Ausgewählte Journale (de Gruyter Texte) (German Edition) 3110282747, 9783110282740

In dieser Studienausgabe werden zentrale und repräsentative Texte aus der Deutschen Søren Kierkegaard Edition zusammenge

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German Pages 692 Year 2013

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung
Zur Geschichte von Kierkegaards literarischem Nachlass
Zur Charakterisierung des literarischen Nachlasses
Zu den für die vorliegende Ausgabe ausgewählten Texten
Abkürzungen und Siglen
Journale und Aufzeichnungen
Journal AA
Kommentar zu Journal AA
Journal DD
Kommentar zu Journal DD
Journal HH
Kommentar zu Journal HH
Journal JJ
Kommentar zu Journal JJ
Notizbuch 15
Kommentar zu Notizbuch 15
Anhang
Karten
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Ausgewählte Journale (de Gruyter Texte) (German Edition)
 3110282747, 9783110282740

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De Gruyter Texte

Søren Kierkegaard

Ausgewählte Journale Band 1

Herausgegeben von Markus Kleinert und Gerhard Schreiber

De Gruyter

Die Deutsche Søren Kierkegaard Edition, der die Texte dieses Bandes entnommen sind, wird herausgegeben von Niels Jørgen Cappelørn, Hermann Deuser, Joachim Grage und Heiko Schulz in Zusammenarbeit mit dem Søren Kierkegaard Forskningscenter in Kopenhagen.

Umschlag unter Verwendung einer Zeichnung von Niels Christian Kierkegaard aus dem Jahr 1838.

ISBN 978-3-11-028274-0 e-ISBN 978-3-11-028275-7 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. 쑔 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

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Inhalts verze i c h n i s

Inhaltsverzeichnis Vorwort

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Einleitung xi Zur Geschichte von Kierkegaards literarischem Nachlass Zur Charakterisierung des literarischen Nachlasses Zu den für die vorliegende Ausgabe ausgewählten Texten

xi xiii xvi

Abkürzungen und Siglen xxi Journale und Aufzeichnungen Journal AA Kommentar zu Journal AA

1 61

Journal DD Kommentar zu Journal DD

119 219

Journal HH Kommentar zu Journal HH

297 317

Journal JJ Kommentar zu Journal JJ

323 501

Notizbuch 15 Kommentar zu Notizbuch 15

631 651

Anhang Karten 657

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Inhaltsverze i c h n i s

Vorwor t

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Vorwort Søren Kierkegaard (1813-1855) hat die Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts massiv beeinflusst. Sein Werk hat nicht nur unübersehbare Spuren in den Wissenschaften hinterlassen, sondern auch lebensweltliche Verstehensprozesse mitbestimmt – ein Vorgang, der sich auch im 21. Jahrhundert fortsetzt und weiter fortsetzen wird. Der 200. Geburtstag des dänischen Philosophen, Theologen und Schriftstellers am 5. Mai 2013 wird die Bedeutung und die Aktualität seines Denkens und Schreibens erneut vor Augen führen. Im Blick auf die Kierkegaard-Forschung im engeren Sinne belegen zahlreiche Tagungen, Symposien und Konferenzen internationalen Zuschnitts ebenso nachdrücklich wie die einschlägigen Bibliographien, dass die Beschäftigung mit Kierkegaards Œuvre gerade in den letzten Jahren und Jahrzehnten einen enormen Aufschwung genommen hat. Das editorische Großprojekt der seit 1997 in Kopenhagen erscheinenden historisch-kritischen Gesamtausgabe der Werke und des literarischen Nachlasses unter dem Titel Søren Kierkegaards Skrifter (SKS) ist in diesem Zusammenhang mehr als nur ein paradigmatisches Symptom. Denn die neue Werkausgabe hat zusammen mit den vielfältigen Anstößen und Initiativen des Kopenhagener Søren Kierkegaard Forschungszentrums, das die Editionsarbeiten verantwortet, die bezeichnete Entwicklung zugleich eingeleitet und entscheidend gefördert. Die Deutsche Søren Kierkegaard Edition (DSKE), deren erster Band (DSKE 1) 2005, deren zweiter (DSKE 2) 2008 und deren dritter (DSKE 3) 2011 erschien, bildete von Anfang an einen integralen Bestandteil der Forschungsarbeiten in Kopenhagen. Die Notwendigkeit einer neuen Übersetzung ist gerade im deutschen Sprachraum offensichtlich. Einige der bislang vorliegenden Übersetzungen sind in sprachlich-stilistischer Hinsicht nicht mehr zu verantworten. Insbesondere die bisherigen deutschen Ausgaben von Kierkegaards literarischem Nachlass – vor allem seiner Journale, Notizbücher und Aufzeichnungen – sind in vielerlei Hinsicht unbefriedigend, da sie auf philologisch überholten Voraussetzungen sowie auf einer problematischen Textauswahl beruhen und nur ein sehr lückenhaftes und selektives Bild von Umfang und Inhalt seiner ›Tagebücher‹ vermitteln. Es ist dieser Befund, der den Bedarf an einer vollständigen deutschsprachigen Neuausgabe besonders dringlich erscheinen ließ. Daher setzte DSKE bei und mit diesem Teil des Gesamtwerkes ein. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft anschubfinanzierte und zunächst vom Fachbereich Evangelische Theologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie vom Søren Kierkegaard Forschungszentrum der Universität Kopenhagen getragene

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Forschungs- und Editionsprojekt zielt vor allem darauf ab, die deutschsprachige Kierkegaard-Rezeption auf eine neue, philologisch wie sprachlich adäquate Grundlage zu stellen. Zu diesem Zweck werden nicht nur der Textbestand von SKS, sondern auch die dazugehörigen editorischen Berichte sowie die Realkommentare in adaptierter Form zugänglich gemacht. Die deutschsprachige Ausgabe schließt sich hierbei dem Text und den editionsphilologischen Grundsätzen der dänischen Referenzausgabe weitestgehend an. Das Jubiläumsjahr 2013 wird die Forschung durch zahlreiche Veranstaltungen und wissenschaftliche Publikationen nochmals intensivieren, und auch in der nichtakademischen Öffentlichkeit wird die Aufmerksamkeit auf Kierkegaard gerichtet sein: Die zu erwartende Präsenz auf dem Buchmarkt, in den Feuilletons und in den Medien wird vielen Lesern Gelegenheit geben, ihn (neu) zu entdecken. Die Herausgeber der DSKE nehmen dies zum Anlass, den ersten Band einer Studienausgabe vorzulegen und damit zentrale Teile der bislang erschienenen Bände einer breiteren Leserschaft vorzustellen. Als Prinzip dieser Auswahlausgabe stand von vornherein fest, dass die Einheit der Textgruppen nicht zerstört und daher nur komplette Journale und Notizbücher in die Studienausgabe übernommen werden sollen, um einen Einblick in die Denk- und Schreibwerkstatt Kierkegaards zu ermöglichen. Außerdem werden die Kommentare zu den ausgewählten Journalen und Notizbüchern, welche Erläuterungen zum historischen Kontext und zu den von Kierkegaard verwendeten Quellen enthalten, jeweils vollständig aus der Gesamtedition übernommen. Lediglich auf den Abdruck der editorischen Berichte wurde hier verzichtet, von den Anhängen wurden zwei Karten übernommen (was zur Folge hat, dass in vereinzelten Fällen Verweise innerhalb der Kommentare bzw. auf Karten im Anhang ungültig werden). Interessierte Leser seien diesbezüglich auf den jeweiligen Band der DSKE verwiesen, wie im Übrigen die Studienausgabe generell zur Lektüre der ›akademischen‹ Ausgabe anregen und ermuntern soll. Erleichtert wird dies unter anderem dadurch, dass der Seitenumbruch in beiden Ausgaben identisch ist. Zu diesem Zweck wurde eine doppelte Paginierung eingefügt: In der Kopfzeile erscheint außen fortlaufend die Seitenzählung der Studienausgabe, innen in eckigen Klammern die Paginierung aus DSKE. Die Studienausgabe der Journale und Aufzeichnungen ist auf mehrere Bände angelegt; diese sollen sukzessive, d.h. im Gefolge der auf elf Bände berechneten Gesamtübersetzung dieses Textkonvoluts erscheinen. Für die Übersetzung bzw. Bearbeitung von Text und Kommentar der DSKE konnten ausgewiesene Fachleute aus dem Umkreis der Kierkegaard-Forschung im engeren Sinne bzw. der Skandinavistik gewonnen werden. Leitziel der Übertragung war ein wechselseitiger hermeneutischer Erschließungsvorgang: Kierkegaards kulturelles Milieu sollte auf dem Wege der Übersetzung in unser eigenes sprachlich transformiert, dieses umgekehrt durch jenes erhellt und mit ihm vermittelt werden. Dieser Übertragungsvorgang hat dem sprachlich wie kulturell Eigentümlichen, Fremdartigen, zuweilen Sperrigen der dänischen Sprache und Kultur des 19. Jahrhunderts im Allgemeinen sowie den Idiosynkrasien Kierkegaards im Besonderen Rechnung zu tragen; ebenso dem Anspruch, mit dem

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Bemühen um das Eigene des Anderen dieses Andere gleichwohl als das Andere des Eigenen durchsichtig werden zu lassen. In der Vermittlung zwischen dem Gebot historischphilologischer Treue zum Original einerseits und dem Gebot der wechselseitigen kulturellen Verschmelzung und Assimilation andererseits sollte eine nicht nur sachlich und stilistisch adäquate, sondern auch und vor allem lesbare Übertragung erreicht werden. Mit der Reproduktion der DSKE-Vorlage gelten deren Prinzipien auch für die vorliegende Studienausgabe. Ob sie erfolgreich umgesetzt wurden – dies zu beurteilen, muss dem Urteil des Lesers überlassen bleiben. Abschließend gedankt sei an dieser Stelle zunächst denjenigen, die auf vielfache Weise dazu beigetragen haben, dass die maßgebliche dänische Kierkegaard-Edition SKS (die mit vollem Recht als ein Geschenk an die Dänen bezeichnet wurde) im Rahmen der DSKE nun auch auf Deutsch zugänglich gemacht wird: der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, namentlich ihrem Geschäftsführer, Herrn Prof. Dr. Heinrich Meier, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Danske Kulturministerium und dem Ministerium for Videnskab, Teknologi og Innovation sowie dem Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt und Herrn Prof. Dr. Hans Joas. Ohne ihr Engagement und ihre Unterstützung wäre auch diese Studienausgabe nicht möglich geworden. Bedanken möchten wir uns auch bei Herrn Prof. Dr. Heinrich Anz und Herrn Dr. Richard Purkarthofer, die als Reihen- bzw. Bandherausgeber an den ersten zwei Bänden der DSKE beteiligt waren. Dass das Werk nun auch als Studienausgabe erscheinen kann, verdanken wir, last but not least, dem Verlag De Gruyter – namentlich der sachkundigen Betreuung durch Frau Dr. Sabine Krämer und Herrn Dr. Albrecht Döhnert, schließlich der Initiative und vielfachen Unterstützung durch Herrn Prof. Dr. h.c. mult. Klaus G. Saur, den ehemaligen Geschäftsführer des Verlages. Die Herausgeber Niels Jørgen Cappelørn (Kopenhagen) Hermann Deuser (Frankfurt am Main und Erfurt) Joachim Grage (Freiburg) Heiko Schulz (Frankfurt am Main)

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Einleitung Søren Kierkegaard hat sich selbst als Schriftsteller verstanden, genauer: als ›Schriftsteller des Religiösen‹ – und das ist zutreffend gerade auch dann, wenn seine genialen Beiträge zur Psychologie, (Existenz-)Philosophie und Theologie als Hauptleistungen seines Werkes wie seiner Wirkung angesehen werden. Die ebenso prophetischen wie detailstarken Analysen der menschlichen und christlichen Existenz unter den Bedingungen des ›Reflexionszeitalters‹ wären nicht möglich gewesen, ohne die notwendige Indirektheit des Zugangs zum eigenen wie zum Selbst des Anderen zu respektieren und schriftstellerisch umzusetzen. Aus dem thematischen Was in der Existenzbeschreibung wird so immer zugleich ein Wie, das die Aneignungsmöglichkeiten dessen reflektiert und im Medium der indirekten Mitteilung provoziert, was zwischen Sache und Person, Inhalt und Form, Objektivität und Subjektivität zur Debatte steht. Diese leitende Aufgabenstellung, den humanen Existenzverhältnissen erneut und endlich wieder gerecht zu werden, zwingt zur Sprachtheorie und Sprachpraxis, macht Kierkegaard zum Schriftsteller – und damit zum Analytiker der Moderne. Sein Gesamtwerk ist nach Sachgehalt und strategischer Anlage bis in die feinsten Verästelungen von dem Willen gekennzeichnet, dieser Aufgabe gerecht zu werden; und es ist damit als Ganzes exemplarisch für die kritische Selbstbehauptung der Humanität in der Tradition und Gegenwart europäischen Denkens.

Zur Geschichte von Kierkegaards literarischem Nachlass Der literarische Nachlass Kierkegaards hatte eine bewegte Geschichte, bevor er 1875 in die Sammlungen der Universitätsbibliothek und schließlich in die der Königlichen Bibliothek zu Kopenhagen eingegliedert wurde. Nicht nur die Archivare waren sich der Bedeutung dieser Manuskripte bewusst, als sie diese während des Zweiten Weltkrieges ins Esromer Kloster nördlich von Kopenhagen in Sicherheit brachten. Auch Kierkegaard selbst war sich darüber im Klaren, dass nach seinem Tod jedes einzelne davon Gegenstand sorgfältiger Untersuchung werden würde. Nicht zuletzt deshalb traf er Vorkehrungen für seinen eigenen Nachlass. Etwa 1848 oder 1849, während der Zeit, in der er dem Kopenhagener Philosophieprofessor Rasmus Nielsen nahestand, erwog er, diesen mit der Herausgabe seines ganzen literarischen Nachlasses, der Manuskripte, Journale usw. zu betrauen. Davon nahm er später wieder Abstand, vermutlich aufgrund der gegenseitigen Verbitterung, die sich in diesem Verhältnis inzwischen eingestellt hatte. Es war aber auch

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nicht, wie testamentarisch vorgesehen, seine einstige Verlobte Regine Schlegel, geb. Olsen, sondern sein Neffe Henrik S. Lund, in dessen Hände der Nachlass wahrscheinlich bereits Ende November 1855 kam. Er betrachtete sich eine Zeit lang als legitimer Sachwalter in dieser Angelegenheit, und obwohl er den Nachlass schon kurz nach Kierkegaards Tod selbst herausgeben wollte, kam er damit nicht weiter als bis zu einem nicht ganz vollständigen Verzeichnis der Manuskripte. Zunächst inventarisierte er sie, vermerkte deren Anordnung und erstellte schließlich ein Verzeichnis (L-fort., datiert auf den 17. Januar 1856), in das er die Inventarnummer und eine knappe Inhaltsangabe aufnahm. Dies geschah höchstwahrscheinlich in Kierkegaards letzter Wohnung. Obwohl Lunds Verzeichnis unvollständig ist, bietet es die erste ausführliche Beschreibung des Materials, die zugleich wichtige Aufschlüsse über die Anordnung der ursprünglichen Überlieferungsträger gibt. Anfang 1856 versuchte Lund, dem Jugendfreund Kierkegaards Emil Boesen die Herausgabe des Nachlasses zu übertragen. Der lehnte jedoch ab, nicht zuletzt deswegen, weil er mittlerweile Kaplan in einer von der Hauptstadt weit abgelegenen Pfarrei geworden war. Anfang 1858 wurden die Manuskripte (möglicherweise nicht alle) an Kierkegaards Bruder, den damaligen Bischof von Aalborg, Peter Christian Kierkegaard, geschickt. Nachdem dieser Der Gesichtspunkt für meine Wirksamkeit als Schriftsteller 1859 aus dem Nachlass herausgegeben hatte, ließ er die Sache auf sich beruhen, bis er 1865 den Juristen und ehemaligen Journalisten Hans Peter Barfod damit beauftragte, die nachgelassenen Papiere durchzusehen, zu registrieren und auch – wovor er selbst zurückscheute – zu publizieren. H.P. Barfod erstellte ein neues Verzeichnis (B-fort.), das nicht nur den Umfang der einzelnen Überlieferungsträger registriert, sondern auch Datum, Überschriften bzw. Anfangswörter und das darin behandelte Thema. Er datierte es auf den 11. November 1865 – den zehnten Todestag Kierkegaards. Erst im Herbst 1867 erhielt H.P. Barfod dann die Erlaubnis von P.C. Kierkegaard, mit der Herausgabe zu beginnen. Er veröffentlichte einen beträchtlichen Teil des Nachlasses unter dem Titel Af Søren Kierkegaards Efterladte Papirer (EP) in den Jahren 1869 bis 1881. Die Herausgabe der letzten fünf Bände ab 1879 besorgte in der Hauptsache der aus Wernigerode stammende Theologe und Pfarrer Hermann Gottsched. H.P. Barfod wollte mit dieser, die ursprünglichen Texteinheiten zumindest teilweise respektierenden, chronologisch geordneten Ausgabe die Grundlage für eine zukünftige Biographie schaffen. Unglücklicherweise behandelte er die Manuskripte in einer für heutige Begriffe leichtsinnigen Weise und verwendete diese selbst als eine mit seinen eigenen Anmerkungen bzw. Streichungen versehene Druckvorlage. Nicht wenige Aufzeichnungen (etwa ein Fünftel der Eintragsnummern von EP I-II) kamen aus der Setzerei nicht mehr zurück und gingen für immer verloren. Barfods Ausgabe stieß anfänglich auf heftige und auch kleinliche Kritik, die sich aber verhältnismäßig rasch wieder legte – zieht man den sehr kurzen Zeitraum, der seit dem Tod Kierkegaards vergangen war, und die kontroversen Themen, die im Nachlass behandelt sind, in Betracht.

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Eine umfassendere und philologisch genauere Ausgabe des Nachlasses erfolgte durch Peter Andreas Heiberg, Victor Kuhr und Einer Torsting in Søren Kierkegaards Papirer (Pap.). Die Herausgeber ordneten die ungeheure Menge der Aufzeichnungen teils unter chronologischem, teils unter thematischem Gesichtspunkt. Beides erwies sich als zu einem nicht unerheblichen Grad vom Urteil der Herausgeber abhängig und führte zu einer Aufteilung der ursprünglichen Texteinheiten der Überlieferungsträger in drei Gruppen: A) Aufzeichnungen mit Tagebuchcharakter, B) Entwürfe, Studien und Bemerkungen zu veröffentlichten Werken, C) Aufzeichnungen, die sich auf das Studium beziehen, wie etwa Buchexzerpte und Vorlesungsnotizen. Vor allem die Gruppe C wurde weiter in Theologica, Philosophica und Aesthetica unterteilt, was die Auflösung des ursprünglichen Textzusammenhanges noch weiter vorantrieb. Entgegen der Absicht der Herausgeber ist auch diese Ausgabe nicht vollständig; sie wurde zunächst durch die Ausgabe der Briefe (B&A) und später, im Zuge der zweiten Auflage von Pap., durch zwei Ergänzungsbände erweitert. Zu dieser zweiten Auflage von Pap. ist zu bemerken, dass ihr ein dreibändiger Index (1975-1978) von Niels Jørgen Cappelørn beigefügt wurde, der die Erschließung der Aufzeichnungen wesentlich erleichtert. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass EP und Pap. den Hintergrund für einen Großteil der bisherigen Rezeptionsgeschichte bilden und diese durch ihre jeweiligen Eigentümlichkeiten auch wesentlich mitgeprägt haben; EP vor allem durch das biographische Anliegen, Pap. durch die eigenwillige Anordnung des Materials. Erst mit Søren Kierkegaards Skrifter (SKS) erscheinen ab 1997 die Aufzeichnungen vollständig und in der Anordnung, wie sie von Kierkegaard selbst niedergeschrieben worden sind.

Zur Charakterisierung des literarischen Nachlasses Als Gegenstück zu den von Kierkegaard selbst publizierten Werken bezieht sich der Ausdruck Nachlass als umfassendste und neutrale Bezeichnung auf die schriftliche Hinterlassenschaft Kierkegaards. Davon ausgenommen sind die erhaltenen Dokumente sowie die Bibliothek, wobei letztere durch Randbemerkungen, Unterstreichungen, Gebrauchsspuren und markierte Blätter in Kierkegaards eigenen Büchern durchaus nicht unerheblich für die Rekonstruktion von Kierkegaards Arbeitsweise und für die Quellenforschung ist. Kierkegaard selbst bezieht sich auf das, was wir heute als seinen Nachlass betrachten, mit dem Ausdruck »meine Papiere« und sogar mit »meine nachgelassenen Papiere«.1 Ein Teil davon wird von ihm als »Tagebücher« bezeichnet.2 Charakteristisch für die literarische Form ›Tagebuch‹ ist das chronologisch geordnete, regelmäßige Aufzeichnen von inneren und äußeren Erfahrungen. Nicht nur Ereignisse des eigenen 1 2

Cf. z.B. JJ:95 in SKS 18, 169f. / DSKE 2, 174, bzw. NB6:75 in SKS 21, 57. Z.B. NB11:135.a in SKS 22, 81.

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Lebens und Schaffens, sondern zum Teil auch solche des politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Zeitgeschehens bilden also den Gegenstand. Insofern kann die literarische Form ›Tagebuch‹ als Vorstufe der Memoirenliteratur betrachtet werden. Neben der nur selten gebrauchten Bezeichnung ›Tagebuch‹ verwendet Kierkegaard für Teile seiner unveröffentlichten Aufzeichnungen zunächst auch den Ausdruck ›Bücher‹, was sich schlicht auf deren äußerliche Form bezieht, da es sich dabei um vorweg gebundenes Papier handelt. Erst später, etwa ab Anfang 1844, verwendet er auch den Ausdruck ›Journale‹ – und zwar meist für eine bestimmte Gruppe von Aufzeichnungen: für diejenigen nämlich, die sich im Band mit der Aufschrift ›JJ‹ befinden, ferner für diejenigen, die in den Bänden mit den Aufschriften NB sowie NB2-36 gesammelt sind.3 In den veröffentlichten Werken Kierkegaards bezeichnet der Ausdruck ›Journale‹ meist Zeitungen sowie wissenschaftliche oder gelehrte Zeitschriften. In einem an die Buchhaltung anknüpfenden Sinn kann er damit aber auch ein Verzeichnis der täglich anfallenden Geschäfte sowie seine eigenen Notate bezeichnen, die ja nicht selten auch eine Art Rechenschaft über sich selbst ablegen. Der hinreichend unscharfe Ausdruck ›Journal‹ ist dafür nicht unpassend und sollte – nicht nur, weil Kierkegaard ihn selbst verwendet, sondern auch, weil die Bezeichnung ›Tagebücher‹ zu sehr auf Privates und bloß biographisch Relevantes weist – auch in der deutschsprachigen Kierkegaard-Forschung verwendet werden. Wenn auch in mehreren Strängen verlaufend, mussten diese Aufzeichnungen einerseits naturgemäß chronologisch geordnet sein, um die eigene Entwicklung augenfällig zu dokumentieren. Andererseits handelt es sich eben auch nicht um Tagebücher im engeren Sinne. In Der Gesichtspunkt für meine Wirksamkeit als Schriftsteller hat Kierkegaard zumindest andeutungsweise seine eigenen Journale in dem erwähnten buchhalterischen Sinn der Sphäre des Gedächtnisses zugeordnet, während die Tagebücher zu jener der Erinnerung gestellt werden4 – das Gedächtnis zielt ja bei Kierkegaard bekanntlich auf eine beinahe mechanisch-treue Wiedergabe von Ereignissen, während man in dem, was er als Erinnerung bezeichnet, freier, poetischer, sozusagen in einem wiederschaffenden Verhältnis zum Erinnerten steht. Dennoch können die Journale nicht unkritisch als verlässliche autobiographische Selbstdarstellung genommen werden. Konnte das Tagebuch als literarische Gattung im Allgemeinen auch bekenntnishafter und verinnerlichender und eben deshalb im 17. und 18. Jahrhundert im Pietismus eine beliebte literarische Form sein, so ist damit nicht gesagt, dass dem Journal – wenn auch nüchterner in seiner Gestaltung – diese Elemente gänzlich fehlen. Insofern es nämlich den Rahmen auch einer autobiographischen Selbstdarstellung bildet, stoßen wir darin eben auf das Problem – oder, wenn man so will, den Reiz – jeder Selbstdarstellung: Kierkegaard bedient sich auch hier eben jener Masken und Verkleidungen, die das autobiographische Ich im Zuge der Selbstporträtierung immer wieder benutzt, um sich in der Verkleidung ebenso nachdrücklich zu enthül3 4

Barfod gibt allein den Umfang dieser NB-Journale mit 7600 Seiten an, cf. EP I, p. VII. Cf. SKS 16, 52 / GWS 67.

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len wie umgekehrt in der nur scheinbar vorbehaltlosen Enthüllung gerade zu verbergen. Die literarischen Formen der Selbstdarstellung und der autobiographischen Stilisierung, auf die man in Kierkegaards Nachlass stößt, reichen von ihrer knappsten Form als (mehrfach) gewähltes ›Motto meines Lebens‹ und der selbstgewählten Grabinschrift über bekenntnishafte Selbstergründungen, -verdächtigungen, -anklagen und -rechtfertigungen bis hin zu den bereits erwähnten – und zunehmend prosaischeren – Journalen der Selbstvollendung sowie den Großformen intellektueller Autobiographie. Was die Journale Kierkegaards aber darüber hinaus interessant macht, ist der Umstand, dass sie sich auf die bisher erwähnten Aspekte keineswegs beschränken. Wir finden hier nämlich auch Aufzeichnungen, deren Ausgangspunkt eine Beobachtung oder ein Gespräch auf der Straße, eine Bemerkung in einer Predigt oder in der Lektüre bildet; sobald diese Ereignisse und Gedanken aber ihren Weg auf Kierkegaards Papier finden, ist darin immer schon etwas Produktives, Poetisches miteingeflochten, etwas, das ihnen eine über die einzelne Beobachtung hinausgehende, allgemeinere Bedeutung verleiht, weswegen diese Aufzeichnungen auch als ein integraler Bestandteil von Kierkegaards literarischem Schaffen betrachtet werden müssen. Man stößt auch auf eine ganze Reihe von literarischen Entwürfen zu Gebeten, wobei Kierkegaard diese eigenständige literarische Form immer über ihre gattungsmäßigen Grenzen hinausdrängt. Natürlich finden sich auch Skizzen und Entwürfe zu Predigten, ferner Aufzeichnungen, die sich auf Kierkegaards Studium beziehen: Listen von Büchern, Buchexzerpte, Zusammenfassungen von und Kommentare zu gelesenen Schriften, Notizen zu Vorlesungen etc. Hierzu gehören auch die lateinischen Übersetzungen aus dem griechischen Neuen Testament, die er in seiner Studienzeit anfertigte. Und natürlich gibt es zahlreiche, zunächst lose hingeworfene Aphorismen sowie deren spätere Überarbeitungen und literarische Verfeinerungen, von denen nicht wenige schließlich in den veröffentlichten Werken wieder auftauchen – was häufig für die Rekonstruktion der Werkgenese eine wichtige Rolle spielt. Diese Aufzeichnungen wachsen sich teilweise zu Vorstudien und Entwürfen zu später publizierten Werken aus und bilden – zusammen mit rückblickenden Kommentaren zu letzteren – ebenfalls einen bedeutenden Teil des Nachlasses. Trotz der Vielfalt der Journale beschränkt sich der Nachlass nicht auf sie allein. Es liegt darüber hinaus eine große Anzahl von losen Blättern und Zetteln gemischten Inhalts vor, die sich teilweise schwer datieren lassen. Als besondere Gruppe von Nachlasstexten können auch die postumen von den bisher erwähnten unterschieden werden. Damit werden Schriften bezeichnet, die entweder noch zu Lebzeiten fertiggestellt und zur postumen Publikation bestimmt waren oder aber, trotz mehr oder minder hohem Grad der Bearbeitung oder Redigierung, Fragment geblieben sind. Zu den ersteren zählt die wichtige Schrift Der Gesichtspunkt für meine Wirksamkeit als Schriftsteller, die bereits im November 1848 zum allergrößten Teil fertiggestellt wurde und die P.C. Kierkegaard schließlich, wie erwähnt, 1859 herausgegeben hat. Es handelt sich dabei nicht nur um die Darstellung von Leben und Schriften unter einem einheitlichen Gesichtspunkt, sondern auch um den Ver-

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such, die Deutung der Schriften unter eben diesem (und zwar religiösen) Gesichtspunkt dem Leser mehr oder weniger aufzunötigen. Eine Theaterkritik sowie die Schrift Urteilt selbst! Der Gegenwart zur Selbstprüfung anempfohlen gehören ebenfalls hierher. Außerdem sind zwei Predigten zu erwähnen, die eine gehalten als Übung im Pastoralseminar im Jahr 1841, die andere als Abschlussprüfung im Jahr 1844. Fragment geblieben sind hingegen Der Streit zwischen dem alten und dem neuen Seifenkeller; Johannes Climacus oder De omnibus dubitandum est. Eine Erzählung; Das Buch über Adler und Die Dialektik der ethischen und der ethisch-religiösen Mitteilung. Je nach Grad der Redigierung werden diese beiden Textgruppen in SKS und DSKE entweder als postume Schriften oder aber innerhalb der Journale und Aufzeichnungen übersetzt und herausgegeben. Schließlich sind noch die Briefe zu nennen, die ebenfalls dem Nachlass zugerechnet werden können. Sie werden zusammen mit den erhaltenen biographischen Dokumenten in einem separaten Band erscheinen. Die ersten drei Bände von DSKE enthalten die in den Jahren 1833–1839 entstandenen Journale AA–DD (DSKE 1), die Journale EE–KK aus den Jahren 1836–1846 (DSKE 2) und die über den Zeitraum 1833–1849 entstandenen Notizbücher 1–15 (DSKE 3). Aus ihnen wurden für den vorliegenden ersten Band der Studienausgabe die Journale AA, DD, HH und JJ sowie das Notizbuch 15 ausgewählt, die im Folgenden näher charakterisiert werden.

Zu den für die vorliegende Ausgabe ausgewählten Texten Journal AA, das einige der bekanntesten Aufzeichnungen des jungen Kierkegaard enthält, war ursprünglich ein Band in Oktavformat, 40 Blätter stark, von denen nur 9 Blätter erhalten geblieben sind. Der Wortlaut der Aufzeichnungen, die sich auf den Zeitraum von Juni 1835 bis Mai 1837 beziehen, ist in den meisten Fällen allerdings durch EP überliefert. Kierkegaards früheste Eintragungen während seines Ferienaufenthaltes auf dem Lande (in Gilleleje, Nordseeland) enthalten die Natur- und Reiseeindrücke eines jungen Mannes aus dem Großstadtmilieu, den Briefentwurf an den bekannten Naturforscher P.W. Lund und im Anschluss an die darin enthaltenen wissenschaftstheoretischen Reflexionen die eindrückliche Rechtfertigung existentieller Selbstfindung in einem wissenschaftlichen Zeitalter (AA:12). Damit locker verbunden sind Aufzeichnungen zur veränderten Situation des Christentums und zur Aneignung theologischer Lehrinhalte in Bezug auf die starke Stellung der zeitgenössischen Philosophie. Hinzu kommen Reaktionen auf die öffentliche Wirkung der eigenen ersten literarischen Aktivitäten im intellektuellen Kopenhagen (AA:19-21), die Auseinandersetzung mit aktueller – romantischer – Literatur und literaturgeschichtlichen Stoffen und Motiven, und schließlich das Registrieren eigener Stimmungslagen, Orientierungen und Lebenserfahrungen in ganz persönlichen Notizen.

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Journal DD war ursprünglich ein Band in Oktavformat, dessen Originaleinband und einzelne Seiten allerdings verloren gegangen sind. Der Band ist sowohl von der Vorderseite wie auch von der Rückseite her auf insgesamt 46 erhaltenen Blättern beschrieben und umfasst den Zeitraum von Mai 1837 bis Januar 1839. Die im Hauptteil des Journals gesammelten Aufzeichnungen sind ganz unterschiedlichen Themen, Interessenfeldern und Ereignissen gewidmet: Es finden sich theologische und kirchengeschichtliche Diskussionsanlässe im Kontext aktueller Zeitschriftenartikel, Lehrbücher oder gehörter Vorlesungen; literarische Themen im Zusammenhang von Märchen- und Sagenstoffen; Analysen zu Christentum und Humor im Blick auf J.G. Hamann; literarische Projekte werden konzipiert; Material für spätere taucht auf; biographische Ereignisse bekommen herausragende Bedeutung. Darunter ist vor allem der Tod von Kierkegaards Lehrer P.M. Møller zu nennen, der am 13. März 1838 starb (DD:101), und die beiden Ereignisse, die für Kierkegaards religiöse Entwicklung und sein Selbstverständnis als Schriftsteller von verpflichtender Wirkung sein werden: Das genauestens datierte (»d. 19. Mai, Vormitt. 10 ½ Uhr«) Zeugnis einer »unbeschreiblichen Freude« (DD:113) und das ehrfürchtige Notat (vom 11. August) über den Tod des Vaters am 8./9. August 1838 (DD:126). Ganz anders der zweite, von der Rückseite her ins Journal eingetragene Teil: das Konzept einer Studentenkomödie in drei Akten – zur Entlarvung des zeitgenössischen Philosophie-Jargons der Hegel-Schule und besonders ihres dänischen Vermittlers H.L. Martensen (DD:208): »Der Streit zwischen dem alten und dem neuen Seifenkeller« oder »Die allumfassende Debatte von Allem gegen Alles / oder / Je verrückter desto besser.« Die Journale HH und JJ wurden vor allem ihrer inhaltlichen und gattungstheoretischen Eigenart wegen in die vorliegende Studienausgabe aufgenommen. Bei Journal HH handelt es sich um einen Band in Oktavformat, der ursprünglich aus 22 Blättern bestand. Von zwei Aufzeichnungen sind lediglich die Anfangsworte in B-fort. überliefert, da die beiden betreffenden Blätter nicht erhalten sind. Bezüglich der Entstehung von HH verdient der Umstand Beachtung, dass Kierkegaard nach Abschluss seines theologischen Examens im Juli 1840 am 17. November desselben Jahres in das sog. Königliche Pastoralseminar in Kopenhagen eingetreten war, das man 1809 zum Zwecke der praktischen Pfarrerausbildung (in den Disziplinen Homiletik, Katechetik, Liturgik, Psychologie und Kirchenrecht) eingerichtet hatte. Vermutlich hat Kierkegaard den Hauptteil der Journalaufzeichnungen parallel zu den Übungen des Seminars, d.h. bis zum Ende des Wintersemesters im März 1841 niedergeschrieben, während die ersten fünf Notate (HH:1-5) bereits im Juni und Juli 1840 entstanden sind. Formal gesehen bietet das Journal 34 Aufzeichnungen, wobei diese im Wesentlichen Skizzen und (teilweise ausführliche) Predigtentwürfe enthalten, die Kierkegaard in Verbindung mit den Seminarübungen ausgearbeitet hat. Nicht nur ihrer gattungstheoretischen Besonderheit wegen sind die Aufzeichnungen in HH dabei von besonderem Interesse, sondern auch aus inhaltlichen Gründen: Am Leitfaden ausgewählter biblischer Perikopen werden Themen wie die christliche Erkenntnis, das

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Erbauliche, Sündenvergebung, Gottes Prüfungen oder die christliche Erfahrung erörtert – durchweg Fragestellungen, die sich für den Schriftsteller Kierkegaard in der Folgezeit ebenfalls als prägend erweisen werden. Das lässt auch der Umstand erkennen, dass einige Aufzeichnungen später als Vorlage für Teile oder Passagen in den veröffentlichten Werken benutzt werden: So geht HH:8 in umgearbeiteter Form in die Abschnitte »Stimmung« und »Lobrede über Abraham« von Furcht und Zittern (1843), HH:10 hingegen in das »Ultimatum« des zweiten Teils von Entweder – Oder (1843) ein. Im Unterschied zu HH gehört Journal JJ zu den Journalen, die Kierkegaard sowohl von der Vorderseite wie auch von der Rückseite des Bandes her beschrieben hat. Journal JJ ist ein Band in Oktavformat, ursprünglich 180 Blätter stark, doch sind 30 Blätter der ersten Hälfte des Journals nicht erhalten. In den meisten Fällen ist der Wortlaut dieser Aufzeichnungen jedoch durch EP überliefert. Kierkegaard hat das Journal, das er offenbar auch auf Ausflügen (vgl. JJ:91) und Reisen (vgl. JJ:109 und 327) bei sich trug, von vorne im Zeitraum von Mai 1842 bis September 1846 benutzt; die Eintragungen von hinten setzen ebenfalls im Mai 1842 ein, wurden aber allem Anschein nach bereits im Dezember desselben Jahres wieder abgebrochen. Gattungstheoretisch lässt sich das vergleichsweise umfängliche Journal (insgesamt 517 Aufzeichnungen) am ehesten als Ideensammlung, Arbeitskladde oder Skizzenbuch charakterisieren, in dem Kierkegaard Beobachtungen, Ideen und Situationen der unterschiedlichsten Art festgehalten hat, um später – und d.h. hier vor allem: bei Niederschrift geplanter Publikationen – aus diesem Fundus schöpfen zu können. Die besondere Kennzeichnung der Journale (AA, BB, CC usw.), die erst kurz nach Ingebrauchnahme von Journal JJ erfolgte, unterstreicht ebenfalls die Eigenart des Journals als Skizzenbuch: Kierkegaard scheint während der Arbeit an den veröffentlichten Schriften ein leicht handhabbares Referenzsystem für das Auffinden von Einträgen und Aufzeichnungen benötigt zu haben, was durch eben jene Kennzeichnung erleichtert wurde. Die schwer systematisierbare Stofffülle des Journals lässt sich zumindest grob nach vier Themenbereichen gliedern. Erstens Aufzeichnungen zu bzw. in Verbindung mit den von Kierkegaard zwischen 1843 und 1846 herausgegebenen Büchern: z.B. Entweder – Oder (1843), Der Begriff Angst (1844), Drei Reden bei gedachten Gelegenheiten (1845), Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift (1846); dabei enthält das Journal nicht nur Materialien für später realisierte Publikationen (z.B. JJ:142), sondern auch vollständig ausgearbeitete Partien aus Reinschriften, die in der Endfassung des jeweiligen Manuskriptes wieder gestrichen wurden (z.B. JJ:283). Zweitens Lektürenotizen und Kommentare zur philosophischen Literatur, die Kierkegaard im genannten Zeitraum gelesen und für die Ausarbeitung der pseudonymen Schriften verwertet hat: vor allem Aristoteles, Descartes, Leibniz, Spinoza, Hamann, Jacobi sowie die elfbändige Geschichte der Philosophie W.G. Tennemanns. Drittens vermischte Reflexionen, Kommentare und Gelegenheitsbetrachtungen: z.B. über Kierkegaard als Autor, über politische und zeitgeschichtliche Belange,

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über Personen des öffentlichen Lebens wie Mynster, Grundtvig, Heiberg und Martensen sowie über Schriftsteller und Philosophen wie Goethe und Hegel. Viertens Einträge, die Kierkegaards Verhältnis zu seiner ehemaligen Verlobten Regine Olsen reflektieren: z.B. JJ:107, 115, 140 und 145; dabei handelt es sich um Aufzeichnungen, deren biographische Bedeutung bereits an dem äußeren Umstand ablesbar ist, dass sie jeweils zwischen anderthalb und fünf Seiten umfassen und von Kierkegaard nachträglich ausgestrichen wurden. Insgesamt bietet Journal JJ ein gattungsspezifisch vielfältiges, nach Inhalt und thematischer Bandbreite ebenso faszinierendes wie werkgenetisch aufschlussreiches Kaleidoskop von Bemerkungen und Reflexionen, gewissermaßen einen Einblick aus nächster Nähe in die Denk- und Schreibwerkstatt des religiösen Schriftstellers Kierkegaard. Bei Notizbuch 15 handelt es sich um einen Band in Quartformat, der unbeschädigt erhalten ist und – wie die anderen hier erwähnten Manuskripte – im Kierkegaard-Archiv der Königlichen Bibliothek zu Kopenhagen aufbewahrt wird. Das 38 Blätter starke Buch wurde zur Hälfte beschrieben. Der darin notierte Text trägt die Überschrift »Mein Verhältnis zu ›ihr‹« und nimmt in Kierkegaards literarischem Nachlass in mancher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Diese rührt nicht allein daher, dass Kierkegaard das Verhältnis zu seiner ehemaligen Verlobten Regine Olsen in diesem Text besonders eingehend und mit außergewöhnlicher Direktheit und Intensität behandelt. Auch in formal-stilistischer Hinsicht unterscheidet sich dieser Text (mehr oder weniger stark) von den frühen wie von den späteren Journalen und von den übrigen Notizbüchern. Mit der Niederschrift des Textes wurde laut Datumsangabe auf dem Titelblatt am 24. August 1849 begonnen und sie dürfte spätestens Ende desselben Jahres abgeschlossen gewesen sein. Dass der Text hier mit der Kennzeichnung als Notizbuch und zusammen mit einigen deutlich früher entstandenen Journalen wiedergegeben wird, kann also als editorische Behelfsmaßnahme gelten. Auf eine Sonderstellung von »Mein Verhältnis zu ›ihr‹« weist auch die Überlieferungsgeschichte des Manuskripts hin: es wurde nach Kierkegaards Tod dem literarischen Nachlass entnommen und der im Titel Apostrophierten, mittlerweile verheiratete Schlegel, übergeben und gelangte erst nach deren Tod am 18. März 1904 ans Licht der Öffentlichkeit. Wie groß das Interesse an diesem Manuskript war, kann der Umstand verdeutlichen, dass in Dänemark noch im selben Jahr gleich zwei Ausgaben mit diesem und weiteren Kierkegaards Verlobung betreffenden Dokumenten erschienen. Und dass das Interesse in Deutschland dem in nichts nachstand, verdeutlicht wiederum der Umstand, dass beide dänischen Ausgaben unverzüglich ins Deutsche übersetzt wurden (wobei sich kein Geringerer als R.M. Rilke bei seinem Verleger für die Übersetzung einer der beiden Ausgaben verwendet und deren Übersetzung schließlich sogar als Korrektor befördert hat, cf. DSKE 3, 912-914). Weitere deutsche Übersetzungen sollten folgen. Nun ist das große Interesse an der Darstellung der Verlobungsgeschichte in »Mein Verhältnis zu ›ihr‹« zweifellos berechtigt, insofern Kierkegaard – unter Berücksichtigung des Ver-

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hältnisses von Dichtung und Wahrheit – einen mitreißenden Bericht über die historischen Geschehnisse mit grundlegenden Reflexionen verbindet und schließlich Bilanz zieht. Unberechtigt wäre allenfalls die Erwartung einer einfachen und endgültigen Darstellung: Auch diese bleibt – wie in Anspielung auf eine verwandte Journalaufzeichnung gesagt werden könnte – ultimativ für dieses Mal. Erfurt und Frankfurt am Main, den 18. Juni 2012 Markus Kleinert Gerhard Schreiber

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Abkürzungen un d S i g l e n

Abkürzungen und Siglen Abkürzungen im Textteil (Auswahl) allg. AT cfr. / cfr Chr. chr. Christt. Chrsten Chrsti Chrsto eigentl. / eigtl. etc. / etc Ev. Gotth. göttl. Göttl. im Hinbl. auf Msch. / Msch Mschen mschlich Mschliche

allgemein Altes Testament confer; vergleiche! Christus christlich Christentum Christen Christi Christo eigentlich et cetera Evangelium Gottheit göttlich Göttliche im Hinblick auf Mensch/en Menschen menschlich Menschliche

notw. Notw. NT od. s. S. u.f. unmitt. vermutl. X. Xst. / Xst Xsten Xstentum Xsti stlich Xsto Xstt. / Xsttum Xstum Xstus zw.

notwendig Notwendigkeit Neues Testament oder siehe Seite und folgende unmittelbar vermutlich Christus Christ Christen Christentum Christi christlich Christo Christentum Christum Christus zwischen

Abkürzungen im Kommentarteil (Auswahl) Abt. allg. Anm. arab. aram. AT

Abteilung allgemein Anmerkung/en arabisch aramäisch Altes Testament

Aufl. Ausg. Bd. / Bde. bes. bibl. Bl.

Auflage Ausgabe Band / Bände besonders biblisch Blatt

xxii

ca. cf. christl. dän. d.h. dt. eigtl. engl. erw. et al. ev. f. / ff. frz. geb. gest. gr. gr.-orth. hebr. hg. Hg. hl. / Hl. ibid. insb. i.S. ital. Jg. Jh. jüd. Kap. kath. Kom. Kph.

Abkürzungen un d S i g l e n

circa confer; vergleiche! christlich dänisch das heißt deutsch eigentlich englisch erweitert/e et alii; und andere evangelisch folgende / die folgenden französisch geboren gestorben griechisch griechisch-orthodox hebräisch herausgegeben Herausgeber heilig / Heilige ibidem; ebenda, ebendort insbesondere im Sinne italienisch Jahrgang Jahrhundert jüdisch Kapitel katholisch Kommentar Kopenhagen

lat. luth. Ms. n. Chr. NT o.Ä. od. o.J. o.O. orth. österr. p. / pp. r reg. röm. röm.-kath. s. scil. SK Sp. span. St. s.v. Übers. übers. usw. v v. v. Chr. z.B. zw.

lateinisch lutherisch Manuskript nach Christus Neues Testament oder Ähnliche(s) oder ohne Jahr ohne Ort orthodox österreichisch Seite / Seiten recto (Blattvorderseite) regiert römisch römisch-katholisch siehe scilicet; nämlich Søren Kierkegaard Spalte spanisch Sankt sub voce; unter dem Stichwort / Lexem Übersetzer / Übersetzung übersetzt und so weiter verso (Blattrückseite) Vers vor Christus zum Beispiel zwischen

Abkürzungen un d S i g l e n

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Siglen a) Kierkegaards Schriften B&A

B-afskrift B-fort.

Bl. art.

EP GW1

H-afskrift L-fort.

Pap.

SKS

SKS-E SV1 SV2

Breve og Aktstykker vedrørende Søren Kierkegaard [Briefe und Dokumente, die Søren Kierkegaard betreffen], hg. von N. Thulstrup, Bd. 1-2, Kopenhagen 1953-1954. von Barfod vorgenommene Abschrift von Kierkegaards Original. »Fortegnelse over de efter Søren Aabye Kierkegaards Død forefundne Papirer. – 1856 (24/2 – 3/11) optaget af H.P. Barfod. Aalborg« [Verzeichnis über die nach Søren Aabye Kierkegaards Tod vorgefundenen Papiere. – 1856 (24/2 – 3/11) aufgenommen von H.P. Barfod. Aalborg]. S. Kierkegaard’s Bladartikler, med Bilag samlede efter Forfatterens Død [af P.Chr. Zahle], udgivne som Supplement til hans øvrige Skrifter, hg. von R. Nielsen, Kopenhagen 1857. Af Søren Kierkegaards Efterladte Papirer, hg. von H.P. Barfod und H. Gottsched, Bd. I-IX, Kopenhagen 1869-1881. Sören Kierkegaard / Gesammelte Werke, übers. und hg. von Emanuel Hirsch, Hayo Gerdes und Hans-Martin Junghans, 36 Abt. in 26 Bdn. und Registerbd., Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf / Köln 1950-1969. von Heiberg vorgenommene Abschrift von Barfods nunmehr abhanden gekommener Abschrift von Kierkegaards Original. »Fortegnelse over Manuscripterne af S. Kierkegaard optaget efter hans Død af Henr. Lund. d. 17 Januar 1856« [Verzeichnis über S. Kierkegaards Manuskripte, aufgenommen nach dessen Tod von Henr. Lund. d. 17. Januar 1856]. Søren Kierkegaards Papirer, Bd. I-XI,3, hg. von P.A. Heiberg, V. Kuhr und E. Torsting, Gyldendalske Boghandel, Nordisk Forlag, Kopenhagen 1909-1948; Zweite vermehrte Ausgabe, von N. Thulstrup, Bd. XII-XIII Ergänzungsbde., hg. von N. Thulstrup, Bd. XIV-XVI Index von N.J. Cappelørn, Gyldendal, Kopenhagen 1968-1978. Søren Kierkegaards Skrifter, Bd. 1-28, K1-K28, hg. vom Søren Kierkegaard Forschungszentrum von Niels Jørgen Cappelørn, Joakim Garff, Johnny Kondrup, Alastair McKinnon und Finn Hauberg Mortensen, G.E.C. Gads Forlag, Kopenhagen 1997-2013. Søren Kierkegaards Skrifter, elektronische Ausgabe. Samlede Værker, Bd. I-XIV, hg. von A.B. Drachmann, J.L. Heiberg und H.O. Lange, Gyldendalske Boghandels Forlag, Kopenhagen 1901-1906. Samlede Værker, Bd. I-XV, hg. von A.B. Drachmann, J.L. Heiberg und H.O.

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T 1-5

2R43 3R43 4R43 2R44 3R44 4R44 A AUN1-2 B BA BI BÜA CR CS DRG EC EER EO1 EO2 ERG ES FZ GU GWS HZS JC KA KK KT

Abkürzungen un d S i g l e n

Lange, Bd. XV, Sach- und Autorenregister von A. Ibsen und terminologisches Wörterbuch von J. Himmelstrup, Gyldendalske Boghandel, Nordisk Forlag, Kopenhagen 1920-1936. Sören Kierkegaard / Die Tagebücher, übers. und hg. von Hayo Gerdes, Bd. 1-5, Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf / Köln 1962-1974. Zwei erbauliche Reden 1843, Abt. 3 / Bd. 2 in GW1. Drei erbauliche Reden 1843, Abt. 6 / Bd. 4 in GW1. Vier erbauliche Reden 1843, Abt. 7 / Bd. 5 in GW1. Zwei erbauliche Reden 1844, Abt. 8 / Bd. 5 in GW1. Drei erbauliche Reden 1844, Abt. 9 / Bd. 5 in GW1. Vier erbauliche Reden 1844, Abt. 13 / Bd. 8 in GW1. Der Augenblick, Abt. 34 / Bd. 24 in GW1. Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift zu den Philosophischen Brocken, Abt. 16/1 / Bd. 10 und 16/2 / Bd. 11 in GW1. Briefe, Abt. 35 / Bd. 25 in GW1. Der Begriff Angst, Abt. 11 / Bd. 7 in GW1. Über den Begriff der Ironie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates, Abt. 31 / Bd. 21 in GW1. Das Buch über Adler, Abt. 36 / Bd. 26 in GW1. Christlichen Reden 1848, Abt. 20 / Bd. 15 in GW1. Der Corsarenstreit, Abt. 32 / Bd. 22 in GW1. Drei Reden bei gedachten Gelegenheiten 1845, Abt. 14 / Bd. 8 in GW1. Einübung im Christentum, Abt. 26 / Bd. 18 in GW1. Eine erbauliche Rede 1850, Abt. 27 / Bd. 19 in GW1. Entweder/Oder, 1. Teil, Abt. 1 / Bd. 1 in GW1. Entweder/Oder, 2. Teil, Abt. 2 / Bd. 2 in GW1. Erbauliche Reden in verschiedenem Geist 1847, Abt. 18 / Bd. 13 in GW1. Erstlingsschriften, Abt. 30 / Bd. 20 in GW1. Furcht und Zittern, Abt. 4 / Bd. 3 in GW1. Gottes Unveränderlichkeit, Abt. 34 / Bd. 24 in GW1. Der Gesichtspunkt für meine Wirksamkeit als Schriftsteller, Abt. 33 / Bd. 23 in GW1. Der Hohepriester – der Zöllner – die Sünderin. 3 Reden beim Altargang am Freitag 1849, Abt. 25 / Bd. 17 in GW1. Johannes Climacus oder De omnibus dubitandum est, Abt. 10 / Bd. 6 in GW1. Kleine Aufsätze 1842-1851, Abt. 32 / Bd. 22 in GW1. Die Krise und eine Krise im Leben einer Schauspielerin, Abt. 21 / Bd. 16 in GW1. Die Krankheit zum Tode, Abt. 24 / Bd. 17 in GW1.

Abkürzungen un d S i g l e n

LA LF LP LT PB RAF SLW US V W WCC WS Z ZKA ZS DSKE

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Eine literarische Anzeige, Abt. 17 / Bd. 12 in GW1. Die Lilie auf dem Felde und der Vogel unter dem Himmel, Abt. 22 / Bd. 16 in GW1. Aus eines noch Lebenden Papieren, Abt. 30 / Bd. 20 in GW1. Der Liebe Tun, Abt. 19 / Bd. 14 in GW1. Philosophische Brocken, Abt. 10 / Bd. 6 in GW1. Zwei Reden beim Altargang am Freitag 1851, Abt. 27 / Bd. 19 in GW1. Stadien auf des Lebens Weg, Abt. 15 / Bd. 9 in GW1. Urteilt selbst, Abt. 29 / Bd. 19 in GW1. Vorworte, Abt. 12 / Bd. 7 in GW1. Die Wiederholung, Abt. 5 / Bd. 4 in GW1. Wie Christus über das amtliche Christentum urteilt, Abt. 34 / Bd. 24 in GW1. Über meine Wirksamkeit als Schriftsteller, Abt. 33 / Bd. 23 in GW1. Zeitungsartikel (1854-1855), Abt. 34 / Bd. 24 in GW1. Zwo kleine ethisch-religiöse Abhandlungen, Abt. 23 / Bd. 16 in GW1. Zur Selbstprüfung der Gegenwart anbefohlen 1851, Abt. 28 / Bd. 19 in GW1. Deutsche Søren Kierkegaard Edition, hg. von Heinrich Anz [bis Bd. 2], Niels Jørgen Cappelørn, Hermann Deuser, Joachim Grage [ab Bd. 3] und Heiko Schulz in Zusammenarbeit mit dem Søren Kierkegaard Forskningscenter in Kopenhagen, bislang erschienen Bd. 1-3, Berlin und New York bzw. Boston 2005ff.

b) Weitere EÜ GT-1740 Jub.

KA Ktl. Lut84 NKS NT-1819

Einheitsübersetzung der Bibel (1980). Autorisierte dänische Übersetzung des Alten Testaments von 1740. Georg Wilhelm Friedrich Hegel Sämtliche Werke. Jubiläumsausgabe in zwanzig Bänden, einer Hegel-Monographie und einem Hegel-Lexikon Bd. 1-26, Stuttgart 1927-1940. Kierkegaard-Archiv (der Königlichen Bibliothek zu Kopenhagen). Auktionsprotokol over Søren Kierkegaards bogsamling, hg. von Hermann Peter Rohde, Kopenhagen 1967. Revidierte Lutherübersetzung der Bibel (1984). Ny kongelige Samling (Archiv der Königlichen Bibliothek zu Kopenhagen). Autorisierte dänische Übersetzung des Neuen Testaments von 1819.

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Abkürzungen un d S i g l e n

Biblische Bücher und deuterokanonische Schriften (Textteil und Kommentarteil) 1. Altes Testament Gen Genesis (1. Buch Mose) Ex Exodus (2. Buch Mose) Lev Leviticus (3. Buch Mose) Num Numeri (4. Buch Mose) Dtn Deuteronomium (5. Buch Mose) Jos Josua Jdc Judicum (Richter) Ruth Ruth I-II Sam 1. und 2. Samuelbuch I-II Reg 1. und 2. Regum (Königsbücher) I-II Chr 1. und 2. Buch der Chronik Esr Esra Neh Nehemia Est Ester Hi Hiob Ps Psalm(en) Prov Proverbia (Sprüche) Koh Kohelet (Prediger Salomo)

Cant Jes Jer Thr Ez Dan Hos Joel Am Ob Jona Mi Nah Hab Zef Hag Sach Mal

2. Apokryphen / Deuterokanonische Schriften des Alten Testaments Sir Jdt Judit I-IV Makk Weish Sapientia Salomonis (Weisheit Bar Salomos) Tob Tobit 3. Neues Testament Mt Matthäus(evangelium) Mk Markus(evangelium) Lk Lukas(evangelium) Joh Johannes(evangelium) Act Acta Apostolorum (Apostelgeschichte) Röm Römerbrief I-II Kor 1. und 2. Korintherbrief Gal Galaterbrief Eph Epheserbrief Phil Philipperbrief

Kol I-II Thess I-II Tim Tit Phlm I-II Petr I-III Joh Hebr Jak Jud Apk

Canticum (Hoheslied) Jesaja Jeremia Threni (Klagelieder) Ezechiel Daniel Hosea Joel Amos Obadja Jona Micha Nahum Habakuk Zefanja Haggai Sacharja Maleachi

Jesus Sirach 1. bis 4. Makkabäerbuch Baruch

Kolosserbrief 1. und 2. Thessalonicherbrief 1. und 2. Timotheusbrief Titusbrief Philemonbrief 1. und 2. Petrusbrief 1., 2. und 3. Johannesbrief Hebräerbrief Jakobusbrief Judasbrief Johannes-Apokalypse

Abkürzungen un d S i g l e n

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Verweise (Beispiele) Journal AA AA:1 AA:1.b Not1:2 Not1:7.z3

das AA genannte Journal. Journal AA, erste Aufzeichnung. Journal AA, erste Aufzeichnung, zweite Randbemerkung. Notizbuch 1, zweite Aufzeichnung. Notizbuch 1, siebte Aufzeichnung, neunundzwanzigste Randbemerkung. DSKE 1, 45 Deutsche Søren Kierkegaard Edition, Band 1, Seite 45, eventuell mit folgender Zeilenangabe. Pap. II C 18, p. 328 Pap., Band II, Gruppe C, Aufzeichnung 18, Seitenangabe (bei mehrseitigen Aufzeichnungen). Papier 33 loses Papier (geheftetes Material, Bogen, Blatt oder Zettel). Papier 33:2 loses Papier Nr. 33, zweite Aufzeichnung. Papier 33:2.1 loses Papier Nr. 33, zweite Aufzeichnung, erste Fußnote. SKS K17, 26 SKS, Kommentarband 17, Seite 26. SKS 17, 56,11 SKS, Band 17, Seite 56, Zeile 11. SKS 17, 56m,3 SKS, Band 17, Seite 56, Zeile 3 innerhalb der Randbemerkung. SV1 IX, 135 SV1, Band IX, Seite 135. GW1 ES 17 GW1, Erstlingsschriften, Seite 17. GW1 EO1, 15 GW1, Entweder/Oder, 1. Teil, Seite 15. GW1, 3R44, 28 GW1, Drei erbauliche Reden 1844, Seite 28. T 1, 175 T, Die Tagebücher, Band 1, Seite 175.

Kritische Zeichen1 [ [ [ ⎣

] ] ] ⎦

⎡ ⎤ H G HH GG

1

Ergänzung des Übersetzers, Einweisungszeichen Barfods Klammern Zählung der Randbemerkung ohne Einweisungszeichen umschließt Passagen, die von Kierkegaard im Manuskript ausgestrichen wurden umschließt Text aus Lunds oder Barfods Verzeichnis (indirekt überlieferter oder bezeugter Text) umschließt Aufzeichnungen auf lose eingelegten Blättern umschließt indirekt überlieferten Text (in Abschriften oder EP)

Cf. dazu »Richtlinien«, Punkt 6 in DSKE 1, 291-293. Die Quellen der indirekt überlieferten und der bezeugten Texte können dem textkritischen Apparat in SKS entnommen werden.

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/

Abkürzungen un d S i g l e n

Zeilenwechsel bei zitierter Lyrik; sonst Seitenwechsel bzw. Trennzeichen Strophenwechsel bei zitierter Lyrik

//

Graphische Signale2 kursiv fett fett und kursiv Schmales Palatino Optima

von Kierkegaard (sowohl mit geraden als auch mit gewellten Linien) unterstrichene Passagen von Kierkegaard mit geraden Linien doppelt unterstrichene Passagen von Kierkegaard mit Wellenlinien doppelt unterstrichene Passagen von Kierkegaard in lateinischer Schrift geschrieben im Originaltext in deutscher Sprache

Blocksatz Flattersatz

indirekt überlieferter Text (aus gedruckter Quelle) aus dem erhaltenen Manuskript stammender Text

2

Cf. dazu »Richtlinien«, Punkt 3.1.1, 3.3.1 bzw. 6, in DSKE 1, 283, 286f. und 291-293.

1

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JOURNAL AA übersetzt von Krista-Maria Deuser und Hermann Deuser Kommentar: Heinrich Anz, Niels Jørgen Cappelørn, Per Dahl, Carl Henrik Koch und Lars Peter Rømhild übersetzt und bearbeitet von Richard Purkarthofer

Quellen Ms. B-fort. EP I-II SKS 17

KA, A pk. 2 læg 2 H. P. Barfods Verzeichnis 437 Af Søren Kierkegaards Efterladte Papirer. 1833-1843 DSKE 1 folgt dem Text des Journals in SKS 17 (Seitenzählung am Rand)

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JOURNAL DD übersetzt von Ulrich Lincoln Kommentar: Niels Jørgen Cappelørn, Per Dahl, Carl Henrik Koch und Lars Peter Rømhild übersetzt und bearbeitet von Heiko Schulz

Quellen Ms B-afskrift B-fort. EP I-II SKS 17

KA, A pk. 2 læg 3 und B pk. 2 Abschrift von Kierkegaards Manuskript durch Barfod H. P. Barfods Verzeichnis 440 Af Søren Kierkegaards Efterladte Papirer. 1833-1843 DSKE 1 folgt dem Text des Journals in SKS 17 (Seitenzählung am Rand)

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[222] HHDie

Romantik hat wohl . . (7/4)

Ein Aphorismus sollte . . (7/4)

Joh. der Täufer (19/4)

Transfiguration (21/4)GG

Es gibt eine unbeschreibliche Freude, die uns ebenso unerklärlich durchglüht wie der Ausbruch des Apostels ohne Motivation hervortritt: »Freut Euch, und abermals sage ich: freut Euch«. – Nicht eine Freude über dieses oder jenes, sondern der kräftige Ausruf der Seele »mit Zung’ und Mund aus Herzens Grund«: »ich freue mich an meiner Freude, aus, in, mit, bei, auf, an und mit meiner Freude« – ein himmlischer Kehrreim, der gleichsam urplötzlich unseren sonstigen Gesang unterbricht; eine Freude, die wie ein Windhauch kühlt und erfrischt, eine Böe vom Passat, der vom Hain Mamre zu den ewigen Wohnungen weht. d. 19. Mai, Vormitt. 10½ Uhr.

H

G HHAls

Gott die Welt erschaffen hatte [4/6)GG

Fixe Ideen sind wie Krämpfe z.B. im Fuß – das beste G Mittel dagegen ist draufzutreten. d. 6. Juli 38.

H

Wie ich Dir danke, Vater im Himmel, weil Du hier auf Erden für eine Zeit wie die gegenwärtige, wo ich es so dringend bedarf, einen irdischen Vater bereitgehalten hast, der, so hoffe ich es, mit Deiner Hilfe eine

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JOURNAL JJ übersetzt von Richard Purkarthofer Kommentar: Peter Tudvad übersetzt von Sabrina Broocks, Markus Kleinert, Jens Eike Schnall und Heiko Schulz redigiert von Richard Purkarthofer und Gerhard Schreiber

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NOTIZBUCH 15

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N oti zbuch 15 : · 1849

NOTIZBUCH 15 übersetzt von Markus Kleinert Kommentar: Joakim Garff übersetzt und bearbeitet von Markus Kleinert

Quellen Ms. Pap. SKS 19

KA, A pk. 50 Søren Kierkegaards Papirer, 2. erweiterte Ausgabe, 1968-1978 DSKE 3 folgt dem Text des Notizbuchs in SKS 19 (Seitenzählung am Rand)

[469]

431

1

N otizbuch 15 : 1 · 1849

Mein Verhältnis zu »ihr«. d. 24. Aug. 49. etwas Dichterisches.

633

634

N oti zbuch 15 : 2-3 · 1849

[470]

432

Infandum me jubes, Regina, renovare dolorem.

Ihr verdankt sich auch die Replik über mich: es endet gewiss damit, dass Du Jesuit wirst.

2

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[471]

N otizbuch 15 : 4 · 1849

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Regine Olsen. – Ich sah sie zuerst bei Rørdams. Dort sah ich sie eigtl. in der ersten Zeit, da ich mit der Familie keinen Umgang hatte. (Bollette Rørdam gegenüber habe ich in gewissem Sinne etwas Verantwortung; wie ich im Übrigen auch früher wohl einen Eindruck von ihr hatte, und vielleicht auch bei ihr einen solchen hinterlassen hatte, wenn auch in aller Unschuld und rein intellektuell.). Bereits bevor mein Vater starb, hatte ich mich für sie entschieden. Er starb. Ich lernte fürs Examen. In all dieser Zeit ließ ich ihr Dasein sich in meines schlingen. Im Sommer 40 legte ich die theol. Dienstprüfung ab. Machte so ganz ohne Weiteres eine Visite im Haus. Ich reiste nach Jütland und haschte vielleicht damals schon ein wenig nach ihr. Im Aug. kam ich zurück. Die Zeit vom 9. Aug. bis in den Sept. hinein kann im strengeren Sinne als die Zeit bezeichnet werden, in der ich mich ihr näherte. Am 8. Sept. brach ich von zu Hause auf mit dem festen Vorsatz, das Ganze entscheiden zu wollen. Wir trafen uns auf der Straße direkt vor ihrem Haus. Sie sagte, es sei niemand daheim. Ich war dreist genug, eben dies als eine Einladung zu verstehen, als das, was ich brauchte. Ich ging mit hinauf. Da standen wir zwei allein im Wohnzimmer. Sie war etwas unruhig. Ich bat sie, ein wenig für mich zu spielen, wie sie es sonst tat. Sie tut es, doch es will mir nicht gelingen. Da nehme ich plötzlich das Notenbuch, schließe es nicht ohne eine gewisse Heftigkeit, werfe es aufs Klavier und sage: ah, was kümmert mich Musik; Sie sind es, die ich suche, Sie, die ich 2 Jahre gesucht habe. Sie blieb stumm. Übrigens habe ich nichts getan, um sie zu betören; ich habe sogar vor mir selbst gewarnt, vor meiner Schwermut. Und als sie von einem Verhältnis zu Schlegel sprach, sagte ich: dann lass dieses Verhältnis eine Parenthese sein.d Sie blieb im Wesentlichen stumm. Ich ging schließlich, war mir doch recht bange davor gewesen,

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NB

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In den späteren Journalen, denen von vorigem und diesem Jahr, findet sich hie und da eine einzelne Bemerkung über sie.

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z.B. dadurch, ihnen Bücher zu borgen in meiner Abwesenheit, und dadurch, sie in einem einzelnen Buch zum Lesen einer bestimmten Stelle zu veranlassen.

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NB. Das war wohl doch erst der 10., an dem sie von Schlegel sprach, denn am 8. sagte sie kein einziges Wort.

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denn ich habe ja doch erste Priorität.

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Etwas, woran ich doch zu einem gewissen Grade selbst schuld war oder wofür ich die Verantwortung trage, weil ich selbst – die Schwierigkeit des

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dass jemand hätte kommen können und uns beide finden und sie so unruhig. Ich ging unmittelbar zum Etatsrat hinauf. Ich weiß, ich hatte eine schreckliche Angst, einen zu starken Eindruck auf sie gemacht zu haben, sowie, dass mein Besuch auf irgendeine Weise Anlass zu Missverständnissen, wohl gar zur Schädigung ihres Rufs geben könnte. Der Vater sagte weder ja noch nein, war aber doch durchaus willens, wie ich leicht verstand. Ich verlangte eine Unterredung; ich erhielt sie am Nachmittag des 10. Sept. Ich habe kein einziges Wort gesagt, um zu betören – sie sagte ja. Augenblicklich gewann ich ein Verhältnis zur ganzen Familie. Meine Virtuosität wurde besonders auf den Vater verwendet, den ich übrigens immer sehr gern gemocht habe. Aber nach innen; am Tag darauf sah ich, dass ich fehlgegriffen hatte. Ein Pönitent, der ich war, meine vita ante acta, meine Schwermut, das genügte. Ich habe unbeschreiblich gelitten während dieser Zeit. Sie schien nichts zu bemerken. Sie wurde ganz im Gegenteil zuletzt so übermütig, dass sie einmal erklärte, sie habe mich aus Mitleid genommen, kurz, einen solchen Übermut habe ich kaum gekannt. Genau das wurde in einem Sinne das Gefährliche. Nimmt sie es sich nicht weiter zu Herzen, dachte ich, als dass sie, wie sie selbst einmal sagte »wenn sie glauben würde, ich käme bloß aus Gewohnheit, dann würde sie sofort Schluss machen«, nimmt sie es sich nicht weiter zu Herzen: so ist mir geholfen. Nun gewann ich meine Fassung wieder. In einem anderen Sinne gestehe ich meine Schwäche, dass sie mich doch einen Augenblick wütend machte. Jetzt setzte ich Kräfte in Bewegung – sie gibt im Ernst nach, und gerade das Gegenteil geschieht, die extremste Hingabe aus Anbetung. Natürlich, nun erwacht wieder meine Schwermut, denn ihre Hingabe bedeutet abermals, dass ich die »Verantwortung« nach dem größtmöglichen Maßstab

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bekomme – während mich ihr Stolz der »Verantwortung« annähernd enthob – ich sehe, es muss entzweigehen. Mein Urteil ist, und mein Gedanke war, dass es Gottes Strafe über mich war. Darüber, welchen Eindruck sie rein erotisch auf mich gemacht hat, kann ich mir nicht recht klar werden. Denn zweifellos, dass sie sich fast anbetend hingegeben hatte, mich darum gebeten hatte, sie zu lieben, hatte mich so gerührt, dass ich alles für sie wagen wollte. Wie sehr ich sie jedoch liebte, zeigt aber auch dies, dass ich stets vor mir verbergen wollte, wie sehr sie mich eigtl. gerührt hat, was sich doch eigtl. nicht zum Erotischen schickt. Wäre ich nicht ein Pönitent gewesen, hätte meine vita ante acta nicht gehabt, wäre nicht schwermütig gewesen – die Verbindung mit ihr hätte mich so glücklich gemacht, wie zu werden ich mir niemals erträumt hätte. Doch selbst wenn ich, weil ich leider der war, der ich bin, sagen musste, dass ich ohne sie glücklicher im Unglück werden könnte als mit ihr – sie hatte mich gerührt, und ich hätte gern, mehr als gern alles getan. Aber es gab einen göttlichen Einspruch, so habe ich es verstanden. Die Trauung. Ich müsste ihr ungeheuer viel verschweigen, das Ganze auf eine Unwahrheit gründen. Ich schrieb ihr und sandte ihren Ring. Das Billet findet sich wörtlich in »dem psychologischen Experiment«. Mit Absicht habe ich es rein historisch sein lassen; denn ich habe mit niemandem darüber gesprochen, mit keinem einzigen, ich, der ich verschwiegener bin als das Grab. Sollte sie das Buch zu sehen bekommen, möchte ich gerade, dass sie daran erinnert wird. Was tut sie? Sie überschreitet in weiblicher Verzweiflung die Grenze. Sie hat offenbar gewusst, dass ich schwermütig bin, sie hat mich aufs Äußerste ängstigen wollen. Das Gegenteil geschah. Zwar ängstigte sie mich aufs Äußerste; doch nun richtete sich meine Natur gigantisch auf, um sie abzuschütteln. Es war nur Eines zu tun: abzustoßen mit aller Kraft.

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Verhältnisses nur allzu deutlich überschauend und einsehend, dass die stärkste Gewalt gebraucht werden müsse, um meine Schwermut, falls das möglich wäre, zu erzwingen – zu ihr gesagt hatte: gib Dich hin, mit Stolz machst Du mir die Sache leicht. Ein ganz wahres Wort, aufrichtig ihr gegenüber, schwermütig verräterisch mir gegenüber.

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Ein wenig davon, wie es um mich stand, hat sie allerdings geahnt. Denn des Öfteren fiel diese Replik: Du wirst doch niemals froh, da kann es Dir ja gleich sein, ob ich bei Dir bleiben darf. Sie sagte auch einmal: dass sie mich niemals nach etwas fragen würde, wenn sie nur bei mir bleiben dürfe.

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Einige vereinzelte Repliken sind auch authentisch. z.B. diejenige, dass doch nicht gesagt ist, dass man durchs Heiraten fett wird, dass ich einen gekannt habe (hier nannte ich meinen Vater, insofern ist die Geschichte also anders und anders gehalten), der zweimal verheiratet war und nicht fett wurde. Die Replik: dass man eine Verlobung auf zwei Arten aufheben kann, sowohl mithilfe der Achtung als auch mithilfe der Liebe. Ihre Replik: ich glaube eigtl., Du bist verrückt.

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In diesen zwei Monaten des Betrugs trug ich vorsichtshalber Sorge, ihr von Zeit zu Zeit direkt zu sagen: gib nach, lass mich los; Du erträgst es nicht. Darauf erwiderte sie leidenschaftlich, dass sie lieber alles ertragen wolle als mich loszulassen. Ich schlug auch vor, der Sache die Wendung zu geben, dass sie es sei, die mit mir gebrochen habe, um ihr alle Kränkungen zu ersparen. Das wollte sie nicht, sie erwiderte, wenn sie das andere ertragen würde, ertrüge sie wohl auch das, und nicht unsokratisch bemerkte sie, dass es sie wohl niemand in ihrer Gegenwart spüren lassen werde und was sie in ihrer Abwesenheit über sie sagten, sei ja einerlei.

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Sie zog einen kleinen Zettel hervor, auf dem ein Wort von mir stand, den sie an ihrer Brust zu tragen pflegte, sie zog ihn hervor und zerfetzte ihn still und sagte: so hast Du doch auch ein schreckliches Spiel mit mir getrieben. [j] Sie sagte: magst Du mich denn überhaupt nicht; ich antwortete: ja, wenn Du so weitermachst, dann mag ich Dich nicht. [k]

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Sie sagte, möge es nur nicht zu spät sein, wenn Du es bereust – sie spielte auf den Tod an. Ich musste grausam Scherz damit treiben, und sagte, ob sie meine, dass ich kommen werde wie Wilhelm in Lenore.

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Es war eine furchtbar qualvolle Zeit – so grausam sein zu müssen, und so zu lieben wie ich es tat. Sie stritt wie eine Löwin; hätte ich nicht angenommen, einen göttlichen Widerstand zu haben, sie hätte gesiegt. Dann ging es entzwei, ungefähr zwei Monate später. Sie geriet in Verzweiflung. Zum ersten Mal in meinem Leben schimpfte ich. Das war das Einzige, was zu tun war. Von ihr ging ich unmittelbar ins Theater, weil ich Emil Boesen treffen wollte (Daraus wurde seinerzeit die Geschichte gemacht, die man sich in der Stadt erzählte, ich solle, indem ich meine Uhr herausholte, zur Familie gesagt haben, wenn Sie noch mehr zu sagen haben, so mögen Sie sich beeilen; denn ich müsse ins Theater). Der Akt war vorbei. Als ich aus dem 2. Parkett hinausgehe, kommt der Etatsrat vom ersten Parkett und sagt: darf ich Sie sprechen. Wir gingen zu ihm nach Hause. Er ist verzweifelt. Er sagte: das wird ihr Tod, sie ist ganz verzweifelt. Ich sagte: ich werde sie schon zur Ruhe bringen; doch die Sache ist entschieden. Er sagte: ich bin ein stolzer Mann; es ist hart; aber ich bitte Sie, brechen Sie nicht mit ihr. Wahrlich, er war groß; er erschütterte mich. Aber ich blieb dabei. Ich aß mit der Familie zu Abend. Sprach mit ihr, als ich ging. Am nächsten Morgen erhielt ich einen Brief von ihm, sie habe die Nacht nicht geschlafen, ich müsse kommen und nach ihr sehen. Ich kam und redete ihr ins Gewissen. Sie fragte mich: willst Du niemals heiraten. Ich antwortete: doch, in zehn Jahren, wenn ich mich ausgetobt habe, dann muss ich ein frisches Fräulein zur Verjüngung haben. Eine notwendige Grausamkeit. Da sagte sie: vergib mir, was ich Dir angetan habe. Ich erwiderte: ich sei es doch, der so bitten sollte. Sie sagte: versprich, an mich zu denken. Das tat ich. Sie sagte: küss mich. Das tat ich – doch ohne Leidenschaft. Barmherziger Gott. So trennten wir uns. Ich verbrachte die Nächte weinend in meinem Bett. War aber am Tage der Übliche, ausgelassener und witziger denn je, das war notwendig. Mein Bruder sagte zu mir: er werde zur Familie gehen und ihnen zeigen, dass ich kein Schurke sei. Ich

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sagte: wenn Du das machst, jage ich Dir eine Kugel durch den Kopf. Der beste Beweis dafür, wie tief mich die Sache beschäftigte. Ich reiste nach Berlin. Ich litt sehr viel. Jeden Tag dachte ich an sie. Bis heute habe ich es unbedingt eingehalten: jeden Tag mindestens ein Mal für sie zu beten, oft zwei Mal, über alles weitere Denken an sie hinaus. Als das Band zerriss, war mein Eindruck dieser: entweder stürzt Du Dich in wüste Zerstreuung – oder absolute Religiosität, von einer anderen Art als die Melange des Pfarrers. »Das Tagebuch des Verführers« ist ihretwegen geschrieben, um abzustoßen. Das Vorwort zu den zwei erbaulichen Reden ist für sie bestimmt, wie vieles Andere, das Datum des Buches, die Widmung an Vater. Auch im Buch selbst finden sich schwache Winke.o Sie hat es gelesen, das weiß ich von Sibbern. In Berlin war ich nur ein halbes Jahr. Für meine Reise angesetzt waren 1½ Jahre. Dass ich so rasch kam, musste ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In der Tat, sie suchte mich nach Mynsters Predigt am 1. Osterfeiertag. Ich ging ihr aus dem Weg, das geschah, um abzustoßen, damit sie sich nicht auf die Einbildung versteifte, ich hätte auf der Reise an sie gedacht. Außerdem hatte Sibbern mir gesagt, dass sie selbst gesagt habe, sie könne es nicht ertragen, mich zu sehen. Dies war, wie ich ja nun sah, unwahr; dass sie es aber nicht ertragen könne, mit mir zu sprechen, musste ich glauben. Die entscheidenden Schwünge in ihrem Leben hat sie übrigens doch wohl unter meinen Auspizien gemacht. Kurz vor der Verlobung mit Schlegel erblickte sie mich in einer Kirche. Ich ließ sie meinen Blick festhalten. Sie nickte zwei Mal. Ich schüttelte den Kopf. Das bedeutete, mich musst Du aufgeben. Da nickte sie wieder, und ich nickte so freundlich wie möglich, das bedeutete: meine Liebe behältst Du. Als sie sich dann mit Schlegel verlobt hatte, begegnete sie mir auf der Strasse, und grüßte so freundlich

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Aus dem Verhältnis wie ein Schurke, womöglich ein ausgemachter Schurke, herauszutreten, war das einzig Machbare, um sie flott zu machen und ihr Fahrt in eine Ehe zu geben; aber es war zugleich die ausgesuchte Galanterie. Bei meiner Behändigkeit wäre es wahrlich leicht genug gewesen, mich zu günstigeren Bedingungen zurückzuziehen. – Dass dieses Betragen Galanterie ist, hat der junge Msch. bei Constantin Constantius entwickelt und ich bin mit ihm darin einig.

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Nebenbei bemerkt. An dem Tag, an dem ich all meine Sachen u.s.w. von ihr erhielt, schrieb ich dem Etatsrat einen Brief, er wurde ungeöffnet zurückgesandt.

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»Das Tagebuch des Verführers« war allerdings darauf angelegt abzustoßen – und ich weiß wohl, was für Agonien ich anlässlich der Herausgabe durchlief, weil mein Gedanke wie meine Absicht war, die Erbitterung aller Mschen gegen mich aufzustacheln, etwas, das jedoch gänzlich misslang, insbesondere was das Publikum betrifft, das mich jubelnd empfing, was dazu beigetragen hat, meine Verachtung fürs Publikum zu vergrößern – insofern aber jemand an »sie« denken musste oder muss, wäre es zugleich die ausgesuchteste Galanterie, die sich überhaupt den-

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ken lässt. Von einem Verführer ausersehen zu sein, bedeutet für eine Frau, was es für eine Frucht bedeutet, dass der Vogel an ihr gepickt hat – denn der Vogel ist Kenner. Ein »Liebhaber« ist ja blind, sein Urteil also nicht objektiv, er sieht vielleicht Reize und Unterschiede, die es überhaupt nicht gibt. Ein Verführer aber ist Kenner. Und nun »der Verführer«, der absolute Kenner – und dann ein einziges Mädchen: das ist in Wahrheit die größte Galanterie, die sich denken lässt, doch zu tiefsinnig, um populär zu werden; es wäre nicht einmal eine größere Galanterie, jenes einzige Mädchen »den Verführer« bekehren zu lassen, denn im selben Augenblick wird er ja »Liebhaber«, blind, sein Urteil unzuverlässig. Was sind also die Lieder all jener Dichter, die die Geliebte geradewegs besungen und vergöttert haben – und selbst der »Liebhaber« waren, welche Zuverlässigkeit liegt in ihrer Lobrede. Nein, »der Verführer« – und dann ein einziges Mädchen! o

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darüber, aufzugeben, darüber, dass man den Geliebten nur verliert, wenn man ihn dazu bringt, gegen seine Überzeugung zu handeln.

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und einnehmend wie möglich. Ich verstand sie nicht, denn ich wusste damals nichts von der Verlobung. Ich sah sie bloß fragend an, und schüttelte den Kopf. Gewiss hat sie geglaubt, ich wüsste es, und meinen Beifall gesucht. An dem Tag, an dem für sie aufgeboten wurde, saß ich in der Frelsers Kirke.

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Nun ist der Etatsrat tot. Sie hofft doch womöglich darauf, mich wiederzusehen, auf ein Verhältnis zu mir, ein unschuldiges und liebevolles. Oh, das liebe Mädchen, ich würde sie weiß Gott lieber denn je zuvor sehen, mit ihr sprechen, sie erfreuen, wenn sie dessen bedarf, sie begeistern. Was gäbe ich nicht dafür, dass ich das dürfte, dass ich sie bei Lebzeiten mit dem Schmuck der historischen Berühmtheit zieren dürfte, der ihr sicher ist. Sie soll einen Rang einnehmen unter den Mädchen. Und wichtig ist, dass ich die Sache redigiere. Denn ihre Ehe wird sonst eine Misslichkeit, so dass ich leicht wie eine Satire wirke, ich, der unverheiratet blieb, während sie aus Liebe sterben wollte. Oh, wie würde es mich freuen, mit ihr zu sprechen; und wie besänftigend auch für mein Gottesverhältnis. In der Möglichkeit ist sie mir schwer; in der Wirklichkeit leicht. Doch ich wage es nicht. Sie hat mir ein Mal gezeigt, wie weit sie über die Grenze gehen kann. Eine Ehe bindet sie wahrlich nicht, wenn ihre Leidenschaft wieder Feuer fängt. Und gefährlich, gefährlich ist, dass gerade meine Sache so gut ist. Ja, wäre ich wirklich ein Schurke gewesen, dann wäre die Sache leichter. Ihr Verhältnis zu Schlegel ist keine Sicherheit. Gesetzt, sie hat in gewissem Sinne geschickt verstanden, dass dies die einzige Weise war, auf welche es möglich werden könnte, wieder ein Verhältnis zu mir zu bekommen; denn wäre sie unverheiratet geblieben, würde ja stets die Frage nach einer Ehe wieder aufkommen. Gesetzt, sie hat geglaubt, es sei mein Wille, dass sie Schlegel heiraten solle, dass ich deshalb in den zwei letzten Monaten so viel von ihm sprach und davon, dass sie ihn nehmen solle, wenn auch auf eine scherzende und nekkende Art. Und wohl wahr, das war meine Absicht und mein Wunsch. Doch in diesem Falle bin ich ihr ja wichtiger als das Verhältnis zu ihm. Lässt Gott sie auf die Idee kommen, selbst zu verlangen, dass ich mit ihr sprechen solle: so will ich es wagen. Mich freuen wird es, ja das ist gewiss. Doch nur in

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cfr irgendwo im Journal NB12 gegen Mitte.

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Und dies würde sie doch gewiss freuen: die Berühmtheit – sie, die einmal in ihrer frühesten Jugend wünschte, Schauspielerin zu werden, in der Welt zu glänzen; die Wiederherstellung der Ehre, sie, die doch so stolz war.

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Welche Freude für mich, sie erfreuen zu können, sie, die doch um meinetwillen so viel gelitten hat! Und wie schwer, auf diese Art ständig grausam bleiben zu müssen. Wie beinahe heimtükkisch, all das Meine zu tun, um sie in eine Ehe zu fangen, und sie dann darin sitzen zu lassen. Gesetzt, sie hat ihre Ehe als eine Möglichkeit verstanden für ein schwesterliches Verhältnis zu mir, in dem sie wohl eine rein intellektuelle Größe gesehen hat! Doch den Schritt zu wagen, kann ich nicht verantworten. Sie hat einmal gezeigt, dass sie sich über die Grenze wagen kann, und andererseits, durch die Heirat hat sie sich doch eigtl. emanzipiert.

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diesem Falle darf ich es wagen. Das Verhältnis wäre nun vollendet. ⎣Denn die Ehe ist mein Anstoß.⎦ Ein brüderliches Verhältnis zu ihr wäre mir eine große, große Freude!c 439

Ein Palisanderschränkchen habe ich selbst anfertigen lassen, während ich in der Nørregade im 1. Stock wohnte. Es ist der von mir angegebenen Konstruktion gemäß, und diese wiederum veranlasst durch ein Wort von ihr, der Lieben, in ihrer Not. Sie sagte, dass sie mir gern das ganze Leben lang dafür danken wolle, bei mir bleiben zu dürfen, wenn sie auch in einem kleinen Schrank wohnen müsse. Mit Rücksicht darauf ist er ohne Fächer ausgeführt. – In diesem findet sich alles sorgfältig verwahrt, alles, was an sie erinnert und sie an mich wird erinnern können. Dort findet sich auch ein Exemplar der Pseudonyme für sie; von ihnen wurden stets nur zwei VelinExemplare hergestellt, eines für sie und eines für mich. Unter meinen Papieren wird sich auch ein Brief finden, dazu bestimmt, nach meinem Tode geöffnet zu werden, der sie betrifft. Ihr und meinem verstorbenen Vater sollen die Bücher allesamt gewidmet sein: meinen Lehrmeistern, der edlen Weisheit eines Greises, und dem lieblichen Unverstand einer Frau.

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Wahrlich, die Sache der Religiosität, und insbesondere des Xstentums hat wohl einen allein lebenden Menschen nötig; aber was für eine weitläufige Geschichte mit meiner Erziehung, und wie eigentümlich dialektisch!

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Fällt es ihr jedoch nicht ein, dann muss ich es wohl aufgeben. Im Übrigen ist es seltsam, dass sie mich nicht so gut kennen gelernt hat, dass sich bei mir alles um die Verantwortung dreht. Deshalb hätte ich auch so gern gehabt, dass sie es gewesen wäre, die die Verlobung aufhob.

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Sie ist mit Schlegel nun wohl doch glücklich verheiratet; er hat sein Glück gemacht, das wird sie ermuntern als eine Zustimmung der Lenkung zu ihrer Verbindung. Mir steht die Welt in gewissem Sinne entgegen, vielleicht findet sie doch Sinn in der Erklärung, dass das ein wenig Strafe für mich ist. Indes, gerade der Widerstand der Welt könnte mir sehr wohl, gefährlich genug, in ihren Augen einen neuen Wert verleihen.

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Wenn denn wahr ist, was Jgf. Dencker mir erzählt hat (und Jgf. D. habe ich bisweilen so benutzt, um das sagen zu lassen, was ich gesagt haben wollte, alles im Hinblick darauf, ihre Ehe zu konsolidieren), dass sie gesagt hat: »sie sei eigentlich nicht darum wütend auf mich, weil ich die Verlobung aufgehoben habe; sondern wegen der Art, auf die ich es getan habe«, dann zeigt dies, dass sie doch in ziemlich hohem Grad etwas von jener weiblichen Vergesslichkeit hat, welche der Unmittelbarkeit eigen ist. Sie vergisst, dass sie 2 Monate vor dem Entscheidenden einen Scheidebrief erhielt und zwar in für mich möglichst demütigendem Ausdruck – gegen diese Art war ja doch wohl nichts einzuwenden. Dann aber war sie es, die, aus dem Unvermögen heraus, Schluss zu machen, so verzweifelt ausschlug, dass ich ein ganzes Alphabet mehr hervorziehen musste. Sie vergisst, dass sie selbst sagte, wenn ich sie davon überzeugen könne, dass ich ein Schurke sei, werde sie sich leicht in das Ganze finden. Und nun klagt sie über die Art, vermutlich »die schurkenhafte Art«. Und im Übrigen, wäre diese Art nicht gebraucht worden, dann wären wir wohl noch dabei, Schluss zu machen. Insofern mag es richtig sein, über »die Art« zu klagen, denn auf keine andere Art wäre es mir gelungen.

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In gewissem Sinne ist eine Frau doch ein schreckliches Wesen. Es gibt eine Form der Hingabe, die mein Wesen erschreckt, weil sie meinem Wesen so entgegengesetzt ist: das ist die weiblich-rücksichtslose weibliche Hingabe, schrecklich, weil Weiblichkeit eben in einem Sinne so stark in die Rücksicht eingebunden ist. Wird die jedoch gesprengt – und ist der andere Part außerdem ein Dialektiker mit einer schwermütigen Phantasie und schwerem religiösen Gepäck: das ist wahrhaft schrecklich.

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Und sicher ist auch, dass ich, falls nun ein Verhältnis zu ihr zustande käme, den Anfang unbedingt damit machen würde, mit ihr zu schimpfen. Um ihr zu helfen, habe ich mich in alles gefunden, ja alles gemacht, um in den Augen aller anderen den Anschein eines Schurken zu erwecken. Doch fürwahr, sie trägt eine große Verantwortung. Ihr Verdienst ist es nicht, dass ich nicht förmlich zur Desperation gebracht wurde. Und wie lieblich sie auch in ihrer Verzweiflung war, und wie bereitwillig, bereitwillig ich vergebe und vergesse, als wäre es nie geschehen: gesagt werden soll es ihr doch, falls das Verhältnis zustande kommen und Wahrheit darin sein sollte.

Was mich betrifft, so habe ich Folgendes gelernt, dass ich nicht wenig von einem Selbstquäler gehabt habe. Das wird sich nun wohl ändern.

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Was Cornelia anbelangt, so hat mich ihre Verlobung in gewissem Sinne betrübt. Sie war eine selten echte Weiblichkeit. Nur dieser eine Zug edler weiblicher Einfalt. Als alle Gescheiten leicht verstanden, dass ich ein Schurke sei, und jeder Gescheite sich damit schmeichelte, es vollkommen verstehen zu können: da sagte sie: ich kann Mag. K. nicht verstehen; aber ich glaube, er ist trotzdem ein guter Mensch. Wahrlich, ein gewaltiges Wort, das auch mir imponierte. Doch Cornelia gehört ideell mit zur Gruppe: Regine. Dort hätte sie bleiben sollen, und sie wäre dichterisch zu verewigen gewesen. Nun ist sie in dieser Hinsicht verloren. Regine sollte und musste heiraten. Dies ist das Einzige, was dichterisch wahr ist. Und wenn sie auch selbst zu mir sagen würde, dass sie es aus Erbitterung über mich getan habe u. desgl., dann würde ich sagen: Schnickschnack, was versteht so eine kleine Jungfer von dem, was sie tut. Du hast etwas ganz Außerordentliches getan, mir eine Wohltat erwiesen, mir gerade mit diesem Schritt geholfen. Und deshalb weiß ich, dass Du es aus Liebe zu mir getan hast, wenn Du auch behaup-

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ten würdest, daran niemals gedacht zu haben. Doch sag, stünde es Dir wohl an, kleinlich zu handeln, in albernem Frauenzimmer-Stil, oder glaubst Du, dass ich kleinlich denken kann. Das Kleinliche ist das Einzige, das ich nicht verstehen kann. Von einem Trampel historisch betrachtet, hat sie ein Faktum gegen sich: ihre Ehe. Meine Interpretation, die unbedingt die einzig wahre ist, macht sie zu dem, was sie ist: ein Plus. Sie nimmt im ersten Verhältnis einen Rang ein durch ihren Glauben: genug Weiblichkeit zu haben, um einem Menschen zu glauben, der in solcher Weise gegen sie handelte und in solcher Weise alles für sie verwirrte. Im zweiten Verhältnis nimmt sie dadurch einen Rang ein, dass sie den springenden Punkt richtig erfasst hat, dass sie zu heiraten hatte. Das ist es, was so leicht verkannt werden kann. So verstanden schmerzt es mich, dass ich ja nun im Vorteil bin, ich, der Unverheiratete, und dass ich sie nicht in ihr Recht werde setzen können durch meine Interpretation, dass sie gerade das zu tun hatte.

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, das reizende Kind,

Ihr Gedanke war gewiss dieser. Im Grunde mag er mich; er ist mit mir verlobt; ich liebe ihn nur allzu sehr: woher in aller Welt kommt dann diese Kollision, das muss ja Wahnsinn sein, eine Schwermut, die an Wahnsinn grenzt. Ergo setze ich alles darauf zu sprengen. Vortrefflich, weiblich durchaus wahr – dass es eine religiöse Kollision war, musste ihr zwangsläufig entgehen, die religiös überhaupt nicht entwickelt war und am allerwenigsten dazu, diese Art religiöser Kollisionen zu ahnen. Alles ist vorzüglich und sie ist groß durch die weibliche Unerschrockenheit, mit welcher sie anzustürmen wagt. Außerdem hatte sie ja in gewisser Weise meinen eigenen Wink, was das angeht. Ich wusste, sollte sie mir ordentlich gefährlich werden, wie sie es verdiente, die Liebe, sollte mir die Sache den höchsten Preis abfordern, dann müsste sie darauf achten, mit Hilfe der Hingabe zu streiten. Das hat sie getana, und meisterlich qua Frau. Was mich betrifft, so ist es das Gesetz meines ganzen Lebens, es wiederholt sich an all den entscheidenden Punkten: wie jener General, der selbst kommandierte, als er erschossen wurde, so habe ich immer selbst kommandiert, wenn ich verwundet werden sollte. Das Gefecht selbst aber, das sie auszuführen hatte, war großen Stils und bewundernswürdig. Ich gab ihr gewissermaßen den Bogen in die Hand, ich legte selbst den Pfeil darauf, zeigte ihr, wie sie zu zielen habe – mein Gedanke war – und das war Liebe – entweder werde ich Dein, oder Du sollst mich so tief verwunden dürfen, mich in meiner Schwermut und in meinem Gottes-Verhältnis verwunden, so tief, dass ich, obgleich von Dir getrennt, doch Dein bleibe. Doch was für ein Muster unglücklicher Liebe! Es ist nicht wie z.B. bei Goethes Friederike, die jede Ehe ablehnt, weil es einem Mädchen genügen muss, Goethe geliebt zu haben. Gerade umgekehrt wird mein Leben sie akzentuieren. Und ich tue alles, alles, um sie zu verheiraten.

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Eine solche Kollision ist undenkbar, wenn sie nicht eine religiöse Kollision ist. Denn wäre es mein Stolz u. desgl., meine Genusssucht u. desgl., dann würde mein Leben doch unmöglich zum Ausdruck bringen können, dass ich sie als die Einzige akzentuiere. Sie heiratet – und nun ist das Verhältnis gänzlich normal.

Über sie ista nichts zu sagen, nicht ein Wort, nicht ein einziges, es sei denn ihr zu Preis und Ehre. Es war ein reizendes Kind, ein liebliches Wesen, recht wie geschaffen dafür, dass eine Schwermut wie die meine ihre einzige Freude daran hätte haben können, sie zu bezaubern. Reizend war sie, als ich sie zum ersten Mal sah, lieblich, lieblich fürwahr in ihrer Hingabe, rührend, im edlen Sinne rührend in ihrer Sorge, nicht ohne Hoheit im letzten Augenblick der Trennung, kindlich zuerst und zuletzt; undb Eines fand ich immer bei ihr, Eines, das mir für die ewige Lobrede genügen würde: Schweigsamkeit und Innerlichkeit; und eine Macht hatte sie: einen anbetenden Blick, wenn sie flehte, der Steine rühren könnte; und glückselig war es, ihr das Leben zu verzaubern, glückselig, ihre unbeschreibliche Glückseligkeit zu sehen. Ein himmelschreiendes Unrecht ist ihr widerfahren, indem sie herausgerissen wurde ins Verhältnis zu mir, in grauenhafte Auftritte, die wie darauf angelegt waren, den Eindruck von ihr gänzlich zunichte zu machen. Gott vergebe mir! Ich musste sie kränken, und verlassen, ich musste in den zwei letzten Monaten zuerst grausam sein, um ihr wenn möglich zu helfen. Dies war doch vielleicht für mich am schwersten. Ich musste diese Grausamkeit fortsetzen, in Wahrheit in der redlichsten Absicht. Sie hat seinerzeit gewiss unbeschreiblich gelitten; möge sie mir vergeben! Die Geliebte war sie. Mein Dasein soll ihr Leben unbedingt akzentuieren, meine schriftstellerische Tätig-

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, besonders von dem Augenblick an, da ihr Übermut sich in Hingabe verklärte,

b trotz des gescheiten kleinen Kopfesa

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Anm. Ihr verdankt sich die Erzählung von einem Mädchen und einem Burschen, die über ein anderes Mädchen sprachen, das mit seinem Geliebten gebrochen hatte, und sie fügte hinzu: das war sonderbar, denn er hatte so gute Kleider. – Auch erzählte sie die Geschichte von Frau Munter, die mit Pollon davonlief, dass sie selbst zu ihrem Mann hineingegangen sei und gesagt habe: ja, ich kann es Dir wohl ebenso gut selbst sagen: ich bin mit Pollon verheiratet.

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keit auch als ein Monument zu ihrem Ruhm und ihrer Ehre betrachtet werden können. Ich nehme sie mit in die Geschichte. Und ich, der schwermütig nur einen Wunsch hatte, sie zu bezaubern: dort ist es mir nicht verwehrt; dort gehe ich an ihrer Seite; wie ein Zeremonienmeister führe ich sie im Triumph und sage: bitte ein wenig Platz zu machen für sie, für »unsere eigene liebe, kleine Regine.«

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Anm. Dies war denn auch eigentlich ihre Meinung, denn mehrere Male sagte sie, es sei mein Stolz, der daran schuld sei, dass ich sie verlassen wolle. Auch sagte sie, dass ich doch eigentlich nicht gut sei, dass sie es aber trotzdem nicht sein lassen könne, mich zu lieben und darum zu bitten, bei mir bleiben zu dürfen.

Ich habe Gott einst um sie gebeten, wie um eine Gabe, die allerliebste; ich habe auch in Augenblicken, wenn ich die Möglichkeit, eine Ehe zu realisieren, erblickte, Gott für sie gedankt wie für ein Gabe; ich habe sie später als Gottes Strafe über mich betrachten müssen: doch immer habe ich sie auf Gott bezogen, daran redlich festgehalten, auch dann, wenn sie alles tat, um mich meine Überlegenheit verzweifelt fühlen zu lassen. Und wahrlich, Gott straft fürchterlich! Für ein belastetes Gewissen welch grauenvolle Strafe! Dieses reizende Kind in seiner Hand zu halten, ihr das Leben verzaubern zu können, ihre unbeschreibliche Glückseligkeit zu sehen, des Schwermütigen höchstes Glück – und dann diese richtende Stimme in seinem Inneren zu vernehmen »Du musst sie loslassen«, das ist Deine Strafe, und sie soll verschärft werden durch den Anblick all ihrer Leiden, verschärft werden durch ihre Bitten und Tränen, sie, die nicht ahnt, dass es Deine Strafe ist, sondern glaubt, dass es Deine Hartherzigkeit ist,a die es zu erweichen gilt. Der Inhalt jenes Verlobungsjahres war für mich eigentlich: qualvolle Überlegungen eines geängstigten Gewissens, darfst Du Dich verloben, darfst Du heiraten – ach, und unterdessen ging sie, das reizende Kind, an meiner Seite und war – die Verlobte! Ich war alt wie ein Greis, sie jung wie ein Kind, doch hatte ich – ach, beinah umso schlimmer – das Vermögen, sie zu bezaubern, und wenn ich einen Hoffnungsschimmer erblickte, konnte ich mir die Freude, sie zu bezaubern,

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nicht versagen.b Doch das Verhältnis musste gebrochen werden, und ich musste grausam sein, um ihr zu helfen – sieh, das ist »Furcht und Zittern.« Das Verhältnis wird so fürchterlich, dass zuletzt das Erotische wie nicht vorhanden ist, weil das Entsetzen das Verhältnis unter andere Kategorien führt. Ich war in solchem Maße ein Greis, dass sie wie ein geliebtes Kind wurde, fast gleichgültig welchen Geschlechts. Sieh, das ist »Furcht und Zittern«. Und ich wage zu behaupten, dass ich die Ehe inniger als sie gewünscht habe; sie hätte für mich (gleich jenen Dämonen im Märchen), in bloß menschlichem Sinne, meine Erlösung bedeutet. Aber ach, ich durfte nicht in den Hafen kommen, ich sollte auf eine andere Weise gebraucht werden. Es war deshalb ein rätselhaftes Wort von ihr, ein Wort, das sie nicht verstand, ich dafür umso besser, als sie in ihrer Not einmal sagte: Du kannst doch nicht wissen, ob es nicht gut für Dich selbst sein könnte, wenn mir bei Dir zu bleiben erlaubt würde. Sieh, das ist Furcht und Zittern.

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die lieblich Kind war, stets Kind blieb, und trotz allem, was sie gelitten hatte, wie ein Kind war, als wir uns trennten.

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»ihr«] Regine Olsen (f 471,2 und f 471,22).

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Infandum me jubes, Regina, renovare dolorem] lat., ›Unsagbaren Schmerz, o Königin, heißt du mich erneuern‹. Leicht geändertes Zitat aus Vergils (70-19 v. Chr.) Aeneis, 2. Gesang, v. 3, der im Original lautet: »Infandum, Regina, iubes renouare dolorem«, P. Virgilii Maronis opera, hg. von J. Baden, Bd. 1-2, Kph. 1778-1780; Bd. 1, p. 366 [»Unaussprechlichen Gram, o Königin, soll ich erneuern«, Des Publius Virgilius Maro Werke, übers. von J.H. Voss, Bd. 1-3, dritte Ausgabe, Braunschweig 1822; Bd. 2, p. 57]. Cf. Virgils Æneide, übers. von J.H. Schønheyder, Bd. 1-2, Kph. 1812; Bd. 1, p. 51, wo das Zitat wie folgt wiedergegeben ist: »Unævnlig Smerte byder du, o Dronning! / mig at fornye« [Unaussprechlichen Schmerz gebietest du, o Königin! / mir zu erneuern]. SK hat das Zitat zuvor in NB3:43 verwendet, cf. SKS 20, 268.

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die Replik über mich … dass Du Jesuit wirst] Regines Replik ist Gerichtsrat Wilhelm in den Mund gelegt, der seinem ästhetischen Freund im zweiten Teil von Entweder – Oder bescheinigt: »Klug bist Du, das kann man Dir nicht abstreiten, und es hat Wahrheit, was ein junges Mädchen von Dir sagte, dass Du vermutlich damit enden werdest, Jesuit zu werden«, SKS 3, 223,1 / GW1 EO2, 248; cf. NB5:127 aus dem Frühsommer 1848 (SKS 20, 421), wo SK Regines Replik eine etwas andere Bedeutung verleiht. Der Spanier Ignatius von Loyola gründete 1534 den Jesuitenorden, dem die Maxime ›der Zweck heiligt die Mittel‹ nachgesagt wurde. Regine] Regine Olsen (1822-1904) war mit SK vom 10. September 1840 bis zum 11. oder 18. Oktober 1841 verlobt (f 474,5). Ich sah sie zuerst bei Rørdams] Cathrine Georgia Rørdam (1777-1842), Witwe des Probstes Thomas Schatt Rørdam (gest. 1831), wohnte in Frederiksberg zusammen mit dem Sohn cand.

theol. Peter Rørdam und den drei Töchtern, deren jüngste Bolette hieß (s. folgenden Kom.). SK begegnete Regine vermutlich das erste Mal bei einem Besuch der Familie im Frühling 1837. Bollette Rørdam] Bolette Christine Rørdam (1815-1887), verlobt mit cand. theol. Peter Købke (gest. 1839), 1841-1850 Hausverwalterin ihres Bruders Peter Rørdam, 1857 Heirat mit Pfarrer N.L. Feilberg. mein Vater starb] Michael Pedersen Kierkegaard starb am 9. August 1838 im Alter von 81 Jahren. Seine letzten Stunden sind geschildert im Tagebuch des Sohnes Peter Christian Kierkegaard, NKS 2656, 4º, Bd. 1, pp. 100f. Ich lernte fürs Examen] SK intensivierte seine theol. Studien nach dem Tod des Vaters, cf. JJ:297, wo SK in Bezug auf die theol. Dienstprüfung schreibt, »hätte Vater weitergelebt, hätte ich sie nie bekommen«, SKS 18, 234 / DSKE 2, 241f. Im Sommer 40 legte ich die theol. Dienstprüfung ab] SK wurde am 3. Juli 1840 aufgrund des bestandenen Examens theol. Kandidat. Ich reiste nach Jütland] SK trat seine Jütlandreise am Samstag, den 18. Juli 1840 an, cf. Not6:1 in SKS 19, 191,3 / DSKE 3, 203,3, samt Kom. Im Aug. kam ich zurück] SK war am 7. oder 8. August 1840 wieder in Kopenhagen, cf. Not6:35 in SKS 19, 202,27 / DSKE 3, 216,22, samt Kom. direkt vor ihrem Haus] Regine wohnte bei ihren Eltern in Nye-Børs (Matrikelnr. 66) in einem mittlerweile abgerissenen Etagenhaus, das man »De sex Søstre« [Die sechs Schwestern] nannte, zw. Börse und Knippelsbro (s. Karte 2, C3). Laut Volkszählung vom 1. Februar 1840 bewohnte Familie Olsen den ersten Stock des Hauses, und deren Haushalt ist wie folgt registriert: »Terkild Olsen, 57, verheiratet, Justizrat und Kgl. Buchhalter / Regina Malling, 62, dto., Seine Gattin / Maria Dorothea Frederike Olsen, 31, ledig, Deren Tochter / Olivia Christiane Olsen, 29, ledig, Deren Tochter / Oluf Christian Olsen, 26, ledig, Deren Sohn, Student / Jonas Christian Olsen, 24,

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ledig, Deren Sohn, Student / Cornelia Olsen, 23, ledig, Deren Tochter / Regina Olsen, 19, ledig, Deren Tochter / Kirstine Michelsen, 35, ledig, Dienstmädchen«. einem Verhältnis zu Schlegel] Johan Frederik Schlegel (1817-1896), 1833 Student, 1838 cand. jur., arbeitete zeitweilig als Hauslehrer bei Familie Olsen und fasste dort Zuneigung zu Regine. Schlegel trat 1842 als Volontär in das Handelsund Konsulatskontor des Generalzollkammerund Commercekollegiums ein, wurde dort 1847 Oberregierungsrat, im darauffolgenden Jahr »Chef des Kolonialkontors«, 1854 schließlich Gouverneur der dänisch-westindischen Inseln, wo er u.a. die administrative Bewältigung der Aufgaben leitete, die sich aus der Befreiung der Sklaven 1848 ergeben hatten. Parenthese] Es folgt der von SK gestrichene Ansatz zu einer Erklärung: », nemlig at mit Forhold til mig, skjøndt vi aldrig saaledes havde tilnærmet os« [, dass nämlich mein Verhältnis zu mir, obgleich wir einander niemals auf diese Weise angenähert hatten]. In den späteren Journalen … Bemerkung über sie] cf. die Journale NB7, zu Anfang datiert auf den 21. August 1848 (NB7:10 und NB7:20 in SKS 21, 80f. bzw. 86f. / T 3, 68f. bzw. 70-72), NB9, zu Anfang datiert auf den 2. Januar 1849 (NB9:24 in SKS 21, 211-213) und NB10, zu Anfang datiert auf den 9. Februar 1849 (NB10:121 in SKS 21, 318f.). zum Etatsrat hinauf] d.h. hinauf zu Regines Vater, Terkild Olsen (1784-1849), der Chef der Rechnungskammer im Finanzdepartement war, die sich im ersten Stock des Bürogebäudes an der Ecke von Börse und Schloss Christiansborg befand (s. Karte 2, B3). – Etatsrat: eigtl. ›wirklicher Etatsrat‹, ein Titel, der laut Rangverordnung vom 14. Oktober 1746 in der 3. Klasse (von insgesamt neun) als Nr. 3 rangierte; 1840 nahm Terkild Olsen jedoch erst den Rang eines ›wirklichen Justizrats‹ ein, der in der 4. Klasse als Nr. 3 erscheint. Cf. z.B. »Titulaturer til Rangspersoner i alfabetisk Orden« in C. Bartholin Almindelig Brev- og Formularbog Bd. 1-2, Kph. 1844, Ktl. 933; Bd. 1, pp. 49-56. vita ante acta] lat., ›Leben vor den Ereignissen‹, ›vorheriges Leben‹.

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dass sie einmal erklärte, sie habe mich aus Mitleid genommen] Eine entsprechende Erklärung gibt die junge Frau in »›Schuldig?‹ – ›NichtSchuldig?‹« in Stadien auf des Lebens Weg, SKS 6, 249,7-9 / GW1 SLW 282. Das Billet findet sich wörtlich in »dem psychologischen Experiment«] cf. »›Schuldig?‹ – ›Nicht-Schuldig?‹« in Stadien auf des Lebens Weg, SKS 6, 173-454 / GW1 SLW 195-525, wo der Inhalt des Billets so wiedergegeben ist: »Um nicht noch des Öfteren die Probe auf etwas zu machen, das doch geschehen muss, und das, wenn es geschehen ist, wohl Kräfte, so wie sie nötig sind, geben wird: so lass es geschehen sein. Vergiss vor allem den, der dies hier schreibt; vergib einem Menschen, welcher, ob er gleich etwas vermochte, doch nicht vermochte, ein Mädchen glücklich zu machen«, SKS 6, 307,3-7 / GW1 SLW 349f. SKs ursprüngliches Billet an Regine ist nicht erhalten. Sie überschreitet in weiblicher Verzweiflung die Grenze] SK spielt vermutlich darauf an, dass Regine nach Erhalt des Billets und des Ringes am 11. August 1841 eine Aussprache mit ihm in seiner Wohnung in der Nørregade (f 478,6) suchte; cf. die Aufzeichnung »Mein Verhältnis zu ihr«, die um den 1. September 1849 entstanden ist, in Journal NB12: »Anstatt die Sache nun entschieden sein zu lassen, geht sie in meiner Abwesenheit auf mein Zimmer und schreibt mir ein ganz und gar verzweifeltes Billet, in dem sie mich um Jesu Christi willen und beim Andenken meines verstorbenen Vaters beschwört, sie nicht zu verlassen« (in NB12:122 in SKS 22, 216 / cf. GW1 B 22). dass man durchs Heiraten fett wird] Die angegebene Replik ist einem namenlosen Mann in »›Schuldig?‹ – ›Nicht-Schuldig?‹« in den Mund gelegt, SKS 6, 344,33 / GW1 SLW 394. Die Replik: dass man eine Verlobung … Ihre Replik: ich glaube eigtl., Du bist verrückt] Beide Repliken finden sich in »›Schuldig?‹ – ›Nicht-Schuldig?‹«, SKS 6, 357f. / GW1 SLW 409. Dann ging es entzwei, ungefähr zwei Monate später] SK hob die Verlobung mit Regine endgültig am 11. oder 18. Oktober 1841 auf (s. folgenden Kom.), cf. NB12:122 in SKS 22, 216f. / GW1 B 21f.

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Theater … Emil Boesen treffen] Emil Ferdinand Boesen (1812-1881), 1829 Student, 1834 cand. theol., Lehrer an v. Westens Schule bis 1849, danach residierender Hilfsgeistlicher in Horsens und ab 1863 Stiftsprobst in Århus. Boesen war SKs bester Freund seit frühester Jugend. »An welchem Datum ich die Verlobung aufhob«, schreibt SK im November 1849, »weiß ich nicht«, aber nach einer Rekonstruktion »der unmittelbaren Umstände« meint er, dass der Bruch am »11. oder 18. Oktober« erfolgt sein muss. Als einen dieser »Umstände« führt er an, dass am betreffenden Tag »abends im Theater: die weiße Dame gegeben wurde, und ich dort war, um einen zu suchen, mit dem ich reden musste« (B&A Bd. 1, p. 264). Das Schauspiel Die weiße Dame wurde am 12. und 18. Oktober 1841 am Königlichen Theater in Kopenhagen aufgeführt. Wenn SK die Erinnerung nicht trügt und eben dieses Stück am Tag der Auflösung der Verlobung gespielt wurde, kann das Datum nur der 18. Oktober sein. Mein Bruder] Peter Christian Kierkegaard (1805-1888), erwarb 1836 das theol. Lizentiat, ab 1842 Gemeindepfarrer in Pedersborg und Kindertofte bei Sorø. Sie zog einen kleinen Zettel hervor, auf dem ein Wort von mir stand] Der Wortlaut des Zettels ist nicht überliefert. dass ich kommen werde wie Wilhelm in Lenore] SK verweist auf die Ballade Lenore (1774) des dt. Dichters Gottfried August Bürger (1747-1794), cf. z.B. Bürgers Gedichte, Gotha 1828, pp. 48-57. Darin erscheint der gefallene Soldat Wilhelm in später Nacht seiner Braut Lenore, die über das Ausbleiben ihres Bräutigams an Gott verzweifelte, um mit ihr in gespenstischem Ritt dem Hochzeitsfest zuzueilen, das sich als ›Totentanz‹ erweist. Ich reiste nach Berlin] SK begann seine Reise nach Berlin am 25. Oktober 1841 und kam am 6. März 1842 nach Kopenhagen zurück, cf. Not8:2 in SKS 19, 225,21 / DSKE 3, 241,25, samt Kom. »Das Tagebuch des Verführers« ist ihretwegen geschrieben] In einer undatierten Aufzeichnung in Journal NB10 von 1849 schreibt SK: »das ›Tagebuch des Verführers‹ habe ich geschrieben um

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ihretwillen, um sie aus dem Verhältnis herauszubekommen« (NB10:185 in SKS 22, 352-355 / cf. GW1, 33. Abt. [Anlagen], 168). Dieses Verständnis des ›Tagebuchs‹ als eines frommen Betrugs an Regine wird wiederholt auf einem losen Zettel, datiert auf den 13. Oktober 1853, mit der Formulierung: »das ›Tagebuch des Verführers‹ sollte ja abstoßen, oder wie es in ›Furcht und Zittern‹ heißt ›wenn das Kind entwöhnt werden soll, dann schwärzt die Mutter ihre Brust‹« (NB28:54 in SKS 25, 257-260, hier 257). Das Vorwort zu den zwei erbaulichen Reden ist für sie bestimmt] cf. das Vorwort zu Zwei erbauliche Reden (Kph. 1843), SKS 5, 13 / GW1, 2R43, 381; s. ferner den diesbezüglichen Kom. in SKS K5, 35. das Datum des Buches, die Widmung an Vater] Das Vorwort ist datiert auf den 5. Mai 1843, SKs 30. Geburtstag (cf. SKS 5, 13 / GW1, 2R43, 381), während die Reden SKs Vater, Michael Pedersen Kierkegaard, gewidmet sind (cf. SKS 5, 11 / GW1, 2R43, 380). In Berlin war ich nur ein halbes Jahr] SK verbrachte ca. viereinhalb Monate in Berlin f 475,4. nach Mynsters Predigt am 1. Osterfeiertag] Jakob Peter Mynster (1775-1854), ab 1834 Bischof von Seeland, predigte am Ostersonntag, dem 27. März 1842, beim Abendgottesdienst in der Vor Frue Kirke, cf. Kjøbenhavns kongelig alene privilegerede Adressecomptoirs Efterretninger (in der Alltagssprache Adresseavisen [Anzeigenblatt] genannt) vom 26. März 1842, Nr. 71. Kurz vor der Verlobung mit Schlegel erblickte sie mich in einer Kirche] Am 16. April 1843, dem Ostersonntag, predigte Bischof Mynster beim Abendgottesdienst in der Vor Frue Kirke (s. Karte 2, B1). SK gibt in JJ:107, SKS 18, 174f. / DSKE 2, 179f., eine ausführliche Darstellung der Episode. Dass dieses Betragen … hat der junge Msch. bei Constantin Constantius entwickelt] SK verweist hier auf Die Wiederholung. Ein Versuch in der experimentierenden Psychologie von Constantin Constantius, erschienen am 16. Oktober 1843. In diesem Buch trifft Constantin Constantius mit einem jungen Menschen zusammen, der sich Hals über Kopf in ein Mädchen verliebt hat; die Verliebtheit setzt derart ungestüme künstlerische

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Kräfte in ihm frei, dass das konkrete Mädchen fast hinderlich ist. Da sich der junge Mensch jedoch nicht dazu durchringen kann, dem Mädchen »die Verwechslung zu erklären, dass sie bloß die sichtbare Gestalt sei, indessen sein Denken, seine Seele etwas andres suche, das er auf sie übertrage« (SKS 4, 18,33-35 / cf. GW1 W 14), schlägt ihm Constantin Constantius die Anwendung folgender Methode vor: »Machen Sie alles zunichte, verwandeln Sie sich in einen verächtlichen Menschen, der bloß seine Freude daran hat zu foppen und zu täuschen. […] Sehen Sie zuerst einmal zu, dass Sie ihr womöglich ein bisschen ungemütlich werden. Necken Sie sie nicht, das erhitzt. Nein! seien Sie unstet, geschwätzig, tun Sie den einen Tag das eine, den andern etwas andres, doch ohne Leidenschaft, in vollkommenem Schlendrian […]. Bekunden Sie statt aller Lust der Liebe in einem fort eine gewisse widerliche Quasi-Liebe, die weder Gleichgültigkeit noch Begehren ist; lassen Sie Ihr ganzes Auftreten ebenso ungemütlich sein, wie wenn man einen Mann sabbern sieht«, SKS 4, 19,16-33 / cf. GW1 W 14f. An dem Tag, an dem ich] Der Brief ist nicht erhalten und sein Inhalt auch nicht auf andere Weise überliefert. dem Etatsrat] d.h. Regines Vater f 472,2. etwas, das jedoch gänzlich misslang] SK verweist hier vermutlich auf den Umstand, dass Entweder – Oder nicht zuletzt wegen des »Tagebuchs des Verführers« ein Publikumserfolg wurde, cf. den editorischen Bericht, SKS K2-3, 61. An dem Tag, an dem für sie aufgeboten wurde, saß ich in der Frelsers Kirke] Es ist nicht bekannt, wann für Regine Olsen und Johan Frederik Schlegel aufgeboten wurde, doch wurden sie am 3. November 1847 in der Vor Frelsers Kirke [Erlöserkirche] in Christianshavn (s. Karte 2, C4) getraut. Nun ist der Etatsrat tot] Am 29. Juni 1849 erschien in Adresseavisen Nr. 150 folgende Todesanzeige: »In der Nacht vom 25. auf den 26. dieses Monats hat der Herr nach 40 Jahren Ehe meinen geliebten Mann, den Vater meiner 6 Kinder, Terkild Olsen abberufen, Etatsrat und Ritter des

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Dannebrog. / Regina Olsen, geborene Malling.« Cf. NB12:28.a in SKS 22, 160 / T 3, 268. einen Rang einnehmen unter den Mädchen] cf. Lk 1,42. sie aus Liebe sterben wollte] Als SK die Verlobung auflöste (f 474,5), soll Regine angeblich ausgerufen haben, dass dies ihr Tod sein werde, was SK als Ausdruck dafür deutete, dass er nun einen Mord auf seinem Gewissen habe, cf. NB:210 vom Mai 1847 in SKS 20, 122f. / T 2, 98. Sie hat mir ein Mal gezeigt, wie weit sie über die Grenze gehen kann] f 473,34. cfr irgendwo im Journal NB12 gegen Mitte] cf. in Journal NB12, zu Anfang datiert auf den 19. Juli 1849, NB12:105 in SKS 22, 201f. wünschte, Schauspielerin zu werden] cf. JJ:115, wo SK Regines Wunsch erwähnt, »Theaterprinzessin« zu werden, SKS 18, 178,7 / DSKE 2, 183,29.

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Schlegel … hat sein Glück gemacht] J.F. Schlegel (f 471,35) wurde am 29. Dezember 1848 im Finanzministerium »Chef des Kolonialkontors«, cf. das Journal NB9, zu Anfang datiert auf den 2. Januar 1849, NB9:24 in SKS 21, 211-213.

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was Jgf. Dencker mir erzählt hat] Elise Dencker war Haushälterin von Johan Christian Lund, der an der Ecke von Købmagergade und Klareboderne wohnte (s. Karte 2, C2) und der von 1824 bis zu ihrem Tod 1832 mit SKs Schwester Nicoline Christine verheiratet war. In der Volkszählung vom 1. Februar 1845 ist Elise Dencker registriert als 44 Jahre alte ledige »Hausjungfer«, geboren in Eckernförde. Sie galt als streng und

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während ich in der Nørregade im 1. Stock wohnte] SK wohnte von April oder Oktober 1840 bis Oktober 1844 in der Nørregade, Matrikelnr. 230 A (heutige Nr. 38). Velin-Exemplare] auf ein glattes, pergamentartiges Papier (das als edles Briefpapier oder zum exklusiven Buchdruck verwendet wurde) gedruckte Bücher. ein Brief … dazu bestimmt, nach meinem Tode geöffnet zu werden, der sie betrifft] cf. B&A Bd. 1, p. 25 / GW1 B 265.

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schwierig, welches Verhältnis sie aber zu Regine hatte, ist nicht bekannt. – Jgf.: Jungfer. dass sie 2 Monate vor dem Entscheidenden einen Scheidebrief erhielt] (f 473,26). ein ganzes Alphabet mehr hervorziehen] spielt vermutlich an auf den Setzer und seinen Gebrauch verschiedener Schrifttypen. Was Cornelia anbelangt, so hat mich ihre Verlobung in gewissem Sinne betrübt] Cornelia Olsen (1818-1901), Regines ältere Schwester, heiratete am 6. November 1849 Frederik Emil Winning, wann sie sich aber verlobte, konnte nicht geklärt werden. Cf. im Übrigen JJ:300: »Unter dem Titel Privatissima und so zart als möglich gehalten, hätte ich Lust, eine weibliche Figur zu zeichnen, die eben durch ihre liebenswerte bescheidene schüchterne Resignation groß wäre (z.B. eine etwas idealisierte Cornelia Olsen, die vortrefflichste weibliche Figur, die ich gekannt habe, und die einzige, die mir Bewunderung abgenötigt hat). Sie sollte erleben, dass die Schwester mit dem verheiratet sei, den sie selbst liebte. Dies ist die Kollision für Resignation.«, SKS 18, 234f. / DSKE 2, 242f. Bilanz] SKs Überschrift, dän. »Opgjørelse«, büßt in der Übersetzung mit »Abschluss«, »Abrechnung« o.ä. heute leicht ihre ökonomische Hauptbedeutung ein. ihr … die religiös überhaupt nicht entwickelt war] Zur religiösen Entwicklung Regines hat SK laut eigener Aussage in JJ:145 »ihr einmal die Woche Mynsters Predigten vorgelesen«, SKS 18, 187,31 / DSKE 2, 194,7. jener General, der selbst kommandierte, als er erschossen wurde] Auf welchen General SK verweist, war nicht festzustellen. Goethes Friederike … Goethe geliebt zu haben] Friederike Brion (1752-1813), Pfarrerstochter aus Sesenheim bei Straßburg, hatte von Oktober 1770 bis August 1771 eine Liebschaft mit Johann Wolfgang Goethe (1749-1832). Goethe schildert das Verhältnis im 10., 11. und 12. Buch von Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, cf. Goethe’s Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand Bd. 1-60, Stuttgart und Tübingen 1828-1842, Ktl. 1641-1668 (Bd. 1-55); Bd. 25-26, 1829, insb. Bd. 26,

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pp. 80-84 und pp. 118-121. Das Verhältnis endete auf Goethes Veranlassung, als er nach Abschluss des Studiums Straßburg verließ. Friederike blieb danach ihr Leben lang allein stehend. als ich sie zum ersten Mal sah] (f 471,2). Ihr verdankt sich die Erzählung von einem Mädchen und einem Burschen] nicht nachgewiesen. Frau Munter, die mit Pollon davonlief] nicht nachgewiesen. »unsere eigene liebe, kleine Regine.«] SK zitiert sich hier selbst, da er Regine in einem an sie gerichteten undatierten Brief aus der Anfangszeit der Verlobung »Unsere eigene kleine Regine« nennt, B&A Bd. 1, p. 47 / GW1 B 23. Als sich SK im Herbst 1849 mit dem Gedanken trägt, Regine in Briefform einige der Gründe für das Scheitern der Verlobung zu eröffnen, verwendet er wiederum den Ausdruck »›unsere eigene liebe kleine Regine‹«, B&A Bd. 1, p. 254.

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sieh, das ist »Furcht und Zittern.«] cf. Phil 2,12; cf. ferner I Kor 2,3; II Kor 7,15; Eph 6,5. SK verbindet hier offensichtlich seine eigene erotische Krise sehr eng mit Themen des Werks Furcht und Zittern von 1843. gleich jenen Dämonen im Märchen] SK verweist hier vermutlich auf seine dämonischen Variationen über die Erzählung von Agnete und dem Wassermann in Furcht und Zittern, cf. SKS 4, 183-191 / GW1 FZ 106-116. Das Motiv gewinnt an persönlicher Relevanz in JJ:120, wo SK die ersten Skizzen zum besagten Werk entwirft, cf. SKS 18, 180 / DSKE 2, 185f.

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K om mentar zu N oti zbu c h 15 : 9-15 · 1849

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