Urchristen im Auge hat, der noch im heutigen Pietisten einen Nachdruck auf Löschpapier erlebt, und wenn er sich unter dem Staate das Ziel menschlichen Zusammenlebens denkt, so ist der Christ untauglich für den Staat. Wenn Montesquieu den praktischen Christen, den englischen Christen, den aufgeklärten Ichthümler meint und unter der englischen Konstitution den wahrhaften Staat versteht, so paßt der Christ ganz eminent für den Staat. In diesem Sinne sind die Liberalen und Konstitutionnellen sämmtlich christlich, Rationalisten und Voltairianer und doch Christen? Ja, sie predigen die Abhängigkeit des Menschen vom Schöpfer der Welt und vom Schöpfer der |117| Verfassung, von den -
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Schöpfern der Gesetze und den Schöpfern des Salairs.
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Montesquieu war ein klarer, der Beobachtung offener Geist; seine heutigen Revegroße Philister. Montesquieu erklärt, das politische, wie das moralische Gut sei immer in der Mitte zwischen zwei Aeußersten. Er ist der Ahnherr des berüchtigten Juste-Milieu. Er hat beinahe das Wort selbst erfunden. „Ich glaube, daß der äußerste nants sind
Grad von Vernunft nicht immer wünschenswerth ist, und daß die Menschen sich fast immer besser mit der Mitte, als mit den Extremitäten zurechtfinden." Zweimal zwei ist vier, ist ein „äußerster Grad von Vernunft"; zweimal zwei ist drei: ist zu offenbar gelogen. Nehmen wir die „Mitte": zweimal zwei ist drei und einhalb. So haben wir die
„Extremitäten" vermieden.
Uebergang Montesquieu, der Politiker, war ein Doktrinär, Montesquieu, der Sittenschilderer, nicht so ganz. Montesquieu, der gesetzte Mann, kannte nichts Höheres, als die moderirte Monarchie; sieben und dreißig Jahre früher war er etwas anderer Meinung. Im 99. Briefe der Lettres persanes schreibt Usbeck an Ibben: „Die größte Zahl der europäischen Regierungen ist monarchisch, oder vielmehr wird so genannt, denn ich weiß nicht, ob es jemals so etwas gegeben hat; wenigstens könnte es nicht lange bestanden haben. Es ist ein gezwungener Zustand, der immer in Despotismus oder in Republik ausartet. Die Macht kann niemals gleichmäßig getheilt sein zwischen dem Volke und dem Fürsten, das Gleichgewicht ist zu schwer zu bewahren. Die Macht muß nothwendig nach der eine Seite
wöhnlich
abnehmen, während sie nach der andern zunimmt, aber der Vortheil ist geauf Seiten des Fürsten, der an der Spitze des Heeres steht." Helvetius war
vollständig der Meinung, es gebe nur zwei Arten von Regierungsformen, Demokratie und Despotie. Er schreibt an Montesquieu über den „Geist der Gesetze": „Das Beispiel der englischen Regierung hat Sie verführt. Ich bin |118| weit entfernt, diese Konstitution für vollkommen zu halten. Warten wir einmal, wie Locke zum König Wilhelm sagte, bis ein bedeutendes Mißgeschick, das seinen Ursprung in dem Fehler dieser Konstitution haben wird, uns ihre Gefahren empfinden läßt; bis die Bestechung, die schon nöthig geworden, um die Trägheit des Oberhauses zu besiegen, von den Ministern in die Kammer der Gemeinen eingeführt ist und Niemanden mehr roth macht: dann wird man die Gefahr eines Gleichgewichtes sehen, das man unaufhörlich stören muß, um die Bewegung einer so komplizirten Maschine zu beschleunigen oder aufzuhalten. In der That, mußte man nicht in unsern Tagen Auflagen beischaffen, um die Parlamente zu besolden, welche dem Könige das Recht geben, Steuern vom Volke zu erheben? Endlich, mein lieber Präsident, muß ich Ihnen gestehen, daß ich niemals die subtilen, so oft wiederholten Unterscheidungen über die verschiedenen Formen der Regierung recht
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verstanden habe. Ich kenne nur zwei Arten, die guten und die schlechten, die guten, die noch zu bilden sind, die schlechten, deren ganze Kunst darin besteht, durch verschiedene Mittel das Geld von den Regierten in die Tasche der Regierenden zu locken. Was die
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alten Regierungen durch den Krieg raubten, erlangen unsere modernen sicherer durch die Fiskalität." Mit einer Note zum „Geist der Gesetze" erklärt Helvetius die schlechten Regierungen für solche, in denen die Regierten die Unterdrückung der Regierenden nicht zurückweisen können, das sei Despotismus; wenn sie es könnten, so sei das Demokratie. Wie kommt es aber zu Regierten und Regierenden überhaupt, wo ist die Quelle jeglicher Regierung? Daraufgibt uns nur die radikale Theorie Antwort. Hören wir Rousseau.
Rousseau
Souverän ist nach Rousseau nur Einer, nämlich das Volk. Die Gesetzgebung ist die Macht des Volkes. Die exekutive Gewalt oder die Regierung ist Nichts, als ein Mandat des Souveräns, des Volkes. Selbst wenn ein Fürst an der Spitze der Regierung steht, so ist er nur ein Diener des Volkes, der erste 1119| Magistrat. Die souveräne Gewalt ist in keinerlei Weise zusammengesetzt, kann daher auch nicht getrennt und getheilt werden, sie ist vielmehr untheilbar und ruht nur im Volke, aber im ganzen Volke. „Die Souveränität kann nicht repräsentirt werden, aus demselben Grunde, aus dem sie nicht veräußert werden kann, sie besteht wesentlich in dem allgemeinen Willen, und der Wille kann nicht repräsentirt werden; er ist entweder er selbst oder er ist ein Anderer, es gibt nichts Drittes. Die Deputirten des Volkes sind also nicht und können nicht sein seine Repräsentanten, sie sind nur seine Kommissäre, sie können Nichts definitiv beschließen. Jedes Gesetz, welches das Volk nicht in Person bestätigt hat, ist nichtig, ist gar kein Gesetz. Das englische Volk glaubt frei zu sein, es ist es nur während der Wahl seiner Parlamentsglieder. Sobald diese gewählt sind, ist es Sklave, ist es Nichts. Die Idee der Repräsentanten ist modern, sie ist uns vom Feudalwesen überkommen, von dieser ungerechten und abgeschmackten Regierung, in welcher die menschliche Gattung entwürdigt und wo der Name Mensch eine Schmach ist. In den alten Republiken und selbst in den Monarchieen hatte das Volk niemals Repräsentanten, man kennt nicht einmal das Wort. In dem Augenblicke, wo sich ein Volk Repräsentanten gibt, ist es nicht mehr frei, existirt es nicht mehr." Zwar gibt Rousseau zu, daß diese radikale Demokratie nur in kleineren Staaten möglich sei; aber er deutet es zugleich das Föderativsystem als Auskunftsmittel an. Jede staatliche Gesellschaft ist nach Rousseau auf den Vertrag gegründet, selbst wenn dieser Vertrag ein stillschweigender wäre. Wenn die Menschen bis zu dem Punkte gekommen seien, wo die Hindernisse, welche ihrer Erhaltung im Naturzustande widerstrebten, mächtiger würden, als die Kräfte jedes Einzelnen, so bliebe ihnen nichts weiter übrig, als durch Vereinigung eine Summe von Kräften zu bilden, welche wieder mächtiger sei, als jene Hindernisse. Das Problem bestehe dann darin, eine Form der Vereinigung zu finden, welche mit der ganzen Gesammtkraft die Person und den Besitz jedes -
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\120\ Mitgliedes vertheidige und schütze, und durch welche Jeder, indem er sich mit Allen vereinige, doch nur sich selbst gehorche und eben so frei bleibe wie zuvor. Hätte Rousseau nur im Auge behalten, daß der Naturzustand gar kein Privateigenthum kennt, daß jeder Besitz, ehe ein Gesetz besteht, sich auf das natürliche Bedürfniß gründet und vom Rechte des Stärkeren geschützt wird, daß der Begriff Eigenthum ganz unvereinbar mit dem Menschen ist, der noch außerhalb des Staates "
ist, daß also der Staat,
wenn er entsteht, wohl die einzelnen Personen mit ihrer Produktionskraft aufnehmen kann, niemals aber ihre Güter, weil keine vorhanden sind. Die Entstehung des Privateigenthums ist schon staatlicher Akt, politische Wirkung, der erste und Grundirrthum, jedenfalls ein Faktum, welches Rousseau keineswegs erklärt, sondern mit dem er sich und uns übertölpelt. Wenn er weiterhin den politischen Vertrag abermals erklärt: die gänzliche Entäußerung jedes Mitgliedes mit allen seinen Rechten an die ganze Gemeinschaft, wenn er sogar hinzufügt, die Entäußerung sei ohne Rückhalt, die Vereinigung sei vollkommen, wenn er noch einmal definirt: „Jeder von uns gibt in die Gemeinschaft seine Person und seine ganze Kraft (puissance), und wir nehmen jedes Mitglied als untheilbaren Theil des Ganzen auf," so könnte man glauben, Rousseau habe die wahre Gemeinschaft im Auge gehabt, wo Jeder nach seiner Kraft produzirt und nach seinem Bedürfniß konsumirt. Allein so ist es ihm nicht gemeint, der Einzelne hat „Güter", Besitz, den ihm der Staat garantiren soll; er hat also nicht alle seine Kraft an das Ganze entäußert; er ist nicht dessen „untheilbarer" Theil geworden, er ist vielmehr getheilt, in der Mitte entzwei geschnitten. Der Sinn des Contra[c]t social ist der, daß der Mensch und seine Kraft (puissance) keineswegs zusammengefallen sind, daß der Begriff der „Güter" allerdings juristisch gemeint war, daß Rousseau durchaus nicht den natürlichen Menschen mit anderen natürlichen Menschen assoziirt, sondern den Besitzer mit dem Besitzer. Der soziale Vertrag beruht also auf einer gänzlich ungerechtfertigten Thatsache, auf dem Privateigenthum, er basirt auf einem Ungeheuern Vor|121|urtheil; er ist Nichts, als eine Heiligsprechung der Usurpation, als eine Sicherheitsanstalt. Rousseau fragt gar nicht: Als was haben wir uns assoziirt, als Menschen oder als Eigenthümer? Sondern er sagt kurzweg und von vorne herein: „Wir sind eine Gesellschaft von Eigenthümern." Aus dem Naturmenschen ist ein Bürger geworden. Der Bürger ist eine Sphinx, oben Citroyen, unten Bourgeois, ein Wesen, das mit sich selbst im Zwiespalt lebt, eine Unmöglichkeit. Der Citroyen ist der allgemeine Bürger; der Bourgeois ist der besondere, der partikuläre Bürger. Der Citroyen ist der Bürger, der seine Person, seine „ganze Kraft" an die Gemeinschaft hingegeben hat; der Bourgeois ist der Besitzer der „Güter", welche ihm die Allgemeinheit garantir!. Der Kampf des Citroyen mit dem Bourgeois macht die ganze Geschichte der sogenannten inneren Politik aus, eine Geschichte, die so interessant ist, daß sich unsere Nachkommen daran gesund lachen können, wenn sie krank werden. Auch der radikale Rousseau setzt diesen Kampf, macht in seinem politischen Vertrage diesen erbärmlichen Widerstreit möglich,
ja unumgänglich nöthig.
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Hier ist die Achillesferse des Contra[c]t social: „Jedes Individuum kann als Mensch einen besonderen Willen haben, der dem allgemeinen Willen, den es als Bürger hat, entgegengesetzt oder wenigstens von ihm verschieden ist. Sein persönliches Interesse kann
ganz anders zu ihm reden, als das gemeinschaftliche; seine absolute und natürliche unabhängige Existenz kann ihm das, was er der Gesammtheit schuldig ist, als eine unnöthige Kontribution erscheinen lassen, deren Verlust den Andern weniger schädlich, als die Leistung derselben für ihn lästig wäre, und indem er die moralische Person, die den Staat konstituirt, als ein abstraktes Wesen betrachtete, weil es kein Individuum ist, würde er die Rechte des Bürgers genießen, ohne die Pflichten des Unterthans zu erfüllen; eine Ungerechtigkeit, deren Fortschritt den Ruin des politischen Körpers herbeiführen müßte." Das kommt davon, wenn die Gesammtheit den Einzelnen und dessen Güter vertheidigen und schützen soll, wenn die |122| Gesammtheit es mit zwei Personen zu thun hat, statt mit einer, wenn der Citroyen, der Gesammtbürger, andere Interessen hat, als der Bourgeois, der Privatbürger. Wie hilft sich Rousseau aus dieser Sackgasse heraus? Natürlich auf gewaltsamem Wege, acht politisch. „Damit also der soziale Vertrag kein leeres Formular sei, schließt er stillschweigend die Verpflichtung ein, welche einzig die andere Kraft geben kann, daß, wer sich irgend weigert, dem allgemeinen Willen zu gehorchen, durch den ganzen Körper dazu gezwungen werde, was nichts Anderes bedeutet, als daß man ihn zwingen wird, frei zu sein; denn das ist die Bedingung, unter welcher jeder Citroyen sich dem Vaterlande hingibt und dafür gegen jede persönliche Abhängigkeit sichergestellt wird." Man muß den Menschen zwingen, frei zu sein, das ist die ganze politische Doktrin der Radikalen. Wer zwingt den Menschen zur Freiheit? Der Citroyen, das souveräne Volk. Wen zwingt der Citroyen, das souveräne Volk zur Freiheit? Sich selbst, d. h. denjenigen Theil des Menschen, der nicht Citoyen, den Bourgeois. Zu welcher Freiheit wird der Bourgeois gezwungen? Zur Freiheit des Citroyen, zum Gedanken der Allgemeinheit, zu einer Abstraktion. Der Mensch wird also wohl etwas hingeben, aufopfern müssen, er wird wohl in etwas Liebem und Werthem gekränkt, verletzt, beschädigt, weil er doch gezwungen wird? Allerdings, er wird an seinen „Gütern" gekränkt, verletzt, beschädigt, zu Ehren des souveränen Willens. Ist aber die Freiheit seiner Person, die Unabhängigkeit des Citroyen, nicht etwa ein reichlicher Ersatz für den Zwang, den der Bourgeois erfahrt? Keineswegs, weil diese Person nur ein Gespenst, ein Schatten, etwas von jeder lebendigen Wirklichkeit Fernes ist, weil man aus der vollständigen Person des Menschen die Begriffe von Bedürfhiß, Befriedigung des Bedürfnisses ausgeschieden hat, welche nun unter dem Namen „Güter" eine besondere Existenz führen. Der französische Konvent hat mit dem Rousseau'schen Kontrakt in so weit Ernst machen wollen, als er mit unerhörter Konsequenz einen Gesammtwillen etablirte, der jeden partikularen Willen zwang, frei, Gesammtwille zu sein. |123| Woran scheiterte der französische Konvent? An den partikularen Willen, am wohlberechtigten Egoismus
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der Bourgeois. Der abstrakte Gesammtwille konnte es nicht ferner durchsetzen, die besonderen Willen zur Freiheit zu zwingen. Rousseau ist der ehrlichste Mensch, der jemals auf dieser Erde gelebt hat; seine Schuld ist es nicht, wenn seine blindesten Anhänger von heute ihn nicht gründlich gelesen haben. Rousseau ist nicht nur der radikale Theoretiker, sondern auch der Widerspruch innerhalb der radikalen Theorie selbst. Er kann nicht unterlassen, in der Eigenthumsfrage einen bedeutenden Widerspruch mit sich selbst zu erheben. Einmal sanktionirt der Staat das Eigenthum, legalisirt er die Usurpationen des Naturstandes; erst der Bürger besitzt rechtlich, legitim. Auf der andern Seite bleibt der Kollektivbürger, der Souverän immer und stets Herr über die einzelnen Rechte der Einzelnen, mithin kann der Souverän das Privateigenthum antasten, das legitime Besitzthum für illegitim erklären. Da aber ferner der Mensch nach demselben Rousseau ein natürliches Recht auf das hat, wessen er bedarf, so kann der Souverän das private Besitzthum nicht nur antasten, nein, er muß es antasten. Ferner sagt Rousseau ausdrücklich, für den Souverän, für das Volk sei Nichts verbindlich, nicht einmal der soziale Kontrakt, viel weniger die einzelnen Gebräuche und Mißbräuche, die sich ohne Zustimmung des Volkes in die Praxis eingeschlichen. Das Volk, selbst wenn der Rousseau'sche Kontrakt wirklich die ideale Basis aller politischen Gemeinschaften wäre, könnte also immer sagen: Machen wir einen neuen Kontrakt, sichern wir Jedem seine Person, aber seine vollständige, menschliche Person mit allen ihren Bedürfnissen, und streichen wir die „Güter"! Dieses wichtige Amendement ließe sich mit Rousseau's eigenen Lehren vertheidigen. Vor der Hand aber bleibt unserem Philosophen der Mensch vom Besitzer getrennt; er meint, der Gesammtwille, der Wille des Souveräns, bei welchem jeder Einzelne mitbegriffen sei, könne Nichts gegen den Einzelnen beschließen, was nicht in der allgemeinen Uebereinkunft enthalten wäre, was nicht im Fundamentalpakt stände. Sonach würde also der Einzelne seine |124| „Güter" behalten, und die Gesammtheit könnte ihn nur zur Freiheit zwingen, d. h. zum Zwiespalt mit sich selbst. Was Rousseau einmal so nebenbei wünscht, Alle müßten etwas haben, Keiner von ihnen zu viel, damit der soziale Zustand vollkommen sei, ist eben nur ein frommer Wunsch. Doch schlüpft bei Gelegenheit dieses Wunsches das naive Geständniß durch, die Gesetze seien immer nur nützlich für die, welche besäßen, und schadeten denen, die Nichts hätten. Wenn diese Stelle für sich allein gewichtiger ist, als der ganze Contra[c]t social, so müssen wir ihr sofort noch eine andere Erörterung hinzufügen, welchen den Politikern gegenüber wie eine wahre Ironie lautet. Rousseau findet nämlich, daß die „Güter", die jeder Mensch mit in den staatlichen Verband bringt, doch eigentlich kein Eigenthum würden; da aber die Kräfte des Staates unvergleichlich größer seien, als die jedes Einzelnen, so sei der öffentliche Besitz faktisch stärker und unwiderruflicher, ohne deshalb, wenigstens Fremden gegenüber, legitimer zu sein. Denn der Staat sei nur, vermöge des sozialen Kontraktes, Herr aller Güter der Einzelnen, den fremden Mächten gegenüber sei er es nur durch das Recht der Besitzergreifung, das er von den Einzelnen überkommen. Das ganze Eigenthumsrecht, das die Politik durch Tausende von langweiligen -
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und
unlogischen Bänden festgestellt zu haben glaubte, ist, der Menschheit, der Gattung gegenüber, Nichts, als das brutale Recht des Stärkeren*. „Sei im Besitze und Du bist im Recht." Das Eigenthumsrecht kann also nicht das geringste Titelchen zu seinen Gunsten anführen,
„der alte Urständ der Natur wiederkehrt", wenn der Mensch vom Him„ewigen Rechte" herunterholt, „die droben hangen unveräußerlich und
wenn
mel herab die
unzerbrechlich, wie die Sterne selbst." Der Staat hat den Menschen absorbirt, er hat Eigenthum und Gesetze zu schaffen gesucht, Jahrtausende lang sind diese seine Schöpfungen respektirt worden. Wie nun, wenn der Mensch den Staat, sammt Eigenthum und Gesetzen absorbirte? Rousseau will aber nicht, daß der Mensch den Staat absorbire, sondern er steht in dem allgemeinen politischen Wahne, der |125| Staat müsse den Menschen absorbiren, der -
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Staat ist ihm etwas Heiliges, Religiöses. Sein Staat ist etwas dem Menschen Jenseitiges, er wird ihm offenbart. „Um die besten Regeln der Gesellschaft zu entdecken, wie sie sich für die Nationen geziemen, bedürfte es einer höheren Intelligenz, die alle Leidenschaften der Menschen sähe und keine derselben empfände, die keine Beziehung zu unserer Natur hätte und sie doch durch und durch kannte, deren Glück unabhängig von uns wäre, und die sich dennoch mit dem unsrigen beschäftigen wollte. Es bedürfWer es unternimmt, einem Volke te der Götter, um den Menschen Gesetze zu geben. Institutionen zu geben, muß sich im Stande fühlen, so zu sagen die menschliche Natur zu ändern, jedes Individuum, welches, an sich betrachtet, ein vollkommenes und für sich bestehendes Ganzes ausmacht, in einen Theil eines größeren Ganzen umzuwandeln, von denen dieses Individuum gewissermaßen sein Leben und sein Dasein erhalte; die Konstitution des Menschen zu schwächen, um sie zu stärken; eine partielle und moralische Existenz an die Stelle der physischen und unabhängigen Existenz zu setzen, die wir Alle von der Natur empfangen haben. Man muß mit Einem Worte dem Menschen seine eigenen Kräfte nehmen, nie ihm fremde zu geben, die er ohne die Hülfe Anderer nicht gebrauchen kann. Da der Gesetzgeber weder Gewalt noch Vernunftgründe in Anwendung bringen kann, so muß er nothwendig eine Autorität anderer Gattung in Anspruch nehmen, die ohne Gewalt hinzureißen und ohne Ueberredung zu überzeugen vermag. Das hat zu allen Zeiten die Väter der Nationen gezwungen, zur Einmischung des Himmels ihre Zuflucht zu nehmen und die Götter mit ihrer eigenen Weisheit zu beehren, damit die Menschen den Gesetzen des Staates, wie denen der Natur unterworfen und dieselbe Macht in der Schöpfung des Menschen, wie in der des Staates anerkennend, mit Freiheit gehorchten und willig das Joch des öffentlichen Glückes trügen." Man bemerke vorab in dieser Stelle die offen eingestandene Gewalt, welche der Natades Menschen angethan werden soll, |126| wie der Mensch geschwächt werden muß, um ein starker Bürger zu werden, wie man ihm sein Wesen austreiben will, um ihm das Füllsel der Staatsidee einzutrichtern. Dann aber betrachte man die Natur des Rousseau'sehen Gesetzgebers*. Es ist in der letzten Zeit die Behauptung ausgesprochen worden, die Politik sei die Religion der Praxis, die fleischgewordene Religion; der Staat sei für den Menschen ebensowohl ein fernes, tyrannisches Jenseits, wie Gott; Got-
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Tyrannei, die religiöse Entmenschung des Menschen zeige sich erst recht handgreifunserem sauberen bürgerlichen Leben. Bei dem radikalen Rousseau wird es deutlich, wie religiös die Politik ist. Die große, allmächtige Volkssouveränität genügt nicht einmal, um die Staatsmaschine in Gang zu bringen; es bedarf dazu noch eines speziellen Offenbarers, eines halbübernatürlichen Mittlers, der den blinden Heiden das Evangelium des letzten Gesetzes predige. Dieser göttliche Mensch soll allererst Eintracht im Wollen und Urtheilen hervorbringen, er hat die Wahrheit in sich, er gibt sie von sich, er schüttet sie auf das versammelte Volk, wie der heilige Geist zu Pfingsten über die Jünger kam, so dass aus Fischerknechten Doktoren der Theologie wurden. Der Gesetzgeber ist bei Rousseau in aller Form politischer Religionsstifter, das souveräne Volk ist nur die Klerisei, welche die geoffenbarten Dogmen handhabt und überwacht.
tes
lich in
Rousseau sieht nicht, daß er vergangene Zustände schildert, daß er von einer historischen Vergangenheit spricht, welche eben eine radikale Umgestaltung des Lebens wünschen läßt; er glaubt etwas Neues zu predigen und predigt nur die alte Vermischung von Religion und Politik, die sich Beide in die Hände arbeiteten, sich gegenseitig unter die Arme griffen und das Sklaventhum der ganzen Weltgeschichte begründeten. An dem letzten Kindlein dieser Ehe, am christlichen Staate hätte er einen hinreichenden Widerwillen gegen jegliche Offenbarungslehre empfinden können. Neuere Radikale, z. B. Thoré, die übrigens auf den Schultern des Contra[c]t social stehen, verwerfen geradezu diesen einzelnen, göttlichen Gesetzgeber; Thoré sagt, nur der menschliche Geist könne für die Menschen Gesetze machen. Pierre Leroux |127| opponirt ebenfalls gegen diesen einzelnen religiösen Akt, er ernennt die Presse zur Gesetzgeberin. Wir wollen hier ununtersucht lassen, in wie weit auch diese Aushülfe nur eine Modifikation des Rousseau'sehen Standpunktes ist. Die Gesetzgebung als übernatürlicher, als Offenbarungsakt verhält sich zur Volkssouveränität, wie der Citroyen sich zum Bourgeois verhält: Der Citroyen thut dem Menschen denselben Zwang an, welchen der Legislator dem souveränen Volke anthut. Abhängigkeit und Willkür spielen die Hauptrollen in dem ganzen radikalpolitischen Vertrage. Von Freiheit kann keine Rede sein. Ich mag leben, wie ich will, ich kann ein radikaler Wütherich sein, Robespierre selbst: so lange ich mich und das Volk von einem uns jenseitigen Akte, von einer übernatürlichen Gesetzgebung, von einem Etre supreme abhängig mache, so lange schleppen wir unsere Galeerenkugeln am Beine mit herum, so lange sind wir Sklaven. Rousseau war in seinen freiesten Gedanken ein Sklave, Robespierre, der praktische Rousseau, war ein Sklave. Von der Annahme der Nothwendigkeit eines Gesetzgebers zu der Forderung einer politischen Religion ist nur ein Schritt. Hat der Citroyen ein staatliches Etre supreme, ein höchstes Wesen, so wird doch auch der Bourgeois einen Schöpfer aller Dinge, einen „gütigen Vater im Himmel" anerkennen. Ganz gewiß. Rousseau ist, wie Montesquieu, der positiven Religion gram, er verwirft die christliche Religion, wie sie sich traditionnell ausgebildet hat, er ist bitter gegen den Katholizismus, der den Menschen zwei Gesetzgebungen, zwei Häupter, zwei Vaterländer gäbe, der sie widersprechenden Pflichten
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unterwerfe und sie verhindere, zugleich Bürger und Fromme zu sein. Er verlangt eine Religion, die dem Bürgerthum des Menschen entspreche, eine bürgerliche Religion, deren Artikel der Souverän (das Volk) festzusetzen habe, nicht sowohl als religiöse
Dogmen, denn als Gesinnungen der Soziabilität. Wer diese Artikel nicht glaube, müsse aus dem Staate verbannt werden, nicht als gottlos, aber als unfähig, aufrichtig die Gesetze und die Gerechtigkeit zu lieben. Wer sich einmal zu ihnen bekannt hat und sich nachher beträgt, |128| als glaube er nicht an sie, soll mit dem Tode bestraft werden. So spricht das Vorbild Maximilian Robespierre's, auf den mit Fug und Recht die Jesuiten in Frankreich folgten, ja auf den die Inquisition hätte folgen können, weil sie in ihrer Weise ganz denselben Grundsätzen huldigt. Und welches sind die Artikel dieser bürgerlichen Religion, die den Eifer der Citroyens für die Republik so unfehlbar garantiren
soll? Das Dasein einer mächtigen, weisen, wohlthuenden, vorsehenden und fürsorgenden Gottheit; ein zukünftiges Leben; das Glück der Gerechten, die Züchtigung der Bösen, die Heiligkeit des sozialen Vertrages und der Gesetze. Wenn diese Glaubensartikel nothwendig in der Republik sind, wenn die Republik ohne sie zusammenfallt, so mag man sich das Leben unter dem sozialen Pakt ausmalen und nachher zusehen, ob man Lust empfindet, ihn einzuführen. Alle Menschen, die ein vollkommnes Bewußtsein ihrer selbst haben, werden auswandern. Es handelt sich hier nicht von Toleranz, nicht davon, ob man mit Menschen zusammenleben könne, welche diesen Glauben haben in unserer deutschen Staatlosigkeit und despotischen Anarchie haben wir gar keine Begriff von einer politischen Religion -, sondern darum, ob ein Zustand, dessen Seele jene Artikel wären, der in allen Einzelheiten der öffentlichen Existenz diese Artikel widerspiegelte, ein menschlich freier Zustand wäre? Nein! Denn wenn ich an die allmächtige und allgütige Gottheit glaube, so habe ich den Inbegriff aller Kraft und Liebe nicht im Menschen, so kann ich nicht schaffen, was groß, nicht lieben, wie es einzig schön ist; so bauen wir nicht mit menschlicher Kunst und menschlichem Fleiße den Widerwärtigkeiten der Natur vor, sondern verlassen uns auf den lieben Herrgott; so können hunderte unserer Nebenmenschen verhungern, immer im Vertrauen auf den lieben Herrgott, der ein Mißjahr zugelassen hat, während wir vertrauensvoll auf eine reiche Aernte hofften, vielleicht darum beteten, während wir hätten arbeiten sollen. Wenn die Staatseinrichtungen so beschaffen sind, als gäbe es jenseits des Grabes eine ewige persönliche Fortdauer, so kann es mir mein ganzes Leben lang hundeschlecht ergehen, ich kann gar |129| nicht zur Entwickelung meiner Persönlichkeit, zum menschlich schönen Genüsse kommen; was thut's, die Republik läßt mir durch den Mund ihrer Priester sagen: Droben ist noch lange Zeit, warte nur! Und unterdessen verwelkt und erstirbt eine kostbare Menschenblüthe nach der anderen, berufen von der Natur, freudig den Sonnenstrahl des Glückes einzusaugen und für alle sie umgebenden Menschenblüthen die süße Gewohnheit des Daseins zu verschönern. Ein Staat, der zu seiner Existenz den Glauben an den Unterschied der Guten und Bösen nöthig hat, verdient schon deshalb allein umgestürzt zu werden, weil er die menschliche Natur beleidigt. Was ist gut, was ist böse? Wenn mir Einer von Euch darauf eine vernünftige Antwort gibt, so will ich morgen Repub-
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likaner werden. Wenn die sauberen Verhältnisse unserer bürgerlichen Unordnung einen Menschen ruinirt haben, aus einem Heldenkerne einen Schinderhannes, aus einem liebebedürftigen Weibe eine Prostituirte erzogen haben, wenn das Raffinement der Gesellschaft diejenigen an den Pranger stellt, welche die Sünden der ehrlichen Leute komprommittirten, so versprecht Ihr diesen Bedauernswürdigen noch das ewige Feuer in der Hölle, und diejenigen, welche keinen Muth, keine Gelegenheit, keine Nothwendigkeit zum Verbrechen erlebten, schickt Ihr an die himmlische Festtafel? Schämet Euch! Man braucht die menschliche Natur gar nicht optimistisch zu betrachten, man braucht kein eintöniges Engelleben für irgend eine Zukunft zu prophezeien, es würde auch so langweilig sein, wie die steifen Bilder der alten Maler; aber die Exzesse der Menschennatur, die Ausbrüche der Bestialität, wie sie Euern Gerichten und Euern Henkern verfallen, sind die Wirkung der Verhältnisse; und für das Uebrige sage ich mit Meister Göthe: „Jede Schuld rächt sich auf Erden." Den Anhängern des christlichen Staates kann man immer rathen, die vortreffliche Polemik nachzulesen, welche Rousseau wider den christlichen Theismus und Spiritualismus geführt hat; sie mögen einmal zu widerlegen suchen, was er über die Unverträglichkeit der christlichen Abstraktion mit dem staatlichen und bürgerlichen Leben sagt. Wenn aber der christliche Theismus nicht in die Republik taugt, so taugt der Rousseau'sche Deismus wahrlich |130| ebenso wenig zum Fundament der wahren Gesellschaft; oder vielmehr er würde vom Erdboden verschwinden, wo er mit den übrigen Doktrinen der religiösen Abhängigkeit sein trauriges Dasein noch fristet, wären nur erst die Fundamente der wahren Gesellschaft gelegt. Die wahre Gesellschaft braucht kein religiöses Tribunal, keine Glaubensartikel und keine Gesetze des Atheismus; sie vernichtet die Wurzel alles Aberglaubens und Wahnes: die Blätter welken von selbst, der Stamm verdorrt. Rousseau's Prinzipien verhelfen der Menschheit nicht mehr zu ihrem Ziele als die konstitutionnellen Maximen Montesquieus; sie scheinen nur den Vorzug der Courage vor ihnen zu haben. Kommen die Radikalen aber an die Dinge, wo sich ihr Muth bewähren könnte, so ziehen sie sich zurück. In Amerika lebt das Wesen des Rousseau'schen Vertrages, die schweizerischen Radikalen sind Anhänger des Bürgers von Genf, die französischen Republikaner oder Demokraten ebenfalls. In Nordamerika schmachtet das Volk nach neuen Lehren, der Sozialismus macht dort Propaganda. Ein preußischer Handwerker deckte die Blößen der schweizerischen Radikalen auf. Die französischen Demokraten mußten sich der Arbeiterfrage bemächtigen, um wieder zu der verlorenen Popularität zu gelangen. Der abstrakte Radikalismus spielt in diesem Augenblicke die allerkläglichste Rolle. Den Fruchtsamen ist er zu kühn und den Kühnen zu furchtsam. Er ist Juste-Milieu geworden. Benutzen wir eine der großartigen Naivitäten Jean Jacques' zum Uebergange. Er sagt zu den Modernen, sie hätten nicht mehr die Vortheile, denen die Griechen die Freiheit verdankten. „Was (sagt Ihr), die Freiheit erhält sich nur mit Hülfe der Sklaverei? Vielleicht. Die beiden Aeußersten berühren sich. Alles, was nicht in der Natur begründet ist,
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hat seine großen Schwierigkeiten und die bürgerliche Gesellschaft mehr als Alles sonst." Die bürgerliche Gesellschaft ist unnatürlich! „Es gibt unglückliche Verhältnisse, wo man seine Freiheit nur auf Kosten der Freiheit Anderer bewahren kann, wo der Bürger nur vollkommen frei ist, wenn der Sklave vollkommen Sklave ist. Das war das Verhältniß Sparta's. |131| Ihr, moderne Völker, Ihr habt keine Sklaven, aber Ihr seid es!" Die modernen Völker sind Sklaven! ,Jhr bezahlt ihre Freiheit mit der Eurigen." Die modernen Völker sind Sklaven, der politische Vertrag macht den Einen zum Sklaven des Andern. Rousseau hat Recht, wir müssen wieder Sklaven haben, um frei zu sein. Diese Sklaven sind bereits gefunden. Wie heißen sie? Maschinen. Aber die Fabrikarbeiter sind ebenfalls Maschinen, menschliche Maschinen. Das ist eben der Fehler, das ist die Folge der bürgerlichen Gesellschaft. Die Fabrikarbeiter in Frankreich -
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murren.
Die französische Arbeiterpetition Das französische Proletariat hatte schon eine Masse Blutes in den Straßen verloren, sein Schrei nach Hülfe war erstickt. Es duldete und studirte. Der Mangel an Arbeiteremeuten in den letzten Jahren ist eine reine Folge des Ernstes, des Nachdenkens, dem sich die vierte Klasse hingegeben. Sie hat keine Zeit, auf der Straße Lärm zu schlagen, und keine Lust, der Regierung Gelegenheit zu verschaffen, sich von der ängstlichen Bourgeoisie noch mehr Gewaltmittel in die Hände geben zu lassen. Der Sozialismus in Frankreich ist nicht todt, er schläft auch nicht, er ist nur etwas fatalistisch geworden, er denkt: Jedes Ding hat seine Zeit. An dieses nachdenklich gewordene Proletariat traten die Anhänger Rousseau's und des Konvents, die Demokraten, heran, mit etwas St. Simonismus gefärbt, und sagten: ,Arbeiter macht Petitionen! Bestürmt die Kammer mit Bitten um eine Untersuchung eurer hülflosen Lage, damit die Regierung gezwungen sei, an die Organisation der Arbeit zu gehen, oder damit das Land, falls Kammer und Regierung nichts thun, klärlich einsehe, wie ohne gründliche Reform der Wahlgesetze gar nichts möglich, keine Verbesserung des öffentlichen Zustandes denkbar ist." Und die Arbeiter petitionnirten. Diese Demonstration wird für jetzt keine äußeren Folgen haben, die Million von Unterschriften wird entweder bei der Kammer durchfallen, oder von der Regierung zu den Akten gelegt werden. Die glücklich überstandene ministerielle Krisis hat die Einen hoch-|132|müthig, die Andern gleichgültig gemacht. Aber das thut nichts. Ich will diese Gelegenheit dazu benutzen, einige Worte über das Verhältniß der Politik zum Sozialismus in Frankreich zu sagen. Die Herren Nationalen mögen entscheiden, ob ich das Gefühl für die Eigenthümlichkeit der Völker verloren habe. In Frankreich entwickeln sich die großen Dinge unmittelbar, aus dem Herzen, aus der Phantasie; der Franzose denkt wenig in unserm Sinne über die Angelegenheiten der Menschheit, er denkt mit der Phantasie; erst wenn dieser praktische Sinn einen Theil des Ideals in Wirklichkeit gesetzt hat, reflektirt die Wirklichkeit auf den inneren -
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Menschen, der dadurch größer wird,
höherem Bewußtsein kommt, die Fühlfaden seiner Phantasie weiter ausstreckt. Hier heißt es: „Es wächst der Mensch mit seinen Zwecken." Die Franzosen haben vielleicht deßhalb so wenig Phantasie in ihren Dichtungen, ihre ganze klassische Literatur ist vielleicht deßhalb so nüchtern, weil sie in ihren Wollen so phantastisch sind. Die theoretischen Vermögen dieser Nation sind im Ganzen sehr gering, sie ist zur Praxis geboren, ihr Leben ist ein Handeln, und ihr Denken ist lebendig. Die sozialen Systeme, welche dieses Land hervorgebracht hat, können uns zum Lächeln bringen; aber was Frankreich thut, ist besser, als was es schreibt. Als die Kommittenten der Generalstaaten im Jahr 1789 ihre Cahiers abgaben, dachte keine Mensch unter ihnen, daß aus den Reichsständen eine Nationalversammlung, aus der Nationalversammlung ein Konvent entstehen könnte, der sogar über die Existenz Gottes abstimmen würde. Weder die Regierung, noch die Kommittenten hatten die leiseste Ahnung von dieser Entwickelung. Bei uns ist das ganz anders; bei dem Worte „Reichsstände" werden sofort spekulative Betrachtungen angestellt, von der einen Seite hofft man, von der andern fürchtet man beide Male bis in's Aschgraue hineine. Die politischen Beschwerden und Wünsche erweiterten sich 1789 erst durch die Praxis zur Behandlung der höchsten religiösen und staatlichen Fragen. Die Würfel mußten da liegen, ehe die allgemeine Aufregung zu weiteren Entschlüssen kam; Eins entwickelte sich mit Nothwendigkeit aus dem Andern; was am f 133j Anfange der elektrischen Batterie noch ein leiser kitzelnden Ruck war, wurde am Ende derselben zu Erschütterung und Tod. Man muß diese Eigenthümlichkeit Frankreichs durchaus im Auge behalten, will man seine Revolution, will man seinen gegenwärtigen Zustand verstehen, will man begreifen, was es mit Dingen, wie die Arbeiterpetition, auf sich hat, will man nicht unzufrieden werden über die Unzulänglichkeit der in Anwendung gebrachten Mittel, über die Unzulänglichkeit der Presse selbst. Die französische demokratische Presse ist blos nach deutschen Maßstäben unzulänglich. Der Geist des Volkes reicht innerlich weiter, als seine Presse, der Geist des Volkes kommt aber erst zum Vorschein in der That. Der Sozialismus des gegenwärtigen Frankreichs steht mit Nothwendigkeit auf der Stufe der politischen Revolution, der denkt und phantasirt nichts Anderes, als die Demokratie das Weitere wird sich finden. Einer der kühnsten ihrer Wortführer ruft aus: „Ehre der Revolution! Das Volk wird nicht sagen, sie habe seine langen Hoffnungen getäuscht. Sie hat im Innern ihres Genius viele Resultate verborgen, die ihre Feinde zurückdrängen konnten, die ihre Freunde mit Unwillen ausbleiben sahen. Heute zeigen sich diese Resultate, ihr Keim dringt bereits durch die dichte Decke, welche auf dem Boden des neuen Frankreichs lastet. Die Zivilisation von 1789 hat die Befreiung des Menschen ausgesprochen, sie proklamirt heute die Befreiung des edlen Gefährten des Menschen, zu
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der Arbeit." Man höre, wie die Revolution den Sozialismus in ihrem Schooße verborgen gehalten, wie die Revolution dem Menschen auch noch für alles Weitere einstehen soll, so hat man das praktische Frankreich vor Augen. Es will einen neuen Aufschwung, eine neue radikale Begeisterung, einen neuen Konvent, dann wollen wir die Arbeiterfrage schon reguliren! Wie sehr sich die Demokratie hier in einem ihrer besten Organe -
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irrt, kann man an der Entgegenstellung des Menschen und der Arbeit sehen, von denen der erstere schon emanzipirt sei, die letzteren es noch werden müsse. Grade das Geist die Wahrheit. Die politische Revolution hat die Arbeit emanzipirt, die Industrie befreit, die Innungen, Zünfte und Monopole zerstört, hat Jedem 1134| das Recht gegeben, Herr auf seinem Grund und Boden zu sein, ein beliebiges Gewerbe zu treiben, auf eigene Faust reich zu werden oder Hungers zu sterben; die politische Revolution hat die Konkurrenz geschaffen. Man lese die Blätter der dynastischen Opposition, wie sie die Handels- und Gewerbefreiheit förmlich mit zu den Menschenrechten zählen, wie sie außer sich gerathen, sobald an die „freie Konkurrenz" getastet wird, während sich die wahre Assoziazion zur freien Konkurrenz verhält, wie ein schöner rhythmischer Tanz zum wilden Durcheinanderspringen Betrunkener. Die Akademie von Màcon hat sogar einen Preis dafür ausgesetzt, wenn Einer beweisen will, die Organisation der Arbeit könne am besten bei freier Konkurrenz stattfinden. Das konfuse Haupt des Herrn von Lamartine guckt durch dieses Gestrüpp von Unsinn hindurch. Die Frage der Akademie von Màcon ist grade so gescheid, wie die andere wäre: Ob nicht ein lyrischer Poet das beste Administrationsgenie sei? Die politische Revolution hat die Arbeit befreit, keineswegs den Menschen; hätte sie den Menschen emanzipirt, so wäre Alles geschehen, so brauchte von keiner Arbeiterpetition, von keiner Enquête, von keiner Organisation die Rede zu sein. Die Arbeiterpetition heißt ja nichts Anderes, als die Petition des Subjekts der Arbeit, ebenso frei zu sein, wie die Arbeit selbst. Die Arbeit ist frei, der Arbeiter ist ein Sklave geblieben, das Attribut ist emanzipirt, die Seele des Attributs, der Inhalt, der Mensch nicht. Die politische Revolution kann nur Sachen befreien, Sachen eine andere Lage und Ordnung anweisen, die Menschen muß sie als Sklaven belassen. Dieser Irrthum der französischen Demokratie würde vielleicht in Deutschland sehr verderblich sein, in jedem andern Lande überhaupt, welches nicht der Initiative der That gewiß wäre. In Frankreich zieht dieser Irrthum keine bösen Folgen nach sich, er korrigirt sich selbst. Hören wir den Schluß von Dupoty 's Artikel in der „Reforme," so wird uns klar werden, was tief hinter der Arbeit verborgen liegt, deren Befreiung fälschlich zum Symbol des gegenwärtigen Frankreichs gemacht worden. Dupoty spricht zur Kammer und zur Regierung: 1135| „Entweder Ihre nehmt die Enquête an und realisirt sie; und dann werden die Demokratie und die ökonomische Wissenschaft von den blutenden Wunden des Proletariats einen Schritt thun, der gewiß nicht in den Kram der herzlosen Menschen passt, welche entschlossen sind, die Mißbräuche um jeden Preis beizubehalten, dieser wüthenden Moderados, welche gern Alles zerstörten, um das zu erhalten, was sie Ordnung nennen. Oder Ihr schlagt sie ab, indem Ihr wenigstens Alles anwendet, um ihre Mittel zu paralysiren, um ihre Folgerungen und ihr Resultat zu umgehen; dadurch werdet Ihr Eure Ohnmacht, Euern bösen Willen zu erkennen geben und die Wichtigkeit der Wahlreform und aller übrigen demokratischen Garantieen beweisen, welche einzig das Land in Stand setzen können, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Was gibt es Nützlicheres, was politisch und sozial gesprochen Praktischeres, als zum letzten Male
gentheil
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Zum letzten Male! Wenn die Regierung die diese feierliche Probe anstellen?" Nachgiebigkeit besäße, der Arbeiterpetition Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, so werden Schritte geschehen, die gewiß nicht in den Kram der herzlosen Menschen passen! Setzt sich Frankreich nur erst in Bewegung, sei es auch in eine demokratische morgen, übermorgen ganz gewiß, ist keine Seele des offiziellen Landes von heute mehr Herr der Bewegung, und dann könnten Schritte geschehen, die vielleicht nicht einmal in den Kram der Demokraten paßten!! Ein Departementalblatt sagte neulich gradezu, die Arbeiterpetition enthalte die neuen Cahiers der Deputirten. Cahiers! das ist ein gefährliches Wort. Wenn sich nun an die neuen Cahiers die Verdoppelung der Volksdeputirten anschließen sollte, so wären wir am Anfange einer Bahn, deren zweite Station schon außerhalb der Politik liegen würde. Louis Philippe gibt niemals die Wahlreform zu; er kennt die Geschichte, er sieht den Verlauf der Dinge in Frankreich besser, als alle Demokraten zusammengenommen. Aber die Nothwendigkeit der Dinge ist mächtiger, als beide; die Politik des Einen und die Umschweife der Andern werden von dieser Nothwendigkeit verlacht werden. Der Anfang ist immer das Nüchterne, das Naheliegende, das Allen Begreifliche; das Ende des Anfangs ist |136| das Funkelnagelneue. Alle die Begriffe von „Wahlreform", „Demokratie", „Revolution", „Cahiers" sind alt und abgethan; das Neue schafft sich selbst seine Terminologie, und ich sehe die heutigen Republikaner schon erstaunt und verblüfft, wenn ihnen der Zügel der Bewegung blutige Striemen durch die Hand reißt, das Roß selbst aber zu ihrem Schrecken und Entsetzen daherjagt. —
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Deutschland
Frankreich hat seinen Weg durch die moderne Politik genommen; diese Politik ist sein Werk; wenn es daher bei der bevorstehenden Weltbewegung von politischen Gedanken ausgeht, so haben wir ihm das keinen Augenblick übel zu nehmen, wir müssen es nur verstehen. In Deutschland ist die Sache anders; Deutschland hat die Philosophie und die Wissenschaft ausgebildet, es hat verschmäht, mit halbfertiger Einsicht in die Dinge der Welt und in die Natur des Menschen an's Werk zu gehen. Es hat viel Blut gespart, gegen viel Erniedrigung -, es ist getäuscht worden, aber es hat sich nicht selbst getäuscht. Deutschland will jetzt an die Wirklichkeit gehen, es will sein Leben gestalten, nachdem es die Menschen ergründet hat. Sollen wir den Umweg durch die Konstitution und den politischen Vertrag machen? Einen Umweg, der sich durch die Erfahrung anderer Länder schon vollständig gerichtet sieht? Ich dächte nicht, ich dächte wir befaßten uns mit dem Einfachen, mit dem, was Allen begreiflich ist, die nur wollen. Das Glück jedes Einzelnen durch das Glück Aller, die Freiheit Aller durch die Freiheit des Einzelnen, die Garanticen für dieses Glück und für diese Freiheit durch Produktion nach eines Jeden Kraft und durch Konsumtion nach eines Jeden Bedürfhiß: wollen wird das? Wohlan, wir können es haben ohne die Konstitution, ohne die Politik. Im Frieden? Ja, wenn Alle
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wollen, die ein Interesse dabei haben. In Lausanne ist jüngst eine politische Revolution
ohne einen Tropfen Blutes vor sich gegangen. Der Deutsche ist human von Hause aus, er kennt die engen und bornirten Parteiansichten Frankreichs und Englands nicht; er geht auf jede neue Ansicht bereitwillig ein, er ist ein theoreti-|137|sches Gemüth. Es geht nur darum, daß der humane Deutsche ein Humanist werde. In der „Trier'schen Zeitung", welche den deutschen Sozialismus am Vollständigsten oder vielmehr einzig von den deutschen Tagesblättern entwickelt hat, erhob ein Mitarbeiter aus dem Lager der Liberalen die Frage, wie sich denn eigentlich Politik und Sozialismus zu einander verhielten, ob der Sozialist nicht auch Politiker sein müsse, wie der Politiker auch Sozialist. Die „Trier'sche Zeitung" hat einen Kreis von Mitarbeitern, mit denen ich mich gern immer verständigen möchte, welche sämmtlich des besten Willens voll sind. Ich antwortete daher auf jenen Zweifel in sehr gemäßigter Weise, wurde aber vom Zensor nicht gut geheißen und auch „von Rechtswegen" nicht zum Drucke zugelassen, weil ich eine „Theorie entwickelt", die „auf Erschütterung der bestehenden Verfassung abziele". Was ich dort andeuten wollte, war ungefähr Folgendes: Nichts scheint uns natürlicher, als das Schwanken der öffentlichen Meinung, wenn es sich von einer neu aufgesteckten Fahne, von einem Prinzip handelt, welches mit dem Ansprüche auftritt, Alles in Allem zu sein und alle Freunde des Fortschritts um sich zu versammeln. Die Denkenden, insofern sie nicht vorher schon selbstständig bis zu jenem Prinzip vorgedrungen waren, werden am Längsten zaudern und zweifeln. Das, was sie sich im Wege des hingehendsten Nachdenkens errungen, und was sich auf ein ganz Bestimmtes, in scharfen Gränzen Ausgesprochenes reduzirt, wollen sie nicht ohne Weiteres preisgeben; dieses Widerstreben ist um so hartnäckiger, je größer vielleicht vorher der Kampf war, den ihr Verstand oder ihr Herz mit dem Egoismus und den Rücksichten führte. Dazu kommt nun, daß Deutschland wirklich seit vier Jahren einer Wetterfahne gleicht, die bald in diesen, bald in jenen Winkel zu zeigen scheint; daß seit vier Jahren in Deutschland Riesenschritte gemacht worden sind, welche die trotzig Wartenden der dreißiger Jahre bald um ein gutes Stück überholt hatten. Diese Dinge läugnet kein Mensch, und das vorgerückteste Blatt Deutschlands hat mit vollkommen richtigem Bewußtsein den Sozialisten, wie deren An-|138|zweiflern, dem Für und dem Wider, seine Spalten geöffnet, insofern es von der Kompetenz und der redlichen Absicht der Auftretenden überzeugt war. Dieses Blatt scheint aber dennoch mit uns fest überzeugt zu sein, daß die Frage der Zukunft die gesellschaftliche Frage ist, daß diese Frage bald alle ausgezeichneten Denk- und Thatkraft in Anspruch nehmen wird, daß jede andere Frage innerhalb ihrer Platz finden kann, in ihr aufgehen und daher den Charakter des Tonangebenden, des Bestimmenden verlieren muß. Um diese vielleicht etwas unklare Behauptung zu rechtfertigen, wollen wir die in Nr. 336 der „Trier'schen Zeitung" namhaft gemachten Gegenstände: Preßfreiheit, allgemeine Stände, Geschwornengericht, Unterrichtsfrage, einmal vom sozialen Standpunkte aus betrachten, um zu sehen, ob der Sozialist wohl Politiker sein könne. Der Sozialismus ist die Wissenschaft der
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besten Gesellschaft, die Kunst, den Einzelnen zur vollen Entfaltung seiner Kräfte, zum vollen Genüsse seines Daseins kommen zu lassen und das Ganze, die Gesellschaft so zu organisiren, daß das allgemeine Beste grade aus dem Besten jedes Einzelnen resultire. Gut. Die Preßfreiheit nun ist das Recht oder die Freiheit der Gedankenerzeugung und Mittheilung, das Recht oder die Freiheit, das, was mein geistiges Wesen erzeugt, Andern frei und offen zukommen zu lassen. Der Politiker aber faßt die Preßfreiheit nur so weit, als der jedesmalige Contra[c]t social reicht. Wir haben bei dem radikalen Rousseau gesehen, wie er seine bürgerliche Religion durch die Todesstrafe geschützt wissen will, wie die Volkssouveränität das Werk eines außer ihr stehenden Gesetzgebers annimmt, heilig spricht und folglich gegen jeden Einzelnen schützen wird. Hier hat also die Preßfreiheit ihre Schranke an der bürgerlichen Religion und am sozialen Pakte selbst, eine Schranke, die durch das bekannte Wort: Preßgesetz hinlänglich bezeichnet ist. Das Preßgesetz ist die Schranke der Preßfreiheit. Man könnte freilich hier mit einem Abgeordneten des siebenten rheinischen Landtags die wichtige Bemerkung machen, ob denn jeder „namenlosen Strauchdieb" unsern „ehrlichen Namen" besudeln dürfe; aber dieser scharfsinnige Einwand ist leider unter unserer Kritik, da |139| er den Staat nicht einmal als Sache des Citroyen betrachtet, sondern ihn nur als Stadtsergeanten für den „guten Ruf des Bourgeois ansieht. Die politische Preßfreiheit geht im allerhöchsten Falle bis zur Erlaubniß eines Tadels der Verfassung; in der Regel beschränkt sie sich auf eine Kritik des Ganges der Verwaltungsmaschine, der funktionnirenden Beamten, der Vertheilung der Steuern. In England ist vor zwei Jahren eine Frau verurtheilt worden, weil sie atheistische Bücher verkauft hatte. Diese Frau gelobte, wenn sie wieder frei würde, ihr Geschäft von Neuem zu beginnen. Eine solche Frau steht über der englischen Freiheit, die ganze englische Freiheit hat nicht Raum für dieses Weib. Ob sie das Wort „Sozialismus" jemals gehört hat, oder nicht, sie war Sozialistin. Die politische Doktrin faßt die Preßfreiheit nur als bürgerliches Recht, nicht als menschliches. Schlimm genug, wenn Verfassung, Verwaltung, Besteuerung, diese nichtigen und äußerlichen Dinge, so mächtig und einflußreich sind, daß ich mir einbilden kann, sie machten mein Wesen aus; schlimm genug, wenn es blos Bürger gibt und keine Menschen; aber soll daraus folgen, die staatliche und bürgerliche Freiheit sei die höchste? Man blicke doch nur auf die deutsche Entwickelung hin, auf diese so räthselhafte, unverstandene Entwickelung! Wir hatten niemals politische Freiheit, wie sie Frankreich und Belgien besitzen. Wenn aber Fichte und Hegel in Berlin lehren, in der Königstadt selbst, wenn Göthe Minister in Weimar sein konnte, der Dichter des „Faust" und des „Prometheus"; wenn Feuerbach das Christenthum zerstört, von keinem Conclave, von keiner Synode in den Bann gethan wird und ruhig in Königreich Baiern lebt: seht, das ist menschliche Freiheit! In dem politisch freien Frankreich ereifern sich die Bischöfe gegen die unschuldige Cousin'sche Philosophie, setzen Minister und König in Angst,
das passirt in einem Lande bürgerlicher Freiheit. In Deutschland, wenn man sich die Mühe gibt, von diesem mystischen Nationalismus zu reden, erklärt man ihn für theologische Weltanschauung! Die Preßfreiheit ist für
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Deutschland eine menschliche Frage: zweifelt man daran, ob wir für sie kämpfen werden? 11401 Die allgemeinen Stände sollen eine Vertretung der Nation sein, sollen die Rechte Aller repräsentiren, sollen den Gesammtwillen entweder zum Gesetz machen, oder einen Compromiß zwischen dem Gesammtwillen und dem Königlichen Willen herbeiführen. Glaubt Ihr, wir wollten die Gesellschaft zum rohen, zügellosen Haufen machen, sie würde für uns gleichbedeutend mit einem Schwärme von Kannibalen werden, die sich unter einander auffräßen? Wir wollen eine Verwaltung, eine Administration der Gesellschaft. Indem wir aber das hohe Ziel vor Augen haben, durch Erziehung und durch Lösung der Eigenthumsfrage den Menschen zum vernünftigen Wesen, zum sittlichen Charakter zu machen, soll uns diese Administration keineswegs eine voluminöse Gesetzgebung im hergebrachten Sinne liefern, soll das Gesetz aufhören, das Fallbeil für den widerstrebenden Einzelwillen zu sein, weil Gesammtheit und Einzelner eben in Harmonie gebracht werden. Die Verwaltung hat Nichts zu thun, als die Konsumtion zu reguliren, so daß sie in der gehörigen Ausdehnung reproduktiv werde, sie beseitigt die momentanen Hindernisse, welche den thätigen Kräften und den Genüssen sich in den Weg stellen. Der Sozialist macht also aus der Frage der „allgemeinen Stände" die Frage nach der Wahl der Organisationstalente. Das „Geschworenengericht" setzt die Kriminalität, die absolute Notwendigkeit des Verbrechens voraus; nach dieser Theorie muß es Diebe, Räuber und Mörder geben, welche von Staatswegen zu reprimiren sind. Das Geschwornengericht ist also rein staatlich, rein politisch. Das Geschwornengericht ist vielleicht die bestmögliche jedesmalige Herstellung eines Ur- und Grundfehlers im sozialen Kontrakt selbst, die Trennung des Citroyen und des Bourgeois; aber was hilft mich die bestmögliche Herstellung, wenn der Fehler begangen ist und in Kraft bleibt. Verstopfen wir die Quelle des Fehlers, werfen wir den Citroyen mit dem Bourgeois zusammen, daß ein Mensch daraus entstehe, der keine besondere „Güter" mehr zu schätzen hat. Der Sozialist fragt nicht, wie ist das Verbrechen am Gerechtesten und mit der größten Garantie für den Angeklagten zu bestrafen, sondern wie ist es zu verhindern, wie ist die nächste Generation zu |141| reformiren. So wird dem Sozialisten das Geschwornengericht zum sittlichen Aréopage7, zum Bildungsrathe, zur Zensur im alten römischen Sinne, es wird das Institut, welches vielleicht vorläufig nöthig ist, um in gegebenen Fällen über einen sittlichen Konflikt zu entscheiden. Das Geschwornengericht des Sozialisten fällt nahe an die Gränze der Unterrichtsfrage. Die Unterrichtsfrage wie sie heute Gegenstand des Streites geworden, ist Nichts weiter, als eine Frage der Konkurrenz zwischen Kirche und Staat; die aufgeklärt sein wollen, schlagen sich auf Seite des Staates und nennen die Vertheidiger der Kirche "
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Finsterlinge. eben
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Der Staat aber hemmt seinem Wesen nach die Freiheit der
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sehr, wie die Kirche, wie die Jesuiten; der Staat ist der weltliche Jesuit und wie wir bei Rousseau deutlich sahen. In Frankreich
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Collège und einem kleinen Seminar eine absolute Wahl zu treffen, ist dem Denkenden rein unmöglich. Kommt es aber einmal dazu, weder den Bürger noch den Gläubigen, sondern den Menschen zu erziehen, handelt es sich um die schützende Pflege des Kindes, das zur vollen und reinen Selbstbestimmung kommen soll, so wird das Entweder und das Oder, der Staat und die Kirche, die bürgerliche Aufklärung und die jesuitische Verfinsterung für gleich verwerflich erachtet werden müssen. Der Sozialist betrachtet folglich die Unterrichtsfrage als allgemein menschliche Erziehungsfrage. Aus dem Vorhergehenden muß erhellen, daß die erwähnten politischen Gegenstände nicht nur sich auf die höchste menschliche Aufgabe beziehen und insofern sozialistische sind, sondern daß sie von dem Augenblicke an soziale und nur soziale Fragen sind, wo man sie auf die höchste menschliche Aufgabe bezieht. Beläßt man sie als politische Fragen, so sind sie eben halb, verkümmert, dienen nur dazu, den ewigen schlechten Kreislauf zu unterhalten, den wir so gut kennen, weil die Politik nicht im Stande war, ihn zu durchbrechen. Laßt uns doch einmal Ernst mit der Menschheit machen; Chimäre ist nur, was dieser Ernst nicht will. Niemand fühlt sich wohl in unseren halben und ver|142|kümmerten Zuständen. Es gibt leider Gesellen, welche die brennende Sehnsucht nach menschlichem Leben und Wirken als ein Trugbild verlachen, obgleich diese Sehnsucht gerade die vorläufige Garantie des zukünftigen Sieges ist. Her zu uns, wer Muth und Zuversicht in sich trägt! Wie sehr man Recht hat, vom Sozialisten zu verlangen, er solle auch Politiker sein, haben wir dadurch dargethan, daß wir den Sozialisten den Politiker gänzlich absorbiren ließen. Das Umgekehrte aber ist ein Ding der Unmöglichkeit, der Politiker kann nicht Sozialist sein; er kann es nur werden, wenn er aufhört, Politiker zu sein. Der Begriff des Politikers ist der engere, der ausschließliche, der abstoßende. Man lese nur das dumme Zeug, was Politiker von Profession über den Sozialismus zu Tage gefördert haben. Ist der Begriff der Politik einmal festgestellt, so werden alle weiteren Ausführungen immer wieder bei diesem Begriffe ankommen. Der Sozialist dagegen kann so sehr Politiker sein, daß er erst die Frage löst, welche die Politik zu lösen rein unfähig ist. Wir hoffen, durch diese Andeutungen einen Zweifler vollständig bekehrt zu haben, der übrigens schon jetzt vom Sozialismus eine hohe Vorstellung haben muß, da er uns die untergeordneten Freiheitsbestrebungen ausdrücklich „in die Hände arbeiten" läßt, ja der die „allgemeinen Stände" zuletzt blos will, damit die wahre Vergesellschaftung in's Werk gerichtet werde. Die Herren Politiker können ruhig sein; die Konstitutionnellen mögen sich überzeugt halten, daß sie ruhig in ihrer eigenen Gedankenlosigkeit verkommen werden; die Radikalen, wen sie denken können, werden einsehen, daß wir keine philanthropisch erweichenden Pflaster auflegen, daß wir vielleicht ihren sämmtlichen Todesmuth, ihre ganze Charakterstärke nützlich anwenden können, daß es aber die höchste Zeit für sie ist, sich unter unsere Fahne zu stellen, wollen sie nicht das Loos der Konstitutionnellen theilen. O wie schön wäre es, wenn Montesquieu vor hundert Jahren schon für Deutschland das richtige Horoskop gestellt hätte, als er in den „Persischen Briefen" schrieb: -
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„Deutschland ist
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noch ein Schatten des alten Reiches; aber ich glaube, es ist die 1143 J einzige Macht auf der Erde, welche die Theilung nicht geschwächt hat, die einzige glaube ich ferner, die in dem Maße ihrer Verluste stärker wird, und die, langsam im Benutzen des Erfolges, unbezwingbar durch ihre Niederlagen wird." Die Theilung war ein politischer Akt, unsere Verluste politische Akte, unsere Niederlagen ja wir liegen politisch sehr tief darnieder. Wenn unsere menschliche Erhebung in Verhältniß stehen soll so müssen wir sehr hoch steigen. zu unserer politischen Niederlage nur
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Schluß
Preußen bekommt also eine Konstitution. Der Landtagskommissär zu Breslau hat es den versammelten schlesischen Ständen eröffnet. Der Abgeordnete Camphausen von Köln soll eine wunderschöne Rede im Sitzungssaale der rheinischen Stände zu Coblenz gehalten haben, worin er die Nothwendigkeit der Generalstaaten bewiesen. Preußen bekommt eine Konstitution. Auch der Doktor Jakoby rührt sich wieder. Ich will eine Stelle aus dem Courrier français hersetzen, von der ich versichere, daß sie weder von mir, noch meines Wissens von einem meiner Freunde herrührt. Ich bemerke das, weil die Stelle mir zugeschrieben worden. „Seit dem Jahre 1840 hat die politische Bewegung in Deutschland ein ganz anderes Ansehen gewonnen. Die konstitutionnelle Partei, der ihre Verfolgungen von Seiten des Bundestages einen erhöhten Kredit verschafft hatten, verliert von Tage zu Tage an ihrem Einflüsse. Das Beispiel Frankreichs und Englands reizt den gesunden Theil des deutschen Volkes wenig. Von einer Seite sind die Konstitutionnellen durch eine begeisterte Jugend überholt, die vor allen Stücken soziale Reformen verlangt, von der andern werden sie durch ausgezeichnete Leute verspottet, welche der absoluten Monarchie anhangen und lieber mit dem Volke gemeinsame Sache machen, als mit den sogenannten konstitutionnellen Bour-
geois."
Im Jahre 1840 soll nach demselben Courrier français Alexander von Humboldt schon bis Köln gereist sein, um dem Könige der Franzosen auf Grund einer preußischen Konstitution ein Bündniß anzutragen. In Köln soll ihn ein Kourier zurückgerufen |144| haben. Fürst Metternich hatte es gerathen. Wollte man heute, meint der Courrier, wieder auf jene Absicht zurückkommen, so sei es zu spät. „Warum? Weil der Geist des Volkes sich entwickelt hat, und wie der Kampf zwischen der Regierung und der Elite des Landes nicht mehr auf konstitutionnellem Boden ist, sondern auf sozialem und philosophischem Gebiete." „Wäre es nicht lustig, schließt der Courrier, eine Konstitution, eine Charte, eine Tribüne administriren zu sehen, wie eine Art Abkühlung und wie ein narkotisches Mittel?" Es wäre in der That sehr lustig. Wie der dynastische Courrier français zu einem so genialen Gedanken kommt, kann ich nicht sagen. Aber es wäre lustig. Hilf nur, Du
Politik und Sozialismus
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enthusiastische Jugend, Du entwickeltes Volk, Du Sache lustig bleibt! 10. März 1845. -
gesunder Theil der Nation,
daß die
Karl Grün
Theologie und Sozialismus1
Die beiden Begriffe, die in der Ueberschrift beisammen stehen, haben in der Theorie sehr wenig mit einander zu schaffen. Wo die Theologie aufhört, fängt der Sozialismus noch lange nicht an; und wo der Sozialismus Ernst mit seinem Wesen macht, da darf er nicht erst die theologischen Voraussetzungen zu bekämpfen haben. Auch möchten wir nicht durch die obige Zusammenstellung Denen Vorschub leisten, die von dem Grundsatze ausgehend: was man bekämpfe, daran hafte man, uns unsere eigenen Gegner ins Gewissen zu schieben bemüht sind, um uns überhaupt nur los zu werden. Der Zusammenhang zwischen Theologie und Sozialismus, von dem im Folgenden die Rede sein wird, ist ein historischer, empirischer, außer unserer Schuld liegender. Eine neue Wahrheit, eine neue Weise der Anschauung wird in der Regel von allen, selbst den ungehörigsten Leuten in Anspruch genommen: wenn die Könige bauen, haben die Kärrner zu thun. Erlebte es die kantische Philosophie, daß ihre Anschauungsweise bis auf die Stallfütterung herab angewandt wurde: warum sollte es sich die Theologie nicht einfallen lassen, Sozialismus zu treiben? Es ist hier nicht die Rede von den sozialen Bestrebungen im Reformationszeitalter, die sich der „christlichen Freiheit" der Glaubenserneuerer anschließend, das Reich Gottes auf Erden verwirklichen wollten, während doch das Reich Gottes wesentlich darin besteht, nicht verwirklicht werden zu können; eben so wenig von der Rückwirkung solcher Lehren auf Frankreich, wo der Abbé Fleury selbst das schöne Beispiel der Gütergemein-|21 |schaft in Jerusalem bewundert hat, oder auf England, wo die letzte Konsequenz des Puritanismus auf den Kommunismus hinauskam. Solche Erscheinungen sind respektabel, weil Theologie und Religion in ihnen noch
Theologie und Sozialismus. In: Rheinische Jahrbücher zur gesellschaftlichen Reform. Hrsg. unter Mitwirkung Mehrerer von H. Püttmann, 2. Bd., Belle-Vue bei Constanz 1846, S. 20-60. K. Grün:
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Theologie und Sozialismus
ziemlich Eins waren, weil die Theologie damals noch nicht die Frechheit besaß, zuerst bei der Philosophie in die Schule zu gehen, um nachher das Grade krumm und das Krumme grade zu machen, weil die Theologie von damals noch nicht die Theologie des 19ten Jahrhunderts war. Die Heuchelei ist heute mindestens doppelt so groß als vor der französischen Revolution. Von dieser doppelten Heuchelei ist die Rede, von der Verworfenheit des menschlichen Verstandes, der sich zum heiligen Christoph des Glaubens hergegeben hat, ein halbes Jahrhundert nach der Encyklopädie, fast ein Jahrhundert nach dem Testamente des Landpfarrers Meslier! Daß die heutige Theologie es wagt, den Sozialismus escamotiren zu wollen, das ist ein Faktum, welches Todte vor Erstaunen wieder wachrufen könnte; denn diese Theologie hat das Bewußtsein ihrer Grund- und Bodenlosigkeit, sie hat das Bewußtsein, daß ihre nothwendige Stütze, ihre unerläßliche Voraussetzung, das religiöse Bewußtsein im Herzen des Volkes, wankt, und eine Befestigung nach der andern räumt. Diese Seiltänzerin, wo kein Seil mehr ist, diese Fischerin auf trockenem Lande, diese Geschichtschreiberin auf einer Robinsonsinsel, will sich des gediegensten und allerkörperlichsten Stoffes bemächtigen, um Ehrensäulen daraus für sich zu bauen. So mächtig ist aber auch zugleich der innere Gedanke der sozialen Revolution, so einleuchtend ist die Wahrheit der Forderung, daß die bestehende Oekonomie unserer Gesellschaften nicht bleiben kann, soll die Welt nicht bei lebendigem Leibe verfaulen. Wenn Theologen und Juristen mit der Feuerspritze heranrücken, so ist gewiß ein ordentlicher Brand vorhanden. Der Schilderung des theologischen Sozialismus in Frankreich werden wir die seines graden Gegentheiles folgen lassen, der sozialistischen Theologie in Deutschland. In Frankreich maskirt sich die Theologie als Sozialismus, und wird zuletzt |22| als simple Theologie erkannt, was einen allgemeinen Fiasco erregt; in Deutschland erscheint die Theologie auf dem Maskenballe des Lebens, und wenn man ihr am andern Morgen für die Larve herunterzieht, so steht die soziale Weltanschauung vor uns. In Frankreich weiß es die Theologie, daß sie eine Maske vorlegt; der junge theologische Sozialismus in Deutschland hat kein Bewußtsein seiner Verkappung, er ist es seit der Väter Zeiten er denkt gar nichts so gewohnt, daß man in Gesellschaft als Pfaffe gekleidet auftritt Schlimmes mehr dabei. In Frankreich besteht der Hauptwitz in der Maskerade, man macht nur Lärm und Aufsehen, so lange die Maske klebt; in Deutschland geht der Jubel erst bei der Demaskirung los, vorher tanzte und gebärdete man sich ängstlich. In Frankreich ist endlich die ganze Handlung bereits vergangen, in Deutschland stehen wir mitten im Stücke. Und wie gesagt, das Beste kommt hier zuletzt. -
Der theologische Sozialismus der Franzosen
Daß der sämmtliche Sozialismus der Franzosen noch religiös sei, religiös bis zu dem stark geistigen Proudhon hin, haben wir hoffentlich bewiesen. Man kann religiös sein wider seinen Willen; so lange man etwas Allgemeines anerkennt und verehrt, das nicht
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Theologie und Sozialismus
sofort identisch ist mit dem Einzelnen und Subjektiven, so lange ist man religiös, hätte durch Trugschlüssen zu man auch jene Identität hundertmal behauptet, und sogar erhärten gesucht. Was z. B. von dem Stirnerschen Buche2 bleiben wird, und was sich nicht wegdisputiren läßt, ist die Warnung an den deutschen Sozialismus, gründlich zuzusehen, ob das allgemein Menschliche wirklich nur unmittelbar identisch sei mit der Freiheit des Individuums, des Dieses, zuzusehen, ob der Feuerbach ein freier Mann oder ein „Pfaffe" ist: eine Untersuchung, die ganz ruhig neben dem Lauffeuer der sozialistischen Propaganda gepflegt werden kann, da bis zur Stunde des Sieges jedes kämpfende Individuum |23| nur das Seinige sucht. Religiös sind wir vielleicht Alle, den Stirner nicht ausgenommen, insofern auch er zur Bezeichnung seiner Ideen, seines Wollens oder Nichtwollens, Vorstellungen und Worte aus der alten Welt gebrauchen muß, insofern wir erst vollständig uns befreien können, wenn die Schwerter klirren, wenn wir in der Unmittelbarkeit des Kampfes neu geboren werden. Vor der Religiosität in diesem Sinne läßt sich nicht herkommen, wir tragen sie als den historischen Staub der Welt auf unsern Kleidern. Anders ist es mit der Theologie, mit der bewußten und gewollten Religiosität; theologisch nennen wir es, wenn Einer von irgend welchem Systeme der alten Welt- und Gottesanschauung ausgehend, auf diesen Rock die neuen Lappen der harmonischen Gesellschaft flicken will, wenn sich die Pantheisten, Deisten, Theisten, Christen und Ultramontanen sozialistisch gebärden, und die Welt der Zukunft in die Remisen oder Ställe ihrer fertigen Vorstellungen einquartiren. Diese stupide Richtung nennen wir den theologischen Sozialismus. Daß der wahre Katholizismus wie der wahre Protestantismus unfähig sind, sich ernstlich um eine menschlich-vernünftige Einrichtung auf Erden zu bekümmern, bedarf keines Beweises mehr. Der katholisch wie der protestantisch Religiöse im wahrhaften Sinne des Wortes müssen es für die ärgsten Todsünde halten, das irdische Leben für einen Selbstzweck zu erklären, dieses Leben mit dem Stachel der Sünde im Herzen, dieses Geschwür am Leibe Gottes. Und die Theologen des Katholizismus wie des Protestantismus, wenn sie sich mit der politischen Freiheit und dem sozialen Wohlergehen der Menschen befassen, sind heute, wie schon früher, wahre Abtrünnige von der ihnen anvertrauten Mission. Die Jesuiten haben den katholischen Glauben nicht schlimmer untergraben, als diese Theologen den Glauben überhaupt. Kein Mensch ist zum Atheismus behülflicher gewesen als die Jesuiten: der Jesuit Basquez behauptete, man brauche Gott erst zu lieben, wenn man zu sterben komme; Hurtado3 verlangte, man müsse Gott alle Jahre einmal lieben; Henriques meinte, es sei alle |24| fünf Jahre genug; Sotus bestand darauf, alle Sonntage sei es nothwendig. Ist diese Willkür erst in die Liebe zu Gott eingeführt, so wird sie sich sehr bald an seine Existenz wagen; soll -
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nicht über einen Gott lachen, der alle fünf Jahre einmal geliebt sein will? worüber ich aber lache, das habe ich vernichtet. Beschäftigen sich die Theologen mit politi-
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Siehe M. Stirner: Der Einzige und sein Eigenthum, Leipzig 1845. Diego Hurtado de Mendoza ( 1503-1575), spanischer Staatsmann und Dichter.
Theologie und Sozialismus
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scher Freiheit und menschlichem Glücke, so lästern sie den Inhalt ihrer eigentlichen Lehre; nur der Protestantismus, der sich mit seiner „Freiheit des Geistes", mit seiner „freien Forschung" so groß weiß, während doch die Reformatoren die christliche Freiheit nur innerhalb des Glaubens anerkannten, der Protestantismus ist mit seinen Ketzereien dahin gekommen, daß ihm nicht mehr ein Konzil aus seiner eigenen Gemeinschaft, sondern nur ein feierlicher Kompromiß mit der katholischen Kirche helfen kann. Für den Protestantismus als Kirche, als dogmatische Welt ist kein Heil abzusehen, als wenn er mit der Alleinseligmachenden wieder zusammenfließt. Professor Leo4 in Halle hat etwas Aehnliches gewittert. Ein Bündniß beider Kirchen, das in der Politik längst realisirt ist denn die ganze heutige Politik ist entschieden konservativ, romantisch, d. h. katholisch wird auch im Dogma, im Kultus beantragt werden; der Anglikanismus steht als passende Mittelsperson da. Man schließe die „heilige Allianz" der Kirchen, man nehme auch die orthodoxen Juden in den Kauf, von deren Zähigkeit man lernen kann: man lasse denen Platz, die zweifeln, und denen, die Nichts glauben; auch diese werden sich vereinigen. Sogar der Ultramontanismus ist in Frankreich Sozialist geworden. Nicht wegen der inneren Bedeutung dieser seiner Anstrengung, sondern der Merkwürdigkeit halber zitire ich das Buch des Herrn Louis Rousseau das als die äußerste Möglichkeit menschlichen Wahnsinnes gelten kann. Frankreich wurde nach der Julirevolution mit sozialistischen Ideen und Systemen überschwemmt; die Propaganda der gesellschaftlichen Reformatoren, so religiös wir sie auch im innersten Kerne noch gefunden haben, that doch jedenfalls der positiven Reli-|25|gion, der Kirche, dem Glauben, dem Priesterregiment Abbruch. Da kam die Lebensfreudigkeit des Fourierismus herangezogen, die ein lautes: Edite bibite!6 predigte, die den irdischen Genuß als das Höchste und Letzte proklamirte, die es ganz naiv heraussagte: wenn es Drüben noch etwas gebe, so sei das Welches Heidenthum, welnur eine Fortsetzung in inflnitum des irdischen Bankets. cher Gräuel! Aber der Fourierismus hatte die Rechnung ohne den Wirth, ohne den ultramontanen Herrn Louis Rousseau gemacht. Dieser Herr unternahm das große Kunststück, den Fourierismus katholisch zu machen, er schrieb ein Buch: Kreuzzug des 19. Jahrhunderts, um die soziale Wissenschaft auf einer christlichen Grundlage herzustellen. Wie bringt er das fertig? Sehr einfach. Er stiehlt dem Fourierismus die Idee des Phalanstère, führt in das gestohlene Phalanstère die christliche Moral ein, und tauft dann sein Machwerk die „christliche Tribus". Die fourier'schen freien Leidenschaften werden eingesperrt, die Gruppen und Serien von Pfaffen kommandirt. Das macht sich viel bequemer. Das ganze unchristliche Räderwerk der berechneten Organisation wird auf die unverschämteste Weise ausgebeutet zum Nutzen der Kirche. Wahrlich, die Kirche hat einen guten Magen, so eben hat sie den Fourier verschluckt. -
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Heinrich Leo (1799-1878). Louis Rousseau (1787-1856). (lat.) Eßt und trinkt!
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Ich wiederhole, nicht der Gedankeninhalt des Rousseau'schen „Kreuzzuges" ist von Bedeutung, sondern einzig der Umstand, wie weit die Unverschämtheit der Theologen geht; und für die Zukunft könnte das zum warnenden Exempel dienen, sich vor falschen
Brüdern zu hüten, um nicht auf einmal mitten in den eigenen Reihen die gefährlichsten Atheisten und Kommunisten zu werGegner anzutreffen. Die Jesuiten sind sie brauchen sich nicht einmal wesentlich zu verum nur am zu den, Regiment bleiben; leugnen, denn sie haben nie viel geglaubt wenn sie nur herrschen. Die Kirche hat den Fourierismus verschluckt; sie wird ihn jedoch wieder von sich geben, oder sie erstickt. Der Abbé de Genoude, Redakteur der „Gazette de France", stimmt für ein Brechmittel. Das ist ein ehrlicher Mensch. In der Po-|26|litik setzt er seine Heuchelei mit dem allgemeinen Stimmrechte fort; er kann sein Gewissen damit beruhigen, daß der ganze politische Bettel ohnehin eitel Heuchelei ist, daß es also auf eine Lüge mehr oder weniger gar nicht ankommt. Beim Sozialismus aber muß man ehrlich werden, denn hier könnte man sich leicht um Haus und Hof lügen; sogar die „Gazette de France" wird hier ehrlich. „Das Recht, kraft dessen der Sohn des Königs die königliche Würde erbt, ist dasselbe wie dasjenige, kraft dessen der Sohn des Köhlers die Hütte seines Vaters erbt. Wenn die Legitimität oben verletzt wird, so geht sie unten zu Grunde. Wenn das Prinzip auf Einem Punkte zerstört wird, so ist es auf allen zerstört; denn Prinzipien sind allgemein. Durch die ungeheure Verletzung, die Ihr (die gegenwärtige französische Regierung) an der gesellschaftlichen Ordnung verübt habt, sind jene (die Kommunisten) in die Politik eingebrochen. Ihr habt die Grundgesetze der Herrschbegierde und der Habsucht zum Opfer gebracht. Was geht aus Euern Verfolgungen und Härten gegen den Kommunismus auf logische Weise hervor? Nur dies: Das Eigenthum des monarchischen Rechts, die Legitimität des göttlichen Rechts ". Der Abbé de Genoude hat hier so vollkommen Recht, daß wenn man nur so viel zu begreifen braucht, um Legitimist zu sein, wir Alle sammt und sonders Legitimisten sind. Eigenthum ist Eigenthum, sei es ein Kronenthaler, sei es eine Krone. Man muß konsequent sein. Wer dem Könige das Recht streitig macht, ein ganzes Land, viele Millionen Seelen zu besitzen, der muß auch das Eigenthumsrecht des Bankiers an seine Millionen Thaler in Frage stellen, und umgekehrt. Wenn das Eigenthums- und Anhäufungsrecht im Kleinen eine Usurpation, eine Entwürdigung der menschlichen Natur ist, so kann es auch nicht namenlos groß sein, eine Krone zu stehlen, wie Fiesko meinte. Der Abbé de Genoude hat Recht: entweder Legitimist oder Anarchist; entweder Ultramontaner oder Humanist; entweder göttliches Recht oder menschliches Recht; entweder Mittelalter oder den Sozialismus. |27| Es gibt keine Mittelstraße, kein rechtes oder linkes Zentrum, keinen gemäßigten Fortschritt, keinerlei Nuance der Opposition, Alles würde zwischen den beiden Extremen erdrückt werden: Entweder Legitimist oder Sozialist. -
kapabel7, -
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(lat.-franz.) fähig.
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Entscheidet Euch, entschließt Euch. Ihr könnt in jeder der beiden Parteien fallen, mit Ehren fallen, auf Seiten der Sieger, wie auf Seiten der Besiegten; in der Mitte werdet Ihr erbärmlich zerquetscht, erdrückt ohne Nachruhm, Niemand spricht von Euch. Entweder Legitimist oder Sozialist. In Deutschland lebt ein graues Haupt, für das noch Lorbeer[e]n wachsen könnten aus dieser Polemik. Herr v[on] Görres, wie wäre es, wenn wir unser Feldgeschrei fortan so artikulirten, wenn wir uns mit den vorgeschobenen Posten nicht ferner herumschlügen, sondern der Hauptarmee direkt auf den Leib rückten. Lassen Sie die Protestanten, lassen Sie die Verlästerer des heiligen Rockes zu Trier;8 hier ist mehr. Hier ist die ganze Macht des Teufels, der Sünde, des Sündenfalles, der Welt, der Materie, der Verworfenheit: Entweder Katholik oder Sozialist! Der Ultramontanismus hat es in Frankreich nur bis zu Herrn Louis Rousseau gebracht, und dieser Herr Rousseau ist eine Unvorsichtigkeit. Der wahre Katholizismus hütet sich, des Teufels zu werden, er überläßt das den theologischen Ketzern, die in Frankreich immerfort noch aus seinem eigenen Schooße hervorgehen, weil in diesem Lande die Errichtung eines protestantischen Botany-Bai nicht geduldet worden ist. Diese theologischen Ketzer sind Leute, die der Papst in den Bann thun sollte, und auch wirklich zuweilen hineigethan hat, z. B. Lamennais. Der Abbé de Lamennais, eine Weile Fähnrich der radikalen Partei, geweiht in den Augen der Republikaner durch seine Buße in St. Pélagie, der Verfasser der „Worte eines Gläubigen",9 der europäische Schriftsteller ist einer der Hauptrepräsentanten des theologischen Sozialismus in Frankreich. Lamennais bekam soziale Anflüge, nahm das Elend des lei-|28|denden Volkes in den Mund, so lange er Ketzer war. Vorher wie nachher war er der gesellschaftlichen Revolution fremd, ja feind, und wem Lamennais feind ist, den bekämpft er in seiner giftigen und krampfigen Manier, voller Heimtücke und Wuth. Vor der Julirevolution war Lamennais einer der wüthendsten Pfaffen. Seine „Essais sur l'Indifférence"10 sind eins der schwärzesten Pasquille auf die freie Entwicklung der Menschheit, das jemals geschrieben wurde. Eine gallige Verdammungswuth, ein krankhafter Fanatismus führten ihm die Feder. Wie ein potenzirter Peter von Amiens heftet er sich das Kreuz auf die Schulter, und will die aufgeklärte Welt in den Schafstall der Kirche zurücktreiben. Schon im Jahre 1832 wird sein Journal das ,Avenir"11 —
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Anspielung auf die 1845
in Trier erschienene Schrift „Die Wallfahrt nach Trier"
Joseph von
Görres. Siehe F. R. de Lamennais: Worte eines Gläubigen. Nach der neuesten Ausgabe aus dem Französischen übersetzt von E. Stöber, Strasburg 1834. Die vierbändige Schrift „Essai sur l'indifférence en matière de religion" (1817-1823) war Lamennais erstes Hauptwerk. Er stellte sich darin gegenüber der rationalistischen Philosophie im Anschluß an Bonald auf den Standpunkt des Traditionalismus. Die Zeitschrift „L'Avenir" gründete Lamennais gemeinsam mit Lacordaire und Montalembert im Jahre 1830. In ihr sprach sich Lamennais für die völlige Trennung von Kirche und Staat aus, was zu einer Verurteilung durch Papst Gregor XVI. führte. Lamennais verteidigte sich 1833 mit den -
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von
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Papste in Rom als schamlos und frech, feierlich verdammt. Jetzt folgten die Worte eines Gläubigen ". Jeder hat sie gelesen, Jeder hat ein Urtheil über sie. Was will Lamennais? Man kann seinen Kopf zum Pfände setzen, Niemand bringt eine bündige Antwort hervor. Oder ist das eine Antwort: er will das Glück des Volkes, auch des niedern Volkes? Es ist wahr, er schwingt seine Keule wider die Könige, den Adel und die Reichen, wider die Unterdrücker des Volkes, er predigt an Einem fort die Revolution. Aber zu Mosis und allenfalls zu Thomas Münzers Zeiten machte man eine Revolution mit diesem rauchwolkigen, apokalyptischen Style, mit dieser Darstellung, die den Orientalen und den christlichen Germanen entsprach, weil ihnen der Muth erst aus der höchsten Gedankenlosigkeit entsprang; was will Lamennais mit diesem Style in Frankreich, nach der Julirevolution, gegenüber den klaren und entschiedenen Gegensätzen von Sein und Haben? Lamennais ist ein Theologe, und der Theologe hält das Volk immer für religiös; Lamennais nahm das Julivolk für biblisch-gläubig. Er irrte sich gewaltig. Dieses Volk heuchelt nur noch die Religion oder es ignorirt sie. Dieses Volk will nicht einmal den Fanatismus für die gute, für seine eigene Sache. Seine Sache ist klar, und wird klar ausgefochten werden. |29| Lamennais aber wollte wüthen, und die dunkelrothe Draperie, die seine Gedanken umhüllt, ist weit eher das Produkt einer kranken Einbildungskraft, eines geängstigten Priestergewissens, als das natürliche Kolorit eines maßlos energischen Styles. Der Republikanismus ist konfus genug, um auch den Lamennais noch in den Kauf zu nehmen; aber Sozialismus ist nur objektiv in seinen Schriften vorhanden, insofern sie nämlich zur sozialen Pathologie gehören. Und diese Worte eines Gläubigen haben sich unsere deutschen, heimlichen Radikalen der sie haben daran auswendig gelernt! dreißiger Jahre abgeschrieben, Das Buch des Volkes " scheint bestimmter auf die Frage antworten zu wollen: was will Lamennais: Es ist klarer geschrieben, aber eben um so viel weniger berühmt geworden. „Die Menschen, Kinder Eines Vaters, hätten immer nur Eine Familie bilden sollen, die durch das sanfte Band der brüderlichen Liebe verbunden wäre. In einer Familie haben Alle den Vortheil Aller im Auge, weil sich Alle lieben, und Alle Theil am gemeinschaftlichen Gute haben. Es gibt kein Mitglied, das nicht auf seine Weise, nach seiner Kraft, seinem Wissen, seinen besondern Fähigkeiten, dazu beitrüge. Der Eine thut dies, der Andere das. Aber die Thätigkeit eines Jeden kommt Allen zu Gute, und die Thätigkeit Aller Jedem. Habe man wenig oder viel, man theilt unter Brüdern; es gibt keine Unterschiede an dem häuslichen Heerde. Man sieht hier keinen Hunger neben dem Ueberfluß. Der Becher, den Gott mit seinen Gaben füllt, geht von Hand zu Hand, und der Greis, wie das Kind, der welcher nicht mehr, und der welcher noch nicht die Arbeit ertragen kann, so gut wie der, welcher die Stirn im Schweiß gebadet vom Felde zurückkehrt, Alle netzen gleichmäßig ihre Lippen." Die Menschen hätten also vom „
„
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„Paroles d'un croyant" und sagte sich in dieser Schrift von der Kirche los. Seine „Worte des Glaubens" wurden ein Jahr darauf von Ludwig Börne ins Deutsche übersetzt. Gemeint ist Papst Gregor XVI.
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Was hätten sie nicht Alles gesollt! Wie wird das Familiengesetz auf die Menschheit angewandt, und unter welchen Modifikationen? Der Becher, den Gott mit seinen Gaben füllt... Hier fällt alle soziale Anschauung über den Haufen. Gott füllt gar nicht, sondern die Arbeit, die |30| menschliche Selbstbethätigung. Gott hat auch am Ende die Blitzableiter erfunden, um seinen eigenen zornigen Donnerkeil aufzufangen! Doch es sei darum, Lamennais denkt es sich als sehr schön, wenn die Menschheit in Bezug auf den Genuß einer Familie gliche. Aber nein! „Hütet Euch, das Unmögliche zu träumen; die Bewegung des sozialen Lebens selbst setzt der Gleichheit der Güter ein unübersteigliches Hinderniß entgegen. Es gilt blos, der Arbeit das zuzusichern, was ihr billigerweise von den Produkten der Arbeit selbst zukommt." Abschaffung der Privilegien und Monopole, Vertheilung der Kapitale, Vermehrung derselben durch den Kredit, so daß die Arbeitsinstrumente für alle zugänglich gemacht werden! Gleichheit der Güter! ich meine, wir sollten keine Güter mehr haben, sondern blos Ein Familiengut, von dem Alle zehren, Einen Becher, der Aller Lippen letzt. Oder hatte sich Lamennais vorgestellt, es gebe Menschen, welche die Abstraktion der gleichen Rechte auf den Besitzstand auszudehnen gedächten; wollte er die Individualität bewahrt wissen, jedoch so, daß jede Individualität das Recht der vollen Existenz hätte? Nein! „Sonder Zweifel wird es immer Leiden auf der Welt geben; hienieden die Arbeit, anderswo die Ruhe"\ Und in der Vergangenheit und Zukunft des Volkes ": „Proletarier, Männer des Volks, glaubt, wenn Ihr leben wollt; glaubt, und Euer Glaube wird Euch helfen!" Also der alte Zwiespalt zwischen dem Diesseits und dem Jenseits wird aufrechteran den halten; also der unglückselige Dualismus, den Schiller in der oder Genuß für den also die alte als es nur Menschen, gebe Pranger stellte, Hoffnung soll Euch Himmel wohl belohnet werden! Proletarier Leier: im Der Es theologische aber, der Mann des Volks will Nichts mehr davon wissen; das Volk ist von jeher atheistisch gewesen, und heute fängt es an einzusehen, daß der Atheismus ihm in die Arme fahren muß. Die Theologie sagt: Glaube, so wird dir geholfen, warte auf den Herrn, so |31| wird er dir beispringen. Was gibt es dagegen Atheistischeres als das Sprichwort: Aide toi, le ciel taidera?14 Hilf Dir selbst, sei ein Mann, das ist Gottes Hülfe, nicht etwas, dann kommt Gott hinten herum und packt mit an. Das Volk stellt die Hauptsache vorauf: Hilf Dir, rühr' Dich! und bemerkt dann ironisch hinterher: Siehe, das ist der Kern des Gebetes. Proudhon sagt von Lamennais: „Das ganze Leben des Herrn Lamennais ist ein unwiderlegliches Argument für seinen antiphilosophischen Geist: devot bis zum Mysticismus, wüthend ultramontan, intoleranter Theokrat, erfuhr er zuerst den doppelten -
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„Resignation"13
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F. Schiller: Resignation. In: GW Schiller, 1. (franz.) Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.
Bd., S. 136-139.
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Einfluß der religiösen Reaktion und der literarischen Doktrinen, die den Anfang des Jahrhunderts bezeichneten, und er geht bis zum Mittelalter und auf Gregor VII.15 zurück; dann plötzlich progressiver Christ und Demokrat, neigt er allmälig zum Rationalismus und fällt endlich in den Deismus. Jetzt erwartet ihn Jeder in la Trappe. Was mich anbelangt, so will ich zwar nicht darauf schwören, aber ich möchte eher glauben, da H[er]r Lamennais, des Skeptizismus schön angeklagt, in der Indifferenz sterben wird." Die neue Uebersetzung der „Evangelien", die er eben herausgibt, beweist, daß er noch nicht bei dem letzten Stadium angekommen ist, welches ihm Proudhon prophezeiht; möglich aber, daß er auf dem Wege ist, so wie es auch möglich ist, George Sand schließlich nach la Trappe pilgert. Es gibt indessen in Frankreich eine noch pathologischere Erscheinung als Abbé Lamennais, ich meine den Abbé Constant. War Jener der Apokalyptiker, so ist Dieser der Prophet des alten Testaments; ahnt man bei Jenem den subjektiven Grund seiner Zerrissenheit und seines Schwulstes, so bekennt Dieser seine Vergangenheit: er hat als Priester ein Weib leidenschaftlich geliebt, er hat an den Armen des glühenden Molchs Zölibat gehangen, und sich Seele und Gehirn daran verbrannt. Die „Bibel der Freiheit" des Abbé Constant ist auf vulkanischem Boden gewachsen, sie ist die bittersalzige Thräne eines christlichen Schlachtopfers. Man erzählt sich, dem Paganinischen16 Genius habe der Dämon eines schwar-|32|zen Verbrechens seine Nahrung zugetragen; vielleicht war Paganinis Geigenspiel nichts als ein in Musik gesetzter Gewissensbiß, als in Töne gebrachte Schmerzen der Reue und der qualvollen Erinnerung. Beim Abbè Constant brüllt der böse Geist vornehmlich aus seinem Gefängnisse heraus, in den prophetischen Verwünschungen und Verfluchungen diese Mannes spukt der Schatten einer gemordeten Unschuld. „Ich habe zu den Armen gesagt: verschlingt die Reichen! und zu den Sklaven: erwürgt die Tyrannen! weil die Reichen und die Tyrannen umkommen müssen. Aber die Diebe am Reichen werden wieder reich, die Sklaven werden Tyrannen, und finden ihre Strafe in ihrem Siege. Diebe gegen Diebe, Mörder gegen Mörder, fallt über einander her, schlagt Euch, erwürgt Euch, zerreißt Euch. Engel des Krieges und des Todes, fliegt auf rothen Flügeln des Brandes, kündigt der Erde den Sturz der großen Babel an!" „Wenn eine Frau sich Dem hingibt, den sie nicht liebt, so begeht sie einen Ehebruch. Deßhalb, o Weib, das eine verfluchte Gesellschaft verkauft, gleich einem Stück Vieh, vertheidige Deine Keuschheit, gib dem Verbrechen niemals nach! Dieser Mann, der Dich feige gekauft hat, und den man höhnisch Deinen Mann nennt, dieser Mann hat den Tod verdient. Sieh zu, ob Du Dein Leben für das seinige geben willst. Wirst Du Dich schänden lassen? lassest Du Dir ins Gesicht speien? lassest Du Dich mit Füßen treten, wie Straßenkoth? Willst Du Dein Leben in der Verthierung und der Schmach enden, ohne daß Jemand Mitleiden mit Dir empfinde? Eine schreckliche Stimme erhebt -
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Gregor VII., der Heilige (ca. 1020-1085). Paganini (1782-1849) Violinvirtuose und Komponist.
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sich aus der Tiefe der Kerker, und ruft Dir zu: Wer sich verkaufen und fesseln läßt, ist ein Feigling wenn er sich tödten lassen kann. Warum wählst Du die Galeere der Schmach, um dort als Hure zu altern, wenn du als Jungfrau und glorreich aufs Schaffot steigen kannst? Die Gesellschaft der Gottlosen will Dir das Herz ausreißen; wirf ihr Deinen blutenden Kopf ins Gesicht, und stirb mit Deiner Liebe!" —133| Fürwahr, nicht das, was der Abbé Constant der Gesellschaft vorwirft, ist hier das Schreckliche, sondern er selbst, der wahnsinnige Priester, als Produkt der heutigen Zustände. Er, der Priester, zerfallt mit der Klerisei, wird schmachvoll fortgejagt, vielleicht verfolgt von geheimen Furien, die des Nachts seine träumende Seele mit scharfen Nesseln zerpeitschen, und mit dieser zerpeitschten Seele schreibt er die „Bibel der Freiheit." Das ist der Sozialismus der Priester, die Ketzer werden, aber Theologen bleiben; die sich mit den Gespenstern ihrer Vergangenheit herumschlagen, und denen diese Gespenster Mord und Tod in die Feder diktiren; die dem Bösen verfallen bleiben, ob sie wollen oder nicht, die freiheitsdurstig aus ihren Kerkern hervorstürzen, aber ihre Ketten bringen sie mit, und ihre Ketten rasseln beängstigend. Sie wollen sie abwerfen, aber sie sind ihnen ins Fleisch geschweißt. Es ist stark geschrieben worden in Frankreich und in Deutschland, und es wird und muß stark geschrieben werden, denn Trompetenstöße treiben am sichersten den letzten Traum aus den Ohren; aber wo wären so gräßliche Dinge jemals laut geworden, wo wäre man jemals aus der Muskelanstrengung des Athleten in die Raserei der Bacchantin verfallen, wie es dieser katholische Priester thut? Denn ein Priester, ein Theologe, ist und bleibt er. In seiner dritten Schrift, den religiösen und sozialen Doktrinen heißt es: „Männer des Volks, meine Brüder! glaubt es, denn ich, den die Priester so grausam verfolgt haben, ich, den sie verdammen und verfluchen, ich habe kein Interesse, etwas zu sagen, das ihnen gefalle; aber kein persönlicher Haß kann mich verhindern, das zu sagen, was ich für wahr halte. Durch die Religion allein könnt Ihr gerettet werden, und von dieser Religion findet ihr die Grundsätze allein im Katholizismus. Glaubt an Gott, lest das Evangelium, bittet durch Eure Werke, hütet Euch vor den Materialisten, die Euch dem Thiere ähnlich machen wollen. Es sind Esel und Schweine.["] Mit diesen „Eseln" und „Schweinen" hatte der Verfasser der „Bibel der Freiheit" |34| noch auf ganz gutem Fuße gestanden, sie hatten ihn gelobt, ihn bis in den Himmel erhoben. Er ist also abgefallen, zurückgefallen. Wenn diese Ausdrücke nur auf ein Wesen paßten, wie der Abbé Constant ist! In diesem wüsten Gehirne geht es grade so verständig zu, wie im indischen Pantheismus: die wahnwitzigsten Plötzlichkeiten treten an die Stelle jegliche Entwicklung, oder nach Hegel'scher Weise gesprochen, daß es hier verrückt zugeht, das ist eben die Ordnung der Sache. Abbé Constant ist die Frucht der Blüthe Lamennais', Abbé Constant zeigt, was Abbé Lamennais eigentlich ist, und die Proudhon'sche Prophezeihung vom Sterben im Indifferentismus ist bei Constant bereits glänzend erfüllt: er lebt sogar im Indiffenrentismus. Eine kleine Monatschrift, „la Vérité", wird theilweise von ihm geschrieben; die Tendenz der „Vérité" ist immer noch sozialistisch, die Darstellungsweise ist auf der „
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nach Esprit: ein Theologe, der Esprit macht, ist ein Indifferentist. Constant hat heller gebrannt, als Lamennais, aber auch rascher; er ist wie ein blutiger Kometenschweiferschienen, der nur wenige Nächte am Himmel steht, und dann hinabzieht. Wenn die Abbés Lamennais und Constant zwischen Fanatismus, Pantheismus, Theismus und Indifferenz geschwankt haben, so wollen wir jetzt eine Erscheinung ins Auge fassen, die ruhiger und konsequenter auftretend den katholischen Theismus mit dem Gedanken der französischen Revolution zu verbinden gesucht hat, es handelt sich von den Herren Bûchez11 und Roux, stammt dem sogenannten Arbeiterblatte „l'Atelier". Auch hier ist acht theologischer Sozialismus; in Deutschland ist dieses Wesen bekannt als die katholische Republik. Die Herren Bûchez und Roux haben sich einen Namen gemacht durch ihre große Histoire parlementaire in 60 Bänden. In der Vorrede zu diesem Werke, dem seine Verdienste nicht abzusprechen sind, so wie in einem besondern Journale, dem Européen ", der etwa ein Jahr lang herauskam, haben sie ihre Weltanschauung in deutlicher und unumwundener Weise dargelegt; wo sie dem großen Publikum |35| etwas dunkel zu bleiben beliebten, sind sie es wenigstens für uns nicht mehr. Wären die Herren Bûchez und Roux wirkliche Christen, wie sie es vorgeben, so müßten sie die französische Revolution in die unterste Hölle verdammen, denn ein Christ schuldet Gehorsam der Obrigkeit die Gewalt über ihn hat; dem Christen kommt es lächerlich vor, den dritten Stand befreien zu wollen, denn ein Christ preist seinen Herrn ganz bequem in Ketten und Banden. Die Herren Bûchez und Roux sind mithin Theologen, Textverdreher des Christenthums, und wenn sie sich selbst Christen nennen, und die Zeit gekommen glauben, wo die „christliche Moral" endlich in die Welt eingesetzt werden müßte, so heißen wir sie dafür katholische Theisten und herrschsüchtige Priester. Kein Mensch hat ein Allgemeines zu proklamiren, dessen Sklave Ich, dessen Dolmetscher Er wäre, und kein Mensch hat in der Welt fürder noch etwas „einzuführen", nicht einmal den Sozialismus. Der Katholizismus bildet diesen Herren den Grund der Menschenwelt, auf diesem Grunde erbauen sie: die französische Nationalität, die Freiheit, Gleichheit, Bruderschaft, die Einheit, die Pflicht, die Aufopferung, die Moral, die Vervollkommnungsfähigkeit, den Fortschritt, die Histoire parlementaire, den Européen und ihre eigenen hohenpriesterliche Würde. Daß es in der wirklichen Welt nicht zu einer wahrhaften Association komme, dafür sorgt schon allein der theologische Satz von der absoluten Abhängigkeit des Menschen von einem außerweltlichen, absolut sich selbst genügenden Wesen, dessen Knecht der Mensch ist. Knechte assoziiren sich nicht, sie rotten sich höchstens in der Gesindestube zusammen. Sie sprechen sich gegenseitig etwas Muth ein wider das draußen tobende
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Philippe-Joseph-Benjamin Bûchez (1796-1865) französischer Sozialpolitiker. Siehe P.-J.-B. Bûchez / Ch. Roux: Histoire parlementaire de la Révolution Française ou Journal des Assemblées nationales, depuis 1789 jusqu'en 1815 Paris.
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Ungethüm
von „großem Geist"; der Herr ist einzig und allmächtig, wie in den asiatischen Reichen, die Knechte genießen der gleichen Knechtschaft. In jeder Gesindestube findet eine partielle Zusammenrottirung statt: das nennen unsere katholischen Theisten Vereinigungen einer gewissen Anzahl Arbeiter desselben Gewerbes. Knechte stellt man dadurch besser, daß man ihnen einen höheren Lohn gibt; hörte das Lohnverhältniß |36| auf, so wäre der Knecht verschwunden. Damit den Unterknechten von den Oberknechten besagter höherer Lohn ausbezahlt werden kann, müssen die Kapitale vermehrt werden, ganz wie bei Lamennais. Kurz, die katholische, die theologische Republik bleibt beständig die Hauptsache, der Braten, der durch einige sozialistische Champignons schmackhafter gemacht werden soll. Von einer Welt, wo der Mensch in des Menschen Auge den ganzen Himmel fände keine Rede. Der „Européen": „Wir glauben, daß der Augenblick gekommen ist, in sozialer Beziehung die Gebote der christlichen Moral zu erfüllen, durch das Christenthum eine Revolution hervorzubringen, wichtiger, ernster, jedoch ähnlich derjenigen, welche Konstantin machte, als er Religion, Regierung und Hauptstadt des römischen Reiches änderte, derjenigen Klodwigs, als er durch den Katholizismus die französische Nation schuf, derjenigen Karls des Großen, als er Europa vom katholischen Gesichtspunkte aus organisirte, derjenigen Gregors VII. als er die christliche Lehre über die Könige erhob, und über Fürsten und Bettler herrschen ließ, derjenigen Ludwigs X. und Philipps V., als sie die Knechtschaft aufhoben. Man muß jetzt alle Gebote, alle Lehren des Christenthums in soziale Institutionen umwandeln." Das heißt, man muß die fürchterliche Forderung aufstellen, die abstrakten nie realisirten Forderungen einer Büßer- und Eunuchenbande zu praktischen Gesetzen, zu wirklichen Lebensanforderungen zu machen. „Das sucht Europa seit 40 Jahren durch alle Gefahren und die Schmerzen der Revolution hindurch. Dadurch kann die politische Gesellschaft gerettet werden, und dadurch allein. Das ist unser Glaube, das ist der Zweck unserer Arbeiten. Von diesem Gesichtspunkte aus haben wir eine ganz neue Philosophie aufgestellt, eine neue, wir wagen es zu behaupten; denn sie enthält eine Beweisführung, die noch nicht gegeben worden war; eine fruchtbare, wir müssen es glauben, denn wir haben zahlreiche Beweise davon, eine, sagen wir es heraus intolerante gegen Alles was nicht sie ist." |37| Eine intolerante Philosophie! Die Theologen, die Pfaffen! Eine intolerante Philosophie soll das Heil der Welt gründen, soll das Fundament der menschlichen Freiheit werden. Eine Kette soll die Welt befreien. Unter dem Schmeichelnamen der Einheit wollt Ihr uns ein neues Papstthum Hildebrands einschmuggeln. Die wahre Freiheit ist nur gegen Eins intolerant, gegen die Intoleranz selbst; Ihr seid intolerant gegen Alles, was nicht Ihr ist. Proselyten habt Ihr gemacht in den Tagen der schweren Noth, wo die arme Menschheit im Nebel und Dunst einer unreinen Atmosphäre den Spleen bekommt, und sich irgendwo anklammern, irgendwo einbetten möchte, sei es auch in der Höhle des Raubthiers. Starke Charaktere sogar habt Ihr wankend gemacht: neigte sich nicht das sterbende Haupt Börnes in Euern Schooß, hättet Ihr ihn nicht lebendig begraben, falls die Parze nicht rasch herzugetreten wäre, den Faden durchzuschneiden? Laßt Ihr -
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Eure Kastraten nicht Triller durch alle Tonarten hindurch schlagen, wenn ein solcher Sündenfall sich ereignet? Den Dichter habt Ihr erschreckt, läßt er sich gleich nicht bewältigen. Er weiß, er muß schlummern auf weichem Moose an der Quelle, um neue Träume und Gesichte im Schlaf zu empfangen, nur Ihr könnt ihm dann einen boshaften Faun über den Hals schicken mit einer zischenden Schale, wie König Claudius kam über Hamlets Vater von Euch spricht Heine am Schlüsse seines Buches über Börne: „Da plötzlich, in der Ferne, erhob sich ein Geschrei von rohen Pöbelstimmen. Sie schrien, ich weiß nicht mehr was? Dazwischen kicherte ein katholisches Mettenglöckchen Und meine schönen Waldfrauen wurden sichtbar immer blasser etc." Den Dichter könnt Ihr erschrecken, wenn Ihr zu Euerm heuchlerischen Sozialismus die Mettenglocke läutet, denn der poetische Ton der Glocke verblüfft kein Ohr, der sieht die ganze Fabelwelt sich wieder emporbäumen. Ihm bangt für den schwachen Kopf des Volkes, wenn es das Brod erst weihen sieht, in das uns die Natur herzhaft zu beißen lehrte; er ahnt, Ihr wollt den Wein des Lebens vor wie nach in Euern langen heiligen Fin-|38|gern behalten. Der Dichter erschrickt. Aber es gibt etwas Höheres als der Charakter, und etwas Mächtigeres als die Poesie. Der Charakter ist eine Erfindung unglücklicher Zeiten, er ist die Diogenestonne der geängstigten Menschheit, die Freiheit hebt den Charakter auf. Die Poesie aber lebt von derselben Zeit, in die auch Ihr eure langen Krallenwurzeln eingebohrt habt, die Poesie träumt nur von der Zukunft. Die Freiheit ist die Mutter der Spottlieder, die eine nächste Generation auf Euch machen und singen wird. Die ganze Sittenlehre des Herrn Bûchez, die vielbelobte „christliche Moral", besteht in der Hingebung, in der Aufopferung, im Devoument. Dieses Devoument soll sein, „ein übernatürliches Gefühl", ein „freier Akt der Entsagung und der absoluten Unterdrückung des persönlichen Ich." Natürlich, das einzige Ich, da doch das Ich einmal nicht aus dem menschlichen Kopfe wegzuhexen ist, das einzige Ich wohnt jenseits der Wolken, jenseits des Menschen; die Knechte, die noch übrig bleiben, können kein Ich sein, ein Knecht gehört einem Andern. Diese Knechte sind ferner unähnlich an Aufopferungsfähigkeit; sie müssen, da die Aufopferung eine Pflicht ist, zu ihr gezwungen werden; man ruft das Schwert an, „um die Lauen anzutreiben, um die Gottlosen zu strafen." Da haben wir zum andern Male die hildebrandischen Christen, die Entmanner der Menschheit, die herrschsüchtigen Priester. Es muß doch wohl ein Antreiber sein, wo Angetriebene sind, es muß doch wohl eine Hand das Schwert führen, ehe es auf einen Nacken niederfallt. Von hier zu der „christlichen Tribus" des Herrn Louis Rousseau ist nur Ein Schritt, wir sehen also Anfang mit dem Ende sich in Eins zusammenziehen. Was uns mit Recht in Erstaunen setzt, zumal in dem praktischen Frankreich, ist der Umstand, daß die Ideen des H[er]rn Bûchez in einer gewissen Zahl von Arbeiterköpfen Eingang gefunden haben, daß Handwerker, im Glauben an die beiden Hohenpriester der Zukunft, ein Journal gründeten, ja sich zu Strohmännern für die Publizistik dieser beiden Herren herab-|39|würdigten. Sogar der „National" steht durch einen seiner Re-
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dakteure, der katholisch gesinnt ist, mit dem „Atelier" in Cartel. Das „Atelier" ist das Organ der Buchez'schen Doktrin in der Pariser Arbeiterwelt; Arbeiter des ,Atelier" druckten das „Neue Testament", und widmeten es der französischen Nation, während diese Nation bereits das dritte Testament durchgelebt hat, und jetzt vor dem vierten steht. Arbeiter wagen es, in folgendem Style vor das Publikum zu treten: „Die wirkliche Gleichheit besteht nicht darin, die Arbeit gleich zu theilen, und einen gleichen Antheil den Produkten zu empfangen. Die Gleichheit ist das gleiche Recht für Alle auf die moralische Freiheit durch den Unterricht, auf die politische Freiheit durch eine aktive Betheiligung am Gemeinwesen, damit durch diese beiden Freiheiten jeder Mensch, wenn er es verdient, zu allen Stufen der sozialen Hierarchie gelangen könne. In der Weise, daß die niedere Stellung, die immer für Einige existiren wird, nur ihrem bösen Willen zugeschrieben werden kann; denn die hohen Grade der Hierarchie sollen weder nach dem Rechte des Adels, noch nach dem Rechte des Reichthums, noch selbst nach dem Rechte der Intelligenz besetzt werden, sondern vor Allem nach dem Rechte der an
Hingebung*.". Ist das klar? Sämmtliche Arbeiter des „Ateliers" werden Großwürdenträger der christlichen Republik; Herr Bûchez und Herr Roux wechseln in der Verwaltung der Vorsehung ab. Das .Atelier" hat unlängst vor den Assisen gestanden; die Jury hat es von der Anklage freigesprochen, gegen die Gesetze des Landes aufgewiegelt zu haben. Man hat bei dieser Gelegenheit von einem Fortschritte, von einer größern Humanität der hiesigen Bourgeoisie gefaselt, die angesichts der Arbeiterpetition von ihrer Strenge abzulassen und Sympathieen für das arme Volk zu empfinden beginne. Faselei! Die das vorbrachten, haben schwerlich die Vertheidigungsrede des „Atelier" gehört oder gelesen. Man führe sich nur folgenden Passus zu Gemüthe: „Wir werden keine Ruhe haben, bis wir diejenigen der Unsern auf den rechten Weg zurückleiten, die, |40| leider in zu großer Anzahl, vermöge des Elends die Beute der seltsamsten Hirngespinnste werden; unglückliche Genossen, erschöpft durch das Leiden, träumen sie von einer sozialen Ordnung, in welcher das Glück der Glücklichen von heute das Loos eines Jeden wäre, in welcher sich die Arbeit in Vergnügen verwandelte, und die soziale Thätigkeit kein anderes Ziel hätte, als die raffinirtesten Genüsse zu erfinden. (Fourierismus.) Dieses trügerische Bild eines gelobten Landes kann kein anderes Resultat haben, als die Herzen zu entmuthigen durch den unaufhörlichen Vergleich des Uebels, das sie quält, mit dem unmöglichen Glücke, nach welchem sie sich sehnen. Man mußte die Menschen dieser Illusion entreißen, und ihnen die Wirklichkeit der Dinge zeigen. Daran haben wir mit Ausdauer gearbeitet." Kann sich die Bourgeoisie einen besseren Polizeidiener denken, als diese Sozialisten des ,Atelier"? Einen Polizeidiener im Priesterrocke! Und diesen kostbaren Polizeidiener sollte sie nach St. Pélagie schicken? Sagt von der Bourgeoisie Alles aus, was Euch gefallt, haltet sie nur nicht einer solchen Dummheit fähig!
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Die sozialistische Theologie der Deutschen
Die Leser der öffentlichen Blätter leiden seit zwei Jahren viel unter der
„religiösen
in Deutschland, und wenn man nicht an den deutschen Zeitungen immer viel zu tragen hätte, diesmal wäre es nicht zu übersehen gewesen. Freilich hat diese „religiöse Bewegung" auch ihr Theil Spott und Verachtung erfahren: bald hieß sie die sogenannte „religiöse Bewegung", bald wurde bemerkt, man sehe hier ein schlagendes Beispiel von der menschlichen „Bedenklichkeit". Mit Allem dem ist die „religiöse Bewegung" der letzten Jahre nur abgethan, nicht erklärt; sie erklären heißt aber nichts weiter als ihre Stelle in der zeitgenössischen Entwicklung überhaupt bezeichnen, und das auf sie folgende Glied der Reihe |41| angeben. Wir bringen sie in Gegensatz zu den bisher erörterten Erscheinungen in Frankreich, zu dem theologischen Sozialismus, und in Parallele zu einigen weitern Erscheinungen des französischen Lebens; das Letztere hauptsächlich, um ihr die nur halbgeöffneten Lippen völlig zu entfesseln, um uns vor dem Vorwurfe sicher zu stellen, als dolmetschen wir etwas in sie hinein, was nicht von Hause aus in ihr läge. Dabei wird sich zeigen, ob wir die jüngst an uns ergangene Warnung, die „religiöse Bewegung" Deutschlands nicht geringzuachten, beobachten oder nicht. So viel vorab, daß die ganze Bewegung falsch benannt worden ist, sie ist keine religiöse Bewegung, sondern eine Bewegung aus der Religion heraus. Und für diejenigen, die uns dies als eine Art Denunziation auslegen möchten, die Bemerkung, daß wir ernstlich gesonnen sind, den Deutschen ihre werdende Irreligiosität zum Bewußtsein zu bringen. Die Deutschen muß man kompromittiren. Die Deutschen sind noch offene, eingestandene Theologen, sie schieben in der „religiösen Bewegung" keineswegs den Sozialismus vor, um die Menschen später als Theologen zu fangen; sie sind seit Luthers Tagen Theologen, und wo sie eine Revolution im öffentlichen Leben bewirken wollen, da fangen sie mit der Predigt an. Der Deutsche kann keinen Toast ausbringen, ohne in die Sprache des „Neuen Testaments" zu verfallen, das vergnügteste, scheinbar weltlichste Banket gewinnt bei ihnen den Anschein eines Liebesmahles, es wird nicht gesprochen, sondern gepredigt. Unsere ganze Kritik, unsere gottlose Wissenschaft macht sich nur von oben herunter Bahn, von der Studierstube aus dringt der Fackelschein in die gebildeten Kreise, und bewahrt bis jetzt treulich seine Exklusivetät; was von unten herauf kommen, was volksthümlich sein soll, das muß sich in der Form von Predigt ankündigen. Nur in Deutschland waren Ronge und die Lichtfreunde möglich. Das deutsche Volk kennt die Wahrheit nur als eine religiöse, als Sache des begeisterten Herzens und Gemüthes: dreihundert Jahre lang ist das so gut gegangen, bis die Theologie auf den Punkt kommen mußte, sich selbst zu zerstören. |42| Der wissenschaftliche Prozeß seit Kant ist für das eigentliche Volk etwas Exoterisches geblieben, er mußte in anderer Form noch einmal vorgenommen werden. Ronge, Dowiat, Uhlich und namentlich Wislicenus mit seinem bedeutungsvollen Gustav-Adolf-Nornamen haben den Anfang gemacht; sie müssen weiter gehen, oder Andere gehen weiter. Was hinter dieser sich selbst auflösenden Theologie verborgen liegt, was den Kopf
Bewegung"
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verschiedenen Malen deutlich durch die Halbheiten und Aengstlichkeiten hervorsteckt, ist nichts als die freie menschliche oder soziale Weltanschauung. Die Halbheiten und Aengstlichkeiten sind Folge der deutschen Zustände, der mangelnden Preß- und Assoziationsfreiheit, der allmächtigen Polizei- und Spionirordnung, der theologischen deutschen Geschichte. Finden wir nun in einem andern Lande Erscheinungen, die sich auf demselben Grunde des Gedankens bewegen, sind wir im Stande die Lücken der deutschen Predigt durch französische Profanitäten auszufüllen: so sind wir im Stande der deutschen Halbbewußtheit zum Verständniß ihrer selbst zu helfen. Trügt uns nicht Alles, so haben wir für den Deutsch-Katholizismus, wie für die Lichtfreunde französische Parallelen, welche die praktischen Konsequenzen des jedesmaligen Gedankens unumwunden aussprechen; und hiernach wäre das Rongethum Sozialismus im Allgemeinen, mit unkritischem Schwanken über die Eigenthumsfrage, die Lichtfreundlichkeit aber geradezu Kommunismus. Sehen wir zu. schon
zu
Ronge Chatel -
Als der Deutsch-Katholizismus zuerst in französischen Blättern verarbeitet, als die Dogmatik der neuesten Kirchenversammlungen hier zu Lande übersetzt wurde, mußte man sich von gebildeten Franzosen sagen lassen: „Das ist ja nichts als Abbé Chatel." Dieser Abbé Chatel hatte in den letzten dreißiger Jahren im Fauburg St. Martin eine französisch-katholische Kirche gestiftet, eine Anzahl Proselyten geworben, sich selbst zum Primas der neuen Kirche ernennen lassen, und es endlich dahin gebracht, daß die Polizei die Kirche schloß, |43| und die Versammlung auf Grund des Code pénal verbot. Im Jahre 1838 veröffentlichte Abbé Chatel sein „Gesetzbuch der Menschheit, oder die Menschheit zur Kenntniß des wahren Gottes und zum wahren Sozialismus zurückgeführt. "19 Wenn jene Franzosen sagten: Nichts als Abbé Chatel, so sagten sie das im Lande der Religionsfreiheit, der Revolution und der sozialen Systeme jeglicher Farbe. Wir Deutsche, einem Lande angehörig, wo alle Wahrheit bis jetzt Theorie geblieben ist, wo seit Luthers theologischem Benehmen gegen die Bauern die innere Freiheit nichts mit der äußeren zu thun haben soll, wir Deutsche müssen sagen: Das ist ja Abbé Chatel! Die deistische Theologie, welche Ronge und Chatel gemein haben, zieht nämlich in Chatel ihre praktischen Folgerungen. Gott, der ganz abstrakte, ist Schöpfer der Welt. Er hat die Naturgesetze gemacht, nach denen sich Dinge und Menschen bewegen. Diese Naturgesetze werden mit Füßen getreten durch das Zölibat. Die Ehescheidung sollte frei sein, wir sind ungerecht gegen die Weiber. „Seht doch diese junge Person, diese junge Frau, die ihre Aeltern sogar, ihre Freunde und ihre Verwandten zurückstoßen und verachten; was hat sie -
Siehe F. F. Chatel: Le Code de l'humanité ou L'humanité ramenée à la connaissance du vrai Dieu socialisme, primat de l'Église française, Paris 1838.
et au véritable
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gethan? Was sie gehan hat? Aber mein Gott, was Ihr selbst alle Tage thut. Sie ist nicht mehr und nicht weniger schuldig als Ihr, in Bezug auf das was Ihr ihr vorwerft." So kommt Chatel vom Zölibat aus unmittelbar auf die Stellung des Weibes überhaupt zu sprechen. Oeffnen wir den Ronge'schen „Zuruf. „Meint Ihr, daß die deutschen Mütter, denen die neue Kirchenverbesserung ein so schönes und großes Feld zur Thätigkeit, und somit zur höheren Berechtigung ihres Geschlechts gegeben, ihre Töchter zu Buhldirnen für römische Knechte verkaufen werden?! Meint Ihr, daß die Frauen nicht Genugthuung für die Schmach, welche ihrem Geschlechte der Zölibat angethan, fordern werden?"20 Und Wislicenus, um das gleich vorweg zu nehmen, spricht den Gedanken Chateis noch präziser aus: „Mit dem 'Schandnamen' nennt man mit Recht nur die liebeleere und vagirende |44| herumschweifende Wollust, nicht aber die in augenblicklicher Schwachheit das Gesetz und die Ordnung vergessende, treue Liebe. Diese Schwachheit fällt dem Tadel anheim, aber sie mit solchem 'Schandnamen' zu belegen, ist beschränkt, lieblos, äußerlich, pharisäisch, pfäffrsch." Gegen Zölibat, Klöster, Ohrenbeichte, Gebrauch der lateinischen Sprache opponirt Chatel wie Ronge. -
Wenn sich der abstrakte Deismus in Fluß setzt, wenn er warm wird, so entsteht Pantheismus. Chatel: „Gott ist die Macht, die Gerechtigkeit, die Kraft, die Größe, die Güte, die Weisheit, die Wahrheit", d. h. er ist das von vielen menschlichen Bethätigungen und Empfindungen abgezogene Allgemeine, das nur leider für sich nicht denkbar ist. In Dowiats Predigten ließen sich eine Menge pantheistischer Parallelstellen finden. Was ist die Religion? Chatel antwortet: „Eine Sammlung der Pflichten des Geschöpfes wider den Schöpfer, des Menschen gegen die Gesellschaft, und des Menschen gegen sich selbst. „Die Religion ist eine Pflichtensammlung, etwas Praktisches. In den „Allgemeinen Grundsätzen und Bestimmungen der deutsch-katholischen Kirche" (Müllers katholische Kirchenreform, Märzheft 1845) heißt es: „14. Wir glauben und bekennen, daß es die erste Pflicht des Christen sei, den Glauben durch Werke christlicher Liebe zu
bethätigen."11
Wie verhalten sich die neuen Katholiken zum Lutherthum? Chatel: „Der Protestantismus hat die Welt um einen Ungeheuern Schritt weiter gebracht, indem er die freie Untersuchung des religiösen Prinzips einführte; indem er aber die Herrschaft der Vernunft nur zur Hälfte herstellte, hat er theilweise den alten Mystizismus beibehalten, und seine Aufgabe ist vollendet." Was in der protestantischen Kirche vom Lutherthum noch übrig ist, heißt Pietismus; die Beschränktheit offenbart sich als Schwachherzigkeit; Dowiat hat in Süddeutschland mehr gegen die Pietisten gepredigt als gegen den römi-
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Ronge: Zuruf, Dessau 1845, S. 12-13. Allgemeine Grundsätze und Bestimmungen der deutsch-katholischen Kirche. In: Die Katholische Kirchenreform. Monatsschrift, hrsg. von A. M. Müller unter Mitwirkung der Herren Czerski und Ronge, sowie anderer katholischer Geistlicher, März-Heft, Bd. 1, Berlin 1845, S. 56-60. Das Zitat findet sich auf S. 57; die Hervorhebungen wurden teilweise von Karl Grün vorgenommen. J.
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sehen Katholizismus. Und er hat Recht; was vom Katholizismus noch übrig ist, heißt Jesuitismus. Der Jesuitismus |45| ist der Pietismus nach seiner politischen Seite hin. In Berlin heißen die Jesuiten Pietisten. Was ist also des Neu-Katholizismus Kern? Gott, Naturgesetze, Moral; Deismus, Rationalismus, Moralismus. Dieser Standpunkt äußert sich in dem friedlichen Deutschland vorwiegend politisch, wenn man ihn auf die Tagesfragen zu sprechen bringt; in dem revolutionären Frankreich, wo die Politik erledigt ist, tritt er sozialistisch auf. Ronge ist wesentlich national-freisinnig; er spricht von der Tyrannei Roms, als wäre es eine politische Macht; er donnert gegen die Kosaken, ohne daß man weiß, wie er plötzlich an den Don geräth. Das Priesterthum der katholischen Kirche ist ihm eine Herabwürdigung der Nation; die Einrichtungen und Satzungen der Hierarchie sind ihm nicht auf die Erhebung, sondern auf die Erniedrigung der Nation berechnet. Er erzählt in seiner wie ihn schon im Alumnate die Hoffnung aufrecht erhalten habe, einst die Ketten seiner Nation brechen zu helfen. In dem Briefe an Bischof Arnoldi23 heißt es, der Reliquiendienst habe Deutschlands geistige und äußere Knechtschaft herbeigeführt; es wird von einer Wetterwolke gesprochen, die ohnedem schon über unserm Haupte hange. „Ich trete gegen die Hierarchie auf, sagt Ronge in seiner Rechtfertigung", weil durch sie meine Menschenwürde erdrückt wird, und ich durch sie zu entehrender Sklaverei erniedrigt werde."24 Worin besteht diese Menschenwürde? „Die Würde des Menschen besteht, wie bekannt in seiner Vernunft, seinem Willen, und im freien Gebrauch beider, um sich in sittlicher Freiheit zu vervollkommnen."25 Weiter heißt es: „Die christliche Religion, welche freie Tugend fordert".26 Ronge will endlich die „Fahne der Civilisation und Humanität Was ist das? Ist das katholisches Priesterthum, ist das noch Priesterthum überhaupt? Theoretisch ist es Rationalismus und philosophische Ethik, praktisch politischer Liberalismus. Ronge verhält sich als Katholik ungefähr zum Christenthum, wie es Röhr in dogmatischer, de Wette in sittlicher Beziehung thun. Ronge ist sitt-|46|licher Enthusiast und Liberaler, wie die Demagogen in der Restaurationszeit. Von Katholizismus, von Religion ist Nichts zu entdecken. Ronge geht indessen noch einen Schritt weiter. Die allgemeine Luft der Zeit hat auch ihn angesteckt; die Aufforderung des Zeitgeistes, personifizirt in der Adresse der deutschen Arbeiter in London, sich um das Elend zu bekümmern, ist nicht ungehört vor seinen Ohren verklungen. Sein sittlicher Enthusiasmus vermag die heterogensten Dinge
„Rechtfertigung"22,
vortragen."27
Ronge: Rechtfertigung, Leipzig 1845. Siehe J. Ronge: Offenes Sendschreiben an den Bischof Arnoldi zu Trier, Offenbach am Main 1845. In diesem Sendschreiben hatte sich Ronge gegen die Ausstellung des Heiligen Rocks zu Trier gewandt, worauf er exkommuniziert wurde. J. Ronge: Rechtfertigung, Leipzig 1845, S. 12. Ebenda. Siehe J.
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Ebenda, S. 13. Ebenda, S. 14.
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zusammenzufassen: er predigt gegen die Kosaken und gegen das Elend zugleich. Der Enthusiasmus ist der allgemeine Spiegel für sämmtliche Zeiterscheinungen, er gibt sie alle mit gleicher Treue wieder.
„Oder sind es etwa die Segnungen welche Rom verbreitet, daß ein Theil und nicht ein kleiner Theil unseres Volkes in drückendster Armuth schmachtet?" Der Priester sollte nach Ronge dazu beitragen, die „Aussöhnung zwischen dem reichen und notleidenden Theile der Menschheit" zu bewerkstelligen. In seinem Sendschreiben „an die niedere katholische Geistlichkeit" heißt es: „Sehen Sie hier einen Bischof mit 40,000 Thalern jährlich, geistliche Stiftungen mit unermeßlichem Vermögen, und nicht weit davon einen Weber, der wöchentlich nur fünf Groschen für sich und seine Familie verdienen kann]" Wünschen Ronge und die Deutsch-Katholiken28 zu erfahren, was sie entweder nicht sagen wollen oder nicht zu sagen wissen, was sie aber von ihrem Standpunkte aus unterschreiben werden, so hören sie einen Augenblick den Abbé Chatel, der in dem preßfreien und revolutionären Frankreich gelehrt und geschrieben hat: Die bisherige Auffassung der Religion hat eine Abschließung und Vereinzelung der Individuen von einander zuwege gebracht. Jeder verbarrikadirt sich in seinem Hause. „Wann doch wird der Mensch des Geheimnisses, der Privatmensch, nicht mehr ein vom sozialen und öffentlichen Menschen gänzlich verschiedener sein?" „Gott hat die Erde für Alle gemacht: Alle müssen also auf der |47| Erde existiren können". „Dieselben Rechte und dieselben Pflichten, oder wenn man will, gleiche Summe von Rechten und Pflichten für Alle: das ist die soziale Verfassung." „Begründen die Faulheit und die Nichtswürdigkeit soziale Ansprüche? Die Menschen, deren Arme unnütz sind, deren Geist und Körper gänzlich müßig bleiben: sind das Menschen?" „Die Erbschaft ist dem Erben nur zuzuerkennen als Mittel zu seiner Existenz, nicht als Mittel zum Luxus, der nur durch Arbeit erworben werden kann. In diesem Sinne ist das Erbthum heilig und geweiht, weil alle Kinder Gottes, indem sie zur Welt kommen, das Recht haben zu leben und bekleidet zu werden. Die Unordnung und der Krieg in allen menschlichen Gesellschaften kommen daher, daß das Eigenthum nicht nach dem Rechte festgesetzt ist, welche wir so eben vorschlugen, und daß das Recht der Erbschaft fast eben so unbegränzt ist, als das auf die Arbeit gegründete Eigenthumsrecht." (Abbé Chatel heuchelt hier selbst, sogar von seinem Standpunkte; er will die Erbschaft überhaupt aufgehoben wissen, die Gesellschaft soll die Kinder ernähren und kleiden. Beruft er sich doch ausdrücklich auf die Gotteskindschaft, nicht auf die Kindschaft des irdischen Vaters; und der irdische Vater lebt ja in den meisten Fällen noch, wenn das Kind genährt und gekleidet wird, hat also gar nichts zu vererben.) „Der gegenwärtige Handel ist nichts als der gesetzlich organisirte Betrug," u. s. w. Das ist schon weit deutlicher als bei Ronge, obgleich natürlich die Widersprüche auf theoretischem Gebiete sich bei Chatel auch haufenweise ins praktische hinüberziehen. -
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1845 gründete Johannes Ronge in Breslau die Deutsch-katholische Kirche bekannt wurde.
Allgemeine Christliche Gemeinde,
die später als
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Theologisch heißt der Widerspruch: „Gott ist ewig und die Welten auch. Alles was ist, ist ewig, aber nicht ewig wie Gott." Also zwei verschiedene Ewigkeiten, eine blaue und eine grüne! Auf gesellschaftlichem Gebiete wird gesagt: „Der Ackerbauer, der durch jahrelanges Umwühlen der Erde dazu gekommen ist, seine Einkünfte zu vergrößern und sich Bequemlichkeiten zu verschaffen, die er früher nicht hatte, der sich also auf dem Wege der Gerechtigkeit und der Natur bereichert hat, verur-|48|sacht keine Unordnung, kein Unglück unter seinen Brüdern." Die Bereicherung eines Ackerbauers, wie die Dinge heute stehen, ist nur denkbar, wenn er fremde Arbeitskräfte ausbeutet, wenn er seinen Tagelöhnern nicht das Produkt ihrer Arbeit zahlt. Wie vertrüge sich dieses Verfahren mit der „gleichen Summe von Rechten und Pflichten"? Arbeitet aber Jeder streng für sich, so wird bald ein großes Menschensterben eintreten. Wir werden also wohl die „Revenuen" und die „Bereicherung" fahren lassen müssen, und uns andere Begriffe anzuschaffen haben. Der große Mauritius Müller in Berlin, der aus einem schlechten Juristen ein deutschkatholischer Prediger, und wie wir eben hören, jetzt bairischer Jesuit geworden ist, sagt in einer seiner Predigten: „Und diese christliche Liebe ist an keine Zeit, kein Alter und keinen Stand gebunden. Sie soll durch alle Klassen dringen, und muß es besonders in unsern Tagen, wo wir der Unglücklichen so viele sehen, und nur Wenige, denen vergönnt ist, ihre Thränen zu trocknen. Hier soll eine christliche Werkthätigkeit sich offenbaren, die Alle für Einen und Einen für Alle leben läßt." Dieses konfuse Zugeständniß wird in einer andern Predigt auf seine wahre Bedeutung zurückgeführt; hier heißt es: „Die letzten Jahrzehnte haben zu bedauerlichen Verirrungen geführt; es galt einer verblendeten Partei die äußere Gleichstellung der Menschen als die höchste Aufgabe der Zeit; ihr Trieb diese Aufgabe zu erfüllen hätte eine Auflösung der bestehenden -
Verhältnisse herbeiführen können, wenn nicht eine reifere Einsicht ein höheres Glück des Menschen entdeckt hätte, als ein äußeres Wohlsein." Weiser Daniel! „Man hat im mißverstandenen Interesse dieser äußern Ausgleichung selbst die Hand an die Throne gelegt, man hat selbst das Eigenthum des Mitmenschen bedroht, und wunderbare Pläne für das Heil der Menschen ersonnen." Wunderbarer Plan, allen Menschen etwas zu essen zu geben, und zu diesem Behufe ihrem „Mitmenschen" Rothschild seine Last ein wenig zu erleichtern! Höchst wunderbar. Aber nein, ruft Herr Mauritius Müller, „die |49| als ob die Fürsten schliefen, wenn sie regieren sollen. Fürsten mögen ruhig schlafen Mauritius von Herrn Müller, der uns nichts mehr angeht: das ist das Abgesehen Wesen des Deutsch-Katholizismus, und deßhalb kann er sogar aus dem „Code de l'Humanité" des Abbé Chatel etwas lernen. Zum Schlüsse lerne er auch noch aus diesem Buche die Hohlheit des ganzen Standpunktes kennen, die unlogische Phrasenmacherei, die immer das Attribut des Enthusiasmus gewesen ist, und die sich natürlich selbst widerspricht. „Für Einige unter Euch wir sagen: für jeden religiösen Standpunkt ist Gott ein Wesen, vermittels dessen Ihr die kleinen Kinder und die Weiber erschreckt, den Greis am Rande des Grabes zittern macht, den Unwissenden, der Vermögen hat, plündert, und den der Nichts hat, im scheußlichsten Elende erhaltet. Die Religion dient "
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Ausbeutung der armen Menschheit." Auch die neukatholische, wenn sie sie jetzt ist. Und dann hütet Euch vor der Theokratie, vor der Priesterherrschaft. Die Apostel wirken Tapeten, und essen was Ihr Ihnen gebt; die Nachfolger der Apostel werden Päpste. Der Deutsch-Katholizismus hat die Theokratie noch nicht formulirt, dort ist noch zu viel Konkurrenz durch die Könige; der Abbé Chatel sagt es grade heraus: „Dem großen Pontifer oder Universal-Pastor, der die soziale Einheit durch den Willen Gottes repräsentirt, wie sie sich durch den Willen der Völker manifestirt, die ihn erwählt haben, werdet Ihr andere hohe Geistliche an die Seite setzen als Nationalpäpste. Auch werdet Ihr Priester oder Pastoren haben, die von Euern Päpsten ordinirt und von Euch genehmigt sind. Ihr werdet diesen Mitgliedern der sozialen Hierarchie eine tiefe Verehrung zollen" und auch etwas Gehalt. Ich sage nicht, daß es dazu kommen könnte, ich zeige Euch nur, was der Standpunkt in seinen Eingeweiden verborgen trägt. Wenn Ihr den Irrthum später einseht, so habt Ihr mindestens Zeit verloren. Wozu diese Zeitverschwendung? Geht weiter, werdet also
nur zur
bliebe,
was
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wenigstens Lichtfreunde. |50| Die Lichtfreunde -
Pecqueur
Wenn wir bei der Parallele: Ronge Chatel mehr theologische Systematik, größere Konsequenz in der Aufstellung der theologischen Weltansicht auf Seiten des Franzosen erblickten, so steht bei dem neuen Vergleiche die ungleich größere Gediegenheit auf Seiten der Deutschen. Hätten wir es bloß mit Uhlich19 zu thun, so wäre dem nicht so, Uhlich ist der Ronge der Lichtfreunde, der Gemüthvolle, der Enthusiast. Durch das Hinzutreten von Gustav Adolf Wislicenus30 aber hat die Sache der Lichtfreunde eine weit entschiedenere Wendung genommen, ist die Qualität des zu verbreitenden Lichtes spezifisch viel bestimmter geworden. Vor den entschiedenen Manifestationen von Wislicenus stand das Lichtfreudenthum auf dem Boden der Aufklärung, die einen Appel[l] an das Gemüth machte. Der theologische Inhalt des positiven Protestantismus war nicht wegkritisirt, sondern, als der freien Subjektivität unangemessen, beseitigt, und aus der Fülle des eigenen aufgeklärten Innern sollte die religiöse Wärme frei erzeugt werden. Wislicenus brachte die Kritik in dieses Wesen: er stellte sich auf den pantheistischen Standpunkt Hegels und kritisirte in populärer Weise, wie BrfunoJ Bauer es in gelehrter -
(1799-1872) war der Begründer der Lichtfreunde (1841), worauf man den evangelischen Theologen 1847 vom Amt suspendierte. Er schied darauf freiwillig aus dem landeskirchlichen Dienst aus und gründete in Magdeburg eine Freie Christliche Gemeinde. Der evangelische Theologe Gustav Adolf Wislicenus (1803-1875) war wegen seiner Kontakte mit den „Protestantischen Freunden" im Gegensatz zur Amtskirche geraten und wurde 1846 wegen seines freisinnigen Vortrags „Ob Schrift, ob Geist? Verantwortung gegen meine Ankläger" (Leipzig 1845), in dem er sich zum Verhältnis von Bibel und modernem Protestantismus geäußert hatte, abgesetzt. Zusammen mit Anhängern gründete er die Vereinigung der „Lichtfreunde". Leberecht Uhlich
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Weise gethan hatte; er streifte endlich bis dicht an Feuerbach heran, und streifte mit vollem Bewußtsein an die von Feuerbach jetzt selbst eingestandenen Konsequenzen des Humanismus. Durch Wislicenus steht das Lichtfreudenthum theoretisch weit über Pecqueur, der die Konsequenzen aus Kant und Rousseau zu ziehen sucht. Die Rongeaner sind noch Rationalisten, subjektive Rationalisten. Wislicenus bekämpft den subjektiven Rationalismus, er behandelt die Bibel nicht rationalistisch sondern kritisch; er behandelt sie, wie sie es verdient. Er sagt, ich mache es nicht wie die Rationalisten, die „einige auserwählte Sprüche der Bibel im Auge haben, als stünden sie ganz allein darin": Wer die eine Stelle zum Fundament seiner subjektiven Ueberzeugung macht, der muß sie eben alle annehmen. Dies Gerede dauert bereits seit dem vorigen Jahrhundert, und bringt |511 um keinen Schritt weiter. Sich auf den Geist der Schrift berufen, heißt der Bibel Gewalt anthun, weil man doch nur „der Herren eignen Geist" zu schauen bekommt. Wislicenus sagt: Geist und Buchstabe der Schrift ist einerlei. Das Absolute ist für diesen letzten der praktischen Theologen der Geist, das Hegel'sche Allgemeine; er macht sich keine „Bedenklichkeiten" darüber, wie er das Fürsichsein Gottes oder des Geistes neben seinem Allgemeinsein rette und bewahre; der Geist wird ihm sofort etwas menschlich Individuelles. Nur schwebt „der Geist" doch wieder über dem leibhaftigen Individuum, als „heiliger" Geist: Wislicenus sieht die Persönlichkeit nur undeutlich vor ihrem Heiligenscheine. „Der Geist ist das göttliche Leben in der Menschheit, er ist in ewiger Weiterentwickelung wie der einzelne Mensch. Die Menschengeschichte das ist die Geschichte Gottes; worauf man bestehen muß, ist die Göttlichkeit der wirklichen Welt. Hier ist grade die „Göttlichkeit" zuviel. Wo steht der Menschengeist in diesem Augenblicke, was ist sein jetziges Vorhaben? Was ist die Menschengeschichte in dieser unserer Zeit? Wislicenus antwortet: Der Zeitgeist, der wahre Geist, will Gerechtigkeit im Leben, und nicht blos Liebe im Munde. „Er will nicht blos hie und da ein Almosen hinwerfen, und etwa um der Seelen Seligkeit willen hie und da eine milde Stiftung gründen; er sucht nach gründlicher Abhülfe des Elends, und hat noch niemals so ernstlich darauf gedacht, die Menschen wirklich zu einem Brudervolke zu machen." Wie weit ist es von diesem schönen Satze bis zu dem Feuerbach'schen Eingeständnisse: der Humanist sei Gemeinmensch, Kommunist?31 Der „in uns selbst lebendige Geist" wird mit Nothwendigkeit darauf denken müssen, die Welt der Erdengötter würdig einzurichten. Näheres für die sozialen Konsequenzen der Lichtfreunde bei dem Lichtfreunde Pecqueur. Dieser theologische Kommunist adoptirt die Weltanschauung Kants und Rousseaus; er sagt ausdrücklich, Kant habe aus seiner „natürlichen Religion" nicht die sozialen und ökonomischen Konsequenzen gezogen. |52| Wie Kant den theoretisch "
„
"
nicht erweisbaren Gott unter dem praktischen linken Knopfloch wieder fand, so setzt auch Pecqueur Gott, jedoch mit der Klausel, die Charité, die werkthätige Liebe gehe 31
Siehe L. Feuerbach: Über das „Wesen des Christentums" in In: GW Feuerbach, Bd. 9, S. 441.
Eigentum".
Beziehung auf den „Einzigen und sein
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über jede Wissenschaft. Er merkt nicht, welchen Widersinn er zu Tage fordert, wenn er bald darauf behauptet, die Wissenschaft müsse das Kriterium jeder positiven Religion sein. Die Hauptwissenschaft, der Hauptgegenstand der Theorie, Gott nämlich, ist nur praktisch sichergestellt, durch viele Phrasen, durch viele man verzeihe den Ausdruck Gefühlsschlüsse, und nun soll die Religion, die sich auf diesen Gott stützte, kritisirt werden von wem? von der Wissenschaft? aber es gibt ja keine, ihr Haupttheorem ist nicht gelöst. So proklamirt ferner Pecqueur die Religion als synonym mit der Vereinigung, Association, Solidarität und Ordnung, wo bleibt hier Gott? Er ist weiter nichts als die theologische Zuthat des Herrn Pastors Pecqueur, Gott ist nur ein anderer Ausdruck für den Verstandesmangel des Herrn Pecqueur. Wie kann ein Kantianer, ein Schüler des Mannes, der die Toleranz vor Allem und über Allem gepredigt hat, sagen: Von der Uebereinstimmung in den religiösen Hauptfragen hange Alles ab!? Wie kann ein Kantianer den Deismus zur Pflicht, zur gesellschaftlichen Pflicht machen? Herr Pecqueur glaubt nur, ein Kantianer zu sein, er reicht nicht bis in die hohe Reinheit der Königsberger Atmosphäre; ihm steckt der savoyische Vikar31 im Leibe, Rousseau, der Konvent, Robespierre, Louis Blanc, Pierre Leroux. „Der Atheist, wenn er logisch ist, hat keinen Herrn (tant mieux) keinen Gesetzgeber (quelle bénédiction), folglich kein Gesetz (als sein eigenes). Wenn er noch eine Zaum anerkennt (das Lastthier), so kann es nur der des Gensdarmen oder des Henkers sein, weil er keine andere Richtschnur anerkennt, als die des Richters." Ueber diese nichtswürdige Beurtheilung der menschlichen Natur nur die einfache Bemerkung, daß heutzutage allerdings der Gensdarm, den Henker und der Richter die glänzenden Attribute der menschlichen Gesellschaft sind, daß die heutige Ordnung allerdings ihr vollständiges Urtheil er-|53|fährt an der Wichtigkeit, ja Unentbehrlichkeit dieser Personen, und daß es Herr Pecqueur seinem „Gotte" danken mag, wenn er diese drei Instanzen auch für alle Zukunft im menschlichen Zusammenleben als nothwendig erachtet. Mit welchem Recht schilt aber Herr Pecqueur die positiven Religionen exklusiv, gottlos und unmöglich, da sein fanatischer Deismus so weit in der Ausschließlichkeit geht, die Atheisten aus der Gesellschaft ausschließen zu wollen, wenn sie sich nicht verpflichten, die werkthätige Liebe in ihrer ganzen Ausdehnung zu beschwören? Ausschließen zu wollen, von der Gesellschaft? Wo ist der Platz außerhalb der Gesellschaft? Herr Pecqueur sorgt für Platz, seine wahre Gesellschaft, die Gesellschaft der „Philadelphen" ist eine ecclesia militans, eine Gesellschaft in der Gesellschaft! Während doch die Gesellschaft so beschaffen sein muß, daß sie Niemanden ausschließt, nicht einmal den Herrn Pecqueur; ja, was noch mehr sagen will, sie darf ihn sogar nichts schwören lassen, weder Liebe noch Haß, und doch nicht von ihm genirt werden. Auf dem Gebiete der Ethik, der Praxis, dem Hauptgebiete des Herrn Pecqueur, begegnen wir einer ganzen Reihe längst bekannter Gegenstände, dem freien Willen, dem -
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Bezieht sich auf das Glaubensbekenntnis Vgl. ebenda, 4. Buch.
von
J. J. Rousseau in dessen
Erziehungsroman „Emile".
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Devoument, dem kategorischen Imperativ, der Verantwortlichkeit für unser Thun und Lassen, der künftigen Belohnung und Bestrafung, und behufs Alles dessen dem zukünftigen ewigen Leben. Wenn der Herr Pastor Pecqueur ein zukünftiges Leben, eine dort
drüben fortgesetzte Lohnwirthschaft ganz gewiß in Erfahrung gebracht hat: was braucht er noch Sozialist zu sein? es kommt ja Alles schon von selbst ins Gleiche. Wir konnten dem Herrn Pecqueur diese Ungereimtheiten nicht ungerügt hingehen lassen, und zwar mit Rücksicht auf die Deutschen. Wenn man diesen nachrühmen muß, daß sie die theoretischen Schülerschnitzer des Herrn Pecqueur abzuthun ernstlich beginnen, so werden sie es sich um so eher gefallen lassen, die praktischen Vorzüge der Franzosen sich anzueignen. Was sie von dem lichtfreundlichen Pecqueur lernen können, ist Folgendes. |54| Die Nationalschranke, welche den Deutsch-Katholiken noch wesentlich ist, welche in der Uhlich'sehen Gemüthlichkeit verborgen liegt, und erst in der reinen kritischen Luft des Wislicenus, wenn auch nur an sich, aufgehoben wird: diese Nationalschranke ist bei Pecqueur mit Bewußtsein zertrümmert. Er will von und zu Menschen reden, nicht von und zu Nationalorganismen; er überragt viele seiner Landsleute grade durch seinen Universalismus nicht Kosmopolitismus, weil das Wort so verrufen ist. Menschen treten in freie menschliche Gesellschaft; Nationale sind Gewächse die ihrem Ursprungsboden angehören; der Nationalismus ist nicht einmal etwas Thierisches, wie man, um ihn herabzuwürdigen, gesagt hat, er ist etwas Pflanzliches. Der Hund ist ein Universalist, er reist mit nach Island und Grönland und lebt rüstig weiter; die Ginstersträuchefr] und Schlehdornen sind Nationale. Fürchtet nicht, Ihr müßtet eines schönen Morgens die funkelnagelneue Weltsprache lernen, wenn der Sozialismus „eingeführt" wird; man treibe Euch die deutsche Gemüthlichkeit oder die französische Lebenslust mit Dampf aus, die Vogesen und andere berühmte „Grenzvesten der Natur" würden abgetragen, Alles nivellirt, der Erde gleich gemacht. Nein, Ihr werdet deutsch reden, vorläufig, gemüthlich bleiben, wenn Ihr Luft dazu habt, und die Vogesen sollen schon um ihrer unvergleichlichen Aussichten willen in der Höhe gelassen werden: aber herunter mit den Gränzfestungen, durchbrochen die Douanen-Cordons, entzwei die Zoll- und Paßhäuser! Und wenn das geschehen ist, so werdet Ihr Euch als Universalisten empfinden, solltet Ihr auch niemals Pömmelte oder Halle verlassen. Nach den Nationalschranken zertrümmert Pecqueur die bisherigen Verfassungen und Gesetze, die geschriebenen, die papiernen Päpste der Menschheit. Er weiß, das Gesetz muß etwas allzeit Flüssiges, stets mit der Menschheit Fließendes sein. Und dies Gesetz nennt er das lebendige Gesetz. „In einer Gesellschaft, die sich für den Fortschritt konstituirt, die ausschließlich durch sittliche Federn in Bewegung |55| gesetzt sein will, kann es keine geschriebenen Gesetze, keine unbeweglichen Constitutionen und Charten geben, keine Gewalten und Aemter auf Lebenszeit, auf eine gewisse Zeit, noch weniger Unabsetzbarkeit oder Erblichkeit. Grundsätzlich, wenn die Veränderung nothwendig, unaufhörlich, wenn der Fortschritt ein Grunddogma ist, so muß das Gesetz ein lebendiges sein. Ein lebendiges -
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Gesetz ist ein solches, das sich unaufhörlich mit dem Geist und der Thätigkeit des Menschen und der Gesellschaft entwickelt, deren Ausdruck es ist, und der es in ihren aufeinander folgenden, unvermeidlichen und unablässigen Umwandlungen folgen muß." Nach dieser Weise, die Sache zu betrachten, bliebe nicht einmal das Preußische Allg[emeine] Landrecht stehen. „Hier ist der Konvent permanent: das lebendige Gesetz konstituirt niemals, und konstituirt doch unablässig, es bindet und löst, nach Maßgabe der sozialen Bewegung." „Jedes nützliche Resultat der individuellen Spontaneität muß unmittelbar Gesetz oder soziale Wirklichkeit werden können." Heute ist in ganz Deutschland in jedem Lande nur eine einzige individuelle Spontaneität, die Gesetz wird. Pecqueur proklamirt die Anarchie, d. h. die Abschaffung alles Vorherrschenden. Was ist diese Anarchie in der Güter- und Besitzwelt? Die Gemeinschaftlichkeit, der Kommunismus, die „Gemeinschaftlichkeit der Produkte unserer Kollektivarbeit, die Solidarität bei guten und bösen Zufallen des Lebens, die freiwillige Abschaffung des Mein und des Dein, wie in einer Familie von Blutsverwandten." (Wislicenus will die Menschen zu einem Brudervolke machen.) „Man muß die Hauptwahrheit wohl begreifen, die aus der ganzen modernen Kritik der Oekonomie hervorgeht. Es ist nämlich unmöglich, die Bruderliebe wirksam auszuüben, sogar die Gerechtigkeit zu beobachten, unter der gegenwärtigen (und früheren) Verfassung des Eigenthumsrechtes an den Arbeitsmitteln. Es ist fortan erwiesen, daß diese Verfassung eine soziale, Allen verderbliche Ungeheuerlichkeit ist, verderblich sogar Denen, für die sie erfunden wurde; die Ursache der |56| Konkurrenz, d. h. des allgemeinen und fortwährenden Krieges, den die Familien unter sich führen; die Ursache des Elends der großen Anzahl und der meisten zerstörenden Leidenschaften, die mit Schmerzen die große Seele der Menschheit durchfurchen. In der That, diese industrielle Verfassung ist ein Raub und eine Rechtsverweigerung für die Majorität der Völker." Hier können die letzten deutschen Theologen lernen, daß man sich mit sozialer Oekonomie befassen muß, wie denn auch Herr Pecqueur eine „Neue Theorie der sozialen und politischen Oekonomie" geschrieben hat, die ein sehr dickes Buch ist und neun Franken kostet. „Also, bleibe nun das Individuum isolirt, und die Werkthätigkeit der Liebe frei und gänzlich auf die individuellen Almosen Derer beschränkt, die das Monopol der Erde und ihrer Früchte haben, wie es die politische Oekonomie der Katholiken und Protestanten will, oder associiren sich, wie es die vernünftige Religion vorschreibt, die Einzelnen, organisiren sie die bedingungsweise Gleichheit der Güter, suchen sie die ökonomische Solidarität, die allein die Ausübung der Liebe wirksam machen kann, indem sie das Almosen vermittels der Sozialisation der Arbeitswerkzeuge und der Umwandlung des Eigenthümers und Kapitalisten in öffentliche Beamte, umgestaltet: in beiden Fällen bleibt es wahr, daß die positive Mittheilung unserer Güter an unsere Brüder die absolute religiöse Pflicht ist." -
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„So wird die Solidarität von Rechtswegen eingeführt und von Jedem getragen werden, vermöge einer Steuer, welche die Verwaltung von den allgemeinen Produkten der Association erhebt: 1) um Jeden und Alle vor den Wechselfallen zu bewahren, die sie im Laufe ihres Lebens erreichen können, 2) um den Allen gemeinsamen Bedürfnissen die Spitze zu bieten, wie der Erziehung, der Nahrung, dem Unterhalt etc. in der Kindheit; der Unterstützung in Krankheiten, Wochenbetten und während der Säugung, bei körperlichen Gebrechen; der Versorgung im Alter etc. Die öffentliche Solidarität erstreckt sich ganz legitimer Weise auf solche Erfordernisse, weil Alle diesen Zuständen und Möglichkeiten gleichmäßig ausgesetzt oder unter-|57|worfen sind, weil der moralische Wille hierbei keine Stimme hat, und die Naturgesetzte allein im Spiele sind." Sollten diese Einzelheiten unseren deutschen Gottes- und Geistesschwärmern prosaisch vorkommen, so mögen sie bedenken, daß es die größte Rohheit ist, die Stätte des „Geistes", den Leib, zerfallen und vermodern zu lassen, wenn man dabei beständig Loblieder zu Ehren des „Geistes" anstimmt. Der Kultus des „Geistes", von dem „großen Geiste" an, den der afrikanische Neger zitternd verehrt, bis zu dem „in uns selbst lebendigen Geiste", den Wislicenus freudig bekennt, hat uns sämmtlich ruinirt und an den Bettelstab gebracht, und die Wenigen, welche unterdessen die Früchte der Erde genossen, machten sich grade am Allerwenigsten mit dem „Geiste" zu schaffen. Fassen wir die menschlichen Dinge einmal von einer andern Seite an. Werden wir unmittelbare Menschen. Die vielen „geistigen" Vermittlungen waren nur die Maske des gröbsten, irdischen Betrugs. Es gibt noch einen Theologen in Deutschland, der selbst weiter als Wislicenus, die ganze Feuerbach'sche Weisheit sonntäglich von der Kanzel herab docirt, insofern der größte Ketzer dieser Erde, aber ein beziehungsloser, einsamer Ketzer. Es ist der alte Superintendent Volkhausen zu Oerlinghausen im Lippe'schen. Er hat einen Band „Preherausgegeben, worin er die anthropomorphischen Hieroglyphen der Bibel mit einem jedesmaligen „Oder", „Das heißt", in ihre menschliche Einfachheit auflöst, und das mit einer solchen Naivetät, daß viele Menschen sicher lange nichts Böses dabei denken. Und so hätte denn die große gelehrte Arbeit der Deutschen von Kant bis auf Feuerbach ihre volksthümliche Doppelgängerin erzeugt: die Theorie hat sich in den Talar gedrängt, und das Volk aufgesucht bis in die Kirche, bis an den „heiligen Ort", wo es vollkommen sicher zu sein glaubte vor dem Teufel. Die deutsche Kanzel selbst ist humanistisch geworden. Ist die theoretische Natur dieses Volkes noch komplizirter? bedarf die menschliche Wahrheit noch einer und wieder noch einer Vermittelung, oder kann sie endlich Praxis werden? Ist es jetzt |58| genug mit der ewigen Theologie dieser Nation von Pastoren, wird sie die Talare endlich abwerfen und uns einen menschlichen Leib zeigen? Welcher Mummenschanz war diese deutsche Geschichte!
digten"33
Siehe A. E. Volkhausen: 1845.
Predigten eines Emanzipierten in der Kirche zu Oerlinghausen,
Bielefeld
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Ihr aber, Ihr letzten Theologen, helft, daß Ihr die letzten seid! Ihr habt Preßfreiheit auf Euern Kanzeln, gebraucht sie. Laßt es darauf ankommen, ob sie Euch absetzen; bis dahin habt Ihr immer eine Lunte ins Holzmagazin gelegt. Setzen sie Euch ab, so wollen wir euch ernähren, wir Proletarier. Thut der Menschheit die Ehre an, Verräther zu werden. Auch Moses war ein Verräther an der heiligen Wahrheit der ägyptischen Priester; auch Christus war ein Verräther an der Weisheit der Rabbiner; auch Luther war ein Verräther an der schwarzen Kunst Roms. Und sie sind hochgebenedeit worden. Und jetzt gilt es mehr, denn aus einem Stalle in den andern kommen. Werdet Verräther, und damit kein neuer Kultus im Tempel aufkommen könne, faßt seine Säulen an, wie Simson der Starke, und reißt den Tempel nieder für ewig. Der katholische Priester Johann Mes Her, der im Jahre 1733 zu Etrépigny in der Champagne starb, bat in seinem Testamente seine Gemeinde um Verzeihung, daß er ihr die christliche Lüge so lange vorgetragen, obgleich er sie selbst stets durchschaut und verachtet haben. Vor mehr als hundert Jahren schrieb dieser Mann: „Indem die Priester die Augen der Menschen beständig auf den Himmel lenken, und ihnen glauben machen, alle ihre Uebel verdankten sie dem göttlichen Zorne, indem sie ihnen nur unwirksame und eitle Mittel darbieten, ihre Leiden zu Ende zu bringen, sollte man glauben, sie hätten nur zum Zwecke, die Nationen zu verhindern, an den wahren Quell ihres Elends zu denken, und sich vorgenommen, es ewig zu machen. Die Priester der Religion betragen sich ungefähr wie dürftige Mütter, die aus Mangel an Brod ihre hungrigen Kinder mit Liedern einschläfern, die ihnen Spielsachen darreichen, um ihnen ihre quälenden Bedürfnisse aus den Gedanken zu schaffen." |59| Das ist ein Jahrhundert her, und die Religion ist seit der Zeit vollständig um allen Kredit gekommen, und Menschen von Herz und Kopf wollten sich ferner zur Leibgarde eines Schattens erniedrigen? Da wollt Ihr neue Gemeinden stiften, freie Gemeinden, wie es heißt, demokratische Gemeinden gar. In Königsberg wollen sie den neu-christlichen, unsymbolischen „Geist" durch das „brüderliche Du" besiegeln. Das „brüderliche Du" ist jedenfalls besser als das „vertrauliche Du"; aber selbst das „brüderliche Du" verräth nur ein unbefriedigtes Suchen und Sichsehnen nach menschlicher Vereinigung, nach menschlicher Annäherung, nach Association. Ihr möchtet Euch gern umarmen, und könnt Eure Glieder nicht fühlen vor den dicken faltigen Pauschen Eurer Chorröcke. Werft die Chorröcke ab, und Ihr seid Menschen. Ihr quält und ängstigt Euch ab, in den ,,Herrn" oder doch im „Geiste" zu kommuniziren: weist doch den „Herrn" oder den „Geist" vor die Thüre, und kommunizirt dann. In Euern Zimmern ist viel Rauch und Dunst, deßhalb kommt Ihr Euch gegenseitig so groß und heilig vor, und betet einander an: lüftet das Zimmer, und laßt Musik aufspielen, und freut Euch des Lebens! Wir, Eure Tadler, sehen selbst noch mürrisch und griesgrämlich aus, weil wir immer tadeln, immer schelten, immer kritisiren. Wir gewinnen selbst ein pastorenhaftes Aussehen, indem wir Euch den Pastor austreiben wollen. Wir wissen es wohl. Stellt daher Tische und Stühle beiseit, laßt den Boden -
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kehren und die Musik beginnen, wir wollen den Tanz mit Eurer Frau Pastorin eröffnen. Und dann Wein herbei. Gaudeamus Wie schon der König Salomon sagte. Ihr sprecht von Christenthum, von freier protestantischer Kirche. Und wir sehen nichts mehr vom alten ächten Protestantismus. Ihr habt das Gedächtniß verloren, bei all Eurer Gelehrsamkeit. Ihr braut ein Ragout von biblischen Worten und philosophischen Gedanken, Ihr seid gar keine Christen, Ihr seid Rationalisten, Pantheisten, Hegelianer, Heuchler, Betrogene. Wollt Ihr Protestantismus sehen, so lest die |60| Augsburgische Konfession*. 5 Wollt Ihr wissen, was das neueste Christenthum ist, so lest Pascal's „Gedanken über die Religion"36! Da ist Glaube, da ist Sündenbewußtsein, da ist die christliche Misere rein und voll. Seid nicht unwissend, seid nicht inkonsequent! Ihr habt es gebracht bis zum Rationalismus und Deismus, bis zum Pantheismus und Kriticismus; Ihr seid sehr weit gekommen auf dem abschüssigen Wege des Verderbens. Wollt Ihr wieder hinauf oder wollt ihr ganz herunter, in die Hölle der sprudelnden Lebensfreude, der strotzenden Lebenskraft? Ihr könnt nicht zurück, also macht vorwärts, daß Ihr ganz herabkommt! Sozialisten im Allgemeinen seid Ihr schon, Ihr wollt dem Elende abhelfen; Kommunisten im ordinären Sinne seid Ihr schon, Ihr wollt aus der Menschheit ein Brudervolk machen. Ihr wußtet das vielleicht nicht einmal genau, die Herren Chatel und Pecqueur, Eure Ergänzungen, mußten es Euch zeigen, zum Bewußtsein bringen. Es ist Zeit, daß das Bewußtsein einmal losfahre aus seiner bequemen Hütte, daß es sich unter die Dinge mische und sie in Bewegung setze. Zu den theologischen Sozialisten Frankreichs habe ich nicht zu sprechen, sie sind mir ein geschichtlicher Gegenstand und eine Warnung für die deutsche Zukunft, eine Warnung vor der jesuitischen Diplomatie, die sogar bei der bevorstehenden Revolution ihre Rolle spielen könnte. Aber die sozialistischen Theologen in Deutschland gehen mich viel an, denn sie stehen auf dem Cap Landsend der Theologie, sie sind keine rechten Theologen mehr; und da ich vermuthe, sie möchten gern Etwas sein, so rathe ich ihnen, wirkliche und ernstliche Sozialisten zu werden. Alle Strömungen unseres Lebens müssen zusammenfließen in dem Einen großen Ocean, der brandend über seine Gestade treten wird, die alte Welt zu verschlingen. Paris, Ende Januar 1846. Karl Grün
igitur!34
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(lat.) Freuen wir uns denn! Siehe als zeitgenössische Veröffentlichung G. F. Leffler: Die Augsburgische Confession. Ein Abdruck zum Gebrauch für protestantische Christen mit Vorwort, Einleitung und geschichtlichen Anmerkungen versehen, Erlangen 1840. Siehe [Blaise] Pascal's Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände. Aus dem Französischen übersetzt von K. A. Blech, Berlin 1840, S. 63-443.
Einführung [in Pierre-Joseph Proudhons „Philosophie der Staatsökonomie oder Notwendigkeit des Elends"]
„An einem schönen Morgen gibt sie mit dem Ellbogen dem Kameraden einen Schubb, und Bautz! Baradautz! der Götze liegt am Boden! An einem schönen Morgen, dessen Mittag nicht blutig ist,
die Ansteckung alle Organe des geistigen Lebens durchdrungen hat; nur das Gedächtniß bewahrt dann noch als eine, man weiß nicht wie, vergangene Geschichte die todte Weise der vorigen Gestalt des Geistes auf; und die neue für die Anbetung erhöhte Schlange der Weisheit hat auf diese Weise nur eine welke Haut schmerzlos abgestreift. Hegel in der Phänomenologie. (S. 398 der 2. Aufl.)2 |IX| -
wenn
Das Werk, welches ich hiermit die Ehre habe, in die deutsche Literatur einzuführen, könnte füglich sein eigener Vorredner sein. Wir haben es nicht mehr mit einem noch so scharfsinnigen, noch so logischen Mémoire, mit der Ausarbeitung irgend einer einzelnen, hochwichtigen Kategorie, sondern mit einem Systeme zu thun, das, eine Welt für sich, gewappnet von Kopf bis zu Fuß, gleich der riesigen Göttin aus Jupiters Haupte, in's Dasein tritt. Es ist dies Werk die feierliche Inaugurazion der dritten und letzten Phase des theoretischen Sozialismus, die bedeutungsschwere Einleitung und Einläutung derjenigen Gestalt der Theorie, die unmittelbar und mit zwingender Nothwendigkeit in die Verwirklichung umschlagen muß; es ist das Gewand des Menschensohnes, aus 1
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K. Grün: Einführung. In: Pierre[-]Joseph Proudhon: Philosophie der Staatsökonomie oder Notwendigkeit des Elends. Deutsch bearbeitet von K. Grün, 2 Bde., Darmstadt 1847, Bd. 2, S. VIII-LVI. Georg Wilhelm Friedrich Hegel's Werke. Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten. Bd. 2: Phänomenologie des Geistes. Hrsg. von J. Schulze, 2. Aufl., Berlin 1841, (im Folgenden: Hegel Werke, Bd. 2), S. 398.
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Einführung in Pierre-Joseph Proudhons „Philosophie der Staatsökonomie"
dessen Falten die heilenden Wunderkräfte für die todtkranke Kanaaniterin, für das Proletariat, entströmen werden. Wenn ich nun doch einige Ausführungen vorausschicke, so geschieht dies, weil ich den tiefen Zusammenhang zwischen französischer und deutscher Entwicklung, der auch schon früher darzustellen versucht wurde, in einer neuen und, wie ich hoffe, gründlichen Form zur Anschauung bringen möchte. Franzosen und Deutsche sollen sich durch Nichts trennen lassen, weder durch den Kölner Dom noch durch den Pascha von Aegypten. Der Sozialismus oder, wenn man will, die acht menschliche Politik, oder die Organisazion der Arbeit, oder die Aufhebung des Proletariats, oder, wie Lessing heute sagen würde, die praktische Erziehung des Menschengeschlechts; die Unterschiede im Namen müssen aufhören, sowohl um der Schwachen willen, als auch damit die Starken sich nicht selbst schwach erzeigen der Sozialismus trat zuerst auf als Instinkt, als unmittelbares |X| Bedürfhiß, als der Ausdruck der gefühlten Noth, als Ahnung einer bessern Ordnung in der Gesellschaft, und als der ebenso unmittelbare Drang, diesem Bedürfhiß, dieser Noth abzuhelfen, und zwar im Wege eines gewaltsamen Bruches mit dem Bestehenden. Diese Periode dauerte am längsten und mußte nach der Natur der menschheitlichen Entwicklung am längsten dauern; mit der Unmittelbarkeit beginnt das Geschlecht, der Einzelne und das Wissen. Den platonischen Staat bei Seite gesetzt, der übrigens auch nur eine rückwärts gekehrte Utopie war, und der griechischen Welt ungefähr sagte: So hättest du dich staatlich organisiren müssen, wolltest du nicht zu Grunde gehen; also dieses Ideal bei Seite gesetzt, sehen wir die erste Periode des Sozialismus in volle Blüthe treten mit den Anfängen des Christenthums, welches ursprünglich keineswegs eine Theorie der Erlösung durch den Sohn Gottes und der Heiligung durch den alleinseligmachenden Glauben an das Opfer Jesu Christi, wohl aber die einer brutalen Güter- und Weibergemeinschaft war,*1 und so die rohe Grundlage der späteren christlichen Sektirereien und sozialistischen Ketzereien bildete, die von historisirenden Poeten und poetisirenden Historikern noch immer als die Einleitung zur französischen Revoluzion und zur kommenden Weltordnung betrachtet werden. George Sand und Louis Blanc3 schneiden aus dieser Schwindelei ganze Bände, die nicht wenig Schuld sind an der verstockten Verrücktheit eines gewissen Theiles unserer Zeitgenossen. Dieser Sozialismus, der, vom Instinkt ausgehend, ein Ideal der Bruderliebe und Gemeinschaft träumend, zu seiner Verwirklichung in letzter Instanz immer nur an die Gewalt appellirt, und besonders daran erkenntlich ist, daß er vor allen |XI| Stücken zusammenwerfen, die bestehende Welt in Staub verschütten, dann Diktator spielen, und die neue Welt -
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Auffassung des sogenannten „Urchristenthums", auf das sogar noch in unsern Fürsten hinweisen, denke ich historisch zu erhärten, sobald ich einmal nichts „christliche" Tagen Die Wahrheit dieser
Besseres zu thun weiß. George Sand in der Gräfin Rudolstadt. (Fortsetzung der Consuelo.) [Siehe G. Sand (i. e. Aurore Dudevant): La Comtesse de Rudolstadt, 3 T., Bruxelles Leipzig 1843-1844]. Louis Blanc im ersten Bande seiner französischen Revoluzion, der mit Jesus Christus beginnt. -
Einführung in Pierre-Joseph Proudhons „Philosophie der Staatsökonomie"
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gleichwie der christliche Gott aus dem Nichts entstehen lassen will; der auf alle Einreden, auf alle Warnungen der Vorsicht, auf alle geschichtlichen Erinnerungen Nichts zu antworten hat, als: Das wird sich finden, und: Diesmal wollen wir es gescheiter
dieser Sozialismus, verkleide er sich, in welche Formen er mag, habe er sich mit der fortschreitenden Bildung zivilisirt, trete er sogar gelehrt auf, ist der eigentliche Kommunismus, sein letzter und populärster Repräsentant der Franzose Cabet. Von diesem Sozialismus macht Proudhon im zweiten Bande gegen seinen Freund Villegardelle geltend, daß er nicht komme, sonder gehe, daß er eine im Verschwinden begriffene, immer matter und seichter auftretende Theorie sei, die immer allgemeiner, immer abstrakter zu reden gezwungen werde, je bestimmter und gediegener sich der Inhalt der wirklichen Welt herausbilde.3 Diesem Sozialismus wagt bereits die „Augsb[urger] Allgemeine] Zeitung" dreist in's Auge zu blicken, und die Kritik über ihn zu fallen: „Ein Gemeinwesen ohne Eigenthum (aber was ist Eigenthum? hier liegt der Knoten, wir würden sagen: ohne persönliche Iniziative) würde mithin einer Maschine gleichen, zu deren Bewegung man sich nicht einer in der Natur gegebenen Kraft bedienen wollte: sei ihr Räderwerk auch noch so künstlich zusammengesetzt, sei sie für den vortrefflichsten Zweck erfunden, dennoch wird dies Perpetuum mobile stille stehen, und wo man eine Maschine bewegen will, wird man stets sich einer von der Natur gegebenen Kraft bedienen müssen." (Beilage zu Nro. 53, 1847.)4 Die zweite Phase des Sozialismus, die ich im Gegensatze zu jener Unmittelbarkeit, zu jenem abstrakten Ansich des Kommunismus, den selbstbewußten Sozialismus, den Sozialismus als Fürsichsein nennen möchte, entwickelt sich zwar schon früher aus und neben dem eigentlichen Kommunismus, datirt aber ihren wesentlichsten und konkretesten Erscheinungen nach von der Julirevoluzion her, der in Deutschland das Junghegelthum ungefähr parallel läuft. Frankreich hatte hier einen zeitlichen Vorsprung von ungefähr einem Dezennium, innerhalb dessen die beiden gro-|XII|ßen Hauptschulen des Saint-Simonismus und des Fourierismus, sowie die mehr isolirten Bestrebungen Einzelner auftreten. Was in diesem Sozialismus das neue Moment bildet, ist die Setzung der Persönlichkeit, das Festhalten am Rechte der Individualität in und bei der solidarischen Verfassung der ganzen Gesellschaft, der Begriff der Gliederung, der Organisazion, ein Erbtheil vieler bedeutender Männer des achtzehnten Jahrhunderts. Dieser Uebergang war nach einer vierzigjährigen politischen Revoluzion, angesichts einer mächtig entwickelten Industrie, nothwendig geworden, und muß trotz der berechmachen!
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...
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Gemeint ist der französische Publizist und Anhänger Fouriers François Villegardelle (1810 bis 1856), der seit 1840 zu den utopischen Kommunisten zählte. Siehe P.-J. Proudhon: An meinen kommunistischen Freund Villegardelle. In: Ders., Philosophie der Staatsökonomie oder Notwendigkeit des Elends, a. a. O. (Anm. 1), Bd. 2, S. 304-307. Zu Villegardelle siehe weiter ebenda, S. 319-321, 325, 335 und S. 357. Siehe Anonym: Das ABC des Communismus. In: Allgemeine Zeitung, Augsburg, Beilage, Nr. 53 vom 22. Februar 1847, S. 422. -
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Kritik aller Einzelnheiten jener Systeme, als ihr wesentlicher Inhalt, als das Moment des Fortschritts im Sozialismus hochgehalten werden. War der Kommunismus, der Sozialismus auf der Stufe der Religion, also auch des Fanatismus, so trat jetzt der Sozialismus, als Philosophie, als Selbstbewußtsein auf; denn die Philosophie ist nichts Anderes als der durchschaute Inhalt der Religion, die Zurücknahme dieses Inhalts in das Bewußtsein, das ihn als sein eigenes Wissen weiß. Diese Benennung der zweiten Phase des Sozialismus, als des philosophischen, selbstbewußten, rechtfertigt sich denn auch glänzend durch den Hinzutritt der deutschen Bewegung. Das Junghegelthum war die Trunkenheit des Selbstbewußtseins von sich selbst, und sein „Hinausgehen über Hegel" war so wenig Ernst, daß diese stürmische Jugend vielmehr noch philosophischer als philosophisch, noch hegel'scher als Hegel selbst sich gebärdete, daß aller objektive Inhalt, bald in das Gattungsbewußtsein, bald in das kritische Bewußtsein der Kritik, bald in's Bewußtsein des abstrakt Einzelnen absorbirt wurde. Als dieses junghegel'sche Selbstbewußtsein mit der Politik fertig war, und für den „Staat des freien Selbstbewußtseins" keinen Absatz fand, wurde es eines frühen Morgens Sozialist, stürzte sich freiauf das Reich der lich nur in seiner Sphäre, in der Welt des Selbstbewußtseins fand sie Wirklichkeit los, kritisirte die Gesellschaft, nirgends sich entsprechend, und proklamirte im heiligsten Eifer die Nothwendigkeit, die Wirklichkeit nach seinem Bilde umzugestalten, und keinen |XIII| Stein auf dem andern zu lassen, bis die Dinge seinem Fürsichsein entsprächen, bis das freie Selbstbewußtsein auch die äußere Welt sich gemäß gemacht hätte.4 Und es macht hier keinen generischen Unterschied, ob das Selbstbewußtsein als Selbstbewußtsein der Gattung, oder als Selbstbewußtsein des Einredete von dem Elende des Lebens, zigen auftrat; denn der Philosoph der des wie der vom Durchsetzen seiner Einzigden von Ansprüchen „Magens, keit, von der „Empörung, vom Ansichreißen alles des Eigenthums, das ihm nach seiner Einzigkeit zukomme. Wenn dort die Expedizion des Selbstbewußtseins in's Reich der Güter mehr ein Unternehmen der Gesammtheit, eine heilige Allianz werden sollte, so sah sich doch auch der Einzige nach andern Einzigen um, und warb Rekruten zu seinem „Verein von Egoisten". Wie es Leute gab, die den Humanismus nicht so platt nahmen, daß nicht die Einzelnheit darin auch zu ihrem Rechte gekommen wäre, so verallgemeinerte sich dem Einzigen mit absoluter Nothwendigkeit sein Wesen unter der Hand; denn das Ich in seiner tiefsten Vertiefung, das gediegenste Selbstbewußtsein ist ja grade wieder das Allgemeine; das allereigensinnigste Ich suchte vergebens nach dem Archimedischen Punkte, von wo aus es sich am eigenen Rockzipfel aus der Menschheit herausheben könnte. Plötzlich ermattete diese Inbrunst des freien Selbstbewußtseins, die Welt rückte
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Die soziale Bewegung in Frankreich und Belgien ", gehört natürlich auch in diese zweite Phase des Sozialismus, und der Verfasser [Karl Grün M. K] möchte den Schluß revidiren. Ludwig Feuerbach. Max Stirner.
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Platze, die Helden hüllten sich in den Mantel eines bedeutungsvollen
den Einen sah man als Flaneur auf den Promenaden der Geschichte;7 der der Andere wiederholte Alles, was er schon gesagt hatte, in einer Dritte, der am Meisten gemerkt hatte, verlegte sich auf die Oekonomie.9 Der Chor nahm die Bühne ein, trieb den Detailhandel der Propaganda, und kompromittirte in seiner angebornen Mittelmäßigkeit schier die Orakel und die Prophezeihungen. Wie ein dumpfes Weben am |XIV| Webstuhle der Zeit griff die soziale Stimmung um sich, als allgemeine Ueberzeugung des gesunden Menschenverstandes brach sie sich Bahn durch alle Schleußen und Dämme, bis in jene Gymnasialklassen hinein, die man in Frankreich Rhétoriques, und in den kleineren deutschen Staaten Deputirtenkammern nennt. Verbesserung des Looses der arbeitenden Klassen, Nothwendigkeit der Arbeitgebung, Hebung und Vermehrung der Schulen, Kreditanstalten, Waarenmagazine, Sparkassen, Bildungsvereine „die Reichen sollen die Armen an ihren Tisch ziehen" -, aber wo ist eine Parole, wo ein Prinzip, wo ist das zündende letzte Wort, das wir auf unsere Fahne sticken, wo ist das Rhodus, das den ersten, nothwendig ersten Tanzplatz abgibt? Tiefes Schweigen, allgemeine Verlegenheit, aber dazwischen ein Brausen und Kochen der vorwärtstreibenden Nothwendigkeit, wie aus dem Mittelpunkt der Erde herausdringend; jetzt ein Donnerschlag, ein Naturereigniß: was gibt[']s? hat Einer das rechte Wort gesagt? Nein, der König von Preußen hat einen „Vereinigten Landtag" gegeben. Das freie Selbstbewußtsein war zu Ende, es war eine neue Abstrakzion, ein abstraktes Fürsichsein gewesen, ein Monolog, kein Zwiegespräch zwischen dem Ich und der Welt. Der Gedanke war nicht in die Dinge gefahren, die Objektivität lag fort und fort da, wie ein Buch mit sieben Siegeln; und die deutsche Philosophie hatte sich von einer oktroyirten Charte auf Löschpapier überholen lassen. So endigte die zweite Phase des Sozialismus in Deutschland; in Frankreich war sie etwas langsamer verfault. Mitten in dieser allgemeinen Zerfahrenheit, die in Frankreich, wie in Deutschland grassirt, und den Sozialismus grade da am Rathlosesten macht, wo Schlag auf Schlag die Natur selbst das ohnehin organische Elend unserer Gesellschaften auf das Aeußerste treibt, und die konservativen Zeugnisse für die Nothwendigkeit der Abhülfe sich mit der wie zahllose Prophetenstimmen erheben, tritt der Kritiker des definitiven Lösung der gesellschaftlichen Frage hervor. Wie immer waren „der Leichtsinn und die Langeweile, die im Bestehenden einreißen, die unbestimmte Ahnung eines Unbekannten, Vorboten, daß etwas |XV| Anderes im Anzüge war. Dies allmählige Zerbröckeln, das die Physiognomie des Ganzen nicht veränderte, ward durch den Aufgang unterbrochen, der, ein Blitz, in einemmale das Gebild der neuen Welt hinstellte." Die dritte und letzte Phase des theoretischen Sozialismus hat begonnen mit dieser „Philoso-
Schweigens:
Gesammtausgabe;8
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Eigenthums10
7 8 9 10
Bruno Bauer. Ludwig Feuerbach. Karl Marx. Pierre-Joseph Proudhon.
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der Staatsökonomie." Die deutsche Philosophie war das Wissen des freien Selbstbewußtseins von sich selbst; die Philosophie der Staatsökonomie ist nach Hegel's klassischer Terminologie das wirkliche Denken als Dingheit. Vor zwei Jahren stellten wir Proudhon dar als den Feuerbach des französischen Sozialismus, als den Kritiker der Religion des Eigenthums, der das Wesen des transzendenten Gottes Kapital in den arbeitenden Menschen zurückgenommen habe. Wenn nach Feuerbach Gott der Diebstahl am Menschen war, das eigene transfigurirte Wesen des Menschen, das ihn sodann von Oben herunter tyrannisirte; so war nach Proudhon („Was ist das Eigenthum?") das Kapital der Diebstahl am Arbeiter, das eigene an den Himmel des Monopols versetzte Wesen des Arbeiters, das ihm sodann Konsumzion wie Produkzion, Brod, Ehre und Bildung streitig macht. Während nun aber Feuerbach sich nicht selbst kritisirt oder fortgesetzt hat, vielmehr wider seine Abstrakzion des Gattungsmenschen das andere, logisch nothwendige Extrem des „Einzigen"11 hervorrief, setzt Proudhon seine eigene Eigenthumskritik nicht nur fort, sondern er kritisirt auch zugleich den deutschen Humanismus. Gleich im Prolog kündigt er die Nothwendigkeit an, in der er sich befinde, das religiöse und philosophische Problem zugleich mit dem Problem der Oekonomie zu lösen.12 Es mußte das Denken selbst erst auf seinen wahren Standpunkt fast hätte ich gesagt zurückgeführt werden, ehe die Dingheit denkend aufgezeigt werden konnte. Dieser präliminarischen Aufgabe sind außer dem Prologe auch noch das achte Kapitel des ersten Bandes und ein Theil des elften Kapitels im zweiten Bande gewidmet, die acht architektonisch dem ganzen Gebäude eingefügt wurden. Der Proudhon'sche Gedankengang bei dieser Vor-, oder eigentlich Zwischenarbeit ist kurz folgender. Im Humanismus setzt sich die Menschheit als Gott, oder sie bleibt beim bloßen Gat-|XVI|tungsmenschen, beim homme tel quel de la nature stehen; sie abstrahirt von der Arbeit ihrer Entwicklung. Dies ist nach allen anderen Religionen eine neue Täuschung; denn die Menschheit als Begriff entspricht nicht dem Gegenstande Gott, oder umgekehrt, der Begriff Gott entspricht nicht dem Gegenstande Menschheit. Untersuchen wir, ob wir zu Gott hingehen, mit anderen Worten, ob wir Gott werden; es wird sich zeigen, daß wir uns im Gegentheil von ihm entfernen. Der Mensch ist nicht Gott, denn Gottes Wesen ist die Nothwendigkeit, er ist das absolute, unfehlbare Ich; der Mensch aber hat die Willkür, der Mensch kann sich der Nothwendigkeit widersetzen, er hat sich ihr von jeher widersetzt, er ist nicht absolut gut, nicht heilig; der Mensch ist dem absoluten Guten gegenüber böse. Die Freiheit des Menschen, deren höchste Erfüllung allerdings die Nothwendigkeit selbst ist, so daß kein absoluter Gegensatz zwischen
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M. Stirner: Der Einzige und sein Eigentum, Leipzig 1845. Siehe dazu auch Feuerbachs Entgegnung: Über das „Wesen des Christentums" in Beziehung auf Stirners „Der Einzige und sein Eigentum". In: GW Feuerbach, Bd. 9, S. 427-441. Siehe P.-J. Proudhon: Prolog. In: Ders.: Philosophie der Staatsökonomie oder Notwendigkeit des Elends, dt. bearb. von K. Grün, Darmstadt 1847, Bd. 1, S. I-XL, besonders den Abschnitt III, indem Proudhon erklärt, warum er in seinem „Buche über politische Oekonomie von der Grundhypothese aller Philosophie ausgehen mußte" (S. XXV-XL). -
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beiden denkbar, die Nothwendigkeit vielmehr nur die Substanz, die Freiheit der Modus ist, diese Freiheit des Menschen hat die Willkür an ihr, von der in Gott keine Rede sein kann. Und wir sehen durch die ganze Geschichte hindurch diese Willkür des Menschen sich als Egoismus, als von der jedesmaligen ökonomischen Kategorie (Konkurrenz, Monopol etc.) unabhängige Bosheit und Herzenshärtigkeit, oder aber, was freilich viel seltener ist, als großartige Aufopferung und Hingebung für das Wohl des Nebenmenschen darstellen. Die jedesmalige ökonomische Nothwendigkeit wird von dieser Willkür und Bosheit des Menschen zum Vorwande genommen, und eine Masse von Unglück und Abscheulichkeit fällt nicht jener Nothwendigkeit, sondern dem zügellosen Egoismus zur Last. Wir sind böse, wir sind egoistisch; wenn wir Fortschritte in der Sittlichkeit machen, so verdanken wir das den Fortschritten unserer Intelligenz, nicht der Güte unserer Natur, und „die moralische Vervollkommnung der Menschheit verwirklicht sich, gleichwie das materielle Wohl, durch eine Reihe von Schwankungen zwischen Laster und Tugend, zwischen Verdienst und Verschuldung."13 „Gewiß (ihr Humanisten), wir würden uns viel eher verständigen, wenn ihr, anstatt die Zwietracht und Harmonie der menschlichen Anlagen |XVII| wie zwei unterschiedene, getrennte, aufeinanderfolgende Perioden in der Geschichte zu betrachten, mit mir nur darin die beiden Seiten unserer menschlichen Natur sehen wolltet, die immer gegen einander, und immer in Versöhnung begriffen sind, sich aber niemals vollständig versöhnen."14 Gott ist vollkommen, der Mensch vervollkommnungsfähig, Gott ist unfehlbar, der Mensch fehlt. „Der Mensch ist weder Gott, noch kann er, so lange er lebt, Gott werden."15 Machen wir die Gegenprobe, entspricht der Begriff Gott dem Gegenstande Mensch, ist Gott als der Gott der Religion möglich? Uniäugbar ist in diesem Begriffe etwas Menschliches; wenn Gott als der Herr des Weltalls, als der unverantwortliche Gebieter der Kreaturen, als Vorsehung dargestellt wird, so ist das der deutliche Typus des Menschen. Diesen anthropomorphischen Gott läugne ich. Er ist Schuld an unserm Leiden, der Glaube an ihn hat uns elend gemacht; ich streiche die Vorsehung. Aber Gott ist auch noch das ewige, unbewegliche, allgegenwärtige, allweise, unendlich freie Wesen; er ist intuitiv, spontan, fortschrittslos, weil unendlich vollkommen. Alles das aber ist der Gegensatz des Menschen, welcher vielmehr reflektiv sich vermittelnd, fortschreitend ist. Also hätte der Mensch etwas als Gott gesetzt, was sein eigenes Gegentheil ist; wer aber das Gegentheil seiner setzt, indem er sich selbst setzen will, der läugnet sich selbst. Und wenn man mir entgegnet, Gott sei nicht der einzelne, empirische Mensch, nicht der Mensch der Geschichte, des Fortschritts, sondern die Gattung in ihrer Totalität und Idealität: so antworte ich, diese ideale Gattung ist nicht der Mensch, sondern Gott, nicht wahre Allgemeinheit, die zugleich wahrhafte Einzelnheit ist, son-
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P.-J. Proudhon: Philosophie der Staatsökonomie oder K. Grün, Bd. 1, Darmstadt 1847, S. 355. Ebenda, S. 363. Ebenda, S. 372.
Notwendigkeit des Elends,
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dem das allgemeine Individuum, die leere Form, die pure und nackte Möglichkeit des Menschen. Der Humanismus ist nichts als eine neue Gestalt des Theismus, er ist wieder Identitätsphilosophie, während Gott und Mensch eine Antithese, einen Unterschied bilden. Was bleibt nun von der ganzen religiösen-philosophischen Phantasmagoric, was ist der Sinn des Räthsels? Dieser. Die Nothwendigkeit ist eine Form des Seins und Denkens, die Entwicklung und der Fort-|XVIII|schritt eine andere. Die Antithese von Materie und Geist, die beide einzeln genommen, etwas Unfindbares, Unwirkliches, Unerweisbares besagen, die aber die nothwendigen Formen sind, unter denen das Wesen für uns da ist, diese Antithese heißt mit anderen Worten: Gott und der Mensch. Es gibt in der Menschheit das Prinzip der Nothwendigkeit und das Prinzip der Freiheit oder des Fortschritts; beide sind unzertrennlich, aber geschieden; entgegengesetzt, feindlich wider einander, aber nie auf Einen Ausdruck zu bringen. Als den Gesetzen eines physischen und sozialen Organismus unterworfen, sind wir das nothwendige Wesen, sind wir wie Thiere, Pflanzen und Steine; als beobachtende, reflektirende, lernende, handelnde Wesen, als Herren der Natur, sind wir Menschen oder Geist. Gott ist die Natur, der Mensch ist der Geist. Gott ist der Instinkt, der Mensch die Vernunft. Gott ist Unmittelbarkeit, Spontaneität; der Mensch ist Vermittlung, Reflexion. Aber Gott ist nur die Natur (natura naturans), der Instinkt, die Unmittelbarkeit und Spontaneität; der Mensch ist Instinkt und Vernunft, Natur und Geist, Unmittelbarkeit und Vermittlung. Schein es nicht, als ob hier in Bausch und Bogen ein popularisirten Abriß der Hegel'schen Weltansicht gegeben werden sollte? Wird uns Deutschen nicht gewissermaßen zugerufen: Seid nicht so vergessen und nicht so undankbar! Gebt nicht das Beste, was ihr habt, so voreilig aus der Hand! Und mußte ein französischer Proletarier wie weiland herankommen, früher Buchdruckergehülfe, jetzt sergent de die aber kostbaren etwas die Raison um Herren um zur zu bringen, wenigen, Fourier, Resultate aus der Hinterlassenschaft der verstorbenen Philosophie für Deutschland und Frankreich in Sicherheit zu bringen? Der Dualismus, oder wenn ihr lieber wollt, die Dualität von Geist und Natur, von Geist und Materie, besteht, und wird nicht durch einen traumseligen Quietismus beseitigt, sondern im Denken nur durch die ernste und unablässige Arbeit der Dialektik, im Leben durch die gedankenmäßige Arbeit. Den Unterschied durch den Unterschied ewig zerstören, das war Hegel's große Devise und Hegel's große Leistung in der Philosophie, und es |XIX| wird eine Zeit kommen, wo sein Standbild in jeder Volkshalle zu finden ist, weil jeder Arbeiter begreift, daß in der Weltgeschichte nur zwei solcher Thaten möglich waren. Die Welt des Menschendaseins ist der unendliche, unaufhörliche Kampf zwischen dem Fürsichsein und dem Ansichsein, das ewige Ringen des Fürsichseins, das Ansichsein zu dem Seinigen zu machen, und wie der Sonnengott des alten Hellas mit dem goldenen Pfeile unerbittlich zu durchbohren, was er durch die Harmonie seiner Leier nicht zu seinen Füßen niederzwingen kann. Der Humanismus als kritische Arbeit, als Entwicklung einer einzelnen -
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Gemeint ist Pierre-Joseph Proudhon.
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Kategorie, gehört zu den dankenswerthesten Leistungen der neuern Zeit; aber er ist nicht die ganze Phänomenologie des Geistes, er ist ein einziges Kapitel aus derselben; und sein abstraktes Resultat böotischen Händen zur Verwirklichung übergeben, würde uns um alle Ehre des Gedankens, um alle Freude des Lebens bringen, ja, uns direkt auf gleiche Stufe mit denen stellen, welche gar nicht gedacht haben. Der Humanismus ist mit Einem Worte die weitere Ausführung des „unglücklichen Bewußtseins" bei Hegel,*5 des Bewußtseins, ,für das es noch nicht ist, das sein Gegenstand, das Unwandelbare (oder der Unwandelbare!), welches ihm wesentlich die Gestalt der Einzelnheit hat, es selbst ist, es selbst, das Einzelnheit des Bewußtseins ist."17 Nachdem nun dieses „unglückliche Bewußtsein" zur Vernunft gekommen ist und zu sich selbst sagt: [,,]Ich bin Ich, mein Gegenstand und Wesen ist Ich["]i&, so ist die Bewegung damit durchaus nicht erledigt; sondern die Vernunft, „indem sie die Gewißheit auf diese Berufung gründet, sankzionirt sie die Wahrheit der anderen Gewißheit, nämlich der: es ist Anderes für mich; Anderes als ich ist mir Gegenstand und Wesen."*6 Und durch |XX| alle weiteren und konkreteren Gestalten des Geistes, bis zum „absoluten Wissen," schleicht diese Antithese hindurch, als ewiger Stachel und Sporn, und ist grade das, was den Ernst des Lebens, den Stolz der That, die männliche Arbeit hervorruft. Der Humanismus, oder wie es richtiger heißen sollte, die humanistische Kritik hat das große Verdienst, in umfassender, erschöpfender Weise die Rangordnung der beiden Begriffe Gott und Mensch umgekehrt zu haben. Bis dahin war Gott Subjekt, der Mensch Objekt; fortan ist der Mensch Subjekt und Gott, oder die Natur, das Andere des Geistes, Objekt. Grade so hat die bisherige sozialistische Kritik den Arbeiter zum Subjekt, das Kapital zum Objekt gemacht, wovon wir in den herrschenden Vorurtheilen, wie in der laufenden Praxis das -
grade Gegentheil gewahren.
Wäre es einem einzelnen Menschen gegeben, die Arbeit zweier Generazionen oder auch zweier Völker zugleich zu vollbringen, so mußte Hegel den Schluß seiner Phänomenologie, dieses riesenhaftesten aller riesenhaften Werke, anders ausarbeiten, als er es gethan. Der Punkt war gegeben, wo ohne salto mortale, ganz im strengen Anschluß an die vorhergehende Dialektik, die neue Kategorie Platz nehmen konnte, die gefunden zu haben allein mehr Ehre bringen wird, als die Entdeckung des ganzen amerikanischen Kontinentes. Ich spreche von dem Uebergange der „absoluten Freiheit und des Schreckens" in den „seiner selbst gewissen Geist", von da gar in die „Religion" und endlich in das „absolute Wissen." Der Geist7 ist die Vernunft, welche alle Realität als -
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17 18 *6
Siehe Hegel's Phänomenologie S. 153-168 (der 2. Aufl.), wo „das unglückliche (christliche Bewußtsein" sich unmittelbar aus dem Stoizismus und dem Skeptizismus ergibt, was die Läugnung unserer Auffassung sehr schwer machen dürfte. Hegel Werke, Bd. 2, S. 159. Hegel Werke, Bd. 2, S. 171. Phänomenologie [Hegel Werke, Bd. 2] S. [171—] 172 oben. [Grün fügte in dieses Zitat an Stelle von
*7
Das
„sie" „die Gewißheit" ein.]
Folgende ist der zusammengedrängte Inhalt von S. 317-436 der Phänomenologie.
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die ihre weiß, welche sich nur noch auf ihrem eigenen Felde bewegt, die sich ihrer selbst bewußte Substanz. Dieses Selbstbewußtsein der Substanz, oder diese substanzielle Freiheit des Selbstbewußtseins ist zunächst unmittelbar wirklich in Griechenland; aber die schöne Einheit wird zerstört durch die Handlung, welche Substanz und Bewußtsein trennt, und die Schuld herbeiführt. Die sittliche Substanz |XXI| geht verloren, das einzelne Fürsichsein reißt das abstrakte Wissen seines Wesens an sich, Jeder, Alle haben, so zu sagen, die Prätension, Substanz zu sein: das römische Recht der Person tritt hervor; was die abstrakte Allgemeinheit zusammenhält, ist nur noch der Formalismus des Rechts. Diese Abstrakzion, die an die Stelle der sittlichen Substanz getreten ist, garantirt dem Individuum keinen Inhalt mehr; was Mein ist, ist Sache des Zufalls und der Willkür; aber der Gedanke der Gleichheit vor dem Rechte ist geboren. Folgt das Mittelalter, die Zeit der werdenden und der eben so verschwindenden absoluten Monarchie; die Vasallen reflektiren sich im Heroismus der Schmeichelei in die Staatsmacht hinein, die so zur Einzelnheit wird, um deren Thron sich die Edlen als Zierrathen stellen, die dem, welcher darauf sitzt, immer sagen, was er ist; aber eben so besteht die Staatsmacht, als Einzelnheit, nur durch das Thun und Denken der Edlen, reflektirt sich daher in jene zurück, und macht so das Fürsichsein, welches die Miene hatte, sich edelmüthig zu opfern, zur wahren Staatsmacht, zur wirklichen Allgemeinheit. Hiermit ist die Staatsmacht aber eigentlich aufgehoben, sie ist das preisgegebene Wesen oder der Reichthum. Mit andern Worten: die Lehnsherrschaft steigt zur absoluten Monarchie hinauf, und die absolute Monarchie fällt in's Merkantilwesen hinab. Ludwig XI. war, nach H[er]rn Augier, der erste Fürst, welcher vernünftige Ansichten über das Geld hatte: die abstrakte Macht des Einzelnen steht auf dem Punkte, die sich entfremdete Selbstständigkeit zu werden, und das Wesen der sittlichen Gesammtheit preiszugeben. Ludwig XIV. ist im vollendeten tragikomischen Konflikt dieser Antinomie: auf der einen Seite glänzender absoluter Monarch, auf der andern Bankeroutier. Ludwig XV. repräsentirt in eigener Person das preisgegebene Wesen. Unter Ludwig XVI. wir das Fürsichsein des Reichthums so stark, das aufgehobene allgemeine Wesen bedrängt den leeren Namen der Staatsmacht dermaßen, daß dieser darüber den Kopf verliert; buchstäblich ward nunmehr das allgemeine Wesen aufgehoben. An die Stelle der abstrakten Person, die in einem blos for-|XXII|malen Zusammenhange mit dem Wesen stand, tritt hier der Inhalt des Staatswesens selbst, freilich erst das todte, das preisgegebene Wesen, nicht das dem Selbst adäquate. Dieser todte Inhalt muß belebt werden, das Fürsichsein darf sich nicht länger außer sich selbst, in der Gewalt eines fremden Selbst sehen, die Persönlichkeit soll nicht abhängig sein von der zufälligen fremden Persönlichkeit, die reine Persönlichkeit, nicht absolute Unpersönlichkeit sein. „Indem das reine Ich selbst sich außer sich und zerrissen anschaut, ist in dieser Zerrissenheit zugleich Alles, was Kontinuität und Allgemeinheit hat, was Gesetz, Gut und Recht heißt, auseinander und zu Grunde gegangen; alles Gleiche ist aufgelöst, denn die reinste Ungleichheit, die absolute Unwesentlichkeit des absolut Wesentlichen, -
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das Außersichsein des Fürsichseins ist
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vorhanden; das reine Ich selbst ist absolut zer-
Das „Reich der Bildung" hatte seine Hauptresidenz zu Versailles; hier herrschte jener leere Name der Staatsmacht, während die Edelmüthig-Niederträchtigen, die Vasallen, Beamten, Steuerpächter und Maitressen das preisgegebene Wesen zu sich nahmen; in Paris ging Rameau's Neffe einher, das absolut zersetzte, und dadurch unendlich geistreich gewordene Ich.20 Da ersann auf einem Dachstübchen des Flügels der Königin Antoinette der Arzt Quesnay das System der „Nützlichkeit," die praktische Wahrheit Die Oekonomie rührte sich, eine Revoluzion stand vor der Thüre. Die der erkannt als das Für-ein-Anderes-Sein der Dinge, die es nicht zum FürWirklichkeit, sichsein bringen können, weil das Fürsichsein wieder für ein Anderes ist, dieser ewige Kreislauf der gegenseitigen Ausbeutung war der Inhalt der Zeit geworden. Das Denken und die Sache haben es zwar noch nicht zur Einheit gebracht, aber wenigstens ist der Himmel auf die Erde herabgestürzt, und das Selbstbewußtsein gibt sich mit nichts Anderem mehr ab, als seinen Gegenstand zu durchschauen, und die einzelne Gewißheit seiner selbst, seinen Genuß in ihm zu haben. Aber dieser Genuß ist nicht sicher, wir sind noch nicht unmittelbar in Besitz, die Nützlichkeit ist noch nicht Subjekt, son|XXIH|dern eben für ein Anderes, das Fürsichsein greift noch nicht über die Momente des Ansich und des Seins für Anderes über. Diese letzte Schranke muß durchbrochen werden, der Reichthum ist Wesen geworden, aber noch nicht mein Wesen, oder daß er mein Wesen ist, ist eine bloße Zufälligkeit. Der Gegenstand ist meiner, oder für mich, aber leider bin ich selbst wieder Gegenstand für Andere, man verbraucht mich, oder wie es anderswo heißt: „durch die Veräußerung meiner ganzen durch die Arbeit konkreten Zeit und der Totalität meiner Produkzion würde ich das Substanzielle derselben, meine allgemeine Thätigkeit und Wirklichkeit, meine Persönlichkeit zum Eigenthum eines Andern machen."*8 Da erwacht das Wissen über diese falsche Bewegung eines Ansich zum Füranderessein, dem das Fürsichsein abgeht, das Wissen, welches selbst das Selbst ist, und sich als den Herrn über alle Realität, geistige, wie sinnliche setzt. Was geschieht, ist sein Wille, und fortan geschieht nichts Anderes mehr, als was sein Wille ist, der Wille aller Einzelnen, der Wille eines Jeden. Dieser allgemeine, ungetheilte Wille, an dem jeder Einzelne den Begriff seines Willens hat, reißt alle Einzelne aus ihrer Einzelnheit heraus, und bewegt sie zum stürmischen Gesammtwerke der absoluten Freiheit" fort. Alle Stände sind getilgt; der Zweck ist der allgemeine Zweck; die Sprache Aller das allgemeine Gesetz, ihr Werk das allgemeine Werk, Jeder kann sich
Aufklärung.21
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20
21 *8
Hegel Werke, Bd. 2, S. 376-377.
Denis Diderots „Neveu de Rameau" entstand nach 1761 und wurde 1805 Text ins Deutsche übersetzt hatte, erstveröffentlicht.
von
Goethe, der diesen
François Quesnay (1694-1774). Siehe Rechtsphilosophie §. 67. (2. Auflage). [Georg Wilhelm Friedrich Hegel's Grundlinien der Philosophie des Rechts, oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Hrsg. von E. Gans, 2. Aufl., Berlin 1840, (im Folgenden: Hegel Werke, Bd. 8), S. 104.]
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noch in einer Arbeit verwirklichen, welche ganze Arbeit ist. Diese That des allgemeinen Selbstbewußtseins ist die höchste Revoluzion, zu der es die Menschheit gebracht hat; sie wäre überhaupt die höchste, die letzte, die immer wieder zu beginnende, heute, morgen, gleich fortzusetzende, bliebe nicht noch etwas Höheres übrig, nämlich nicht die allgemeine Freiheit, sondern die Freiheit und Einzelnheit des wirklichen Selbstbewußtseins, die absolut persönliche Freiheit. Dies zeigt sich bald in der Bewegung jener allgemeinen Freiheit, die sofort als Wechselwirkung zwischen der Allgemeinheit und dem persönlichen Bewußtsein auftritt. Das |XXIV| allgemeine Bewußtsein als solches kann zu gar keiner That kommen, denn es besteht grade darin, keinen Gegenstand aus sich herauszulassen. Will es aber zu einer That kommen, so muß es dennoch nothgedrungen ein einzelnes Selbstbewußtsein dazu verwenden, einen wirklichen Willen. Dieser schließt so alle andern einzelnen Willen von der That aus, so daß die That grade nicht allgemein wird. So bleibt die allgemeine Freiheit das negative Thun, die Form des Verschwindens. Das einzige Werk der allgemeinen Freiheit ist der Tod, und zwar der kälteste, platteste Tod, ohne mehr Bedeutung, als das Durchhauen eines Kohlkopfes oder ein Schluck Wassers. In der Plattheit dieser Silbe besteht die Weisheit der Regierung; die Regierung ist nichts Anderes mehr, als eine Fakzion; sie muß untergehen, weil sie Regierung ist; sie ist schuldig, weil sie Regierung ist. Darin ist das Weltgericht über allen begeisterungsvollen Umsturz, über die geträumte Diktatur, über alle Setzung einer Allgemeinheit, die keine wirkliche Einzelnheit mehr dulden kann, ausgesprochen. Das ist die Weisheit des Schreckens, die noch hin und wieder als funkelnagelneu verkündigt wird, während sie als ausgestopfte Plattheit bereits in der Raritätenkammer der Vergangenheit steht. Wer aber zur Vergangenheit zurück will, einerlei, ob diese Vergangenheit Robespierre, Ignaz Loyola oder Ludwig XIV. heißt, der ist ein Reakzionär, und muß als Reakzionär dem öffentlichen Verdachte denunzirt werden: nicht mehr die Abstrakzion der Guillotine, sondern den vermitteiteren Tod des Ignorirens hat er verdient. Wir sind über die unerfüllte Negativität des Selbst hinaus, wir sind bei der unendlichen Vermittlung des Selbst mit dem allgemeinen Willen, bei der absoluten Positivität des Selbst angelangt. Die Stufe aber, auf welcher der Geist das in das Selbstbewußtsein eingeschlossene Sein, als das vollkommene und vollständige Wesen weiß, ist nicht die „Moralitât, wie Hegel konstruirte. Im Jahre 1807 konnte das das letzte Wort sein; der Schrecken der absoluten Freiheit kühlte sich eben noch ab, und die Einzelnen, welche die Furcht ihres absoluten Herrn, |XXV| des Todes, empfunden hatten, ordneten sich unter die Massen, und kehrten zu einem getheilten und beschränkten Werke zurück. Hier fiel der Vorhang, oder vielmehr, hier verließ der Zuschauer den Saal; aber das Stück war keineswegs zu Ende und ist noch nicht zu Ende. Das allgemeine Selbst machte sich auf, die letzte Schranke zu zerstören, welche zwischen ihm und der Objektivität stand, jenen leeren Schein von Gegenständlichkeit, der es am Besitze des Nützlichen hinderte. Aber indem die Schranke stürzte, der Schein verschwand, war es erst das allgemeine Selbst, die abstrakte Gesammtheit des Staats nur
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und der Gesellschaft, welche in den nützlichen Dingen zum Selbstgenuß kommen wollte; denn hier that sich eben die neue Schranke hervor, daß die abstrakte Allgemeinheit ihren Gegensatz an den einzelnen Individuen hatte, daß diese Einzelnen nur ihrerseits zum Scheine herabgesetzt werden mußten, und es in dieser fürchterlichen Entgegensetzung nicht zu wirklicher That und zu wirklichem Genuß gebracht werden konnte. In dieser vermittlungslosen Beziehung von allgemeiner Freiheit und Einzelnheit des wirklichen Selbstbewußtseins war alle Arbeit und That die eben so abstrakte Negazion der Einzelnheit, die sich als selbstständige zu setzen Miene machte; und das Bestreben, die Allgemeinheit endlich gegen den Trotz der Einzelnheiten sicherzustellen, damit sie als siegreiche Allgemeinheit ruhig funkzioniren, und von ihr die Menge der Individuen in die Nazionalwerkstätten und Staatsspeisehäuser, ein Jeder an seinen bestimmten Platz, gesperrt werden möchte, war nur ein schlecht unendlicher Prozeß; eher hätte man das Faß der Danaiden gefüllt. Aber in diesem absoluten Verschwinden aller Momente, der Einzelnheit durch einen Federstrich und durch einen Beilfall; der Allgemeinheit, denn sie schlug fortwährend in die einzelnste Einzelnheit um; dieser neuen Einzelnheit oder der Regierung, denn sie war nicht die Allgemeinheit, sie war Fakzion; in diesem wahren Hexensabbath der geistigen Welt bildete sich grade die tiefste Anschauung der Subjektivität, der unendliche Begriff der Persönlichkeit hervor, und wenn man die französische Revoluzion die Bluttaufe der Menschheit genannt hat, so sagte |XXVI| man nicht zu viel. In ihr wurde die absolute Selbstvernichtung und die eben so absolute Wiedergeburt, die auf religiösem Gebiete nur abstrakt innerlich (nur mit Wasser) vorgegangen war, auf dem unendlich konkreten Felde des Staates, der objektiven Sittlichkeit selbst vollzogen. Das Selbstbewußtsein war in der Periode des Schreckens, als abstraktes Sein, als nichtsnutzige Unmittelbarkeit gesetzt, und als solche getilgt, vernichtet worden. Nunmehr geht es in sich und wird aufgehobene Unmittelbarkeit, reines Wissen und reiner Wille. Erst jetzt ist das Nützliche ihm nicht mehr Gegenstand, den es durchschaut; sondern als reines Wissen ist es das Wissen des Gegenstandes, es ist der gewußte Gegenstand, der gewußte Gegenstand ist es. Das Nützliche hat den letzten Schein der Fremdheit verloren, das Nützliche ist nicht mehr blos für Anderes und Ansich, sondern Subjekt, an- und fürsichselbst. Das Fürsichsein des Dinges war in der Periode der Aufklärung immer wieder in sein Gegentheil umgeschlagen, in Für-Anderes-Sein, in das preisgegebene Wesen. Erst am reinen Wissen und Wollen des Dinges gewinnt dieses sein unverrückbares Fürsichsein, und wird als Wesen und Inneres, als Selbst gewußt. Wenn daher Hegel nachher im „absoluten Wissen" sagt, das moralische Bewußtsein „wisse als Gewissen, daß sein Dasein als solches, die reine Gewißheit seiner selbst ist, und das gegenständliche Element, in welches es als handelnd sich hinausstellt, sei nichts Anderes, als das reine Wissen des Selbsts von sich,"*9 so kann mit einer kleinen Variante vielmehr gesagt werden: Das gegenständliche Element, in welches sich das Selbstbewußtsein arbeitend hinausstellt, ist nichts Anderes als
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Phänomenologie [Hegel Werke, Bd. 2,]
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das reine Wissen des Selbsts von sich, es bleibt darin vollständig bei sich selbst, und dieses Fürsichsein des gegenständlichen Elements ist das Gewisse (nicht Gewissen), die gewiß gewordene, Subjekt gewordene Nützlichkeit, oder der Werth. Der Einzelne, die wahrhafte Allgemeinheit, weder die Abstrakzion der Gattung, noch die eigensinnige Punktualität, der Einzelne, der das Dasein aus seinem |XXVII| Selbst entläßt, aber es eben so gewiß wieder zurückbekommt, da ja das Ding fortan Er selbst ist, der Fürsichselbst-Nützliche, der Werthe, ist die höhere Stufe gegen die absolute Freiheit. Früher war die ungetheilte Substanz des Allgemeinen das Negative für das einzelne Bewußtsein; aber dieses negirte Einzelbewußtsein negirt diese ihm angethane Negazion, negirt die Substanz als negirende, nicht die Substanz schlechtweg, wie Stirner meinte, und erhält sich nun vollkommen frei in dieser Substanz, die nichts Anderes mehr ist, als es selbst, deren Subjekt es geworden ist. In dieser Bewegung ist das preisgegebene Wesen, der Reichthum, der schon als die nützlichen Dinge wieder Wesen geworden war, zum Werthe geworden, der nichts Anderes ist, als die bis in ihre Spitze ausgebildete oder Subjekt gewordene nützliche Wesenheit. Jetzt ist das Wissen als Wesen gewußt und das Wesen als gewußtes ist alles Wissen; das Wollen dieses Wissens, das ewige in's Daseinsetzen dieser Freiheit, ist die neue Weltordnung, deren Aufgang vor der Thüre steht. Das Wissen ist die Gewißheit der Dinge als für sich seiender, die Dingheit ist wirklich das Denken, und das freie Selbstbewußtsein, als das Wissen der gewissen Nützlichkeit oder des Werthes, ist ökonomisches Selbstbewußtsein. Nach der Seite des Lebens arbeitet sich dieses ökonomische Selbstbewußtsein als freie Gemeinschaft arbeitender und genießender Menschen hervor, deren Arbeit und Genuß die gewisse, rein in sich zurückkehrende That des eigenen Innern ist; nach der Seite des Denkens entfaltet sich zum Erstenmale die Naturwissenschaft als System von gedachten Erfahrungen, deren Werth unumstößlich sein wird. Hegel's Abschluß mit seinem „absoluten Wissen" ist daher weiter nichts, als ein Provisorium; als Wissen ist dieser Abschluß eine neue Abstrakzion, denn die Sophia ist nur möglich als Erkennen der Wirklichkeit nach ihrer ganzen Ausdehnung; zu diesem Erkennen sind aber bis jetzt blos die Instrumente vorhanden, oder das Erkennen ist bisher blos mit sich selbst fertig geworden. Es bleibt noch übrig, die Dingheit nach dem ganzen Reichthum ihres Inhalts durch gewisse, unumstößliche, garantirte allgemeine Beo-|XXVIII|bachtung zum wirklichen Gedanken zu erheben. Nach der Seite des Lebens, der Freiheit, der Gesellschaft, ist noch nichts weiter gethan, als daß die einzelnen Individualitäten, durch die Furcht des Herrn wieder erfrischt und verjüngt, im Systeme der Nützlichkeit aufs Neue überall untergekrochen sind, und aus der Tiefe ihres vollendeten Bewußtseins nach der Vollendung ihrer Wirklichkeit seufzen. „Das Bewußtsein, heißt es zwar, ist absolut frei darin, daß es seine Freiheit weiß, und eben das Wissen seiner Freiheit ist seine Substanz und Zweck und einziger Inhalt."22 Aber dieser Zweck will ausgeführt, dieser Inhalt geäußert sein, sonst ist jene Freiheit wieder nur abstrakt, -
Hegel Werke, Bd. 2, S. 438.
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und das fürsichseiendste Fürsichsein bleibt ein abermaliges Ansich, wenn der Tempel seiner Herrlichkeit, die Philosophie, die Stätte seiner Bethätigung, das Gehirn, bleiben soll. Hegel sagt es selbst, das absolute Wesen sei nicht darin erschöpft, das einfache Wesen des Denkens zu sein, sondern es sei alle Wirklichkeit.23 Die begriffene Geschichte ist nicht nur die Erinnerung und die Schädelstätte des absoluten Geistes, sondern auch die Sehwarte der kommenden Welt, der Kern und Inhalt der neuen Gestalt des Geistes, die jenen Begriff realisirt, ihn aus dem Schattenreiche des einfachen Denkens in den sonneglitzernden Tag der Wirklichkeit führt. Der Kelch des Geisterreiches, aus dem uns unsere Unendlichkeit schäumt, ist nicht blos der Abendmahlskelch, den wir zum frommen Gedächtniß der Vergangenheit in stiller Sammlung benippen, sondern auch der fröhliche Morgenbecher, aus dem wir alle Errungenschaften der Menschheit der lebendigen Gegenwart zutrinken. Hier nun ist der Ort, wo die Proudhon'sche Philosophie der Oekonomie einsetzt. Proudhon, der die höchsten und letzten Resultate der deutschen Spekulazion im Sturmschritt nachgeholt, indem er Gott als das Ansichsein, als den Gegenstand, den Menschen aber als das Fürsichsein, als die Macht der Negativität erwies, der die ihrer selbst gewisse Gewißheit des Wissens das Ende des abstrakten Wissens überhaupt nannte;*10 Proudhon |XXIX| schloß sich mit diesen Wahrheiten nicht in sein bloßes Selbstbewußtsein ein, sondern ließ das Denken in die Dingheit fahren, und zwar zunächst in die bluttriefende, wundenbedeckte, nach dem erkennenden Geiste schmachtende große Dingheit, welche die Gesellschaft heißt, in jenes große Laboratorium oder Dulderthum, an das sich noch keine Metaphysik gewagt hatte, das während unseres viertausendjährigen Bewußtseins und Selbstbewußtseins immerfort dem Zufall oder der Nothwendigkeit preisgegeben blieb. Was man vor ihm in der politischen Oekonomie versucht hatte, verdient noch weit weniger den Namen der Wissenschaft, als die Philosophie vor Hegel; es besteht in der Zusammenstellung ungeordneter Thatsachen, in einigen Versuchen von Reflexionsbestimmungen über diese Thatsachen, die sich vollständig einander widersprechen und aufheben, und in einzelnen beredten Zweiflungen und Verzweiflungen an dieser erhabenen Wissenschaft, welche eigentlich ihren Zweck verfehle, und die Gesellschaft in der Patsche stecken lasse, so daß der Wahn aufkommen konnte, es sei gar keine Wissenschaft der Oekonomie möglich, und es bleibe dem Bewußtsein, das sich mittlerweile als Gott erkannt hatte, nichts anderes übrig, als sich im Glauben und Vertrauen an seinen Instinkt auf die Dinge zu stürzen, und sie auf göttliche Weise in Ordnung zu bringen. Proudhon aber beginnt sein Werk mit der absoluten Behauptung: Es gibt eine Wissenschaft der Oekonomie, und grade jene Thatsachen, sowie jene Reflexionsbestimmungen mit ihrem Widerspruch unter sich selbst sollen mir zum Material
dienen,
aus
dem ich mein Gebäude errichte. Alle Wissenschaft ist
die
begreifende
sieht ein, daß sie nichts ist ohne die
Erfahrung und
nur
Ebenda.
S[iehe] II. Bd. elftes Kapitel. Die Philosophie spricht über sich das Consummatum est aus.
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Aneinanderfügung von Irrthum zu Irrthum, von Widerspruch zu Widerspruch; die Welt ist auf den ewigen Dualismus gebaut; ich werde in der Welt der Dinge den Dualismus durch den Dualismus stürzen und eine Ontologie des Arbeitens und Verzehrens aufstellen, deren letzter Begriff die wahre Organisazion in seinen Eingeweiden tragen soll und muß. Der Werth des Erkennens ist auf diese dialektische Weise gefunden worden durch das ewige Zusammenhalten von Begriff und Gegenstand; der Werth der Dinge, die Selbstgewißheit der Dinge muß sich auf demselben Wege ergeben. Dieses scheinbar Härteste für den Begriff wird |XXX| ein höchst Penetrables sein, sobald wir nur festhalten, daß Denken und Dingheit wesentlich identisch sind, daß also die Menschheit in der Arbeit immer nur sich selbst gesetzt hat, und daß jenes bewußtlose frühere Thun gerade in seiner Naivität den Maßstab für die Dinge, den Arbeitsmesser, immerfort verrathen mußte. In den Reflexionsbestimmungen der sogenannten Oekonomen herrscht sogar über Alles dies eine Art Bewußtsein; ordnen wir die Zeugnisse, ergänzen wir eins durch das andere und helfen wir so der Oekonomie zum Selbstbewußtsein. Schreiben wir eine Phänomenologie des Werthes*. Der konstituirte, der selbstgewisse Werth ist in der Welt der Dinge grade das, was in der Philosophie die Gewißheit, in der Moral das Gewissen; das Gewissen der Dinge ist das Gewisse. Mit dem explizirten Begriffe des Gewissen haben wir der kommenden Organisazion die Thorflügel geöffnet; wir gestalten die Gesellschaft in sich selbst um, wir stellen sie auf die Beine; denn seit der Revoluzion steht sie noch immer auf dem Kopfe und gabelt beständig mit den Beinen nach der allgemeinen Freiheit empor. Die Realisazion des Werthbegriffes ist die Welt der für-sich-seienden Nützlichkeit, der objektiven Ehrlichkeit, der freien heraustretenden Nothwendigkeit, die als unfreie ihren Weg über Leichen und Fäulniß ging. Die ganze Bestimmung der Menschheit ist, zur Erkenntniß der Nothwendigkeit und zu deren freier Bethätigung zu kommen; und die ökonomische Nothwendigkeit, die bisher der unerkannte Attila, der Länderverwüster, der Verbrecher, der Kindesmörder, der Folterknecht und der Henker der Menschheit war, wird fortan das Füllhorn der leiblichen und geistigen Segnungen über die Welt ausschütten. Sagen wir dieser Sphinx, wer sie ist, und sie wird sich in den Abgrund stürzen. Die Philosophie mußte der Religion das große Geheimniß enthüllen, daß das unglückliche Bewußtsein das Gottesbewußtsein ist, daß A A. Offenbaren wir den Oekonomen, daß das Proletariat die Produktivität des Kapitals ist, wieder A A. Und melden wir der erstaunten Welt, die von Confucius bis auf Malthus so Vieles begriffen hat, was viel schwerer zu begreifen war, daß von allen Wahrheiten der alten und neuen Welt, in |XXXI| allen Zweigen des Denkens, Fühlens, Arbeitens, Schmeckens und Liebens keine so durchgreifend das Loos der gesammten Menschheit umgestaltet hat, als es die ganz triviale, ganz gemeine Wahrheit thun wird: Produkte können nur gegen Produkte getauscht werden, oder: der Taglohn zahlt den Taglohn. Die Totalweisheit des Globus ruht in diesem A = A. Die wahre Sichselbstgleichheit des Wissens ist die Sichselbstgleichheit des daseienden Wissens, des dinggewordenen Wissens und des wissengewordenen Dinges. Nun erst kann Gott zum wahren Ansich herabgesetzt wer=
=
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den, welches der fürsichseiende Mensch in seiner Freiheit aufzuheben berufen ist. Denn Gott ist auch Kapital, welches die fürsichseiende Arbeit fortan ewig absorbirt; Gott ist auch Kollektivwesen, allgemeine Freiheit, Autorität im Staate, die der arbeitende Bürger fortan ewig beherrscht; Gott ist endlich Philosophie, die von dem sich realisirenden Wissen ewig in den Strom der Produkzion getaucht werden muß Zum andern Male mußte Hegel einen Weg betreten, der ebenfalls zu diesem Gebiete führt, als er in der Reihe der praktischen Disziplinen auf die Wissenschaft der wirklichen Freiheit stieß. Aber die Rechtsphilosophie holte so wenig etwas nach, wie die übrigen Philosophieen besonderer Lebensäußerungen der Menschheit, die uns der große Verfasser der Phänomenologie des Geistes gegönnt hat. Im Gegentheil, die Rechtsphilosophie ist Hegels schwächstes Buch, und seine ganze Darstellung des Daseins der Freiheit, der Freiheit in ihrer geschichtlichen Gestaltung, schmeckt nach der ekelhaften Periode, außer der wir Lebenden noch nichts gekannt haben, wo die „Welt der Bildung" durch die „Furcht des Herrn" so lieblich „erfrischt und verjüngt" worden war und sich wieder inbrünstig an die immer noch nicht überwundene Aufklärung und Nützlichkeit ...
klammerte. Diese Nützlichkeit, dieses Exploitiren, dieses sich gegenseitig zum Mittel machen, diese ächte Mittelmäßigkeit, diese Philosophie der Boutik, die war freilich „erfrischt" und auch „verjüngt" worden, denn sie ist erst heute alt. Nach dieser Periode schmeckt Hegel's Rechtsphilosophie, und während Fries und die |XXXII| Demagogen bei allem „Brei des Herzens" wenigstens dem kühneren Herzschlage der absoluten Freiheit huldigten, brachte es Hegel bei aller Vernunft nur dazu, seine Logik durch den Staat des Kompromisses zu kompromittiren. Nirgends sonst hat sein Gedanke so wenig den Muth, das Festgewordene in Fluß zu bringen, nirgends sonst ist die geschichtliche Entwicklung, diese wahrhafte Parallele zur logischen Reihe, so vernachlässigt, nirgends sonst ist das bestehende Positive, trotz Konstituzion und Geschwornengericht, so dogmatisch als das Absolutvernünftige hingestellt. Das Werden des Rechtes, die Geschichte der Freiheit erfordert eine ganz andere Arbeit. Die ganze Gliederung des Buches in abstraktes Recht, Moralität und Sittlichkeit ist eine rein kompendiarische, in usum scholarum. Zu liefern war und ist vielmehr die historische und logische Reihe der Freiheitsund Rechtsgestaltungen, vom ersten staatlichen Leben bis zur Stunde der Gegenwart, und die aus solchem Doppelprozesse der Erfahrung und des sie bestätigenden Gedankens hervorgehende Stellung und Lösung" der letzten Antinomie, eine Lösung, die unmittelbar die So würden sich also etwa ergeben: 1) áas patriarneue Kategorie der Zukunft gibt. chalische Recht oder die asiatische Freiheit, d. h. das Recht als Unrecht und die Freiheit als Sklaverei; 2) der Uebergang nach Palästina und Griechenland, oder das Scheinen des Rechtes in die Person, ein Schein, der aber, dort aus religiösen, hier aus politischen Gründen unmittelbar wieder aufgehoben wird; 3) das Recht in seiner eigenen Sphäre, ""
Die schwache Seite der Hegel'schen Philosophie ist überall diese letzte Antinomie, die fehlt, was aus dieser ganzen Philosophie eine Philosophie der Vergangenheit macht.
gradezu
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als Formalismus des römischen Rechts; 4) das Feudalrecht oder die reflektirte Despotie der unendlichen Subjektivität; 5) das durch Gemeindebildung, Städtebünde und republikanische Selbstregierung hervorgebildete Recht des Geldes, das in seiner Verbindung mit der liberalen Oekonomie sich in der ersten Hälfte der französischen Revoluzion zur europäischen Anerkennung brachte. Hegel aber stellt sich mitten in das bür|XXXIII|ger//'cAe Recht hinein, behauptet, daran den vollen Begriff des Rechtes zu haben, während doch das bürgerliche Recht grade der absolute Widerspruch des Rechts mit sich selbst ist, und zwar der Widerspruch zwischen der absoluten Freiheit und der Nützlichkeit, zwischen denen die Gesellschaften als wahrhafte Spielbälle hin und her geworfen werden. Alles schwankt zwischen Kommunismus und Egoismus, zwischen der Scylla24 des Staatsschlundes und der Charybdis25 der tausendfachen Einzelhabsucht. Was der Kommunismus bekämpft, das ist sein eigenes Bild, sein umgekehrtes Bild. Aber weder sein Gegensatz noch er, weder er noch sein Gegensatz, sind die kommende Gestalt der Gesellschaft. Es ist das preisgegebene Wesen, das zu erraffen fast ebenso niederträchtig geworden ist, als es zu verfehlen. Vermögen ist der wahre Begriff des heutigen Habens, Besitzens und politischen Könnens. Vermögen aber hat außer dem Begriffe der realisirten Innerlichkeit auch noch den Sinn, es über sich vermögen, mehr thun, als das eigentliche Vermögen besagen will. Vermagst du das? heißt nicht nur: Hast du die Kraft zu dieser Leistung? sondern auch: Bringst du es über dich diese Aeußerlichkeit, Verlorenheit, Erbärmlichkeit als deinen Inhalt gelten zu lassen?*12 Was aber über den Menschen geht, das ist göttlich. |XXXIV| -
24
Skylla (Scylla), grch. Mythos; nach der „Odyssee" ein in der Höhle einer Felsklippe gegenüber der Charybdis hausendes Ungeheuer, das die Vorüberfahrenden verschlingt. 25 Charybdis, grch. Mythos: gefährlicher Meeresstrudel gegenüber der Skylla. *12 Die Welt hat in Fragen des Besitzes drei große Perioden zu durchlaufen, die sich, wie Proudhon sagen würde, wie These, Antithese und Synthese verhalten. Die Dialektik des Habens durchläuft die Stufen des Eigenthums, des Vermögens und des Lohnes, entsprechend dem abstrakten Recht, der willkürlichen Oekonomie und der vernünftigen, ihrer selbst gewissen Oekonomie; oder der Okkupazion, der gegenseitigen Ausbeutung durch die in einander sich reflektirenden Nützlichkeiten, und dem konstituirten Werthe; kurz, dem Despotismus, der bürgerlichen Gesellschaft und der freimenschlichen Assoziazion, oder, wenn man will, des Staates der für sich seienden Dingheit. Wenn nun das Heil im „Einzigen" und seinem „Eigenthum" gefunden hat, so geht er freilich noch weiter zurück als Hegel, dessen Rechtsphilosophie auch heißen könnte: Die „Familie" und ihr „Vermögen", während Proudhon von dem Letzten und Zeitgemäßen redet: Der „Arbeiter" und sein „Lohn". Hegel's Staat bleibt auch logisch in der Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft stecken. Er lobt z. B. an den neuen Staaten, daß sie im Gegensatz zu den alten die Besonderheit zu entlassen
vermöchten, die Gegensätze der Vernunft sich entfalten lassen, Privateigenthum und Familie setzen könnten, wozu Plato's Staat nicht im Stande gewesen. Aber leider ist die weitere Forderung nicht erfüllt, daß die neuen Staaten den Gegensatz der Vernunft zugleich bändigen, sich in ihm erhalten sollen. Zur Noth ja, aber auch eben nur zur Noth! Und wenn Hegel gegen die Maßlosigkeiten und Ausschweifungen der Besonderheiten nur an die Macht der Allgemeinheit zu appelliren weiß, so ist das erstens gesündigt wider die Lehre, die wir aus der absoluten Freiheit und dem Schrecken zogen, und zweitens
abstrakt, denn die Besonderheit hat sich zur wahren Einzelnheit fortzubilden und die
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So sind den auch bei Hegel in der Rechtsphilosophie gar keine Stufen da, die sich in einander entwickeln könnten; die Eine Stufe ist die Stufe der bürgerlichen Freiheit, und die drei Schemata: abstraktes Recht, bürgerliche Gesellschaft, Staat sind nur die drei Seiten einer und derselben Stufe, die immer denselben Inhalt haben, ähnlich wie in der Religionsphilosophie jede Gestalt des religiösen Geistes sich in einer dreifachen Manifestazion zeigt. Die Dialektik ist daher nicht die Dialektik der Freiheit überhaupt, sondern nur die Dialektik innerhalb eines und desselben Freiheitsgedankens, der aber niemals über sich selbst hinauskommen kann. Im Anfange wird dann wohl gesagt, gewisse Dinge könnten im abstrakten Rechte nicht anders sein; aber weder in der Sphäre der Oekonomie, noch in der der Verfassung wird an ein ernstliches Aufheben gedacht. Es wird so beiläufig davon Erwähnung gethan, aber die Energie des Begriffes schläft, vielmehr, sie darf sich nur bald auf diese, bald auf jene Seite legen, nicht aber aus dem Prokrustesbette des Zwitterstaates herausfallen. Vom Guten heißt es so (in der „Moralität"), es habe als die Nothwendigkeit wirklich zu sein durch den besondern Willen, und zugleich als die Substanz desselben das absolute Recht gegen das abstrakte Recht des Fragt man |XXXV| aber, wie so und in wie fern? so erhält man keine Antwort. Ferner: „Das Recht der Individuen („Sittlichkeit") auf ihre subjektive Bestimmung zur Freiheit hat darin, daß sie der sittlichen Wirklichkeit angehören, seine Will man aber wissen, was diese „Erfüllung" oder jenes „Angehören" zu bedeuten hat, so wartet wieder ein Narr auf Antwort. Und die Antwort konnte eben nicht gegeben werden.*15 |XXXVI|
Eigenthums.*13
Erfüllung."*14
Einzelnheit von heute weiß z. B. einen besseren Ausweg als die polizeiliche Aufsicht über die Familie, nämlich ihre Auflösung in die freie Haushaltung. *13 Rechtsphil. S. 167 (2. Aufl.) [Hegel Werke, Bd. 8, § 130, S. 167]. *14 Rechtsphil. S. 213[-214]. [Hegel Werke, Bd. 8, § 153]. 15 Ein Junghegelianer sucht sie zu geben: „Wo sich in einer Rechtsgemeinschaft der allgemein menschliche Endzweck zur Herrschaft erhoben, welcher in der Entwicklung der allgemeinen Menschennatur durch die Entwicklung der Individualität besteht, da kann das positive Recht nichts Anderes sein wollen, als die Gesammtheit der Bestimmungen zur Sicherstellung der freien Individualitäten. (Ganz gewiß, wenn man weiß, daß die Individualitäten entwickelt werden müssen, so wird man die freien Individualitäten entwickeln wollen.) Es ist dieß das positive Recht als verwirklichte Gerechtigkeit, durch welche jedem Individuum gleiches Recht wird. (Die Gerechtigkeit besteht darin, daß das Recht für Alle ein gleiches ist.)" ,fleue Politik von CfarlJ Junius [Mannheim 1846] I, 89. 90" Diese Reform hat den einfachen Grundsatz zu befolgen, daß in aller Umgestaltung und Entwicklung des Rechts die Besitzergreifung (findet gar nicht mehr statt) und die Uebertragung (das Uebel der Uebertragung ist die Ungleichheit des Uebertragenen) mehr und mehr aufhören müssen, Rechtsquellen zu sein, und daß an deren Stelle die Ableitung aller Rechte unmittelbar aus dem Urrechte (was ist das Urrecht? etwa der Anspruch auf „gleiches Recht" oder auf Gerechtigkeit?) treten muß." Ibid. I, 100. Aber das Eigenthum von Staatswegen nehmen und geben wollen, und zwar nach dem Prinzip des „gleichen Rechts", ist der plumpe und platte Kommunismus der Egalitaires, d. h. die ewige Theilung und die ewige Aufhebung dieser Theilung. Und solcher Besitz wäre nur das preisgegebene allgemeine Wesen, das in gar keiner gedanklichen Verbindung mit dem Besitzer stände. Wie kann man da von einer staatsrechtlichen „Erwerbung" ...
...
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Die Identität jener Schemata kann am Einleuchtendsten bewiesen werden, und die Abstrakzion des bürgerlichen Rechts, das von Hegel kanonisirt worden, tritt am Grellsten hervor bei Gelegenheit des Begriffes der Gleichheit. Hier fühlen wir uns in der That aus der reinen Bergluft der Hegel'sehen Logik in das dumpfe Nebelthal der praktischen Unbehülflichkeit gar zu unangenehm versetzt. Die Frage nach der Gleichheit mußte natürlich wieder zuerst im abstrakten Rechte vorkommen, wo es heißt: Das Vernünftige 16 ist, daß Ich Eigenthum besitze, weil mein Wille Dasein haben, realisirt sein, weil Ich als freier Wille mir im Besitze gegenständlich und hiermit erst wirklicher Wille werden muß. Was und wie viel ich besitze, ist aber eine rechtliche Zufälligkeit. „Gleichheit ist die abstrakte Identität des Verstandes, auf welche das reflektirende Denken, und damit die Mittelmäßigkeit des Geistes überhaupt, zunächst verfällt, wenn ihm die Beziehung der Einheit auf einen Unterschied vorkommt."26 „Die Gleichheit, die man etwa in der Vertheilung der Güter einführen möchte, würde, da das Vermögen vom Fleiß abhängt, ohnehin in kurzer Zeit wieder zerstört werden."27 Geben wir nun zu, daß die Gleichheit des Besitzes, wie sie der Theilungskommunismus vorschlägt, eine schlechte Oberflächlichkeit ist, so bleibt doch immer eine andere Identität übrig, nämlich die, daß Ich Eigenthum besitze. Hegel selbst kommt darauf zurück, die Gleichheit, welche zu betrachten sei, sei die, daß jeder Mensch Eigenthum haben müßte; aber grade in diesem „Müßte" liegt es ausgesprochen, daß nicht Jeder Eigenthum hat. Was erst ein Sollen, ein Wunsch, eine abstrakte Forderung ist, das ist noch nicht wirklich. Der Philosoph sitzt hier mit seiner Erklärung: das Vernünftige sei, daß Ich Eigenthum besitze, schon fest, und muß daher unter der Hand darauf denken, den durch das „Müßte" Betroffenen, wo nicht Eigenthum doch etwas Anderes zu geben. Von der andern Seite kann man sagen, die abstrakte Identität der Rechtspersonen ließ allen wirklichen Besitz aus sich herausfallen, so daß der ungeheuerste, der |XXXVII| absolute Besitzunterschied neben der Rechtsgleichheit bestand. Etwas Eigenthum, sie es auch noch so wenig, hatte Jeder. Aber dieser quantitative Besitzunterschied schlug in einen qualitativen Unterschied um. Das, was Viele, die Meisten besaßen, war kein Besitz mehr, weil es gar nicht mehr festsaß, sondern alle vierundzwanzig Stunden neu beschafft werden mußte. Jenes Andere, -
dieses qualitativ Verschiedene, deutet Hegel an, wenn er plötzlich sagt: „Daß also alle Menschen ihr Auskommen für ihre Bedürfnissen haben sollen, ist theils ein moralischer, und in dieser Unbestimmtheit ausgesprochen, zwar wohlgemeinter, aber wie das Wohlgemeinte überhaupt, nicht Objektives seiender Wunsch, theils ist Auskommen etwas Anderes als Besitz, und gehört einer anderen Sphäre, der bürgerlichen Gesell-
sprechen, wo keine innige Beziehung zwischen dem Erwerbenden und dem Erworbenen stattfindet? Der Junghegelianer nähert sich hier wieder den von Hegel bekämpften Ansichten Fichte's und Rousseau's, ohne daß wir deßhalb weiter wären. Staatsspiritualismus und Staatsmaterialismus *'6 26
27
kommen auf Eins hinaus. Rechtsphil. §. 49. [Hegel Werke, Bd. 8, S. Ebenda. Ebenda, § 49 Zusatz, S. 85.
84].
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Sowie aber Auskommen etwas Anderes ist, als Besitz, als Eigenthum (Hegel unterscheidet diese beiden nicht), so ist der Satz: Das Vernünftige sei, daß Ich Eigenthum besitze, nicht mehr wahr, so ist das Vernünftige nur noch etwa, daß Ich mein Auskommen habe, also das Eigenthum nicht mehr die nothwendige Weise, in der Ich meinen Willen realisire; und wir haben vielmehr den anderen Satz: das Unvernünftige ist, daß Ich Eigenthum besitze. Sonst wäre A nicht mehr gleich A, das Ich nicht mehr das Sichselbstgleiche. Sehen wir uns nun in der anderen Sphäre, in der bürgerlichen Gesellschaft, um, in wiefern dort Jedem sein Auskommen gesichert wird. Von vorn herein muß uns die Frage erlaubt sein, was ist in dieser Sphäre das Vernünftige, daß Ich Eigenthum, oder daß ich Auskommen habe? Die Dialektik verlangt nach dem obigen Geständniß, daß hier nicht mehr von Eigenthum die Rede sei, weil es ja unvernünftig war, daß Ich Eigenthum hatte. Aber die Hegel'sche Rechtsphilosophie ist nicht jener innere Fortgang des Begriffes, der seine todten Momente fröhlich über Bord wirft, weil er nach dem Lande der Verheißung segelt, sondern das abstrakte Sich-fort-quälen von einem Gefache zum andern, wo eigentlich immer nur derselbe Inhalt, nur nach verschiedenen Seiten angeschaut, vorhanden ist. „Die Familie hat nicht nur Eigenthum, sondern für sie als allgemeine |XXXVIII| und fortdauernde Person tritt das Bedürfhiß und die Bestimmung eines bleibenden und sichern Besitzes, eines Vermögens ein." Worin das Vermögen, die neue, noch despotischer gewordene Gestalt des Eigenthums, bestehe, soll sich weiter ergeben. Wir wissen es nur zu gut, was sich weiter ergeben, und was die auch von Hegel adoptirte liberale, bürgerliche Oekonomie, dieses dummfeile Echo des Systems der Nützlichkeit, feierlich bestätigt hat. War nun schon das Eigenthum das Unvernünftige, weil es nicht Jeder besitzen konnte, so ist das Vermögen die potenzirte Unvernunft, und wir können uns nicht verhehlen, daß es uns um das Auskommen der Nicht-Vermögenden zum Voraus bange wird. Hegel geht den Inhalt der Oekonomie summarisch durch und findet zuletzt: „Im System der Bedürfnisse ist die Subsistenz und das Wohl jedes Einzelnen als eine Möglichkeit, deren Wirklichkeit durch seine Willkür und natürliche Besonderheit, ebenso als durch das objektive System der Bedürfnisse bedingt ist."*18 Und weiter: „Die verschiedenen Interessen der Produzenten und Konsumenten können in Kollision mit einander kommen, und wenn sich zwar das richtige Verhältniß im Ganzen von selbst herstellt" ...*19 Hiernach sollte man glauben, die Subsistenz und das Wohl (das Auskommen) eines Jeden seien an und für sich selbst gesichert; denn daß die Wirklichkeit ihrer Möglichkeit bedingt ist durch meine persönliche Freiheit und Naturanlage, so wie durch die objektive Nothwendigkeit, meiner Produkzion die der Nachfrage, dem allgemeinen Bedürfniß, der Konsumzion gemäße Richtung zu geben, ist vernünftig; und wenn sich
schaft, an."
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28
Hegel Werke, Bd. 8, § 49, S. 85. Rech[t]sphil. §. 170. [Hegel Werke, Bd. 8, S. 228.] *18 Rechtsphil. §. 230. [Hegel Werke, Bd. 8, S. 288.] *19 Rechtsphil. §. 236. [Hegel Werke, Bd. 8, S. 290.] *17
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in diesem Meere eigensinniger Einzelnheiten, die nicht ohne Schwierigkeit vom allgemeinen Gedanken zu leiten sind, das richtige Verhältniß im Ganzen nur immer von selbst herstellt, so ist das Alles, was wir verlangen können. Aber dem ist nicht |XXXIX| so, und grade wie die Oekonomen, widerspricht Hegel seiner eigenen gesellschaftlichen Theodizee in der grausamsten Weise, ohne diesmal die Antinomie zu merken, die er sonst so unzählige Mal gelöst hatte. Weiterhin heißt es nämlich: „Das Herabsinken einer großen Masse unter das Maß einer gewissen Subsistenzweise, die sich von selbst als die für ein Mitglied der Gesellschaft nothwendige regulirt (wieder das Auskommen), und damit zum Verlust des Gefühls des Rechts, der Rechtlichkeit und der Ehre, durch eigene Thätigkeit und Arbeit zu bestehen (wir gewinnen hier eine Reihe von lauter identischen Sätzen, die unendlich tiefer sind, als das A A des abstrakten Rechtes: Ich muß Eigenthum haben. Hier heißt es: Ich muß Auskommen haben; Ich darf die Ehre nicht verlieren; Ich ist die Ehre, durch eigene Thätigkeit und Arbeit zu bestehen), bringt die Erzeugung des Pöbels hervor, die hinwiederum zugleich die größere Leichtigkeit, unverhältnißmäßige Reichthümer in wenige Hände zu konzentriren, mit sich führt... Somit entsteht im Pöbel das Böse, daß er die Ehre nicht hat, seine Subsistenz durch seine Arbeit zu finden, und doch seine Subsistenz zu finden als sein Recht anspricht. Gegen die Natur kann kein Mensch ein Recht behaupten, aber im Zustande der Gesellschaft gewinnt der Mangel sogleich die Form eines Unrechts, was dieser oder jener Klasse angethan wird." Wie sieht es nun mit der Verwirklichung jener Möglichkeit, und wie mit dem Herstellen des richtigen Verhältnisses von Produkzion und Konsumzion aus, das sich von selbst machen sollte? Die Antinomie von Eigenthum und Nothwendigkeit des Auskommens ist nicht gelöst, sie ist noch tiefer in sich gegangen, aus dem bloßen Stiche im abstrakten Recht ist in der bürgerlichen Gesellschaft eine fressende Krebswunde geworden, und Hegel ist ehrlich genug, uns mitten in dieser zweiten Antinomie die erste, noch abstraktere, wieder zu zeigen. Derselbe § 230, der von der verwirklichten Möglichkeit der Sub-|XL|sistenz sprach, fügt in durchschossener Schrift hinzu: „Das in der Besonderheit wirkliche Recht enthält aber sowohl, daß die Zufälligkeiten gegen den einen und den andern Zweck aufgehoben seien, und die ungestörte Sicherheit der Person und des Eigenthums bewirkt, als daß die Sicherung der Subsistenz und des Wohls der Einzelnen, daß das besondere Wohl als Recht behandelt und verwirklicht sei."29 Diese Subsistenz und Wohl sind nun der Polizei und der Korporazion anvertraut, zweien Instituzionen, die an der neueren französischen und englischen Geschichte (in Frankreich die Polizei, in England die Korporazion) ihr geschichtliches Urtheil erfahren haben, und die auch begrifflich nichts als Nothflickereien sind, weil man ihnen grade die Hauptsache, die Verhütung des Pöbels und die Produktivmachung des Proletariats, abverlangt, die doch eben nur zu erreichen sind, wenn die bürgerliche Gesellschaft selbst, der Mutterboden beider, umgepflügt wird. Wir können dies hier nicht
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Rechtsphil. §. 244. [Hegel Werke, Bd. 8, S. 296 und § 244 Zusatz, S. 296.] Hegel Werke, Bd. 8, § 230, S. 288.
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weiter erörtern; es genüge, zu erwähnen, wie Hegel, nachdem er die Herrlichkeiten der Polizei entfaltet hat, die Antinomie von bürgerlicher Gesellschaft und menschlichem Rechte der Subsistenz noch schärfer stellt, als bisher, indem er sie als ökonomische, und ganz in der Weise Proudhon's faßt: „Wird der reicheren Klasse die direkte Last aufgelegt (nämlich um der Armuth abzuhelfen) so würde die Subsistenz der Bedürftigen gesichert, ohne durch die Arbeit vermittelt zu sein, was gegen das Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft und des Gefühls ihrer Individuen von ihrer Selbstständigkeit und Ehre wäre, oder sie würde durch Arbeit (durch Gelegenheit dazu. H.) vermittelt, so würde die Menge der Produkzionen vermehrt, in deren Ueberfluß und dem Mangel der verhältnißmäßigen selbst produktiven Konsumenten (warum sind zu viel Produkzionen da? weil der Produzent nicht genug konsumirt; nicht der Mangel der Konsumenten, sondern der Mangel des Lohns der produktiven Konsumenten bringt das Uebel hervor; und der Mangel des Lohns ist identisch mit der Sicherung des Eigenthums, mit der Realität der ersten Vernünftigkeit, daß Ich Eigenthum besitzen soll, die sich zwar sofort als Unvernünftigkeit ergab, aber dennoch |XLI| fíat justitia, pereat mundus aufrecht erhalten wurde) grade das Uebel besteht, das auf beide Weisen sich nur vergrößert. Es kommt hierin zum Vorschein, daß bei dem Uebermaß des Reichthums die bürgerliche Gesellschaft nicht reich genug ist, d. h. an dem ihr eigenthümlichen Vermögen nicht genug besitzt, dem Uebermaß der Armuth und der Erzeugung des Pöbels zu steuern."30 Wer löst denn endlich die Antinomie, denn gelöst muß sie werden, oder die Wissenschaft ist ein Fiebertraum, die Logik ein Selbstgespräch im Irrenhause, und der große Hegel selbst hat sein Versprechen nicht gehalten, uns das Dasein der Freiheit im Rechte, die absolut freie Persönlichkeit als existirend aufzuzeigen? Wir haben noch eine Sphäre vor uns, die letzte, höchste, allmächtige, allweise, allgütige Sphäre des Staates. Sofort hören wir vom Staate, sein Wesen sei, „daß das Allgemeine verbunden sei mit der vollen Freiheit der Besonderheit und dem Wohlergehen der Individuen, daß also das Interesse der Familie und bürgerlichen Gesellschaft sich zum Staate zusammennehmen muß, daß aber die Allgemeinheit des Zweckes nicht ohne das eigene Wissen und Wollen der Besonderheit, die ihr Recht behalten muß, fortschreiten kann. Das Allgemeine muß also bethätigt sein, aber die Subjektivität auf der anderen Seite ganz und lebendig entwickelt werden."*21 Folgt der durch die Kritik nach allen Seiten hin zerstörte Verfassungskram mit seinen bekannten drei Gewalten und dem Punkt über dem J, der einmal später als Anekdote zur Geschichte der Philosophie sein Glück machen kann, aber grade nicht den Ehrentitel der modernen Dialektik abgibt. Kurz, der Staat sankzionnirt wieder grade so das Vermögen der bürgerlichen Gesellschaft, wie die bürgerliche Gesellschaft das Eigenthum des abstrakten Rechts sankzionnirt hatte; die Antinomie erreicht ihre schärfste Schärfe, ihre klassische Bewegung der Unruhe, und es platzt die unendliche Kritik an der Philosophie des Status quo selbst hervor: „Worauf es ankommt, ist, daß ...
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Ebenda, § 245, S. 296-297. Rechtsphil. S. 315. [Hegel Werke, Bd. 8, § 260, Zusatz.]
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sich das Gesetz der Vernunft und der besondern Freiheit durchdringe, und mein besonderer Zweck identisch |XLII| mit dem Allgemeinen werde, sonst steht der Staat in der Luft. Das Selbstgefühl der Individuen macht seine Wirklichkeit aus, und seine Festigkeit ist die Identität jener beiden Seiten. Man hat oft gesagt, der Zweck des Staates sei das Glück der Bürger; dies ist allerdings wahr: ist ihnen nicht wohl, ist ihr subjektiver Zweck nicht befriedigt, finden sie nicht, daß die Vermittlung dieser Befriedigung der Staat als solcher ist, so steht derselbe auf schwachen Auf schwachen Füßen, oder gar in der Luft, die Wahl ist reizend! Nachdem wir von Pontio zu Pilatus, vom abstrakten Recht zur bürgerlichen Welt der Oekonomie, von dort in die Deputirtenkammer und in den Staatsrath geschickt worden waren, ergab sich, daß nirgends Hülfe, nirgends Rettung zu erwarten sei, daß ein Haupt- und Grundfehler als Todtenuhr in diesem ganzen Systeme sitzt, daß das Dasein der Freiheit vielmehr die Unfreiheit, das Recht immer noch das Unrecht ist, daß wir die Gesetzbücher, die Oekonomen, endlich die Verfassungen läugnen müssen, und für die Gegenwart einen tieferen Gedanken aufzusuchen haben, der die Unterschiede von Eigenthum und Nothwendigkeit des Auskommens, von bürgerlicher Vermögensfreiheit und verfaulendem Proletariat, von der Nothwendigkeit des Staates und der eben so nothwendigen Auflösung des Staates, in Eins setze. Bei Hegel ist nur die Antinomie selbst vorhanden, um ihre Lösung spielt er blos her, und mit der Hegel'schen Rechtsphilosophie hat keine einzige Rechtsphilosophie das Räthsel gelöst, weder in Deutschland, noch sonstwo. Die deutsche Rechtsphilosophie hätte bei der deutschen Philosophie in die Schule gehen sollen, um in Bezug auf das Rechtssubjekt den wahren Begriff der Gleichheit in der Ungleichheit zu erfahren. Ich ist nämlich gleich Ich, und das ist wahr, nicht nur im abstrakten Denken, sondern auch in der Wirklichkeit, nicht nur beim Begreifen der Geschichte, sondern auch in der begriffenen Geschichte. Innerhalb der Menschheit gibt es keine qualitativen Sprünge, was schon Schleiermacher wußte, als er den Unterschied zwischen Mensch und Gott (wesentlich dem anthro-|XLIII|pomorphischen) in's Quantitative legte. Die Qualität des Fürsichseins, des Subjektseins, ist die gleiche bei allen Kindern Adam's, des Menschen; der Unterschied ist weiter nichts, als der verschiedene Grad von Entwicklung eines und desselben Ansich; und die ganze Weltgeschichte im Grunde nur die doppelte Bewegung der sich steigernden Quantität des Fürsichseins und der sich beständig vermindernden Unterschiede dieser Quantität unter den Einzelnen. erkennen die qualitative Alle großen Philosophen, alle bedeutenden
Füßen."*11
Pädagogen*23
*22
*23
Rechtsphil. §. 265. Zusatz. [Hegel Werke, Bd. 8, S. 321.] A. v. Humboldt 's erhebende Worte im 1. Bd. des Kosmos von der Einheit des Menschengeschlechts sind die ethnographische Bestätigung dieser qualitativen Gleichheit. Auch der schon erwähnte Junghegelianer (Neue Politik von C[arl] Junius 1. Bd.) wiederholt die Behauptung dieser qualitativen Gleichheit und bemerkt sehr richtig, wie die quantitativen Unterschiede durch Zufall und Erziehung zum Schein qualitativer Abstände auseinandergerissen würden, aber durchaus nicht hinderten, daß die erste qualitative Gleichheit nicht die Forderung der Gerechtigkeit in der gesell-
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Gleichheit der Menschen und den blos quantitativen, in der größeren oder geringeren Ausbildung der menschlichen Fähigkeiten bestehenden Unterschied an. Daß in jedem Menschen ein Genie stecke, oder daß man in jeder Spezialität groß sein könne, sind tautologische Sätze; und wenn sich die Schmach unserer Zustände erst zu verwischen anfangt, so wird der artistische Dünkel, diese wahrhafte Religion der Genialität, zu dem finstersten Aberglauben geworfen werden. Denn in der Arbeit, in dem Wissen des Dinges, in dem selbstgewissen Dinge ist die Qualität als Quantität vollkommen meßbar; die Quantitäten sind vergleichbare, und jede ist an Rang der anderen vollkommen gleich. Ich ist gleich Ich, heißt daher hier: Der Arbeiter ist gleich dem Arbeiter, und der alte Schrei nach Gleichheit wird erst dann erhört, das Proletariat erst dann aufgehoben werden, wenn Alle arbeiten; was nur möglich ist, wenn die vorhandene Arbeit verzehrt wird. Der Arbeiter ist gleich dem Arbeiter als Denker der Dingheit, und alle dinglichen Gedanken bemessen sich nach der Zeit, die sie |XLIV| brauchen, um in's Dasein zu treten. Die Zeit, die ewig gleiche, ist der Messer der Arbeit. Nicht die politische Gleichheit vor dem Gesetze, nicht die religiöse Gleichheit vor der Toleranz, sondern die wissenschaftliche Gleichheit des Fürsichseins, des arbeitenden Geistes, ist die Begründung der menschlichen Gerechtigkeit. Die fürsichgewordene Nützlichkeit, die letzte Kategorie der Weltgeschichte, dieses selbstgewisse Gewisse, diese gedachte Dingheit, die in jeder Persönlichkeit Subjekt gewordene Substanz, heißt in der ökonomischen Sprache das Reich der Gleichheit der Löhne, das Reich der distributiven Gerechtigkeit, welches bestimmt ist, sich von derjenigen Sphäre aus, worin sogar der quantitative Unterschied fast erloschen ist, und nur noch die Verschiedenheit herrscht, von der Sphäre der freien Industrie und des Handels aus, durch eine Lohn und Erziehung zusammenfassende, wesentlich progressive Assoziazion, als das jüngste und größte Evangelium über die Erde zu verbreiten. Jeder, ist nämlich der Produzent dieser Nützlichkeit, die nicht mehr schlechthin für Anderes, sondern wesentlich für sich ist, Jeder ist der in der Sache seiner selbst Gewisse, Jeder, der die Dingheit Denkende; und Jeder, der Produzirende wie der Andere, Jeder, der Selbstgewisse wie der Andere, Jeder, der sich in den Dingen zur Anschauung Bringende, wie der Andere, d. h. Jeder ist der Gleiche mit dem Anderen. Vor dieser tiefen Identität, die unendlich mehr besagt, als die Abstrakzion der gleichen Rechtsperson, oder das gleiche Menschsein in der Welt der Bedürfnisse, oder die staatsbürgerliche Gleichheit; vor dieser Identität der absoluten Persönlichkeiten, die alle Unterschiede kühn in sich selbst beherbergt, ohne in ihrem unerschütterlichen Wesen irgend getrübt zu werden, vor dieser Identität verschwinden das Eigenthum und das Auskommen, das Vermögen der Familie und die Lumpen des Proletariats, die Idealität des Staates und die ihn in die Luft sprengende empörte Subjektivität; und die Synthese der Antinomie heißt nach der Seite der Personen der freie Arbeiter, der denkende Produzent, nach der Seite der Dinge der Lohn der Arbeit, das gleiche Produkt, oder wie schaftlichen Ordnung enthalte. Wir werden sehen, wie aus zu ziehen versteht.
wenig richtig Junius die Konsequenzen dar-
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Proudhon will, der Besitz. Und wie der Arbeiter, der produzirende, erzeugende, leistende Mensch |XLV| das Resultat der gesammten Gesellschaft ist, die zunächst unmittelbare Frucht des Kollektivwesens, die sich durch Denken und Arbeiten bis zur höchstmöglichen Spitze der Selbstständigkeit und Autonomie erhebt, so geht umgekehrt von dieser Spitze aus das Produkt wieder in die Gesammtheit zurück durch den Tausch. Der Tausch war bisher die Täuschung, wie die Ehrlichkeit die Dummheit, weil das Maß des Tausches in den Händen der Unwissenheit und des Despotismus lag. Jetzt aber, da das fürsichseiende Ding zum Maßstabe erhoben wurde, der, als identisch mit der selbstbewußten Vernunft, in alle Ewigkeit nicht wieder zu verfälschen ist, mißt das fürsichseiende Ding die andern fürsichseienden Dinge, und es kann somit jedes für das andere hingegeben werden, weil es in Wahrheit nur sich selbst zurückerhält. Der Verkehr, der in der Sprache ein rein geistiger ist, wo der Gedanke um den Gedanken hingegeben wird, geht hier in die Sprache der fürsichseienden Dinge über, unter denen bis dato nur eine babylonische Sprachverwirrung herrschte; die Grammatik des Verkehrs wird gegründet. Und die Haupt- und Grundregel dieser Grammatik heißt der Werth, der vom Geiste der produzirenden Persönlichkeit durchdrungene Preis, mein Selbst von mir selbst zum Für-Anderes gesetzt, aie freie Veräußerung meines innerlichen Wesens gegen das Aequivalent, das zur höheren Befruchtung dieses meines Wesens dient, und die Annahme des fremden Selbst, dem Ich sich selbst in anderer Form zurückgebe. Der Werth ist die Uebersetzung des einen Ich in das andere, oder in tausend Bruchtheile von tausend andern. Hegel hat das richtig gewußt, als er in seiner unvergleichlichen Sprache, mitten in den Abstrakzionen des Eigenthums, sagte: „Die Sache im Gebrauch ist eine einzelne nach Qualität und Quantität bestimmte, und in Beziehung auf ein spezifisches Bedürfhiß. Aber ihre spezifische Brauchbarkeit ist zugleich als quantitativ bestimmt vergleichbar mit andern Sachen von derselben Brauchbarkeit, sowie das spezifische Bedürfniß, dem sie dient, zugleich Bedürfhiß überhaupt und darin nach seiner Besonderheit ebenso mit andern Bedürfnissen vergleichbar ist, und danach auch die Sache mit solchen, die für andere Bedürfhisse brauchbar sind. |XLVI| Diese ihre Allgemeinheit, deren einfache Bestimmtheit aus der Partikularität der Sache hervorgeht, so daß von dieser spezifischen Qualität zugleich abstrahirt wird, ist der Werth der Sache, worin ihre wahrhafte Substanzialität bestimmt und Gegenstand des Bewußtseins ist." Der Werth ist also nach Hegel selbst der Gedanke der Dinge, ihr Allgemeines, das Wort, ohne welches die Sprache des Verkehrs stumm bleibt; der Werth ist ferner etwas Bestimmtes, denn die verschiedenen Brauchbarkeiten sind „vergleichbar"; und wenn er noch nicht bestimmt war, oder noch nicht genug bestimmt, zu willkürlich bestimmt: so muß Ernst mit dieser Bestimmung gemacht werden, damit wir aus dem Zustande der -
Mollusken vollständig herauskommen, und zu dem schöner, freier Organismen gelangen. Der Werth ist die feierliche erste Proklamazion des Rechtes der freien Persönlich-
*24
Rechtsphil. §. 63. [Hegel Werke, Bd. 8, S. 99.]
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keit, und Proudhon, der einen zweibändigen Kommentar zu § 63 der Hegel'schen Rechtsphilosophie geschrieben hat, der größte Revoluzionnär dieser Erde. Als Karl I. von England zum Blutgerüste schritt, erhoben sich Stimmen aus dem Volke, welche riefen: Justice, Justice! Die Gerechtigkeit wurde ausgeübt, und in London, wie in Manchester, in den Fabrikstädten, wie auf dem flachen Lande, hungert und flucht das englische Volk, und trägt, wie ein auf den Tod verwundeter Atlas die Goldund Privilegienberge seiner Monopolisten weiter. Als in Frankreich der adlige und -
geistliche Grundbesitz zum Nazionalgute erklärt und getheilt wurde, als man die Zünfte und Innungen aufhob und die Gewerbefreiheit dekretirte, so hieß das ein Akt nazionaler Gerechtigkeit; und in Paris, wie in Rheims, im Norden, wie im Süden, rüttelt der Proletarier an den Ketten des Monopols, schrumpfen seine Glieder zusammen unter der Harpye der Ungerechtigkeit, die ihm den letzten Tropfen Bluts aus den Adern saugt. Und weil die Gerechtigkeit so erfolglos geblieben war, und Hunderttausende den Tod Eines Königs büßten, und Millionen vergebens nach dem freien Gewerbe griffen, versuchte man einen anderen Ruf und schrie: |XLVH| Gemeinschaft. Ich aber sage euch, die Gemeinschaft ist die Verzweiflung, die Gemeinschaft ist der Schrecken, die Gemeinschaft ist der Tod. Ja, Gemeinschaft, aber auch Freiheit, und Garantieen für die Freiheit in der Gemeinschaft; Gemeinsamkeit, Assoziazion, Solidarität; sich selbst erzeugende Gleichheit, freie, lebendige Gleichheit.*25 Oder mit Einem Worte, verlangen
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C[arl] Junius („Neue Politik") hat die Konsequenzen der qualitativen Gleichheit der Menschen
schlecht gezogen, wenn er die Proudhon'sche Gleichheit eine mechanische nennt. Die Gleichheit der Löhne bei Proudhon ist eine höchst organische, höchst lebendige. Mechanisch ist nur die Theilung, auf die aller politische Sozialismus nothwendig kommen muß. (S[iehe] weiter oben.) Wenn das Urrecht ein Staatsrecht ist, welches ich von der Staatsmacht verlange, so ist das republikanischer Despotismus, dem grade die Wurzel des organischen Erwerbens und Sichanarbeitens abgeht. Proudhon hat überhaupt nie vertheilen, nicht einmal gleich vertheilen wollen. Wenn er die possession dans le droit nennt, so meint er einfach das wahre Recht, die Gerechtigkeit; und die propriété contre le droit ist ihm der Despotismus wider alle Grundlagen der Gerechtigkeit, die Usurpazion. Hätte Hegel das droit das jus nur so weit gefaßt, daß ihm die abstrakten Rechte als contre le droit, gegen die Idee des Rechtes verstoßend, erschienen wären! Was sich Proudhon nicht Alles muß gefallen lassen! Dem Einen ist er ein Kommunist, was seine ganze Bedeutung aufhebt; Junius, der Andere, läßt ihn dem Individuum die Mittel des Lebens zur Verfügung stellen, wovon keine Silbe wahr ist. Mit intelligenter Liebe spricht von Proudhon HfeinrichJ BfernhardJ Oppenheim in Heidelberg, der nur nicht nöthig hätte, so zu thun, als ob andere Leute von Proudhon bloß wüßten, daß er beinahe in's Zuchthaus gekommen wäre. Was schließlich noch einmal den neuen Politiker Junius betrifft, an dem wir ein redliches, unbefangenes Streben, sich mit der sozialen Frage zu beschäftigen, sehr wohl zu ehren wissen, so ist es ihm so lange nicht erlaubt, von Unklarheiten im Proudhon zu reden, als er bei dem gewählten Beispiele selbst in die alleräußerste Konfusion geräth. [Siehe Carl Junius: Neue Politik, 1. Thl., Mannheim 1846, S. 125.] Wenn Proudhon sagt, die Gesetze der Arbeit müßten entdeckt werden, wie Naturgesetze, so ist das durchaus keine Vermengung des Sittlichen mit dem Physischen; denn Proudhon hat nicht gesagt, die Gesetze der Arbeit seien Naturgesetze; sondern nur, die einen sollten entdeckt werden wie die andern; das Entdecktwerden ist ihre einzige Einheit. Goethe hat ästhetische Gesetze und Gesetze der Osteologie entdeckt, deß-
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|XLVIII| noch einmal Gerechtigkeit, schaffen wir Gerechtigkeit, produziren wir Gerechtigkeit! Aber die wahre, tiefe, unendliche Gerechtigkeit, die das höchste Recht des Menschen verfolgt bis in die Dinge, die die Dinge selbst gerecht werden läßt. Das ist eine Revoluzion, ausgedacht in der Tiefe der Erde, bei den „Müttern", geleitet von der Oekonomie und den Statistikern, geschlagen von dem ganzen Volke der Arbeiter, das noch mehr Armeen aus dem Boden stampft, als weiland die französische Republik, und bei der man keinen Politiker agiren, keinen Enthusiasmus von der Pfanne platzen, wir
und kein Blut fließen sieht. Ist nun der Werth der Dinge bestimmt, der Verkehr somit auf der unerschütterlichen Basis der Gerechtigkeit und Gleichheit begründet, also die lebendige Sprache des Tausches erfunden, so geht es noch um die Schriftsprache, um den vermittelten Tausch, um das Handelsinstrument, um das Zeichen des Werthes, gewöhnlich Geld genannt. Hier wird sich die Revoluzion der Gleichheit nicht minder tief bewähren, und das goldene Kalb unserer Epoche zum rettungslosen Sturze bringen. Hegel sagt: „Das Abstrakte des Werthes ist das Geld."31 Diese Abstrakzion hat leider den Vorzug, fürchterlich konkret zu sein. Aber die Definizion ist darum nicht minder richtig. Das Geld ist die Quintessenz, der beste Saft der Waaren, das heimtückische Gespenst, das ihnen das Blut abstrahirt; als privilegirte, als einzig konstituirte und garantirte Waare beherrscht es alle übri|XLIX|gen, alle übrigen verlieren neben dem Gelde, alle übrigen zahlen Tribut und Gelde. Mit Geld kann man Alles kaufen, dem Gelde stehen alle Waaren zu Gebote; für die übrigen Waaren aber Geld einkaufen, ist weit schwieriger und oft unmöglich. Die Wahrheit des Geldes wird im Kredit offenbar, wo das Geld alle andern Werthe ohne Unterschied diskontirt, wo sich alle Werthe Prozentabzüge gegen Geld gefallen lassen müssen, so daß mit fast mathematischer Bestimmtheit vorher gesagt werden kann, in wie viel Jahren alles Eigenthum einer Nazion dem Gelde, der Bank, der hohen Finanz angehören muß. In der Welt der Gleichheit wird dieses Privileg schonungslos gestrichen, und die Abstrakzion des Geldes, der aus den Dingen herausgesetzte Werth, in die Dinge selbst zurückgenommen. Ihr Fürsichsein besteht grade darin, daß sie ohne weitere Vermittlung gelten, Geld an ihnen selbst sind. Die geltende Waare ist Geld. Die heutige Abstrakzion macht das Geld zum vorzugsweise Geltenden, zum Tyrannen von Unterthanen, die nur relative Geltung haben. Alle Werthe müssen die Geltung des Geldes bekommen, „welches nicht das Bedürfhiß selbst darstellt, sondern nur das Zeichen für
31
halb ist der Werther noch kein Knochen. Die Gesetze der Arbeit entdecken, heißt, die Dialektik der Industrie aufzeigen, die Schwankungen des Werthes bis zu dem Punkte verfolgen, wo der Begriff des Werthes vollständig ist, und nun mit Freiheit gehandhabt werden kann. Und wie sich Junius jetzt überzeugen wird, ist diese Entdeckung nicht von einer Nazionalversammlung, sondern von einem einsamen Denker gemacht worden. Hoffentlich wird sie auch dazu beitragen, daß Junius fortan nicht mehr glaubt, die Arbeit sei an sich gar kein Zweck und habe keinen unmittelbaren sittlichen Werth (!!), und das Recht habe keinen Maßstab an den Bedürfnissen (!!!) und dem Vorrathe der Güter (!!!!). Hegel Werke, Bd. 8, § 63 Zusatz, S. 100.
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dasselbe ist, weßhalb es selbst wieder von dem spezifischen Werthe regiert wird (werden sollte), den es als Abstraktes nur ausdrückt." Zur Geschichte der Werthe, zur Geschichte der Ungleichheit gehört auch noch dieses, daß das Zeichen der Werthe „der Unwandelbare" geworden ist, den das „unglückliche Bewußtsein" derselben als Einzelnen aus sich herausgesetzt hat, und der nun allerdings „die spezifischen Bedürfnisse regiert"; die Werthe, anstatt an und für sich selbst geltend zu sein, entlehnen ihre Geltung von dem Zeichen, welches das alleinige Geltende, absolut Geltende oder Geld geworden ist; sie sind an dieses ihr transzendentes Wesen gebunden, und haben keine Geltung, als wenn sie durch dieses Wesen hindurch gegangen sind, sie werfen ihren Schein empor, und dieser verselbständigte Schein ist das glänzende Metall. Sind aber die Werthe durch die höchste Anstrengung des Denkens und der Arbeit wieder an und für sich selbst Subjekte geworden, so wird dem Gelde die göttliche Pri-|L|vilegiennatur eben dadurch abgestreift, und es ist nur noch das Zeichen, der geschriebene Buchstabe des Werthes, was es zu Anfang war In der Demokratie der Werthe gibt es keinen König, die republikanisirte Arbeit braucht nicht einmal einen Präsidenten. Diese ganze Weisheit, die das Jahrhundert beherrschen wird, ist nichts Anderes, als die Oekonomie gewordene Logik, der in die Arbeit übersetzte Hegel; die deutschen Hegelianer mögen in sich gehen, ihr Haupt mit Asche bedecken, und Zeit ihres Lebens nichts wieder drucken lassen! Und wenn der unsterbliche Erfinder der Denkmethode bei der Behandlung der einzelnen Wissenschaften bisweilen schlummerte, oder auch den niedern Göttern ein Opfer brachte, so weiß man doch sehr wohl in Deutschland, daß Er, und Niemand anders, als Er den Samen zu allen Revoluzionen, auf allen Gebieten des Lebens, ausgestreut hat, und daß alle schützenden Amulette, die man sich aus München oder sonst woher verschreibt, keine Arzneimittel, sondern nur Symptome sind, Symptome der Furcht und der Krankheit. Deßhalb habe ich in dem Vorworte zu dieser Uebertragung des großen französischen realen Denkers vornehmlich die Thaten des deutschen idealen Denkers herbeigezogen, dem, so zu sagen, nur dreißig neue Jugendjahre und die französische Geburt fehlten, um diese „Philosophie der Oekonomie" als Supplementband zu schreiben. In Hegel wie in Proudhon ist es dieselbe Logik, nur der Stoff ist ein verschiedener. Und so unverbrüchlich, so selbstgewiß ist diese Logik daß Hegel blos im Vorbeigehen die meisten Kategorieen des „Systems der Bedürfnisse" grade in derselben Reihenfolge konstruirte, wie sie Proudhon später durchaus selbstständig entdeckte. Zuerst, sagt Hegel, wird die Produkzion spezifizirt, und bringt die Theilung der Arbeiten hervor.*26 Ist die Abstrakzion des Produ-|LI|zirens immer mehr mechanisch geworden, so tritt am
(Hegel).32
...
32
Ebenda.
*26
Hegel's Rechtsphilos. §. sök. I. Bd. 1. Epoche.
198
[Hegel Werke, Bd. 8,
S.
255], vergl.
mit Proudhon Philos, der Staat-
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Ende der Mensch davon weg und an seine Stelle tritt die Maschine. Sodann kommt die subjektive Selbstsucht, deren Nothwendigkeit in der allseitigen Verschlingung der Abhängigkeit Aller liegt, oder die Konkurrenz, auch definirt als die Möglichkeit am allgemeinen Vermögen durch seine Bildung und Geschicklichkeit Theil zu nehmen.*28 Diese Möglichkeit ist aber bedingt durch Kapital, Geschicklichkeit und verschieden entwickelte Anlage, und schlägt um in Ungleichheit des Vermögens, oder in das Monopol.*19 Die Polizei kann die Sicherung der Subsistenz und des Wohles der Einzelnen, der ungestörten Sicherheit des Eigenthums gegenüber, nicht anders verwirklichen, als durch die Steuer.*30 Und nachdem sich gegen den Pöbel kein anderes Mittel erprobt gezeigt hat, als das Malthus'sche, „die Armen ihrem Schicksale zu überlassen,"33 wird die „bürgerliche Gesellschaft durch diese ihre Dialektik über sich hinausgetrieben, um außer ihr in andern Völkern, die ihr an den Mitteln, woran sie Ueberfluß hat, oder überhaupt an Kunstfleiß u. s. f. nachstehen, Konsumenten und damit die nöthigen Subsistenzmittel zu suchen:" Epoche des freien Handels.*31 Vom Wesen des Kredits ahnte Hegel nichts, und grade auf diesem Felde sollte sich seine eigene Logik so glänzend bewähren.*32
|LII|
Die Antinomie des Eigenthums vermochte er natürlich nur unbewußt aufzustellen, d. h. nicht in der Form der Antinomie; seine ganze Rechtsphilosophie haben wir als diese daseiende Antinomie erwiesen. Die Gemeinschaft dagegen wird einfach verworfen, indem es bei Gelegenheit des platonischen Staates heißt: „Die Vorstellung von einer frommen oder freundschaftlichen und selbst erzwungenen Verbrüderung der Menschen mit Gemeinschaft der Güter und der Verbannung des privateigenthümlichen (wir sagen privaterwerblichen) Prinzips kann sich der Gesinnung leicht darbieten, welche die Natur der Freiheit des Geistes verkennt, und sie nicht in ihren bestimmten Momenten erfaßt."*33 Heute freilich mußte die Frage der Gemeinschaft ein wenig umständlicher
27
Rechtsphilos. §. 198 [Hegel Werke, Bd. 8, S. 255], vergl. mit Proudhon I. Bd. 2 Ep[oche]. Rechtsphilos. §. 199 [Hegel Werke, Bd. 8, S. 256], vergl. mit Proudhon I. Bd. 3. Ep[oche]. *29 Rechtsphilos. §. 200 [Hegel Werke, Bd. 8, S. 256], vergl. mit Proudhon I. Bd. 4. Epfoche]. *30 Bei der Bildung der Stände ergibt sich Hegeln auch der berüchtigte „allgemeine Stand", der Stand der Unproduktiven, nach A[dam] Smith. Auch diese müssen ernährt werden von der Steuer. Rechtsphilos. §. 200 [Hegel Werke, Bd. 8, S. 256-257]; sodann § 230-241 [Hegel Werke, Bd. 8, S. 288-294]; Proudhon I. Bd. 5. Ep[oche]. 33 Hegel Werke, Bd. 8, § 245, S. 297. *31 Rechtsphilos. § 246 [Hegel Werke, Bd. 8, S. 297], vergl. mit Proudhon II. Bd. 6. Epfoche]., wo fast *28
*32
*33
wörtlich dasselbe gesagt ist.
Außer Proudhon ist hier der auch von diesem hochgeschätzte Pole H[er]r Cieszkowski zu nennen; bei Proudhon II. Bd. 7. E[poche]. [Zu August von Cieszkowski siehe ebenda, S. 107, 116, 117, 126 bis 129,151, 153, 154 und S. 161.] Rechtsphil. S. 81, 82. [Hegel Werke, Bd. 8, § 46] Außer der Leichtigkeit, das einsilbige Dogma zu begreifen, hat der Kommunismus noch das Gemüthliche für sich. „Das Schöne, Heilige, Ewige, die Religion (wenngleich die humanistische) und Liebe sind der Köder, der gefordert wird, um die Luft zum Anbeißen zu erwecken, nicht der Begriff, sondern die Ekstase, nicht die kalt fortschreitende
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behandelt werden, da diese abstrakte Negazion grade als einfache Gemüthssache einen nicht ganz geringen Erfolg gehabt hat. Proudhon thut dieser abstrakten ersten Nagazion die zweite Negazion an,*34 und wir kommen auf das kommunistische Eigenthum, auf den Besitz, auf den Werth der Produkzion. Die Bevölkerungs- und Ueberbevölkerungsfrage ist bei Hegel gar nicht besprochen. Die Leser welche das vorliegende Werk mit derjenigen Aufmerksamkeit würdigen werden, die es verdient, müssen mit Leichtigkeit zu der Einsicht kommen, daß die integrale Lösung sämmt-|LIH|licher Antinomieen, die positive, durchgeführte Umkehrung der bisherigen Oekonomie, in demselben nur erst angedeutet ist, und eine neue Arbeit erfordert. Mit dieser Arbeit beschäftigt sich in diesem Augenblicke mein hochverehrter Freund; wie er mir aber sagt, soll dieselbe nicht in voluminöser Form, sondern broschürenweise erscheinen, mit Anlehnung an besondere Eventualitäten des industriellen Lebens, z. B. an die Schutzzollfrage, den öffentlichen Unterricht etc. Bei irgend günstigen Umständen wird auch in kürzester Frist das Programm der praktischen, progressiven Assoziazion veröffentlicht werden, dem dann sofort die Anwendung oder der wirkliche lebendige Anfang folgen soll. Ich werde seiner Zeit die strengste Rechenschaft von diesen Vorgängen geben, namentlich die weiteren Schriften zur Kenntniß des heimischen Publikums bringen. Es muß vom höchsten Humor sein, wenn mit einer Handelsoperazion, mit einem Kommissionsgeschäft, oder mit einer kombinirten Anwendung der vom französischen Gesetz erlaubten Gesellschaften der Uebergang, der nicht zu hemmende, nicht wieder abzubrechende Uebergang gemacht wird zu der neuen Welt, die Hegel im Voraus beschrieben hat, als er vom Griechenthum sagte: „Das Ganze ist ein ruhiges Gleichgewicht aller Theile, und jeder Theil ein einheimischer Geist, der seine Befriedigung nicht jenseits seiner sucht, sondern sie in sich darum hat, weil er selbst in diesem Gleichgewichte mit dem Ganzen ist. Dies Gleichgewicht kann zwar nur dadurch lebendig sein, daß Ungleichheit in ihm entsteht und von der Gerechtigkeit zur Gleichheit zurückgebracht wird. Die Gerechtigkeit ist aber kein34 fremdes, jenseits sich befindendes Wesen, [...] sondern als Gerechtigkeit des menschlichen Rechts, welche das aus dem Gleichgewicht tretende Fürsichsein in das Allgemeine zurückbringt, ist sie die Regierung (das innerlich leitende Prinzip) des Volks, welche die sich gegenwärtige Individualität des allgemeinen Wesens und der eigene selbstbewußte Willen Aller ist." (Phänomenol. S. 333. 34)35 -
...
Nothwendigkeit der Sache, sondern die gährende Begeisterung soll die Haltung und fortleitende Ausbreitung der Substanz sein.["] (Phänomenologie, S. 8.) Worin sich aber die kommunistischen Propagandisten am meisten täuschen, das ist grade die Zahl ihrer Geworbenen; denn die Meisten, die dafür gelten, sind bloß entschiedene Freunde der gesellschaftlichen Reform, und Kommunisten bénéfice d'inventaire. Proudhon II. Bd. 9. Epoche. [Ebenda, S. Bei Hegel: weder ein. Hegel Werke, Bd. 2, S. 333-334. nur sous '34 34
35
304-366.]
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Die Verbindung der deutschen Methode mit dem reichhaltigen Stoffe der Industrie, wie ihn die größere französische Erfahrung darbot, des deutschen Tiefsinns mit der französischen |LIV| Praxis, ist in dem Proudhon'schen Werke in einer noch nicht dagewesenen Vollendung gegenwärtig geworden; und diese Verbindung mit allen ihren leicht ersichtlichen Konsequenzen bildet den waren Allianztraktat zwischen den beiden großen Völkern. Alle kleinlichen Häkeleien sind hier zum Voraus überwunden und beseitigt, und die Ereignisse werden auf ihrem unaufhaltsamen Gange die widerstrebenden Zwerge in Staub zertreten. Die Diplomatie mag ihre kleinen Rechenkunststücke weiter treiben, und den Geist der Zeit an der Nase zu führen glauben; John Bull mag eine deutsche Pseudoverfassung aus vollen Backen loben, während er hinter den Koulissen aus vollem Halse lacht, um sich seine Faktoreien im deutschen Lande zu erhalten; die französische Regierung mit ihren Organen mag sich so dumm anstellen als sie will, um unsern Franzosenfressern36 in die Hände zu arbeiten: vergebliche Mühe, eitles Marionettenspiel! In und mit der Realisazion der Gerechtigkeit von Arbeiter zu Arbeiter bricht die Ungerechtigkeit unter den Nazionen zusammen; und wenn der englische Sklave zu einer gegebenen Zeit seine Unterdrücker nicht niedergeworfen hat, sondern noch immer solidarisch mit ihnen bleibt, so wird durch eine neue Kontinentalsperre, durch die in's Bewußtsein der Arbeiter gedrungene Napoleonische Idee der Kontinent England gewaltsam befreien, das heißt dem englischen Sklaven beispringen wider seine Unterdrücker. Der französische-deutsche Gedanke der Gleichheit wird die erste Waare sein, die England von uns einführt. Und diese Nothwendigkeit wird so unwiderstehlich sein, daß alle teutonische Ohrenbläserei vor ihr ein Hauch, alle französische Verblendung, aller dynastische Verrath nur Spreu und alle englische Bestechung eine Posse ist. Mitteleuropa wird die Flanken zur Freiheit zwingen, oder vielmehr es wird den Parias auf den Flanken, sitzen sie im sibirischen Eise oder in der Schnapskneipe zu Manchester, die hülfreiche Hand reichen und die Knute wir das Arbeitshaus verbrennen helfen. Und Mitteleuropa, das sind Frankreich und Deutschland, Deutschland und Frankreich Und die Sklaven werden frei, und der schleswig-holsteinische Streit wird auf dem Thespiskarren herumgeführt; und Holland wird wieder aufstehen; und der flandrische |LV| Spinner wird frei; und die Jesuiten sind aus der Schweiz, man weiß nicht wohin; und Italien wird frei ohne Pius IX., und Spanien wird arbeiten! Und alles das wird geschehen, nicht mit Heeresmacht, nicht durch Volkstribunen, nicht durch Nazionalkonvente mit Guillotinen, nicht durch Proklamazion der Menschen- oder der Gattungsrechte, sondern durch die doppelte Buchführung.... Produziren müssen wir, „unablässig produziren, mit der möglichst geringen Summe Arbeit für jedes Produkt die größtmögliche Quantität und die größtmögliche Mannigfaltigkeit von Werthen produziren, um für jeden Einzelnen die größtmögliche Summe von physischem, moralischem und geistigem Wohlergehen, und für die Gattung die höchste Vollkommenheit und einen unend...
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Anspielung auf Ludwig Börnes Streitschrift „Menzel
der Franzosenfresser" (Paris sich gegen den reaktionären Nationalismus Adolf Menzels ausgesprochen hatte.
1837),
in der
er
Einführung in Pierre-Joseph Proudhons „Philosophie der Staatsökonomie"
Kap.)37
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Welchem Idealismus liehen Ruhm zu verwirklichen." (Proudhon I. Band, 2. ideal dieses Ziel nicht wäre genug? Der falbe Wintermorgen schleicht bereits über die Dächer, und wirft mir sein graues ...
...
Licht auf die erbleichende Lampe. Es ist noch nicht der schöne Morgen, wo wir dem Kameraden einen Schubb mit dem Ellbogen geben; aber wir stemmen den Ellbogen bereits in die Seite. Und du, hüte dich, Kamerad! Welches Elend hab' ich in diesem gräßlichen Winter an mir vorübergehen sehen, welchen entsetzlichen Jammer, und kein Mensch kann abhelfen. Zürnt nicht, ausgehungerte Gespenster, daß ihr den Fluch der Gesammtentwicklung tragt, daß ihr die wahren Märtyrer, die Büßer für die Sünden Gottes wurdet; ihr habt den Ruhm, zur Menschheit zu gehören, theuer bezahlt. „Dies Werden (der Geschichte) stellt eine träge Bewegung und Aufeinanderfolge von Geistern dar, eine Gallerie von Bildern, deren jedes mit dem vollständigen Reichthum des Geistes ausgestattet, eben darum sich so träge bewegt, weil das Selbst diesen ganzen Reichthum seiner Substanz zu durchdringen und zu verdauen hat." (Phänomenol. S. Der Reichthum war zwar nicht besonders groß, und zu verdauen hatten wir auch nicht übermäßig; aber es ist wahr jede Geschichtsperiode hat ihren nicht abzukürzenden Verlauf. Die |LVI| Zeiten müssen erfüllt, die Gestalt des Geistes muß vollständig durchgelebt sein.... Leider, leider! Warum hat die Weltgeschichte so viel Zeit, und wir so wenig? ...
...
590.)38...
...
Paris, Anfang März 1847. Karl Grün
P.-J. Proudhon: Philosophie der Staatsökonomie oder Notwendigkeit des Bd. 1,S. 81. Hegel Werke, Bd. 2, S. 590.
Elends,
a. a.
O.
(Anm. 1),
Der Abgeordnete des Trier'schen demokratischen Vereins zur Frankfurter Conferenz an seine
Vollmachtgeber1
mich bei meiner Abreise nach Frankfurt, wohin mich ohnedem Geschäfte riefen, auch noch mit einem Mandat des demokratischen Vereins zu betrauen, dachte ich nicht, daß der Frankfurter Demokraten-Congreß lediglich meine passive Theilnahme in Anspruch nehmen würde. Gleich in der ersten öffentlichen Sitzung, am 14. Juni [1848], stellte sich nämlich klar heraus, daß die Mehrzahl der Abgeordneten nicht sowohl aus Demokraten als aus Republikanern bestand, indem in wenigen Stunden die Debatte über die Principienfrage in der Art erledigt wurde, daß die allgemein deutsche Republik das alleinige Ziel unseres Strebens, und deren Einführung unsere nächste Aufgabe sein müsse. Abgesehen nun von meinen persönlichen Ansichten, welche begreiflicherweise hier nicht zur Sprache kommen, ist unser Trier'scher Club bis jetzt kein republikanischer gewesen; er hatte vielmehr nur die freie Selbstbestimmung jedes großjährigen Bürgers als leitenden Grundsatz ausgesprochen und war in der Erörterung der Zeitfragen noch nicht bis zu dem Punkte gedrungen, wo von der obersten Gewalt, von der Spitze des staatlichen Ganzen die Rede ist. Wir hatten, wie Sie wissen, kaum angefangen, uns gegenseitig zu belehren und zu bilden, und bei meiner Abreise die Wirksamkeit des demokratischen Vereins als eine moralische bestimmt. Mein Mandat war daher in Frankfurt ein sehr beschränktes, und ich habe in steter Rücksicht auf meine Vollmachtgeber Folgendes thun zu müssen geglaubt. Gleich von vorne Herein wurde die Erklärung beantragt: 'Es gibt nur eine für das deutsche Volk mögliche Verfassung, die demokratische Republik, d. h. eine solche, in welcher die Gesammtheit, die Verantwortlichkeit für die Freiheit und Wohlfahrt des Einzelnen
Mitbürger! Als Sie
mir die Ehre
erzeigten
K. Grün: [Rechenschaftsbericht] Der Abgeordnete des Trier'schen demokratischen Vereins zur Frankfurter Conferenz an seine Vollmachtgeber. In: Volksblatt, Trier, Nr. 29 vom 28. Juni 1848.
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Der Abgeordnete des Trierschen demokratischen Vereins
übernimmt.'' Ein Mitglied der Versammlung schlug zunächst vor, statt 'mögliche' zu setzen: 'haltbare.' Dieser Verbesserung schloß ich mich an, und stimmte dafür, weil, wie der Antragsteller des Verbesserungsvorschlags bemerkte, 'einzig möglich auf sofortigen Umsturz unter allen Umständen hinaus zu gehen scheine, er dagegen der Ansicht lebe, es sei vielleicht vor der Hand noch Mancherlei in Deutschland 'möglich.' Geleugnet wurde dabei natürlich nicht, daß sämmtliche neuere Staaten mit der Zeit auf die Republik hinaus kommen würden. Wenn diese Entwicklung vollendet, wenn die Republik reif geworden ist, so wird sie auch haltbar sein und einzig haltbar. Das Amendement: 'haltbar' statt 'möglich' erhielt die Mehrheit der Stimmen, und der Gegensatz zwischen der Majorität und Minorität der Versammlung blieb für den Augenblick auf sich beruhen. Was nun den zweiten Theil jener Erklärung betrifft, nach welchem die Gesammtheit oder der Staat die Verantwortlichkeit für die Wohlfahrtjedes Einzelnen übernimmt, so ist von diesem Gegenstande im Besondern unter uns in Trier noch nicht die Rede gewesen. Meiner persönlichen Ansicht widerstreitet weniger der rechtsverstandene Inhalt, als die zweideutige Fassung durchaus. Es liegt nämlich nahe, einen solchen verantwortlichen Staat für eine Fütterungsanstalt zu halten, in der Jeder Tag für Tag seine Ration bekommt; es ist ferner nur von den Rechten des Staatsbürgers, nicht aber von seinen Pflichten, z. B. von der Pflicht zur Arbeit die Rede; sodann schweigt die Erklärung über die Mittel mit denen sie ihren allmächtigen Staat ausrüsten will, endlich drittens scheint gerade deshalb die Verantwortlichkeit der Regierenden in einer solchen Republik nothwendig eine furchtbare Dictatur zu bedingen, weil nun einmal von Oben herunter, nicht aber von Unten herauf geholfen werden soll, weil die Wohlfahrt garantirt wird und nicht z. B. die Erwerbsfähigkeit. Der freie demokratische Staat, der die Wohlfahrt verbürgt, muß folgerecht zur Arbeit zwingen, wodurch er sofort in Widerspruch mit sich selbst geräth und sich in eine Zwangsanstalt verwandelt; die freie Demokratie vermag nichts, als alle diejenigen Hindernisse wegzuräumen, welche dem Einzelnen im Wege stehen sich seine Wohlfahrt selbst zu sichern; sie soll die Concurrenz wirklich frei machen und dann frei erhalten. Deßhalb stimmte ich für ein eingebrachtes Amendement, welches lautete: d. h. eine Verfassung, die es durch Abschaffung aller Privilegien und Ausnahmestellungen, durch Herstellung der gleichen Berechtigung Aller, jedem Einzelnen möglich macht, für seine Freiheit und Wohlfahrt selbst zu sorgen.'' Mit diesem Amendement fielen wir durch. Sonach war ich mit dem an die Spitze gestellten Princip nur halb einverstanden, was eigentlich heißt, gar nicht einverstanden sein. Man versprach nun zwar der Minorität, jener an die Spitze gestellte Satz sollte in einem größern Manifest ausgearbeitet und erläutert werden, wobei sich dann Alle einverstanden erklären würden; aber in der Schlußsitzung, am 17. Juni Morgens, als von dem Manifest die Rede war, hieß es, das sei nicht nöthig, weil die 'Beschlüsse des Congresses schon seine Grundsätze enthielten. Das Manifest, so wie die Discussion darüber blieb aus. Die Minorität wird eine öffentliche Erklärung abgeben, in wie fern sie von dem Princip der Majorität abweicht; vor der Hand hielt ich es für meine Pflicht, Ihnen diesen Rechenschaftsbericht vorzulegen. '
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Der Abgeordnete des Trierschen demokratischen Vereins
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Der Demokraten-Congreß hat ferner beschlossen, zu Mitgliedern des Centralausschusses zu ernennen die Bürger: Julius Fröbel, G[ottlieb] Rau, aus Stuttgart, Herrmann Kriege; zu Ersatzmännern: C[arl] Th[eodor] Bayrhoffer, L. Schütte, Friedrich] Anneke; beschlossen, eine Commission von fünf Mitgliedern zu ernennen, welche so lange in Frankfurt zu tagen, und bei außerordentlichen Ereignissen den Congreß zu berufen hat, bis der Centralausschuß in Berlin constituir! ist; beschlossen zu Mitgliedern dieses Ausschusses zu ernennen die Bürger: Zitz, Bayrhoffer, Ronge, Metternich, Mohr. Im Falle Sie einen etwaigen außerordentlichen Congreß zu beschicken die Absicht haben sollten, ersuche ich Sie, die Wahl nicht auf meine Person zu lenken. Ob Sie sich an den Kreisausschüssen betheiligen und den Vorschriften des Centralausschusses, wie es sich in diesem Falle von selbst verstände, pünktlich Folge leisten wollen, überlasse Ich natürlich Ihrem Urtheil und Beschluß. Frankfurt a[m] MfainJ, den 19. Juni 1848. Karl Grün.
Denkschrift zur Gründung einer freien akademischen
Universität1
Umgestaltung der deutschen Nationalerziehung, der im Augenblicke lauter wie jemals in unserem Vaterlande sich erhoben hat, war schon einmal, jetzt vor 40 Jahren, in Jfohann] GfottliebJ Fichte 's Reden an die deutsche Nation, wie eine Donnerstimme an die Ohren eines geknechteten und erschlafften Geschlechts, erklungen. Fichte's Reden halfen, gesprochen und gedruckt, kräftig mit an Deutschlands Erhebung aus der schmählichen Knechtschaft, an der nationalen Wiedergeburt unseres Volkes.2 Eine traurige Zeit dumpfer Lethargie und vergeblichen Ringens liegt freilich zwischen dem Damals und dem Jetzt. Erst jetzt scheinen die keimkräftigen Ideen, die der große Mann in jenen Reden wie Saamenkörner ausstreute, aufzugehen, erst jetzt ihre Lebenskraft entfalten zu sollen, nachdem die gewaltigen Zuckungen des europäischen Völkerlebens seit den letzten Monaten den schlummernden Riesen der deutschen Volkskraft von Neuem geweckt. Neben den Reformen der politischen und socialen Zustände drängt der deutsche Volksgeist entschieden darauf hin, aus der Tiefe und von innen heraus sich radikal zu verjüngen, und durch die Erziehung seinem nationalen Selbst ein neues Dasein zu geben. In Volks-, Mittel- und Hochschulen macht sich der Drang nach Neugestaltung mit mehr oder weniger bewußter Einsicht und Energie geltend, deren Erfolge vielleicht schon die nächste Zukunft bringen wird. Die Universitäten nahmen bisher im Organismus Der Ruf zur
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Denkschrift zur Gründung einer freien akademischen Universität. Zugleich als Einladung zu einem am 27., 28. u[nd] 29. August d[es] J[ahres] zu Frankfurt a[m] M[ain] im Gasthof zum Landsberg, stattfindenden wissenschaftlichen Congreß, Frankfurt am Main 1848. J. G. Fichte: Reden an die deutsche Nation, Berlin 1808. In: Johann Gottlieb Fichte. Werke. Hrsg. von F. Medicus, 5. Bd., Leipzig 1908-1912, S. 365-610.
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der
Denkschrift zur Gründung einer freien akademischen Universität
Nationalerziehung
die höchste Stelle
ein, deren Anspruch sowohl durch ihre Ge-
schichte, wie durch ihre gegenwärtige Bestim-|4|mung um so mehr gerechtfertigt scheinen könnte, als die Ausbildung der Universitäten mit der geschichtlichen Entwickelung des
deutschen Geisteslebens stets gleichen Schritt gehalten hat. In der Blüthezeit des Mittelalters aus den Klosterschulen hervorgegangen und als freie, von den übrigen Ständen des Feudalstaates abgeschlossene, selbstständige Genossenschaften von Lehrenden und Lernenden sich ausbildend, stellten sich die ältesten Universitäten in die Mitte zwischen Staat und Kirche, so jedoch, daß sie innerlich von der Autorität der Kirche abhängig blieben und das Prinzip der Kirche, die äußerliche Autorität, in der durch die Universitäten gepflegten sogenannten scholastischen Wissenschaft zur Darstellung brachten. Indem sie sich allmälig zu immer festerer, zunftmäßigerer Organisation sowohl des Gelehrtenstandes, seiner facultativen Besonderungen, als auch der studentischen Genossenschaften ausprägten, führte sie der mächtige Einfluß der Reformation in ein neues Stadium ihrer Geschichte ein. Sie traten seitdem, bei fortwährender gelehrter Isolirung und corporativer Geschlossenheit in sich selbst, in ein bestimmtes Verhältniß zum Staat, der sie in den Dienst seiner Zwecke nahm und als von ihm abhängige, weil von ihm creirte und erhaltene, wissenschaftliche Corporationen behandelte. Die überwiegende Bedeutung der Universitäten als Staatsanstalten, zur Bildung künftiger Staatsdiener, neben welcher die eigentliche Fortbildung der Wissenschaft selbst nur eine untergeordnete Rücksicht bleibt, macht den Charakter der Hochschule seit dem Anfang des vorigen Jahrhunderts bis zur Gegenwart aus. Auch in der Gegenwart haben dieselben ihren staatlich-conservativen Charakter und gelehrten Zunftgeist beibehalten; sie haben sich zu den freieren Regungen des Volksgeistes vorwaltend passiv und zum Theil sogar oppositionell verhalten. Die Tendenz, sich der Lebensfragen zu bemächtigen und die Schranken zwischen dem Volksleben und der Wissenschaft aufzuheben, ist bisher immer nur eine vereinzelte Erscheinung auf den Universitäten gewesen, die gerade jeden Kampf des freien Geistes gegen die traditionellen |5| Autoritäten des Staats und der Wissenschaft möglichst aus ihrem Kreise fern zu halten suchten und alle energischen reformativen Köpfe, welche gegen beides Opposition bildeten, als heterogene und disparate Elemente von sich ausschlössen. Die Universitäten haben bisher, mit ihrem Prinzip der historisch-empirischen Gelehrsamkeit, wohl in quantitativem Sinne die universitas literarum dargestellt und die Gesammtheit der Wissenschaften so ziemlich in sich repräsentirt, keineswegs aber in gleicher Weise auch dem qualitativen Begriff der Wissenschaft entsprochen, so daß die besonderen Wissenschaften so gepflegt worden wären, wie sie in der Wissenschaft der Wissenschaften, der Philosophie, als encyclopädische Glieder der letztern zu einem Totalorganismus sich zusammenfassen. Ueber den einmal fixirten facultativen Unterschieden des Wissens haben sie die nothwendige Einheit und gegenseitige Beziehung alles Wissens, das gemeinsame geistige Lebenscentrum aller besonderen Disciplinen vergessen. Dieß ist's aber gerade, was die Zeit fordert, mit philosophischem Geiste die besonderen
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der Wissenschaft, in ihrem Zusammenhange mit der Einen Universalwissenschaft des Geistes selbst, zur Darstellung zu bringen und diese ideelle Einheit und Allgemeinheit mit dem Bewußtsein des heranwachsenden Geschlechts zu vermitteln. Auch nach der substantiellen Seite hat sich der freie gegenwärtige Geist des deutschen Volkes auf den Universitäten keineswegs zu seinem vollendeten wissenschaftlichen Selbstbewußtsein entwickeln können, indem die Abhängigkeit einestheils von der wissenschaftlichen Tradition (die bloße Gelehrsamkeit), anderntheils vom politischen und theologischen Dogma (die Orthodoxie und der Servilismus) und von den empirischen Bedürfnissen des gemeinen Lebens (die Brotstudien) einer freien Entwicklung des wissenschaftlichen Geistes sich entgegenstellten und die Universitäten zu gelehrten Seminarien, zu eigentlichen hohen Schulen herabdrückten. Außerdem fehlte es dem Organismus der deutschen Nationalerziehung an einer höchsten Spitze und Concentration, an einem wissenschaftlichen Institute, in welchem sich die durch die provinziellen Hoch-|6|schulen als Zczwcfesuniversitäten, vertretenen verschiedenen Stammeseigenthümlichkeiten in's allgemeine Volksbewußtsein aufheben. Dem zur Einheit hinstrebenden deutschen Nationalgeist thut ein Centralinstitut der Wissenschaft Noth, zu welchem sich die bisherigen Hochschulen als provinzielle Landesuniversitäten verhalten. Der Gedanke eines solchen Instituts ist keineswegs erst jetzt zum erstenmale ausgesprochen. Im Vorworte zum Jahrgang der Hallischen Jahrbücher 1841 ist bereits von Echtermeyer und Ruge darauf hingewiesen worden, daß, um ein großartiges Interesse der ganzen Nation für die Seite des freien Geistes in's Leben zu rufen, es der von allen Rücksichten der Praxis, von den Einflüssen der Autorität und den handwerksmäßigen Zwecken des unfreien Staates frei gewordenen Wissenschaft bis jetzt noch an aller Concentration, an einem eignen Wohnsitze und an der freien Anerkennung von Seiten eines freien Staates fehle, da die bloße literarische Existenz nicht ausreiche, sondern einer lebendigeren Realität, mit einem Wort einer neuen Universität von universeller Tendenz bedürfe, welche das Prinzip der alten Universitäten verlasse und sich auf die Autonomie des Geistes selbst stelle. „Es ist (hieß es dort) dringend nöthig, daß die neue Form der Wissenschaft, die alles Material der alten Fakultäten in philosophische Historie und Philosophie auflöst, in einer neuen Wohnung einen neuen Haushalt beginne, und denen, die nach dem Examen und der banausischen Mühe dafür nun erst den Blick zur reinen Sonne der Wahrheit erheben, eine Akademie der freien Wissenschaft eröffnet
Zweige
werde."3
Diesen Gedanken, der das Bewußtsein und den Willen der Zeit ausdrückt, eignen wir Zur Verwirklichung dieser längst als nothwendig erkannten Aufgabe ist jetzt, zu neuem Leben erwacht ist, der rechte Zeitpunkt gekommen. Vor Deutschland wo Männern der Wissenschaft selbst, welche das vorhandene Bedürfniß erkannt haben, uns an.
3
Siehe Hallische Jahrbücher für deutsche Wissenschaft und Kunst, 1841, S. 5.
Leipzig 1841, Nr.
2
vom
2. Januar
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Denkschrift zur Gründung einer freien akademischen Universität
wird der Plan zur Gründung eines solchen Instituts entworfen werden müssen, und die deutsche Nationalversammlung, die auch den Interessen der deutschen Nationalerziehung ihre |7| Aufmerksamkeit zuwendet, wird sich alsdann der Verwirklichung des Planes als einer Angelegenheit des ganzen deutschen Volkes annehmen und den Versuch unterstützen müssen, die Autonomie der Wissenschaft und die volle Lehrfreiheit in einer allgemein deutschen freien akademischen Universität förmlich zu organisiren, welche den Prozeß der ideellen Selbsterzeugung und Selbsterziehung des deutschen Volksbewußtseins, in seinem Zuge zum Universalismus des Weltgeistes, darzustellen hat und nicht auf dem Boden des Staats, sondern des Volkslebens steht, damit also wesentlich auf das Prinzip der Bewegung gebaut ist, welche die Selbstbewegung und ethische Selbstbestimmung des ganzen Volkslebens zu ihrer Form wie zu ihrem Inhalt hat. Die folgenden Paragraphen wollen als Propositionen gelten, über deren Annahme oder Verwerfung, resp. Abänderung die Debatten eines wissenschaftlichen Congresses entscheiden sollen.
§. 1. Idee der akademischen Universität. Die allgemeine deutsche freie akademische Universität, als deren Sitz vorläufig Frankfurt afm] MfainJ vorgeschlagen worden ist, stellt durch Schrift und Lehrvortrag den philosophischen Organismus der besonderen Wissenschaften und dieselben in ihrer ideellen Allgemeinheit dar. Sie gibt hierdurch dem Bewußtsein des deutschen Volkes seinen wissenschaftlichen Ausdruck und bietet ihm diesen als die Tiefe seiner eignen Wahrheit, mittelst der vollendeten freien Jugendbildung, zum Genüsse. §. 2. Verhältniß der akademischen Universität zu den deutschen Hochschulen. Die akademische Universität betrachtet sich demnach als die höchste Gestaltung des gemeinsamen freien Geisteslebens, und die übrigen Bildungsanstalten als Voraussetzungen ihrer selbst, indem sie das Studium der wissenschaftlichen Wissenschaft, d. h. der philosophisch ausgebildeten Disciplinen, an's Ende und nicht an den Anfang der vollendeten freien Jugendbildung setzt. Die Hochschule |8| läßt dagegen die besonderen Wissenschaften und die Philosophie einseitig auseinander treten, setzt beide aus ihrer organischen Totalität heraus und sowohl jene, als diese zu bloßen Fachwissenschaften herunter. Die auf den Hochschulen zu bildende Jugend hat eine besondere Disciplin als Vorbereitung für einen bestimmten Beruf vor Augen und auf der andern Seite steht ihr das Allgemeine des Staats- und Wissenschaftslebens als ein Jenseits. Das Volksbewußtsein, als Anfang und Schluß der Bildungsschule, bricht sich auf den Hochschulen in den Farben der verschiedenen Stammeseigenthümlichkeiten. Hiernach erscheinen die bisherigen Hochschulen als gelehrte Seminarien, im Verhältniß zur akademischen Universität, welche die philosophische Durchdringung der bisherigen Fachwissenschaften erstrebt, ohne doch eine geistvolle empirische Behandlung derselben schlechthin auszuschließen.
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§.3. Die Gliederung der akademischen Wissenschaften. Die akademische Wissenschaft erkennt als ihr Prinzip die Selbstbestimmung und Selbsterzeugung des Menschengeistes, und die verschiedenen Zweige der Wissenschaft als freie Ausgestaltung desselben. Die akademische Wissenschaft gliedert sich in folgender Weise: I. Wissenschaft der Natur, und zwar: a) die Wissenschaft der abstracten Naturformen: Mathematik; b) Physik der anorganischen Natur; c) Physiologie oder Wissenschaft der organischen Natur. II. Wissenschaft des Geistes, und zwar: A. der objective Organismus der Freiheit, Ethik, nämlich: a) Rechtswissenschaft, b) Staatswissenschaft, c) Socialwissenschaft. B. Der subjective Organismus der Freiheit Culturphilosophie, nämlich: a) Religi-
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onsphilosophie, b) Kunstphilosophie, c) philosophische Systematik. |9| C. Der subjectiv-objective Organismus der Freiheit Philosophie der Weltgeschichte, nämlich: a) Religionsgeschichte, b) Kunstgeschichte, c) Geschichte der Philosophie. -
Der wahre Grund aller Wissenschaft ist die Vernunft, und die Denknothwendigkeit das Kriterium der Wahrheit. Der Beweis, den die Philosophie führt, ist die Entwickelung der Idee. Wir haben daher die doppelte Aufgabe: a) vom Begriff aus oder aus dem Wesen der menschlichen Natur die einzelnen Wissenschaften als die vernünftigen Gesetze und Grundlagen der Lebensverhältnisse darzustellen, und b) den Entwicklungsproceß der Idee in der Geschichte zu schildern, wodurch die besonderen Formen und Erscheinungen in ihrer Stellung und Bedeutung erkannt werden und ihre Rechtfertigung finden. Längst wird anerkannt, daß das Positive, welches die Philosophie hat, ihre Geschichte ist, die nicht in einer Zusammenstellung zufälliger Meinungen besteht, sondern die folgerichtige Arbeit des menschlichen Geistes ist, zu sich selbst zu kommen und sein eignes Wesen in seiner Tiefe und Höhe zu erkennen; die einzelnen Philosophien sind sowohl einander entsprechende Knotenpunkte dieser Entwickelung, als sie, das Universum von verschiedenen Standpunkten aus ansehend, als Momente des vollendenden Systems bestehen bleiben. In diesem Sinne muß die Geschichte des Geistes überhaupt behandelt werden, und zwar in doppelter Weise, so daß einmal besondere Zweige für sich von ihrer ersten Entfaltung bis zur Gegenwart ihre Darstellung finden. Die Kunst liegt uns hier zunächst, aber auch das Recht, auch die Religion ziehen wir in diesen Kreis. Die Jurisprudenz der Zukunft wird das römische Recht nicht studieren, um seine Entscheidungen mechanisch auf streitige Fälle in heutigen Angelegenheiten überzutragen, sondern um den juristischen Sinn für Neuschöpfungen und für eignen Urtheilsspruch ähnlich dadurch zu bilden, wie Göthe durch Homer und Sophokles für Hermann und Dorothea, für Iphigenia die Weihe erhielt. Was Griechenland für die Kunst, war Rom für das Recht; so sind sie uns Urbilder, nach deren Norm und classischem Maaße wir das Unsre thun sollen. Der Jurist wird also das römische Recht als Ausdruck des römischen Volksgeistes studieren, und dieß wiederum nur können im Zusammenhang mit der Gesetzgebung aller anderen weltgeschichtlichen Nationen, da alle Eigentümlichkeit erst im Unterschiede recht erkannt und in der Verbindung mit andern recht gewürdigt wird. Der so geschulte Mann wird als Praktiker sein deutsches Gesetzbuch leicht handhaben, er wird befähigt sein, selbst im Sinne unseres Volkes und unserer Tage allgemeine Normen aufzustellen, einzelne Fälle zu entscheiden und der Gewohnheit und Sitte Rechnung zu tragen. Aehnlich der Theologe. Ihm werden die Religionen der Vorzeit und das Christenthum einander wechselseitig beleuchtet, die Dogmatik wird als Dogmengeschichte verständlich werden, und er wird seine Aufgabe lösen können, auf dem Grunde des Evangeliums dem Volke ein Vermittler des Geistes,
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ein Aus-|10|leger der freien Wissenschaft zu sein. Die Culturgeschichte wird zweitens so behandelt daß die Lebensgestalt einzelner Völker allseitig in Betrachtung kömmt, z. B. als Geschichte des griechischen, des deutschen Geistes. Hier wird die Seele des Volks als das leitende Princip oder der Grundgedanke aller besondern Entfaltungen gewonnen und dargethan, wie grade diese Entfaltungen daraus hervorgingen, wie sie untereinander zusammenhängen und theils in gleichzeitiger Ergänzung, theils in nothwendiger Folge einander bedingen. Wer so als rückwärtsgewandter Prophet den Gang der Menschheit bis zur Gegenwart erforscht hat, der wird der Zeichen der Zeit kundig sein und den Blick auch nach vorwärts richtend wenigstes aus dem Schatten, den die Pyramide der Vergangenheit wirft, die Grundlinien erkennen, aufweichen in der Zukunft das Spiel der menschlichen Kräfte und Strebungen sich bewegen wird.
§. 4. Aufgabe des akademischen Lehrers. Der akademische Lehrer hat die Aufgabe, in einer besonderen wissenschaftlichen Disciplin die allgemeine Wissenschaft darzustellen. Jeder Lehrer muß durch seinen Genius für die schöpferische Bearbeitung eines bestimmten Wissenschaftskreises berufen sein und zugleich im Besitze des allgemeinen wissenschaftlichen Zeitbewußtseins sich befinden; jeder muß sein wissenschaftliches Besitzthum als Gesinnung, Charakter und Talent in sich tragen. Jede besondere Disciplin setzt ihre geschichtliche Entwickelung als ihre Phänomenologie voraus und hält dieses geschichtliche Resultat als den positiven Begriff fest, innerhalb dessen sie sich in der Weise ausbreitet, daß die einzelnen Seiten wieder zu selbstständigen Sphären herausgearbeitet werden.
§. 5. Die Berufung der akademischen Lehrer. Der zur Gründung des Instituts zusammentretende wissenschaftliche Congreß erwählt aus seiner Mitte, und soweit als möglich aus allen einzelnen deutschen Stämmen, diejenigen Männer, welche beim Beginne als ordentliche akademische Lehrer zusammentreten (30 bis 40 an der Zahl) und besetzt in Erledigungsfallen ebenso die vacanten Lehrstühle. Im Uebrigen ist es Jedem, der das Prinzip der Selbstbe-| 11 |stimmung und Selbsterzeugung des Menschengeistes, im vollen Sinne des Wortes, zu dem seinigen macht, an der akademischen Universität als Privatdocent oder außerordentlicher akademischer Lehrer aufzutreten gestattet. Zur Zurückweisung oder Pensionirung eines akademischen Lehrers ist die Majorität des jährlichen wissenschaftlichen Congresses erforderlich. §. 6. Der jährlich zusammentretende akademische Congreß. Der wissenschaftliche Congreß, welcher im August dfes] Jfahres] zur Gründung der akademischen Universität zusammentritt, ist durch den Ausschuß berufen, und hat sich Jeder nicht vorher Angemeldete, welcher Zutritt als Stimmberechtigter haben will, von drei Angemeldeten einführen zu lassen, wobei jedoch der Versammlung per majora das Recht zusteht, den Einzelnen von der Abstimmung auszuschließen. Jeder nächste wissenschaftliche Congreß wird, unter denselben Bestimmungen, von dem bis dahin zusammengetretenen Collegium der akademischen Lehrer selbst, alljährlich im September, berufen.
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§. 7. Die Akademiker. Die ordentlichen Lehrer der akademischen Universität bilden zugleich den Kreis der Akademiker, im engern Sinne des Wortes, in welchen noch von den jährlichen wissenschaftlichen Versammlungen die ersten Genien Deutschlands als Ehrenmitglieder hineingezogen werden sollen. Fakultäten gibt es nicht auf der akademischen Universität; eben so wenig kennt und ertheilt dieselbe akademische Grade. §. 8. Die wissenschaftlichen und geselligen Institute der akademischen Universität. Neben der (auf der Grundlage der in dem Sitze der Akademie befindlichen städtischen Bibliothek zu gründenden) akademischen] Biblio-\\2\thek, und dem für die Zwecke des geselligen Verkehrs zwischen Lehrern und Studierenden zu gründenden akademischen Museum, wird für die literarische Communikation der Akademie und die Ausübung ihrer wissenschaftlich-kritischen Jurisdiction ein wissenschaftliches Organ bestehen, welches den Titel führt: akademische Jahrbücher; Organ für philosophische Wissenschaft und sociale Politik." §. 9. Die Studierenden. Die gewöhnliche Voraussetzung für den Besuch der akademischen Universität ist die Vollendung der Studien auf einer deutschen Hochschule. Wer diese Voraussetzung nicht erfüllt, hat keine Ansprüche auf die Rechte der ordentlichen Studierenden. Die ordentlichen Studierenden geben sich selbst die Verfassung.
§. 10. Die akademischen Semester. Die Hauptferien der akademischen Universität fallen in die Monate August und September jedes Jahres. Das Wintersemester beginnt mit dem 1. Oktober und geht bis zur Osterwoche. Das Sommersemester beginnt 8 Tage nach Ostern und schließt mit dem letzten Juli. §.11. Selbstregierung der akademischen Universität. Sämmtliche Lehrer der akademischen Universität wählen jährlich beim Beginne des Wintersemesters aus ihrer Mitte einen akademischen Ausschuß, mit einem durch die Studierenden aus der Mitte des Ausschusses zu wählenden Präsidenten und zwei Secretaren. Dieser Ausschuß, dessen Sitzungen öffentlich sind, hat die akademische Universität nach außen und innen zu vertreten, die akademischen Geschäfte zu besorgen, so jedoch, daß von dessen Beschlüssen alle akademischen Lehrer in Kenntniß gesetzt werden und das Recht zur Protestation dagegen haben. Eine solche Protestation hat die Folge, daß der Gegenstand an eine Generalversammlung der Docenten kommt. |13|
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§.12. Die Besoldungen der akademischen Lehrer. Der wissenschaftliche Congreß ernennt alljährlich einen Ausschuß für die Berathung des akademischen Budgets und für die Besoldung der Lehrer, die sich den besondern Verhältnissen und Verdiensten eines jeden anpassen sollen. Die Besoldungen werden sich zwischen 400-1200 Thalern halten. §. 13. Die Mittel zur Gründung der akademischen Universität. Unmittelbar nach stattgehabtem ersten wissenschaftlichen Congreß wird durch eine zu
ernennende Redactionscommission der ausführlich motivirte Plan der freien akademischen Universität ausgearbeitet, durch den Druck veröffentlicht und der constituirenden deutschen Nationalversammlung mit dem Ersuchen um Bewilligung von 50,000 Thalern für die Bestreitung der Bedürfnisse der akademischen Universität vorgelegt. Um Ueberlassung der nöthigen Gebäulichkeiten wird die städtische Behörde derjenigen Stadt angegangen, welche als Sitz des Instituts ausersehen ist. Sollte die Petition bei der gegenwärtigen National-Versammlung ohne Erfolg bleiben, so tritt die akademische Universität durch freie Association ihrer Lehrer, auf Ostern 1849 zu Frankfurt afm] Mfain] in's Leben, in welchem Falle die Mittel theils durch Collegienhonorare, theils durch Hülfsleistungen der städtischen Behörde des künftigen Sitzes der Akademie, theils durch freiwillige Unterzeichnungen bestritten werden. Nachdem aber die Anstalt sich selbstständig constituir! und ihre Wirksamkeit mit Glück zu entfalten begonnen hat, ist die constituirende National-Versammlung nochmals entweder um Adoptirung oder doch um hinlängliche Unterstützung des Instituts -
anzugehen.
14. Stellung der akademischen Universität zum Staat. Die akademische Universität steht unmittelbar unter dem Schütze des deutschen Gesammtstaates und werden ihre Lehrer durch die |14| Centralregierung besoldet, welche auch die Bedürfnisse der Anstalt zu bestreiten hat, ohne aber das Recht zu haben, akademische Lehrer ein- oder abzusetzen. Die deutsche Centralregierung setzt eine Ehre darein, die unbedingte Selbstregierung und Autonomie der akademischen Universität anzuerkennen.
§.
diejenigen Männer der Wissenschaft, welche an der Ausführung des Planes ein begeistertes Interesse nehmen, werden hierdurch zu einem am 27., 28. und 29. August nächsthin in Frankfurt a[m] Mfain], im Gasthof zum Landsberg, stattfindenden wissenschaftlichen Congreß eingeladen und zugleich ersucht, ihre Anmeldung zum Besuch desselben bei einem von den hier mitunterzeichneten Mitgliedern der constituirenden deutschen Nationalversammlung, spätestens bis zum 20. August, schriftlich zu machen. Frankfurt a[mj Mfain], den 16. Juli 1848. Alle
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A. Adler in Worms. Mforitz] Carrière in Gießen. Lfudwig] Feuerbach in Bruckberg bei Ansbach. Kfarl] Grün in Trier. K[arl] Nauwerck, Mitglied der National-Versammlung in Frankfurt. Lfudwig] Noack in Oppenheim a[m] Rh[ein]. Afdolph] Peters in Dresden. Afrnold] Ruge, Mitglied der National-Versammlung in Frankfurt. G. Zimmermann in Worms.
Für die Rechte des Volkes. Adresse der demokratischen Partei in der Volkskammer1
Majestät!2
Die Preußische Nationalversammlung ist infolge von Ereignissen, welche dem Lande noch in frischem Gedächtnis sind, von Euer Majestät am 5. Dezember vforigen] Jfahres] wider ihren Willen aufgelöst worden. Ihr bald vollendetes Werk, eine der Bildungsstufe, den Anforderungen und Bedürfnissen des Volkes entsprechende Verfassung ist dadurch unterbrochen, der öffentliche Rechtszustand tief erschüttert und die Hoffnung auf baldige Erfüllung der von Euer Majestät im März vorigen Jahres erteilten Verheißungen hinausgeschoben worden. Das Volk hat abermals durch Ausübung des allgemeinen Stimmrechts Vertreter gewählt, um das unterbrochene Werk der Nationalversammlung zu vollenden, die von Euer Majestät am 5. Dezember vforigen] J[ahres] veröffentlichte Verfassungsurkunde, welche ohne die Zustimmung der Volksvertreter keine Rechtsgültigkeit hat, zu beraten, den Anforderungen des Volkes Geltung zu verschaffen und somit Euer Majestät die zukünftige Verfassung des Preußischen Staates festzustellen. Die seit dem 5. Dezember vforigen] Jfahres] erlassenen Verordnungen, welche uns vorgelegt werden sollen, werden wir einer ernsten Prüfung unterziehen, halten uns aber, durchdrungen von der Notwendigkeit des Grundsatzes, daß keine Gesetze ohne die Mitwirkung und Zustimmung der Volksvertretung gegeben werden können, und berufen, die unveräußerlichen Rechte des Volkes aufrechtzuerhalten, für verpflichtet, gegen die vorläufige Gültigkeit jener so tief in das Staatsleben eingreifenden Verordnungen Verwahrung einzulegen. Wir werden die Beratung und Beschlußnahme über alle zur Ausführung der Verfassung notwendigen Gesetze um so rascher vornehmen, als
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Zitiert nach K. Obermann: Einheit und Freiheit. Die deutsche Geschichte von 1815 bis 1849 in zeitgenössischen Dokumenten dargestellt, Berlin 1950, S. 757-759. Diese Adresse wurde an den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) gerichtet.
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Für die Rechte des Volkes
wir
überzeugt sind, daß nur dadurch, sowie durch die geeignete Umgestaltung der Verwaltung des Heerwesens und der Strafgesetzgebung das noch immer tief erschütterte Vertrauen zurückkehren und Handel und Gewerbe sich von der Lähmung erholen werden, welcher sie zu erliegen drohen. Schmerzlich hat es das ganze Volk empfunden, daß über die Hauptstadt und viele Orte des Landes der Belagerungszustand verhängt worden ist, die gesetzlich gewährleisteten Grundrechte des preußischen Volkes aufgehoben worden sind, an die Stelle der Herr-
schaft der Gesetze die der Gewalt und der Willkür getreten ist. Es ist unsere erste Pflicht, Majestät zu erklären, daß wir die Fortsetzung des Belagerungszustandes an den Orten, wo er noch besteht, für unverträglich mit der Rückkehr der Herrschaft der Gesetze und der Wohlfahrt des Landes halten, vorzüglich aber in der Hauptstadt, wo wir Volksvertreter jetzt unsere für die Zukunft des preußischen Volkes so wichtigen Beratungen beginnen sollen. Das Rechtsgefühl des Volkes fordert eine baldige Amnestie für diejenigen, welche das Zerwürfnis zwischen den verschiedenen Staatsgewalten und die Aufhebung der Herrschaft der Gesetze dem Kreise ihrer Familien entzogen oder in Untersuchungen verwickelt haben. Wir werden aus dem uns vorzulegenden Staatshaushaltsetat ersehen, inwieweit, ungeachtet der im Vergleich gegen die Vorjahre zu erwartenden Verminderung des Steuereinkommens, der für verschiedene Ausgabezweige, namentlich für öffentliche Arbeiten erforderliche Mehrbedarf ohne Steuererhöhung und ohne neue Benutzung des Staatskredits wird gedeckt werden können. Bei Beratung und Feststellung des Staatshaushaltsetats werden wir bedacht sein, alle mit der Wohlfahrt des Landes verträglichen Ersparnisse, insbesondere in der Verwaltung und dem Heerwesen, einzuführen, welche die Staatsregierung in den Stand setzen wird, mehr, als es bisher geschehen ist, für die Verbesserung der Lage der hart gedrückten ärmeren Volksklassen und das Volksschulwesen zu tun. Zur Erreichung des großen Zieles der innigen Vereinigung aller deutschen Volksstämme zu einer Staatseinheit werden wir jederzeit bereitwilligst mitwirken. Wir glauben jedoch, daß die erste Bedingung der Einheit Deutschlands die Sicherung der Freiheit und die Befestigung der Rechte des Volkes ist. Die friedlichen und freundschaftlichen Beziehungen Euerer Majestät Regierung zu den übrigen fremden Staaten berechtigen uns auch zu der Hoffnung, daß bei den neuerdings wieder drohenden Zerwürfnissen mit der Krone Dänemarks Preußen alle ihm zu Gebote stehenden Kräfte anwenden werde, um endlich einen mit der Ehre Deutschlands und den materiellen Interessen seiner Bewohner verträglichen Frieden herbeizuführen. Sehnsüchtig erwartet die lang unterdrückte Nationalität der polnischen StaatsangeEw.
hörigen die Verwirklichung der ihr wiederholt zugesicherten Rechte. Wir teilen den Schmerz um den Verlust eines Prinzen Eurer Majestät Königlichen Hauses. Das Vaterland wird uns zu jeder Zeit bereit finden, nach unseren Kräften beizutragen, daß die Forderungen des Volkes erfüllt, seine Freiheit und seine Rechte geschützt
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werden. Wir hoffen, daß mit Eurer Majestät Beistand dieses Ziel erreicht, die Ehre und der Ruhm Preußens erhöht und unserem Vaterlande eine friedliche und segensreiche Zukunft bereitet werde.
Berlin, den 15. März 1849.
[Karl Ludwig Johann] D'Ester, [Hugo Maximilian] Wesendonck, Jfohannes] Guittien[Karl] Schneider II (Köln), [Martin] Gorzolka, [Wilhelm] Caspary, [Nicola] Baur (Adenau), [Philipp Sigismund] Schmiedicke (Leobschütz, Neustadt), Dr. [Karl] Grün, [Goswin] Krackrügge, [Benedikt Franz Leo] Waldeck, Dr. [Karl] Schramm, [Georg] Jung, Plath (Stolp, Lauenburg usw.), Pape (Münsterberg, Frankenstein, Nimptsch), [Julius] Berends, [Franz] Löher, [Ferdinand Otto] Schwarz (Insterburg, Gumbinnen), [Robert] Reuter (Berlin), Richter, Kanonikus, [Franz Wilhelm] Ziegler, [Wojciech] v[on] Lipski, [Christoph Theodor] M[agnus] Großjohann, [Ernst] Maetze, [Jan Nepomucen] Bartoßkiewitz3, Gottfried (Kinkel), Neumann, Otto, Marke, Toebe, Th[omas] Simon (aus Trier), [Victor] Schily, [Johann Matthias] Gierse, Rambo, Bauer (Stolp), [Ottomar] Behnsch, [Jean Augustin] Messerisch4, Grötz-Wrisberg, Dr. [Johann] Jacoby, [Karl] Heitemeyer, [Joseph] Schornbaum, [Franz Ulrich] Kyll, [Anton] Skiba, Esser, Eisner, [Carl] Zunderer, [Johann Daniel] Eydam, [Johann B.] Hawlitzky, Ebel, Körner, [Florenty von] Lisiecke5, [Maciej] Palaez6, [Friedrich] Borchardt, [Adolf Lothar] Bucher, [Julius] Stein, Schmidt.7 (Druck von Trowitzsch & Sohn in Berlin, Oberwasserstraße 10.) ne,
Vermutlich Jan Nepomucen Bartoszkiewicz. Vermutlich Messerich. Vermutlich Lisiecki. Vermutlich Palaez. Zu den Kurzbiographien dieser preußischen Abgeordneten siehe B. Haunfelder: Handbuch für das preussische Abgeordnetenhaus 1849-1867, Düsseldorf 1994.
Biographisches
Zur Einleitung [der Jahrbücher der freien deutschen
Akademie]1
Der Gedanke einer freien akademischen Universität ist weder seinem Wesen nach ein unerhörter, noch auch als förmlich ausgesprochener durchaus neu. Geschichtlich verfällt die Freiheit der Wissenschaft natürlich dem Gesetze der Relativität: das Wesen des Menschen, die Erkenntniß der Dinge, die Formulirung dieser Erkenntniß war im Jahre 1700 eine andere, als heute, eine unfreie gegen heute; eine freie akademische Universität konnte im Jahre 1700 nicht sein, was sie heute sein wird. Gleichwohl hat es keine bedeutende philosophische Epoche gegeben, die nicht den nöthigen Einfluß auf den Gesammtorganismus der Wissenschaften ausgeübt hätte; gleichwohl haben die Systeme von Leibnitz, Kant, Schelling und Hegel wandelnde Akademien hervorgerufen, indem auf kürzere oder längere Zeit sämmtliche Theile der Wissenschaft von den leitenden Grundsätzen jener Systeme durchdrungen, von ihrem Geiste gestempelt wurden. Unter dem Ministerium Altenstein glich bekanntlich sogar die einzelne Berliner Hochschule einer Hegel'schen freien akademischen Universität, wie nämlich die Central-Hegelei die Freiheit der Wissenschaft und die Werke ihres Meisters verstand. Dort existirten auch Akademische Jahrbücher, und der Geist der Haupt-Landesuniversität sollte durch verschiedene Ministerialrescripte, so wie durch Versendung von Hegel's Werken an die übrigen Universitäten und selbst an die Gymnasien centralisirend wirken. Die neuere Speculation hat diesen Traum gewaltig gestört, sie hat das Central-Hegelthum als unfreie Wissen-|4|schaft, als NichtWissenschaft dargethan, sie hat die Weltanschauung Hegel's überhaupt durchbrochen, und den Philosophismus der deutschen Vergangenheit K. Grün: Zur Einleitung. In: Jahrbücher der freien deutschen Akademie. Im Auftrag des zur Gründung einer freien akademischen Universität gebildeten Ausschusses hrsg. von K. Nauwerck und L. Noack, Frankfurt am Main, Bd. 1, Heft 1, Frankfurt am Main 1849, S. 3-8.
Zur Einleitung der Jahrbücher der freien deutschen Akademie
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als selbstgefällige Abstraction erwiesen. Wir behauten heute, auf dem eigentlich wissenschaftlichen Boden zu stehen, und jetzt erst die wahrhaft freie akademische Universität gründen zu können. Für uns gibt es keine philosophische Schule mehr, sondern wir proclamiren das Aufhören aller Systeme. Wir steigen nicht mit einem fertigen Kategorienschema hoffartig zu den Dingen hinab, sondern wir wollen den Dingen selbst bedingungslos ihre Wesenheit ablauschen; nicht die Sonne irgend einer Metaphysik beleuchtet unsere Welt: wenn unser Auge nicht selbst sonnenhaft ist, werden wir nichts erspähen. Auch die Philosophie, wie die Religion, ist Geschichte geworden: das Resultat der Geschichte der Philosophie ist die Organisation der gesunden fünf Sinne. Ausdrücklich fomulirt wurde der Gedanke einer freien Akademie schon von Leibnitz. Factisch bestand eine freie Akademie im Wendepunkte des 19. Jahrhunderts zu Weimar, wo nur der Lehrvortrag fehlte und die größten deutschen Genien unter der Wucht der deutschen Zerrissenheit zu egoistischer Vereinsamung verdammt waren. Im Jahre 1841 tauchte die Idee einer Akademie der freien Wissenschaften in den „Hallischen Jahrbüchern bestimmter als je auf, verlor sich aber mit der entdeckten Illusion einer damaligen nationalen Erhebung wieder in's Reich der Schatten. Das Jahr 1848, in welchem eine politische Revolution in Deutschland gemacht worden ist, muß auch die lebenskräftigen Keime zu einem Institute legen, welches, die Resultate der Forschung und Kritik als seine Voraussetzungen nehmend, auf der unbedingten Lehr- und Lernfreiheit fußend, die Revolution der Nationalerziehung beginnt. Dieses Institut muß die Akademie, das Laboratorium der gründlichsten und umfangreichsten Forschung, mit der Universität, der Musteranstalt für sämmtliche Hochschulen des Vaterlandes, verbinden; theoretisch wie praktisch den deutschen Geist auf der Höhe seiner Entwickelung darstellen und, als Träger der Wissenschaft des Lebens, das Leben selbst in seinen gegenwärtigen kritischen Uebergängen, in seinen schmerzlichen Geburtswehen fördern; es muß die Polytechniker und die Staatsmänner der vollendeten deutschen Demokratie zugleich bilden. |5| Auf Pfingsten d[es] Jfahres] fand bereits zu Frankfurt a[m] M[ain] im Gasthofe „zum Landsberg" eine von Dr. L[udwig] Noack, in den „Jahrbüchern für Wissenschaft und Le"
ben," ausgeschriebene Vorversammlung, analog der Heidelberger Vorversammlung zu Anfang März, statt. Man einigte sich über den Grundgedanken einer durchaus freien wissenschaftlichen Anstalt, ohne über verschiedene wesentliche Punkte, namentlich über das Verhältniß der freien Universität zu den übrigen Hochschulen, recht ins Klare zu kommen: mußte doch erst beschlossen werden, daß der Charakter eines Lehrinstituts
vorwiegende, weil dem dringenderen Bedürfnisse entsprechend, sein sollte. Auch spukten noch Elemente des alten Philosophismus, wenn auch mehr als formale Erinnerungen, denn als ernstlich gemeinter Inhalt. Den Abstractionen einer rein idealen Schöpfung kam besonders der Mangel jeglichen Anschlusses an die Wirklichkeit, an Ort und Zeit irgend eines Anfanges zu Statten; so daß diese Vorversammlung mehr Gelegenheit zu einer freundschaftlichen Besprechung geistesverwandter Männer, als zu einer Berathung über praktische Zwecke darbot. Die Denkschrift zur Gründung einer der
„
Zur Einleitung der Jahrbücher der freien deutschen Akademie
561
freien akademischen Universität" (Frankfurt afm] Mfain], Meidinger), bei deren Abfassung obendrein mehrere der dort unterzeichneten Ausschußmitglieder ihre abweichenden Ansichten geltend zu machen keine Gelegenheit gehabt hatten, trägt durchaus den Stempel jener Vorversammlung, den Stempel einer ideologischen Construction sowohl
der Wissenschaft selbst, als des neuzuerrichtenden Institutes. So fatal nun auch der Umstand sein mochte, daß manche vortreffliche Kräfte in Näh' und Ferne sich durch die Haltung jener Denkschrift vom Besuche des eigentlichen Congresses abhalten lassen konnten, und so seltsam es erscheinen mußte, daß namentlich der Unterzeichnete sofort bei der Berathung der ersten beiden Paragraphen den „Krieg ins Ministerium" brachte: so ist doch dem Congresse vom 27.-29. August eine doppelte große Aufgabe in erfreulichster Weise gelungen. Das abermalige Zusammentreten von Männern der Wissenschaft, und dießmal in weit größerer Anzahl, der direkte unumwundene Austausch der Meinungen und Ansichten, die Praxis der Debatte und des persönlichen Verkehrs haben es ermöglicht: erstens sich über Wesen und allgemeine Organisation einer freien Universität und damit vereinigten Akademie der Wissenschaften |6| zu verständigen, und zweitens eine bestimmte Oertlichkeit, gegebene Verhältnisse, Hand und Fuß des bisher körperlosen Gedankens, in Aussicht zu nehmen. Die nachfolgenden, gänzlich umgestalteten Paragraphen, geben Zeugniß für diese Behauptung. Der allgemeine Gang der dreitägigen höchst interessanten und mitunter sehr lebhaften Debatte des Congresses war folgender. Erster Tag Die Prinzipienfrage Das Wesen der modernen Wissenschaft, die Aufhebung des Dualismus zwischen Speculation und Erfahrung, der lebendige Bezug wissenschaftlicher Resultate zu den Nöthen des Lebens erfocht einen glänzenden Sieg über alle Zerklüftung der Theorie und Praxis, über alle jene, wenn auch nur scheinbaren Abstractionen der Denkschrift. Nicht der „Genuß" des wissenschaftlichen Bewußtseins wurde als das Höchste und Letzte hingestellt, sondern die Befähigung der Jugend, mit Ernst und Entschiedenheit an der Verwirklichung der großen Prinzipien des freien Staates und der freien Gesellschaft mitzuwirken. Demzufolge stürzte die Scheidung der Wissenschaft in Fakultäten, die Voraussetzung des absolvirten Trienniums als Bedingung des Besuchs der freien Uni2
Siehe Ausgewählte Schriften, Dokument 14 und Beschlüsse des wissenschaftlichen Congresses zu Frankfurt a[m] M[ain] am 27., 28. und 29. August 1848 zur Gründung einer freien akademischen Universität. In: Jahrbücher der freien deutschen Akademie. Im Auftrag des zur Gründung einer freien akademischen Universität gebildeten Ausschusses hrsg. von K. Nauwerck und L. Noack, 1. Bd., 1. Heft, Frankfurt am Main 1849, S. 9-12. Beide Dokumente sind auch enthalten in: M. Koppe: Karl Theodor Ferdinand Grün (1817-1887). Diss. phil., Freie Universität Berlin, Berlin 2004, Anhang 22 und Anhang 23. -
Zur Einleitung der Jahrbücher der freien deutschen Akademie
562
der praktische Gedanke, als Vorbild für die zu reformirenden Landesuniversitäten eine Hochschule zu gründen, die am Tage der vollendeten Reform nur noch als Gleiche unter Gleichen gedacht werden könne.
versität, und
es
siegte
Zweiter Tag Die
praktische Lebensfrage
Nachdem die von der Denkschrift versuchte Gliederung der akademischen Wissenschaft sammt dem Ansinnen, überhaupt eine derartige Gliederung vorzunehmen, als voreilig und unpraktisch verworfen worden war, erhob sich der Abgeordnete der Wiener Demokratie, der Orientalist Deutsch, um als Ort der zu gründenden Universität Wien vorzuschlagen. Dort, sagte er, bestehe keine Universität mehr, es sei nur noch der Ort übrig, wo eine gestanden habe. An Mitteln zur neuen Einrichtung sei kein Mangel, zumal noch andere |7| Fundationen durch die staatliche Reform erledigt seien. In Wien müsse zugleich gegen den slawischen Völker-Andrang dem Deutschthum ein moralischer Halt errichtet werden. Endlich würden freien Universität und Akademie in Wien mitteleuropäische Institute sein, und namentlich sich der günstigsten Lage für Nachforschungen erfreuen. Wien siegte; andere Orte, als Frankfurt, Nürnberg, Hamburg, wurden nur noch eventuell berücksichtigt. Die Idee der freien akademischen Universität gewann eine reale Unterlage, und der Ausschuß ward von der Versammlung ermächtigt, mit dem Ministerium, dem Reichstag und dem Studentencomité in Wien in Unterhandlungen wegen der Geld- und Unabhängigkeitsfrage zu treten. Der Rest des zweiten Tages ward der einleitenden Debatte über die dritte und letzte Frage gewidmet. Dritter Tag Die Organisationsfrage
War das Prinzip der freien akademischen Universität gegeben, hatte dieser Gedanke eine Aussicht auf Lebensfähigkeit gewonnen; so handelte es sich nur noch um die Einrichtung des Instituts selbst, um das Verhältniß von Lehrern und Studirenden, um die äußere und innere Verwaltung, so wie endlich um das Verhältniß der Akademie zur deutschen Gesammtwissenschaft. In Bezug auf die Lehrer wurde unterschieden zwischen besoldeten und unbesoldeten, so aber, daß alle gleiche Rechte hätten, und irgend eine wissenschaftliche Probe über Zulässigkeit der letzteren entscheide. Für die Zuhörer ward unbeschränkte Freiheit der Einschreibung angenommen. Examina beim Ein- wie beim Austritt wurden verworfen. Staatsprüfungen mögen sich der Fähigkeit der künftigen Beamten vergewissern. Der Verwaltungsrath besteht aus den vereinigten Ausschüssen der Lehrer und der Studenten; die Studenten haben möglichst großen Einfluß bei Besetzung der vacanten Lehrstühle. Vom Verwaltungsrathe kann jeder Einzelne an den jährlich
Zur Einleitung der Jahrbücher der freien deutschen Akademie
563
Congreß appelliren, der zum Parlamente der Nationalwissenschaft Dieser erklärt ist. Congreß gliedert sich in provinzielle Zweigvereine, welche den Congreß durch gewählte Mitglieder beschicken. Ein permanenter Ausschuß vertritt im Laufe |8| des Jahres den Congreß. Akademiker sind die besoldeten Lehrer der freien Universität, welche sämmtliche Capacitäten des In- und Auslandes zu Collegen ernennen. Zerschlagen sich die Unterhandlungen mit Wien, so tritt der Ausschuß mit den andern designirten Städten in Verbindung, oder kann sich auch an die Nationalversammlung wenden. Dieß ungefähr ist das Resultat des dritten Tages, den der Präsident des Congresses, H[er]r Peters aus Dresden, damit beschloß, daß er seine frohe Zuversicht auf baldige Verwirklichung der großen Idee in bewegten Worten aussprach, eine Zuversicht, die bei ihm seit den Tagen der Versammlung bedeutend gewachsen sei. In der Meinung sämmtlicher Anwesenden war der dießmalige Congreß ein Analogon des Vorparlaments, und der definitive wissenschaftliche Reichstag wird zusammenberufen, sobald der Ausschuß die materiellen Lebensbedingungen des neuen Instituts irgendwo gesichert glaubt. Dieser definitive Congreß wird alsdann auch die Wahl der ersten besoldeten Lehrer vornehmen, und zur Erledigung der legislativen Einzelbestimmungen schreiten, die das vorliegende Grundgesetz noch offen gelassen hat. Die Verbindung mit Wien ist durch den Ausschuß bereits förmlich eingeleitet, das Resultat wird erwartet. Trier, den 5. September 1848. Für den Ausschuß des wissenschaftlichen Congresses: Karl Grün. zusammentretenden
-
Zur Würdigung Ludwig Feuerbachs1
Vor wenigen Monaten hat sich das Grab über einem Mann geschlossen, der in seinem wissenschaftlichen Testament im Widerspruch mit dem Pessimismus, dieser Modephilosophie des Tages, Versöhnung' mit dem Weltlauf, Heiterkeit und Zufriedenheit im Leben und Wirken gepredigt hat. Die folgenden Blätter wollen das Andenken eines Todten erneuern, der die Genußmenschen jeder Art und Richtung zu einer frischen fröhlichen Arbeit aufruft und den Verzagenden mit allezeit jugendlich gebliebenem Herzen eine rosenfarbene Zukunft vorhält. Es ist bei den landläufigen Prädikaten, mit denen Ludwig Feuerbach bedacht zu werden pflegt, bei den Prädikaten des Atheismus, Materialismus, Communismus, mit dem ertheilten Signalement der Zeichnung dieses Gelehrten schon bedeutend vorgegriffen. Doch werden unsere Leser, soweit sie sachverständig sind, es nicht mißbilligen, wenn zu den vielerlei blos kritischen Besprechungen, die den Schriften Feuerbachs bei seinen Lebzeiten gehörig zu Theil geworden sind und ihm nothwendig etwas von obigen Rügen eintragen mußten, eine mehr construirende Behandlung, bei der nicht blos seine destructive Neigung, sondern auch seine positive Tendenz in Frage kommt, ergänzend hinzutritt. Daß einem so negativen Geist, wie Feuerbach, ein affirmatives Ziel zuzutrauen, hinter seinem unverhohlenen Bruch mit der Gegenwart, soweit sie ihm wegen ihres Bundes mit der Vergangenheit keine Wahrheit ist, eine Richtung auf einen Neubau zu suchen ist, dazu glauben wir die K. Grün: Zur Würdigung Ludwig Feuerbachs. In: Die Wage. Wochenblatt für Politik und Literatur. Hrsg. von G. Weiß, Berlin, Nr. 19 vom 8. Mai 1874, S. 289-296; Nr. 20 vom 15. Mai 1874, S. 305 bis 311 und Nr. 21 vom 22. Mai 1874, S. 321-326. [D. F.] Strauß, [Der] alter und [der] neue Glaube. [Ein Bekenntnis, 2. Aufl., Leipzig 1872,] S. 131 ff.
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Zur Würdigung Ludwig Feuerbachs
Zustimmung des Publikums zum voraus in Anspruch nehmen zu sollen. Ueber ähnliche Geister, wie er, urtheilt schon Tocqueville*2 mit Worten, die wie auf ihn gemünzt sind: „Wenn die Franzosen, welche die Revolution machten, in Sachen der Religion ungläubiger waren als wir, so blieb ihnen doch ein bewundernswerther Glaube der uns fehlt; sie glaubten an sich selbst. Sie zweifelten nicht, daß sie berufen seien zur Umbildung
der Gesellschaft und zur Regenerirung unseres Geschlechts. Diese eine Religion entriß sie der individuellen Selbstsucht und trieb sie bis zum Heroismus und zur Und neuerdings suchte Moriz Wagner (Afugsburger] Allgemeine] Zeit[un]g, 2. April 1873) den angefeindeten Denkern von der monistischen Richtung Feuerbach's, einem Strauß und Häckel, Männern, die man als Materialisten beschimpfen wolle, wegen ihrer Verehrung des Wahren, Guten und |290| Schönen, wegen ihres Strebens nach einer wirklich sittlichen Höhe der Anschauung, ihren Anspruch auf den Ehrennamen „Idealisten" zu retten.3 Zur Auffindung der Positionen, die dem Feuerbach'schen Philosophieren zu Grunde liegen, unter dem Schutt des von ihm mit kühner, oft pietätsloser Hand unternommenen Abbruchs, müssen wir in seinen Publicationen vorherrschend das Ziel, das sie erstreben, eruiren, ein Ziel, das sich in seiner ausgedehnten Polemik so leicht verbirgt. Zunächst ist die Geschichte seines Entwicklungsganges, der uns sein positives Pathos immer klarer heraustreten lassen wird, zu verfolgen. Es sind bei Feuerbach drei Perioden zu unterscheiden. Die erste Periode bei ihm umfaßt die Zeit seines Hegelianismus unter kaum erst merkbaren Spuren seiner Eigenart. Bekanntlich hat er in der gelehrten Welt mit seinen zuerst anonym erschienenen „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit, 1830" debütirt, eine Materie, die damals in der Hegel'schen Luft gelegen war, wie denn bald auf ihn 1831 Blasche's „philosophi-
Hingebung."2
*2 2
Das alte Regime in Frankreich und die Revolution. [Siehe die nachfolgende Anm. 2] In der vollständigen Ausgabe in der Übersetzung von Theodor Oelckers trägt das von Grün verkürzt wiedergegebene Zitat folgenden Wortlaut: „Wenn die Franzosen, die die Revolution unternahmen, in Fragen der Religion ungläubiger waren als wir, so blieb ihnen wenigstens ein herrlicher Glaube, der uns fehlt: sie glaubten an sich selbst. Sie zweifelten nicht an der Vervollkommnungsfähigkeit, an der Macht des Menschen; sie begeisterten sich gern für seinen Ruhm, sie glaubten an seine Tugend. In ihre eigenen Kräfte setzten sie jenes stolze Vertrauen, das oft zum Irrtum fuhrt, ohne das ein Volk aber zu nichts taugt als zum Dienen; sie zweifelten nicht, daß sie berufen seien, die Gesellschaft umzugestalten und unser Geschlecht zu regenerieren. Diese Gesinnungen und diese Leidenschaften waren für sie eine Art neuer Religion geworden, die, weil sie einige der großen Wirkungen hatte, die Religionen auch sonst hervorgebracht haben, sie dem individuellen Egoismus entriß, sie zu Heldenmut und Aufopferung begeisterte und sie gleichsam unempfindlich machte gegen alle die kleinen Glücksgüter, die uns beherrschen." A. de Tocqueville: Der alte Staat und die Revolution, München 1989, S. 157. Tocquevilles Werk kam 1856 in Paris unter dem Originaltitel „L'Ancien Régime et la Révolution" heraus. Karl Grün bezieht sich hier auf den ersten, in Fortsetzungen erschienenen Beitrag von M. Wagner: Neueste Beiträge zu den Streitfragen der Entwicklungslehre. In: Allgemeine Zeitung, Augsburg Nr. 92 vom 2. April 1873, S. 1389-1391. -
3
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Zur Würdigung Ludwig Feuerbachs
Dingen"5
sehe Unsterblichkeitslehre"4, 1833 Frfiedrich] Richter's „Lehre von den letzten erschienen ist. Feuerbach selber weiß den Zusammenhang zwischen seinen „Gedanken" und seiner nachherigen Entwicklung nur darin zu finden, daß er auch dort nicht als abstracter Philosoph sich ausgesprochen, sondern bereits seine Gedanken in sinnlicher Sprache ausgedrückt habe, übrigens ihm damals und noch lange nachher der Gedanke Wesen, das Gedachte als solches Wirkliches, das Subjective Objectives, dafür aber das Sinnliche noch das Richtige gewesen sei. Die Beziehung zwischen dem frühesten Feuerbach und dem späteren ist eine engere als er selbst weiß. Wohl ist in der Erstlingsschrift der Standpunkt der über alles übergreifenden Substanz so sehr innegehalten, daß Cfarl] Schwarz deren Verfasser hinter die Stufe Hegel's, auf die Stufe Spinoza's oder der mystischen Selbstvernichtung zurückstellen konnte.6 Fein und richtig hat neuestens eine Stimme*3 darauf aufmerksam gemacht, daß schon hier der sensualistische Satz: „das Leben ist nur im Einzelnen, im Individuum, das Erlöschen desselben also der Tod"7 hervortrete und hiernach die unersetzliche Bedeutsamkeit des Individuums, der Werth des Augenblicks mit seinem concreten Inhalt gegenüber allen Abstractionen geltend gemacht werde. Offenbar ist in den „Gedanken" mit der energischen Betonung des örtlichen und räumlich Beschränkten des Diesen, das spätere Manifest von der Alleingiltigkeit der präsenten Wirklichkeit schon angekündigt. Man kann sagen: unter den Unsterblichkeitsbestreitern hat B lasche die persönliche Fortdauer nach dem Tode vom Standpunkt seines ewigen Lebens, das ihm die Allgesammtheit der miteinander und nacheinander auf dem Schauplatz der Welt erscheinenden Sonderleben ist, geleugnet; ihm ist das Individuum zwar partícula Dei und als solche übersinnlichen Wesens, aber eben damit dessen gegenwärtiges Leben nur ein Tropfen im unendlichen Lebensmeer. Frfiedrich] Richter aber ist so frisch aus auf die sittliche Wiedergeburt der jetzigen Menschheit, daß er ihr die Bequemlichkeitsausrede mit der Unfertigkeit aller Erdenmoralität und ihrer sittlich lähmenden Seligkeitsträume durch das Entziehen des Unsterblichkeitsglaubens ein für allemal vertreiben will; Feuerbach endlich hat sein hie Rhodus, hie salta,8 das sich ihm, begünstigt durch den Sturm, der in die Zeit gefahren ist, zu einem kosmopolitischen Beglückungsstreben fortentwickeln wird, durch die Aus-
4
5 6
*3
7 8
B. H. Blasche: Philosophische Unsterblichkeitslehre oder: wie offenbart sich das ewige Leben?, Erfurt 1831. F. Richter: Die Lehre von den letzten Dingen, Breslau 1833-1844. Siehe C. Schwarz: Das Wesen der Religion, Halle 1847, S. 173. Jung in Bergmann's philos. Monatsschrift, 1873, Oct., S. 367 ff. über Ludwig Feuerbach. [A. Jung:
Ueber Ludwig Feuerbach. In: Philosophische Monatshefte. Hrsg. von F. Ascherson, J. Bergmann und E. Bratuscheck, Berlin 1874, IX. Bd., 8. Heft, S. 367-391 und X. Bd., 4. Heft, S. 160-180.] A. Jung: Ueber Ludwig Feuerbach. In: Philosophische Monatshefte, IX. Bd., Berlin 1874, S. 375. (lat): Hier ist Rhodus, hier springe! Ein nach den Fabeln des Aesop angeführtes Gleichnis: Ein Fünfkämpfer rühmt sich zu Rhodos einen weiten, großen Sprung gemacht zu haben, worauf er mit den angeführten Worten aufgefordert wird, den Sprung zum Beweis seiner Weite an Ort und Stelle zu wiederholen. -
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Zur Würdigung Ludwig Feuerbachs
führung eines Programms signalisirt, das er schon den Reimversen:
1830
aufgestellt hat.
Er thut dies in
Du kannst fürwahr nur einmal sein, Ergieb Dich darum willig d'rein. Einmal ist alles Wahre nur, Einmal der Geist, einmal Natur. |291| Das Leben ist nur darum Leben, Weil es nicht kann ein zweites geben Das Zweimal ist nur matter Schein, Ein Wesen ohne Mark und Bein. Das Einmal ist der rechte Held, Der Kern, der Geist, die Kraft der Welt.9 ...
Es beweist für eine tiefer angelegte Natur, daß, unstreitig mit Rücksicht auf die in Frage stehende Schrift, ein Schriftsteller, der sich in der Folge durch Aeußerungen bemerkbar macht, die eine rege Lebenslust athmen, die das Freude schöner Götterfunken10 sich nachsagen lassen variiren, am Anfange seiner Laufbahn von einem wohne ein Luft dem ihm es zur an muß, Schmerz, an der Pein, an der geheimer Zug Zerrissenheit inne. Nun, der Angegriffene hat nicht lange warten lassen, der Antwort Folge zu geben, die er damals hierauf ertheilt hat. „Der ethischen Schmerzempfindungen des nicht mit sich und mit seiner Zeit Zufriedenen",11 die er einbekennt und die in dem Widerspruch der mit Hegel erreichten Culturhöhe und des annoch im öffentlichen Leben, in den Zuständen von Religion, Kirche, Staat in Geltung Stehenden begründet sind, wird er sich durch seine lebhafte Theilnahme an der damaligen Geistesrevolution zu entäußern suchen, und der Versicherung, er wisse sich wenigstens von der Selbstbespiegelung des Schmerzes frei, da er das Einfache, Ganze, Ungetheilte liebe, sollte die immer breitere Entfaltung einer urwüchsigen, drastischen Naturkraft mit all ihrer Stärke und all ihren Schwächen entsprechen. Daß diese Kraft übrigens es an
Gegner*4
9
10 *4
L. Feuerbach: Gedanken über Tod und Unsterblichkeit. In: Feuerbach GW, Bd. 1, S. 367. Siehe F. Schiller: An die Freude. In: GW Schiller, Bd. 1, S. 147. Sfiehe] Feuerbach an C[arl] Riedel 1839, sämmtl. Werke 2, 167 ff. [L. Feuerbach: An Karl Riedel. Zur Berichtigung seiner Skizze. In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 3-15. Das Schreiben an Riedel erschien im „Athenaeum für Wissenschaft, Kunst und Leben. Eine Monatsschrift für das gebildete Deutschland" im März 1839 auf den Seiten 50-64. Es entstand jedoch nicht „in unmittelbarem Anschluß an die Fertigstellung der Abhandlung 'Über das Wunder'" wie noch in der 3., gegenüber der 2. durchgesehenen Auflage der Feuerbach GW, Bd. 9, S. VII, festgehalten wird sondern davor. Vgl. dazu auch „Athenaeum ...", vom „May 1839", Abhandlung „Ueber das Wunder" [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 293-340]. Vgl. sinngemäß L. Feuerbach: Die Unsterblichkeitsfrage vom Standpunkt der Anthropologie. In: Feuerbach GW, Bd. 10, S. 241, Anm. . -
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11
Zur Würdigung Ludwig Feuerbachs
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Vertiefung nicht hatte fehlen lassen, hatte deren Entwicklung bis zum Entscheidungsjahr 1839, dem Anfang der zweiten Periode, bewiesen. Innerhalb der Hegel'schen Periode hatte sich eine nicht blos äußere Schulung durch Hegel, sondern eine innerliche Durchdringung mit dessen objectivem, für alles Geistesleben zart empfänglichen Sinn in Veröffentlichungen, wie der Anzeige von Hegel's Geschichte der Philosophie 1835,12 in der bahnbrechenden Geschichte der neueren Philosophie von Baco von Verulam bis auf Spinoza, in dem glänzenden Doppelgestirn der classischen Beleuchtung Leibnitz'14 und Bayle's15 1838 und 1839 bekundet. Die zweite Periode beginnt mit einer Proclamirung des Bruchs mit Hegel in dem überdies durch eine lichtvolle Darstellung der Entwicklungsphasen Schelling's ausgezeichneten Aufsatz der Hallischen Jahrbücher: zur Kritik der Hegel'schen Philosophie.16 In der Kürze besagt dieser Aufsatz: es giebt keinen Uebergang von der sinnlichen Gewißheit zum abstracten Denken, wie es die Phänomenologie, und keinen solchen vom inhaltsleeren, reinen Sinn zur inhaltserfüllten Idee, wie es Hegel's Logik vorgiebt. Sonst zerfallen die Arbeiten dieser zweiten Periode theils in Publicationen über Reform der Philosophie, welche, bezeichnend für den auf die Aufstellung neuer, aber einer Weiterentwicklung unfähigen, Gesichtspunkte angewiesenen Gegner der herrschenden Philosophie sämmtlich einen kleinen Umfang haben, theils in den schon in „Bayle" angekündigten Arbeiten über Wesen und Genesis der Religion, in welchen, wie von Cfarl] Schwarz richtig bemerkt worden ist, bisher gegen die Theologie verwendete Waffen nun auch gegen die Religion selbst gekehrt werden.17 Man sieht: Feuerbach verläßt immer mehr den Weg der an den Gegenstand hingegebenen Reproduction, hört auf, Philosophiehistoriker zu sein und gebraucht die an den Heroen des Gedankens großgewachsenen Schwingen zum Fluge seiner Produktion. Selbstverständlich ist das Hauptwerk dieser Periode das seiner Zeit so berühmt und berüchtigt gewordene „Wesen des Christenthums" 1841.18 In dieser Periode hat sich die Eigenart unseres Denkers vollständig herausgebildet; er stellt dem Hegel'schen: das Wirkliche ist vernünftig 12
13
14
,s
16
17
Siehe L. Feuerbach: Hegels Werke. Vollständige Ausgabe. XIII. u. XIV Bd. Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Herausgegeben von Dr. Carl Ludwig Michelet. I. Bd. XVII; 418. II. Bd. 586. Berlin 1833. In: Feuerbach GW, Bd. 8, S. 44-61. L. Feuerbach: Geschichte der neuern Philosophie von Bacon von Verulam bis Benedikt Spinoza. In: Feuerbach GW, Bd. 2. L. Feuerbach: Geschichte der neuern Philosophie. Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibnizschen Philosophie. In: Feuerbach GW, Bd. 3. L. Feuerbach: Pierre Bayle. Ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie und Menschheit. In: Feuerbach GW, Bd. 4. Siehe L. Feuerbach: Zur Kritik der Hegeischen Philosophie. In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 16-62. C. Schwarz: Das Wesen der Religion, Halle 1847, S. 174. Die Schrift von Schwarz besteht aus zwei Teilen und beinhaltet erstens eine Darstellung vom Begriff der Religion und zweitens eine geschichtliche Darstellung und Kritik der neueren Religionsphilosophie, wobei der Autor neben Feuerbach ebenso auf Kant, Jacobi, Schleiermacher, Elwerz, Nitzsch und Hegel eingeht. L. Feuerbach: Das Wesen des Christentums. In: Feuerbach GW, Bd. 5. -
18
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Zur Würdigung Ludwig Feuerbachs
Vernünftige ist wirklich, seinen Satz: was ist ist nur Wirklichkeit, nur Präsenz, entgegen. Aber noch hängt |292| in der allerdings zu Ungunsten der Religion geltend gemachten Lobpreisung der Seco ía oder der objectiven, vom Standpunkt der Wissenschaft aus unternommenen Betrachtung der Dinge im Gegensatz gegen den egoistisch-praktischen Standpunkt der Religion dem Reformator der Philosophie noch zu viel von dem ursprünglichen Ausgangspunkt aus Hegel's Schule an. Die plastische Vorführung der Bilder Bayle's, und Pascal's, des nicht gekannten oder verkannten selbstlosen Vertreters der Wahrheit und der Wissenschaft und des liebenswürdigen, allgemeine Theilnahme gewinnenden Mannes mit dem bleichen Gesicht und dem vergeblichen Demuthsstreben 5 geht ihrem Darsteller noch lange nach. Die Consequenz seines Entwicklungsgangs fordert völlige Loslösung nicht blos von der bisherigen unsinnlichen und unpraktischen Philosophie, sondern auch von dem unsinnlichen und unpraktischen Philosophieren und Denken. So charakterisirt sich die dritte Periode als die ausschließend praktische. Nimmer wie in der zweiten oder am Ende der ersten Periode schwankt das Lebensideal zwischen der Objectivität des Gelehrten- oder Denkerdaseins und zwiund das
schen dem Habitus dessen, der mit dem modernen Menschheitsthum im Leben Ernst machen will. Grau erscheint von nun an alle Theorie und nur grün des Lebens goldener Baum.19 Was bis dahin von Sympathie für das contemplative Sein vorhanden war wie stark sie war, beweisen die Ergüsse der Stubengelehrsamkeit in den humoristischphilosophischen Aphorismen: der Schriftsteller und der Mensch, vom Jahre 1834 und die Vorliebe für die Mystiker und Anachoreten im Wesen des Christenthums 1841 ist im Verduften begriffen und macht dem Sinn für die Action mehr und mehr Platz, unbeschadet der durch den reactionären Zeitumschwung auferlegten Resignation, die nur in eine um so festere Zukunftshoffnung umschlägt. Mit aller nur Wünschenswerther Klarheit hat sich unser Philosoph selber zu dieser seiner Wandelung bekannt. In der Vorrede zu den sämmtlichen Werken spricht er sich 1846 dahin aus: er habe sich seit seinem „Wesen des Glaubens im Sinne Luthers 1844"20 durch den Blick auf das allgemeine Verlangen politischer und socialer Reformen, welches von allen religiösen und philosophischen Dingen sammt und sonders nichts wolle, weiter führen lassen, so daß er nun von sich letztlich auszusprechen habe: „Ich negire Gott, das heißt bei mir, ich negire die Negation des Menschen, setze an die Stelle der illusorischen, phantastischen, himmlischen Position des Menschen, welche im wirklichen Leben nothwendig zur Negation des Menschen wird, die sinnliche, wirkliche, folglich nothwendig auch politische und sociale Position des Menschen."21 Aber auch in anderer Beziehung ist er prak-
-
*5
19 20
21
Sfiehe] die ergreifende Parallele zwischen Bayle und Pascal in Pierre Bayle, ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie und Menschheit 1838. Sämmtl. Werke 6, 235 ff. [Siehe Feuerbach GW, Bd. 4, S. 248-250.] J. W. v. Goethe: Faust. Texte. In: Goethe SW, I. Abt., 7/1, S. 87. L. Feuerbach: Das Wesen des Glaubens im Sinne Luthers. Ein Beitrag zum „Wesen des Christentums". In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 353-412. L. Feuerbach: Vorwort [zu seinen Sämmtlichen Werken, Bd. 1] In: Feuerbach GW, Bd. 10, S. 189.
Zur Würdigung Ludwig Feuerbachs
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geworden. Seinem System muß sich jetzt alles biegen oder brechen. Die in der Gesammtausgabe den geschichtsphilosophischen Schriften beigegebenen Anmerkungen schieben den Philosophen die gleiche Gedankenquintessenz unter, die im Wesen des Christenthums der Religion untergeschoben worden war. Der Cartesische Beweis von der Existenz Gottes: das Höchste, was gedacht wird, muß sein, damit ihm zu seiner Vollkommenheit nichts fehle, wird dahin interpretirt, daß das denkende Wesen des Menschen das höchste, das wahre göttliche Wesen ist; ebenso wird der Beweis Spinoza's tischer
Dasein Gottes als ein Beweis von der Gottheit, Göttlichkeit der Vernunft genomNatürlich kann sich's auch bei Leibnitz im genannten Falle nimmermehr „um die Realität eines vom Denken, vom Verstände unterschiedenen Wesens, sondern nur von der Realität oder Gottheit des Verstandes oder Geistes handeln."22 Wiederum aber wird der jugendliche Ungestüm, dem sich im Wesen des Christenthums die Religion in ein Spiegelbild menschlicher Begehrlichkeit und Eitelkeit verwandelt hatte, theilweise durch die Reife der Erfahrung corrigirt. Die auf Grund des kleinen Aufsatzes vom |293| Jahre 1845: das Wesen der Religion, unternommenen „Vorlesungen über das Wesen der Religion", vom Winter 1848/[184]9, bieten eine wesentliche Bereicherung der bisherigen Einsicht in das religiöse Seelenleben, nimmer blos vom Gesichtspunkt menschlichen Selbst- und Hochgefühls, sondern jetzt auch von dem der menschlichen Abhängigkeit und Bedürftigkeit aus und die Spät- und Schwergeburt des Jahres 1866: „Gottheit, Freiheit und Unsterblichkeit vom Standpunkte der Anthropologie", der 10. Band der Gesammtausgabe weist die größeren Dimensionen auf, die das „Erkenne dich selbst" über das Gebiet der Religion hinaus im Kopfe des Verfassers in allen Gebieten des praktischen Lebens gewonnen hat. Endlich beweist ein Werk der Pietät vom Jahre 1852, die mit eben so viel Geschick als Geschmack vollzogene Herausgabe des väterlichen Nachlasses (Anselm vfon] Feuerbach's k[öni]gl[ich] bairischen Gerichtspräsidenten, „Leben und Wirken aus Briefen und Tagebüchern, Vorträgen und Denkschriften" in 2 Bänden), daß der Parteimann noch nicht den ganzen Menschen occupirt, sondern diesem noch die früher gepflegte Fähigkeit einer leidenschaftslosen Versenkung in den Gegenstand um des Gegenstands willen übrig gelassen hat. Wenn sich uns hiernach die Schriftstellerlaufbahn Ludwig Feuerbachs in eine erste Hegel'sche theoretische, in eine auf dem Uebergang von der Speculation zur Empirie begriffene zweite und in eine praktisch idealistische dritte Periode scheidet und in diesem Gange der Fortschritt von der Idee zum Ideal, von der stillen Meditation zum lautwerdenden Dictât des Gedankens, von dem Verweilen bei der bestehenden Weltordnung zur Aufstellung der Grundzüge einer künftig sein sollenden, von dem uninteressirten Wohlgefallen an den Leistungen früherer Denker zu selbständigen Manifesten des Parteiführers unverkennbar ist, so hat die Theilnahme des Publikums an unserem Schriftsteller dieser Bedeutsamkeit seiner inneren Fortentwicklung nicht gleichmäßig vom
men.
L. Feuerbach: Geschichte der neuern Philosophie. Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibnizschen Philosophie. In: Feuerbach GW, Bd. 3, S. 257, Anm. 1 von S. 253.
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gleichen Schritt mit ihr gehalten. Wer die wissenschaftliche Aera von 1830-1872, von dem Anfang seiner Gelehrtenlaufbahn bis zum Schluß seines
entsprochen,
hat nicht
Lebens, mit regem Antheil durchlebt hat, der kann nicht anders urtheilen, als daß nicht
leicht ein Autor so viel von der lauen und der wechselnden Stimmung des Publikums erfahren hat, als gerade Feuerbach. Welch eine Ungleichheit in der zitternden Hast, mit der vom Jahre 1837-1841 alle seine Veröffentlichungen, zumal die journalistischen in den Halle'schen Jahrbüchern des damals en vogue befindlichen Titanen, zumal von der gelehrten Jugend, erwartet wurden, und in dem völligen Ignoriren seiner formvollendetsten, Dank ihrer Entstehung durchgearbeitetsten Schrift, der erst 1851 zum Abdruck gekommenen Vorlesungen über das Wesen der Religion, bekanntlich vor einer Zuhörerschaft von Verehrern in Heidelberg im Winter 1848/[4]9 gehalten. Man kann sagen: für das größere Publikum bedeutete die Unterdrückung der von Feuerbach mitgeleiteten deutschen Jahrbücher 1843 und er von ihm fruchtlos parirte Angriff Max Stirner's, der ihm seinen eigenen materialistischen Atomismus aufdrängen wollte, das Ende seiner Sympathien mit ihm. Das im Jahre 1846 von seinem Verleger Otto Wigand begonnene Unternehmen einer Gesammtausgabe seiner Werke, deren Rédacteur mehr parteimännisch als chronologisch in seiner Sammlung verfahrend die verschiedenen Perioden des Autors mehr als gebührend verwischt hat und mit den von 1846 an neu hinzutretenden Schriften bis zum Jahre 1866 es auf 10 Bände brachte, fiel für Autor und Verleger nicht glücklich aus. Die Bewegung des Jahrs 1848 frischte zwar den alten Kämpfer für die Emancipation der Geister neu auf und machte ihn für Politik noch empfänglicher, als bisher, aber das alte Verhältniß zum Publikum war für ihn unwifejderbringlich dahin. Wohl erweiterte sich ihm persönlich sein Betonen der menschlichen Selbstthätigkeit von der beschaulicheren Geistesform der Religion aus auf die Formen des handelnden Lebens; allein Verschiedenes wirkte zusammen: der Umschwung der Zeit, der alle Bewegung von unter auf und damit auch all sein Wirken auf der Linie der Revolution lahmlegte, die |294| Entwicklungsunfähigkeit einer Hegel's organisirenden Logos verlassenden unorganischen, atomistischen, ungeachtet aller Versicherungen des Gegentheils doch abstracten Anschauung der Dinge, dazu persönliches Ungemach, um den immer mehr Vereinsamenden auf den bloßen Prophetenstandpunct zu beschränken. Nicht zwar, als ob das Vorurtheil Recht gehabt hätte, das ihm das Vermögen, hinfort noch etwas von Bedeutung zu leisten, abgesprochen hatte. Der Hauptinhalt des 10. Bandes: „über Spiritualismus und Materialismus, besonders in Bezug auf die Willensfreiheit"23 bekundet noch die alte Denkschärfe, hauptsächlich in der in dieser Arbeit enthaltenen Besprechung der Hegel'sehen Psychologie; der früher errungene Standpunct wird mit neuen Stützen versehen; allein die Zeit der eigentlichen Productivität war bei dem
Siehe L. Feuerbach: Ober Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit. In: Feuerbach SW, Bd. 10, S. 37-204. (Feuerbach GW, Bd. 11, S. 53-186.)
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Wege der „fruchtbaren Einseitigkeit",24 die sich unser Denker selbst einmal nachsagt, unwiederbringlich dahin. Indem das deutsche Volk sich in befriedigender Weise an der Subscription für den alten, bedrängten Philosophen betheiligte, indem die natürlichen Vertreter der Zukunftsgedanken, Arbeiter und Jugend, neben den Verehrern redlicher Forschung eine warme Betheiligung an seiner Leichenfeier bewiesen, hat Deutschland gezeigt, daß es einen Mann, dem es für seine geistige Förderung und Auffrischung vielen Dank schuldete, nicht, wie derselbe längere Zeit befürchtete, auf die Dauer hat in Vergessenheit gerathen lassen. Die Schranken aber, in denen sich die Verehrung hielt und noch hält, waren ein Zeugniß dafür, daß die ganze
Weitergehen
auf dem
Palme nicht den zerstörenden, sondern den aufbauenden, nicht den die Erkenntniß der Processe des Lebens, z. B. des religiösen Processes, negativ anregenden, sondern den sie positiv fördernden Geistern, mit Einem Wort nicht dem Räsonnement eines Feuerbach*6, sondern erst dem Gedankenbau eines Hegel und Schleiermacher zufallen könne. Die Aufhebung aller Selbstentfremdung des Geistes war eine Forderung, die Hegel, der das Erbe des das Nichtich in das Ich zurücknehmenden Fichte'schen Idealismus und der Schelling'sehen Welt des objectiven Geistes angetreten hatte, aufstellte. Diese Forderung hatte Feuerbach zu erfüllen gerungen, aber er hat, um ihr zu genügen, nicht Hegel's organisirenden Gedanken, sondern den Menschen, wie er erfahrungsmäßig ist, den Menschen mit dem Nebeneinander seiner Vernunft und Sinnlichkeit zur Hand genommen. Das zugleich sinnliche und zugleich vernünftige Wesen, das Mensch heißt, soll hinfort nimmer sich selbst fremd bleiben, sondern in jeder Beziehung sich vertraut werden und sich in diesem Vertrautsein mit sich, in seiner Identität mit sich bethätigen. Bei diesem Sichzurückziehen Feuerbach's aus den empirischen Menschen ist ihm Hegel's Standpunct ungeachtet der obigen Aufstellung Hegel's selbst als ein solcher der Entfremdung vorgekommen; das Absolute, das an und für sich Seiende, die Substanz sind ihm Positionen, in die sich der die Dinge natürlich ansehende Mensch nicht finden kann; für ihn ist die von der Vernunft begeisterte Sinnlichkeit und die auf die Aussagen 24
*6
L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. Nebst Zusätzen und Anmerkungen. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 12. Es ist höchst bezeichnend für den Werth F[euerbach]'s als eines nützlichen Gährungsstoffs in der Culturgeschichte, wie er sich selbst über die Art seiner Schriftstellerei in der Vorrede zu seines Vaters Nachlaß S. XVI f. ausspricht. Er sagt dort: „Fast alle meine Schriften sind nur kritische Supplemente zu den, meist nicht von mir genannten, Werken meiner geliebten Brüder im Menschen, sind nur Ausfüllungen von den leeren Zwischenräumen, die ich in den Schriften oder Köpfen Anderer entdecke, und daher selber voller Lücken, weil ich voraussetze, der Andere werde aus eigenen oder aus den Schriften Anderer diese Lücken ausfüllen." [Feuerbach GW, Bd. 12, S. 7-8. Zu einigen Schriften seiner Brüder Joseph Anselm Feuerbach (1798-1851), Karl Wilhelm Feuerbach (1800-1834), Eduard August (1803-1843) und Friedrich Heinrich (18061880) siehe L. Feuerbach: Andenken an Eduard August Feuerbach. In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 344-352; siehe weiter L. Feuerbach: Paul Johann Anselm von Feuerbach und seine Söhne. In: Feuerbach GW, Bd. 10, S. 324-332 und das Literaturverzeichnis der vorliegenden Arbeit.] -
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der Sinne sich stützende Vernunft das Einzige, was er als dem Menschen eigen vorfindet; für ihn löst sich alle Metaphysik in Physik und Psychologie auf, d. h. in das Wissen vom menschlichen Leib und der menschlichen Seele. Man verarge es uns nicht, wenn wir diesen Grundlagen unseres Philosophen den Standpunct der bloßen Endlichkeit, an die Stelle der Hegel'schen Unendlichkeit gesetzt, voraussagen. |295| Ffeuerbach] vollzieht die Aufgabe, die er sich, wie wir sehen werden, halb bewußt, halb unbewußt gestellt hat, das menschliche Selbst sich selber zurückzugeben, in vier Forderungen, die er an sich und an Andere gemacht hat: 1. Besieh selbst, besieh unbefangen die Welt! 2. Ergreife Dein Menschenthum und schäme Dich nicht Deines ganzen, ungebrochenen Menschenthums, Deines Menschenthums aus Einem Stück! 3. Lerne Dich da wiederfinden, wo Du Dich verloren gehabt hast! 4. Setze Dich da hin, wo anderes Dich von Deiner rechtmäßigen Stelle verdrängen will!
Die erste Vorschrift verlangt es, daß man die Welt nicht durch irgend eine Brille, die um dieselbe immer einen metaphysischen Schleier weben würde, sondern mit den eigenen gesunden Augen, mit der Sinnlichkeit, welche die Gegenstände so, wie sie sind, wiedergiebt, besehen solle. Das Bewußtsein soll sich in den vollständigen Besitz der Welt setzen und zu diesem Ende muß es einmal das ganze transscendente Baugerüste abtragen, das bis dahin ihm den Zugang zu ihr versperrt hat; sodann muß es sich des richtigen Organs für das Erfassen der Welt versichern und endlich den Gebrauch dieses Organs fleißig handhaben. Das transscendente Baugerüste um die Welt herum abzutragen, darin wird Ffeuerbach] zeitlebens nicht müde. Da ist es die Schöpfung aus nichts bei der Orthodoxie, die ideologische Weltbetrachtung bei dem Rationalismus, die Böhme-Schelling'sche Natur in Gott, die vergebens eine Idiomenmittheilung bei den ewig disparaten Größen Natur und Gott vornimmt, das Hegel'sehe Sichentlassen der Idee zur Natur, alles Unterscheiden zwischen Gott und Welt, die doch immer nur Einen und denselben Gegenstand, nur das einemal im gedankenmäßigen Ineinander, das anderemal im sinnlichen Nebeneinander gesetzt besagen können, da ist es überhaupt jedes Gedankenwesen, heiße es Gott, heiße es Geist, das ein Prius der Dinge sein soll, was unerbittlich bekämpft wird. Vermittlungen zwischen dem Standpunct der Transscendenz und dem der Immanenz sind so wenig wissenschaftlich haltbar, als der Uebergang von einem Ideellen zu einem Reellen und umgekehrt denkbar ist. Die Natur hebt das Dasein eines Gottes und dieses die Natur auf. Das Vollkommene kann nicht auf das Unvollkommene, also Gott nicht auf eine Welt aus sein und das angeblich Unvollkommene, die existirenden Dinge führen nicht über ihre nächsten Bedingungen in der Natur und deren Kräften hinaus. Entweder also Gott und keine Welt, d. h. der Gott der Religion, der in der angeblichen Schöpfung aus nichts die Nichtigkeit der Welt documentirt und das Urwunder der Schöpfung aus nichts in fortlaufenden Wunderacten, Eigenmachtsacten wiederholt, oder aber die Welt ohne Gott, eine Wahrheit, die auf der Einsicht beruht, daß es keine „
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andere Existenz, außer der Natur, keine andere, als eine körperliche, natürliche, sinnliche Existenz gibt." Das Organ, mit dem der Mensch nach Ffeuerbach] sich dieser Existenz bemächtigt, ist, wenn man alles von ihm über diesen Punct Bemerkte zusammensucht, seine Vollsinnigkeit, seine durch die ihr innewohnende Vernunftfunction qualificirte Sinnlichkeit. Es liebt unser Philosoph nämlich, den menschlichen Sinnen eine gewisse Vernunftthätigkeit zuzuschreiben: im Unterschied vom Thier kommt den Sinnen des Menschen ein universeller Charakter zu; der Mensch hat nicht den particulären Geruch des Jagdhundes, des Raben, weil sein Geruch alle Arten von Gerüchen umfaßt, gegen besondere Gerüche frei ist. Der Biß in einen sauren Apfel verbreitet mir Licht über den ganzen Apfel, indem hier schon dem Geschmacksinn selber die ewige Leier der Induction langweilig und ermüdend wird. Das Auge vollzieht in dem ersten Lichteindruck, der ihm zu Theil wird, die logische Verrichtung des Unterscheidens, hier desjenigen zwischen Tag und Nacht. Die Hand mit ihrem Greifen thut dasselbe, was der Kopf thut mit der Bildung seiner Begriffe, die auch nur das mit der Hand Zusammengefaßte enthalten. Das Angelegtsein des Griechen aufs Auge bedingt seinen plastischen Göttercultus, das Disponirtsein des nachgriechischen Menschen |296| für das Ohr die geistige Gottesverehrung des Christen, dessen Empfänglichkeit für das unsinnliche Wort, nur daß katholischerseits wieder das Auge in der sinnlichen Schausucht sich geltend macht. Bei dem gedachten Organ wird eine Ausbildung desselben nöthig befunden. In seinem curriculum vitae26 bekennt der Verfasser an sich selbst, daß er erst auf einem deutschen Dorfe, in seinem Bruckberg, die Optik, die Kunst, zu sehen, gelernt habe.27 An Hegel vermißt er, daß er, der für alles Unmittelbare, Sinnliche blind sei und nichts als blos Vermitteltes kenne, kein anschauendes Genie, sondern erst ein mühsam denkendes Talent sei. Vom ungebildeten Menschen nimmt er an, er müsse sich erst mit Mühe seines Vorstellungsund Phantasietreibens, in dem er blos bei sich bleibe, entäußern, um in der Anschauung ganz aus sich herausgerissen und zum Gegenstand hingebracht zu werden. Es hat dabei unser Denker eine Ahnung davon, daß er die sinnliche Anschauung, bis sie es zur Reife der fertigen Beobachtung bringen könnte, eine gründliche Schule durchmachen lassen sollte. Er begnügt sich damit, sich dagegen zu verwahren, als ob ihm das Sinnliche das auf platter Hand Liegende wäre; es gelte vielmehr bei ihm, das den gemeinen Augen Unsichtbare sichtbar, d. i. gegenständlich zu machen, womit übereinstimmend, wenn auch nur nothdürftig, die Täuschungen des Sinnenscheins bei Gelegenheit abgewehrt werden.
L. Feuerbach: 26
27
Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 162. vorhebung von Karl Grün. L. Feuerbach: Fragmente zur Charakteristik meines philosophischen curriculum vitae. In: bach GW, Bd. 10, S. 151-180. Ebenda, S. 170.
Her-
Feuer-
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Unleugbar hat Ffeuerbach] gerade sich es sagen lassen; besieh selbst, besieh unbefangen die Welt. Er hat wie Kant und Hegel eingehende ethnographische Studien gemacht und dieselben vielfach für seine Religionstheorie verwendet. Er hat aber auch anders, als der von ihm über seine Zurückstellung der Natur zur Rede gestellte Hegel, den Natursinn in sich gepflegt und eine Frucht seiner naturwissenschaftlichen Forschungen das Naturleben der Thiere mannigfach zu Ehren gebracht und demselben die ihm -
-
innewohnenden Geistesfunken zu entlocken verstanden. Er hat mit Vorliebe nicht die Culturzustände, sondern die Urzustände der Völker, das Ur- und Naturwüchsige in ihrem Gebahren beobachtet. Man folgt ihm gern, wenn er bei Gelegenheit naturfrische Bilder vor uns entrollt, den Gott im Koran und im alten Testament noch ganz natursaftig, noch naßkalt von dem Ocean des Weltalls, aus dem er entsprungen, dem aus- und abgetrockneten, seiner Naturheimath entfremdeten Gott des Monotheismus entgegenstellt, wenn er uns die Genesis des Thiercultus versinnlicht, indem er uns das Militär mit seiner Werthschätzung des Rosses vor dem Reiter, den Bauern mit seiner Bevorzugung des Ochsen vor dem Knecht, die verschiedenen Stände mit ihrer Hochhaltung der zu ihrem Umtrieb gehörenden Thiere, den Verehrer des Zendavesta mit seiner Devotion vor dem Hunde uns vorführt, oder wenn er uns das traute wohlthuende Heerdfeuer zeigt, aus dem der sinnige Grieche sich seine Wohlthäterin Vesta gebildet hat. Natürlich blickt aus allen solchen Bildern nach der Meinung unseres Mentorfs] nichts anderes als immer wieder der Mensch dem Beschauer entgegen, sein eigenes Selbst, das der Thierund Elementencultus in der Verehrung dessen, worin ein Mensch sein Leben hat, ei28 gentlich im Auge hat. Noch wichtiger und weitgreifend ist die zweite Vorschrift, die Ffeuerbach] thatsächlich aufgestellt hat: Ergreife dein Menschenthum und schäme dich nicht deines ganzen, ungebrochenen Menschenthums, deines Menschenthums aus Einem Stücke. Schon einmal war in der Geschichte der deutschen Philosophie die Forderung verlautet, der Menschheit, wie sie ist, zu ihrem Recht zu verhelfen. Es war Jacobi, der gegenüber Kants aushöhlendem kategorischem Imperativ, gegenüber „dem Willen, der nichts will", die lebendige Betheiligung des ganzen Menschen bei seiner Lebensaufgabe gefordert Der Gesichtskreis der Philosophie hatte sich inzwischen erweitert und nimmer ist es blos das Privatleben, wie damals, es ist das gesammte öffentliche Leben, das der Dürre der herrschenden Speculation gegenüber nach Erfrischung und Verjüngung ruft, und nimmer ist es die Reflexionsbeweglichkeit einer im Grunde aristokratischen Persönlichkeit, es ist eine vollsaftige Kraftnatur, die den Ruf erhebt. So willig der frühere Feuerbach dem denkenden Geiste seine Selbstständigkeit, seine Autonomie, sein eigenes
hatte.291305|
Siehe L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 51-59 und S. 362. Vgl. auch L. Feuerbach: Über Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit. In: Feuerbach GW, Bd. 11, S. 71.
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wahren gesucht, so begeistert er in einem allgemeinen Ueberblick über die Entwickelung der Philosophie nach Leibnitz die Bahnen, die der deutsche Idealismus wandeln sollte, vorgezeichnet hatte, so geschäftig ist er später, uns den Antheil des leiblichen Organismus an allen Geistesthätigkeiten einzuprägen, bis er zuletzt nach Winken Moleschott's mit dem berüchtigt gewordenen Satze schließt: Der Mensch ist was er ißt.30 Die Richtung, die er hier genommen hat, hat ihm den Vorwurf eines brutalen Materialismus zugezogen, ein Vorwurf, der ihn immerhin treffen wird, sofern das Wort Materialismus im formellen Sinn verstanden wird, aber ihn, solange er sich über ein objectives Welt- und Lebensziel, wie dieses bei ihm der Fall ist, ausweisen kann, im reellen Sinn das Wort angewendet, nicht zu treffen vermag. Wir nach der uns gesteckten Aufgabe, das Positive an ihm hervorzuheben, können nicht umhin, in der Aufstellung der genannten Vorschrift und in deren Ausführung etwas wie eine poetische Ader wahrzunehmen. Jacobi hat es mit seinem Dringen auf Menschheit, wie sie ist, gegenüber von Kant, nur zu rhetorischen Tiraden gebracht, die etwas phantasievoller gerathen sind, als die Kantischen Apostrophen an die Pflicht oder an den Sternenhimmel über uns und das Sittengesetz in uns; die Musen hatte er in seinen moralischen Romanen vergeblich angerufen. Feuerbach, gleichfalls im rhetorischen Pathos am stärksten hat es zu einer poetischen Anschauung der Dinge (vgl. auch seine Epigramme) gebracht. Ergreif dein Menschenthum, sagt er uns, wenn er besonders im Wesen des Christenthums den Religiösen zuherrscht: laßt eure Unwirklichkeiten und Unmöglichkeiten fahren, gebt eurem Gedankenwesen, eurem halb existenten, halb nicht existenten Gott den Abschied und setzet an seine Stelle das Ergebniß eurer Anschauung. Ihr habt da ein Hirngespinst eurer Phantasie, ein Wesen, das ihr versehet mit Prädicaten, die ihr der Wirklichkeit entnehmet. Wisset ihr was, setzet diese Prädicate, die ein Reales ausdrücken, zum Subject und degradirt euern Gott zum Prädicat und ihr habt die Wahr|306|heit in der Hand. Ihr sagt: Gott ist gerecht, ist gütig, litt für die Menschen, lebt ein Leben der Gemeinschaft;*7 nehmet die Transposition vor und ihr habt die Wahrheiten: Gerechtsein, Gütigsein, Leiden für andere, Familiengemeinschaft. Lieben ist göttlich. Man vergegenwärtige sich, was hier Ffeuerbach], unter noch ausdrücklichem Sichverbitten der Brandmarkung mit der nota des Atheismus, vornimmt. Er nimmt hier eine Apotheose, eine Verherrlichung sittlicher Eigenschaften und sittlicher Akte der Menschheit vor, er vollzieht den Cultus idealer Momente im Menschenleben; wenn er die Hegel'sche Idee verurtheilt hat, darum will er nicht auch das Ideal verbannen; will er ja doch, indem er das theologische Ueber dem Menschen aufhebt, damit so wenig, als das natürliche, das moralische Ueber sich ächten; im Gegentheil er erkennt Vernunft, Liebe, Wille als den Menschen beseelende, bestimmende, beherrschende Mächte, als 30 *7
zu
L. Feuerbach: Die Naturwissenschaft und die Revolution. In: Feuerbach GW, Bd. 10, S. 367. Bekanntlich erklärt F[euerbach] in willkürlicher Weise, und erst noch wiederholt, indem er dem heiligen Geist die Jungfrau Maria substituirt, das ganz anders abzuleitende Geheimniß der göttlichen Dreieinigkeit auf diese Art.
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göttliche absolute Mächte; er spricht es geradezu aus: „und wenn du eine Leidenschaft unterdrückst, eine Gewohnheit ablegst, kurz einen Sieg über dich selbst erringst, ist diese siegreiche Kraft deine eigene Kraft, für sich selbst gedacht, oder nicht vielmehr die Willensenergie, die Macht der Sittlichkeit, welche sich gewaltsam deiner bemeistert und dich mit Indignation gegen dich selbst und deine individuellen Schwachheiten erfüllt?"31 Aber freilich, er will jedem Ding nur sein Ideal und nicht ein Allgemeines, Anundfürsichseiendes, ein reines Gedankenideal zugestehen, will also von etwas wie Sittengesetz ufnd] dgl. nichts wissen. Was thut er hiermit? Nichts anderes als was die Poesie thut. Sie feiert die Siege, die der Mensch über sich davon trägt, sie feiert jedes Sicherheben des Willens über den alltäglichen Höhestand, des Gemüths, sie leiht ihre Farbenpracht jedem erhebenden Augenblick im Menschen- und Völkerleben. Sie prägt ihr: „edel sei der Mensch, hülfreich und gut"32 in unzähligen Darstellungen dem Gemüth ein; sie verherrlicht in Shakespeare's Kaufmann von Venedig die Gerechtigkeit in der clemenza di Tito33 die Güte, in Schillers Bürgschaft,34 in Bürgers bravem Mann,35 in Goethe's Johanna Sebus das Leiden für andere,36 in den idyllischen Partieen des
Liedes von der Glocke das Familienleben,37 auf allen ihren Blättern die Liebe. Aber die Poesie beansprucht damit nicht, wie es Ffeuerbach] thut, das Niveau der Religion zu erreichen und kann es nicht beanspruchen; Ffeuerbach] also, indem er hier den Weg der Poesie geht, bleibt hinter dem beabsichtigten Ziele zurück. Derselbe Gelehrte, der, wenn auch in abstruser Sprache, die später ihrem Verfasser selbst nicht mehr genügende Straußische Schlußabhandlung zum Leben Jesu corrigirt hat, Julius Schaller, hat auch dem von Ffeuerbach] anerkannten Ideal seine Unzulänglichkeit nachgewiesen, indem er gezeigt hat, wie zwischen dem Individuum und einer in sich nothwendigen Allgemeinheit zu unterscheiden sei, weil nur dadurch die Gewähr gegeben ist, daß ersteres über möglicherweise widerstrebende Neigungen hinausgesetzt werde.38 Natürlich konnte Ffeuerbach] diese Correctur nicht annehmen, weil er, wie er wohl einsieht, durch eine solche sich selbstsetzende Allgemeinheit auf die von ihm perhorrescirten Transcendenzen, ein nichtweltliches, immaterielles, leibloses Wesen zurückgedrängt würde.39 31 32 33 34 35
36
37 38
39
L. Feuerbach: Das Wesen des Christentums. In: Feuerbach GW, Bd. 5, S. 32. J. W. v. Goethe: Das Göttliche. In: Goethe SW, Bd. I./l, S. 333. Clemenza de Tito (ital.): Gnade, Milde, Güte für Titius. F. Schiller: Die Bürgschaft. In: GW Schiller, Bd. 1, S. 382-386. Siehe G A. Bürger: Das Lied vom braven Manne. In: SW, hrsg. von G. und H. Häntzschel, Frankfurt am Main 1987, S. 214-220. J. W. v. Goethe: Johanna Sebus. Zum Andenken der Siebzehnjährigen Schönen Guten aus dem Dorfe Brienen die am 13. Januar 1809 bei dem Eisgange des Rheins und dem großen Bruche des Dammes von Cleverham Hülfe reichend unterging. In: Goethe SW, Bd. I./2, S. 271-272. F. Schiller: Das Lied von der Glocke. In: GW Schiller, Bd. 1, S. 397-408. Siehe J. Schaller: Darstellung und Kritik der Philosophie Ludwig Feuerbach's, Leipzig 1847, S. 136 und S. 142-143. L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 391-392 (= Ergänzung zu Anm. 27, ebenda, S. 387-388 sowie zum Text, ebenda, S. 261).
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Es ist mit dem Bisherigen in Zusammenhang, wie Ffeuerbach], der bei seinem Betonen des ganzen Menschen im mindesten nicht gemeint ist, ein organisches Erzeugniß des Menschenthums, wie die Tugend, zu negieren, über sie urtheilt. Es zeigt sich hier recht, wie er auf das Ungebrochene aus ist. Schon im „Bayle" zeigt er im Interesse seiner Tugend einen wahrhaft Fichte'schen Haß gegen das Dogma der Erbsünde.40 Die Tugend, bemerkt er, werde ja enterbt wo die Sünde, wie in dem Glauben an die Grundverdorbenheit der menschlichen Natur, ein heiliges Erbrecht habe; das einzige Gute im Menschen, der |307| Glaube an das Gute, werde ausgerottet. Für die Tugend im Sinne Seneka's wonach sie allgemeine moralische Lebensquelle für Gottheit und Menschheit ist, oder als Ziel dient, dem der Sterbliche zuzustreben, hinter dem er nicht zurückzubleiben hat, bezeugt er später lebhafte Sympathie. Im „Leibnitz" wird für den Tugendbegriff das Moment der Selbstverleugnung der dem glückseligen Gott Leibnitzens entsprechenden menschlichen Selbstbejahung erst blos untergeordnet und ihm seine kritische Bedeutung belassen;41 nachher aber wird es mit Energie ausgewiesen und blos die Selbstbeherrschung anerkannt. Das Tugendstreben wird nicht verworfen, das Setzen eines Vorbildes für den Menschen unerläßlich erachtet; aber wenn im „Bayle" noch Gott in der Form der Idee des Guten als maßgebend erachtet wird, so wird in den Vorlesungen über das Wesen der Religion der „entsinnlichte" Gott des Christenthums nur als Anregung zu Maceration, Mortification, Selbstentfleischung, Selbstentleibung befunden,42 ihm also die Führung des Menschen, der nur an die seiner, der Menschennatur entsprechenden Gesetze gebunden werden kann, abgenommen und als Musterbild im Gegensatz gegen die sämmtlich einseitigen Ideale der gläubigen Christen, der gottesgläubigen Philosophen, der Rationalisten und Moralisten, der ganze, wirkliche, allseitige, vollkommene, ausgebildete Mensch, auch der Mensch der körperlichen Vollkommenheit, wie ihn die Griechen mit ihren körperlichen Spielen und Uebungen an den religiösen Festen feierten, aufgestellt. Wie in so vielem Anderem, so erhebt sich auch in seinem Tugendbegriff Feuerbach nicht viel über das Niveau Hume's; auch seine Tugend, wie Hume von der seinigen versichert, „redet nicht von einer unnützen Strenge und Rauhigkeit, nicht von Leiden und Selbstverleugnung." Die Auflösung der gewöhnlichen oder, nach der Sprache der völlig atheistischen Vorlesungen über das Wesen der Religion, aller und jeder Vorstellung von Gott hat in den Prädicaten Gottes eine moralische Binnenwelt des Menschen erschlossen, der sich eine vor unseren Blicken sich ausbreitende Außenwelt anschließt. Man hat in der Wolftfjischen Schule Gott als eine unendliche Fülle von verschiedenen Prädicaten bestimmt. Man decentralisire, ist Ffeuerbach]'s Sinn, wo Wolfff] oder auch die Religion
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L. Feuerbach: Pierre Bayle. Ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie und Menschheit. In: Feuerbach GW, Bd. 4, S. 175; vgl. auch S. 167 und 329. L. Feuerbach: Geschichte der neuern Philosophie. Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibnizschen Philosophie. In: Feuerbach GW, Bd. 3, S. 197, Anm. 2. L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 288.
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selbst centralisirt hat. Gott, der Inbegriff aller Realität, ist nur eine Abstraction aus dem in der Wirklichkeit Aus- und Nebeneinandersein der Träger von allerlei Prädicaten, der menschlichen Individuen. Man erkenne, was darin liegt: die Unerschöpflichkeit des Borns der immer wieder die Gattung mit neuen Prädicaten mittelst neuer Individuen bereichernden Menschheit. Die göttliche Allwissenheit legt sich gleichsam auseinander in den durch Jahrtausende hindurch sich erschöpfenden Leistungen des menschlichen Forschens und Entdeckens; wenn nach der Bibel schon bei Gott alles sein Maß und seine Zahl hat, menschliches Rechnen und Messen bringt mit der Zeit seine Aufgabe fertig.43 Also kecklich nur überall, wo es sich zeigt, das Menschenthum ergriffen! Und dann sich dieses Menschenthums nicht schämen! Worin unser Philosoph vorangeht. Schon im „Bayle" scheut er sich nicht, das Sichstürzen des französischen Geistes aus den Banden des Glaubens heraus in das Element der Sinnlichkeit gewissermaßen zu rechtfertigen, weil das Vergnügen, ein Ausfluß der Gottheit, des seligsten Wesens, wahrer, geistreicher, wohlthätiger, gemeinnütziger, als ein Flagellantenglaube sei, der nur häßliche Caricaturen von Menschen hervorbringe. Und in den Vorlesungen spricht er aus: „ich selbst bekenne mich zur Naturreligion, ich bekenne, daß die Wirkungen der Natur nicht nur meine Oberfläche, meine Rinde, meinen Leib, sondern auch meinen Kern, mein Inneres afficieren, daß die Luft, die ich bei heiterem Wetter einathme, nicht nur auf meine Lunge, sondern auch auf meinen Kopf wohlthätig einwirkt, das Licht der Sonne nicht nur meine Augen, sondern auch meinen Geist und mein Herz erleuchtet. Nicht als ob ich damit mit der Naturreligion die Natur zu einem Gott machen wollte, aber von der Naturreligion anerkenne ich ihre Grundwahrheit. Und diese ist die, daß der Mensch in Eintracht mit der Natur leben, |308| nie vergessen soll, er sei ihr Kind und ihr Glied, sie als den Grund und Quell seiner geistigen und leiblichen Gesundheit stets verehren, heilig halten soll, übrigens diese seine Mutter mit den Augen des erwachsenen, selbstbewußten Menschen anzuschauen hat."44 Ausdrücklich identificirt er sich mit dem „ursprünglichen unmittelbaren, folglich der Natur verwandten, Sinn der Völker":45 ihm selbst, der nichts vergöttere, sei die Natur der gleiche ihn ergreifende Gegenstand, wie den Naturvergötterern und nur die jetzige Cultur mache es aus, daß er nicht zu den letzteren zähle. Den Vergänglichkeitspredigern aber ruft er schon in den „merkwürdigen Aeußerungen Luthers nebst Glossen" 1844 zu: „Warum denn darum, weil das Sichtbare das Zeitliche ist, von ihm sich nicht fesseln lassen, warum denn, weil die Blume im Herbst verwelkt, im Frühling an ihrer Anschauung nicht sich weiden, oder weil der Tag nicht immer währt, sich am Licht der Sonne nicht erfreuen?"46 Der Cultus, den unser 43
Siehe L. Feuerbach: Geschichte der neuern Philosophie. Darstellung, Entwicklung und Kritik der Siehe ebenfalls L. Feuerbach: Leibnizschen Philosophie. In: Feuerbach GW, Bd. 3, S. 159. Grundsätze der Philosophie der Zukunft. In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 274. L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 44, 45-46. Ebenda, S. 103. Siehe L. Feuerbach: Merkwürdige Äußerungen Luthers nebst Glossen. In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 422. -
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Denker den Leibesfunctionen widmet, ist von ihm in seiner berüchtigt gewordenen Deutung des Geheimnisses der Taufe auf die Erfrischung und Verjüngung des Körpers durch Baden und Waschen und des Abendmahls auf den Hochgenuß, den Speise und Trank darbietet, nicht minder, wo er sich im griechischen Alterthum bewegt, durch die Sympathie mit den gesunden Genußorganen der Homerischen Götter und Helden bekundet. Im Zusammenhange hiermit ist es, daß von ihm die organischen Verrichtungen gern in ihrer allgemeineren Function d. h. in ihren Beziehungen zum Geistesleben genommen werden. Der Begriff des Essens, sagt er in einem Aufsatz des lOten Bandes, indem er seine Aergerniß erregende Anzeige von Moleschott's Lehre von den Nahrungsmitteln in den Blättern für literarische] Unterhaltung 1850[,] Nr. 268-271 rechtfertigt, ist zu verallgemeinern, da der Mensch nicht blos Speise, sonder auch Luft ißt und trinkt, athmet und mit den Sinnen, auch den edelsten, Aug und Ohr ißt, die Augen sich sättigen, die Ohren ihren Ohrenschmauß halten, den Nächsten vor Liebe fast auffressen läßt, das Gaumenobject des Salzes auf das Schmackhaftwerden des Gehirnerzeugnisses, des Denkens, überträgt, ferner im antiken Sprachgebrauch den Bauch und die Seele zugleich füllen, im modernen aber den Verkümmernden sich selbst verzehren läßt. Ohnedem ist ihm die Solidarität zwischen Organismus und Gemüthsempfindung gewiß. Schon die Sprache identificirt Seele, Geist, Lebensprincip mit Luft, Aether, Wärme, und „die Gluth der Empfindung, der Begeisterung wir empfinden ja nur im Zustand nervöser Aufregung ist keine poetische Phrase, sondern sinnfällige, mit dem Thermometer nachweisbare Wahrheit."47 Richtet sich Feuerbach mit der letzteren Erörterung in seiner immerhin geistreichen „Kritik des Idealismus"48 im lOten Bande gegen den Fichte'schen Idealismus, so geht er natürlich noch mit mehr Recht jederzeit dem Spiritualismus und der mit ihm zusammenhängenden Einseitigkeit zu Leibe. Es hat etwas Rührendes, wenn man ihn in der Unsterblichkeitsfrage dem aristokratischen Verlangen nach einer Fortdauer Behufs der endlichen Vollbefriedigung des Wissens des ästhetischen und moralischen Triebs nicht nur für die Ansprüche der Bauern, Handwerker, Fabrikanten auf Erreichung dessen im Jenseits, was sie im Diesseits in ihrem Beruf etwa vergebens erstrebt hatten, sondern auch für die der Armen und Hungrigen, ja auch der Frauenzimmer, die der Bestimmung des Weibes, Gattin und Mutter zu werden, hienieden nicht theilhaftig geworden sind, sich verwehren hört. Schreiber dieses, wenn er den ganzen Naturalismus und Humanismus Feuerbachs mit seinen Licht- und Schattenseiten sich vorführt, kann sich einer Reminiscenz nicht entschlagen. Börne in der unvergeßlichen Frankfurter Denkrede auf Jean Paul rühmt diesem nach, daß er für die Freiheit des Fühlens gekämpft, den deutschen Jüngling, der es verlernt hatte, seinen eigenen Wurzeln zu trauen, gelehrt habe, an die Stelle des blöden: „Wir lieben Dich" das: „ich liebe Dich" zu setzen, überhaupt es gewagt habe, das jedem -
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L. Feuerbach: Über Spiritualismus und Materialismus, besonders in heit. In: Feuerbach GW, Bd. 11, S. 177. Ebenda, S. 170-182.
Beziehung auf die Willensfrei-
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Deutschen so grause Wort „Ich" auszusprechen. Aehnlich hören auch wir in unserem Falle den verwandten Zuruf: Scheu dich nicht, ein ganzer, individueller, ja geschlechtlich individueller Mensch im Thun, Genießen und Lieben zu sein. |309| So antipodisch dem Dichter des Campanerthals der verwegene Kritiker des Gottesund Unsterblichkeitsglaubens gegenübersteht, ist er nicht in der Urwüchsigkeit und der Vollsaftigkeit seines Wesens, in der Rhetorik des Herzens, in dem ungenirten, bis in's Cynische sich wagenden, Sichgehenlassen seiner Phantasie und seines Witzes, in der Unbekümmertheit um Classicität und Formvollendung ein Geistes- und Gemüthsverwandter von ihm und mit ihm ein echtes Glied des reichbegabten, geistig beweglichen, für alle Eindrücke empfänglichen, fränkischen Volksstamms, der seinen Höhepunkt in dem, was beiden noch gefehlt hat, in dem Maas und der Sophrosyne50 ihres Landsmannes (Goethe) finden sollte? Die dritte Vorschrift Feuerbachs lautet: lerne dich da wiederfinden, wo du dich verloren hattest. Daß dieses vor allem die Formel für seine Anschauung von der Religion ist, sagt uns Ffeuerbach] selber. Das Wissen des Menschen von Gott bedeutet ihm ja das Wissen des Menschen von dem Wesen seiner Gattung oder kurzweg sein Wissen von seinem Wesen. Daß dem so ist, das begreift der Philosoph und hat darum die directe Selbsterkenntniß errungen. Der Religiöse hat diese Einsicht nicht, nimmt sein Wesen für ein anderes, von ihm unterschiedenes Wesen; aber indem er unbewußter Weise in der Religion in dem Wesen, das er verehrt, in seinem Gott das Wesen der menschlichen Gattung oder sein eigenes, jedoch von den Schranken der Individualität befreites, Wesen in Händen hat, kommt ihm wenigstens eine indirecte Selbsterkenntniß zu. Indem Ffeuerbach] hiermit der Religion wie der Philosophie eine Beziehung des Ich zu sich selbst, ein auf sich Reflectieren zuschreibt, thut er ihr wenigstens die Ehre an, daß er von der Andacht des Religiösen die Meditation stehen läßt. Er schließt seinen ersten Theil des „Wesens des Christenthum": die Religion in ihrer Uebereinstimmung mit dem Wesen des Menschen, mit den schönen Worten: „der Mensch ist der Anfang, der Mittelpunct, das Ende der Religion. Die Religion ist das von der Welt abgeschlossene Verhalten des Menschen zu seinem Wesen, das innere, das in sich selbst verborgene Wesen des Menschen. Ihre positive, wahre Bedeutung und Lehre ist: Mensch, gehe in dich! sei bei dir und in dir selbst zu Hause! sammle dich, bete d. h. übersetze den zerstreuenden Dialog des Lebens in den ersten Monolog der Selbstbesinnung. Hierin stimmt die Philosophie mit der Religion zusammen; hierin und nur hierin allein liegt die sittliche Heilkraft und die theoretische Wahrheit der Religion."51 Nicht immer aber läuft es so glatt
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L. Börne: Denkrede auf Jean Paul. Vorgetragen im Museum zu Frankfurt am 2. December 1825. In: Gesammelte Schriften. Vollständige Ausg., 1. Bd., Wien 1868, S. 175-176. In der antiken griechischen Ethik allgemeines Prinzip der Lebenshaltung, das in der vernünftigen Einsicht, der Mäßigung und Selbstbeherrschung besteht. Seit Piaton ist die Sophrosyne eine von
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vier Kardinaltugenden. L. Feuerbach: Das Wesen des Christentums. In: Feuerbach GW, Bd. 5, S. 315.
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ab bei der Religion mit der Beziehung des Ich zu sich selbst. Der Mensch geht in ihr auch von sich fort, um erst auf einem Umweg wieder zu sich zurückzukommen. Weil er sein eigenes Wesen und dessen Regungen und Erzeugnisse nicht kennt, nimmt er seine unwillkührlichen Selbstaffectionen als Eindrücke von außen, als Erscheinungen eines andern Wesens hin. Er ist in seinem Setzen Gottes der Gott Bestimmende und sieht dennoch im Glauben an die Offenbarung einen Andern als den ihn Bestimmenden an, so daß die Offenbarung sich als ein zweites Indirectes, als eine vermittelte Selbst-bestimmung des Menschen herausstellt. Der ursprüngliche Sachverhalt verräth sich hierbei darin, daß Gott sich in dem Entwurf seiner Offenbarung nach der Fassungskraft des Menschen richten muß, d. h. eigentlich nur das offenbart, was er offenbaren muß. Die materielle Erkenntniß von sich selbst, die der Mensch nach Aufhebung seines sich Fremdgewordenseins in der Religion durch die Philosophie wiedergewinnt, erstreckt sich theils auf sein moralisches, theils auf sein physisches Wesen. Von der moralischen Seite des Menschen handelt vorherrschend „das Wesen des Christenthums", von der physischen vorherrschend „das Wesen der Religion" und „die Vorlesungen" darüber. Dort stellt sich die Theologie oder die Lehre von Gott als Anthropologie, hier als Physiologie dar. Die Theologie ist Anthropologie, ihr Gegenstand der Theanthropos das tritt mehr im Christenthum; sie ist Physiologie das tritt mehr im Heidenthum hervor. Doch ist beides nicht absolut getrennt, so daß Gott beides ist: sowohl Vergegenständlichung des Menschen, als der Physis, der Natur, von welcher nach |310| der natürlichen Seite der Mensch abhängig ist oder Gott ist gleicherweise der personificirte Gattungsbegriff der Menschheit und die Natur. Konnte „das Wesen des Christenthums" den Schein erwecken, als ob dasselbe den Menschen zu einem nichts voraussetzenden Wesen machen wolle, so entfernt „das Wesen der Religion" diesen Verdacht und wird der Abhängigkeit und Bedürftigkeit des Menschen gerecht. Dies die ausdrückliche Auseinandersetzung des Verfassers, die aber nach seinem thatsächlichen Vorgehen der Ergänzung dahin bedarf, daß nicht allein der moralische und der physische Mensch, sondern der Totalmensch, das Centrum des Menschen, sein Selbstischgerichtetsein, dessen gefügiger Diener die Phantasie ist, auf die Gottesvorstellung bedingend einwirkt. Die moralische Seite des Menschen haben wir zum Theil schon als Werkstätte für die Idee Gottes kennen gelernt. Es sind die Musterbilder des menschlichen Habitus: Güte, Gerechtigkeit, Liebe, Leiden für andere, die in Gott hineinverlegt werden und sperrt sich dabei Feuerbach kräftig gegen die Meinung, als ob diese Vollkommenheiten etwa Abstracta, die ihre Erscheinung erst bedingen, ein selbstständiges göttliches Prius wären; nein, sie hängen immer nur an den Individuen und sind erst von diesen abgezogen. Dagegen versäumt er nicht, die paränetische Bedeutung der sittlichen Formen und Gestalten, der Seelengemälde, die das Christenthum bietet, hervorzuheben. Er versichert nachträglich, der wesentliche Grundsatz seines „Wesens des Christenthums" sei die unbedingte, die ungetheilte Liebe des Menschen zum Menschen, die Liebe, welche -
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in sich selbst ihren Gott und Himmel hat. Ihm ist Christus das, was jedes menschliche Individuum sein soll und wenigstens seiner allgemeinen Natur nach sein kann: der Gutthäter der Nebenmenschen. Ihm ist Stillung der menschlichen Noth der einzig wahre Gottesdienst. „Wer den Menschen um des Menschen willen liebt, wer sich zur Liebe der Gattung erhebt, zur universalen, dem Wesen der Gattung adäquaten Liebe, der ist Christ, der ist Christus selbst. Er thut, was Christus that, was Christus zu Christus machte. Dann verschwindet Christus, ohne daß sein wahres Wesen vergeht". (Wesen des Christenthfums] 7, 360).53 Aber aus der Religion muß erst ein Hemmniß der Liebe des Menschen zum Menschen, der die Liebe localisirende und sie mit Haß gegen anders Denkende versetzende Glaube, dieser Quell des Fanatismus und der Intoleranz, gestrichen sein, ehe die universelle Liebe, ehe das homo homini Deus est, diese Consequenz der Wahrheit, daß das Wesen des Menschen das höchste Wesen des Menschen ist, das höchste und erste Gesetz des menschlichen Verhaltens wird. Glauben und Liebe, so heißt ja einer der schroffsten Gegensätze, die unser Philosoph statuirt, eine Entgegenstellung, zu der Heinrich vfon] Kleist's classische Erzählung: das Erdbeben in Chili eine so schöne Illustration liefert.54 Es stellt uns hier der Dichter den Eintrag, den der fanatische Glaube der echt humanen Erscheinung der Liebe auf einem und demselben Volksboden thut, in wundervollen Contrasten vor Augen. Andererseits verkennt die Gegeneinanderstellung der beiden Pole im „Wesen des Christenthums" freilich völlig neben der Verfolgungssucht des Glaubens, die Befähigung desselben zum Märtyrerthum und was z. B. Rousseau's dramatischem Sinn nicht entgangen ist, den großartigen, nur einer Leitung bedürftigen, Affect des religiösen Fanatismus. Mit dieser Unbilligkeit gegen die Gottesverehrer geht bei der Leugnung des Absoluten die Ungerechtigkeit gegen den Gott der Religion Hand in Hand. Erblicken wir in der Gottesidee den Anker unserer Sittlichkeit, der in den absoluten Grund versenkt wird, nun ja, Feuerbach schreibt dem Menschen auch moralische Bedürfnisse zu. Er will sich Sünden- und schuldfrei wissen, aber bei dem Wegfallen aller sittlichen Selbstanstrengung sind solche Bedürfnisse eben Bedürfnisse neben andern rein selbstischen, die von dem Geschöpf des Wunsches und der Phantasie mit diesen befriedigt werden. Er soll sich eintreffenden Falls schuldig fühlen, aber er kann, wie unser Kritiker sieht, die Sünde nur als Sünde empfinden, wenn er sie im Widerspruch mit sich selbst, mit seiner Persönlichkeit, Wesenheit empfindet, als Widerspruch mit dem absoluten als einem ¡3111 anderen Wesen gedacht wäre deren Gefühl unerklärlich, sinnlos. Und wenn nun dennoch Gott in seinem Ansich, in seinem metaphysischen Sein, als Verstandes-
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Siehe L. Feuerbach: Beleuchtung der in den „Theologischen Studien und Kritiken" (Jahrgang 1842, 1. Heft) enthaltenen Rezension meiner Schrift „Das Wesen des Christentums". In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 226. L. Feuerbach: Das Wesen des Christentums. In: Feuerbach GW, Bd. 5, S. 442-443. H. v. Kleist: Das Erdbeben in Chili. In: Ders., SW, Brandenburger Ausg., hrsg. von R. Reuß in Zusammenarbeit mit P. Staengle, Basel Frankfurt am Main 1993, Bd. 11/3, S. 7-43. -
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Religion stehen bleibt, so wird die unadäquate Form, welche die religiöse Vorstellung Repräsentanten des Sittengesetzes hat, dazu verwendet, ihn als das dem es um seine selbstische Ehre zu thun ist, als den Selbstgenuß egoistische Wesen, des Egoismus, ja als ein Wesen, dem man das beilegt, was man im Menschen als eine schlechte Eigenschaft verwirft, als ein Wesen der Tyrannei und der selbstsüchtigen Willkühr zu verzollen. Man glaubt, bei solchen Erörterungen das système de la nature55
wesen, in der
für den
zu
vernehmen.
Ungleich günstiger gestaltet sich die Untersuchung bei der physischen Seite des Menschen. Schön wird für das Eine der Merkmale der Religion die Demuth erklärt, womit der Mensch erkennt, daß er alles, was er ist und hat, nicht von sich, selbst sein eigenes Wesen und Leben nur in Pacht, aber nicht in Besitz hat und daher jeden Augenblick von Haus und Hof getrieben werden kann wer bürgt mir dafür, daß ich nicht meinen Verstand verliere? setzt unser Freund, wohl im Gedanken an unglückliche Geschwister, hinzu daß er also gar keinen Grund zu Eigendünkel, Hoch- und Uebermuth hat. „Die Religiosität ist daher gar nichts anders, als die Tugend der Bescheidenheit, der Mäßigung im Sinne der griechischen Sophrosyne Sei religiös! heißt: bedenke, was du bist, ein Mensch, ein Sterblicher! Nicht das sogenannte Gottesbewußtsein, sondern das Menschenbewußtsein ist ursprünglich oder an sich das Wesen der Religion, das Bewußtsein oder Gefühl, daß ich Mensch, aber nicht die Ursache des Menschen bin, lebe, aber nicht die Ursache des Lebens bin."56 Demgemäß werden neben dem timor facit Deos,57 wider das sich Schleiermacher in den Reden über die Religion mit Unrecht so entrüstet hat, die Liebe und die Dankbarkeit als Coëfficienten der Gottesverehrung, neben dem Abhängigkeitsgefühl die unwillkührliche Reaction des menschlichen Freiheitsgefühls und der menschlichen Thätigkeit nicht vergessen und die Entstehung von Gebet, Opfer, Culrus nachgewiesen. Gibt auf diese Weise die Natur und die Noth, die sie dem Menschen bereitet, sowie das Bedürfniß, die sie ihm befriedigt, die erste Anregung zum Gottescult in der Form der Naturreligion, so findet sich auch, daß man der Natur nicht blos das Subject der Gottheit, sondern auch deren Prädicate verdankt. Das natürliche Ueber dem Menschen ist die Natur selbst und ihr ganzer Complex. Oder ist nicht das, was man Gottes Allmacht heißt, die Macht der Naturerscheinungen, der Donner die Stimme, der Blitz das Angesicht Gottes? Ist nicht die Luft allgegenwärtig, weil allverbreitet? Das Meer unendlich? Ist nicht sie und Sonne, Mond, Erde, Himmel allen gemein, wie Gott? Ist nicht der Gott mit seinem Sonnenschein und seinem Regen für Gute und Böse nur der Anthropomorphismus der wohlwollenden Natur? Und ist nicht die Weisheit Gottes blos von der Ordnung in der Natur abgezogen? Ja, auch verneinende Eigenschaften Gottes stammen aus der Natur. Ist die Luft sichtbar? -
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...
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P. H. T. Baron d' Holbach: Système de la nature, London 1770. L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 353. (lat.): Furcht macht den Gott Vgl. L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 33. -
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Gott kann ich nicht in beschränkte Formen, Bilder, Begriffe fassen, aber kann ich die Welt, das Universum darin fassen? Gott ist nicht ein zeitlich und räumlich beschränktes Wesen, aber istf'Js denn die Welt? Einen zeitlichen Anfang für sie zu denken, ist so
unsinnig, als den Fall des Wassers sich als den Ursprung des Wassers zu denken. |321| Das selbstische Centrum des Menschen macht Ffeuerbach] zu einem besondern Mitarbeiter am religiösen Processe. Er geht nämlich davon aus, daß der Mensch über sein eigentliches Bedürfniß hinaus wünscht und begehrt und Gemüth, Phantasie, Affect, Begehrlichkeit in der Religion in Bewegung setzt. Er beurtheilte Solches in verschiedenen Zeiten nicht immer gleich, strenger, so lange er selbst noch Mann der {Jeco t'a, der selbstlosen Hingebung an die Wissenschaft war, milder, wo er mehr und mehr selbst Praktiker, wie der Religiöse wurde und das Gegenstück, das er der Religion entgegenkehrte, die Cultur doch nur in Anbetracht der beiderseits angewendeten Mittel, religionsseitig des Wunders, culturseitig der Arbeit bevorzugen konnte, dagegen im Zwecke der Herrschaft über die Natur beide gleichsetzen mußte. Er war auf diesem Wege seinem alten Lehrer Daub, mit dessen Erklärung des Wunderglaubens aus dem Interesse der
Freiheit, eine Autorität, die ihm Strauß schon 1840 in seiner Glaubenslehre entgegengehalten hatte, näher gerückt.58 Im Uebrigen beharrte er unter Verkennung des objectiv bestehenden Menschenwerthes und der Menschenwürde, sowie der
religiöse Sichabscheiden des Geistes von der Natur und der Naturnothwendigkeit möglich gewordene Herrschaft des modernen Bewußtseins über die Materie hin wie her dabei, dem Schöpfungs-, Wunder-, Vorsehungs-, Gebets-, Unsterblichkeitsglauben den reinen Egoismus unterzulegen. Und hier besonders ist es, wo ihm der ethische Factor im religiösen Processe gänzlich entgangen ist. Er hätte ihn doch nicht so weit suchen dürfen! Es ist das Abhängigkeitsgefühl, das auf das Begehren des Frommen, dieser bestimmten Noth enthoben zu sein, diesen bestimmten Mangel gestillt zu sehen, reinigend einwirkt und ihm wehrt, zu der ihm von Feuerbach Schuld gegebenen Begehrlichkeit zu werden. Der Affect des Religiösen, um dessen reinliche Ausscheidung er sich bleibende Verdienste erworben hat, hat in sich selbst sein Kathartikon, indem ihm eine Beziehung zu einem Andern, als der Mensch ist, zu einem gegen ihn Höhern, Höchsten, Absoluten, sei's eine persönliche oder unpersönliche, Weltordnung einwohnt. Das Gegenüber eines Endlichen und eines Unendlichen im religiösen Akte hat Ffeuerbach] zwar aufgefunden, indem er uns die Naturmacht und den von ihr abhängigen Menschen, sowie die Reaction des Letztern gegen die Gewalt der Natur in der Personificirung, gleichsam menschlich Stimmung des |322| gesammten oder theilnur
durch das
weisen Universum aufweist, aber er hat dasselbe nicht als das, was es ist, erkannt. Seinem Auge hat sich die Weltordnung, die als eine Unendlichkeit von ihm in der Siehe D. F. Strauß: Schleiermacher und Daub in ihrer
Bedeutung für die Theologie unsrer Zeit.
In:
Ders., Charakteristiken und Kritiken. Eine Sammlung zerstreuter Aufsätze aus den Gebieten der Theologie, Anthropologie und Aesthetik, Leipzig 1839, S. 3-212. Zu Karl Daub siehe ebenda, S. 54-149; über den Wunderglaube siehe bes. S. 115-119 sowie S. 187-199. -
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schlechthinnigen Bedingtheit, in welche sie den Menschen von sich setzt, erkannt und in der Ableitung der metaphysischen Prädicate Gottes von ihr gefeiert worden war, auf
einmal verendlicht, sobald sie sich durch die Personification dem Menschen assimilirt hatte. Es hat sich aber mit diesem Acte ihre Substanz für das religiöse Bewußtsein erhalten, sie ist unverändert dieselbe geblieben; nur ihre Form hat in der Anthropomorphisirung eine Aenderung erfahren. Indem Ffeuerbach] beides verwechselt, die Personificirung und die Verendlichung der Weltordnung, versetzt er uns vom Boden der Religion hinweg auf den Boden des Mährchens. Dort allein waltet der schrankenlose Wunsch, weil hier das Wünschen bei dem auf du und du stehen des Subjects mit der Ordnung der Dinge durch kein ihm gegenüberstehendes Unendliches gezügelt wird; dort ist der Ort für Fortunati Wünschhütlein, nicht auf dem ungeachtet all ihrer Phantasie-Thätigkeit ethisch nüchternen Boden der Religion, auf den es von Ffeuerbach] hin verpflanzt worden ist. Ein anscheinend überschwängliches Verlangen des Religiösen, wie das nach ewiger Fortdauer, wird vom Organ für das Unendliche in uns, von dem Gewissen regulirt, indem, wovon Ffeuerbach] gänzlich schweigt, diese Fortdauer zum zweischneidigen Schwert der Seligkeit und der Verdammniß wird. Ohnedem tritt im ganzen Affectleben, an welchem sammt und sonders die Frömmigkeit participirt, durch die Beziehung, in die der endliche Mensch zu einem Nichtendlichen gestellt ist, eine Correction, eine Reinigungs-, Destillirungs-, Ermäßigungs- oder Erhebungsproceß ein, man denke dabei an Stimmungen, wie Schmerz und Freude, die sich in Fassung und Ergebung, in Dank und Demuth sublimiren oder an Akte, bei denen menschliche Bedürftigkeit im unleidlichen Gefühl ihrer knechtischen Abhängigkeit von der Natur beim Absoluten sein Heil sucht. So wird das Seligkeitsverlangen von unserem Kritiker dem Frommen als ein höchst selbstischer Wunsch verargt, als ob nicht mit diesem Verlangen nothwendiger Weise immer der Stachel des sich der Seligkeit würdig oder doch nicht unwürdig Machens verbunden wäre. Zugegeben, daß das ganze Gebiet des menschlichen Wünschens und Wollens, Wohl- und Uebelwollen, große und kleine Zwecke der religiösen Vorstellung sich zur Verfügung stellen in dem Gemüth des Betenden veredelt sich der Wunsch zum Anliegen, mäßigt sich die persönliche Verwünschung zur Uebertragung der Vergeltung an die Gottheit, findet ein Sichbesinnen über die Schicklichkeit oder Unschicklichkeit der Wünsche Angesichts des mehr oder weniger rein gedachten heiligen Wesens statt. Es ist z. B. durchaus nicht gleichgültig, wie Ffeuerbach] in seiner an anziehenden Partien nicht armen „Théogonie nach den Quellen des classischen, hebräischen und griechischen Alterthums" 1857 meint, „ob ich als Bauer zu den Göttern sage: ihr Seligen und Allvermögenden, macht mich zu einem glücklichen Bauern oder sage: füllt meine Scheuern mit Korn, meinen Keller mit Wein, meine Ställe mit Kälbern und Lämmern; denn der Inhalt des Kellers, der Ställe und Scheuern ist der Inhalt des Bauernglücks, der Inhalt der echten Bauernseele."59 Man könnte -
L. Feuerbach:
nach den Quellen des klassischen, hebräischen und christlichen AlterGW, Bd. 7, S. 78.
Théogonie
tums. In: Feuerbach
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denken: hier ist ja nur ausgeführt, was dort zusammengedrängt ist, aber die abstráete Fassung eines Anliegens ist die Sprache der Demuth und Ergebung, die concrete das Plaudern der Begehrlichkeit. Es wird dabei bleiben: wenn Hegel uns die Religion kennen gelernt hat als die Wahrheit, die für alle ist, Ffeuerbach] führt widerwillig uns darauf: Religion ist das sittliche Erziehungsmittel für das Menschengeschlecht. Die formelle Selbstheit, die unserem Philosophen bei seiner Beobachtung des religiösen Lebensgebiets die Hand geführt hat, thut dieses auch bei den Gebieten des eigentlich praktischen Lebens, nur daß hier auch die Selbstheit der Gesellschaft mitspricht. Ffeuerbach] läßt sozusagen aus dem natürlichen Menschen Gewissen, Freiheit, sittliche Zurechnung, sowie Gesetz, Sitte, Gemeinwesen, soweit diese Alles bei ihm überhaupt noch Anerkennung finden kann, entstehen. |323| Er streicht, zum Theil in ausdrücklichem Widerspruch gegen Kant, alles Apriorische in diesen Gebieten, weil durch dasselbe dem menschlichen Selbst schon sein Antheil in der Schaffung dieser Gebiete sich verdecken würde, leitet das Rechtsgebot aus der bloßen Nothwehr des Egoismus gegen die Gefahr etwaiger Vergewaltigung, das Sittengesetz aus der Solidarität eigener und fremder Glückseligkeit, das Gewissen aus dem Hören auf eine Stimme nicht meines Innern, sondern der maßgebenden Autoritäten in meiner Umgebung, die Gewissensregung nicht aus der Reaction des reinen Willens à la Kant, sondern aus dem Fortschritt der späteren Intelligenz gegenüber einer früheren Stufe derselben ab, tilgt im Zusammenhang damit, in der Moral, wie Schopenhauer, die ganze Rubrik der Selbstpflichten, die wegen der Voraussetzung einer Dualität im Menschen eine Art Entselbstung, eine Aufhebung der abstracten Identität des Ich mit sich einschließen würde. Weil in diesen Erörterungen keine Bereicherung der Wissenschaft durch neue Ansätze vorliegt, wie dieses in den Untersuchungen über die psychologische Grundlage der Religion der Fall war, so können wir uns füglich eines näheren Eingehens auf dieselben enthalten. Die blos empirische, aus den Bedürfhissen der Gesellschaft abgeleitete, Erklärung des Rechts- und Sittengebiets unter Abweisung aller apriorischen Grundlagen für dasselbe ist in der Geschichte schon bei den Engländern und Franzosen vorgekommen. Nur darf dabei nicht verkannt werden, daß, wie manches Außerdeutsche möglichen Falls, ich nenne beispielsweise nur die feinsinnige Adam Smith'sche Theorie der moralischen Gefühle,60 für unsere deutsche Anschauung verwendbar ist, so auch die Feuerbach'schen Versuche einer Construction der rechtlichen und sittlichen Lebensformen auf Grund der natürlichen Selbstheit des Individuums und der Gesellschaft subsidiar in Betracht kommen können. Doch der Schwerpunct für das Interesse unseres Forschers liegt weniger auf der Entstehung der verschiedenen Formen und Gebiete des Einzeln- und Gemeinlebens, bei -
deren Erörterung er z. B. den Staat so ganz im Gegentheil von Hegel bei seinem atomistischen Hang! völlig zu übergehen pflegt, als auf ihrem Endziel. Da läßt sich -
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A. Smith: The Theory of Moral Sentiments, London 1759
findungen).
(dt. 1770, Theorie der moralischen Emp-
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seine Tendenz in unsere vierte Formel fassen: Setze dich dahin, wo anderes dich von deiner rechtmäßigen Stelle verdrängen will! Schon 1842 bezeichnet er seine Aufhellung des dunkeln, lichtscheuen Wesens der Religion als eine Pflicht in einer Zeit, wo der Widerspruch der religiösen Vorstellungen und Gefühle mit den anderweitigen Vorstellungen und Gefühlen so éclatant sei.61 „Wo die Religion im Widerspruch steht mit den wissenschaftlichen, politischen, socialen, kurz geistigen und materiellen Interessen, da befindet sich die Menschheit in einem grundverdorbenen unsittlichen Zustand im Zustand der Heuchelei. Also her eine neue, lebensfrische, aus unserem eigenen Fleisch und Blut erzeugte Anschauung der Und noch in der Zeit, da die Deutschen wird Politik 23. die Aufhebung zu hatten, treiben, (sfiehe] angefangen des Widerspruchs zwischen der hergebrachten Religion und zwischen der errungenen geistigen und materiellen Bildung, sollen nicht alle politischen und socialen Reformen eitel und nichtig sein peremtorisch gefordert: eine neue Zeit bedürfe auch einer neuen Anschauung von den ersten Elementen und Gründen der menschlichen Existenz, wenn wir das Wort Religion brauchen wollen, einer neuen Religion. Diese neue Anschauung wird geboten von der Vernunft, die die ihr vorenthaltenen Rechte wieder an sich zieht und ihrer Obliegenheiten erst jetzt nach Aufhebung der Schranken ihres Gesichtskreises und Erweiterung des Gebiets ihres Wirkens bewußt wird. Ihre Recht nimmt die Vernunft an sich: sie erkennt, klar geworden über die illusorische und moralisch irreführende und lähmende Begründung des Rechts auf göttliche Einsetzung, der Moral auf die Theologie, die den sittlichen und rechtlichen Verhältnissen selbst immanente Heiligkeit, ihre durch ihre eigene Qualität ihnen ertheilte Sanction. Diese Entwicklung im „Wesen |324| des Christenthums", wird nachher gegen Max Stirner dahin eingeschränkt, daß die ethischen Verhältnisse nur im Gegensatz gegen das: um Gottes Willen um ihrer selbst willen, eigentlich aber um des Menschen willen, als Beziehungen des Menschen zum Menschen, heilig seien,64 und in den „Vorlesungen" bis zur Aufstellung der menschlichen Autonomie in Moral und Politik an die Stelle der Heteronomie der bisher auf die Menschen drückenden inneren und äußeren Religionspolicei, der echten Humanität an die Stelle der blos halben Sittigung der Völker durch das Kirchenstatut, der Bildung für Alle an die Stelle des bildungshemmenden Autoritätsglaubens weiter geführt. Ausdrücklich wird den Heidelberger Zuhörern 1848/49 eingeprägt: ihr Lehrer wolle durch das Licht, das er über die Religion aufstecke, menschliche Freiheit, Selbstthätigkeit, Liebe und Glückseligkeit befördern, wolle die Menschen aus Theologen zu Anthropologen, aus Theophilen zu Philanthropen, aus religiösen und politischen -
Dinge!"62
Vorlesung)63
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62 63
64
Siehe L. Feuerbach: Zur Beurtheilung der Schrift „Das Wesen des Christentums". In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 234. L. Feuerbach: Das Wesen des Christentums. In: Feuerbach GW, Bd. 5, S. 234. Siehe L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 232 bis 243. L. Feuerbach: Über das „Wesen des Christentums" in Beziehung auf Stirners „Der Einzige und sein Eigentum". In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 440.
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Kammerdienern der himmlischen und irdischen Monarchie und Aristokratie zu freien, selbstbewußten Bürgern der Erde machen.65 Vergessen wird dabei über der neu aufgeim mindesten legten Lehre: der Mensch ist das Maaß aller Dinge, das noblesse nicht. Hat man ja doch an den Platz des Jenseits über unserem Grabe im Himmel, das Jenseits über unserem Grabe auf Erden, die geschichtliche Zukunft, die Zukunft der Menschheit zu setzen. Eben diese bessere Zukunft verwandle man aus dem Gegenstand eines müßigen, thatlosen Glaubens in einen Gegenstand der Pflicht, der menschlichen Selbstthätigkeit. Die einzig richtige Folgerung aus den bestehenden Ungerechtigkeiten und Uebeln des menschlichen Lebens ist das Bestreben, sie abzuändern, während man beim Glauben an das Jenseits die Hände in den Schooß legt und die Uebel bestehen läßt, überhaupt dabei Gefahr läuft, über seinen überschwänglichen Aussichten die Sorge für ein erreichbares, mäßiges Glück hienieden zu versäumen. „Wenn wir nicht mehr ein besseres Leben glauben, sondern wollen, aber nicht vereinzelt, sondern mit vereinigten Kräften wollen, so werden wir auch ein besseres Leben schaffen, wenigstens das Gröbste beseitigen. Dazu ist aber nöthig, statt der Gottesliebe als die einzige wahre Religion die Menschenliebe, statt des Gottesglaubens der Glaube des Menschen an sich, an seine Kraft, der Glaube, daß der einzige Teufel des Menschen der Mensch, der rohe, abergläubische, selbstsüchtige, böse Mensch, aber auch der einzige Gott des Menschen der Mensch selbst ist."67 Und nun, wie ordnen wir demgemäß unser Leben? um eine Straußische Formel zu gebrauchen.68 Feuerbach hat in der öffentlichen Meinung das Vorurtheil des Radicalisms und Communismus gegen sich erweckt. Er konnte dies, weil er in seiner schroffen Gegeneinanderstellung des Statusquo und seiner philosophischen Forderungen, insbesondere des Volksglaubens und seiner Aufklärung das Gesetz der geschichtlichen Continuität, das Dasein der Uebergänge und der Vermittlungen im Weltprozeß verkannt hat und damit den Verdacht praktisch gefährlicher, revolutionärer Hintergedanken gegen sich wachrufen konnte. In Wahrheit ist er über den Standpunct der Philanthropie, die er wiederholt predigt, über die Sympathie mit dem Loos der geistig und ökonomisch gedrückten Volksmassen, über das Herzklopfen für das Wohl der Menschheit8 wie es
oblige66
Siehe L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 30 bis 31. (franz.): Adel verpflichtet. L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 319-320. Siehe D. F. Strauß: Der alte und der neue Glaube, a. a. 0. (Anm. *1), S. 229-301.
Schön heißt es hierüber in der Charakteristik F[euerbach]s im „neuen Reich" 1872[,] S. 742: „Noch auf dem Boden des Materialismus verleugnet er nicht seine Abstammung aus den edlen Quellen der deutschen ethischen Philosophie; wenn er die Wahrheit der Sinnlichkeit predigte, so that er es nur, weil sein Herz für das Glück der Menschheit warm schlug bis an sein Ende." [Der Beitrag den Grün hier anführt, wurde von Wilhelm Windelband verfasst, vgl.: Im neuen Reich. Wochenschrift für das Leben des deutschen Volkes in Staat, Wissenschaft und Kunst, hrsg. von A. Dove, 2. Bd., Leipzig 1872, S. 735-743.]
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Hegel 1806 schon in seiner Phänomenologie mit einem Seitenblick bezeichnete, nicht hinausgegangen. Für die Republik hat er nirgends, wenigstens nirgends in doctrineller Weise plädirt. Ueber seine Nichttheilnahme an der 48er Revo-|325|lution vom Franzosen Taillandier zur Rede gestellt, erklärt er sich zwar so, als ob ihn die alsbald ihm gekommene Einsicht in das Unpraktische der ganzen Unternehmung damals zurückgehalten hätte, aber seine ganze Eigenart ist so wenig dem praktischen Leben zugewendet, daß sowohl diese Einsicht als sein revolutionärer animus höchst problematisch wird und es ihm mit dem Erklärungsgrund: „er nehme an einer großen und siegreichen Revolution, nämlich derjenigen, deren wahre Wirkungen und Resultate sich erst im Laufe 70 ein wirklicher Ernst sein konnte. Im Jfahr] 1852 von Jahrhunderten entfalten, Theil" begnügte er sich (sfiehe] Vorrfede] zum väterlichen Nachlaß S. XV. XXXI), zudem durch eine persönliche Ausweisung aus einem deutschen Bundesstaate, aus Sachsen, gereizt, die öffentlichen Zustände „trostlos", „lächerlich", „tragikomisch" zu nennen.71 Mit der socialen Frage giebt er sich nirgends ex profess[i]o ab, ungeachtet sie seiner Thesis, der Menschenbeglückung sehr nahe gelegen wäre. Mit den Ausdrücken Socialismus und Communismus erlaubt er sich blos ein Spiel. In den „Vorlesungen" bezeichnet er seinen Individualismus, sofern er das Ich und den Andern anhält, die persönlichen Rechte zu achten, als Socialismus, unter ausdrücklicher Abweisung der französischen, die Freiheit aufhebenden Erscheinung dieses Namens.72 In dem Aufsatz: „über das Wesen des Christenthums in Beziehung auf den Einzigen und sein Eigenthum" 1845 wird das Individuum Sein interpretirt: neben dem Egoist auch nolens volens Communist, identisch mit den andern Gattungsgliedern sein und mit den Worten geschlossen: „Feuerbach (er spricht von sich dort durchweg in der dritten Person) ist weder Materialist noch Idealist, noch Idealitätsphilosoph. Er ist Mensch oder vielmehr, da er nur in die Gemeinschaft das Wesen des Menschen versetzt: Gemeinmensch, Communist."74 Endlich in der noch am meisten direct politischen Publication des Verfassers, in dem satirischen Artikel „die Naturwissenschaft und die Revolution",75 deren Nichtaufnahme in die Gesammtwerke das Betreiben der praktischen Politik offenbar als ein Parergon bezeichnen wollte, wird nicht blos theoretisch das Naturstudium Behufs der in ihm ge-
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G. W. F. Hegel: Phänomenologie des Geistes. In: Hegel Werke, Bd. 2, S. 206. L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 4. L. Feuerbach: Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbachs Leben und Wirken. In: Feuerbach GW, Bd. 12, S. 6. Siehe L. Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 400 bis 401, Anm. *. (lat.): Ein auf Cicero zurückgehender Spruch aus „De natura deorum" (1,17), der so viel bedeutet: nicht wollend wollen (d. h. wohl oder übel). L. Feuerbach: Über das „Wesen des Christentums" in Beziehung auf Stirners „Der Einzige und sein Eigentum". In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 441. Siehe L. Feuerbach: Die Naturwissenschaft und die Revolution. In: Feuerbach GW, Bd. 10, S. 347 bis 368.
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Kritik der Unnatur der bestehenden politischen Zustände gepriesen, sondern auch die Arbeit des Naturforschers im Dienste des Socialismus und Communismus nur darauf beschränkt, daß sich für ihn die Illusionen des Regale der Luft und des venter nobilitat in die Erkenntniß von dem Recht Aller auf Leben und Eigenthum und von dem allen Menschen gemeinen und gleichen Ursprung auflösen. Auch was über die Privatüberzeugung unseres Philosophen verlautet hat, führt dahin, daß er in Dingen des Staats und der Gesellschaft keine, weder fremde noch eigene destructive Doctrin adoptirt, wohl aber Zeitlebens mit jung gebliebenem Herzen demokratischen Anschauungen, wie seine süddeutsche und fränkische Abkunft und Umgebung sie nähren kann, gehuldigt und selber sich der Partei eines moralischen und politischen Fortschritts im Allgemeinen, welcher, wie er sagt, Fichte zu seinem bleibenden Ruhme angehörte, zuzählen
legenen
mochte.76
Wird sich uns hiernach, alles in allem genommen, Ludwig Feuerbach in die ehrenwerthe Linie der Kämpfer für die Menschenrechte einreihen, der mit seinen Forderungen zur Zeit und zur Unzeit seine ernsten Mahnungen an die noch unerfüllten Ansprüche der Menschheit fortzusetzen hat, so wird dennoch fortwährend manches Auge ob seiner schonungslosen Zersetzung dessen, was Tausenden heilig ist, mit Grauen von ihm abwenden. Doch möge sich wenigstens in etwas der Abscheu, den sein Bild erregen mag, mildern. Der kecke Unsterblichkeitsleugner hat in seinen Vorgängern einige Entschuldigung. Kant sogar bekannte unter vier Augen, man könne mit dem von ihm aufgestellten Postulat der Unsterblichkeit nicht Staat machen, und wie sich Hegel ausschweigt und der Philosoph und Theologfe] Schleiermacher sich skeptisch äußert, ist bekannt. Und das Argument für die Fortdauer, das aus der zu erfüllenden Bestimmung des Menschen genommen ist, das bleibt trotz Feuerbach und seines Gleichen stehen, solange das Axiom in Geltung ist, daß nicht das Leibliche dem Geistigen, sondern das Geistige dem Leiblichen unbeschadet aller organischen Verbindung beider sein Loos vorschreiben dürfe. Zur Aufhebung |326| aber seines Atheismus dürfte der Mann, dem sein Stolz auf den Namen des Atheisten am meisten seine erbitterte Gegnerschaft eingetragen haben mag, selbst die Bahn geebnet haben. Auf den Grundlagen seiner Analyse des Religionsbegriffs hat Strauß in seinem „alten und neuen Glauben" für das Universum dieselbe Pietät gefordert, wie sie der Fromme alten Styls für seinen Gott Pietät kann aber nur gegen eine Pietät einflößende Gesinnung Statt finden; der Gegenstand, dem sie gilt, kann nur der Träger einer wohlwollenden Gesinnung, ein Subject sein, über dessen nähere Kennzeichnung allerdings die Philosophie, Angesichts des Kantischen Satzes, das Gott ein Gegenstand ist, der nicht in der Erfahrung gegeben ist, sich Zurückhaltung auferlegen wird. Endlich die ersten Ansätze, die zur psychologischen Ergründung des Religionsgebiets von Feuerbach geschehen sind, sind freilich mit -
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hegt.77
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L. Feuerbach: Über Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit. In: Feuerbach GW, Bd. 11, S. 159. Siehe D. F. Strauß: Der alte und der neue Glaube, a. a. O. (Anm. *1), besonders S. 148-164.
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der Verübung schweren Unrechts gegen Religion und Religiosität verbunden gewesen, aber es dürfte zu günstigerer Beutheilung der Tendenz seiner Kritik stimmen, wenn sogar ein theologischer Bekämpfer seines „Wesens des Christenthums" zu erwähnen nicht umhin kann: „was über die Correspondenz zwischen Christenthum und Gemüth gelehrt wird, darunter finden wir Vieles ganz richtig, Einiges sogar schön entwickelt und mit einer seltsamen, unwillkürlichen Begeisterung vorgetragen, die von der geheimen Macht zeugt, welche der fremd gewordene Gegenstand wenigstens noch über die Phantasie des Verfassers ausübt."*9 Auch ist nicht unbeachtet zu lassen, daß er den Kampf mit der Theologie, den er allerdings leidenschaftlich führte, halb und halb von seinem Vater, der Jahrzehnte lang den katholischen und protestantischen Klerikalen in Baiern die Stange zu halten hatte, ererbt hat. Unbestreitbar aber dürfte der moralische Gesammtwerth eines Mannes sein, der, wie er, ein Glied einer selten begabten Familie, eine ihm sich darbietende rasche Berühmtheit in jüngeren Jahren gern provociren mochte, mehr und mehr aber ein selbstloses*10 Denkerleben mit der Gleichmuth eines Weisen führen lernte. Und alles in allem genommen bekannte sich der Wilde, den seine Zeit oftmals vor den Mauern toben hörte, doch zu dem Grundsatz der Antigone: nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da.78 Dem Gelehrten Feuerbach sind viele Sünden vergeben, weil der Mensch Feuerbach viel geliebt hat.
*9
Julius Müller in Ullmann's theol. Studien 1842, S. 203. [Karl Grün bezieht sich hier auf die Rezension zum „Wesen des Christentums" in den Theologischen Studien und Kritiken. Beiträge zur Theologie und Religionswissenschaft, Hamburg 1842, 1. Heft, S. 171-269.] *10 So naiv in einer gewissen Selbstlosigkeit, als richtig, vergleicht F[euerbach] seine Polemik gegen die Selbsttäuschungen der officiellen Philosophie und Theologie seiner Zeit mit derjenigen seines Vaters gegen die inconsequenten Criminalisten seiner Zeit und schließt mit den Worten: der Unterschied zwischen ihm und mir ist blos der, daß ich auf einem Gebiet operire, wo die meisten Menschen nur ein gewisses Dämmerlicht vertragen, und wo man daher zum Dank für seine Anstrengungen und Aufklärungen, statt Ehren und Würden, wenigstens von der Gegenwart nur Schimpf und Schande erntet." (Vorrede zum Nachlaß des Vaters. XXIX.) [Siehe Feuerbach GW, Bd. 12, S. 15-16, Anm. *.] 78 Siehe Sophokles: Antigone. In: Dichtung der Antike in klassischen und neuen Übersetzungen in 11 Bden., hrsg. von H. Kleinstück und S. Müller, Bd. 4, Weimar 1959, S. 72.
Ludwig Feuerbach m seinem
Briefwechsel und Nachlass sowie in seiner
Philosophischen Charakterentwicklung dargestellt
von
Karl Grün.
Erster Band.
Mit dem Bildniss Feuerbach's.
Leipzig
&
C. F. Winter'sehe
Heidelberg. Verlagshandlung.
1874.
Abbildung 4: Titelblatt der zwei Jahre nach Ludwig Feuerbachs Tod erschienenen zweibändigen Ausgabe von: Ludwig Feuerbach in seinem Briefwechsel und Nachlass sowie in seiner philosophischen Charakterentwicklung, veröffentlicht 1874 im Verlag von Christian Friedrich Winter.
Ludwig Feuerbach's Philosophische Charakterentwicklung1
„Was ich bin? fragst Du mich? Warte, bis ich nicht mehr bin!"*1 I. Bedenken und Entschluss Das vorstehende Motto
Feuerbach 's „Fragmenten zur Charakteristik meines philosophischen Curriculum vitae" bezeichnet die ganze grosse Schwierigkeit meiner Aufgabe. Es ist gleichsam der kategorische Imperativ des Todten an den hinterbliebenen Verwalter seiner Güter, ein Mahnwort, das mir nun seit Jahr und Tag in den Ohren klingt, in die Seele dringt. Er ist nicht mehr, und doch soll sich jetzt erst ergeben, was Er gewesen, nein, was Er in Wahrheit ist und bleibt. Sein Wesen, sein wirklicher Inhalt soll jetzt erst kernhaft leuchten, jetzt, losgeschält aus allen Zufälligkeiten, Inkongruenzen und Schlacken des Lebens, befreit vom Makel und Schmutz der Zeit, als blanker Krystall, als ein aus dem Trümmerboden der jüngsten Erdbildung gewonnener wasserheller Diamant. Widerspricht einer solchen Aufgabe nicht geradezu die Herausgabe eines Nachlasses? Schleppt das Wort „Nachlass" nicht schon an und für sich, unwillkürlich, den Gedanken aus
K. Grün: Ludwig Feuerbach's Philosophische Charakterentwicklung. In: BwN, Bd. 1, S. 1-153. Bd. II, S. 414. Ich zitire natürlich stets nach der Gesammtausgabe, O. Wigand, 1846-1866. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 180. Karl Qrün bezieht sich auf die zehnbändige Ausgabe der „Sämmtlichen Werke" Ludwig Feuerbachs, die im Leipziger Verlag von Otto Wigand herausgegeben -
wurde.]
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allerhand Exuvien, Ueberbleibsel, Trümmer, Geröll, hinter sich her? Ist es nicht Pflicht des Herausgebers eines Nachlasses, nicht nur das, was die Parze zuletzt durchschnitt, ans Licht zu bringen, sondern auch in dem was der arbeitende Denker früher gleichgiltig vom Tische hinabwarf, oder was er in selbstloser Bescheidenheit als unnöthig zur Bekundung seines Gedankens bei Seite liegen Hess, die Spuren seiner Entwicklung, die Minengänge seines Geistes aufzusuchen, um ein vollständiges, sprechendes Lebensbild von ihm entwerfen zu können? |4| Und wenn der Darsteller in diesen Minengängen noch das Echo der Klagen und Seufzer vernimmt, welche der zweifelnde, bisweilen verzweifelnde Bergmann ausgestossen, soll er, darf er sie achtlos verhallen lassen, ohne Notiz davon zu nehmen und zu an
geben?
Er würde ja gerade gegen das Lebens- und Denkprincip des Verblichenen, gegen sein Alpha und Omega sündigen: den ganzen Menschen im Auge zu behalten, sein Empfinden wie sein Denken. „Wahr ist nur, was Du erlebst!" Und hat denn nicht der theilnehmende Leser ein Recht darauf, die ganze innerliche wie äusserliche Persönlichkeit, nicht blos die Substanz, sondern auch die Accidenzen, nicht blos das Nothwendige, sondern auch das sogenannte Zufällige an einem bedeutenden epochemachenden Manne kennen zu lernen, zumal das sogenannte Zufallige, bei Lichte betrachtet, das Nothwendige erst erklärt, wo nicht gar bildet? Ist es nicht endlich im besten Sinne des Wortes interessant zu wissen, wie ein deutscher Philosoph, und einer der grössten, gelebt und gelitten hat, wie sich gerade die Verherrlichung, die Poetisirung dieses Erdenlebens vom Hinter- und Untergrunde prometheischer Qualen abhebt? Diese und verwandte Bedenken waren es, die mich schwanken Hessen, als der ehren-
...
Auftrag, Feuerbachs Nachlass herauszugeben, von Seiten der nächsten Angehörigen, der Gattin und Tochter des Geschiedenen, an mich herantrat.2 Du musst, sagte ich mir, den ganzen Feuerbach charakterisiren, die Entstehung und Ausbildung seines grossartigen Humanismus an der Hand der gesammten Werke entwickeln, Vergessenes und Zurückgedrängtes wieder ins Bewusstsein rufen kurz, dem Nachlasse eine philosophische Charakter-Entwicklung vorausschicken. Als ich mich so zur Herausgabe bereit erklärt hatte, entstand ein neuer Zweifel, den ich jedoch dadurch zu heben suchte, dass ich mich frug: Was würde Feuerbach selbst in ähnlichem Falle gethan haben? Wie hätte Er einen solchen Nachlass behandelt, folglich behandelt zu sehen gewünscht? Die Antwort war zur Hand. Im Jahre 1852 hatte er seines Vaters Anselm von Feuerbach Korrespondenz und Nachlass in zwei Bänden volle
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herausgegeben.'215| 2
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Bertha Feuerbach (1803-1883) und Tochter Leonore (1839-1923). ,¿4nselm Ritter von Feuerbach[']s, weiland kföniglich] bayerischen wirklichen Staatsraths und Appellations-Gerichts-Präsidenten, Leben und Wirken, aus seinen ungedruckten Briefen, Tagebüchern und Denkschriften veröffentlicht {„dargestellt', wollte der Verfasser) von seinem Sohne Ludwig Feuerbach." Leipzig, Otto Wigand, 1852. [Eine zweite, vermehrte Ausgabe erfolgte unter
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Sein Ideal, welches er ganz konsequent zu verwirklichen verhindert wurde, war: die Briefe und Abhandlungen für sich selbst reden zu lassen, und das Ganze kurzweg „Autobiographie" zu nennen. Aus dem zerstreut umherliegenden Material sollte sich durch diskrete künstlerische Anordnung die Gestalt des Helden von selbst aufrichten, während der Plastiker hinter dem Sockel verschwunden wäre.3 Ein abgesagter Feind aller eigentlichen Detail-Biographie bei welchem Begriffe ihm wiederholt die Wörter „Konversationslexikon, Pfennigmagazin" in die Feder kamen4 verschmähte er es, anders als in kurzen Anmerkungen in die Selbstentwicklung des Vaters hineinzureden. „Ein Drama in der Form von Briefen, Tagebüchern, Vorträgen" sollte das Buch sein.5 Der Vater war ihm selbst „eine dramatische Persönlichkeit."6 Und doch lag hier eine unverkennbare Gefahr nahe, die auch in der That nicht gänzlich vermieden worden ist. Anselm von Feuerbach, der grosse Kriminalist und Gesetzgeber, war ein durchaus aktiver, auf unmittelbare Thätigkeit, auf lebendiges Eingreifen in Staat und Gesellschaft angelegter Charakter. Er war eine „Natur" im Göthe'schen Sinne des Wortes. Da hätte es sich wohl der Mühe gelohnt, einen lapidaren Lebensabriss zu geben, die politischen und sozialen Verhältnisse in den verschiedenen Perioden seines Lebens, die Zustände in Frankreich, Deutschland und Bayern drastisch zu beschreiben, und dann erst den Mann in die deutsch-bayrischen Zustände, von ihnen beeinflusst und auf sie einwirkend, hineinzustellen. Durch diese Zuthat würde das vortreffliche Buch wahrscheinlich noch eine ganz andere Wirksamkeit erlangt haben.7 Mit Ludwig Feuerbach haben wir es allerdings leichter. Er ist kein aktiver, sondern ein wesentlich, eigentlich durchaus beschaulicher Charakter; denn selbst wo er, der Natur seiner humanistischen Philosophie zufolge, auf die Aktion dringt, kategorisch sagt: „Es handelt sich nicht darum, Bücher, sondern Menschen zu machen" ist doch diese Forderung selbst eine gebuchte, nicht einmal eine gesprochene, noch viel weniger eine thatsächliche. Er führte die Tage seines Lebens ein geschlossenes Binnenleben, er war sogar gesellschaftlich stets in sich gekehrt; der „Sensualist und Materialist" lebte im -
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dem veränderten Titel „Anselm Ritter von Feuerbach's weiland königlich bayer'schen wirklichen Staatsraths und Appellationsgerichts-Präsidenten. Biographischer Nachlaß. Veröffentlicht von seinem Sohne Ludwig Feuerbach". Sie kam ein Jahr später heraus, nun jedoch in der Leipziger Verlagsbuchhandlung von Johann Jakob Weber.] Siehe Feuerbach GW, Bd. 12, S. 7, 12 und 13. Bereits 1837 hatte sich Feuerbach in einem Brief gegenüber Johann Adam Karl Roux hinsichtlich seiner Leibniz-Charakteristik gegen eine biographische Darstellung ausgesprochen. Siehe Feuerbach GW, Bd. 17, S. 288. Feuerbach GW, Bd. 12, S. 10. Ebenda. Zur Wirksamkeit des Buches vergleiche vor allem den Briefwechsel Ludwig Feuerbachs mit Otto Wigand und Johann Jakob Weber; so beispielsweise Feuerbach GW, Bd. 20, Briefe 757 und 773. Feuerbach GW, Bd. 10, S. 180. Vgl. auch Ludwig Feuerbach an Otto Wigand, 29. Dezember 1842. In: Feuerbach GW, Bd. 18, S. 238. -
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
ununterbrochenen Denkprozesse. Man wird lesen, wie naiv harmlos seine „Betheiligung" an der Bewegung von 1848 war, wie wenig in dieser Beziehung |6| der Sohn dem Vater entsprach, der vermuthlich zu Frankfurt im „linken Centrum" gesessen und die deutsche Justizreform mit Feuereifer betrieben hätte. Ludwig Feuerbach verlangt demgemäss von seinem Biographen eine rein philosophische Charakter-Entwicklung, und diese soll hier wirklich ab ovo versucht werden. Wir wollen allen Ernstes bemüht sein, zu sagen, was er ist, und wie dieses fortan Seiende Gestalt gewonnen hat, d. h. geworden ist. Für die äusserliche Biographie, für Erlebnisse, Freuden und Leiden, Glück und Unglück, Gesundheit, Krankheit, Tod, wird sich der geeignete Platz an der Spitze der fünf Abschnitte finden, in welchen Briefwechsel und Schriftstücke, im Wesentlichen chronologisch geordnet, auftreten.9 So glaube ich sein eigenes Ideal nicht aus den Augen zu verlieren, und zugleich die Mängel einer allzu konsequenten Durchführung desselben zu vermeiden. II.
Die Feuerbach Die Feuerbach sind lauter Feuerbäche. „Vesuvius" nannte Elise v[on] d[er] Recke den Vater Anselm, „Vesuvius" unterzeichnete sich dieser in Briefen an Tiedge und dessen Freundin. Hochbegabte aber auch hochnervöse Naturen. Das juridische Blut vererbe sich in der Familie, meinte Dorguth, der Jurist. Allerdings, der Grossvater war Doctor und Advokat zu Frankfurt a[m] M[ain];10 der Vater Anselm war ein gewaltiger Rechtsgelehrter und Rechtsphilosoph; der Bruder Eduard lehrte das Recht gründlich zu München und Erlangen. Was sich aber noch weit mehr vererbte, als das juridische Blut, war die Feuergarbe, die nach allem Wissenswerthen züngelte, die geniale Unsicherheit in der Wahl des Berufs, das Ablenken von einer Laufbahn auf die andere. Der Vater Anselm (1775-1833) glaubte sich im Anfang durchaus nicht zum Juristen bestimmt. Er trieb zu Jena Philosophie, Geschichte und Poeterei, verehrte den Kantianer Reinhold aus Wien schwärmerisch, betheiligte sich lebhaft bei der Schwärmerei für |7| Freundschaft und „selige Augenblicke", „himmelhoch jauchzend zum Tode betrübt", promovirte sogar in der philosophischen Fakultät. Die Achtung vor seinem Vater dieser Vater spielte den Dracon, wie der Sohn Anselm später gegen seine Söhne eine frühzeitige Heirath, die Sorge für die Gattin11 und den Erstgebornen, den Freiburger Anselm -
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Die fünf Abschnitte werden von Grün in der „Redaktionellen genannt. Siehe dazu Ausgewählte Schriften, Dokument 19. Johann Anselm Feuerbach (1755-1827). Wilhelmine Feuerbach, geb. Tröster (1774-1852).
Vorbemerkung"
zusammenfassend
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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trieben ihn zur Juristerei, zu „Amt und Einnahme". Die Jurisprudenz war ihm zuwider, aber er ,/nusste sie liebgewinnen".13 Vater Anselm hatte seiner Zeit ganz Ludwig Feuerbach'sehe Anflüge. Aus dem Tacitus merkt er sich: Mors omnibus ex natura aequalis, oblivione apud posteros vel gloria distinguitur. „Der Tod ist Allen von der Natur gleichmässig beschieden; die Nachwelt unterscheidet durch Vergessen oder Ruhm."14 In den „Einfallen, Launen und Exzerpten 1793-95", lesen wir: [,,]Die Manitu (Fetische, Götter der Wilden), von denen de Brosses spricht, und welche Vogel für platonische Urbilder hält, scheinen mir nichts weiter zu bedeuten, als die Ursache des Daseins von einer Art, Gattung von Dingen, f"]15 [,,]Woher kommt die Einstimmung unter dem Mannigfaltigen? Von einer unsichtbaren Ursache, welche diese Art erschafft, welche ihr diese gemeinschaftliche Form aufdrückt. Von der Einheit in dem Mannigfaltigen also wurden diese Wilden auf einen Urheber einer Art Später, zu Anfang der zwanziger Jahre, geisselt der Vater die Wunder des Prinzen Hohenlohe; Hohenlohe ist ihm ein „Bube".17 Tapfer streitet er gegen die Einführung der calvinistischen Presbytérien, für das ächte Lutherthum. Wie Ludwig hatte auch der Vater seine Augen eine Weile in die Ferne gerichtet, um eine Heimstätte zu entdecken. 1815 hoffte er auf Berlin und den Minister vfon] Schuckmann; aber Schmalz verlegte ihm mit Denunziationen den Weg.18 Auch die Poeterei blieb an ihm haften; als erster Präsident des Appellationsgerichtes zu Ansbach, fasste er die „Gita Gwinda" aus dem Sanskrit in metrische Form.19
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geführt."16
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13 14
Feuerbach GW, Bd. 12, S. 413. Ebenda. Siehe [C] Tacitus: Historien. Lateinisch-deutsch ed. J. Borst unter Mitarbeit von H. Hross, Bamberg 1959, S. 34-37, Lib. I, 21: „mortem omnibus ex natura aequalem oblivione apud posteros vel gloria distinguí" „Der Tod sei von Natur uns allen in gleicher Weise bestimmt, ein Unterschied ergebe sich nur darin, ob ihm Vergessenheit bei der Nachwelt oder Ruhm folge." Siehe auch Feuerbach GW, Bd. 12, S. 54. Feuerbach GW, Bd. 12, S. 25. P. J. A. v. Feuerbach: Einfälle, Launen und Exzerpte, Jena 1793-95, In: Feuerbach GW, Bd. 12, S. 23-26. Hier zitiert von S. 25. Paul Johann Anselm von Feuerbach an Elise von der Recke. In: Feuerbach GW, Bd. 12, S. 437. Siehe Feuerbach GW, Bd. 12, S. 291, 297 und 299. Paul Johann Anselm von Feuerbach hatte das „überaus liebliche episch-lyrisch-dramatische Idylle, des indischen Dichters Jajadeva" metrisch übersetzt. „Das Werkchen braucht nur ganz durchgefeilt, mit Einleitung, Anmerkungen und einem erklärenden Wörterverzeichnis versehen zu werden, um in dem Drucke mit Ehren erscheinen zu können", schrieb er am 27. März 1819 an Christoph August Tiedge und Elise von der Recke (Feuerbach GW, Bd. 12, S. 390). Im Juli 1819 war das Werk druckreif. Es kam jedoch nicht zur Veröffentlichung, „weil (soweit sind wir in Bayern mit der geistigen Kultur) ich den Vorwurf befürchten muß, daß ich meiner Würde als Präsident durch die Herausgabe dieses Gedichts vergebe." (Paul Johann Anselm von Feuerbach an Christoph August Tiedge und Elise von der Recke, 11. Juli 1819. In: Ebenda, S. 397.) Ob Feuerbachs Vater von den beiden bereits bestehenden englischen und deutschen Übersetzungen, die 1802 veröffent-
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1828 kam der unglückliche Kaspar Häuser20 nach Nürnberg zu Daumer. Anselm von Feuerbach ging dem Räthsel kritisch-psychologisch, noch mehr als juridisch, auf den Leib. 1832 erschien das Buch: ,,K[aspar] H[auser], Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben des Menschen."21 Die Fama wollte wissen, der Verfasser sei im folgenden Jahre auf nicht natürliche Weise aus der Welt geschafft worden. |8| Diese Erklärung war überflüssig. Anselm v[on] F[euerbach], Vesuvius, hochnervös, ein fanatischer Arbeiter, „voll Ehrgeiz und Ruhmbegierde",22 antizipirte schon 1829 Redewendung wie Schicksal seines Sohnes Ludwig. Er schrieb zu Ansbach: „Klar ist es mir, dass hauptsächlich die Einförmigkeit meines hiesigen Lebens, der Mangel an äusserer Anregung und geistiger wie leiblicher Bewegung, meiner Natur entgegen ist, und daher auch auf meinen Körper selbst nachtheilig einwirkt."23 Im selben Jahre fiel er zu Ansbach vom Präsidentenstuhle, „lag vier volle Stunden in einem Zustande, der mit der Ohnmacht alles gemein hatte, nur nicht das erloschene Bewusstsein."24 1832 erlitt er einen zweiten, heftigeren Schlaganfall; zu Pfingsten 1833 den dritten, tödlichen. Bei der Obduktion fanden sich alle edlen Theile unversehrt. Eduard Feuerbach (1803-1843) hatte entschiedenste Neigung zur Naturkunde, sammelte früh und eifrig; der Wunsch des Vaters aber wurde ihm Gebot, und er studirte die Jurisprudenz mit Erfolg. Ludwig dagegen, der Philosoph, bewies bei der Herausgabe des väterlichen Nachlasses ein gründliches Verständniss der Rechtsbegriffe, wie er auch in seinen Werken durch die Anwendung rechtsphilosophischer Parallelen und Citate -
häufig frappirt.
Anselm, der älteste Bruder, der „Belvederische" Feuerbach (1798-1851), scheint uns doch Allen nachträglich für sein Fach geboren zu sein. Konnte dieses für die antike Plastik geformte Auge sich einen Augenblick über sein wahres Objekt täuschen? Nicht nur täuschen konnte er sich, trüben sogar, umdüstern. Mit 21 Jahren will der Philologe und Antiquar durchaus Theologe werden, sinkt zu Mystik hin, wird schwermüthig, gemüthskrank, muss die Universität verlassen, ein Jahr lang zu Hause gepflegt werden, ehe er zu seinen Studien zurückkehrt.
licht worden waren, Kenntnis erlangte und auch aus diesem Grund seine Übersetzung nicht erschien, ist nicht bekannt. Vgl. Gita-govinda oder die Gesänge Jajadeva's, eines altindischen Dichters. Aus dem Sanskrit ins Englische, aus diesem ins Deutsche übersetzt mit Erläuterungen von F. H. von Dalberg (Erfurt 1802) und Gita-Govinda. Ein indisches Singspiel von Jajadeva. Aus der Ursprache ins Englische von W. Jones und aus diesem ins Teutsche übersetzt und mit einigen Er20 21
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läuterungen begleitet von F. Majer (Weimar 1802).
Im Original fälschlich: Kasper Hauser P. J. A. v. Feuerbach: Kaspar Hauser. Beispiel eines Verbrechens Ansbach 1832. Feuerbach GW, Bd. 12, S. 31. Ebenda, S. 552. Ebenda, S. 548.
am
Seelenleben des Menschen,
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Karl, der Zweitälteste Bruder (1800-1834), ein mathematischer Kopf ersten Ranges welche Galerie von Kapazitäten! fällt als Student der infamen bayrischen Demagogenriecherei zum Opfer, macht im Gefängniss zu München zwei Selbstmordversuche, wird durch Thiersch aus den Klauen des politischen Jesuitismus gerettet, und krankt lange bedenklich am Geiste. Er hatte eben viel Verstand zu verlieren.25 Die Schwester Helene wurde durch eine Missehe mit Baron Dobeneck schwer geprüft, und verfiel nach der friedlichen Scheidung in Nervenfieber und Seelenzerrüttung. Das Vaterherz hat alle diese Qualen erdulden müssen. |9| Bei solcher geistigen und gemüthlichen Anlage und Begabung giebt es nur ein Mittel der Befreiung: die Aeusserung, das Aus-sich-Heraustreten, nicht nur um zu sagen, was man leidet, sondern um das Leiden überhaupt in den Lethestrom des wissenschaftlichkünstlerischen Schaffens zu versenken. Diejenigen Feuerbach, welche produktiv sind, haben Klassisches geleistet. Wie strömt es aus dem Vater, voll Liebe und Zorn! Wie feuerflüssig sind seine Briefe, wie kernig und körnig seine Abhandlungen in jeder Zeile der ganze Mann! Der Sohn Anselm schreibt ein Kunstwerk über ein Kunstwerk, man weiss nicht was schöner ist, sein Apollo, oder der Vatikanische. Geist und Herz, genauestes Wissen und zarteste Empfindung sind immer Eins bei ihm. Wie prächtig hat seine tapfere und geistreiche Frau diesen Anselm geschildert, vor der Nachwelt in Erz gegossen!26 Auch Fritz, der jüngste Bruder (geb. 1806) gehört zu den höchstbegabten Naturen. Von Profession war er Philologe, gleich ausgezeichnet in der orientalischen, klassischen und modernen Sprach- und Literaturkunde. Später wandte er sich der Richtung seines Bruders Ludwig zu, schrieb aber äusserst populär, dem Volksverstande entsprechend.
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„Ich predige das, was Ludwig lehrt," pflegte er zu sagen.*3
Karl Wilhelm Feuerbach wurde Anfang Mai 1824 verhaftet, des Hochverrats beschuldigt und mußte ein Jahr in München Einzelhaft über sich ergehen lassen. In den Verhören sollte er „seine Verbindung mit den angeblich umstürzlerischen Bestrebungen von Männern wie Dietz, Eisenmann u. a." erklären. Erst am 11. Mai 1825 stellte das Oberappellationsgericht des Isarkreises die Generaluntersuchung gegen Karl Feuerbach ein. Siehe U. und U. Münchhoff: Die Demagogenverfolgung in Bayern 1823-25, von Erlanger Quellen aus neu betrachtet. In: Erlanger Bausteine, H. 30, Erlangen 1983, S. 188. Siehe auch schon L. F. Ilse: Geschichte der politischen Untersuchungen, welche durch die neben der Bundesversammlung errichteten Commissionen, der Central-UntersuchungsCommission zu Mainz und der Bundes-Central-Behörde zu Frankfurt in den Jahren 1819 bis 1827 und 1833 bis 1842 geführt sind, Frankfurt am Main 1860 (Reprographischer Nachdruck Hildesheim 1975), Anhang Nr. I, S. II—III, V und VII. Grün bezieht sich auf den 1. Bd. der Nachgelassenen Schriften Joseph Anselm Feuerbachs, der unter dem Titel: Anselm Feuerbach's Leben, Briefe und Gedichte, hrsg. von Henriette Feuerbach, 1853 in Stuttgart zur Veröffentlichung kam. Die drei darauffolgenden Bände brachte Hermann Hettner heraus. Von Friedrich Feuerbach existirt die Uebersetzung einer Episode aus dem Sanskrit-Epos „Mahabaratha", die im „Ausland" erschien, und eine Verdeutschung der berufenen Manon Lescaut des Abbé Prévost (1834). Auf der Spur seines Bruders Ludwig verfasste er: „Theanthropos", eine Reihe -
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Von Ludwig, dem Meister des Ausdruckes, dem Plastiker des empfundenen Gedankens, werden wir zu reden haben. Und wer kannte nicht den jüngsten Anselm, den Enkel des ersten, den Maler Feuerbach, der sich aus Venedig die Farbe aus Rom den Styl geholt, und von dem trotz aller Kritik die Feuerbach'sche Maxime gelten wird: in maximis voluisse, nur das Grösste gewollt zu haben. |10| Der Vater hat sich mit 58 Jahren aufgezehrt, Anselm mit 53, Eduard mit 40, Karl mit 34 Jahren. Länger als alle diese hielt es Ludwig aus, er brachte es auf 68 Jahre. Fritz lebt
noch.
III. Feuerbachs Ludwig Jugend und Lehrjahre
Ludwig Feuerbach wurde zur Theologie bestimmt, oder wenn man seine eigenen Aeusserungen über sein jugendliches Sinnen zu Rathe zieht; er war zur Theologie bestimmt. Aufs Ernste und Ideale von Haus und vom Vater aus angelegt, nahm er den protestantischen Glauben im Ernste und suchte sich durch denkendes Lesen, besonders der Bibel, mit dem Inhalte dieses Glaubens zurecht zu finden. Schon auf dem Gymnasium, als einer seiner Lehrer Religionsphilosophisches vorbrachte, horchte Ludwig hoch auf.*4 Später drückte er sich darüber so aus: „Die erste während meiner Jugendperiode, ungefähr im 15. oder 16. Lebensjahre, mit Entschiedenheit hervortretende Richtung galt nicht der Wissenschaft oder gar Philosophie, sondern der Religion. Diese religiöse Richtung entstand aber in mir nicht durch den Religions-, resp[ektive] Konfirmationsunterricht, der mich vielmehr, was ich noch recht gut weiss, ganz gleichgültig gelassen hatte, oder durch sonstige äussere religiöse Einflüsse, sondern rein aus mir selbst, aus Bedürfniss nach einem Etwas, das mir weder meine Umgebung, noch der Gymnasialunterricht gab. In Folge dieser Richtung machte ich mir denn die Religion zum Ziele und Berufe meines Lebens, und bestimmte mich zu einem Theologen. Aber was ich einst werden sollte, das wollte ich jetzt schon sein. Ich beschäftigte mich daher schon als Gymnasiast eifrig mit der Bibel, als der Grundlage der christlichen Theologie. So hatte -
Aphorismen, Zürich, 1838; „Die Religion der Zukunft", 1. Heft, literarisches Comptoir[s], Zürich und Winterthur, 1843; 2. Heft, Nürnberg, Th. Cramer, 1844 [recte: 1845 M. K.]; „Mensch oder Christ?" Nürnberg, Th. Cramer, 1845; „Die Kirche der Zukunft", Bern, Jenni Sohn, 1847 (seine Lieblingsschrift); „Gedanken und Thatsachen", Hamburg, O. Meissner, 1862, objektiv wohl das beste, und im glücklichsten Kontrast zur persönlichen Zerstreutheit, höchst präzis geschrieben. Ein Beispiel aus „Mensch oder Christ": „Die Religion der Zukunft ist nichts Anderes, als der Glaube an die Berechtigung des natürlichen Glückseligkeitstriebes, so wie an die Kräfte der menschlichen Natur, als die wesentlichen Bedingungen zur Befriedigung desselben." [Ebenda, S. 8.] Ungefähr der ganze [D. F.] Strauss, „alter und neuer Glaube", [Leipzig 1872. Vgl. auch Anm. *174]. Nach einer handschriftlichen Bemerkung zu „Hegel", im Nachlasse. von
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ich, um des Hebräischen Meister zu werden, mir auch nicht mit dem Gymnasialunterricht für künftige Theologen genügen lassen, sondern zugleich bei einem Rabbi27 noch Privatstunden genommen. 1822 absolvirte ich das Gymnasium, blieb aber noch im elterlichen28 1111 Hause, um für mich zu studiren. In dieser Zeit studirte und exzerpirte ich Gibbon 's Verfall des römischen Reiches,29 Mosheim 's Kirchengeschichte,30 Herder's Briefe über das theologische Studium,31 Eichhorns Einleitung in das A fite] und Nfeue] Testament,32 und eine theologische Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts. Auch machte ich in dieser Zeit Luther 's und Hamann 's Bekanntschaft."*5 Latein und Griechisch, sein späteres Sprengpulver, sammelte er tüchtig, und konnte manchem Philologen von Fach etwas herausgeben. Ehe er zur Universität ging, studirte und exzerpirte er also im väterlichen Hause Herder 's „Briefe über das Studium der Theologie." Hier war es besonders das praktische Element im Herder'schen Christenthum, die Menschenliebe, die seinem Geist und Gemüth zusagten. „Sobald das Christenthum schlaffe Gewohnheit, ererbtes Gut, oder gar fürchterliches und doch müssiges Landesgesetz, kurz, Leibes- und Seelenzwang ward, blieb's kein Christenthum mehr. Dies beruht nur auf That und Ueberzeugung, auf Geist und Wahrheit (XV. Brief).33 Das sollte den Traditions-Christen im „Wesen des Christenthums" deutlich gemacht werden.
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Um wen es sich hierbei handelt ist nicht bekannt. Im Original: älterlichen E. Gibbon: Geschichte des Verfalls und Untergangs des Römischen Reiches, aus dem Engl. übers, mit Anm. von F. A. Wemk, K. G. Schreiber, C. D. Beck und K. L. Müller, 19 Bde., Leipzig 1776 bis 1888. J. L. v. Mosheim: Vollständige Kirchengeschichte des Neuen Testaments, aus dessen größeren Werken und anderen Schriften mit Zusätzen verm. und bis auf die neuern Zeiten fortges[etzt] von J. R. Schlegel, 7 Bde., Heilbronn 1770-1796. Feuerbach verwendete nachfolgend genannte Ausgabe: Johann Gottfried Herder's Briefe, das Studium der Theologie betreffend. Nach der zweiten verbesserten Ausgabe 1785, hrsg. von J. G Müller, 1. Thl.: (Brief 1-37), Tübingen 1808. (= J. G. Herder's sämmtliche Werke, Abteilung Religion und Theologie, 9. Thl.). Vgl. auch U. Schott: Die Jugendentwicklung Ludwig Feuerbachs bis zum Fakultätswechsel 1825. Ein Beitrag zur Genese der Feuerbachschen Religionskritik. Mit einem bibliographischen Anhang zur Feuerbach-Literatur, Göttingen 1973, siehe bes. den Abschnitt: Feuerbachs Herder-Exzerpte vom Winter 1823, S. 48-69. J. G. Eichhorn: Einleitung ins Alte Testament, 3 Thle., Leipzig 1780-1783. Ders.: Einleitung in -
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das Neue Testament, 5. Bde., Leipzig 1810-1827. L[udwig] Feuerbach an LfudwigJ Noack. (Handschriftlich) 1846. [Feuerbach GW, Bd. 19, S. 68 bis 69. Grün lag der Briefentwurf Feuerbachs vom 23. Juni 1846 vor.] a. a. O. (Anm. 31), S. 194. Uwe Schott, der die ExzerpthefJohann Gottfried Herder's Briefe te im Münchener Feuerbachnachlaß durchgesehen hat, hält an dieser Stelle fest, daß das von Grün hier in der „Philosophischen Charakterentwicklung" wiedergegebene Zitat nicht in Feuerbachs Exzerptheft steht [siehe ders., Die Jugendentwicklung Ludwig Feuerbachs a. a. O. (Anm. 31), -
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„Ueber die Göttlichkeit dieser (heiligen) Schriften metaphysiziren Sie so wenig als
Disputs" (XXIII. Brief).34 Das hat Feuerbach später den Dogmatikern deutlich gemacht. „Thatsache ist der Grund alles Göttlichen der Religion, und diese kann nur in Geschichte dargestellt, ja sie muss selbst fortgehend lebendige Geschichte werden. Gemöglich.
Der Modus davon ist keine Sache des
schichte ist also der Grund der Bibel, die Wurzel und der Stamm des Baumes, aus dem die Lehren wie Aeste ausgehen, an welchem die Pflichten wie Blüthen und Früchte wachsen" (XXIII. Brief).35 Dass diese „Geschichte" gänzlich von der äusseren Schaubühne in das innere Forum verlegt werden müsse, das sollte erst ein Jahrhundert nach Herder den Gläubigen deutlich werden. Herder scheint eine Ahnung davon gehabt zu haben, wenn er, der Konsistorialrath und Generalsuperintendent von Weimar, den streitsüchtigen Theologen im Namen der Religion ein Noli me tangere zurief!36 Bekanntlich hat Feuerbach diese Herder'sche Weisung stets befolgt: er hat niemals über Religion gestritten, er hat die Religion erklärt, und wenn er stritt, so handelte es sich blos darum, |12| ob die Religion das sei, wofür er sie erklärte, oder etwas Anderes. Persönlich, dem ernstlich Gläubigen gegenüber, war es das vollendete Muster der Toleranz. In Heidelberg stiess Feuerbach auf einen Religionsstreiter und auf einen Religionserklärer. Der erstere war Paulus, der Letztere Daub?1 Nie hat es zwei antipathischere Naturen gegeben, als Paulus und Feuerbach. Dieses verwässernde, sylbenstechende Rationalisiren der Schrift, dieses Textverdrehen und Textauskehren, dieses inquisitorische Foltern von Thatsachen und Beweisen des Glaubens, dieses selbstgewiss pfiffige Wegerklären alles Inhaltes, diese Exegese, wirkliche Ausführung, Eskamotage des positiv Vorhandenen, verletzte, indignirte, empörte den Jüngling. Der erste wirklich sympathische Lehrer und Freund wurde ihm Daub, eine wahrhaft edle und hohe Natur, ein Mann, der den theologischen Inhalt mit Verstand und Herz zugleich durchdrang, ein Mann von Geist und Empfindung. um Daub zu hören, der nach dem, was ich „Ich ging hauptsächlich nach Heidelberg, IQ dem in der letzten Zeit meines Gymnasiallebens von ihm gehört und gelesen hatte, gewonnenen Standpunkt denkender Religiosität vollkommen zu entsprechen schien und auch wirklich
entsprach."*6
S. 65, Anm. 184.] Feuerbach zitiert aus dem XV. Brief Herders eine andere Stelle, die Grün im Nachlaß (siehe BwN, Bd. 1, S. 206) wiedergibt. a. a. 0. (Anm. 31), S. 305. Johann Gottfried Herder's Briefe Ebenda. (lat): Rühr mich nicht an! Johannes 20,17. Heinrich Eberhard Gottlob Paulus (1761-1851) und Karl Daub (1765-1836). Zu Feuerbachs Verehrung für Karl Daub siehe u. a. U. Schott: Die Jugendentwicklung Ludwig Feuerbachs a. a. O. (Anm. 31), S. 82-110. Feuerbach an Noack a. a. O. [Feuerbach GW, Bd. 19, S. 69. Siehe den vorliegenden Text, -
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Anm.
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Daub war es, der bei näherer Bekanntschaft mit dem herrlichen Jüngling auf die richtige Vermuthung gerieth: „Der Feuerbach bleibt nicht bei der Theologie, der geht zur Philosophie über."39 Daub ermuthigte ihn, als er in Berlin zu dem Entschlüsse kam, den Jordan zu überschreiten; Daub stellte sich auf die Seite des Sohnes gegen den unwilligen Vater.40 Aber wesshalb genügte denn Daub nicht, der doch „spekulativ" zu Werke ging? Weil Daub eben doch noch Theologe war, weil der von ihm so nachdrücklich durchgeistigte Stoff eben doch immer der dogmatische Stoff blieb. „Gleichwohl vermisste ich etwas bei ihm, was ich aber damals mir noch nicht recht deutlich machen und aussprechen
konnte."*7
Als Ludwig Feuerbach sich von Heidelberg nach Berlin sehnte, als ihm die Seele brannte nach jener Mekkafahrt, da hatte er die Theologie bereits überwunden, da war, wie er später sagen sollte, bereits etwas in seinem Wesen aufgegangen, was noch nicht in |13| sein Bewusstsein trat. Er stand mit seinem Wesen bereits als Novize im Vorhofe des Isistempels, während sein Bewusstsein noch in Palästina weilte. Die Hauptkollegien bei Daub hatte er gehört, von ihm könne er nichts mehr lernen, so drückte er sich aus. Auf nach Berlin, in das Zeichen des Makrokosmos, wo „Himmelskräfte auf- und niedersteigen, und sich die gold'nen Eimer reichen!" In das Hegel'sche Empyreum des „absoluten Begriffs!" Wir Späteren und der Schreiber dieses ist selbst ein Späterer geworden können uns kaum noch eine recht lebendige Vorstellung von dem Zuge des Herzens machen, der in den zwanziger und dreissiger Jahren alle strebenden Köpfe nach Berlin, zu den Füssen Hegels, in die Auditorien seiner vorzüglichsten Schüler trieb, einem Zuge, der in Wahrheit des Schicksals Stimme genannt werden konnte. Wenn die späteren Hegelianer auf dem Katheder meist doktrinär, schal und abgestanden erfunden wurden, was soll man erst zu zünftigen Kantianern sagen? War unter ihnen auch nur Einer, der die Tradition des grossen Königsbergers würdig, oder auch nur korrekt fortgesetzt hätte? Wo wäre auf irgend einem Lehrstuhl ein Kantianer gewesen, der die Schüler mit den Augen der „reinen Vernunft" angeschaut, wo ein Dozent, aus dessen Vortrag der geheimnissvolle Schauer geweht hätte, der uns aus Wilhelm Humboldts Verehrung Kants so wohlthuend anmuthet, oder der einen Rokitansky veranlasste, am Sezirtisch von der transzendenten Bedeutung des „transzendentalen Idealismus" zu reden!41 Rosenkranz hatte sein „Leben Kants"42 noch nicht geschrieben, und -
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Die Aussage Daubs gibt Wilhelm Kohl in seinem Brief an Feuerbach vom 6. Februar 1825 wieder. Feuerbach GW, Bd. 17, S. 65. Siehe die beiden Briefe Ludwig Feuerbach an Karl Daub vom [September 1824] und vom 29. Januar 1825, in: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 52-56 und S. 58-64. Feuerbach an Noack a. a. O. [Feuerbach GW, Bd. 19, S. 69. Siehe Anm. *5.] Vermutlich bezieht sich Karl Grün hier auf den Wiener Pathologen Karl von Rokitansky (1804 bis 1878), der mit Rudolph Virchow als Begründer der pathologischen Anatomie galt. Seine Befunde stellte er in dem dreibändigen „Handbuch der pathologischen Anatomie" (Wien 1840-1846) dar. -
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mir persönlich ging die Grosse Kants erst auf, als ich in Schillers philosophischen Schriften gewahrte, wie der dichterische Genius „mit segenduftenden Schwingen" das stählerne Netz der Kategorien und Antinomien zu durchbrechen suchte. Woher diese Unfähigkeit der Kantianer, und rührt die lange Unpopularität Kants einzig daher? Kantianer von der strikten Observanz kann es kaum geben; Kant hat kein System der Philosophie gegründet, und konnte ein solches gerade vermöge der Natur seines Geistes nicht gründen. Er war zu gross für ein System, seine unermessliche Bedeutung liegt gerade in seiner Systemlosigkeit. Wer die „transzendentale Aesthetik" in sich aufgenommen, in succum et sanguinem, in Fleisch und Blut verwandelt hat, der besitzt ein Prinzip des Denkens, aus dem er sich die Welt selber aufbauen mag. Man kann sagen, alle neuere Spekulation, selbst |14| die gegnerische, geht von der „transzendentalen Aesthetik" aus. Bei der „transzendentalen Logik" schon können die Wege auseinander gehn, und man bleibt dennoch auf der Spur Kants. Man darf die Kritik der „praktischen Vernunft" negiren oder besser, die Wendung dieses Werkes psychologisch-historisch erklären, ohne Kant zu verleugnen. Aber zu solcher Art der Auffassung und Behandlung gehört eine hohe individuelle Begabung, philosophische Naturanlage, wie sie Schopenhauer unbedingt im negativen Sinn besass; so etwas wird nicht durch Nachbeten und Nachtreten erreicht. Aechte Kantianer sind so paradox es klingen mag- solche Denker, die am wenigsten Kants Worte wiederholen, von der Hälfte seiner Resultate sogar völlig schweigen. Mit der Unfähigkeit der Kantianer von Fach, Philosophen auf eigene Faust zu sein, ist die Unpopularität Kants aber noch lange nicht genügend erklärt, obgleich wir die gemeinsame Wurzel beider Erscheinungen bereits blosgelegt haben. Der eigentliche Grund dieser Unpopularität zur Blüthezeit des Hegelthums, wie heutzutage, ist: Kant gibt nichts sogenanntes Positives; er lässt sich nicht in eine Wünschelruthe zusammenbinden, mit der man nur die verschiedenen Gebiete der Welt und des Menschen zu berühren braucht, um jedesmal im Nu hervorzulocken, was drinnen im Boden liegt, oder was man gerade zu haben wünscht. Er hat kein Sprüchlein ersonnen, welches auf Alles passt, jetzt auf Religion, dann auf den Staat, morgen auf die Kunst, übermorgen auf die Sitten, einmal auf Geschichte, ein andermal auf die Natur. Nur wer solche Sprüchlein erfindet und feilbietet, der wird populär. Exempla adsunt, die Beispiele liegen vor unsern Füssen. Kant, der gesammte Denkprozess, welcher in seinen Werken vorliegt, bringt es nie zu fertigen Resultaten, die man, mit Etiketten versehen, in den Handel bringen könnte; der gründlichste aller Denker war zugleich der vorsichtigste. Am letzten Ende flüstert nicht Resultaten, so das Postulat von Gott, Tugend, Uner etwas von Postulaten Ehren des zu sterblichkeit, kategorischen Imperativs, in der Kritik der „praktischen -
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K. Rosenkranz / F. W. Schubert (Hrsg.): Immanuel Kant's Biographie. Zum großen Theil nach handschriftlichen Nachrichten dargestellt. In: Immanuel Kant's Sämmtliche Werke, 11. Thl., 2. Abth., Leipzig 1842.
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„ästhetischen Gemeinsinns" in der Menschheit, zur interesselosen Wohlgefallens am Schönen, in der nothwendigen, Erklärung Urtheilskraft". Grundbass der Kant's zu allen Melodien brummt eigentlich im„Kritik mer: Seht selbst zu, überlegt Euch die Sache, aber bleibt innerhalb der nothwendigen, ausschliesslichen Erkenntnissformen! Verlasst Ihr diese nicht, so werdet Ihr |15| schon etwas herausbringen; schwärmt Ihr darüber hinaus, so ist es ohnehin gleichgültig, was Vernunft";
so
das Postulat eines
unseres
Ihr treibt! Man denkt nicht mit zwanzig Jahren, wenn man auch „philosophisch" oder „spekulativ" «acAzudenken vermag. Die Begeisterung verlangt andere Nahrung als ein paar Bücher mit sieben Siegeln. Persönlichkeit will bei dem Werke sein, ein Magister und ein Verbum magistri. Das philosophische Bedürfniss ist zunächst ein HerzensBedürfniss, wenn auch das Herz im Namen des Kopfes verlangt. Philosophie ist zu Anfang, was sie nach Feuerbach zuletzt sein soll, Religion, d. h. den ganzen Menschen einnehmendes und bestimmendes Wesen, nicht sowohl sein Être suprême, als sein Être intime. Hegel war der Mann für den bedürftigen, „zerrissenen" Feuerbach.43 Gravitätisch steif, das wandelnde Gedanken-Skelett mit der Negation des Fleisches und Blutes, aber unfehlbar in der Struktur bis auf das kleinste Knöchlein, bis auf das os intermaxillare, festbewusst, apodiktisch überzeugt, folglich überzeugend; die Welt aus dem Gedanken schaffend, wie Jehova am ersten Tage; alle Dinge erklärend, mit Nothwendigkeit setzend, nichts draussen lassend, jede Antinomie durch den dialektischen Schluss zur Nomie, zur Gesetzmässigkeit beugend und hereinschlingend; anwendbar auf jegliches Ding im Himmel und auf Erden und unter der Erde, dabei grundgütig herablassend gegen die „Vorstellung", die er in den mannigfachsten Wendungen als dem „Begriffe" adäquat nachwies, vorbehaltlich des begrifflichen Stempels; durchaus kurativ gegen Zweifel und Zerrissenheit, den Menschen mit sich selbst, mit der Welt freilich immer und alles im „Gedanken" versöhnend, ihn zuletzt einführend in den „absoluten Geist", dem aus dem Kelche des ganzen Wesenreiches jubelnd die Unendlichkeit entgegenschäumt. In Berlin lebte Feuerbach sich in das Hegelthum ein, er schwelgte in dieser Metaphysik, berauschte sich an dieser Selbstgewissheit des Geistes; aber es war wieder nur ein Prozess, eine psychische Gährung. „Ich ging nach Berlin, um Hegel, aber zugleich auch die namhaftesten dortigen Theologen zu hören. Die Universität Berlin betrat ich in einem höchst zerrissenen, unglücklichen, unentschiedenen Zustand; ich fühlte bereits die spätere Zwietracht zwischen Philosophie und Theologie, die Nothwendigkeit, dass man entweder die Philosophie der Theologie, oder die Theologie der |16| Philosophie aufopfern müsse. Ich entschied mich für die Philosophie. Ich hörte Schleiermacher und Neander, aber ich -
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Vgl. Ludwig Feuerbach an Ludwig Noack, 23. Juni
1846. In: Feuerbach
GW, Bd. 19, S. 69.
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konnte es nur eine kurze Zeit bei ihnen aushalten. Der theologische Mischmasch von Freiheit und Abhängigkeit, Vernunft und Glaube, war meiner Wahrheit, d. h. Einheit, Entschiedenheit, Unbedingtheit verlangenden Seele bis in den Tod zuwider. Zwei Jahre hörte ich Hegel. Mit dem Studium der Philosophie verband ich in Berlin zugleich das Studium der Mathematik und In Heidelberg sehnte er sich nach der Philosophie, in Berlin fand er, dass die Philosophie die Theologie unmöglich mache. Hatte ihm das Hegel gesagt? Mit Nichten, die Religion hat ja nach Hegel dasselbe in der „Vorstellung", was die Philosophie im „Begriffe" hat. Das Resultat der Hegel'schen Religionsphilosophie ist. „Geh' auf die Kanzel und lehre Jesum Christum, den eingebornen Sohn Gottes! Deine Gemeinde nimmt das wörtlich, im buchstäblichen Verstände der Vorstellung; du aber heuchelst nicht, denn du denkst dir dabei Dasselbe, nur in der Sublimation des Begriffes, Christus als zweite Hypostase des absoluten Geistes, als das schaffend erschaffene Wort." Feuerbach sah die Dinge anders an und indem er Hegeln in zwei Theile theilte, in den Metaphysiker und den Religionsphilosophen, war er schon über Hegel hinaus; denn Hegel muss so gut solidarisch mit sich selbst sein, wie jedes Kaufmannshaus. Ein Geschäft kann nicht gute und gefälschte Waare verkaufen, und dann wegen der guten Waare um Indemnität für die schlechte einkommen; sondern das Geschäft, welches auch gute Waare debitirte, wird trotzdem wegen der Fälschung verurtheilt. Und was sagte Feuerbach beim Abschiede zu dem verehrten Meister? „Jetzt gehe ich Naturwissenschaft studiren!" In späteren Jahren schrieb er folgende Bemerkung über seinen Abschied von Hegel nieder: „Schon in Berlin nahm ich eigentlich Abschied von der spekulativen Philosophie. Meine Worte, mit denen ich von Hegel Abschied nahm, waren ungefähr: „Zwei Jahre habe ich sie nun gehört, zwei Jahre ungetheilt Ihrer Philosophie gewidmet; nun habe ich aber das Bedürfniss, mich in das direkte Gegentheil zu stürzen. Ich studiren nun Anatomie." Leider setzten häusliche Missverhältnisse diesem Vorhaben Hindernisse entgegen |17| und warfen mich wieder zurück auf mich und das blosse Denken, ob ich gleich ein Jahr später Physiologie und Anatomie, aber nur allgemeine, hörte." *9
Philologie."'8
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Vom 28. Juli 1824 bis zum 22. April 1826 hatte Feuerbach in Berlin studiert. Siehe dazu die Matrikel Nr. 594 des 14. Rektorats an der Philosophischen Fakultät der Friedrich-WilhelmsUniversität zu Berlin. Ich danke dem Universitätsarchiv für die mir zur Verfügung gestellten Materialien. Bei dem Kirchenhistoriker Johann August Wilhelm Neander hörte Feuerbach im Wintersemester 1824/1825 Vorlesungen über „Dogmengeschichte", das „Evangelium Johannes" und über „Christologie". Die Vorlesung bei Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher „Paulinische -
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Briefe" ist im Abgangszeugnis gestrichen worden und dort nicht testiert. Feuerbach, der in seinem Brief an den König von Bayern, Ludwig I., noch 1828 vom Besuch der Schleiermacherschen Vorlesung gesprochen hat, muß diese demzufolge vorzeitig abgebrochen haben. (Siehe Ludwig Feuerbach an Ludwig L, 5. August 1828. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 101.) Feuerbach an Noack a. a. O. [Feuerbach GW, Bd. 19, S. 69. Siehe Anm. *5.] [L. Feuerbach:] Nachgelassene Aphorismen. Unter diesen „Aphorismen" ist etwa ein Fünftel streng subjektiver Natur, das wir am passenden Orte einschalten. -
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empfand also mit 22 Jahren die cucoota, den Mangel der Begriffs-Klitterung; er empfand sie nicht nur, er formulirte sie höchst bestimmt und reichte diese Formulirung beim Abschiede dem Hohenpriester des Begriffes hin. Hat denn nicht in der Hegel'schen „Naturphilosophie" schon die ganze Natur Platz gefunden; noch mehr als das, ist sie nicht völlig und absolut darin „begriffen"? Was willst du denn noch speciell die Natur studiren? Weil, antwortet der Genius Feuerbachs, weil brûler nicht répondre heisst, weil die Natur todtschlagen und sie in dem Kasten des Begriffs aufhängen, nicht die Natur erkennen bedeutet; weil ich stark vermuthe, dass es mit der Nichtigkeit des „Dieses" und „Hier" selbst eine nichtige Bewandtniss habe. Mit Einem Worte, bisher war ich nur Ohrenzeuge von der Natur, musste mich aufs Hörensagen über sie verlassen; Jetzt will ich Augenzeuge werden und mich der Autopsie ergeben! Da er als königlich bayrischer Stipendiat noch eine Landes-Universität besuchen musste, so ging er nach Erlangen (sit venia verbo! fügte er später hinzu), hörte Koch und Fleischmann, trieb Botanik, Anatomie und Physiologie45 die Theologie und auch der theologische Mediziner Ringseis46 haben es seiner Zeit erfahren, und bereitete sich auf seine Promotion und Habilitation vor.47 Unter solchen Umständen dürfen wir ihm aufs Wort glauben, wäre er auch nicht der glaubwürdigste, wahrhafteste der Sterblichen dass schon „1827-28 Zweifel" wie es in den „Fragmenten zur Charakteristik meines philosophischen Curriculum vitae"*10 heisst, an der allein seligmachenden Hegelei in ihm entstanden. Es fiel ihm auf den Scheitel die Atlasfrage: „Wie verhält sich Denken zum Sein?"4i Anders ausgedrückt: Was hat die anschauliche und VerstandesErkenntniss mit dem Ding an sich zu schaffen, sind wir im Stande das Ding an sich zu erkennen? Und wie der junge Anatom und Physiolog so sann, wollte es ihm bedünken, als komme das Denken gar nicht an das Sein, als 118| sei ein gedachtes Sein, und stelle es sich auf den Kopf, doch nur Gedanke, und der ganze Hegel eine „vergangene Welt als Gedankenwelt."49 Ist, wer so schreibt, noch ein Hegelianer im banalen Sinne des Er
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Zu den Vorlesungen, die Feuerbach bei dem Botaniker Wilhelm Daniel Joseph Koch (1771 bis 1849) und bei dem Physiologen und Anatomen Gottfried Fleischmann (1777-1850) besuchte siehe M. Koppe: Ein unbekannter Brief Ludwig Feuerbachs aus dem Jahre 1834. In: Philosophisches Jahrbuch. Im Auftrag der Görres-Gesellschaft hrsg. von H. M. Baumgartner (f), K. Jacobi, H. Ottmann und W. Vossenkuhl, 108. Jg., 2. Halbbd., München 2001, S. 324-325. Siehe hierzu Feuerbachs Arbeit: Zur Charakteristik des modernen Afterchristentums. Herr Dr. Nepomuk von Ringseis oder Hippokrates in der Pfaffenkutte. In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 115 bis 142. Siehe De ratione, una, universali, infinita. Dissertatio inauguralis philosophica auctore Ludovico Andrea Feuerbach, phil. doct, Erlangae MDCCCXXVIII. In: Feuerbach GW, Bd. 1, S. 1-173. Sämmtliche Werke, II. 385. 6. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 155-156.] Feuerbach GW, Bd. 10, S. 155. Ebenda, S. 156.
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Gleichwohl war der Bruch zwischen Denken und Sein noch nicht der eigentliche Inhalt der Feuerbach'sehen Philosophie geworden; allzufest sass noch auf ihrem Throne die absolute Macht des „Geistes", wenn er den Geist auch schon „Vernunft" benannte. Das Absolute rumorte noch gewaltig in seinem Innern, in der Doktor-Dissertation feierte so brodelte der Feuerbach es seine Eruption. De Ratione, una, universali, infinita5 des Absoluten hervor.51 Die Vernunft ist Eine, universell, sie ist sogar „nicht durchaus nur menschlich", non omnino humana, also die allgemeine Substanz. Die Empfindung, die „sinnliche Gewissheit" (Hegel) sind nur subjektiv, nicht allgemein. Der „Gedanke" ist so vorherrschend, dass der „Wille" erst später zu Worte kommt, ein Akt des Erkenntnistriebes ist! Aber schon bohrt sich das Charakteristische bei Feuerbach der Wurm der Dialektik in das eigene Fleisch der Abstraktion, nicht bloss nach Aussen in die Dinge. „Gott können wir nur kennen als von ihm verschieden" er wird also zum Objekt unter Objekten. „Unendlich ist die Monade, das Atom; der Sinn ist in seinem Bereiche unendlich" aber „wie vielmehr der Gedanke"! „Vor dem Bewusstsein geht schon ein objektives Denken her, welches weder aus der Erfahrung, noch aus dem Subjekt stammt" (Kant's Formen a priori); aber „ich bin Gewusstes und Wissendes, Denkendes und Gedachtes" der Pferdefuss der Substanz. Dann aber bricht gerade aus den metaphysischen Gründen der Tod als etwas Rationales hervor; die allgemeine Vernunft erkennt den Tod nicht als eine ihr auferlegte Schranke. Im Denken bin ich Niemand, also mag Jemand und jeder Jemand zu Grunde -
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gehen! Man merke wohl, vom „Absoluten" schlechthin, auch vom „absoluten Geist", ist keine Rede; das Absolute wird als Vernunft, als allgemeine Vernunft charakterisirt. In dem später mitzutheilenden Briefe an Hegel tritt dieser Unterschied in scharfen
Andeutungen hervor.52 Unter Feuerbachs nachgelassenen Aphorismen lesen wir in Bezug auf seine eigene Weiterentwicklung: |19| „Aus jedem Werke, das der Mensch macht oder schreibt, macht er sich einen Vorwurf, um sich dadurch zu einem neuen Werke zu reizen und seinem Ideale sich anzunähern."53
Feuerbach GW, Bd. 1, S. 1-173. Daß Feuerbach mit seiner Dissertation, die er neben Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling (siehe Feuerbach GW, Bd. 17, S. 113-114) auch an Hegel sandte, insgesamt unzufrieden war, geht nicht nur aus seinem Begleitbrief an Hegel, sondern auch der Tatsache hervor, daß er diese in späteren Jahren umzuarbeiten gedachte. Siehe Ludwig Feuerbach an Bertha Löw, 11./[13.] Januar 1835, in: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 423. Vgl. auch Anm. »11. Ludwig Feuerbach an Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 22. November 1828. Karl Grün war der erste, der diesen Brief zur Veröffentlichung brachte (siehe BwN, Bd. 1, S. 214-219). L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. -
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
611
„Distinguendo témpora, conciliatur scriptura. Der Unterschied der Zeiten hebt die Widersprüche des Geschriebenen auf. Das sei gesagt gegen die Professorengemeinheit, welche die verschiedenen Aeusserungen über denselben Gegenstand so über das Denken aus den verschiedensten Zeiten, als Widersprüche zusammenstellt." Der junge Dozent las zu Erlangen zunächst über Cartesius und Spinoza, dann Logik und Metaphysik, richtiger Logik als Metaphysik, und endlich über Geschichte der Das Erste und das Letzte war demnach Entwicklungslehre des neueren Philosophie. -
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[L. Feuerbach:] Nachgelassene Aphorismen. 1847 Hess er sich im Anhange zu „Leibnitz" kritisch über seine Dissertation aus (V. 223. 4): Der Denker sei allerdings Niemand, „aber dieser Denker hat auch nicht mehr Wirklichkeit, als der Niemand" etc. [Feuerbach GW, Bd. 3, S. 246, Anm. 1 von S. 245.] Das Erlanger Vorlesungsverzeichnis der Catalogus Institutionum in academia regia bavarica Friderico-Alexandrina weist folgende Vorlesungen des Privatdozenten Feuerbach aus: -
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1829 1829-1930
1830 1830-1831
D. LUDOV. ANDREAS FEUERBACH privatim tradet Logicam et Metaphysicam quater per hebdomad. D. LUDOV. ANDREAS FEUERBACH privatim tradet 1) Historiam Philosophiae sex. per hebd. 2) Logicam et Metaphysicam quater per hebdomad. D. LUDOV. ANDREAS FEUERBACH tradet Historiam Philosophiae Graecae. D. L. A. FEUERBACH privatim tradet
1) Logicam et Metaphysicam, 2) Historiam Philosophiae. 1831 1831-1832
1832 1832-1833
1833
1833-1834
1834 1834-1835
D. L. A. FEUERBACH tradet Psychologiam rationalem quinq. per hebd. hör. 3. D. L. A FEUERBACH tradet 1) historiam Philosophiae quinquies per hebdom. 2) Logicam et Metaphysicam ter per hebd. D. L. A. FEUERBACH tradet: Historiam Philosophiae sexies per hebd. Privatdocent Dr. Feuerbach wird lesen: 1) von 9-10 Uhr Logik und Metaphysik, von 3-4 Uhr Geschichte der Philosophie. Privatdocent Dr. L. A. Feuerbach wird lesen: entweder Geschichte der Philosophie, oder Psychologie wöchentlich fünfmal Privatdocent Dr. L. A. Feuerbach liest: 1) Geschichte der Philosophie, 4 Stunden wöchentlich; 2) Logik und Metaphysik; fünfmal wöchentlich. Privatdocent Dr. Feuerbach wird vortragen: Geschichte der Philosophie, sechsmal wöchentlich. Privatdocent Dr. L. A. Feuerbach wird lesen: 1) Geschichte der Philosophie, 2) Geschichte der deutschen und französischen Poesie.
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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Gedankens, die stärkste Seite Hegels selbst, bei Feuerbach der Durchbruch aus dem Akademos auf die Agora, vom Alexandrinismus zur Menschheit, von dem stagnirenden Behälter in den rauschenden Strom der Begebenheit, von der Zunft der Kategorien in die Gewerbefreiheit menschlicher Interessen. Aber schon die Logik und oder als Metaphysik, so hegelisch der Aufbau und die Gliederung des Stoffes in seinen hinterlassenen Kollegienheften sich ausnimmt, fasste er nicht als höchste und letzte Philosophie, sondern als „Organ der Philosophie".55 Logik war ihm das bis jetzt errungene Resultat der Geschichte der Philosophie. Die Kategorienwelt musste er sich gefallen lassen, in den, „ewigen Fluss" getaucht zu werden und sich dem geschichtlichen, natürlichen Gange und Drange zu unterwerfen. Wie frisch und unscholastisch der junge Dozent dabei mitunter verfuhr, soll an einer kleinen Blumenlese aus jenen Heften von 1829-32 und wieder 1835/6 dargethan werden, die wir mitten zwischen Dornen und Zacken anzustellen vermochten. In der ersten Einleitung zur Logik hat Feuerbach bei unserem „Muth des Denkens"*12 selbst an den Rand geschrieben: „Zur Charakteristik meiner ursprünglichen Richtung".56 Das ethische Moment schlägt nämlich schon früh durch; die Abstraktion selbst streift die Fesseln der Abstraktion ab, und der Muth des Denkens |20| fragt den Tod: wo ist dein Stachel? Durchaus unpantheistisch, antispinozisch und zugleich unhegelisch, ist die Umkehrung des Satzes/ Omnis determinado est negado in: Omnis determinado est affirmatio, jede Bestimmung ist nicht sowohl Verneinung, als Bejahung, die Negation der Negation des „Dieses" und „Hier". Die Liebe, die in der Dissertation nach ihrer Ergänzung im Denken suchte, wird jetzt zum Endlich-Unendlichen. Unsterblichkeit gibt es rundweg nur noch im Geiste, nicht in der Psyche. Das Schöne ist das aufleuchtende und verschwindende Wesen der Welt, die auf einen Augenblick sichtbare Idee. schon hier Das Christenthum ist das Wesen des allgemeinen, nationalitätslosen Menschen. Der Mensch ist ein Produkt der Geschichte. Die Welt ruht auf Potentia, Sapientia und Amor, wenn es auch heissen sollte: Potentia, Amor, Sapientia, und wenn der junge Philosoph auch noch an dem in dieser Weise unmöglichen Uebergange vom Verlangen zum Erkennen sucht. Welche Qual man denkt unwillkürlich an Jakob Böhme's Ableitung der „Qualität" thut er sich und den „Jungens" an, um die Begierde als „verkappten von der Qual -
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1835
1835-1836
55 *12
56
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Privatdocent Dr. L. A. Feuerbach wird lesen: 1 ) Psychologie, viermal in der Woche; 2) Geschichte der neuern Philosophie, dreimal wöchentlich. Privatdocent Dr. L. Feuerbach liest: Geschichte der Philosophie, wöchentlich fünfmal.
Feuerbach GW, Bd. 10, S. 158. Siehe weiterhin im „Nachlass". [L. Feuerbach: Einleitung in die Logik und Metaphysik. In: Feuerbach GW, Bd. 13, S. 203, Anm. 3 von S. 202. Siehe auch BwN, Bd. 1, S. 302-304.] Ebenda. -
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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Erkenntnisstrieb" zu enthüllen! Welche Qual, das Sein als das Nichts, und beide als die Erzeuger des Werdens darzuthun! In der zweiten Bearbeitung des Gegenstandes verbeisst er sich noch hartnäckiger in diese Antinomie, grimmig wie immer, wenn er schwere Begriffe zerkaut. Dito beim „Einen und Vielen", dito bei der Ueberleitung vom
„Mass" zum „Wesen". Welche Qual auch bei der „Quantität: „die Natur ist entstanden, hat ein Prinzip über sich und vor sich voraus. Dieses Prinzip ist Gott, Geist, oder wie es heissen soll. Gott machte aber nicht die Natur, sondern er wurde selbst sein Werk; damit Anderes bestände und würde, musste er selbst ein Anderes werden, d. i. Natur. Gott erniedrigte und entäusserte sich zur Natur. Aber dieser entäusserte und in seiner Entäusserung ins Dasein getretene Gott äusserte im Verlust seiner Gottheit, seiner wesentlichen Unendlichkeit, sich zunächst nur in der schlechten Unendlichkeit, als blosses rastloses Streben nach Unendlichkeit, und dies ist eben die quantitative, die nur im Streben, nicht in Wirklichkeit, Affirmation der Unendlichkeit ist. Die Produkte dieses Strebens sind die Sterne."'13 Ein kurioser Gott, der |21| damit anfangt, sich selbst herabzusetzen und aufzugeben! Wahrscheinlich war er im Anfang gar nichts Anderes als Quantum und Bewegung, und wuchs später mit seinen Zwecken. Das ist auch im Grunde Feuerbachs Meinung von der Sache, denn er behauptet im Anschluss an das Vorige, die alten Naturreligionen seien zu ihrer Zeit wahr, Gott sei damals „gleichsam besinnungslos verloren" gewesen. Die Sternanbetung, der Parsismus etc. hätten Recht gehabt. Freilich war die Naturreligion wahr, freilich hatten die Sternund Sonnen-Anbeter Recht, und freilich hat sich Gott später entwickelt; aber dieser Prozess ist doch ein psychologisch-phänomenologischer, kein ontologischer. Heisst es doch in denselben Vorlesungen, bei Gelegenheit des ontologischen Beweises: „Gott ist ein Gedanke"!57 Nicht anders verhält es sich mit den Jfesewsbestimmungen, von denen er sagt, sie seien „geheime Bestimmungen, die nur durchs Denken gefunden und nur durchs Denken erkannt werden." „Nur durchs Denken kann erkannt werden, dass in jedem sinnlichen Geschehen, in jeder Bewegung der Natur, auch im Geheimen, im Wesen, die reinen Gedanken mitwirken", was doch Abstraktionen aus der sinnlichen Wirklichkeit oder hineingelegte Bestimmungen sind, dafern man sich nicht ins „Unbewusste" flüchten will. Wie bedenklich die voreilige Naturphilosophie ist, haben wir an Schelling und Hegel bitter genug erfahren. Auch Feuerbach brachte ihr damals noch sein Opfer: „Das Licht ist nur Wesen, es ist kein individueller Körper, es ist kein allgemein irdisches Element; es ist erstes Prinzip, das Wesen der ganzen Natur." Das ist die Hegel'sche „Idealität der Materie". Aber wesentlich ist das Licht doch Ausstrahlung, kommt von Körpern, -
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*13 51
Aus den Kollegienheften, auch weiterhin. Siehe L. Feuerbach: Einleitung in die Logik und bis 104 und S. 125.
Metaphysik.
In: Feuerbach
GW, Bd. 13, S. 103
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
614
Körpern, gibt den Dingen Bestimmtheit, ist also körperhaft. Wenn die Imponderabilien so leichtfertig ins Geisterreich eskamotirt werden, wie das noch jüngst wieder in München geschehen ist, so58 wird ein Naturforscher nur noch derjenige haftet
an
sein, der mit Zentnerblöcken um sich wirft.
Aber ein reizendes Kant'sches Aperçu müssen wir anführen: „Was Du bist, o holde Jungfrau, dieses frage mich, nicht Dich. Du bist doch nur durch die Vorstellung, ich durch die Anschauung. Die Vorstellung ist Machwerk, die Anschauung Natur, die Vorstellung Täuschung [Schleier der Maja], die Anschauung Wahrheit."59 Schliesslich kommt dann auch der Kern der Dissertation rein |22| heraus. „Es hat sich darum gehandelt, die Realität der Vernunft nachzuweisen, zu erkennen, dass der Vernunft ein Sein in sich selbst zukommt, dass sie Absolutes ist, wo wir hingestellt sein lassen, ob sie selbst das Absolute ist." In dem Aphorismus von „Vorstellung" und ,Anschauung" liegt auch schon das Dornröschen der Feuerbach'schen Stylistik schlummernd im wilden Hag. Wie das rhythmisch gemessen, inhaltsvoll pointirt, einherschreitet! Und gerade der Styl, der Numerus, das Gefühl für klassische Prosa*14 ist das formelle Agens und Movens, welches ihn vorwärts treibt, welches seiner geistigen Wahrheit, Entschiedenheit entspricht. Dieser Styl bekundete sich durch grössere Flüge in der mit den Vorlesungen gleichzeitigen, aber ausserakademischen, merkwürdigen Schrift, von der nunmehr die Rede sein soll. 1830 nämlich, im Jahre der Julirevolution, als das erste Gliederzucken nach langem starrem Winterschlafe in Mitteleuropa verspürt wurde, erschien die anonyme, wie er selbst 1839 an C[arl] Riedel schrieb und druckte „in jeder Beziehung namenlose Schrift": 15 „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit, in gleichfalls „namenloser" Ausstattung bei Johann Adam Stein in Nürnberg. Es hatte eine Indiskretion diesen Tragelaphen auf den Büchermarkt gezerrt, eine Indiskretion, die der Verfasser schwer büssen musste, indem sie ihm für immer das Thor zur Professur versperrte wahrscheinlich jedoch nur, um ihm die spätere Verabschiedung zu ersparen. Feuerbach nennt den Herausgeber einen Mann, dessen Name gar kein Interesse erwecken würde, und dem entsprechend lesen wir im Vorworte: -
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58
59
14
*15
Karl Grün bezieht sich auf die 50. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte, die vom 17. bis zum 22. September 1877 in München stattfand. L. Feuerbach: Einleitung in die Logik und Metaphysik. In: Feuerbach GW, Bd. 13, S. 96-97, Anm. 2. In den nachgelassenen Aphorismen lesen wir: „Meine Ideale waren von Anfang an die klassischen Prosaiker, nicht die Philosophen. Der keiner Schule, keiner partikulären Richtung angehörende, der freie, allgemeine Schriftsteller war es, der mir stets im Sinne lag. Der obskure, im Hintergrunde bleibende, nicht hervortretende, nicht sich breit machende, der unansehnliche Philosoph, d. h. der nach Wahrheit forschende, Wahrheitsdurst leidende, Wahrheit liebende Philosoph, war mein
Philosoph".
Sämmtliche Werke, II. 176.
[Feuerbach GW, Bd. 9, S. 13.]
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
615
„Das einzige Verdienst des Herausgebers um diese Schrift besteht in ihrer Herausgabe,
mit warmem Eifer betrieb und beschleunigte. Denn in solcher Gestalt und Form war sie nie von dem Verfasser zum Drucke bestimmt, und es kostete nicht wenig |23| Ueberredungsgabe, selbige ihm zu entreissen, und hiermit als Fragment erscheinen zu
die
er
lassen."60
Die Schrift ist das Kind der Ehe des spekulativen Schuldenkens mit der innersten Natur eines bedeutenden Menschen, oder wie Ffeuerbach] selbst sagen würde, wenigstens könnte, das Resultat der Umarmung meines Wesens mit meinem Bewusstsein. Der längst ins Zweifeln gerathene Hegelianer wird inspirirt von den Dämpfen des Pariser Vulkans, aber er orakelt noch stark im Hierophanten-Tone. Die St.[-]Simonisten schickten sich an, die „Emanzipation des Fleisches" zu predigen und den „vierten Stand" ins Leben zu rufen: da schlägt der stille Feuerbach Reveille auf der Trommel der
Philosophie. Wie der Bourgeois von der politischen Kritik auf seinen Platz gesetzt wurde, so charakterisirt Feuerbach den Bildungs-Philister mit seiner Privat- und Hausandacht, mit dem Noli me tangere seiner esoterischen Frömmigkeit, als den ächten UnsterblichkeitsEsel. Es ist nämlich Alles eigentlich schon in Ordnung, die Töchter stehen bereit mit der Ausstattung, die Söhne arbeiten auf eigene Faust, die Opferflamme des Lebens prasselt leidlich lustig; nur der sich hinaufschlängelnde Rauch bildet aus seinen Kringeln eine Wolke, die letzte Jenseitigkeit des behäbigen Mannes, und auf diese luftige Transzendenz ladet er im Geiste seine Seele. In solches neckische Scherzo brummt dann aber wieder der metaphysische Orgelpunkt hinein: „Die Natur ist durch den freien Geist bestimmt, den Willen Ein und derselbe Wille ist es, der den Tod in der Natur, und den Tod des Selbstes, die Tugend, die Liebe, das Denken wirket.*16 „Das Todesurtheil, das Du eben durch die Liebe, durch die Anerkennung der Wesenhaftigkeit Deines Gegenstandes, über Dich selbst aussprichst, hätte keine Wahrheit in sich, wenn es nicht auch an Deinem ganzen natürlichen Sein, an Deinem Leben vollzogen würde, wenn Deine Endlichkeit, die Du in der Liebe aussprichst, nicht auch für sich selbst hervorträte, wenn nicht Dein als solches einsames und verlassenes Fürsichsein selber als Fürsichsein offenbar würde; denn der 17 Tod ist eben die Offenbarung Deines einsamen und verlassenen Fürsichseins." Er war Revolutionär im Jahre der Julirevolution, aber freilich nicht national und nicht politisch, sondern tief menschheitlich, hoch-|24|geistig. Wie sprüht der Feuerbach aus dem gepressten Busen hervor, wie strahlt da nächtens die Flammensonne: „Indem alles wahrhaft Wirkliche und Wesenhafte, aller Geist aus dem Leben, der Natur und der Weltgeschichte verschwunden, Alles massakrirt ist, so pflanzt das Individuum auf den Trümmern der zerstörten Welt die Fahne des Propheten auf, das heilige Schandsacsche-
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...
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60
*16 *17
Feuerbach GW, Bd. III. 15. III. 19.
1, S. 182. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 340.] [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 342.]
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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rif des Glaubens an das gelobte Jenseits. Auf den Ruinen des gegenwärtigen Lebens, in dem er Nichts sieht, erwacht ihm zugleich das Gefühl und Bewusstsein seines eigenen innerlichen Nichts, und in dem Gefühl dieses zwiefachen Nichts entquillt ihm, gleich einem Scipio auf den Trümmern von Karthago, die barmherzige Thränenperle und Seifenblase der zukünftigen Welt. Nachdem er die Fruchtbäume, die Rosen und Lilien der gegenwärtigen Welt verwelken Hess, Gras und Korn abgesichelt, die ganze Welt in ein saftloses Stoppelfeld verwandelt hat, entsprosst ihm noch zu guter Letzt in dem leeren Gefühl seiner Leerheit und dem kraftlosen Bewusstsein seiner Eitelkeit, als ein schwacher Schein und mattes Traumbild des lebendigen, frischen Blumenflors, die charakterlose, farbenverbleichte Herbstzeitlose der Unsterblichkeit."*18 Merkt man an dieser Bilderfülle, an diesen gesättigten Tinten aus Mittelfranken, nicht die Nachbarschaft von Wunsiedel in Oberfranken?61 „Zwar sehen wir, wie eine grosse Anzahl unserer Zeitgenossen, unbekümmert um die erhabenen Lehren der Geschichte, nicht beachtend die kampfvollen Thaten und schmerzensreichen Arbeiten der Menschheit, höhnend und verletzend die Rechte und Ansprüche, welche durch tausendjährige Ansprüche sich die Vernunft erworben hat, zu dem Alten zurückkehrt und in unveränderter Gestalt es wieder herzustellen bemüht ist, gleich als wären die Blutströme vergangener Zeiten umsonst vorübergerauscht, oder höchstens nur zu dem Zwecke vorübergeflossen, dass gewisse Individuen dadurch nur um so sorgloser in den Hängematten des alten Glaubens sich schaukeln, und an dem Strome umsonst verflossener Jahrhunderte einen Spiegel der Herrlichkeit, Festigkeit und Beständigkeit ihres partikulären Eigenthums, ihres Glaubens besitzen könnten. Aber die Geschichte lehrt uns ja, dass gerade dann, wenn etwas am Rande seines völligen Untergangs steht, es noch einmal mit aller Gewalt sich erhebt, als wollte es von Neuem seinen schon vollbrachten Lebenslauf beginnen."*19 |25| „Nur wer an den Tod glaubt, kann Wesenhaftes zum Inhalt seiner Thätigkeit ma-
chen."*20
Es ist nicht anders, wird einmal das Leben auf Erden für das wahre Leben angesehen, ist der zweite Gedanke der, das Nomadenzelt in ein Kulturhaus zu verwandeln. Die grössten Umwälzungen im Aeussern sind die nothwendige Folge dieser Umwälzung im Innern es sei denn dass die Rebellen sich im Netz des Pessimismus fangen Hessen. Die Liebe ist der Tod, Gott selbst ist nicht todt, wie Hegel nach dem Kirchenliede anführte sondern der Tod, denn Gott ist das Unendliche, das Ende alles Endlichen Aber Gott selbst erfahrt im Schmelztiegel dieses pathetischen Denkens eine Modifikation. Es heisst jetzt, dass Gott als „Persönlichkeit" „oberflächlich" gedacht sei; „Gott ist so so
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*18 61
'" *20
III. 8. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 195-196.] In Wunsiedel (Fichtelgebirge) wurde am 21. März 1763 der Dichter Jean Paul rich Richter) geboren. III. 9. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 197.] Ungefähr so, III. 10. 11. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 199.]
(Johann Paul Fried-
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
617
ohne Tiefe, nur eine Fläche, die das Selbst dem Selbst widerspiegelt, das Urbild, aber auch eben so das Ebenbild der menschlichen Persönlichkeit."*21 In dem Aufsatze „über meine Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" (1846) beweist der Verfasser gerade aus vorstehender Beweisführung vom „metaphysischen Grunde des Todes", dass „Gott" nichts Anderes sei als die „Natur". Der langen Rede kurzer Sinn sei nur der: „das Bewusstsein setzt die Natur voraus". Das sei klar, früher habe er sich „auf nebelige Weise"
ausgesprochen.*22
metaphysische Amphibologieen sind nicht ohne Interesse mit der späteren Entwicklung zu vergleichen, obwohl man bereits den berühmten „Schleier der Maja" Andere
durchschaut. So stossen wir noch auf den Dualismus von Leib und Seele: „Die menschliche Gestalt die nicht mehr von einer mit ihrer Gestalt unmittelbar identischen Seele, sondern von einer, von aller Materie freien, in sich selbst seienden, durch sich selbst bestimmten, d. i. einer wollenden und denkenden Seele, d. h. einem Geist durchglüht und durchleuchtet, und darum die eigentlich schöne und letzte sinnliche Gestalt ist."*23 Eben so spukt noch der allgemeine, substanzielle Geist: „der Geist, das Bewusstsein, die Vernunft sind allgemein, selbständig, verschieden von Dir, als dieser ausschliessenden Persönlichkeit, dieser bestimmten Individualität. Wohl als Gegenstand Deines Bewusstseins, aber nicht als Bewusster, wohl als bestimmter |26| Denker, aber nicht als Denker, bist Du Individuum, bestimmte Person; Du bist Eins mit dem Bewusstsein als Bewusster, Eins mit dem Denken, in welchem Alle Eins sind, Du bist geistig untergegangen, aufgelöst in den Geist. Die äusserliche Verwirklichung dieser geistigen Auflösung und Negation ist der Tod.""24 Dann schliesslich die abstruse Stelle über das Bewusstsein, die Crux aller philosophischen Laien, über welche namentlich die Feuerbachianerinnen nicht hinauskommen, und die lebhaft an den zweiten Theil der Dissertation erinnert. „Du bist Deiner selbst, als eines besondern Individuums, nur bewusst, weil Dir das reine, allgemeine Wesen des Menschen die Gattung, die Menschheit, der Geist in Dir selbst Gegenstand ist; aber es ist Dir nur Gegenstand, weil es sich selbst Gegenstand ist; Du bist also Deiner Der bewusst im Bewusstsein des allgemeinen Wesens, des Geistes von sich selber. ein Gegenstand also wohl, dessen Du Dir bewusst bist, ist Einzelnes, Besonderes, bist Du eben, das Bewusstsein selbst aber ist schlechthin allgemein, das Wissen ist eine Thätigkeit des Wesens, des Geistes selber. Das Bewusstsein ist das Licht, die Personen sind die Farben; Farben sehe ich nur im Lichte, aber das Licht kann ich nicht in und vermittelst der Farben sehen; wäre das Bewusstsein, der Geist, die Vernunft selbst eine Farbe, eines mit der farbigen, besondern Person, so würde ich weder mich, noch die Andern sehen und wissen, so wenig ich eine Farbe sehen könnte, wenn das Licht -
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*21
*22 *23 *24
III. 21. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 207-208.] III. 378, Note. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 297, Anm. III. 52. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 293.] III. 65. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 239-240.]
*.]
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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selbst eines mit der Farbe wäre Indem Du sagst: ich bin meiner bewusst, machst Du einen Unterschied zwischen Subjekt und Objekt in Dir Der Tod ist nun nichts Anderes, als die Handlung, wo das Subjekt aus seinem Prinzip, aus der Subjektivität heraustritt, und so blosses Objekt wird Gegenstand ..."*25 Nun wieder zum Kern der Nuss zurück. Ich erinnere mich, dass mir einst Frau Hegel,62 eine stattliche Tucher aus Nürnberg, im besten Sinne des Wortes, „vornehm und bequem" um das Jahr 1834 ich war Gymnasiast erzählte, wie sie ihren verstorbenen Mann um Aufschluss über die Unsterblichkeit der Seele angegangen, dieser aber, ohne ein Wort zu verlieren, mit dem Finger auf die Bibel gedeutet habe. So zugeknöpft verhielt sich der grosse Denker, „was diesen Punkt betrifft", gegen |27| seine eigene hochbegabte Gattin. Die Bibel das ist genug für die Frau! Der Vater Feuerbach, der für Reinhold geschwärmt und Schillern als Philosophen hoch verehrt hatte, war auf dem bekannten Kantischen Residuum sitzen geblieben: „Gott, Tugend, Unsterblichkeit", ein Dogma, das zu dem Freundschafts-Kultus mit Tiedge und Elise v[on] d[er] Recke richtig und aufrichtig passte. Da schleudert plötzlich der 26jährige Ludwig dem Alten das „namenlose" Buch an den Kopf, mit dem infernalen Lichtenberg'sehen Motto an der Spitze: „Glaube an einen Gott und an eine Unsterblichkeit der Seele sind nöthig, weil so viele Tausende unglücklich werden würden, wenn diese Grundsäulen erschüttert würden. Soll aber dieses das Kriterium der Unantastbarkeit sein, so werden wir statt zwei Säulen bald wieder eine ganze Colonnade haben es stellen sich hier alle die Plackereien ein, die überall mit dem Stehenbleiben auf halbem Wege verbunden sind Dass die Seele nach dem Tode übrig bleibe, ist bewiesen erst und dann worden.... Materialismus ist die Asymptote der gewiss geglaubt oft Der Psychologie. unüberlegten Hochachtung gegen alte Gesetze, alte Gebräuche und alte Religion hat man alles Uebel in der Welt zu danken."63 War Ludwig nicht wirklich der „verlorne Sohn"? „Der Stein des Anstosses", an dem der Professor verunglückte (dies geschah definitiv 1836), war die Schrift über Tod und Unsterblichkeit. So ging die Prophezeihung meines Vaters in Erfüllung: „„Diese Schrift wird Dir nie verziehen, nie bekommst Du eine Anstellung."" 26 Es war in der That unverzeihlich. Das widerspenstige Individuum mit seinen Majestäts-Privilegien wird weggeräumt, diesmal allen Ernstes aufgehoben und in den Ozean des Entstehens und Vergehens geworfen. Ethisch lautet der Sinn der Kritik: Du musst sterben wollen, wenn Du mehr sein willst als ein Lump! Historisch redet sich der Franke in einen Furor hinein, wie ihn weiland der Schwabe Sebastian Franck bekundet hatte übrigens zur gründlichen Beschämung derer, welche dem Franken den histori...
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III. 66-68. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 319-323.] Marie Helena Susanna Hegel, geb. von Tucher (1791-1855), sie war seit 1811 mit Hegel verheiratet. Feuerbach GW, Bd. 1, S. 177-179, Anm. 2. Feuerbach an Noack, a. a. O. [Feuerbach GW, Bd. 19, S. 69. Siehe Anm. *5.] -
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sehen Sinn so superklug abstreiten -: „Die Zeit ist Nichts, als der Geist im Eifer und Zorne, das Wesen in der Raserei, der Furor divinus, der im Strome seiner eigenen Be|28|geisterung die Welt mit sich fortreissende Geist. Diejenigen, die von dem mit attischem Salz gewürzten Symposium der Geschichte weiter nichts davon tragen, als einen moralischen Katzenjammer, mögen immerhin noch ein Jenseits erwarten, um in ihm sich mit den Salzgurken des Diesseits denn das Salz des Jenseits ist ja nur das des Diesseits zu kuriren. Mögen sie immerhin an den erhabenen Alpen der Geschichte umherirren, suchend nach Kräutern, nur um sie zu zertreten, und so aus ihnen den Nahrungsstoff für ein zukünftiges Leben zu bereiten. An der Sonne des Bewusstseins zergeht wie Butter ihr Jenseits. Die Ewigkeit, d. h. die Einheit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Bewusstsein, ist selbst der Boden der Geschichte, der innere Grund derselben Innerhalb der alle Völker und Individuen erleuchtenden, verbindenden und umfassenden Einheit des Bewusstseins ist die Menschheit in beständiger Thätigkeit, Bewegung und Entwicklung Nur dann wenn die Geschichte Nichts ist, wenn das nackte, von aller geschichtlichen Bestimmung und Zweckgränze entblösste Individuum, das eitle, abgezogene, inhaltslose, nichtige Individuum, also das Nichts Etwas ist, und das Etwas, das wirkliche determinirte und determinirende Leben, die Geschichte, Nichts ist, nur dann ist allerdings Nichts nach dem Tode, wenn das Nichts nicht auch nach dem Tode noch Etwas ist."*27 Schon hier, in der „namenlosen Schrift", wird die spätere Feuerbach'sehe Naturauffassung bereits wie im Fluge gestreift. Auch die Natur ist ihm Geschichte, freilich in einem ganz andern Sinne als in dem der banalen Naturgeschichte": „Der Stein, der aus der Hand eines Bettlers in die Hand eines Königs kommt, aus Amerika nach Europa und von da nach Asia gelangt, hat desswegen noch nicht eine Geschichte, denn er ist selbst nicht das Princip dieser Ortsveränderungen; die Pflanze dagegen hat eine Geschichte, denn sie ist das mit ihren Veränderungen selbst identische Princip derselben; die Veränderungen sind die inneren Lebensmomente einer Sache selbst, alle Veränderungen zusammen das lebendige Sein selbst einer Sache Leben heisst nichts Anderes, Die Natur stellt sich nun dem Auge des Forschers als der Grund seiner selbst sein durchaus dar als Geschichte; die Geschichte verträgt sich aber nicht mit einer Erschaffung und Machung; ein blosses Machwerk hat keine |29| Geschichte. Die Natur ist als Geschichte der Grund selbst ihrer Der Leser kennt das geistsprühende „Vorwort" zur Gesammtausgabe der Feuerbach'schen Werke. In des Verfassers Papieren entdeckte ich das Original-Konzept zu diesem „Vorwort", überschrieben: „Vorrede zur Gesammtausgabe, zu vergleichen mit dem Gedruckten". Hier lesen wir: „Tod und Unsterblichkeit" sei geschrieben „vom Standpunkt des anthropologischen Pantheismus oder der pantheistischen Anthropologie". Und mit Bezug auf die angehängten „Reime", hier „Knittelverse", welche den -
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Veränderungen".28
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*28
III. 77-80. III. 47. 48.
[Feuerbach GW, Bd. 1, S. 347-352.] [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 286-289.]
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bildeten: „Wofür das Herz spricht, dafür findet man immer auch Um daher die Unsterblichkeit zu widerlegen, musstest Du das Herz gegen sie empören, musstest Du die Negation der Empfindung selbst zu einer Sache der Empfindung, die Anerkennung der Wahrheit des Todes zu einer Ehrensache des Herzens machen Religion ist nichts Anderes als die subjektive, eingefleischte Gewissheit Andern gegenüber Heiligkeit von der Wahrheit einer den Menschen interessirenden Vorstellung Die Bedeutung dieser Schrift liegt daher auch nur darin, dass sie die Sterblichkeit des Individuums als eine religiöse, nicht als eine wissenschaftliche Wahrheit, als eine Sache des Herzens erfasst, abgemacht und ausgesprochen hat... Geschichte macht überhaupt nicht die Vernunft, die Philosophie, die Wissenschaft; Geschichte macht nur die Leidenschaft. Aber Leidenschaft, Leidenschaft auf Tod und Leben, ist der Charakter jener Schrift. Die Theologen, deren Fluch Segen, deren Schimpf und Tadel Lob und Ehre ist, machen Dir daher die grössten Elogen, wenn sie dieselbe als eine absolut teuflische und ruchlose Schrift, ja geradezu als „Teufelsdreck" bezeichneten." So erklärte Feuerbach selbst seine „Reimverse auf den Tod" als in der Sprache des Herzens geschrieben, was denn auch von den „satyrisch-theologischen Distichen" aus dem selben Jahre 1830 gelten mag, in denen allerdings die glühende Schärfe des Inhalts nicht selten mit der Holprigkeit des epigrammatischen Doppelverses wetteifert. Im Jahre 1846 erkannte der Dichter nur ein Drittel der Xenien noch als Fleisch von seinem Fleisch an, und im selben Jahre schrieb er an Noack: „Ungefähr 10-12 Xenien sind Wir wagen es, die seinigen nicht von mir, sondern von ihm" (dem und die bleibenden herauszugreifen. Was der Janus-Styl der Abhandlung noch im Ungewissen Hess, das spricht der Poet frisch heraus. Zuerst die Metapysika des „Todes".
eigentlichen „Text" Gründe
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Heraus-|30|geber).64
Dein Gott ist nur Dein eignes Ich, Geputzt, geschmücket säuberlich. Erst bringst Du Dich in einen Schweiss, Dem Herzchen wird ein Bischen heiss; Das Selbst im Schweiss sich transpiriret, Und von sich selbst sich separiret, Und dieses ausgeschiedne Ich Zum Gott für's Selbst bestimmet sich. Es macht das Ich sich zum Obje[k]t, Das ist der Komödie 29 Sujet Er (der Pietist) setzt im Jenseits sich zur Ruh', Und sieht dem Weltlauf lächelnd zu, Sich labend, frei vom Todeskampf, An seines eignen Selbstes Dampf, Der oben in der Himmelsferne -
64 *29
Ludwig Feuerbach an Ludwig Noack, 23. Juni Lies: Comédie.
1846. In: Feuerbach GW, Bd. 19, S. 70.
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung Verdichtet sich zu einem Kerne, Und annimmt der Person Gestalt Das Selbst ist einzig der Gehalte
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„Metamorphose der Geschichte (am Schluss): "
So war das Christenthum einst Substanz und herrschender Weltgeist, Aber anjetzt ist es nur Affektion des Gemüths.*31 -
„Unterschied zwischen der heidnischen und christlichen Welt." Ja, die heidnische Welt! die hatte vortrefflichen Stuhlgang,
Unbeschränkt war der Lauf damals dem Trieb der Natur. Aber die Eingeweide beschwert und verstopfet der Glaube; An der Hypochondrie leidet die christliche Welt.*32
Das Hegelthum. „An den Begriff'.
„Wesen ist nur der Begriff'; das heisst: das Gerippe vom Menschen Hat mehr Realität, als der lebendige Mensch. Fleisch und Geblüt ist nichts als überflüssiges Beiwerk, Selber das Leben ist nur Zusatz zur Knochensubstanz. Darum wird auch der Begriff nie Fleisch und Blut bei den Jüngern, Wie der Knochen hinein, geht er auch wieder heraus.*33131| Die philosophische Dogmatik". Sieh nur die Vettel Dogmatik, die längst beim Teufel wir glaubten, Wie sie sich konservirt, wie ihr der Busen so voll! Ach, es ist nur elastischer Watt philosophischer Floskeln Lass Dich nicht täuschen, o Freund was ihr den Busen so schwellt. „
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Natur.
„Nothwendigkeit des Naturstudiums".
„Macht Euch vertraut mit Natur, erkennt sie als Euere Mutter,
Ruhig sinket Ihr dann einst in die Erde hinab".*35
•30
•31 •32 •33 •34 •35
III. III. III. III. III. III.
107. 108. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 384 und S. 111. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 438.] 121. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 429.] 141. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 463.] 141. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 460.] 129. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 468.]
386.]
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
622
Von dem Poeten kann man sich wieder nur mit dem Poeten verabschieden, nachdem gesehen, wie es ihm gelang,
man
„Den Wust vergang'ner Tage fortzufegen,
Wie von den Bergen bläst die Nebelhauben Ein frischlebendiges Gewitterschnauben".'36
IV. Feuerbachs
Wanderungen durch die philosophische Geschichte
Lungen voll ätherischer Luft, betrat Feuerbach wieder den Hain Akademos. Er besann sich auf seine Erstlings-Vorlesungen über Cartesius und Spinoza, und arbeitete, frei vom Erlanger Schulstaube, seine „Geschichte der neuern Philosophie von Bacon von Verulam bis Benedict Spinoza" aus, welche 1833 erschien. Was er in seinen metaDie
physischen Vorlesungen gesagt hatte: die Logik sei blos das Resultat der Geschichte der Philosophie,65 das bewährte er hier praktisch. Die Entwicklung und den Zusammenhang der philosophischen Systeme hat Keiner wieder so lebendig, aus dem Vollen, Keiner so geistreich inhaltsvoll geschildert. Gleich vorn wird das Christenthum, wie ganz neuerdings wieder, hingestellt als die das beschränkende [,,]Volksbewusstsein [...] erweiternde Macht des denkenden Geistes, gleichsam das verhängnissvolle |32| Fatum über die Götter des Heidenthums"*37, als die, nur noch mystische Vollendung des allgemeinen Menschenthums. Aber das von aller Differenz und Besonderheit gereinigte Wesen des Geistes fasste sich im Gegensatz zum Fleisch, zur Natur, antikosmisch und negativ. Als das Positive der Welt verkennende und verneinende Religion richtete das Christenthum die Wissenschaften an und für sich Diese Naturentfremdung ging bis tief in den Protestantismus, ja bis in den zu Grunde verdienstvollen Pädagogen Arnos Comenius hinein*39. [N.] Lenau: [Die Führer. In: Die] „Albigenser" [Freie Dichtungen, Stuttgart Augsburg 1859, S. 73.] „Ich bin kein Poet", heisst es [bei Ludwig Feuerbach] in den nachgelassenen Aphorismen, „und will keiner sein, aber die Grundlage meines Denkens ist der poetische Sinn". Siehe L. Feuerbach: Vorlesungen über Logik und Metaphysik. In: Feuerbach GW, Bd. 14, S. 26 -
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bis 30, bes. S. 27. IV. 1. 2. [Feuerbach GW, Bd. 2, S. IV. 2. 3. [Feuerbach GW, Bd. 2, S.
5-6.] 10-11.]
S. 15, Anm. 4 von S. 14. Auf den Pädagogen Johann Arnos Grün später in seiner „Kulturgeschichte des Siebzehnten Jahrhunderts" (2 Bde., Leipzig 1880) ein. Siehe hier besonders 1. Bd., S. 103-131. Der erste Band dieser Kulturgeschichte war Ende September 1874, also unmittelbar nach der Herausgabe des Feuerbachschen Briefwechsels und Nachlasses, fertiggestellt; er muß also zu großen Teilen bereits bearbeitet gewesen sein. Siehe Karl Grün an Isabella Braun, Ende September 1874. Deutsches Literatur-Archiv Marbach, Bestand: Cotta-Archiv.] IV. 4. Note.
Comenius
[Feuerbach GW, Bd. 2,
ging
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
623
Dennoch müssen wir in der Scholastik oder Schablonen-Philosophie des Mittelalters, welche das Quod erat demonstrandum um so gewisser erfand, als das zu Beweisende schon vor dem Beweise fertig zur Hand war, den Uebergang zum selbstbewussten Denken suchen. Populär ausgedrückt, knupperten und knabberten die Scholastiker so lange an der kirchlichen Dogmatik herum, bis diese ein Loch bekam: aus diesem Loch kamen die Italiener der Renaissance, Bacon und Cartesius hervor. Vortrefflich ist nebenbei ausgeführt, wie die europäische Menschheit in der Renaissance den verwandten Geist in den Werken des Alterthums erkannt, ihre Befriedigung in ihnen gefunden, das Auferstehungsfest ihrer eigenen Vernunft in ihnen gefeiert und so sich zur Produktivität gereift habe. Jetzt erst sei auch wieder Naturwissenschaft, zunächst auf der Basis mathematischer, mechanischer Prinzipien, möglich Mit grossherziger Humanität wird der Charakter Bacons behandelt. Feuerbach verdammt nicht, er erklärt den Urfehler des Mannes aus seinem geistigen Wesen, aus der Konstitution des Philosophen selbst: Bacon habe nicht einmal Hang zu Staatsgeschäften gehabt, folglich ein Unrecht begangen, sich nicht mit dem Studium der Natur und Philosophie zu begnügen, sondern auch in der Gesellschaft etwas sein zu wollen. Wie frei seien dagegen Galilei, Spinoza und Leibnitz gewesen: il n'est pas nécessaire de vivre, mais de Bacon's Verdienst ist die physische, erfahrungsmässige Behandlung der Natur betont zu haben, fügen wir hinzu; denn gewusst, sogar angewandt war sie vor ihm, unabhängig von ihm. |33| Der hat sie in Schwang gesetzt, in die Mode gebracht. Doch Ffeuerbach] sagt das selbst: Sein Wesen liegt nur in der Methode, in der Art und Weise, die Natur zu betrachten. „Von einem Inhalt Bacon's kann man, streng genommen, nicht Wenn er übrigens „die Erfahrung als die einzige Quelle der Erkenntniss" bestimmte, so war ihm dafür die Erfahrung die „innigste Verbindung von Denken und Wahrnehmung", und dann blieb ihm „die Empirie nur Mittel, nicht Resultat"; „als Ziel und Objekt der Naturwissenschaft bestimmte er die Erkenntniss der „ewigen und unveränderlichen Formen der Dinge." 42 Ein feiner Unterschied ist der zwischen Bacon und Cartesius: Bacon ging auf die Qualität der Dinge, auf die Passiones, Appetitus Materiae aus, während Descartes nur die Quantität im Auge hatte.*43 Ffeuerbach] wehrt sich dagegen, dass Bacon als ausschliesslicher, absoluter Empiriker betrachtet werde. Er selbst sage: die frühere Induktion sei von den sinnlichen und
geworden.*40
penser.66
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sprechen."*41
*40 66
IV. 18. 22. [Siehe Feuerbach GW, Bd. 2, S. 37, Anm. 1.] Siehe Feuerbach GW, Bd. 1, S. 576. Wir sind zum Denken aber er ist nötig zu denken. IV. 34. [Feuerbach GW, Bd. 2, S. 53.] IV. 35. [Feuerbach GW, Bd. 2, S. 53.] IV. 38. 9. [Siehe Feuerbach GW, Bd. 2, S. 59-60.] -
*41 *42 *43
gemacht. Es ist nicht nötig zu leben,
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
624
besondern Dingen im Fluge zu dem Allgemeinsten aufgestiegen, und erst von da zu den mittleren Sätzen herabgekommen. Seine Induktion dagegen erhebe sich allmählig vom Besondern zum Allgemeinen. Das ganze II. Buch des Novum Organum aber handle von der Abkürzung der Induktion durch „bevorzugte Instanzen". So sei die Induktion nicht schlechthin Empirie, sondern philosophische Empirie: zum Allgemeinen hinauf, und zum Experiment herab. Auch das wird notirt, und passt allerdings zur Kategorie der Qualität, dass der naturforscherische Bacon auch Jakob-Böhmelt und Campanellat: Alle Körper haben ein gewisses Wahrnehmungs- und Vorstellungsvermögen, ja auch ein gewisses Wahlvermögen (die Monas des Leibnitz). Empfindung sollen sie zwar ausdrücklich nicht haben, wer aber „wählt", der hat Verlangen, Begierde, und Verlangen, Begierde setzen „Emp-
findung" voraus.
Die Schwächen des Baconischen positiven Wissens werden bereitwillig nach Fischer, Geschichte der Physik, Schwere, mechanische Bewegung, Druck und Stoss, dem Galilei so gut bekannt, sind es dem Bacon nur schlecht. Die Erdbewegung |34| existirt für ihn nicht. Liebig in seiner Akademischen Münchener Rede*44 hat bekanntlich das Sündenregister Bacons vervollständigt, und auch nachgewiesen, dass das Prinzip der Induktion selbst (vorläufig) auf Niemand anders zurückzuführen sei als auf Lionardo da Vinci. Dann folgt Hobbes, der Repräsentant des reinen Mechanismus, der Rechenmeister, der Rückfall in die Quantität. Alles ist ihm relativ oder bedingt. Der Nützlichkeitsboden des Bacon wird noch dürrer, die Theorie noch viel schroffer. Das More geométrico, bei Spinoza nur Form, wird hier bitterer Ernst. Die Bewegung ist nur vom denkenden Subjekt in die Natur hineingetragen, die sinnlichen Qualitäten sind Phantasmata des empfindenden Subjekts. Hobbes ist im Wesen radikaler Atheist: „Die Glaubensgeheimnisse muss man wie heilsame, aber bittere Pillen ganz hinabschlucken; wenn man sie zerkaut, so werden sie gewöhnlich Obgleich die Staatslehre des Hobbes stark von persönlichen Erfahrungen, Sympathieen und Antipathieen gefärbt ist, so passt sie doch vollkommen zu seiner mechanischen Weltanschauung übrigens war De Cive schon 1642 fertig -:70 Der Staat ist wie die Welt, sein oberstes Prinzip ist Einheit, seine Methode Folgerichtigkeit. Der Princeps gibt Gesetze, alle Atome gehor-
zugegeben;67
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ausgespieen."69
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Feuerbach GW, Bd. 2, S. 86, Anm. *. Siehe [C] J. Fischer: Geschichte der Physik seit der Wiederherstellung der Künste und Wissenschaften bis auf die neuesten Zeiten, Göttingen 1801-1808, Bd. 1, S. 35-10, 54-58 und S. 62-67. München, 1863. [J. v. Liebig: Rede in der öffentlichen Sitzung der königlichen Akademie der Wissenschaften am 28. März 1863 zur Feier ihres einhundert und vierten Stiftungstages.] Siehe J. v. Liebig: Bacons Methode der Induction. In: Ebenda, S. 15-41. Zu Leonardo da Vinci siehe ebenda, S. 40. Feuerbach GW, Bd. 2, S. 137, Anm. 1 von S. 136. Ebenda, S. 105. -
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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sonst hätten wir den „Krieg Aller gegen Alle." In dem Augenblicke, wo der Monarch sein Recht vom Volke erhält, ist das Volk keine Person mehr und hat keine Ansprüche zu erheben. Gassendi, der Lehrer Molière 's, ist der Wiederbeleber des Epikur,72 wie Bacon den Demokrit dem Aristoteles vorzog. Er ist freilich noch christlicher Theolog, entwickelt aber vorzüglich die Entdeckungen der Physik und Astronomie. Jakob Böhme ist religiöser Sensualist, theosophischer Materialist. Seine faktische Unwissenheit macht ihn schusterlich geistreich. Aus dem Nichts wird eine „Qual" (Qualität), Scienz ist ein ziehe Ens, eine herbe, ziehende Eigenschaft oder Begierde. In die Kulturgeschichte gehören solche verbohrte Genies, aber heraus mit ihnen aus der Geschichte der Philosophie, wo sie bis auf den heutigen Tag des Uebels die Masse angestiftet haben! Man brauchte ja zu einer gewissen Zeit nur unwissend und dunkel zu sein, um tief zu erscheinen, besonders in Germanien. Uebrigens hat Feuerbach im Jahre 1846 dem Görlitzer Theosophen für immer |35| die Wege gewiesen: „Die auf die Offenbarung der Sinne gegründete Philosophie erblickt nicht, wie die spekulative, in dem mystischen Dunkel einer christlich-germanischen Schusterstube, sondern in dem lichtvollen „kritischen Wäldchen" Herders ihre „Aurora". Siehe, Philosophus Teutonicus, Herders „Lebensbild", und empfange von diesem Priester und Propheten des Menschenthums die Taufe der sinnlichen, menschlichen René des Cartes, der sich die Welt als Soldat in allen Lagern angesehen, beginnt seine Philosophie scheinbar mit dem absoluten Zweifel, Nichts bleibt als Mein Denken. Das berühmte Cogito, ergo sum, ist nur These, kein Schluss: nullo syllogismo concluditur, wie früher Alle verstanden und noch Viele verstehen. „Dessen bin ich also gewiss, dass ich ein denkendes Wesen bin."73 Dann kommt der grosse Sprung, der wahrhafte Salto mortale, direkt in den ontologischen Beweis hinein: „Alles ist wahr, was ich klar und deutlich einsehe",74 was nicht wahr ist, bevor bewiesen worden, dass ich logisch gedacht habe. Gott springt hier wirklich aus der Maschine hervor, die Natur aber und der Leib fallen, gesondert vom Geiste, zur Erde. Unter meinen Ideen ist die erhabenste die Idee der unendlichen Substanz, Gott; diese Idee kann nur von ihm in mich kommen; die Existenz aber ist eine Vollkommenheit, die dem vollkommensten Wesen nicht abgehen kann. Ergo, Qfuod] Efrat] Dfemonstran-
chen,
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Philosophie!"*45
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71 72 *45
Ebenda, S. 131.
Siehe Feuerbach GW, Bd. 2, S. 140. III. 379. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 298, Anm. *. Siehe auch die vier „kritischen Wäldchen", in: Johann Gottfried Herder's Lebensbild. Sein chronologisch-geordneter Briefwechsel, verbunden mit den hierhergehörigen Mittheilungen aus seinem ungedruckten Nachlasse, und mit den nöthigen Belegen aus seinen und seiner Zeitgenossen Schriften. Hrsg. von Emil Gottfried von Herder, 1. Bd., 3. Abth., 2. Hälfte, Erlangen 1846, S. 177-520.] Feuerbach GW, Bd. 2, S. 256. Ebenda. -
73 74
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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dum] Geist und Leib sind getrennte, selbständige Substanzen, ihre Verbindung daher Zusammensetzung; ihre „Harmonie" wird erst Leibnitz „prästabiliren" müssen. Die Natur ist dem Cartesius nur Ausdehnung, Quantität. Und doch sagt er: Der Geist hängt so sehr von den Organen ab, dass „wenn die Menschen irgend weiser zu machen sind, dies durch die Medizin geschehen muss." Also: nimm Arznei! Wenn Cartesius behauptet, Gott, die allgemeine Ursache, habe im Anfang die Bewegung und Ruhe mit der Materie geschaffen, so stimmt er ja mit den Atomisten überein, welche auch Mechanisten sind; dann aber wird sein Gott überflüssig. Der Cartesianer Arnold Geulinx erfand den „Occasionalismus": „Die Bewegung in meinen Gliedern erfolgt nicht durch meinen Willen; es ist nur Gottes Wille, der sich gelegentlich einmischt, dass diese Bewegungen erfolgen wie ich will."76 Die |36| Vereinigung von Geist und Körper ist ein Wunder. (Leibnitz, wo bleibst Du?) Nikolaus Malebranche, ein gescheidter Ordenspriester: Wie kommen Geist und Körper zusammen? durch Gott. Wir erkennen alle Dinge in Gott. Die Naturursachen sind nur Gelegenheitsursachen für die Wirkungen Gottes. Dabei stellte dieser Priester die ,
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Vernunft so hoch, dass eine Art von Konkurrenz zwischen ihr und Gott stattfand. Gott ist die Vernunft oder der Geist in uns, oder der Geist in uns ist Gott. O vofjç yàç rjutv é tív èv è%à top Oeoç (Euripides). Die Sache wird zweideutig. Baruch Spinoza, der Grosse, wirft die drei Cartesischen Substanzen: Gott, Geist, Materie in eine zusammen, welche Causa sui, das sich selbst Erzeugende ist. Malebranche hatte gesagt: Dieu est aussi bien étendu que les corps, puisqu'il possède toutes les Spinoza vervollständigt das: Deus est omne esse et praeter quod nullum datur esse. „Gott ist alles Sein, neben welchem es kein Sein Woraus folgt: Omnis determinatio est negatio, die Einzeldinge sind nur Privationen der Substanz, nichts Wirkliches. Doch ist die Einheit Gottes durchaus nicht numerisch zu nehmen; wer so von Gott spreche, habe keine Ahnung von ihm. Das "Ev ist eben das Fläv. Spinoza ist die Negation der Theologie, aber auf dem Standpunkt der Theologie; die Substanz, fügen wir hinzu, ist der sublimirte, durchdestillirte Gott. Der Verstand z. B. ist in der Retorte geblieben, als nur Attribut des absoluten Wesens. Darüber wunderte sich damals selbst Feuerbach; aber die Gott-Natur Spinoza's denkt doch nicht diskursiv, wie wir; in ihrer Absolutheit ist der Verstand aufgehoben. Er kann nicht denken, ohne ausgedehnt zu sein, denkt also alles in Einem, nach menschlichen Begriffen gar nicht, er ist der Stupor des Denkens.
perfections.77
75 76
77 78
(lat.): Was zu beweisen war.
Feuerbach GW, Bd. 2, S. 314. Ebenda, S. 363-364, Anm. 5. Ebenda, S. 379.
gibt."78
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
627
Auch Cartesius spukt noch hin und wieder: der Körper kann den Geist nicht zum Denken, der Geist den Körper nicht zur Ruhe und Bewegung bestimmen (Eth. III.
Pr.2).79
In der eigentlichen Ethik, die bekanntlich in der „Ethik" zuletzt kommt, werden Wille und Verstand als identisch gesetzt. Diese Voraussetzung verlangt jedoch ein ganz abstraktes Wesen, sie ist nur wahr im Reiche der, wenn auch diesseitigen, Transzendenz. Es gibt nach Spinoza drei Erkenntnissarten: Erfahrung, Vernunft, Intuition. Die letzte hat viel Unheil angerichtet, |37| und wird am Lebhaftesten von denjenigen präkonisirt, die ein Defizit in den beiden anderen verspüren, oder unter geheimnissvollem Aushängeschilde Neuestes vorbringen möchten. Die Wissenschaft kommt mit den beiden ersten vollkommen aus, besonders, wenn sie sie in ihrem ganzen Umfange begreift und zu kombiniren versteht, wie das bei geistigen Operationen übrigens von selbst geschieht. Nach Spinoza schreitet die Intuition von den adäquaten Ideen des Wesens gewisser Attribute Gottes zur Erkenntniss der Dinge fort, d. h. die Intuition steigt von der Idee zur Realität herab, und vollzieht so eigentlich einen Vernunft-Akt. Was aber heisst: „Gott liebt sich selbst mit einer unendlichen, intellektuellen Liebe?"80 Die äusserste Abstraktion des „Ein und Alles", dieser gedachte Gedanke, hat Und was eine Empfindung, ein auf organischer Konstitution beruhendes Gefühl] heisst: „Wir lieben Gott, nämlich die Spinozische Gedanken-Sublimation? Natürlich ist die „Liebe Gottes" mit dem subjektiven oder objektiven Genitiv Eins und Dasselbe. Zwischen 1833 und 1847 war der grosse Pantheist inkonsequent natürlich, wie aller Pantheismus noch oft der Gegenstand Feuerbach'sehen Nachdenkens. Das Mittelglied 81 von 1835/6 berühren wir sofort beim Nachlasse. 1847, bei Redaktion der Gesammtausgabe, resumirte Feuerbach wie folgt: Spinoza's Gott ist die Natur, der Ursprung des Menschen. Gerechtigkeit und Liebe Gottes gehören dem Glauben an. Gott ist die Natur, die Natur ist die Vernunft, Vernunft heisst vernünftige Ordnung der Dinge. Gott ist bei Spinoza aufgelöst, aber der Name wird beibehalten.*46 -
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Ebenda, S. 428. Feuerbach GW, Bd. 2, S. 438. BwN, Bd. 1, S. 317-329. Grün bezieht sich auf Feuerbachs Erlanger „Vorlesungen über die Ge-
schichte der Neuern Philosophie" (1835/1836). Vgl. auch L. Feuerbach: Vorlesungen über die Geschichte der neueren Philosophie (Von G. Bruno bis G. W. F. Hegel. Erlangen 1835/1836), bearb. von C. Ascheri und E. Thies, Darmstadt 1974 (= Texte zur Forschung, Bd. 21). Diese Vorlesungen werden demnächst im dritten Nachlaßband der „Gesammelten Werke" Ludwig Feuerbachs, dem Band 15, veröffentlicht. Eine gründliche und vortreffliche Erörterung der eigentlichen Moralphilosophie und der Ethik Spinoza's gibt Feuerbach in den gelehrten Anmerkungen zu seinem „Leibnirz" (1836), bei welcher Gelegenheit er auch (V. 259-68) den Zoilo-Thersites der Geschichte der Philosophie, Herbart, und dessen Buch über die „Freiheit" abthut, wobei freilich die rein intellektuelle Bestimmung des Willens: Nihil certo seimus bonum aut malum esse, nisi id, quod ad intelligendum revera conducit, vel quod impediré potest quo minus intelligamus, „Nichts wissen wir mit Gewissheit als Gutes oder Böses, als was die Intelligenz wahrhaft befördert, oder was die Schmälerung unserer Intelli-
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Im Vorworte zur Gesammtausgabe entschuldigt Feuerbach die Mängel seines Buches mit seinem Standpunkt des abstrakten Denkens, worauf ihm das Denken noch Sein gewesen. Doch be-|38|ruft er sich auf seine Darstellung Bacons, den er mit besonderer Vorliebe behandelt und dessen Empirie er bereits für eine Sache der Philosophie erklärt habe. In der oben erwähnten handschriftlichen „Vorrede" heisst es: die Schrift enthalte, „abgesehen von Bacon", die Darstellung und Entwicklung der Grundgedanken von Böhme, Cartesius, Malebranche, Spinoza, „deren Studium mich schon als Studenten, in Verbindung mit dem der Hegel'schen Philosophie, angelegentlichst beschäftigte, und von dem entscheidendsten Einfluss auf die Ausbildung meines anthropologischen Pantheismus war."82 Schliessen wir hier gleich die unedirten „Vorlesungen über Geschichte der Neueren Philosophie" an; sie wurden zu Erlangen im Winter 1835/6 gehalten als Abschied Die schon oben skizzirte Auffassung des Begriffes der vom akademischen Leben. Neuzeit, im Gegensatze zum Mittelalter, tritt hier noch prägnanter hervor; auf die Negativität der christlichen Scholastik folgt die Anerkennung der Materie, der Natur, als göttlicher Realität. Wie wären auch ohne diese Anerkennung die gewaltigen Entdeckungen und Erfindungen, wie die realen Wissenschaften überhaupt möglich geworden! Die Leistungen der „wiedergebornen" Menschheit setzten ja diese Anerkennung im Prinzip voraus. Feuerbach nannte diese neue Richtung „Pantheismus", im Gegensatz zum Monotheismus der Vergangenheit, und konnte sich dabei auf die Italiener wie auf Spinoza berufen. Obgleich von Hegel schon im Wesen geschieden, des Hegelthums bereits überdrüssig, sieht man ihn doch die historische Dialektik mit Vorliebe handhaben. Das Prinzip des Sich-so-und-nicht-anders-Entwickelns, die psychologische Kausalität oder Motivation in der Behandlung der Völker-Geschicke und Geschichte mag sie im Einzelnen fehlgreifen, ja hin und wieder sophistisch irrlichteriren ist das unbestreitbare und unschätzbare Verdienst Hegels, und der offenbare, wenn auch abgeleugnete, Mutterboden aller neueren Geschieht[s]Schreibung und geschichtlichen Behandlung irgend welches Stoffes geworden. Dieses Prinzip hat der Alte in die gebildete Welt eingekeilt, und die Vernachlässigung dieses Prinzips oder die persönliche Unempfänglichkeit für dasselbe hat sich noch stets gerächt; Schopenhauer z. B. ist bei allem Scharfsinn in seinen grundlegenden Schriften eine durchaus unhistorische Natur „die Sonne brennt ewigen Mittag" und desshalb vermochte er weder |39| Hegel noch irgend ein Moment der Vergangenheit zu würdigen; nur desshalb ist er der „Sonderling", weil er sich vom ge-
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genz zu verhindern im Stande ist" noch mit einem Fragezeichen zu begleiten ist. Man übersehe jedoch nicht die Beseitigung der Anthropomorphismen in Gott, wie sie Spinoza in den Episteln und im „Theologisch] politischen] Traktat" vornimmt (261). [Feuerbach GW, Bd. 3, S. 307 bis 308.] -
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Grün erwähnte handschriftliche Vorrede wird demnächst im vierten Nachlaßband der „Gesammelten Werke" Ludwig Feuerbachs, dem Band 16, veröffentlicht. Demnächst in Feuerbach GW, Bd. 16. Die
von
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schichtlichen Prozess absondert. Schopenhauers seifige] Erben haben sich das richtig gemerkt, und der „kranken Welt" etliche Gran „Evolutionismus" Bacon's „ewige Formen" werden nunmehr von Feuerbach schärfer bestimmt; Bacon verlange nicht „abstrakte, übersinnliche Formen", sondern „materielle Prinzipien der Natur", ziehe die Atome der Aristotelischen Materie ohne Form und Bewegung vor, setze materielle, menschliche Zwecke. Vortrefflich wird Spinoza in den Fluss des Geschehens hereingezogen der portugiesische Jude im calvinistischen Holland, Er selbst allein -; die Ausdehnung als Attribut der Substanz setze die Materie als göttlich. Daher stammen die englisch-französischen Sensualisten und Materialisten, nur dass diese die Materie als Subjekt setzten. Voltaire z. B. spottete über den Pantheismus Spinoza's, und sah nicht ein, dass er selbst nur ein „unartiges Kind Spinoza's" war. Interessant ist die Geschichte der „intellektuellen Anschauung" von Jakobi, durch Fichte und Schelling zu Hegel, wobei die grossen Dichter ihre Stelle finden. Hegel erscheint da als Poseidon mit dem Dreizack und dem Quos ego, um die vagirende Welt wieder zur Raison zu bringen. Aber das logische Sein, die Ontologie, fährt dabei nicht besser; die Kriegserklärung schlummert in den Falten der Toga. Zwischen die gedruckte „Geschichte der Neuern Philosophie" und die Vorlesungen über denselben, weiter ausgeführten Gegenstand, also zwischen 1833 und 1835, in das Jahr 1834, fällt der zweite ausserakademische Befreiungsakt Feuerbachs: abalará und Heloise", oder: „der Schriftsteller und der Mensch. Eine Reihe humoristischMan kann nicht genug zum Wieder- oder ersten Lesen philosophischer dieser Schrift auffordern; hier funkelt und strahlt der wahre Esprit, hier lächelt der Humor gleich dem „unbewölkten Zeus", der Humor, den Ffeuerbach] so humoristisch
eingegeben.84
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Aphorismen".85
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Zu denjenigen, die sich der Schopenhauerschen Philosophie besonders annahmen, gehörten der Justizrat F. L. A. Dorguth mit seiner Schrift „Schopenhauer in seiner Wahrheit mit einem Anhange über das abstrakte Recht und die Dialektik des ethischen und des Rechtsbegriffs" (Magdeburg 1845), J. Frauenstädt mit „Ueber das wahre Verhältniss der Vernunft zur Offenbarung. Prolegommena zu jeder künftigen Philosophie des Christentums" (Darmstadt 1848) und den „Briefen über die Schopenhauer'sehe Philosophie" (Leipzig 1854), J. Frauenstädt: „Arthur Schopenhauer. Lichtstrahlen aus seinen Werken" (Leipzig 1862), W. Gwinner: „Arthur Schopenhauer aus persönlichem Umgange dargestellt. Ein Blick auf sein Leben, seinen Charakter und seine Lehre" (Leipzig 1862) sowie „Schopenhauer und seine Freunde" (Leipzig 1863) und abermals J. Frauenstädt mit der Schrift „Aus Schopenhauer's handschriftlichem Nachlass: Abhandlungen, Aphorismen und Fragmente" (Leipzig 1864). Frauenstädt besorgte ebenso die Werkausgabe in sechs Bänden, die 1873 bis 1874 herausgegeben wurde. Vgl. auch Anm. *167. Feuerbach GW, Bd. 1, S. 533-638. Vgl. auch das ganze zehn Jahre nach Feuerbach erschienene Buch von M. Carrière „Abälard und Heloise. Ihre Briefe und die Leidensgeschichte übersetzt und eingeleitet durch eine Darstellung von Abälard's Philosophie und seinem Kampfe mit der Kirche" (Gießen 1844) sowie die darüber erschienene Rezension von K. Grün (Sprecher, Nr. 4 vom 13. Januar 1844, S. 25-26). -
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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den „Privatdozenten der Philosophie" nennt. Hätten wir nur mehr solcher Autoren, mehr solcher geistreichen Bücher, an der Stelle gewisser höchst zweideutiger Elukubrationen, die sich wie Gift ins Blut stehlen! Feuerbach selbst charakterisirt diese ,Aphorismen" als die Lehre von der wahren Unsterblichkeit im Geiste, der die |40| Liebe nicht ausschliesst. Daher auch der sonst unverständliche Titel: „Abälard und Heloise". Wenn ihn später etwas an dieser Schrift genirte, so war es wohl der Umstand, dass die geistige Unsterblichkeit wieder eine abstrakte, aristokratische ist, und dass die Liebe nur so gewissermassen aus Gnaden mitgenommen wird. Er sollte eben noch realer, noch konkreter werden. Zum letzten Male rechnet er mit seinem bereits verstorbenen und versöhnten Vater87 ab: Ein Studium, das Einer wider den Willen seiner Eltern88 ergreift, ist nicht desswegen schon sein von der Natur ihm bestimmter Beruf. „Aber das ist doch wahr, dass fast die meisten grossen Schriftsteller, man denke nur z. B. an Lucian, Luther, Voltaire, Rousseau, Torquato Tasso, Ariost, Shakespeare, Boccaccio, Ulrich von Hütten, Molière, Lessing, Petrarca, Thomas Aquino, Cujacius, Sabellicus, Conrad Celtes, Cuvier, Diderot, wider das Gebot und die Bestimmung oder den Wunsch ihrer Väter, die Frucht der Unsterblichkeit vom Baume der Erkenntniss gebrochen haben. Diese Erscheinung hat ihre guten Gründe; die Welt ist keine Freundin von Novitäten; wohl in Kleidung und Luxusartikeln liebt sie Veränderungen, keinesweges aber in Dingen, die ihr zu Leibe gehen. Sie wünscht, commoditatis causa, dass Alles beim Alten bleibe, dass der Enkel dieselbe Strasse gehe, die schon der Grossvater gegangen ist, und wenn auch die Strasse durch den Unverstand der Baumeister so ungeschickt und widersinnig angelegt, oder so ausserordentlich krumm ist, dass man zu einer Strecke Weges, die man recht gut in einer kleinen halben Stunde zurücklegen könnte, eine gute deutsche Meile braucht" -
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-
etc.*47
Wem fällt bei obiger Nomenklatur nicht wieder Jean Paul mit seiner ZettelGelehrsamkeit und Lesefruchtbarkeit ein! Bei der folgenden glaubt man den Verfasser des Quintus Fixlein oder des Siebenkäs selbst zu hören: „Können uns also die Abenteuer und Fata, welche von jeher der Geist zu bestehen hatte, noch in Verwunderung setzen? Kann es uns wundern, dass ein Jordan Bruno und Vanini auf dem Scheiterhaufen endeten? dass einst der Bischof Virgilius, weil er Antipoden statuirte, von Bonifazius als ein Zerstörer der Religion verklagt, und von dem Papst mit dem Bannstrahl bedroht wurde? dass Galilei in Ketten geworfen wurde, weil er den Glauben an die Unbeweglichkeit des Erdballs umstiess? dass Harvey wegen seiner Entdeckung der Zirkulation des Bluts sich |41| sogar vor Gericht vertheidigen musste? dass Baltasar Bekker, weil er „dem Teufel seine Macht nahm und ihn von der Erde in die Hölle bannte", als Atheist verfolgt, seines
86
87 88
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Feuerbach GW, Bd. 1, S. 537. Paul Johann Anselm von Feuerbach starb am 29. Mai 1833 in Frankfurt am Main. Im Original: Aeltern III. 199. [Feuerbach GW, Bd. 1, S. 580-581.]
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Amtes entsetzt und
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seiner Kirche ausgeschlossen wurde? dass Herder bei seinen schon Amtskollegen desswegen, weil er keine Perücke wie sie trug, sich der Néologie und Hétérodoxie verdächtig machte? dass es zur Zeit des Peter Ramus in Paris für eine sträfliche, ja kriminelle Neuerung galt, den lateinischen Buchstaben Q richtig von
frommen
auszusprechen,
sagen?"*48
statt Kiskis: Quisquís, Kankam: Quanquam zu Nur dass Paul korrekter und verständlicher schreibt als dieser Jean der andere. Die Schrift fand jedoch kaum ein Echo, dieser Geist war dem „ureignem Geist" zu hoch. Sehr vortheilhaft war nur die Rezension in der „Literarischen und dasselbe Organ enthielt noch einen zweiten Artikel: „Deutsche Philosophie in Frankreich",*50 worin es hiess: „Einen andern Beweis, wie die deutsche Philosophie sich in Frankreich Bahn bricht, liefert die Revue du Progrès social, welche von Jules Leche-
Zeitung",*49
[Feuerbach GW, Bd. 1, S. 606-607.] Zeitung, [Berlin] 1834, [13.] August, Nr. 33, [Sp. 561]. [Die anonyme Besprechung trägt folgenden Wortlaut: .¿Ibälard und Heloise oder der Schriftsteller und der Mensch. Von Ludwig Feuerbach. Ansbach, 1834. Brügel. 5 'A Bog. gr. 12. 2/3 Thlr. Die Resultate neuerer Weltanschauung treten in diesem Werkchen nicht in wissenschaftlicher Form, sondern ungebundener als eine Reihe humoristisch philosophischer Aphorismen vor die Augen des Publicums: ein Versuch, der jedenfalls zu loben u. anzuerkennen wäre, auch wenn er nicht mit solchem Geiste u. solcher Fülle positiver Gelehrsamkeit wie in vorliegender Schrift unternommen würde. Das Allgemeine erscheint concret in der einzelnen Erscheinung und an dieselbe geknüpft, wodurch es zur Anschauung u. Evidenz erhoben wird; u. der Verf. giebt von diesen Einzelnheiten eine solche Masse, dass wir ihn trotz seiner Versicherung auch für einen „Bücherwurm in specie" halten möchten. Vorzüglich ist es der Gegensatz von Wissenschaft und Leben, welcher hervorgehoben werden soll; wie schlimm das Leben bei der Wissenschaft wegkomme, wie wenig in jeder Beziehung für dasselbe übrig bleibe; wie wiederum die Wissenschaft, specieller die Philosophie, vom Leben verachtet werde, wie dieses mit dem Geiste nichts anzufangen wisse u. der Geist im Leben III. 224. 5.
Literarische
-
ein böser Geist sey, ein uneheliches Kind, eine Abnormität etc. Um die Art und Weise des Verf. anschaulich zu machen, müssten wir einen oder anderen dieser Aphorismen herausheben, was uns leider der Raum dieser Blätter untersagt; um so dringender wollen wir daher die Leser zur Autopsie ermahnt haben. Wenn wir etwas tadeln sollten, würden wir fast den Gegensatz, dem nur ganz am Schlüsse der Weg zur Versöhnung gewiesen wird, zu hart herausgestellt finden, da doch das Leben dieser Welt auch eine Form des Geistes ist, u. nicht so ganz aller Vernunft u. göttlichen Leitung entbehrt; doch sehen wir andererseits sehr wohl ein, dass wenn etwas angeschaut werden soll, es einseitig aus dem Zusammenhange herausgenommen werden müsse."] Lit[erarische] Zeit[ung], [Berlin] 1834, [10.] September], Nr. 37, [Sp. 641]: [,J3eutsche Philosophie in Frankreich. Einen neuen Beweis, wie die deutsche Philosophie sich in Frankreich Bahn breche, liefert die Revue du progrès social, welche von Jules Lechevalier seit Anfang dieses Jahres in Monatsheften in Paris herausgegeben wird. (gr. 8. 30 Fr.) Da findet sich im Jan.-Heft ein Aufsatz über die Vorlesungen des Krause'schen Schülers Ahrens zu Paris, im Febr. ein Artikel über F. H. Jacobi von A. Prévost, im März eine Notice sur quelques ouvrages intéressans récemment publiés en Allemagne (von L. A. Feuerbach, Richter von Magd., Beneke, A. Arnold etc.), im April ein Aufsatz über Boehme, u. im Mai ein erster Artikel über Hegel. Ausserdem enthält diese Zeitschrift manche gediegene Recensionen französ. Werke, so wie manchen beachtenswerthen Aufsatz, z. B. im Juni-Hefte: Du parti social et des idées progressives qui doivent se manifester dans la Chambre de 1834."]
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
632
valier seit Anfang dieses Jahres herausgegeben wird. Da findet sich unter andern im März eine Notiz sur quelques ouvrages intéressans, récemment publiés en Allemagne", von Lfudwig] Afndreas] Feuerbach, Richter von Magdeburg (dem sogfenannten] „Unsterblichkeits-Richter", wie der Pontus Euxinus „gastlich" ist). Dieses erste Heraustreten Feuerbachs auf die Bühne der „Weltliteratur" verdiente erwähnt zu werden, da später der Humanist Feuerbach eine nicht unbedeutende Popularität in Frankreich, namentlich bei der Bewegungspartei, sich erwarb. 89 In der handschriftlichen „Vorrede" weist Feuerbach seinem „Abälard und Heloise" die Stellung zwischen „Spinoza" und „Leibnitz" folgendermassen an: „Diese Schrift geht schon über den Pantheismus meiner ersten Schriften hinaus und drückt das Bedürfniss aus, die Gattung zu individualisiren und die Individualität zu bejahen. Die Entfaltung des eigenen Wesens ist der Zweck des Lebens. In dieser Schrift war ich nicht mehr anthropologischer Pantheist, sondern Polytheist. Dasselbe gilt von „Leibnitz". |42| Am Schlüsse der „Aphorismen" meldet sich Heloise: „das schönste Band zwischen Mensch und Schriftsteller ist die Liebe."90 Sie war mittlerweile in Feuerbachs Herz eingezogen. Diese keusche und verschlossene Natur hatte ihren Magnet gefunden. Ein schönes, edelgebildetes Mädchen verstand den esoterischen Menschen in dem Philosophen; sie enträthselte das geschlossene Binnenleben des Still-Bedeutsamen. Sie fesselte ihr Geschick auf ewig an das seine.91 „Zum Glück ist kein Wesen bestimmt; aber was lebt, ist eben, weil es lebt, zum Leben bestimmt. Das Leben des Lebens ist aber die Liebe."92 „Ob ich mit dir glücklich sein werde? Ich weiss es nicht, ich weiss nur so viel, dass ich jetzt ohne dich unglücklich bin."93 „Ich liebe dich ewig*, d. h. meine Liebe zu dir endet nur mit meinem Bewusstsein. Ewig ist, dessen Ende mein eigenes Ende ist."*51 Wie der Philosoph an seine Geliebte schrieb, das werden wir im Nachlasse lesen. Die vielgeprüfte, heiterklare Matrone aber, die den Gatten überlebt, möge sich lächelnd spiegeln in dem tiefen und reinen Quell jener von ihr dem Boden entlockten Leiden-
-
schaft.94
Wir kehren in den Schulstaub zurück.
90 91
92 93
*51 94
L. Feuerbach: Ungedruckte „Vorrede". Feuerbach GW, Bd. 1, S. 638. Am 12. November 1837 heirateten Bertha Löw und Ludwig Feuerbach auf Schloß Bruckberg. Feuerbach GW, Bd. 10, S. 163. Ebenda. II. 394. 5. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 164.] Siehe hierzu auch den Nekrolog „Zum Andenken an Bertha Feuerbach", den Karl Grün in der „Allgemeinen Zeitung" (München Stuttgart) veröffentlichte. Dieser Beitrag wird in den Ausgewählten Schriften im Dokument 26 wiedergegeben. -
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
633
Das Meisterwerk philosophisch-historischer Entwicklung, die glänzendste Ueberwindung sachlicher Verwicklung und Schwierigkeit ist Feuerbach's: „Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibnitz 'sehen Philosophie ", 1836.95 Leibnitz ist ein grosser, scharfer, universaler Denker und zugleich ein wissenschaftliches Pandämonium. Innerlich, an sich, ist er über Manches hinaus, was er für sich noch festhält. Ich habe mir seine Widersprüche und Mängel stets zu erklären gesucht durch eine doppelte Akkommodation, eine unwillkürliche und eine halbwillkürliche. Unwillkürlich steht er im 17. Jahrhundert und akkommodirt sich dem Reste von scholastischen Essenzen oder Wesenheiten, die damals noch als Influenzen fortgrassirten. Wenn Spinoza, der Unabhängigste, noch auf den Schatten des Jehovah trat, so warf in Leibnitzens Hirn die protestantische „Seele" ihr Bild, und dieses é'îôoç gestaltete sich ihm zuletzt zur Monas; Alles |43| ist „Seele" oder Seelchen. Die halbwillkürliche Akkommodation resultirte bei Leibnitz aus seiner vornehmen Aristotelischen Stellung in der sozialen Welt: da galt es Manches zu versöhnen, zu vereinbaren, zu verkleben; z. B. den wahren Spinoza, den brillenschleifenden Juden. Dazu kam Leibnitzens Panurgie, seine Vielbeschäftigtheit mit juristischen, historischen, mathematischen, physikalischen, politischen, kirchlichen Dingen, die es mit sich brachte, dass er eigentlich nur Gelegenheits-Philosoph war und seine Themata nur von der ihm grade augenblicklich interessanten Seite anfasste. Konservativ war er obendrein, theils persönlich, theils im Einklänge mit dem Grundzuge des 17. Jahrhunderts. Die Aristotelische Universalität diktirte ihm gleich den Satz: „Der Same von Allem, was wir lernen, liegt in uns. Ich glaube desshalb, dass Piaton mit Aristoteles und Demokrit verbunden werden muss, um zur wahren Philosophie zu kommen."96 Für diese
Verbindung war es zu früh.
Feuerbach fasst nun seinen Helden zunächst im Verhältnisse zu Spinoza: „Die Philosophie Spinoza's ist ein Teleskop, das die dem Menschen wegen ihrer Entfernung unsichtbaren Gegenstände näher bringt, die Leibnitz'sche ein Mikroskop, das die kleinen und feinen Gegenstände sichtbar macht"*52, mit andern Worten: die Eine Substanz ist in Milliarden Substanzen zerschlagen. Die Cartesische Quantität im Gegensatz zur Bacon'schen Qualität blieb für die Natur die vorherrschende Kategorie, also: Astronomie und mathematische Physik; aber die tiefere Anschauung tagte doch wieder in Cudworth welcher den Cartesius tadelte, dass Alles nur aus nothwendiger Bewegung der Materie kommen sollte, und meinte, zwischen Mechanismus und Lebenskraft gebe es ein Drittes, eine natura genetrix, eine vis plástica. Leibnitz: „Die Kraft macht das innerste -
-
-
-
95 96
*52 97
(„Intellektualsystem"),97
Siehe Feuerbach GW, Bd. 3. Ebenda, S. 32. V. 40. [Feuerbach GW, Bd. 3, S. 39.] R. Cudworth: The true intellectual system of the universe, London 1678. gart Bad Cannstatt 1964). -
(Faks.-Neudruck
Stutt-
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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Wesen der Körper aus; die Ausdehnung ist nicht das Erste, sie setzt vielmehr die Kraft als ihr Prinzip voraus." Die Monade ist nun wesentlich Qualität, „Seele" oder „den Seelen analoges Wesen", vera et realis unitas, atome de substance, nicht de matière, point métaphysique, forma substantial, vis primitiva, entelecheia prima. Nur stellt sich später heraus, dass |44| die jede streng für sich seienden, weder aufeinander wirkenden, noch auch mit dem Stoffin Wechselwirkung stehenden Monaden „nur zum Schein leiden, nur zum Schein handeln; sie sind nicht Substanzen, stellen nur Substanzen vor sie sind Komödianten."*54 Die Selbstbestimmung der Monade ist die Vorstellung, die Perzeption. Eine Vorstellung kann deutlich oder verworren, klar oder dunkel sein, und zwar enthält jede deutliche Vorstellung selbst in sich eine unendliche Menge konfuser Vorstellungen. Die verworrenen, dunkeln Vorstellungen der Monade sind die sinnlichen; „die Seele hat nicht nur das Prinzip ihrer Handlungen, sondern auch ihrer Leiden oder verworrenen Vorstellungen in sich".98 „Die Sinne liefern uns verworrene Gedanken."99 Die Monade kann die ganze Fülle des Universums nicht auf einmal fassen, sondern nur Theil für Theil, nach einander; sie fasst das Universum nur als zahllose Vielheit und Mannigfaltigkeit. Wäre sie absolute Idealität wie Gott, so stiesse sie sich nicht an dem Anderssein der übrigen Monaden, so gäbe es keine Materie, wie es für Gott keine Materie gibt; die Materie ist nichts als jenes Anderssein, die Gränze und Schranke der vorstellenden Monade, ihre Störungen oder Leiden"-100 „denn sie sind es, die den Körper oder das Und doch bedarf die Monade der Materie: „wären die Fleisch Monaden von der Materie befreit oder entledigt, so wären sie zugleich von dem allgemeinen Bande losgerissen, und gleichsam Deserteurs oder Ausreisser von der allgemeinen Ordnung ". Die Materie ist das Band der Monaden. Hier geht nun Feuerbach auf seinem 1836er idealistischen Standpunkt etwas rasch zum Preise der Leibnitz'schen Idee vom „Bande der Monaden" über, die er in die „allverkettende Nothwendigkeit der Monaden", in das „Organ der Sensibilität und Irritabilität", in den „sympathischen Nerv" transsubstanziirt, und allzuleicht über die Verflüchtigung der Welt, über die Verblasung der Wirklichkeit hinweg, denen Leibnitz offenbar verfällt.*56 -
repräsentieren".101
"
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53
'54 98 99
100 101 102
*55 *56
V. 47. [Feuerbach GW, Bd. 3, S. 46.] V. 253 (Note von 1847). [Feuerbach GW, Bd. 3, S. 293, Anm. 2.] Feuerbach GW, Bd. 3, S. 58. Ebenda, S. 170. Ebenda, S. 63. Ebenda. Ebenda, S. 63 und S. 226. V. 56-65. [Siehe Feuerbach GW, Bd. 3, S. 61, 64 und S. 68.] V. 65. Allerdings fügt F[euerbach] hinzu: „Die Idee der Materie, beschränkter Ausdruck sind". [Feuerbach GW, Bd. 3, S. 64.]
wovon
seine Gedanken
nur
ein
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
635
nur: aus der zahllosen Vielheit und Mannigfaltigkeit der Vorstelkommt die die konfuse Vor-|45|stellung, das ist die Materie, hoc est Materie; lungen Allen Idealismus in Ehren; aber dieser Idealismus geht noch weit über meum! corpus „Gottes Schöpfungswort" hinaus; Gott sprach doch, und es wurde! Leibnitz aber lässt den Menschen konfus denken, und aus dieser Konfusion entsteht eine vorgestellte Welt! Der ganze Bestand, das Sein und Wirken der Welt, ist eine pure Privation, eine
Man bedenke doch
-
blosse Negation] Auch heisst es ausdrücklich: für Gott, als die absolute Idealität, gebe es keine Materie; das will doch sagen: sie ist eigentlich gar nicht vorhanden, ist nur ideell gesetzte Gränze und Schranke des mangelhaften Bewusstseins. Von diesem Nichts zum nervus sympathicus ist noch ein weiter Weg! Wie kann die Materie, als ideell gesetzte Resultante der verworrenen Vorstellungen, ein Band sein, das „Band der Monaden"?103 Soll das Nichts das Sein verbinden, die Negation die Affirmationen zusammenhalten? Feuerbach intervenirt: Man müsse sich unter der Materie nicht „Steinböcke und Klötze" vorstellen; ihr wahres Wesen existiré im Thiere, im Menschen, als Sinnlichkeit, 5 Trieb, Begierde, Leidenschaft, Unfreiheit und Verworrenheit. Sehr wohl, hätte er nur „auch" gesagt. Wie aber, wenn der „Steinblock und Klotz" Verworrenheit in meine Weltanschauung bringt, wenn dieser Block und Klotz mir unerklärt im Wege liegen bleibt, oder mir unversehens ein Loch in das Glasdach meines „Systems" schlägt? Ist denn der Stein oder Klotz eine allerklarste und deutlichste Vorstellung? Ist ihr Gewicht, ihr Druck und Stoss auf mich bloss „Vorstellung"? Wie kommen wir aus dieser imaginären Materie zur Physik? Ist die ganze Mechanik ein Produkt meiner Konfusion? Die Materie, heisst es bei Leibnitz, ist ein „Phänomen", aber ein „reales, wohlbeDas lautet schon besser; dennoch ist sie nur ein „Bild der (intellektualen) Substanz". Geht auch die Trägheit, das Widerstreben gegen die Bewegung nur im
gründetes".*58
„Bilde" vor sich? Leibnitz: „Die primitive Kraft ist das Prinzip der Innern Thätigkeit oder der Vorstel-
lung, die abgeleitete aber das Prinzip der Bewegung oder der äusserlichen Thätigkeit, die der innerlichen |46| entspricht. Die Ursache der Bewegung ist daher unkörperlich, obwohl das Subjekt der Bewegung der Körper ist." 59 Wie in aller Welt kommt es denn zur Bewegung? Intellekt, Kraft, Wille können doch beim besten Willen nicht stossen? Und alle Dunkelheit der Vorstellung macht doch nichts Greifbares, es sei denn die ägyptische Finsterniss in gewissen Reliquienflaschen.
103 *57
*58 *59
Siehe Anm. *55. V. 70. [Feuerbach GW, Bd. 3, S. 69.] V. 72. 73. [Feuerbach GW, Bd. 3, S. 72.] V. 77. [Feuerbach GW, Bd. 3, S. 76.]
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
636
Wir kommen eben nicht aus der Theologie der Seele, aus der uralten, bei den Wilden beginnenden Animistik heraus; Feuerbach nennt das den „psychologischen Idealismus", im Gegensatz zum Kantischen „transzendentalen Idealismus". Er kritisirt weniger die Unerklärlichkeit der L[eibniz]'sehen Materie, als er das „allgemeine Band der Monaden" „einen der erhabensten und tiefsten Gedanken der Leibnitz'sehen Philosophie" dem „butterweichen und zuckersüssen Spiritualismus" mit seinem „epikuräischen Quasikörper" vor die Nase hält,*60) um Leibnitzen noch realistisch zu finden! Er fragt nicht einmal, wenn L[eibniz] sagt: „Aller Raum ist erfüllt womit der Raum erfüllt sei?*61 Dagegen hebt er im Hinblick auf Cartesius hervor, dass Leibnitz bei aller Animistik doch noch den Dualismus und Mechanismus in sich trage. Denn natürlich bringt Lfeibniz] Leib und Seele nicht zusammen, nicht nur, weil der Leib eigentlich nur negativ existirt, als Privation der Monade, sondern auch weil Lfeibniz], wenn er die Körperwelt stillschweigend eingeschwärzt hat, die Unabhängigkeit beider von einander aufs Strengste festhält und nur einen Parallelismus statuirt, der eigentlich ein Wunder, oder was dasselbe ist, die beständige Einwirkung Gottes voraussetzt, also in den GeulinxMalebranche-Occasionalismus zurückfallt. Das Organische bei Leibnitz ist ferner und gerade desswegen etwas Automatisches; nicht mehr bloss die Thiere, wie bei Descartes, sind Maschinen, sondern der Mensch selbst ist eine göttliche Maschine",104 die aber alle Maschinen der menschlichen Kunst unendlich übertrifft, nicht nur dem „Grade, sondern dem Wesen nach von ihnen unterschieden ist, weil die künstliche Maschine nicht in jedem Theile Maschine ist, die Maschinen der Natur hingegen noch in den kleinsten Theilen bis ins Unendliche Maschinen Der Mechanismus spielt auch in der bekannten Erklärung Leibnitzens von der Musik seine Rolle. Denn wenn die Musik ein exercitium animi nescientis se numerare ist, eine Uebung des Geistes, der nicht weiss, dass er zählt, so ist sie, schon als Rechenkunst, die Mechanik der Zahl, und obendrein soll sie konfuses, unbewusstes Rechnen sein! Da sind wir himmelweit entfernt von der Dynamik, dem progressiven Element in Leibnitz, welches oft so divinatorisch in ihm hervortritt, so z. B. wenn er gegen das abstrakte Gesetz der Schwere oder Gravitation seines mathematischen Nebenbuhlers Newton Einwendungen erhebt. Die Bewegung der Körper gegen das Centrum der Erde, meint er, der Planeten gegen einander und gegen die Sonne, müsse von der Bewegung eines Fluidums herrühren; nur Stoss man darf dabei nicht an seine Erklärung der Materie denken! setze alle Körper in Bewegung, jede andere Wirkung sei imaginär oder mira-
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sind."*62147|
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er/'«otheologie (Geflügel-) kamen auf: die /rae&totheologie, die ^¿ric/otheologie (Heuschrecken-) „den Kopf hat Gott ihnen also eingerichtet, dass er länglich und das Maul unten, damit sie im Fressen sich nicht tief bücken, sondern bequem und geschwinde ihre Nahrung nehmen mögen" -, eine Hydro- und Pyratheologie (Wasser- und Feuer-), eine 5ro«/otheologie („vernünftige und theologische Betrachtungen über Blitz und Donner*'), eine Sz'swotheologie („physikalisch-theologische Betrachtungen über die Erdbeben"). Selbst ein so bedeutender Mann wie Reaumur laborirte an der leidigen Teleologie, welche jede „unmittelbare Anschauung von der Natur" verhindert. „Der Satz des Hippokrates, dass die Natur ohne Ueberlegung die rechten Mittel trifft, galt für Ketzerei, für Heidenthum, für Atheismus." Bayle stellt sich auf den Standpunkt des Denkens, und erklärt, dem armseligen Wirrwarr und den knarrenden Widersprüchen in den Köpfen seiner Zeitgenossen gegenüber, den Atheismus für berechtigt. So besonders in seiner berühmten Kometen-Schrift und im Dictionnaire historique et critique, Artikel Mahomet. |60| In der ersteren Schrift beweist er, „dass die Kometen, wenn sie Gott zur Vorbedeutung von Uebeln und als Mittel zu religiösen Zwecken hervorbrächte, nur die Götzendiener in ihrem Aberglauben bestärken würden."127 „Ein Staat könnte recht gut aus Atheisten bestehen, weil der *Q7 Atheist durch natürliche Gründe zu guten Handlungen bewogen werden kann." In dem Wörterbuch heisst es: „Die Religion, die uns nichts so sehr anbefiehlt, als Unrecht zu ertragen und demüthig zu sein, flösst uns sicherlich keine kriegerischen Gesinnungen ein; und doch gibt es auf der Erde keine so kriegerischen Nationen als die Christen. Die Türken selbst stehen hierin den Christen nach. Wahrlich, eine grosse Ehre für die er war
-
124
Feuerbach GW, Bd. 4, S. 28. Siehe auch Ludwig Feuerbach an Christian Kapp, 24. Juli 1840. In: Feuerbach GW, Bd. 18, S. 22. VI. 29-31. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 29-31.] Siehe B. H. Brockes: Irdisches Vergnügen in Gott. Bestehend in verschiedenen aus der Natur und Sitten-Lehre hergenommenen Gedichten, Hamburg 1721. VI. 42-44. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 44.] Der arme Hippokrates käme auch heute wieder schön an! Siehe P. Bayle: Mahomet. In: Dictionnaire historique et critique. Avec la vie de l'auteur par Mr. des Maizeaux, 5. Ed., Rotterdam 1740. Feuerbach GW, Bd. 4, S. 58. VI. 57. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 58.] -
*95 125
*96
126
127 *97
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648
Christen, dass sie sich besser als die Muhamedaner auf die Kunst verstehen, zu
bombardiren und das menschliche Geschlecht auszurotten."*98 Das scheint so aus Montaigne hinübergeperlt zu sein.
zu
tödten,
„Die Religion ist nicht im Stande, unsere Leidenschaften im Zaum zu halten; wenn der Glaube nicht fähig ist, unsere Leidenschaften zu zügeln, so kommt auch das Gute, welches wir thun, nicht aus dem Glauben"*99. „Warum wollt Ihr den Atheisten die Fähigkeit absprechen, zu erkennen, dass man verpflichtet ist, die Handlungen des Willens nach der Vernunft zu richten, d. h. die Gesetze der Moral zu erfüllen?"128 „Thomas Aquino und Hugo Grotius behaupten, dass wir, selbst wenn es auch keinen -
-
-
Gott
gäbe, dennoch verpflichtet wären,
den Gesetzen des Naturrechts Gehorsam
zu
leisten."*100 „Ihr menen
bedenken, dass die von einem falschen, Religionseifer eingenomGewissen nicht durch die Triebfedern, welche einen Spinozisten zurückhielten, müsst ferner
im Zaume gehalten werden können Wenn der französische Hof atheistisch gewesen wäre, würde er so gegen die Calvinisten verfahren haben, wie er verfuhr? würde er eine Bartholomäusnacht gefeiert haben?"*101 Nach einer gründlichen und eben so klaren Erörterung dieser Maximen folgt dann die Verherrlichung Bayle's wegen seiner „Idee von der Selbständigkeit der Ethik, des Gedankens der sittlichen Verhältnisse, als durch sich selbst bestimmter und begründeter, |61| schlechthin allgemeiner und nothwendiger, von den Partikularismen der positiven Religionen und den Dogmen der Theologie unabhängiger Verhältnisse."*102 Das heisst, wir haben das Gebiet der dogmatischen oder Religions-Philosophie hinter uns, wir sind beim Menschen, freilich erst beim theoretischen, systematischen Menschen angelangt. „Gott ist nur noch ein Name, ein Wort; das Wesen, der Begriff ist der ethische Begriff. Ja, es ist nicht nur gleichgültig, ob Du das Wort „Gott" noch anwendest oder fallen lässt: es ist heilsam, es ist redlich, es ist ein wohlthätiger Fortschritt, es ist eine Nothwendigkeit, das Gute nicht als ein Prädikat, als eine Eigenschaft eines Wesens, das noch andere, ihm selbst entgegengesetzte Eigenschaften hat, zu fassen, sondern in seiner absoluten Selbständigkeit zu denken. Nur so wird das Sittliche rein, unbefleckt, unvermischt gedacht, erkannt, was es ist, nur so wird es als Idee gefasst. 103 „Der Glaube und Begriff des Wunders an sich selbst ist ein eben so unvernünftiger, als irreligiöser und unsittlicher Glaube und Begriff. Der Atheismus, der so verächtlich behandelte Atheismus, war nichts anderes als die nothwendige und desswegen heilsame Uebergangsstufe von dem empirischen, wie ein äusserliches Ding gegenständlichen ...
-
VI. 58. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 58-59.] VI. 60 u[nd] 62. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 60, Anm. 3 und S. Feuerbach GW, Bd. 4, S. 67. VI. 65 u[nd] 66. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 67.] VI. 71. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 73.] VI. 84. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 86.] VI. 97. 98. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 100.]
62.]
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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Gott... zum Idealismus, zum Gedanken des Geistes, zum Begriff des Göttlichen an und für sich, zur selbständigen, lautern Erfassung des Wesens der Natur, wie des Wesens der sittlichen Idee.,"'m So haben auch Kant und Fichte die Ehre der Menschheit gerettet. Der „kategorische Imperativ" war das „Manifest, in dem die Ethik ihre Freiheit und Selbständigkeit der Welt ankündigte ein heilbringender elektrischer Schlag aus dem heitern Himmel der bisherigen Glückseligkeitstheorieen. Kant ist der Erste, der eine Grammatik der Ethik schrieb Fichte war der Held, der einzig der sittlichen Idee die ganze Macht, Schönheit und Herrlichkeit der Welt zum Opfer brachte; daher die Einseitigkeit seines Systems. Aber nur diese selbständige Erfassung konnte auch einen solchen rein sittlichen Charak-
...
ter
hervorbringen.*105162|
Niemals sind wohl die Gegenstände des protestantischen Glaubens so schauerlich bedrängt worden, als dies von Bayle geschieht und von Feuerbach im „Sechsten Kapitel": „Der Widerspruch der Dogmen mit der Vernunft" resumirt wird. Bayle stellt diesen Widerspruch auf eine solche Spitze, dass man meinen sollte, der einfache Schluss musste sein: „Wahr ist nur, was mit der Vernunft übereinstimmt".129 Denn die Bayle'sche Kritik kommt „aus einer förmlichen Entzweiung mit dem Glauben, aus einem innerlich entschiedenen Widerwillen gegen ihn"*106. Aber das gerade war der Charakter der Neueren Zeit seit Cartesius: man glaubte immer noch zu glauben, man glaubte orthodox zu sein! Freilich der Satz des Cartesius, man dürfe nichts für wahr halten, wovon man keine klare und deutliche Vorstellung habe, hat zwei Jahrhunderte lang dieselbe Bedeutung gehabt, die Kant der transzendentalen Aesthetik und Logik gab. Mochten Cartesius und Kant persönlich abirren, Konzessionen machen, alte Gebäude stützen wollen: die Prinzipien blieben, und wurden immer wieder angerufen. Bayle war Calvinist, Sohn und Bruder von Predigern; er hatte dieser seiner Zugehörigkeit so wenig Hehl, dass er sie mit Liebe betonte, aus Calvinismus allein den Aufenthalt in Holland den Pariser Ehren verzog. Und so kam es, dass in dem Widerspruche zwischen Vernunft und Glaube Bayle auf die Seite des Glaubens trat und seinen „Verstand unter die Herrschaft des Glaubens gefangen Er bittet den Glauben um Verzeihung für die ihm angethane Insulte, traktirt die Einwürfe der Vernunft als unschuldige Witze, rhetorische und dialektische Uebungen. „So umflattern die Zweifel und Einwürfe Bayle's, wie kleine Tagvögel, angreifend,
gab".*107
VI. 99 u[nd] 100. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 102 und S. 103.] VI. 100-102. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 103 und 104.] „Man vergleiche Fichte's Leben, von seiFeuerbach nem Sohn ein würdiges, höchst dankenswerthes Denkmal." [GW 4, S. 104, Anm. *. bezieht sich auf: Johann Gottlieb Fichte's Leben und litterarischer Briefwechsel, hrsg. von seinem Sohne I. H. Fichte, 2 Thle., Sulzbach 1830-1831.] Feuerbach GW, Bd. 4, S. 141. VI. 138. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 141.] VI. 157. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 162, Anm. 2.] -
-
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aber
sogleich
wieder
Orthodoxie."*108
zurückfliehend, keck und furchtsam zugleich, die Nachteule der
Wunderbar geistreich, wahr, tief, plastisch im Ausdrucke, von echt historischem Verständnisse der pragmatischen Geschichtsphilosophie getragen, unseres Wissens ohne Gleichen, ist die Darstellung dieses Bayle'sehen Krieges mit sich selbst, wie er in der Haltung des Dictionnaire historique, ja in der äusseren Oekonomie dieser Bibel der 109 Und dieses bellum civile, dieser interne |63| Krieg zwischen hervortritt. Skepsis ruft Verfasser und der aus, ist die That Eueres Glaubens! Kopf Herz, Bayle als Polemiker ist der Vorläufer Voltaire's und Jean Jacques', und die Widerrufung des Edikts von Nantes (1685) wird in der politischen Geschichte ihr unsterbliches Brandmal so lange auf der Stirne tragen, als Bayle's Schrift vorhanden ist: „Ce que c'est que la France toute catholique, sous le règne de Louis le grand."130 Der Gedanke der vollen ganzen, ausnahmslosen Toleranz in Glaubenssachen tritt in Bayle's „Contrain les d'entrer", Compelle intrare, „Zwing' sie herein!" nach Castellio und Montaigne, vor Locke und Voltaire, ebenbürtig mit Allen, grosser durch die Festhaltung des Calvinismus, mit der philosophischen Gemüthsruhe des Quäkerthums auf.131 „Bayle ist da positiv, wo er negativ ist Philosoph da, wo er mit unphilosophischen Gegnern, namentlich mit Theologen, zu thun hat." „Ein Universal-Kritiker seiner Zeit".'110 „Negativ ist er, wo er mit dem Positiven einer Philosophie in Berührung kommt, wo er den Gedanken an und für sich bestimmen soll. Hier macht er den Zweifler, nicht selten den Zweifler zur Unzeit, und macht uns selbst wieder irre an seinen besten Gedanken; er weiss, dass die Empirie ohne Metaphysik nichts ist, aber er hat kein metaphysisches Sitzfleisch B[ayle]'s Skeptizismus ist nur der Ausdruck des normalen Verhältnisses, in welchem der Geist des französischen Volkes zum metaphysischen Gedanken steht... B[ayle]'s Skeptizismus (gegen die Vernunft) war eine historische Nothwendigkeit für ihn, er musste der Vernunft ihre Tugenden als Fehler anrechnen Wo gewisse religiöse Dogmen als Wahrheiten im höchsten Sinne respektirt sind, als solche, an die die ewige Seligkeit gebunden ist, da ist die Philosophie nur ein Divertissiment, ein Plaisir, ein Spass Aut Caesar aut nihil Eine Thätigkeit mit wahrem Interesse, eine uranfangliche Thätigkeit wird die Philosophie in neuerer Zeit 1 '1 eigentlich erst in Kant." Vortrefflich ist das Verhältniss und der Gegensatz von Bayle zu Spinoza charakterisirt: „Bayle, der literarische Nimmersatt Spinoza, der in sich selbst befriedigte Denker; Bayle, der Journalist, der Galanterie-, oft auch Trödelwaarenhändler Spinoza, -
-
....
...
...
...
-
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108III.
158. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 163.] VI. 158. ff. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 163 ff.] 130 Feuerbach GW, Bd. 4, S. 181. 131 Feuerbach GW, Bd. 4, S. 89 und S. 201. *110 VI. 202. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 213.] *m VI. 217-222. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 227, 228, 231 und S. *109
232.]
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|64| Optikus.*112 Bei aller Ueberlegenheit des Spinozischen geschlossenen Gedankensystems über die Bayle'sche Plänkelei sass aber doch ein Hieb des französischen Fechtmeisters, den Fichte also interpretirte: Spinoza betrachte den Gedanken als u ein Ding, folglich sei er dogmatisch. Dass Bayle's immer denkender, immer philodieser hochgradige Spiritus, Witze gleich Funken von der Lokomosophirender Esprit, tive sprüht, davon hat Jeder einen Begriff, der das grosse Dictionnaire auch nur durchblättert; aber der generische Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Bayle und Feuerbach, tritt auch niemals prägnanter hervor, als wenn man die Bayle'schen Kometen-Ausdünstungen mit dem ruhigen und selbstgewissen Glitzern des Fixsternes Feuerbach vergleicht, wenn man sich zuerst an dem Bayle'schen Witz ergötzt hat, um sich dann an dem göttlichen Humor Feuerbachs in den „Anmerkungen und Erläuterungen zu Bayle"132 zu erbauen. Der Humor ist eben der objektive, der der stille
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sonnenhafte Witz. Doch sind die Pikanterieen und Krachmandeln Bayle's keineswegs zu verachten, und die folgende wusste zuverlässig Feuerbach wie Schopenhauer zu goutiren: „Ich bin, schreibt Bayle an einen Freund, kein besonderer Freund von den Streitigkeiten, den Ränken, den Entre-Mangeries professorales (gegenseitigen Professoren-Fressereien), welche auf allen unsern Akademieen herrschen. Canam mihi et Musis." Und weil denn Schopenhauer genannt worden, so nehme man das Zitat aus dem theologischen Discours eines Arztes gegen die Propagation des Menschengeschlechtes (bei Bayle, Nouvelles lettres critiques) in den Kauf: „Quoi de plus monstrueux que de voir durer depuis si long-temps la propagation du péché? C'est contre toutes les lois de la nature, car les monstres n'engendrent point, et voilà l'homme pécheur qui est le plus monstrueux de tous les êtres, qui ne laisse pas de se multiplier et de couvrir toute la terre. Puisque nous ne pouvons pas arrêter cette suite funeste de générations monstrueuses, du moins devrions nous souhaiter avec S. Paul que tous les hommes lui ressemblassent, et on verrait cesser dans une cinquantaine d'années l'engeance du péché. Ueber „Bayle" heisst es in der handschriftlichen „Vorrede": „Der Widerspruch zwischen dem Leibnitz'sehen Monotheismus und Polytheismus, mit andern Worten, Theologie und Philosophie, Supranaturalismus und Rationalismus, führte mich endlich wieder auf die seit den „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" absichtlich und pathologisch vermiedene und verabschiedete direkte Polemik gegen die Theologie, und so kam ich denn, ich möchte sagen nothwendig, auch ganz abgesehen von den Begebenheiten der Zeit, von deren Inhalte, wie überhaupt von dem Zusammenhange meines
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*"2
VI. 224 ff. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 234.] VI. 301. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 361.] 132 Feuerbach GW, Bd. 4, S. 252-374. *U4 VI. 232. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 243, Anm. 1.] *115 VI. 303. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 365] Wo Feuerbach ausfuhrt, dass dies nur die Wiederholung des Lobes der „Virgilität" bei Thomas von Aquino, Fulgentius, dem Kardinal Vigerius, also eine alte Geschichte sei. 304. 5. [Feuerbach GW, Bd. 4, S. 366-367, Anm. 1.] *"3
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schriftstellerischen, ich hier abstrahire, auf Bayle. Der Standpunkt dieser Schrift ist der des Protestantismus im Sinne des Rationalismus, von welchem ich zugleich aber, wie es meine Manier ist, indirekt, thatsächlich, faktisch demonstrirte, wie man einen Philosophen auffasst und darstellt, nämlich in der Totalität,
äussern Lebens mit meinem
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in der Unzertrennlichkeit seines allgemeinen und besondern Wesens. Der Natur des Gegenstandes gemäss, ist der Grundgedanke dieser Schrift die Unabhängigkeit, die Selbständigkeit der Ethik von allen theologischen Einwirkungen, die Unabhängigkeit der Wahrheit einer Lehre von Mirakeln, der Ueberzeugung von allen dem gemeinen sinnlichen Auge imponirenden Wirkungen äusserer sinnlicher Mächte. Der Charakter der Schrift ist daher ganz abstrakt, der Charakter scharfer Unterscheidung und Und dazu die psychologische Bemerkung: „Was man wahrhaft studiren will, mit dem muss man identisch sein, wenigstens eine Zeit lang. Mit Hegel muss man Hegel, mit Leibnitz Leibnitz, mit Spinoza Spinozist werden. Wer seinen Verstand nur gegen Etwas gewendet, der kennt nie den wahren Verstand desselben. Ausserdem behandelst Du jene Philosophen blos als Historiker, als Gelehrter, nicht als wesensgleicher „Was man blos in seinem Kopfe hat, das wird fixe Idee, davon wird man nicht wieder frei. Was man aber in Fleisch und Blut verwandelt, verzehrt, das wird nur seiner Substanz nach erhalten, das metamorphosirt sich, denn das Blut erneuert sich immer und duldet nichts Fixes. So existiren noch heute die Ichthyosauren, die Pterodaktylen und andere Monstra im Kopfe der Gelehrten, nachdem sie längst im Blute eines edleren Thiergeschlechtes ertrunken sind." 116166|
Trennung."133
Philosoph.134
VI. Feuerbach und die Mitlebenden
Die Prämissen zum „Wesen des Christenthums" liegen vor, Katholizismus wie Protestantismus hatten in den Personen und Systemen von Cartesius, Leibnitz und Bayle ihre, wenigstens rationalistische, Kritik erfahren. Der Philosoph brauchte sich nur noch in das Wesen der Sache, in den genetischen Prozess der Religion selbst zu vertiefen, um seine Konklusion zu ziehen, die denn auch einzig in ihrer Art dasteht. Der Prozess dieser Vertiefung währte von 1838-1841. Schauen wir jetzt einen Augenblick in der damaligen Gegenwart umher, auch ein wenig zurück, wo es Noth thut, und beobachten wir Feuerbach in seiner freundlichen und gegensätzlichen Berührung mit Mitlebenden, Mitkämpfern, Ueberholten und Antagonistes Sein erster Band: „Geschichte der neueren Philosophie von Bacon bis Spinoza" machte Epoche, und setzte den Verfasser auf die philosophische Tagesordnung. 133
L. Feuerbach: Ungedruckte „Vorrede". Das Zitatende ist bei Grün nicht ausgewiesen. *"6 Ganz ähnlich im Curriculum] vitae, II. 404. [Feuerbach 134
GW, Bd. 10, S. 172.]
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Noch weit mehr war dies der Fall durch seinen „Leibnitz" so war noch niemals Geschichte der Philosophie geschrieben worden! Zunächst gewann ihn die Berliner „Societät für wissenschaftliche Kritik" zum Mitarbeiter für die „Jahrbücher". Korrespondent: Professor Leopold von Henning.135 Hier herrschten die Althegelianer, näher (um Hegelisch zu reden) das Centrum der Hegelei, damals im noch fast unbestrittenen Alleinbesitz der „ewigen Wahrheiten". Ein Jahr später, nachdem die Herren den Feuerbach acquirirt hatten, schoss der zwei Jahre jüngere David Friedrich Strauss das erste gewaltige Loch in die „Religion des absoluten Geistes", indem er ihr historisches Fundament als absolut unhaltbar nachwies: Anfang der Junghegelei. Auf der äussersten Rechten sass Göschel, ein juristischer Jakob Böhme redivivus, in welchem die Philosophie ,AHes was sie will" beweisen konnte. Im linken Centrum dem Platz der Minister-Kandidaten erhob sich unter der krausen Mähne das behäbig geistreiche Gesicht von Eduard Gans, der zwar die Regierung nach Aussen hin unterstützte, nach Innen aber beständig zu murren und zu opponiren hatte. Wurde ihm doch ein wohlkombinirter taktischer Angriff auf Stahl 's Rechtsphilosophie bei der Herausgabe der Hegel'schen |67| Vorlesungen vom Ministerium der Althegelianer bis auf etliche Schattenrisse gestrichen. Und in dieser „Societät" sollte Ludwig Feuerbach aushalten! Nicht einmal das erste Jahr der Mitarbeiterschaft (1835) dauerte die Entente cordiale zwischen den Althegelianern und dem selbständigen Himmelsstürmer Feuerbach. Freude hatten sie eigentlich nur an ihm, wenn und solange er gemeinsame Gegner mit der Schärfe des Schwertes durchhieb, und selbst in dieser Rubrik hieb er ihnen bald über die Schnur, die sorgsam -
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gezogene.136
Siehe Leopold von Henning an Ludwig Feuerbach, 8. Mai 1834. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 194-195. Alle sechs Rezensionen, die Feuerbach in den „Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik" veröffentlichte, sind in Feuerbach GW 8 enthalten. Es handelt sich um folgende Texte: „Hegel. Sendschreiben an den Hrn. Dr. C. F. Bachmann." Von Dr. K. Rosenkranz. Königsberg 1834 (ebenda, S. 3-13); „Jacobi und die Philosophie seiner Zeit. Ein Versuch, das wissenschaftliche Fundament der Philosophie historisch zu erörtern." Von J. Kuhn. Mainz 1834 (ebenda, S. 14-23); „Die Philosophie des Rechts nach geschichtlicher Ansicht." Von Friedr. Jul. Stahl. Erster Band: „Die Genesis der gegenwärtigen Rechtsphilosophie." Heidelberg 1830. Zweiter Band: „Christliche Rechts- und Staatslehre." Erste Abteilung, Heidelberg 1833 (ebenda, S. 24-43); Hegels Werke. Vollständige Ausgabe. XIII. u. XIV. Bd. Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Herausgegeben von Dr. Carl Ludwig Michelet. I. und II. Bd. Berlin 1833 (ebenda, S. 44-61); 1) „Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung der Geschichte der neuern Philosophie." Ersten Bandes erste Abteilung: „Darstellung und Kritik der Philosophie des Cartesius, nebst einer Einleitung in die Geschichte der neuern Philosophie." Von Dr. Joh. Ed. Erdmann. Riga und Dorpat 1834. 2) „Cartesius und seine Gegner. Ein Beitrag zur Charakteristik der philosophischen Bestrebungen unserer Zeit." Von Dr. C. F. Hock. Wien 1835 (ebenda, S. 128-136) und schließlich „Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung der Geschichte der neuern Philosophie." Ersten Bandes zweite Abteilung: „Malebranche, Spinoza und die Skeptiker und Mystiker des XVII. Jahrhunderts. Darstellung und Kritik ihrer Systeme." Von Dr. J. E. Erdmann, 1836. (ebenda, S. 165-180).
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Einig war man in der Kritik von „Jacobi und die Philosophie seiner Zeit", von Jfohannes von] Kuhn*ul Feuerbach kämpfte hier mit dem Geiste seines Vaters auf der Terrasse der wissenschaftlichen Kritik; der Vater war Freund und Denkgenosse des
Münchener Präsidenten der Akademie gewesen. Das Denken, sagte der Sohn, ist Vermittlung durch Abstraktion; aber Jakobi bricht die Früchte unmittelbar vom Baume der Erkenntniss. Das war auch die allgemein rezipirte Auffassung der herrschenden Philosophie. Feuerbach fügte eine inhaltsvolle Bemerkung hinzu: „Das Denken ist wesentlich die zeitfreie Identität, die simultane Zusammenfassung seiner Vermittlungsreihe; es ist immer zugleich ein alles Folgende antizipirender, über das Diskursive übergreifender Akt, ein Akt der Intuition."137 Nur für das Subjekt ist es „successiv", das aber ist blosse „Erscheinung". Diese „Intuition", plötzliches Erschauen des Gesetzes, denkt man sich am Besten als ein Zusammen von Induktion und Deduktion; nur überkommt sie uns nicht im Schlafe, oder wenn wir auf dem Rücken im Grase liegen, sondern sie ist die „Gnade", welche der ernsten Arbeit des Denkens gewährt wird. Vollkommen einig war man ferner in der „Kritik des Antihegel" (Professor Bachmann 119 an welchen Karl Rosenkranz sein „Sendschreiben"138 erliess. Einem oberzu Jena), flächlichen und trivialen Gegner gegenüber, stellt sich Feuerbach auf den Hegel 'sehen Standpunkt, und misst die Nörgeleien des Besserwissens an dem Massstabe der absoluten Logik. Nichts ist wahr und real als die Idee (das spätere „Reich der Schatten"); „der Geist selbst ist die in uns selbst von uns unabhängige und unaffizirbare, objektive |68| Welt".139 „Bewusstsein" ist unser „Prius".140 „Alle Kraft in uns ist zuletzt nur die Kraft des Denkens".141 „Wie das Sehen dem Lichte nicht gleichgültig ist, so ist der Wahrheit die Erkenntniss nicht „Die Erkenntniss des Menschen von ihr ist ihre „Die Liebe der Wahrheit" ist „die Liebe der Wahrheit zu sich selber".144 Die Liebe des Menschen zu ihr ist ihr „eigenes Selbstgefühl". Unser Bewusstsein der Wahrheit ist „ihr eigenes Selbstbewusstsein". „Das Wissen des Menschen 5 von Gott ist zugleich das Sichselbstwissen Gottes im Menschen".1 (Wir schreiben 1835.) So wird denn Bachmann vornehm und derb zugleich abgethan. Aber ohne Feuer-
Selbstgewissheit".143
gleichgültig".142
17II. 83-91. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 14-23.]
137
*118
*"9 138 139 140
141 142 143 144
145
Feuerbach GW, Bd. 8, S. 18. II. 86. Vergleiche [J. C. Friedrich] Zöllner „über die [Natur der] Kometen [Beiträge zur Geschichte und Theorie der Erkenntniss, Leipzig 1872]", besonders bei [J.] Kepler. [Siehe ebenda, S. 130 bis
133.]
II. 18-82. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 62-127.] K. Rosenkranz: Hegel. Sendschreiben an den Herrn Dr. C. F. Bachmann, Feuerbach GW, Bd. 8, S. 102. Ebenda, S. 106. Ebenda, S. 109. Ebenda, S. 123.
Ebenda. Ebenda.
Ebenda, S. 125.
Königsberg
1834.
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funken geht die Sache doch nicht ab. Notiren wir die allerliebste Bemerkung: Kant habe Verstand und Willen als Entelechieen oder Monaden anerkannt, die Alles aus ihrem eigenen Fond schöpfen. Die Leibnitz'schen Monaden seien lauter „kleine Kantianer"}46
nur
die sich die Dinge nur vorstellen könnten. Ueberhaupt ist Leibnitz hier schon ein volles Jahr vor dem „Leibnitz" richtig charakterisirt. Eben so anerkennend für den Meister ist die Anzeige von „Hegels Geschichte der die übrigens wirklich, aus guten Gründen, das Beste genannt werden muss; denn hier handelt es sich wörtlich um „vergangene Gedanken". Der „reine Gedanke" beschäftigt sich hier ausschliesslich mit sich selbst, schwimmt in seinem eigenen Elemente, was bei der Religion, dem Rechte und der Geschichte nicht der Fall ist, am Wenigsten aber bei der Natur geduldet werden kann. Meinungsverschiedenheit kann bei der Geschichte der Philosophie nur in so weit aufkommen, als man fragt, ob die einzelnen Momente oder Stufen der gedanklichen Entwicklung richtig gefasst sind, und ganz besonders, ob die alleinige Zeit, die abstrakte Succession, der zwingende Bann sein darf, welchen man dem ätherischen Fluidum des Gedankens auferlegt. Vorzüglich ist aber hier der Ausfall gegen die „Materialisten" von der hölzernen Observanz: dass die Atomisten gar kein absoluter Gegensatz zu den Eleaten seien, indem das Atom durchaus keinen Gegenstand der Empirie bilde, sondern dem Denken angehöre. Nach Demokrit selbst könne der Sinn gar nicht das Reale wahrnehmen, sondern nur der *121 Mit andern |69| Worten: Gibt es einen Chemiker, der Gedanke, ôtà xf\q ôtavotaç nicht schon mit Gedanken im Kopfe an die Retorte herantritt? einen Anatomen, der gedankenlos das Skalpelfl] handhabt? Bei keinem Denker aber sollte man vorsichtiger sein mit Rubriken als gerade bei Feuerbach, der die verschiedenen „Ismen" später als „Spitznamen" bezeichnet; ja man darf nicht einmal ihm selbst glauben, wenn er im Eifer gegen den schwindsüchtigen Spiritualismus Felsblöcke mit den massivsten Aufschriften wider die Gegner schleudert. Es ist ein wissenschaftlicher Skandal, dass wir genöthigt sein werden, eine solche Ehrenrettung, angesichts der unphilosophischen „schönen Seelen", die zahnlos, wie sie sind, nie auf einen wirklichen Gedanken angebissen haben, noch vorzunehmen. Bereiten wir uns vor auf die sogfenannte] Wendung gegen Hegel. In den nachgelassenen Aphorismen findet sich folgende Signatur der hier in Rede stehenden Zeit: „Der Hegelianer ist bei mir über die Studirstube hinaus in die Oeffentlichkeit gekommen. Was ich für Hegel geschrieben habe, habe ich schon mit der Freiheit geschrieben, mit der man über Etwas schreibt. Und wie oft sind wir für Jemand, weil wir nicht mit denen,
Philosophie",*120
Ebenda, S. 94. II. 1-17. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 44-61.] Die Kritik des absoluten Zeitmasses erfolgte bei Feuerbach im Jahre 1839: „Kritik der Hegelschen Philosophie". Sfiehe] auch den Nachlass. II. 11. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 54.]
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Sache machen wollen. Als ich als Schriftsteller für Hegel auftrat, war er für mich schon zu einem Objekt der Geschichte Bei der „Kritik des modernen Afterchristenthums" No. 1, „Kritik der christlichen Rechts- und Staatslehre von Frfiedrich] Julfius] Staht (1835)148 kratzte sich die wohlehrsame Berliner „Societät" schon gewaltig hinter den Ohren. Man wird das Nähere in der Korrespondenz finden.149 Die Flitterwochen Feuerbachs mit der Althegelei gingen auf die Neige. Die Transzendenz des religiösen wie des juridischen Wesens ging den Herren über die Haarspitzen hinaus. Es wurde ein Wohlfahrts-Ausschuss, bestehend aus den Senatoren Henning und Hotho ernannt,150 um die nöthige Remedur eintreten zu lassen; dieses Comité du salut public beschloss, den Delinquenten selbst zu verhören, respfpektive] ihn zum Sündenbekenntniss zu veranlassen etc. etc. Mit allen von Feuerbach gemachten Konzessionen bleibt die Analyse des pfiffigen Konvertiten, der die Reaktion in Preussen systematisirte, ein Meisterstück.*122 Es folgte die „Geschichte der neueren Philosophie" von Erdmann (I. Bd. 1. Abtheilung) und „Cartesius und seine Gegner" |70| von Dr. Hock.'123 Erdmann behandelt Feuerbachs Thema! das war wirklich wie Feuer und Erde! Feuerbach Iässt den Erdmann so durchschlüpfen, nur monirt er allerstrengstens, dass nicht Bacon und Cartesius, sondern die Italiener an den Anfang gehören. Die Italiener zweifelten zuerst, suchten die Philosophie „in sich" oder „in dem grossen Buche der Welt". Bruno: della coincidenza de' contrarii, ist das Prinzip der neuern Zeit und Philosophie. Hock, ein Wiener, verherrlicht den Cartesius als „Dualist und Katholik",151 hat also nur an der Schale geknuppert. Sat. Grosse Unterbrechung „Leibnitz" erscheint, „Pierre Bayle" steht auf der Staffelei. Erst 1838 erhält Erdmann seine zweite Lektion („Geschichte der neuern Philosophie", I. Bd. 2. Abtheilfung]).*124 Die neuere Philosophie, wird ihm jetzt dozirt, beginnt mit Telesius; vom Kontrast gingen die Italiener aus, dieser Materie aller Dialektik, vom Satze der Identität, welche identisch ist mit dem Widerspruche. Daher erst entstand Cartesius, und Corneille war Cartesianer, wenn er sagt: [,,]Je vois avec chagrin que die
dagegen sind, gemeine
geworden."147 -
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L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. Siehe Feuerbach GW, Bd. 8, S. 24-43. 149 BwN, Bd. 1, S. 241. Vgl. hierzu auch die Briefe Leopold von Hennings an Feuerbach vom 24. Januar 1835, 17. April 1835 (BwN, Bd. 1, S. 241-244) und von [1835] (BwN, Bd. 1, S. 244) sowie den Brief Feuerbachs an Karl Marx vom 3. Oktober [1843] (BwN, Bd. 1, S. 401-403). 150 Leopold von Henning an Ludwig Feuerbach, 17. April 1835. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 236 bis 238. *1221. 108-127. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 24-43.] *123 II. 92-99. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 128-136.] 151 Feuerbach GW, Bd. 8, S. 134. *124 II. 100-115. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 165-180.] 148
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Cet hymen à pousser des soupirs pour ce que je dédaigne me dédaigne m'est fatal, je le crains et le souhaite.["] Die Materie wird hervorgehoben: Jakob Böhme suchte sie in Gott, Spinoza machte sie zum Attribut Gottes, also göttlichen Wesens, bei Hobbes ist sie das einzig Reale. Eine scharfsinnige Untersuchung entwickelt den Skeptizismus als die „schwache Seite der Empirie", als „Produkt der Vielwisserei".153 So ist Montaigne das Haupt der französischen Skeptik. Doch wird ihm die wohlverdiente Ehre gelassen, Kritiker der dogmatischen Philosophie gewesen zu sein. Dann folgt eine gründliche Zurechtweisung Erdmanns in Bezug auf Bayle, der durchaus nicht als Skeptiker, sondern als Kritiker zu fassen sei. Und endlich lesen wir ein ganz Feuerbach'sches Résumé seines gerade vollendeten Buches. „Wodurch Bayle sich von den übrigen Skeptikern unterscheidet... ist, dass er die Gegensätze von Glaube und Vernunft, welche bei Cartesius nur die Bedeutung einer mechanischen Trennung hatten, in einen chemischen Konflikt brachte, dass er die Glaubensvorstellungen seiner Zeit zum Objekt freien d. i. kritischen Denkens machte, und die Selbständigkeit, die |71| ausnahmslose Unbedingtheit, die unumschränkte Souveränität der ethischen Ideen, der praktischen Vernunft anerkannte und geltend machte, wenn er gleich der theoretischen Vernunft nur eine negative Stelle anwies."154 Auch die Liebe feierte Bayle als „Ame du Monde".*125 Wir sind über die „Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik" und die Berliner „Societät" hinaus; an Professor vfon] Hennings Stelle war Arnold Ruge getreten, an die Stelle der friedlichen Lämmer der Halle'sche Löwentrotz. „Halle'sche Jahrbücher", bald „deutsche Jahrbücher", so lautet jetzt die Parole. Nicht mehr „absoluter Geist" und „absolute Religion" werden aufgetragen, sondern absolute Kritik, Schwefelsäure der Analyse. Strauss ist Bannerträger der kritischen Theologie dann Feuerbach der kritischen Philosophie. Die Berliner überlassen wir der Korrespondenz Ruge's. Arnold Ruge besass alles Zeug zu einem Parteiführer. Beweglichen Geistes, enzyklopädisch gebildet bis zur römischen Militärtaktik, schreibfertig, keck und drastisch im Ausdruck, nicht systematisch verbissen, mit den Fortschritten fortschreitend, mit der Entwicklung sich entwickelnd, unabhängig gestellt, opfermuthig, war er wie auserlesen dazu, eine heilige Schaar, eine Schaar des Todes um sich zu sammeln und zum Sturme zu führen. Er hat fünf Jahre lang die Verwirklichung der Philosophie kommandirt, hat viele Erschlagene zur ewigen Ruhe gebettet, und ist heiter den bösen Mächten unterlegen. Ihm gebührt ein bleibender Denkstein im Campo santo der streitenden Literatur. l'amour
...
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152
Feuerbach GW, Bd. 8, S. 166. Feuerbach GW, Bd. 8, S. 175. 154 Ebenda, S. 178. *125 II. 111-115, wo sich überhaupt ein schärferer Wind erhebt. 153
[Feuerbach GW, Bd. 8, S. 180, Anm. *]
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Vor dem Sozialismus und dessen Konsequenzen erschrak er, die Feuerbach'sche „Théogonie" begriff er nicht mehr: der Hegelianer kam doch wieder zum Vorschein.155 Hei, wie der Sichelwagen der „Halle'schen Jahrbücher" daher fuhr und einschnitt!
„Macbeth ist reif, und droben Bereiten ewige Mächte schon das Messer!"156 Im Namen der Freiheit*. Zunächst der ethischen „[Die] Idee der Freiheit [und der Dieses Buch eines Freundes machte auf Begriff des Gedankens] von Kfarl] Feuerbach einen gewaltigen Eindruck; es diente ihm zur Ausfall-Pforte gegen die alte Metaphysik. „Das Wort Freiheit ist das Fiat, das Schöpfungswort der neuern Zeit. Auf einem Freiheitsakt |72| beruht vom Anfang an die neuere Philosophie. Macht Euch frei vom Autoritätsglauben, frei von der Herrschaft des Aristoteles! waren die Worte, mit denen ein Patricius, ein Petrus Ramus, Ludovicus Vives, Telesius, die befangene Menschheit aufweckten und den Morgen der neuern Zeit verkündeten. Morgenstund' hat Gold im Mund; golden, inhaltsvoll waren auch diese Worte für ihre Zeit; nichts Geringes forderten sie, nichts weniger als eine nur negative Freiheit. Denn der Aufruf: macht Euch frei vom Aristoteles! enthielt ausdrücklich den sokratischen Imperativ: Tvcoöt orzÚTÓv, das Gebot: werdet selbst Aristotelesse, erkennt euch, erkennt euch als Menschen, als freie Wesen, als Wesen, welche dieselbe Kraft, dieselbe Vernunft beseelt, die einst den Aristoteles erleuchtete, denkt selbst*."151 Die Lerche war's, und nicht die Die Kritik Hegels beginnt leise, wie eine Schalmei aus Waldesdickicht; im Anfang tupft Feuerbach noch zart von Oben herab auf die wunden Stellen, metaphysisch verblümt. Diese Metaphysik war Feuerbachs Geliebte gewesen, er liebte sie noch immer, aber er schwur ihr den Tod. „Moors Geliebte soll nur durch Moor sterben." „Kant, Fichte, Hegel seien unsere Meister, unsere Lehrer; aber sie seien nicht unsere Hegel in specie verdient alles Lob: „Bei sich Vernunft, nicht unsere selbst sein war ihm Freiheit"; aber er vernachlässigte die Subjektivität, das Einzelne.
Bayer"'126.
Nachtigall.15
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Philosophie."159
Siehe A. Ruge: Briefe über Ludwig Feuerbach und seine Théogonie. In: Deutsches Museum. Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben, hrsg. von R. Prutz, Nr. 23 vom 3. Juni 1858, S. 836-839, Nr. 30 vom 22. Juli 1858, S. 128-138 und Nr. 33 vom 12. August 1858, S. 238-252. 156 Malcolm in W. Shakespeare: Macbeth, 4. Aufzug, 3. Szene: „Macbeth ist reif zur Ernte, und die Mächte / Dort oben setzen schon die Sichel an." (Shakespeare. Dramatische Werke in sechs Bänden, 4. Bd., Berlin Weimar 1964, S. 520.) *126 II. 116-125. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 137-148.] Feuerbach schreibt immer Bayer; wogegen der leibliche Bruder sich Beyer nennt! 157 Feuerbach GW, Bd. 8, S. 137. 158 „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche". Julia in W. Shakespeare: Romeo und Julia, 3. Aufzug, 5. Szene. (Shakespeare. Dramatische Werke in sechs Bänden, 4. Bd., Berlin Weimar 1964, S. 67.) 159 Feuerbach GW, Bd. 8, S. 140-141. -
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Die Idee des Guten wird von ihm nur so mitgenommen, redet nicht mit bei der Schöpfung der Natur. „Die Natur ist das Dasein der absoluten Güte. Der Begriff der Natur ist der Begriff der Liebe."160 „Die Liebe ist Vernunft."161 „Der Begriff des Lichtes ist der Begriff des Daseins schlechtweg und unzertrennlich von dem Akt des127Sehens, welcher in Einem der Ursprung der Vernunft und Liebe im Menschen ist." Noch leidlich metaphysisch selber, sogar etwas „naturphilosophisch". Die Vergleichung Hegels mit Chrfistian] Wolfff] ist keine Herabsetzung des Ersteren; Ffeuerbach] sagt: Wolfff] habe die Deutschen in die Zucht genommen, einige Vernunft in ihre schweren Köpfe gebracht. „Wohl der deutschen Nation, wenn ein zweiter Wolfff] sie wieder unter seine Zucht nimmt!" 128 Bayer wird gepriesen, dass er die intellektuelle Freiheit an die Spitze stelle, als welche dem Willen erst seinen Inhalt gebe. |73| „Tiefste, mächtigste Freiheit ist die der wissenschaftlichen Vernunftbegeisterung" Das Ethos also und das will wohl gemerkt und nie vergessen werden ist das treibende Element in Feuerbach; vom Ethos aus hat er nach Oben wie nach Unten hin die Welt geprüft und begriffen. Stets ist der Mensch der Mittelpunkt seiner Philosophie geblieben. So will sein Humanismus verstanden sein. „Das moderne Afterchristenthum" No 2, „Kritik der christlichen oder positiven Philosophie" („Wesen und Bedeutung der spekulativen Philosophie und Theologie in der bildet die ungenirte Fortgegenwärtigen Zeit", von Professor Sengler zu Stahl. Wahre fielen bei dieser auf Hferjrn vfon] zu Keulenschläge Gelegenheit setzung der war. Schelling, eigentlich gemeint Die „Persönlichkeit Gottes!" Bei der Persönlichkeit ist die Philosophie zu Ende. Jakobi nahm Gott als Person, desshalb wollte er nicht über ihn philosophiren. „Das wahre Verhältniss zu einem persönlichen Wesen ist der Gatte zum Gatten, die Kinder zum Vater, der Freund zum Freunde haben religiöse Verhältnisse. Alle Unterschiede des menschlichen Denkens vom „göttlichen fallen in unser Denken. Gott weiss Alles, nur auf ideale, geistige Weise;164 aber das ist es ja grade: so denke ich mir Gott, ich denke ihn also, denke statt seiner. Das spekulative Subjekt möchte aus sich heraus, zu einem Andern kommen: das ist der Akt der Weltschöpfung, eine Willkür. „Die Creation ist das Selbstbekenntniss der absoluten Person, dass sie nur die -
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(Bayer).162
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Marburg)*129
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Religion":163
Ebenda, S. 140.
Ebenda. II. 118. 119. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 140.] *128 II. 120. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 141.] 162 Feuerbach GW, Bd. 8, S. 143. C. Bayer: Die Idee der Freiheit und der Nürnberg 1837, S. 175. *1291. 128-154. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 181-207.] 163 Feuerbach GW, Bd. 8, S. 184. 164 Siehe ebenda, S. 198. *127
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Begriff des Gedankens,
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„Euer Gott ist nur der umgekehrte Mensch". Das „Wesen des Christenthums" setzt 1838 seine Knospenaugen an. Die „positive Philosophie" hat keinen Muth, keinen Charakter, sie ist rationalistisch und gläubig zugleich. Sie ist weder Religion noch Philosophie. Sie stutzt die Dogmen philosophisch zu der bourgeois gentilhomme des Molière! Die Vernunft erlaubt keine solche Zustutzung, sie verlangt, dass man die Dogmen nehme, wie sie sind. Aber die „positive Philosophie" hat zur Basis die sie ist die absolut phantastische Philosophie. |74| In der Geschichte der Religion handelt es sich stets um die, Frage: was gerade vom Menschen vergöttert worden ist etwas natürlich immer. Die Orientalen vergötterten die Phantasie, die Griechen die ästhetische Anschauung, der griechische Philosoph die praktische oder theoretische Intelligenz; das Christenthum das Gemüth. Das Christenthum ist das in den Himmel erhobene Gemüth. Die Grossthat solcher Enthüllungen sollten die Historiker dankbarst anerkennen; denn die wahre Wissenschaft vom Geschehenen wird erst möglich nach solchen
mystifizirte menschliche Person ist."
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Einbildung,'130
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Prolegomenen.
„Wunder"*131
wird der Hauptcoup des phantasievollen Gemüthes psychologisch Im erklärt. Der langen Rede freilich erst durch Feuerbach kurzer Sinn ist: „Mein Wunsch muss von der göttlichen Willkür befriedigt werden." „In der göttlichen Allmacht macht der bedrängte Wunsch sich Luft",167 hier entschädigt sich das Herz für seine Entbehrungen in der Welt. Sie kann ja Alles. Wunderglaube ist natürlich Aberglaube auf dem Gebiete der Natur. Das Wunder beruht auf dem Wunderglauben. „Ueber Philosophie und Christenthum in Bezug auf den der Hegeischen Philosophie gemachten Vorwurf der Unchristlichkeit, erschien als Broschüre 1839 bei und bildet einen der Sturmböcke, mit welchen die junge Philosophie Oftto] gegen die Steinnester der romantischen Willkür in Staat und Kirche heranzog. Direkt zerschmeisst die Schrift den Apostaten Leo in Halle und dessen „Hegelinge", Leo, den wiederauflebenden Joachim Lange aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts! Dieser Sturmbock könnte auch als „Kritik des Afterchristenthums" No. 3 flguriren. Halten wir uns an die Momente der Feuerbach'schen Weiterentwicklung, sie quellen hier reichlich. Es ist ein Unterschied zwischen Herz und Gemüth. Das Herz ist männli-
Wigand,*132
165
166
*130
Ebenda, S. 201. Ebenda, S. 202.
Das Wort „Einbildung" in jedem Sinne genommen! D[er] Herausgeber]. I. 1^11 (1839). [Siehe Feuerbach GW, Bd. 8, S. 293-340.] Der Begriff des „Wunsches" erhebt sein Haupt hier zuerst, wächst im „Wesen des Christenthums" und kulminirt in der „Théogonie". 167 Feuerbach GW, Bd. 8, S. 328. *132 I. 42-107. [Siehe Feuerbach GW, Bd. 8, S. 219-292. Nicht nur bei Otto Wigand in Leipzig, sondern auch 1839 in der Hoff- und Heuserschen Buchdruckerei in Mannheim erschien diese Arbeit, da ein vollständiger Abdruck in den „Hallischen Jahrbücher" seitens der Zensurbehörden verboten worden war.] *131
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chen Geschlechts, das Gemüth weiblich. Das Herz ist das gesunde Gemüth, das Gemüth das kranke Herz. Nach den ächten Christomanen muss es eine christliche Mathematik, eine christliche Mineralogie, Zoologie und Botanik geben. Nun, es hat solche gegeben, drei Jahre nach diesem Spott |75| Feuerbach 's führte der Minister Eichhorn etwas Aehnliches in Preussen ein! Die koscheren Engländer fordern noch jetzt in den Buchhandlungen a Christian
Geology!
Man wirft Hegeln vor, sein Gott sei ein Gattungsbegriff, und zwar der der Menschheit. „Zu bedauern ist nur, das Hegel dies nicht selbst bestimmt Und kann denn der Mensch aus dem Gattungsbegriff herauskommen? Uebrigens ist Hegel wie Leibnitz, der auch die Dogmen der Kirche gegen Bayle vertheidigte, „aber ohne sich an den Begriff der Kirche zu halten".169 Das himmlische Leben löst alle irdischen Bande, ist die Negation der irdischen Verhältnisse. Der Glaube an das himmlische Leben ist „der wahre Glücklicherweise widerlegt das Leben den Glauben. Der Denker thut weiter nichts, als dass er das negirt, was Euer Leben bereits negirt hat. Was tadelt Ihr ihn dann, Ihr Heuchler! „Christliche" Kunst war der „Bernstein, in dem sich das ätherische Oel des Christenthums verdichtet hatte; aber das Christenthum war das todte Insekt geworden."171 Die spiritualistischen Religionen lassen sich nämlich nicht ästhetisch verherrlichen, ohne über dieser Einfassung zu Grunde zu gehen. Dem Muselmann ist alle organische Bildlichkeit untersagt. Das Christenthum hat sich durch die Kunst zu Grunde gerichtet. Ceci tuera cela. „Ueber Philosophie und Christenthum", die Anzeige seiner eigenen eben erwähnten Schrift, 133 hat zum eigentlichen Thema die „Differenz zwischen Philosophie und Christenthum".172 Der Verfasser wird immer deutlicher. Phantasie und Gemüth sind das Wesen der Religion; ihr Inhalt ist nur die Vergegenständlichung des Gemüths und der Phantasie. Gemüth ist Bedürfniss, Phantasie Willkür: daher das Wunder wesentlicher Gegenstand der Religion. Phantasie stellt für das Gemüth dar, aber Vernunft nimmt keine Rücksicht darauf. Religion ist Egoismus, Beziehung aufs Subjekt, Philosophie dagegen Beziehung auf den Gegenstand. Der Theanthropos oder Gottmensch ist nichts als das Wesen des Gemüthes. Religion und Philosophie sind himmelweit verschieden, und diese Verschiedenheit ist die Hauptsache.
ausgesprochen."m
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Vernichtungsglaube"}10
168
Feuerbach GW, Bd. 8, S. 254. Ebenda, S. 257. 170 Ebenda, S. 276. 171 Feuerbach GW, Bd. 8, S. 286. *133 II. 179-184. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 172 Feuerbach GW, Bd. 8, S. 220, Anm. 1. 169
219-292.]
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Philosophie".'134
Ganz Hier ist nun der Ort für die mächtige „Kritik der Hegeischen die abstrakte Front entschieden wird in dieser Arbeit |76| gegen Begriffswelt gemacht, die Bedeutsamkeit der Wirklichkeit hervorgehoben. Hegel ist die Differenz gegen die Identität, nur fehlt das Leben der Welt. Hegel's wesentliche Kategorie ist die Zeit, er vernachlässigt den Raum. Alles ist bei ihm zeitlich verschwindendes Moment in der „Idee". Das Individuum kommt nicht zu seinem Rechte. Glücklicherweise hat Hegel selbst einmal irgendwo angefangen, z. B. bei Fichte, und wird daher einmal aufhören, überlebt sein. Feuerbach polemisirt gegen das reine Sein, welches nicht mehr Sein ist.*135 Dieser Widerspruch muss aufgelöst werden. „Die Dialektik ist kein Monolog der Spekulation mit sich selbst, sondern ein Dialog der Spekulation und Empirie."173 Die Philosophie muss mit ihrem Gegensatze beginnen, nicht mit sich selbst. Hegel weiss schon Alles im Voraus, was kommen soll, seine Entwicklung ist rein formell, er spielt. „Das Sein an sich ist die Idee." Man muss den Widerspruch des sinnlichen Verstandes gegen den reinen Gedanken bewältigen. Seit Cartesius ist Alles „unvermittelter Bruch mit der sinnlichen Anschauung".174 Auch die „Phänomenologie" löst nichts, so wenig als die „Logik". Das „Dies" und „Hier" kann man aufheben. Aber die Gegenstände bestehen dennoch. Wir lassen uns eben nicht überzeugen. „Die Hegel'sche Philosophie ist rationelle Mystik."*136 „Eitelkeit ist alle Philosophie, die über die Natur und den Menschen hinaus will."175 ,JDie Philosophie ist die Wissenschaft der Wirklichkeit in ihrer Wahrheit und Totalität."116 „Die Rückkehr zur Natur ist allein die Quelle des Heils."*131177| In Feuerbach's Nachlass finden sich folgende hieher bezügliche Notizen:
*134
II. 185-232. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 16-62.] Es ist widerwärtig, bis in die neueste Zeit hinein in dicken Büchern lesen zu müssen, dass die zwischen Subjekt und Prädikat das „höchste Wesen" sei. Kopula 173 Feuerbach GW, Bd. 9, S. 37. 174 Feuerbach GW, Bd. 9, S. 42. *136 Das war der direkte Weg zum „deutschen Proclus", zur „wiedergebornen alexandrinischen Philosophie" (in den „Grundsätzen" von 1843). [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 53.] 175 Siehe Feuerbach GW, Bd. 9, S. 61. 176 Ebenda. *137 [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 61.] Bei dieser Gelegenheit wird Schelling natürlich der junge zum ersten und einzigen Male anerkannt: „die Natur ist der sichtbare Organismus unseres Verstandes" (Einleitung] zu einem Entw. eines Systems der Naturphilosophie]); „der Organismus ist selbst nur eine Anschauungsart der Intelligenz" (Transzendenter] Idealismus); „die Natur soll der sichtbare Geist, der Geist die unsichtbare Natur sein" (Ideen zu einer Philosophie] der Natur). Feuerbach II. 216. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 47.] Dieser theilweisen Anerkennung folgte freilich nicht lahmen Fusses schon 1841 das Gericht über den ,grossen Philosophen", der „das Curriculum vitae mit der Philosophie eröffnet, um es mit der Nichtphilosophie zu beschliessen". II. 236. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 146.] *135
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„Ich bin ein „Apostat", aber in dem Sinne, wie der Mann ein Apostat der Kindheit, der Weise ein Apostat der Thorheit, der Wissende ein Apostat der Unwissenheit, der Genesende ein Apostat der Krankheit."177 „Das griechische Volk ist ein durchaus genetisches, das, wenn es auch bei den Orientalen in die Schule gegangen ist, doch bei sich selbst angekommen, von Vorne, d. h. von sich selbst angefangen hat. Das kann aber der gelehrte Pedantismus nicht begreifen, so wenig die Schülerhaftigkeit begreifen kann, dass wenn man auch als Jüngling bei Hegel in die Schule gegangen ist, man doch später, nachdem man das Eingelernte verlernt, d. h. vollständig verdaut und verarbeitet hat, jetzt erst wieder von Neuem und von Vorne an zu leben, zu lernen und zu denken anfangen kann."178 1839 erschienen auch der Aufsatz über Christfian] Kapp und der öffentliche Brief an der eine wohlwollende, aber einseitige Charakteristik Feuerbach's Kfarl] Riedel entworfen und dessen beschränkte, isolirte Existenz bedauert hatte. Unbegreiflicher Weise nannte der gescheidte Riedel, dem wir eine brauchbare staatsphilosophische Bibliothek verdanken, die Arbeiten Feuerbach's „gelehrte Man kann also sehr gescheidt sein, ohne eine Ahnung zu haben von einer künstlerischen Charakteristik, die einen Mann oder eine Gedankenfolge von Innen heraus entwickelt, sie in ihrem eigenen Lichte leuchten, oder an den eigenen Widersprüchen vergehen lässt! In diesem Briefe kommt auch der naturwissenschaftliche Satz vor: „Der Mensch ist das edelste Gewächs des organischen Reiches".180 Die Philosophie muss schon desshalb über die Hegel'sche hinaus, weil sie sich überhaupt nicht in Einem inkarnirt, weil sie Werden und Wachsen ist. Zum Denken gehört reine, frische Luft. Bei Hegel war „das Centralorgan von den Sinnenfunktionen zu sehr Das Jahr 1840 der Verfasser arbeitet am ersten systematischen Hauptwerke seines Lebens, an dem Brennspiegel, in welchem alle bisherigen Strahlen seines Geistes sich zu einer mächtigen Gluth konzentriren sollten, am „Wesen des Christenthums" bringt uns in den „Jahrbüchern" noch die Besprechung einer zweiten |78| Schrift Kfarl] Bayer's: Man liest förmlich in und zwischen den Ueber den Begriff des sittlichen Geistes ". Zeilen dieser Anzeige, welch' höchster Ernst sich im Herzen des Verfassers ansammelt, wie er sich selbst die Konfirmation seines Denkbekenntnisses ertheilt, wie ihn das Ethos ergriffen und gefesselt hält, ihn, den Sklaven der Tugend, wie das Ethos sein Pathos ,
Kompilationen".179
abgesondert".181
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„
L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. Ebenda. II. 152-66 u[nd] 167-78. [Siehe Feuerbach GW, Bd. 9, S. 3-15 und S. 63-79.] Ludwig Feuerbach an Karl Riedel. Zur Berichtigung seiner Skizze. In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 3 und S. 6. Siehe auch K. Riedel: Friedrich Daumer und Ludwig Feuerbach. Zwei Skizzen. In: Jahrbuch der Literatur, 1. Jg., Hamburg 1839,S. 111-126. Das Zitat findet sich auf S. 126. Feuerbach GW, Bd. 9, S. 4. Ebenda, S. 5. II. 126-136. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 82-99.] -
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geworden. So muss der Mensch sein, der sich zum Munde der Wahrheit macht
hallt es will ich sein, so werde ich sein! komme was da wolle! „Ein Sophist von „Wahrheitsliebe ist die erste Tugend" Verstand" ist auch „ein Schuft von Herzen".183 Nur das wahrheitsliebende Denken bedingt die Tugend. Feuerbach's eigene Philosophie spitzt sich bereits zu, wenn er dem Freunde vorwirft, dass er noch das „Empirische" vom Spekulativen dogmatisch unterscheide. Daher komme es auch, dass er noch das „Bedürfniss" von der „Freiheit" und „Liebe" ausschliesse. Das „Bedürfniss" von der „Liebe" ausschliessen? möchte man verwundert fragen. Aber ist denn nicht die Liebe selbst das höchste „Bedürfniss"? Sind das je wahre Menschen gewesen, die nicht irgend Jemanden oder irgend Etwas innigst geliebt haben, so dass sie das Bewusstsein der persönlichen Existenz erst durch die Existenz des Jemand oder Etwas gewannen? So hatte es gewiss der treffliche Bayer nicht |79| in ihm wieder
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so
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gemeint.*140
Feuerbach GW, Bd. 9, S. 87. Ebenda. Die innige Anhänglichkeit Feuerbachs an Karl [Carl] Bayer sprach sich noch in einem Briefe an den Bruder des Verstorbenen, Dr. C[onrad] Beyer, vom 26. September] [18]67 aus. Dieser hatte ihm seine Festrede auf Rücken übersandt und zugleich eine Photographie des Bruders beigelegt. „Ihre Festrede [...] habe ich mit Wohlgefallen gelesen, dagegen mit erneuter Trauer über den so früh Dahingeschiedenen die beigelegte Photographie Ihres treuen Bruders empfangen und beschaut." [Feuerbach GW, Bd. 21, S. 317.] Dr. C[onrad] Beyer, der Bruder, hat am 11. November 1872 im „Freien deutschen Hochstift" zu Frankfurt eine Festrede auf L. Feuerbach gehalten, welche eine warme Theilnahme an dem Verstorbenen ausdrückt und manche brauchbare biographische Details enthält, aber freilich weit davon entfernt ist, dem grossen Humanisten seine gebührende Stellung anzuweisen. Da wird z. B. ein Philosoph Windelband herbeigeholt, nach welchem Feuerbachs Aufgehen des Individuums in die Gattung eine „mechanische" Einheit gewesen wäre! Höchst seltsam ist ferner, dass „Freund und Feind wenigstens sein über allen Parteiunterschieden aufgepflanztes Banner des reinen Menschenthums ihm zum Verdienst anrechnen" „auch wenn Einzelne unter uns nicht mit seinen Konsequenzen übereinstimmen, oder ihn sogar für einen Kulturfeind halten sollten!!" [Festrede, S. 42.] Dr. C[onrad] Beyer wendet sich zu Anfang seiner Rede gegen die Feinde des Philosophen, „die kaum die Titel seiner epochebildenden Schriften kennen" [ebenda, S. 3], und sagt dann selbst: „Seine 'Théogonie', die 1866 unter dem Titel: 'Gottheit, Freiheit, Unsterblichkeit', als 10. Bd. seiner Gesammtausgabe erschien ..." [ebenda, S. 27]. Das ist doch um nichts besser, als wenn der 'Wallenstein' unter dem Titel der 'Jungfrau von Orleans' herauskäme! Oder, was ja geschehen ist, als wollte Einer bei der Literatur über den Scholastiker Abälard auch Feuerbachs 'Aphorismen' mit dem ganz zufälligen Doppeltitel 'Abälard und Heloise' anführen! Jupiter Stygius lebt noch. [Die Kritik Grüns ist berechtigt, denn Feuerbachs „Théogonie nach den Quellen des classischen, hebräischen und christlichen Alterthums" wurde bereits 1857 im 9. Band der „Sämmtlichen Werke" Feuerbach veröffentlicht. Unter dem Titel „Gottheit, Freiheit und Unsterblichkeit vom Standpunkte der Anthropologie" kam der 10. Band der „Sämmtlichen Werke" Feuerbach heraus.] -
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VII. Ein wunderlicher Heiliger Hier endigt eigentlich die erste Hälfte meiner Aufgabe, und es wäre nunmehr Zeit, Feuerbach in seiner Religionsphilosophie zu Worte kommen zu lassen. Ich kann jedoch diese Periode nicht abschliessen, ohne einer epistolarischen Begegnung zu gedenken, die wenigstens ihr Pikantes, auch ihr Wissenswerthes, mit sich gebracht hat. Im Jahre 1838 traf nämlich Feuerbach auf einen autochthonen Denker, wie sie in unserer Zeit des Alleswissens und Wenigergründens immer seltener geworden sind. Sie gingen an einander vorbei man hätte glauben können in elliptischer Bewegung; die Ellipse wurde jedoch zur Parabel. Der Troglodyt der Philosophie hiess Dorguth, und war seines Zeichens Geheimer Justiz- und Ober-Landes-Gerichts-Rath zu Magdeburg, ein Landsmann meines vers. c. von Karl Rosenkranz, und als juristischer Philosoph der Vorläufer ehrten früheren Kollegen vfon] Kirchmann}14 Dorguth hatte im Jahre 1837 ein Büchlein geschrieben unter dem Titel: „Kritik des Idealismus und Materialien zur Grundlage des apodiktischen Realrationalismus. 141 Diese Schrift be- und verurtheilte Feuerbach im Jahre 1838 vom noch halbidealistischen Standpunkt aus, entschieden, fast herb.*142 Obgleich selbst bereits an einer Verbindung von „Spekulation" und ,3mpirie" suchend, des metaphysischen Begriffs nahezu überdrüssig, erschien ihm doch der Troglodyt zu klobig. Was? Die geistige Thätigkeit wäre eine „rein organische", das Denken ein „materieller Prozess"? Er hielt den Gedanken noch immer für etwas Anderes, Apartes, Höheres, Spezifisches; die Korrektur des sinnlich, Angeschauten und Erfahrenen durch Vergleichung, Subsumtion etc. |80| genügte ihm nicht. Er berief sich auf das Kopernikanische System, welches keine „Sinnenwahrheit", sondern eine „Vernunftwahrheit" sei, und vergass, dass dieselben Faktoren, nämlich Raum und Kausalität, welche uns die sinnliche Anschauung zutragen, sich auch selber durch Vergleichung zu korrigiren vermögen. Und wie wurde denn die Vernunftwahrheit des Kopernikus selbst bekräftigt, wie des Erfinders eigener Zweifel gehoben? Durch Experimente, sagt Galilei, also durch vernünftige sinnliche Anschauung! Das Abhängigkeits-Verhältniss des Geistes vom Leibe das ist freilich grade so verkehrt wie das Umgekehrte führt nach Ffeuerbach] nothwendig zum absoluten Materialismus, eine Konsequenz, gegen welche er protestirt. Ffeuerbach] unterscheidet hartnäckig zwischen Hirn- und Denkthätigkeit, als ob wir ohne das so und nicht anders organisirte Hirn so und nicht anders dächten! Die erstere sei nur „Bilderthätigkeit"185 woher -
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Vermutlich handelt es sich um Julius Hermann von Kirchmann (1802-1884), der als Vizepräsident des Appelationsgerichts in Ratibor tätig war, jedoch wegen eines Vortrages über den Kommunismus in der Natur 1867 seines Amtes enthoben wurde. Magdeburg, bei Wilh[elm] Hinrichshofen. II. 137-152. [Feuerbach GW, Bd. 8, S. 149-164.] Feuerbach GW, Bd. 8, S. 160.
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kommt denn die andere? Freilich ist es schlimm, wenn die Menschen so häufig! bei den Bildern stehen bleiben, anstatt die Bilder zum Stehen zu bringen und sie zu verstehen, wenn sie die Bilder nicht Rede stehen lassen und mit einander konfrontiren! Diese Funktion ist aber doch auch eine Thätigkeit des Gehirns. Physiologische Thätigkeit soll nach dem damaligen Feuerbach nicht für das Denken genommen werden; aber die grösste Aufspeicherung und Verarbeitung der physiologischen Thätigkeit ist doch wieder selbst ein physio-logischer Akt, den man nur zur Ab-
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kürzung einen logischen nennt. Nein! „Die Physiologie weiss noch nichts vom Geiste." Leider hat auch der „Geist" lange genug nichts von der Physiologie gewusst! „Die Zeichen drücken sich während des Lesens im Gehirne ab."186 Das ist allerdings noch nicht verstehen, da fehlt noch die langwierige Uebung der Identität und des Unterschiedes, der Kombination, der Uebersetzung der Vorstellungen in Begriffe etc. etc. Aber desshalb ist das Denken noch nicht ein „an und für sich unabhängiger, rein geistiger, immaterieller Akt",187 „der Verstand doch nur eine angeborne, im Organismus a se vorhandene a priori, a se" a quo? Erkenntnissform, keineswegs „eine durch sich selbst begründete, durch sich selbst -
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allein bestimmte Thätigkeit."188 Ffeuerbach] stellt den allerdings meist verstümmelten Satz Leibnitzens in seiner ganzen Ausdehnung her: nihil esse in intellectu, quod non antea fuerit in sensu, nisi ipse intellectus „Nichts ist im |81| Intellekt, was nicht vorher in den Sinnen war, ausgewas aber wieder nichts Anderes heissen kann, als die in nommen der Intellekt selbst den Sinnen noch latente, erst später actu eintretende Thätigkeit der Vernunft. „Es ist der Geist, der sich den Körper baut." Ja, wenn erst der Körper alle Bedingungen zur geistigen Thätigkeit geliefert hat, dann wird auch der Körper fügsamer, geschmeidiger, edler, „durchgeistigt". Viel richtiger wäre, mit Verlaub des Poeten, zu sagen: Es ist der Leib, der seinen Geist erzeugt. Der Schimpanse wird wohl nie eine „Realdialektik" schreiben. Doch das weiss Feuerbach Alles sehr bald besser als wir. Was ihn an Dorguth ärgerte, rein formell dessen Inkohärenz, das desultorische Denken war Mancherlei. Zuerst „möchf ihn Herrn Aphorismus nennen"; alles wirbelt in Parenthesen und Klammern, in substantivischen Sätzen durcheinander; die Ausdrücke sind meist alle von ihm geschaffen oder eigens gestempelt. Dann schleppt der systematische Materialist einen PriusAber Gott herbei, redet vom „Schöpfungswerke", und ist obendrein Homöopath! selbst in ihren Berührungspunkten empfand Feuerbach eine entgegengesetzte Polarität. Sie berührten sich z. B. in der Unsterblichkeitsfrage. Dorguth leitet dieses Begehren, wie alles andere, aus der Sinnlichkeit ab. Der Mensch wünscht oder fürchtet die Fort-
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Ebenda, S. 162. Ebenda.
Ebenda, S. 163.
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dauer.*143 Aber, fragt er, „wie kann die Seele als nichtsinnliche Substanz und als rein vernünftiges Wesen überhaupt Wünsche haben, wollen, hoffen, verabscheuen? Sie könnte doch überall nur als kaltes, theoretisches Prinzip der Anschauung und Erkenntniss gedacht werden?" „Der Wunsch fortzuleben könnte einer Seele nicht angeboren sein, indem sie, die nichtgeborne, selbstschöpferische, unverwesliche, ewige, für sich nichts zu wünschen übrig hätte." Jener Wunsch ist „nur dem Organismus zuzuschreiben"; „der Trieb zum Leben führt jene Idee unmittelbar herbei", „Niemand mag sterben"}144 Feuerbach dagegen hatte bis dahin die Sterblichkeit von oben herab, metaphysisch, ethisch, poetisch dozirt; er sträubte sich noch gegen den physiologischen Empirismus. Dass Dorguth zu dem damals in Feuerbach vorgehenden Umschwünge direkt etwas beigetragen habe, will ich nicht behaupten; dass jener ihn aber oft stutzig gemacht und auf weiteres Nachdenken hingestossen habe, erscheint als sehr möglich, wenn |82| man 145 die angestrichenen und unterstrichenen Stellen des Buches beachtet. So: „das SubMaterie und Materie ist nämlich selbst jekt apperzipirt."*146 „Wer kann bei dem Anblick des Körperlichen des grossen Kant noch an der Existenz einer Seele zweifeln? sagte neulich Jemand. Ein denkender Arzt wird so nicht fragen, da er täglich erfahrt... dass der von zarter Jugend am Tische sitzende Gelehrte sein Gehirn auf Unkosten seiner ganzen übrigen Konstitution vervollkommnet." 7 „Der Rechtsbegriff ist auch nur ein aus dem Bedürfnisse in der Erfahrung abstrahirter, rein mundaner Es gibt also kein jus a priori vor aller Erfahrung."*148 -
...
[Siehe F. L. A.] Dorguth:
Kritik des Idealismus
[und Materialien zur Grundlage des apodiktischen
Realrationalismus, Magdeburg 1837], S. 91. [Bei Dorguth lautet es wörtlich: „Ein Jeder, und gerade der Ungelehrte, fühlt in sich, auch ohne positive Religions-Kenntnisse, den unauslöschlichen Wunsch des Fortlebens nach dem Tode; dieser ist sicher so alt, als das Menschengeschlecht; und gerade um deshalb, weil man nicht begreift, wie, ohne eine Seele anzunehmen, eine Fortdauer für möglich zu achten sei, wirft man meinem System Unhaltbarkeit vor; jedoch liefert mir dieser Vorwurf selbst den Beweis für meine Theorie durch das Bekenntniß jenes allgemeinen Wunsches, nämlich alles Wünschen und Wollen, insbesondere in Beziehung auf Verbesserung unsers eigenen Zustandes, steht unter der Kategorie des Begehrens, und ist rein sinnlichen Ursprungs; der Mensch wünscht, hofft und glaubt daher eine Fortdauer, oder er fürchtet sie auch (wünscht sie daher nicht), je nachdem er Lohn oder Entschädigung verdient, oder Strafe oder Rache verwirkt zu haben glaubt. Die Idee der identischen Fortdauer in irgend einer Form, welche ihm Rückblick und Genuß verstattet, oder resp. ihn Schmerz empfinden läßt, ist damit unzertrennlich verbunden, und jenes
Ermangelung eines näher liegenden irdischen Anreizes in der Regel seine Geduld und Neigung im Handeln, im Unterlassen und im Leiden."] Dorguth a. a. O. [Anm. *143] S. 92. 93. Vor mir liegt Feuerbachs Exemplar von Dorguths Schriften. Dorguth [a. a. O., Anm. *143] 192. [Das angegebenen Zitat findet sich nicht auf S. 192, sondern auf S. 102.] Dorguth [a. a. O., Anm. *143] 109. Dorguth [a. a. O., Anm. *143] 111.
Hoffen und Fürchten bestimmt in
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„Idee und Begriff a priori sind Dinge der Nichtweit, der vagirenden Einbildungskraft, welche den Olymp schuf und sich ad modum Minellii auch post Olympum unter allen Nationen schöpferisch erwiesen hat." Abstrakt ist Nichts a priori, sondern Etwas a posteriori. Realismus versteht darunter weiter nichts als „die höhere Kategorie", „den obern Begriff, welcher sich für den jedesmaligen Zweck des Denkens bald auf synthetischem, bald auf dem analytischen Wege findet."*149 „Ein positiver Religionsbegriff, insbesondere der, welcher sich auf geschichtliche Autorität gründet, kann nicht im Gehirne, folglich auch in der Philosophie nicht einheimisch sein." 15° Das ist aber wieder ein Punkt, wo sie sich nimmer verständigen konnten; Feuerbach mochte diesen Satz zugeben, aber daraus schloss er nicht wie der bequeme und epikuräische Magdeburger: folglich bekümmere ich mich den Henker um die „Mysterien"! sondern: folglich will ich wissen, wie die Menschheit zu ihren Halluzinationen gekommen ist; ihr Geschick liegt mir am Herzen, mehr als das meinige, und ich werde ihr menschenfreundlich die Entstehung der Fata Morgana erklären. „Die Begriffe der Hegel'schen Schule vom Geist sind so verschieden, als es der Gebrauchszweck mit sich bringt; sie sind daher sämmtlich Phantasiestücke. Idealismus nimmt das Denken |83| für die denkende Substanz selbst, und diese für eine selbständig seiende, auch abgesehen von deren unmittelbaren Erscheinungs-Bedingungen." Das ist „Geist". Dann aber „müsste die denkende Substanz sich selbst nothwendig erkennen, wogegen die Erscheinung (Physis) sich selbst nur in ihrer faktischen Bewegung wahrnimmt. Göschel treibt das Identitäts-System auf seine Spitze, indem er die formale Identität rücksichtslos auf die materiellen Kategorieen anwendet. Vielleicht kommen wir so zum Realismus, zur Anerkennung des: Nur in den Sinnen ist Wahrheit."*151 „Kausalität ist das Prius alles formalen und materialen Vernunfterkenntnisses" dem Idealismus ist sie etwas „Schlechtes". „Realismus geht aber vom Sein des Unmittelbaren aus, während Idealismus das mit dem Begriffe identische Sein in das Subjekt setzt."*152 Begriff oder Idee sind pneumatische Vorstellungen; Hegel musste sich daher an die Offenbarung anschliessen. In der Offenbarung ist aber die Sprache vielfach hinter der Gemeinverständlichkeit zurückgeblieben. Daher die pneumatischen Disziplinen. „Kein Wunder, dass solche Irrthümer sammt der Sprache jetzt noch existiren, wo man kaum anhebt, jene Begriffe zu läutern und den Glauben an Gespenster zu verscheuchen, während Idealdialektik gleichzeitig neue dergleichen schafft, oder eigentlich die alten in 15 neuer Gestalt und neuem Gewände vorführt." -
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149 *150
Dorguth [a. a. O., Anm. *143]
118.
Dorguth [a. a. O., Anm. *143] 124. *151 D[orguth] 148. 9. [und S. 150.] Die Hoffnung war eitel, wie es auch eitele Hoffnung ist, zu Verstände zu kommen, wenn man den Hegel auf den zweiten oder fünften Schelling stülpt. „Setz' dir *152
*153
Perücken auf von Millionen Locken etc." D[orguth] [a. a. O., Anm. *143] 153 u[nd] 149. [Beide Zitate finden sich auf S. 153.] D[orguth] [a. a. O., Anm. *143] 159. Vergl. Dorguth: „Die falsche Wurzel des Idealismus, [recte: Idealrealismus M. K.] Ein Sendschreiben an Karl Rosenkranz," [Magdeburg] 1843: „Wann soll -
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Alles Wollen ist sinnlich. „Nur Neigung kann gegen Neigung kämpfen." Der Verstand widerspricht nicht der sinnlichen Neigung, er ist etwas ganz Anderes unter beiden kann keine „praktische Vermittlung" kein „Entschluss" zu Stande kommen. „Das Pronunciatum der definitiven Neigung" wirkt nur auf die „Phantasie, welche sich die Exekution ausmalt". 154 Zweiter Stein des Anstosses: sind wir Automaten? woher kommt alsdann die Ge-\$4\schichte, woher die Entwicklung? Gibt doch selbst Schopen-
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hauer den „erworbenen Charakter" zu! In dem Kapitel „Dialektik" ist, allerdings in ungeniessbarer Form, ein gut Stück Kritik der Hegelei vorweggenommen. „Logik hat Hfegel] gar nicht, sondern nur mit dialektischen Manövern ein Aggregat theils logischer, theils materialer Begriffe bearbeitet. Ferner, „wenn die Logik Alles enthält, warum schrieb denn Hfegel] noch etwas Anderes? Die Hegel'sehe Schule hat nur eine Spezial-Logik der Philosophie bearbeitet, gleichsam die allgemeine Prozess-Ordnung der Philosophie, so wie sich eine Logik des Prozesses schreiben lässt."*155 In einer weitern Schrift Dorguth's stossen wir auf den schon vorhin verspürten Schopenhauer. „Die Teleologie entwickelt sich unter dem Kausalitätsgesetz Schopenhauer hat dies näher entwickelt."189 Nur dass Schopfenhauer] sich wundern musste, wie das Kausalitätsgesetz die Intelligenz auf die Teleologie des Schöpfers führen sollte! „Die Materie ist daher die Real-Individualisation des Kausalitätsgesetzes, dessen Personifikation aber die Weiterhin heisst es: „Die Entdeckung des Kausalnexus ist Selbsterkenntniss der Vernunft in ihren eigenen Gesetzen, dem Willen gegenüber. Das Denken ist die blosse Kalkulatur des Willens, welche diesem ihr Resultat zur endlichen Wahl hinstellt."*157 Feuerbach wird zwar in dieser letztgenannten Schrift noch belobt, weil „er den wahren Poeten die zu Fleisch und Blut gewordene Poesie nennt"; auch Rosenkranz hat (in 190 seiner „Psychologie") noch ein „treffliches System von der Identifizirung der Begriffe in der Gewohnheit durch Wiederholung" gegeben; aber die Würfel sind gefallen. Dorguth zitirt: „Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde", wo -
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Intelligenz."*156
der Glaube des gemeinen Menschen an Geister und Gespenster aller Art, an Wunderkuren der Charlatanerie etc. aufhören, wenn er die Gelehrten selbst nur von Geistern etc. reden hört, und das Alles von der Kindheit an einsaugt? Und welchen Vorschub leistet jener Idealismus der heuchlerischen Pietisterei unserer Zeit?" S. 13. [Hervorhebung von Karl Grün]. *154 Dorguth, Kr[itik] d[es] Idealismus ...], [a. a. O., Anm. *143] 210. *155 [Dorguth,] Kr[itik] d[es] Idealismus ...], [a. a. 0., Anm. *143] [S. 214 und] 215. 189 Vgl. auch F. [L. A.] Dorguth: Populäre, practische Entwickelung der abstracten Begriffe, welche die positive Strafgesetzgebung interessiren, nach dem System des apodiktischen Real-Rationalismus, Magdeburg 1837, S. 28. *156 „Nachträge und Erläuterungen zur Kritik des Idealismus]", von F. Dorguth. Magdeburg 1838. S. 28. 29. *157 Dorguth, [a. a. O., Anm. *156] Nachträge 46. 190 Siehe K. Rosenkranz: Psychologie oder die Wissenschaft vom subjektiven Geist, Königsberg 1837.
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noch die vierte Wurzel „idealistisch" ist und zum „Unbegreiflichen" führt 158, und die Unterscheidung von Verstand und Vernunft mit der Klausel begleitet wird: „das 159 Verknüpfen der Begriffe sei blos Sache des Willens." Wir sind beim „Willen in der Natur": „es ist ein ungeheurer physiologischer Irrthum, den Willen in das Gehirn zu ver-|85|setzen" er ist im Bauche. „Vernünftiger und guter Wille" ist ein „Phantasiestück".'160 Der wunderliche alte Herr, der 1838 behauptete, schon 40 Jahre lang richtig philosophirt zu haben, und der es sich im Leben recht gut schmecken Hess, musste zuletzt noch Pessimist werden. Er schrieb auch eine eigene Schrift: „Schopenhauer in seiner Wahrheit". Dass er selbst sehr oft, par aperçu, in der Wahrheit war, beweist auch seine letzte mir vorliegende Schrift: „Grundkritik der Dialektik und des Identitätssystems" von Hier identifizirt er das Grundprinzip der Ethik bei Schopenhauer Ffriedrich] und Feuerbach, das Mutuum adjutorium, die Gegenseitigkeit, das Feuerbach'sche „Ich und Du", mit dem Schopenhauerschen „Mitleid", worüber später ein Mehreres zu sagen sein dürfte. Ferner spricht er ein grosses Wort, besonders den neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Physiologie und Ethnographie gegenüber, gelassen aus: „Die kosmische Physiologie ist in ihrer Vollständigkeit die eigentliche und wahrhafte Philosophie; die Männer beider Fächer müssen nothwendig wenigstens dahin gelangen, sich gegenseitig mit Einverständniss entgegen zu kommen." Natürlich ist die Schopenhauer''sehe jetzt die „wahrhafte Philosophie", die „Welt als Wille und Vorstellung" das Buch der Bücher, wobei der „Schleier der Maja" durchaus kein Hinderniss für die „kosmische Physiologie" bildet! Nur soll sich Schopfenhauer] „durch die blosse Existenz meiner jetzigen Abhandlung" von der Falschheit seines Satzes überzeugen lassen: „dass das Erkennende nicht erkannt werden könne.*163 Interessant, ja beachtenswerth ist die Ausführung im „Anhange" über den Schulunterricht. (S. 45.) Bedeutsam ist endlich die Anknüpfung an Bernhard Cotta 's klassische „Briefe über Alexfander] v[on] Humboldt's Kosmos". Schopenhauer, dem das „Unbewusste" grade so gut ein Unsinn war wie der Hegel'sche dialektische Schluss, sagt („Wille und Vorstellung" II. Bd.): „Die staunende Bewundenur
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Dorguth.*161
[Dorguth: Nachträge und Erläuterungen, a. a. O., Anm. * 156] Ib. 36. u[nd] passim. Nachträge [a. a. O., Anm. *156] 47. Magdeburg, Heinrichshofen, 1849. [F.] Dorguth „Grundkritik" [der Dialektik und des Identitätssystems mit einem Anhange von Korollarien, Erläuterungen und Kritiken, insbesondere mit Rückblick auf Bernhard Cotta's „Briefe über Alexander v. Humboldt's Kosmos" I. Theil, Magdeburg 1849] 10 und Vorbericht IV. [Hier zitiert nach S. IV.] Dorguth, Grundkritik [a. a. O., Anm. *162] [S.] 33, mit Bezug auf Schopenhauer: „Das Sehen und die Farben". An einer andern Stelle ([S.] 48) gefallt ihm die „Aussenwelt als Gehirnphänomen" durchaus nicht. Schfopenhauer] streiche" ja geradezu „alles Objekt weg!" Ib. 56
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rung, welche uns bei [der Betrachtung] der unendlichen Zweckmässigkeit in dem Bau der organischen Wesen |86| zu ergreifen pflegt, beruht im Grunde auf der zwar natürlichen, aber dennoch falschen Voraussetzung, dass jene Uebereinstimmung der Theile zu einander, zum Ganzen des Organismus und zu seinem Zwecke in der Aussenwelt, wie wir dieselbe mittelst der Erkenntniss, also auf dem Wege der Vorstellung auffassen und beurtheilen, auch auf demselben Wege hineingekommen sei; dass also, wie sie für den Intellekt existirt, sie auch durch den Intellekt zu Stande gekommen wäre etc. Aber keineswegs sind wir berechtigt, diese unsere Beschränkung auf die Natur zu übertragen, als welche selbst ein Prius alles Intellekts ist. [...]- Sie bringt das so zweckmässig und so überlegt Scheinende zu Stande ohne Ueberlegung und ohne Zweckbegriff, weil ohne Vorstellung, als welche ganz sekundären Ursprungs ist."191 Daran knüpft nun Dorguth an, um im Anschluss an Cotta's „nie elternlose Geburt" zu behaupten: „dass der Stoff des einzelnen Organs im Organismus, so wie dasselbe sich successiv ausbildet, immer schon in einem oder mehreren der vor ihm erwachsenen vorhanden gewesen sei." „Da nun die Natur konsequent ist, und es sich in ihr nur um Isomerie identischer Kräfte, in denen ihnen eigenen Stoffen handelt: so können wir dreist mit jenem abstrakten Prinzip des Werdens bis zu aller Urstoffbildung, d. h. zur Die generatio aequivoca oder spontanea ist ihm Bildung alles Samens „zweideutig", aus dem Affen komme nie ein Mensch. Aber der „Zufall", wenn nämlich die Kräfte im Kosmos „zusammen fallen", hilft ihm aus der Wo der Prius-Gott hingekommen, erfahrt man nicht recht; er scheint in die „unerschaffene Materie" Schopenhauers gerathen zu sein, wie die Saurier in die „Kreide". Feuerbach aber steht wie eine verlassene Geliebte, wie das Gretchen auf dem Blocksberg, bei Seite, und nur manchmal wirft Faust-Realdialektiker einen schmerzlich inhaltsvollen Blick auf das ideal-sensuale Gretchen. Der verehrte Veteran der Wissenschaft, Karl Rosenkranz in Königsberg, schreibt mir unter fast erloschenem Augenlicht, folgendes über Dorguth, was die vorstehende Charakteristik trefflich ergänzt: „Dorguth habe ich selber persönlich nicht gekannt. Ich weiss nur, dass er Justizrath, ein Junggesell, ein Fein-\87\schmecker und ein Mann war, der unstreitig ein starkes philosophisches Bedürfihiss hatte, der ursprünglich von bestimmten juristischen Problemen, namentlich über die Straftheorie, ausging. Ich habe von 1834 bis etwa 1840 einen philosophischen Briefwechsel mit ihm geführt, der von seiner Seite in sehr schmeichelhaften Wendungen (wie bei Feuerbach!) für mich eröffnet wurde. Meine spielte darin eine Hauptrolle, namentlich der Begriff der Sprache. Mein Ausdruck: dass Vorstellung und Sprache Zwillinge seien, gereichte ihm besonders -
hinaufgehen."*164
Verlegenheit.*165
„Psychologie"192
Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. In: Arthur Schopenhauers sämtliche Werke, hrsg. von P. Deussen, 2. Bd., S. 373-374. [F. Dorguth:] Grundkritik [a. a. O., Anm. *162] [S.] 61. A.
Ibid. 85. Siehe Anm. 190.
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Befriedigung. Wenn Dilettanten tiefer in das Denken gerathen, so wird der Zusammenhang zwischen dem Erkennen und der Sprache gewöhnlich ein Hauptpunkt. ["] „Allmählich trat nun zwischen Dforguth] und mir die Differenz hervor, dass er die Seite des Realismus stärker accentuirte. Er schrieb einen „Idealrealismus".'166 In Folge meiner Bemerkungen darüber kam es dann dazu, dass er ein „Sendschreiben" an mich drucken Hess, worin er mich gleichsam verabschiedete, f"]193 „Er ging von hier ab zunächst zu Feuerbach über, und mein Briefwechsel194 mit ihm hörte auf. Die Wendung Feuerbachs gegen Hegel war ganz in seinem Sinn; allein die hohe ethische Gesinnung Feuerbachs, die Begeisterung desselben für die Idee der Liebe, vermochte er wohl nicht zu theilen, und der Cynismus Schopenhauer's und dessen Metaphysik der Geschlechtsliebe war wohl mehr nach seinem Geschmack.f"] „Er fiel von Feuerbach zu Schopenhauer ab, dem er einen ausschweifenden Kultus
zur
Als ich das letzte Mal, nach vielen Jahren, 1866, meine Vaterstadt wieder schon todt."195 besuchte, Wir sahen oben, dass und wie er zu Schopenhauer überging; und als er gekommen war zu sterben, setzten ihn die Jünger nach Gebühr in der „Nirwana" bei.*167 Wir aber sind desshalb längere Zeit bei dem Magdeburger Autochthonen verweilt, weil er in Feuerbachs Anschauung eine grosse Klasse von denkenden Menschen repräsentirte, denen er gleichwohl den Namen ächter Denker bestritt, nämlich die Klasse der Empiriker. Schon im Jahre 1838 zur Zeit des Briefwechsels mit Dorguth meldete Ffeuerbach] bei den Berliner „Jahrbüchern" Be-|88|sprechungen des Empirismus an, und in seinen „Grundsätzen der Philosophie der Zukunft" heisst die Ueberschrift des § 16: „Der Pantheismus ist die Negation der theoretischen, der Empirismus die Negatider Pantheismus negirt das Prinzip, der Empirismus die on der praktischen Theologie der Konsequenzen Und die Ausführung des § ist die Kritik des sogfenannten] aufgeklärten Bewusstseins, welches bis in die Physiologie und praktische Medizin hinein die Nabelschnur widmete
...
war er
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Theologie."196 -
Ist das nicht die „Kritik des Idealismus"? [Der Einwurf Grüns ist berechtigt, vgl. Anm. *143.] Siehe [F. L. A. Dorguth:] Die falsche Wurzel des Idealrealismus. Ein Sendschreiben an Prof. Karl Rosenkranz, Magdeburg: Heinrichshofen 1843. Zu den fünf erhalten gebliebenen Briefen von Karl Rosenkranz an Dorguth datiert vom 12. März 1843, 16. Juli 1844, 14. Oktober 1844, 5. März 1845 und vom 30. Juli 1845 siehe W. Sänge: Fünf Briefe von Karl Rosenkranz an Dorguth über Schopenhauer. In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, hrsg. von Hermann Schwarz, Bd. 152, Heft 1, Leipzig 1913, S. 93-103. Vgl. auch J. Butzlaff (Hrsg.): Karl Rosenkranz. Briefe 1827 bis 1850, Berlin New York 1994, S. 291, 327-329, 332-334, 338-339 und 347-348. Friedrich Ludwig Andreas Dorguth, der als Geheimer Justiz- und Oberlandesgerichtsrat zu Magdeburg tätig war, verstarb 1854 in Magdeburg. Siehe „Arthur Schopenhauer. Von ihm, über ihn etc." von E. 0. Lindner und J. Frauenstädt. Berlin 1863. [Der vollständige Titel der Schrift lautet: Arthur Schopenhauer von Ernst Otto Lindner. Und Memorabilien, Briefe und Nachlaßstücke. Hrsg. von J. Frauenstädt, Berlin 1863.] Feuerbach GW, Bd. 9, S. 287. -
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verräth, die das vermeintlich freie Denken an die Mutter der Vergangenheit und Befangenheit knüpft, und sich populär dahin zu äussern pflegt: „Etwas muss dahinter stecken, das lasse ich mir nicht nehmen", während doch dieselben Leute die Tage ihres Lebens nur mit dem Davor, mit positivem Inhalt über und über beschäftigt sind, und nur in ihren Mussestunden, in den Augenblicken der Gedankenlosigkeit, zu träumen begin-
nen.
„Der Empirismus spricht Gott nicht die Existenz ab, aber alle positiven Bestimmungen, weil ihr Inhalt nur ein endlicher, empirischer, das Unendliche daher kein
Gegenstand für den Menschen ist. Je mehr Bestimmungen ich aber einem Wesen abspreche, desto mehr setze ich es ausser Zusammenhang mit mir Je mehr Einer ist, desto mehr weiss man von ihm Dem Empirismus ist daher in Wahrheit das theologische Wesen Nichts mehr, d. h. nichts Wirkliches; aber er verlegt dieses Nichtsein nicht in den Gegenstand, sondern nur in sich, in sein Wissen."*169 Ganz hieher passt auch der bereits im „Leibnitz" vorkommende Exkurs über den Empirismus: „Nur der empirischen Philosophie verdanken wir zunächst die Befreiung vom Aberglauben, dass wir nicht mehr die Dupes und Sklaven dämonischer Willkürherrschaft sind. Die Empirie hat die Freiheit und Selbständigkeit des Gedankens vermittelt, indem sie den Menschen auf das heilige unveräusserliche Naturrecht der Autopsie und Selbstprüfung verwies. Locke sagt: Dans les sciences chacun ne possède qu'autant, qu'il a des connaissances réelles, dont il comprend lui-même les fondemens. Wehe dem Philosophen, der nicht den Empirismus als ein Organ sich angeeignet hat desipere in loco sapientia |89| est, am rechten Orte muss man unphilosophisch sein. Aber der Empirismus verkennt seine Gränzen und Schranken, wenn er selbständig sein und sich als Philosophie geltend machen will Aus einer sinnlichen Anschauung, die nicht schon ursprünglich eine geistige, denkende Anschauung ist, werden nun und nimmermehr Begriffe entstehen, man musste denn ihren Ursprung ex nihilo ableiten.*170 Frei, wissenschaftlich frei, fähig zur Forschung wird der Empiriker nur dann, wenn er, was glücklicherweise häufig geschieht, sein Asyl der Ignoranz, seinen theoretischen Schlupfwinkel vergisst und anstatt, gleich dem „empirischen" Schiffskapitän in Sturmesgefahr plötzlich zu beten, es vorzieht, ...
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„Mit Stürmen sich herumzuschlagen Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen."
Gerade diese Leute stellen den abstrakten Empiriker dar, den Feuerbach einmal so charakterisirt: „Er hat den Kopf nicht da, wo er sein Herz hat. Er glaubt, wie Hobbes, die Gespenster bei der Nacht, die er bei Tage leugnet." [Siehe Feuerbach GW, Bd. 4, S. 348.] II. 291. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 287-288.] V. 146-49 [Feuerbach GW, Bd. 3, S. 142-144], wo überhaupt der „Geist" mit seinen „immanenten Ideen" noch
gewaltig autonom auftritt.
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Dazu nehme man nun noch den Umstand, dass der Empiriker Alles auf die breiten Schultern der brutalen Kausalität ladet und immer von dem Unbedingten, sei es „Schöpfungswerk", sei es „Materie" anhebt, um den Menschen ab ovo, vom Ei und vom Ei des Eies an zu konstruiren, womit zuletzt doch nur Worterklärungen gegeben sind, welche durch ihre Nüchternheit anfänglich verflucht gescheidt aussehen und dadurch frappiren, eigentlich aber das zu Erklärende da stehen lassen, wo sie es gefunden. Derartige Philosophie, die ihrem positiven Gehalte nach nur elementare Naturkunde ist, bekommt man denn doch im Helvetius, im Système de la Nature und im Lamettrie herzlich satt, wie sie schon Göthe mit seiner „intuitiven" Natur früh satt bekam, zu einer Zeit, wo sie wirklich noch einigen Nahrungsstoff enthielt, während sie jetzt Hülsen und Spreu von einer anderen Tenne aufträgt. Feuerbach Hess solches Wissen auch später gelten für das, was es ist, als Fundament des Wissens vom Menschen überhaupt, um das er sich Mühe genug gegeben hat; aber es ging ihm wesentlich darum, etwas zu erfahren „Vom Menschen, was sich ihm in Kopf und Herzen regt". Er fasste daher, kraft seiner synthetischen Natur und gestützt auf eine Welt von realen Kenntnissen, die Kausalität auf ihrer höheren Stufe als Lehre vom Grunde, d. i. des Motivs, und hier „Menschen im Herzen", baute er sich eine Veste, von welcher |90| aus er die siegreichsten Ausfalle nach Oben wie nach Unten machte, und sich die Flanken links und rechts freihielt. Nach Oben dezimirte er die himmlischen Heerschaaren, die Theologie und die alte Metaphysik; nach Unten schlug er den empirischen superklugen Materialismus zusammen; nach Rechts hin galt der Kampf dem subjektiven Idealismus sammt seinem kategorischen Imperativ; nach Links zu dem Pessimismus mit seiner „Empfindung unter der Haut". Er stand ein für den ganzen vollen Menschen, für den Menschen, in seiner irdischen Bestimmung, für den Menschen mit Kopf und Steissbein, mit Hirn und Haaren, er war der real-ideale Denker des Genus homo. Und von diesem Genus, vom Geschlecht, von der Gattung, ging er stets aus, weil Alles, darin zusammenschiesst, das Atom wie die Idee, die Materie wie der transzendenteste Gedanke, weil die Gattung das Pantheon der Welt, der Feuerhimmel aller Kategorieen, die Retorte aller Prozesse, der krystallinischen, chemischen, vegetativen, organischen und metaphysischen Prozesse ist. In ihr vereinigt sich Alles, aus ihr strahlt Alles hervor, vom Wurm bis zu den Sternen, von der Empfindung des Stosses bis zum elektrischen Fluidum, von der Schwere bis zum reinsten Lichte der Erkenntniss. Aus diesem Klavierauszuge der Welt arbeitete Feuerbach seine Partitur, aus dieser Quintessenz entwickelte er das Dasein in aller Breite, Höhe und Tiefe. Das Menschenthum in-
spirirte ihn,
füllte ihm Herz wie
Kopf,
leuchtete ihm durch kimmerische Finsternisse,
trug ihn schwebend über Abgründe, feite seine Waffen, tauchte ihn in die Lethe bis über die Ferse, verlieh ihm den unsterblichen Muth auszuhalten, wo Götter selbst vergebens
kämpfen, und dem Gegenstand seines Kultus ein ganzes reiches Leben zu widmen opfern.
zu -
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„Die Liebe zum Menschen hat mich zum „„Materialisten"" und „„Sensualisten"" ge-
macht."*171
„Ich bin nur Mensch, ich bin nur frei, gesund, glücklich geworden, seitdem ich zur Anerkennung des Menschen gekommen bin."1 „Meine Schriften sind Produkte der Nothwehr des wissenschaftlichen Unglaubens, der auf der Erkenntniss des Glaubens beruht, gegen die Anmassungen, die das Schicksal der Menschen bestimmenden Anmassungen des Glaubens. An und für sich bin |911 ich nicht nur persönlich die höchste Toleranz gegen jeden aufrichtigen, in seinen Gränzen sich haltenden Glauben, sondern diese grosse Toleranz liegt auch in meinem Prinzipe, welches die subjektive, auf die Verschiedenheit der menschlichen Natur gegründete Nothwendigkeit des Glaubens anerkennt, daher dem Fanatismus des metaphysischen, oder abstrakten, unpsychologischen Unglaubens entgegengesetzt ist."1 „Nachdem mit der polnischen Revolution auf die kurzen Aufwallungen der 30er Jahre eine schmähliche Reaktion erfolgte, wie auf die intensivere Aufregung von [18]48, nachdem man alle Regung und Bewegung des freien Geistes nach allen Seiten hin unterdrückte, was blieb übrig, als sich in die Geister zu versenken, um sich gegen die Eindrücke, einer hässlichen, ekelhaften Gegenwart zu schützen! Gleichwohl habe ich aus der Geschichte heraus stets gegen die Gegenwart gekämpft. Schon im „P [ierre] Bayle" verliess ich die Geschichte der Philosophie theilweise, fügte auch die der Menschheit bei, bis ich endlich gänzlich mit der Philosophie und ihrer Geschichte brach, den Philosophen mit dem Menschen vertauschte, wenn ich gleich den Gelehrten vor den Menschen hinstellte, um diesen Grund- und Erzketzer mit heiler Haut durchzu-
bringen."199
„Was kümmert mich das Gewäsch kritikloser Kritiker! Ich weiss, was ich nicht weiss, aber auch, was ich weiss; ich weiss, was ich nicht bin, aber auch, was ich bin. Und das Bewusstsein erhebt mich über das
absprechende Geschrei der Bornirtheit und
Unwissenheit."*172 So sprach Feuerbach in stillen Stunden zu sich selbst. Niemand sollte das hören, und auch jetzt noch richtet es sich an denselben Niemand, der wir Alle nur sind, wenn wir uns
*171
197 198
199
*172
sammeln, wenn wir ganz bei uns, d. h. im Wesen sind. |92|
Man setze die doppelten Gänsefüsse an die untern Extremitäten ihrer wahren [L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen.] L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. Ebenda. Ebenda.
[L. Feuerbach:] Nachgelassene Aphorismen.
Eigenthümer!
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VIII. der Die Ueberwindung spekulativen Form. Maximum der Thätigkeit
Begeben wir uns für einen Augenblick zu dem Feuerbach zurück, der den ,3ayle" ge-
schrieben hatte. In dem gedruckten Vorwort zum I. Bande der Gesammtausgabe motivirt Feuerbach den Uebergang von „Bayle" zum „Wesen des Christenthums" durch die „wissenschaftliche Ueberzeugung von der Realität der Sinnlichkeit",200 welche Ueberzeugung jedoch zunächst wieder nur eine „naturwissenschaftliche" gewesen sei. „Wie kamst du von der naturwissenschaftlichen Realität der Sinnlichkeit zur absoluten Realität derselben? Nur dadurch dass du erkanntest, dass das Wesen, welches man als ein heterogenes Wesen der Sinnlichkeit entgegensetzt, selbst nichts anderes ist, als das abstrakte oder idealisirte Wesen der Sinnlichkeit."201 Diese Einsicht gewann er auf dem Gebiete der Religion. „Aber was du als das Wesentliche der Religion erkanntest, das war Anfangs noch immer nicht dein Wesentliches, wenigstens theoretisch, für dein Bewusstsein, deine Erkenntniss; es spukte dir noch das abstrakte Vernunftwesen, das Wesen der Philosophie im Unterschiede vom wirklichen, sinnlichen Wesen der Natur und Menschheit im Kopfe. In diesem Widerspruche ist selbst noch, wenigstens theilweise, dein Wesen des Christenthums geschrieben."*173 Die Sache ist von der äussersten Wichtigkeit, in dieser doppelten Dialektik liegt die ganze immense Bedeutung unseres Philosophen. Die rationalistischen Metaphysiker sind in der Mitte des oben beschriebenen Prozesses stecken geblieben; erst der ganze Prozess ergibt sämmtliche Konsequenzen aus Kants kritischen Anfangen, die der grosse Königsberger selbst nicht gezogen hat. Greifen wir daher abermals zur mehrfach erwähnten ungedruckten „Vorrede"! |93| Das Naturprinzip Leibnitzens, sagt dort Feuerbach, habe ihn „aus dem metaphysischen Somnambulismus der Monaden in das wache menschliche Treiben versetzt".202 Desshalb bilde das „Wesen des Christenthums" einen wesentlichen Unterschied gegen seine früheren Schriften „eine Epoche in meinem Leben und Denken. Wer diesen Unterschied übersieht, ist so scharfsichtig und scharfsinnig, wie der, welcher zwischen dem einer bestimmten Gottheit, etwa dem Tode, Mors, geweihten spartanischen Tempel und dem römischen Pantheon nicht zu unterscheiden weiss; denn in dieser Schrift vergöttere ich nicht eine bestimmte Eigenschaft des menschlichen Wesens, die Vernunft, den Willen sondern das ganze Wesen des Menschen vom Scheitel bis zur Ferse, f"]20
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200
Feuerbach GW, Bd. 10, S. 187. Ebenda, S. 188. *1731. XII. XIII. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 202 L. Feuerbach: Ungedruckte „Vorrede". 203 L. Feuerbach: Ungedruckte „Vorrede". 201
188.]
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„Was in dieser Schrift mit meinen früheren Schriften übereinstimmt, wie z. B. der Widerspruch zwischen Glaube und Vernunft, überhaupt der polemische Theil, hat nur
untergeordnete Bedeutung, wie ich das deutlich genug in der Vorrede zur zweiten Auflage gezeigt habe, ja steht zum Theil im Widerspruch mit der Tendenz der Schrift. Ein deutliches Beispiel sei das Wunder. So sagte ich im „Bayle": Das Wunder widerspricht, der Vernunft, widerspricht der Lehre selbst des Christenthums, die eine allgemeine Wahrheit wie soll sie durch ein sinnliches Faktum bestätigt werden? f"]204 „Im Wfesen] dfes] Chrfistentums] sage ich: Das Wunder bestätigt das Wesen des -
Christenthums, denn das Wesen Gottes ist nichts Anderes als das menschliche Wesen in seiner Totalität, also auch in seinem sinnlichen, herzliche Wünsche und Bedürfnisse ausdrückenden, anerkennenden, bejahenden Wesen. Das Wunder ist ein realisirter Wunsch}114 Gott erfüllt diesen Wunsch, erfüllt was der Mensch wünscht und bedarf. Was wünscht aber der Mensch? Sein will er, und zwar glücklich sein, glücklich nicht blos der Seele oder Vernunft nach, wie die heidnischen Philosophen, sondern auch dem Leibe nach. Denn er ist kein abstraktes Wesen, wozu ihn die Philosophie macht, die selbst nur eine Abstraktion, eine |94| bestimmte, zum Wesen gemachte Thätigkeit ist, sondern ein wirkliches, sinnliches Wesen, f"]205 „Gott ist nichts Anderes als was der Mensch von sich als Wahres, Herrlichstes anerkennt der christliche Gott ist eben selbst ein leiblicher, sinnlicher Gott, also nicht Etwas vom Menschen, abgesondert von Anderem, sondern das ganze Wesen des Men-
schen dieses gefasst als ein subjektives, der wirkliche Mensch selbst obgleich dieses wirkliche Wesen, gemäss dem Wesen der Religion wieder zu einem vom menschlichen Wesen abgesonderten, phantastischen, unwirklichen Wesen gemacht wurde. Der Mensch ist als Mensch, per se, göttlich nicht die Vernunft, nicht die Sittlichkeit der Philosophie macht ihn göttlich ist er es nicht, so kann er es nicht werden. Die Sinnlichkeit ist Wahrheit. „Die Wunder stellen nicht die Macht des göttlichen Geistes über die Natur dar, sondern die Macht des menschlichen Herzens, die grosser ist als die Macht Gottes, Gott selbst seinem Bedürfnisse unterwirft. Gott speist die Hungrigen, heilt Kranke. Das Wesen, die Hauptsache, der Kardinalpunkt ist nicht das Wesen, das diese Bedürfhisse befriedigt, sondern das Wesen, dessen Wunsch der Gott befriedigt. Er ist nur das Jawort des menschlichen Gemüthes, er thut nur was der Mensch will: glücklich sein, d. h. vollkommen, ganz, anerkannt, befriedigt sein. Die Seligkeit des Menschen ist der End-
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204 *174
Ebenda. Bd. 5, S. 231 und 242.] Die grossartige, tiefsinnige Theorie des Wunsches, auch Strauss „Alter und Neuer Glaube" beiläufig anerkannt [siehe ebenda, S. 133 und 135], beginnt ihre Evolution im „Wesen des Christenthums" S. 175, beseelt das ganze 14. Kapitel [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 223, 226-240], taucht wieder auf im „Wesen der Religion" (I. 443) [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 37-38], und feiert ihre Apotheose in der immer noch nicht recht verstandenen und gewürdigten „Théogonie" [Feuerbach GW, Bd. 7, besonders Kapitel 7-12, S. 37-83]. L. Feuerbach: Ungedruckte „Vorrede".
[Feuerbach GW,
von
205
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zweck, das Mittel der Erreichung ist Gott. Er erscheint nur nicht als Mittel, weil
er die aller leiblichen und substantivirte geistigen Glückseligkeit, der Inbegriff personifizirte, Güter ist, das Horn, das alle Güter enthält, nicht nur Deine Vernunft, sondern auch Deine Phantasie, Dein Anschauungsbedürfhiss, Dein Herz, Deinen Glückseligkeitstrieb
vollständig befriedigt, f"]206
„Der Unterschied zwischen dieser Schrift und meinen früheren ist
gross als der Unterschied zwischen dem Philosophen und dem wirklichen Menschen. In meinen früheren Schriften war der Mensch nur ein Accidenz des Philosophen, in dieser ist umgekehrt der Philosoph nur ein Accidenz des Menschen. In meinen früheren Schriften war ich unversöhnlicher Feind des Christenthums, wenn ich gleich noch eine theistischchristliche Abstraktion als Schranke meines Verstandes unangefochten bestehen Hess; aber in dieser habe ich im Innersten mit dem wahren Wesen des Christenthums mich versöhnt, indem ich zugleich207aufs Heftigste gegen es polemisire und mich für immer von ihm geschieden habe.f"] „Allerdings sind noch unverwischte Spuren meiner früheren |95| Richtung in ihr zu finden, und ich bin unendlich entfernt davon, diese Schrift als einen adäquaten Ausdruck meines Wesens anzuerkennen; aber wesentliche Ergänzungen habe ich bereits in der kleinen Schrift, die übrigens eben so die Prämissen wie die Konsequenzen vom Wfesen] dfes] Christentums] enthält, „Grundsätze der Philosophie", und im „Luther" so
geliefert. ["]
„In keiner meiner Schriften war ich auf den Standpunkt der Sinnlichkeit, Einzelheit, Individualität gekommen, wie im Wfesen] dfes] Christentums]. Im „Bayle" hatte ich in der Liebe das Endliche zum Unendlichen gemacht, aber noch nicht im Verstand, d. h. ich hatte noch nicht die Liebe, das Einzelne, Empirische als absolut gefasst. Ich polemisirte gegen das Christenthum im Sinne des Christenthums, ich nahm das Christenthum in dem Sinne, in welchem es gilt, sich selbst als das Wahre anerkennt ..."208 Und weiter: „Dass das Denken Sein ist, gilt auf dem Standpunkt der Philosophie für ausgemacht. Alle Menschen glauben an diese Realität des Gedankens, wenn sie an Gott glauben, aber unbewusst; der Philosoph erhebt es zum Begriff, zum Gedanken, hier läugnet es der Haufe. Denn dieser ist dadurch charakterisirt, dass er nur durch die Realität des Gegenstandes des Gedankens, also nur indirekt die Realität des Gedankens glaubt. Was war aber hieraus weiter zu folgern? ["]09 „Das was du im Abschnitt von Cartesius als Wesen der Vernunft folgertest: Gott auf dem rationell-philosophischen Standpunkt ist nichts Anderes als das Vernunftwesen selbst; es kommt ihm keine Existenz zu, er existirt nur im Gedanken, er drückt gar nichts Anderes aus als das Denken. Keine sinnliche Existenz ist keine Existenz. Die
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L. Feuerbach: Ebenda. Ebenda. Ebenda.
Ungedruckte „Vorrede"
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der Sinnlichkeit ist die Negation der Existenz. Der Begriff der Existenz stammt nur von der Sinnlichkeit. Was ein von mir unterschiedenes, selbständiges, mich affizirendes Wesen ist, das ist. Was mich aber nur durch mich selbst affizirt, was für mich nur dadurch ist, dass ich es denke, glaube, einbilde, und für mich nur so ist, wie ich es denke, nicht anders denke ich Gott böse, so ist er mir böse kurz, was nur von meinem Denken, Glauben, Einbilden abhängt, was ich eben deswegen negiren kann, das ist nicht.["]110 „Aber wodurch war nun dieser Schluss vermittelt: ohne Sinnlichkeit keine Objektivität, keine Existenz; Existiren heisst Aussermirsein; Aussermir-Unterschiedensein vom Denken, Glauben, Einbilden, ist nur Sinnlichsein? Konntest du vom Standpunkt der |96| Philosophie, des reinen Denkens aus dazu kommen? Nein! Dazu war erforderlich, dass du die Sinnlichkeit als real erkanntest. Wie so? Durch Essen, Trinken? Nein! Dadurch dass das Sinnliche Dir als wissenschaftliches Objekt selbst entgegen trat. Die Sinnlichkeit als Objekt der Wissenschaft ist die Naturwissenschaft. Die Sinnlichkeit ist Unendlichkeit welche unendliche Fülle bietet die Natur dar! Die Natur ist ein sinnliches, und doch unendliches Wesen. Zugleich tritt hier der Unterschied von Subjektivem und Objektivem, Realem und Gedachtem augenfällig hervor. Wer nie auf diesen Standpunkt getreten, nie von seinen Gedanken, seiner Einbildung sich abtrennen konnte, nie die Identität von Denken und Sein unterbrochen hat, der wird nun und nimmermehr deine Kritik von Hegel zu würdigen wissen.f"]211 „Aber damit war noch lange nicht Alles gewonnen. Philosophie und Naturwissenschaft sind getrennte Gebiete. Ich auf meinem Gebiete, denkt der Physiker, habe es nur mit Sinnlichem zu thun, aber Du Metaphysiker hast ein anderes Gebiet ob es da nicht von sinnlichen Wesen unterschiedene Wesen gibt, das ist Deine Sache; für mich gibt es keine, aber vielleicht hast Du doch auch Recht. Nun gibt es zwar unter den sinnlichen Wesen auch denkende Wesen, animalia ratione praedita; auch diese sind Gegenstand der Naturwissenschaft, aber nur in gewisser Beziehung. Der Physiolog, der Patholog, der Anatom lässt den denkenden, religiösen Menschen bei Seite liegen, oder fasst diese Seiten nur in Beziehung auf sein Fach auf. Es musste also, nachdem vom Standpunkt der Sinnlichkeit aus die Ueberzeugung von der Realität der Sinnlichkeit gewonnen war, auch auf dem Gebiete, das sich nur die Uebersinnlichkeit vindizirt, das der Physiker, der Naturforscher als ein anderes sich gegenübersetzt, der Beweis von ihrer Realität geliefert werden, f"]212 „Der Kernstock des übersinnlichen Wesens ist die Religion. Aus ihr haben alle Philosophen ihre Hauptsache geschöpft. Durch die Naturwissenschaft hattest du deinen Kopf von den spekulativen Vorurtheilen gereinigt; nicht die gedachten Dinge, sondern die wirklichen, vom Denken unterschiedenen Wesen sind die wahren. Das trifft auch
Negation
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2.0 2.1 212
Ebenda. Ebenda. Ebenda.
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die gedachte Religion. Das Wesen, bei dem die Philosophie stehen bleibt der Gott, der nur gedacht wird, der nur für den Menschen auf dem Standpunkt der Abstraktion ist, ist nicht der Gott der Religion. Alle religiösen Menschen haben die Götter der Philosophen als blosse Vernunftprodukte ver-|97|worfen. Gegen die Götter der Philosophen, wie überhaupt gegen fremde Götter, sind die Gottesgläubigsten Atheisten nur ihren Gott halten sie für den wahren. Die Religion realisirt den Gott der Philosophie oder vielmehr die Philosophie abstrahirt von dem realen Gott. Woher schöpft aber die Religion die Realien, wodurch macht sie Gott zu einem unphilosophischen, irrationalen Wesen? Grade dadurch dass der Mensch selbst kein rationelles, denkendes, sondern ein existirendes, natürliches Wesen ist. Dem Philosophen ist es nur um Wahrheit, d. h. abstrakte, theoretische Wahrheit, d. h. um die Wahrheit der Abstraktion, seiner Thätigkeit, zu thun; der Religion um Leben und Wirklichkeit. Der Philosoph will denken, der Religiöse leben, existiren. Die Philosophie bezieht sich nur auf den denkenden, die Religion auf den sinnlichen, praktischen Menschen. Der Gott der Religion bekümmert sich um das Wohl der Menschen, er will die Menschen glücklich, selig machen. Zur Seligkeit gehört aber Existenz, volle Existenz, gehört nicht nur Geist, sondern auch Fleisch. Kurz, die Philosophie ist nur die Position der Vernunft, die Religion die Position des ganzen, des wirklichen Menschen. Gott wird Mensch, Fleisch, Wesen wie wir. Das Christenthum glaubt an die fleischliche Unsterblichkeit und Glückseligkeit, keine abstrakte, geistige. Die Bürgschaft dieser fleischlichen Seligkeit liegt in der Fleischwerdung Gottes. Wie kann das Fleisch selig werden, wenn es nicht göttlich ist? Die Unsterblichkeit des Menschen ist ja nur eine Folge von der Gottheit des Menschen. Die Religion gibt also ihrem Gott nur dadurch Realität, dass sie ihm Sinnlichkeit gibt. Die Religion negirt das Uebersinnliche nur auf selbst phantastische Weise."213 Sehr bedeutsam ist der Umstand und das Bekenntniss, dass die Wahrheit der Sinnenerkenntniss zuerst auf religiösem Gebiete entdeckt und von hier aus auf das philosophische angewendet worden. Daraus ergibt sich eine Priorität der Religion vor der Philosophie, eine höhere Stellung der ersteren, eine Unterordnung der letzteren. Wir lesen in der ungedruckten „Vorrede" weiter: „Die Philosophie ist nicht original, sie hängt von der Religion ab; sie schöpft ihr höchstes Wesen nicht aus sich, sondern aus der Religion; sie ist nichts Anderes als die höhere rationelle Theologie. Sie beweist, viel gescheidter als sie nur behauptet, sie macht zur Verstandeswas die Religion sache, was der Religion Herzenssache, unmittelbare Gewissheit ist; tritt aber dadurch in Zwiespalt mit der Religion, dass sie, was dieser ein volles körperliches Wesen ist, |98| zu einem abstrakten Wesen macht, dass sie die Seele, den Geist der Religion, von ihrem Leibe scheidet, f"]214 -
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„Die Philosophie lässt weg von dem Wesen der Religion, was ihr oder der Vernunft widerspricht, d. h. sie macht, was in der Religion ein Objekt der Furcht und Liebe, des Ebenda. Ebenda.
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Affekts, des Herzens, des Menschen ist,
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zu einem nur theoretischen, affektlosen Gehat denselben genstande. Philosophie Gegenstand wie Religion, aber macht ihn doch zugleich zu einem andern, der Religion widersprechenden, von ihr nicht mehr er- und anerkannten Gegenstand. Der Gott der Philosophie ist nicht mehr der Gott der Religion, und doch ist und heisst er noch „Gott". Man hat daher eben so viel Recht als Umecht, von der Identität als vom Unterschiede der Religion und Philosophie zu reden."215 Ffeuerbach] gesteht, dass er selbst auf dem Standpunkt des Unterschiedes und Widerspruches gestanden, und nur, den Philosophen gegenüber, mit Recht behauptet habe, was sie zum Unwesentlichen, zur Form der Religion gemacht, das sei gerade das Wesentliche. Jedoch habe er dieses Wesentliche der Religion, zu dem er sich längere Zeit ironisch verhalten, selbst noch besser erkennen müssen. „Du musstest dich überzeugen, dass das Mehr, welches die Religion vor der Philosophie voraus hat, nicht nur ein quantitatives, wofür es die Philosophie ansieht, sondern auch ein qualitatives Mehr ist; dass die Religion nicht nur mehr enthält, sondern auch mehr ist als die Philosophie; dass das Wesen, welches die Philosophie der Religion entlehnt, nicht nur ein ganz anderes Wesen ist im Sinne der Religion, als in dem der Philosophie, und dass dieser Sinn nicht nur relativ im Sinne der Religion, sondern der absolut wahre Sinn, dass die Form der Sinnlichkeit, Menschlichkeit, in welcher die Religion dieses Wesen anschaut, die Form der Wahrheit ist. So wurde die Sinnlichkeit aus einer astronomischen, physikalischgeologischen, botanischen, zoologischen, kurz naturwissenschaftlichen Wahrheit zu einer religiösen Wahrheitf"]216 „Aber das Merkwürdigste dabei war, dass du im Gottesglauben die Gottesläugnung, im Theismus den Atheismus erkanntest, und so gerade in der vollständigen Anerkennung der Religion zu ihrer vollständigen Negation kamst. Die Religion will einen Gott, aber einen solchen, der zugleich doch kein Gott, sondern ein menschlich gesinntes Wesen ist, menschliche Eigenschaften hat. Ein Gott, der kein Bewusstsein, keine Liebe, keine Theilnahme für den Menschen ist, der ist kein Gott. Wenn Ihr aber ein Wesen mit menschlichen |99| Eigenschaften, ein dem menschlichen Herzen entsprechendes Wesen, aus dem Seele zu Seele, Auge zu Auge spricht, wollt, so habt Ihr ja ein solches Wesen vor Euch, an dem wirklichen Menschen. Ist Euch aber der Mensch nicht genug, wollt Ihr ein Wesen ohne menschliche Misère, ohne menschliche Schwächen, Leidenschaften und Bedürfnisse, wollt Ihr mit einem Worte ein nichtmenschliches, ein Wesen, das Euch über die Lächerlichkeit, Schlechtigkeit und Eitelkeit der politisch-moralischen menschlichen Welt erhebt, so habt Ihr ja gleichfalls dieses Wesen vor Euch, in der Natur. Wollt Ihr aber beider Wesen Eigenschaften, menschliche und nichtmenschliche, subjektive und objektive, in Einem Wesen vereinigen, so macht Ihr den Widerspruch zum
215 216 217
Gesetz der
Ebenda. Ebenda. Ebenda.
Wahrheit, den Unsinn zur Vernunft.f"]217
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„Ein hölzernes Eisen ist ein Unding, aber nicht Eisen und Holz, und beides habt Ihr: Eisen an der Natur, Holz am Menschen, aber nur so lange Ihr sie unterscheidet. Was wollt Ihr also mit einem Wesen, das weder Eisen noch Holz, ebensowohl Eisen als Holz
ist?["]218
„Kein Mensch genügt sich allein, richtig; aber er hat sich gegenüber den Andern, der ein von ihm unterschiedenes Wesen, und doch zugleich ein mit ihm identisches Wesen ist, also die Forderungen erfüllt, die Ihr an Gott stellt."219 Kürzer kann man nicht wohl Philosophie, Theologie und Ethik resumiren, als es hier, zum Theil über das Wfesen] dfes] Chrfistentums] hinaus, geschehen ist. Ihr müsst den ganzen lebendigen Menschen studiren, wollt Ihr wissen was er ist. Es gilt Knochen, Muskeln und Nerven in ihrer Realität zu beobachten, Physiologie zu treiben, nicht apriorische Psychologie oder Pneumatologie. Der Natur nachdenken, nicht ihr vordenken; anschauen, nicht konstruiren! Was der Mensch glaubt, darin zeigt sich seine determinirte Wollung, sein Willen, und dieser Willen ist das Prius: ich will, also bin ich. Je nach dem was ich will, existiré ich so oder so. In der Religion enthüllt sich der geheimste Wille, folglich der Mensch, das Volk, das Zeitalter. Was diese nachher über ihr eigenes Wollen und Glauben reflektiren, wie sich dieses Glauben und Wollen in einzelnen begabten und ruhigeren Köpfen spiegelt kurz die Philosophie ergibt sich aus jenem Urmaterial von selbst, kann zu jeder Zeit abstrahirt werden durch einige Vernunft-Operationen, Urtheile und Schlüsse genannt. |100| Die Religion, die echte, ist stets konsequent mit sich, aus Einem Stücke; die Philosophie, welche ein einseitiges, vereinzelndes Thun ist, verkennt leicht jene Einheit und setzt begrifflich Dinge in Widerspruch mit einander, die organisch Eins waren. In solchen Zeiten der Skepsis hilft weder Religion noch die gewöhnliche Philosophie zur Befriedigung des Menschen. Alsdann muss der religiöse Inhalt vollständig durchschaut, müssen die symbolischen, emblematischen, phantastischen Bezeichnungen beseitigt, der Kern des Räthsels herausgeschält werden. Dieser Kern lautet: Ich bin hilfsbedürftig, gebrauche einen Andern, der meine Last mit mir theile und dessen Last ich dafür wieder theile, einen Andern, der Nicht-Ich und zugleich Ich ist. Mit dieser Erkenntniss sind Religion und Philosophie in Ethik aufgelöst. Die Frage nach den praktischen Konsequenzen seiner Religions-Erklärung, die bekanntlich darin bestehen, dass an die Stelle des illusorischen, phantastischen, himmlischen Menschen der sinnliche wirkliche Mensch gesetzt werde, und dass nur der mit dem positiven Inhalt der Religion ausgestattete, aber bewusste Mensch die grossen politischen und sozialen Probleme zu lösen vermöge (Vorwort I. XIV. XV.),220 wird in der -
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„Vorrede" also gefasst:
Ebenda. Ebenda. L. Feuerbach: Vorwort Bd. 10, S. 189-190.
[zu Ludwig
Feuerbach: Sämtliche Werke, Bd.
I].
In: Feuerbach GW,
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„Die Frage ist, ob wir den Menschen der Imagination und Abstraktion, oder die Abstraktion und Imagination dem Menschen opfern, ob wir die Wirklichkeit der Illusion, oder diese jener preisgeben, ob wir im Kopfe bejahen oder verneinen, was wir im Herzen bejahen; ob wir an der Seele Christen, Engel, himmlische Geister, am Leibe Menschen, oder Menschen mit Leib und Seele sein sollen; ob wir unser Vermögen, geistiges wie leibliches, an die Kirche verschwenden, oder an Schulen, Armen- und Krankenhäuser verwenden; ob wir die Köpfe unserer armen Kinder mit theologischem Unsinn oder mit menschlichen Anschauungen füllen; ob wir selbst noch länger am Gängelbande des Glaubens uns in der Irre herum führen lassen, oder endlich auf unseren eigenen Beinen stehen wollen; ob wir es vorziehen, uns im Namen der göttlichen Ordnung und Fürsehung mit Füssen treten zu lassen, oder wie es die Natur will, unter freiem Himmel aufrecht Aus dem bisher Mitgetheilten geht hervor, dass Feuerbach in der Religionsphilosophie den Schlüssel zu seiner philosophischen Weltbetrachtung fand. Der anthropologische Standpunkt wurde im Wirrsal der Mysterien erobert. Desshalb eröffnete er auch die Gesammtausgabe mit den „Erläuterungen und Ergänzungen zum 11011 Wesen des Christenthums", und Hess die zum Theil der Zeit nach früheren „Philosophischen Kritiken und Grundsätze" erst im zweiten Bande folgen. Mit dem „Wesen des Christenthums" tritt dann die Harmonie zwischen Sachverhalt und Chronologie ein. Dieses Werk erschien im Jahre 1841 ; die ihm entsprechenden spekulativen Arbeiten folgen später: die „Vorläufigen Thesen zur Reform der Philosophie" 1842, die „Grundsätze der Philosophie der Zukunft" 1843. Die gemeinsame Konsequenz aus Religion und Philosophie, „Wider den Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist", trägt die Jahr[es]zahl 1843. Die Ergänzung und theilweise Berichtigung des „Wesen des Christenthums", „das Wesen der Religion", datirt von 1845, und wurde 1848/9 in den Heidelberger „Vorlesungen" des Breiteren ausgeführt. Der erste oder positive Theil des „Wfesen] dfes] Chrfistentums]", hat in klarster Sprache, der freilich noch die metaphysischen Eierschalen hin und wieder anhangen, gewisse Grundwahrheiten für immer festgestellt, für welche die Völker-Psychologie, ja sogar die Sprachwissenschaft zu dauerndem Danke verpflichtet sind. Dass die Theologen an diesen Bollwerken der vernünftigen Einsicht zu Schanden werden mussten, versteht sich von selbst; ihr blosses Dasein hat den Tod der Theologie dokumentirt. „Das Bewusstsein Gottes ist das Selbstbewusstsein des Menschen, die Erkenntniss Gottes die Selbsterkenntniss des Menschen. Aus seinem Gotte erkennst Du den Menschen, und wiederum aus dem Menschen seinen Gott. Was dem Menschen Gott ¡st, das ist sein Geist, seine Seele, und was des Menschen Geist, seine Seele, sein Herz, das ist sein Gott: Gott ist das offenbare Innere, das ausgesprochene Selbst des Menschen, die Religion die feierliche Enthüllung der verborgenen Schätze des Menschen, das Einge-
einherzugehn."221
L. Feuerbach:
Ungedruckte „Vorrede".
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ständniss seiner innersten Gedanken, das öffentliche Bekenntniss seiner
nisse."*175
Liebesgeheim-
„Die Religion umfasst alle Gegenstände der Welt; Alles was nur immer ist, war Gegenstand religiöser Verehrung; im Wesen und Bewusstsein der Religion ist nichts Anderes, als was überhaupt im Wesen und im Bewusstsein des Menschen von sich und von der Welt liegt. Die Religion hat keinen eigenen, besondern Inhalt."222 „Teufel, Kobolde, Hexen, Gespenster, Engel waren heilige Wahr-|102|heiten, so lange das religiöse Gemüth ungebrochen, ungetheilt die Menschheit beherrschte."*176
„So bezweckt der Mensch nur sich selbst in und durch Gott. Allerdings bezweckt der Mensch Gott, aber Gott bezweckt nichts als das moralische und ewige Heil des Menschen, also bezweckt der Mensch nur sich selbst. Die göttliche Thätigkeit unterscheidet sich nicht von der menschlichen."*177 Das wahre Wesen der Religion (wie der Geschichte, wie der Kunst, wie der Sprache) ist also das anthropologische. „Gott als metaphysisches Wesen ist die in sich selbst befriedigte Intelligenz, oder vielmehr umgekehrt: die in sich selbst befriedigte, die sich als absolutes Wesen denkende Intelligenz ist Gott als metaphysisches Wesen. Alle metaphysischen Bestimmungen Gottes sind daher nur wirkliche Bestimmungen, wenn sie als Bestimmungen des Verstandes erkannt werden. Und so setzt der Verstand sein Wesen als das ursachliche, erste, vorweltliche Wesen, d. h. er macht sich als das dem Range nach erste, der Zeit nach aber letzte Wesen der Natur zu dem auch der Zeit nach ersten -
Wesen."'178
„Aber die charakteristische Bestimmung der Religion, insbesondere der christlichen ist, dass sie ein durchaus anthropotheistisches Wesen, die ausschliessliche Liebe des Menschen zu sich selbst, die ausschliessliche Selbstbejahung des menschlichen, und
zwar subjektiv menschlichen Wesens ist."*179 Das ist die Bedeutung Gottes als eines moralischen Wesens. „Leiden ist das höchste Gebot des Christenthums die Geschichte des Christenthums selbst die Leidensgeschichte der Menschheit... Das Leiden macht sich zu einem Gegenstande der Nachahmung. Wenn Gott selber litt um meinetwillen, wie soll ich fröhlich sein, wie mir eine Freude gönnen, wenigstens auf dieser verdorbenen Erde, welche der Schauplatz seiner Leiden war? Ein Gott, der an Thränen Gefallen hat, drückt nichts Anderes aus, als das Wesen des Herzens, insbesondere des Gemüths."*1*0 „Die Grunddogmen des Christenthums sind erfüllte Herzenswünsche das Wesen des Christenthums ist das Wesen des Gemüths. Es ist gemüthlicher zu leiden, als zu -
...
-
M75
VII. 39. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 46.] Feuerbach GW, Bd. 5, S. 59-60, Anm. 9 von S. 56. *176 VII. 51. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 60, Anm. 9 von S. 56.] *177 VII. 61. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 72.] *178 VII. 70. 71. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 80-81, Anm. 12 von S. '179 VII. 81. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 93.] M80 VII. 100. 101. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 123 und 124.]
222
78.]
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handeln, gemüthlicher, |103| durch einen Andern erlöst und befreit zu werden, als sich selbst zu befreien, gemüthlicher, von einer Person, als von der Kraft der Selbstthätigkeit sein Heil abhängig zu machen, gemüthlicher, zu lieben als zu streben, gemüthlicher, sich von Gott geliebt zu wissen, als sich selbst zu lieben mit der einfachen, natürlichen Selbstliebe, die allen Wesen eingeboren, gemüthlicher, sich in den liebestrahlenden Augen eines andern persönlichen Wesens zu bespiegeln, als in den Hohlspiegel des eigenen Selbstes oder in die kalte Tiefe des stillen Ozeans der Natur zu schauen, gemüthlicher überhaupt, sich von seinem eigenen Gemüthe, als von einem andern, aber doch im Grunde demselbigen Wesen bestimmen zu lassen, als sich selbst durch die
Vernunft zu bestimmen." 181 Der zweite oder polemische Theil des Werkes: „Das unwahre d. i. theologische Wesen trifft vielfach nicht nur die Theologie, sondern auch ihren Gegenstand, der die Religion selbst, was Feuerbach später beanstandete. Es ist dann als ob der Pferdefuss von Mephisto-Bayle sieht- und hörbar würde. Wenige Beispiele mögen zum Verständniss dieser Behauptung anleiten. Die Dogmen an und für sich sind nicht zu kritisiren, sondern psychologisch-genetisch zu erklären. Dagegen verfallen die Lehrgebäude der Theologie, diese Inkunabeln der Philosophie, mit vollem Recht der Kritik, weil sie sich mit logischer Konsequenz brüsten. Für den Gläubigen gibt es keinen Widerspruch in der Existenz Gottes, in der Offenbarung Gottes, im Wesen Gottes. „Der Widerspruch in der spekulativen Gotteslehre"224 sagt uns schon durch den Wortlaut, dass wir uns vom Wesen der Religion entfernt haben. Auch das gilt nur für die Theologie: „Die Religion scheidet das Wesen des Menschen vom Menschen. Die Thätigkeit, die Gnade Gottes ist die entäusserte Selbstthätigkeit des Menschen, der vergegenständlichte freie Wille"*182, ganz abgesehen davon, dass die „Gnade Gottes" noch etwas ganz Anderes bedeutet, als den „freien Willen des Menschen", nämlich die Gesammtwirkung der Gattung auf den Einzelnen. Im Christenthum als Religion herrscht auch kein „Widerspruch von Glaube und Liebe".*183 Keine dogmatische Religion kann Menschenliebe lehren, sondern höchstens die korporative Liebe unter |104| Gleichgesinnten, Mitstreitern, Mitduldern. Wer an die Bergpredigt erinnert, dem muss man den Unterschied zwischen der Religion Jesu oder zwei sehr verschiedene Dinge zu Gewas dafür gilt, und der Religion von Christo müthe führen. Der Christ hat ja auch eigentlich gar keine Zeit zur Liebe, so wenig als der asketische Pessimist zum Mitleiden. Diese Leute sind viel zu sehr mit der eigenen Heiligung beschäftigt. Gott ist die Liebe, heisst zwar, die Liebe ist göttlich, es fragt sich
Religion",223
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*m
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VII. 197. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 247-248.] Feuerbach GW, Bd. 5, S. 316-^154. Siehe auch S. 316, Anm. 1. 224 Feuerbach GW, Bd. 5, S. 377, Anm. 1. *182 VII. 321. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 397.] •183 yjj 33 j [Siehe den Abschnitt „Der Widerspruch von Glaube und Liebe". In: Feuerbach GW, Bd. 5, S. 409-443.]
223
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welche Liebe? Die Liebe zu mir, oder die Liebe zum Andern? Die Gattung existirt ja für den Christen nicht. Der Christ weiss auch nichts von einem „Widerspruch in den Sakramenten".225 Feuerbach ärgerte beim ersten Erscheinen seines Buches nicht nur die Theologen, sondern stiess sogar bei den rationalistischen Philosophen an, als er die Göttlichkeit des Wassers, des Brodes und Weines als das latente Bekenntniss des Christenthums proklamirte. Seine Widersacher und Krittler irrten sich nur darin, dass sie dem Verfasser in aller Geschwindigkeit einen Naturkultus ins Gewissen schoben, während Feuerbach meinte: So weit wenigstens erkennt selbst das spiritualistische Christenthum die Natur an, so viel nahm es von den älteren Naturreligionen herüber!*184 Und durchaus unverfänglich ist die Stelle, wo es heisst: „Das Fest der Wassertaufe flösst uns Dankbarkeit gegen die Natur ein, das Fest des Brodes und Weines Dankbarkeit gegen die Menschen. Wein und Brod gehören zu den ältesten Erfindungen. Wein und Brod vergegenwärtigen, versinnlichen uns die Wahrheit, dass der Mensch des Menschen Gott und Heiland ist."*185 Nicht einmal die „Religion des Geistes" kann von Fleisch, Wein und Wasser loskomnur
men! Von Bfruno] Bauer und Strauss scheidet sich Feuerbach in der Vorrede zur 2. Auflage eben so streng als richtig, indem er sagt: Bauer habe zum Gegenstande das biblische Christenthum oder vielmehr die biblische Theologie, Strauss eigentlich die dogmatische Theologie, während er das Christenthum überhaupt, d. h. die christliche Religion, und als Konsequenz nur die christliche Philosophie oder Theologie behandle. Strauss hatte den christlichen Mythos |105| als Grundlage der christlichen Religion aufgeworfen. Feuerbach fragt: Woher kommt der Mythos selbst? Auf ethischem Gebiete haben wohl kaum zwei Bücher in diesem Jahrhundert eine so elektrische und auch tieffahrende Wirkung ausgeübt, als das „Leben Jesu" und das „Wesen des Christenthums". Die Physis ist ohnedem nicht dazu angethan, direkt auf den ganzen Menschen zu wirken. Humboldt's Kosmos226 wurde mehr bewundert als in Fleisch und Blut verwandelt. Erst Bernhard Cotta hat ihn Vielen mundgerecht Wo aber die Physis in das Ethos streift, oder direkt ethisch sich äussert, da wird der Leser wach, da ergreift er Partei. Das war bei Darwin der Fall.
gemacht.22'
Siehe den Abschnitt „Der Widerspruch in den Sakramenten". In: Feuerbach GW, Bd. 5, S. 393 bis 409. „Ich für mich wäre wahrlich nie darauf gefallen, Essen und Trinken für religiöse Akte zu erklären",
er dem theologischen Rezensenten [Julius Müller M. K] in den „Studien und Kritiken". I. 405. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 182.] VII. 369. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 453.] A. v. Humboldt: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung, 5 Bde., Stuttgart Tübingen 1845-1862. Briefe über Alexander von Humboldt's Kosmos, ein Commentar zu diesem Werke für gebildete Laien, bearb. von B. Cotta, 4 Bde., Leipzig 1848-1859.
sagt
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Den historischen Christus löste Strauss in Mythen auf: wir wissen nicht ob er existirt, keinenfalls wie er ausgesehen hat. Was uns in den Evangelien vorliegt, ist zusammengedichtet. Der Inhalt der Dichtung aber bleibt, der ist positiv, der ist das Produkt der Menschheit in einem gewissen Volke und Lande, zu einer gewissen Zeit. Die ChristusIdee ist also nicht wegzuleugnen, und die auf diese Idee gebaute Religion ist, historisch. Eine Religion hat ihre Dogmen oder Glaubenssätze, und die theologische Beschäftigung mit diesen Dogmen heisst Dogmatik oder Glaubenslehre. Strauss hat nicht nur eine solche Dogmatik verfasst, sondern noch lange nachher den Anspruch erhoben, sie öffentlich als Mitglied der theologischen Fakultät zu lehren. Wenn der Pöbel in Zürich ihm 228 einen noch ärgern Streich spielte, als das Volk in Hannover dem Leibnitz, wenn dieses dem Leibnitz blos nachrief: „Lövenix",229 während jener Pöbel gegen den schwäbischen Glaubenichts revoltirte, so war dieser Pöbel eben radikaler als Strauss selbst, der sich noch immer als kritischen Theologen gerirte. Als Feuerbachs „Bayle" erschien, meinte Strauss: der sage es endlich heraus, der setze den Punkt auf das Jfota]. Auch darin irrte jedoch Strauss, denn Feuerbach nahm den Punkt sammt dem Jfota] zurück und setzte einen ganz andern Buchstaben dafür hin, oder vielmehr, er löste sämmtliche Buchstaben in die anthropologische Urschrift des Menschen auf. Historie oder Mythos, Judenthum oder alexandrinische Extase so lehrte Feuerbach darauf kommt es gar nicht an, das ist Gegenstand des Streites innerhalb der Fakultät. Gehen wir aus der Fakultät heraus, besteigen wir einen höheren Standort. Nicht die Frage: woher kommt das Christenthum, wie kam es zu Stande? sondern nur die Frage interessirt mich: Was ist das Christenthum? welches war die moralisch-intellektuelle Beschaffenheit der Mensch-|106|heit, aus der ein solcher Glaube mit Nothwendigkeit hervorging? Und da die Menschheit immer und überall das relativ Wahre produzirt, da welches ist die Wahrheit des Christenthums? Ich füge nur sie als Gattung absolut ist, gleich hinzu, dass sobald diese Wahrheit erkannt ist, das Christenthum seine kirchliche Bedeutung unrettbar verloren hat; denn bei den Religionen handelt es sich nicht um's Erkennen, sondern um's Fühlen, Empfinden, um die unmittelbare Gewissheit. Eine erkannte, durchschaute Religion ist als solche abgethan. Das Christenthum ist nun nichts als Gemüth, krankes Herz, insofern die absolute Religion, und natürlich die transzendente Befriedigung aller Gemüthsbedürfnisse, das hypostasirte Leiden der Menschheit. Dieses Leiden ist unleugbar, seine positiven Klagen sind begründet. Nur fragt es sich, ob die Kur der Krankheit, wie sie das Christenthum ausübt, eine rationale, eine dem menschlichen Wesen entsprechende, ihm konforme, daher richtige ist. Es fragt sich, ob die Entfernung von Natur und Wirklichkeit, der absolute Egoismus der Seele, mit den unaustilgbaren Bedingungen des menschlichen -
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1839 wurde David Friedrich Strauss als Professor der Theologie an die Universität Zürich berufen, jedoch noch vor seinem Amtsantritt pensioniert, da diese Berufung den sogenannten „Züriputsch" hervorgerufen hatte. Feuerbach GW, Bd. 4, S. 3.
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Lebens in Einklang zu bringen sind. Ist das nicht der Fall, so fragt es sich weiter, wie der Sehwinkel des Christen richtig zu stellen ist, wie man sein Auge, statt nach Oben, gradaus zu lenken hat, damit er die transzendenten Dinge vor sich, neben sich, sich gegenüber, vorfinde und erkenne. Von seinen Bedürfhissen soll ihm nichts abdisputirt, von seinem Verlangen nach Befriedigung und von der letzteren selbst nichts genommen werden; im Gegentheil, er soll die Befriedigung wirklich finden, die bisher blos imaginär für ihn war; an die er blos, glaubte, die soll er tasten und fassen. Aber natürlich, bei dieser andern Richtung des Christenmenschen geht der Christ in die Brüche, es bleibt blos der mit dem erkannten Christenthum bereicherte Mensch übrig. Ich nehme ihm nichts, ausser den Namen; im Gegentheil, ich schenke ihm zu seinem früheren Inhalt die Erkenntniss dieses Inhalts. Ich erkenne das Christenthum an, aber grade dadurch negire ich es für immer. „Sind wir noch Christen?" Diese Frage hatte Feuerbach im Jahre 1841 endgültig beantwortet. Die Wirkung des Buches war geradezu ungeheuer. Die stillen, in sich gekehrten Menschen feierten eine wahre Auferstehung; zahlreiche Frauen und Mädchen dachten dem kühnen Denker nach, und sie vermochten es, weil er mit dem Herzen dachte und mit dem Kopfe empfand; weil ihm, wie Schiller'n, das Gedicht Gedanke, |107| der Gedanke Gedicht war. Die Theologen wurden rasend, weil von ihrem Standpunkt aus jede Replik sich als unmöglich herausstellte. Sie thaten daher, was sie von je gethan, sie tobten und schimpften, sie lästerten. „Heilig das Wasser, heilig das Brod, heilig der Wein!"230 Aber der Feuerbach war ja ein vorjonischer Mystagog, ein vorhellenischer Priester der Ceres und des Bacchus! Er hatte ja nicht die mindeste Ahnung von der Seele, der Seligkeit und der Seligmachung! Wilde Orgien musste der Mensch in seinem Bruckberg nächtens begehen, die Profanation alles Heiligen professionell betreiben! Gab es denn keine Polizei mehr? Nicht so brutal, aber desto perfider, oder lieber hoch-verrätherisch betrugen sich die Philosophen von Métier. Hoch-verrätherisch, denn sie verriethen die Wahrheit des Feuerbachischen Satzes, dass die Philosophie nicht original ist, dass sie von Anlehen bei der Religion ihr Geschäft fristet, dass sie die Dogmatik ins Verständliche, d. h. ins Unglaubliche übersetzt, so dass weder der Glaube noch die Vernunft weiter etwas davon hören wollen, dass die landläufige Philosophie in ihren eigenen Bankerott auch den Ruin der Kirche hineinzieht. Feuerbach leuchtete den Theologen und Philosophen denn auch gehörig heim. „Beleuchtung einer theologischen Rezension vom „Wesen des Christenthums"["] (1842)*186 traf zunächst das Residuum der Schleiermacherei, die „theologischen Studien und Kritiken". Im Nachlasse theilen wir die Exekution eines Unsterblichkeits-Kandidaten in
Bezug auf dasselbe Werk mit.231 „Zur Beurtheilung der Schrift: „Das Feuerbach GW, Bd. 5, S. 454. I. 200-247. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. Siehe BwN, Bd. 1, S. 416-^20.
177-228.]
Wesen des
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Christenthums"["], nahm diejenigen Kritikaster vor, welche den Verfasser noch mit und bewies ihnen, dass er unendlich gefährlicher sei als Hegel je Hegel identifizirten, 232
gewesen. Unterdessen erglühte die Jugend für den unchristlichen Christen, und in Halle selbst, unter Tholucks Augen, der bekanntlich „noch über den Papst ging", berauschten sich die künftigen „Diener am Worte Gottes" am „Wesen des Christenthums"". Es sei mir verstattet, hier ein Akrostichon mitzutheilen, welches einen der bravsten jungen Männer jener Zeit zum Verfasser hat, und welches ein beredtes Zeugniss von der tiefsinnigen Auffassung Feuerbachs ablegt: „Feuer, Feuer!" hör' ich rufen: Ei, der Himmel steht in Flammen! |108|
Und es stürzen Flammenwogen Einen Thron zur Erde nieder. „Rette Dich, oh Herr, durch Wunder!" Beten gläubig alle Frommen. Aber Euer Herr und Meister, Christen, starb im Feuerbachefi*1 •188
Fügen wir einige Aphorismen ein, die der Verfasser in Bezug auf seine Art und Weise der Religionserklärung niedergeschrieben. Zuerst ein Tadelsvotum gegen sich selbst, wegen der noch allzu philosophischen oder spekulativen Behandlung des zweiten Theiles des Wfesen] dfes] Chrfistentums]. „Was einst Du gewesen, das bleibt in Deinem Wesen. Das gilt auch von Luther, der zum Hintergrunde seines Wesens, zum Antipoden seiner Lichtseiten, stets den einstigen
Augustinermönch hat."233
Sodann vom Inhalte selbst.
„Ich bin ein „negativer" Denker, jawohl! aber nur in dem Sinne, in welchem der Verstand die Negation der Dummheit, die Klarheit die Negation des Obskurantismus, die Wahrhaftigkeit die Negation der Heuchelei, die Entschiedenheit die Negation der
Charakterlosigkeit ist."234
232
*187
Feuerbach GW, Bd. 9, S. 229-242. Verfasser: Theodor Held, sechs Jahre
lang preussischer Kasematten-Bewohner, jetzt „Kohlen- und zu Aussig a[n] d[er] Elbe, Böhmen. Und einen schönen Gruss! Export-Geschäft" *,M I. 181-199. [Siehe Feuerbach GW, Bd. 9, S. 156-176.] 233 L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. 234 Ebenda.
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„Die Aufgabe der Philosophie ist es nicht, den Glauben zu widerlegen, aber auch nicht zu beweisen, sondern allein ihn zu begreifen, zu erkennen; freilich ist diese Erkenntnis, nicht möglich ohne Beseitigung der Popanzereien, die man aus dem Glauben gemacht hat."235 „Meine Religionserklärung ist Reproduktion des religiösen Prinzips in und aus der Quelle des modernen Natur- und Selbstbewusstseins, Reinigung der Religion von ihren uns
absolut widersprechenden Vorstellungen, aber keine totale
Negation."236
Wie richtig er in der Jungfrau Maria das Bedürfniss des katholischen Herzens erkannt hatte, bewies ihm nachträglich |109| das Büchlein „die Gloria der heiligen Jungfrau", Legenden und Gedichte, durch Eusebius Emmeran (Daumer), 1841, welches er kritisch einführte.*18 Mit Hegel setzte sich Ffeuerbach] abermals (Vergleiche] S. 75-77) gründlichst auseinander. In den Gesammtwerken geschieht dies in der „Beurtheilung der Schrift vom Wesen des Christenthums" Anknüpfend an eine Frankfurter Korrespondenz in der Augsbfurger] Allgemeinen] verwahrt er sich nochmals vor jeder Identität mit dem Standpunkt der „Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel", die eine ironische Apotheose Hegels sei, während er im Gegensatze zu Hegel stehe.238 „Was
(1842).*190 Zeitung,237
Ebenda. Ebenda. I. 181-199 (1842). [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 156-176. Eusebius Emmeran [= Georg Friedrich Daumer]: Die Glorie der heiligen Jungfrau Maria. Legenden und Gedichte nach spanischen, italienischen, lateinischen und deutschen Relationen und Originalpoesieen, Nürnberg 1841.] I. 248-58. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 229-242.] In der Korrespondenz aus „Frankfurt a[m] M[ain], 6. Dec[ember 1841]" heißt es: Die jüngst erschienene 'Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel, den Atheisten und Antichristen, ein Ultimatum', wegen deren Herausgabe der Verleger (0. Wigand in Leipzig) sich in öffentlichen Blättern entschuldigen zu müssen den Anschein genommen hat auch hier einige Leser gefunden. Man braucht aber nur einige Seiten gelesen zu haben, um sich zu überzeugen, daß diese Schrift keineswegs gegen Hegel, sondern sowohl gegen dessen Feinde als gegen die Althegelianer gerichtet ist, um jene zu beschämen und diese mit in die Polemik hineinzuziehen, welche gegen die äußerste Linke der Hegel'schen Schule begonnen. Man braucht dann eben sowohl nur einige Seiten in der Schrift von L. Feuerbach: 'das Wesen des Christenthums (bei Otto Wigand)' zu lesen, um sich zu überzeugen, daß wenn nicht Hr. Feuerbach selbst, so doch ein kaum von ihm zu unterscheidender Geistesbruder in jene Posaune gestoßen." Allgemeine Zeitung, Augsburg, Nr. 346 vom 11. Dezember 1841, S. 2765. Vgl. auch die nach-
„
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folgende Anmerkung. L. Feuerbach: Zur Beurteilung
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der Schrift „Das Wesen des Christentums". In: Feuerbach GW, Der Verfasser der anonym veröffentlichten Schrift „Die Posaune des jüngsten
Bd. 9, S. 229-242.
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
691
nach Hegel Bild ist, ist nach mir Sache". Der Inhalt der Vorstellung ist ein wesentlich anderer als der Inhalt des Gedankens. Hegel identifizirt Religion und Philosophie, ich hebe die Differenz hervor. Der Inhalt des religiösen Glaubens kommt nicht von anderswoher in das Gefühl, er ist Sache des Gefühls. Schleiermacher hat das erkannt, aber nicht den Muth gehabt, in Gott einfach das Wesen des Gefühls zu erblicken. Die dritte „Kritik des modernen Afterchristenthums", zu Stahl und Sengler, die „Kritik der christlichen Medizin" gegen den christlichen Mediziner und kföniglich] bayrfischen] Obermedizinalrath vfon] Ringseis, gehört gleichfalls in diese Gedankenobwohl vom „Wfesen] dfes] Chrfistentums]" dabei keine Rede ist. Wenn Ffeuerbach] nichts geschrieben hätte als diese Charakteristik, so wäre er ein klassischer Prosaist, ein Geist, in welchem sich Satyre und Humor um den Vorrang streiten, während die Gelehrsamkeit den Segen dazu spricht. Das sind Kugeln aus dem vollen Arsenal geschöpft, die sämmtlich ins Schwarze treffen, in die schwarze Magie des 19. Jahrhunderts, in den Obskurantismus, der sich ein hippokratisches Mäntelchen umgeworfen. Es wird den Heutigen kaum glaublich erscheinen, dass so etwas Anno 1841 möglich war; denn wenn wir sonst keine Fortschritte gemacht hätten, in der Physiologie sind sie unleugbar. Hfer]r vfon] Ringseis zu München verband noch Theologie und Medizin, gleichsam als steckte die Menschheit noch in jenem Byzantinismus, der die Diakonissen zu Aerzten und die Katakomben mit Heiligenknochen zu Apotheken hatte. Die Medizin, sage die Medizin, hatte für einen Ringseis, wie alle Wissenschaft, ihr Princip in der Ffeuerbach] weist auch dieser medizinischen ihre albernen Theo-|110|logie Widersprüche höchst ergötzlich nach, und fragt Hferjrn vfon] Ringseis: wozu er denn noch natürlicher Heilmittel bedürfe, trotz aller Segnungen der Kirche! Er erinnert ihn an den Engländer Fludd, der gesagt: Morbus est dolor quem impertitur Deus in ira sua, die Krankheit ist ein Schmerz, den Gott in seinem Zorn verhängt. Er erinnert ihn an den Besessenen, der zu Christi Zeiten eine Legion, d. h. 6666 Teufel im Leibe hatte etc.242 Gehen wir zur Philosophie, der sublimirten Theologie, über. Hier entwickeln sich, wie gesagt, die eigentlichen Resultate erst aus der anthropologischen Erkenntniss des religiösen Wesens. Seit 1835 weicht allmählich die Scheu vor der Empirie, und als das „Wfesen] dfes] Chrfistentums]" beendigt ist, fahren auch die Blitze der erleuchtenden Vernichtung auf die esoterischen Theologen oder Philosophen nieder.
folge,240
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Gerichts über
Offenbarungslehre*241
Hegel,
den Atheisten und Antichristen. Ein Ultimatum"
(Leipzig 1841)
war
Bruno
Bauer. Feuerbach
GW, Bd. 9, S. 231. Ebenda, S. 115-142.
J. N. v. Ringseis: System der Medizin ein Handbuch der allgemeinen und speziellen Pathologie und Therapie, zugleich ein Versuch zur Reformation und Restauration der medizinischen Theorie und Praxis, Regensburg 1841. Feuerbach GW, Bd. 9, S. 124-125.
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
692
(1841) trifft der Blitz Hferjrn Jfacob] Ffriedrich] Reiffund dessen „Anfänge Philosophie".*191 Die empirische Thätigkeit, so lautet es jetzt, muss auch als philosophische anerkannt werden. Auch das Sehen ist Denken, „auch die Sinneswerkzeuge sind Organe der Philosophie".243 Die neuere Philosophie sagt: Duce sensu philosophandum,244 die Sinne sind die Führer zum Denken. H[er]r Reiff aber fängt von hinten an, wie Fichte. „Mit der Nicht-Philosophie muss man anfangen, und mit der Philosophie enden",245 nicht, wie Schelling, umgekehrt. Der Leib ist die objektive Welt, durch den Leib ist Ich nicht Ich, sondern Objekt. „Das Sehen ist zunächst gar nichts Anderes als die Empfindung oder Wahrnehmung des Lichts, die Empfindung des Hellseins überhaupt, das Auge der Lichtsinn." Dann folgt (1842) ein ganzes Gewitter: Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie"}™3 Man muss dieses Gewitter von hoher Bergeshalde mit anschauen. Wie das da unten im Thale hinrollt! „Theismus, Pantheismus, Atheismus" sind „hier nur im Sinne trivialer Spitznamen gebraucht". Auch die Hegel-Eiche wird in Flammen verzehrt. „Der absolute Geist ist der abgeschiedene Geist der Theologie, welcher in der Hegel'schen Philosophie noch als Gespenst umgeht."246 Die Theologie ist nämlich auch Gespenster1111 Iglaube, die gemeine Theologie hat aber ihre Gespenster in der sinnlichen Imagination, die spekulative Theologie in der übersinnlichen Abstraktion.247 „Die Hegel'sehe Logik ist die zur Vernunft (?) und Gegenwart gebrachte Theologie. Wie das göttliche Wesen der Theologie der ideale oder abstrakte Inbegriff aller Realitäten, d. i. aller Bestimmungen, aller Endlichkeiten ist, so auch die Logik. Alles was auf Erden, findet sich wieder im Himmel der Theologie, Alles was auf Erden, im Himmel der göttZuerst der
„
lichen Logik."24* Die Identifikation des entäusserten Wesens des Menschen mit dem Menschen kann nur als die Negation der Hegel'schen Philosophie aus ihr abgeleitet werden. „Alles
II. 233-243. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 143-153. Siehe auch J. F. Reiff: Der Anfang der Philomit einer Grundlegung der Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften, Stuttgart
sophie 1840.]
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Feuerbach GW, Bd. 9, S. 145. Ebenda. Ebenda, S. 146. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 151.] Vergleiche] die akademischen Monographieen von Ewald Hering in Prag, von denen später mehr. [Siehe Anm. *202.] II. 244-268. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 243. Karl Grün verwendet den Titel aus dem 2. Band der „Sämmtlichen Werke" Ludwig Feuerbachs. Im Erstdruck der „Anekdota zur neuesten deutschen Philosophie und Publicistik", hrsg. von A. Ruge, Zürich Winterthur 1843, Bd. 2, S. 62-86, lautete der Titel noch: Vorläufige Thesen zur Reformation der Philosophie.] Feuerbach GW, Bd. 9, S. 247. Siehe ebenda. Ebenda, S. 245. Das in Klammern gesetzte Fragezeichen fügte K. Grün ein. -
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
693
steckt zwar in der Hegeischen Philosophie, aber immer zugleich mit seiner Negation, seinem „Das Unendliche ist das wahre Wesen des Endlichen das wahre Endliche. Die wahre Spekulation oder Philosophie ist nichts als die wahre und universelle Empirie."250 „Die Philosophie ist die Erkenntniss dessen, was ist. Die Dinge und Wesen so zu denken, so zu erkennen, wie sie sind, das ist Philosophie."251 ,Jtaum und Zeit sind die Existenzformen alles Wesens. Nur die Existenz in Raum und Zeit ist Existenz. Die Negation von Raum und Zeit ist immer nur die Negation ihrer Schranken, nicht ihres Wesens. Eine zeitlose Empfindung, ein zeitloser Wille, ein zeitloser Gedanke, ein zeitloses Wesen sind Undinge. „Wo keine Gränze, keine Zeit, keine Noth, da ist auch keine Qualität, keine Energie, kein Spiritus, kein Feuer, keine Liebe. Nur das nothleidende Wesen ist das nothwendige Wesen. Bedürfhisslose Existenz ist überflüssige Existenz Nur was leiden kann, verdient zu existiren. Nur das schmerzensreiche Wesen ist göttliches Wesen. Ein Wesen ohne Leiden ist ein Wesen ohne Wesen, ohne Sinnlichkeit, ohne Materie."253 „Die neue Philosophie ist die Negation ebensowohl des Rationalismus, als des Mystizismus, ebensowohl des Pantheismus als des Personalismus, ebensowohl des Atheismus als des Theismus; sie ist die Einheit aller dieser antithetischen Wahrheiten als eine absolut selbständige und lautere Wahrheit."254 „Die Philosophie muss sich wieder mit der Naturwissenschaft, die Naturwissenschaft mit der Philosophie verbinden."255 Diese „Verbindung wird dauerhafter, glücklicher und fruchtbarer sein, als |112| die bisherige Mésalliance zwischen der Philosophie und der Da kann man sagen: In hoc signo vinces, in diesem Zeichen wird der Nazarener besiegt. Dieses Wort oder vielmehr der darin liegende Gedanke hat die alte Metaphysik gründlich zerstört. Die noch etwas von ihr retten wollten, antichambrirten wenigstens bei der Naturwissenschaft und machten bei ihr das erste Rigorosum. Wie früher die Mediziner ein sogfenanntes] Philosophicum absolvirten, ohne sich je mit Philosophie beschäftigt zu haben, so machten jetzt die erschreckten Metaphysiker in aller Geschwindigkeit ein Naturale, um sich zur Philosophie zu qualifiziren. Natürlich schleppten sie dabei den alten Adam weiter mit sich fort.
Gegensatze."249
-
-
-
...
Theologie."'194
249 250 251
252 253 254
255 *194
Ebenda, S. 247. Ebenda, S. 250. Ebenda, S. 251. Ebenda, S. 252. Ebenda, S. 253. Ebenda, S. 260. Ebenda, S. 262. II. 267.
[Feuerbach GW, Bd. 9, S. 262.]
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
694
Feuerbach aber setzte den Fries auf seinen Architrav: „Grundsätze der Philosophie der „Was im Theismus Objekt, das ist in der philosophischen Spekulation Wesen der Vernunft ist, ist hier das Subjekt; was dort das nur gedachte, vorgestellte denkende Wesen der Vernunft selbst." 56 Darnach kann über das Wesen Gottes bei Hegel kein Zweifel mehr sein. Gott denkt sich nur im denkenden Bewusstsein. Wo Hfegel] anders sagt, da scheint es nur so, oder er hat im Augenblick nicht gedacht. Z. B. da, wo das Denken, abstrahirt vom Ich, zum göttlichen absoluten Wesen gemacht wird. Bei Cartesius und Leibnitz herrscht noch ein offenbarer Zwiespalt, sie sind halb Idealisten, halb Materialisten. Nur ihr Gott ist absoluter Idealist, „vollkommener Weltweiser" (Wolfff]). Erst „der absolute Idealismus ist der realisirte göttliche Verstand des Leibnitz'schen Theismus."257 Spinoza's immaterieller, antimaterialistischer Gott „macht dem Menschen auch nur antimaterialistische, himmlische Tendenzen und Beschäftigungen zur Pflicht."258 Spi-
Zukunft*195
noza's
Philosophie war Religion.
„Das Geheimniss der Hegel'schen Dialektik ist zuletzt
nur dieses, dass Hfegel] die durch die und dann wieder die Theologie Philosophie, Philosophie durch die Theologie und Ende bilden die in der Mitte steht die Philosophie als die negirt. Anfang Theologie, Gott Negation der ersten Position; aber die Negation der Negation ist die ist bei Hegel ein Prozess, und als ein Moment dieses Prozesses ist die Negation, der Atheismus gesetzt. 11131 „Die Identität von Denken und Sein drückt nur die Identität des Denkens mit sich selbst aus".260 Ein solches abstraktes Denken hat gar keine Vorstellung von Sein, Existenz, Wirklichkeit. Desshalb ist auch der absoluten Philosophie Sein gleich Nichtsein Nichts. ,Jfegel ist nicht der deutsche oder christliche Aristoteles", er ist der deutsche Proklus?61 Die „absolute Philosophie" ist die wiedergeborne alexandrinische PhilosoWobei dann zu bemerken, dass nach und aus dem Alexandrinerthum die Neugeburt erfolgt, diesmal die natürliche oder im exzellenten Sinne Natur-Philosophie, welche Dialektik, Ethik und Aesthetik in sich begreift. Die natürliche Philosophie, denn „Wahr und göttlich ist nur was keines Beweises bedarf, was unmittelbar durch sich selbst gewiss ist... das Sonnenklare. Aber sonnenklar ist nur das Sinnliche. Das Geheimniss des unmittelbaren Wissens ist die Sinnlichkeit."263 Selbstverständlich ist das epigrammatisch zugestutzt, denn die Sinnlichkeit
Theologie."259
-
phie"?62
II. 269-346. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. Feuerbach GW, Bd. 9, S. 269. Ebenda, S. 277. Ebenda, S. 287. Feuerbach GW, Bd. 9, S. 297. Ebenda, S. 302. Ebenda, S. 311. Ebenda. Ebenda, S. 321.
264-341.]
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
695
d. h. die Sinne müssen streng kritisirt, kontrolirt, korrigirt werden. Der wahre Empiriker ist der schärfste und rastloseste Denker. „Was das Talent nur im Kopfe, das hat das Genie in Fleisch und Blut; das heisst eben, was für das Talent nur noch ein Objekt des Denkens, das ist für das Genie ein Objekt des Sinnes."264 Diese Behauptung ist selbst sehr genial. Intuition ist ein Geschenk der Natur, und kann und darf nicht gelehrt werden. Sonst würden alle wissenschaftlichen Beweisführungen bald nur noch salti mortali sein. Die Vermittlung durch Zwischenglieder ist unumgänglich. Heisst es doch bei Ffeuerbach] selbst gleich weiter: „Die erste Anschauung des Menschen ist selbst nur die Anschauung der Vorstellung und Phantasie. Die Aufgabe der Philosophie besteht darin, das den gemeinen Augen Unsichtbare sichtbar, d. i. gegenständlich zu machen."265 „Die neue Philosophie Ffeuerbach] nennt die rationalistische Spekulation des 16., 17., 18. und halben 19. Jahrhunderts die Neuere, seine Kritik die Neue Philosophie macht den Menschen mit Einschluss der Natur, als der Basis des Menschen, zum alleinigen, universalen und höchsten Gegenstande der Philosophie die Anthropologie also, mit Einschluss der Physiologie, zur Universalwissenschaft."166 Fügt man die Geschichte der Philosophie, zugleich als Methodologie, hinzu, so haben wir allerdings alles beisammen. Wie weit sind unsere |114| Lehranstalten noch von diesem Ziele entfernt! Aber wie bekümmert sich auch die studirende Jugend um das, was einer ganzen Fakultät den Namen gegeben! -
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Zwischen den „Thesen" und den „Grundsätzen", also zwischen 1842 und 1843, scheint uns Feuerbach die Abhandlung geschrieben zu haben, die wir im Nachlasse als „Grundsätze der Philosophie, Nothwendigkeit einer Veränderung" mittheilen werden.267 Eben dort haben wir auch die Ergänzung zur Kritik Hegels veröffentlicht.268 Um nun mit Hegel abzuschliessen, der erst im letzten Werke von 1866 wieder Gegenstand der Polemik wird,269 fügen wir hier noch Folgendes hinzu. Ebenda, S. 322. Feuerbach GW, Bd. 9, S. 325-326. Ebenda, S. 337. Siehe BwN, Bd. 1, S. 406—412. Grün hat das Fragment unvollständig veröffentlicht. 1956 wurde
C. Ascheri vollständig unter dem Titel: „Feuerbachs Bruch mit der Spekulation. Einleitung kritischen Ausgabe von Feuerbach: Notwendigkeit einer Veränderung (1842)", (Frankfurt am Main 1969, S. 143-162) herausgegeben. Die Datierung des Fragments kann nicht eindeutig angegeben werden (vgl. Ludwig Feuerbach. Entwürfe zu einer Neuen Philosophie. Hrsg. von W. Jaeschke und W. Schuffenhauer, Hamburg 1996, S. XLVIII-LVIH). L. Feuerbach: Verhältnis zu Hegel 1840, mit spätem Zusätzen. In: BwN, Bd. 1, S. 387-393. Vergleiche die entsprechenden Passagen in L. Feuerbachs Arbeit „Über Spiritualismus und Materialismus ...". (Feuerbach GW, Bd. 11, S. 53-186). Zu Hegel siehe hier speziell den Abschnitt 13: Der Spiritualismus der sogenannten Identitätsphilosophie oder Kritik der Hegelschen Psychologie, ebenda, S. 144-163.
es von zur
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
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Durch die Feuerbach'schen Papiere läuft die Kritik Hegels wie der bekannte rothe Faden hindurch; eine Masse von Ansätzen, Glossen, kritischen Aphorismen sind hier und dort verstreut. Hegel hat ihm offenbar keine Ruhe gelassen. Denken und Sein sind270 für Ffeuerbach] absolut nicht identisch; die Identität des Idealen und Realen, des Subjektiven und Objektiven bei Hegel ist nur eine gedachte, logische; es kommt bei ihm nicht zu der als Mensch existirenden reellen sinnlichen Identität. „Die Natur ist das Losungswort der neuen Zeit. Der Mensch ist der Gott des Menschen. Nicht die Materie als solche, die Materie im Menschen, die menschgewordene Materie ist die wahre Iden-
tität."271
Eben so wenig entgeht unserm Kritiker das beständige fJOxeQOv 7cqóteqov bei Hegel, die beständige Antizipation der Erfahrung, deren Thatsachen aus dem Becher der Dialektik hervorgeschüttelt werden, als wären sie nicht vorher hineinpraktizirt worden. Allerdings liegt in diesem Hegel'schen Verfahren eine Anerkennung der Empirie, aber keine grade, offene, sondern eine bemäntelte, verkappte. In der „Philosophie des Geistes" behauptet Hfegel] die Identität von Leib und Seele. Ffeuerbach] aber weist ihm nach, dass er für die Seele immer einen geheimen Vorbehalt macht, dass jene Identität keine Wahrheit gewesen, dass vielmehr die Seele immer noch als Zauberin oder Hexe im Leibe sitze und dort ihre Teufeleien treibe. Wie sollte es auch anders sein, wenn man einmal mit dem „Geiste" oder „Gedanken" angefangen hat! On revient toujours à ses premiers amours. Mit Herrn vfon] Schelling pardon für die Anknüpfung! räumte Feuerbach in derselben Zeit gründlich und für immer auf. |115| Im Wfesen] dfes] Chrfistentums] (10. Kapitel: „Das Geheimniss des Mystizismus oder der Natur in Gott") zieht Ffeuerbach] das Buch „über das Wesen der menschlichen Freiheit" vor Gericht, und reduzirt höchst einfach die „Kraft und Stärke in Gott", für welche Schfelling] quasi um Entschuldigung bittet, da ja auch noch etwas ,Anderes" in Gott sei, auf die „leibliche Kraft und Stärke", auf die „Muskelkraft", auf „Fleisch und Blut", den ganzen Gegensatz im Wesen Gottes auf den „Gegensatz von Freiheit und Geschlechtstrieb".272 „Du entsetzest Dich über diese Deszendenzen und Konsequenzen? O! sie sind die legitimen Sprossen von dem heiligen Ehebündniss zwischen Gott und Natur. Du selbst hast sie gezeugt unter den günstigen Auspizien der Nacht. Ich zeige sie Dir jetzt nur im -
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Lichte."'196
Dazu die Stelle im
„Anhange": „So ist auch nur aus der Unzucht eines mystischen Hermaphroditismus, aus einem wollüstigen Traum, aus einer krankhaften Metastase des Zeugungsstoffes in das Hirn, das Monstrum der Schelling'sehen „Natur in Gott" entIm Original: ist L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. Feuerbach GW, Bd. 5, S. 170-189. In der Erstveröffentlichung des „Wesen des Christentums" hieß die Kapitelüberschrift noch „Das Geheimnis der Natur in Gott". VII. 136. 7. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 176-177.] -
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
sprossen; denn diese Natur repräsentirt nichts weiter als die das Licht der Intelligenz verfinsternden In der Vorrede zur 2. Auflage des Wfesen] dfes] Chrfistentums] wird im P. S. die Schelling'sche Philosophie die „Philosophie des bösen Gewissens" genannt,273 „die Philosophie der lächerlichsten Eitelkeit, die theosophische Posse des philosophischen Cagliostro des 19. Jahrhunderts",l und dabei auf Chrfistian] Kapp's „kategorische Schrift über Schelling" verwiesen. Das Stärkste aber was je über Herrn vfon] Schelling gesagt worden, das Brandmal, welches der „Offenbarungsphilosophie" auf der Stirne zischte, findet sich in dem Aufsatze „Ueber meine Gedanken über Tod und Unsterblichkeit", 1846, wo man die Stelle selber nachlesen mag.*199 Am Ausführlichsten traktirte Feuerbach seinen Delinquenten bei Gelegenheit einer Aufforderung zur Mitarbeiterschaft an den „deutsch-französischen Jahrbüchern" von Afrnold] Ruge und Kfarl] Marx, wie wir im Nachlasse sehen werden.274 |116|
Begierden."*197
-
Kehren wir zur Identität von Leib und Seele zurück. Im Jahre 1843 noch schrieb Feuerbach eine „Ergänzung zu den Grundsätzen": „Wider den Dualismus von Leib und Seele". Hier stossen Religion und Philosophie in einem Winkel zusammen.*200 In der grossen Enzyklopädie von Ersch und Gruber stand ein entschieden dualistischer Artikel, der mit apriorischer Psychologie der Physiologie ins Gesicht schlug. Feuerbach dagegen: „Die Seele ist eben so wenig als die Gottheit ein Gegenstand der „Erfahrung" und „unmittelbaren Gewissheit", wie viele vorgeben; sie verdankt vielmehr ihre Existenz nur einem Schlüsse, und die Basis dieses Schlusses, die Prämisse ist die Identität oder „Einfachheit" unseres Selbstgefühles, unseres Bewusstseins. Diese Identität oder Einfachheit ist selbst keine unmittelbare sondern ein Produkt der Abstraktion und Reflexion".215 Tetens: „Das ganze wirkliche Objekt, was gefühlt wird, ist also
VII. 390. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 508-509.] Beide Stellen könnten sich auch noch andere Leute merken. Feuerbach GW, Bd. 5, S. 26, Anm. 1 von S. 10. VII. 22. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 26, Anm. 1 von S. 10 und S. 27, Erläuterung (2). Siehe auch das „Sendschreiben an den Herrn Präsidenten und General-Conservator Herrn Geheimen Hofrath von Schelling zu München, von Professor Christian Kapp zu Erlangen. In Beziehung auf des Letzteren Schrift: Über den Ursprung der Menschen und Völker, nach der mosaischen Genesis, Nürnberg 1829" (Erlangen 1830).] III. 379. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 284-308.] Endlich vergleiche] man noch II. 400. im Curriculum vitae, Schelling sei es bei seiner „Wiedergeburt" ergangen wie der Lepas anatifera, an der alten Haut seien ihm die Augen hängen geblieben. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 168.] Siehe BwN, Bd. 1, S. 401^106. II. 347-379. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 122-150.] Feuerbach GW, Bd. 10, S. 128-129. -
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
eine Seelenbeschaffenheit und Gehirnsbeschaffenheit zugleich, oder es ist der Mensch, der von dem Menschen gefühlt wird."276 Feuerbach: „Mit Ausnahme natürlich der Theologie, welche ja nichts Anderes ist, als eine hyperbolische Psychologie, hat keine Wissenschaft mehr den Menschen an der Nase herumgeführt und ihre Chimären zu Wesen gemacht, als die Psychologie."277 Sie ist die biologische Theologie. „Das Dasein eines von den Sinnesnerven und Organen unterschiedenen Zentralorgans, dessen Funktion eben ist, die Sinne zu konzentriren, ihre Data zu sammeln, zu vergleichen, zu unterscheiden, zu klassifiziren eine Funktion oder Thätigkeit, welche der sprachliche und logische Unfug unter dem Namen „Geist" zu einem Substantiv, einem vom Menschen unterschiedenen, selbständigen Wesen gemacht das Dasein eines Denkorgans also ist gleichfalls nicht nur eine anatomisch-physiologisch konstatirte, sondern auch unmittelbar sinnliche Thatsache. Ein Schafskopf und ein denkender Kopf- welch' ein augenfälliger Unterschied!"278 Der Streit zwischen abstrakter Psychologie und den Resultaten der Physiologie, den Feuerbach hier so frisch begann, hat sich in neuester Zeit auf dem Gebiete der empirischen Wissenschaft fortgesetzt und verschärft, und man könnte ihn jetzt auch Hering |117| contra Helmholtz nennen, wenn anders Professor Helmholtz sein vornehmes -
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Schweigen brechen wollte.*201 Ewald Hering, Professor der Physiologie zu Prag, hat seit dem 6. Juni 1872 der Akademie der Wissenschaften zu Wien eine Reihe von Mittheilungen „zur Lehre vom Lichtsinn" vorgelegt, und sich gleich in der ersten Mittheilung entschieden gegen den psychologischen Standpunkt erklärt.*202 „Die fortgesetzte Beschäftigung mit physiologischen und psychologischen Fragen hat mich immer mehr in der Ueberzeugung bestärkt, dass jene moderne Richtung der Sinnenphysiologie, welche insbesondere in der „Physiologischen Optik" von Helmholtz den scharfsinnigsten Ausdruck gefunden hat,279 uns nicht zur Wahrheit führt, und dass, wer der Forschung auf diesem Gebiete neue Wege erschliessen will, sich zuerst frei machen muss von den jetzt herrschenden Theorieen.280
276 277 278 *201
Ebenda, S. 130. Feuerbach GW, Bd. 10, S. 129-130, Anm. Ebenda, S. 148, Anm. *.
*
von
S. 129.
Dieses vornehme Schweigen bezieht sich auch auf die so laut erhobene Frage Zöllners an Prof. Helmholtz: wie es sich mit der hartnäckigen Ignorirung Schopenhauers verhalte? *202 [E. Hering: Zur Lehre vom Lichtsinne. Erste Mittheilung: Über successive Lichtinduction. In:] LXVI. Bd. der Sitzungsberichte [der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften], III. Abth. Juni-Heft. [Wien] 1872, [S. 5-24]. 279 Hering bezieht sich auf die: Allgemeine Encyklopädie der Physik, hrsg. von G. Karsten, IX. Bd.: Handbuch der physiologischen Optik, bearb. von H. Helmholtz, Leipzig 1867. 280 a. a. 0. (Anm. *202), S. 5-6. E. Hering: Zur Lehre vom Lichtsinne ...,
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
„Die Unzulänglichkeit der letztern hat meiner Ansicht nach ihren wesentlichen Grund in der spiritualistischen, oder, wie man sie euphemistisch bezeichnet hat, „psychologischen" Behandlung von Fragen, die, wenn sie überhaupt mit Erfolg erörtert werden müssen. Es zieht sich durch die moderne ähnlicher Weise ein in Sinnenphysiologie verhängnissvolles Vorurtheil, wie früher Wie nämlich einst Alles, was man nicht physioman durch die Physiologie überhaupt. logisch untersuchen konnte oder wollte, aus einer „Lebenskraft" erklärte, so erscheint jetzt auf jedem dritten Blatte einer physiologischen Optik die „Seele" oder der „Geist", das „Urtheil" oder der „Schluss" als Deus ex machina, um über alle Schwierigkeiten hinwegzuhelfen Dass zahlreiche Erscheinungen, die schon jetzt eine physiologische mit psychologischen Gemeinplätzen abgethan Untersuchung zulassen, noch immer 281 werden, ist wohl zu bedauern. ["] „Im Gegensatz zu dieser spiritualistischen Richtung habe ich mich vom Anfang an auf den physiologischen Boden gestellt und mich bemüht, die Phänomene des Bewusstseins als bedingt und getragen von organischen Prozessen anzusehen Es ist nicht besonders zweckmässig, sich über die Bewegungen eines Spiegelbildes den Kopf zu zerbrechen, wenn man den gespiegelten Körper |118| selbst in seinen Bewegungen untersuchen kann. [...] Ganz anders verfahrt die physiologische Psychologie oder wie ich sie lieber nennen möchte die Physiologie des Bewusstseins. Sie betrachtet die Bewusstseins-Phänomene als Funktionen physischer Vorgänge Das physische Ereigniss macht ihr das psychische verständlich, und das psychische Ereigniss wirft umgekehrt sein Licht auf das Das Resultat der hochinteressanten, überaus wichtigen Hering'sehen Experimente und Deduktionen in Bezug auf den Lichtsinn, lautet bei Göthe poetisch:
sollen, physiologisch untersucht werden
...
...
...
...
physische."282
„War' nicht das Auge sonnenhaft, Wie könnt'
es
Göttliches
erkennen?"283
Im Jahre 1844 erschien die klassische Abhandlung: „Das Wesen des Glaubens im Sinne Luthers"}203 Klassisch, denn hier wird an einem Muster des Glaubens musterhaft gezeigt, wie der wahre Glaube, diesmal der protestantische oder besser evangelische, wirklich aussieht, und so die Frage nahegelegt: Gibt es unter den Lebenden noch einen einzigen Lutheraner? Im Katholizismus bestand eine vielfache Vermittlung zwischen dem Menschen und Gott. Luther stürzte alle Brücken ein und Hess nur den Gottmenschen als einzige Ver-
Ebenda, S. 6. Ebenda, S. 6, 8-9. J. W. v. Goethe: Zahme Xenien III. In: SW Goethe, Bd. I.,2, S. 645. I. 259-325. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 353^112.]
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
700
mittlung zwischen den absoluten Gegensätzen stehen. Die ganze Christologie wird auf den Menschen bezogen, Gott erscheint nur im Fleisch, damit wir ihn sehen. Die Offenbarung ist ein sinnlicher Akt. „Damit unser Fleisch und Blut, Haupt284 und Haar, Hände und Füsse, Bauch und Rücken, oben im Himmel Gott gleich sitzen."285 „Nur der Mensch kann dem Menschen die Sünde vergeben", folgert Ffeuerbach] aus den direktesten Aussprüchen Luthers;286 daher der blutige Gottmensch. Christi Königthum und Herrlichkeit ist des Menschen Königthum und Herrlichkeit. Der Mensch wird zu Gott, der Gott zum Menschen gemacht. So verräth der denkbar äusserste Spiritualismus, die konsequenteste Weltentfremdung, den allersinnlichsten Anthropomorphismus. Nur dass aller Anthropomorphismus und alle Sinnlichkeit die „grässliche Lehre"287 nicht aufheben, die Luther in einem Briefe an Amsdorf aussprach: „Im Leben fürchten sie sich wohl und sind schwach, aber so wie es zum Sterben kommt, |119| werden sie alsbald andere Menschen und sterben muthig im Herrn. Und das ist auch ganz billig und recht, dass die Lebenden sich fürchten, die Sterbenden aber in Christo sich fühlen, dass sie sterben, die Sterbenden aber fühlen, stärken, d. h. dass die Lebenden 288 dass sie leben werden." So wird allerdings „ein akutes Uebel in ein chronisches
verwandelt".'204
Wenn nun Feuerbach den Kern der Anthropologismen im Christenthum enthüllt und ihn auf ethische Maximen reduzirt, so gewinnt es leicht den Anschein, als ob er optimistisch von der Menschheit denke, als ob er sie nach Zerstörung der religiösen Halluzination der Vollkommenheit für fähig erachte. So nannte ihn Max Stirner*205 einen „frommen Atheisten", behauptete: „Feuerbach flüchte aus dem Glauben in die Liebe". Aber bei solcher Konsequenzziehung sollte man vorsichtig sein. Dem Stirner antwortete Feuerbach zunächst: sein Nihilismus sei doch auch dogmatisch. Ferner aber ist Ffeuerbach] fast nie thetisch oder apodiktisch, er lässt die Religion, die Geschichte, die Völker und Menschen reden; er sagt nur, was diese eigentlich sagen wollten oder ihm sagen zu wollen schienen. Wenn die Menschenliebe der verborgene Inhalt der Religion ist, so folgt doch daraus nicht, dass man die Welt mit Menschenliebe regieren oder organisiren kann. Die allgemeine Menschenliebe, als oberstes Prinzip so abstrakt hingestellt, wäre grade so supranaturalistisch wie irgend ein religiöses Dogma. Ehe man einem so scharfen Denker die bare Idealisterei in die Schuhe schiebt, wäre es doch angemessen, sich in seinen Denkprozess etwas zu vertiefen. Einem Feuerbach Bei Feuerbach: Haut. Feuerbach GW, Bd. 9, S. 381. Ebenda, S. 388. Ebenda, S. 426. Ebenda. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 426.] S[iehe] den Zusatz-Artikel: „Merkwürdige Aeusserungen Luthers nebst Glossen", I. 334-341. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 420-426.] M. Stirner: „Der Einzige und sein Eigenthum" [Hrsg. von A. Meyer, Stuttgart 2000, S. 51, 62-65]. Dazu Feuerbachs Kritik. I. 342 bis 359. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 427-441.] -
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konnte es sicherlich nicht entgehen, dass die Widersprüche der Religion auch Gegensätze im menschlichen Wesen sind, welche mit der Erkenntniss der Halluzination nicht verschwinden, sondern dann erst nackt hervortreten. Die Dialektik der religiösen Illusion setzt sich auch im enttäuschten Menschen fort. Der grosse Fortschritt besteht nur darin, dass nunmehr die Dinge bei ihrem wahren Namen genannt werden, dass reale Gegensätze real geschlichtet oder doch gemildert werden können, dass man dem wirklichen Feinde endlich ins wirk-|120|liche Auge schaut. Man sollte denken, dass die sozialen Bewegungen der neuesten Zeit über diesen Punkt hinlänglich Aufschluss geben. Doch auch das wird sich bei Feuerbach noch finden, und bei seiner eigentlichen Ethik sind wir noch gar nicht angelangt. Im „Wesen des Glaubens im Sinne Luthers" erklärt der Verfasser ausdrücklich, dass er hier und im Wfesen] dfes] Chrfistentums] Gott nur nach seinen menschlichen Eigenschaften betrachte, dass dagegen die Abhängigkeit des Menschen von Gott die Abhängigkeit von der Natur bedeute, welche besonders betrachtet werden müsse. Diese besondere Betrachtung erfolgt im Wesen der Religion", 1845.*206 Hier handelt es sich um Gott-Natur, nicht mehr um Gott-Mensch. Die Gott-Natur ist der erste, ursprünglichste Gegenstand der Religion. Nicht der Gottesglaube, sondern das Abhängigkeitsgefühl ist angeboren. Im Vendidad, dem ältesten Theile des Zend-Avesta, heisst es: „Durch den Verstand des Hundes besteht die Welt. Behütete er nicht die Strassen, so würden Räuber und Wölfe alle Güter rauben."2 Das ist die Anerkennung der gesetzmässigen Ordnung in der Natur, das erklärt den Thierdienst, weil der Verstand in den Thieren nicht von der Vernunft beirrt, so zu sagen unfehlbar ist. Von diesem untrüglichen Hunde-Verstande hängt die Sicherheit des Menschen ab, folglich der Hund gleich Gott. Im Christenthum hängt der Mensch vom Gottmenschen ab, d. h. von seinem eigenen Herzen. Lange Zeit, eigentlich bis heute, war die Natur von einem „Geiste", von „Geistern" besessen, nämlich von der Phantasie und dem Gemüth des Menschen. Die NaturEigenschaften Gottes sind 1. Allmacht. Der grosse Manitu der Indianer kann allein das Gras wachsen machen; 2. Ewigkeit. Die Sonne stirbt nicht, sagte der peruanische Ynka zu den Dominikanern; 3. Allgüte. Was wir Gutes haben, stammt von der Natur. Dazu kommt noch die allumfassende Dieselbigkeit des Naturwesens. Die Natur ist unermesslich gross, unendlich, überirdisch, geheimnissvoll, unbegreiflich; daraus machte man später metaphysische Eigenschaften, die doch nur mechanische, physikalische, chemische und organische Kräfte bedeuten. |121| „
Siehe Feuerbach GW, Bd. 9, S. 353^*12. I. 410-486. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 3-79.] Feuerbach GW, Bd. 10, S. 6.
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Der Theist endlich macht die Schranken seiner Vernunft zu Schranken der Natur, und setzt einen Faiseur; aus dem abstrakten Gott wird die konkrete Natur abgeleitet. Die Unbegreiflichkeit der Natur, ihre Unberechenbarkeit stimmt den Menschen
Wüsste man ihre Gesetze, so wäre man atheistisch. Die Welt wird in der That immer atheistischer, je mehr sie begreift. „Das Wesen der Götter ist das Wesen des Wunsches". „Gott gebe!" heisst: Ich wünsche. Daher alle Zauberei und Hexerei. Der Gott soll. Der Mensch opfert in der Naturreligion seine Gefühle einem gefühllosen, seinen Verstand einem verstandlosen Wesen. Voll den Naturwesen, den phantasirten Naturgöttern, flüchtet dann der Mensch ins Unsichtbare, Unsinnliche. Sein Gott wird übernatürlich. Gott wird ein moralischpolitischer Gott, welcher straft und heimsucht. Also entweder Glaube an die Natur als menschliches Wesen, oder an das menschliche Wesen als das Wesen der Natur: Polytheismus oder Monotheismus.*207 Die Religion ist heutzutage Heuchelei, der Theismus Atheismus, Gott ein Naturwe-
religiös.
sen.
An das „Wesen der Religion" schliessen sich die „Ergänzungen und Erläuterungen Wesen der Religion" (1845). Schon hier findet sich ein Korrektiv gegen die falsch gedeutete „Menschenliebe". Denn es heisst: „In der Religion liebt sich der Mensch in Gottes Namen, ausser der Religion in seinem eigenen Namen".291 Liebt wen? Sich, sich selbst. Das ist der Anfang der Weisheit, aber nur der Anfang. „Die Religion ist ein Dialog, ein Gespräch des Menschen mit sich selbst, aber in gebundener, nicht ungebundener Rede."292 Die Philosophie ist Prosa, später und schwerer. Das Jenseits ist immer das Nicht-hier. Das Jenseits des Kamtschadalen ist wo es „weniger Sturmwinde, Regen und Schnee als in Kamtschatka" zum
-
gibt.293
Gott „überhebt sie (die Menschen) der Pflichten, das selbst einander zu sein, was er an ihrer Statt ist".294 Darnach ist Gott die |122| Trägheit der Menschen. Und wenn der Remplaçant fehlt, so wird um dieselbe Gunst und Gnade gerauft, die früher Gott seinen liebsten Kindern erwies. Nur dass die staatliche Ordnung keine Maskerade mehr sein wird, ihre Stütze und Sanktion nicht mehr in Fiktionen, sondern in Realitäten suchen muss; nur dass dann nicht mehr lateinisch, sondern deutsch geredet werden muss, nicht mehr in todten Formeln, sondern in klaren, dem Begriff entsprechenden Worten. Der auch in dem Aufsatz: „Unterschied der heidnischen und christlichen Menschenvergötterung" (I. 326-33. 1844) [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 413-419]: Der Polytheismus ist heidnisch, der Monotheismus christlich; bei den Heiden wurden die Eigenschaften, bei den Christen das Wesen vergöttert. I. 360-409. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 80-121.] Feuerbach GW, Bd. 10, S. 82. Ebenda, S. 86. Ebenda, S. 89. Ebenda, S. 98. So heisst
es
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theoretische Atheismus ist eben auch den- und Kampfgeschrei.
nur
ein
Stossseufzer;
erst der
praktische ist Freu-
In den 40er Jahren war Feuerbach am Thätigsten, und seine Thätigkeit voller Energie. Er sass zu Gericht über die philosophische Vergangenheit, seine eigene miteinbegriffen. Im dritten Bande der Gesammtausgabe erschienen auch die „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" wieder; aber die Zusätze waren eben so voluminös als die Schrift selbst. Diese Zusätze führten den Titel: „Die Unsterblichkeitsfrage vom Standpunkt der (1846). Hier wird der historische Prozess der „Seele" oder die Ge-
Anthropologie"*209
schichte der Animistik skizzirt, eine Aufgabe, die sich Edwfard] Bfurnett] Tylor später in grossartigem Massstabe stellte.210 „Der Menschf"], heisst es hier, [,,]der, wie die meisten Menschen, in der Identität von Denken und Sein aufwächst und lebt, der nicht unterscheidet zwischen Gedanken oder Vorstellung und Gegenstand, hält daher dieses im Gegensatz gegen die Leiden des wirklichen Seins als Seligkeit vorgestellte und empfundene Nichtsein für ein wirkliches Sein nach dem Tode. So ist denn auch der christliche Himmel in seiner reinen, von allen anthropopathischen Zusätzen und sinnlichen Ausschmückungen entkleideten Bedeutung nichts Anderes, als der Tod, die Verneinung aller Müh- und Trübsale, Leidenschaften, Bedürfhisse, Kämpfe, gedacht als Gegenstand der Empfindung, des Genusses, des Bewusstseins, folglich als ein seliger Zustand. Der Tod ist daher Eins mit Gott, Gott nur das personifizirte Wesen des Todes; denn wie in Gott alle Leiblichkeit, Zeitlichkeit, Bedürftigkeit, Begierlichkeit, Leidenschaftlichkeit, Unstätigkeit, Mangelhaftigkeit, kurz alle Eigenschaften des wirklichen |123| Lebens und Daseins aufgehoben sind, so auch im Tode. Sterben heisst daher zu Gott kommen, Gott werden so schon bei den Alten -, der Todte der Selige, der Verewigte, der Vollendete."295 Ganz exemplarisch wird ferner der rationalistische oder ungläubige Unsterblichkeitsglaube abgestraft, der noch immer von Zeit zu Zeit auf dem Schatten des praktischen Kantischen Pferdes einherreitet, und mit verständnisspfiffigem Augenzwinke[r]n murmelt: „Es muss etwas nachher sein", grade wie er etwas „vorher" wittert, welches „Vorher" nur seine eigene Kopflosigkeit, wie das „Nachher" seine geckenhafte Eitelkeit ausdrückt. Hier rügt Ffeuerbach] auch den Missbrauch des Wortes „Glauben". „Die Worte Religion und Glauben haben so widersprechende Bedeutungen, dass auch die Ungläubigen -
Die „Gedanken" gehen von I. 1-148 [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 284-308.]; die „Zusätze" von I. 261-408. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 192-283.] Edw. B. Tylor: Primitive Culture, [2 vols, London 1871] deutsch: „Die Anfange der Kultur [Untersuchungen über die Entwicklung der Mythologie, Philosophie, Religion, Kunst und Sitte], von J. W. Spengel und Fr. Poske, 2 Bde., Leipzig 1873. Feuerbach GW, Bd. 10, S. 242.
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Religion und Glauben vindiziren; so Glauben in der Bedeutung subjektiver Gewissheit, thatkräftiger Ueberzeugung."296 Er protestirt gegen den Begriff der abstrakten Pflicht, gegen das Kantische „Wohlthun nicht aus Neigung sondern aus Pflicht",297 und stellt als einzigen Heischesatz auf: [,,]Setze Deine Tugend in Einklang mit Deiner Neigung, Deiner Sinnlichkeit!"298 „Nur die Tugend, die ein natürliches Kind, ein Kind der Liebe, ist allein die wahre Tugend."299 Das klingt herrlich an Schillers Polemik wider Kant an, und bildet sich
das Samenkorn zur Feuerbach'schen Ethik. Tief ist auch die Identität von Staat, Philosophie und Religion gefasst. Der abstrakte Gott des Glaubens ist gleich dem Despotismus und der spekulativen Philosophie. Im Rechte hat gleichzeitig der Mensch einen unsichtbaren abstrakten Richter über sich, ein Ens rationis, das nur über Akten brütet und den Menschen unter einen Paragraphen des Gesetzbuchs subsummirt (Vergleiche] Betrachtungen über Oeffentlichkeit und Da stimmt der Sohn mit dem Vater Mündlichkeit, von Ansfelm] vfon] zusammen, dem der junge Philosoph durchgegangen war. Ueber der Eingangspforte zur historischen Wissenschaft jeder Gattung sollten die Worte stehen: „Die wahre und eben desswegen versöhnende Verneinung ist nur die, welche in der genetischen Erklärung des Gegenstandes seine Auflösung gibt, welche ihn nur indirekt verneint, so, dass die Verneinung nur eine unwillkürliche sich von selbst ergebende Folge ist, so, dass der verneinende Schlusssatz: es gibt keine Unsterblichkeit, nur der negative, plumpe Ausdruck von dem, was die Unsterblichkeit ist, die ihre Wahrheit, Nichtigkeit der Unsterblichkeit nur die Enthüllung ihres |124| Wesens, ' die Verneinung nur die sinnvolle Auflösung eines Räthsels ist." Die Wahrheit des Unsterblichkeitsglaubens ist so „seine innere, anthropologische Entstehungsgeschichte"?02 Die Geschichte der Unsterblichkeit ist die Geschichte des Animismus.
Feuerbach).300
Im Jahre der „Revolution", 1848, befand sich Feuerbach in Frankfurt, als ihn eine Anzahl Heidelberger Studenten zu öffentlichen Vorträgen einlud. Er folgte diesem Rufe und hielt die Vorlesungen „über das Wesen der Religion" im Rathhaussaale zu Heidelberg, Dezfember] 1848 2. März [18]49, gedruckt 1851.'211 -
296
297 298 299 300
301 302
*2"
Ebenda, S. 287. Ebenda, S. 290. Ebenda, S. 291. Ebenda. [P. J.] A. Ritter
von Feuerbach: Betrachtungen Gerechtigkeitspflege, 2 Bde., Gießen 1821-1825.
Feuerbach GW, Bd. 10, S. 303. Ebenda, S. 304. VIII. Bd. der Gesammtausgabe.
über die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der
[Feuerbach GW, Bd. 6.]
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Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
Die Heidelberger Vorlesungen sind ein Kommentar zu der Abhandlung vom „Wesen der Religion". Sie fassen den menschlichen Gott und den Naturgott zusammen eine -
vollständige Religionsphilosophie vom anthropologischen Standpunkt. Sehr knapp und elegant charakterisirt Ffeuerbach] einleitend seine früheren Schriften. Man fühlt, wie ihm die schwierigsten Objekte Veranlassung zu „duftigen Epigrammen" geworden, und dass die Zeit naht, wo die Form den Inhalt verzehren wird. An Spinoza habe er nur das getadelt, „dass er das nicht nach Zwecken, nicht mit Willen und Bewusstsein wirkende Wesen als das vollkommenste, als das göttliche Wesen bestimmte, und daher sich den Weg zu einer Entwicklung abschnitt, das bewusste menschliche Wesen nur als einen Theil, nur als einen Modus, statt als den Gipfel der Vollendung des bewusstlosen Wesens erfasste".303 Wenn das noch „philosophischer" Styl genannt werden kann, so lese man die folgende Plastik. [,,]Der Antipode Spinoza's ist Leibnitz, dem ich einen besondern Band gewidmet habe. Wenn Spinoza die Ehre gebührt, die Theologie zur Magd der Philosophie gemacht zu haben, so gebührt dagegen dem ersten deutschen Philosophen der neuern Zeit, nämlich Leibnitz, die Ehre oder Unehre, die Philosophie wieder unter den Pantoffel der Theologie gebracht zu haben. Dieses that besonders Leibnitz in seinem berühmten
Werk: „Die Theodicee". Leibnitz schrieb bekanntlich dieses Buch aus Galanterie gegen Aber eine in ihrem Glauben durch Bayle's Zweifel beunruhigte preussische die eigentliche Dame, für die es Leibnitz |125| schrieb, der er den Hof machte, ist die Theologie. Gleichwohl machte er es den Theologen nicht recht. Leibnitz hielt es überall mit beiden Parteien, und eben dadurch befriedigte er keine. Er wollte Niemand beleidigen, Niemand verletzen; seine Philosophie ist eine Philosophie diplomatischer Galanterie."*212 Man sieht, das Frankfurter Parlament hat Modell gesessen. Zwecke muss der Mensch haben, auch der Philosoph, und diese Zwecke muss er mit Energie verfolgen. Feuerbach selbst bekennt seine Zwecke: „Mir war und ist es vor Allem darum zu thun, das dunkle Wesen der Religion mit der Fackel der Vernunft zu beleuchten, damit der Mensch endlich aufhöre, eine Beute, ein Spielball aller jener menschenfeindlichen Mächte zu sein, die sich von jeher, die sich noch heute des Dunkels der Religion zur Unterdrückung der Menschen bedienen Wenn bis jetzt die unerkannte Religion, das Dunkel der Religion, das oberste Prinzip der Politik und Moral war, so wird von nun an oder einst wenigstens die erkannte, die in den Menschen aufgelöste Religion das Schicksal der Menschen bestimmen Der Zweck meiner Schriften, so auch meiner Vorlesungen ist: die Menschen aus Theologen zu Anthropologen, aus Kandidaten des Jenseits zu Studenten des Diesseits, aus religiösen und politischen
Königin.304
...
...
303
304
'2n
Feuerbach GW, Bd. 6, S. 14-15. Gemeint ist Sophie Charlotte von Hannover, die Gemahlin des (preußischen Königs) Friedrich III. VIII. 9. 10.
[Feuerbach GW, Bd. 6, S. 15.]
brandenburgischen
Kurfürsten
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Kammerdienern der himmlischen und irdischen Monarchie und Aristokratie zu freien, selbstbewussten Bürgern der Erde zu machen."*213 Die Offenbarung richtet sich an das Ohr, gebraucht das Wort. Das Trommelfell ist der Resonanzboden der religiösen Gefühle. Man glaubt auf Hörensagen. Ohne Gehör keine Religion. In unserm dunkeln Abhängigkeitsgefühl bleibt der Unsterblichkeitsglaube das einzige Mittel gegen den Tod. Der katschinische Tatar betet nur so zur Sonne: „Schlag mich nicht todt!"305 Das Opfer, auch das Menschenopfer, ist jeder Religion eigenthümlich.*214 Die Griechen opferten Menschen, nicht nur in der Heroenzeit des Agamemnon, sondern auch in der Glanzzeit des Themistokles „drei vornehme persische Jünglinge dem Bacchos Oinestes"; die Skandinavier und alten Germanen opferten Menschen (Wächter in Ersch und Gruber, Artfikel] Opfer);306 die Gallier opferten Menschen, nach Cäsar; die Israeliten „vergossen unschuldiges Blut, das Blut ihrer Söhne und Töchter, die sie opferten den Götzen |126| Kanaans",307 oder dem „Herrn", wie Jephthah seine Tochter; die Hindu opfern Menschen, stürzen in Zeiten grossen Unglückes die vornehmsten Brahminen von den Pagoden herunter. Die Christen haben nach dem ersten stellvertretenden Opfer das psychologische, geistige Menschenopfer eingesetzt. In den „Zusätzen und Anmerkungen" heisst es berichtigend, dass die christliche Kirche ihrem Gotte auch genug blutige Menschenopfer gebracht hat.*215 Wie sollte es auch anders sein? Wer positive Religion sagt, sagt gränzenlosen, fanatischen Egoismus, Selbsterhaltung, à tout prix, unendlichen Preis für unendliches Wohl. Zuerst tritt die Natur als Göttermutter, Gottgebärerin auf. Was sich aus der Natur nicht erklären lässt, wird dann vom Menschen entnommen. Es giebt daher Natur- und metaphysische Religion. Schlägt man den Menschen zur Natur, so ist Alles Naturreligion oder Alles metaphysisch; denn hinter den Koulissen der Physis wird stets die Wahrheit gesucht. „Man kann auch sagen: die Religion ist Poesie, ein Gott ist ein poetisches Wesen."308 Also hebe ich die Poesie auf! „Ich hebe nicht die Religion auf, nicht die subjektiven, d. i. menschlichen Elemente und Gründe der Religion, nicht Gefühl und Phantasie, nicht den Drang, sein eigenes Innere zu vergegenständlichen und zu personifiziren, was ja schon in der Natur der Sprache und des Affekts liegt... Liefert uns denn aber nicht -
-
2,3
305
VIII. 28. 29.
[Feuerbach GW, Bd. 6, S. 30-31.]
Feuerbach GW, Bd. 6, S. 42. *214 S[iehe] d[ie] 9. Vorlesfung], VIII. 87-93.
306
307 *2IS
308
[Feuerbach GW, Bd. 6, S. 80-91.]
F. Wächter: Forum d. Kr. In: Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge von genannten Schriftstellern bearbeitet und hrsg. von J. S. Ersch und J. G. Gruber, 3. Section, 4. Thl, Leipzig 1833, S. 117-118. Feuerbach GW, Bd. 6, S. 82. [Feuerbach GW, Bd. 6, S. 370.] „Opfer fallen hier, weder Lamm noch Stier, Aber Menschenopfer
unerhört". Feuerbach GW, Bd. 6, S. 203.
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das menschliche Leben, nicht die Geschichte, nicht die Natur Stoff genug zur Poesie? Hat die Malerei keinen Stoff mehr, wenn sie nicht mehr die Gegenstände der christlichen Religion zu ihren Stoffen nimmt? Ich hebe so wenig die Kunst, die Poesie, die Phantasie auf, dass ich vielmehr die Religion nur insofern aufhebe, als sie nicht Poesie, als sie gemeine Prosa ist... Die Kunst muthet mir nicht zu, dass ich diese Landschaft für eine wirkliche Gegend, dieses Bild des Menschen für den wirklichen Menschen selbst, aber die Religion muthet mir zu, dass ich ein Bild für ein wirkliches Wesen halten
soll."*216
Am Tollsten unter allen christlichen Konfessionen treiben es die byzantinischen Russen mit dem Fetischdienst ihrer Heiligen. Der Verfasser zitirt nach Stäudlin, Magazin für Religionsgeschichte, höchst ergötzliche Beispiele. Abhängigkeit des Menschen von der Natur ist der Grund der Religion; aber die Freiheit von dieser Abhängigkeit der Endzweck. Gott und die Götter sind daher nur die Hilfsbedürftigkeit und Rathlosigkeit des Menschen, der Mangel seiner Einsicht und Macht. Mit der Gottheit der Natur wird der Anfang gemacht, mit der Gottheit des Menschen geschlossen. Sich das Leben erträglich machen! Der Glückseligkeitstrieb, darin liegt Alles. Die Religion ist die erste Kultur, die wirkliche Kultur ihr Ende. „Wer Wissenschaft hat, braucht die Religion nicht", sagt Göthe.309 Mit der Religion ist jede Unmenschlichkeit möglich, mit der Bildung keine. Wo man blind liebt, da hasst man eben so leichtsinnig. Gott und Teufel kommen aus Einem Sacke.*218 Glücklich sein! Da liegt's. Wunsch kommt nach Jakob Grimm von Wunjo, Wonne. „Inbegriff von Himmel und Seligkeit." Der Schluss vom endlichen Geist auf den unendlichen ist der psychologische Beweis. Eigentlich ist das auch der Cartesische. Mit seinem persönlichen Cogito fängt er an, mit dem absoluten Gedanken schliesst er.*219 Der Mensch will nur die Uebel dieses Lebens beseitigt wissen, dem Christen aber ist dieses ganze Leben ein Uebel: er ist immer drüben. Wie bescheiden sind die Grönländer! „Sie versetzen den Ort der Seligen unter das Meer, weil sie aus dem Meer die meiste Nahrung bekommen. Da ist, sagen sie, gutes Wasser und ein Ueberfluss an
171127|
*216
VIII. 233. [Feuerbach GW, Bd. 6, S. 204-205.] VIII. 235. [Feuerbach GW, Bd. 6, S. 206.] 309 Nicht nachgewiesen. Bei Goethe heißt es in den Zahmen Xenien IX, Verse 657-660 jedoch: Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, Hat auch Religion; Wer jene beiden nicht besitzt, Der habe Religion. In: SW Goethe, Bd. I.,2, S. 737-738. *218 Vergleiche] VIII. 408. 9. [Feuerbach GW, Bd. 6, S. 355.] *219 Vergleiche] X. 147. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 139-140.] '217
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Seehunden und Rennthieren, die man ohne Mühe fangen kann oder gar in einem grossen Kessel lebendig gekocht findet."*220 Im Christenthum braucht man keine Liebe, wenn man nur glaubt. Der Russe stiehlt und mordet eher als er die Fasten bricht. Der Kriminalist Carpzow las 53 mal die ganze Bibel, und verurtheilte 20,000 Menschen zum Tode.221 Gott ist zuletzt Glück, d. i. Zufall. Nisi qui Deus vel casus subvenerit, wenn nicht ein Gott oder ein Zufall dazwischen kommt. Am Schlüsse erfolgt noch ein Aufschwung zu metaphysischen Höhen: „Der Mensch steht mit seinem Ich oder Bewusstsein an dem Rande eines unergründlichen Abgrundes, der aber nichts An-|128|deres ist als sein eigenes bewusstloses Wesen, das ihm wie ein fremdes Wesen vorkommt. Das Gefühl, das den Menschen an diesem Abgrund ergreift, das in die Worte der Be- und Verwunderung ausbricht: Was bin Ich? Woher? Wozu? ist das religiöse Gefühl, das Gefühl, dass ich nichts bin ohne ein Nicht-Ich, welches zwar von mir unterschieden, aber doch mit mir innigst verbunden, ein anderes und doch mein eigenes Wesen ist. Aber was ist denn Ich, was Nicht-Ich in mir? Der Hunger als solcher oder die Ursache desselben ist Nicht-Ich; aber das peinliche Empfindniss oder Bewusstsein des Hungers, welches mich zugleich antreibt, alle meine Bewegungswerkzeuge nach einem Gegenstande zur Stillung dieser Pein auszustrecken, das ist Ich." 222 Da haben wir also das Unbewusste als Ursprung der Religion; kürzlich ist eine Philosophie daraus hervorgegangen, die Philosophie des Nicht-Ich oder des Hungers.310
Vögeln, Fischen,
Es ist unleugbar, und soll auch durchaus nicht in Abrede gestellt werden, dass Feuerbachs Popularität im strikten Sinne des Wortes mit der Bewegung von 1848 stand und fiel. Wenn er in den Heidelberger Vorlesungen frei heraus erklärte, sein Zweck sei, „die Menschen aus religiösen und politischen Kammerdienern der himmlischen und irdischen Monarchie und Aristokratie zu freien, selbstbewussten Bürgern der Erde zu machen",311 so wurde das schon im Jahre 1851 kaum noch gehört. Die irdischen Monarchen und Aristokraten hatten bereits das unterthänige Kammerdienerthum wieder hergestellt; die Rebellen seufzten in den Kerkern, oder waren glücklich nach Amerika entkommen, oder bekehrten sich allmählich, weil „man es doch wirklich zu arg getrieben." 220
VIII. 362. [Feuerbach GW, Bd. 6, S. 313.] VIII. 385. [Feuerbach GW, Bd. 6, S. 333-334. Es handelt sich um den Leipziger Professor Benedict Carpzow. Siehe dazu G. J. Stein: Geschichte des peinlichen Rechtes und der Kriminalverfassung Teutschlands nebst Anhang über die Begründung des Strafrechtes, von dem Zwecke der Strafen und Imputation der Verbrechen, Heilbronn 1807, S. 35-37.] *222 VIII. 403. [Feuerbach GW, Bd. 6, S. 349-350.] 3,0 Bezieht sich auf Eduard von Hartmann: Philosophie des Unbewussten. Versuch einer Weltanschauung, Berlin 1869. 311 Feuerbach GW, Bd. 6, S. 31. *221
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Die Feuerbach'sche Popularität fiel, wie gesagt, unter den Streichen der Reaktion. Aber etwas Anderes ist die Feuerbach'sche Popularität, und wieder etwas Anderes die Feuerbach'sche Philosophie. Diese zu würdigen, dürfte erst unserer Zeit vorbehalten sein, welche sine ira et studio, oder wenn sie will, auch mit Zorneseifer, die Grundlagen einer ächten Naturphilosophie studiren mag, wie sie der einsame Denker in den beiden folgenden Jahrzehnten in den Boden gemauert hat. Uebrigens, nicht nur Feuerbach verschwand von der Tagesordnung, allen ernsten Denkern erging, es nicht besser. Schrullen |129| und pathologische Einfalle kamen auf, der desperaten Stimmung vollständig entsprechend. Frauenstädt benutzte geschickt den Moment, um seinen neuen Heiligen auszurufen.312 Pessimistisch war die Zeit geworden, der Pessimismus lag den Menschen in den Gliedern und bemächtigte sich endlich auch ihres Kopfes. Die Koketterie mit der Natur sollte den schreienden Widerspruch bemänteln, in welchen der Pessimismus mit den Grossthaten der Erfahrungswissenschaft nothwendig gerieth. Als ob es sich noch der Mühe lohnte, der Natur auf den Grund zu gehen, wenn die ganze Natur des Teufels ist! Die zeitweilige Feuerbach'sche „Unpopularität" ist nichts anders als die logische Kehrseite der Popularität der Naturwissenschaft. IX.
Ruhige Klarheit Nach kurzer Berührung mit der politischen Welt und dem Heidelberger Auditorium zog sich Feuerbach wieder in seine Einsamkeit, zum ersten Dialog mit sich selbst zurück. Man wird die Beweise zum Theil schon gefunden haben, zum Theil noch finden, dass er weder von der einen noch von der andern Berührung sehr erbaut war. Er war auf ein Stillleben angelegt, und wenn seine Natur zu ändern gewesen wäre: die Verhältnisse seit Anfang der 30er Jahre hatten wahrlich wenig auf eine solche Veränderung hingewirkt. Im Gegentheil, sie hatten ihn hartnäckig auf sich selbst zurückgedrängt, ja geworfen. Mit dem Jahre 1849 trat in Feuerbach's Geist ruhige Klarheit ein, jene Klarheit, in welcher sich seitdem sein ganzes reiches Wesen spiegelte. Er studirte jetzt auch noch die Chemie, die Vorschule der Physiologie, zeigte Moleschott's „Kreislauf an, und wies nach, dass die grossen Bewegungen der Menschheit, vulgo Revolutionen genannt, ihren Ursprung und Ausgang nur scheinbar in „Ideen" haben, in der Wirklichkeit aber von höchst realen Faktoren bedingt werden. Die organische Chemie kam ihm wie ein Bundesgenosse zur Unterstützung seines anthropologischen
Feldzugs.3131130|
312
313
Karl Grün bezieht sich auf Julius Frauenstädts „Briefe über die Schopenhauer'sehe Philosophie", Leipzig 1854. L. Feuerbach: Die Naturwissenschaft und die Revolution. In: Feuerbach GW, Bd. 10, S. 347 bis 368.
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Dann durchmusterte er ein volles Jahr lang seines Vaters Nachlass, sonderte, sichtete eine ihm so glaubt man fremde Materie, errichtete des Vaters Standbild aus des Vaters Briefen, Abhandlungen, Vorträgen, und bekundete sich als Jurist, wenigstens als Rechtsphilosoph den Kreislauf der Fakultäten zu schliessen. Natürlich erblickte er auch in der Jurisprudenz, besonders im Kriminalprozess, jene theologische Transzendenz, jene Beraubung des menschlichen Wesens, die er in der Religion so klassisch konstatirt hatte. Natürlich waren ihm die Fachjuristen polizeiliche Theologen, der Inquirent ein Inquisitor, die Todesstrafe parallel der ewigen Höllenpein. Wo sein verehrter Vater Fachjurist gewesen, da that sich auch der Antagonismus zwischen Sohn und Vater hervor. Wo aber der Vater reformatorisch gewirkt und gestrebt, für Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, für humane Behandlung selbst der Verbrecher gewirkt hatte, da feierte der Sohn den Vater um so freudiger. Das Hauptwerk der 50er Jahre jedoch, das gedanklich wie stylistisch abgerundetste Werk Feuerbach's überhaupt, ist die „Théogonie nach den Quellen des klassischen, hebräischen und christlichen Alterthums", ein Werk, welches weder zur Zeit seines Erscheinens mitten in den Orgien der politischen Reaktion noch auch später diejenige Würdigung erfahren hat, die seinem hohen Werthe Versuchen wir in der Kürze, diesen Werth in genetischer Weise zur Geltung zu bringen. Théogonie heisst Götter-Entstehung; so nannte schon Hesiod eines seiner Werke.315 Also wie entstehen die Götter, wie kommen sie zur Welt, bei Griechen und Römern, bei Juden, bei Christen, kurz überhaupt? Und damit Niemand sagen könne, wir hätten ein vorgefasstes System, in welches wir die göttlichen Erscheinungen hineinzwängten, so eine Art rationalistisch-euhemeristisches Prokustesbett, auf welchem wir den frommen Gedanken der Völker die Glieder ausreckten oder abhackten: so wollen wir die heiligen Bücher überall selbst reden lassen und uns dabei ganz passiv verhalten. Früher hiess es: die Götter sind der Ausdruck unserer Abhängigkeit von der Natur, unsere personifizirte Hülfs- und Rathlosigkeit. Existiren heisst für jedes Wesen, am Meisten für das organische, Mangel empfinden. Mangel empfinden und das Be-|131| streben haben, diesem Mangel abzuhelfen, ist Eins. Aber auch Mangel empfinden und sich als Einzelner ohnmächtig fühlen, ist Eins. Des Einzelnen Ohnmacht, beschränkter Wirkungskraft steht die grosse und allmächtige Natur mit all ihrer „Wirkenskraft und Samen" gegenüber. Es handelt sich also darum, dass ich, Einzelner, mir von der allgemeinen Kraft so viel abringe, als zu meiner Selbsterhaltung erforderlich, unumgänglich nöthig ist. Der Mensch, welcher sich im Besitze der Naturerkenntniss befindet, über Mechanik, Physik, Chemie gebietet, entnimmt der Natur ihre Kräfte und schmiedet sich -
-
-
-
*223 314
315
entspräche.314 -
1857. IX. Bd. [Feuerbach GW, Bd. 7.] Neben der bereits erwähnten Rezension zur „Théogonie" von Arnold Ruge äußerte sich u. a. auch Moses Hess zu dieser Arbeit: Der deutsche Humanismus. 2. Ludwig Feuerbach: Théogonie. In: Das Jahrhundert. Zeitschrift für Politik und Literatur, Nr. 44, Hamburg 1857, S. 1049-1056. Siehe Hesiod: Théogonie, Berlin 1866.
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daraus seinen Schutz, seine Nahrung, seinen Comfort. Was aber thut der Mensch, dem diese Waffen noch ganz oder doch grösstentheils oder grossentheils abgehen? Er wünscht jene Kräfte zu besitzen, trägt ein inbrünstiges Verlangen nach ihnen, gäbe viel darum, wenn er sie in seinen Dienst nehmen könnte. Und da ihm ferner jene Kräfte nicht als Kräfte, sondern als Mächte erscheinen, als jenseitige Gewalten und Uebergewalten, die er der Form nach sich gleichstellt, d. h. personifizirt, wenn er sie auch dem Inhalt nach weit über sich erhebt: so bildet sich das Verhältniss von untergeordneten und übergeordneten, von hülfsbedürftigen kleinen und hülfreichen grossen Wesen aus. Dieses Verhältniss ist das religiöse, sein Quell das Bedürfniss, das Verlangen, der Wunsch. Jeder Wunsch nach unmittelbarer, plötzlicher, in ihrer Prozedur nicht zu erklärender Hülfe ist Religion, und die Religion umgekehrt nichts Anderes als die verschiedenen Wunschzettel der verschiedenen Völker und Kulturepochen. Sage mir was du wünschest, und ich will dir sagen, welche Religion du hast! Oder: sage mir deine Religion, so sage ich dir was du wünschest! Die Götter sind also personifizierte menschliche Wünsche; der Olymp, der Himmel, nichts Anderes als das systematisirte Verlangen ihrer Anbeter. Hört man die Menschen wünschen, so kann man den Götter- oder Gottesstaat derselben Menschen aufbauen, und sieht man einen Götter- oder Gottesstaat, so hört man die Menschen unten wünschen. Die Götterwelt besteht aus den Chladni'schen Klangfiguren für das Auge, welche von den Tönen der hörbaren Wünsche gebildet wurden. Das sieht äusserst einfach, beinahe trivial aus, ist jedoch von ungeheurer Tragweite und löst alle Fragen und Zweifel bis auf die letzten. Von diesem Standpunkt aus tritt man an die Religion nicht mehr mit der Frage heran: Kann ich das auch glauben, geht |132| dieser oder jener Satz in meinen Kopf hinein, oder muss ich mich negativ, leugnend, ablehnend gegen ihn verhalten? Sondern die Frage lautet so: habe ich überhaupt noch einen Wunsch nach unmittelbarer, plötzlicher, unerklärlicher Hülfe? Die Antwort auf diese Frage ist entscheidend. Dass dieses religiöse Wünschen und folgerecht dieses Walten höherer Gewalten ein Quid pro quo ist, das weiss natürlich der Mensch auf jenen Stufen nicht; aber er verräth es hinlänglich, und dieser Selbstverrath des praktischen Menschen ist gerade die interessanteste Seite der ganzen Untersuchung. „Homer beginnt ja nicht, wie er doch hätte beginnen sollen, wenn die Theologie Recht hätte, mit den Worten etwa: „Singe den Zorn, o Göttin, des Herrschers im Donnergewölk, Zeus etc.";316 nein! [,,]Homer beginnt mit dem verderblichen Zorn des Achilleus. Er setzt also dem Zeus den Achilleus, dem göttlichen Willen den menschlichen Unwillen voraus."*224 Und daher um des Räthsels Lösung gleich vorauszuschicken der Feuerbach'sche Satz: „die Menschen sind im Gebet Theisten, im Handeln Atheisten." Daher die klassische Weisheit: „Selbst thu' erst etwas, dann rufe die Götter an!" -
316
*224
Feuerbach GW, Bd. 7, S. 3. IX. 1. 2. [Feuerbach GW, Bd. 7, S.
3.]
-
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Aide-toi, le ciel t'aidera. Bei Virgil in der Aeneide: Audentes fortuna juvat, dem Kühnen
ist das Glück
hold.317
Deus, ignavis precibus
Bei Ovid in den Metamorphosen: sibi quisque profecto fit fortuna répugnât, „Selber wird wahrlich sich Jeder zum Gott,
dem Glücke sind eitle Gebete zuwider"*225 „Die Götter sind Erscheinungen, die kommen und verschwinden. Wenn die Götter, sagt der Kaiser Mark Aurel, sich um Niemand kümmern, so wollen wir weder opfern noch beten, noch schwören, noch sonst was thun, was wir nur in der Voraussetzung thun, dass die Götter uns gegenwärtig sind und mit uns leben."*226 „Die Erscheinung der Götter ist nur da eine nothwendige und ursprüngliche, eine eben desswegen nicht nur poetische, sondern auch religiöse Erscheinung, wo sich mit Nothwendigkeit ein Wunsch in der menschlichen Brust erhebt. So war der Wunsch des Chryses, der Wunsch des Achilleus, sich zu rächen, ein nothwendiger, unabweisbarer, unwiderstehlicher Wunsch Bei jedem Anliegen, bei jedem wichtigen Schritt, den der Mensch thut, bei |133| jedem Unternehmen, das über Glück oder Unglück entscheidet, entsteht nothwendig der Wunsch dass es „Von universeller und tiefer Bedeutung ist es, wenn bei den alten Germanen der oberste Gott selbst gradezu Wunsch, Oski heisst: ein frappanter, sprachlicher Beweis, dass das allmächtige Wesen nur aus dem allmächtigen Wunsch stammt."*228 Bei den Juden haben es nur die Lebenden mit dem Preise Jehovahs zu thun. Im Scheol, Schatten- oder Todtenreich, Perditionis locus, hört mit der Hoffnung Alles auf. Der altgläubige Grieche hielt die Götterstatue für den Gott selbst, für ein „von den ...
gelinge.*227 -
gemeinen, weil allgemeinen Wünschen und Bedürfhissen des Lebens bewegtes, selbst aus Angst und Furcht vor bevorstehendem Unglück in Schweiss versetztes Wesen."318 Quid cum Cumis Apollo sudavit, Capuae Victoria (Cicero de Div.), Was, wenn zu Cumä der Apollo schwitzte, zu Capua die Victoria!*229 Der Fluch ist auch ein Wunsch, nur ein negativer; die Götter sind daher auch die „wunschverneinenden Wesen", natürlich für den Einen, während sie die Wünsche des
erfüllen.*230 „Der Eidschwur ist nichts als eine bedingte Verwünschung oder Verfluchung, eine mit einem Fluch beschwerte Betheuerung oder Versicherung überAndern
haupt. Jeder Eid endet in Flüchen, sagt Plutarch, für den Fall dass einer falsch schwören sollte, d. h. jeder Eid enthält einen Fluch gegen den Meineid."*231
317
Siehe Feuerbach GW, Bd. 7, S. 232. IX. 282. 85. 86. [Feuerbach GW, Bd. 7, S. *226 IX. 36. [Feuerbach GW, Bd. 7, S. 31.] *227 IX. 43. [Feuerbach GW, Bd. 7, S. 37.] *228 IX. 83. [Feuerbach GW, Bd. 7, S. 69.] 318 Feuerbach GW, Bd. 7, S. 91. *229 IX. 110. [Feuerbach GW, Bd. 7, S. 91.] *230 IX. 118. [Feuerbach GW, Bd. 7, S. 97.] *231 IX. 133. [Feuerbach GW, Bd. 7, S. 110.] *225
232.]
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„Das Gewissen ist der Alter Ego, das andere Ich im Ich. So ist der Vater das Gewisder sen des Sohnes was würde mein guter Vater dazu sagen, wenn ich das thäte? Freund das Gewissen des Freundes, der Lehrer das Gewissen des Schülers, der Jude, nicht der Mensch überhaupt, nicht die Gojim, die NichtJuden, das Gewissen des Juden, der Grieche, nicht der Barbar, das Gewissen des Griechen."319 „„Nicht nur der Glaube, auch das Gewissen kommt aus dem Gehör"", aber auch aus den Augen. Das Gewissen -
-
ist keine besondere „Anlage", überhaupt nichts Angebornes, sondern etwas Angebildetes, oft selbst mit vieler Mühe |134| f„]Wer nie eine Strafe gesehen einen Vorwurf oder gefühlt, nie von Andern gehört, oder auch selbst nie einen Vorwurf gemacht hätte, würde auch nun und nimmermehr sich selbst Vorwürfe machen können. Wo ein Verbrechen oder Laster Brauch, Sitte ist, da macht sich auch der Mensch aus diesem Verbrechen, diesem Laster kein Gewissen. Das Gewissen ist die Furcht, Etwas zu thun, worauf Strafe steht, bestehe diese Strafe auch nur in dem missbilligenden Urtheil der Andern."*233 „Die Götter sind nicht die Gesetzgeber, oder gar, wie sich die Gedankenlosigkeit ausdrückt, die Geber des Gewissens, des Bewusstseins von Recht und Umecht. Nein! nicht das uninteressirte, bedürfnisslose Wesen der Gottheit, sondern der interessirte Mensch will, und zwar mit derselben Nothwendigkeit, mit der er sich, sein Leben, sein Glück will, also aus innerstem Naturgrund, aus Selbstliebe, dass eine „moralische Ordnung" sei, dass mit dem Verbrechen Strafe, Uebel, mit der Tugend, Lohn, Glück verbunden sei. Die Götter vollstrecken nur diesen Willen, erfüllen nur diese Hoffnung, diese Furcht."*234 Das Christenthum unterscheidet sich nur dem Modus, nicht dem Wesen nach von den übrigen Religionen. Die theogonischen Wünsche gestalten sich in ihm nur anders, gemüthlicher, gemüthskranker. Wenn die züchtige Penelope durch holden Gesang unter den Menschen unsterblich wird, so verschmäht der Christ die ganze Diesseitigkeit, um drüben mit Haut und Haaren ewig selig, Gott selbst zu werden.*235 Das Christenthum löst die Widersprüche des Lebens, wie der Buddhismus, durch die Flucht aus dem Leben, nur dass jenes sich seine Revanche vorbehält, während dieser einfach resignirt. Das Christenthum ist epikuräischer Buddhismus, der Buddhismus stoisches Christenthum.
Eingebläutes.*232
319 *232
Feuerbach GW, Bd. 7, S. 137. [Feuerbach GW, Bd. 7, S. 139.] „Anlage" nicht, aber Anlage zur Anlage, denn nicht alle Wesen sind des Gewissens fähig. Das Ganze ist die höhere Fortsetzung von Lessings Erziehung des Men-
schengeschlechts. IX. 167. 9. [Feuerbach GW, Bd. 7, S. 139.] *234
*233
IX. 178. 9. Locke und Leibnitz haben beide Recht im Punkte der „angeborenen Ideen". [Feuerbach GW, Bd. 7, S. 146-147.] *235 IX. 299., wo die klassischen Stellen aus der christlichen Literatur zu lesen sind. [Feuerbach GW, Bd. 7, S. 242-243.]
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Ertheilen wir bei dieser Gelegenheit wieder den Nachgelassenen Aphorismen das Wort, um aus dem geheimen Kabinet des Autors etwas zu erfahren. |135| „Was meine philosophische Methode, meine Art und Weise die Dinge zu behandeln betrifft? Davon habe ich eine Probe in meiner „Théogonie" geliefert: Prinzipielle Fragen an der Hand der Empirie, Gegenwärtiges aus ferner Vergangenheit, oder vielmehr wie Historisches behandelt."320
„Mein geistiges Wesen ist kein „System", sondern eine Erklärungsweise. Ich verhalte
mich zu meinem Gegenstande, wenigstens zu dem hauptsächlichsten, den ich zum Thema meiner Schriften gemacht, wie der Naturforscher zu seinem Gegenstande. Ich suche eine Thatsache zu erklären, aber eine nicht schon im Denken vorher zubereitete, von der Art der Erklärung vorausbestimmte, gedachte Thatsache, wie die oft sogenannten 321 „Thatsachen des Bewusstseins"; sondern rein empirische, durch empirische Mittel und Studien gegebene Thatsachen. Daher ich stets Stellen, thatsächliche Aeusserungen des Religions- oder Menschenwesens vorausschicke, wenn gleich diese wie im „Wesen des Christenthums", im „Wesen der Religion" scheinbar nicht in der Weise der Empirie, der Gelehrsamkeit, sondern im Gedankenauszug gegeben werden. Ich unterscheide mich daher wesentlich von den früheren spekulativen Philosophen. Ich frage nicht wie Kant: wie sind apriorische Sätze möglich? also nicht: wie ist Religion möglich? sondern was ist Religion, was Gott? und zwar auf Grund gegebener Thatsachen. Einzige Widerlegungsweise ist hier, dass man mir beweist, dass meine Thatsachen falsche, falsch verstandene sind, oder dass die Erklärung derselben falsch ist."322
„Mein Bestreben war, das Denken und Studiren den Menschen nicht zu erschweren, zu erleichtern, auf das Wesentlichste, Nothwendigste allein den Geist zu konzentriren, damit nicht die Studirstube allein der ihn umfassende Raum sei, sondern ihm auch Zeit und Raum zum Leben, zum Wirken bleiben."323 sondern
Ueber Ffeuerbach]'s Styl und Darstellungsweise sind alle kompetenten Beurtheiler einig. Selten ist der Gedanke so klar, so fertig ausgedrückt worden, selten die Form so knapp und passend gewesen. Wer seine Jugend-Manuskripte durchgesehen hat, wer erinnern will, dem wird ein Begriff davon aufgehen, sich nur an den Brief an
Hegel324
L. Feuerbach:
Nachgelassene Aphorismen.
Ebenda. Ebenda. Ebenda. Siehe den vorliegenden Text, Anm. 52.
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welcher Selbstkritik, welcher gottlosen Arbeit sich ein |136| Schriftsteller unterziehen musste, der über Philosophie geschrieben hat wie Keiner, nicht einmal Ffriedrich] Hfeinrich] Jakobi vom Inhalte natürlich ganz zu schweigen. Wie ein Achilleus fährt er auf dem Streitwagen daher, die Chlamys wallt edelsten Schwunges nach, die Rosse greifen kunstgerecht aus, aber Tod und Verderben bringt der Held unter die Feinde. Oder er wandelt in Perikleischer Peribole sanft und gemessen im Schattenhaine, ruhige Weisheit den Lippen entlassend. Am Interessantesten ist er jedoch, wenn er den Spott im Antlitz, das Wahrheitsfeuer im Herzen, mit seinem Gegenstande zu spielen scheint, Beiläufiges fixirend, Wichtiges ausser Acht lassend, lächelnd das strengste Nachdenken herausfordert, wenn er, nach seinen eigenen Worten, sich „überhaupt uneigentlich, änigmatisch, ironisch ausdrückt, und seinen höchsten Triumph darin setzt, zum Aerger aller philosophischen Pedanten und gelehrten Philister, den Ernst der Nothwendigkeit in das Spiel des Zufalls einzukleiden, und den Stoff von Folianten in den Duft eines Epig-
ramms zu
verflüchtigen."*236
Bereits im Vorwort zur dritten Auflage des Wfesen] dfes] Chrfistentums] (1848) macht er darauf aufmerksam, dass er diesmal „alle fremden Wörter so viel als möglich vermieden, und alle grösseren lateinischen und griechischen Belegstellen übersetzt habe".325 Dasselbe gilt auch von der „Théogonie", die, obwohl auf den strengsten philologischen Studien beruhend, dennoch jedem Gebildeten, ja nur Empfänglichen vollkommen, wenigstens in der grossen Hauptsache verständlich ist. Wohl hat daher Rfudolph] Haym Recht, wenn er Feuerbachs Genialität nicht zum Wenigsten darin findet, dass die Sprache ihm hilft, wie die Götter ihren Lieblingen helfen.326 Aber auch vor diesen Sieg und Triumph hatten die Götter den Schweiss gestellt. Wie es auf Schiller nicht passte: Poeta nascitur, der Poet wird geboren, so heisst es von Feuerbach: Stylus fit, der Stylist wird.
Die Liebe Gottes oder der Götter ist Selbstliebe. Das ist der „Théogonie" letzter Von uneigennütziger Liebe, von der Liebe ohne Rücksicht auf Lohn und Vergeltung, ist im wahren ächten Glauben nie die Rede. Aber die Selbstliebe im Sinne des bekannten Egoismus ist auch erst das Räthselwort der Religion, |137| nicht des Menschen. In der Religion, als Religiöser, komme ich gar nicht aus mir heraus. Wie gelange ich denn ausser mich, zu Andern?
Schluss.*237
I. Bd. Curric. vitae. [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 173.] Feuerbach GW, Bd. 5, S. 27, Anm. 1 von S. 10. Siehe R. Haym: Feuerbach und die Philosophie. Ein Beitrag zur Kritik beider, Halle 1847. Im Nachlasse findet der Leser einige illustrirende, auch an und für sich werthvolle Stellen aus dem grossen Manuskript der „Théogonie", welche der stets diskrete Verfasser vom Drucke ausschloss. Sie schienen mir der Erhaltung wohl werth. [Siehe BwN, Bd. 2, S. 92-96.]
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Das bildet den Gegenstand der letzten Arbeiten Feuerbachs, welche frühere Andeutungen zu bedeutsamen Problemen erheben. Die Nothwendigkeit dieser Arbeiten ist daher eben so eine subjektive wie objektive, eine im Wesen der Sache wie in seiner Person liegende. Wie oft und schmerzlich er auch das Fragmentarische besonders dieser Leistungen beklagen mochte: die Brücken hat er überall geschlagen, als Pfadfinder wenigstens die Schrittsteine gelegt. X. Die Zeit des Leidens und der Ethik Wenn irgend Jemand vollste Ursache zum Pessimismus gehabt hätte, so war es Ludwig Feuerbach. Die widrigsten Verhältnisse stürmten auf ihn ein und setzten ihn zwölf Jahre lang in förmlichen Belagerungszustand. Von Bruckberg nach dem Rechenberge! Darin liegt eine ganze Matthäus-Passion. Er seufzte oft, er stöhnte, wenn ihm der Geier des Zeus täglich an der Leber frass; aber er widerstand dem Geschick und richtete jeden freien Gedanken auf seine liebe Menschheit, seine irdische Göttin. Das Stöhnen des Gemarterten vom Kaukasus-Rechenberg ist bisweilen herzzerreissend. „Nur Eins fehlt mir. Ein Häuschen, oder wenigstens eine Studirstube nach meinem Sinn und Bedarf. Da lachst! Ich verlange nichts mehr als Ruhe, nichts als ein geheimes Gemach zur Entleerung meines „Wie wieder die verfluchten Hunde bellen! Wahrlich, meine Existenz auf dem Rechenberg ist eine Hunde-Existenz. Und hier sollst Du schreiben, hier Probleme lösen oder wenigstens zum Gegenstand Deiner Feder machen, worüber so Viele schon sich ihren Kopf zerbrochen und verloren haben. Die Weisheit verstummt, wo die Hunde das grosse Wort „Ich wollte, ich wäre ein Holzhacker geworden!" rief er einmal aus.328 Und dann schrieb er wieder: „Als Jüngling feierte ich den Tod, als Greis feiere ich das Leben."'239 -
Kopfes."327
führen."*2381138|
L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen.
[L. Feuerbach:] Nachgelassene Aphorismen.
Äußerung Ludwig Feuerbachs gegenüber seiner Frau Bertha.
Grün zitiert nach: C. Beyer: Leben 11. November 1872 auf Veranlassung des Freien Deutschen Hochstiftes für Wissenschaften, Künste und allgemeine Bildung in Goethe's Vaterhause zu Frankfurt a. M. gehalten von Dr. C. Beyer, MrFDH. Mit dem Bildnisse Feuerbach's nach einem Oelgemälde von Karl Rahl, Mr. F. D. H. (t 1865 in Wien), im Besitze des Freien Deutschen Hochstiftes in Goethe's Vaterhause. Dargestellt in unveränderlichem Lichtdruck von J. Albert, Hofphotograph in München. Frankfurt am Main. Verlag des Freien Deutschen Hochstiftes. 1873, S. 38.
und Geist
Ludwig Feuerbach's. Festrede,
am
[L. Feuerbach:] Nachgelassene Aphorismen.
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lange, bis er sein letztes gedrucktes Werk in Angriff nahm, noch länger bis „nur einige Bruchstücke von dem im Kopf entworfenen Ganzen unversehrt ans Licht brachte" (Vorwfort]).329 Mit der Vollendung dieses Werkes begann die Natur, ihre Es währte
er
versagen.'240
Dienste zu Der wesentliche Inhalt dieses Buches ist: „Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit, mithin ethischer Natur. Zuthaten sind: „Das im Eingange, die und die „ThéoGeheimniss des am Schlüsse. gonie" nach römischen In einer Anzeige von Moleschotts „Lehre der Nahrungsmittel für das Volk", 1850, hatte Ffeuerbach] den Satz niedergeschrieben: [,,]Der Mensch ist was er isst?33 Darob natürlich grosses Entsetzen in Israel und bei den Heiden. Man lese jetzt Ffeuerbach]'s überaus geistreiche, auf grosser Belesenheit beruhende Abhandlung: „Das Geheimniss des Opfers", ob seine Beweisführung nicht vortrefflich ist, so weit sie eben etwas beweisen soll. Für die Manschetten der Pedanten kann doch am Ende keine Wäscherin der Welt Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, d. h. erhält den Organismus. Eicheln und Trüffeln schmecken dem Schweine wohl, aber das Schwein selbst ist Eicheln und Trüffeln in zweiter Potenz, und das geräucherte Schweinefleisch bildet schon die dritte Potenz. Nektar und Ambrosia sind die exklusiven Göttergenüsse, die Götter blieben nicht Götter, wenn sie gemeiner Menschen Nahrung zu sich nähmen. Wo kein Salz im Blute, da ist auch kein Salz im Kopfe, und ohne Salz kein Witz, kein
Opfers"330 Quellen,332
„Unsterblichkeitsfrage"331
sorgen.*241
Scharfsinn. Doch lassen wir das. Wie steht es um die In dem gewöhnlichen sie Wahlfreiheit wo Willkür, ufnd] dergleichen] bedeutet, existirt sie nicht, ist Sinne, sie ein theologisches Hirngespinnst, wie Luther, der Determinist, dem Erasmus bell 39|reits nachwies, der zwar ein Humanist, aber kein Philosoph war. Spinoza leugnet die Willkür gradezu, und Lessing dankt seinem Schöpfer, dass er „wollen muss"! Es lautet hart für Viele, die wenigstens in einem kurzen Stricke flattern möchten, und Mancher, der die Identität von Nothwendigkeit und Freiheit philosophisch deduzirt hat, reservirt sich doch ein Stückchen Freiheit als Dessert zum Mahle der Nothwendigkeit. Er wird gar nicht gewahr, dass diese Freiheit eine Nothwendigkeit seines unlogischen Gehirns ist, und dass er auf demselben Altare geschlachtet wird, an dem er fixngirt.
Willensfreiheit?*242
329
Feuerbach GW, Bd. 11, S. 53. 1866, X. Bd. „Gottheit, Freiheit und Unsterblichkeit vom 330 Feuerbach GW, Bd. 11, S. 26-52. 331 Ebenda, S. 187-218. 332 Ebenda, S. 219-243. 333 Feuerbach GW, Bd. 10, S. 367. *241 X. 1-36. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 26-52.] *242 X. 37-204. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 53-186.] *240
Standpunkte der Anthropologie".
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All unser Thun, sagt Feuerbach, ist Nothwendigkeit. Der Selbstmord selbst, die scheinbar willkürlichste Handlung, ist nur der Vollzug unserer Unmöglichkeit zu leben. Wir sind schon fertig, ehe wir Hand an uns legen. Aber kann denn der Mensch nicht immer leben wollen? Das wäre Freiheit. Kant setzte die Willensfreiheit klüglich ausser der Zeit, weil in der Zeit „Alles auseinander folge". Wie nun der Wille ausser der Zeit existiren und von dort oben auf die Dinge wirken könne, ist nicht wohl abzusehen. Glücklicherweise befreit uns die Zeit auch von der Vergangenheit, bringt uns einen andern Willen, denn „Alles hat seine
Zeit".334
Willen ist Ffeuerbach] identisch mit Glückseligkeitstrieb. „Wo kein Glückseligkeitstrieb, da ist auch kein Wille, höchstens ein Schopenhauer'scher, d. h. ein Wille, der Nichts will."'243 Hier zuerst fliesst der Name Schopenhauer aus Feuerbachs Feder. Auf den Gegensatz zwischen den beiden Denkern kommen wir sofort zurück. Die Selbstliebe ist der Grund alles unseres Wollens. Aber was bei mir der Fall ist, das ist auch der Fall bei dem Andern, bei allen Menschen. Durch die Selbstliebe des Andern wird mir eine Pflicht auferlegt ja auferlegt, zunächst als ein Joch, eine Last. Der Andere macht sich mir gegenüber geltend, fühlbar geltend; er zwingt mich zur Rücksicht auf ihn. So ist die Pflicht zunächst Gegensatz zum Glückseligkeitstriebe. „Mein Recht ist mein gesetzlich anerkannter Glückseligkeitstrieb, meine Pflicht ist der mich zu seiner Anerkennung zwingende Glückseligkeitstrieb des Andern Die Moral kann nicht |140| aus dem blossen Ich oder der blossen Vernunft ohne die Sinne sie kann nur aus der Verbindung von Ich und Du, welches, im Gegensatze zu dem sich denkenden Ich, nur durch die Sinne gegeben ist, nur aus der Verbindung der Kantischen „Autonomie" und der „Heteronomie", der Selbstgesetzgebung und der Gesetzgebung durch ein vom Selbst Unterschiedenes erklärt werden."*244 Diese Grundlagen aller Ethik, die man nicht wieder verlassen können wird, ohne Vernunft und Wissenschaft zu verachten, stimmen auf das Genaueste mit denen überein, die mein verstorbener Freund Proudhon in seinem letzten Hauptwerke für die Gesellschaftswissenschaft legte. Im Andern das eigene Ich erkennen und achten lernen, das ist der Weg zur Sittlichkeit, die zuerst Polizei, dann Justiz heissen mag, zuletzt aber Achtung oder Respekt vor der Menschenwürde, empfundene und bethätigte Gerechtigkeit heisst.'245 -
...
-
GW, Bd. 11, S. 64. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 71.] Sollte heissen: „Ein Wille, der nichts wollen soll", ein Imperativ, der sich gegen das Weltgebäude richtet. X. 66. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 74-75.] P. J. Proudhon: De la Justice dans l'Egalise et dans la Révolution (sollte Raison heissen, damit der Götzendienst der „Revolution" einmal aufhörte). Nouvelle édition, Bruxelles 1860, trefflich übersetzt von L. Pfau, O. Meissner, Hamburg. Proudhon ist auch so ein „Verschollener", der ebenfalls die Todtenrichter, d. i. Todtsager, überleben wird.
Feuerbach X. 62.
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Feuerbach gräbt hier wiederum so tief, wie noch kein Bergmann vor ihm gegraben hatte. Denn das „wohlverstandene Interesse" der französischen Enzyklopädisten ist erst ein verstandenes Interesse, noch kein für Andere empfundenes. Das alte: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst", hat den Fehler des kategorischen Imperativs, des Sollens überhaupt. Das zeitliche, nicht das Imperativische Futurum: Du wirst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst, ist das Motto der Sittengeschichte und Sittenphilosophie. Feuerbach schrieb einmal den Satz nieder: „Die Moral ist eine empirische Wissenschaft."335 „Was anders kann daher die Aufgabe der Moral sein, als das in der Natur der Dinge, in der Gemeinschaft selbst von Luft und Licht, von Wasser und Erde gegründete Band zwischen eigener und fremder Glückseligkeit, mit Wissen und Willen zum Gesetz des menschlichen Denkens und Handels zu machen?"*246 Nothwendiger Wille heisst aber nicht einfacher Wille. Im Menschen geht ein Streit der Motive vor, den er nach seinem Charakter entscheidet. Das höhere Motiv siegt über das niedere, der Wille wird reflexiv, d. i. sittlich. Vergiftetes Wasser trinke ich nicht im brennendsten „Nothwendigkeit und Folge aus einem gegebenen zureichenden Grund sind Wechselbegriffe", sagt richtig Schopenhauer, heisst es bei Feuerbach, der positiv die pessimistische Willenstheorie studirt hatte.337 Aber, fügt der Humanist hinzu, zwischen dem bestimmenden Grunde und seiner Folge stehe ich, dieses bestimmte Wesen. Was für mich gestern nothwendig war, ist es heute nicht, die Nothwendigkeit ist nur eine momentane und subjektive. Woher auch sonst die Reue, woher das Gewissen? Mit dem einfachen Mechanismus des Kausalgesetzes reichen wir also psychisch nicht aus; sonst wäre keine Reaktion möglich. Die Reue aber reagirt gegen die vergangene Nothwen-
Durst.3361141|
digkeit.*247
,JCant und nach ihm Schopenhauer" suchten die Nothwendigkeit der menschlichen Handlungen mit der Verantwortlichkeit dadurch zu vereinbaren, dass sie den „empirischen Charakter" des Menschen von dem „intelligibeln", idealen Charakter unterschieden. Der letztere soll die Verantwortlichkeit tragen, weil er „frei" ist. ,Jkber dieser freie Wille ist nur eine leere Tautologie des Dinges an sich"?3* Es heisst nichts Anderes als: der freigedachte Wille ist frei. Da fehlte nur noch ein Schritt, den Schopenhauer richtig auch gethan hat, nämlich zu behaupten: Operari sequitur esse, das Thun folgt auf das Sein, also ist der Mensch für sein Sein verantwortlich! Mit dieser Auffassung wusste sich Schopenhauer bekanntlich gar viel; die indische Abbüssung des Seins däuchte ihm die Tiefe aller Tiefen.
Nicht nachgewiesen. X. 70. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 78.] Vgl. den Abschnitt: Der Unterschied der Notwendigkeit. In: Feuerbach GW, Bd. 11, S. 82-85. Feuerbach GW, Bd. 11, S. 92. X. 88 ff. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 92 ff.] Feuerbach GW, Bd. 11, S. 98-99.
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Feuerbach: „Wofür ich keinen Grund weiss, dafür mache ich den Willen verantwortlich; was ein Fehler meiner Vernunft ist, das rechne ich dem Willen des Andern oft auch dem eigenen zur Schuld an. Weil ich in meinem Kopfe keinen Zusammenhang finde zwischen dem Menschen und dem Diebe, so finde ich ihn ausser mir in dem Strange, woran der Dieb am Galgen hängt. Operari sequitur esse, auf das Stehlen folgt -
-
Hängen."'24*
das Gerade auf das Sein, sagt Ffeuerbach], welches doch die Vorbedingung des Wollens ist, kann eingewirkt werden. Diätetische Mittel bestimmen den Organismus, influiren auf den Charakter und seine Wollungen. Nach dem spiritualistischen Cartesius und dessen eignen Worten „hängt der Geist von der Beschaffenheit der körperlichen Organe ab, so dass, wenn irgend ein Mittel ausfindig |142| gemacht werden kann, die Menschen weiser und sinnreicher zu machen, als sie bisher gewesen, dieses nach meiner Ueberzeugung nur in der Medizin gefunden werden kann; denn die Menschen würden von unzähligen, sowohl leiblichen als geistigen Uebeln frei werden, wenn sie geeignete Kenntniss von den Ursachen dieser Uebel und den Mitteln hätten, die uns die Natur
dagegen gewährt, f"]*249
Diesen weisen Worten, die
nur
eine
Erweiterung
des Mens
sana
in corpore
sano
sind,339 möchte man hinzufügen: Wenn es schwer, ja unmöglich ist, die fertigen Indi-
vidualitäten oder „empirischen Charaktere" zu ändern, so ist doch ein grosses Feld von Wirkungen eröffnet bei der Bildung von Individualitäten, ja von ganzen Generationen. Der absolute Wille als „Ding an sich" mag sich auf den Kopf stellen, die reladurch tiven Willen sind gerade so zu züchten wie die Tauben oder Orchideen die Und hier offenbar von anthropologische Uebersetzung Züchtung. Erziehung, liegt ein dankbareres Geschäft, eine menschenwürdigere Verwendung der Geistesgaben vor, als in dem bequemen Anachoretenthum des Pessimismus. Der Determinismus, weit entfernt, uns das Menschenthum in trübem Lichte zu zeigen und eine trostlose Aussicht in die Zukunft zu eröffnen, bildet vielmehr den Leitstern des Menschen wie der Gattung. Mit Willensfreiheit wären wir längst im Chaos der Anarchie versunken. Nur die Willensbestimmtheit hat uns gefordert und kann uns weiter fördern. Der Determinismus wir haben das hervorgehoben ist weder Mechanismus noch Fatalismus. Wäre er eins von beiden, so wäre noch keinem Menschen auch nur der Begriff: „Freiheit des Willens" in den Kopf gekommen. Die Uhr philosophirt nicht, und ein Türke auch nicht, wenigstens so lange nicht, als er ausruft: „Es steht geschrieben". Gerade der Determinismus bürgt für die Freiheit; wir können die Kinder und die folgenden Geschlechter „determinirt" frei machen. Betrachtet man freilich die bisherige Erziehung, so möchte man an die Willkür glauben. -
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X. 96-101. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 102.] X. 110. 111. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 110.] Siehe Feuerbach GW, Bd. 5, S. 282, Anm. 3 von S. 281.
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
721
Der Streit der medizinischen mit der philosophischen Fakultät, fährt Ffeuerbach] fort, ist der wahre Befreiungskampf der Menschheit. Der alte Kaspar Hoftnann im 17. Jahrhundert äusserte sich dahin: „Galen sagt immer: das richtige Massverhältniss oder die gehörige |143| Mischung und Beschaffenheit (temperamentum) des Körpers ist die
Seele.*250
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Um aber medizinisch-diätetisch auf uns einwirken zu lassen, um Jugend zu erziehen, Spiritualismus, die Lehre von der selbständigen Existenz des pneumatischen Prinzips und seinen willkürlichen Einflüssen auf das Andere, den Leib, ein für alle Mal aufgeben. Cartesius, Malebranche, Leibnitz, und an ihrem Schweife Hegel, sind lauter Spiritualisten, denen die Materie im Grunde verächtlich, dem Letztgenannten das „Aussersichsein" war. An dieser Stelle läuft die Hegel'sche Psychologie Spiessmüssen wir den
ruthen.*251
Ein höchst bedeutsames wäre
es
Kapitel
ist das 15.:
„Kritik des Idealismus".340 So frisch als
gestern geschrieben, so scharf, dass es zum Verwundern ist, wie die Gegner des
Pessimismus sich nicht in dieser Waffenkammer ausrüsteten, anstatt ihre lahmen Bedenken, die selbst auf Krücken gehen, wider die schreibfertige Modekrankheit ins Feld zu führen. Dass Ffeuerbach] von Fichte anhebt, um auf Schopenhauer zu kommen, hätte die Schopenhauerianer stutzig machen sollen. Ffeuerbach] kannte eben seine Geschichte der Philosophie zu genau, um sich durch Schimpfereien auf Beraubte irre machen zu lassen.*252 Das Ich, von welchem Fichte ausgeht, ist aber ein nur gedachtes, nicht wirkliches Ich; das wirkliche Ich ist nur das Ich, dem ein Du zunächst der eigene Leib gegenübersteht. Ich bin und denke nur als ein ausser dem Andern seiendes und denkendes Wesen, nur in Raum und Zeit. „Was weiss ein an sich unräumliches und unzeitliches Wesen von Zeit und Raum?"341 Wie wären also Zeit und Raum nicht Wesensbestimmungen, ihr Herren? „Ich denke, ich empfinde nur als Mann oder Weib, und ich bin daher vollkommen berechtigt, die Frage: ist die Welt nur eine Vorstellung und Empfindung von mir, oder auch eine Existenz ausser mir? mit der Frage: ist das Weib oder der Mann nur eine Empfindung von mir, oder ein Wesen ausser mir? auf gleichen Fuss zu stellen."*253 Der Grundmangel des Idealismus besteht darin, „dass er die Frage von der Objektivität und Subjektivität, von der Wirklichkeit |144| oder Unwirklichkeit der Welt, nur vom theoretischen Standpunkt aus sich stellt und löst, während doch die Welt ursprünglich, -
*250
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X. 124. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 121.] X. 153 ff. [Betrifft den bereits erwähnten Abschnitt 13: Der Spiritualismus der sogenannten Identitätsphilosophie oder Kritik der Hegeischen Psychologie, Feuerbach GW, Bd. 11, S. 144-163.] 340 Siehe Feuerbach GW, Bd. 11, S. 170-182. *252 Der hier angeregte Gedanke einer genetischen Kritik Schopenhauers verlangt eine besondere Aus*251
341
*253
führung.
Feuerbach GW, Bd. 11, S. 172. X. 188. [Feuerbach GW, Bd. 11, S.
173.]
722
Ludwig Feuerbachs Philosophische Charakterentwicklung
zuerst, nur weil sie ein Objekt des Wollens, des Sein- und Haben-Wollens ist, Objekt des Verstandes ist".342 Wie tief und fein zugleich! Der brutale absolute Wille wird psychologisch erklärt, wie jedes Dogma; auch psychologisch folgt der Intellekt auf den
Willen; aber grade der Wille fegt die Traumwelt der „subjektiven Anschauung", die
aufgewärmte Berkeley'sehe Illusion weg! „Kinder existiren allerdings zunächst nur „„inner- oder unterhalb der Haut"" der Mutter; aber der wesentliche Sinn und Trieb, das eigentliche Ziel und Objekt dieser verzwickten Existenz ist das direkte Gegentheil der Schopenhauer'sehen Philosophie -
ist die Existenz ausser der Haut.343 Existiren etwa die Kinder mit allen Wehen und Schmerzen bis zum Kaiserschnitt auch nur in der subjektiven aprioristischen Form der Anschauung? Ist die chirurgische Kausalität ein Traum des Philosophen? „Warum streckt denn die Katze ihre Krallen, statt nach der Maus, nicht lieber nach ihren eigenen Augen aus, wenn die Maus, die sie sieht, nur in ihren eigenen Augen existirt, nur eine Affektion ihrer Sehnerven ist?"344 Mit Einem Worte, das Objekt ist nicht blos Vorstellung, das „Objekt ist eben so gut Objekt-Subjekt, als das Subjekt Subjekt-Objekt, d. h. das Ich Du, Ich, der Mensch; Welt- oder Naturmensch, gleich wie die Katze wesentlich Mauskatze, die Raupe, die von der Wolfsmilchstaude lebt, Wolfsmilchraupe, die Laus, die von den Blättern der Pflanzen lebt, Blattlaus ist und heisst."*254 „Wenn die Empfindung ein in sich verschlossenes, karthäuserisches, gnostisches, buddhistisch nihilistisches Wesen wäre, so wäre es allerdings, unmöglich, ja unsinnig, von ihr aus zu einem Objekt, einem Etwas ausser ihr, einen Uebergang finden zu wollen; aber die Empfindung ist das grade Gegentheil der asketischen Philosophie: ausser sich vor Wonne oder Schmerz, leut- und redselig, lebenslustig, genusssüchtig, d. h. objektsüchtig, denn ohne Objekt kein Genuss."*255 Und jetzt fasst Feuerbach Schopenhauer, den er einen „übrigens selbst von der Epidemie des Materialismus angesteckten Idea-|145|listen nennt, corps à corps, von wegen der Empfindung „innerhalb der Haut", wie man das gefälligst nachlesen Aber kaum lässt er den philosophischen Idealisten los, so packt er auch schon den „physiolo-
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möge.*256
Feuerbach GW, Bd. 11, S. 173-174. Ebenda, S. 174. Ebenda. X. 191. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 175.] X. 189-193. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 176.]
X. 193-6. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 176.] Freilich ist Schopenhauer vom Materialismus angesteckt, da er die Materie für die wahre, beharrliche Substanz erklärt. Aber er ist eben aus Wider-
sprüchen zusammengesetzt: auf dem realistischen Göthe'schen Boden erwuchs ihm die Abhandlung „Ueber das Sehen und die Farben" [Leipzig 1816, siehe besonders S. 84-88], und doch gewahrte er die sichtbare, bunte Welt nicht, erklärte sie vielmehr für einen „Traum", mit demselben Calderón, der das sagte:
El mayor delitto Del hombre es haber nacido.
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723
gischen Idealisten", in der Person Johfannes] Müller 's („Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes").345 Müller meinte nämlich, das Licht sei „nicht der erste und vornehmste Impuls zur Erzeugung der Empfindung des Lichts und der Farbe, sondern unter vielen andern der gewöhnlichste". Ffeuerbach] fragt: „Wie verträgt sich dieser Gedanke mit gesunden Sinnen? Der Sehsinn (Lichtsinn) ist nur für das Licht empfänglich, für das Licht von der Natur prädestinirt; das Licht ist sein Eins und Alles; für ihn existirt nur Licht, darum ist alles Andere für ihn auch nur Licht, oder er nimmt jeden Eindruck auf sich, welcher Art er auch sei, als Lichterscheinung auf; aber eben desswegen hat die phantastische oder überhaupt subjektive Lichtempfindung nicht gleiche Bedeutung mit der objektiven, jene ist eine dieser untergeordnete, von ihr abzuleitende. Wie kann ich eine ohne äusseres Licht entstandene Sehsinnaffektion als feurigen Kreis, als Funken oder Flammen wahrnehmen und bestimmen, wenn ich nicht schon unter dem Beistand des göttlichen Lichts in natura Feuer, Funken und Flammen gesehen habe? Licht ohne Auge, oder was Eins ist, ohne äusseres Licht, ist ein Licht, das nicht leuchtet und erleuchtet, das nur Ich, aber kein Anderer wahrnimmt, mit dem ich selbst nichts sehe und wahrnehme. Also ist dieses subjektive, dieses nichtsnutzige, dieses äffische Licht himmelweit verschieden von dem wahren, dem allgemeinen Lichte, worin nicht nur Ich, sondern zugleich auch der Andere sieht, worin ich nicht nur sehe, sondern auch gesehen werde, nicht nur Subjekt, sondern auch Objekt des Sehens bin Desperater Durst macht selbst den Urin zu einem Getränke. Wer sollte aber desswegen dieses selbstfabrizirte, von unsern Nieren ausgeschiedene Wasser mit dem Quellwasser der Natur ausser uns auf gleichen Fuss stellen schliessen, dass das |146| Wasser nur der gewöhnlichste, nicht der normale, naturgemässe Gegenstand unseres Durstes, d. h. 257 unseres Wasserbedürfnisses ist!" Man wird diese ruhige, geistvolle Klarheit mitten im „Elend des Lebens", in der „Qual des Daseins" verehrend bewundern. Feuerbach war nicht der Mann, der seine persönlichen Schrullen auf den Markt hinaustrug, der aus individuellen Capricen ein System aufbaute. Was er subjektiv zu klagen hatte, das blieb subjektiv, epistolarisch an Freunde gerichtet, oder monologisch ad se ipsum niedergeschrieben. Erst wir, die Nachlebenden, haben die Pflicht, den Schleier seines subjektiven Martyriums ein wenig zu lüften, weil uns daraus das Recht erwächst, von seiner Grosse zu reden. Ja, er war ein Märtyrer für die Menschheit, aber ohne Paukenwirbel und Trompetengeschmetter. Er feierte das Leben auf der Asche seiner bescheidensten Lebenshoffnungen. Er war in der That ein „moralisches Genie". ...
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Feuerbach GW, Bd. 11, S. 180. Siehe auch J. Müller: Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes des Menschen und der Thiere, nebst einem Versuch über die Bewegung der Augen und über den menschlichen Blick, Leipzig 1826. X. 197-200. [Feuerbach GW, Bd. 11, S. 180-182.] -
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XI. Die Moral von der Geschichte Die „Geschichte" bedeutet hier die Philosophie, und die „Moral" die Moral, als Resultat der Philosophie. Feuerbach wollte schon lange sein Fazit ziehen, die Quintessenz aller Spekulation, alles Denkens, aller negativen und positiven Kritik, in planster Darstellung, in durchsichtigstem Style, in den populärsten Ausdrücken hinstellen. Das wollte er, natürlich ausführlicher als ihm vom Geschicke verstattet wurde. Soll aber ein Fazit kurz und gedrungen sein, muss sich ein Resultat übersichtlich gestalten, darf die epigrammatische Spitze nicht fehlen: tant de bruit pour une omelette und doch ist auch der Eierkuchen etwas in seiner Art und zu seiner Zeit Vortreffliches, „Vollkommenes" so haben wir die kurze Fassung des handschriftlichen Nachlasses: Zur Moralphilosophie, nicht einmal zu bedauern. Feuerbach liebte es, gewisse Abstrakta, die aus der Aufklärungsperiode und aus dem sie abschliessenden praktischen Kantia-|147|nismus sich ins gewöhnliche Bewusstsein hineingestohlen hatten, als Probleme seiner Untersuchungen festzuhalten, um durch die Analyse solcher Begriffe jenem Bewusstsein über sich selbst hinauszuhelfen. So setzte er den Hebel an „Gottheit, Freiheit, Unsterblichkeit", so warf er den „Glückseligkeitstrieb", den verdeutschten Eudämonismus, in die Retorte, und quälte ihn von einem Brautgemach ins andere. Die hochwohlweisen Metaphysiker von Profession, in Amt und Würden, mochten das gemeinplätzig finden und auf solch vulgäres Treiben geringschätzig hinabblicken. Was kümmerte es ihn? Hatte er doch seine Freude dran, wenn er ihnen nachwies, dass der ganze Inhalt ihres Abrakadabra eben nur Gemeinplatz sei, dass man die Philosophie jedem Menschen von gesunden fünf Sinnen in einer Stunde beibringen kann, sobald man ihm nur den Kopf vorher ausgefegt hat, und dass die Weisesten aller Zeiten im Grunde nur behauptet haben: „Das Getriebe erhalte sich durch Hunger und durch Liebe", vorbehaltlich des Pleonasmus, dessen sich Schiller bei dieser Gelegenheit schuldig gemacht habe.346 Auch Lessing schloss sich seiner Zeit an solche courante Ausdrucksweisen mit Vorliebe an, er zahlte gern in landläufiger Münze. Gar oft kam ihm z. B. das Wort „Vollkommenheit" in die Feder. Darob kanzelte ihn später der aristokratische Plebejer Schopenhauer ab, als ob Lessing die Münze geschlagen hätte, als ob er sie aus einem andern Grunde hergegeben, als weil Jeder sie unbedenklich für voll nahm! Im letzten gedruckten Werke war Ffeuerbach] in der Mitte seiner Erörterung von „Spiritualismus und Materialismus" wieder von der Ethik abgekommen und auf die spekulative Philosophie und Physiologie gerathen. Es blieb ihm also das ethische Problem auf dem Gewissen. Zwei Jahre nach der ersten Mahnung der Natur an seinen Kopf, im Winter 1868 auf 69, verfasste er das, was man die Moralphilosophie in der Nuss nennen könnte. Ein allgemeiner Titel findet sich in der Handschrift nicht vor; nur -
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F. Schiller: Die Weltweisen. In: GW Schiller, Bd. 1, S. 220.
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die Abtheilungs-Titel sind authentisch. Die Familie hatte eine Autobiographie erwartet, sie war einigermassen erstaunt, als sie die Fragmente einer Theorie der Moral unter den Papieren des schweigsamen Dulders entdeckte. Die Anlehnungen an den 10. Band sind sichtbar, oft greifbar; bei den Hauptstellen haben wir dies unter dem Text angemerkt. Man kann die Moralphilosophie, wie sie Feuerbach hier gibt, |148| in den Satz zusammenziehen: Die Sittlichkeit besteht in der Vereinbarung des fremden Glückseligkeitstriebes mit dem eigenen, und hinzufügen: Da die Sittlichkeit eine empirische Angelegenheit, folglich ein Werden und Wachsen ist, so geht sie vom äusserlichen Zwange aus, wird später Thatsache des innerlichen Zwanges, und endet damit, selbstredend, d. i. Gesinnung zu sein. Wieder hat er es mit Schopenhauer zu thun, dessen Ideal der hinterasiatische Buddhismus oder Buddhaismus war. Ffeuerbach] weist nach, dass der Buddhismus weit entfernt, den Glückseligkeitstrieb zu leugnen, vielmehr gleich jeder andern Weltanschauung auf ihn gebaut ist. „Wehe der Kurzsichtigkeit und Engherzigkeit, die nur in dem plumpen deutschen Hopsasa, oder gar in dem brutalen Hurrageschrei, nicht auch in dem Weheruf und Klageton irdischer Schwermuth die Stimme des Glückseligkeitstriebes vernimmt! Auch der asketische Buddhist hat, wie unser Eins, kein Gefallen am Kranksein, nein! so eifrig wie wir sucht er nach einer Panacée, nach einer Arznei, die ihn von allen seinen schmerzlichst empfundenen Krankheiten und Uebeln heile; aber weil er mit seinem überreizten Nervensystem das Leben selbst als eine Krankheit empfindet und ansieht, so findet er begreiflicher Weise diese Arznei nur im Tode. Nirwana heisst daher unter Anderm ausdrücklich „die Arznei, die alle Leiden hebt und alle Krankheiten Schopenhauer wird persönlich als „vor den übrigen deutschen spekulativen Philosophen durch seine Unumwundenheit, Klarheit und Bestimmtheit ausgezeichnet" anerkannt, auch seiner Theorie vom „Mitleid" alles Gute nachgesagt, was sie enthält. Die Konsequenz aber, die der Pessimismus nicht zieht, zieht Feuerbach für ihn aus dessen eigenen Prämissen: Wem die menschliche irdische Glückseligkeit ein Nichts ist, dem muss auch das menschliche Leid und Elend Nichts sein. Der Massstab für das Elend liegt ja in seinem Gegensatze, im Glück; wer nicht weiss, was Glück ist, hat auch keine Idee von Elend. Woher aber weiss er etwas vom Glück? doch nur aus der irdischen Erfahrung. Und wer das Nichts anstrebt, der verlangt wieder nach Glück, wenn auch nach einem absonderlichen. Dass Zeit und Raum „keine blossen Erscheinungsformen" vielmehr „Wesensbedingungen, Vernunftformen, Gesetze des Seins wie des Denkens" sind, wussten wir |149|
heilt."["]347
BwN, Bd. 2, S. 265. Siehe auch Ludwig Feuerbach. Zur Moralphilosophie (1868). Kritisch revidiert von W. Schuffenhauer. In: H.-J. Braun (Hrsg.) Solidarität oder Egoismus. Studien zu einer Ethik bei und nach Ludwig Feuerbach, Berlin 1994, S. 380. Demnächst in Feuerbach GW, Bd. 16. -
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schon aus den „Grundsätzen der Philosophie der Zukunft". Hier, im Nachlass, hören wir es in populärer Weise zum letzten Male. Der Zusammenhang und das Verhältniss von Recht und Moral wird im 9. Abschnitt348 höchst einfach und prägnant dargestellt: Die Moral beginnt mit der Zwangspflicht, unter der Sanktion der Strafe. Das Recht umfasst also ein bestimmtes und begränztes Moralgebiet; wenn aber die Moral weiter greift, neue Forderungen stellt, so zwingt sie das Recht, ihr nachzukommen und ihre sittlichen Ansprüche legislatorisch zu sanktioniren. Ein Gedanke von der grössten -
Tragweite! In den Jahren 1843-44 schrieb Feuerbach in sein
Tagebuch: „„Der
Mensch kann nicht aus der Natur abgeleitet werden""! „nein aber der Mensch, der unmittelbar aus der Natur entsprang, war auch nur noch ein reines Naturwesen, kein Mensch. Der Mensch ist ein Produkt des Menschen, der Kultur, der Geschichte. Viele Pflanzen und Thiere sogar haben sich unter der Pflege der menschlichen Hand so verändert, dass wir ihre Originale gar nicht mehr in der Natur nachweisen können. Willst Du zur Erklärung ihres Ursprungs zu einem Deus ex machina Deine Zuflucht nehmen?"*259 Das war vor Darwin. Im zweiten Abschnitt des nachgelassenen Werkes wird Darwin selbst zitirt, und zwar mit seiner Schrift: „Das Variiren der Thiere und Pflanzen etc. I. 384".349 Feuerbachs frühere Naturanschauung wurde also später glänzend gerechtfertigt. Der unermüdlich Fleissige war bis an seinen Lebensabend allen bedeutenden Erscheinungen der wissenschaftlichen Literatur eifrigst gefolgt. Er hatte die spekulative Philosophie in Psychologie und Physiologie, d. i. in Anthropologie aufgelöst, dem Menschen die fatale Deuteroskopie ausgetrieben, ihm seine natürlichen gesunden Augen zurückgegeben. Erkenne Dich selbst, hatte er ihm zugerufen, in all den transzendenten Phrasen, in dem ganzen Gallimathias der Theologie und Philosophie! Werde im Kopfe, was Du im Herzen bist, natürlich! Du bist ja aus der Natur. Und grade während Feuerbach auf seinem Gebiete unermüdlich vordrang und dabei glänzende Perspektiven in das Naturerkennen 1150| eröffnete, arbeitete die Naturwissenschaft von allen Seiten auf den Punkt hin, wo sie sich mit dem Gedanken begegnen sollte. Die Naturforscher ihrerseits riefen: Es ist nichts mit der brutalen Empirie, mit dem unendlichen Experimentiren, Vernunft muss bei dem Werke sein. 260 Mit aller
II. 332. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 326.] Auf die ganze Apriorität, welche Schopenhauer von Kant entnahm und noch schroffer gestaltet, komme ich an anderm Orte zurück, und bedaure zum Voraus, dass nicht viel von ihr übrig bleiben wird. D[er] Herausgeber]. BwN, Bd. 2, S. 285-295. II. 411 (1846). [Feuerbach GW, Bd. 10, S. 178. Die Notiz- und Tagebücher aus den Jahren 1846 bis 1870 befinden sich in der Universitätsbibliothek München und sind dort unter der Signatur 4° 935 all verzeichnet.] Ch. Darwin: Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication, 1. Bd., Stuttgart 1873, S. 384. „Wir dürfen nur nicht den Verstand von den Sinnen abtrennen, um das Uebersinnliche, d. i. Geist und Vernunft im Sinnlichen zu finden." II. 331. [Feuerbach GW, Bd. 9, S. 325.] -
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gesegneten Induktion kommen wir nicht über den Baconischen Hamlet hinaus; die Deduktion muss mit der Induktion in die engste Verbindung gebracht werden. Die -
Franzosen hörten die Italiener mitten im Mont-Cenis bohren: die Naturforscher hörten Feuerbach, Feuerbach die Naturforscher. Und ein freudiger Seufzer entwand sich der Brust Beider.*261 Wenn das menschliche Denken vorzugsweise durch Einen zur reinen Naturbetrachtung, zum Naturverständniss vorbereitet worden ist, so heisst dieser Eine Ludwig Feuerbach, weit eher als Schopenhauer; denn Schopenhauer, der sich beständig seiner ehernen Konsequenz rühmt, sprang von der Natur ab in die religiöse Mystik. So klar durch Göthe in das Allleben eingeführt, desertirte er doch in den Alltod. Der scharfsinnige Kantianer suchte ein Absolutes, er der behäbige, geistreiche Spötter über jedes ,Absolutum"; was Kant als gleichgültig zur Seite geschoben hatte, das Ding an sich, das imponirte ihm gewaltig, und er jubelte sein „Gefunden" in allen Tonarten, als er den Willen, d. h. im Grunde das Leben, die treibende Kraft des Daseins, an die Stelle der „absoluten Idee" auf den Thron gesetzt hatte. In der That, der absolute Wille ist gleich und parallel der absoluten Idee, oder dem absoluten Geist. Beide objektiviren sich in den besondern (Platonischen) Ideen. Das Einzelne ist nicht, ist verschwindendes Moment, das „Dieses" ist nichts, das „Hier" nichts, oder das Objekt existirt nicht, ist Illusion der Anschauung. Bei Hegel ist der absolute Geist Nirwânaf,] Hegel fängt nur mit dem 11511 Nichts an, während Schopenhauer mit dem Nichts aufhört. Ist das wohl der Mühe werth, Hegeln einen „Charlatan, Windbeutel, Kaliban" zu schelten, von „Afterweisheit und Pöbelphilosophie" zu re-
den?350
weise, wie sokratisch, ist Feuerbach gegen Beide! Er beginnt nicht mit dem sondern mit der Nichtphilosophie, mit dem fühlenden, empfindenden Menschen, Nichts, entlockt ihm die Geheimnisse der Philosophie, erklärt sein Wesen, und schliesst wieder nicht mit dem Nichts, sondern mit dem bewussten Menschen, der einen mächtigen Inhalt zu entfalten, geschichtlich zu realisiren hat. Wie
„Als man in den fünfziger Jahren anfing, die Geistesschöpfungen, namentlich eines Humboldt, weiteren Kreisen zugänglich zu machen und seitdem überhaupt die Naturwissenschaft in ihren weitesten Verzweigungen einen neuen Aufschwung nahm, da besannen sich die für den humanistischen Gedanken Eintretenden rechtzeitig auf die Feuerbach'sehen Philosopheme, um sie zur Grundlage ihrer Deduktion zu machen. So wie auf dem kosmischen Gebiet überall Humboldts Geist weht, so tränkte der Feuerbach'sche Sensualismus die geistige Atmosphäre des gesammten modernen Lebens." So schrieb Dr. H. Benecke, fidus Achates, am Tage nach Feuerbachs Begräbniss. S[iehe] Wiener „Presse", [Nr. 257 vom 18.] September] 72. Siehe A. Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. In: Arthur Schopenhauers sämtliche Werke, hrsg. von P. Deussen, 1. Bd., S. XXXII-XXXIH, 204 und S. 517. Siehe weiter ebenda, 2. Bd., S. 47, 75, 206 und S. 705. Ders.: Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde. Eine philosophische Abhandlung. In: Ebenda, 3. Bd., S. 104, 161 und S. 221. -
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heilige Schaar von Priestern des erkannten Lebens, des ewigen Werdeprozesses wenn sie noch Lust und Musse zur Apotheose haben, sollen Ludwig Feuerbach in ihr Pantheon stellen. Denn er hat sie errathen, vorausverkündigt; Die Naturforscher aber, jene -
hat als Herkules die zwölf Grossthaten vollbracht, um das hellenische Land von den Ungeheuern, Wäldern und Morästen zu säubern, vor deren Beseitigung von einer wahren Geisteskultur keine Rede sein kann. Das ist seine Bedeutung, seine Grosse, in saecula, saeculorum. er
„Wirkliche Erkenntniss ist eben nur die Erkenntniss des Wirklichen. Erkenntniss des Wirklichen ist aber das Wesen und der Zweck meiner Philosophie, gleichgiltig ob nun das Mittel, das Organ dieser Erkenntniss, Idealismus oder Realismus heisst oder ist."351
„Nichts ist gemeiner und niederträchtiger, unwürdiger nicht nur eines ehrlichen, sondern eines wissenschaftlichen Mannes, als den naturwissenschaftlichen oder philosophischen Materialismus mit dem bürgerlichen Materialismus, dessen Materie, dessen Grundstoff das Geld ist, mit dem Pecunialismus zu identifiziren. Nichts ist dem Pecunialismus entfernter, nichts ein grösserer Widerspruch, als die Beschäftigung mit dem Stoffe der Natur, des Hirns, und dem spiritualistischen Stoffe der Gesellschaft, wieder dem Gelde."*262 „Ich bin Idealist auf dem Gebiete der praktischen Philosophie, d. h. ich glaube unerschütterlich, dass gar Manches, ja wohl |152| gar Manches, was den kurzsichtigen, kleinmüthigen Praktikern heute für Phantasie, für nie realisirbare Idee, ja für blosse Chimäre gilt, schon morgen, d. h. im nächsten Jahrhundert, in voller Realität dastehen wird. Aber auf dem Gebiete der
Realismus."'263
eigentlich theoretischen Philosophie gilt mir nur der
L. Feuerbach:
Nachgelassene Aphorismen. [L. Feuerbach:] Nachgelassene Aphorismen. Die letztere Stelle stimmt vollkommen zu der berühmten Häckelschen Erklärung in der „Natürlichen Schöpfungsgeschichte". Abermaliges
Zusammentreffen! [Siehe E. Haeckel: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträge über die Entwicklungslehre im Allgemeinen und diejenige von Darwin, Goethe und Lamarck im Besonderen, über die Anwendung derselben auf den Ursprung des Menschen und andere damit zusammenhängende Grundfragen der Naturwissenschaft, Berlin
1868.]
„Wesen des Christenthums", Vorrede zur 2. Aufl. VII. 10. [Feuerbach GW, Bd. 5, S. 15, Anm. 1 von
S.
10.].
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Idealismus, Realismus, Materialismus, Theismus, Pantheismus, Atheismus -„Spitz-
Spitznamen!"352
namen!" „Triviale Er begann mit der scholastischen Spekulation, mit dem unendlichen Vertrauen zu sich selbst, zur absoluten Vernunft. Wir sind in den Flegeljahren extemporiren wir eine Welt! Dann wurde er kritisch, skeptisch, suchte und strebte aber immer noch vom „Geist" aus, nach dem Gegensatze, nach dem Andern. Er negirte die Religion und hielt bescheiden den Bayle vor sich hin. Hierauf untersuchte er die Dinge, und vorzüglich das Ding aller Dinge, das wahre Ding an sich, den Menschen, das menschgewordene Ding. Die konkrete Vernunft enthüllte sich vor seinen Augen, die Negation wurde zur thatsächlichen, d. h. zur Affirmation des Negirenden selbst. Endlich Hess er den Menschen in schlichter, ungelehrter Sprache reden, er war anthropologischer Naturforscher, naturwissenschaftlicher Anthropologe geworden. Jetzt musste er sich nothwendig mit der Entwicklungstheorie begegnen. Es gibt fortan keine andere Philosophie mehr als diejenige, welche die Resultate der AnschauungsErkenntniss zum Ausgangspunkte nimmt. Das kosmische Gesetz geht mitten durch den -
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Menschen hindurch.
Und nun fahre wohl, Du seliger Todter denn selig ist, würdest Du sagen, wer beseligt hat und noch beseligt, nämlich Andere. Emigravit, rief Wil[l]ibald Pirckheimer dem Altmeister deutscher Kunst, dem Franken Albrecht Dürer353 nach. Emigrasti, Du bist ausgewandert, nicht auf einen Stern, Du selber Stern in der Nacht der Erde, nicht in eine unfindbare Welt, auch nicht ins Nichts, sondern in die bewusste Menschheit, aus der Du hervorgegangen, und deren Bewusstsein Du so mächtig gesteigert hast. Dort lebst Du, reich durch sie sie reicher durch Dich un-| 153 Isterblich. Vom traurigen Rechenberg in die heitere Unsterblichkeit! Du hörst nicht mehr „die verfluchten Hunde bellen", Du frierst nicht mehr in Deinem unheizbaren Zimmer, Du wünschest nicht mehr ein „Holzhacker" geworden zu sein ach, es wird Holz genug gehackt, schlechtes und schlecht. Jetzt strömst Du unaufhörlich Deinen Feuerbach aus, den Dir des Lebens Noth so oft zum Stocken brachte es Auf den Sockel des Denkmals, welches Dir ein edelgesinnter gibt auch solche, wie Mirabeau ein edler Adliger war, und der Herzog von Noailles -
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„Bourgeois"354
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Siehe Feuerbach GW, Bd. 6, S. 31. Siehe auch Feuerbach GW, Bd. 9, S. 243, Anm. * Im Original fälschlich: Albert Dürer Grün bezieht sich auf Freiherr Theodor von Cramer-Klett. Über ihn siehe J. Biensfeld: Freiherr Dr. Theodor von Cramer-Klett, erblicher Reichsrat der Krone Bayerns. Sein Leben und sein Werk, ein Beitrag zur bayerischen Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts, Leipzig 1924. -
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auf dem Johanniskirchhofe zu Nürnberg errichtet hat, lege ich dieses geistige Denkmal in stolzer Bescheidenheit nieder. Feuerbach! wenn ich nur zur Hälfte gesagt habe, was Du gewesen bist, nein, was Du bist es wäre die beste That meines Lebens. Ganz das weisst Du ja will so etwas nie heraus, ganz kann man sich nicht „ausschütten"; ein Unsagbares, der musikalische Rest, bleibt immer zurück. Sei also halb zufrieden als Du unter uns wandeltest, war das ein hohes Lob Goisern bei Ischl, Juni 1874. Karl Grün. -
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Redaktionelle Vorbemerkung1
Das Leben und Wirken Ludwig Feuerbach 's hat sich mir bei der Durchsicht seiner Papiere, in natürlicher Uebereinstimmung mit seinen „Sämmtlichen Werken", von selbst in fünf Perioden getheilt, nach denen ich das Druckenswerthe in der Korrespondenz wie in den handschriftlichen Aufzeichnungen zu ordnen bemüht war. Diese fünf Perioden sind kurz folgende:
Periode: Von der Geburt bis zur Promotion, 1804-1828, also Knabe, Jüngling und Eintritt in eine selbständige Existenz. II. Periode: Von der Habilitation des Dozenten bis zur Proklamation einer eigenen Philosophie, 1829-1839, also Durchkämpfung des Hegelthums und mächtige historische Schöpfungen. III. Periode: Die eigene Philosophie Feuerbach's und deren Vertheidigung, beides noch im Gewände des „spekulativen" Denkens. Centrum: das „Wesen des Christenthums" und das „Wesen der Religion", die „Thesen" und „Grundsätze". 1840-1850. IV. Periode: Die Natur und Mensch gewordene Philosophie: „Théogonie", für ihn selbst das Höchste. 1850-1860. V. Periode: Die Leidenszeit. Alle Gedanken gehen auf sittliche Probleme, auf Moralphilosophie: „Gottheit, Freiheit und Unsterblichkeit" 1860-1872. I.
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K. Grün: Redaktionelle Vorbemerkungen. In: BwN, Bd. 1, S. 157-160, S. 161-162, S. 220-225, S. 330-332 und BwN, Bd. 2, S. 1^1 und S. 109-115.
732
Redaktionelle Vorbemerkung
Die der fünften Periode ganz zugetheilten „Aphorismen" repräsentiren wesentlich den Charakter der Feuerbach'sehen Thätigkeit in diesem Zeitraum. Ansätze, Programme, Motti, Maximen, auch Seufzer und Klagen, bedecken sprungweise das Papier; zu Ausführungen kommt es nach 1866 nicht mehr recht. Die Arbeit über |158| „Moralphilosophie" bildet den letzten grösseren Ansatz. „Die Gegenwart ist mir fortdauernde Vergangenheit", sagte er.2 Allerdings gehört ein Theil dieser „Aphorismen" in die 50er Jahre, in die „Zeit der ärgsten Reaktion"3, ein ganz kleiner Theil sogar in die 40er Jahre. Diese beiden letzteren Klassen schienen mir jedoch nicht einen so prägnanten Zeitcharakter an sich zu tragen, dass sie unbedingt von ihren Geschwistern hätten getrennt werden müssen. Auch dünkte mir eine Sonderung dieser Keilschriften nach Materien und Gedankenrichtungen weit rathsamer, als die abstrakte chronologische Ordnung mit dem bunten Gewirr der Gegenstände und Zielpunkte. Zum Ueberfluss wird der aufmerksame Leser die Zeitunterschiede leicht herausfühlen. Unter „Nachlass" begreife ich sämmtliche ungedruckte, noch vorhandene Manuskripte, einerlei, welcher Lebensperiode sie angehören. Manches war hier werthvoll, weil es gewisse Durch- und Uebergänge schärfer markirte, als dies in den „Werken" der Fall ist; Anderes, weil die zukünftige Entwicklung sich deutlicher darin ankündigt; noch Anderes endlich, weil es an und für sich schön und bedeutsam ist. Obgleich ich die 10 Bände „Sämmtliche Werke" ziemlich inne zu haben glaube, ist es doch möglich, dass etliche Anklänge, ja sogar kleine Wiederholungen von bereits Gedrucktem sich eingeschlichen haben. Man mag dann das Gute vielleicht Vergessene zweimal lesen. Der Briefwechsel Feuerbachs ist mir zum grössern Theile so übergeben worden, wie er hier vorliegt. Das soll heissen, nur aus dem Gegebenen hatte ich die zweckmässige Auswahl zu treffen. Dann habe ich allerdings verschiedene Versuche gemacht, in den Besitz anderweitiger Briefe Feuerbachs zu kommen; von diesen Versuchen sind einige geglückt, andere zum Theil unbegreiflicher Weise missglückt. Wo Feuerbachs Meinung aus der Replik klar wurde, konnte ich mich trösten und kann sich auch der Leser trösten; wo dieses nicht der Fall ist, bleibt hin und wieder ein Fragezeichen stehen. Die Briefe Anderer sind häufig, nicht immer, eine nothwendige Ergänzung der Briefe des Einen; sie adumbriren, illustriren oft die undeutlicheren Züge seiner Physiognomie. Bei Feuerbach aber, dem ungern, nur gezwungen Schreibenden, erhalten jene Briefe eine noch viel höhere Bedeutung. Ich habe in jenen Briefen an Ffeuerbach] bei der strengsten Prüfung und Erwägung, ob sie und in wieweit sie sich auf Ihn, auf sein Wesen,\\59\ seine Entwicklung beziehen, Manches mit Vorbedacht stehen lassen, was scheinbar keine Beziehung auf ihn hat, was aber den philosophischen Hintergrund der betreffenden Zeit auf die Scene malt, und Ihn selbst daher desto besser abhebt. Man -
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-
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kann sich da im Einzelnen irren, aber dieser Irrthum ist verzeihlich.
2 3
L. Feuerbach: Ebenda.
Nachgelassene Aphorismen.
Redaktionelle Vorbemerkung
733
Im Prinzip ist selbstredend die chronologische Ordnung eingehalten worden. Von ihr bin ich nur da abgewichen, wo es sich um den Abschluss oder die Abrundung eines bedeutenden brieflichen Verkehrs handelte, so namentlich bei den Briefen Feuerbach's an seine Braut, bei Daumer und Moleschott. Dasselbe gilt auch von den Aktenstücken zur Auseinandersetzung mit Hegel, die ich dem Schluss der zweiten Periode einverleibt habe, obgleich die Polemik z. B. gegen die Hegel'sche Psychologie bis in das letzte gedruckte Werk von 1866 hineinspielt. Aber etwas Anderes schien mir die erste bewusste Loslösung, und wieder etwas Anderes das spätere kritische Zurückgreifen. Vielleicht findet Dieser und Jener, dass die „untern Götter" des Feuerbach'sehen Olymps zu sehr berücksichtigt wurden, dass Persönlichkeiten ins hellste Licht gestellt sind, die, wie man sich vornehm ausdrückt, „nicht zur Philosophie gehören". In diesem Punkte kann ich indessen nicht einmal Verzeihung annehmen, da ich die Manen des grossen Todten zu respektiren hatte. Feuerbachs Stolz war es, für Menschen gedacht und geschrieben zu haben; er verachtete schier seine „philosophischen" Leistungen im engeren Sinne; er hatte kein Herz für Dilettanten, er liebte das Volk, den sogfenannten] „gemeinen Mann". Er arbeitete sich beständig aus der Schulstube heraus, auf den Markt hin; er dachte an eine Volksausgabe seiner Schriften, er hätte reden mögen wenn es seine Natur, und langjährige Vereinsamungs-Gewohnheit vielleicht noch mehr, gestattet hätten. In seinem Geiste, im Einverständniss mit seinen Herzensgedanken, ist daher das natürlich aus rein objektivem Material, erbaut worden. Diesen „Philosophische Konrad Deubler, eine Kern- und Prachtnatur, hat Feuerbach unter den Männern geliebt, wie die „Théogonie" unter seinen Werken. Der hat ihm bewiesen, was das Volk verstehen kann, und wie das Volk die Märtyrer des Gedankens ehrt und liebt. Feuerbachs Leben ist nicht ohne Konrad Deubler. Es war eben eine andere Zeit, aus welcher solche Idylle erwuchsen, eine andere Philosophie, welche die Menschen erwärmte |160| und begeisterte. Man war noch weit zurück, man wandte sich noch nicht an die „gebildeten und gutsituirten Klassen", welchen dann zugemuthet wurde, alles aufzubieten zur „Verbreitung der pessimistischen Doktrin". Man hatte noch die leidige Achtung vor „Allem was Menschenantlitz trägt", man bildete sich noch ein, man „könnte was lehren, die Menschen zu bessern und zu bekehren".5 Und man ehrte und liebte, wo man es fand, „das Herz, das der Bauer im Kittel -
Idyll",4
trug".6
Tempi passati.
4
5 6
-
Kfarl] Gfrün]
Siehe BwN, Bd. 2, S. 215-235. J. W. v. Goethe: Faust. Der Tragödie erster Teil. In: SW Goethe, Bd. I., 7/1, S. 33. G. A. Bürger: Das Lied vom braven Manne. In: Ders., SW, hrsg. von G. und H. Häntzschel, Frankfurt am Main 1987, S. 214-220, Zitat auf S. 219.
Redaktionelle Vorbemerkung
734
I. Periode7 Von 1804-1828 Von der Geburt bis zur Promotion. Knabe, Jüngling und Eintritt in eine selbständige Existenz -
Ludwig Andreas Feuerbach wurde geboren am 28. Juli 1804, Samstag Nachts Vi 2 Uhr, als vierter Sohn des damaligen Hofraths und Professors Anselm Feuerbach, zu Landshut. Der spätere Adel des Vaters war ein Verdienstadel, und erbte nur auf den ältesten Sohn, den berühmten Archäologen fort.8 Seine Mutter war eine geb. Mina Tröster, aus Dornburg bei Jena, eine schöne Frau.9 Das mir vorliegende Taufzeugniss vom ,,k[öniglich] bayrischen Stadt-Pfarramt zum heiligen Jodokus" zu Landshut besagt ausdrücklich: „nach katholischem Ritus getauft". Das hätte der P[ater] Ildephons [Müller], 0[rdinis] Sfancti] B[enedicti], zu Mariastein
wissen sollen, als er dem grossen Ketzer unter dem 11. October 1867 schrieb: „O möchtest du, da du so bist, unser sein!" (S[iehe] den Brief im II. Bde.)10 Von einer Rebaptisation oder Wiedertaufe ist schlechterdings keine Spur aufzufinden, und so könnte der Katholizismus aus der Taufe der Noth da kein protestantischer Geistlicher zu haben war eine Nothwendigkeit der christ-katholischen Bestimmung folgern. Von 1806-1814 lebte die Familie Feuerbach in München, wo der Vater legislatorisch beschäftigt war. 1814-16 war er zweiter Appellationsgerichts-Präsident zu Bamberg, dann Staatsrath und erster Präsident zu Ansbach bis zu seinem Tode, 1833. Zu Ansbach absolvirte Ludwig das Gymnasium, den 7. September 1822, lebte aber noch ein halbes Jahr im älterlichen Hause. |162| Ostern 1823 ging er nach Heidelberg, Theologie zu studiren. Schon das Jahr darauf zog es ihn nach Berlin, wo er von Ostern 1824 bis zum 22. April 1826 studirte, und zwar offiziell Philosophie vom 25. April 1825 -
-
an.
Ein Umstand verdient hier Erwähnung: Ludwig bezog in Berlin ein k[öniglich] bayerisches Stipendium von 800 fl. jährlich, und dennoch musste ihm der Vater noch jährlich 200 fl. zulegen. In Heidelberg Hessen sich die 800 fl. wegen der „Nähe der Bergstrasse", des Fahrens, Reitens und Fechtens (mit Bruch der Rappiere), begreifen; wer aber in den 20er Jahren zu Berlin „trockenes Brod" ass, „keinen Kaffee" trank, für monatlich 5 Thaler wohnte, keine Ausflüge und Sprünge machte wie er das wahrheitsgetreu berichtet11-: wohin geriethen dem 1000 fl.? Gewiss hat Ludwig geheime -
7
8 9
10
11
BwN, Bd. 1,S. 161-162. Gemeint ist Joseph Anselm Feuerbach ( 1798-1851 ). Wilhelmine Feuerbach, geb. Tröster (1774-1852). Subprior Ildephons Müller an Ludwig Feuerbach, 11. Oktober 1867. In: BwN, Bd. 2, S. 193-194, Zitat auf S. 193. Vgl. hierzu auch das 5. Kapitel der vorliegenden Arbeit, bes. Anm. 415. Siehe Ludwig Feuerbach an Paul Johann Anselm von Feuerbach, [Mitte Juli 1824]. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 49-50. BwN, Bd. 1, S. 184-185. -
-
Redaktionelle Vorbemerkung
735
Ausgaben gehabt, die er schamvoll verschwieg; gewiss übte er schon damals das Laster des Wohlthuns und Mittheilens, der Unterstützung von Hülfsbedürftigen, das er in Bruckberg so kräftig fortsetzte. Von Jugend auf war ihm das „Mitleid" zu wenig, nur die werkthätige Liebe genug. 1826 kehrte
Erlangen,
um
er
auf ein halbes Jahr nach Ansbach zurück, und
Botanik, Anatomie und Physiologie
zu
treiben;
dann 1827 nach hörte besonders die
ging
er
Professoren Koch und Fleischmann.12 1828 promovirte er als Dr. phfil]. und etablirte sich als Privatdozent an der Universität
Erlangen.
Seine Dissertation sandte er nach Berlin höchst bedeutsamen Begleitschreiben. I
an
Hegel,
mit dem weiterhin
folgenden
II. Periode13 Von 1829-1839
Von der Habilitation des Dozenten bis zur Proklamation einer eignen Philosophie. Durchkämpfung des Hegelthums und mächtige historische Schöpfungen 1829 las Feuerbach als Privatdozent zu Erlangen über Cartesius und Spinoza. Sein Bruder Eduard lehrte dort in gleicher Eigenschaft die Rechtswissenschaft,14 während Fritz Philologie studirte Anselm arbeitete derweilen anderswo am „Apollo".1 An Ludwigs erstes Kolleg schloss sich ein zweites über: „Logik und Metaphysik", welches in erneuerter Ausarbeitung wiederholt wurde.*2 Der junge Philosoph hatte schwerlich einen glänzenden Vortrag, Alles war ihm Sache, Begriffsbestimmung, er war zu wenig fertig mit sich selbst, zu sehr Philosoph. Auch in späteren Jahren hat er nur gut gesprochen, wenn er im Privatkreise feuerflüssig wurde, -
12 1
Vgl. Ausgewählte Schriften, Dokument 18, Anm. 45. Die wort- und buchstabengetreue Kopie dieses Briefes verdanke ich der Güte des Herrn Professor Karl Hegel zu Erlangen. [Karl Grün bezieht sich hier auf den wichtigen Brief Feuerbachs an Georg Wilhelm Friedrich Hegel vom 22. November 1828. Siehe BwN, Bd. 1, S. 214-219. Zum aufgefundenen Original des Hegel-Briefes siehe das 5. Kapitel der vorliegenden Arbeit, bes. S. 243 bis 247.] -
13 14
15
*2
BwN, Bd. 1, S. 220-225.
Siehe Erlanger Vorlesungsverzeichnis: Ausgewählte Schriften, Dokument 18, Anm. 54. A. Feuerbach: Der Vaticanische Apollo, eine Reihe archäologisch-aesthetischer Betrachtungen, Nürnberg 1833. Die betreffenden „Hefte" sind zum guten Theile noch vorhanden. [Siehe L. Feuerbach: Einleitung in die Logik und Metaphysik und ders., Geschichte der Philosophie in bezug auf Logik und Metaphysik. In: Feuerbach GW, Bd. 13, S. 1-303.]
736
Redaktionelle Vorbemerkung
der Geist über ihn kam. Obendrein kabalirte die pietistische Partei zu Erlangen gegen seine Richtung und machte ihm die Studenten Schon im Frühjahr 1832 war er des Dozirens müde und verliess den Hörsaal. Von 1832-35 lebte er abwechselnd in Frankfurt [am Main], Ansbach, Erlangen und Nürnberg. Auf den dringenden Rath seiner Freunde und Verwandten kehrte er noch einmal zum Katheder zurück, und las im Winter von 1835 auf 36 „Geschichte der neuern Philosophie bis auf die neueste Zeit".*3 Dann verliess er Erlangen für immer. |221| Zweimal schon war ihm die ausserordentliche Professur abgeschlagen worden; das zweite Mal auf Bericht des Erlanger Senats vom 14. October 1833, durch den Fürsten Oettingen-Wallerstein zu München.17 Jetzt, 1836, trug er zum dritten Male an, „wie zu erwarten war" vergeblich. Damals trieb er viel Französisch und sagte: Le Sénat ne veut pas de moi.18 Dem bayrischen Landfrieden hatte er ohnehin nie getraut, seitdem man ihm 1830 sein Buch über „Tod und Unsterblichkeit" konfiszirt hatte. Die bayrische Polizei wollte wenn
abspenstig.16
-
16
August Ebrard (1818-1888), der Feuerbachs Vorlesungen im Wintersemester 1835/1836 gehört hatte, berichtete in seinen „Lebensführungen. In jungen Jahren" (Gütersloh 1888, S. 257-258) dazu: „Und nun ging ich auch über das alles noch auf verbotenen Wegen freilich ohne indem ich nachmittags 4-5 Uhr bei Ludw[ig] Feuerbach ein vierstündiges Publies zu wissen! kum über Geschichte der neuern Philosophie (von Bruno und Campanella bis auf Hegel) hörte. Für die Theologiestudirenden bestand der Befehl, daß ein jeder die von ihm gewählten Vorlesungen dem theologischen] Ephorat, d. h. dem ProfTessor] Dr. Höfling, anzeigen mußte. Auch ich war diesem Befehle nachgekommen, aber erst, nachdem dies geschehen, wurde ich auf jenes Publikum aufmerksam, und entschloß mich, es zu hören. Darüber dem Ephorat noch eine besondere nachträgliche Anzeige zu machen, hielt ich unbefangensterweise für unnötig. Erst nach einigen Wochen hörte ich zufällig, daß Höfling allen denen, welche jenes Kolleg auf ihrer Anzeige-Liste aufgeschrieben hatten, den Besuch desselben strengstens untersagt habe. Ich ließ mich aber gleichwohl nicht beirren, diesen Besuch fortzusetzen; denn es war ein ganz vortreffliches Kolleg, und das fleißig nachgeschriebene Heft ist mir heute noch viel wert. Weit entfernt, nach Art der Berliner Hegelianer, eines Michelet und Werder, die Geschichte der Philosophie in das vorher fertige Prokrustesbett der Hegel'schen Begriffsentwicklungskategorien zu spannen, gab Feuerbach eine auf gründlichstem Quellenstudium ruhende, sehr treue und objektive Darstellung der einzelnen Systeme, insbesondere der Leibnitzschen Monadenlehre, die mich mit ihrem strengtheistischen Charakter in hohem Grade anzog. Ob Höfling von meinem verbotenen Treiben etwas erfahren hat, weiß ich nicht; eine Anfechtung oder Zurechtweisung wurde mir nie zu teil." [Bei Grün wird diese Fußnote mit Stern ausgewiesen, der entsprechende Anmerkungstext fehlt jedoch; siehe BwN, Bd. 1, S. 220. Vgl. auch die Anm. 14 im vorliegenden Dokument.] Johann Heinrich
-
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*3
17 18
Das Schreiben des Staatsrats Ludwig Fürst zu Oettingen-Wallerstein (1791-1870) ist nicht bekannt. Ludwig Feuerbach an Eduard Feuerbach, [Sommer 1837]. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 296. In den Gesammelten Werken wurde dieser Brief- in Anlehnung an Grün, der ihn bei der Textwiedergabe auf 1837 festlegte, was sicher auf einen Fehler des Setzers zurückzuführen ist, (siehe BwN, Bd. 1, S. 275) auf Sommer 1837 datiert. Das Schreiben gehört jedoch m. E., wie Grün hier an dieser Stelle selbst richtig bemerkt, in das Jahr 1836. Vgl. auch die angestellte Vermutung zur Datierung dieses Briefes in: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 434. -
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Redaktionelle Vorbemerkung
737
absolut unsterblich sein, und Er fühlte, dass er es als bayrischer Staatsdiener nicht werden könnte. Seit dem Frühjahr 1832 hatte er bereits in der weiten Welt umher an einer Bestimmung und einem Bestimmungsorte gesucht. Sein Bruder Fritz lebte damals in Paris, Ludwig schrieb ihm, dass er um Alles gern nach Paris käme, dass er Privatstunden geben, sich durch literarische Korrespondenzen ernähren wolle wenn er nur nicht im Anfang zusetzen musste!19 Im September desselben Jahres wandte er sich an Victor Cousin, den Allerweltsphilosophen, den Entdecker des „Landes der Schulen und Kasernen". Der französisch geschriebene, natürlich etwas holprige Brief von vier Quartseiten liegt noch vor. Cousin soll ihm rathen, helfen, eine Stellung in Frankreich verschaffen. „Votre trèsobéissant et trés-humble serviteur Dr. L. A. Feuerbach, Frankfurt a. M. vor dem Allerheiligen-Thore auf dem Wege nach Bornheim."20 Von einer Antwort Cousin's keine Spur. Die Sehnsucht nach Befreiung und Unterkunft wird immer quälender. Im Mai 1834 meldet er sich, wieder in Quarto bei einem „hohen Erziehungsrath" zu Bern21 um die Umsonst. Im selben Jahre ausgeschriebene Stelle eines Professors der bittet er einen Freund seines bereits verstorbenen Vaters um dessen Verwendung bei der griechischen Regierung: Altgriechisch verstehe er, Neugriechisch werde er bald lernen.23 Eduard Gans in Berlin schrieb ihm freundlich und aufmunternd,24 Altenstein lobte aber auch in Preussen geschah nichts für seine „Geschichte der neueren ihn, ausser dass die „Societät für wissenschaftliche Kritik" ihn zum Mitarbeiter mit gebundener Marschroute bei den Berliner „Jahrbüchern" machte.26 Seine Sorge um die Zukunft wuchs, seitdem ein anderes, theures Wesen sich eng in sein Geschick verflochten hatte. Oest-|222|lich von Ansbach, nach Nürnberg zu, liegt, 3 Stunden vom ersteren Orte, das Dorf und Schloss Bruckberg in reizendster Gegend. -
-
Philosophie.22
-
Philosophie";25
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-
19
20
21
22
23
24
25
26
Siehe Ludwig Feuerbach an Friedrich Feuerbach, 12. März 1832. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 133-135. Der Brief von Ludwig Feuerbach an Victor Cousin, welcher vor dem 27. September 1832 geschrieben worden sein muß, konnte bisher noch nicht aufgefunden werden. Dem „Hohen Präsidium des Erziehungs-Rates" zu Bern stand Karl Friedrich Neuhaus (1796 bis
1849) vor.
Siehe M. Koppe: Ein unbekannter Brief Ludwig Feuerbachs aus dem Jahre 1834. In: Philosophisches Jahrbuch. Im Auftrag der Görres-Gesellschaft hrsg. von H. M. Baumgartner (t), K. Jacobi, H. Ottmann und W. Vossenkuhl, 108. Jg., 2. Halbbd., München 2001, S. 319-331. Siehe Ludwig Feuerbach an Friedrich Thiersch, [Dezember 1834]. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 212-214. Grün muß, seinen hier gemachten Äußerungen zufolge, den Brief, den er selbst nicht zu Veröffentlichung gebracht hat, gekannt haben. Vielleicht erlangte er auch durch Bertha bzw. Leonore Feuerbach Kenntnis vom Inhalt des Schreibens. Eduard Gans an Ludwig Feuerbach, 11. Oktober 1833. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 172-173. Karl Sigmund Franz Freiherr von Stein zum Altenstein an Ludwig Feuerbach, 13. Oktober 1833. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 173. Vgl. Ausgewählte Schriften, Dokument 18, Anm. 136.
738
Redaktionelle Vorbemerkung
Oben im markgräflichen Schlosse befand sich eine Porzellanfabrik, die vom Staate als Ansbach preussisch betrieben wurde. Nach dem Tode des letzten Humboldt's auf erhielt Löw H[er]r Empfehlung die Stelle Alexfander] vfon] geworden, den Händen des Staates in ein eines Inspektors der Fabrik. Diese ging später aus Privat- und Kompagnie-Geschäft über, welches H[er]r Stadler, der Schwiegersohn Löw 's, nach dem Tode des letzteren leitete. Frau Stadler war die ältere Tochter; der Genius des Schlosses, die Fee in Flur und Wald, war die jüngere Tochter Bertha. Feuerbach erblickte sie zuerst im Jahre 1833, als er von Ansbach nach Bruckberg streifte. Das interessante Paar verlobte sich ein Jahr darauf; aber wo und worauf diesen Bund besiegeln? Bertha hatte neben ihrer Bildschönheit und ihrem verständnissvollen Herzen nur eine kleine Rente aus dem Ertrage der Fabrik; Ludwig hatte nicht, wohin sein
Markgrafen,27
gedankenschweres Haupt legen. Er zog nach Bruckberg im Jahre 1836, gab seinen „Leibnitz" heraus, aus dem ein ganzes Dutzend Philosophie-Professoren zu schnitzen waren ,AHes vergebens, Glück ohne Ruh".29 Am 12. November 1837 wurde, trotz der Ungunst der Verhältnisse, der eheliche Bund geschlossen.30 Der Voranschlag zum Budget des Haushaltes erinnert lebhaft an die Rechnung, welche Friedrich Schiller und Charlotte von Lengefeld ihrer Zeit mit einander anstellten, als sie zu Jena ihr Nest bauten. Bertha Feuerbach bezog für Ihren Theil jährlich etliche hundert Gulden aus der Fabrik; Wohnung und Holz im Schlosse waren frei; die jungen Leute erhielten einen Garten zum Gemüse- und Kartoffel[an]bau; an den Erträgnissen eines grossen FamilienObstgartens waren sie betheiligt, desgleichen an der gemeinsamen Jagd und Fischerei. Der Philosoph konnte nach Herzenslust durch den Wald pirschen und mit der geistigen Beute auch Wildpret heimschleppen. Dazu aber kam eine k[öniglich] bayrische Pension, die er als Sohn seines Vaters bezog, und die nach dem Tode der Mutter auf 420 Gulden erhöht wurde. Rechnet man dazu noch die Honorare eines deutschen philosophischen Schriftstellers, so wird man versucht auszurufen: O Herr, half ein mit deinem Segen! -
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Christian Friedrich Carl Alexander, auch Markgraf Alexander genannt. Er regierte von 1757 bis 1791. Christoph Friedrich Löw, der Schwiegervater Ludwig Feuerbachs, erwarb 1807 die Porzellanfabrik. Als er 1821 starb, setzte allmählich der Niedergang ein, bis schließlich 1860 die Manufaktur geschlossen werden mußte. J. W. v. Goethe: Rastlose Liebe. In: SW Goethe, Bd. I.,l, S. 299. Die Angaben über die Hochzeit, die auf Schloß Bruckberg stattfand, differieren in der Literatur. Geht Grün hier richtigerweise vom 12. November 1837 aus, spricht Kantzenbach vom 12. Januar 1837. Siehe dazu F. W. Kantzenbach: Der Philosoph Ludwig Feuerbach in Bruckberg. Ein Beitrag zur Feuerbach-Biographie. In: Jahrbuch des historischen Vereins für Mittelfranken, 85. Bd., Ansbach 1969/1970, S. 179.
Redaktionelle Vorbemerkung
739
selige Tage und Jahre in Bruckberg] In schönster Natur der Natur gemäss sich selbst abhängen, den |223| Genuss sich täglich durch Anstrengung, leben, ja Abhärtung, verdienen, sich Abends zur Belohnung in die bescheidene SchlossDas
waren
nur von
wirthschaft unter die Handwerker und Bauern setzen, mit ihnen rauchen, trinken und philosophiren, beständig fremdes Leid, meist heimlich, oft mit persönlichen Opfern, mildern und stillen, und dabei den grössten Gedanken hegen, der im 19. Jahrhundert in eines Menschen Kopf gekommen war -: das war so die Lebensregel unseres epikuräischen Stoikers. Auf einem Merkzeichen in einem seiner Bücher finde ich deutlichst geschrieben die drei Wörter untereinander: „Tabaksbeutel, Quittung, Pulverhorn."3i Das ist Feuerbach in seinen Bruckberger Jahren: er liebte wie Lenau sein „Pfeifchen traut, voll duftender Narkose"; er hielt Haus mit Soll und Haben und hasste die Schulden; im Walde ging ihm die Seele auf, wie dem Uhland'sehen Jäger. Etwas später gesellte sich der geognostische Hammer zu diesem Handwerkszeug. Lassen wir hier das Porträt folgen, zu dem Feuerbach in der Blüthezeit seiner Existenz gesessen, und das Dr. Cfonrad] Beyer nach der Natur entworfen hat.32 „Ihn, den Geistesfürsten, zeichnete eine aristokratisch vornehme, an die Bedeutung seines hohen Geistes erinnernde Haltung aus, die mit einer gewinnenden männlichen Anmuth und einer entgegenkommenden Liebenswürdigkeit gepaart war. Es war eine imponirende Erscheinung trotz seiner nur mittleren Grosse. Schon der oberflächliche Blick auf ihn erzeugte den Eindruck eines ganzen ächten Mannes; eines Menschen, dessen Wesen in der That den Stempel deutscher Gründlichkeit und deutscher Geistesgrösse trug. Ueber die Einfachheit seiner Kleidung, die sein bescheidenes, selbstloses Wesen bewies, blickte man in seine ebenmässigen, ernstmilden, geistverkündenden Züge, die er von seiner Mutter, einer anerkannt vollendeten Schönheit, geerbt haben mochte, blickte man in sein feurig erglänzendes Denkerauge, sah man auf die gedankendurchfurchte, hohe Stirn, auf die männliche, leicht gebogene Nase, auf den zum Wohlwollen angelegten, ernst geschlossenen Mund, bewunderte man seinen idealen fränkischen Charakterkopf, den ein in's Blonde um nicht zu sagen in's Fuchsige schillernder, kräftiger Vollbart zierte, und der mit reichem dunklen Haupthaare bedeckt war. Selbst bei ernsten Gesprächen blieb er lange wortkarg, oder seine Sprache war abgerissen, kurz, schwer, und machte für den Nichteingeweihten den Eindruck einer gewissen Schüchtern-|224|heit und Befangenheit, oder aber einer Vornehmheit, die es verschmäht, sich des auch ungesprochen bekannten und geläufigen Phrasenschatzes -
unserer
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33
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Sprache zu bedienen."33
Notiz von Feuerbach. C. Beyer: Leben und Geist Ludwig Feuerbach's. Festrede, am 11. November 1872 auf Veranlassung des Freien Deutschen Hochstiftes für Wissenschaften, Künste und allgemeine Bildung in Goethe's Vaterhause zu Frankfurt a[m] M[ain] gehalten, Frankfurt am Main 1873. Ebenda, S. 4.
740
Redaktionelle Vorbemerkung
Ich erzählte ihm einst, fährt Dr. [Conrad] Bfeyer] fort, in welch' erbärmlicher Weise ein deutscher Universitäts-Professor die Erkenntnisstheorieen von Locke und Leibnitz vorgetragen habe.34 „Ich sehe ihn noch mit dem plötzlich zurückschnellenden, herausfordernden Kopfe, höre noch die Hastigkeit seiner nun mächtig hervorsprudelnden, sich überstürzenden Rede, gewahre noch das zornsprühende, rollende Feuerauge dieses feuerströmenden Feuerbach 's. Ich werde nie dieses halbstündige Kolleg über Locke vergessen, das uns der einsame Gelehrte in der Schlosswirthschaft zu Bruckberg hielt. In solchen Momenten wurde es in seiner Umgebung plötzlich still. Feuerbach erschien mit einem Male grosser, mit jeder neuen Gedankenwelle wurde er entzückender, bezaubernder hinreissender. Aber trotz aller Emphase verlor er, der sich in seiner Umgebung wie Zeus unter den Göttern ausnahm, nie das Sympathische, Erwärmende im Ausdruck, wie sich da überhaupt niemals die geistige Scheidewand hob, die ihn von den Honoratioren und seinen Bekannten aus der Umgegend trennte, so dass selbst Geistesbevorzugte es einräumten, wie schon eine gewisse Selbstüberwindung, ja ein längerer Umgang dazu gehöre, um sich in seiner Gegenwart so zu sagen als seines Gleichen zu fühlen und auf menschlich unbefangenem Fusse mit ihm zu verkehren."*4 Grade um die Zeit der Verheirathung knüpfte sich auch das Band der geistigen Ehe zwischen Feuerbach und Arnold Ruge als dem Vertreter der fortschrittlichen Philosophie. Das Missverhältniss zu den Berliner „Jahrbüchern", schon 1835 bei Gelegenheit der Stellung von „Kirche und Staat zum christlichen Prinzip" konstatirt, führte zunächst zur Erkältung und endlich zum Bruche. Die Kritik über Erdmanns „Geschichte der Philosophie", 2ter Theil, lag 1837 bereits in Berlin vor, als sich Ruge meldete.35 Ruge, Echtermayer, Schaller und Hinrichs gründeten die „Halle'sehen Jahrbücher", in denen Feuerbach mit der Kritik des „positiven" Sengler debutirte.36 Im Jahre 1841 verwandelten sich die „Halle'sehen Jahrbücher" in „Deutsche Jahrbücher", welche auf preussisches Betreiben der Tendenz-Zensur erlagen, und 1843 verboten wurden. |225| Strauss trug die Fahne der kritischen Theologie voraus, Feuerbach folgte mit dem Banner der philosophischen Kritik. Er wurde der bedeutendste, der ton- und massangebende Mitarbeiter der Jahrbücher; wesentlich seiner Richtung, welche sich immer praktischer und verständlicher zuspitzte, fiel die Ruge'sche Schöpfung zum Opfer. Doch wir sind um etliche Jahre über die Gränze unserer Periode hinausgeschweift. Im Jahre 1838 erschien Feuerbachs „Bayle" „mit dem apokryphen E." Von da an trug er sich mit seinem ersten Hauptwerke eigener Philosophie. Er war er selbst geworden, -
34 *4
35
Ebenda, S. 4-5. Dr. C. Beyer: „Leben furt 1873, S. 4-5.
und Geist
Ludwig Feuerbachs".
vom
11.
Nov[ember]
1872. Frank-
Siehe die Rezension über Erdmanns „Geschichte der Philosophie" (Feuerbach GW, Bd. 8, S. 165 bis 180) und den hier angesprochenen Brief Arnold Ruges an Feuerbach vom 14. Oktober 1837 (Feuerbach GW, Bd. 17, S. 300-301). Siehe weiter Ludwig Feuerbach an Arnold Ruge, 23. November 1837. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 305-306. Siehe Feuerbach GW, Bd. 8, S. 181-207. -
36
Festrede
Redaktionelle Vorbemerkung
741
kein „Arier" mehr, oder wie er scherzte: soll ich durchaus ein „Aner" sein, wohlan, so bin ich ein In den heftigsten Stürmen der geistigen Kämpfe, welche bereits auf das Gebiet der praktischen Politik hinübergriffen, blieb er „unentwegt." Sein Tibur lächelte ihm jeden Tag. Ille mihi praeter omnes angulus ridet.
,J3ruckbergianer".31
ID. Periode" Von 1840-1850
Die eigene Philosophie Feuerbachs im spekulativen Gewände. Das Wesen des Christenthums ", die Thesen ", die Grundsätze ", das Wesen der Religion ". Klärung in den Heidelberger Vorlesungen „
„
„
„
"
„
dieser Periode zur Biographie beibringen lässt, geht aus den folgenden Mittheilungen von selbst hervor. Feuerbach arbeitete in stiller Zurückgezogenheit, wanderte viel in seinem Paradiese umher, auch bisweilen über dessen Gränzen hinaus, an den Rhein, nach Freiburg [im Breisgau] zu Anselm stets in Begleitung seines getreuen Steinhammers. Neben der Botanik trieb er eifrig Geognosie und Mineralogie, legte sich eine hübsche Mineraliensammlung an, in welcher zahlreiche Versteinerungen aus den Solnhofer Steinbrüchen und manche Krystalle figuriren. Im Jahre 1844 wurde der Himmel durch die Krankheit und den Tod seines Töchterchens Mathilde getrübt ein Verlust, der ihn tieferschütterte.39 Für seine Philosophie war die Zeit der Thesis und der Thesen gekommen, die er auch richtig an den Thüren der Universitäten und Akademieen anschlug. Am 4. Janfuar] 184140 trug er Oftto] Wigand das „Wesen des Christenthums" an: das Werk sollte zuerst anonym und unter ganz anderm Titel erscheinen.41 Am Schlüsse des Jahres, als sein erstes Hauptwerk bereits das Licht erblickt hatte, muthete man ihm die Autorschaft der Fast
Alles,
was
sich
aus
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37
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L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. BwN, Bd. 1, S. 330-332. Mathilde Feuerbach (1842-28. Oktober 1844) Vgl. hierzu besonders die drei Briefe Ludwig Feuerbachs an seine Mutter in: Feuerbach GW, Bd. 18, S. 400-402. Karl Grün stand nur der Briefentwurf zur Verfügung. Der abgesandte Brief an Otto Wigand trägt das Datum vom 5. Januar 1841 (siehe Feuerbach GW, Bd. 18, Brief 228). Siehe vor allem die Briefe Feuerbachs an seinen Verleger Otto Wigand. In: Feuerbach GW, Bd. 18, Briefe 228, 231, 233, 238 und 245. Am 5. Mai 1841 (siehe ebenda, Brief 246) stand für Feuerbach dann der Titel: „Das Wesen des Christentums" definitiv fest. -
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Redaktionelle Vorbemerkung
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„Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel" zu.42 Dagegen remonstrirte Ffeuerbach] in
der Augsbfurger] Allgfemeinen] Zeitfung]: Die Posaune sei für, er aber gegen Hegel! In dem |331| Begleitschreiben an die Redaktion der Afugsburger] Allgemeinen] Zfeitung] heisst es: „Ich sehe der Aufnahme dieses „Wunsches" in Ihrer Zeitung, um so zuversichtlicher entgegen, als schon mehrmals in derselben (so namentlich in einem Artikel aus Berlin) mein Name auf die schnödeste, böswilligste Weise verunglimpft wurde".43 Das Jahr 1848 lockte Feuerbach aus seinem Verstecke hervor; wir sehen ihn in Leipzig, Frankfurt [am Main], Heidelberg. Die Studenten schrieen allenthalben nach den Geächteten, der Drang nach Einheit und Freiheit war mit dem Durste nach Wissenschaft gepaart. Die Regierungen zauderten, sie zauderten glücklich die Reaktion herbei. Feuerbach zimmerte sich für kurze Zeit sein freies Katheder in Heidelberg und zog sich deprimirt wieder in sein Asyl nach Bruckberg zurück. Die Bewegung der Geister im sogfenannten] tollen Jahre kam zu einem nicht geringen Theile auf seine Rechnung, auf Rechnung wenigstens seiner damals populären Schriften. In den Kreisen der strebenden Gebildeten, auch bei zahlreichen Frauen und Mädchen, hatte Feuerbach einen idealen Radikalismus entzündet, der unbedingt bis zur Republik ging, sich aber auch vielfach, gestützt auf sein „Ich und Du", auf seinen dem „Egoismus" entgegengesetzten „Kommunismus", auf das soziale Gebiet erstreckte und hochfliegende theoretische Ansprüche steigen Hess. Die 40er Jahre waren eben in Deutschland eine Periode intensivster Begeisterung, eines lauteren, desshalb rücksichtslosen Enthusiasmus. Frankreich läutete zwar im Februar 1848 die Sturmglocken; aber das Signal will nicht mit der Vorbereitung und den wahren Motiven verwechselt werden. Indessen Feuerbach wie die ganze Bewegung waren Theoretiker; die Gegner brutal praktisch. Feuerbach hielt sich für revolutionär und auf dem Felde des Denkens war er es auch und sein ganzes Wesen ging doch nur auf Evolution. Er philosophirte über die handelnden Personen und fand sie meist unter seinem Masse. In Gedanken schob er die Revolution auf spätere Zeiten hinaus, d. h. er gab sie auf. Feuerbachs „Betheiligung" an der Bewegung von 1848 war, wie schon gesagt, eine rein theoretische, anschauende und anhörende; aber sie war, wie Alles, was er that, warm und innig. Der Zweifel, ob der Philosoph jemals ins politische Leben hätte aktiv und mit Erfolg eingreifen können, bleibt angesichts der Aktenstücke sicherlich erlaubt. Die Folgen des Rückschlags hat er dafür passiv mit uns Allen um so nachdrücklicher empfunden |332| und erduldet. Darnach mag man auch die Stelle im „Vorwort" zu den -
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Feuerbach GW, Bd. 9, S. 12-13. Der Autor des anonym veröffentlichten Werkes „Die Posaune des jüngsten Gerichts über Hegel, den Atheisten und Antichristen. Ein Ultimatum" (Leipzig 1841) war Bruno Bauer. Den Brief an die Augsburger BwN, Bd. 1, S. 340).
„Allgemeine Zeitung"
veröffentlichte erstmals Karl Grün
(siehe
Redaktionelle Vorbemerkung
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5
Heidelberger Vorlesungen beurtheilen, welche so zu sagen sein Schlusswort über die bereits gänzlich erstickte Aufwallung enthält. „Ein bekannter Franzose hat unlängst die Frage an mich gestellt, warum denn ich mich nicht an der revolutionären Bewegung von 1848 betheiligt hätte? Ich antwortete: H[er]r Taillandier*, wenn wieder eine Revolution ausbricht, und ich an ihr thätigen Antheil nehme, dann können Sie zum Entsetzen Ihrer gottesgläubigen Seele gewiss sein, dass diese Revolution eine siegreiche, dass der jüngste Tag der Monarchie und Hierarchie gekommen ist. Leider werde ich diese Revolution nicht erleben"44 „Nach meiner Lehre sind Raum und Zeit die Grundbedingungen alles Seins und Wesens, alles Denkens und Handelns, alles Gedeihens und Gelingens. Nicht weil es dem Parlament an Gottesglauben fehlte, wie man lächerlicher Weise in der baierischen Reichsrathskammer behauptet hat die Meisten waren Gottesgläubige, und der liebe Gott richtet sich auch nach der Majorität sondern weil es keinen Orts- und Zeitsinn hatte, desswegen nahm es ein so schmähliches, so resultatloses Ende".45 ...
...
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IV. Periode40 Von 1850-1860 Die Natur und Mensch gewordene Philosophie. Die Théogonie ", für ihn selbst das Höchste
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„
Die Zeit
von
1850-1860
lag schwer auf dem europäischen Kontinent, eine Schwefel-
unter Bleidächern! Es war die Zeit der
„schlimmsten Reaktion", wie Feuerseine schneidendsten Aphorismen niederschrieb. Nicht die politische Bewegung selbst, sondern die antediluvianischen Prämissen, die Philosophie, den Gedanken, verfolgte und hetzte eine Meute von desperater Mittelmässigkeit. Dass die Kanonenschläge an der Alma als befreiende That empfunden werden konnten, zeichnet wohl diese Periode am Besten. Feuerbach büsste selbst mit, und zwar als blosser Träger des Gedankens menschlicher Freiheit. Die Freiheit gedacht zu haben, war ein Verbrechen. Als er seine Heidelberger Vorlesungen zum Druck redigirt hatte, erklärte er im Vorworte: er sei blos „kritischer Zuschauer und Zuhörer" von „kopflosen Unternehmungen" der „sogenannten]
atmosphäre
bach sagte, in welcher
*5
44
45 46
er
VIII. S. VII. (1. Januar 1851). [Siehe das erwähnte „Vorwort" Ludwig Feuerbachs zu seinen „Vorlesungen über das Wesen der Religion", in: Feuerbach GW, Bd. 6, S. 3-5.] Ebenda, S. 4. Ebenda, S. 4-5. BwN, Bd. 2, S. 1-4.
Redaktionelle Vorbemerkung
744
Revolutionszeit" gewesen. Die Republikaner hätten sich theoretisch gebärdet und an die „Schöpfung einer Republik aus Nichts" Und desshalb Räuber und Mörder desshalb polizeiliche Haussuchungen in der Wohnung eines Philosophen! desshalb Ausweisung aus Leipzig, wo er den Druck einer wissenschaftlichen Schrift überwacht und nach Reliquien seines Vaters forscht!49 Otto Wigand konnte es in Deutschland nicht mehr aushalten, er warf den Blick auf Amerika. Der Verleger will den Schriftsteller persuadiren, die Hemisphäre zu wechseln und auf der andern Seite der Erde unter der Standarte des Pressbengels thätig zu
geglaubt.48
-
sein!5012|
die grosse, allgemeine Parole; ganze Dörfer im Schwarzwald wanderten in corpore, Kirchen wurden feilgeboten! Die Bauernknechte in Franken lasen nur noch Schriften über Amerika, hatte kein Interesse mehr als die Vereinigten Staaten. Der schöne jugendliche Fritz Kapp war auch mit seiner Braut hinübergezogen, und als treuer Johannes lud er den Meister zu sich nach New-York, in seine neue Heimstätte. Ach, wie verlangte es den gequälten Denker hinüberzufliegen, die europäische Misère hinter sich zu treten! Aber es ging nicht. Da waren noch Gedanken auszuführen, Materialien in den Schmelztiegel zu werfen, eine ganze Vergangenheit zu absolviren und da war die Familie, da war[en] Weib und Kind! Auch der brave Dedekind Hess vergebens seine Lockstimme ertönen.51 Interessant ist, wie der plötzlich so praktisch werdende Fritz Kapp die Schattenseiten des nordamerikanischen Lebens hervorhebt, während Feuerbach, allerdings aus der Ferne, „aus Büchern", die positive Bedeutung der föderativen Republik geltend macht, und im Ganzen so glauben wir gerechter urtheilt. Nur wo Kapp den Hochmuth der Yankees züchtigt und die Verdienste der Deutschen um die amerikanische Freiheit schildert, da wallt dem deutschen Feuerbach auch sein Blut da sind die Freunde einig.
Auswanderung
war
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Feuerbach GW, Bd. 6, S. 4. Ebenda, S. 4-5. Siehe zur Ausweisung Feuerbachs aus Leipzig die Briefe 659, 660 und 678 in Feuerbach GW, Bd. 19. Siehe darüber hinaus auch die 2. Ausgabe der Deutschen Allgemeinen Zeitung, Leipzig, die in der Nr. 73 vom 8. Februar 1851, S. 299 die Meldung brachte: „Wie wir aus glaubwürdigem Munde vernehmen, ist am 3. Febr. der bekannte Philosoph L. Feuerbach polizeilich von hier ausgewiesen worden. In Privatangelegenheiten hierher gekommen, hatte er, wahrscheinlich nicht in schlechter Absicht, seinen guten bairischen Paß nicht abgegeben oder sich sonst auf dem Polizeiamt angemeldet und eine Aufenthaltskarte genommen, sondern lebte zurückgezogen im Hause eines Freundes, eines bekannten Buchhändlers. Doch die Polizei entdeckte den Fremden, bedeutete ihn, daß er binnen 24 Stunden die Stadt zu verlassen habe, widrigenfalls er verhaftet werden würde, und nahm ihn außerdem in eine Strafe von 5 Thlrn. Feuerbach reiste noch vor Ablauf der ihm gestellten Frist auf der Bairischen Eisenbahn, auf welcher er gekommen war, wieder ab." Siehe Otto Wigand an Ludwig Feuerbach, 9. Januar 1852 (Feuerbach GW, Bd. 19, S. 343-344) und Feuerbachs Antwortbriefe vom 12. Januar 1852 und vom 27. Januar 1852 (ebenda, S. 345-346 und S. 355-356). Eduard Dedekind an Ludwig Feuerbach, 28. April 1851. In: Feuerbach GW, Bd. 19, S. 279-282. -
50
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Redaktionelle Vorbemerkung
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Wie zerfahren übrigens selbst der Geist der stummen Opposition in dem damaligen Deutschland war oder wenn man will, wie wenig Konsistenz die Bewegung von 1848 gehabt hatte das geht zur Genüge aus dem Zirkular hervor, welches Afrnold] Ruge, semper redivivus, im Frühjahre 1857 von England aus in die Welt sandte, und womit er die Gründung einer neuen Zeitschrift einzuleiten gedachte. Man sehe sich einmal die bunte Gesellschaft an, welche der literarische Wallenstein damals unter Einer Fahne versammeln wollte! Dr. Benningsen in Göttingen, Albert Böhme in New-York, Oberst Bluhm in Konstantinopel, J. Deyffel in London, Rudolph Dülon in New-York, Wilhelm Düffel in Paris, Ludwig Feuerbach in Bruckberg, Kuno Fischer in Jena, G. G. Gervinus in Heidelberg, Alexander Herzen in London, Dr. Hettner in Dresden, Alexander vfon] Humboldt in Berlin, Hinrichs d. J. in Halle, Theodor Karcher in London, Prof. Köchly in Zürich, Prof. Köllicker in Würzburg, G. F. Kolb in Zürich, Prof. Long in Brighton, Prof. Michelet in Berlin, Dr. Wilhelm Meyer in Bremen, Prof. Pott in Halle, Dr. Joh. Rösing d. J. in Bremen, Dr. Ludwig Ruge in Berlin, |3| Friedrich Vischer in Zürich, Prof. Virchow in Berlin, Varnhagen von Ense in Berlin, Gustav Wislicenus in Zürich, Prof. Zimmermann in Stuttgart. -52 Feuerbach fand nicht den mindesten Geschmack an dieser Olla podrida; er antwortete mit der Nachricht, dass seine „Théogonie" vollendet sei.53 Um dieselbe Zeit, 1857, kam ein blutjunger Schwede nach Bruckberg gepilgert, der bis zum letzten Augenblick in persönlichem und epistolarischem Verkehr mit Feuerbach blieb. Wilhfelm] Bolin, in Petersburg geboren, Sohn eines Schweden und einer Thüringerin, promovirte später als Dr. phil., wurde 1865 Privatdozent, 1868 ausserordentlicher Professor an der Universität zu Helsingfors in Finnland, und ist seit 1873 Bibliothekar daselbst.54 Er schloss mit Ffeuerbach] einen jener innigen Freundschaftsbünde, wie sie ein bescheidener strebsamer Jünger mit dem geliebten Meister zu schliessen vermag. Von seinen schriftstellerischen Leistungen können leider hier nur die Titel angeführt werden: „Ueber die Familie" (schwedisch); „Ueber die Willensfreiheit" (1869); „Europas Staatsleben und die politischen Lehren der Philosophie" (1871).55 Bolin, wie man lesen wird, debütirte mit der Poesie ein wenig à la Parny;56 -
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Siehe hierzu das Rundschreiben, welches Arnold Ruge am 8. März 1857 aus Brighton an die genannten Personen schickte. (Arnold Ruges Briefwechsel und Tagebuchblätter aus den Jahren 1825 bis 1880, hrsg. von P. Nerrlich, Bd. 2, Berlin 1886, S. 177-179. In dieser Veröffentlichung weisen manche Namen eine andere Schreibweise auf.) Siehe Ludwig Feuerbach an Arnold Ruge, 10. April 1857. In: Feuerbach GW, Bd. 20, S. 136-137. Wilhelm Bolins Vater, Carl Eduard Bolin war ein Untertan Schwedens und starb bereits 1864; seine Mutter, Ernestine war eine geborene Römpler. Die erste, der von Grün genannten Schriften Bolins, erschien unter dem Titel: „Familijebegreppets -
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utveckling ändatill reformationen" in Helsingfors 1860. „Ueber die Willensfreiheit" (1869) [recte: 1868] und „Europas Staatsleben und die politischen Lehren der Philosophie" (1871).
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Redaktionelle Vorbemerkung
vermöge seiner eigentlichen, der philosophischen Begabung, repräsentirt er die Feuerbach'sche Richtung im skandinavischen Norden. Er trägt sich gegenwärtig mit der Idee
Philosophen.57
einer besondern Schrift über unsern Zum Schluss bleibt uns noch ein Wort über die leidige Porzellanfabrik im Schlosse zu Bruckberg zu sagen übrig. Was nicht aus den nachfolgenden Briefen hervorgeht, das ergänzt eine handschriftliche Aufzeichnung Feuerbachs, der wir die Hauptpunkte entnehmen. Im Jahre 1808 erwarb der Schwiegervater Löw, der seit 1800 Inspektor der Fabrik gewesen war, dieselbe käuflich unter lästigen Bedingungen vom Staate. Der Kaufschilling, 20,000 fl., wurde von einem H[er]rn Späth vorgestreckt. Löw hatte 4 Jahre Zeit zur Heimzahlung. Die Fabrik hob sich. Bis 1818 führten Löw und Späth den Betrieb gemeinsam. Dann schloss Löw mit Späth einen Leibrentenvertrag ab, worin er ihm jährlich 2500 fl. zusicherte (12 Vz Prozent!). Bereits im Jahre 1820 war dieser Jahresbetrag nicht mehr zu erschwingen. 1821 starb Löw. Die Begräbnisskosten waren nicht zu decken. Späth rieth zum Konkurse. Es entstand ein Prozess wegen des |4| Leibrentenvertrags. Man machte ein Kompromiss: Späth erhält ein Kapital von 6000 fl. und jährlich 1200 fl. Alles wurde richtig geleistet bis zum Jahre 1848. In Bruckberg wurde die „Revolution" zur Revolution. Die Produktion stand stille, positive Verluste traten ein. Dennoch wurde Späth befriedigt, und zwar bis 1854. Jetzt fiel die österreichische Valuta die Fabrik lieferte nur nach Triest der Holzpreis stieg, die Waarenpreise sanken. Späth wurde klagbar. Der Ort lag möglichst ungünstig für die Konkurrenz mit jüngeren Etablissements; die hohen Steuern drückten gewaltig. Der Zusammensturz war unaufhaltsam; trübselig und besorgnissvoll schleppten sich die 50er Jahre hin, mit dem Ende des Dezenniums war Alles vorbei. Feuerbach musste sein geliebtes Bruckberg verlassen für ihn hiess das, aus der Welt gehen. Sein Studirzimmer im Schlosse war seit 1836, also seit 24 Jahren seine Welt gewesen! Es galt jetzt ein anderes Asyl zu suchen, und zwar unter drückenden Sorgen um Gegenwart und Zukunft. Freunde halfen, wie sehr ihn auch die diskreteste Freundschaft drückte er wollte Gutes thun, nicht empfangen. Die Lebenden seien durch unser Schweigen geehrt, nur der verstorbene Oftto] Lüning werde genannt. -
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Siehe hier Feuerbachs Anspielung auf den französischen Dichter Evaiste Désiré Desforges Parny im Brief an Wilhelm Bolin (Feuerbach GW, Bd. 20, S. 159). Bevor Wilhelm Bolin von mehreren Zeitungsartikeln und kleineren Schriften über Feuerbach abgesehen 1904 „Ausgewählte Briefe von und an Ludwig Feuerbach. Zum Säkulargedächtnis seiner Geburt" veröffentlichte, kam 1891 in Stuttgart die Darstellung „Ludwig Feuerbach. Sein Wirken und seine Zeitgenossen. Mit Benutzung ungedruckten Materials" heraus. Otto Lüning, der Ludwig Feuerbachs Philosophie besonders als Leiter des Rhedaer Kreises Mitte er 40er Jahre in Westfalen verbreitet hatte und mit Feuerbach nachweislich bis 1865 in Briefwechsel stand, starb 1868. -
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Redaktionelle Vorbemerkung
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Nicht Stadt, nicht Land das war der fatale Rechenberg bei Nürnberg. Feuerbach schrieb in sein Tagebuch: „Bruckberg war bei meinen beschränkten Mitteln die Basis meiner Oekonomie, aber -
die Oekonomie ist die Basis der Philosophie und Moral."59 Und weiter schrieb er: „Meine Scheidung von Bruckberg ist eine Scheidung der Seele vom Leibe. Ich habe heute meinen Miethkontrakt mit Hferrn] vfon] Bfehaim] und damit vielleicht mein
Todesurtheil unterzeichnet."
°
V. Periode01 Von 1860-1872 Die Leidenszeit. Sittliche Probleme,
Moralphilosophie.
„Gottheit, Freiheit, Unsterblichkeit". Das Fragment. Krankheit und Tod
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Von der Periode des Leidens zu reden, ist nur noch Pflicht, traurige Pflicht. Der Rechenberg mit all seinen lokalen ökonomischen Fatalitäten war für Feuerbach ein wahrer Kalvarienberg. An das Marterholz geschlagen, vollendete er das Werk seines Lebens mit etlichen Kartonzeichnungen und Federrissen. „Ich komme mir vor wie eine Blume ohne Blumentopf, wie ein Fluss ohne Bett, wie ein Bild ohne Rahmen."*6 Als er Bruckberg verlassen hatte, kaufte die bayrische Regierung das Schloss und richtete darin eine Anstalt für jugendliche Verbrecher und Taugenichtse ein. Inspektor dieser Anstalt wurde ein pietistischer Geistlicher. „„Der Geist Gottes schwebt nicht über Bruckberg; aber den leugnet ja Feuerbach"". „Jawohl, der Geist des Geldgottes, der die jetzige Welt regiert, der schwebt nicht über Bruckberg. Oder ja, der Geist des Herrn schwebt über Bruckberg, der Geist Gottes, der die Pfaffen mästet, die Kepler aber verhungern lässt, der die Peterspfennige den Armen aus dem Beutel nimmt, und den Denker selbst bis in seine Einsamkeit verfolgt. Dieser Geist Gottes hat die Räume, die einst die grössten Menschengeister mit ihren Gedanken erfüllten, zum Aufenthalt von Ratten und Mäusen gemacht, derselbe Geist, der einst auch die griechischen Tempel zerstörte."'7 -
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Tagebucheintrag Ludwig Feuerbachs. Vgl. hierzu Ausgewählte Schriften, Dokument 18, Anm. *259. Diesen Eintrag ins Tagebuch nahm Feuerbach am 23. August 1860 vor [vgl. Feuerbach GW, Bd. 21, S. 389-392; Brief 1181 (905 b)]. BwN, Bd. 2, S. 109-115.
[L. Feuerbach:] Nachgelassene Aphorismen. [Bei Grün ist dieses Zitat mit *) ausgewiesen. Die entsprechende Anm. fehlt dazu jedoch. Vermutlich handelt es sich wie unter Anm. *6 um Feuerbachs „Nachgelassene Aphorismen".]
Redaktionelle Vorbemerkung
748
Sein Zimmer auf dem Boden, das ihm die meiste Ruhe gewährte und bei mildem Wetter ganz freundlich war, wurde im |110| strengen Winter furchtbar kalt. Morgens zeigte das Thermometer oft 5-6° unter Null, das Trinkwasser war dick gefroren. Vergebens bestand Dr. Baierlacher, der Arzt, auf einem Umzüge in die Stadt. Bis zum Mittagessen blieb Feuerbach in diesem hohen Eiskeller; dann kam er ganz erstarrt hinab und verliess das Wohnzimmer nicht wieder. Auch der Mangel meldete sich am Thore. Fixes kam ausser der kleinen bayrischen Pension vom Vater her nicht ein. Zu gelegentlichen oder gar zu Zeitungsarbeiten war der ganz in sich konzentrirte Denker nicht zu bewegen es bleibt noch die Frage, ob ihm solche Arbeiten je geglückt wären. Besorgte Freunde sprachen von der Schillerstiftung, und mit Recht: Schiller war eben so gut Philosoph als Dichter.62 Feuerbach wollte von keiner Unterstützung hören. Dennoch kam die Sache zu Stande; unter dem 12. Oktfober] 1862 erhielt Ffeuerbach] ein Schreiben vom Vorort Weimar, in welchem ihm ein Ehrengeschenk von 900 Thlr., vertheilt auf drei Jahre dargeboten wurde.*8 Unter dem 11. März kündigte ihm ein anonymer Verehrer auf die nächsten 6 Jahre ein Jahrgehalt von 300 fl. an. Der gebührende Lohn soll diesem Manne zu Theil werden er bleibe unbekannt. Sobald Ffeuerbach] das Nothdürftigste bestreiten konnte, wies er alles Weitere zurück, das freilich mitunter der anständigen Attitüde ermangelte. Im Jahre 1864 erhielt er auf seinen 60. Geburtstag liebevolle Angebinde von Berlin: einen silbernen Pokal von russischen Verehrern, eine silberne Schale von deutschen. Angeregt durch diese Beweise von Sympathie, begab sich Ffeuerbach] auf kurze Zeit nach Berlin, wo er freundlichst empfangen wurde.63 Die Beschäftigung mit der Naturwissenschaft wurde auch auf dem Rechenberge fortgesetzt, ja der Drang zu ihr führte 1865 zur Anschaffung eines Mikroskops, dessen Handhabung jedoch wohl nicht den ersten Krankheitsanfall überlebte. Damals las er, wie seine überhaupt zahllosen Exzerpte bezeugen, Kfarl] Vogt's „Physiologische Briefe" und „Geologie",64 studirte eifrigst Humboldts „Kosmos",65 „das Alter des Menschenge-
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Vgl. Ferdinand Kampe an Ludwig Feuerbach, 24. April 1862. In: Feuerbach GW, Bd. 21, S. 16-18, bes. S. 16. Siehe darüber auch den Brief Kampes vom 25. Dezember 1861. In: Feuerbach GW,
Bd. 20, S. 399. Die Schiller-Pension wurde später auf weitere drei Jahre prolongirt, und im Herbst 1868 nahm der Vorort Wien keinen Anstand, sie abermals zu erneuern. So meldete der Generalsekretär F. Kürnberger in einem charmanten Briefe vom 16. Novfember] 1868. Auch im Spätjahr 1871, zur Zeit der höchsten Noth, erfüllte die Stiftung ihre Ehrenpflicht weiter. [Grün, der den Inhalt dieser Briefe gekannt haben muß, veröffentlichte sie selbst nicht. Siehe W. Dobbek (Hrsg.): Die Akte Ludwig Feuerbach, Weimar o. J. (1961) (= Aus dem Archiv der der Deutschen Schillerstiftung, Heft 2).] Siehe hierzu Ludwig Feuerbach an Jakob von Khanikoff, 4./5. August 1864 und Ludwig Feuerbach an Emma Herwegh, 10. August 1864. In: Feuerbach GW, Bd. 21, Brief 1029 und Brief 1031. Karl Vogts „Physiologische Briefe für Gebildete aller Stände" erschienen erstmals 1845 in Stuttgart, eine 2. verm. und verb. Auflage kam 1854 in Gießen heraus. Zur Geologie hat Vogt mehrere -
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Redaktionelle Vorbemerkung
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schlechts" von Ch. Lyelf6 |111| und Darwin's „Entstehung der Arten".67 Er ist daher noch bis zur neuesten Naturanschauung mit fortgeschritten. Von der politischen Tagesliteratur der Franzosen interessirte ihn besonders Proudhon „Von der Daneben gingen Voltaire und Rousseau her. In demselben Jahre brachte ihn ein Brief und Wunsch Friedrich] Kapp 's zu seiner „ersten Liebe" zurück. Kapp wünschte nämlich im Interesse seiner deutsch-amerikanischen Studien über das Wesen der Herrnhuterei aufgeklärt zu sein, und Feuerbach entsprach diesem Verlangen in einer kleinen Monographie, die wir zum ersten Male dem Druck übergeben.6 Der klassische Forschungsgeist und die drastisch-psychologische Art, wie wir sie aus dem „Wesen des Glaubens im Sinne Luthers" kennen, treten hier, 21 Jahre später wieder hervor.70 Nicht nur in der Theorie, auch zur persönlichen Erquickung und Stärkung, hielt er sich sehnsuchtsvoll an seine Freundin, die Natur. Den Steinhammer in der Hand, seinen Bruder Fritz, meist aber seine Tochter Leonore zur Seite, wanderte er zum „Morizberg", auf das Gebirge jenseits Hersbruck, in die Höhlen der „fränkischen Schweiz". Zu kleineren Ausflügen dienten ihm die „Alte Veste" bei Fürth oder „Plattners-Schlösschen"; oft auch begnügte er sich damit, sein Abendmahl im „Frühlingsgarten" oder im „Grauen Kater" zu Nürnberg einzunehmen. Gleichzeitig mit dem Erscheinen des letzten Werkes: „Gottheit, Freiheit, Unsterblichkeit" (1866) ergriff bedenkliches Unwohlsein den stets Gesunden: gänzliche Appetitlosigkeit, die im Frühjahr 1867 in Schwindel, Uebelkeit und Erbrechen ausartete. Der Arzt71 befahl, das Bett streng zu hüten. Allerdings erholte sich der Patient, aber nur, um
Gerechtigkeit".68
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Werke verfaßt. Zu nennen sind hier u. a. das zweibändige „Lehrbuch der Geologie und Petrefactenkunde" (1846-1847; 2. verm. und gänzl. umgearb. Aufl., 1854) und der „Grundriss der Geologie" von 1860. A. v. Humboldt: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung, 5 Bde., Stuttgart 1845 bis 1862. Ch. Lyell: Das Alter des Menschengeschlechts auf der Erde und der Ursprung der Arten durch Abänderung. Nebst einer Beschreibung der Eiszeit in Europa und Amerika, autorisierte deutsche
Übertragung, verm. Aufl., Leipzig 1874.
Ch. R. Darwin: On the origin of species by means of natural selection, 2 Bde., London 1859. P.-J. Proudhon: Die Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche. Neue Prinzipien praktischer Philosophie. Übers, von L. Pfau, 2 Thie., Hamburg Zürich 1858-1860. Siehe den Briefwechsel zwischen Friedrich Kapp und Ludwig Feuerbach vom 10. Dezember 1864, vom 5. Januar 1865, vom 10. Januar 1866, vom 1./2. März 1866 und vom 10. August 1866. In: Feuerbach GW, Bd. 21, Briefe 1040, 1044, 1086, 1091 und 1105. Siehe auch L. Feuerbach: Zinzendorf und die Herrnhuter. In: BwN, Bd. 2, S. 236-252. Karl Grün datierte diese Arbeit irrtümlich auf das Jahr 1865. Sie wurde jedoch später fertig gestellt, denn am 10. August 1866 bestätigte Kapp aus New York den Erhalt dieser Studien, die Feuerbach am 9. Juli 1866 an ihn gesandt hatte. Siehe L. Feuerbach: Das Wesen des Glaubens im Sinne Luthers. In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 353 bis 412. Dr. med. Eduard Baierlacher, Feuerbachs Hausarzt. -
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Redaktionelle Vorbemerkung
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etliche Wochen später einen gelinden Schlaganfall zu erleiden. Die Sprachorgane und die eine Hälfte des Gesichts erfuhren eine kleine Lähmung. Die herrliche Luft des oberösterreichischen Gebirges, welche der Genesende bei seinem Freunde Deubler zu Goisern bei Ischl einsog, stellte ihn wieder her, Deubler heisst seitdem im engern Zirkel der „Wunderbauer". Dennoch war Vorsicht fortan die Mutter der fernem Lebensdauer, im Rauchen und Biertrinken musste geknausert werden; auch die Ausgänge des steten Wanderers verkürzten sich nothgedrungen. 1868 auf [18]69 verfasste Ffeuerbach] seine letzten Kapitel zur Moralphilosophie, die wir weiterhin mittheilen;72 1870 erfolgte der zweite, |112| heftigere Schlaganfall die Uhr der produktiven Thätigkeit stand für immer still. Das war ein böser Winter für die Familie, der Kriegswinter in Frankreich! Dennoch liess Ffeuerbach] sich im Frühjahr 1871 das Gehen nicht gänzlich nehmen. Das Urtheil Feuerbachs über die politischen Ereignisse seiner letzten Lebensjahre ist nicht leicht zu fixiren. Zu dem preussisch-österreichischen Kriege von 1866 verhielt er sich als Süddeutscher und Demokrat, wie seine Briefe und Aphorismen beweisen; er erblickte darin einen neuen siebenjährigen Krieg, d. i. einen Rückfall.73 Was den letzten Krieg gegen Frankreich betrifft, so verhinderte seine Krankheit jede zusammenhängende Aeusserung. Als der Herausgeber des „Libero pensiero", Hfer]r Luigi Stefanoni, ihn um seine Ansicht über die Lage der Dinge brieflich ersuchte, konnte nur die Tochter „im Namen des Vaters" antworten. Diesen Brief theilen wir aus der genannten italienischen Zeitschrift mit.74 Hier gewinnt es den Anschein, als ob Ffeuerbach] bis zum Tage von Sedan Patriot gewesen wäre, alles Weitere aber vom humanitären Gesichtspunkt aus beanstandet hätte. Wenn dem so ist, so kann man in seinem Verhalten nur die unerschütterliche Konsequenz seiner Weltanschauung bis zum letzten Athemzuge anerken-
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nen.
letzte, in Absätzen geschriebene, aber doch fertig gewordene Brief Feuerbachs ist vom 26. März 1871, und an Konrad Deubler gerichtet.75 Die Handschrift ist vollkommen schlagflüssig, die Züge der Feder werden stellenweise ganz unrein, wie verkleckst, die Zeilen krümmen sich. Die Anstrengung muss sehr gross gewesen sein. Ein Brief an H[er]rn Marcus16 zu Hamburg aus dem Sommer 1871 kam nicht mehr über Der
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den Anfang hinaus.
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Der letzte Schreibversuch wurde im Monat September gemacht.
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Karl Grün hat diese Arbeit erstveröffentlicht (BwN, Bd. 2, S. 253-305). Vgl. folgende Briefe: Ludwig Feuerbach an Unbekannt, 5. Mai 1866 sowie Ludwig Feuerbach an Friedrich Kapp, 9. Juli 1866 und Ludwig Feuerbachs an Konrad Deubler, 10. Juli 1866. In: Feuerbach GW, Bd. 21, Briefe 1100, 1103 und 1104. Siehe den Brief von Luigi Stefanoni an Feuerbach von 1870 und Leonore Feuerbachs Antwort darauf, die sie im Namen ihres Vaters schrieb. II libero Pensiero, Giornale die Razionalisti, 19. Gennaio 1871. BwN, Bd. 2, S. 208 und S. 209-210. Ludwig Feuerbach an Konrad Deubler, 26. März 1871. In: BwN, Bd. 2, S. 232-233. Um wen es sich bei Herr Marcus aus Hamburg handelt, konnte bisher nicht ermittelt werden (siehe BwN, Bd. 2, S. 213).
Redaktionelle Vorbemerkung
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Aus dem Anfang des Jahres 1872 besitzt der Herausgeber die eigenhändige Unterschrift Feuerbachs unter seiner Photographie: „L. Feuerbach Unter solchen Umständen mochte es einem selbst unbemittelten Freunde78 verziehen werden, dass er daran dachte, an die Oeffentlichkeit zu appelliren, um dem Dulder die allerletzten Lebenstage erträglich zu machen, und Weib und Kind von jeder andern Sorge ausser der Krankenpflege zu befreien. Leider fiel die Ausführung dieses Gedankens in ungeschickte Hände, deren Elaborat zunächst Bestürzung verbreitete.79 Bald aber sahen die Freunde in Nähe und Ferne klar, und alle empfanden, was Karl Blind an
grüsst".77
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Vermutlich erstattete Feuerbach seinen Dank für die ihm durch Karl Grün zugekommene Spende von Wiener Freunden. Siehe hierzu den Brief von Grün an Feuerbach vom 16. Dezember 1871 (BwN, Bd. 2, S. 213-214.) Gemeint ist Enno Hektor (1820-1874) der Sekretär des Germanischen Museums zu Nürnberg. Vgl. hierzu besonders die Mitteilung von Bertha Feuerbach am 25. Februar 1872 gegenüber Emma Herwegh, wo es u. a. heißt: „Was ich Dir weiter zu berichten habe, werden Dir längst schon die Zeitungsartikel gebracht haben. Ob Du auch die große Lüge vom Hungertod gelesen [hast] die die ganze Freundeswelt meines Mannes in Aufregung und aus dem Schlummer weckte. Die Art, wie es geschah, hat uns eine so aufregende und qualvolle Zeit gebracht, daß es mir unmöglich ist, unsre Erlebnisse seit Monaten ausführlich zu beschreiben. Dr. Hektor, der ein langjähriger Freund unseres Hauses ist, unsre Verhältnisse kennt, ließe sich's einfallen, auch zugleich unser Wohltäter sein zu wollen. Leider hat er sich dafür ein höchst tadelnswertes Individuum ersehen. Ehe Hektor mit demselben alles besprochen, um eine Agitation ehrenvoll ins Leben zu rufen, steht sie schon gedruckt in der Zeitung, und Hektor bringt sie uns mit verstörtem und blassem Gesicht, wie ich ihn noch nie gesehen, um uns auf eine solche krasse Darstellung vorzubereiten. Und nun beginnt eine Zeit für uns, die sich nicht beschreiben läßt, und der wir beide nicht gewachsen waren. Ludwig ist leider durch seinen geistigen Zustand jedes Urteils unfähig. Die Tanten [Leonore Feuerbach (1809 bis 1885) und Elise Feuerbach (1813-1883) M. K.] benahmen sich gleich so, daß wir erst seit einigen Tagen ihr Haus wieder betreten, und zwar nur, weil sie zuerst die Hand uns zur Versöhnung boten. Nun kamen Briefe auf Briefe um Anfragen und Erkundigungen, die wir der Wahrheit gemäß beantworteten. Fest entschlossen, alles zurückzuweisen, und die Agitation aufzulösen, wurden wir von allen Seiten daran verhindert. Dagegen lehnten sich unsre hiesigen Freunde und namentlich Karl Blind in London auf das entschiedenste auf. So wurden wir in eine Sache hineingezogen, die vielleicht manchem tadelnswert erscheinen wird und uns vielleicht kein großes Glück verheißt. Ich habe mich durch diese Mitteilungen so aufgeregt und eine wahre Angst beschleicht mich, daß ich heute schließen muß. Ich fahre heute, den 3. März, fort, um zum Schlüsse dieses Briefes zu kommen. Eine große Teilnahme für das Ehrengeschenk meines Mannes ist allerdings in das Leben getreten, namentlich haben die Deutschen in Wien ihre volle Anerkennung durch Geldsendungen kundgegeben. In Amerika geschieht viel, und wir sind begierig, wie die Ergebnisse ausfallen werden. Eine Ot[t]ilie Assing interessiert sich hauptsächlich für die Sache und steht in Briefwechsel mit Lorchen. So sehen wir denn mit Spannung dem Abschluß dieser Katastrophe entgegen. Aber glaube nicht, daß Glück und Freunde jetzt bei uns eingezogen sind. Der traurige Zustand meines Mannes ist so schmerzlich für uns, so herabstimmend für Geist und Gemüt, daß es uns wie ein dichter Schleier das Glück verbirgt, das es für uns gewesen wäre, wenn es um einige Jahre früher uns erreicht hätte." Siehe Herwegh-Archiv, Dichtermuseum, Liestal (Schweiz), Signatur: BRH 326. -
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Redaktionelle Vorbemerkung
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Leonore Feuerbach schrieb: Es handelt sich hier nicht um Mildthätigkeit, |113| sondern um eine Ehrenschuld der Deutschen; was wir bieten, ist ein Ehrendank für den grossen Denker deutscher Nation.80 Der einzige, noch ins Auge zu fassende Zweck wurde erreicht; ruhig konnte Feuerbach sein Haupt hinlegen. Vom März bis zur Mitte Juli 1872 verliess er kaum das Lager. Dann erhob er sich wieder bis zum 5. Septfember]. Eine unter andern Verhältnissen leichte Erkältung übte jetzt eine furchtbare Wirkung: eine Lungenlähmung warf ihn für immer nieder. Am 13. Septfember] 1872 entschlief Ludwig Feuerbach. Am 15. Septfember] trug man die sterblichen Reste auf den weltberühmten Johanniskirchhof zu Nürnberg, zur Ruhestätte Albrecht Dürers und Hans Sachsens. Eine ungeheure Menge von Leidtragenden von Nah und Fern drängte sich nach, man schätzte sie auf 20,000 Personen. Das Grab war im Südosten des Friedhofes gegraben. Es sei uns gestattet aus der Grabrede des H[er]rn Karl Scholl, der zu Feuerbachs letzten und treuesten Hausfreunden gehörte, einige markante Stellen mitzutheilen, wäre es auch nur zum sprechenden Beweise dafür, dass doch endlich ein Todter begraben werden kann wie er gelebt hat, und dass das gesprochene Weihwasser in extremis keine traurige Nothwendigkeit mehr ist. „Was vor drei Jahrhunderten ein Kopernicus, ein Kepler, ein Galilei der Erde gethan, indem sie derselben in ihrem Verhältniss zur Sonne und zu allen übrigen Gestirnen den ihr gebührenden Platz im Weltall angewiesen, dasselbe hat Ludwig Feuerbach gethan für den Menschen, für die Menschheit. Er ist es, dem wir's verdanken, und dem's die Nachwelt noch ganz anders danken wird, vor Allen Er, der den Vorhang zerrissen hat, der uns getrennt und geschieden von unserem eigenen Selbst, der den Schleier und die Binden weggerissen, die seit Jahrtausenden, zumal durch Priesterhand, um Augen und Herzen der Menschheit gelegt waren, und in Folge dessen unser Geschlecht sich eingebildet, wir befanden uns auf unserer Erde als einem Orte des Fluchs, einem Jammerthal, sich eingebildet, alles Hohe, Schöne, Edle, alles Ewige, Göttliche sei nur ausser und über uns, nicht in uns selbst zu finden, sich eingebildet, wir müssen erst sterben, um in den Besitz all dieser hohen und höchsten Güter zu gelangen, denn da droben hinter den Sternen, hinter dem Himmelsgewölbe, da wohne der grosse Gott, und dort nur sei wahres, ewiges Leben, dort im schönen Jenseits. Dieser Traum der Menschheit ist es, den Ludwig Feuerbach, er wenigstens vor Allen, ein für allemal zerstört und zertrümmert
hat.["]81-|114| 80 81
Das erwähnte Schreiben scheint nicht mehr erhalten zu sein. K. Scholl: Dem Andenken Ludwig Feuerbachs! In: Es werde Licht! Freireligiöse Vorträge, Betrachtungen und Abhandlungen zur Förderung der Religion der Humanität, 3. Jg., Nürnberg 1872, S. 177-191. Hier zitiert von S. 178. Der dreiteilige Artikel umfaßt die Grabrede Karl Scholls, Feuerbachs letzte Stunden und das im nachfolgenden hier teilweise abgedruckte Gedicht „Zum Gedächtniß Ludwig Feuerbachs" von Enno Hektor. -
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Redaktionelle Vorbemerkung
„Angesichts der ewigen, unumstösslichen Wahrheit, dass die Welt eine und eine einzige ist, nicht zerspalten in ein Droben und Drunten, nicht zerrissen in ein Jenseits und Diesseits, nicht hier ein Ort der Verbannung für arme Sünder und droben erst ein ewiges, herrliches Leben, droben Gott, Angesichts der nicht länger zu bestreitenden Thatsache, dass die Welt ewig und unendlich, dass die Welt, wie der fromme Sirach -
schon sagt, „Er selber", dass wir ausser dieser unendlichen Welt, ausser oder über ihr, uns somit kein anderes Wesen, als Person, oder irgendwie mehr zu denken berechtigt sind, dass sie selbst uns erscheint als das Eine, ewige, ewig schaffende und ewig zerdass die höchste Offenbarung desselben, der selbstbewusste störende Weltwesen, in in unserem Gewissen, in unserer Vernunft, in der gesammten Menschheit Geist, uns, und unserer Geschichte zur Erscheinung komme, Angesichts dieser nicht mehr zu leugnenden Thatsache, hat Ludwig Feuerbach dass grosse und kühne Entdeckerwort gesprochen, dass folglich es auch eine Täuschung war, wenn sich die Menschen bis zur Stunde eingebildet, die Religionen seien übernatürliche Offenbarungen; er hat vielmehr nachgewiesen, dass sie alle ohne Unterschied nicht von Aussen, nicht von Oben her in den Menschen hineingekommen, dass sie vielmehr der Menschheit eigenstes Werk, ihr eigenstes Fühlen, Sehnen, Hoffen und Denken, aus ihr selbst heraus entstanden seien. ["]82 „So seht denn hin, ihr Frommen, seht hin auf den grossen, schrecklichen Atheisten oder Materialisten, wie ihr so gerne und so selbstzufrieden ihn nennt, er ist gestorben [...] so friedlich, so sanft, so ruhig, wie es den Frömmsten unter Euch nicht immer beschieden [,,]Uns, die wir hier an seinem offenen Grabe stehen, uns ist es Bedürfniss, die Frage uns zu beantworten: was ist es gewesen, das ihn zur Erfüllung dieser seiner Lebensaufgabe, die er für die Menschheit vollbracht hat, was ist es gewesen, das ihn zu dieser Riesenarbeit und Riesenthat befähigt, welches ist der innerste Trieb oder Drang seines Wesens, der ihn dazu geführt hat? Es war seine grosse, seine unverfälschte, seine unbestechliche Liebe zur Wahrheit, und sie möge es darum sein, an die wir vor Allem an seinem Grabe uns erinnern wollen."Seines Lebens Noth, geht der Gedanke weiter, war ihm der Spiegel des allgemeinen Leidens, der unversöhnten Gegensätze des Daseins. „Darum hat er von sich selbst aus fühlend gelernt, was es |115| heisst, sorgen und kämpfen müssen um's Allernothwendigste, von sich selbst aus gelernt, die Noth und den Jammer und das Elend der vielen, vielen Tausende Anderer, die in noch drückenderen Verhältnissen leben, ganz zu erkennen und zu würdigen, und darum hat er sich vor Jahren schon auf Seite Derer gestellt, welche es sich zur Aufgabe gemacht, durch alle geistigen und materiellen Mittel es dahin zu bringen, dass der Noth, des Jammers, des -
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ist!["]83
82 83 84
Ebenda, S. 178-179. Ebenda, S. 185. Ebenda, S. 179.
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Redaktionelle Vorbemerkung
Elends und der Verzweiflung weniger werde auf unserer sonst so schönen Erde, dass die Kluft sich schliesse, welche die Besitzenden trennt von den Besitzlosen." -85 Lorbeerkränze wurden auf den Sarg gelegt von Dr. Baierlacher, Feuerbachs Arzt und
Hausfreund,
H[er]rn Kaufmann Stiefi Namens des Nürnberger Bürgervereins, von Cfonrad] Beyer im Namen des „Freien deutschen Hochstifts" zu Frankfurt [am Main], und vom Fürsten Khanikoff, dem innigen Verehrer des Verblichenen, der das Wesen des Christenthums ins Russische und ins Italienische übersetzt hat, im Auftrage 6 von
Dr.
italienischer Mitstrebender. Und der ihm bald nachfolgen sollte, sein Freund Hektor, Sekretär des Germanischen Museums, dichtete zum 15. September] 1872:87
„Schreibend: immer wahr und klar,
Sprechend: stets befangen,
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Still, wie all' Dein Leben war, Bist Du hingegangen.
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O Du glaubtest nur zu viel, Gar an Ideale, Ein erreichbar höchstes Ziel Schon im Erdenthaie." -
„Glaubens-, gottlos nennt man Dich,
„Zwar des Streitens mit dem Feind
Zählt Dich zu den Schlechten, Und es nennen Christen sich Diese höchst Gerechten.
Warst Du längst schon müde: Sei denn Deinem Staube, Freund, Friede, Friede, Friede."
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Ueber dem Grabe hat H[er]r v[on] Cramer-Klett zu Nürnberg ein würdiges Denkmal errichtet. Auf dem Unterbau erhebt sich ein mächtiger Sockel, von Dreiecken gekrönt, und auf diesen wieder eine Pyramide, Alles aus gelblichem Sandstein. Der Sockel trägt eine Bronze-Platte mit der Aufschrift: „L. Feuerbach, geb. d. 28. July 1804 in Landshut, gest. d. 13. Sept. 1872 in Nürnberg". Auf der Rückseite ein Lorbeerkranz in Bronze und Relief. In der Mitte der Pyramide hebt sich Feuerbachs Porträt ab, gleichfalls in Bronze und in Relief. Da ruht er im Grünen, das den Unterbau umwächst.
Ebenda, S. 183.
Vgl. A. Kohut: Ludwig Feuerbach. Sein Leben und seine Werke. Nach den besten, zuverlässigsten und zum Teil neuen Quellen geschildert, Leipzig 1909, S. 343-352. Das Gedicht von Enno Hektor „Zum Gedächtniß Ludwig Feuerbachs" hat Grün in Auszügen wiedergegeben. Vgl. den vollen Wortlaut bei K. Scholl: Dem Andenken Ludwig Feuerbachs!, a. a. O. (Anm. 81), S. 190-191.
Ludwig Feuerbach1
i.2 Irre ich mich nicht, so schuldet die ,AHg[emeine] Z[ei]t[un]g" ihren Lesern seit dem September 1872 den sogenannten Nekrolog des großen fränkischen Denkers, der wie kaum einer die originale Begabung des Süddeutschen mit der dem Norddeutschen homogenen Klarheit des Gedankens, die Hegel'sche Strenge der Logik mit Goethe'scher Anschaulichkeit zu verschmelzen wußte, der sich zu Hegel verhielt wie Schiller zu Kant des dritten und letzten unserer classischen Popularphilosophen: Lessing, Schiller, Feuerbach. Es sei mir daher gestattet, ehe ich von des Verstorbenen Leistung und Bedeutung in philosophischer und culturgeschichtlicher Hinsicht rede, einiges über seine Lebensumstände beizubringen, so wenig großartiges oder spannendes eine deutsche DenkerBiographie auch enthalten mag. Vielleicht hebt sich jedoch ein beständiges Innenleben, der labor impius der Gedankenarbeit, am besten auf Grund einer fränkischen Idylle ab, der es wahrlich an elegischen Elementen nicht gefehlt hat. Ludwig Andreas Feuerbach wurde geboren zu Landshut am 28. Juli 1804. Sein Vater ist bekanntlich der berühmte, große, für Bayern so bedeutsame Criminalist und Legislator Anselm Feuerbach aus Frankfurt a[m] M[ain], dessen späterer Verdienstadel nur in der Primogenitur vererbte. Seine Mutter, eine bildschöne Frau und Gegenstand einer stürmischen Studentenliebe, hieß Mina Tröster und war aus Dornburg bei Jena, wo *
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In der Augsburger „Allgemeinen Zeitung" wurde dieser Beitrag in drei Teilen veröffentlicht. Vgl. dazu die Anmerkungen 2, 36 und 55 im vorliegenden Dokument. K. Grün: Ludwig Feuerbach. In: Allgemeine Zeitung (Beilage), Augsburg, Nr. 211 vom 30. Juli 1874, S. 3297-3299. -
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Vater Anselm eine Weile die Juristerei an Philosophie und Poesie verrieth, und mit und für Reinhold und Schiller „schwärmte". Das war eine Race, diese Feuerbach! Vater Anselm zeugte fünf Söhne, stark von Art, lauter bedeutende Specialitäten: Anselm, den Archäologen, den Belvedere'schen Feuerbach; Karl, den Mathematiker; Eduard, den Juristen und Rechtslehrer; dann unsern Philosophen; endlich Friedrich, den Philologen. Ludwig Andreas, der vierte Sohn, wurde merkwürdigerweise vom ,,k[öni]gl[ichen] bayerischen Stadtpfarramte zum heil[igen] Jodocus" „nach katholischem Ritus getauft,"3 weil dazumal in Landshut kein protestantischer Geistlicher zu haben war! Alle Nachforschungen nach einer Wiedertaufe sind vergeblich geblieben, und so wäre denn der Antichrist in Person, nach der Auffassung der unfehlbaren Heiligkeit zu Rom, „durch die Taufe" des Papstes gegangen! Seine Kinderjahre, vom zweiten bis zum zehnten, verlebte Ludwig in München, hierauf zwei Jahre in Bamberg, seine erste Jugend sodann in Ansbach, wo er 1822 das Gymnasium absolvirte und wo der Vater bis zu seinem in Frankfurt 1833 erfolgten Tod als erster Präsident des Obergerichts ansässig war. Ludwig, der sich selbst aus innerem Drange zur protestantischen Theologie bestimmt hatte, privatisierte noch ein Semester im elterlichen Hause, studierte emsig Kirchengeschichte, freilich auch den Gibbon, excerpirte Herders theologische Briefe der Humanitätsprediger wurde ihm die Eingangspforte zum Humanismus und bezog zu Ostern 1823 die Universität Heidelberg. Wer jemals in Feuerbach, auch in dem späteren schwertscharfen unerbittlichen Kritiker, ein Aederchen von Frivolität gesucht hat, der lese seine Heidelberger Briefe über Paulus' Exegese, die er geradezu verabscheute,4 und über Daubs Religionsphilosophie, die er begeistert verehrte. Das Knuppern an der äußern Schale empörte ihn; in den Kern der Dinge sich einzubohren das war früh schon seine einzige Lust. Daub, der Treffliche, weissagte schon damals: „Der Feuerbach bleibt nicht bei der Theologie, der geht zur Philosophie über."5 Von Heidelberg zog es den Studenten gewaltig nach Berlin, in die Metropole der herrschenden Philosophie, zu den Füßen der „Logik als Metaphysik", des incarnirten Logos Hegel. Neander und selbst Schleiermacher waren nur epistolarische Vorwände, hinter denen er dem gestrengen H[er]rn Vater seinen furor metaphysicus verbarg. Noch ein Jahr hielt er es zu Berlin in der theologischen Facultät aus, dann erfolgte ein neuer Sturm auf den Vater: Ludwig will Philosoph werden. Mit liebevollem Ingrimm gibt der Appellationsgerichtspräsident, der selbst analoge Erfahrungen an sich gemacht hatte, nach, dem Sohne das Schlimmste prophezeiend. Daub war als Eideshelfer herbeigeholt -
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Vgl. BwN, Bd. 1,S. 161. Siehe Ludwig Feuerbach
an Paul Johann Anselm von Feuerbach, 8. Januar 1824. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S.40. Vgl. die Aussage Karl Daubs, die Wilhelm Kohl in seinem Brief an Feuerbach wiedergibt (Feuerbach GW, Bd. 17, S. 65).
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Ludwig Feuerbach
worden, Hitzig hatte diplomatisch interveniren müssen.6 Nach zweijährigem Aufenthalt, zu Ostern 1825, verließ Ludwig Berlin und Hegel, dessen fortwährender hingegebener Schüler er gewesen, und dem er beim Abschied sagte: „Jetzt gehe ich Naturwissenschaft studieren," als hätte er sagen wollen: den Piaton kenne ich jetzt hinlänglich, nunmehr will ich mir die Welt des Stagiriten betrachten. Die „Idee," des a priori haben Sie mich gelehrt; jetzt zieht es mich zum a posteriori, zur unmittelbaren Anschauung. Wiederum sammelte er sich ein halbes Jahr zu Ansbach, und gieng dann als pflichtgetreuer königl[icher] bayerischer Stipendiat noch ein Jahr auf die Landesuniversität Erlangen. Die Speculation stellte er vorläufig in den Winkel, hörte dagegen Botanik bei Koch, Anatomie und Physiologie, wenigstens im allgemeinen, bei Fleischmann. Im Jahre 1828 promovirte er zu Erlangen als Dr. phil., auf Grund einer Dissertation: „De ratione una, universali, infinita," die er mit einem denkwürdigen Briefe, halb dankbarer Ergebenheit, halb Absage- und Fehdebrief, an Hegel nach Berlin sandte. Der „absolute Geist" hatte sich bereits in die allgemeine, alles durchdringende, alles zu gestalten bestimmte, immer aber noch substantielle, an und für sich seiende Vernunft
metamorphosirt. Der junge Docent war fertig. Er debütirte im Winter 1828/29 mit „Cartesius und Spinoza". Sein Bruder Eduard lehrte, gleichfalls als Privatdocent, Rechtswissenschaft. Fritz war Studiosus der Philologie. Von 1829 bis 1832 las unser Philosoph „Logik und Metaphysik" und „Geschichte der neueren Philosophie." Das erstere Collegium diente ihm zur langsam-mühsamen Selbstverständigung, das zweite enthielt seine Force. Von der Art seines Vortrags wissen wir nichts authentisches, vermuthen aber[,] daß er viel zu stark mit sich beschäftigt war, viel zu viel im Wesen lebte, um der Form, und nun gar der gefälligen Form, Meister zu sein. Sodann war Erlangen nie ein philosophischer Boden, und die dort herrschende pietistische Richtung der Theologie erblickte sicherlich ihren Erzfeind in dem jungen ehernen Logiker, der sich selbst aus den Banden der Theologie befreit hatte. Im Jahr 1832 schon gab er jede Hoffnung auf Beförderung, also auf eine akademische Laufbahn, auf; er wußte und auch sein Vater hatte es ihm gesagt daß man ihm höhern Orts seine freilich halb wider seinen Willen im Jahr 1830 erschienenen „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" niemals verzeihen würde.7 Er verließ also Erlangen, und hielt sich bis ins Jahr 1835 bald zu Ansbach, bald zu Frankfurt, bald zu Nürnberg auf, eifrig, ja angstvoll nach einer anderweitigen Bestimmung ausschauend, nach allem Möglichen tastend, nach einer Stellung in Frankreich, an der Berner Universität,9 nach -
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Siehe Ludwig Feuerbach an Julius Eduard Hitzig, 3. April 1825. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 73 bis 76. Siehe Ludwig Feuerbach an Ludwig Noack, 23. Juni 1846. In: Feuerbach GW, Bd. 19, S. 69. BwN, Bd. 1, S. 27. So schrieb Feuerbach an seinen Bruder Eduard am 28. September 1832: „Was mich betrifft, kann ich bis jetzt noch nichts Bestimmtes schreiben. Ich betrachte noch immer Paris als den angenehmsten Ort und alles übrige nur als Mittel, diesen Zweck zu erreichen. Ich werde daher auch alle mir
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Zeitungsredaction,10 nach einer Verwendung in Neugriechenland,11 nach der Hof-
meisterei, dem Asyl so vieler deutschen Celebritäten, nach Paris, wo er sich als Sprachimmer tastend, nichts lehrer und Zeitungscorrespondent durchzuschlagen hoffte -
ergreifend.
Ein letzter Versuch wurde zu Erlangen im Winter 1835/36 gemacht; Feuerbach las noch einmal „Geschichte der neueren Philosophie bis auf die neuesten Zeit." Da erfolgte 1836 der dritte abschlägige Bescheid auf seine Bewerbung um die Professur Feuerbach gieng für immer.12 Auch die Berliner, denen er doch durch seine „Geschichte der neueren Philosophie von Bacon von Verulam bis Spinoza" (1833) imponirte und bei denen das Hegelthum in der Person Altensteins regierte, thaten nichts für ihn, außer daß sie ihn an den „Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik" taglöhnern ließen. Immer hieß es: er müsse erst sich als Privatdocent habilitiren, dann werde die Ernennung in Bonn! Mittlerweile war auch die zweite außerakademische Schrift unsers Philosophen erschienen: ,Abälard und Heloise," oder „der Schriftsteller und der Mensch" (1834), in welcher sich der künftige Stylist mächtig ankündigte und ein castigirter Jean Paul zu Tage trat. Und gleichzeitig war die lebendige Heloise, die in der profanen Welt Bertha -
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erfolgen.13
möglichfen] Wege einschlagen, um mich dort unterzubringen. Bereits habe ich daher die Kühnheit gehabt, mich geradezu mit meinem Anliegen an Cousin zu wenden, bis jetzt habe ich aber noch keine Antwort." Feuerbach GW, Bd. 17, S. 147. Siehe zu dieser Bewerbung M. Koppe: Ein unbekannter Brief Ludwig Feuerbachs aus dem Jahre 1834. In: Philosophisches Jahrbuch. Im Auftrag der Görres-Gesellschaft hrsg. von H. M. Baumgartner(t), K. Jacobi, H. Ottmann und Wilhelm Vossenkuhl, 108. Jg., 2. Halbbd., München 2001, S. 319-331. 1831 zog Feuerbach für sich die hauptverantwortliche Tätigkeit des Redakteurs für „Das Ausland" in Erwägung. Das „Tagblatt für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker" kam bei Cotta in Stuttgart unter der Redaktion des mit Feuerbachs Vater befreundeten Ignaz Lauterbacher (1799-1833) heraus. Lauterbacher hatte Feuerbach über die freiwerdende Stelle in Kenntnis gesetzt. Vgl. Ludwig Feuerbach an J. F. Cotta, Freiherr von Cottendorf, 11. September 1831. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 127. Siehe Ludwig Feuerbach an Friedrich Thiersch, [Dezember 1834]. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 213-214. Siehe Feuerbachs abermaliges Gesuch, welches er zur Erlangung einer außerordentlichen Professur an den König von Bayern, Ludwig I., im Sommer 1836 richtete sowie die darauf erfolgte Antwort des Prorektors der Erlanger Universität Johann Georg Veit Engelhardt, in der Feuerbach aufgefordert wurden, den „Ungrund" seiner Mitwirkung an den anonym erschienenen „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" (1830) nachzuweisen. Vgl. auch den von Feuerbach verfaßten ausführlichen Briefentwurf, indem er sich gegen ein derartiges „Inquisitionsgericht" aussprach und den kurz gefaßten Antwortbrief an den Erlanger Prorektor (Feuerbach GW, Bd. 17, Briefe 150, 151 und 152, S. 274-282.) Die Universität in Bonn war schon im Sommer 1835 im Gespräch (siehe Ludwig Feuerbach an Bertha Löw, August 1835. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 246). Von Henning riet Feuerbach „vorzugsweise zu Bonn", da, „soviel mir bekannt, es dort gänzlich an Vorlesungen über die spekulative Philosophie fehlt" (Leopold von Henning an Ludwig Feuerbach, [1835], In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 257). Grün kannte beide Briefe. nur
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Löw in Bruckberg bei Ansbach hieß, in Feuerbachs Lebenskreis getreten, seine Wünsche nach einem sichern Neste beflügelnd. 1836 erschien der „Leibnitz," das Meisterwerk historisch-genetischer Darstellung alles vergebens. Da zog es den überall Abgestoßenen zu seinem Magneten nach Bruckberg hin; er vermählte sich am 12. Nov[ember] 1837 mit seiner Bertha, auf Grund eines Budgets welches die größte Aehnlichkeit mit dem Schillers, als er seine Charlotte heimführte, verrieth. Vater Löw war 1800, nach dem Tode des letzten Markgrafen von Ansbach, auf Alexfander] v[on] Humboldts Vorschlag Inspector der nunmehr kföniglich] preußischen Porcellanfabrik im Schlosse zu Bruckberg geworden, und leitete sie auch später, nachdem sie sich in ein Privat- und Compagniegeschäft verwandelt hatte. Nach Löws Tode folgte ihm dessen Schwiegersohn Stadler im Amte. Bertha Löw hatte ihren Antheil am Ertrag, anfanglich etliche hundert Gulden. Später reducirte sich dieser Antheil auf freie Wohnung im Schloß, Obst, Gemüse, Holz und Wildpret. Feuerbachs Personal-Revenuen bestanden in einer kleinen Pension die er als Sohn seines Vaters bezog, und die sich erst nach dem Tode der Mutter auf 420 fl. erhob. Das Fehlende wurde aufs Debet der Schriftstellerei geschrieben. Never mind! Das waren halcyonische Jahre in Bruckberg, im Schloß, im Wald, Abends in der Schloßwirthschaft, wo Feuerbach mit Bauern und Handwerkern sein Pfeifchen rauchte, sein Bier trank und philosophirte, stets die höchste Achtung bezeugend allem was Menschenantlitz trägt. 1838 erschien „Pierre Bayle," das scharf negative Bild, welches erst in der Dunkelkammer des Feuerbach'sehen Gehirns seine positiven Linien zeitigen sollte, um als eigene und eigenthümliche Religionsphilosophie die Welt in Erstaunen zu setzen. Dieser Geist, so eindringend als gelehrt, so unumwunden wahrheitsliebend, konnte es in der Gesellschaft der Alt-Hegeliten nicht länger aushalten; er gieng von den Berliner „Jahrbüchern" zu den neuentstehenden „Hallischen (später „Deutschen") Jahrbüchern" Schaller und Hinrichs ins Leben geführt, und über, von Arnold Ruge, wurde mit David Frfiedrich] Strauß |3298| bald Corpscommandant der jungen Freiheitsarmee. Während Strauß als kritischer Theologe vorauszog, folgte Feuerbach als Kritiker der Philosophie, und gerade seine durchsichtige Offenherzigkeit, sein keimender Humanismus grub in Gemeinschaft mit den Bruno Bauer'schen Rücksichtslosigkeiten das frühe Grab des jungen Instituts. Ruge, der unermüdliche Projectenmacher, der aufopfernde Idealist hat er doch sein ganzes Vermögen der Philosophie geopfert lockte ihn vergebens nach Halle, nach Dresden; Feuerbach blieb unerschüttert in seinem Tibur, und wenn er ein „Aner" sein müsse, sagte er, so sei er ein „Bruckbergianer". Die fruchtbarste Periode seines Lebens, die Zeit in welcher er am meisten aus sich heraussetzte, waren für Feuerbach unbedingt die 1840er Jahre bis zu Ende des Jahres 1850. Die Welt wenigsten hat in diesen Jahren die zahlreichsten Früchte seiner Thätig-
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keit brechen können, wenn auch seine latente Arbeitsamkeit zu andern Zeiten ebenso groß war. Denn Feuerbach war kein Schreiber, wohl aber ein permanenter Denker und Sammler. Ueber diesen Punkt finden sich in seinen hinterlassenen Papieren eine Menge Aphorismen, wie z. B.: „Warum ich so wenig, so ungern schreibe? Ich will nicht eiç üocöq ygárostv, ins Wasser schreiben. Ich will die Zeit, die ich für andere am Ende umsonst verwende, für mich gewinnreich machen."15 Oder: „Ich gehöre nicht zu den Schriftstellern die ihr Pulver verschießen nur um sich das Vergnügen zu machen KnallEffecte hervorzubringen. Ich schieße nur um zu treffen, obgleich das bloße Schreiben, im Gegensatze des unmittelbar auf bestimmte Menschenkreise gerichteten Wirkens, mir oft gerade so sinn- und erfolglos erscheint, als sein geladenes Gewehr aus Mangel eines schießwürdigen Objects in die Luft abzuschießen."16 Das Gericht über Hegel, schon längst in mehr beleuchtendem Wetterleuchten angekündigt, brach im Jahre 1839 los. Die abstráete Begriffswelt, das Sein als reine Idee, wurde unter das Scalpel genommen, die Philosophie als Wissenschaft der Wirklichkeit erklärt. 1841 erschien das „Wesen des Christenthums", mit Strauß „Leben Jesu" das einschneidendste Buch der ersten Hälfte des Jahrhunderts, da Humboldts „Kosmos" nachweisbar der Geburtshülfe Bernhard Cotta's bedurft hat, um selbst bei den Gebildeten lebendig zu werden. Jetzt erst folgten die kategorischen speculativen Arbeiten, die leider keine größere Ausarbeitung erfuhren, um sich als Geschichte der Philosophie an „Leibnitz" und „Bayle" anzuschließen: „Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie," 1842, „Grundsätze der Philosophie der Zukunft," 1843. Nur eine ähnliche Skizze: „Das Wesen der Religion," 1845, diente als Compendium zu den Heidelberger „Vorlesungen" von 1848/49, welche 1851 im Druck erschienen. Gewiß hat Feuerbach, der in den 1840er Jahren der populärste philosophische Schriftsteller Deutschlands wenn auch vielfach auf Hörensagen war, bedeutend zu jenem hochfliegenden Enthusiasmus beigetragen der die Gemüther beherrschte, zu jener Stimmung welche die Republik als selbstredend annahm, und welche das ethische „Ich und Du," den „Communismus" des Philosophen, wenigstens als socialistischen Anspruch, als gesellschaftliches Problem verstand. Auch war Feuerbachs Gesinnung entschieden republicanisch, wobei er freilich keinen schlechteren Gewährsmann hatte als Spinoza selbst, dessen Ausspruch: „Je suis bon républicain"17 er mit Vorliebe citirte. Beobachtet man in dessen seinen geheimsten Gedankengang während der Bewegung von 1848, durchstöbert man die entlegensten Winkel seiner Correspondenz, so gewahrt man einen reinen Theoretiker, einen Anschauenden und Anhörenden, der die Handelnden auf beiden Seiten unter seinem Maße fand, und der sich endlich mit einem Wechsel auf die Zukunft von der Zinne der Partei in seine Einsamkeit zurückzog, wo er aller-
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L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. Ebenda. Vgl. L. Feuerbach: Geschichte der neuern Philosophie von Bacon von Verulam bis Benedict Siehe auch BwN, Bd. 1, S. 52. noza. In: Feuerbach GW, Bd. 2, S. 385, Anm. 2 von S. 384. -
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dings passiv die Erbärmlichkeit der Reaction mit sehr vielen,
auch den Gemäßigtsten, durch fast zwei Decennien zu erdulden hatte. Die Natur und das Alterthum waren und wurden seine Tröster unter dem bleiernen Horizont der politischen Zwangslage. Zur Botanik, Physiologie und Ethnographie war die Geologie und Geognosie gekommen; der Steinhammer hatte sich zum Pulverhorn gesellt; Mineralien, Petrefacten, Krystalle häuften sich zu einer ansehnlichen Sammlung. Die organische Chemie als nothwendige Ergänzung des physiologischen Apparats vervollständigte seine Naturkunde. Moleschott, ihm längst persönlich lieb und werth, bestärkte ihn in dem Gedanken, daß die „Ideen" von sehr realen Factoren bedingt sind; begeistert zeigte er die Lehre von den Nahrungsmitteln an.18 Dann sichtete er ein volles Jahr lang seines Vaters Nachlaß, Briefe, Abhandlungen, Vorträge, und errichtete in strenger Objectivität jenes zweibändige Denkmal welches ein Fachjurist schwerlich zu Stande gebracht hätte (1851). Sein eigenes Hauptwerk in den 50er Jahren aber ist die „Théogonie nach den Quellen des classischen, hebräischen und christlichen Alterthums" (1857) eine Arbeit die auf den fleißigsten, detaillirtesten philologischen Forschungen beruht, und deren Ertrag ihm weder die angewandte Zeit noch die Bücherkosten vergütete. Die Darstellung selbst hat sich hier zu plastischer Ruhe geklärt, jedes Pathos tritt hinter den Monolog der Dinge zurück, treffliche Uebersetzung verdeutscht die Belegstellen aus fremden Sprachen, und das Ganze predigt den noch jüngst von Strauß adoptirten Satz: die Götter sind die personificirten Wünsche der Menschen.19 Dieses Buch ist von der Hochfluth der politischen Reaction rein weggeschwemmt und über die Sandufer der deprimirten Stimmung weggejagt worden. Habent sua fata, nicht nur libelli, -
sondern auch opera.
Das persönliche Leiden kam zu der Noth der Zeit, zunächst als ökonomisches. Das Fatum erschien im modernen Gewände der Bruckberger Porcellanfabrik. Das Etablissement war im Jahr 1808 unter lästigen Bedingungen in den Privatbesitz übergegangen: ein gewisser Späth hatte 20,000 fl. vorgeschossen und betrieb das Geschäft gemeinsam mit Löw bis zum Jahre 1818. Dann ließ sich Löw auf einen Leibrentenvertrag ein, der
Ludwig Feuerbach rezensierte Jacob Moleschotts „Lehre der Nahrungsmittel. Für das Volk" (Erlangen 1850). Die Arbeit erschien unter dem Titel: Die Naturwissenschaft und die Revolution in den Blättern für literarische Unterhaltung, Leipzig 1850, Nr. 268 vom 8. November, S. 1069 bis
19
1071; Nr. 269 vom 9. November, S. 1073-1074; Nr. 270 vom 11. November, S. 1077-1079; Nr. 271 vom 12. November, S. 1081-1083. Siehe auch Feuerbach GW, Bd. 10, S. 347-368. Vgl. D. F. Strauß: Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntnis, 2. Aufl., Leipzig 1872, S. 136: Feuerbach sagt mit recht: „der Ursprung, ja das eigentliche Wesen der Religion sei der Wunsch. Hätte der Mensch keine Wünsche, so hätte er auch keine Götter. Was der Mensch sein möchte, aber nicht sei, dazu mache er seinen Gott; was er haben möchte, aber sich nicht selbst zu schaffen wisse, das solle sein Gott ihm schaffen. Es ist also nicht allein die Abhängigkeit in der er sich vorfindet, sondern zugleich das Bedürfhiß, gegen sie zu reagiren, sich ihr gegenüber auch wieder in Freiheit zu setzen, woraus dem Menschen die Religion entspringt. Die bloße und zwar schlechthinige Abhängigkeit würde ihn erdrücken, vernichten; er muß sich dagegen wehren, muß unter dem Drucke, der auf ihn lastet, Luft und Spielraum zu gewinnen suchen." -
762
Ludwig Feuerbach
Alleinbesitzer machte, aber zu einer Jahresquote von 2500 fl. an Späth verpflichtete. Schon 1820 war diese Quote nicht mehr zu erschwingen. Als Löw 1821 starb, rieth Späth zum Concurse. Die Erben Löw wollten nicht darauf eingehen, es entstand ein Proceß, der 1824 mit einem Vergleich endigte. Späth erhält 6000 fl. gleich und jährlich 1200 fl. Leibrente. Diese wurde richtig bezahlt bis zum Jahr 1848. Stillstand im Verkehr. Dennoch wurde die Rente bis 1854 abgetragen. Jetzt fiel die österreichische Valuta die Fabrik hatte ihren Hauptabsatz nach Triest der Preis des Holzes stieg, die Waare sank im Preise. Späth wurde klagbar. Der Concurs war unvermeidlich, die Subhastation trug einen Spottpreis ein. 1859 war die Bruckberger Herrlichkeit zu Ende, sie hatte für Feuerbach 22 Jahre gedauert; mit sauern Ersparnissen hatte er dem fortlaufenden Deficit abzuhelfen gesucht alles war hin. Er galt anderwärts das Zelt ihn
zum
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aufzuschlagen.
„Raspelhaus"20
Dieses Fatum ist so prosaisch wie ein Jean Paul'sches oder wie die Dickens Hard hat Localität von Times.21 Der „unpraktische" Philosoph es selbst im wesentlichen also in einer Aufzeichnung geschildert. In eine Stadt war Feuerbach nicht zu bringen: „Wie das Leben im Freien, so liebe ich auch das Philosophiren, das Denken im Freien, sub Jove."22 „Wie der Vogel bedarf ich zum Ausbrüten meiner Gedankeneier ein sicheres, obscures Nest. Darum liebe ich es auch, in den Dachstuben, in der Nähe der Sperlinge, Staare und Schwalben, meine Wohnung aufzuschlagen." (Nachgelassene Auch fehlten die Mittel zu einer solchen Umsiedelung. „Ich bin ein total von allen Seiten ruinirter Mann. Alles was ich gethan und unterlassen, ausgegeben und gespart an Geld, ist umsonst, ist hin. So nur eins: die für meine Mittel enorme Geldausgabe für Bücher, verwendet nur in Voraussicht meines bleibenden Aufenthalts dahier. Und jetzt, nachdem ich mit nicht geringer Resignation auf diesen Ort mich beschränkt und auf diesen Ort mich eingerichtet hatte, soll ich auf einmal fort, nun ist auch dieser letzte Anhaltspunkt mir entrissen." (Nachgel[assené] Als von Unterstützung durch Freunde und Gesinnungsgenossen die Rede war, äußerte sich Feuerbach wahrhaft desperat, sprach vom Aeußersten, zu dem er eher schreiten würde, und später schrieb er die Worte nieder: „Wenn ich keine Familie hätte, so würde ich jede Unterstützung von mir weisen, und mir ein Vergnügen daraus machen zur Ganz Ehre oder Schande der deutschen Philosophie und Politik zu ihre Hülfe ihnen sei mußten Von intime Freunde anbringen. aufgewundenen Umwegen nur der verstorbene 0[tto] Lüning erwähnt; die Ueberlebenden werden es mir Dank wissen wenn ich sie schweigend ehre. Die Schillerstiftung darf man erwähnen, da sie -
Aphorismen.)23
Aph[orismen]).24
verhungern."25
20
21
22 23 24 25
Blumen-, Frucht- und Dornenstücke, oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs. In: SW Jean Paul, Bd. I, 6, S. 77. Siehe Ch. Dickens: Hard Times. For these times, Leipzig 1854. L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. Ebenda. Ebenda. Ebenda. Jean Paul:
Ludwig Feuerbach
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auftritt und eigentlich nur eine Ehrenpflicht erfüllte. Aber Persönlichkeiten sollen aus der leidigen Chronik verschwinden; gerade der stille und stillthätige Mann, ein Franke wie Feuerbach, der bis zum Tode des letztern und noch darüber hinaus seine dankbare Ehrerbietung für den Philosophen werkthätig bewiesen hat, werde nur errathen, nicht genannt. Endlich fand man das Gärtnerhaus am Fuße des Rechenberges bei Nürnberg, Eigenthum der Familie v[on] Behaim, aus, in dessen oberen Stock sich Feuerbach begrub. Die Oertlichkeit ist durch die Zeitungen seit der letzten Katastrophe und dem Tode Feuerbachs hinlänglich bekannt geworden. (S[iehe] namentlich „Gartenlaube," Nr. 45 von 1872, Artikel von K[arl] Scholl mit Zeichnung).26 Als Feuerbach den Miethcontract unterzeichnet hatte, schrieb er: „Heute habe ich mein Todesurtheil unterzeichnet."27 Sein Studierzimmer war im Winter unbewohnbar, er floh dann in eine Dachkammer hinauf. Der Lärm in der Bauernwirthschaft war entsetzlich, die „verfluchten Hunde" bellten immerfort. Er verzweifelte. Gattin und Tochter, die barmherzigen Schwestern von Profession, litten mit ihm und schier noch mehr als er. In dieser Lage, fern von seinem Bruckberger Paradies und Naturmuseum, sollte das ethische Problem gelöst werden, wollte er das bereits in Bruckberg begonnene Werk zu Ende führen. Sechs Jahre dauerte es bis er „nur einige Bruchstücke von dem im Kopf entworfenen Ganzen unversehrt ans Licht brachte," wie es im Vorworte des letzten Werkes heißt, welches den Titel führt: „Gottheit, Freiheit, Unsterblichkeit vom Standpunkte der Langsam gieng die Production vor sich, mühsam war die und das Gedankenkind. Niemals ist Feuerbach zur aber wohlgebaut Geburt, geistreich Trivialität oder auch nur zur Gewöhnlichkeit hinabgestiegen. Niemals hat er auch den Ariadne-Faden seiner philosophischen Pläne verloren. Noch immer war er nicht so recht zur Ethik gekommen. Kant, Schopenhauer und der Idealismus hatten ihn bei der mußte bei der „Physiologie des „Willensfreiheit" aufgehalten, mit Johfannes] Müller 29 Gesichtssinnes" eine Lanze gebrochen werden; schließlich nahm ihn sein geliebtes Jugendthema, die „Unsterblichkeit", wieder gefangen. Immer noch kreisten seine Gedanken um die Ethik.
corporativ
-
Anthropologie."28
K. Scholl: Ludwig Feuerbach's letzte Jahre am Rechenberg bei Nürnberg. In: Die Gartenlaube. Illustriertes Familienblatt, Nr. 45, Leipzig 1872, S. 743-748. Der Beitrag enthält auf S. 745 eine Illustration von J. Geyer: Feuerbach's Wohnhaus am Rechenberg bei Nürnberg. L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. Ebenda. Vergleiche Feuerbachs Arbeit: Über Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit, in der er auf Johannes Müllers Schriften „Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes des Menschen und der Thiere: nebst einem Versuch über die Bewegung der Augen und über den menschlichen Blick" (Leipzig 1826) und „Ueber die phantastischen Gesichts-Erscheinungen: eine physiologische Untersuchung mit einer physiologischen Urkunde des Aristoteles über den Traum, den Philosophen und Ärzten gewidmet" (Coblenz 1826) eingeht. (Feuerbach GW, Bd. 11, S. 180 und S. 186). -
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Zwischen Wollen und Vollbringen begann die Natur störrisch zu werden. Kaum war der zehnte und letzte Band im Jahre 1866 gedruckt, als sich im folgenden Winter Appetitlosigkeit einstellte, auf die im Frühjahr Schwindel, 1867, Uebelkeit, Erbrechen folgten. Der Arzt30 verordnete ihm das Bett zu hüten. Es trat Erholung ein. Etliche Wochen darauf ein leichter Schlaganfall. Die Sprachorgane und die Hälfte des Gesichts wurden momentan etwas
gelähmt.
Eine Reise nach Oberösterreich ins Salzkammergut im Herbst 1867, ein ländlicher Aufenthalt vom August bis in den October bei seinem Verehrer und Freunde Konrad Deubler zu Goisern wirkten auf das wohlthätigste zur einstweiligen Genesung. Konrad Deubler hat das historische Verdienst die letzten glücklichen Wochen in das ablaufende Denkerleben geflochten zu haben. Wie hat Ludwig Feuerbach, wie seine Tochter Leonore, die ihn begleitete, diese herzigen und intelligenten Menschen am Hallstädter See, am Fuße der majestätischen Dachsteingruppe, geliebt! Allein stieg er noch, seinen Steinhammer in der Hand er wird in Goisern als Reliquie bewahrt zur RoosmoosAlpe empor, den Muschelkalk zu zerschlagen. Es war der letzte Lichtblick, die Sonne neigte sich zur Rüste. Unter strengster Oekonomie in seinem Lebenshaushalte ein Pfeifchen Tabak, ein Glas Bier, ein Ausgang nach Nürnberg zu seinem Bruder Fritz, in den „grauen Kater" wälzte er seine „Moralphilosophie" im Kopfe herum, von der er auch im Winter 1868/69 eine Reihe von Capiteln zu Papier brachte, |3299| die der geneigte Leser im Nachlasse finden wird.31 Die Seinigen erwarteten eine Autobiographie, von welcher er zu wiederholtenmalen gesprochen hatte. Er aber dachte bis zum letzten Augenblick mehr an die Menschheit als an sich selbst. Im Jahre 1870, zur Zeit des großen Krieges, traf ihn ein zweiter härterer Schlagfluß. Die geistige Thätigkeit stockte gänzlich, das Briefschreiben sogar hörte bald auf. Das Gedächtniß versagte. Dennoch gab er die körperliche Bewegung noch nicht auf, er machte bis ins Jahr 1871 kleinere Spaziergänge. Noch im Frühjahr 1872 war er bei Fritz in Nürnberg gewesen, als er sich plötzlich zu Bette legte und vom März bis zur Mitte Juli liegen blieb. Dann erhob er sich zeitweilig wieder bis zum 5. September. Eine Lungenlähmung machte acht Tage darauf seinem Leben ein Ende. Die Theilnahme von nah und fern, in Deutschland, Oesterreich, England und Nordamerika, für den Schwererkrankten, obgleich in ungeschickter und übertreibender Weise hervorgerufen, that dem Scheidenden noch innig wohl; auf dem Krankenlager empfand er es in stiller Freudef,] daß doch er nicht so „vergessen und verschollen" sei wie er in trüben Stunden wohl geglaubt hatte.32 Seine feierliche Beisetzung auf dem Johannis-
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30 31 32
Dr. med. Eduard Baierlacher. Siehe L. Feuerbach: Zur Moralphilosophie. In: BwN, Bd. 2, S. 253-305. Vgl. hierzu den Brief Ludwig Feuerbachs an Heinrich Benecke vom 28. November 1856, der erstmals in: Die Presse, Wien, Nr. 258 vom 19. September 1872, S. 13 veröffentlicht wurde (Feuerbach GW, Bd. 20, S. 118-119).
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Ludwig Feuerbach
Nürnberg neben Dürer Pirckheimer und Hans Sachs, die warme Rede K[arl] Scholls, der rührende Abschied seines Arztes und Hausfreundes Baierlacher, die kirchhofe
zu
,
feiernden Worte des russischen Fürsten Khanikoff im Namen der italienischen Strebegenossen, das Geleit von 20,000 Menschen aller Stände: das war die vollkommene Versöhnung seiner Manen. Wie Theorbenklang zitterten die Worte seines Freundes Dr. Hektor, des verdienstvollen Custos am Germanischen Museum, der ihm bald nachfolgen sollte, über das frische
Grab:34
„Schreibend: immer war und klar,
Sprechend: stets befangen, -
Still, wie all dein Leben war, Bist du hingegangen.
Glaubens-gottlos nennt man dich, Zählt dich zu den Schlechten, Und es nennen Christen sich Diese höchst Gerechten. O du glaubtest nur zu viel! Gar an Ideale, Ein erreichbar höchstes Ziel Schon im Erdenthaie!" -
Auf dem Grab erhebt sich jetzt ein des Gefeierten wie des Stifters würdiges Denkmal: ein Obelisk von gelblichem Sandstein; eine Platte von Bronze trägt den Namen Ludwig Feuerbach, sein Geburts- und Todesjahr, das Porträt oben ist gleichfalls von Bronze und in Relief, die Rückseite zeigt an der entsprechenden Stelle einen Lorbeerkranz in Bronze und Relief. Stifter ist der um die Großindustrie so verdiente, im Leben so bescheidene H[er]r v[on] Cramer-Klett zu Nürnberg. So ruht der Mann der als „Materialist" und „Sensualist" der unversöhnliche Feind des Egoismus und der ritterlichste Vertheidiger des ,Altruisme", wie Aug[uste] Comte sich ausdrückt, bis zum letzten Athemzuge war. Seine eigentliche Grabschrift, die er sich in einsamer Zelle auf den Rechenberg selbst gemeißelt hat, lautet: „Als Jüngling feierte ich den Tod, als Greis feiere ich das Leben."35
33 34
Im Original: Dürrer. Enno Hektor starb 1874. Siehe den vollen Wortlaut des Gedichtes „Zum Gedächtniß Ludwig Feuerbachs" bei K. Scholl: Dem Andenken Ludwig Feuerbachs! In: Es werde Licht! Freireligiöse Vorträge, Betrachtungen und Abhandlungen zur Förderung der Religion der Humanität, 3. Jg., Nürnberg 1872, S. 190-191. L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. BwN, Bd. 1, S. 138. -
35
-
766
Ludwig Feuerbach
II.36 *
Ein
geistreicher
Franzose des 19ten
Jahrhunderts,
H.
Taine, hat einmal
von
Hegel
gesagt: sein Werk sei der kühnste und erstaunlichste Versuch die Welt zu erklären, ein wahrhaft gigantischer Bau, zu welchem nur die soliden Materialien gefehlt; eine ver-
frühte Unternehmung, die erst später wieder ganz von vorn zu beginnen sei. Man kann diese nur dem Sinne nach angeführte Aeußerung viel weiter ausdehnen als auf den einzelnen Hegel; sie paßt noch viel schärfer auf die Naturphilosophie alten und neueren Styls; sie trifft die Encyklopädisten wie die von ihnen bekämpften Spiritualisten; sie hat ihre richtige Anwendung auf das 17te Jahrhundert: auf Cartesius, Spinoza und Leibnitz; sie wird immer schlagender, je weiter wir in der Zeit zurückgehen, und mit Händen greifbar angesichts der mittelalterlichen Speculation, welche allem den Namen gegeben hat was wir heute noch verfrüht, voreilig, anticipirt nennen, und dessen mehr unter uns herrscht als die meisten glauben den Namen der Scholastik. Denn ganz im allgemeinen gesprochen heißt Scholastik jedes philosophische Bemühen von vorgefaßten Meinungen aus eine noch nicht oder nur theilweise, nur oberflächlich bekannte Welt der Erscheinungen in den Kreis eines Systems zwängen zu wollen, wobei immer die vorgefaßte Meinung die Hauptsache bleibt, die sich nur den unläugbar gewordenen Erkenntnissen wohl oder übel accommodirt, oft nothgedrungen kleine Concessionen macht, zuletzt aber unfehlbar mit einem quod erat demonstrandum schließt. Zeitstimmungen, Lage und Schicksal der Völker wie der Individuen haben in der Philosophie, die sich so gern die „Wissenschaft des an und für sich Wahren" nennt, den mächtigsten, oft allein bestimmenden Einfluß geübt, und es wird auch keine echte Geschichte der Philosophie geschrieben werden als bis sie culturgeschichtlich gefaßt wird. Feuerbach hatte von dieser Behauptung die tiefste und richtigste Ahnung, die in seinem „Bayle" ganz klar in sein Bewußtsein trat und schon im Titel sich ausdrücklich ankündigt: „Ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie und Menschheit." Die gerühmte „Autonomie" der Philosophie ist eben auch noch scholastisch; nicht nur räumlich, auch zeitlich gilt das Wort Pascals: „Vérité en-deçà des Pyrénées, erreur au-delà."37 Auch die Jahrhunderte bilden Pyrenäen, hohe Wasser- und Gränzscheiden der Erkenntniß und geistigen Richtung. Hätten wir durch Napoleon und die 15jährigen Kriege im Anfang unseres Jahrhunderts keine Reaction erlebt, so wären Schelling und Hegel, sogar Fichte, nicht gekommen. Kant schloß das 18te Jahrhundert im Bunde mit Lessing ab; in beiden war das Princip der Analyse, des reinen Intellectualismus um den Unterschied von Verstand und Vernunft zu überspringen verkörpert; sie gingen recta via, geraden Weges, den -
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K. Grün: Ludwig Feuerbach. In: Allgemeine Zeitung (Beilage), Augsburg, Nr. 221 vom 9. August 1874, S. 3453-3454. Bereits 1846 hatte Feuerbach seinen Bruder Friedrich auf den französischen Religionsschriftsteller Blaise Pascal und dessen Werke aufmerksam gemacht. Vgl. Feuerbach GW, Bd. 19, S. 93.
Ludwig Feuerbach
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Dingen auf den Leib, ohne vorgefaßte Meinung, bescheiden in ihren Ansprüchen, aller Systematik grundsätzlich ausweichend, Vorurtheile auskehrend, das Suchen nach
Wahrheit für das Höchste erklärend; die Resultate beider sind was man so mit einem beliebten Schlagwort „negativ" betitelt; aber in dieser Negativität lag eine unendliche Befreiung und somit höchste Affirmation. Als Kant in der „Kritik der reinen Vernunft" das große Wort ausgesprochen hatte: „Gedanken ohne Anschauung sind leer"38, hatte er das philosophische Vermächtniß des ganzen Jahrhunderts niedergeschrieben, ein Senfkorn in die Erde gelegt, in dem der Baum der wirklichen Philosophie schlummerte einer Philosophie ohne vorgefaßte Meinung, einer antischolastischen Philosophie. Das Samenkorn gieng aber zunächst nicht im philosophischen Garten auf, sondern wucherte unter der Erde fort, um im botanischen Garten der Medicin auszuschlagen. nahm den Gedanken in sich auf, lehrte ihn vor den 30,000 Leichen die er in seiner ruhmbedeckten Laufbahn secirt hat, und bildete Generationen von medicinischen Kantianern. Wilhelm v[on] Humboldt sann sein ganzes Leben über Kant nach, feierte ihn in erhabener Sprache und ward kaum noch von wenigen verstanden. Die Zeit der schweren Noth und die schwere Noth der Zeit drängte die Menschheit seit den Schrecken des Convents und der Gewaltherrschaft des Generals Bonaparte in sich hinein, von der ruhigen objectiven Betrachtung der Dinge fort. Der gepreßte Mensch wird Gemüthsmensch, und die vorwiegende Gehirn-Function des Gemüthsmenschen ist die Phantasie. Fichte schon, der sich doch für einen Schüler Kants hielt, kam im Anfang der Wissenschaftslehre auf die „intellectuelle Anschauung," auf das Erfliegen der Wahrheit, die Genialität des unmittelbaren Denkens, welche Jakobi zum Fundament seiner Jakobsleiter machte und welche Schelling weidlich ausbeutete. Unter der Form und Maske der „reinen Vernunft", mit den Allüren abstactester Nüchternheit, bemächtigte sich Hegel der „intellectuellen Anschauung," die er den „Begriff," den apriorischen „Geist," das denkende Selbstbewußtsein nannte und aus der er die Welt construirte. Was sich die realen Dinge der Welt, namentlich die Natur, dabei gefallen lassen mußten, ist männiglich bekannt; die so künstlich construirte Welt war eben doch
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Rokitansky39
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nur
39
eine extemporirt Welt.
„Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Daher ist es ebenso notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen, (d. h. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen), als seine Anschauungen sich verständlich zu machen, (d. i. sie unter Begriffe zu bringen). Beide Vermögen, oder Fähigkeiten, können auch ihre Funktionen nicht vertauschen. Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen" heißt es in I. Kants „Kritik der reinen Vernunft" (Ehemalige Kehrbachsche Ausg., hrsg. von R. Schmidt, Leipzig 1979, S. 126.) Über den in Wien als Professor der pathologischen Anatomie tätigen Carl Rokitansky (1804-1878),
der entgegen der bis dahin üblichen analytischen Vorgehensweise den entgegensetzten Weg bei Obduktionen ging, d. h. vom Sektionsbefund rückwärts nach den physikalischen und physiologischen Möglichkeiten fragte, die zur Alteration geführt haben, siehe H. E. Sigerist: Große Ärzte. Eine Geschichte der Heilkunde in Lebensbildern, 6. verb. Aufl., München 1970, S. 260-267.
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Ludwig Feuerbach
Seit den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts wurde die Hegel'sehe Philosophie herrschende Weisheit, wie einst das spätgriechische Alexandrinerthum die Welt beherrscht hatte, indirect bis in die untersten, ungebildetsten Schichten des vorderen Orients hinein. Das Hegelthum wurde dogmatisch, die speculative Religion, bekanntlich unter Altenstein auch Staatsreligion. Verführerisch das muß man gestehen war diese absolute Begriffsklitterung, diese Welt des Makrokosmos mit ihren goldenen Kategorien, in denen alles „begriffen" wurde, alle Gegensätze sich so hübsch „vermittelten;" reinlich und zweifelsohne thronte der absolute Geist über der von ihm durchströmten Welt, wo er sich vom „Aiißersichsein" durch die „Vorstellung" zum „Begriff" empor durchgearbeitet hatte. Leider wurde das Dogma mit der Zeit doctrinar, und was der Meister durch sein angestrengtes Selbstdenken noch mit sich versöhnt hatte, das stießen die Jünger durch Banalität, ja Plattheit, von sich ab. Die Selbstdenker unter ihnen, die originalen Naturen, die sich bloß an Hegel geschult hatten, salvirten sich aus den „linken Flügel" und ließen Schule Schule sein. Eine doppelte Möglichkeit lag vor den bösen Geistesbann zu brechen: entweder von außen oder von innen. Von außen ließ sich Sturm gegen die Zwingburg laufen wenn man rückwärts bis Kant Posto faßte, oder sich auf den Boden der Logik überhaupt, namentlich der Aristotelischen, stellte. Das letztere thaten Trendelenburg und theilweise Herbart, das erstere wesentlich Schopenhauer. Wiederum culturgeschichtlich die Sache angesehen, hat von allen Außenstürmern Schopenhauer den größten Erfolg gehabt, trotzdem daß oder gerade weil seine Kritik des Hegelthums die wenigst sachliche, die gröbste und impertinenteste genannt werden muß. In der Welt der Meinung und der Propaganda wirkt am stärksten die apodiktische Behauptung des conträren Gegentheils, das pathetische Absprechen, die gewürzte Invective. Darin war Schopenhauer unerreichter Meister, und die größte Zahl seiner Bewunderer und Anhänger besteht charakteristischerweise aus solchen die niemals ein Buch von Hegel auch nur aufgeschlagen haben! Brechen, sans rime ni raison, mit dem Geltenden, in Ansehen Stehenden, keine geschichtliche Continuität anerkennen, sich aus der Zeit heraussetzen, europaflüchtig werden, den heißen Sand des Ganges treten, Bedas abbeten, Buddha als den größten Denker der Menschheit ausposaunen: das war so recht Schopenhauers Art, der Charakter seiner Polemik, die Quelle seines Erfolgs. Wie der klare Kant sich mit Buddha zurechtfinden mochte, das war seine Sache; das Brett des Uebergangs war schmal und morsch genug die „Subjectivität der Anschauung" wurde zur Läugnung des Objects gemacht: die Welt ist lediglich mein Werk, meine Illusion, mein Berkeley'scher Traum! Das führt wenn man glücklich über den Nothsteg hinüberkommt zum Nichts, zur Nirwana. Aber die Hegel'sehe Metaphysik und Weltconstruction konnte auch von innen heraus angebohrt und zernagt werden; aus der Hegel'schen Chrysalide konnte ein ungeahnter Schmetterling hervorbrechen. Dieser Bohrer und Nager, dieser Schmetterling heißt Ludwig Feuerbach. Merkwürdig, wiewohl nicht zufällig, nistete sich der Todtfeind gerade unter der schwächsten Seite Hegels ein, unter der Religionsphilosophie. Die -
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Ludwig Feuerbach
Religion war von Jugend auf das Problem des Feuerbach'schen Geistes; deßhalb wollte er Theologe werden. Mit allem Feuereifer einer reinen Seele und eines arbeitsamen Geistes gieng er an die Mysterien. Herder lehrte ihn mit 18 Jahren: das Christenthum sei Geschichte. Feuerbach trug sich: was geschieht, was geht vor? Herder rieth ihm von der „Seuche der Beweis-Metaphysik" ab; er sagte sich: also nicht streiten, sondern begreifen! Daub wollte er in Heidelberg hören, den Mann der „denkenden Religiosität." Denkende Religiosität und das Denken der Religiosität liegen nahe bei einander. Das Pathos selbst wird zum Gegenstande der Forschung. Daub war noch dogmatisch, wenngleich in speculativer Form. Was ist das Dogma? Von Heidelberg zog es ihn nach Berlin. Hegel legte zwei Jahre lang Beschlag auf sein gesammtes Denken. Er bohrte sich in Hegel hinein. Hegel erklärte „Vorstellung" und „Begriff für im Wesen identisch und sublimirte das Dogma zum Vernunftbegriff. Wie aber wenn Vorstellung und Begriff nicht identisch wären, wenn der tyrannische Begriff der Vorstellung Gewalt anthäte, wenn man die Vorstellung an und für sich untersuchen müßte? Er theilte also Hegel in zwei Theile, in einen probaten und einen dubiosen. Das hieß über Hegel hinausgehen. Er beanstandete den Religionsphilosophen und ließ den Metaphysiker gelten. Das bedeutete schon jetzt die Vorstellung und die ihr zu Grunde liegende Anschauung zum eigentlichen Gegenstande des Nachdenkens erheben. Und richtig sagte er beim Abschiede zu Hegel: „Jetzt gehe ich Naturwissenschaft studieren," die Welt der Anschauung. Er stürzte sich, wie er später sich ausdrückte, „in das directe Gegentheil" des Hegelthums, er studierte in Erlangen Anatomie und Physiologie. |3454| Natürlich blieb dabei auch der Metaphysiker Hegel nicht ungeschoren; denn es tauchte bald die weitere Frage auf: Sind Denken und Sein wirklich identisch, kommt der reine Gedanke auch nur an das wirkliche Sein heran? Die Dissertation aus dem Jahre 1828 ist der Form nach noch wesentlich Hegelisch, aber schon nimmt die „Vernunft" die Stelle des „absoluten Geistes" ein, schon droht diese, obwohl noch substantiell gedachte, Vernunft über alle Erscheinungen überzugreifen und nichts unvernünftiges vor sich bestehen zu lassen. Deutlicher noch tritt diese Wendung in dem überaus wichtigen Briefe Feuerbachs an Hegel, der in Feuerbachs Nachlaß zum erstenmal veröffentlicht wird, hervor.40 Aber die Durcharbeitung durch die drückenden Schichten der Hegelei war mühselig und langsam. Zeuge dessen die Erlanger Vorlesungen des jungen Docenten über Logik und Metaphysik 1829-1832, und selbst noch die Vorlesungen über Geschichte der neueren Philosophie, 1835/36, aus denen der Nachlaß Proben bringen wird. Officiell kennt die Welt bereits diesen sauren Gang arbeitsvoller Selbstvermittlung aus der „Geschichte der Philosophie von Bacon bis Spinoza" und aus der „Darstellung des Leibnitz'sehen
Systems."
Der Brief datiert vom 22. November 1828. Siehe
BwN, Bd. 1, S. 214-219.
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Neben der officiellen akademischen Thätigkeit gieng jedoch bei Feuerbach längere Zeit der esoterische Mensch her, der sich privatim und anticipando Luft machte. Eine esoterische Aeußerung war der Brief an Hegel; eine weitere die „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" (1830) sammt der „Reimversen auf den Tod" und den „satirischtheologischen Distichen," die ihm von einem Freund entrissen und quasi hinter seinem Rücken gedruckt werden mußten; eine dritte waren die humoristischen Aphorismen „Der Mensch und der Schriftsteller" oder „Abälard und Heloise" (1834), in denen sich ein classischer Prosaiker, ein Stylist vollen Wuchses Was Feuerbach auf philosophischem Gebiet werden sollte, das zeigte er in „Tod und Unsterblichkeit" früh im Kleinen. Den Streit zwischen Metaphysik und natürlicher Anschauung schlichtet er hier so, daß die Metaphysik die Metaphysik mordet, der Geist den Geist austreibt: Gott ist der Tod des Einzelnen, die Liebe ist der Tod des Ich im Andern, im Denken höre Ich auf und werde Niemand.42 In den exoterischen Werken geht es langsamer, bedächtiger, discreter zu. In „Bacon bis Spinoza" (1833) bricht die Renaissance ein Loch in die scholastische Naturentfremdung; Cartesius ist der Anfang der Naturwissenschaft, die zunächst mathematisch und mechanisch, also höchst allgemein, auftritt. Bacon ist die Ahnung der qualitativen Betrachtung der Dinge, die sich in Jakob Böhme carikirt; Spinoza macht die Ausdehnung, den Raum zum göttlichen Attribut. In den Collegienheften des Docenten wird schon betont[,] daß Spinoza der Vater der englisch-französischen Sensualisten gewesen, und Voltaire, der Verspotter der Metaphysik, eigentlich nur ein „ungezogenes Kind
ankündigte.41
Spinoza's" sei.43
Seine unedirte „Vorrede" zum ersten Band der Gesammtwerke, aus welcher der Nachlaß die bedeutsamen Stellen bringen wird,44 verbindet den „Spinoza" mit dem „Leibnitz" durch die seitdem so geläufig gewordene Wendung: der Verfasser gehe hier über den Pantheismus hinaus, die Gattung solle individualisiert, die Individualität bejaht werden. Feuerbach sagt von sich selbst im „Leibnitz:" er sei nicht mehr Pantheist, sondern Polytheist. Bekanntlich ist das Leibnitzens große That und unsterbliches Verdienst, und um diese Leibnitz-Feuerbach'sche Einheit des Individuums und der Gattung „mechanisch" zu finden, wo gerade alles Dynamik ist, muß man der „Philo-
41
42
43 44
beispielsweise die Rezension Immanuel Hermann Fichtes über Feuerbachs „Abälard und Heloise, oder der Schriftsteller und der Mensch; eine Reihe humoristisch-philosophischer Aphorismen, von Ludwig Feuerbach. Ansbach, b. Brügel, 1834" (Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle, März 1835, Nr. 44, Sp. 349-351). Diesen Gedanken hatte Feuerbach auch schon in seiner Dissertation „De ratione, una, universali, infinita" ausgesprochen. Vgl. Feuerbach GW, Bd. 1, S. 31. Siehe
L. Feuerbach: Kollegienhefte. Vgl. die von Grün an mehreren Stellen im Dokument 18.
angeführten Anmerkungen in den Ausgewählten
Schriften
771
Ludwig Feuerbach
soph Windelband" heißen.45 Wie sehr auch Feuerbach im Jahr 1836 noch mit Leibnitz Idealismus treibt und Monadentheologie cultivirt, der große Fortschritt besteht darin[,] daß die Bacon'sche Qualität jetzt wirklich zu Ehren kommt, daß der Ausdehnung die
Kraft als Princip vorausgesetzt wird, daß der dynamische Begriff den abstrakten Mechanismus des Cartesius überwältigt. In „Pierre Bayle" wird dann (1838) auf die Theologie zurückgegriffen, und an diesem classischen, geistreich-gelehrten Skeptiker der schroffe Gegensatz und Widerspruch zwischen Wissen und Vorstellen, Denken und Glauben so gründlich als glänzend dargestellt. Bayle kam als Calvinist nicht aus diesem Widerspruch heraus, denn die eine Hälfte des Gegensatzes hier das Wissen, durch einen Machtspruch beseitigen, mit dem Kopf im Busche den Jäger ignoriren, heißt nicht eine Antinomie lösen. Aber mit dem Tauchernetze der Ethik zieht Feuerbach seinen Helden aus dem Abgrund der Charybdis, und rettet ihn ans Land der selbständigen, an und für sich seienden Sittlichkeit. Die That Bayle's die über seine skeptisch-kritischen Leistungen hinausgeht, war die Proclamation des Ethos als unabhängig von jeder dogmatischen Formel. Er erinnert unwillkürlich an Schillers: „Nehmt die Gottheit auf in euren Willen, und sie steigt von ihrem Weltenthron."46 Das Ethos, das war Feuerbachs Pathos. Wie feierte er im selben Jahre des trefflichen Kfarl] Bayer „Idee der Freiheit!" Wie innig begeistert schrieb er darüber an diesen Freund (Sfiehe] den Nachlaß)!47 Nunmehr schritt er, sittlich gesammelt, sich seiner hohen Mission ernstlich bewußt, zur Darstellung seiner eigenen Religionsphilosophie. Die Präludien spielten in den Berliner und den Hallischen Jahrbüchern: „Kritik der Stahl'schen Rechtsphilosophie," „Antihegel" (gegen Bachmann zu Jena), „Philosophie und Christenthum," worin die Grundverschiedenheit von Religion und Philosophie, das Wesen der Religion als Sache des Gemüths und der Phantasie hervorgehoben wurden. Es folgte die „Kritik der Hegel'schen Philosophie," deren Abstactionen und uranfanglichen Begriffen Feuerbach die „Wirklichkeit in ihrer Wahrheit und Totalität" entgegensetzte.48 Daß das Sein an sich die Idee, die Copula das höchste Wesen sei, läugnete er. Es war die Wiederholung des Rousseau'schen Schreies: Retournons à la nature! Nur 45
46 47
Siehe W. Windelband: Zur Charakteristik Ludwig Feuerbachs. In: Im neuen Reich. Wochenschrift für das Leben des deutschen Volkes in Staat, Wissenschaft und Kunst, hrsg. von A. Dove, 2. Bd., Leipzig 1872, S. 735-743. F. Schiller: Das Ideal und das Leben. In: GW Schiller, 1. Bd., S. 204. Ludwig Feuerbach an Karl Bayer, [Oktober 1837]. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 298-300. Grün datierte diesen Brief fälschlich auf 1838, weil er den Inhalt eines Schreibens von Feuerbach an Arnold Ruge vom 23. November 1837, der erstmals 1886 veröffentlicht wurde, nicht kannte. Im letzteren hatte sich Feuerbach ernsthaft mit dem Gedanken einer Besprechung von Bayers Schrift „Die Idee der Freiheit und der Begriff des Gedankens" (1837) getragen, und gegenüber Ruge dieses Vorhaben für die „Hallischen Jahrbücher" anregte, wo die Rezension im Januar 1838 dann schließlich auch erschien. Der Brief an Bayer muß demzufolge vor dem 23. November 1837 verfaßt worden sein. L. Feuerbach: Zur Kritik der Hegelschen Philosophie. In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 61. -
48
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Ludwig Feuerbach
der Schrei dießmal nicht einer sentimentalen Ueberstürzung und extemporirter socialer Gleichmacherei, sondern der Nothwendigkeit die Dinge real zu betrachten, den Scholasticismus endlich aufzugeben und sich von der flügge gewordenen Naturwissen-
galt
schaft nicht bis zur Komik überholen zu lassen. Darin liegt Feuerbachs, hohe culturgeschichtliche Bedeutung, die weit über die einzelnen Resultate religionsphilosophischer Kritik hinaus liegt, daß er zu dem wahren Kant'schen Ausgang zurückkehrte und dem Denken erprobte Anschauungen zu Grunde gelegt wissen wollte, auf daß Phantasie und Willkür dort vertrieben würden wo sie die schreiendsten contradictiones in adjecto sind, nämlich in der Philosophie, der Wissenschaft vom Wahren. Der unterirdische Minengang Feuerbachs zum „Wesen des Christenthums" wird in der ungedruckten „Vorrede" zur Gesammtausgabe vortrefflich erhellt (S[iehe] Nachlaß). Hier führt er aus wie die in der Naturwissenschaft selbstredende Wahrheit der sinnlichen Anschauung ihm so lange noch eine particuläre, so zu sagen, Fachwahrheit gewesen sei, bis er sie auf religiösem Gebiet als allgemeine menschliche Wahrheit erkannt habe. Da nach ihm ferner die Philosophie oder speculative Metaphysik nur eine Abstraction von der religiösen Vorstellung ist, so glaubt er die Wahrheit der sinnlichen Anschauung vor den höchsten Instanzen entschieden zu haben.49 Das ist auch der zureichende Grund[,] weßhalb die philosophischen Schriften „Thesen zur Reformation der Philosophie," und „Grundsätze der Philosophie der Zukunft," erst nach dem Wesen der Christenthums erschienen. Letzteres ist von 1840, die „Thesen" sind von 1842, die „Grundsätze" von 1843. Hier ist ferner der Grund zu suchenf,] weßhalb er weder „Thesen" noch „Grundsätze" jemals weiter ausgeführt und zu einem eigenen Werk erweitert hat. Sein großer Hauptfund genügte ihm, was er weiter geschaffen sind nur die Consequenzen aus dem Haupt- und Obersatz von der unmittelbaren, auf der realen menschlichen Natur beruhenden, ihr entfließenden religiösen Vorstellung. Diesem Kernpunkt gegenüber nannte er alle sectirenden Ismen: Idealismus, Realismus, Den sittMaterialismus, Theismus, Pantheismus, Atheismus „triviale lichen Materialismus perhorrescirte er ohnehin stark genug als „Pecunialismus;" sein eigentliches Thema war auch nicht die naturwissenschaftliche Materie, sondern die „Mensch gewordene Materie." Hier erst begann seine Philosophie. Rückwärts, pflegte er zu sagen, gehe ich mit den Materialisten, aber nicht vorwärts.51 Man kann behaupten: der Materialismus von der hölzernen Observanz hat keinen entschiedeneren Gegner gehabt als Feuerbach. Nur auf übernatürliches läßt er sich als realer Denker nicht ein. Was in dem streng spiritualistischen, wesentlich das Gemüth betreffenden Christenthum nicht zur Bedeutung gelangte, der Naturgott, folglich das Abhängigkeitsgefühl" des Menschen von höheren Gewalten, das wurde Gegenstand einer besonderen Studie: -
49 so 51
Vgl. L. Feuerbach: Ungedruckte „Vorrede". In: BwN, Bd. 1, S. 96-97. BwN, Bd. 1, S. 110. L. Feuerbach:
Nachgelassene Aphorismen. In: BwN, Bd. 2, S. 308.
Spitznamen."50
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Ludwig Feuerbach
„Das Wesen der Religion" (1845), und mit ethnologischen Beispielen belegt. Dieses
selbe Moment erhält dann in den Heidelberger Vorlesungen (1848/49) seine gebührende Ausführung. Diese Naturseite der Religion war ihm der Ursprung des Polytheismus, wie die Gemüthsseite der Ursprung des Monotheismus.
Feuerbach hat über seine Religionserklärung die heftigsten Angriffe, auch Verlästerungen und Verleumdungen erfahren, und zwar merkwürdigerweise nicht gerade von Seiten des positiven Glaubens, sondern von einer halbschlächtigen Speculation, die noch immer, trotz aller Opposition gegen Hegel, an der Identität von Vorstellung und Begriff zehrte. Seltsames Geschick! Feuerbach gehörte nie zu den „Aufklärern," nie hat er gelehrt: Es ist alles Aberglaube, dummes Zeug, Priesterbetrug! Er hat vielmehr den widerstrebendsten Inhalt psychologisch erklärt, d. i. gerechtfertigt. Alles Geglaubte war ihm einmal wahr, anthropologisch nothwendig. Oder war gerade das das Scandalum? In den „Nachgelassenen Aphorismen" lesen wir: „Die Aufgabe der Philosophie ist es nicht den Glauben zu widerlegen, aber auch nicht zu beweisen, sondern allein ihn zu begreifen, zu erkennen; freilich ist diese Erkenntniß nicht möglich ohne Beseitigung der Popanzereien die man aus dem Glauben gemacht hat."53 Und weiter: „Meine Religionserklärung ist Reproduction des religiösen Princips in und aus der Quelle des modernen Natur- und Selbstbewußtseins, Reinigung der Religion von ihren absolut uns widersprechenden Vorstellungen, aber keine totale Negation."54 -
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II. (Schluß)55 Mit dem Jahr 1849 trat Feuerbach in die Periode seiner ruhigsten Klarheit, die sich ganz plastisch in seiner Styl- und Ausdrucksweise kund thut. Die organische Chemie ergänzte jetzt seine geognostischen, mineralogischen, botanischen, physiologischen und ethnographischen Studien. Er wurde ein wahres Pantheon des Wissens, wie zum Ueberfluß seine Bibliothek voller Randnoten und Zeichen sowie seine dicken Excerptenmassen bezeugen. Daneben blieb er ein tüchtiger Philologe, gründlicher Kenner der griechischen Sprache und Antiquität. Dieß beweist seine „Théogonie nach den Quellen des classischen, hebräischen und christlichen Alterthums," 1857. Das Wesen der Götter ist der Wunsch, so lautet das einfache Thema dieses seines reifsten, klarsten und objectivsten Werkes. Strauß hat die Richtigkeit und Bedeutsam*
siehe L. Feuerbach: Das Wesen der Religion. In: Feuerbach GW, Bd. 10, S. 3-79. In Feuerbach GW wurde diese 1845 entstandene Arbeit, die 1846 erstmals veröffentlicht wurde, in den Band III -
53 54 55
der Kleineren Schriften, der den Zeitraum von 1846 bis 1850 umfaßt, aufgenommen. Vgl. dazu auch die Schreiben Feuerbachs an Otto Wigand vom 23. Dezember 1845, vom 18. Januar 1846 und vom 10. Februar 1846 (Feuerbach GW, Bd. 19, S. 51-53, S. 57-58 und S. 60-61). L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. Siehe SW Bolin / Jodl, Bd. 10, S. 327. L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. Siehe SW Bolin / Jodl, Bd. 10, S. 344. K. Grün: Ludwig Feuerbach. In: Allgemeine Zeitung (Beilage), Augsburg, Nr. 222 vom 10. August 1874, S. 3463-3464. -
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keit dieser Götter-Entstehung in seiner letzten Schrift anerkannt. Sie liest sich selbst für den philologischen Laien bequem, die Citate sind stets von trefflichen Uebersetzungen begleitet. In den nachgelassenen Aphorismen heißt es: „Was meine philosophische Methode, meine Art und Weise die Dinge zu behandeln betrifft, davon habe ich eine Probe in meiner „Théogonie" geliefert. Principielle Fragen an der Hand der Empirie, Gegenwärtiges aus ferner Vergangenheit, oder vielmehr wie Historisches behandelt. Mein geistiges Wesen ist kein „System," sondern eine Erklärungsweise. Ich verhalte mich zu meinem Gegenstand wie der Naturforscher zu dem seinigen. Ich suche eine Thatsache zu erklären, aber nicht eine schon im Denken vorher zubereitete, von der Art der Erklärung voraus bestimmte, gedachte Thatsache, wie die oft sogenannten „Thatsachen des Bewußtseins," sondern rein empirische, durch empirische Mittel und Studien gegebene Thatsachen. Ich unterscheide mich daher wesentlich von den früheren speculativen Philosophen. Ich frage nicht wie Kant: Wie sind apriorische Sätze möglich? also nicht: wie ist Religion möglich? sondern: was ist Religion, was Gott? und zwar auf Grund gegebener Thatsachen. Einzige Widerlegungsweise ist hier[,] daß man mir beweist[,] daß meine Thatsachen falsche, falsch verstandene sind, oder daß die Erklärung derselben falsch ist."57 Das ethische Problem oder, um mit Feuerbach zu reden, die Frage: Was ist Sittlichkeit? und zwar auf Grund gegebener Thatsachen schon im „Bayle" so nachdrücklich hervorgehoben, stets aber der Untergrund Feuerbach'scher Forschung, sollte schließlich vom anthropologischen Standpunkte für sich angegriffen werden. Noch in Bruckberg trat es vor den Geist unseres Forschers. Die schwere Leidenszeit in welche er mit dem Jahr 1860 eintrat, hemmte, aber ertödtete nicht die Ausführung seiner letzten Aufgabe. Er wurde nicht zum Pessimisten, selbst als sein Leben keinen andern logischen Schluß mehr zu gestatten schien. Er abstrahirte von sich, und fixirte bis zu seinem letzten bewußten Moment den Menschen, den „Erzketzer," den er „mit heiler Haut durchzubringen suchte."58 „Gottheit, Freiheit, Unsterblichkeit vom Standpunkte der Anthropologie" erschien 1866. Der Hauptabschnitt dieses frisch geschriebenen Buches, das in nichts von der „Qual des Daseins" angekränkelt ist, gilt der „Willensfreiheit" und dem „Idealismus" von Kant, Fichte und Schopenhauer. Der Mensch ist nach Feuerbach allerdings nothwendig bestimmt, auch ist der „intelligible Charakter," im Gegensatz zum „empirischen," eine leere Ausflucht, da der urzeitliche Mensch, dieses Ding an sich, mit seiner gedachten Freiheit, ohne alle praktische Bedeutung ist; aber der Mensch in der Zeit ist eben mit der Zeit ein anderer: wie wären sonst „Reue" und „Gewissen" möglich? -
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Siehe die beiden Abschnitte „Das Wesen der Religion. Schleiermacher. Feuerbach" sowie „Wahrheit und Unwahrheit der Religion. Die Religion und die Bildung" in: David Friedrich Strauß, Der alte und der neue Glaube, 1. Aufl., Leipzig 1872, S. 131-133 und S. 134-138. L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. Siehe SW Bolin / Jodl, Bd. 10, S. 344-345. L. Feuerbach: Nachgelassene Aphorismen. -
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Gerade der empirische Mensch kann daher sittlich werden, und ist durchaus nicht von der einfachen, brutalen Causalität determinirt. Aber die Sittlichkeit und die Wissenschaft vom Sittlichen sind doch nur empirische Gegenstände, die Moralphilosophie ist wie die Medicin eine „empirische Wissenschaft."59 Schopenhauer speciell als ein „vom Materialismus angesteckter Idealist"60 wird corps à corps gefaßt und seine „Empfindung inner- oder unterhalb der Haut" gehörig ad absurdum geführt. „Kinder existiren allerdings zunächst nur inner- oder unterhalb der Haut der Mutter; aber der wesentliche Sinn und Trieb, das eigentliche Ziel und Object dieser verzwickten Existenz, ist das directe Gegentheil der Schopenhauer'sehen Philosophie ist die Existenz außer der -
Haut."61
-
aufgewärmten Berkeley'schen Subjectivismus der Anschauung gegenüber fragt Philosoph: „Warum steckt denn die Katze ihre Krallen, statt nach der Maus, nicht lieber nach ihren eigenen Augen aus, wenn die Maus die sie sieht nur in ihren eigenen Augen existirt, nur eine Affection ihrer Sehnerven ist?"62 Man möchte hinzufügen: wie kommt die Katze dazu die Maus |3464| zu fressen, wenn alles Object, die Maus sammt dem hungrigen Katzenmagen pure Illusion ist? Wundern muß man sich nurf,] daß die Antagonisten des Pessimismus sich nicht die stahlblanken Waffen Feuerbachs geholt haben, um die zeitgenössische Influenza auf Hippokratisch zu curiren. In dem nachgelassenen Manuscript „zur Moralphilosophie," welches allerdings ein Torso geblieben, erfahrt der gesammte Nihilismus auch seine praktische Kritik: die Nirwana ist nichts weiter als ein absonderliches Refugium des Eudämonismus. Die Herren Pessimisten haben es nur, mitsammt ihren Gegnern, nicht gewußtf,] daß sie längst als weltflüchtige Egoisten enthüllt worden waren! Die Moral mag herkommen wo sie will, sie mag noch so „materialistisch" aus dem äußern Zwang geboren sein, sich allmählich zur Rechtsnorm entwickelt haben, um dann erst, zu guter Letzt, erwachsene Gesinnung zu werden: sie ist nun einmal da, und es gilt menschlich und sittlich zu handeln, sich selbst mit den andern, durch die andern zu fördern. Edel sei der Mensch, hülfreich und gut, auf daß es besser in und um uns werde!63 In dem beregten Manuscript, welches der Nachlaß bringt, wird die Sittlichkeit gerade aus dem Egoismus, aus der Glückseligkeitslehre entwickelt. Jedes Ich hat nicht nur sein Du gegenüber, sondern ist auch ein Du für das andere Ich. Jedes Ich muß daher anfänglich auf das Du Rücksicht nehmen, sieht dann einf,] daß ihm diese Rücksicht selbst zu gute kommt und endigt mit dem nicht „wohlverstandenen persönlichen Interesse" der Dem
unser
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Vgl. hierzu besonders den Abschnitt 9: Der Streit der medizinischen und philosophischen Fakultät.
In: Feuerbach GW, Bd. 11, S. 118-126. L. Feuerbach: Über Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit. In: Feuerbach GW, Bd. 11, S. 176. Ebenda, S. 174. Ebenda. Auszug aus Johann Wolfgang von Goethes Gedicht „Das Göttliche", in: SW Goethe, Bd. I./2,
S. 303.
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französischen
Ludwig Feuerbach
das ist noch permanenter Calcul sondern mit dem Interesse und des andern. Altruisme nannte Aug[uste] Comte, meiner empfundenen der Mann der französischen „positiven Philosophie," die Empfindung für den andern. Feuerbach hätte sagen können der abstráete Egoismus geht in den reflectirten Tuismus über. Er aber begnügte sich mit dem Gegensatze von Autonomie" und „Heteronomie," der Eigengesetzgebung und der Gesetzgebung für und durch andere, welche in eins verschmolzen werden müssen. Von naturalistischer Grundlage ausgehend, ohne weitere Voraussetzung als die der sinnlichen Anschauung und Empirie, entwickelt dennoch Feuerbach im Verlauf einer Erörterung beständig einen warmen und wohlthuenden Idealismus, so in sittlicher Beziehung einen wahren Enthusiasmus für menschliche und gesellschaftliche Bestimmung. Diese seine Richtung hat ihm s[einer] Z[eit] den Namen eines „Schwärmers" eingetragen; eine mehr spitzfindige als gründliche Betrachtung meinte: „Feuerbach flüchte aus dem Glauben in die Liebe," das wollte sagen: aus einer Abstraction in die andere. Er sei ein humanistischer Christ, und wie die hübsch gedrechselten Antithesen weiter hießen. Was ihm solche Epitheta eintrug, war wesentlich der Umstand[,] daß er vielfach seine Ideen nicht auf dem Papier ausführte, sondern meinte dem Leser auch etwas überlassen zu müssen, oft allerdings zu viel. Wenn er z. B. den Egoismus auflöste und ihm schlankweg den „Communismus" entgegen warf, so fehlt die ganze Vermittlung zwischen dem Einzelnen und der Gesammtheit, die dialektische Fixirung der Rechte beider. Er nannte das mit reizender Feinheit des Ausdruckes: „Folianten in den Duft eines Epigramms Der Stylist, der antike classische, wahrheitsdurstige Prosaist lag ihm alsdann im Sinn, welchen er einmal als sein Jugendideal bezeichnete; er vergaß den thetischen Denker, der immer etwas gesetzgeberisches haben soll. Auch der Schalk im frischen fröhlichen Franken meldete sich bei solchen Gelegenheiten, der vor innerer Schadenfreude kicherte wenn die drei Köpfe des kritischen Cerberus über einen solchen Knochen herfielen. Unglücklicherweise sind ihm auch Leute auf den Leim gegangen^] welche philosophische Prätensionen erhoben, und vor lauter Doctrinarismus nicht merkten[,] daß man Esprit nur mit Esprit abwehrt und wider ein Epigramm keine 24pfündigen Paragraphen ins Feld schickt. Sähe man überall recht scharf zu, so würde sich bei Feuerbach fast immer ergeben[,] daß seine Negation höchst positiv ist, daß seine Kritik den Inhalt nicht preisgibt, sondern rein herausschält, daß das berühmte „Aufheben" der Hegel'schen Logik bei ihm im besten Sinne des Wortes stattfindet, es sei denn[,] daß einer an den „Popanzereien" festhielte, die Form absolut mit dem Inhalt, die grüne Schale schlechterdings mit dem Kern der Nuß hinabwürgen wollte. In einer Zeit wo die naturwissenschaftliche Anschauung von Tag zu Tag mehr um sich greift, ohne daß die Menschen deßhalb schlechter würden als sie früher gewesen
Encyklopädisten
-
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,
verflüchtigen."64
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64
L. Feuerbach: Fragmente bach GW, Bd. 10, S. 173.
zur
Charakteristik meines
philosophischen
curriculum vitae. In: Feuer-
Ludwig Feuerbach
777
viele
behaupten sogar das Gegentheil verdient der Mann eine neue und allseitige Beleuchtung welche vor einem Menschenalter aussprach: daß uns die Natur allein von der leidigen Abstraction befreien könne, die Natur allein uns „in integrum restituiré,"65 welche bereits 1842, im Jahre des Mayer'schen Wärme-Aequivalents, der Bestätigung der Leibnitz'schen Divination von der „Erhaltung der Kraft," in seinen „Vorläufigen Thesen zur Reform der Philosophie" den Satz aussprach: „Die Philosophie muß sich wieder mit der Naturwissenschaft, die Naturwissenschaft mit der Philosophie verbinden. Diese Verbindung wird dauerhafter, glücklicher und fruchtbarer sein als die bisherigen Mesalliance zwischen der Philosophie und der Theologie."66 In der That sehen wir gegenwärtig alles von beiden Seiten auf diesen Coincidenzpunkt, auf diesen Kreuzweg der Wissenschaft losstürmen, losgehen, loshinken. Selbst die nolentes, die theologischen Philosophen, fortuna trahit, schleppt das Geschick herbei. Feuerbach aber steht ruhig auf dem Kreuzungspunkte und wartet, wie Börner von Jean Paul sagte, bis sein schleichend Jahrhundert ihm nachkomme.67 Aber, wie gesagt, viele schleichen bereits -
nicht mehr. *
den mehrerwähnten Nachlaß ' betrifft, die mittelbare Veranlassung zu diesen Artikeln, so seien mir noch wenige Zeilen vergönnt um ihn vor Mißdeutung zu bewahren. Von hinterlassenen „Werken", neuen, bisher unbekannten Entwicklungsstadien des anthropologischen Denkers, ist hier keine Rede. Nur der Torso aus dem Jahr 1868: „Zur Moralphilosophie," ist neu, ein Ansatz zu einem beabsichtigten Schlußwerke. Worauf es dem Herausgeber wesentlich ankam, das war die Darstellung des bedeutenden Mannes in seiner Ganzheit und Gesammtheit. That Feuerbach dieß selbst nur um so besser; denn wie man die Dinge am besten selber reden läßt, um zu erfahren was sie sind, so auch die Personen, die lebendigen Dinge. Wenn es sich nun darum handelte die Feuerbach'sche Entwicklung ab ovo zu geben, so war besonders nothwendig seine philosophischen Anfange und deren Entfaltung genau ins Licht zu setzen. Dazu boten die Was
nun
-
65 66
67
Ebenda, S. 171. L. Feuerbach: Vorläufige Thesen zur Reformation der Philosophie. In: Feuerbach GW, Bd. 9, S. 262. Karl Grün zitiert hier sinngemäß aus der eigens von ihm besorgen Börne-Ausgabe, in der es wörtlich heißt: „Wir wollen trauern um ihn [Jean Paul M. K], den wir verloren, und um die Andern, die ihn nicht verloren. Nicht Allen hat er gelebt! Aber eine Zeit wird kommen, da wird er Allen geboren, und Alle werden ihn beweinen. Er aber steht geduldig an der Pforte des zwanzigsten Jahrhunderts und wartet lächelnd, bis sein schleichend Volk ihm nachkomme." L. Börne: Denkrede auf Jean Paul. Vorgetragen im Museum zu Frankfurt, am 2. December 1825. In: Gesammelte Schriften von Ludwig Börne. Vollständige Ausgabe, Wien 1868,1. Bd., S. 174. Ludwig Feuerbach, aus seinem Briefwechsel und Nachlaß, sowie in seiner philosophischen Charakter-Entwicklung dargestellt von Karl Grün. Leipzig C. F. Winter, 2 Bände. -
*'
Ludwig Feuerbach
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Doctor-Dissertation vom Jahre 1828, die gleichzeitigen ausführlichen Briefe an Prof. Mehmel in Erlangen und der wichtige Brief an Hegel die besten Ausgangspunkte. Was sich von da bis zu den philosophischen Geschichtswerken von 1833-38 zugetragen, was diese Werke begleitete und geologisch durchsetzte, das kennen zu lernen ergab sich in den Collegienheften des Privatdocenten von 1829-1836 erwünschte Gelegenheit. Die Kritik Hegels von 1839 an, das Verhältniß zu Neu-Schelling im Anfang der 40er Jahre konnten aus hinterlassenen Papieren trefflich ergänzt werden. Ueber den Zusammenhang seines ganzen Denkens bis zum „Wesen des Christenthums" gab die ungedruckte „Vorrede" („zu vergleichen mit dem gedruckten Vorwort") dankenswerthen Aufschluß. Die naturwissenschaftlichen Kritiken über Moleschotts „Lehre von den Nahrungsmitteln" (aus den „Blättern für literarische Unterhaltung"), über Heidenreich, den ausgezeichneten Ansbacher Arzt und Schriftsteller etc. (im Hamburger „Jahrhundert"), die Antikritik gegen R. Haym in Betreff der Religionsphilosophie (Wigands „Epigonen") wurden zu dauerndem Gedächtniß abgedruckt. Das große Manuscript der „Théogonie" enthielt manches nicht zum Druck Gekommene, was vorzüglich zur Ergänzung und Klarstellung dienen konnte, oder an sich verdiente der Discretion des Autors entrissen zu werden. Endlich fanden sich ganze Stöße von Aphorismen, Sentenzen, Anläufen, Gedankenspänen, die nach gewissenhafter Sichtung ihren Platz in folgenden Rubriken fanden: Philosophie, Religionsphilosophie, Moral und Literatur, Politik, Natur. Feuerbach besaß bekanntlich eine außerordentliche Begabung zum Zusammendrängen von Gedanken in den kleinsten Raum; diese Begabung wird für uns stets kostbarer, je weiter wir in der Zeit des Leidens vorrücken, je schweigsamer der ohnehin wort- und schriftkarge Philosoph wird. Hier wechselt hellenische Weisheit mit modernen Zornausbrüchen, die bis zur subjectivsten Verzweiflung gehen, um zuletzt wieder im glatten Spiegel des Oceans sich aus-
zugleichen.
Wenn so der „Nachlaß" Brücken über empfindliche Lücken schlägt, und das „Aenigmatische" in Feuerbach zu lösen geeignet sein dürfte, so legt der Briefwechsel die allgemein menschliche Basis zu den philosophischen Erscheinungen. Zwar bewährt auch der Briefwechsel durchaus das geschlossene Binnenleben des Philosophen, die nur mit Leidwesen unterbrochene stilldenkende und stillschaffende Existenz. Aber wenn auch hier der Philosoph stets hörbar bleibt, so läßt er doch dem Menschen das Wort, der in unendlich rührender Einfachheit, Lauterkeit und Offenherzigkeit sein Wesen offenbart, der in der That, wie schon Vater Anselm sagte, nichts zu verbergen hatte, und schon 50 Jahre lang Zeugniß ablegt von der harmlosesten Entsagung und innern Befriedigung, welche nur in den 60er Jahren durch ein jeweiliges Stöhnen von Kaukasus-Rechenberg abgelöst werden. Die Bedeutung Feuerbachs spricht sich zudem in seinem Briefwechsel extensiv wie intensiv durch eine Masse von Zuschriften aus. Extensiv greift sein Wirken über Deutschland hinaus nach Frankreich, England, Rußland, Italien, die Schweiz Im
Original fälschlich:
1859
779
Ludwig Feuerbach
bis Nordamerika,
wo er
beispielsweise
den kühnen
Neger Frederick Douglaß
zu
dem
Seinigen machte; intensiv dringt sein Gedanke energisch bis in die Bauerschichten der
Schweiz und Oberösterreichs. Einer seiner letzten und besten Freunde war der schon von uns erwähnte Konrad Deubler, ein Landwirth zu Goisern bei Ischl, dem der bereits Leidenden in wärmster Weise zugethan war. Das „philosophische Idyll" des 2. Bandes wird diesen Ausspruch plastisch bewähren. Von den befürchteten bösen Folgen Feuerbach'scher Lehre und Weltanschauung ist gerade bei diesen „Menschen aus dem Volke" nicht das geringste zu verspüren. Sie sind vielmehr auffallenderweise heiter, arbeitsam, sparsam und strecken den Kopf wohlgemuth in die klaren Lüfte, so vom Hochgebirge herniederwehen. Der äußeren Eintheilung nach erstreckt sich der erste demnächst erscheinende Band von 1820 bis 1850, der zweite von 1850-1872. Der Herausgeber hat das Resultat sämmlicher Studien, der Werke wie der Manuscripte und des Briefwechsels, in der einleitenden „Philosophischen Charakter-Entwicklung" zu concentrieren und zur historisch-genetischen Darstellung zu verwenden gesucht, um den Freunden philosophischer Leetüre eine Art Abschluß zu bieten. Er hätte gern gewollt leider ist das Vollbringen so schwer er hätte gern Ludwig Feuerbach auf dem Hintergrunde des wissenschaftlichen 19. Jahrhunderts als Lichtbild hervortreten lassen. Er ist sich der Mängel dieser Photographie vollkommen bewußt; aber nach dem Lessing'schen Worte darf er sich „seines Fleißes rühmen."69 Und so bittet er denn um die Absolution aller derer welche die Schwierigkeit eines solchen Unternehmens entweder erfahren haben oder doch zu würdigen wissen. -
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Lessing: Hamburgische Dramaturgie. In: Gotthold Ephraim Lessings K. Lachmann, 10. Bd., Stuttgart 1894, S. 214. hrsg. G. E.
von
sämtliche Schriften,
Praktisch! Aus Ludwig Feuerbach's Papieren1
Die folgende Mittheilung erhebt nicht den Anspruch, ein Originalstück aus dem eigentlichen Nachlasse des großen anthropologischen Denkers zu sein. Die darin enthaltenen Ideen finden sich hin und wieder wörtlich, oft andeutungsweise in seinen „verschollenen" Schriften, aber einen eigenthümlich interessanten Eindruck machte mir der blaugraue Erzklumpen, als ich ihn aus dem tiefen Schachte des papiernen Bergwerkes zu Tage förderte, und fast wollte es mich bedünken, als ob der darin hausende Berggeist von unsern heutigen Tagen und Zuständen orakelt hätte. Ich stelle den Klumpen hier in möglichst wortgetreuer Nachbildung zur Schau, und nehme die Gelegenheit wahr, den Neu- und Wißbegierigen zu melden, daß sie nicht lange mehr auf den eigentlichen Nachlaß Lfudwig] Feuerbach's zu warten haben werden. l die Gewohnheitsmenschen bei einer Lehre, die ihren gewohnten Vorstellungen widerspricht, hervorheben, um sie in Mißcredit zu bringen, ist: sie ist unpraktisch, ja sie ist grundverderblich. Darnach, ob sie wahr oder falsch, begründet oder unbegründet ist, darnach fragen sie nicht, diese Mühe geben sie sich nicht; wenn sie sich auch die Mühe oder vielmehr den Schein geben, sie zu prüfen oder zu widerlegen, Das Erste,
was
K. Grün: Praktisch! Aus Ludwig Feuerbachs Papieren: In: Die Wage. Wochenblatt für Politik und Literatur. Hrsg. von 0. Weiß, Nr. 31 vom 31. Juli 1874, S. 481-486. Ludwig Feuerbach, aus seinem Briefwechsel und Nachlaß, so wie in seiner philosophischen Cha-
rakter-Entwickelung dargestellt von Kfarl] Gfrün], Leipzig [1874], Cfhristian] Ffriedrich] Winter, 2 Bände. Auf der blauen Seite trägt das Erz die Aufschrift: Worte: „Praktisch, ja praktisch!"
„Praktisch!" die
graue Seite hat
am
Rande die
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sie dieselbe nach ihren gewohnten Vorstellungen. So war es immer, so ist's auch gegenwärtig, wo sich eine vom Christenthum unabhängige, aber gleichsam aus dem Christenthum entsprungene Anschauung geltend macht. Allein eine Lehre schon bei ihrem ersten Auftritt aus dem Gesichtspunkt der Unanwendbarkeit auf das Leben betrachten und |482| verwerfen, vom Gesichtspunkt des Praktischen, ist ein sehr relativer so messen
(Gesichtspunkt).
Jede Lehre, sei sie an sich auch noch so praktisch, ist zunächst unpraktisch, eben weil sie den gewohnten Vorstellungen und populären Meinungen widerspricht und, wenn diese zu Grunde gehen, dem Menschen aller Haltpunkt der Praxis, wenigstens in seiner Vorstellung, alle Grundlagen des Lebens zu schwinden, ja zu verschwinden scheinen. Es war eine Zeit, wo der Teufel ebensowohl theoretisches als praktisches Bedürfhiß war, wo die Menschen ohne den Teufel nicht leben und bestehen zu können glaubten, kurz, wo der Teufel eben so fest gewurzelt war in ihrem Gemüthe, als der Glaube an Gott. Unzählige haben gewiß über den Teufel ihre Gemüthsruhe verloren, sind mit ihm zu Grunde gegangen. Aber gleichwohl hat die Menschheit dadurch nichts verloren, im Gegentheil, sie befindet sich wohler ohne Teufel als mit ihm. Es war eine Zeit, wo der päpstliche Stuhl für das Fundament der moralischen Weltordnung (galt), wo der Protestantismus für eine unpraktische, ja grundverderbliche Neuerung (galt). Es war eine Zeit, wo das Christenthum selbst nur anwendbar (war), nur im Leben haltbar war, nur dadurch keine zerstörenden, grundverderblichen Folgen hatte, daß es sich an die Vorurtheile des Judenthums, mit denen den Judenschriften jeder feste Anhaltspunkt verschwand, anschmiegte. Kurz, jede Vorstellung, die sich einmal eingenistet hat im Menschen, wird ihm zu einer unentbehrlichen Lebensgefährtin. Ja, mancher Mensch hat nur dadurch einen Halt, daß er irgend eine willkürliche oft die grillenhafteste Vorstellung von Gott sich in den Kopf setzt, gleichwie sich Kant nur dadurch im Zusammenhang seines Vortrages erhielt, daß er einen Knopf eines Zuhörers fixirte. Die Reduktion des Praktischen auf ein gewisses Maß von Vorstellungen degradirt den Menschen zu einer Maschine. Man hat den Menschen ausgemessen, und so scheint nun auch diesem Maß dieses System von Vorstellungen allein zu entsprechen. Allein die Bedürfhisse ändern sich, und mit ihnen die Menschen, oder richtiger umgekehrt. Die Menschen, die ihren Blick in den Himmel geworfen, sind ganz andere, als die ihren Blick auf die Erde schicken. Was für den Himmelsbürger ein Bedürfhiß, ist keines mehr für den Erdenbürger. So lange etwas Bedürfniß, so lange ist es praktisch. Was den Menschen einer bestimmten Zeit entsprochen hat, entspricht darum noch nicht den Menschen einer andern Zeit, geschweige dem Menschen an und für sich. Alle Religionen sind darum untergegangen. Anfangs entsprachen sie den Menschen, später widersprachen sie ihnen. Und in solchen Zeiten, wo die herkömmliche Religion noch existirt, aber im Widerspruch mit dem ungläubigen Geist, hilft man sich dann mit dem Unterschied: Ja, für das Allgemeine, für das Volk muß es bleiben, sonst lösen sich alle Bande der Ordnung auf. Die Gebildeten freilich brauchen nicht den religiösen Popanz. -
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Allein auch dies ist nur eine Fiction, womit sich die Indifferenz hilf. Die Katholiken verargten es dem Luther besonders, daß er seine Lehre unter das Volk bringe, weil sie nur vor das Forum der Gelehrten gehöre, und daher im Volke nur Aufruhr und Unheil stiften könne. In der That ist jede Neuerung in der Religion besonders für das Volk bedenklich, indem sie (die Religion) mit dieser (Neuerung) |483| Alles verliert. Aber gleichwohl konnte das Volk den Marienkultus, den Mönchsstand u. s. w. lauter Dinge, die seit Jahrhunderten eingewurzelt, sich in den Gemüthern als Heiligthümer befestigt hatten verschmerzen, ohne sich zu verbluten. Eine neue Lehre aus dem Grunde der Unpraktikabilität und Verderblichkeit verwerfen, ist daher eine nicht nur sondern auch arrogante unredliche- die Frage von ihrer Wahrheit umgehende Willst alle Menschen nach Dir modeln? weil Dir diese Lehre allen sittliDu (Weise). chen Grund zerstört, glaubst Du die nämliche Wirkung bei Jedem? Dein beschränkter Verstand, Dein schwaches, verweichlichtes Herz soll maßgebend sein? Was die bisherige Menschheit band, soll auch die zukünftige binden? Dieser kann nicht ohne den Papst, Jener nicht ohne den heil[igen] Nepomuk, Dieser nicht ohne Maria, Jener nicht ohne Christus, Dieser nicht ohne Muhamed, Jener nicht ohne Moses leben und bestehen. Der Gott der Muhamedaner ist dem Christen kein Gott und doch leben sie glücklich in ihrer Ordnung und Weise. Wenn also Diese nicht ohne diesen Gott, welcher im Sinne der Andern kein Gott ist, warum willst Du nicht glauben, daß auch ohne Gott überhaupt wir leben können? Ohnedem ist es Wahn, daß die Vorstellung Gottes als solche Gott bestimme. Diese ist viel zu allgemein, zu unbestimmt, zu theoretisch, als daß sie den Menschen bestimme. Den Israeliten bestimmt nicht Jehovah, sondern Moses, den Muhamedaner Muhamed, nicht Allah, den Christen nicht Gott, sondern Christus. Der Prophet Gottes giebt Gott erst die Differenz, die Bestimmtheit, die ihn, aber auch nur für eine bestimmte Menschenart, zu einem praktischen Wesen macht. Wer einen allgemeinen Gott hat, eine[n] Gott überhaupt, der wird im Leben von andern Prinzipien als einem religiösen bestimmt, der hat eine von Gott unabhängige Moral keinen Kultus. Der bestimmte Gott aber bestimmt im Leben durch mit ihm zusammenhängende Bestimmungen das Leben. Das das Leben bestimmende religiöse Prinzip ist der Kultus. Bei den Israeliten gehören Waschungen, Speisen etc. zum Kultus. Freilich giebt auch der bestimmte Gott moralische Gebote, weil die Religion in ihrem Ursprung immer das Ganze des Menschen umfaßt, Alles in Allem ist aber sie bilden nicht das eigentlich Religiöse. Der Israelit verläßt sich mehr auf seine Beschneidung als auf sein moralisches Verhalten. Wo aber Gott gereinigt wird von den Differenzen der Kultusreligionen, da wird das Leben nicht durch Gott, sondern durch selbständige Moral bestimmt; der Mensch wird frei in seinen Handlungen, er wird nicht mehr -
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durch Gott bestimmt, sondern er bestimmt Gott als ein moralisches Wesen, durch die Moral, die ihm allein göttliche Bedeutung hat. Moralisch sein heißt hier Gott sein. Er wird höchstens durch eine Vorstellung bestimmt, aber eine bloße Vorstellung bestimmt nicht, wenn ich nicht das vorgestellte Wesen für ein reales halte. Der Religiöse wird unmittelbar von Gott bestimmt, weil er nicht zwischen Gott und seiner Vorstellung -
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unterscheidet. Nun ist aber das Gottdifferenzirende immer etwas Bestimmtes, Menschliches, Endliches, Gott als Gott überhaupt Negirendes. Es ist also nicht einzusehen, wie die Negation Gottes überhaupt grundverderblich sein soll. Die Menschen kommen außer sich, wenn man ihnen ihre religiösen Gebräuche und Ceremonien nimmt; sie halten an diesen fester als an Gott. Nur der Gott ist ihnen heilig, mit dessen Vorstellung sich un-|484|zertrennlich diese Distinktionen verknüpfen. Den Katholiken ist es nicht um ihren Gott, sondern um ihren Papst zu thun der Papst ist ihr praktischer Gott, der Gott, den sie im Leben, in der That und Wahrheit bekennen und bekräftigen. Gott ist nur ein Namen, aber sein Inhalt ist so verschieden, als die Grundinteressen der Menschen verschieden sind, ein allgemeiner Ausdruck, der bald den Muhamed, bald den Christus, bald die Maria, bald den heilfigen] Nepomuk in sich faßt. Nur das Besondere, Spezielle, Determinirte determinirt den Menschen. Für ihren Gott, aber nicht für den Gott der Andern, den Gott an sich, Gott überhaupt, lassen die Menschen Leib und Leben. Aber ihr Gott ist ihr eigenes Wesen. Der Mensch, dessen Religion die Kirche ist, bei dem die Religion nicht im Herzen, sondern in der Kraft des Sakraments, des geweihten Wassers haftet, bei dem Wallfahrten, Bilder, Prozessionen, Weihrauch, schöne Kleider zur Religion gehören, hat seinen Gott nur im Repräsentanten, im Centralpunkt der Kirche im Papst. Im Papst personificirt er nur sein an der Kirche haftendes Wesen. Ist der Katholik auch in der Theorie über den Papst hinaus, in der Praxis hat er keinen andern Gott als diesen. Es ist also ganz falsch, Gott als die Praxis bestimmendes Prinzip voran zu stellen, da das Ideal, das Spiegelbild der er vielmehr ein durch die Praxis bestimmtes Wesen Praxis ist. Die alten Deutschen waren nicht deshalb kriegerisch, weil sie einen Kriegsgott verehrten, sondern sie hatten diesen, weil sie selbst kriegerischer Natur waren. Allerdings bestimmte nun dieser wieder die Deutschen in ihrem Handeln, flammte ihnen Muth und Kriegslust an, aber nur, weil er das Nationalideal war, weil er ein durch die eigene Charakterbestimmtheit der Nation oder der Weisen und Helden bestimmter Gott war, der sich aber für den Einzelnen zum gesetzgebenden Ideal bestimmte. Nur der Gott, der aus dem Leben hervorgegangen, bestimmt wieder das Leben; aber dieses Leben ist durch die Neigungen, Charaktere, Natur der Lebenden bestimmt. -
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Es ist also immer Etwas, was an undfür sich selbst, durch sich selbst, also auch ohne Gott die Menschen bestimmt, wenn es in Gott, als Attribut Gottes gesetzt wird. Die Determination Gottes stammt aber aus der Determination des Menschen also würde der Mensch auch ohne die ideale religiöse Vorstellung dieser Determination doch dasselbe thun. Die keine Vorstellung von der Moral haben, haben auch keinen moralischen Gott, wie die wilden Völker. Sie leben in den Tag hinein, und ihr Gott ist ihnen, was ihnen zufällig auf- und einfällt.*2 Bestimme ich mir Gott als moralisches Wesen, so erkläre ich damit die Moral als ein selbständiges Lebensprinzip, ich mache Gott selbst -
Wer „Volk" sagt, d. i. in Gesellschaft, wenn auch in Horden zusammenlebende Menschen, der sagt zugleich „Moral", und bestände diese nur in Zwangspflichten und Zwangsrechten. Kfarl] G[rün].
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der Moral abhängig. Das wodurch ich mir Gott bestimmt denke, das allein ist Gott, nicht das, was ich mir erst in Folge dessen unter Gott denke. Gott ist nur der Ausdruck, die Vorstellung die Versinn-|485|lichung, die Vergegenständlichung dieses mich, sei's nun bewußt oder unbewußt, leitenden und bestimmenden Prinzips. Jedes Wesen kann nur bestimmt werden durch das was in ihm, in seiner Natur liegt. Also kann der Mensch nicht durch Gott, als ein von ihm verschiedenes, anderes Wesen bestimmt werden. Das Licht bestimmt mich nur durch das Auge, den Lichtsinn, der Schall nur durch das Ohr, der Druck nur durch die Hand. Das lichtbestimmte Auge wird durch sein eigenes Wesen bestimmt, denn es ist construirt für das Licht. Diese Einwirkung des Lichts liegt in seinem Wesen. Den abstrakten Menschen bestimmt nur ein abstrakter Gott, den korpulenten nur ein korpulenter Gott. Der Superlativ der Abstraktion, d. h. das abstrakteste Wesen, das er sich denken kann, das ohne ins Nichts zu stürzen die Gottheit grenzt nahe an's Nichts ihm Stand hält, ist dem abstrakten Menschen das höchste und realste Wesen; der Superlativ der Körperkraft, der sinnlichen Fülle und Ueberhäufung dem Orientalen das höchste Wesen. Wir haben also immer reale Potenzen, reale Kräfte und Bestimmungen, welche die Menschen an und für sich selbst determiniren, wenn auch ihr Gott ein nur durch sie bestimmtes Wesen ist. Der Mensch glaubt nicht Wunder, weil Gott Wunder thut, sondern Gott thut Wunder, weil der Mensch Wunder glaubt. Der Wundergläubige hat auch einen wunderthätigen Gott. Aber der Wundergläubige hat auch außer der Religion oder wenn wir sie hinwegdenken, lauter wunderbare und phantastische, mit der Natur der Dinge nicht vereinbarliche Dinge, Wesen und Geschichten im Kopf. Er hat auch überall weematürliche Dinge, obwohl er sie durch die Reflexion zur Unterscheidung als widernatürliche bezeichnet. Unter dem Praktischen versteht man nun freilich auch das Bequemliche, Angenehme, und von dieser Seite ist nicht zu läugnen, daß der christliche Glaube zu den größten Gemüthsbequemlichkeiten der Menschen gehört. Was ist dem Gemüthe schmeichelhafter als zu glauben, daß Gott für mich gelitten un[d] gestorben, um meine Sünden zu vergeben; was angenehmer als zu denken, um seinen Schmerz sich zu vertreiben, ein liebender Vater im Himmel hat diesem Vater seine Kinder durch den Tod entzogen? Alles Bittere, Anstrengende nimmt der Glaube hinweg. Was braucht man zu denken, zu forschen? Alles was wir zu wissen brauchen, haben wir in der Offenbarung. Hier können wir ausruhen. Gott hat für uns gedacht und Alles vorgesagt, wir brauchen es nur ihm nachzusagen. Wir brauchen nicht zu denken. Was ist dem Gemühte angenehmer, als sich in Schirm und Schutz eines allmächtigen Wesens zu wissen, als zu denken: Gott sorgt für mich, Gott liebt mich? Von diesem Standpunkt aus ist aller Fortschritt der Geschichte verdammlich, denn jeder Fortschritt reißt den Menschen aus seiner Bequemlichkeit heraus. Jede neue Wahrheit ist incommod. Das Allercommodeste ist der Egoismus. Auch der Protestantismus war weit incommoder als der Katholizismus, wo man durch ein paar Groschen sich von seinen Sünden erlösen konnte, wo man, ohne daß das von
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Innere dabei bethätigt und betheiligt war, durch eine Wallfahrt, durch einen Kirchgang, durch ein Sakrament sich seine Gemüthsruhe verschaffen konnte. Die neue Lehre ist aller-|486|dings hierin noch härter und strenger als der Protestantismus. Sie macht tiefere Forderungen an den Menschen. Sie lehrt den Menschen zu lieben, dem Menschen wohlzuthun, nicht um Gottes oder der himmlischen Seligkeit, sondern um des Menschen willen.
Feuerbach's Nachlaß. Zweiter Band1
vergönnt, auch den zweiten und letzten Band von Ludwig Feuerbach's „Briefwechsel und Nachlaß" in thunlichster Kürze zu charakterisiren. Wir stehen hier Es sei mir
auf einem wesentlich anderen Boden als früher. Die beiden Perioden von 1820 bis 1850 und von 1850 bis 1872 unterscheiden sich wie Theorie von Praxis, oder wie Metaphysik von Ethik. In der ersten Hälfte der Feuerbach'schen Thätigkeit handelte es sich um welthistorische Erscheinungen, Denk- und Glaubenssysteme, in deren Tiefe der Forscher die anthropologische Sonde warf; in der zweiten Hälfte ergreift er die Loupe der Physiologie, ja der organischen Chemie, um psychologische Entdeckungen zu machen. Früher hieß es: Was ist das Glauben und Denken der Menschen gewesen, kraft welches Princips erklären wir uns die Ausgeburten der Phantasie in Religion und Metaphysik? Jetzt wird die Frage erhoben: Welches ist das Princip unseres Handelns, was nennen die Menschen gut, was böse, was Recht, was Umecht? Und vor allen Dingen: Wie bauen wir das Fundament des Rechtes und der Moral, oder liegt etwa dieses Fundament schon irgendwo im Boden eingemauert? Entsprechend dem Wesen der theoretischen Speculation, die es hauptsächlich mit der Zeit, weniger mit dem Räume zu thun hat, bewegte sich früher der Feuerbach'sche Gedanke durch die Jahrhunderte und Jahrtausende, während der Briefwechsel die engsten Grenzen einhielt, zwischen Berlin und Erlangen, und nur zufallig nach Paris übersprang. Wir begegnen da den Namen: Eduard Gans, Professor vfon] Henning, Arnold Ruge, Kfarl] Marx, Frfiedrich] Daumer. Jetzt, auf praktischem Gebiete, dehnt sich der Raum vor uns aus, wir blicken in der Correspondenz nach Finnland und Rußland, nach K. Grün: Feuerbach's Nachlaß. Zweiter Band. In: Neue freie Presse, 6. November 1874, S. 1-3.
vom
Morgenblatt, Wien, No. 3663
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Feuerbachs Nachlass. Zweiter Band
Belgien, Frankreich, der Schweiz, nach Nordamerika und nach Italien; die Namen der Correspondenten lauten: W[ilhelm] Bolin, N[ikolai] v[on] Khanikoff, Charles Dollfus, Ed[ouard] Vaillant, Friedrich Münch, Fritz Kapp,2 Luigi Stefanoni. Daheim treten an die Stelle der Hegelianer, Jung- und Anti-Hegeliten, Jacob Moleschott, Heidenreich, J[ulius] Duboc. Der psychologische Gedanke arbeitet nur noch in die Tiefe. Diese praktische, zur Ethik hindrängende Tendenz Feuerbach's, welche die zweite Hälfte seines schaffenden Lebens, von 1850 bis 1872 kennzeichnet, spricht sich gleich in der Anzeige von Moleschott's „Lehre der Nahrungsmittel für das Volk" aus, die in den „Blättern für literarische Unterhaltung" im Jahre 1850 erschien. Die Heidelberger Vorlesungen, ein Jahr vorher gehalten, waren mit dem: „Wie haben wir uns den Glauben zu erklären?" fertig geworden. Plötzlich fragte der Philosoph mit dem organischen Chemiker: „Was essen wir?" Wie gemein! riefen die Delicaten und Abstracten, was hat der Gedanke mit der Verdauung zu schaffen? Wie kommt der Kochherd in das Empyreum des Geistes? Aber Feuerbach, ohnedies zu Lessing'schen Schalkheiten sehr aufgelegt, warf den Delicaten und Abstracten das Wort an den Kopf: „Der Mensch ist, -
was er
ißt."3
Sie verstanden ihn nicht einmal, sie waren so verhegelt und verschellingelt, daß sie Herder's „Ideen zur Philosophie der Geschichte" vergessen hatten, die doch vor einem Jahrhundert bereits die Entwicklung des Menschen an klimatische, geologische, reale Bedingungen geknüpft und, ganz im Einverständnisse mit Montesquieu, den Geist erst als die Blüthe des sinnlichen Substrats dargestellt haben.4 Ein deutlicher Beweis nebenbei, wie gewaltig die denkende Betrachtung der Dinge seit Kant zurückgegangen war! Die schaurige politische Reaction reichte überdies in den Fünfziger-Jahren dem metaphysischen Duselthum schwesterlich die Hand. Schon früher erwähnten wir, welch herbes Schicksal, das „Vergessensein" der Antigone, die classische „Théogonie" Feuerbach's vom Jahre 1857 erfuhr. Ein Schweizer Bauer, Konrad Haag zu Hüttweilen im Thurgau, erkannte begeistert in der „Théogonie" und von Feuerbach's größtes Werk, das der Verfasser nicht zu überbieten Seiten der classischen Philologie bestätigte dieses Urtheil der gelehrt-geniale Gymnasial-Direktor Dr. Kapp in Hamm, später in Halle, der Vater des Deutsch-Amerikaners
vermöge,5
2 3 4
Gemeint ist Friedrich Alexander Kapp ( 1824-1884). L. Feuerbach: Die Naturwissenschaft und die Revolution. In: Feuerbach GW, Bd. 10, S. 367. J. G. Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, 3 Thle., Riga Leipzig 1785 bis 1790. Den ausführlichen Brief von Konrad Haag an Ludwig Feuerbach vom 12. Juli 1861 hat Karl Grün erstveröffentlicht. Haag nannte Feuerbachs „Théogonie" „einzig in seiner Art", das Werk sei „der Gipfel seiner Leistungen". Siehe K. Grün: Ein philosophischer Bauer. In: Die Wage. Wochenblatt für Politik und Literatur. Hrsg. von G. Weiß, Nr. 43 vom 23. Oktober 1874, S. 673-677. Der Beitrag Grüns ist auch zu finden in: M. Koppe: Karl Theodor Ferdinand Grün (1817-1887). Diss. phil., Freie Universität Berlin, Berlin 2004, Anhang, Dokument 35. Vgl. auch BwN, Bd. 2, S. 129-135. -
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Kapp.6
Friedrich Der Physiologe Moleschott war der Dritte im Bunde.7 „Klanglos zum Orcus hinab" und doch war weder der Orcus noch der Olymp, weder der Scheol und die Hölle, noch der Himmel jemals so tiefsinnig, so gründlich, in so plastischer Form erklärt worden, wie in dieser „Théogonie". Alle theologisch-dogmatischen Persönlichkeiten und Zustände sprangen unter Feuerbach's Hand als menschliche Idealisirungen und Hypostasirungen aus dem Leda-Ei8 des Wunsches und der Verwünschung hervor. Aber die Götter aßen und tranken wie die Menschen, wenn auch anders als die Menschen, als „verklärte" Menschen; selbst Jehovah sog den Opferrauch wohlgefällig ein, und der christliche Gottmensch näherte sich gar wie wir und kostete noch am Kreuze Essig. In den Sechziger-Jahren knüpfte daher Feuerbach wieder bei der Physiologie an und eröffnete sein Buch: „Gottheit, Freiheit, Unsterblichkeit" mit dem „Geheimniß des Wir sind culturgeschichtlich determinirt durch unsere geographische und klimatische Lage, durch unsere Wohnung und Nahrung. Die absolute „Freiheit" des Menschen ist in letzter Instanz ein Kant'sches Hirngespinst. Wo kein Salz im Blute, da ist auch kein Salz im Kopfe, und ohne Salz kein Witz, kein Scharfsinn. Meinte doch selbst der dualistische Cartesius, zur Besserung der Menschen sei die Medicin, d. h. die Diät, das beste Mittel. Sind wir also physiologisch determinirt, so ist die berühmte abstráete „Willensfreiheit" ein Schabernack, wie schon Martin Luther genau wußte und derb genug sagte. Nein, wir sind nicht „frei", aber wir sind deßwegen doch keine Automaten, der Determinismus ist deßhalb noch kein Mechanismus. Denn zwischen unserem heutigen und unserem morgenden Wollen liegt die Zeit und ihr Organ, das Gedächtniß. Alle Mechanisten von der starren Observanz vergessen das Gedächtniß, den Reflex des Gestern auf das heutige Bewußtsein, welcher Reflex sich als Leidwesen, Trauer und Reue äußert. Mit der brutalen Causalität reicht man da nicht aus, es tritt eine complexe Wirkung verschiedener Factoren ein, und der Mensch entwickelt sich wie das Geschlecht, |2| sei Prototyp und Resultat. Und das Vehikel dieser ausschließlich menschlichen Bewegung, die treibende Feder im Gehäuse der Moral, ist das Verhältniß des Du zum Ich, das Zusammenleben des Menschen mit dem Menschen, zunächst des Mannes mit der Frau, dann des Bruders mit der Schwester, weiter des Bürgers mit dem Bürger, des Staates mit anderen Staaten. „Die Moral kann nicht aus dem bloßen Ich oder der bloßen Vernunft ohne die Sinne sie kann nur aus der Verbindung von Ich und Du, welches im Gegensatze zu dem sich denkenden Ich nur durch die Sinne gegeben ist, nur aus der -
Opfers".9
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Friedrich Christian Georg Kapp (1792-1866). Siehe Jacob Moleschott an Ludwig Feuerbach, 27. Mai 1858. In: Feuerbach GW, Bd. 20, S. 189.
(BwN, Bd. 2, S. 69.) Leda-Ei (griech. Mythos): Zeus hatte Leda, der Gemahlin des Spartanerkönigs Tyndareos, die Gestalt eines Schwans beigegeben, so daß die Kinder aus von ihr gelegten Eiern hervorgingen. Siehe L. Feuerbach: Das Geheimniß des Opfers. Oder der Mensch ist, was er ißt. In: Feuerbach SW, Bd. 10, S. 1-35. (Feuerbach GW, Bd. 11, S. 26-53)!
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Verbindung der Kant'schen „Autonomie" und der „Heteronomie", der Selbstgesetzgebung und der Gesetzgebung durch ein vom Selbst Unterschiedenes, erklärt werden."10
Man merke wohl es handelt sich hier in der That um die höchsten Interessen der Menschheit wir stehen zwar auf realer oder „sensualistischer" Basis, aber tief unter uns liegt der Standpunkt des Helvetius und der Encyklopädisten: diese setzten als letztes Princip der Moral das „wohlverstandene Interesse" des Einzelnen. Feuerbach streicht dieses egoistische Verstandesprincip und proclamirt „das für Andere empfundene Interesse". Und dieses empfundene Interesse wird nicht geoffenbart, nicht metaphysisch octroyirt, es fällt weder vom Himmel noch vom Katheder herab, es wird dem Menschen durch die Gemeinschaft beigebracht, zuerst zwangsweise, dann gewohnheitsmäßig, endlich als vererbtes Angeborensein. Denn, und das ist die Krone der Beweisführung, im Nachlaß finden wir den großen Satz: Die Moral ist so gut eine empirische Wissenschaft wie die Medicin?1 Hier könnte ich nun, ohne mich einer Abschweifung schuldig zu machen, von Feuerbach's Verhältniß zu Schopenhauer reden, den er gerade in seinem zehnten Bande, von welchem eben die Rede ist, corps à corps faßt, um ihm die Wirklichkeit von Zeit und Raum, die Objectivität der Welt, die Realität des Daseins, den Unsinn des „intelligiblen Charakters" in vollendeter, plastischer, geistreichster Sprache zu Gemüthe zu führen; ich ziehe jedoch vor, über diesen Punkt auf den zehnten Band der Werke, auf das Moralfragment im zweiten Bande des Nachlasses und auf meine Einleitung im ersten Bande zu verweisen.12 Wenden wir uns lieber noch einmal zu der obigen Gedankenreihe zurück. Sie erfahrt ihre weitere Ausführung in dem bewegten Fragment zur Moral-Philosophie. (Nachlaß, II. S. 253-305.) Brauchen wir zur Begründung der Moral ein transcendentes Princip? Ja oder nein? Haben wir die Transcendenz, die Mystik, das Unerklärliche in allen anderen Beziehungen aufgegeben, um es in der Sittenlehre durch die Hinterthür wieder einzuschmuggeln? Ist die Astrologie Astronomie, die Alchymie Chemie, die Metapysik Psychologie, die Theologie Anthropologie nur deßhalb geworden, damit die Ethik auf dem Mysterium gebaut bleibe? Kant, der den Himmel ausfegte, legte denselben Himmel wieder in des Menschen Brust; der kategorische Imperativ, gut als zeitgeschichtliches heroisches Remedium, ist philosophisch eine durch nichts bewiesene Conjectur, ein ,Absolutum" so gut wie Brahma, die Dreieinigkeit oder der „Geist". Feuerbach selbst sagt von Kant, er habe den ganzen jenseitigen Apparat nur deßhalb beseitigt, um ihn in den Menschen zu verlegen. Wäre dem nicht abzuhelfen, müßten wir im Bereiche des Wollens die Transcendenz anerkennen, so würde sie sich am Schweife des Wollens unwiderstehlich und mit Recht überallhin wieder einschlei-
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L. Feuerbach: Über Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit. In: Feuerbach GW, Bd. 11, S. 75. Siehe L. Feuerbach: Zusätze aus zerstreuten Papieren. In: BwN, Bd. 2, S. 305, wo es heißt: „Die " Moral ist so gut eine Erfahrungswissenschaft wie die Medizin. Siehe u. a. Feuerbach SW, Bd. 10, S. 62, 189 und S. 193.
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chen. Was dem einen Gefach menschlicher Lebensäußerung recht, das wäre den anderen Gefachern billig. Die Sache ist daher in eminentem Grade kritisch. Ueberall sonst gehen wir von der Natur, von der Erfahrung aus; wir deduciren zwar auch, aber nur auf Grund der Erfahrung; von der Deduction aus dem a priori will kein gescheiter Mensch mehr etwas wissen. Die Moral muß sich also dieser Anschauungsweise fügen; sie und ihr Inhalt, That und Gesinnung des Menschen, muß ebensowohl empirisch sein, als die Medicin und ihr Inhalt, die Störungen des organischen Lebens, oder wir stürzen an allen Ecken und Enden in die Abgründe des Mysteriums zurück. Feuerbach steht auf dem ersten Horn des Dilemmas: die Sitte, die Sittlichkeit, die Begriffe von Tugend und Laster beruhen auf empirischen Thatsachen und auf der Entwicklung empirischer Thatsachen. Aus dem Zusammensein von Ich und Du ersteht die Nothwendigkeit der Accommodation, zunächst nach dem Grundsatze: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt".13 Setzest du dein Ich hartnäckig und einseitig durch, so zwingt dich das benachbarte Du zu seiner Anerkennung. Dieser Zwang wird allmälig Usus, Maßregel und heißt, von der Gesellschaft adoptirt, das im Gesetz ausgesprochene Recht. Das Recht ist daher weiter nichts als die bis zu einem gegebenen Zeitpunkte sanctionirte, durch einen Schutzwall von Strafen garantirte Zwangsmoral, die wiederum nichts Anderes ist als der bis dahin übliche Modus vivendi einer menschlichen Gemeinschaft, unter welchem äußerlichen Hocuspocus, mit welchen Mitteln der Ueberzeugung er immer eingeführt werde. Das Recht kommt daher nicht, wie gewisse Rechtsphilosophen oder Naturrechtslehrer wollen, aus der Moral, als einem abstracten Princip, nicht aus einer Sphäre, die ja erst wird, sich bildet, sondern die Moral ist zunächst das Recht und entwickelt sich weiter aus dem Rechte, gleichsam ihrer Blattknospe. Denn im Laufe der Zeit findet die Gesammtheit, daß es nicht genug ist an den Zwangspflichten des Gesetzbuches, daß der Mensch dem Menschen gegenüber thun und lassen soll, was „recht und billig", daß der Rechtszwang zwar das besorgt, was „recht" ist, daß aber die „Billigkeit" noch zu erfüllen übrig bleibt. Diese Billigkeit wird dann zunächst den Bürgern ins Gewissen geschoben, das will sagen, sie wird ihnen zur Ehrenpflicht gemacht, für deren Uebertretung sie nicht gerichtlich, wo[h]l aber vor dem Forum der öffentlichen Meinung bestraft werden. Aeußert sich aber die öffentliche Stimme dringender und zwingender über die Nothwendigkeit der Einhaltung dieser Ehrenpflichten, so wird das Gesetzbuch erweitert, die Ehrenpflicht wird Zwangspflicht, welcher ein Zwangsrecht entspricht. Diesem psychologischen Fortgange entspricht ja wörtlich in der englischen Rechtsgeschichte die Hinzufügung einer Court of Equity zu den Courts of Justice. Die Moral entwickelt sich also, ist niemals etwas Feststehendes und Ruhendes, und der moralische Drang kann als die treibende Feder in der Geschichte betrachtet werden: alle Forderungen der Neuzeit, politisch, civilrechtlich, straf-|3 ¡rechtlich, ökonomisch, alle verlangen sie die Erweiterung der Gesetzbücher, die Hinzufügung neuer Bestim13
Siehe J. W.
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Goethe:
Erlkönig. In: Goethe SW, Bd. I./2, S.
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mungen, die Codificirung gewisser moralischer Sätze, die Befreiung der Moral von altem Ballast, damit sie ihre Schwingen freier und höher erheben könne. Denn in dem Verhältnisse von Ich und Du entwickeln sich auf rein praktischem Boden stets größere Feinheiten, stets zartere Empfindungen, weil der Mensch stets mehr zu der Einsicht gelangt, daß in dem Wohlsein des Du erst die wahre Wohlfahrt des Ich verbürgt wird. August Comte, der französische Positivist, nannte dieses Moralprincip den Altruisme, von Alter, Autre, der Andere; wir nennen es einfacher den Tuismus, ohne welchen der Egoismus Sinn, Verstand und Bestand verliert. So sublimirt sich, ohne irgend eine metaphysische oder theologische Beihilfe, die Moral vom harten Zwange zur Gewöhnung und von da zum bewußten und gewollten Bedürfnisse des gebildeten Menschen, der in Zukunft eine Masse heutiger Barbareien und Abscheulichkeiten kaum im Strafgesetze wird erwähnt wissen wollen, weil das Strafgesetz nach Unten hin in dem Maße verliert, wie die Moral oben wächst. Die nichtzünftige Forschung hat da wieder einmal ein schwellendes Samenkorn in den Boden gelegt, und dieses Samenkorn, dem Bewußtsein aller Edlen und Tüchtigen anvertraut, bildet den Kern und Werth des zweiten Bandes. Wie lange es dauern wird, bis diese einfach klaren und doch bis zum Grunde des Menschenthums reichenden Anschauungen in jene „höheren Kreise" dringen, die sich so komisch mit exclusiver Wissenschaft wie mit einer Geheimlehre brüsten, während wir von dort fast nur verschimmelte Phrasen zu hören bekommen, das ist eine traurige Frage gerade unserer Uebergangszeit. Nur das Eine steht zum Tröste der Menschheit fest: der Zopf hängt zwar noch immer hinten, aber ein zopfloses Publicum, eine immer dichtere Schaar von Denkenden drängt nach vorwärts. Der Zopf baumelt zwar noch, aber er ist nicht mehr das Pendel der Zeitgeschichte. Die gebildeten und bildungsdurstigen Massen stürmen über die Ruinen mittelalterlicher Weisheits-Institute hinaus. Karl Grün
Eine Sommerfrische der freien Wissenschaft.
Einige hundert Fuß über der Landstraße, die von Ischl nach Aussee und durch eine Verzweigung nach Steg, Gosaumühl und Hallstatt führt, zwei Wegstündchen oberhalb
Ischl, leuchtet und funkelt seit acht Jahren in der westlichen Sonne ein schweizerisches
Alpenhaus in das Thal der brausenden Traun hinab. Es ist aus Holz gezimmert und mit hübsch geschnittenen Giebeln und Baikonen, die theils das eigene Werk des Besitzers sind, geziert. Dieses Alpenhaus gehört dem wackeren Conrad Deubler, dem Correspondenten und Gastfreunde so vieler bedeutender Männer freiester Forschung und Richtung. Er war seines Zeichens ursprünglich ein Müller, dann Fremdenführer, Alpenbotaniker, Wirth und Bauer, inzwischen auch politischer Gefangener und Märtyrer der Aufklärung, Eigenthümer einer Bibliothek, wie sie kein Geistlicher und Justizbeamter auf dem Lande jemals besessen, weder so ausgedehnt, noch so mannigfaltig, noch gar so verwe-
gen.2
Gerade diese Bibliothek, Deubler's Priamos-Schatz, darunter auch der „Leuchtthurm" des Rédacteurs dieses Blattes,3 sein Stolz, seine Freude, seine geistige Winter-
K. Grün: Eine Sommerfrische der freien Wissenschaft. In: Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt. Hrsg. von Ernst Keil, Leipzig, Nr. 24 von 1875, S. 400-401. Der Beitrag enthält eine Illustration von Deublers Alpenhaus auf dem Primesberge bei Goisern. Zum Bestand dieser „1413 Nummern" umfassenden Bibliothek siehe A. Dodel-Port (Hrsg.): Konrad Deubler. Tagebücher, Biographie und Briefwechsel des oberösterreichischen Bauernphilosophen. 1. Thl.: Konrad Deubler's Lebens und Entwicklungsgang, Leipzig 1886, S. 382-393. Ernst Keil (1816-1878), Publizist und Verleger verschiedenster Zeitschriften wie beispielsweise „Der Wandelstern" (Grimma 1844-1848), „Der Leuchtturm. Wochenschrift für Politik, Literatur -
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sollte ihn vier Jahre lang ins Unglück und in den Kerker führen. Die Geschichte ist widerwärtig, und ich wenigstens mag sie in allen ihren Einzelheiten und mit deutlicher Bezeichnung der darin handelnden Personen nicht erzählen. Einige kurze Andeutungen über dieselbe mögen genügen. Es war im goldenen Jahre der Reaction, als man schrieb 1850. Deubler lebte als Wirth, Botaniker und Fremdenführer unter im Dorfe Goisern, wo sein Haus den kühnen Titel „Zur Wartburg" führte, als er, damals noch allzu wenig wählerisch, den Literaten von Namen emsig nachtrachtend, die Bekanntschaft des in Ischl weilenden Saphir machte, diesen saloppen Witzjäger vertrauensvoll in sein Haus lud, ihm seine reiche Sammlung von brieflichen Autographen zeigte und arglos sogar den öffentlichen Gebrauch eines Schreibens von Dfavid] Ffriedrich] Strauß gestattete.4 Herr Saphir fiel natürlich wie ein Habicht über diesen seltenen Vogel her und rupfte ihn weidlich in seinem „Humoristen". Die Generalüberschrift des betreffenden Artikels lautete charakteristisch genug: „Dumme Briefe über meine Reise vom Ausnahmszustande in das Innere des Naturzustandes", und Deubler's Steckbrief erschien am 12. September 1850.5 In Wien „Ausnahmszustand", in Goisern ein stiller Leseverein einfacher, strebender Menschen, an deren Spitze Conrad Deubler stand. Der „dumme Brief that seine Wirkung. Angeregt durch Saphir's denunciatorisches Gewäsche, begab sich eine „hohe Frau"6 von Ischl aus in Deubler's Behausung, musterte in dessen Abwesenheit die verfängliche Bibliothek, entdeckte darin wenig Christenglauben, aber desto mehr Kritik und gerieth außer sich. Die Lage wurde für Deubler und Genossen bald sehr kritisch: sie wurden gefänglich eingezogen, nach Graz geführt und hochnothpeinlich processirt. Die Leumundszeugnisse der spruchfähigen geistlichen Herren fielen schwarz genug aus; die Vertheidigung war eine officielle, das Verfahren geheim. Dennoch sprach die erste Instanz frei, aber der Staatsanwalt,7 dem ich hier nicht abermals einen verdienten Namen machen will, der auch in der neuen Aera hübsch verfassungstreu sich geberdete, appellirte nach Wien, an den ,Ausnahmszustand", und das Ergebniß der Revision ohne neue Verhandlung, in absentia war eine grause Verurtheilung wegen horrender Verbrechen wider Religion und Staat, bis zu zehn Jahren Zuchthaus, die eine Frau, eine Goiserin,8 noch dazu unter liebevoller Nonnenaufsicht, bis auf den letzten Tag verbüßt hat. Deubler kam mit vier Jahren, theils Gefan-
Apotheke,
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und gesellschaftliches Leben" (Leipzig 1846-1850) und vor allem „Die Gartenlaube. Illustriertes Familienblatt" (Leipzig). Vgl. hierzu Deubler Bw, 1. Theil, S. 118-119 und S. 122. Siehe M. G. Saphir: Dumme Briefe über meine Reise vom Ausnahmezustande in das Innere des Natur-Zustandes. In: Der Humorist, Wien, Nr. 219 vom 12. September 1850, S. 873-874.
Erzherzogin Sophie von Österreich.
Der Staatsanwalt und spätere Präsident des Grazer Oberlandesgerichtes war R. von Waser. Katharina Steinbrecher. Sie war neben Dionys Heiß, Franz Muß, Jakob Wallner, Josef Kutschera, Adolf von Eichini, Mathias Steinbrecher, Franz Gaßner, Franz Schmollnauer, Jakob Schmollnauer und Michael Berger die einzige Frau, die zusammen mit Konrad Deubler angeklagt wurde.
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genschaft in Brunn, theils Internirung in Olmütz und Iglau, davon. Ungebeugt kehrte er nach Goisern in seine „Wartburg" zurück, wo mittlerweile seine Wirthschaft durch allseitigen, freundlichen Zuspruch in Saft und Blüthe geschossen war. Später erkor ihn sogar die viertausend Seelen zählende Gemeinde zu ihrem Bürgermeister, ein Amt, welches er jedoch bald freiwillig niederlegte.
Unter seinen vielen Freunden zählte er auch Maler, und diesen zu Gefallen hat er ein hohes, großfensteriges Atelier links an sein Haus gebaut, worin auch, damit nichts fehle, ein Streicher-Flügel älteren Datums steht. Das Beste aber an der ganzen bretternen Werkstätte ist der Balkon mit großartigster Aussicht auf die Ischler Berge nördlich, die Ramsau gegenüber und einen Theil der Dachsteingruppe nach Süden zu. Ein herrlicherer Frühstücksplatz als dieser Balkon ist nicht auszudenken. Im Uebrigen ist das Atelier baulich von außen nicht sehr vortheilhaft. Gar freundlich ist dagegen der mittlere älteste Bau auf Grundmauern, dessen Balkon zu einer bequemen Sommerwohnung gehört. Der Balkon zur Rechten ist der Ausgang aus dem „FeuerbachZimmer", in welchem der Bruckberger Philosoph im Jahre 1867 zur Einweihung des Gebäudes gehaust hat. Neun Tage und neu Nächte hätte der Rhapsode zu sagen, wer Alles in der „Wartburg" unten und auf dem Primesberge oben gewohnt hat oder zu Gaste war; denn Deubler's Bekanntschaft erstreckt sich von der gelindesten Aufklärung bis zur entschiedensten Anthropologie und Anthropogenese; seine Correspondenz beginnt 1844 mit Heinrich Zschokke, dessen „Stunden der Andacht" ein mächtiges Ereigniß in seiner Entwickelung bilden,9 und geht bis Radenhausen mit „Isis und Osiris",10 ja bis C. J. Fischer, der uns das Bewußtsein auszukehren bemüht ist.11 Deubler wandert auch nicht gerade mit bis zu den gefährlichsten Gebirgszacken, wo der Fuß schwankt, aber er bewundert der Männer Kühnheit und verehrt ihren Muth. Aus den fünfziger Jahren, wo Deubler noch in der „Wartburg" hauste, sind ihm liebe Erinnerungen die Landschaftsmaler Robert Kummer aus Dresden und Joseph Winkler aus München, die auch später periodisch Besuch wie Freundschaft erneuerten. Zu ihnen gesellt sich als Dritter der Landschaftsmaler Pape aus Berlin. Kummer ist in Norddeutschland genugsam bekannt, Winkler macht Schule in München; er begleitete seiner Zeit die Freundin Garibaldi's, Elpis Me-
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Die Korrespondenz mit Heinrich Zschokke von 1844 scheint nicht erhalten geblieben zu sein; zumindest ist sie in Deublers Briefwechsel, der 1886 herausgegeben wurde, nicht enthalten. Das erwähnte Werk: Die „Stunden der Andacht zur Beförderung wahren Christentums und häuslicher Gottesverehrung" (Aarau 1838), ehemals in Deublers Besitz, befand sich 1886 nicht mehr in dessen Bibliothek. Siehe A. Dodel-Port: Konrad Deubler, a. a. O. (Anm. 2), 1. Thl., S. 384. Vom Verfasser mehrerer freidenkerischer Schriften, Christian Radenhausen, wie die hier erwähnten „Isis. Der Mensch und die Welt" (4 Bde., Hamburg 1863) sowie „Osiris. Weltgesetze in der Erdgeschichte" (3 Bde., Hamburg 1874-1876) sind in Deublers Briefwechsel drei Briefe abgedruckt (zwei Briefe von Konrad Deubler vom 1. November 1866 und vom 13. Dezember 1866, sowie ein Brief von Radenhausen vom 26. Januar 1867). Siehe Deubler Bw, 2. Thl., S. 71-75. Im Deubler Bw sind 31 Schreiben mit J. C. Fischer enthalten (ebenda, 2. Thl., S. 103-119). -
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Kreta und auf den Berg Ida. An Studien bietet die allein ein ganzes Museum; jeder Fleck ist malerisch zu Ramsau gegenüberliegende verwenden. Einige stilvolle alte Bauernhäuser aus Holz mit den seinen Giebeln und dem schöngeschnitzten „Gewandlgang", mächtige Ahorne, sonnige Ausblicke auf den stolzen Saarstein, farbige Costume, im Halbdunkel grasendes Vieh hier lockt Alles und fesselt Vieles. Der majestätische Hallstätter See mit seinen wechselnden Wasserund Luftschichten ist nur eine halbe Stunde entfernt. Kühnere Wagnisse als Joseph Winkler unternahm ein anderer Intimus Deubler's, der bekannte Reisende Wilhelm Heine, der die Expedition nach China und Japan im Auftrage der Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika mitmachte und beschrieb.12 Oefter weilte er längere Zeit in Goisern, und hoch wanderten die beiden Freunde in's Gebirge empor. Wo nichts zu sehen war, erzählte Heine in romantischem Schwünge die Weltwunder seiner Erfahrung dem nicht immer orthodox gläubigen
laina
(Frau
von
Schwartz), nach
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Deubler. Der Stolz Deubler's aber ist der mehrwöchentliche Besuch Ludwig Feuerbach 's im Jahre 1867. Ein enges Freundschaftsband verknüpfte die seit 1862 mit einander correspondirenden so verschiedenartigen Charaktere. Feuerbach, der bereits sieben Jahre auf dem Rechenberge angeschmiedet war, wo ihm der Geier der Politik, der Sorge und der Krankheit an der Leber fraß, Feuerbach, der seinen ersten Schlaganfall bereits erlitten hatte, feierte auf dem Primesberge ein wahres Auferstehungsfest; er badete sich in dieser Natur zu ungeahntem Wohlgefühle gesund, erstieg bedeutende Höhen, schwang den Steinhammer in den Muschelkalk und schmeichelte sich mit einem nicht erfüllten Wiedersehen. Wilhelm Bolin, der jetzige Professor und Bibliothekar an der Universität Helsingfors in Finnland, suchte Feuerbach in seinem Tempe auf und eroberte gleichfalls das Herz des Gastfreundes. Im Atelier auf dem Primesberge steht eine Pyramide mit der Aufschrift „Homo homini Deus",13 oben darauf die gelungene Bronzebüste Feuerbach's. Hundert Schritte vor dem Schweizerhause hat Deubler zwischen Bäumen und oberhalb einer ländlichen Ruhebank eine Gedenktafel angebracht, welche besagt, daß hier der Lieblingsruheplatz des großen deutschen Denkers gewesen. „Ueber allen Wipfeln ist Ruh'" etc. |401| Ueber das Verhältniß Deubler's zu Feuerbach sei an dieser Stelle nur so viel gesagt, daß dasselbe ein hochpoetisches, auf gegenseitiges innerlichstes Verständniß begründetes war. „Keinen Freund Hebt und schätzt er so sehr als Sie," schreibt Feuerbach's Gattin an Deubler unterm 24. Januar 1872, als der große Denker schon seiner Auflö-
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W. Heine: Die Expedition in die Seen von China, Japan und Ochotsk unter Commando von Commodore C. Ringgold und Commodore J. Rodgers, im Auftrag der Regierung der Vereinigten Staaten unternommen in den Jahren 1853 bis 1857 unter Zuziehung der officiellen Autoritäten und Quellen. Deutsche Original-Ausg., 3 Bde., Leipzig 1858-1859. Konrad Deubler an Ludwig Feuerbach, 17. Januar 1870. In: BwN, Bd. 2, S. 230-232.
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Für die Innigkeit der Freundschaft zwischen dem Gelehrten vom und dem Rechenberge Volksphilosophen vom Dorfe Goisern legt mein Buch „Ludwig seinem Feuerbach in Briefwechsel und Nachlaß" (Leipzig, Winter) Zeugniß ab. Deubler machte seinen großen Freund zum Rathgeber in allen wichtigen Fragen seines Innern, und manches Thema von weittragender Bedeutung wird in dieser Correspondenz aufs Tapet gebracht. „Soll ich zum Scheine die mich drückende Pietisterei noch ferner mitmachen?" fragt Deubler einmal in Bezug auf den von ihm in Aussicht genommenen Uebertritt in eine freie Gemeinde. „Ich war bisher wegen der Leute alle Jahre zur Communion gegangen und muß Dir aufrichtig gestehen, habe mich vor mir selbst geschämt. Mein ganzes besseres Selbst empörte sich gegen eine solche Heuchelei. Und doch was bleibt mir übrig —? Zum Auswandern bin ich jetzt schon zu alt und würde mich schwer von meinen so schönen Bergen trennen können."15 Feuerbach erwidert hierauf sehr treffend: „Die Religion, wenigstens die officielle, die gottesdienstliche, die kirchliche, ist entmarkt oder entseelt und creditlos, so daß es an sich ganz gleichgültig ist, ob man ihre Gebräuche mitmacht; den selbst diejenigen, die sie angeblich gläubig mitmachen, glauben nur an sie zu glauben, glauben aber nicht wirklich, so daß es sich wahrlich nicht der Mühe lohnt, wegen eines Glaubens, der längst keine Berge mehr versetzt, seine lieben Berge zu verlassen."16 Deubler ist eine dankbare Natur. Ueber das Größere und Größte vergißt er nicht das weniger Große, das ihn gefördert hat. Ein so grundehrlicher, charaktervoller Mann wie Uhlich, der Magdeburger, war unserem Alpenhäusler höchst sympathisch. Im Sommer 1869 kam Uhlich in Person auf den Primesberg, und Deubler nennt ihn noch jetzt seinen „Unvergeßlichen". Von Uhlich ging für Alle, die ihm nahe gekommen sind, ein Hauch der Bravheit aus, der ein sonst etwas prosaisches Naturell mit einem Heiligenschein umgab. Auch die Geologen durchwühlten die Dachsteinpartie des Salzkammergutes, und Deubler, der Wege und Stege kennt, diente zum Orientiren, öffnete dabei stets beide Ohren, lernte und gewann sich die Zuneigung der Steingelehrten. Er beherbergte die Herren Eduard Sueß, Moisitschowitsch, Professor Simony, den Alpenseekundigen, und Herrn von Hauer, den hochverdienten Autor der Geologie Oesterreichs.17 Als ich im vorigen Sommer auf dem Primesberge die Correcrur meines „Feuerbach" las, erschien zu unser Aller Freude Ernst Häckel aus Jena, der frisch-fröhlich-freie Repräsentant der Descendenzlehre auf deutschem Boden. Er durchmusterte im unteren
sung nahe
war.
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Bertha Feuerbach an Konrad Deubler, 24. Januar 1872. In: BwN, Bd. 2, S. 233-234. Zitat auf S. 234. Konrad Deubler an Ludwig Feuerbach, 17. Januar 1870. In: BwN, Bd. 2, S. 231. Ludwig Feuerbach an Konrad Deubler, 28. Februar 1870. In: BwN, Bd. 2, S. 232. Siehe F. v. Hauer: Die Geologie und ihre Anwendung auf die Kennmiss der Bodenbeschaffenheit derösterr[eichisch]-ungar[ischen] Monarchie, Wien 1875. -
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,Anthropogenie",18
Stocke die erste, schon damals vergriffene Auflage der während ich im „Feuerbachzimmer" das „Philosophische revidirte. Deubler war auf der Höhe seines Bewußtseins angelangt, als er die Ergänzung zu Feuerbach's philosophischem Realismus unter seinem Dache wußte, und ein wahrer Alpenkönig dünkte er sich, als er die Leetüre des Vor- und Nachworts zur „Anthropogenie" vornahm. Er hat und es aber dahin gebracht, im geistigen Leben die Blüthe des Daseins zu empfinden doch konnte er mit zwanzig Jahren noch nicht schreiben. So daure denn, du trautes Alpenhaus auf dem Primesberge, daure mit deinen Insassen, als Asyl für die zerplagten Gehirne, die sich hier lüften! Daure mit deinem zauberhaften Gegenüber, dem Ramsauer Gebirgszuge, der schönsten einem in dieser Welt, so veilchenartig angeflogen, daß ich seinen Purpurhauch dem Veilchenschwamm (Ioi'deum) auf seinem Gestein zuschreiben wollte. Die Herren Geologen sagten zwar Nein, aber Homer würde mir Recht geben, und der ist doch auch eine Autorität. Karl Grün
Idyll"19
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Ernst Haeckel veröffentlichte seine „Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen" erstmals 1874 in Leipzig. Da dieses Werk schnell vergriffen war, wurde im gleichen Jahr noch eine weitere Auflage herausgebracht. Siehe BwN, Bd. 2, S. 215-234. Diese Information hatte Grün von Konrad Deubler selbst erhalten. Siehe Konrad Deubler an Karl Grün, 17. Januar 1874. In: BwN, Bd. 2, S. 234.
Ein Nachtrag zu L[udwig] Feuerbachs Briefwechsel !i
i
mir nicht vergönnt den Briefwechsel Lfudwig] Feuerbachs mit Christian dem zweibändigen Nachlasse des ersteren einzuverleiben. Wohl wußte ich von der intimen Freundschaft welche zwischen den zwei edlen Naturen geblüht hatte, wohl ahnte ich die Wichtigkeit der brieflichen Ergüsse die zwischen ihnen ausgetauscht worden waren. Aber der alte Herr zu Neuenheim bei Heidelberg, der im Jahr 1874 mit Tod abging, krankte schon jahrelang vorher, und antwortete mir im Jahr 1873 gar nicht auf mein dringendes Ersuchen um Mittheilung seiner Feuerbach-Schätze. So sehr ich dieß damals bedauerte, und so vortrefflich sich die Feuerbach-Kapp'schen Briefe als Ecksteine meinem Monument eingefügt hätten, so zufriedengestellt bin ich jetzt durch das Erscheinen des angeführten Buches. Es enthält dieses nämlich eine Zuthat, die ich, im Nichtbesitz der Materialien, nicht geben konnte, und die ich, selbst im Besitze der Materialien, nicht geben durfte, weil ich, neben der Hauptsache, Feuerbachs Wesen und ungekannte Leistungen, seine Correspondenten und Mitarbeiter nur in zweite Linie zu stellen hatte. Christian Kapp aber die Hofräthe sind ja vor und besonders nach dem Tod uns übrigen Sterblichen gleich Christian Kapp ist eine Erscheinung in der wissenschaftlichen Literatur die um so mehr ein besonderes Postament verdient, als er, theils durch Naturbestimmtheit, theils durch die Uebergangsnatur seiner Periode, sich selbst nicht *
Es
war
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Ludwig Feuerbach und Christian Kapp. 1832-1848. Herausgegeben und eingeleitet von August Kapp. Leipzig, Oftto] Wigand, 1876. K. Grün: Ein Nachtrag zu Ludwig Feuerbachs Briefwechsel. In: Allgemeine Zeitung, Augsburg (Beilage), Nr. 10 vom 10. Januar 1877, S. 133-134. Johann Georg Christian Kapp (1798-1874). Briefwechsel zwischen
Ein Nachtrag zu Ludwig Feuerbachs Briefwechsel
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hinlänglich zur Geltung gebracht hat,
während
er
doch eine bedeutsame Individualität
war.
Der Sohn des Verstorbenen, August Kapp, hat nun eben so pietätvoll als freimüthig in einer Einleitung von zwei Bogen diese Lücke ausgefüllt, und den Vater in scharfen Zügen als das hingestellt was er allen gewesen die ihn gekannt und verehrt.3 Kapp stammte wie Feuerbach aus einer gelehrten Familie, wo sich das Studieren von selbst verstand. Ein hatte zu Leipzig als Rector G[otthold] E[phraim] Lessing Goethe freute sich jedesmal wenn er einen Botaniker in Karlsbad immatriculirt; traf, Jean Paul übertrug seine Freundschaft für den Vater Christians auf diesen selbst. Christian wurde am 18. März 1798 sechs Jahre vor Feuerbach in Bayreuth geboren, ein Franke wie Feuerbach, wie Jean Paul. Er studierte, wie später Feuerbach, in Berlin Theologie, und ging, wie dieser, an der Hand Böckhs, Solgers, Hegels zur Philosophie über, deren Magd ihm höchstens die Theologie sein sollte. Ein ausreichendes Vermögen machte ihm große Reisen möglich, auf denen er sich universell ausbildete, und erleichterte ihm mächtig den späteren Kampf wider Perücke und Zopf. 1823 habilitirte er sich als „Philosoph" in Erlangen, fünf Jahre vor Feuerbach: aber glücklicher als dieser, wurde er schon 1824 außerordentlicher Professor. 1832 war auch er der „bayerischen Wirthschaft" überdrüssig, 1833 zog er nach Heidelberg, wurde hier 1839 Honorarprofessor, 1840 ordentlicher, las fünf Semester lang und gab 1844 seinen Abschied mit Eclat. 1845-49 war er Mitglied der zweiten badischen Kammer für die Stadt Offenburg, 1848 saß er für Tauberbischofsheim im Frankfurter Parlament, gab aber nach der
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Wahl des Reichsverwesers demonstrativ seinen Sitz auf, und privatisirte seitdem auf seiner Besitzung zu Neuenheim, bis ihn am Sylvestertag 1874 zwei Jahre nach Feuerbach der Tod als 76jährigen abrief. Christian Kapp war auf dem Boden untadeliger Gelehrsamkeit erwachsen, mit Gelehrsamkeit getränkt bis in die Haarspitzen; aber er fühlte bald den unwiderstehlichen Trieb in sich dieses Wissen in gangbarer Münze unter das Volk der Gebildeten zu bringen, aus der Benedictiner Clausur heraus auf das Forum des Prädicanten zu treten, den reichen Schatz philosophischen und geschichtlichen Wissens in die Adern strebsamer Laien zu träufeln. Lessing hatte dafür das Ideal aufgestellt, seit aber die Kant'sche Zeit durch eine neue Scholastik und ein esoterisches Abrakadabra todtgeredet worden, war die große Aufgabe einer Vermenschlichung des Gedankens aufs neue vorzunehmen. -
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Siehe A. Kapp: Einleitung. In: BwK, S. 3-33. Zwar wurde August Kapp, der Sohn Christian Kapps, als nomineller Herausgeber erwähnt, doch hat Friedrich August Kapp diesen Briefwechsel redigiert, eingeleitet und auch herausgegeben. Vgl. dazu den Brief von Friedrich Kapp an Eduard Cohen vom 13. August 1876. In: Friedrich Kapp. Vom radikalen Frühsozialisten des Vormärz zum liberalen Parteipolitiker des Bismarckreichs. Briefe 1843-1884, hrsg. und eingel. von H.-U. Wehler, Frankfurt am Main 1969, S. 110 und S. 153. Johann Erhard Kapp, Prof. in Leipzig, Rektor an der dortigen Universität und klassischer Lateiner. Gemeint ist der Sohn von Johann Erhard Kapp, Christian Erhard Kapp (1739-1824), der zunächst bis 1808 als Arzt und Botaniker in Leipzig und später dann in Dresden wirkte. -
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Kapp ist so recht der Repräsentant des Durchbruchs, mit allen Unzuträglichkeiten einer Zwitterepoche. Sein „Christus und die Weltgeschichte" (1823),6 seine „Einleitung in die Philosophie" (1825),7 „Das concrete Allgemeine in der Weltgeschichte"8 (wie einladend!), endlich das Buch über „den Ursprung der Menschen und Völker nach der mosaischen Genesis" (1829)9 zeigen ihn noch ganz als den philosophischen Historiker im Gewände der Schule, halb Hegel, halb Fichte, oder vielmehr als Hegel'schen Fichteaner, welchem Wollen und Denken identisch sind. Gerade dieses objective Fichtethum war bei ihm persönlich der Sporn und Stachel, der innerliche Compaß, die Feder die ihn ruhelos vorwärts trieb. Eine lautere Seele, voll Feuereifer, ohne Eitelkeit, aber unerbittlich gegen das Schlechte, gegen alle Arroganz und prahlerische Mystagogie. Zuerst erfuhr das zu Anfang der 30er Jahre der damals noch souveräne Schelling, durch allgemeines Stimmrecht auf den philosophischen Thron erhoben. In der Schrift „über den Ursprung der Menschen und Völker" sollte Kapp Leder aus der „Philosophie der Mythologie" entwendet haben,10 was Schelling im hochakademischen Styl eine „literarische Büberei des Kapp" nannte. Man weiß ja daß auch Fichte, Hegel und Cousin Leder gestohlen hatten; aber unter sämmtlichen Nachbetern und Nachschreiern des Unfehlbaren war keiner der den Jakob Böhmfe] genau genug gekannt hätte, um in dem Schelling'schen Buche von der Freiheit den eigentlichen Diebstahl in der Werkstatt des Görlitzer Schusters zu entdecken, wie Feuerbach das im vorliegenden Briefwechsel nachweist. Kapp, der damals mit einer energischen, aber unbeantwortet gebliebenen Erklärung und Herausforderung an den philosophischen Papst replicirte, sammelte seinen ganzen kritischen Groll, seinen Fichte'schen Zorn für das inhaltschwere Buch: „Friedrich Wilhelm Joseph vfon] Schelling, ein Beitrag zur Geschichte des Tages von einem vieljährigen Beobachter" (Leipzig, Oftto] Wigand, 1834).11 Als Kapp dieses Buch schrieb, stand er auf der Höhe seiner gelehrten Bedeutung, und noch erinnere ich mich des glühenden Pathos mit dem er uns Jüngeren Kraftstellen daraus vorlas. Wie gesagt, Kapp strebte nach Vermittlung mit einem größeren Publicum und kam dabei auf gar abnorme Mittel und Wege. Er veröffentlichte eine Zeitschrift, „Athene," 6
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[Ch. Kapp:] Christus und die Weltgeschichte oder Sokrates und die Wissenschaft. Bruchstücke einer Theodicee der Wirklichkeit oder Stimmen eines Predigers in der Wüste, Heidelberg 1823. Ch. Kapp: Einleitung in die Philosophie, Berlin Leipzig 1825. Diese stellte den ersten und einzig gebliebenen Teil einer „Encyclopädie der Philosophie" dar. Ch. Kapp: Das concrete Allgemeine der Weltgeschichte, Erlangen 1826. Ch. Kapp: Über den Ursprung der Menschen und Völker nach der mosaischen Genesis, Nürnberg 1829. Bezieht sich auf das „Sendschreiben an den Herrn Präsidenten und General-Conservator Herrn Geheimen Hofrath von Schelling zu München, von Professor Christian Kapp zu Erlangen. In Beziehung auf des Letzteren Schrift: Über den Ursprung der Menschen und Völker, nach der mosaischen Genesis, Nürnberg 1829. (Erlangen 1830.) [Ch. Kapp:] Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling. Ein Beitrag zur Geschichte des Tages von einem vieljährigen Beobachter, Leipzig 1843. Das Herausgabejahr wurde fälschlich mit 1834 -
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welche bald einging, gab einen „deutschen Kalender" auf 1835, einen dito unter dem Titel „Hertha" auf 1836 heraus.14 Wie er publicistisch in die Breite zu gehen trachtete, so ging er zugleich wissenschaftlich im eigentlichen Wortverstand in die Tiefe: er wurde eifriger, unermüdlicher Geologe, trieb auch seinen Bruckberger Freund in diese Sphäre hinein die Correspondenz wimmelt von geologischen Anschauungen, Funden und Uebersendungen der Muster und schrieb neben vielen Artikeln in die bedeutendsten Fachschriften ein Buch „Neptunismus und Vulcanismus," welches auf der Höhe der damaligen Wissenschaft steht.1 Besonders charakteristisch für den Universalismus Kapps ist aber sein ausgesprochenes Bestreben die Erkenntniß des Erdbaues in den großen Ring der allgemeinen Erkenntniß hineinzuschweißen, wie ja auch Feuerbach die Anschauung der Realität zur Grundlage philosophischen Erkennens machte. Das beste Buch Kapps aber, das Product seines gesammten philosophisch-naturwissenschaftlich-ästhetischen Wissens und Anschauens, ist sein „Italien," 1837.16 Es ist nicht anders als ob alles Unfertige, Formlose, Tragelaphische im Kapp'schen Styl in der Esse des verglüht worden wäre, so daß nur reines Metall in reiner Form zu Niemand hatte für diesen Schmelzproceß ein feineres Gefühl als kommen konnte. Tage Lfudwig] Feuerbach in den „Halle'schen Jahrbüchern," von wo die Kritik Kapps in die „Sämmtlichen Werke" übergegangen ist.18 Auf den praktischen Boden brennender Zeitfragen trat Kapp schon 1826 über: „Die Kirche und die Reformation,"19 1833 folgte der schwertscharfe „Gregor, ein Gespräch 20 über das Papstthum und die Monarchie," 1838 „Entweder Oder. Wem ist zu trauen, -
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Hephästos17
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Athene; eine Zeitschrift für philosophische und historische Wissenschaften, hrsg.
von einem Vereine von Gelehrten. Redigiert von Ch. Kapp, Kempten 1832. Deutscher Kalender für das Jahr 1835, hrsg. von Ch. Kapp, Kempten 1835. Hertha. Almanach für 1836, hrsg. von Christian Kapp, Kempten 1836. Ch. Kapp: Neptunismus und Vulcanismus in Beziehung auf von Leonhard's Basalt-Gebilde, Stuttgart 1834. Ch. Kapp: Italien. Schilderungen für Freunde der Natur und Kunst, Berlin 1837. Hephaistos: griechischer Gott des Erdfeuers und Schutzgott der Schmiedekunst. L. Feuerbach: Dr. Christian Kapp und seine literarischen Leistungen. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts. Leipzig 1839 bei Brockhaus, Mannheim bei Bensheimer. In: Hallische Jahrbücher, Nr. 297 vom 12. Dezember (Sp. 2369-2376) und Nr. 298 vom 13. Dezember (Sp. 2379-2384). 1846 wurde dieser Beitrag in den „Sämmtlichen Werken" Ludwig Feuerbachs, Band 2, S. 153-166 aufgenommen. Siehe Feuerbach GW, Bd. 9, S. 63-79. -
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Christian Kapp veröffentlichte dieses Fragment unter seinem Pseudonym. Der genaue Titel lautet: Bruchstücke einer Theodicee der Wirklichkeit von D. Outis oder Stimmen eines Predigers in der Wüste von D. Christian von der Asche. Die Kirche und ihre Reformation, Erlangen 1826. [Ch. Kapp:] Gregor, ein Gespräch über das Papstthum und die Monarchie. Aus den Papieren eines Reisenden, 1. Thl., Nürnberg 1833. Auch unter dem Titel: Gregor ein Versuch zur Versöhnung des Streites zwischen den höchsten Interessen der öffentlichen Meinung. Aus den Papieren eines Reisenden, 1. Thl., Nürnberg 1833. -
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Ein Nachtrag zu Ludwig Feuerbachs Briefwechsel
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der Krone oder der Bischofsmütze?"21 Der Verfasser anticipirte in diesen Schriften mit großer Vehemenz und rücksichtsloser Polemik den ganzen heutigen „Culturkampf," stellte sich auch resolut auf Seite des damals gar nicht vorhandenen Staats; aber er hatte vor den meisten der heutigen „Culturkämpfer" das voraus daß er den Staat nicht etwa als Kirchenpolizei, sondern als „sittliche Substanz" betrachtete. Ein tiefwahrer Satz findet sich z. B. im „Gregor:" „Der Staat welcher das geistige Interesse nicht in seinem vollsten und weitesten Umfang in sich aufgenommen hat, entbehrt der wahren Souveränität und Majestät, und die Kirche steht ihm dann nach Umständen als eine mehr oder minder feindliche Macht gegenüber, indem sie mit der Bedeutung des Geistes prunkt, die sie doch zu verrathen immer bereit bleibt." In dritter Instanz ging Kapp von der Schrift zur Rede über, er wurde Abgeordneter in Karlsruhe und Frankfurt. Wie ihm das philosophische Fachwesen wider seinen Willen von der Philosophie zur Publicistik gefolgt war, so ließ der Publicist jetzt wörtlich den Politiker nicht zur Ruhe kommen. Bei aller Sachkenntniß die sich Kapp aneignete, bei aller Lauterkeit seiner Gesinnung, die absolut nur auf das Volkswohl und die Volksherrlichkeit an ging, war der Redner doch zu acut, zu heftig, zu leidenschaftlich, zu persönlich. Freilich, welche Zustände traf er im badischen politischen Leben an: scheinbare Redefreiheit, dahinter der Metternich'sche Wauwau; das Recht der Initiative und des Beschlusses, dahinter der Frankfurter Knecht Ruprecht; Streben nach einer deutschen Nationalverfassung, und niemand auf dem Plan als Baden und Sachsen, das eine unter österreichischer, das andere unter preußischer Obhut! Die Niederlage der deutschen Einheitsbewegung erkannte der scharfsinnige Kapp sehr früh, er witterte die Reaction, welche der brave Eisenmann gar nicht sah. Er ging verbittert von Frankfurt weg, murrte, mißtraute und vergrub sich einsam in seine Stu-
dien.22
Was nun den Feuerbach-Kapp'sehen Briefwechsel durch 16 Jahre hindurch |134| betrifft, der übrigens fast durchgängig ein Feuerbach'scher genannt werden muß, da der Bruckberger Philosoph in den vierziger Jahren fast alle Kapp'sehen Briefe verbrannte, um sie der Brutalität stets zu gewärtigender Häscher zu so möchte ich am liebsten auf die Veröffentlichung des H[er]rn August Kapp selbst verweisen. Einige Punkte jedoch, die den Charakter Lfudwig] Feuerbachs zusätzlich illustriren, will ich kurz hervorheben. Feuerbach hatte schon 1835 auf jede Professur resignirt, da Erlangen ein „Pietistennest" sei, und man ihm in München seine „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit"
entziehen,23
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Ch. Kapp: Entweder oder: Wem ist zu trauen, der Krone oder der Bischofs-Mütze? Beleuchtung der politischen und religiösen Principien der Partei des Kölner Erzbischofs von einem Geistlichen, der ausgeschlafen, Stuttgart 1838. In dieser Zeit veröffentliche Kapp: Die Gründe meines Austritts aus der Nationalversammlung. Ein Sendschreiben an meine Wähler, Darmstadt 1848. Siehe A. Kapp: Einleitung. In: BwK, S. 4. -
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Ein Nachtrag zu Ludwig Feuerbachs Briefwechsel
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nicht verzeihe. Ruhiger als sonst schreibt er unter dem 13. Januar an Kapp: „Es sind schöne Aspecten, und so wie es zu unserer Zeit ist, war es ja mit wenigem Unterschiede zu allen Zeiten. Was soll man daher klagen oder schelten? Die einzige vernünftige Rache ist sich nicht in seiner Freiheit stören zu lassen, und die eingebornen Ideen als einen heiligen Schatz rein und unbefleckt in sich zu bewahren und in vollendeten Formen auszubilden."24 Beiläufig ist der nämliche Brief merkwürdig durch folgende Aeußerung: „Nächstens werde ich (in den „Berliner Jahrbüchern") einen säubern Patron, der gegenwärtig hier, natürlich unter großem Applaus, sein Unwesen treibt, um die pietistische Mistpfütze der hiesigen Universität noch vollends mit seinem Unrathe auszufüllen, einen Emissär aus dem Lande der mystischen Träumereien der neuen Schelling'schen Philosophie, einen gewissen Stahl, vornehmen und nach Recht und Gebühr tractiren."25 Angesichts jener Resignation nun, dachte Kapp, der ein edler und aufopfernder Freund war, der das Alter Ego in vollem Ernst nahm, jahrelang daran seinen Bruckberger Einsiedler doch noch auf einen Lehrstuhl zu bringen. 1840 war Freiburg auf dem Plan wo Anselm Feuerbach lehrte; Kapp schrieb eine vortreffliche Eingabe an den Ministerialrath v[on] Stengel zu Karlsruhe (hier im Briefwechsel abgedruckt).26 Als sich die Sache zerschlagen hatte, ging alles Dichten und Trachten darauf hinaus Feuerbach nach Heidelberg zu ziehen und zur Noth seine eigene Professur niederzulegen, obgleich sie ihm damals noch „lieb und werth" war. Man muß den äußerlich schüchternen, innerlich um so gestählteren Feuerbach gekannt haben um sich das Folgende zu erklären. Feuerbach sagte zu Freiburg und Heidelberg weder Ja noch Nein, weil er an die Unmöglichkeit solcher Pläne glaubte; er ließ auch wohl auf momentanes Zureden die Freunde machen; besann er sich dann plötzlich seiner Stellung zur Theologie und Universität es war zur Zeit des „Wesen des Christenthums" so wurde er unwirsch, bäumte sich auf, fuhr wohl gar gegen die besten Freunde aus. So heißt es unter dem 18. Febr[uar] 1842 an Kapp: „Wenn Du Deine Hände nur dazu anwendest Professoren der Theologie und Philosophie an dieser oder jener Universität todtzuschlagen, so thust Du besser, Du wendest sie an Schmetterlinge zu fangen oder legst sie in den Schoß. Aufs Haupt muß man schlagen, aus Princip muß man negiren. Handel heißt enthaupten, mit dem Entschluß sich selbst dafür enthaupten zu lassen."27 -
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Ludwig
Feuerbach
S. 220.
(BwK, S. 57.)
an
Christian
Kapp, 13./14./T.17.]
Ebenda, S. 219-220. (BwK, S. 57.) Das Zitat wird von Grün gekürzt wiedergegeben. Ludwig Feuerbach veröffentlichte seine Rezension: Die Philosophie des Rechts nach geschichtlicher Ansicht. Von Friedrich Julius Stahl, im Juli 1835 in den „Berliner Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik". Siehe Feuerbach GW, Bd. 8, S. 24-43. Siehe [Christian] Kapp an den Ministerialrath v[on] Stengel, Dezernenten im Carlsruher Ministerium, 5. April 1840. In: BwK, S. 91-94. Ludwig Feuerbach an Christian Kapp, 18. Februar 1842. In: Feuerbach GW, Bd. 18, S. 161. (BwK, S. 176.) -
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Januar 1835. In: Feuerbach GW, Bd. 17,
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Ein Nachtrag zu Ludwig Feuerbachs Briefwechsel
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Wenn unser Bruckberger Umecht that nicht gleich von vornherein kategorisch Nein sagen, so gab ihm Kapp selbst in Bezug auf Heidelberg desto mehr Recht. Schon Ende October 1839 hatte Kapp geschrieben: „Diese Schleicher operiren mit der geschultesten Manier selbst unter den Studierenden, und suchen alles daran zu setzen (glatt und bedingt zu sprechen gewohnt) daß ich keine Zuhörer bekommen soll. Dafür ist ihnen kein Mittel zu schlecht, ja das schlechteste ist ihnen das liebste, und das ist der Humor davon. Mir ist es völlig eins, es komme wie es wolle. Geistig und irdisch auf eigene Füße gestellt, lasse ich, ohne nur ein Wort darüber fallen zu lassen, die Kätzchen mir um die Füße spielen, und werde schweigen solange das Schweigen kein Unrecht ist. Rfoßhirt] von katholischer, Ufmbreit] von protestantischer Seite schielen in freundlicher Miene mit Seelenangst auf den Ketzer kostbar verzwickte Gesichter, gothische Fratzen am Tempelbau meines Lebens."28 Und da hinein sollte der viel ausgesprochenere, systematischere Feuerbach? Dieser sprach davon daß Kapp „die Gränzen männlicher Freundschaft gegen ihn außer Acht gelassen, sich aufs schwerste vergangen habe,"29 nannte die Art und Weise wie jener ihn zum Ordinarius machen wollte, „ordinär" und Der Bruch schien Ich sich den Schreibtisch und analysirte setzte Das an vollständig. Fichte-Hegel'sehe einen ganzen Druckbogen lang den Bruckberger Philosophen und Menschen, jedoch bloß für sich, „zum yvóVíh ôeœutov für mich."31 Wie lustig muß das einer Zeit erscheinen in der auch der Charakter seinen Dfavid] Frfiedrich] Strauß erwartet, und die jede Stunde in welcher man sich mit ethischen Substanzen beschäftigt als für das Geschäft verloren erachtet. Die da so gründlich ihren Gegensatz behaupteten wurden doch wieder ein Herz und eine Seele, gerade weil die Differenz im Feuer des Streites verglühte. Unter dem 13. Mai 1844 konnte der Bruckberger dem Heidelberger Philosophen schreiben: „Ich gratulire Dir vor allem zu Deiner förmlichen Entlassung aus dem Career der Universität Heidelberg," in welchen Du mich selbst einsperren wolltest, hätte er hinzufügen können, fügte er aber nicht hinzu.32 Die Gründe Kapps auf seiner Entlassung zu bestehen, hat der Sohn in einem „Anhang" scharf und klar auseinandergesetzt Sfie sich kurz dahin: 1) die unglaublich zu
„zweckwidrig."30
sujmiren33
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Christian Kapp an Ludwig Feuerbach, Ende Oktober/2714. November 1839. In: Feuerbach GW, Bd. 17, S. 377. (BwK, S. 78-79.) Ludwig Feuerbach an Christian Kapp, 5. April 1842. In: Feuerbach GW, Bd. 18, S. 174. (BwK, S. 179.) Ebenda, S. 175. (Siehe BwK, S. 180.) Diese Analyse Christian Kapps über Feuerbach wird von August Kapp unter dem Titel: „Zur Rechenschaft, zum yvßfh ôeaurov [Gnothi seauton] für mich!" wiedergegeben. (Siehe BwK, S. 180-196.) Ludwig Feuerbach an Christian Kapp, 18. Mai 1844. In: Feuerbach GW, Bd. 18, S. 353. (BwK, S. 243.) Die Datierung des Briefes wird in Feuerbach GW mit 18. Mai 1844 angegeben, in BwK mit 13. Mai 1844. Textverlust in der Druckvorlage; die fehlenden Buchstaben wurden in eckigen Klammern zum vollen Wortlaut ergänzt. -
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Ein Nachtrag zu Ludwig Feuerbachs Briefwechsel
schnöde Zurückweisung des [Habili]tationsgesuchs unseres Freundes Moriz Carrière, bei welcher die gelehrte Symbolik handgemein wurde; 2) der Versuch der Facultät halbjährliche Examina einzuführen; 3) „das in der Heidelberger philosophischen Facultät herrschende Zunftwesen, ja der Brodneid und die Concurrenzsucht seiner Collegen."
(A[ugust] Kapp.)35
An das Ethische reihen wir das Oekonomische, das uns unterderhand wieder ins Ethische umschlägt. Am 29. März 1845 meldet Feuerbach: daß er mit Oftto] Wigand über die Gesammtausgabe einig geworden sei, das er schon im voraus 1000 fl. erhalte, und daß ihm ,jeder Bogen in weitläufigem Druck vom Wesen des Christenthums" 33 fl. eintrage. Dem fügt er hinzu: „Sämmtliche Schriften nochmals gedruckt und so viel Honorar! Wahrlich ein Glück und eine Ehre daß ich so viel verdiene. Und was ist das alte abgedroschene Zeug meiner Schriften!"36 Wir sind beim Verleger angelangt, und da auch die Geburtshelfer der Literatur in neuester Zeit ihre Memoiren bekommen haben, der alte Cotta neulich durch den Briefwechsel mit Schiller gar ein verdientes so seien hier zwei Stellen über Otto Wigand angeführt, die unter den Auspicien derselben Firma mit preiswürdiger Objectivität gedruckt wurden. Feuerbach schreibt unterm 22. Jan[uar] 1843: „Um das Maß der Schmach und Noth des Lebens voll zu machen, dazu gehört nichts weiter als ein Buchhändler. Verkehr mit Buchhändlern ist die beste Schule der Resignation, wenigstens für die welche kein mercantilisches Blut im Leibe haben. Otto Wigand vergißt was man auch noch so dringend anempfiehlt, übereilt erst aus Naturell, und zieht sich dann wieder zurück aus mercantilischer Speculation nichts zu erwähnen von den Eigenschaften die jedem Buchhändler als Buchhändler eigen sind."38 Aber am 29. März 1845: „Otto Wigand ist ein durchaus offener, eben so muthig als menschlich gesinnter Mann. Alles Mißtrauen, aller Zweifel und Rückhalt gegen ihn verschwand mir gleich nach den ersten Händedrücken, Blicken und Worten. Ich hatte ihn im vorigen Jahr in einem sehr entehrenden Verdachte, aber ich habe mich überzeugt daß der Grund dazu seinerseits nicht böser Wille, nicht Absicht, sondern ein reiner Irrthum war."39 Schließen wir wie der alte Cato. Kapp beschäftigte sich schon in den 40er Jahren ernstlich mit der russischen Politik. Feuerbach schrieb ihm darüber: „Dieses Thema ist
Monument,37
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Wie vorangehende Anmerkung. Siehe Anhang. Zur Geschichte des Zunftwesens auf deutschen Hochschulen. In: BwK, S. 269-280. Ludwig Feuerbach an Christian Kapp, 29. März 1845. In: Feuerbach GW, Bd. 19, S. 15. Grün
zitiert nach August Kapp; zu Veränderungen dieses Zitats vgl. Feuerbach GW, Bd. 19, S. 440. Bezieht sich auf den „Briefwechsel zwischen Schiller und Cotta", der 1876 in Stuttgart beim Verlag Cotta herausgegeben wurde. Ludwig Feuerbach an Emilie Kapp, 22. Januar 1843. In: Feuerbach GW, Bd. 18, 251-252. (BwK, S. 226.) Ludwig Feuerbach an Christian Kapp, 29. März 1845. In: Feuerbach GW, Bd. 19, S. 16. (BwK, S. 254.) -
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das Gegenstück zum germanischen Jesuitismus. Der Kaiser von Rußland scheint mir nichts anderes zu sein als ein %ax' éÇoxfîv politischer Jesuitengeneral. Hat der Kaiser von Rußland ein anderes Princip, oder ein anderes Regiment als der Jesuitengeneral und Orden? Der Unterschied ist nurf,] daß was hier an zwei Personen vertheilt ist, dort in einer zusammenfällt."41 Dieser Unterschied ist aufgehoben, die russische Einheit ist wieder in zwei, eigentlich in drei Hypostasen auseinander gefallen. Wir stehen bei der orthodoxen Trinität.
40 41
Nikolaus 1.(1796-1855). Ludwig Feuerbach an Christian
S.251.)
Kapp,
11. März 1845. In: Feuerbach GW, Bd. 19, S. 13.
(BwK,
Kant und Feuerbach.
Kfarl] Gfrün]. Es ist hohe Zeit, daß wir auf den „Commentar zu Kants Kritik der Reinen Vernunft" von Hfans] Vaihinger zurückkommen, dessen Fortsetzung uns seit längerer Zeit vorliegt.*1 Die Wichtigkeit des Gegenstandes ebensowohl wie der riesige Fleiß und die seltene Ausdauer des Verfassers drängen zu einer Besprechung, selbst wenn sie in
diesen Blättern nicht mit der Gründlichkeit und Ausführlichkeit unternommen werden kann, welche philosophische Fachorgane ihr schulden. Um von den erwähnten Eigenschaften des Verfassers, der merkwürdigerweise, gleich H[er]rn Dr. Jodl in München, noch immer Privatdocent ist, vorab einen Begriff zu geben, wird die Notiz genügen, daß die zweite Hälfte des ersten Bandes mitten in dem Abschnitt „Thatsächlicher Besitz apriorischer Erkenntniß" (bei Hartenstein S. 35, bei Kirchmann S. 48) anhebt und sich bis zum Ende der „Einleitung" Kants (Hartenstein 52, Kirchmann 68) erstreckt, so daß auf diese 52 resp. 68 Seiten Text im Ganzen 500 Seiten Commentar kommen!2 Es sei uns hier eine lediglich die Form des gelehrten Commentars betreffende Bemerkung gestattet. Der Verfasser hat sich in seiner Gewissenhaftigkeit gedrungen gefühlt, alle seit 100 Jahren erschienenen Commentare über das kritische Grundbuch deutscher Speculation nicht nur wieder zu commentiren, sondern diese Neben- und K. G[rün]: Kant und Feuerbach. In: Allgemeine Zeitung, München Stuttgart (Beilage) Nr. 3 vom 3. Januar 1883, S. 27-28 und Nr. 4 vom 4. Januar 1883, S. 42-44. „Commentar zu Kants Kritik der Reinen Vernunft," erster Band, zweite Hälfte, von Dr. H. Vaihinger, Privatdocent an der Universität Straßburg. Stuttgart, [W.] Speemann [Im Original: Spemann], 1882. H. Vaihinger: Thatsächlicher Besitz apriorischer Erkenntniss. In: Ders.: Commentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft, 1. Bd., Stuttgart 1881, S. 197-229. -
Kant und Feuerbach
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Untercommentare auch dem Hauptcommentar direct einzuverleiben. Dadurch entsteht nothwendig ein fortwährendes Einschachteln und Einklammern, welches durch die beständigen Abkürzungen der Titel und der Begriffsbezeichnungen selbst eine gehackte und die größte Aufmerksamkeit erfordernde Darstellung und Leetüre mit sich bringt. Nicht selten wird der Leser aus dem ruhigen Fluß der Vaihinger'schen Kritik an das sandige Ufer sehr zweifelhafter Bemerkungen und Einfälle Anderer hinausgeworfen. „So kommt es," sagt der Verfasser in einem anderen Gedankenzusammenhang, „daß es nirgends so wie hier an abschließenden Resultaten von Vorarbeitern fehlt, ja daß der Leser, anstatt in diesem Punkte auf den Text und seinen gesunden Verstand angewiesen zu sein, durch die Literatur eher gehemmt und verwirrt als gefördert und aufgeklärt wird." Daß paßt auch nur allzuoft auf den Vaihinger'schen „Text" und den „gesunden Verstand" des Lesers. Wäre es denn nicht möglich, die einschlägige Literatur noch viel mehr unter den Text und bei längerer Debatte an das Ende der Hauptabschnitte zu verweisen? Das Einschachteln und Einklammern benimmt nicht nur dem Leser vielfach Luft und Licht, der Autor selbst fühlt sich dadurch beengt. Deßhalb greift er schon jetzt zu sehr werthvollen „Excursen" und verspricht obendrein nachträgliche „Supplemente," denen wir um so lieber entgegensehen, als sie uns die gewünschte Gelegenheit geben werden, allgemein Historisches, Gesichtspunkte philosophischer Entwicklung, wie sie für unseren Leserkreis passen, zur Erörterung zu bringen. Derartige „Supplemente" stellt uns der Verfasser in Aussicht unter den Titeln: „Geschichte der Streitigkeiten über die Apriorität der Mathematik seit Kant;" „Geschichte der Controversen über den Ursprung des Causalitätsgesetzes;" „Das Verhältnis Kants zu Hume." Das letztgenannte Thema ist besonders geeignet, lebhaftes Interesse zu erregen, da bei dieser Gelegenheit klar werden muß, wann und wie oft der große englische Skeptiker auf unseren Kant eingewirkt, was es heißen sollte, wenn Kant sagt: Hume sei dazu angethan „die Philosophie aus ihrem dogmatischen Schlummer zu erwecken," oder daß die Vernunft durch Hume „vor dem Schlummer einer eingebildeten Ueberzeugung verwahrt werde." Gerade für solche übersichtliche Dar- und Klarlegungen muß man dem Verfasser eine besondere Begabung zuerkennen, wenn man auch nicht immer mit ihm übereinstimmen kann. Der wesentliche Inhalt des zweiten Halbbandes ist nun folgender: Zunächst wird der Abschnitt „Thatsächlicher Besitz apriorischer Erkenntniß" nebst einer „Uebersicht der apriorischen Besitzthümer"3 zu Ende geführt; es folgt die „Nothwendigkeit einer Theohierauf kommen mächtige Capitel über die Urtheilsformen. Klar und rie des a in scharf wird der „Unterschied analytischer und synthetischer Urtheile" einem „Excurs: Entwicklung der Unterscheidung von analytischen und synthetischen
priori;"4
3 4
5
Ebenda, S. 224. Ebenda, S. 229-253. Ebenda, S. 253-292.
besprochen;5
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Kant und Feuerbach
Urheilen bei Kant",6 kommt „die große That" des Philosophen, seine „ganze Genialität und die enorme Bedeutung der Formel" zur Geltung: „Wie sind synthetische Urtheile a priori möglich?" Es handelt sich um den Kant'schen „Idealbegriff der Wirklichkeit," wie Windelband sagt. Das große Erkenntnißproblem, welches dem Empirismus wie dem Dogmatismus zu entreißen war, bestand nämlich darin: Wenn zu einem Subjectbegriff ein Prädicat hinzukommt, welches nicht durch Analyse aus jenem zu ziehen ist, wie entsteht der absolut nothwendige Zusammenhang zwischen Vorstellungen ohne identischen Inhalt? Mit anderen Worten: Wie wird Erfahrung möglich und gültig? Daß im synthetischen Urtheil a priori ein aposteriorisches Element mitwirkt, oder umgekehrt, daß im synthetischen Urtheil a posteriori ein apriorisches Erkenntnißelement mit thätig ist, hat Kant selbst nie geläugnet. Im folgenden Abschnitte „Thatsächlicher Besitz der synthetischen Urtheile a priori"7 bringt Vaihinger eine bemerkenswerthe Correctur des Textes an. In der Mathematik, Arithmetik wie Geometrie, sind solche Urtheile bestimmt anzunehmen, obgleich sie ohne „reine Anschauung" nicht zu Stande kommen; wenn aber Kant dann die „Naturwissenschaften" anreiht, so wirft Vaihinger ein: die Stelle passe nicht dahin, weil Kant von „reiner Naturwissenschaft" oder von „immanenter Metaphysik" reden sollte, während er die „relativ reine Naturwissenschaft" hineinwerfe.8 An die „immanente Metaphysik" würde sich alsdann die Metaphysik im engeren Sinne oder die „transcendente Metaphysik" passend anschließen, die übrigens bei Kant selbst immer fraglich bleibt, wenn er sie nicht ganz und gar verwirft. Nach einer Besprechung der „Metaphysik als folgt dann die „methodologische Analyse der Kritik der Reinen Vernunft", also des gewaltigen Buches selbst.10 Dieses wird ausführlich erörtert nach seinem Inhalt, seiner Methode und seinen Prämissen, woran sich das „Problem der Erfahrung" schließt.11 Hier verbindet Kant die Erfahrung als „explicatives, demonstratives, methodisch-constructives Princip", die Erfahrung, „die im prägnanten Sinn vorhandene, aber nicht durch bloße Wahrnehmungscombination entstandene", mit Jenem Problem der synthetisch-apriorischen Erkenntniß" und verwendet sie zu dessen Lösung. „In dieser Verwendung", sagt Vaihinger, „besteht das Geniale und Originale der Kant'schen Conception."12 Da ist aber Hume mitsammt dem sich selbst nicht begreifenden Empirismus und zugleich der bloß analytische Scholasticismus aus dem Sattel gehoben. Darauf fußt, bewußt oder unbewußt, alle moderne wissenschaftliche Anschauung, zu der sich die denkenden Naturforscher längst bekannt haben.
Naturanlage"9
6
7 8 9 10
11 12
Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda, Ebenda,
Ebenda,
S. S. S. S. S. S. S.
269-276. 292-314. 305. 305-306. 388^150. 433^150. 434.
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Wird des nicht Manchem höchst überraschend sein, wenn er erfährt, daß Goethe durchaus mit der Wahrheit übereinstimmt, die sich hinter jener gelehrten, meinetwegen zopfigen, barocken, barbarischen Terminologie Kants verbirgt; daß auch Goethe als nothwendige Ergänzung der Wahrnehmung, der Erfahrung im gewöhnlichen, laxen, weiteren Sinne, gewisse Formen menschlicher Anschauung und Erkenntniß annahm? Denn was heißt es anders, wenn Goethe in den „Aphorismen" sagt: „Wenn Künstler von Natur sprechen subintelligiren sie immer die Idee, ohne sich's deutlich bewußt zu sein. Ebenso geht's Allen, die ausschließlich die Erfahrung anpreisen: sie bedenken nicht, daß die Erfahrung nur die Hälfte der Erfahrung ist."13 Ist man bei solchen Licht- und Höhepunkten der Kant'schen Kritik angelangt, so vergißt man willig die Dunkelheiten und Schwierigkeiten, die dabei zu überwinden waren und die der Commentator, nach unserer bescheidenen Ansicht, eher vergrößert als vermindert. Es geht übrigens Jedem so, der einmal, mit dem kritischen Harnisch um die Glieder, sich in die Arena begibt. Da muß gekämpft werden, da muß man so lange scharf zusehen, bis die Lücke im Küraß des Andern entdeckt wird. „Unglaublich complicirter Inhalt, merkwürdig verschlungener Gang dieses Werkes." Anderswo wird geklagt über „Widersprüche", „Verwirrung", „Schwanken der Terminologie". Das hat Jeder erfahren, der sich dem Studium eines Werkes hingab, welches die beeinträchtigende Wirkung des novum premarur in annum an sich trägt. Man soll's nur nicht ärger machen als es ist, und nicht in der Hitze des Begriffsgefechts ausrufen: „Wenn der Gewinn an Einsicht mit dem Verlust des traditionellen Mythus von Kants „musterhafter Genauigkeit", „Schärfe", „Klarheit" u. s. w. bezahlt wird, so ist das Plus doch immer noch auf unserer Seite." Derartiges will sich nicht recht zusammenreimen mit einer Jubiläumsschrift. Kant darf doch in einer solchen nicht als ein Lebender, gedruckt in diesem Jahr, behandelt werden, dem man polemisch zu Leibe geht. Es handelt sich ja um die „Erklärung" eines anerkannt schwierigen, hin und wieder unklaren Textes. Gegen H[er]rn Spicker paßt eine solche Schneidigkeit der Klinge weit besser, und die Anmaßlichkeiten dieses Pseudokritikers, der den Begründer der Transcendentalphilosophie so von oben herab zurechtdecretiferte]14 |28| möchte, erfahren denn auch von Wenn ein Mensch die Courage hat, von Kant zu Vaihinger die verdiente behaupten, er habe die synthetischen Urtheile a priori, d. h. die allernothwendigste Erkenntnisform in Bezug auf Erfahrung, verworfen, während er doch bloß die erfahrungslosen, folglich erschlichenen Urtheile, die „Hirngespinnste" der transcendenten Metaphysik, zu den Todten warf: dann darf man allerdings von „unglaublichen",
Züchtigung.15
13 14 15
Vaihinger zitiert Goethe, siehe ebenda, S. 438, Anm. 2. Textverlust im Erstdruck wurde in eckigen Klammern ergänzt. Grün bezieht sich auf den Philosophen Gideon Spicker (1840-1912), der 1868 zum Dr. phil. promoviert wurde, 1875 eine außerordentliche Professur erhielt und ein Jahr darauf einem Ruf als ordentlicher Professor der Philosophie an die Akademie Münster folgte. Spicker veröffentlichte 1875 „Kant, Hume und Berkeley. Eine Kritik der Erkenntnistheorie".
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„horriblen Mißverständnissen" reden und weiterhin eine „gewissenlose Interpretation" stigmatisiren. Einem solchen Kritikaster gegenüber paßt die Bezeichnung: „leichtsinniger Einwurf', und die einzig richtige Erwähnung: „verdient eigentlich keine Erwähnung".
Fahren wir fort in der Skizzirung der zweiten Bandhälfte unseres Commentars. Wir kommen zu „Idee und Eintheilung der Kritik der Reinen Vernunft".16 Vorzügliches Interesse bietet hier die gründliche Behandlung des Ausdrucks „transcendental", nach welchem auch der ganze Kriticismus von Kant selbst „Transcendentalphilosophie" genannt wurde. Man stolpert förmlich aus dem Gleichgewicht heraus, wenn man das „Mißverständniß" betrachtet, in welches hier der scharfstehende Schopenhauer und nach ihm auch Kfuno] Fischer sich verfangen haben, indem sie erklären: „Transcendental" heiße diese Philosophie, „weil sie über die bisherigen falschen Systeme hinausUnd das wäre, nach Vaihinger, noch „ein gelindes Mißverständniß gegen andere etymologische Monstra"!18 Kant selbst hat doch gesagt, transcendental sei gleich „Theorie des Apriori", und Vaihinger erklärt ganz richtig: transcendental „Möglichkeit der Theorie des Wie das nur Schopenhauer nicht gesehen hat, der doch im Kant'schen Sinne noch weit transcendentaler war als Kant selbst, wenigstens gerügtermaßen in der zweiten Ausgabe der „Kritik." Nach Schopenhauer wie nach Fichte ist ja alle Erkenntniß a priori, die ganze Welt eine Schöpfung des Ich, während Kant doch stets nur transcendentale Elemente in der Anschauung wie im Verstände annimmt, was er später auf Moral und Aesthetik ausdehnte und den „Gemeinsinn" für das Schöne, den Imperativ für das Gute postulirte. Eingehend und aufklärend beschäftigt sich Vaihinger sodann mit der scheinbar so schroffen Scheidung der Sinnlichkeit vom Verstände bei Kant. Dieser selbst hat aber durch das gemeinsame apriorische Element jene schroffe Scheidung schon angerüttelt und spricht ausdrücklich, wie Vaihinger hervorhebt, von einer „gemeinsamen Wurzel"20 beider, stellt dann ferner die „Einbildungskraft", die „reproductive Einbildungskraft", dazwischen, welche allerdings nicht sowohl „Wurzel" als „Band" zu nennen wäre. Es „bildet" sich den „Sinnen" etwas „ein", diese „Einbildung" wird in der Vorstellung „reproducirt", diese „Vorstellung" wird zum „Verstehen". Wie die Formen der Anschauung, Zeit und Raum, a priori waren, so sind es später die Formen des Urtheils und des Begriffes, des Verständnisses. Kant nennt ja auch selbst die „Einbildung" sowohl „passiv als spontan". Und wenn Kant ferner sagt: „Am Ende sei es doch nur eine und dieselbe Vernunft, die bloß in der Anwendung verschieden sei", so ist es klar, daß er
gehe"!17
=
Apriori".19
-
-
16
17 18 19 20
H. Vaihinger: Commentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft, 1. Bd., Siehe ebenda, S. 468. Ebenda. Ebenda. Ebenda, S. 485.
a. a.
O.
(Anm. 2), S. 450-496.
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mag den Ausdruck und Begriff acceptiren oder nicht auf den „Monismus des Bewußtseins" hinausging. Vaihinger behauptet, die „Einleitung" passe eigentlich nicht zu dem folgenden Kriti-
man
-
gibt zu verstehen, sie sei möglicherweise vor der speciellen Einleitung zur „Analytik" abgefaßt worden. Sie müsse folglich „ergänzt und ersetzt werden." Es sei nöthig, „ein durchschnittliches systematisches Normalbild" aus dem Ganzen „heraus zu präpariren." Das mag immerhin am Schlüsse des Commentars geschehen. Nur so viel sehen wir schon jetzt: mit der Auffassung der Kant'schen Erkenntnißtheorie von Seiten werden wir uns in der Hauptsache vertragen. Ganz besonders leuchtet uns dieß ein bei seiner Behandlung der „apriorischen Verstandesbegriffe" und der „Grundsätze". Diese Ausdrücke sind terminologisch auf ihren wahren Gehalt zu bringen. Vaihinger thut cismus und
das, indem er sagt: die „Grundsätze" machen die rationalen Wissenschaften aus, d. h. machen sie möglich; die „Begriffe" stellen die Erfahrungswelt selbst her, sind aber nur gültig in Bezug auf Objecte der Erfahrung; die „Grundsätze" gelten unbedingt, z. B. der Raum. Daraus geht hervor, daß die Grundsätze nichts sind als Axiomata, wie die der Mathematik, die unserer Anschauung ein für alle mal inhäriren. Es sind nach Vaihinger die „Gesetze des Verstandes", mit Kants Worten die „Regel des Verstandes, die ich
priori voraussetzen muß." Die „Begriffe" sind nichts als „nothwendige Conception, und diese „nothwendigen Formen" sind ja durch Schoauf die eine Kategorie der „Causalität" reducirt worden. Man sollte und Leclair penhauer überhaupt mit Vaihinger beim Apriori immer nur von „Erkenntnißelementen", nicht von „Begriffen" oder gar „Wahrheiten" reden. Erst in der philosophischen Behandlung werden aus jenen „Elementen" „Begriffe", „Erkenntnisse" u[nd] dergleichen]. Etwas anders würde ich unser Verhältniß zu dem geehrten Commentator vielleicht wir sagen vielleicht gestalten, wenn wir auf die „Kritik der praktischen Vernunft" ausführlich zu sprechen kämen. Hier möchten die „apriorischen Grundsätze" und immer
nur a
Formen"
unserer
-
-
namentlich die berühmten drei „Ideen" unsere Harmonie am Ende stören. Wir schließen das aus etlichen Andeutungen des Commentars, wie daß Kant die Endabsicht der Metaphysik als auf das Transcendente gehend „billige"; wenn die Metaphysik nicht auf Moral ausliefe, so wäre sie nach Kant zwecklos; ganz besonders aus der Anführung der weltbekannten Briefstelle: „Ich mußte das Wissen aufheben, um dem Glauben Platz zu machen." Glücklicherweise verabreicht Vaihinger jedoch gleich das Gegengift: „das majestätische sittliche Gebäude," der Nebentempel zur Erkenntniß, wird nach Kants Worten „von Maulwurfsgängen einer vergeblich nach Schätzen grabenden Vernunft unsicher gemacht." „Spinnen und Waldgeister dürfen sich nicht darin einnistein und es für die Vernunft unbewohnbar machen." „Der Verstand merkt es nicht einmal, daß es sich mit seinen sonst richtigen Begriffen über die Gränzen ihres Gebrauchs verstiegen habe." In dem „leeren Räume" jenseits der „Gränze" gibt es doch après tout nur „Erwartung und Hoffnung", also absolut nichts Sicheres und Gewisses, nur „subjective Orientirung". Das heißt „dem Glauben Platz machen". Und da fallen Invectiven wie „Erdichtung, Hirngespinnste, Schwärmen" hageldicht auf den armen Glauben nieder. In
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jene Hülfspostulate der Debatte, angesichts der rationalistischen Zeitfür den Unbarmherzigen persönlich etwas mehr gewesen wären, wenn Kant strömung, selbst subjective geheime Verlangen gehabt hätte: er wäre das Muster der Unbarmherzigkeit gegen sich selbst, der leibhaftige Vernunft-Imperativ gegen die eingebildeten Stützen des praktischen Imperativs! -142| Durch reinen Zufall, der sich jedoch unter der Hand gleichsam zur Zweckmäßigkeit gestaltet, gesellt sich zu Vaihingers Kant-Commentar eine andere kleinere philosophische Schrift von Albrecht Rau, deren Besprechung wir mit Vergnügen hier anschließen. Sie hat zum Gegenstande Ludwig Feuerbach und glaubt sich vielfach im absoluten Gegensatz zu Gegenstand und Inhalt unserer obigen Erörterungen zu bewegen. Wir sagen, sie glaubt, indem sie die erkenntnißtheoretischen Untersuchungen perhorrescirt und sogar Kant auf die leichte Achsel nimmt. Es sollte uns ein wahres Vergnügen bereiten, wenn wir den tüchtigen und muthigen Verfasser in diesem einen Punkte zu einer besseren Ueberzeugung und zu tieferem Studium veranlassen könnten. H[er]r Albrecht Rau ist den Lesern der „Allgemeinen] Z[ei]t[un]g" nicht unbekannt; zu zweien Malen haben wir ihnen denselben rühmend vorgeführt bei Gelegenheit seiner sehr interessanten und gründlich durchdachten Schriften: „Die Grundlage der modernen Chemie" (Braunschweig, Vieweg, 1877) und „Die Entwickelung der modernen Chemie" (Viehweg, 1879). Jetzt betritt der Verfasser das philosophische Gebiet und zwar mit großer Vehemenz. Die unten citirte Schrift ist in erster Instanz eine Polemik gegen die soll man sagen- „Kritik" Lfudwig] Feuerbachs, sie sie von Ffriedrich] Aflbert] Lange und H[er]rn Otto Liebmann21 geübt oder beliebt worden. Beiden Kritikern, denen übrigens Refferent] sfeiner] Zfeit] unverhohlen seine Meinung gesagt hat, haben mit vielen Andern und unter manchem Andern auch das miteinander gemein, daß sie wenig oder nichts von Feuerbach kannten, als sie sich aufs hohe Roß setzten und die Lanze wider ihn einlegten. Feuerbach hat das herbe Schicksal der politischen aufstrebenden Bewegung von 1848 getheilt: mächtig getragen vom schwellenden Strome der 40er Jahre, in einem gewissen Sinne sogar populär, ging sein Name wie sein Wirken in der Ebbe der Reaction immer weiter zurück im |43| Meere der Vergessenheit, obgleich seine schönste Leistung, die herrliche „Théogonie", erst während des Rücklaufs zu Tage trat und ein so ganz anders gearteter Geist, der es wahrlich an Tiefsinn nicht mit ihm aufnehmen konnte, nämlich Dfavid] Frfiedrich] Strauß, die Bedeutung des „Wunsches" als des eigentlichen Göttervaters, sehr wohl erkannte.
der That,
wenn
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*2
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Feuerbachs Philosophie, die Naturforschung und die philosophische Kritik der Gegenwart" von Albrecht Rau. Leipzig, Jfohann] A[mbrosius] Barth, 1882. Siehe die Abschnitte in der unter Anm. *2 erwähnten Schrift von A. Rau: „Die Beurteilung oder Philosophie L. Feuerbach's durch Albert Lange" (S. 79-137), „Die Philosophie des Apriori nach L. Feuerbach und Otto Liebmann" (S. 138-174) und „Kritik der apriorischen Philosophie des Herrn Otto Liebmann (S. 175-249).
„Ludwig
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Kant und Feuerbach
Nicht nur libelli, auch philosophi habent sua fata. Das aber ist nicht im Geringsten eine Entschuldigung für diejenigen, welche selbst auf den Titel eines Philosophen Anspruch erheben oder gar geschichtlich die Entwicklung der Philosophie zu lehren beflissen sind, gleichfalls nichts zu wissen von einem Denker, der in dieser Entwicklung eine hervorragende und doch immer nicht genügend fixirte Bedeutung hat, ganz abgesehen von dem Umstände, daß Feuerbach die höchsten und tiefsten Gedanken in wunderbar schöner Form vorträgt, daß sein Styl die gedankliche Dialektik selbst darstellt, und das Resultat, so zu sagen, rhetorisch herausgebärt. In der Kunst der Darstellung steht Feuerbach noch über dem dafür so sehr gepriesenen Schopenhauer. Ffriedrich] A[lbert] Lange, der Verfasser der beliebten „Geschichte des Materialismus"22 war doch selber in die politisch-sociale Bewegung der vierziger Jahre als junger Mann eingetaucht, so daß es höchlich Wunder nehmen muß, wie so spurlos der ideale Empirismus Feuerbachs an ihm vorübergehen konnte. Nichtsdestoweniger muß er so gut wie nichts von ihm gelesen haben, und noch ein Jahrzehnt später scheint die „Théogonie" gar nicht für ihn vorhanden gewesen zu sein. Das wir ihm nun posthum von Rau bitter eingetränkt. Auch ist die Bezeichnung Lange's als eines Modephilosophen nicht so ganz unrichtig; denn Lange hat in der zweiten Auflage seines „Materialismus", absichtlich oder unabsichtlich, der fatalen Halbheit des sogenannten gebildeten Publicums, seinem kritischen und zugleich seinem versöhnerischen Bedürfniß in auffallender Weise Rechung getragen: er bemüht sich im Verlaufe seines Werkes immer sichtlicher, die beiden Enden des Kriticismus und Positivismus, der Physiologie und der rationalen Psychologie, der von ihm energisch vertretenen Socialistik und der ökonomischen Vertröstung, zusammenzubringen, ohne natürlich damit zu Rande zu kommen. Durchaus oberflächlich und ganz unphilosophisch ist sodann bei Lange die Charakterisirung Feuerbachs als des „wahren Vaters des Materialismus."23 Wenn es überhaupt schwer sein dürfte, einen „Materialisten" ausfindig zu machen, da schon mit dem Denken der Materie der Materialismus zu Ende ist, so fällt bei Feuerbach, dem tiefernsten Anthropologen, das schiefe Epitheton „Materialist" von selbst in den Kehricht seichter Rubricirung. Nicht nur war der einsame Philosoph persönlich, wie Rau hervorhebt, ein Muster von Mäßigkeit und Genügsamkeit, eine wahrhaft ethische Natur, sondern er hat auch niemals den Menschen, sein Maß aller Dinge, in Staub aufgelöst, ihm vielmehr alle göttlichen Eigenschaften vindicirt und alle die Rubriken, in welche man den freien Gedanken einfangen möchte, wie „Materialismus", „Sensualismus" etc. für „Spitznamen" erklärt.
F. A.
Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart, Iserlohn
1866; 2. verb, und vermehrte Aufl., Iserlohn 1873. F. A. Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart, 2., verb, und vermehrte Aufl., 2. Buch: Geschichte des Materialismus seit Kant, S. 73. Siehe auch A. Rau: Ludwig Feuerbachs Philosophie a. a. O. (Anm. *2), S. 80 und S. 83. -
...,
Kant und Feuerbach
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Noch unverzeihlicher ist die saloppe Erwähnung Feuerbachs in Oftto] Liebmanns Solche platte Cruditäten er„Analysis der Wirklichkeit": scheinen jedoch keineswegs als philosophische Resultate des Analytikers, sie sind vielmehr im Wesen des Schriftstellers selbst begründet. H[er]r Prof. Liebmann hat so die unlöbliche Gewohnheit, „g'rade hin zu handeln." Vornehmthuerisch, wie er ist, glaubt er sich z. B. seine Referenten ohne weiteres wählen und sie nach Belieben, wie ein Hemd, wechseln zu können; und so kostet es ihm auch nicht die geringste Ueberwindung, den Feuerbach kurz abzuthun: Feuerbach, bah, Kartoffelphilosoph! Er denkt wohl, Trüffeln sind vornehmer; weiß aber nicht, daß Kartoffeln botanisch viel höher stehen, da sie Dikotylen sind, während die Trüffeln nicht einmal zu den Monokotylen gehören, sondern unter den Akotylen figuriren und speciell unter den Pilzen. H[er]r Prof. Liebmann hat es also reichlich verdient, wenn Rau etwas nachrichterlich mit ihm verfahrt, obgleich er ihm mit dem Höcker des Eigendünkels zugleich richtig functionirende Associationsbahnen im Gehirncortex herunterschlägt. In zweiter Instanz beschäftig sich Rau in seinem Buche mit der Errichtung eines Denkmals für den leider zu früh hingegangenen Rechtsphilosophen Ludwig Knapp, der im Jahre 1857 auf Feuerbach'scher Basis mit Herbeiziehung der Anatomie und Physiologie ein „System der Rechtslehre" (Erlangen, Encke) herausgab und leider schon im Jahre darauf starb.25 Er zählte (1821-1858) erst 37 Jahre.26 Knapp gehörte dem an hervorragenden Geistern und namhaften Talenten so reichen Großherzogthum Hessen an, dem Vaterlande der Liebig, George Büchner, Ludwig, Alexander und Luise Büchner, Karl Vogt, Moriz Carrière, Ludwig Noack, Weyprecht etc. die Liste ist damit nicht erschöpft, die hessische Pfalz gar nicht berücksichtigt. Knapp war ein scharfer, mit reichen Kenntnissen ausgerüsteter Denker, und seine Rechtsphilosophie, die Moral eingeschlossen, verdient die Vergessenheit, der sie anheimgefallen, durchaus nicht. Ob seine anatomisch-physiologischen Deductionen vor dem Forum strenger Wissenschaft sämmtlich gültig erfunden werden, ist eine andere Frage. Das Bedenklichste bleibt wohl, daß er die „glatten, blassen, weichen, structurlosen Muskelfasern" des vegetativen Systems als die Träger der Moral, die „rothen, quergestreiften Muskeln" des animalen Systems als die reale Bedingung des Rechts bezeichnet.27 Danach hätte die Moral ein sehr unzuverlässiges Substrat, das Recht wäre viel solider fundirt. Dem widerspricht auch schnurstracks ein anderer, wahrhaft ethischer Gedanke Knapps: „Jedes
„Kartoffelphilosophie".24
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24
Ludwig Feuerbachs Philosophie a. a. 0. (Anm. *2), S. 138. Siehe O. Liebmann: Zur Analysis der Wirklichkeit. Eine Erörterung der Grundprobleme der Philosophie, 2., beträchtlich
A. Rau:
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Aufl., Straßburg 1880, S. 216. a. a. 0. (Anm. *2) die Abschnitte „Ludwig Vgl. bei A. Rau: Ludwig Feuerbachs Philosophie Ferdinand der Enke"), ebenda S. 22-67 und „Aus Rechtsphilosophie' (Erlangen. Knapp, 'System Ludwig Knapp's Leben", ebenda S. 68-78. Zu Ludwig Knapp siehe auch den Artikel von W. Bolin, in: Brockhaus Conversations-Lexikon: allgemeine deutsche Real-Encyklopädie, 12. Aufl., Leipzig 1878. a. a. O. (Anm. *2), S. 38. A. Rau: Ludwig Feuerbachs Philosophie verm.
25
...,
26
27
...,
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Recht hat im Gewissen des Individuums seine höchste Sanction, und sofern es diese nicht hat, ist es ein gewissenloses Recht. In der That gewinnt das Recht immer entschlossener die Tendenz, sich aus der Gewissenlosigkeit in Gewissenhaftigkeit hinaufzuarbeiten. So wird also die Moral der Individuen zur Quelle, an welcher sich unsere Rechtssatzungen reinigen und verjüngen."28 Und somit währen umgekehrt die „rothen, quergestreiften Muskeln" die Repräsentanten der activen Moral, und die „blassen, structurlosen Fasern" des oft sehr unbewußten Rechts hätten an jenen erst Stütze und Halt. Bei Lfudwig] Knapp kann man nun deutlich sehen, daß selbst ein guter Feuerbachianer den Denkprozeß nicht so ganz einfach „materialistisch" oder „sensualistisch" auffaßt. Knapp erblickt das „reine Denken" es gibt also ein „reines", nicht durch das Object getrübte Denken in der „strengen, zusatzlosen Auflösung der Vorstellungen," in ihrer „Verallgemeinerung" d. i. im „Auffinden des Gleichen im Mannichfaltigen." ,AHer Denkprozeß ist Vereinfachung." Das ist die „absolute Methode des Denkens." Allerdings gibt sich die wissenschaftliche Methode den sinnlichen Eindrücken hin sonst wäre kein Object der Erfahrung vorhanden; aber sie gestaltet doch so „das durch die Reinheit zur Einheit strebende Denken, die Wissenschaft." Nun ja, diese „Reinheit des Denkens," die Möglichkeit seiner „Einheit" war der Gegenstand Kants in seinem größten Werke. Wenn man sich nur keine so irrige Vorstellung vom Apriori machte! Hundertmal, eigentlich immer, liegt bei Feuerbach implicite das Apriori zu Grunde. Eben das „reine Denken," welches von allen Geschöpfen nur der Mensch zu denken vermag, ist ein apriorisches Axiom bei jeder anthropologischen Betrachtung. Feuerbach sagt: „auf einen viehischen Leib paßt nur ein viehischer Der menschliche Kopf setzt also einen menschlichen Leib voraus. „Wahr ist ihm (Feuerbach), was für den Menschen wahr ist, d. h. was mit menschlichen Sinnen erfaßt wird. Deßhalb erklärt er, daß die Empfindungen nicht nur anthropologische, sondern metaphysische Bedeutung haben, d. h., daß sie nicht nur als Naturvorgänge im Menschen, sondern als Beweise für die Wahrheit und Wirklichkeit der Dinge zu betrachten sind" (Rau). Die menschliche Empfindung, die menschliche Vorstellung sind von ganz specifischer Qualität; damit sind wir subjektiv behaftet, davon müssen wir objectiv ausgehen das eben ist a priori. Selbst der Instinct der niederen Thiere ist durch Gewohnheit festgewordener, geronnener, apriorischer Verstand, er sich bei den höheren und höchsten Gattungen zu dunkelm causalen Bewußtsein erhöht. Wie aber der Causalsatz, wie das Causalgesetz zu Stande gekommen ist, können wir trotz aller Descendenzlehre nicht nachweisen, da uns absolut die organischen und psychischen Mittelglieder zwischen dem höchsten Thier und dem Menschen fehlen. Da gibt es nur Behauptungen und Versicherungen, die eben nicht mehr sind als sie sein können. Doch finden sich gerade bei Feuerbach aufklärende -
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Kopf."29
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a. a. 0. (Anm. *2), S. 4L A. Rau: Ludwig Feuerbachs Philosophie L. Feuerbach: Wider den Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist. In: Feuerbach GW, Bd. 10, S. 143. ...,
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Kant und Feuerbach
Lichtblitze über das Verhältniß von Sprache und Vernunft, die mit der neuesten Sprachphilosophie vortrefflich harmoniren. Die Sprache aber ist das charakteristische Uebergangsstadium vom Thier- zum Menschenreiche. Feuerbach sagt einmal bei Gelegenheit von Claubergs Defensio Cartesiana (1652), in welcher die Gewißheit der apriorischen Grundsätze auf die „eingeborenen Ideen oder Begriffe" zurückgeführt wird: allerdings verdankten die Axiome ihre Gewißheit „nicht der Induktion, sondern dem Verstände; denn der Verstand hat überhaupt gar keinen Zweck und Beruf, als die Data der Sinne zu dieser Verstand geht also ohne Weiteres auf nicht in der der lästigen Mühe der uns „um „Sinnlichkeit" gar die sinnliche und Wiederholung zu überheben, Erfahrung Anschauung zu anticipiren, das sind „synthetische Urtheile a priori" „aber, fährt zu ersetzen, zu Feuerbach fort, thut dieß dann der Verstand auf seine eigene Faust, ohne daß ein Grund dazu im Sinne vorhanden ist? Ist denn der einzelne Fall ein einzelner in abstracto? Ist er nicht ein qualitativ bestimmter Fall etc."32 Allerdings, aber die Qualiflcirung des Falles ist eben Sache der „reinen Anschauung," der „reinen Sinnlichkeit," die ihre AprioriFormen hat, wie das die Mathematik so exemplarisch zeigt. Feuerbach hätte mit beiden Händen den Satz Schopenhauers unterschrieben: Es seien schiefe Köpfe, welche die transcendentale Aesthetik (Kants) verwerfen." Und Rau selbst formulirt den Gedanken Feuerbachs dahin: der Verstand sei „das Primäre, ein ursprüngliches, wenigstens vorläufig nicht wieder zurückführbares Vermögen" also das vollständigste, gar nicht zu eliminirende Apriori! Nein, ohne die oben näher bestimmten „Erkenntnißelemente" kommen wir nicht vom Flecke, weder zur Anschauung, noch zum Begriff, weder zur Wissenschaft, noch zur Philosophie. Von einem „apriorischen Geist," der die Welt aus der Pistole schießt, ist dabei gar keine Rede das ist Leibnizisch. Und man hat in keinerlei Weise Ursache und Recht dazu, dem großen Begründer der Transcendentalphilosophie den „Universitätsprofessor" nach Schopenhauers Complimentirbuch aufzumutzen oder ihn gar nach einer „Kirche" schielen zu lassen. Man läuft sonst Gefahr, sich einen neuen, berechtigtem Liebmann zu erwecken Unser Verfasser ist voller Aerger gegen diejenigen, welche er die Neu-Kantianer nennt, und in gewisser Beziehung und Einschränkung hat er Recht. Doch gilt es hier streng zu unterscheiden. Die Neubelebung des Kriticismus ging von zwei entgegengesetzten Seiten aus, von der Naturforschung und von der Philosophie. Von ersterer Seite gelangten, unabhängig von Kant, zur transcendentalen Anschauung Rokitanski, Helmholtz und Huxley; vom selben Standpunkt aus opponirte Wundt. Von philosophischer Seite her wurde Schopenhauer zum Ehrenretter Kants, und dieß halten wir für Schopenhauers bedeutendste Leistung. Reiflich erwogen, theilweise zu berichtigen, theilweise
generalisiren"30
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ersparen"31
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31 32
L. Feuerbach: Geschichte der neuern Philosophie Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibnizschen Philosophie. In: Feuerbach GW, Bd. 2, S. 278, Anm. 1 von S. 274. Ebenda. Ebenda.
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Kant und Feuerbach
ergänzen versucht wurde sodann der Kriticismus von Denkern wie Cohen, K[uno] Fischer, Riehl, Windelband, während L[udwig] Noack das gemeinverständliche Resultat zog.33 Ueber Kant hinaus, nach transcendentaler, nach apriorischer, subjectivistischer, auf Berkeley zuschwankend, trat endlich, nach Fichte's, und wiederum Schopenhauers Vorgang, auf: Rehmke, Leclair und Schuppe. Die Schriften aller dieser Männer verdienen reiflichste Erwägung und fachliche Kritik. Daneben grassirt nun freilich eine förmliche Secte von ,,Erkenntnißtheoretikern," ein kleines Constablerthum zum Schütze der eigenen specifischen Weisheit, eine Corporation von manschettirten, exclusiv ablehnenden Quintessenziern, die sich im alleinigen Besitze der Weisheit zu
dünkt und mitleidig auf das vulgum pecus der Exoterischen hinabblickt: diese geben wir jeder Kritik preis. Feuerbach hat das unsterbliche Verdienst, uns von der nachkantischen Scholastik der Fichte, Schelling und Hegel befreit, die Philosophie abermals vom Himmel der abstracten Speculation zur Erde, zum Menschen zurückgeführt, den in vollem Ernst zu nehmenden „apriorischen Geist" in menschliches Empfinden, Fühlen, Anschauen und Vorstellen aufgelöst zu haben, und zwar in der schönsten, menschlichen Darstellung. Hier liegt sein Gegensatz und seine Bedeutung, keineswegs in einer Antithese zu Kant. Im Gegentheil, die Resultate der Kant'schen Kritik, oft in schwerfällige Terminologie verpackt, hin und wieder mit Reticenzen befrachtet, durch die Impedimente einer fünfzigjährigen Entwicklung erschwert: sie treten klar, licht, durchsichtig bis auf den Grund in Feuerbachs zweiter Periode hervor. Das schlagendste Beispiel einer solchen Klärung sind die Hülfspostulate in der „Kritik der praktischen Vernunft" im Verhältnisse zu Feuerbachs „Gott, Freiheit, Unsterblichkeit." Um nun Feuerbach aus seiner scheinbaren Isolirtheit herauszureißen, um sein plastisches humanes Denken in Zusammenhang mit dem Vorgedachten, mit der Geschichte des Denkens überhaupt zu bringen, ist noch eine tüchtige Arbeit vonnöthen, ein würdiger Gegenstand für einen jungen strebsamen Mann, vulgär ausgedrückt, ein Thema erster Classe zu einer Doctor-Dissertation, welches etwa lauten möchte: „Ludwig Feuerbach und Immanuel Kant," oder „Kants Kriticismus und Feuerbachs humanistische Philosophie." Damit ist nichts gesagt, daß man nicht ins vorige Jahrhundert zurückzugehen brauche, um einen Philosophen des neunzehnten [Jahrhunderts] zu würdigen; gehört doch auch der von Rau überschätzte Holbach dem vorigen Jahrhundert an. Wenn Kant der Gegensatz von Dogmatismus und Skepticismus zerschlagen oder, wie Vaihinger will, |44| combinirt hat, so ist jetzt noch auszuführen, wie der Kriticismus zu Feuerbachs Idealrealismus geworden ist.
33
Siehe L. Noack: Immanuel Kant's Auferstehung aus dem Grabe. Die Lehre des Alten berge. Urkundlich dargestellt, Leipzig 1861.
vom
Königs-
Zum Andenken an Bertha Feuerbach.1
In Aibling, und zwar auf dem höchsten und luftigsten Punkte des Ortes, angesichts der oberbayerischen und Tiroler Alpen, starb am 21. Juni nach längerem Leiden die Wittwe Ludwig Feuerbachs im 80. Lebensjahre. Sie war ganz das Herz, welches der Philosoph in seinen religionsphilosophischen Erörterungen dem Verstände entgegensetzte, ganz die Milde und Weichheit, die als Ergänzung des starken Mannes erst den vollen Menschen ausmachen. Wer sie zu kennen das Glück gehabt, wird ihr stets ein dankbares, wohlthuendes Gedächtniß bewahren. Bertha Löwe war am 5. Novfember] 1803 in dem durch Feuerbach so freud- und leidvoll berühmt gewordenen Bruckberg bei Ansbach geboren. Ihr Vater, Christoph Löwe, besaß die dem Philosophen so fatal gewordene Porcellanfabrik im königlichen *
Schlosse.*1 Christoph Löwe, der Sohn eines Geistlichen, war ein ganzer Mann, und der lebendige
Beweis dafür, daß der wärmste Patriotismus zur rechten Zeit auch in den deutschen Kleinstaaten aufloderte. Er haßte den corsischen Eroberer und Verächter Deutschlands ingrimmig wie Palm,2 und rüstete, als es zum Kampfe kam, auf eigene Kosten einen 1
K. Grün: Zum Andenken an Bertha Feuerbach. In: Allgemeine Zeitung, München Stuttgart (Beilage), Nr. 194 vom 14. Juli 1883, S. 2843. Das Schicksal dieser Fabrik, die auch Feuerbachs Fatum wurde, sowie manches im Folgenden nur Angedeutete, finden sich umständlicher erörtert in meinem „Feuerbachs Briefwechsel und Nachlaß", 2 Bände, Leipzig, 1874. Kfarl] Gfrün]. Der Nürnberger Buchhändler Johann Philipp Palm (1766-1806) hatte im Sommer 1806 eine anonyme Flugschrift unter dem Titel: „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung" verfaßt, in der er das Verhalten der französischen Truppen anklagte, worauf er auf Befehl Napoleons I. (1769-1821) verhaftet und zum Tode verurteilt wurde. -
"'
2
Zum Andenken an Bertha Feuerbach
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Bertha empfand und bewies für ihren Vater eine an Anbetung gränzende Verehrung. Da sich ihre ältere Schwester3 früh verheirathete und die Mutter, eine geborne v[on] Streit aus Bayreuth,4 beständig kränkelte, so wurde sie früh die Seele des ganzen Hauswesens, die zweite Mutter ihrer jüngeren Geschwister und, soweit es der Vater gestattete, die Theilhaberin an dessen Sorgen. Ihre Ausbildung hatte sie in der Töchterschule zu Ansbach erhalten, und dort, ihrem Wesen entsprechend, zum Theil auch dasselbe mitbestimmend, eine Zahl jener gefühligen und gefühlseligen Freundschaftsbünde geschlossen, wie sie der Zeitrichtung entsprachen, bei ihr aber bis zum Tode der Freundinnen nachblühten. Leider starb der treffliche Vater schon im Jahre 1822, als Bertha noch nicht 19 Jahre zählte. Sie schrieb damals in ihr Tagebuch: „Mit dem Tode meines Vaters habe ich erst empfunden, was eigentlich Leiden ist. Ach, was er mir war, wie sehr ich ihn liebte, kann kein Mensch begreifen! Ich wünsche mir den Tod nicht, vielmehr verbanne ich den sträflichen Gedanken, so oft er sich in mir regt: denn das Leben soll und muß der Mensch, wenn auch leidend, ertragen. Traurig der Ausdruck ist zu schwach erhaben waren die letzten Tage seines Lebens, ja etwas Göttliches ist das Sterben eines guten Menschen. Und war auch der Kampf hart und groß, so war doch seine Seele ruhig und ergeben. Er konnte mit Ruhe und Freudigkeit auf alle Tage seines Lebens blicken. Oh laß mich so sterben, aber auch so leben, wie er gelebt und vollendet hat!"5 Es ist doch eine psychologisch auffallende und hoch interessante Beobachtung, daß die am ersten zum Pessimismus veranlaßten Naturen die größte Lebenskraft entwickeln und den wahren Lebensmuth bethätigen, während so viele Glückspilze der pessimistischen Weltflüchtigkeit huldigen und eine verderbliche Mode großziehen helfen. Des Vaters Tod war nur der Anfang der Prüfungen, die der Tochter auferlegt werden sollten. Ihre ganze Zeit theilte sich zwischen den Sorgen der Haushaltung und der Pflege der kranken Mutter. Mehrmals begleitete sie die Kranke nach Marienbad, und hier des Altmeisters Goethe ansichtig geworden zu sein, wie dieser scherzend und plaudernd bei den Mädchen stand, welche den Curgästen den Becher reichten, war ihr stets eine liebe Husaren
aus.
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-
Erinnerung.
Im Jahre 1828 starb die Mutter, und nun kamen die jüngeren Geschwister an die Reihe. Der jüngste Bruder starb 1830 mit 14 Jahren an der Auszehrung in Bertha's Armen.
Ein zweiter Bruder, zur Uebernahme des Geschäfts bestimmt, brachte von München den Keim eines typhösen Nervenfiebers mit nach Hause und starb nach dreiwöchigem
Krankenlager.6 3
4
5 6
Luise Stadler, geb. Löwe heiratete Johann Adam Stadler, der anfangs als Hauslehrer in Bruckberg tätig war und seit 1828 die Porzellanmanufaktur aufschloß Bruckberg verwaltete. Bertha Feuerbachs Mutter, C. S. F. W. Chr. Maximiliane Sidonie, Freiin von Streit, wurde am 6. August 1778 geboren und lebte bis zum 25. August 1828. Tagebucheintrag von Bertha Feuerbach. Die Namen der beiden Brüder konnten nicht ermittelt werden.
Zum Andenken an Bertha Feuerbach
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Diese aufeinanderfolgenden Schicksalsschläge waren sicherlich nicht geeignet, eine heitere Stimmung aufkommen zu lassen; ein Flor lag auf Bertha's Gemüth; aber Erhebung fand sie stets in nie ermattender Beschäftigung mit dem Hauswesen, einem großen Gemüse- und Obstgarten und der Landwirthschaft, in den Werken unserer großen Dichter, am Ciavier und in der großen Natur. Sie besuchte auch die Kirche, aber, wie sie oft sagte, weniger der Predigt halber, welche sie selten befriedigte, als wegen des Gesangs und der Orgel. Ihre stete Sehnsucht war die Natur, sie liebte mit Leidenschaft die Spaziergänge in den großen Wäldern ihrer Heimath. 1834 schrieb sie in ihr Tagebuch, das ihr nie zu der bekannten Selbstbespiegelung und zur Ablagerung kranker Sentimentalität diente, sondern stets der Ausdruck ihrer schönen und wahrhaftigen Seele blieb: „Gewiß, keine schönere Gottesverehrung als die, zu der man kein Bild bedarf, die bloß aus dem Wechselgespräch mit der Natur in unserem Busen entspringt."7 Solche Anschauung war in ihr genährt und gestärkt worden durch die Leetüre Fénelons, Schleiermachers, Herders, Schillers und Goethe's, den fränkischen Stammgenossen Jean Paul nicht zu vergessen. Ja, es finden sich in ihrer Hinterlassenschaft Auszüge aus griechischen Philosophen, die in den Jahren 1829 und 1830 gemacht wurden, vier Jahre vor der Bekanntschaft mit Ludwig Feuerbach. Dieser betrat das Löwe'sche Haus in Bruckberg zuerst im Jahre 1833, und gewann mit dem Herzen Bertha's die treueste und hingehendste Gefährtin auf seinem nur zu bald dornigen und steinigen Lebenswege. Wir wollen das Bild dieses Martyriums, das sich auf dem Rechenberge bei Nürnberg abschloß, nicht wieder aufrollen. Aber man denke sich den eben geschilderten Charakter Bertha's, und man wird begreifen, wie viel Trost und Ermuthigung der große Denker von Seiten einer solchen Gattin empfing. Frau Bertha zog nach ihres Mannes Tode mit ihrer Tochter Leonore nach Nürnberg. In ihrer stillen anmuthigen Häuslichkeit besuchte ich sie zweimal, zuletzt 1878, in welchem Jahre Mutter und Tochter in das freundliche ländliche Aibling übersiedelten, wo sich ein hochgebildeter Russe, ein alter treuer Freund Feuerbachs, H[er]r vfon] mit seiner Familie ansiedelte, und wo ein trauter gebildeter Kreis sich um die Feuerbachs sammelte. Hier sah ich die unendlich gute, bei sichtbarer Kränklichkeit für alles Geistige immer noch empfängliche Frau im vorigen Herbst wieder, mir ahnte, zum letzten Male. Eine Herzwassersucht war deutlich seit längerer Zeit im Anzüge; in den letzten sechs Monaten verursachte sie der Patientin große Qualen. Ihr Geist aber blieb klar, mit vollem Bewußtsein sah sie dem Tode entgegen, und traf selbst für den unvermeidlichen Fall die letzten nöthigen Anordnungen. Mit heroischer Selbstüberwindung suchte die Achtzigjährige ihre schweren Leiden vor ihrer Umgebung zu verbergen. Leonore
Kupanikoff8,
mußte ihr noch bis in die letzten Wochen
7 8
Tagebucheintrag von Bertha Feuerbach. Muß heißen Khanikoff.
täglich eine halbe
Stunde
aus
einer
Lessing-
Zum Andenken an Bertha Feuerbach
824
Biographie vorlesen war ja doch ihr unvergeßlicher Gatte im kühnen Gedankengange und hohen Schwung der Darstellung auf Lessings Spuren gegangen. -
Wie die Verstorbene den Tod und das Verhältniß der Lebenden zu den Todten auffaßte, darüber spricht sich ein für ihre Tochter bestimmtes Erinnerungsblatt aus, welches die Aufschrift trägt: „Nach meinem Tode zu lesen". Hören wir nur einige Zeilen dieses Vermächtnisses! „Sieh den Tod als ein Naturgesetz an, dem wir alle unterworfen sind, und fasse ins Auge, was wir unseren theuren Verstorbenen schuldig sind. Nicht durch Thränen sollen wir das Andenken der Todten ehren, sondern in ihrem Geiste leben das ist die würdigste Trauer. Ist der erste herzzerreißende Schmerz vorüber, so werden wir von süßen und erhabenen Empfindungen durchdrungen, wenn wir uns ganz in das geliebte Wesen versenken, das uns für immer entrissen wurde. Suche mit aufopfernder Hingebung überall lindernd und helfend einzugreifen, wo es noththut. So lebst du in unserem Geiste fort. Wir sind nicht todt, so lange du unser Andenken im Leben verwirklichst." Wie materialistisch sind doch die Spiritualisten und Spiritisten gegen eine solche einfach edle und menschenwürdige Auffassung der Unsterblichkeit! Bertha Feuerbach hat bis ins höchste Alter ihr Vollgenügen an dieser Anschauungsweise gehabt, stets Trost, Ermuthigung und Weisheit daraus geschöpft. Und ein süßer Lohn ist ihr geworden: was sie ihrem Vater gewesen, das war ihre Tochter für sie. Sie ruht nun auf dem Johannes-Friedhofe zu Nürnberg, unweit von der Asche ihres Gatten. Was dieser mit allem Verstände der Verständigen gelehrt, das hat Jene mit kindlichem Gemüth in Einfalt geübt. Karl Grün -
Bertha Feuerbach: Nach meinem Tode
rungsblatt].
zu
lesen.
[Vermächtnis für
Leonore Feuerbach. Erinne-
Literaturverzeichnis
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Allgemeine
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Übersicht über benutzte Archivmaterialien
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Besançon, Bibliothèque Municipale -
Bonn, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Universitätsbibliothek Bruxelles, Université libre Dresden, Sächsische Landesbibliothek Staats- und Universitätsbibliothek
Helsingin Yliopiston Kirjasto Suomen kansalliskirjasto Krakow, Biblioteka Jagielloñska Lausanne, Bibliothèque cantonale et universitaire -
-
Liestal, Dichter- und Stadtmuseum Marbach, Schiller-Nationalmuseum/Deutsches Literaturarchiv
Literaturverzeichnis
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A
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Literaturverzeichnis
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vom
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Personenverzeichnis
A
Anakreon 399
Abaelardus, Petrus 145, 221, 249, 250, 251, 277, 321, 629, 630, 631, 632, 664, 758,
Anneke, Friedrich (Fritz) 189, 192, 269, 543 Anneke, Mathilde Franziska, geb. Giesler 185
770 Achill (Achilleus, Achilles) 364, 711,712,715 Adam 530, 693 Adler, A. 194,553 Agamemnon 706 Ahrens, Heinrich 631 Ahriman 246 Ahura Mazda (Ormuzd) 246 Aias der Große (Ajax) 364 Aischylos (Äschylus) 34, 399 Aisopos (Aesopus, Äsop) 567 Albert, Joseph 229, 716 Albertz, Jörg 297 Albrecht, Wilhelm Eduard 37 Alexandrinus, Clemens 643 Alken, Nikolaus 206 Alkibiades 399 Allah 241, 783 Altenhöfer, August Joseph 264 Altenstein, Karl Sigmund Franz vom Stein zum 248, 251, 252, 559, 737, 758, 768 Althaus, Theodor 95 Amengual, Gabriel 136 Amsdorf, Nikolaus von 700 Anacharsis 364
Anseimus von Canterbury 348 Antigone 364, 593, 788 Antonius, Andreas 399 Apelles 399
Apoll (Apollon, Apollo) 315, 427, 601, 712, 735 Archimedes 510 Arends, Heinrich 170, 171 Ariadne 385, 438, 763 Ariost (Ludovico Ariosto) 630 Aristoteles 62, 152, 281, 286, 349, 397, 449, 625, 629, 633, 658, 694, 763, 768 Arndt, Andreas 24, 157,258, 275 Arndt, Ernst Moritz 30, 65, 376 Arnim, Bettine von (eigentlich Elisabeth Catharina Ludovica Magdalene, geb. Bren-
tano) 142,155,356 Arnold, A. 631 Arnoldi, Wilhelm 496
Arnould, Victor 280 Ascheri, Carlo 261, 275, 627, 695 Ascherson, F. 567
Äskulap (Asklepios, Aesculapius) 35, 98
Assing, Ottilie Davide 294, 303, 304, 751 Aston, Luise Franziska, geb. Hoche 185
Personenverzeichnis
876 Attila 522 Aue, Alfred von der siehe Fitzau, Heinrich Auerbach, Berthold 184 Auersperg, Anton Alexander Maria von siehe Grün, Anastasius Auerswald, Alfred Rudolph von 42, 206 Augier, Guillaume Victor Emile 516
Augustinus (Aurelius Augustinus
von
348 Axt, Karl August Moritz 90
Hippo)
B
Baader, Franz Xaver von 72 Bacherer, Gustav 127 Bachmann, Carl Friedrich von 256, 653, 654, 771 Bacon
von Verulam, Francis 52, 232, 241, 251, 425, 442, 569, 622, 623, 624, 625, 628, 629, 933, 641, 644, 652, 656, 727, 758, 760, 769, 770, 771
Bagel, August Peter
108
Baierlacher, Eduard 748, 749, 754, 764, 765 Bakunin, Michail Alexandrowitsch 160, 165, 302
Bal.Karol
157
Bamberger, Ludwig 13, 20, 189, 293
Barnikol, Ernst 91 Barrot, Camille-Hyacinthe-Odilon 40, 358 Bartels, Adolphe (Adolf) 132,133 Barth, Johann Ambrosius 815 Bartoszkiewicz (Bartoßkiewitz), Jan Nepomucen 208, 557 Basques 481 Bassermann, Friedrich Daniel 13, 76, 77, 79, 209, 373 Bauer 208, 557 Bauer, Bruno 20, 74, 75, 82, 83, 84, 85, 86,
88, 91, 96, 99, 100, 104, 109, 116, 117, 119, 157, 184, 263, 266, 278, 309, 350, 391, 392, 393, 413, 414, 415, 416, 418, 419, 420, 499, 511, 686, 691, 742, 759 Bauer, Edgar 74, 75, 85, 157, 237, 416 Bäuerle, Gustav 294, 295, 296 Baumann, Julius 328 Baumgartner, Hans Michael 236, 609, 737, 758
Baur 208 Baur, de 61 Baur, Nicola 557
Bayer, Carl (Karl) 71, 72, 223, 248, 253, 254, 264, 658, 659, 663, 664, 771 Bayle, Pierre 220, 232, 459, 569, 570, 644, 646, 647, 648, 649, 650, 651, 652, 656, 657, 661, 675, 676, 677, 678, 685, 687, 705, 729, 740, 759, 760, 766, 771, 774 Bayrhoffer, Carl Theodor 192, 193, 543 Beck, Christian Daniel 603 Beck, Fr. 196 Beck, Karl Isidor 31, 32, 41, 46, 48, 153, 339, 343, 344 Becker, Gerhard 189 Becker, Hubert 62 Becker, Nikolaus 65 Becker, Thomas 33 Becker, Wilhelm 15 Beethoven, Ludwig van 28 Behaim, von 747, 763 Behnsch, Herman Edmund Ottomar 208, 557 Behr, August Ludwig von 32 Behr, Ottmar (Otmar) von 32 Behrens, Beate 25 Bekker, Balthasar 630 Benecke, Heinrich 215, 216, 217, 237, 280, 288, 289, 727, 764 Beneke, Friedrich Eduard 287, 631
Bennigsen, Rudolf von
745
Bensheimer, J. 70, 253, 311, 802 Bercken, von der 27 Berends, Julius 208, 557
Berg, Kaplan von 207 Berger, Michael 794 Bergmann, Julius Friedrich Wilhelm Eduard 567
Berkeley, George 722, 768, 775, 812, 820 Bernays, Karl Ludwig (Bernays, Ferdinand Cölestin) 37, 80, 160 Bernoulli, Jakob 642 Bernstein, Eduard 15 Beyer, Conrad (Konrad) 228, 658, 664, 716, 739, 740, 754 Biedermann, Carl 68 Biedermann, Friedrich Karl 37 Biensfeld, Johannes 729 Binder, Rudolf 63
Bindig, Georg Christoph Bischoff 290 Bismarck, Otto Eduard 189
196
Leopold Fürst von 22,
877
Personenverzeichnis
Blanc, Jean-Joseph-Charles-Louis 93, 134, 136,209,406,501,508
Blanqui, Louis August
159
Blasche, Bernhard Heinrich 566, 567 Blech, Karl Adolf 506 Bleek, Friedrich 33, 34 Blind, Karl 294,301,751
Brougham, Henry Peter 359 Brucker, Joseph 310 Brügel.Carl 250,251,276
Bruno, Giordano 228, 232, 627, 630, 656,
Bluhm 745 Blum, Robert 13, 78, 87, 95, 181, 204, 373, 375 Boas, Eduard 112, 140 Boccaccio, Giovanni 630 Bodelschwingh-Velmede, Ernst von 42, 277 Boeckh, Philipp August 35, 38, 40, 800 Boehme 631 Böhme 628 Böhme, Albert 745 Böhme, Jacob (Jakob) 232,254, 268, 574,612, 624, 625,653, 657, 770, 801 Bolin, Carl Eduard 745 Bolin, Ernestine, geb. Römpler 745 Bolin, Wilhelm Andreas 23, 51,161, 214, 223,
232, 275, 280, 286, 287, 295, 296,297, 298, 300, 302, 305, 307, 312, 313, 317, 318, 319, 645, 745, 746,774,788, 796 Bonaparte 293, 767
Bonifatius 630 Borchardt, Friedrich 208, 557 Bormüller, Franz 14 Börne, Karl Ludwig 18, 32, 41, 53, 69, 70,
142, 143, 158, 219, 229, 250, 352, 353, 354, 367, 368, 369, 370, 384, 485, 490, 491,538,581,582,777 Borst, Joseph 599 Bossuet, Jacques Bénigne 91 Brahma 790
Brandenburg,
Friedrich Wilhelm Graf
204
Brandis, Christian August 33, 34, 35, 36 Bratuscheck, Ernst Karl Ludwig 567 Braun, Hans-Jürg 136,214,725 Braun, Isabella 622 Braun, Otto 13 Bretschneider, Karl Gottlieb 125
Breusing
373
Bridenthal, Renate 15 Brockes, Barthold Heinrich 647 Brockhaus, Friedrich Arnold 281,311 Brockhaus, Heinrich 228,280,281
Brockhaus, Heinrich Eduard 280, 282 Brockmeyer, Henry Conrad 294, 303 Brosses, de 599
von
736
Brutus, Marcus Iunius 398, 399, 402 Bucher, Adolf Lothar 208, 557 Bûchez, Philippe Joseph Benjamin 171, 489, 491, 492 Büchner, Alexander 817 Büchner, Georg 817 Buchner, Karl 42 Büchner, Ludwig 295,301,307,817 Büchner, Luise 817 Buckle, Henry Thomas 307 Buddeus, Aurelio 237 Buddha 768 Bull, John 538 Bulwer, Edward kow, Karl Bunsen 448
George Lytton siehe
Gutz-
Bunzel, Wolfgang 69 Burchhardt, Heinrich 164 Burdach, Karl Friedrich 255 Bürger, Gottfried August 578, 733
Bürgers, Johann Heinrich Georg Butzlaff Joachim 253, 672
20
C
Cabet, Etienne 134, 136, 209, 406, 509, Caesar (Caius Julius C.) 353, 365, 398, 399, 401, 650, 706
Cagliostro, Alexander Graf von
697 Calderón de la Barca, Pedro 722 Calker, Friedrich van 36 Calvin, Johannes 599, 629, 646, 649, 771 Campanella, Tommaso 232, 624, 644, 736 Camphausen, Gottfried Ludolf 477 Cantor, Moritz 601
Cappel, Louis
288
Carneri, Bartholomäus von 13, 217, 307, 325, 326,327,329,330,331 Carové, Friedrich Wilhelm 125, 263
Carpzow, Johann Benedict 708 Carrière, Moriz Philipp 13, 31, 32, 37, 38, 39, 40, 45, 48, 54, 58, 59, 63, 66, 69, 73, 74, 75,
Personenverzeichnis
878
90, 94, 95, 103, 110, 123, 178, 189, 194, 196,199, 210, 290, 293,303, 358, 553, 629, 806, 817,923 Carrière, Wilhelm Gottlieb 43 Carus, Carl Gustav 142,255 Caspary, Wilhelm 208, 557 Castellio, Sebastian 650 Cato 399, 806 Cavour, Camillo Benso von 22,290 Celtis, Konrad 630
Cotta, Bernhard von 670, 671,686, 760 Cotta, Johann Friedrich von Cottendorf 758 Cousin, Victor 42, 61, 62,236, 268, 474, 737, 758, 801 Cramer-Klett, Theodor von 602, 729, 754,
Cerberus siehe Kerberos Chamisso, Adelbert von (eigentlich Louis Charles Adelaide de Chamisso de Boncourt) 32, 356 Chapman, John 288 Charadas 364 Charybdis 771 Chassé 88 Chatel, F. F. 494, 495,497, 498, 499, 506 Chelius, Maximilian Joseph von 290 Chladni, Ernst 711 Christus siehe Jesus Christus Chryses 712 Churoa (Chouroa) siehe Rochau, August
Cujacius, Jacob 630 Cuvier, Georges-Léopold-Chrétien-FrédéricDagobert, Baron de 630
Ludwig von (Marcus Tullius C.) 399, 453, 591,
Cicero 712
Cieszkowski, August von 105, 392, 536 Cincinnatus, Lucius Quinctius C. 399
Clauberg, Johann
819 Claudius 491 Clauß, Hans 28 Coblenz, Peter Josef 202, 203 Cohen, Eduard 800 Cohen, Hermann 820 Cohen, Moriz 77 Cohen, Moriz (Honek) 77 Comenius, Johann Arnos 622 Comte, Isidor Marie Auguste François Xavier 765, 776, 792 Condorcet 136 Considérant, Prosper Victor 126, 134, 136, 158, 159 Constant de Rebecque, Benjamin 450, 487, 488, 489 Coriolan, Gnäus Marcius 399 Corneille, Pierre 656 Cornu, Auguste 33, 37 Cotta 329, 806
765
Crassus, Marcus Licinius 399 Creizenach, Theodor 37, 38 Creuzer, Georg Friedrich 104,391 Cudworth, Ralph 633
Czerski 495 D
D'Ester, Karl Ludwig Johann 20, 208, 557 Dahlmann, Friedrich Christoph 38, 65, 385, 450
Dahmen, Josef Alexander 77 Dalberg, F. H. von 600 Darimon, Alfred 137 Darwin, Charles Robert 323, 329, 686, 726, 728, 749 Daub, Karl 231, 240, 586, 604, 605, 756, 769 Daumer, Georg Friedrich (Pseudonym: Eusebius Emmeran) 102, 237, 253, 262, 264, 265, 266, 292, 600, 663, 690, 733, 787 Dedekind, Eduard 294, 303, 744 Deichsel, Dieter 16,24, 42, 153, 316 Delaraguez, Louis-Henri 13, 42, 168, 169, 193
Delbrück, Johann Friedrich Ferdinand 33 Demokrit (Demokritos von Abdera) 625, 633, 655 Des Brosses (Desbrosses), Bartholomäus 641 Descartes, René 228, 232, 241, 388, 571, 611,
622, 623, 625, 626, 627, 628, 633, 636, 644, 645, 649, 652, 653, 656, 657, 662, 678, 694, 707, 720,721,735,757, 766, 770, 771, 789 Deubler, Konrad 13, 23, 218, 223, 224, 235, 236, 238, 294, 307, 308, 309, 310, 311, 318, 733, 750, 764, 779, 793, 794, 795, 796, 797, 798 Deuchert, Norbert 75, 77, 80,118 Deukalion 337 Deussen, Paul 671,727 Deutsch, Simon 196, 562 Deyffel.J. 745
879
Personenverzeichnis
142 Theodore 134,137 Dezamy, Dickens, Charles 762 Diderot, Denis 517,630 Diefenbach, Georg Lorenz Anton 13 Diehl,Karl 167 Diehl, Wilhelm 31, 32, 37, 63, 66, 74, 90, 179 Dietz 601 Dietze, Walter 140,141 Dilthey 284 Dilthey, Julius Friedrich Karl 90 Dippel, Horst 269, 290 Dittmar, Johanna Friederike Louise 13, 166,
Eberhard, Fritz 76 Ebrard, Johann Heinrich August 736 Echtermeyer, Ernst Theodor 67, 70, 73, 233, 547, 740, 759, 917 Ecker, J. 316 Eckermann, Johann Peter 142 Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich 231,
179,181,184,185,186,187, 188,189,237 Dobbek, Wilhelm 748 Dobeneck, Helene Rebekka Magdalena von, geb. Feuerbach 62, 230, 304, 601 Dobeneck, Ludwig Friedrich Wilhelm Carl Sigmund von 230, 601 Dodel-Port, Arnold 23, 238, 318, 793, 795 Dollfus, Charles 284, 294, 296, 788 Dorguth, Friedrich Ludwig Andreas 233, 248, 255, 256, 257, 258, 598, 629, 665, 666, 667, 668, 669, 670, 671, 672
Eliot, George siehe Evans, Mary Anne
Deyks, Ferdinand
Dorothea 549 Douglass, Frederick 303, 304, 779 Dove, Alfred 590,771 Dowe, Dieter 15,20 Dowiat (Doviat), Rudolf 493, 495 Droßbach, Maximilian 280 Droste-Vischering, Clemens August von 47, 384, 386 Du Mont (Dumonf), Joseph 107 Duboc, Carl Julius 237, 280, 285, 286, 295, 297, 298, 299, 300, 307, 316, 317, 788 Dudevant, Aurore siehe Sand, George Düffel, Wilhelm 745 Dühring, Karl Eugen 307, 322, 323 Dülon, Rudolph 745 Duns Scotus, Johannes 268 Düntzer, Heinrich 151
Dupoty
661
Eichhorn, Johann Gottfried 603 Eichinin, Adolf von 794 Eisenmann 601, 803 Eisenmann, Johann Gottfried 638 Eisermann, August 177 Elektra 364
Elsenwenger 310
Eisner, Karl Friedrich Moritz 208, 557 Elwerz 569
Emmeran, Eusebius siehe Daumer, Georg Friedrich Encke 817
Engbring-Romang, Udo 207 Engelhardt, Johann Georg Veit 248, 249, 758 Engels, Friedrich 15,18,21, 48,60, 84, 95,97, 103, 112,116, 117,141,144,145,152, 153, 154,160,161,177,178,189,266
Enk von der Burg, Michael Leopold 142
Epikur 365,625
Erasmus von Rotterdam 717 Erdmann, Johann Eduard 252, 653, 656, 657, 740 Ernst August II. 37 Ersch, Johann Samuel 697, 706 Esser, J. P. 208, 557 Euripides 398, 626 Evans, Mary Anne (Pseudonym: George Eliot) 288 Ewald, Georg Heinrich August von 38 Ewerbeck, August Hermann 152, 153, 160,
161,162,163,170, 171,172,173,174,270
Eydam, Johann Daniel 208, 557 Eymer, Wilfried 43
471
Dürer, Albrecht 729, 752, 765 Dürre, Eduard 160 Dutens, Ludovici 641 E Ebel 208, 557
F
Fain 170 Faust 144, 146, 177, 337, 340, 349, 353, 357, 364, 454, 671 Fechner, Gustav Theodor 325 Feldmann, Reinhard 99
Personenverzeichnis
880
Fénélon, François de Salignac de la Mothe 823 Fenner 37
von
Fennersberg,
Ferdinand Daniel
Ferrand, Eduard siehe Schulz, Eduard Fest 128
Feuerbach, Anselm 301, 315, 316, 602, 735, 741, 756, 804 Feuerbach, Eduard August 62, 230, 248, 249, 267, 276, 289, 307, 311, 573, 598, 600, 602, 735, 736, 756, 757 Feuerbach, Eleonore (Leonore) 213, 214, 218, 235, 236, 302, 304, 309, 318, 596, 645, 737, 744, 749, 750, 751, 752, 751, 763, 764, 823, 824 Feuerbach, Elise 230,304,751 Feuerbach, Friedrich Heinrich („Fritz") 23, 160, 161, 172, 174, 177, 214, 230, 266, 277, 278, 279, 281, 573, 601, 602, 735, 737, 749, 756, 757, 764, 766 Feuerbach, Helene siehe Dobeneck, Helene
237 238 ,239,,240 ,241 ,242 246 247 ,248 ,249 ,250,251 255 256,,257 ,258 ,259 ,260, 264 265 ,266 ,267 ,268 ,269 273 274,,275 ,276 ,277,,278 282 283 ,284 ,285 ,286,287, 291 300 309 318 386
292.,293 ,294 ,295 ,296. 301 ,302 ,303 ,304 ,305 310 ,311 ,312,313 ,314 319 ,320 ,321 ,322 ,323
243,244, 245, 252, 253, 254, 261,262,263, 270,271,272, 279, 280, 281, 288, 289, 290, 297, 298, 299, 306, 307, 308, 315,316,317, 324, 327, 361, 426,427, 428, 436,437,438, 504,510,511, 569, 570, 571, 578, 579, 580, 587, 588, 589, 597, 598, 599, 607, 608, 609, 619, 620, 622, 630,631,632, 639, 640, 641, 651,652,653, 660, 661, 662, 669,670,671, 683, 685, 686, 694, 695, 696, 705, 708, 709, 718,719,720, 727, 728, 729, 736, 737, 738, 745,746, 747, 754, 755, 756, 764, 765, 766, 774,775, 776, 789, 790, 791, 802, 803, 804, 817,818,819,
Feuerbach, Leonore (Lore) 230, 573, 601, 602,751 Feuerbach, Ludwig Andreas 13,16, 17, 18,20, 21,22,23, 37, 45, 50, 51, 52,62, 70, 71,72, 73, 74, 75, 82, 84, 85, 86, 87, 93, 98, 102, 103, 104,105, 109, 110, 114, 115, 116,117, 118, 119,120, 121, 122, 130, 135,136,137,
390,,391 ,413 ,423 ,425 429, 430,,432,433 ,434,,435 439 440,,442 ,474 ,481 ,500, 512: 553 ,565 ,566,567 ,568 572 573 ,574 ,575 ,576,,577, 581 582 ,583 ,584 585 ,586 590 591 ,592 ,593 ,595 ,596 600, 601 ,602 ,603 ,604 ,605 610 612 ,613 ,614,615 ,618 623 625 ,626 ,627 ,628 ,629, 633 634 ,635 ,636 ,637 ,638 642 643 ,645 ,646 ,647 ,649, 654 655 ,656 ,657,658 ,659, 663 664,,665 ,666 ,667 ,668 672: 674.,675 ,676,681 ,682 687 688 ,689 ,690 ,691 ,692 697: 698 ,700 ,701 ,703 ,704 710 711 ,714 ,715 ,716 ,717 721 722 ,723 ,724,725 ,726 730 731 ,732,733 ,734 ,735 739 740 ,741 ,742 ,743 ,744 748 749 ,750,751 ,752 ,753 757 758 759 ,760 ,762 ,763 768 769 ,770 ,771 ,772 ,773 777, 778 ,779 ,781 ,787 ,788 795 796 ,797 ,799 ,800 ,801 805 806 ,807,809 ,815 ,816 820. 821 ,823 ,824 Feuerbach, Mathilde 741 Feuerbach, Paul Johann Anselm von 22, 229, 230, 239, 240, 241, 242, 249, 264,281, 301, 307, 311, 386, 571, 573, 591, 593, 596, 597,
138, 139, 140, 145, 146, 147, 148, 154, 155, 157,159, 160, 161, 162, 165, 166,169,170, 172, 173,174, 176, 177, 179, 181,182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 191,194,196, 197, 198, 205, 213, 214,215, 216,217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236,
598, 599, 600, 601, 602, 605, 618, 630, 654, 704, 710, 734, 737, 738,748, 755, 756, 759, 761,778 Feuerbach, Sidonie, geb. Stadler 276 Feuerbach, Wilhelmine (Mina), geb. Tröster 239, 598, 734, 738, 739, 741, 755, 759 Feuerlein, Emil 196
von
Feuerbach, Henriette, geb. Heidenreich 289, 315,316,601 Feuerbach, Johann Anselm 230, 598 Feuerbach, Johanna Julie Bertha, geb. Löw 183, 213, 214, 215, 217, 218, 232, 235, 236, 237, 250, 251, 259, 262, 270, 271, 310, 311, 318, 596, 610, 632, 645, 733, 737, 738, 744, 751, 758, 759, 763, 796, 797, 821, 822, 823, 824 Feuerbach, Joseph Anselm 230, 276, 307, 315,573,598,600,601,734 Feuerbach, Karl Wilhelm 230, 573, 601, 602, 756
,
,
881
Personenverzeichnis
Fichte, Immanuel Hermann 33, 34, 35, 36, 232, 250, 251, 292, 303, 350, 649, 770 Fichte, Johann Gottlieb 63, 64, 71, 91, 111, 195, 228, 232, 233, 241, 251, 259, 274, 361, 388, 405, 474, 526, 545, 573, 579, 581, 592, 629, 649, 651, 658, 662, 692, 721, 766, 767, 774, 801, 805, 813, 820 Fischer 77 Fischer, C. J. 795 Fischer, Ernst Kuno Bertholdus 237, 287, 290, 745, 813, 820 Fischer, Johann Carl 624 Fisenne 209 Fitzau, Heinrich (Pseudonym: Alfred von der Aue) 43 Fleischer, Karl Moritz 71, 73, 263, 267 Fleischmann 735 Fleischmann, Gottfried 231,609,757 Fleury.Abbé 479 Florencourt, Franz Chassot von 84 Fludd, Robert 691 Folien 284 Forckenbeck, Max von 208 Förder, Herwig 15 Förster, Friedrich Christoph 39, 358 Forster, Johann Georg Adam 182,290
Fourier, François-Marie-Charles 19, 21, 65, 86, 98, 106, 107, 126, 127, 134, 135, 136, 137,138, 154, 159, 393,406, 419,482, 509, 514
Franck, Sebastian 618 Fränkel, Ludwig 15 Frantz, Constantin 266 Frauenstädt, Christian Martin Julius 248, 259, 260, 629, 672, 709 Freiligrath, Ferdinand 13, 94, 133, 189, 266, 277, 301 Frese, Julius 42 Friedländer, Alexander 180, 181, 182, 183,
271 Friedrich III. 705 Friedrich Wilhelm III. 779 Friedrich Wilhelm TV. 19, 65, 66, 77, 78, 204,
207,210,555,556 Fries, Jacob Friedrich 523 Fröbel, Carl Ferdinand Julius (Carl Junius) 118, 161, 192, 525, 530, 531, 533, 534, 543
Fuchs, Friedrich Wilhelm 80
Fulgentius, Fabius Planciades
651
G
Gabler, Georg Andreas 341 Galen, Clausius 286, 721 Galilei, Galileo 623,624,630,665, 752 Gall, Ludwig 125 Gans, Eduard 38, 39, 40, 41, 45, 49, 52, 92, 106, 125, 248, 251, 252, 258, 351, 357, 358, 359, 360, 653, 737, 787 Garibaldi, Guiseppe 302,795 Gassendi, Pierre 232, 403, 625 Gaßner, Franz 794 Geibel, Franz Emanuel (Imanuel) 37 Genoude, Abbé de 483 Gerhard, Ute 187 Gerhardi, Bertha, geb. Grün 28 Gerhardi, Wilhelm 28 Gervinus, Georg Gottfried 37, 38, 63, 356, 745
Geulincx, Arnold 232, 626, 636
Geyer, J. 763 Ghillany, Friedrich Wilhelm 417,420
Gibbon, Edward 231,603,756 Gierse, Johann Matthias 208, 557 Girardin, Emile de 13,292 Girshausen, Ferdinand 29 Giseke, Robert 196 Glaubrech, Joseph 373 Gleichen-Rußwurm, Emilie von, geb. Schiller 42
Glisson, Francis 644 Glockner, Hermann 144
Glossy, Karl 76 Gmelin, Leopold 290 Göbel, Ludwig 32
Gödden, Walter 46 Goethe, Johann Wolfgang von 29, 32, 50, 53, 63, 90, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152,153,154, 155, 156,182, 228, 274, 335, 336, 337,338, 339, 340, 342, 351, 357, 359, 361, 363, 364, 365, 368, 369, 383, 423, 468, 517, 533, 549, 570, 578, 582, 597, 674, 699,707, 716,722, 727, 728, 733, 738, 755, 775, 791, 800, 812, 822, 823
Görgey, Arthur 181
Görres, Johann Jakob Joseph von 484 Gorzolka, Martin 208, 557
882
Personenverzeichnis
Göschel, Karl Friedrich 142, 253, 350, 351, 653, 668 Gottschalk, Andreas 95,189
Gutzkow, Karl Ferdinand (Pseudonym: Edward George Lytton Bulwer) 18, 41, 49, 53, 54, 57, 58, 59, 60, 63, 69, 115, 175, 176, 354, 355 Gwinner, Wilhelm 629
Graeff 180 Graff, Johann
H
Götze, Karl Heinz 171 Grabbe, Christian Dietrich 41 Graeber, Wilhelm 60
Georg 30, 32 Grandjonc, Jacques 170,171 Gregor VII. 487,490 Gregor XVI. 484,485 Gregorovius, Ferdinand 155
Gretchen 356,671 Griepenkerl, Friedrich Konrad 49 Griepenkerl, Robert 176, 361, 363, 364 Grimm, Jacob Ludwig Karl 37, 38, 47, 65, 707 Grimm, Wilhelm Karl 37, 38, 65 Gritzner, M. 301
Grohe, Johann Peter 80 Groot (Grotius), Hugo de 27, 648 Groóte, Karl Friedemann von 24, 27, 29, 32, 33 Grosser, Julius 229 Großjohann, Christoph Theodor Magnus 208, 557
Grötz-Wrisberg 208,557 Gruber, Johann Gottfried 697, 706 Grün, Albert Julius Leberecht 28, 94, 262, 290
Grün, Anastasius (eigtl. Anton Alexander Maria Graf von Auersperg) 31, 32,46, 47, 48, 339, 342, 343, 356 Grün, Elisabeth (Elisa, Elise, Else) Sophie, geb. von Orth 38, 43, 55, 78, 138 Grün, Johann Samuel 27, 28, 29, 33 Grün, Sophie, geb. von Groóte 27, 33 Guerrier 160
Guhrauer, Gottschalk Eduard 145, 149, 150, 254 Guillaumin 164 Guitienne, Johannes 208, 557
Guizot, François-Pierre-Guillaume 40, 159, 178, 358, 450 Günther, Anton 72 Günther, J. Georg 373 Günther, Karl-Heinz 198
(eigtl. Johannes GensGutenberg, fleisch zum Gutenberg) 64 Johannes
Haag, Konrad 236, 284, 285, 294, 788 Hachtmann, Rüdiger 204 Haeckel, Ernst Heinrich Philipp August 223, 307, 323, 324, 566, 728, 797, 798 Hafis 145 Häher, Friedrich Moritz 75, 80 Haight, Gordon S. 288 Hall, M. E. van 88 Hall, van 88 Hamann 231, 603 Hamlet 39, 357, 360, 382, 383, 491, 727
Hammer-Purgstall, J. v.
145
Hannover-Druck, Elisabeth 187 Hansemann, David 208 Häntzschel, Günther 578, 733 Häntzschel, Hiltrud 578, 733
Hanusch, Ferdinand
23
Hardenberg, Georg Philipp Friedrich (Novalis) 63, 369 Harl, Johann Paul 242 Harleß, Gottlieb Christoph Adolph 242, 243
von
von
238,
Harrington, James 457 Harris, William Torrey 294, 303 Harrys, Hermann 42 Hartenstein, Gustav 809 Hartmann, Berta 315 Hartmann, Eduard von 325, 708 Hartmann, Moritz 13,293,315
Harvey, William 630
Haubold, Heinrich Andreas 691 Haubrich, F. 189 Haubtmann, P. 162 Hauer, Franz von 797 Hauff, Hermann 42, 63, 76 Haug, Ernst 301 Haunfelder, Bernd 557 Hauser, Kaspar 264, 600 Hauswald, A. W. 450
Hawlitzky (Hawlitzki), Johann B. 208, 557 Haym, Rudolf 216, 217, 237, 280, 715, 778 Hebel, Johann Peter 423
883
Personenverzeichnis
Hecker, Friedrich Franz Karl 185, 373 Heffter, August Wilhelm 38 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 18, 21, 31, 32, 34, 36, 37,38, 39,40, 49, 50,60, 61, 70, 71, 72, 73, 85, 87, 88, 91,92, 100,101, 105, 106, 111, 118, 126,135,138, 144,148,154, 159, 163, 165, 167, 168,172, 173,174,176, 197, 199, 216, 217, 219, 220, 221,225, 226, 228, 230, 236, 240, 241, 242, 243,244, 252, 253, 254, 256, 257, 258, 259, 263,261, 263, 264, 273, 274,282,286,290, 303,315, 316, 317, 320, 321, 325, 329, 341, 348,349, 350, 351, 355, 358, 360, 361, 386, 389, 392, 393, 405, 430, 474,488, 499, 500, 506, 507, 510, 512, 514, 515, 517, 518, 519, 520, 521, 523, 524, 525, 526, 527, 528, 529, 530, 532, 533, 534, 535, 536, 537, 559, 566, 567, 568, 569, 570, 571, 572, 573, 574, 575, 576, 577, 588, 591, 592, 602, 605, 607, 608, 609,610, 612, 613, 615, 616, 618, 627, 628, 629,631, 644, 652, 653, 654, 655, 656, 658, 659,661, 662, 663,668, 669, 670, 672, 679, 689,690, 691, 692, 693, 694, 695, 696, 714, 721,727, 731, 733, 735, 736, 742, 755, 756, 757,760, 766, 767, 768, 769, 770, 771, 773, 776, 778, 800, 801, 805 Hegel, Karl Friedrich Wilhelm von 92, 243, 244, 735 Hegel, Marie Helena Susanne, geb. von Tucher 32, 618 Heidenreich, Friedrich Wilhelm 280,289, 293, 294, 778, 788 Heine, Heinrich 13, 18, 31, 32, 33, 41, 53, 69, 113,131,134, 135, 148,159, 160,174,175, 179,340,352, 354, 357, 364, 368,369,491 Heine, Wilhelm 796 Heinrich VIII. 388 Heinrichshofen 670,672 Heinzen, Karl Peter 20, 95, 277 Heiß, Dionys 794 Heitemeyer (Heitemeier), Karl 208, 557 Hektor, Enno 751,752,754,765
Held, Theodor 689 Helena 454 Hell, Theodor siehe Winkler, Karl Gottfried Theodor Helmholtz, Hermann Ludwig Ferdinand von 698, 819
Helmich, August 95, 110,415
Heloise 251, 321,629, 630, 632, 758, 770 Helvétius, Claude-Adrien 451, 460, 674, 790 Henning, Leopold Dorotheus von 248, 251,
252, 253, 258, 259, 653, 656, 657, 758, 787
Henrici, Georg 50
Henriques 481 Hephästos (Hephaistos)
802 Herakleitos 308 Herakles (Herkules) 164, 348, 430, 728 Heraklit aus Ephesus 399 Herbart 627 Herbart, Johann Friedrich 34, 49, 50, 51, 52,
90, 176, 228, 349, 360, 361, 362, 363, 364, 768
Herbst, Johannes Christian Gottlieb 32 Herder, Emil Ernst Gottfried von 165, 236, 262,270,281,283,290,625 Herder, Ferdinand Theobald Maximilian Gottfried von 270
Herder, Johann Gottfried von 50, 63, 91, 225, 231, 242, 361, 603, 604, 625, 631, 756, 769, 788, 823 Hering, Karl Ewald Konstantin 325, 692, 698, 699 Hermann 41, 549 Herrmann 638 Hertzrodt 180
Herwegh, Emma, geb. Siegmund 213, 214, 215,217,218,308,311,748,751
Herwegh, Georg 23, 59, 60, 94, 160, 170,
214, 311, 376, 384, 386, 431, 433, 434,
439
Herzen, Alexander Iwanowitsch 745
Herzog von Noailles 729
Hesiod 364, 710 Hess (Heß), Moses 14, 20, 21, 82, 86, 93, 105,
106, 107, 108, 110, 113,114,115,116, 117, 119, 120, 121, 122, 123,124,131, 134,139, 140, 141, 147, 154, 157, 158,160, 161, 184, 185, 186, 189, 269, 285, 392, 419,431,434, 439,442,710
Hettner, Hermann Julius Theodor 142, 154,
155,156,266,271, 272,291, 292,601, 745 Heuser 660
Heuss-Knapp, Elly 43, 293 Hinners, Wolfgang 269 Hinrich 63 Hinrichs der Jüngere 745
Personenverzeichnis
884
Hinrichs, Hermann Friedrich Wilhelm 142, 740, 759 Hinrichsen, Adolf 320 Hinrichshofen, Wilhelm 665 Hippokrates von Kos 286, 609, 647, 775 Hitzig, Julius Eduard 248, 757 Hobbes, Thomas 232,624,657,673 Hock, Carl Ferdinand von 222, 653, 656 Hoff 660
Hoffbauer, Johann Heinrich 237 Hoffmann & Campe (Verlag) 47 Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich 77,94 Hoffmann, Ernst Theodor Amadeus 356 Hoffrneister, Johannes 243, 244 Hoffmeister, Karl 63
Höfling, Johann Friedrich Wilhelm von 736 Hofmann, Kaspar 721 Hohenlohe-Waldenburg-SchillingsfÜrst, Alexander Leopold, Prinz zu 599
Holbach, Paul Heinrich Dietrich Baron von 322, 585, 820 Hölderlin, Johann Christian Friedrich 63 Homer 337, 364, 399, 549, 581, 711 Honek siehe Cohen, Moriz Höppner, Joachim 125,137,171 Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 32, 399 Hoth 656 Hotho, Heinrich Gustav 38,149, 253, 259 Hross, Helmut 599 Hübner, Karl 112
Hugo.C. 14,132 Hugo, Victor-Marie
339
Humboldt, Alexander von 38, 63, 216, 217, 291, 477, 530, 670, 686, 727, 738, 745, 748, 749, 759, 760 Humboldt, Wilhelm von 63,91,605,767 Hume, David 579,810,811 Hundt, Martin 170,171 Hütten, Ulrich von 145, 239, 342, 630 Huxlex, Thomas Henry 819 I Ibben 460
Ilse, Leopold Friedrich 601 Imandt, Peter Michael 208
Iphigenia 549
Iselin, Isaak 91 Isis 605
Itzstein, Johann Adam von 373 J Jacobi
(Jakobi), Friedrich Heinrich 50, 350, 361, 569, 576, 577, 629, 631, 715, 767 Jacobi, Friedrich Ludwig 50 Jacobi, Klaus 236, 609, 737, 758 Jacoby 315,477 Jacoby, Johann 160,208,219,315,557
Jacques, Jean 650 Jacquinot, Nicolaus 210
Jaeschke, Walter 244, 258, 275, 695 Jahn, Friedrich Ludwig 65, 376 Jajadeva (Jayadeva, Dschajedewa) 599, 600 Jean Paul
(eigentlich Johann Paul Friedrich Richter) 32, 367, 368, 370, 581, 616, 630, 758, 762, 777, 800, 823 (Jehovah) 241, 607, 712, 633, 783,
Jehova 789
Jephthah 706 Jerrmann, Eduard 360 Jesus Christus, Jesus von Nazareth 102, 172, 215, 313, 348, 351, 390, 401, 505, 508, 584,608,687,783,784,801 Jodl, Friedrich 51,223,286,774,809 Johannes 347,348 Jones, W. 600 Jottrand, Lucien-Léopold 14, 132, 133, 140
Julia 658 Julie 283 Julius, Gustav 84,415,416 Jung 220 Jung, Arthur 567 Jung, Georg Gottlob 20, 107, 208, 557 Jung, Rudolf 194, 196, 198 Jungfrau zu Neuburg 644 Jungnitz, Ernst 84, 417, 420, 421, 422 Junius, Carl siehe Fröbel, Julius Jupiter siehe Zeus K Kahle 196
Kaiser, Bruno 89 Kanaas 706 Kanonikus 208, 557 Kant, Immanuel 18, 34, 71, 91, 111, 138, 197,
227, 228, 232, 233, 241, 256, 257, 258, 274, 279,287, 295, 298, 299, 320, 322, 323, 324, 349, 360, 361, 434, 479, 493, 500, 501, 504,
885
Personenverzeichnis •
559, 569, 576, 577, 588, 592, 605,606,607, 610,614, 618,636, 645,649, 650,655, 658, 667,676, 703, 704, 714,718,719, 726, 727, 755,763, 766, 767, 768,772,774,782, 788, 789, 790, 800, 809, 810, 811, 812, 813, 814, 815,818,819,820 Kantzenbach, Friedrich Wilhelm 738 Kapp 267,269, 284, 311, 788, 800 Kapp, August 275, 799, 800, 803, 805, 806 Kapp, Emilie, geb. Schuster 276, 806 Kapp, Friedrich Alexander 183, 196, 226, 262, 269, 277, 281, 283, 284, 293, 295, 303, 311, 312, 313, 744, 749, 750, 788, 789, 800 Kapp, Friedrich Christian Georg 90, 195, 196, 277, 285, 789 Kapp, Johann Erhard 800 Kapp, Johann Georg Christian 14, 62, 248, 254, 267,275, 290, 311,317, 319, 647,663, 697, 799, 800, 801, 802, 803, 804, 805, 806, 807
Kapp, Johanna 311 Kapp, Louise, geb. Engels 744 Karcher, Theodor 745
Karl der Große 490 Karl I. von England 533 Karsten, Gustav 698
Kats, Jacob 14,132,133 Kaub, Karl 604 Kaulbach, Wilhelm von 347 Kayser, Wilhelm 98, 99 Kehrbach, Karl 279 Keil, Ernst 307,310,793 Kent 402 Kepler, Johannes 654, 747, 752 Kerberos 776 Kern, Guide Joseph 316 Kemer 356 Khanikoff 296, 302, 765, 823 Khanikoff, Jakob von 748, 754 Khanikoff, Nikolai Wladimirowitsch 294, 296, 788 Kiehnbaum, Erhard 206, 208 Kinkel, Gottfried Johann 196,208, 557 Kircher, Athanasius 647 Kirchmann 809 Kirchmann, Julius Hermann von 665 Klausen, Rudolph Heinrich 33, 34 Kleinpaul, Karl Fürchtegott Immanuel 196
Kleinstück, Hans 593 Kleist, Heinrich von 584
Klopstock, Friedrich Gottlieb
154 Wilhelm 81 Klutentreter, Knapp 373 Knapp, Ernst Martin Christian Ludwig 287,
293,817,818
Knapp, Georg Friedrich 14, 293
Kobbe, Johann Jakob Ferdinand 27 Koch, Wilhelm Daniel Joseph 231, 609, 735, 757
Köchly
745
Kohl, Wilhelm 238, 240, 605, 756 Kohlrausch, Heinrich Friedrich Theodor 90 Kohut, Adolph 754 Kolb, Eduard Gustav 264 Kolb, Georg Friedrich 264, 745
Köllicker 745 Kollmann, Wilhelm Joseph 210 Kolumbus, Christoph 138 Konfuzius 522 König, Helmut 198 Konstantin 490 Kool, Frits 15,66 Kopernikus, Nikolaus 292, 665, 752 Koppe, Falk 25 Koppe, Jenny 25 Koppe, Manuela 16, 25, 42, 186, 215, 236,
240, 243, 252, 258, 286, 297, 316, 415, 418, 420, 561, 609, 737, 758, 788, 897 Koppen, Karl Friedrich 84, 85, 157,418 Kömer 208, 557 Kömer, Karl Theodor 30, 32 Kosch, Wilhelm 14 Köstler, Eberhard 310
Koszyk, Kurt 76 Kotzebue, August Friedrich Ferdinand
von
239
Krackrügge, Goswin 208, 557 Krause 631 Krause, Werner 15,66 Kriege, Hermann Rudolph
93, 94, 95, 108,
189, 192,214,543
Krag 349 Kuhlmann, Georg 170,171,172 Kuhn,J. 653,654 Kuhn, Johannes von Kühne, Ferdinand Gustav 41, 207, 208, 356 Kummer, Robert 795
886
Personenverzeichnis
Kürnberg, Ferdinand
748
Kutschera, Josef 794 Kyll, Ulrich Franz 208, 557 L La Fontaine, Jean de 403 Lachmann, Karl 779 Lacordaire 484 Lacrois, Albert 306 Laertes 383 Lamarck 728 Lamartine, Marie Louis Alphonse de 471 Lambert, Jakob Wilhelm 30 Lamennais, Hugues-Félicité-Robert de 484, 485, 486, 487, 488, 489, 490 Lamettrie 674 Lang, Carl Ludwig 14 Lange, Friedrich Albert 320, 321, 322, 324,
327,815,816 Lange, Joachim 660
Lanz, L. E. 89 Lassalle, Ferdinand 14, 20, 293, 294, 308 Laube, Heinrich Rudolf Constanz 41, 54, 155,355,356 Lauterbacher, Ignaz 758 Lear
359,360 Lechevalier, Jules 632 Leclair, Anton von 814, 820 Leda 789
Lefèvre, Wolfgang 24 Leffler, Gottfried Friedrich 506 Lehmus, Theodor 230 Leibniz, Gottfried Wilhelm 50, 62, 149, 172, 174, 195, 197, 228, 232,254, 255, 356, 388, 559, 560, 569, 571, 577, 579, 597, 623, 624, 626, 632, 633, 634, 635,636, 637, 638, 639, 640, 641,642, 643, 644,645, 646,651, 652, 653, 655, 656, 661, 666,673, 676, 687, 694, 705, 713,721, 736, 738, 740, 759, 760, 766, 769,770,771,777,819 Leidecker, Kurt F. 303 Lenau, Nikolaus (eigtl. Nikolaus Franz Niembsch Edler von Strehlenau) 30, 31, 32, 44, 46, 48, 49, 339, 340, 341, 344, 356, 622, 739 Lenel, Edith 269 Lengefeld, Charlotte von 738, 759 Leo, Heinrich 71, 482, 660
Lepidus
399
Leroux, Pierre Henri 135, 209, 268, 406, 466, 501
Lescaut, Manon 601 Leske, Carl Friedrich Julius 14, 123, 124, 125, 140, 164, 166, 414, 420 Leske, Carl Wilhelm 140, 164, 184, 186, 386, 415
Lessing, Gotthold Ephraim 50, 150, 165, 274, 313, 361, 363, 364, 365, 508, 630, 713, 717, 724, 755, 766, 779, 788, 800, 823,
824 Levita 189
Lewald, Fanny 291 Lewald, Johann Karl August 77 Lichtenberg, Georg Christoph 365, 618 Liebig, Justus von 14, 624, 817 Liebknecht, Wilhelm 189 Liebmann, Otto 815,817 Liede, Alfred 213 Lindner, Ernst Otto 672
Lipmann, S. P. 88 Lippmann, F. S. 88 Lipski, Wojciech von 208, 557 Lisiecki (Lisiecke), Florenty von 208, 557
List 88, 448 List, Friedrich 159 Lochner, Georg Wolfgang Karl 219, 248, 249 Locke, John 460, 645, 650, 673, 713, 740 Loe we, Carl 142 Löher, Franz von 208, 557 Lombardus, Petrus 268 Long 745 Louis Napoleon Bonaparte siehe Napoleon III. Louis Philippe, Herzog von Orleans, König von Frankreich 190,202,472 Löw 738, 746, 759, 761, 762, 822, 823 Löw, Bertha siehe Feuerbach, Bertha, geb. Löw Löw, Christoph Friedrich 738, 821, 822, 824 Löw, Maximiliane Sidonie, geb. von Streit 822 Loyola, Ignaz 518 Lucían 630 Lüdeking, K. 284,289 Ludwig I. Karl August, König von Bayern 62, 608, 758 Ludwig X. 490 Ludwig XI. 388,516
887
Personenverzeichnis
225, 262, 266, 267, 268,274, 306,331, 392, 393,416,424,430,435, 511, 656,697, 787
Ludwig XIV. 74,403,516,518 Ludwig XV. 516 Ludwig XVI. 452,516
Lüning, Heinrich Otto 14, 92, 93, 94, 95, 98,
107,108, 110, 113, 123,136, 152,189, 269, 286,294,746,762 Luther, Martin 97, 172, 173, 217, 221, 231, 269, 312 348, 387, 388, 401, 439, 493, 494, 495, 505, 603, 630, 646,678, 689, 699, 700, 701,717,749,783, 789
Lyell, Charles 749 Lykurg 171,364,365 M Macbeth 658 Maetze (Mätze), Ernst 208, 557 Magendie, François 255 Mager, Karl Wilhelm Eduard 90 Maier 356 Maizeaux 647 Majer, Friedrich 600 Malcolm 658 Malebranche, Nicolas 232, 241,
626, 628,
636, 653, 721 Malthus, Thomas Robert 522, 536
Mannskopf, Georg 32
Mannstein, Johann 206 Manteuffel, Otto Theodor Freiherr von 207 Marbach, Gotthard Oswald 49, 52, 53, 54, 352, 353, 354, 355, 356, 357, 362 Marcus (Markus) 294,750 Marggraff, Hermann 43, 44, 45 Maria 783, 784 Maria (Hl. Jungfrau Maria) 265, 401, 690
Maria Stuart 368 Marie Antoinette. Königin von Frankreich 517 MarkAurel 712 Marke 208,557 Markgraf Alexander. Christian Friedrich Carl Alexander 738 Markgraf von Ansbach 759 Marr, Friedrich Wilhelm Adolf 237, 277, 278, 279 Marx, Karl 15, 18, 20, 21, 33, 37, 38, 71, 78,
82, 84, 85, 93, 95, 115, 116, 117, 119, 131, 134, 144, 145, 160, 161, 163, 165,
97, 103, 105, 106, 120, 121, 122, 123, 152, 153, 154, 157, 168, 170, 172, 177,
107, 124,
159, 178,
Mathieu 306 Maurer, Friedrich Wilhelm German 160, 170,
171, 174 Mayer, Gustav 15 Mayer, Julius 777 Mayer, Julius Robert 642 Medicus, Fritz 545 Mehmel, Gottlieb Ernst August 248, 249, 255, 778 Mehring, Franz 15 Meidinger, J. B. 198,561 Meißner, Otto Karl 292, 293, 602, 718 Melaina, Elpis 796 Mendelssohn, Moses 420 Mendoza, Diego Hurtado de 481 Menzel, Adolph Friedrich Erdmann von 538 Menzel, Wolfgang 31, 53, 54, 115, 143, 340, 341, 344, 352, 353 Mephisto 341,685 Meslier, Johann 480, 505 Messerich, Jean Augustin 208, 557 Metternich, Clemens Wenzel Lothar Fürst von 47, 239, 448, 449, 477, 803 Metternich, Germain 193, 543 Mevissen, Gustav von 14
Meyen, Eduard 103 Meyer, Ahlrich 103 Meyer, F. 138 Meyer, Franz von 29 Meyer, Julius 94 Meyer, Matthias 312 Meyer, Wilhelm 745 Michel, Peter Alfred 237 Michelet, Carl Ludwig 274, 293, 569, 653, 736, 745 Milde, Karl August 208
Mill, John Stuart 324 Mirabeau, Honore-Gabriel-Victor Riquet Comte de 40, 358, 729 Mittermeier, Karl Josef Anton 125, 126
Mögling, Theodor 301 Mohammed (Muhamed) 357,783,784 Mohl, Robert von 14 Mohr, Jacob Christian Benjamin 218 Mohr, Martin 193,543 Mojsisovicz von Mojsvar, Johann August
Georg Edmund
797
888
Moleschott, Jacob 237, 280, 284, 289, 290, 291, 292, 295, 296, 307, 577, 581, 709, 717, 733, 761, 778, 788, 789 Molière 403, 625, 630, 660 Mönke, Wolfgang 15, 86, 105, 107, 114, 158, 184, 185, 392
Montaigne 650, 657
Montalembert 484 Montesquieu, Charles Louis de Secondât 448,
449, 450,451,452,453,454, 457,458,459, 460,466,468,476,788 Moses 505,783 Mosheim, Johann Lorenz von 231, 603 Müller 276,411 Müller, Adolf 43 Müller, Anton Mauritius 495 Müller, Carl Otfried 35 Müller, Hermann 205 Müller, Ildephons Johann Jakob 294, 304, 305, 734 Müller, J. 276 Müller, Joachim 142 Müller, Johann Georg 242 Müller, Johannes 723,763 Müller, Julius 276, 593, 686 Müller, KL. 603 Müller, Ludwig 45 Müller, Siegfried 593 Münch, Friedrich 284, 294, 788 Münchhoff, Ulrich 601 Münchhoff, Ursula 601 Mundt, Theodor 41, 54, 128, 157, 356 Müntzer (Münzer), Thomas 447, 485 Muß, Franz 794 N
Na'aman, Shlomo 15 NaT, Werner 78
Nagel, Christian Heinrich von 90 Nagele 290 Napoleon 353, 450, 538, 766 Napoleon I. (Napoléon Bonaparte) 821 Napoleon III. (eigentlich Charles Louis Napoléon Bonaparte) 22,292 Nauwerk (Nauwerck), Karl Ludwig Theodor 14, 20, 21, 73, 194, 196, 199, 301, 553, 559, 561 Neander, Johann August Wilhelm 607,608,756 Nefftzer, August 284,296
Personenverzeichnis Nemesis 369
Nepomuk (Hl. Nepomuk, Johann von Pomuk) 783, 784
Nero
(eigentlich Lucius
Domitius Ahenobar-
bus) 377 Nerrlich, Paul 14,73,223,331,745 Neuhaus, Karl 737 Neumann 208, 557 Newton, Isaak 636 Nicolin, Friedhelm 274 Nicolin, Günther 32 Nicolovius, Georg Heinrich Franz 42 Nikolai 349 Nikolaus I. 807 Niles, Peter 210 Nitzsch, Karl Immanuel
33, 34, 35, 569 Noack, Ludwig 14, 21, 159, 194, 195, 196, 197, 228,231, 249, 271,272, 553, 559, 560, 561, 603, 604, 605, 607,608, 618,620,645, 757, 817,820
Nölle-Hornkamp, Iris
46
Nolte, Wilhelm 170, 171 Norgate, Frederick 218,315 Nottebohm, Friedrich 28 Nottebohm, Martin Gustav 28,301 Novalis siehe Hardenberg, Friedrich von Novello, Clara 49
Georg Philipp
O
O'Connell, Daniel 351,359 Obermann, Karl 208, 555 Octavian 399
Oedipus (Ödipus)
364
Oelckers, Hermann Theodor 128, 566
Oettingen-Wallerstein, Ludwig Fürst zu 736 Olshausen, Theodor 301
Ophelia 383 Oppenheim, Dagobert 20 Oppenheim, Heinrich Bernhard 37, 293, 533 Oppermann, Heinrich Albert 37 Orest 364
Ormuzd siehe Ahura Mazda Orth, Elisabeth (Else, Elisa, Elise) siehe Grün, Elise, geb. Orth Oski, Beiname des nord. Gottes Odin 712 Oswald 402 Ottmann, Henning 157, 236, 609, 737, 758 Otto 208, 557
889
Personenverzeichnis
Otto, Carl 180,189 Otto, Louise 185,187,188
Ovid (Publius Ovidius Naso) 280,399,712 P
Paganini, Niccolô 487 Palaez (Palaez), Maciej 208, 557 Palm, Johann Philipp 821 Pape 795 Pape, Heinrich Eduard 208, 557
Parmenides von Elea 643 Parny, Evaiste Désiré Desforges 745, 746 Parze 490, 596 Pascal, Blaise 506,570,766 Pascha von Ägypten 508 Patricius 658 Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob 239, 240, 268, 604, 756 Pecqueur, Charles-Constantin 419, 499, 500, 501, 502, 503, 506 Pelger, Hans 99,160,161,162 Penelope 713 Pepperle, Heinz 157
Pepperle, Ingrid 214,311 Perikles (Periklei) 399, 715 Peters, Adolph 21,193,194,195,196,553,563
Peters, August 194 Peters, Emil 201 Petrarca, Francesco 630 Pfaff, Friedrich 29 Pfau, Ludwig 294, 296, 297, 298, 301, 305, 306, 307, 309, 718, 749 Pfautz, Karl Theodor 280 Pfizer, Gustav 354 Phidias 399 Philipp V. 490 Philipp, Don 421 Philippson, Gustav 414 Pietrzyk, Zdzislaw 244 Pilatus, Pontius 530 Pindar 399 Pirckheimer, Willibald 729, 765
Pitter, Anna Maria 29 PiusIX. 538 Plath 208, 557 Piaton 254, 286, 349, 353, 356, 363, 399,
449, 508, 524, 536, 582, 599, 633, 641, 727, 757 Plutarch 712
Pöggeler, Otto
274 Polonius 383 Pompejus, Gnaeus P. Magnus 399 Pomponatius, Petrus 644 Pontio 530
Posa, Marquis 421
Poseidon 629 Poske, Friedrich 703 Posto 768 Pott 745 Pott, August Friedrich 196 Potter, Louis Joseph Antoine de 14, 132, 133, 134 Prévost d'Exilés, Abbé Antoine François
601,631 Procháska, Georg 255
Prodikus 364 Proklus 694
Prometheus 146,398 Properz 34 Protagoras 364
Proudhon, Pierre-Joseph 14, 17, 19, 20, 21, 129, 130, 134, 135,137,138, 139,157,158, 159,160, 161, 162,163,164, 165,166,167, 168, 169, 170,177, 178,180, 190,209, 228, 305, 306,406,480,486,487,488, 507, 509, 511, 512, 513, 514, 521, 524, 529, 532, 533, 535,536,537,538,539,718,749 Pratz, Robert Eduard 68, 289, 658 Puchelt 290
Püttmann, Hermann 20, 93, 95, 107, 117, 140, 184, 423, 447, 479 Pütz, Wilhelm 90
Pythagoras
364
Q Quakerbrück 373, 374 Quesnay, François 517 R
Rachel, Georg W. 294 Radenhausen, Christian 310,795 Radowitz, Joseph Maria von 42 Raffael (eigentlich Raffaello Santi) 97, 401, 402
Rahl, Karl 229, 716 Rambo 208, 557 Ramm, Thilo 207 Ramus Petras (Pierre de la Ramée) 631, 658
Personenverzeichnis
890
Rang, Martin
173
Rasch, Gustav 301 Rau, Albrecht 294, 322, 815, 816, 817, 818, 819,820 Rau, Gottlieb 192,543 Ravaisson-Mollien, Jean Gaspard Félix 62 Rawidowicz, Simon 219, 273, 297 Reaumur, René-Antoine Ferchault de 255, 647
Rechenberg, Fr.
201
Recke, Elise von der 598, 599, 618 Redepennig, Ernst Rudolf 33, 34
Regulus 399
Rehmke, Johannes 820 Reich, Eduard Maria Anton Johann 309
Reichlin-Meldegg, Karl Alexander von 240
Reicke, Rudolf 317 Reiff, Jakob Friedrich 692
Reigersberg, August Lothar Graf von 282 Reigersberg, Heinrich Aloys Graf von 281
Rochau, August Ludwig roa,
von
Chouroa) 127
(Pseud.: Chu-
Rochussen 88
Röckel, August 14 Rodbertus, geb. von Prittwitz 206
Rodbertus-Jagetzow,
Johann Carl
14, 181,
205, 206, 207, 208, 209, 210
Rodenberg, Julius (eigentlich J. Levy) 317 Rodgers, John 796
Rokitanski, Carl von 605, 767, 819 Romeo 283, 658 Ronge, Johannes 95, 185, 189, 193, 493, 494, 495, 496, 497, 499, 500, 543 Rose, Ferdinand 196 Rosenkranz, Johann Karl Friedrich 39, 71, 111,142,154,155,208, 253, 256, 303, 605, 606,653, 654,665,668, 669,671,672
Rösing 284 Rösing, Johannes 745
Rosshirt 805 Roßmäßler, Emil Adolf 284 Rötscher, Heinrich Theodor 40, 41, 45, 49, 357, 359, 360
Reinhardt, Friedrich Wilhelm 15,42 Reinhold, Karl Leonhard 598, 618, 756 Reißen, Bernhard 210 Reiter, Herbert 205 Rempel, Rudolf 95, 189 Remy, Albert 29 Renan, Ernest 161,306,308 Reuß, Roland 584 Reuter, Robert 208, 557 Reybaud, Marie Roch Louis 128 Ribbentrop, Adolphe de 160, 262, 269, 270 Richard III. 164,402 Richter, Friedrich 567,631,632 Richter, Johann Paul Friedrich siehe Jean Paul Richter, Karl 208,557 Riedel, Carl (Karl) 103, 386, 568, 614, 663 Riedl, Gerda 14,42 Riehl, Alois 820 Riemer, Friedrich Wilhelm 63, 142 Rieser 284 Rieß, Adolf 84,418 Riesser (Rießer), Gabriel 414
burg-Rudolstadt 508 Ruge, Agnes 137 Ruge, Arnold 14,20, 55,67,69,70,71, 73, 74, 75, 104, 105, 107, 109, 110, 115, 117, 118, 124, 137, 160, 161,170, 186, 194, 195, 196, 223, 233, 248, 253, 254, 262, 263, 264, 267, 278, 281, 289, 303, 317, 331, 392,439, 547,
Ringgold, Calw. 796 Ringseis, Johann Nepomuk
553, 657, 658, 692, 697, 710, 740, 745, 759, 771, 787 Ruge, Ludwig 69, 745
Rindeschwender, Ignaz 373
von
71, 609,
691
Rittershaus, Friedrich Emil 301
Robespierre,
Maximilien-François-Marie-
Isidore de 368, 450, 466, 467, 501, 518
Rousseau, Jean-Jacques 158, 173, 404, 449, 450, 461, 462, 463, 464, 465, 466, 468, 469, 474, 475, 500, 501, 526, 584, 630, 749,771 Rousseau, Louis 482, 483, 484, 491 Roux,Ch. 171,489,492 Roux, Johann Adam Karl 248, 254, 255, 281, 597
Roy, Joseph 161, 270, 294, 306
Rückert, Johann Michael Friedrich 32, 336, 356, 664 Rudolstadt, Ämilie Juliane Gräfin zu Schwarz-
Rumpf, Peter 29 Rupieper, Hermann-Josef 205 Rupp, Heinz 14 Rutenberg 76
891
Personenverzeichnis S Sabellicus 630 Sachs, Hans 752,765 Sack, Karl Heinrich 33,34 Saint-Simon, Claude Henri de 19, 39, 96, 106, 126, 134, 139, 406, 419 Salomo, Gotthold 414 Salomon 34, 506 Sand, George (eigentlich Aurore Dupin, verh. Baronin Dudevant) 142, 155, 487, 508 Sand, Karl Ludwig 239 Sander, Adolf 373 Sänge, W. 672 Sänger, Jochen 109 Saphir, Moriz Gottlieb 45, 794 Sappho 356 Saß, Hans-Martin 214 Sauerländer, Wilhelm 27, 42, 66 Say, Jean Baptiste 159 Schaden, Emil August von 262, 273 Schäfer, Adolph 373 Schäfer, Gerrit 290 Schaller, Julius 196, 216, 217, 578, 740, 759 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von 50,
Schlesier, Gustav 351 Schloenbach, Karl Arnold 309 Schlosser, Friedrich Christoph 385 Schmalz 599 Schmidt 208, 557 Schmidt, Alexis 196 Schmidt, Alfred 320 Schmidt, Joseph Hermann 638 Schmidt, Julian 237, 308 Schmidt, Karl 196 Schmidt, Raymund 767
Schmiedicke, Philipp Sigismund 208, 557 Schmitter, Romina 188 Schmollnauer, Franz 794 Schmollnauer, Jakob 794 Schneider, Hans R. 213 Schneider, Karl 208, 557 Schneider, S. R. 125 Scholl, Karl 185, 186, 752, 754, 763, 765 Schopenhauer, Arthur 228, 256, 258, 259, 260, 287, 299, 325, 588, 606, 628, 629, 651, 669, 670, 671, 672, 698, 709,718, 719, 721, 722, 724, 725, 726, 727, 763, 768, 774, 775, 790,
813,814,819,820
72, 91, 134, 135, 139, 197, 228, 233, 254, 258, 259, 261, 267, 268, 274, 348, 349, 361, 559, 569, 573, 574, 610,613, 629,659, 662, 668, 692,696,697, 766, 767, 778, 801, 804 Schenk, Albert 29 Schenkendorf, Max von 30 Schenker, Lukas 304 Schibich, Joseph Viktor 228, 264, 265, 281,
Schombaum, Joseph 208, 557 Schott, Uwe 243, 603, 604 Schrader, Richard 203 Schramm, Karl 557 Schramm, Rudolf 208 Schreiber, Heinrich 73 Schreiber, K. G. 603 Schubert, Franz 28 Schubert, Friedrich Wilhelm 606
Schieder, Wolfgang 14, 15 Schiller, Friedrich 17, 18, 22, 32, 50, 54, 63, 64, 87, 91, 92, 182, 280, 353, 355, 359, 361, 369, 409, 434, 486, 568, 578, 606, 618, 688, 704, 715, 724, 738, 748, 755, 756, 759, 771, 806, 823 Schily, Victor 189,208,557 Schimmelpenninck van der Oye 88 Schirges, Gottlieb Georg 174,175,176,177 Schirlitz, Samuel Christoph 30 Schlegel 359,363 Schlegel, August Wilhelm von 33, 34, 63
Schücking, Christoph Bernhard Levin
294
Schlegel, Johann Rudolf 603
Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 50, 347, 348, 363, 530, 569, 573, 585, 592, 607, 608,688,691,756,774,823
Anton
Matthias 94
Schuckmann, Kaspar Friedrich von 599 Schuffenhauer, Heinz 198 Schuffenhauer, Werner 24, 198, 214, 230, 274, 275, 695, 725 Schuler, G. L. 57 Schulte, Wilhelm 92, 108 Schulte-Ahlen, Wilhelm 95 Schulz, Eduard (Pseud.: Eduard Ferrand) 43 Schulze, Johannes 507
Schuppe, Wilhelm
820
Schütte, L. 192,543 Schwab, August 32 Schwab, Gustav Benjamin 63 Schwarz Carl 216,217,220,567,569
892
Schwarz, Ferdinand Otto 208,557 Schwarz, Hermann 672 Schweitzer, Johann Baptist von 163 Sebus, Johanna 578 Seelbach, Adolph 29 Seelbach, Karl 29
Seidel-Höppner, Waltraud 125,137 Seidlitz, Georg von 324, 325, 326
Semele 353 Sengler, Jacob 71, 659, 691, 740 Shakespeare, William 39, 41, 60, 97, 164, 282,
283, 337,357, 359, 382,383,401,402, 578, 630,658
Sickingen, Franz von 239 Siebenkäs, F. St. 762
Siebenpfeiffer, Philipp Jacob
376 Siemann 205 Sievers, Eduard Wilhelm 280,282,283 Sigerist, Henry E. 767 Silberner, Edmund 15,315 Simon, Ludwig 293 Simon, Thomas 208, 557 Simony 797 Simson der Starke 505 Singer 76 Singer, Hanna 15 Sirach 753 Sisyphus 176 Skiba, Anton 208, 557 Skylla (Scylla) 524 Smith, Adam 159,536,588 Soiron, Alexander von 77, 209 Sokrates 262,347, 398, 399,401, 658, 801 Solger, Karl Wilhelm Ferdinand 800 Solon 364 Sophia 520 Sophie Charlotte von Hannover 644, 705 Sophie, Erzherzogin von Österreich 794 Sophokles 60, 337, 364, 399, 549, 593 Sotus 481 Spanier, Augustin 210 Sparta 407, 449, 455, 469
Späth 746, 761, 762 Specht, Karl August 218, 236 Speemann (Spemann), W. 809 Speidel, Ludwig 294, 301, 302 Spengel, Johann Wilhelm 703 Sphinx 522 Spicker, Gideon 812
Personenverzeichnis
Spielhagen, Friedrich 239 Spinoza, Benedictus 40, 49, 50, 51, 52, 97, 173, 220,228,232,241,259, 273, 349, 353, 354, 358,361, 362, 363, 364, 365,401, 402, 403, 567, 569, 571, 611,622, 623,624,626, 627, 628, 629, 632, 633,637, 641, 650, 651, 652, 653,694, 705, 717,735, 757,758, 760, 766, 769,770
Sprengel, Kurt 287 Sprink, Peter 210 St. Just 450 Stadler 738 Stadler, Johann Adam 759, 822 Stadler, Luise, geb. Löw 822 Stadler, Sidonie siehe Feuerbach, Sidonie Staengle, Peter 584 Stahl, Friedrich Julius 71, 208, 253, 258, 259, 653, 656, 659, 691, 771, 804 Stahr, Adolf Wilhelm Theodor 293 Stäudlin, Carl Friedrich 50, 707 Stefanoni, Luigi 294, 301, 302, 750, 788 Steffens, Henrik 91 Steger, Friedrich 78, 87, 375 Stegmann, Carl 14, 132 Steiler, Anton 206 Stein, Georg Joseph 708 Stein, Johann Adam 249, 614 Stein, Julius 208, 557 Stein, Lorenz 111, 125, 127, 128, 129, 130,
131,141,157 Steinbrecher, Katharina 794 Steinbrecher, Mathias 794 Steinmann, Friedrich 78
Stengel, Franz Freiherr von Stengel, von 804
84
Stief 754
Stirner, Max (eigentlich Johann Caspar Schmidt) 20, 103, 146, 166, 263, 277, 391, 781, 510, 512, 520, 524, 572, 589, 700 Stöber, Albert 57 Stöber, August 57, 80 Stöber, Daniel Ehrenfried 57, 484 Strassmaier, James 15, 43 Strauß, David Friedrich 23, 31, 45, 53, 63, 74, 75, 101, 102, 103, 109, 117, 214, 215, 219, 278, 283, 307, 309, 341, 350, 351, 352, 387, 389, 390, 565, 566, 578, 586, 590, 592, 602, 653,657, 677, 686, 687, 740, 759, 760, 761, 764,773,774,794,805,815
893
Personenverzeichnis
Streit, Feodor 189 Strave, Gustav von 185,301,309 Strave, Peter von 15 Sue, Eugène 181,407 Sueß, Eduard 309, 797 Synowski, Uwe 109,411 T Tacitus (Caius Cornelius T.) 454, 599
Taillandier, René-Gaspard (genannt SaintRené) 591,743 Taine, Hipployte Adolphe 766 Talleyrand, Charles Maurice de, Herzog von
Talleyrand-Perigord 452 Tappehom, Fr. 125 Tasso, Torquato 630
Telesius, Bernardino 656, 658 Temme, Jodacus Donatus Hubertus 207,301 Thaies von Milet 364 Themistokles 706 Thielbeer, Heide 196, 198 Thiers, Louis-Adolphe 65 Thiersch, Friedrich 90, 601, 737, 758 Thies, Erich 181, 261, 271, 627 Tholuck, Friedrich August Gotttreu 369, 689 Thomas von Aquin 630, 643, 648, 651 Thoré 136,466 Thunot 170 Tieck, Johann Ludwig 63,359 Tiedemann, Friedrich 255,290
Tyndall, John 324 Tyndareos 789 U
Ueberweg, Friedrich 317 Uhde-Bernays, Hermann Hans Friedrich 316 Uhland, Johann Ludwig 336,343, 356,739 Uhlich, Leberecht 95,493, 499, 502, 797 Ulfila 61
Ullmann, Carl 276, 593 Ullmann, Reinald 305 Ulrich 638 Ulrici, Hermann 292 Umbreit, Friedrich Wilhelm Karl 276, 805 Unruh, Victor von 207 Usbeck 460 V
Vaihinger, Hans 809, 811, 812, 813, 814, 815, 820
Vaillant, Marie-Edouard 161, 294, 306, 788 Valentin 356
Vallier.A. 284 Vanini, Lucilio 630, 644 Varnhagen von Ense, Karl August Ludwig Philipp 14, 140, 145, 148, 149, 169, 179,
204,205,206,207,208,209,210,303,745
Varnhagen von Ense, Rahel (geb. Levin)
Tiedge, Christoph August 30, 248, 249, 250, 598, 599, 618
Venus 427
Tocqueville, Alexis-Charles-Henri-Maurice Clérelde 566 Todt, Karl Gottlobe 373 Toebe (Tobe) 208, 557 Toland, John 457 Tomasoni, Francesco 214,275 Trendelenburg, Friedrich Adolf 768 Treviranus, Gottfried Reinhold 255 Trowitzsch 557
Vico, Giovanni Battista 91
Tilliard, Leon de 280, 284
Trox, Eckhard 15, 28, 43, 46, 78, 179, 180, 181,283
Troxler, Ignaz Paul-Vital 248 Trübner, Johann Nicolaus 287, 294 Trzebiatowski, Johann Friedrich Malotzki von 92
Tylor, Edward Burnett 703
356
Vatke, Johann Karl Wilhelm 109 Veit,A. 237 Verboeckhoven, Louis 306
Vergil (Publius Vergilius Marco) 399 Victoria 712
Vigerius 651 Villegardelle, Pierre-François Montand de
509
Villemain, Abel 42,61 Vinci, Leonardo da 624 Vincke, Georg von 207 Virchow, Rudolf 605, 745
Virgil
712 Virgilius 630 Vischer, Friedrich Theodor von 142, 196, 199, 745 Vives, Ludovicus 658 Vogt, Christoph Carl 14, 229, 293, 294, 295, 296, 307, 748, 817 Vogt, Gustav 14,229
Personenverzeichnis
894
Volkhausen, August Ernst 504 Vollbrecht, Renate 297 Voltaire (eigentlich François Marie Arouet de) 404, 427, 629, 630,650, 749, 770 Voß, Johann Heinrich 63,239 Vossenkuhl, Wilhelm 236, 609, 737, 758 W
Wachler, Ludwig 90 Wachsmuth, Ernst Wilhelm Gottlieb 70 Wächter, Ferdinand 706
Wagner 357 Wagner, Moriz 566 Wagner, Rudolph 295
Wahl, Volker 92 Waldeck, Benedikt Franz Leo 208, 557
Weydemeyer, Joseph 20, 95,269 Weyprecht, Karl 817 Widmann, Adolf 276 Wiedasch, August Ernst 30, 90 Wieland, Christoph Martin 32, 154 Wienbarg, Ludolf Christian 41, 54, 57, 355,367 Wigand, Hugo Carl 295 Wigand, Otto Friedrich 84, 188, 191, 214, 222, 225, 226, 237, 262, 263, 266, 267, 268, 275, 276, 280, 281, 295, 298, 307, 415, 439, 572, 595, 597, 660, 741, 744, 773, 778, 799,
141, 194, 264, 284, 596, 801,
806
Wihl, Ludwig 14,196 Wildenbruch, Ernst von 320
Waldemar 556
Wilhelm III.
Walder, Ernst 78 Walesrode, Ludwig Reinhold 14,20, 189, 293,
Williams, Edmund Sydney 218,315 Windelband, Wilhelm 590, 664, 771, 811,
315 Wallenstein 745 Wallner, Jakob 794 Walter, Stephan 287 Walthr, Friedrich 180
Warnkönig, Leopold August 125,126 Warweiler, Johann Peter 210 Waser, R. von 794 Waszek, Norbert 39 Watzdorf, Otto von 373 Weber, Johann Jakob 597 Weber, Marie-Lise 189 Weber, Wilhelm Eduard 38
Weger, A. 229
Wehler, Hans-Ulrich 277, 800 Weidmann 331 Weigel, Hans 403 Weiß, Guido 73,219,224, 285, 565,781,788 Weiße, Christian Hermann 36, 350 Weitling, Wilhelm Christian 95, 170, 171,
277,418 Welcker, Friedrich Gottlieb 30, 33, 34, 35 Welcker, Karl Theodor Georg Philipp 77, 209, 373 Weller, Emil Ottokar 20, 89 Wemk, F. A. 603 Wendt, F. Mathilde 294, 301, 302 Werder, Karl Friedrich 38, 39, 40, 45, 49, 357, 358, 359, 736 Wesendonck, Hugo Maximilian 208, 557
von
Oranien 460
820
Windischgrätz, Alfred Fürst 204 Windischmann, Karl Joseph 36 Winkelried 348
Winkler, Joseph 795, 796 Winkler, Karl Gottfried Theodor (Pseudonym: Theodor Hell) 13,42, 54, 56 Winter, Christian Friedrich 218, 315, 777, 781, 797 Wirth, J. U. 292 Wirth, Johann Georg August 196, 376 Wislicenus, Gustav Adolf 95, 493, 495, 499, 500, 502, 503, 504, 745 Wolff, Christian von 579, 659, 694 Wolffson, Isaak 37 Wollweber, Wilhelm 29 Wömer, Arnold 29 Wrangel, Friedrich Heinrich Ernst von 186, 207
Wüger,C. 294
Wundt, Wilhelm Maximilian 325, 819 Z Zachariae
(Zachariä), Heinrich Albert 125, Zeisig, Adolf 196 Zeller, Eduard 216, 217
126
Zelter, Carl Friedrich 363 Zenz, Emil 42, 202 Zeus (Jupiter) 146, 241, 347, 353, 427, 507, 629,711,716,740,789
Personenverzeichnis
Ziegler, Franz Wilhelm 208, 557 Zimmer, Johann Georg 218 Zimmermann 745
Zimmermann, Georg 194, 553 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Reichsgraf von Z. und Pottendorf 226, 295, 312, 317, 749
895
Zite, Franz Heinrich 193,543 Zöllner, Johann Carl Friedrich 637, 654, 698
Zschokke, Johannes Heinrich Daniel 795 Zunderer, Carl 208, 557
Abbildungsnachweise
Abbildung 1(1. Bd., S. 9): Sammlung Privatarchiv Manuela Koppe. Original Österreich.
im Heimatmuseum Bad Goisern,
Abbildung 2(1. Bd., S. 396): Staatsbibliothek besitz.
zu
Berlin Preußischer Kulturbesitz, Bildarchiv Preußischer Kultur-
Abbildung 3 (2. Bd., S. 445): Sammlung Privatarchiv Manuela Koppe. Original Österreich.
Abbildung 4 (2. Bd., S. 594): Sammlung Privatarchiv Manuela Koppe.
im Heimatmuseum Bad Goisern,
tHà*â*ak*miàiÈiÊià*mmmmÊmÊà»mi\*-ima*t*0*mimm*^
Abbildung 3: Fotografie von Karl Grün mit seiner Frau Marie.